Kollektive Sicherung bei Krankheit und Tod: Fallstudien zum frühneuzeitlichen Zunfthandwerk in städtischen Zentren Sachsens (Chemnitz, Dresden, Leipzig und Zwickau) 351510402X, 9783515104029

Von jeher versuchen Menschen, sozialen Grundrisiken wie Krankheit oder Tod durch kollektive Sicherungsmaßnahmen zu begeg

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Table of contents :
INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT
1. VORBEMERKUNG
2. EINLEITUNG
2.1 AKTUALITÄT, FRAGESTELLUNG UND KONZEPTION
2.2 SACHLICHE, RÄUMLICHE UND ZEITLICHE RAHMENSETZUNGEN
2.3 DIE ENTWICKLUNG DER HANDWERKSGESCHICHTSSCHREIBUNG
2.4 QUELLEN UND METHODE
3. DAS UNTERSUCHUNGSFELD
3.1 DAS ORGANISIERTE HANDWERK IN DER FRÜHEN NEUZEIT
3.2 ALLGEMEINE ÖKONOMISCHE ENTWICKLUNGEN
3.3 SOZIALE SICHERUNG AUSSERHALB DER HANDWERKSORGANISATIONEN
4. KRANKENUNTERSTÜTZUNG DURCH HANDWERKSZÜNFTE UND GESELLENSCHAFTEN
4.1 VARIANTEN DES KRANKENUNTERSTÜTZUNGSWESENS IM HANDWERK
4.2 RELATIVITÄT VON KRANKHEIT UND GESUNDHEIT
4.3 UNTERSTÜTZUNGSWÜRDIGE KRANKE
4.4 FINANZIELLE UNTERSTÜTZUNGEN
4.5 KRANKENPFLEGE
4.6 WEITERE HILFSMASSNAHMEN IM KRANKHEITSFALL
4.7 ORGANISATION UND FINANZIERUNG
4.8 GRENZEN DER KRANKENUNTERSTÜTZUNG
4.9 GEDANKEN ZUR MOTIVATION
4.10 ZUSAMMENFASSUNG UND BEWERTUNG ALS SOZIALE SICHERUNGSFORM
5. BEGRÄBNISWESEN IN DEN HANDWERKSZÜNFTEN UND GESELLENSCHAFTEN
5.1 VON DER BRUDERSCHAFT ZUR STERBEGELDVERSICHERUNG
5.2 RELIGIÖSE BRUDERSCHAFTEN IN DEN OBERSÄCHSISCHEN HANDWERKEN
5.3 DIE SICHERUNG EINES „EHRLICHEN“ BEGRÄBNISSES
5.4 BEGRÄBNISKOSTENÜBERNAHME UND FINANZIELLE UNTERSTÜTZUNGEN
5.5 GEDANKEN ZUR MOTIVATION
5.6 ZUSAMMENFASSUNG UND BEWERTUNG ALS SOZIALE SICHERUNGSFORM
6. HINTERBLIEBENENVERSORGUNG DURCHHANDWERKSZÜNFTE UND GESELLENSCHAFTEN
6.1 UMSTRITTENE BEWERTUNG DER MASSNAHMEN ZUR HINTERBLIEBENENVERSORGUNG IM ZUNFTHANDWERK – EINE FORSCHUNGSKONTROVERSE
6.2 PRIVILEGIERUNG DER (WIEDER-)VERHEIRATUNG
6.3 FORTFÜHRUNGSRECHT
6.4 FINANZIELLE UNTERSTÜTZUNGEN
6.5 WEITERE KOLLEKTIVE UNTERSTÜTZUNGSFORMEN FÜR WITWEN UND WAISEN DER HANDWERKSMEISTER
6.6 DIE KOLLEKTIVE SICHERUNG DER HINTERBLIEBENEN IN DEN GESELLENFAMILIEN
6.7 GEDANKEN ZUR MOTIVATION
6.8 ZUSAMMENFASSUNG UND BEWERTUNG ALS SOZIALE SICHERUNGSFORM
7. BILANZ UND AUSBLICK
ANHANG
ABKÜRZUNGS- UND SIGLENVERZEICHNIS
QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
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 351510402X, 9783515104029

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Marcel Korge Kollektive Sicherung bei Krankheit und Tod

Studien zur Gewerbeund Handelsgeschichte der vorindustriellen Zeit Vormals Göttinger Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte ––––––––––––––––––––––– Begründet von Wilhelm Abel und Karl Heinrich Kaufhold Herausgegeben von Karl Heinrich Kaufhold und Markus A. Denzel Redaktion: Hans-Jürgen Gerhard

Nr. 33

Marcel Korge

Kollektive Sicherung bei Krankheit und Tod Fallstudien zum frühneuzeitlichen Zunfthandwerk in städtischen Zentren Sachsens (Chemnitz, Dresden, Leipzig und Zwickau)

Franz Steiner Verlag

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 978-3-515-10402-9 Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung oder vergleichbare Verfahren sowie für die Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. © 2013 Franz Steiner Verlag, Stuttgart. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Druck: Laupp & Göbel, Nehren Printed in Germany

Meinen Eltern

INHALTSVERZEICHNIS VORWORT ....................................................................................................11 1.

VORBEMERKUNG ........................................................................13

2.

EINLEITUNG ..................................................................................17

2.1 2.2 2.3 2.4

Aktualität, Fragestellung und Konzeption........................................17 Sachliche, räumliche und zeitliche Rahmensetzungen.....................22 Die Entwicklung der Handwerksgeschichtsschreibung ...................32 Quellen und Methode .......................................................................52

3.

DAS UNTERSUCHUNGSFELD ....................................................61

3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3

Das organisierte Handwerk in der frühen Neuzeit ...........................61 Allgemeine ökonomische Entwicklungen ........................................70 Sachsen als Territorium ....................................................................70 Die Städte Chemnitz, Dresden, Leipzig und Zwickau .....................75 Die Einzelgewerbe – Bedeutung, Charakteristik und Entwicklungstendenzen ....................................................................83 Soziale Sicherung außerhalb der Handwerksorganisationen..........115 Kollektive und individuelle soziale Sicherung...............................115 Zentrale soziale Sicherungsinstanzen in der frühen Neuzeit..........116

3.3 3.3.1 3.3.2 4.

KRANKENUNTERSTÜTZUNG DURCH HANDWERKSZÜNFTE UND GESELLENSCHAFTEN...........129

4.1 4.1.1 4.1.2 4.2 4.3 4.4 4.4.1 4.4.2 4.5 4.5.1

Varianten des Krankenunterstützungswesens im Handwerk..........132 Familiäre und dienstherrliche Unterstützung .................................133 Etablierung der kollektiven Selbsthilfe ..........................................140 Relativität von Krankheit und Gesundheit .....................................143 Unterstützungswürdige Kranke ......................................................148 Finanzielle Unterstützungen ...........................................................154 Direkte finanzielle Unterstützungen...............................................155 Indirekte finanzielle Unterstützungen ............................................181 Krankenpflege ................................................................................182 Pflegeleistungen..............................................................................183

8 4.5.2 4.5.3 4.5.4 4.5.5 4.6 4.7 4.8 4.9 4.10

Inhaltsverzeichnis

Herbergskrankenpflege...................................................................187 Siech- und Krankenhäuser der Handwerksinnungen und Gesellenschaften .............................................................................193 Vertraglich vereinbarte Pflege in städtischen, kirchlichen und privaten Versorgungseinrichtungen................................................223 Vertragliche Vereinbarungen mit Ärzten und Wundärzten............240 Weitere Hilfsmaßnahmen im Krankheitsfall ..................................241 Organisation und Finanzierung ......................................................251 Grenzen der Krankenunterstützung ................................................275 Gedanken zur Motivation ...............................................................289 Zusammenfassung und Bewertung als soziale Sicherungsform.....292

5.

BEGRÄBNISWESEN IN DEN HANDWERKSZÜNFTEN UND GESELLENSCHAFTEN......................................................297

5.1 5.2 5.3 5.3.1

Von der Bruderschaft zur Sterbegeldversicherung.........................298 Religiöse Bruderschaften in den obersächsischen Handwerken ....301 Die Sicherung eines „ehrlichen“ Begräbnisses...............................308 Allgemeine Bedeutung von Leichengang und Begräbnis innerhalb der Handwerksorganisationen ........................................309 Teilnehmerkreis des Leichengangs ................................................313 Leichentragepflicht .........................................................................318 Differenzierungen und Begrenzungen bei Handwerksbegräbnissen .................................................................320 Aufwand und Bedeutung des Leichengeräts ..................................324 Finanzierung des Leichengeräts und Errichtung zünftiger Beerdigungsgesellschaften .............................................................326 Käufliche Leistungen: Leichengerät und „Kaufleichen“................329 Zunftübergreifende Beerdigungsgesellschaften .............................332 Begräbniskostenübernahme und finanzielle Unterstützungen .......334 Begräbnisse für Gesellen und andere Hilfskräfte und die Übernahme der Kosten ...................................................................335 Anfänge geregelter finanzieller Begräbnisbeihilfen für Meisterfamilien...............................................................................345 Die Zahlung finanzieller Beihilfen im Todesfall als Entwicklungsschritt in der sozialen Sicherung...............................351 Sterbekassen ...................................................................................353 Kreditfunktion der Beerdigungsgesellschaften und Sterbegeldkassen ............................................................................368 Gedanken zur Motivation ...............................................................370 Zusammenfassung und Bewertung als soziale Sicherungsform.....379

5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5 5.3.6 5.3.7 5.3.8 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.4.5 5.5 5.6

Inhaltsverzeichnis

6.

HINTERBLIEBENENVERSORGUNG DURCH HANDWERKSZÜNFTE UND GESELLENSCHAFTEN............383

6.1

6.7 6.8

Umstrittene Bewertung der Maßnahmen zur Hinterbliebenenversorgung im Zunfthandwerk – eine Forschungskontroverse .....387 Privilegierung der (Wieder-)Verheiratung .....................................389 Der Angehörigenstatus in den Meisterfamilien..............................390 Erleichterungen für Angehörige von Handwerksmeistern .............392 Auseinandersetzungen und Interessenkonflikte .............................395 Fortführungsrecht ...........................................................................398 Fehlende statutarische Aussagen ....................................................399 Ausheben und Beschäftigen von Gesellen .....................................400 Beschäftigung von Lehrlingen........................................................404 Auslernen und Lossprechen von Lehrlingen ..................................406 Dauer des Fortführungsrechts.........................................................410 Ehrbarkeit und Ehelichkeit .............................................................412 Wiederverheiratung ........................................................................413 „Verwaiste“ Werkstätten – das Fortführungsrecht der Waisen......415 Praktische Wahrnehmung des Fortführungsrechts .........................418 Zusammenfassende Betrachtung und Wirkung..............................429 Finanzielle Unterstützungen ...........................................................431 Direkte finanzielle Unterstützungen...............................................431 Indirekte finanzielle Unterstützungen ............................................434 Weitere kollektive Unterstützungsformen für Witwen und Waisen der Handwerksmeister .......................................................436 Die kollektive Sicherung der Hinterbliebenen in den Gesellenfamilien.............................................................................440 Gedanken zur Motivation ...............................................................442 Zusammenfassung und Bewertung als soziale Sicherungsform.....445

7.

BILANZ UND AUSBLICK...........................................................449

6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4 6.3.5 6.3.6 6.3.7 6.3.8 6.3.9 6.3.10 6.4 6.4.1 6.4.2 6.5 6.6

ANHANG .....................................................................................................459 ABKÜRZUNGS- UND SIGLENVERZEICHNIS.......................................525 QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS........................................527 Ungedruckte Quellen ....................................................................................527 Gedruckte Quellen ........................................................................................538 Literatur ........................................................................................................545

9

VORWORT Im Wintersemester 2011/12 wurde die vorliegende Arbeit, die für den Druck durchgesehen und leicht überarbeitet wurde, von der Fakultät für Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften der Universität Leipzig als Dissertation angenommen. Viele Personen trugen zum Gelingen dieses Vorhabens bei. An erster Stelle gilt mein Dank meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Manfred Rudersdorf, der mich während meiner Studienzeit für die frühneuzeitliche Geschichte begeisterte, sich des Dissertationsthemas annahm und die Entstehung der Schrift engagiert, tatkräftig und verständnisvoll unterstützte. Frau Professorin Dr. Dr. Ortrun Riha gewährte mir als ihr wissenschaftlicher Mitarbeiter nicht nur hervorragende Arbeitsbedingungen, sondern hatte für meine zahlreichen Fragen immer ein offenes Ohr, wies mich in zahlreichen Gesprächen auf ergänzende Perspektiven hin und regte weiterführende Überlegungen an. Ganz besonders bin ich Herrn Professor Dr. Helmut Bräuer zu Dank verpflichtet. Er begleitete mich schon während meines Studiums und brachte die vorliegende Arbeit immer wieder mit neuen Anregungen, konstruktiven Einwänden und persönlichen Ermutigungen voran. Auch Herr Professor Dr. Wilfried Reininghaus unterstützte mich durch wertvolle Denkanstöße und wichtige fachliche Hinweise. Sodann hätte das Vorhaben, eine Dissertation zu einem solch quellenlastigen Thema vorzulegen, sicherlich nicht ohne die Hilfe der zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der verschiedenen Archiv- und Bibliothekseinrichtungen angegangen werden können. Stellvertretend für viele andere danke ich insbesondere Frau Gabriele Viertel und Herrn Dr. Stephan Pfalzer (beide Stadtarchiv Chemnitz), Frau Carla Calov und Frau Dr. Anett Müller (beide Stadtarchiv Leipzig) sowie Frau Silva Teichert und Herrn Benny Dressel (beide Stadtarchiv Zwickau) für ihre stets zuvorkommenden, hilfsbereiten und unermüdlichen Bemühungen, mir die erbetenen Archivalien zur Verfügung zu stellen und meine unzähligen Anund Rückfragen kenntnisreich zu beantworten. Mein Dank geht auch an die Horst-Springer-Stiftung für Neuere Geschichte Sachsens in der Friedrich-Ebert-Stiftung, welche die notwendigen Recherchearbeiten mit einem Reise- und Sachkostenzuschuss förderte. Den Herausgebern der „Studien zur Gewerbe- und Handelsgeschichte der vorindustriellen Zeit“, insbesondere Herrn Professor Dr. Markus A. Denzel, danke ich für die umgehende Bereitschaft, die Arbeit in diese Reihe aufzunehmen. Der Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort GmbH unterstützte die Veröffentlichung der Arbeit durch einen großzügigen Druckkostenzuschuss. Frau Katja Wöhner half mir bei vielfältigen organisatorischen Problemen stets unkompliziert und freundlich weiter. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Leipziger Oberseminars am Lehrstuhl für die Geschichte der Frühen Neuzeit so-

12

Vorwort

wie weiteren zahlreichen Freunden und Kollegen habe ich wertvolle Gespräche, interessante, tiefer gehende Perspektivwechsel und kritische Erörterungen zu verdanken. Herr Dr. Thomas Töpfer gab mir wichtige Hinweise und hilfreiche Tipps für die Veröffentlichung der Arbeit. Frau Christina Feistel und Frau Friederike Weiss unterstützten mich, indem sie das Manuskript dankenswerterweise Korrektur lasen und die Druckfahnen überprüften. Ferner schulde ich Frau Dr. Sabine Fahrenbach nicht allein für das Korrekturlesen Dank, sondern vor allem für die umfassende und individuelle Unterstützung, die sie mir in den letzten Jahren zukommen ließ. Rebekka danke ich für ihre Nachsicht, ihr Verständnis und ihren Zuspruch. Sie hat mir in der gesamten Zeit des Dissertationsprojektes immer beigestanden. Meinen Eltern schließlich, die mir meinen bisherigen Werdegang ermöglichten und nicht nachließen, an mich zu glauben, möchte ich diese Arbeit widmen. 

Leipzig, im Februar 2013

Marcel Korge

1. VORBEMERKUNG Leben heißt Risiko. Zu allen Zeiten und in jeglicher Form von Vergemeinschaftung unterlag das menschliche Leben unterschiedlichsten Risiken. Es wurde von prekären Ereignissen bedroht, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreten und gewisse negative Konsequenzen zeitigen konnten. Es unterliegt ihnen im Prinzip ständig. Einige Unwägbarkeiten werden bewusst, andere unbewusst eingegangen. Die subjektive Perzeption einer Bedrohung des Lebensrhythmus durch diese Risiken korrespondiert dabei nicht zwangsläufig mit den tatsächlichen Gegebenheiten. Zu den zentralen Gefahren, von denen der Lebensrhythmus bedroht wird und die in vielen Fällen kaum vollständig auszuschließen sind, zählen soziale Grundrisiken wie Unfall, Krankheit, Tod. Kaum vollständig auszuschließen heißt, dass zwar unter einem retrospektiven Blickwinkel gegebenenfalls Wege existiert hätten, den Ereignissen auszuweichen, die Chancen des Ausweichens meist aber subjektiv nicht oder nur unter Inkaufnahme von gravierenden sozialen Folgewirkungen (d. h. hohen Kosten) bestanden haben. Selbst das klassische, einem jeden Leben permanent drohende Risikomoment, der Tod, ließe sich im Grunde zwar durch einen frei gewählten Suizid auflösen, denn zur Charakteristik eines Risikophänomens gehört dessen individuelle Unberechenbarkeit,1 doch die sozialen „Folgekosten“ der Handlung wären unzweifelhaft enorm. Denn: Risiko heißt Leben. Ließen sich jegliche Risikofaktoren und allen voran die genannten zentralen Problemlagen ausschalten und absolute Sicherheit herstellen,2 indem beispielsweise die biologische Uhr eines jeden Homo sapiens exakt berechnet und so ein persönliches Lebenszukunftsprofil inklusive Erkrankungs- oder Sterbewahrscheinlichkeitsplanung erstellt werden könnte, ginge ein wesentliches Stück menschlichen Lebens verloren. Ohne die Eventualitäten und Gefährdungen des Alltags wie des gesamten Daseins würde unsere Existenz zwar sicherer und kalkulierbarer, aber zugleich unmenschlicher und letztlich unerträglich. Zentralen Ausdruck findet dieses Dilemma in den jungen, ethisch hoch brisanten Diskussionen um Präimplantationsdiagnostik und Embryonenforschung.  1 2

Statistisch lassen sich Aussagen zur Arbeitslosenzahl, zum Unfallrisiko, zu den Krankentagen, der Lebenserwartung u. v. m. treffen. Sicherheit wird nach Franz-Xaver Kaufmann als „das Gegebensein von Werten in der Zukunft“ definiert. KAUFMANN, Franz-Xaver: Sicherheit als soziologisches und sozialpolitisches Problem. Untersuchungen zu einer Wertidee hochdifferenzierter Gesellschaften. Stuttgart ²1973, S. 342. Allerdings gehen seine Ausführungen zur „sozialen Sicherheit“ allein auf jüngere Bezüge ein, indem vor allem „Organisationen des öffentlichen Rechts (Sozialleistungsträger)“ als Inbegriff dieses Begriffs gelten sollen. Ebd., S. 91.

14

1. Vorbemerkung

Dennoch führen die permanente Bedrohung bzw. das Gefühl tief greifender Bedrohtheit durch soziale Risiken dazu, dass soziale Sicherheit als ein lohnenswertes, schützenswertes Gut eingeschätzt wird. Das subjektiv empfundene Schutzbedürfnis dieses Gutes wirkt als Handlungsauslöser, wodurch Maßnahmen der sozialen Sicherung ergriffen werden.3 Bei Manfred Partsch heißt es: „Erklärtes Ziel jeglichen Bemühens um soziale Sicherung war und ist der Schutz des Menschen vor sozialen Risiken. Unter einem ‚sozialen Risiko‘ soll jede Gefahr verstanden werden, die der einzelne nicht vermeiden kann und deren Folgen er allein nicht zu tragen vermag.“4

Weiter betont Partsch zwar die Universalität sozialer Risiken, worunter er schließlich folgende Einzelrisiken subsumiert: Krankheit, Arbeitslosigkeit, Alter, Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, Familienlasten, Mutterschaft, Invalidität, Tod des Unterhaltspflichtigen.5 Aber er berücksichtigt mit diesen Ausführungen eines unzureichend: Die rationale Konsequenz der Errichtung von Sicherungsmaßnahmen, welche die Menschen aus der anhaltenden Gefährdung durch die sozialen (Grund-)Risiken ziehen, erscheint nicht deshalb in erster Linie erstrebenswert, weil sie die individuelle Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Risikofalles minimieren kann. Überhaupt ist ein totaler „Rundumschutz“ aufgrund der „Universalität“ der sozialen Risiken nicht zu erlangen (und in weiterführender Überlegung eben nicht wünschenswert). In den meisten Konstellationen kann das Eintreten des Risikofalls selbst nicht verhindert werden. Wohl aber können – und dies ist vermutlich der deutlich gewichtigere Grund, den Partsch in seinem Nebensatz andeutet – die Folgekosten nach Eintreten des Risikofalls für den Einzelnen gemindert oder gegenüber dem Status quo ante ausgeglichen werden. Unter Folgekosten sind zum einen ein teilweiser oder gänzlicher Einkommensverlust, zum anderen zusätzlich auftretende  3

4

5

LEHNER, Peter Ulrich: Die Entstehung des Versicherungswesens aus gemeinwirtschaftlichen Ursprüngen. In: Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen, zugleich Organ der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft 12/1989, H. 1, S. 33f. Zur relativ jungen Begriffsgeschichte „sozialer Sicherheit“ siehe: BRAUN, Hans: Soziale Sicherung. In: Wissen im Überblick. Zwölfter Band: Die moderne Gesellschaft. Familie, Beruf und Freizeit, Verkehr, Wirtschaft und Politik, Umwelt und Planung. Freiburg im Breisgau, Basel, Wien 1972, S. 451. Dagegen spricht RITTER fast durchgehend von „sozialer Sicherheit“ und nutzt „soziale Sicherung“ teilweise als austauschbaren Begriff. RITTER, Gerhard A.: Der Sozialstaat. Entstehung und Entwicklung im internationalen Vergleich. München ³2010, S. 15. PARTSCH, Manfred: Prinzipien und Formen sozialer Sicherung in nicht-industriellen Gesellschaften (= Sozialpolitische Schriften, H. 48). Berlin 1983, S. 30. In soziologischer Anlehnung an den System-Begriff bei Niclas Luhmann versteht Olaf Mörke darunter allgemein „Maßnahmen zur umfassenden und dauerhaften Sicherung des lebenspraktischen und normativen Rahmens eines sozialen Systems“, nennt diese Maßnahmen allerdings „Daseinsvorsorge“. MÖRKE, Olaf: Daseinsvorsorge in Städten der niederländischen Republik. Bemerkungen zur Persistenz des alteuropäischen Gemeindekorporatismus. In: JOHANEK, Peter (Hrsg.): Städtisches Gesundheits- und Fürsorgewesen vor 1800 (= Städteforschung, Reihe A: Darstellungen, Bd. 50). Köln, Weimar, Wien 2000, S. 125. PARTSCH (Prinzipien und Formen) 1983, S. 32.

1. Vorbemerkung

15

Kosten zu verstehen. So ergibt sich als Grundfunktion der sozialen Sicherungseinrichtungen die bedarfsgerechte temporäre Umschichtung des individuellen Einkommens in Form von Selbsthilfemaßnahmen.6 Auch wenn zahlreiche Gefährdungen wie Krankheit und Tod Individualrisiken darstellen, besteht die Möglichkeit, die Folgewirkungen der sozialen Grundrisiken durch kollektive Sicherungen einzudämmen bzw. auszugleichen. Dem elementaren Thema der sozialen Sicherung liegen diese generellen Einschätzungen durch den Menschen seit jeher zugrunde, wenngleich in unterschiedlicher Form und Intensität.7 Dabei kommt dem Menschen sein grundsätzlich soziales Wesen zustatten.

 6 7

SCHREIBER, Wilfrid: Sozialpolitik. In: HAX, Karl / WESSELS, Theodor (Hrsg.): Handbuch der Wirtschaftswissenschaften. Bd. 2: Volkswirtschaft. Köln, Opladen ²1966, S. 278, 282f. PARTSCH (Prinzipien und Formen) 1983, S. 29.

2. EINLEITUNG 2.1 AKTUALITÄT, FRAGESTELLUNG UND KONZEPTION Die bundesdeutsche Gesellschaft wie die Gesellschaften der westlichen Hemisphäre insgesamt stehen gegenwärtig unter enormem Reformdruck. Eine sich stärker und schneller globalisierende Welt erfordert nicht zuletzt, das Augenmerk auf die Erhaltung und den Umbau von Errungenschaften sozialer Strukturen und Standards zu richten. Mit dem Einsetzen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise im zweiten Jahreshalbjahr 2007 verschärften sich die angeheizten Diskussionen um den Fortbestand des Sozialstaats und der sozialen Marktwirtschaft als „Kernbestandteile der Sozialordnung“ – wenigstens in ihren gegenwärtigen Formen. Politik- und Sozialwissenschaftler sprachen sogar von der „Wiederkehr der sozialen Unsicherheit“ in Westeuropa oder von einer grundsätzlichen „Krise des Sozialen“. Während das Armutsproblem in den 1960er Jahren mit der „Ausgestaltung von Strukturen kollektiver Absicherung“ überwunden schien, hatte man es nach Ansicht der Wissenschaft seit etwa 30 Jahren mit den „Facetten der reaktualisierten sozialen Frage“ zu tun.1 Allein auf dem Gebiet der sozialen Sicherungssysteme bricht seitdem die intensive Debatte über Umbau und Neuanfang nicht ab. Doch die Thematik hat eine wesentlich ältere Geschichte. Bei kollektiven Maßnahmen sozialer Sicherung handelt es sich nicht um Errungenschaften des 19. oder 20. Jahrhunderts, obwohl selbst vielen Sozialwissenschaftlern gemeinhin Reichskanzler Otto von Bismarck (1815–1898) als Wegbereiter sozialer Sicherungssysteme in Deutschland gilt.2 Die Wurzeln gemein 1

2



ALBER, Jens: Der Wohlfahrtsstaat in der Krise? Eine Bilanz nach drei Jahrzehnten Sozialpolitik in der Bundesrepublik. In: Zeitschrift für Soziologie 9/1980, S. 313–342. – BERTSCH, Frank / JUST, Werner: Die Suche der Verbraucher nach verantwortlichen Kreditinstituten. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 26/2009, S. 21. – CASTEL, Robert: Die Wiederkehr der sozialen Unsicherheit. In: Ders. / DÖRRE, Klaus (Hrsg.): Prekarität, Abstieg, Ausgrenzung. Die soziale Frage am Beginn des 21. Jahrhunderts. Frankfurt am Main, New York 2009, S. 21, 23. – DÖRRE, Klaus: Armut, Abstieg, Unsicherheit: Die soziale Frage am Beginn des 21. Jahrhunderts. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 33–34/2008, S. 5f. – LESSENICH, Stephan: Krise des Sozialen? In: Aus Politik und Zeitgeschichte 52/2009, S. 28–34. – RITTER (Sozialstaat) 2010, S. 213–216. Diese Vorstellung rührt von dem grundsätzlichen Problem, dass soziale Sicherung oft mit Fürsorge gleichgesetzt wird. Dabei weist der Begriff „Fürsorge“ auf eine spezielle Spielart innerhalb des sozialen Sicherungswesens hin. Bei Fürsorgemaßnahmen handelt es sich im engeren Sinne um subsidiäre Unterstützungsformen aufgrund von individueller Hilfsbedürftigkeit, die im Zuge einer Bedürftigkeitsprüfung festgestellt wurde, wogegen die Verschuldungsfrage unberücksichtigt bleibt. Häufig werden Fürsorgeleistungen durch staatliche oder staatlich beauftragte Stellen erbracht. Subsidiär sind diese Fürsorgemaßnahmen, da sie gegenüber anderen unterhaltspflichtigen Akteuren (Familie, Korporation) erst nachrangig

18

2. Einleitung

schaftlicher Vorsorge liegen deutlich tiefer. Ausgestaltung, Entwicklung und Wirkung historischer Sicherungsmodelle abseits obrigkeitlicher Regulierungsversuche wurden, besonders für die Zeit vor dem 19. Jahrhundert, kaum intensiv beleuchtet, weshalb sich die vorliegende Arbeit dieser Aufgabe in einem speziellen Kontext stellt. Trotz gegebener thematischer Aktualität muss, um es mit den Worten des Berliner Rechtshistorikers Rainer Schröder zu sagen, bei einer historischen Analyse beachtet werden: „Ob und gegebenenfalls welche Elemente der Analyse für heutige Problemlagen fruchtbar zu machen sind, steht freilich auf einem anderen Blatt... Die Frage der Übertragbarkeit zu beantworten, ist indes nicht Aufgabe des Historikers ,als solchem‘. Doch wird es nützlich sein, vorindustrielle Lösungen eines Problems zu betrachten, das viele Personen derzeit existenziell berührt.“3

„Denn Geschichte schreibt man von der Gegenwart her“, begründete wiederum Wolfgang Seidenspinner seine Themenwahl für einen Aufsatz zu einem verwandten Untersuchungsgegenstand.4 Und Helmut Bräuer ging nicht ohne Grund sogar davon aus, dass das Bedürfnis nach Lösungen „des wohl brennendsten Problems des 21. Jahrhunderts“, der Armut und mit ihr der Armutsbekämpfung, unablässig steigen wird.5 Eine mögliche Gefährdung der Wissenschaftlichkeit durch übermäßiges Engagement in aktuellen Problemfindungsdebatten wie bei der angesprochenen Frage der „Übertragbarkeit“ historischer Lösungsansätze sollte stets bedacht werden.6 

3

4

5

6 

greifen. Da jedoch die meisten Unterstützungsmaßnahmen der frühneuzeitlichen Handwerksorganisationen, wie noch gezeigt wird, nicht aus Fürsorgehandlungen, sondern aus gemeinschaftlich organisierten bzw. finanzierten Leistungen resultierten, wird der Begriff „Fürsorge“ zurückhaltend verwandt und auf diesen speziellen Bedeutungsinhalt reduziert. Der Begriff „Versorgung“ ist dagegen kaum inhaltlich belastet. Zu den Organisationsmodellen kollektiver sozialer Sicherung nach der klassischen Sozialtheorie siehe: BOHL, Helmut: Beitrag zur begrifflichen Abgrenzung sozialer Existenzsicherungssysteme. In: Soziale Sicherheit. Zeitschrift für Sozialpolitik 2/1953, H. 6, S. 162. – BRAUN (Überblick) 1972, S. 454–458. – QUANTE, Peter: Grundsätze der Versorgung, Versicherung und Fürsorge. In: BOETTCHER, Erik (Hrsg.): Sozialpolitik und Sozialreform. Ein einführendes Lehr- und Handbuch der Sozialpolitik. Tübingen 1957, S. 227–232. SCHRÖDER, Rainer: Arbeitslosenfürsorge und Arbeitsvermittlung im Zeitalter der Aufklärung. In: BENÖHR, Hans-Peter (Hrsg.): Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversorgung in der neueren deutschen Rechtsgeschichte (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts, Bd. 5). Tübingen 1991, S. 9. SEIDENSPINNER, Wolfgang: Angst und Mobilität. Die Ausgrenzung der Gauner im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit und die Wirkung von Stereotypen. In: Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung 12/2007, H. 1, S. 72. BRÄUER, Helmut: Über „alte“ und „neue“ Arme und den Umgang mit ihnen. Bemerkungen nach einer Konferenz. In: Ders. (Hrsg.): Arme – ohne Chance? Protokoll der internationalen Tagung „Kommunale Armut und Armutsbekämpfung vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart“ vom 23. bis 25. Oktober 2003 in Leipzig. Leipzig 2004, S. 384. KÜHBERGER, Christoph / SEDMAK, Clemens: Aktuelle Tendenzen der historischen Armutsforschung. Eine Einleitung. In: KÜHBERGER, Christoph / SEDMAK, Clemens (Hrsg.): Aktuelle

2. Einleitung

19

Mit der vorliegenden Untersuchung wird das Ziel verfolgt, Maßnahmen, Einrichtungen und (soweit greifbar) Vorstellungen der sozialen Sicherung in ihrer historischen Ausprägung, Bedeutung und als Ergebnis eines umfangreichen Entwicklungsprozesses anhand ausgewählter obersächsischer Handwerksorganisationen in der vormodernen, ständisch geprägten Zeit darzustellen. Dabei konzentriert sich die Arbeit auf die durch die Handwerkszünfte und Gesellenschaften kollektiv versprochenen bzw. erbrachten Sicherungsleistungen im Falle der beiden sozialen Risiken „Krankheit“ und „Tod“. Beide Risiken bedrohten das alltägliche Leben der frühneuzeitlichen Menschen und standen nicht selten in engem, kausalem Zusammenhang. Das der Arbeit zugrunde liegende Forschungsinteresse kann auf drei, ungleichmäßig zu gewichtende Fragenkomplexe verdichtet werden: 1. Da aufgrund lückenhafter wissenschaftlicher Vorarbeiten teilweise die Grundlagen zur Erforschung der elementaren Strukturen und Gegebenheiten fehlen, ist eine systematische Bestandsaufnahme, die danach fragt, wie sich soziale Sicherung durch die städtischen Handwerksorganisationen äußerte, zwingend notwendig. Dieser Aufgabe schenkt die Untersuchung den deutlich größten Raum. In erster Linie muss direkt nach dem „Was“ gefragt werden („Was ist geschehen?“), um nicht mit einem voreiligen „Warum?“ „idealistisch-holistische Kulturvorstellungen auf historische Menschen zu projizieren“.7 Wie gestaltete sich das Unterstützungssystem im Zunfthandwerk? Welche Unterstützungsformen waren im Einzelnen unter welchen Konstellationen auszumachen? Welche Vorstellungen und normativen Vorgaben wurden artikuliert, welche praktischen Umsetzungsvarianten angewandt? Welche Maßnahmen und Institutionen waren eher typisch und nahmen Einfluss bis in den Alltag hinein, welche fehlten im zu analysierenden Untersuchungsfeld? Welche Aussagen zur kollektiven sozialen Sicherung lassen sich gegenüber den einzelnen Akteursgruppen (gegenüber Meistern und deren Ehefrauen, Gesellen und Lehrlingen, sonstigen Beschäftigten und Familienangehörigen usw.) treffen?8 2. Auf der Suche nach den historischen Sicherungsmechanismen ist zu bedenken, dass diese mutmaßlich keine feststehenden, stabilen Größen bildeten. Demnach muss ebenfalls gefragt werden, ob und wie sich die Konzepte und Praktiken im 

7

8

Tendenzen der historischen Armutsforschung (= Geschichte: Forschung und Wissenschaft, Bd. 10). Wien 2005, S. 4. JEGGLE, Christof: Gewerbliche Produktion und Arbeitsorganisation: Perspektiven der Forschung. In: HÄBERLEIN, Mark / JEGGLE, Christof (Hrsg.): Vorindustrielles Gewerbe. Handwerkliche Produktion und Arbeitsbeziehungen in Mittelalter und Früher Neuzeit (= Irseer Schriften. Studien zur schwäbischen Kulturgeschichte, N. F. Bd. 2). Konstanz 2004, S. 24. Die Bezeichnung „Akteur“ steht „für eine handelnde Einheit, die sowohl mit einem Individuum, einer sozialen Gruppe, Korporation (z. B. politische Partei, Verband, Unternehmen, Hochschule) oder einem Kollektiv (z. B. soziale Bewegungen) identisch sein kann. Das Handeln von Akteuren wird in der jeweiligen Situation durch bestimmte Orientierungen geleitet.“ HILLMANN, Karl-Heinz: Wörterbuch der Soziologie. Stuttgart 52007, S. 14.

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2. Einleitung

Untersuchungszeitraum veränderten. Aufgrund der unvollständigen und ungleichgewichtigen Überlieferungen kann und soll keine kohärent-kontinuierliche Entwicklungsgeschichte konstruiert werden. Wohl aber werden Tendenzen im äußeren Form- und im tieferen Sinnwandel verfolgt. Stärker als bei vergleichbaren Studien soll für diese ersten beiden Problemkomplexe das Quellenmaterial in qualitativer Tiefe und quantitativer Breite ausgewertet werden, wobei nichtnormative Belege gleichgewichtig neben normativen Reglementierungen und Ankündigungen stehen. 3. Neben einer Erfassung und Strukturierung der überlieferten Informationen gilt es, eine grundsätzliche Charakterisierung der kollektiven sozialen Sicherungsphänomene vorzunehmen. Wie können signifikante Formen und Entwicklungen innerhalb dieses speziellen Unterstützungssystems bewertet werden? Welche Möglichkeiten, welche Grenzen bestanden? Und ganz praktisch drängt sich die Frage nach der Effizienz auf: Ließen sich Verarmung und soziale Not abwenden oder zumindest lindern? Welchen Stellenwert nahm demnach die soziale Sicherungsfunktion gegenüber anderen Funktionen in den Organisationen des Handwerks ein? Gab es einen solidarischen Gemeingeist, ein integrierendes Prinzip über eventuell deckungsgleiche individuelle Interessen hinaus? Oder welche Motive spielten für die Unterstützungsleistungen eine wesentliche Rolle? Und schließlich: Wie müssen sich die Antworten auf diese Fragen auf die prinzipielle wissenschaftliche Interpretation der Handwerkszünfte und Gesellenverbände auswirken?9 Nach den Bemerkungen der Einleitung folgen einige elementare Betrachtungen zum Untersuchungsfeld, welche in knappen Abrissen vor allem die Städte Chemnitz, Dresden, Leipzig und Zwickau in ihren ökonomischen Entwicklungen als auch die analysierten Einzelgewerbe vorstellen. Die sich anschließenden drei Kernkapitel beschäftigen sich jeweils unter sachlich-systematischen Gesichtspunkten mit den verschiedenen Unterstützungsregeln und -maßnahmen, welche zur Absicherung der Folgen der sozialen Grundrisiken Krankheit und Tod durch die Handwerksorganisationen getroffen wurden. Dabei werden konkret die kollektiven Sicherungen im Zunfthandwerk hinsichtlich der Krankenunterstützung, des Begräbniswesens und der Hinterbliebenenversorgung untersucht. Bei allen Unterstützungsformen aufgrund der Risiken Krankheit und Tod spielten andere, begleitende Problemfaktoren eine wichtige Rolle. So führten  9

Weitergehende Forschungen könnten zudem einem vierten Komplex Aufmerksamkeit zollen, der in der vorliegenden Arbeit leider zu kurz kommen musste: dem Vergleich. Welche Unterschiede bestanden im System der sozialen Sicherung zwischen den verschiedenen Zünften und Gesellenschaften, zwischen den Gewerben, zwischen den Städten und Territorien und warum? Auch internationale Studien, die der hier untersuchten Thematik nachgehen und einen komparatistischen Ansatz verfolgen, sind selten. VAN LEEUWEN, Marco H. D.: Guilds and middle-class welfare, 1550-1800. Provisions for burial, sickness, old age, and widowhood. In: The Economic History Review 65/2012, H. 1, S. 61f., 86.

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die Handwerker oft bei der Einführung kollektiver Unterstützungsmaßnahmen unterschwellig oder betont die erhebliche Armut bzw. die akut drohende Verarmungsgefahr des Kreises der potenziell Begünstigten an. Die Ausreichung von finanziellen Hilfsmitteln oder die Gewährung von Sach- bzw. Dienstleistungen geschah dann i. d. R. bei bereits eingetretenem Mangel an verfügbaren Subsistenzgütern. Wechselseitig konnten die sozialen Risiken den Grad der wahrgenommenen Hilfsbedürftigkeit der betroffenen Person erhöhen. Eine schwer kranke Witwe, die daheim mehrere „unerzogene“ Kleinkinder ernähren musste, wirkte allemal bedürftiger als ein „nur“ vorübergehend arbeitsunfähiger, lediger Geselle mit einem gebrochenen Bein. Innerhalb der drei behandelten Problembereiche zum Unterstützungswesen wurde schnell deutlich, dass die Gesellenorganisationen den Schwerpunkt ihrer kollektiven Sicherungsmaßnahmen auf die Krankenversorgung legten, wogegen sich die vorrangig aus Handwerksmeistern und ihren Ehefrauen zusammengesetzten Innungen stärker den Problemen eines „ehrlichen Begräbnisses“ und der Versorgung der zurückgelassenen Familienangehörigen zuwandten. Die daraus naturgemäß resultierende ungleichmäßige Gewichtung in der Ausrichtung der Handwerksorganisationen auf den Aufgabenfeldern der sozialen Sicherung spiegelt sich in den jeweiligen Kapiteln wider. Gehen auch die drei zentralen Kapitel fast ausschließlich auf die empirisch erfassbaren Maßnahmen sozialer Sicherung ein, vorrangig auf mittelbare oder unmittelbare finanzielle Leistungen, so darf dennoch nicht vergessen werden, dass abseits dieser Formen sozialer Sicherung weitere Unterstützungsleistungen vermutet werden können. In schweren Zeiten individueller oder kollektiver Not konnten Vereinigungen wie die Handwerksinnungen und die Gesellenschaften wichtige Schutz-, Beratungs- und Geselligkeitsfunktionen wahrnehmen, die das Gruppenbewusstsein stärkten. Gruppendynamische Prozesse boten in Not geratenen Mitgliedern durchaus psychologisch-emotionale Hilfe. Formen des geselligen Beisammenseins vermittelten ein integratives Gefühl, aufgehoben zu sein oder bestimmte Werte zu teilen, und stärkten das subjektive Wohlbefinden, insbesondere solange die Organisationen gewisse bruderschaftliche Züge wahrten und sich die Mitglieder persönlich kannten. Diese Unterstützungsformen wirkten jedoch unterschwellig und waren kaum konkret zu belegen. Mit ansteigender Gruppengröße, wachsender sozialer Differenzierung innerhalb der Gruppe und einer zunehmenden Fremdversorgung in den verschiedenen Unterstützungsbereichen verminderten sich die immateriellen Effekte oder wirkten gar kontraproduktiv auf Bedürftige. Im Einzelnen werden im vierten Kapitel die kollektiven Hilfsmaßnahmen im Krankheitsfall besprochen. Die Untersuchung der kollektiven Sicherungen gegen die Folgewirkungen des sozialen Risikos Tod erfolgt in den beiden folgenden Kapiteln. Einerseits werden die gemeinschaftlichen Unterstützungsmaßnahmen im Begräbniswesen thematisiert (Kapitel 5), andererseits werden die Einrichtungen und Regeln zugunsten der Hinterbliebenen vorgestellt (Kapitel 6). Am Ende eines jeden Kapitels steht eine zusammenfassende und bewertende Analyse dieses Ausschnitts kollektiver sozialer Sicherung.

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Die innere Gliederung der drei Kernkapitel wird dadurch erschwert, dass die verschiedenen „Tatbestände“ ineinanderfließen. „Insbesondere gehen Krankenpflege, Armenfürsorge, Bestattungswesen und Hinterbliebenenfürsorge ungeteilt nebeneinander her.“10 Die Meister- und Gesellenorganisationen unterschieden in vielen Fällen nicht, wofür sie eine Unterstützung gaben. Somit kann nicht durchgängig gewährleistet werden, dass es nicht zu Überschneidungen oder gewissen Unschärfen bei der Abgrenzung der Sicherungsmaßnahmen und -vorstellungen gegenüber den verschiedenen sozialen Risiken kommt. Ein weiteres Problem, welches die gesamte Untersuchung durchzieht, betrifft die Qualität der verfügbaren Informationen. Bereits Christoph Kühberger und Clemens Sedmak betonten für eine wissensbasierende Armutsforschung die notwendige Ausgewogenheit „zwischen ‚warmen’ und ‚kalten’ Faktoren“ oder anders ausgedrückt zwischen harten, quantifizierbaren und weichen, qualitativen Informationen.11 Daher wurden vielfältige Quellengattungen ausgewertet, die beide Informationsströme in die Arbeit fließen lassen. Gleichfalls sollen sowohl die Ansichten der Unterstützungsempfänger wie der Unterstützungsgeber beachtet werden. Zur inhaltlichen Ergänzung wurden schließlich wesentliche Detailinformationen, welche über die in den verschiedenen Kapiteln erwähnten Fallbeispiele hinausgehen, gesammelt, systematisiert und in tabellarischer Form in einem Tabellenteil gesondert wiedergegeben. Knappe Übersichten fanden im laufenden Text Platz. Im Schlussteil werden zentrale Aussagen thesenartig vorgestellt.

2.2 SACHLICHE, RÄUMLICHE UND ZEITLICHE RAHMENSETZUNGEN Im Mittelpunkt der sich als Beitrag zur frühneuzeitlichen Sozial-, Stadt- und Handwerksgeschichte verstehenden Arbeit stehen die Formen der sozialen Sicherung, die durch obersächsische Handwerksorganisationen der Textil- und Bekleidungsbranche versprochen bzw. erbracht wurden. Das Untersuchungsfeld wird durch teils vorgefundene, teils bewusst gesetzte sachliche, räumliche und zeitliche Begrenzungen markiert. Der zu wählende Bearbeitungsbereich darf selbst bei einer kleinräumlichen oder mikrohistorisch angelegten Analyse nicht zu eng gewählt werden, da sonst entweder keine Resultate hervorgebracht oder die Ergebnisse aufgrund fehlenden Datenmaterials und mangelnder Quellendichte ihre Aussagekraft und Stichhaltigkeit verlieren würden. Umgekehrt dürfte ein überdimensionierter Aktionsradius den Umfang der Untersuchung sprengen und die Einhaltung einer handhabbaren methodischen Arbeitsstruktur erschweren. Das Ziel, aus gut belegbaren Einzelergebnissen weiterführende Schlussfolgerungen ziehen zu  10 WERNET, Wilhelm: Soziale Handwerksordnung. Aufriß einer deutschen Handwerksgeschichte im Hinblick auf die Sozialtätigkeit der handwerklichen Berufsorganisationen. BerlinLichterfelde 1939, S. 53. Vgl. SCHEWE, Dieter: Geschichte der sozialen und privaten Versicherung im Mittelalter in den Gilden Europas (= Sozialpolitische Schriften, H. 80). Berlin 2000, S. 142f. 11 KÜHBERGER / SEDMAK (Einleitung) 2005, S. 5.

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können, würde an der Materialflut und einer methodisch fragwürdigen Komparatistik scheitern.12 Durch eine adäquate Rahmensetzung wird beiden methodologischen Gefahrenpolen ausgewichen. Der zeitliche Beginn der Untersuchung ist auf der einen Seite sachlich bestimmt, denn „die historischen Wurzeln moderner Sozialpolitik in Deutschland finden sich dort, wo die traditionelle, auf Subsistenzwirtschaft beruhende, mittelalterlich-feudale Gesellschaftsordnung erstmals erschüttert und überfordert wurde: in den deutschen Städten des späten Mittelalters. Neu entstehende soziale Unsicherheit verlangte nach neuen Formen sozialer Sicherung, die indes nur da erfolgreich werden konnten, wo es gelang, zugleich die Formen sicherheitsstiftender Verhaltensrationalität zu etablieren, die jene Sicherungsmechanismen unabdingbar voraussetzen.“13

Auf der anderen Seite ist das relativ späte Einsetzen der Analyse der gegebenen Überlieferungslage und Quellendichte geschuldet. Früheste sporadische Hinweise auf ein zünftiges Wirken im obersächsischen Raum tauchen aus dem Ende des 13. Jahrhunderts auf, doch erlauben sie noch keinen Blick auf Ansätze der kollektiven sozialen Sicherung.14 Die ältesten erhaltenen Quellen, die erste vage Auskünfte über soziale Sicherungsformen geben, liegen in Form von Zunftordnungen, verstreuten und zudem kargen Hinweisen in Ratsbüchern, -protokollen und Stadtchroniken vor. Daneben existieren glücklicherweise noch weitere Zeugnisse des sozialen Wirkens der Handwerksorganisationen. Gehen die frühesten Handwerksstatuten in Leipzig beispielsweise bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts zurück, so setzt eine breitere Überlieferung der vergleichsweise spät entwickelten, klein- und mittelstädtisch geprägten Region erst zu Ende des 15. Jahrhunderts ein. Viele der ersten schriftlichen Zeugnisse deuten jedoch nur äußerst knapp die sozialfürsorglichen Belange der Handwerker untereinander an. Das Ende des 15. und der Beginn des 16. Jahrhunderts markieren dementsprechend die zeitlichen Ausgangspunkte der Analyse. Demgegenüber bildet die Reformation, so eminent sie in ihren vielfältigen Folgewirkungen auch sein mochte, keine tief greifende sozial- oder handwerksge 12 LEIDER, Michael: Die Geschichte der ambulanten medizinischen Betreuung zwischen Anspruch und Wirklichkeit (1732–1987). Dargestellt am Beispiel des Betreuungsbereiches der heutigen Poliklinik Dresden-Prohlis – ein Beitrag zur Medizingeschichte der Stadt Dresden. Diss. Dresden 1990, S. 8. Ein pointierter Spruch von Arnold Gehlen weist darauf hin: „Nur wer übersieht, kann die Übersicht bewahren.“ Gehlen zit. in: VERWEYST, Markus: Das Begehren der Anerkennung. Subjekttheoretische Positionen bei Heidegger, Sartre, Freud und Lacan. Frankfurt am Main 2000, S. 17. 13 SACHSSE, Christoph / TENNSTEDT, Florian: Sicherheit und Disziplin: Eine Skizze zur Einführung. In: SACHSSE, Christoph / TENNSTEDT, Florian (Hrsg.): Soziale Sicherheit und soziale Disziplinierung. Beiträge zu einer historischen Theorie der Sozialpolitik. Frankfurt am Main 1986, S. 14. 14 Beispielsweise nennt Robert Wuttke als erstes Dokument einer sächsischen Handwerksorganisation das Pirnaer Schuhmacherstatut von 1292. WUTTKE, Robert: Eine Beschwerdeschrift der Meißner Innungen von 1500. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meissen 4/1897, H. 1, S. 178.

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schichtliche Epochengrenze. Vielmehr veränderte sie die Geschwindigkeiten von bereits angelaufenen Entwicklungsprozessen, so die Umdeutung der gesellschaftlichen Bewertung von Arbeit und Armut, von ehelichen Verbindungen und der Stellung der Frau im Handwerk.15 Mit der Auflösung der religiösen Bruderschaften, der Einziehung ihres korporativen Besitzstandes und der Etablierung neuartiger Ansätze im städtischen und staatlichen Fürsorgewesen im Zuge der Annahme des protestantischen Glaubensbekenntnisses zuerst im ernestinischen, dann ab 1539 im albertinischen Sachsen ergab sich dennoch eine Teilzäsur. Als einschneidender auf ökonomischem, demografischem, sozialem und mentalem Gebiet erwiesen sich die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges. Der Verlust an Quellenzeugnissen für die Zeit vor diesem Ereignis und das enorme Ansteigen schriftlicher Hinterlassenschaften in der Folgezeit und besonders im 18. Jahrhundert bewirkten, dass die Untersuchungsmöglichkeiten auf qualitativ und quantitativ veränderter Überlieferungsebene stattfinden.16 Während eine genauere zeitliche Angabe der Entwicklungs- und Übergangsstufe am Ende des Mittelalters unter Historikern umstritten ist, stellt die „Schwellenzeit“ der Jahrzehnte um 1800 kaum ein Konfliktpotenzial innerhalb der wis-

 15 BORSCHEID, Peter: Epochen und Zäsuren der mitteleuropäischen Sozialgeschichte seit dem späten Mittelalter. In: WIEGELMANN, Günter (Hrsg.): Wandel der Alltagskultur seit dem Mittelalter. Phasen – Epochen – Zäsuren (= Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, H. 55). Münster 1987, S. 72. – BRÄUER, Helmut / SCHLENKRICH, Elke: Kampf um den Gemeinen Kasten in Zwickau. Städtische Armenversorgung in der Auseinandersetzung zwischen Ratstisch, Gasse und Kanzel. In: Herbergen der Christenheit. Jahrbuch für deutsche Kirchengeschichte Bd. 28/29 2004/05, S. 55. – FLEISCHMANN, Peter: Interdisziplinäre Handwerksgeschichte? In: Zeitschrift für Historische Forschung 12/1985, H. 3, S. 355. – GILOMEN, HansJörg: Bemerkungen zu einem Paradigmenwechsel in der Erforschung der vormodernen Armenfürsorge. In: Ders. / GUEX, Sébastian / STUDER, Brigitte (Hrsg.): Von der Barmherzigkeit zur Sozialversicherung. Umbrüche und Kontinuitäten vom Spätmittelalter bis zum 20. Jahrhundert (= Schweizerische Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 18). Zürich 2002, S. 15f. – HARTINGER, Walter: Die Wende des Mittelalters. Zur Grundlegung neuzeitlicher Lebensformen im 13./14. Jahrhundert. In: WIEGELMANN, Günter (Hrsg.): Wandel der Alltagskultur seit dem Mittelalter. Phasen – Epochen – Zäsuren (= Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, H. 55). Münster 1987, S. 23f. – MASCHKE, Erich: Die Unterschichten der mittelalterlichen Städte Deutschlands. In: HAASE, Carl (Hrsg.): Die Stadt des Mittelalters (= Wege der Forschung, Bd. 245). Dritter Band: Wirtschaft und Gesellschaft. Darmstadt ³1984, S. 452. – RIPPMANN, Dorothee / SIMON-MUSCHEID, Katharina: Weibliche Lebensformen und Arbeitszusammenhänge im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit. Methoden, Ansätze und Postulate. In: OTHENIN-GIRARD, Mireille / GOSSENREITER, Anna / TRAUTWEILER, Sabine (Hrsg.): Frauen und Öffentlichkeit. Beiträge der 6. Schweizerischen Historikerinnentagung. Zürich 1991, S. 66. 16 BORSCHEID (Epochen und Zäsuren) 1987, S. 68. – DÖRFELD, Günter: Die Entwicklung der neuropsychiatrischen Versorgung in Zwickau bis 1933. Diss. Berlin 1985, S. 80. – WESOLY, Kurt: Lehrlinge und Handwerksgesellen am Mittelrhein. Ihre soziale Lage und ihre Organisation vom 14. bis ins 17. Jahrhundert (= Studien zur Frankfurter Geschichte, Bd. 18). Frankfurt am Main 1985, S. 16.

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senschaftlichen Diskussion dar.17 Weithin als Umbruchphase zu Beginn des sogenannten bürgerlichen Jahrhunderts anerkannt, bildet sie den temporären Schlussstein der Analyse. Ihr kommt zugute, dass nicht nur politische und geistige Brüche die Jahrzehnte vor und nach 1800 kennzeichneten. Insbesondere die im sächsischen Kurfürstentum, welches ab 1806 zum Königreich aufstieg, relativ früh einsetzende Industrialisierung brachte überkommene Wirtschaftsstrukturen ins Wanken. Sie schuf zugleich neue Absatzmöglichkeiten und Spezialisierungschancen und veränderte nachhaltig die soziale Stratifikation, wenngleich das Ende des traditionsreichen Zwangsinnungssystems in Sachsen erst mit der Verabschiedung der Gewerbeordnung von 1861 einherging. Der strukturelle Charakter des „alten“ Handwerks formte sich grundlegend um, sodass am Ende des Transformationsprozesses die gesellschaftlichen Schichtungen und die Produktionsstrukturen nicht mehr dieselben waren.18 Stellte sich der Wandel im sozialen und ökonomischen Fundament der Handwerkerkreise am Ende des Ancien Régime dramatisch dar, werden die Veränderungen der sozialen Sicherungssysteme im Zunfthandwerk bis in das erste Drittel des 19. Jahrhunderts hinein untersucht. Damit wird ein Ausblick auf die sich anschließenden Entwicklungen ermöglicht, der als Ansatzpunkt weiterer Forschungen dienen könnte. Ab diesem Zeitpunkt kann von einer prägenden fabrikindustriellen Produktion in wichtigen Teilen der sächsischen Textil- und Bekleidungs 17 KAUFHOLD, Karl Heinrich: Die Wirtschaft Mitteleuropas 1350–1800. Beharrung und Wandel. In: WIEGELMANN, Günter (Hrsg.): Wandel der Alltagskultur seit dem Mittelalter. Phasen – Epochen – Zäsuren (= Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, H. 55). Münster 1987, S. 41f. Nur über die genaueren Datierungen bestehen Meinungsverschiedenheiten. So spricht Kaufhold von einer Schwelle zwischen 1780 und der Mitte des 19. Jahrhunderts. Ähnlich datiert Toni Pierenkemper den Übergang zwischen den Jahren 1775 und 1850. Reinhart Koselleck verwendet für die rund 100 Jahre zwischen der Mitte des 18. und der Mitte des 19. Jahrhunderts den Begriff der „Sattelzeit“. Rainer Karlsch und Michael Schäfer fragen dagegen genauer nach einem „Take-off“ und stellen verschiedene Ansichten einander gegenüber, um statt von einem Durchbruch von einer evolutionären Entwicklung bis in die 1850er Jahre zu sprechen. KARLSCH, Rainer / SCHÄFER, Michael: Wirtschaftsgeschichte Sachsens im Industriezeitalter. Dresden, Leipzig 2006, S. 45, 48. – KOSELLECK, Reinhart: Einleitung. In: BRUNNER, Otto / CONZE, Werner / KOSELLECK, Reinhart (Hrsg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd. 1: A-D. Stuttgart 1972 (ND 41994), S. XV. – PIERENKEMPER, Toni: Gewerbe und Industrie im 19. und 20. Jahrhundert (= Enzyklopädie deutscher Geschichte, Bd. 29). München ²2007, S. 49f. In Anlehnung an Koselleck siehe: SCHULZE, Winfried: Vom Gemeinnutz zum Eigennutz. Über den Normenwandel in der ständischen Gesellschaft der Frühen Neuzeit (= Schriften des Historischen Kollegs, Vorträge 13). München 1987, S. 6. – VEITS-FALK, Sabine: Der Wandel des Begriffs Armut um 1800. Reflexionen anhand Salzburger Quellen. In: KÜHBERGER, Christoph / SEDMAK, Clemens (Hrsg.): Aktuelle Tendenzen der historischen Armutsforschung (= Geschichte: Forschung und Wissenschaft, Bd. 10). Wien 2005, S. 17f. 18 TENFELDE, Klaus: Konflikt und Organisation in der Frühgeschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung. In: MOMMSEN, Wolfgang J. / HUSUNG, Hans-Gerhard (Hrsg.): Auf dem Wege zur Massengewerkschaft. Die Entwicklung der Gewerkschaften in Deutschland und Großbritannien 1880–1914 (= Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London, Bd. 15). Stuttgart 1984, S. 256.

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branche gesprochen werden, unabhängig von den quantitativ weiterhin dominierenden Beschäftigtenzahlen im handwerklichen Produktionsbereich.19 Der mehrere Jahrhunderte umfassende Analysezeitraum wirkt auf den ersten Blick kaum handhabbar und wurde doch mit Bedacht gewählt. Nicht allein die höhere methodische Absicherung spricht für einen längeren zeitlichen Horizont.20 Grundsätzlich bewirken die Nicht-Übereinstimmung der Periodisierungsgrenzen unterschiedlicher historischer Teildisziplinen und das Überwiegen von sozialen Strukturen langer Dauer, dass sich sozialgeschichtliche Arbeiten häufig leichter als andere Studien über epochale Stufen hinwegsetzen (müssen). Forschungsobjekte wie das Handwerk provozieren „nachgerade die Überschreitung scheinbar festzementierter Epochengrenzen, die Diskussion über Konstante und Variablen, über Kontinuitäten und Diskontinuitäten“.21 Dass ein Überwinden der konstruierten Barrieren beispielsweise von der wirtschaftshistorischen Perspektive des 19. Jahrhunderts zurück in die vorindustrielle Zeit nicht leicht fällt, beweist das Fehlen von Arbeiten in der deutschen Geschichtsschreibung zu epochenübergreifenden Prozessen.22 Dabei zeichnen zahlreiche Untersuchungen spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Unterstützungsregelungen die „soziale Frage“ eben nicht als Produkt der Industrialisierung nach; der Bedarf an sozialer Sicherung zieht sich durch alle geschichtlichen Epochen – wenngleich durchaus mit schwankender Intensität.23 Der Logik einer ständischen „Knappheitsgesellschaft“ entsprang die „Erfahrung, daß der Ernstfall niemals fern war, daß schon das nächste Jahr Mangel und das übernächste Elend bringen konn 19 Allerdings war damals nur noch ein Teil der Handwerker, der zudem in Relation zur Handwerkerschaft insgesamt weiter schwand, in feste Organisationsformen eingebunden. 20 REININGHAUS, Wilfried: Wanderungen von Handwerkern zwischen hohem Mittelalter und Industrialisierung. Ein Versuch zur Analyse der Einflußfaktoren. In: JARITZ, Gerhard / MÜLLER, Albert (Hrsg.): Migration in der Feudalgesellschaft (= Studien zur Historischen Sozialwissenschaft, Bd. 8). Frankfurt am Main, New York 1988, S. 179. 21 REININGHAUS, Wilfried: Stadt und Handwerk. Eine Einführung in Forschungsprobleme und Forschungsfragen. In: KAUFHOLD, Karl Heinrich / REININGHAUS, Wilfried (Hrsg.): Stadt und Handwerk in Mittelalter und Früher Neuzeit (= Städteforschung, Reihe A: Darstellungen, Bd. 54). Köln, Weimar, Wien 2000, S. 1. In seiner Arbeit zu den städtischen Unterschichten in Bordeaux betont Martin DINGES die klare Dominanz langwelliger Entwicklungsprozesse im Armen- und Fürsorgewesen. DINGES, Martin: Stadtarmut in Bordeaux 1525–1675. Alltag, Politik, Mentalitäten (= Pariser historische Studien, Bd. 26). Bonn 1988, S. 28, 523. 22 REININGHAUS, Wilfried: Die Gesellenvereinigungen am Ende des Alten Reiches. Die Bilanz von dreihundert Jahren Sozialdisziplinierung. In: ENGELHARDT, Ulrich (Hrsg.): Handwerker in der Industrialisierung. Lage, Kultur und Politik vom späten 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert (= Industrielle Welt. Schriftenreihe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte, Bd. 37). Stuttgart 1984, S. 220. 23 HENNING, Friedrich-Wilhelm: Das Raster der sozialpolitischen Maßnahmen in Deutschland in der vorindustriellen Zeit. Zur Entfaltung des sozialpolitischen Gebäudes vor dem 19. Jahrhundert. In: KAUFHOLD, Karl Heinrich / RIEMANN, Friedrich (Hrsg.): Theorie und Empirie in Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsgeschichte. Wilhelm Abel zum 80. Geburtstag (= Schriftenreihe für ländliche Sozialfragen, H. 92). Göttingen 1984, S. 114.

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te“,24 weshalb der analysierende Blick in die „vormoderne“ Zeit mehrfach lohnenswert erscheint. Ohne also abrupte Einschnitte in der langwelligen Entwicklung gesellschaftlicher und sozioökonomischer Phänomene zu erwarten und wenngleich damit Abstriche in der Breite des Forschungsgegenstandes akzeptiert werden müssen, kann eine detaillierte Betrachtung der verschiedenen Formen sozialer Sicherung und ihrer Entwicklung nur über größere Zeiträume hinweg aussagekräftige Resultate hervorbringen. Allein aufgrund der Tatsache, dass sich das Thema der Arbeit mit einer lang andauernden sozialen Entwicklung beschäftigt, um die Prozesshaftigkeit des Wandels adäquat abbilden und überhaupt fundamentale Entwicklungstendenzen ausmachen zu können, drängt sich eine notwendige Beschränkung der Forschungsperspektive auf anderen Untersuchungsebenen geradezu auf. Allein die Menge an unveröffentlichtem Material und zu bewältigendem Arbeitsaufwand gebot eine räumliche und sachliche Begrenzung, was nicht als Negativum aufzufassen ist. Lokal- bzw. regionalgeschichtliche Studien bieten deutliche Vorteile. Sie wenden sich einem klar abgegrenzten Gebiet zu und entwickeln über empirisch fundierte Bestandsaufnahmen und Beobachtungen überhaupt erst die Grundlage für eine Theoriebildung der mittleren oder größeren Reichweite, erzeugen diese aber nicht unbedingt selbst. Wichtig erscheint die Anwendung von Fall-, Lokal-, Regionalund Mikrostudien, weil sie das Potenzial besitzen, gegenüber allgemeinen theoretischen Konzepten und generalisierenden Reflexionen durch „Fakten zu bremsen“.25 Denn natürlich „ist es methodisch zweifelhaft“, wie Uwe Schirmer formuliert, „den Erkenntnisstand deutscher oder europäischer Regionen nach Sachsen zu transformieren.“26 Und selbst das Korpus „Sachsen“ darf nicht einmal als einheitliches Wirtschaftsgebilde aufgefasst werden. Zu uneinheitlich, vielgestaltig, ja gegensätzlich stellten sich die ökonomischen Entwicklungen dar,27 sodass ihr Ein 24 STÜRMER, Michael (Hrsg.): Herbst des Alten Handwerks. Meister, Gesellen und Obrigkeit im 18. Jahrhundert. München 1986, S. 107. „Unsicher wie der nächste Tag war in der frühen Neuzeit auch die Lage der Menschen in Krankheit und Alter.“ BORSCHEID (Epochen und Zäsuren) 1987, S. 72. 25 KÜHBERGER / SEDMAK (Einleitung) 2005, S. 5f. Siehe auch: BRÄUER, Helmut: Entwicklungstendenzen und Perspektiven der Erforschung sächsischer Zunfthandwerksgeschichte. In: Jahrbuch für Regionalgeschichte 19/1993/94, S. 35–56. – KÖLLMANN, Wolfgang: Zur Bedeutung der Regionalgeschichte im Rahmen struktur- und sozialgeschichtlicher Konzeptionen. In: Archiv für Sozialgeschichte 15/1975, S. 44–46. – WESOLY (Lehrlinge und Handwerksgesellen) 1985, S. 10. 26 SCHIRMER, Uwe: Beobachtungen zur wirtschaftlichen Situation in Kursachsen bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts. In: Dresdner Hefte. Beiträge zur Kulturgeschichte 16/1998, H. 56, S. 77. 27 BRÄUER, Helmut: Das zünftige Handwerk in Sachsen und die „Landes-Oeconomie-, Manufactur- und Commercien-Deputation“ im 18. Jahrhundert. In: CZOK, Karl / BRÄUER, Helmut (Hrsg.): Studien zur älteren sächsischen Handwerksgeschichte (= Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-historische Klasse, Bd. 130, H. 6). Berlin 1990, S. 50f. – SCHIRMER (Wirtschaftliche Situation in Kursachsen) 1998, S. 78. – SCHLENKRICH, Elke / BRÄUER, Helmut: Armut, Verarmung und ihre öffentliche Wahrneh

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fluss auf die Modifizierung sozialer Sicherungsmaßnahmen nur im Detail untersucht werden kann und damit häufig fragmentarisch bleiben muss. Die seit dem Mittelalter relativ dicht besiedelte obersächsische Region, die zu großen Teilen im wettinischen Einflussbereich lag, bot günstige natürliche Voraussetzungen für ein intensives Gewerbeleben. Mit dem späten Mittelalter setzte eine langwierige „Agrardepression“ ein, in deren Zuge das Stadtwesen aufblühen konnte. Neue Stadtgründungen, die anziehenden Preise für gewerbliche Produkte, die Ausweitung der Handels- und Kommunikationswege und ein spürbarer technischer und organisatorischer Fortschritt innerhalb der Gewerbe ließen den Anteil der städtischen Bevölkerung ansteigen. An der Grenze zur frühen Neuzeit wies die sächsische Region schon einen hohen Urbanisierungsgrad von circa einem Bevölkerungsdrittel auf. Dieses Verhältnis von Land- und Stadtbevölkerung wurde bis zum Ende des Untersuchungszeitraums bei steigender Gesamtbevölkerungszahl annähernd beibehalten.28 In den Städten regte sich ein facettenreiches Gewerbeleben. Wird von der Anzahl der gewerblich Beschäftigten in Relation zur Einwohnerschaft ausgegangen, zählte die sächsische Region damit vergleichsweise frühzeitig zu den „Gewerbelandschaften“ im Alten Reich.29 Die Bedeutung des (zünftigen) Handwerks kann für die Entwicklung des europäischen und des deutschen Städtewesens nicht genug herausgestellt werden. Neben den zwei Dritteln der in der Landwirtschaft Tätigen arbeiteten in den deutschen Territorien noch um 1800 etwa zwölf Prozent  mung. Das sächsische Handwerk des ausgehenden 17. und 18. Jahrhunderts. In: KAUFHOLD, Karl Heinrich / REININGHAUS, Wilfried (Hrsg.): Stadt und Handwerk in Mittelalter und Früher Neuzeit (= Städteforschung, Reihe A: Darstellungen, Bd. 54). Köln, Weimar, Wien 2000, S. 94. 28 BLASCHKE, Karlheinz: Zur Statistik der sächsischen Städte im 16. Jahrhundert. In: KRETZSCHMAR, Hellmut (Hrsg.): Vom Mittelalter zur Neuzeit. Zum 65. Geburtstag von Heinrich Sproemberg. Berlin 1956, S. 140. – BLASCHKE, Karlheinz: Bevölkerungsgeschichte von Sachsen bis zur industriellen Revolution. Weimar 1967, S. 162. – FORBERGER, Rudolf: Die Industrielle Revolution in Sachsen 1800–1861, Bd. 1, Erster Halbband: Die Revolution der Produktivkräfte in Sachsen 1800–1830. Übersichten zur Fabrikentwicklung. Berlin 1982, S. 425. – KARLSCH / SCHÄFER (Wirtschaftsgeschichte) 2006, S. 11. – KAUFHOLD (Wirtschaft Mitteleuropas) 1987, S. 51f. 29 Als Definitionskriterium können beispielsweise mindestens 60 Gewerbetreibende auf 1.000 Einwohner angenommen werden. REININGHAUS, Wilfried: Gewerbe in der Frühen Neuzeit (= Enzyklopädie deutscher Geschichte, Bd. 3). München 1990, S. 8. In einem aktuell erschienenen Überblickswerk wird eine auf Produktion und Siedlungsstrukturen bezogene Definition präsentiert: „Charakteristisch für Gewerbelandschaften waren die massenhafte Herstellung standardisierter Ware gleichbleibender Qualität für den überregionalen und ‚internationalen‘ Markt sowie die gestufte, hierarchische Struktur, an deren Spitze die zentralen, marktbestimmenden Städte standen.“ Das östliche Mitteldeutschland (inklusive des sächsischen Raumes) wird hier ebenfalls exemplarisch aufgeführt. SCHULZ, Knut: Handwerk, Zünfte und Gewerbe. Mittelalter und Renaissance. Darmstadt 2010, S. 159, 170f. Vgl. KAUFHOLD, Karl Heinrich: Umfang und Gliederung des deutschen Handwerks um 1800. In: ABEL, Wilhelm (Hrsg.): Handwerksgeschichte in neuer Sicht (= Göttinger Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1). Göttingen 1978, S. 44.

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aller Beschäftigten im Handwerk, davon ein Großteil innerhalb der Zunftorganisationen, und bildeten somit einen wesentlichen ökonomischen Einflussfaktor. Das bedeutete, dass ein Sechstel der Bevölkerung damals direkt von der handwerklichen Produktion lebte und in den Städten das Handwerk bis ins 19. Jahrhundert der Sektor mit den meisten Beschäftigten blieb.30 Als „stärkste Triebkraft der gewerblichen Wirtschaftsentfaltung des Mittelalters“31 und der frühen Neuzeit allgemein sowie für die Region nördlich des Erzgebirges speziell wurde den Fragestellungen anhand der Textil- und Bekleidungsbranche nachgegangen. Ein Großteil der organisierten Handwerkerschaft war innerhalb dieser wichtigsten Gewerbebranche beschäftigt, denn allein in Exportgewerbestädten wie Chemnitz und Zwickau erreichten Handwerker aus den zugehörigen Gewerben einen Anteil von mehr als fünfzig Prozent.32 Sie hatten im sekundären Produktionssektor bis in das sogenannte industrielle Zeitalter hinein eine Schlüsselstellung inne, ohne die der ökonomische und soziale, letztlich auch der mentale und politische Aufbruch in die Moderne nicht denkbar gewesen wäre. Innerhalb der Textil- und Bekleidungsbranche fanden sich Handwerke unterschiedlichster Ausrichtung und Struktur. Während einige Gewerbe vorrangig für den Exportmarkt produzierten, befriedigten andere die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung. Hoch spezialisierte Handwerksmeister standen ihren Kollegen in den Massengewerben gegenüber. Von großer Verschiedenartigkeit waren neben der Gewerbestruktur, dem Produktionsprozess, den örtlichen Rahmenbedingungen und vielen weiteren Kriterien die nötige Kapitalbasis für die Ausübung der Tätigkeiten sowie die soziale Lebenswirklichkeit. Gerade Letztere unterschied sich zwischen den Handwerken und innerhalb der einzelnen Gewerbe häufig gravierend.  30 In der Literatur kursieren leicht divergierende quantitative Angaben. Vgl. DIPPER, Christof: Deutsche Geschichte 1648–1789. Frankfurt am Main 1991, S. 98. – KAUFHOLD (Umfang und Gliederung) 1978, S. 38. – LENGER, Friedrich: Sozialgeschichte der deutschen Handwerker seit 1800. Frankfurt am Main 1988, S. 13, 18f., 50. – PIERENKEMPER (Gewerbe) 2007, S. 10. – RICHTER-NICKEL, Sieglinde: Handwerk, Handel, Manufaktur und Fabrik. In: GROSS, Reiner (Hrsg.): Geschichte der Stadt Dresden. Bd. 2: Vom Ende des Dreißigjährigen Krieges bis zur Reichsgründung. Stuttgart 2006, S. 360. Reininghaus gibt deutlich abweichende Zahlenwerte an. Nach seinen Berechnungen würden 21 bis 23 Prozent aller Beschäftigten vom Handwerk leben. Die grundsätzlich angezeigte gewerbliche Dominanz des Handwerks im ökonomischen Sekundärsektor wird bei ihm also noch erhöht. REININGHAUS (Gewerbe) 1990, S. 6. 31 SCHULZ (Handwerk, Zünfte und Gewerbe) 2010, S. 158. 32 KELLER, Katrin: Kursachsen am Ende des 17. Jahrhunderts – Beobachtungen zur regionalen und wirtschaftlichen Struktur der sächsischen Städtelandschaft. In: SCHIRMER, Uwe (Hrsg.): Sachsen im 17. Jahrhundert. Krise, Krieg und Neubeginn (= Schriften der Rudolf-KötzschkeGesellschaft, Bd. 5). Beucha 1998, S. 140. – REININGHAUS (Gewerbe) 1990, S. 6. Ein Fünftel der Gewerbstätigen wird nach seiner Berufstätigkeit von Pierenkemper allein der Textilherstellung zugeordnet. Damit wären etwa 40 Prozent der im Handwerk Beschäftigten in diesem Tätigkeitsbereich zu verorten. PIERENKEMPER (Gewerbe) 2007, S. 10f., 22. Würde das Handwerk streng nach Wirtschaftsbranchen gegliedert, so wäre die Textilherstellung von den Bekleidungsgewerben zu trennen, wogegen in der vorliegenden Arbeit Handwerke aus beiden Branchen untersucht wurden.

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Dennoch blieb eine gewisse berufsständische Verwandtschaft erhalten, da andere berufs- bzw. produktionsbedingte Faktoren durch die gewerbespezifische Organisationsstruktur ausgeschlossen wurden. Außerdem betrafen elementare Entwicklungen wie Hungersnöte, Seuchenwellen, Kriegsereignisse oder Naturkatastrophen oft sämtliche Handwerke gemeinsam, wenngleich das Maß der Betroffenheit und der Vulnerabilität variierte. Teilweise konnten sogar Vorteile aus sonst dramatischen Ereignissen gezogen werden, wenn z. B. ein verwandtes, konkurrierendes Handwerk eines Nachbarortes durch einen Stadtbrand geschädigt, durch die Pest dezimiert oder durch Truppenzüge zu teuren Einquartierungen gezwungen wurde. Einbrüche in das alltägliche Leben wie diese trafen die Individuen, die Einzelgewerbe und die verschiedenen Siedlungen mit ungleicher Intensität. Die Organisationen einzelner Handwerksberufe (Leineweber, Posamentierer, Schneider, Schuhmacher, Strumpfstricker, Strumpfwirker, Tuchbereiter, Tuchmacher, Tuchscherer) wurden besonders detailliert untersucht. Gestattete es dagegen die Quellenlage nicht, sich auf diese gewerbliche Auswahl zu beschränken, wurde das Sichtfeld um zusätzliche Quellen erweitert. Dies war für einige konkrete Sicherungsformen ebenso notwendig wie für die quellenärmere Zeit des spätmittelalterlichen Sachsens. Da selbst bei einer solchen Konzentration auf einige Berufe innerhalb der Textil- und Bekleidungsgewerbe der Umfang der zu sichtenden Überlieferung nicht vertretbar gewesen wäre, waren weitere Beschränkungen des Untersuchungsgegenstandes nötig. Das Kurfürstentum Sachsen zeichnete sich in der frühen Neuzeit durch eine relativ hohe Städtedichte aus, wenngleich die Mehrzahl dieser Siedlungen bis zum Einsetzen der industriellen Revolution nur einige wenige Tausend Einwohner aufwies.33 In Siedlungen mit größeren Handwerkeransammlungen, den sogenannten (Export-)Gewerbestädten, entstanden die ersten Handwerksorganisationen. Auch wenn frühzeitig ein Erstarken des ländlich geprägten Handwerks (vor allem als Nebenerwerbszweig) konstatiert werden muss, blieben seine archivalischen  33 Insgesamt blieb das Verhältnis der städtischen zur ländlichen Einwohnerschaft in Sachsen während der frühen Neuzeit relativ konstant bei eins zu zwei. Die größten Städte am Ende des 18. Jahrhunderts waren Dresden und Leipzig. Außer diesen beiden erreichten die Städte Chemnitz und Freiberg, als die nächstgrößeren auf kursächsischem Boden, damals nur eine Größe von 10–11.000 Einwohnern. Die Stadt Zwickau hatte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und auch im 17. Jahrhundert mit rückläufigen Einwohnerzahlen zu kämpfen und wies um 1800 nur etwa 4.000 Einwohner auf. Statistischer Verein für das Königreich Sachsen: Mittheilungen des statistischen Vereins für das Königreich Sachsen. Bd. 1, Erste Lieferung. Leipzig 1831, S. 28. – BLASCHKE (Bevölkerungsgeschichte) 1967, S. 138–141, 168. – HAHN, Karl: Zwickau. In: KEYSER, Erich (Hrsg.): Deutsches Städtebuch. Handbuch städtischer Geschichte. Bd. II: Mitteldeutschland. Stuttgart, Berlin 1941, S. 245. – SCHOLZ, Volker: Handwerk und Manufaktur an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Ökonomische, soziale und ideelle Entwicklungstendenzen der Chemnitzer Zeug- und Leineweber sowie der Kattundrucker und Formstecher in Chemnitz 1790–1825. Diss. Leipzig 1991, S. 8. – ZÖLLNER, Curt Wilhelm: Geschichte der Fabrik und Handelsstadt Chemnitz von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Chemnitz 1888 (ND Frankfurt am Main 1976), S. 346.

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Zeugnisse bis weit in das 17. Jahrhundert hinein dürftig. Insbesondere der Grad an individueller Alphabetisierung, aber auch an zünftiger Schriftlichkeit und Organisation überhaupt schritt außerhalb der Städte nur zögernd voran, bis in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts schließlich Landzünfte verwaltungstechnisch etwa auf gleicher Augenhöhe mit städtischen Innungen agierten bzw. in Kursachsen in die urbanen Korporationen34 integriert wurden. Auch zwischen den städtischen Siedlungen existierten deutliche Unterschiede in Bezug auf den Schriftlichkeitsgrad obrigkeitlichen und korporativen Verwaltungshandelns. Der Forschungsfokus lag somit eindeutig auf den Handwerksorganisationen der größeren städtischen Zentren im kursächsischen Raum.35 Für die bedeutendsten obersächsischen Städte Dresden, Leipzig, Chemnitz und Zwickau wurden umfangreiche Quellenbestände untersucht.36 Ohne auf ein abgeschlossenes Quellenkorpus zugreifen zu können, stellten sich die Materialbasis und die Forschungsvorarbeiten für die Handwerke in diesen Orten am günstigsten dar. Die organisatorische Struktur der Handwerkerschaft war hier am stärksten und vielfältigsten ausgeprägt. Es konnte zudem davon ausgegangen werden, dass in den bedeutsamsten Berufsorganisationen und Städten alle wesent 34 Die frühneuzeitlichen Handwerksorganisationen werden in der vorliegenden Arbeit als Korporationen verstanden, wobei eine Korporation eine „Körperschaft im Sinne großer sozialer Gebilde mit bestimmten Zielen und Interessen sowie einer formalen (bürokratischen) Organisationsstruktur“ sei. HILLMANN (Soziologie) 2007, S. 459. Die Definition ist in mehrerer Hinsicht ergänzungsbedürftig. Einerseits dürfen an die „bürokratische“ Struktur in Bezug auf die untersuchten Zünfte und vor allem die Gesellenschaften keine modernen Maßstäbe angelegt werden. Andererseits ist der Zwangscharakter dieser Vereinigungen als ein konstitutives Element hervorzuheben. 35 Damit soll ein möglicher Gegensatz zwischen städtischer und ländlicher Produktion nicht überbetont werden. Eine starke Stadt-Land-Dichotomie lehnte bereits Anke Sczesny ab. SCZESNY, Anke: Stadt, Markt und Land im Textilrevier Ostschwabens im 17. und 18. Jahrhundert. In: HÄBERLEIN, Mark / JEGGLE, Christof (Hrsg.): Vorindustrielles Gewerbe. Handwerkliche Produktion und Arbeitsbeziehungen in Mittelalter und Früher Neuzeit (= Irseer Schriften. Studien zur schwäbischen Kulturgeschichte, N. F. Bd. 2). Konstanz 2004, S. 65– 82. Die Kurwürde erlangte das albertinische Herzogtum 1547. Die zuvor ernestinische Stadt Zwickau fiel ebenfalls zu dieser Zeit an die Albertiner. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen wird an verschiedenen Stellen der Arbeit dennoch der Einfachheit halber von den vier untersuchten Städten des Kurfürstentums Sachsen gesprochen. 36 Die Stadt Freiberg, welche nach ihrer Größe und ökonomischen Bedeutung sicherlich in die erste Kategorie unter den kursächsischen Städten zu zählen war, stellte aufgrund ihres speziellen Charakters als ausgeprägte Bergstadt einen Sonderfall dar. Ihre Handwerkszünfte erreichten keine vergleichbare Bedeutung mit denen der genannten anderen vier Städte. Ähnliches gilt für die Stadt Wittenberg, welche ihren Rang und Stellenwert der Universitätsgründung, der Reformationsentwicklung und der vorübergehenden Funktion als Regierungs- und Verwaltungssitz verdankte, ohne ein mit den Gewerbestädten Chemnitz und Zwickau oder den beiden typologischen Sonderfällen Leipzig und Dresden vergleichbar intensives Gewerbeleben hervorzubringen. Die Städte der Oberlausitz unterlagen mindestens bis zum 17. Jahrhundert anderen politischen und konfessionellen Einflüssen, weshalb sie nicht in die Untersuchung einbezogen wurden. Eine Ausdehnung des Untersuchungsfeldes auf weitere Städte oder Regionen hätte zudem den Rahmen der Arbeit gesprengt.

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lichen kollektiven sozialen Sicherungsformen des städtischen obersächsischen Handwerks vertreten waren. Kleineren Zünften und Gesellenschaften dürfte erstens die Notwendigkeit sozialer Sicherung aufgrund der niedrigeren Mitgliederund Bedürftigenzahlen nicht in gleichem Maße dringlich erschienen sein wie den größeren. Zweitens fehlten den kleineren Handwerkskorporationen häufig schlichtweg die materiellen Mittel. Nicht zuletzt wurde die Dimension der Untersuchung von der bisherigen sozial- und handwerksgeschichtlichen Forschung bestimmt. Deren Entwicklung wird im Folgenden beschrieben.

2.3 DIE ENTWICKLUNG DER HANDWERKSGESCHICHTSSCHREIBUNG Eine maßgebliche Variante der kollektiven Sicherung gegen soziale Risiken gewann seit dem ausgehenden Mittelalter in Europa an Bedeutung. Als multifunktionale berufsspezifische Vereinigungen besaßen die Handwerksorganisationen gegenüber ihren Mitgliedern und deren Haushalten prinzipiell soziale Funktionen, selbst wenn ihre originäre Aufgabenstellung ökonomischer Natur war. Wenn nun die Entwicklung der Handwerksgeschichtsschreibung nachgezeichnet werden soll, so muss bedacht werden, dass die Erkenntnis der sozialen Funktion der Handwerksorganisationen frühzeitig allgemein akzeptiert und in unterschiedlichster Perspektive und Intensität betont wurde. Zum einen wurden die Einrichtungen als Inbegriff von Solidarität und bisweilen pathetischer Bruderliebe stilisiert, zum anderen erschienen sie als ökonomisch kühl kalkulierende, egoistische Interessenverbände, deren primäre Zielsetzung der faktischen Besserstellung ihrer Mitglieder auf dem Arbeitsmarkt bzw. grundsätzlich gegenüber Nichtmitgliedern galt. Bis auf wenige Ausnahmen wurde die sozialfürsorgliche Ausrichtung von Meisterzünften und Gesellenverbänden, wenn nicht unterschlagen, so doch nur peripher und selten konkreter diskutiert und schon gar nicht en détail untersucht.37

Kameralismus und Aufklärung – Funktion und Reformierbarkeit des Zunftwesens Bereits Gerhard Deter wies auf die äußerst widerstandsfähige Langlebigkeit älterer Ansichten über das Handwerk bzw. das Zunftwesen hin, die bis in die Gegenwart hinein populäre Vorstellungen und wissenschaftliche Beschreibungen beeinflussen würden.38 Noch manche der heutigen Urteile wurzeln demnach in den  37 Ein Mangel an Untersuchungen zur sozialen Sicherung in den Handwerksorganisationen europaweit wurde erst unlängst wieder beklagt. VAN LEEUWEN (Guilds) 2012, S. 61f. Aufgrund der Ausgangssituation und der Zielrichtung der Arbeit konzentriert sich die folgende Darstellung auf die Entwicklung der deutschsprachigen Handwerkshistoriografie. 38 DETER, Gerhard: Rechtsgeschichte des westfälischen Handwerks im 18. Jahrhundert. Das Recht der Meister (= Geschichtliche Arbeiten zur westfälischen Landesforschung. Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Gruppe, Bd. 8). Münster 1990, S. 9. Vgl. MEYER, Torsten: 

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aufkommenden Diskussionen über Sinnhaftigkeit, Reformfähigkeit und Funktionalität des Zunftwesens im Zuge merkantilistischer Wirtschaftskonzepte. Mit dem Erstarken kameralistischer Ideen in den deutschen Territorien nach dem Dreißigjährigen Krieg nahm die Kritik an den Handwerksorganisationen zu.39 Nachdem um 1500 die Gesellenorganisationen ins Blickfeld der obrigkeitlichen und gelehrten Kritik geraten waren, indem Auswüchse wie das Schenken, Schelten und Auftreiben durch die Reichsgesetzgebung untersagt oder wenigstens eingedämmt werden sollten, wandten sich die Kritiker in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zusätzlich auch den Handwerkerzünften zu. In den reichsständischen Beratungen der 1660er Jahre zum Handwerksrecht wurden zugegebenermaßen vorrangig Probleme der Gesellenorganisationen erläutert. Die Debatten zu reformorientiert-kritischen Themenpunkten, die sich gegen die Meisterzünfte richteten, nahmen im Verlauf der Beratungen jedoch zu. So war beispielsweise im „Conclusum“ vom Mai 1671 der kameralistische Einfluss deutlich zu spüren, als gegen Missstände wie den Ausschluss oder die Stigmatisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen aufgrund „unehrlicher“ Geburt und Herkunft vorgegangen wurde.40 Erste Ansätze, das Zunftwesen gestaltend zu erneuern, scheiterten ebenso wie das mehrfache Verbot der Gesellenorganisationen.41  Der staatswissenschaftliche Diskurs über das zünftige Handwerk. In: REITH, Reinhold / SCHMIDT, Dorothea (Hrsg.): Kleine Betriebe – angepaßte Technologie? Hoffnungen, Erfahrungen und Ernüchterungen aus sozial- und technikhistorischer Sicht (= Cottbuser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt, Bd. 18). Münster, New York, München, Berlin 2002, S. 42. 39 In den Quellen des Mittelalters waren die Handwerkszünfte nur sehr selten Gegenstand eines politischen oder philosophischen Legitimationsdiskurses. Bis ins 18. Jahrhundert blieb die Akzeptanz ihrer Funktionen für die Ökonomie und die Gesellschaft überwältigend groß. Vgl. BLACK, Antony: Guild and state. European political thought from the twelfth century to the present. New Brunswick, London 2003, S. 12–31, 128. 40 Conclusum Der Dreyen Reichs-Collegiorum, im Majo 1671. Die Abstellung der Mißbräuch bey denen Handwerckern betreffend. [o. O.] 1680. Zu den Beratungen der Reichstage zum Handwerksrecht in den 1660er Jahren allgemein: WINZEN, Kristina: Handwerk – Reich – Städte. Die städtische Kurie des Immerwährenden Reichstags und die Anfänge der Reichshandwerksordnung (= Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte Nr. 160). Stuttgart 2002. 41 Erste meist fruchtlose Verbote von Gesellentrinkstuben und Gesellenschaften finden sich bereits im Mittelalter. Am Ende der frühen Neuzeit steigerten sich die restriktiven Maßnahmen bis zum definitiven Verbot der alten Gesellenladen. In Kursachsen fand diese Entwicklung mit einem landesherrlichen Mandat im Dezember 1810 und der Errichtung von Gesellenverpflegungskassen ihren vorläufigen Abschluss. Mandat, die Abstellung verschiedener Innungsgebrechen betreffend (Dresden, 07.12.1810). – GRIESSINGER, Andreas: Das symbolische Kapital der Ehre. Streikbewegungen und kollektives Bewußtsein deutscher Handwerksgesellen im 18. Jahrhundert. Frankfurt am Main 1981, S. 255, 265, 277–285. – HARDTWIG, Wolfgang: Genossenschaft, Sekte, Verein in Deutschland. Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zur Französischen Revolution. München 1997, S. 60f. – MATING-SAMMLER, Alfred: Zur Geschichte der Chemnitzer Schneiderinnung im Mittelalter. In: Chemnitzer Tageblatt und An

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Einen Grund, die radikale Abschaffung der Handwerks- und vornehmlich der unbequemen Gesellenorganisationen zu verhindern, bildeten neben einer prinzipiellen Schwäche der obrigkeitlichen Strukturen die für die staatliche und kommunale Seite unverzichtbaren sozialen Funktionen der Handwerksorganisationen. Die repräsentativen Ansichten der eher gemäßigten deutschen Kameralisten vertrat der kursächsische Hofrat Paul Jacob Marperger, indem er die missbräuchlichen, schädigenden Wirkungen der Handwerker und Zünfte gegenüber dem „Publicum“ beschrieb, doch gleichermaßen die sozialen Errungenschaften der Gesellen-, Handwerks- und Totenkassen lobte.42 Der Jurist Christian Döhler wollte einen drastischeren Einschnitt vornehmen und sah in der Aufhebung des reglementierten Zugangs zu den Handwerksorganisationen ein effektives Mittel, diese (wieder) dem gemeinen Nutzen zu verpflichten.43 Mit der tendenziellen Abwendung von einer etatistischen, die Zünfte einhegenden Politik hin zu den Vorstellungen der Vertrags- und Gewerbefreiheit wuchsen die Lager der Anhänger des französischen Ökonomen François Quesnay und des schottischen Volkswirtschaftlers Adam Smith. Nach den wirtschaftlichen und sozialen Erschütterungen des Siebenjährigen Krieges und der Krisenjahre von 1770/73 sowie mit den intensiven Diskussionen um königliche Reformen des Zunftwesens in Frankreich 1776 explodierte das verfügbare literarische Angebot zur Modernisierung von Landwirtschaft und Gewerbewesen geradezu. Die Zünfte und ihr schädlicher Monopol-„Geist“ rückten immer mehr in den Fokus dieser gelehrten Kritik, ohne dass den Handwerksorganisationen aus Sicht der Reformanhänger eine tragfähige Rolle im System der sozialen Sicherung zuerkannt wurde.44

 zeiger. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden in Chemnitz 1887, Nr. 37, S. 10. 42 MARPERGER, Paul Jacob: Montes Pietatis oder Leyh-Assistentz- und Hülffs-Häuser, LehnBanquen und Lombards, und wie solche in einer Jeden Republic, der gemeinen Bürgerschafft, und auch andern Leuten, sonderlich aber dem Nothleidenden Armuth zum Besten, höchst nöthig und nützlich anzulegen [...] Leipzig 1715. In einer nach Marpergers Tod erschienenen, veränderten Auflage wurden die von den Handwerksorganisationen ausgehenden „Liebeswerke und Ehrendienste, so sie im Leben und Sterben einander erzeigen“, noch stärker unterstrichen. Ders.: Montes Pietatis oder Leih-Assistenz- und Hülfshäuser, Leihebanken und Lombards ingleichen von Leibrenten, Todten-Cassen und Lotterien. Neue verbesserte Auflage. Leipzig, Ulm 1760, S. 125. 43 DÖHLER, Christian: Kurtze Beschreibung der Handwerks-Rechte und Gewohnheiten, Nach der heutigen Observanz, Nebst einem Register. Jena [1730]. 44 ROEHL, Hugo: Beiträge zur Preussischen Handwerkerpolitik vom Allgemeinen Landrecht bis zur Allgemeinen Gewerbeordnung von 1845 (= Staats- und socialwissenschaftliche Forschungen, Bd. 17, H. 4). Leipzig 1900, S. 3–5. – STÜRMER (Herbst) 1986, S. 34.

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Liberale und Konservative – Die Fortsetzung der Debatten Zu Ende des 18. Jahrhunderts standen sich somit zwei meinungsbildende Lager gegenüber, die um die elementare Möglichkeit und den mehr oder weniger wünschenswerten Sinn einer Zunftsystemreform stritten.45 Physiokraten und Liberale als mehr oder weniger radikale Zunftgegner arbeiteten auf ein Ende des Zunftzwangs, die Abschaffung der gesamten bisherigen Gewerbeorganisationen und damit die „Lösung“ der Probleme um die sogenannten „Missbräuche“ im Handwerk hin. Die Zünfte würden durch ihre zweifelhaften Gewohnheitsrechte, ihre erstarrten Organisationsstrukturen und ihren Exklusivitätscharakter den ökonomischen, technischen und sozialen Fortschritt behindern und dem Gemeinwohl schaden, indem sie allein egoistischen Zielen folgten und durch die obrigkeitlichen Privilegierungen gestützt würden. Auch die Qualität der Waren sei durch ein geknebeltes Handwerkswesen nicht besser geworden, niemand innerhalb dieses Systems hätte den Anreiz, innovative und billigere Produkte zu entwickeln. Die Zukunft dagegen gehöre Manufakturen und Fabriken. In der freien Entfaltung der Wirtschaftsordnung würde nach den Anhängern von Smith das wünschenswerte oder wenigstens das notwendige ökonomische und soziale Ideal liegen.46 Von sozialem Mehrwert durch die Zünfte und Gesellenschaften könne keine Rede sein, denn bestenfalls wurden deren soziale Anstrengungen anerkannt, der praktische Nutzen aber als unzureichend oder gar dysfunktional eingeschätzt. Die gegnerische Seite zeichnete sich durch ein breites Spektrum an unterschiedlichsten Reformansätzen aus. Konservative Nationalökonomen befürworteten die Notwendigkeit, mit Gesetzesänderungen die zu missbilligenden Abschließungstendenzen der Zünfte einzudämmen. Gemäßigtere Reformer wie der Osnabrücker Staatsmann Justus Möser traten für die Beibehaltung des Zunftwesens ein, denn dieses brächte mit Ehrbarkeitsideal und Wandersystem durchaus nützliche, sittliche Effekte hervor.47 Vermittelnd forderte Joseph von Sonnenfels die klare Unterbindung schädlicher Auswüchse bei grundsätzlich fortbestehenden  45 BLACK (Guild) 2003, S. 10, 12–14. – EHMER, Josef: Traditionelles Denken und neue Fragestellungen zur Geschichte von Handwerk und Zunft. In: LENGER, Friedrich (Hrsg.): Handwerk, Hausindustrie und die historische Schule der Nationalökonomie. Wissenschafts- und gewerbegeschichtliche Perspektiven. Bielefeld 1998, S. 19–77. Roehl grenzt gar drei verschiedene Gruppen voneinander ab, doch bleibt die Unterscheidung der sogenannten „Zunftfreunde“ von den Reformwilligen blass. Allein in der Reichweite ihrer Forderungen zur Weiterentwicklung des Zunftwesens unterscheiden sie sich. ROEHL (Preussische Handwerkerpolitik) 1900, S. 11–13. Torsten Meyer betont weniger die verschiedenen Lager als vielmehr die grundsätzlich ambivalente Haltung der Staatswissenschaftler gegenüber den zünftigen Institutionen. MEYER (Staatswissenschaftlicher Diskurs) 2002. 46 Die ablehnenden Einschätzungen des Zunfthandwerks „als archaische Wirtschaftsform“ durch das neue, gelehrsame Bürgertum am Ende des 18. Jahrhunderts finden sich bei Cornelius Neutsch, der allerdings nicht auf die gegenteilige Meinung eingeht. NEUTSCH, Cornelius: Der faule deutsche Handwerker: über ein Stereotyp in der mitteleuropäischen Reiseliteratur des ausgehenden 18. Jahrhunderts. In: Scripta Mercaturae 23/1989, H. 1–2, S. 116–131. 47 ROEHL (Preussische Handwerkerpolitik) 1900, S. 6f.

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Handwerksorganisationen.48 Viele konservative Reformbefürworter betonten die positiven Effekte der sozialen oder, wie es damals hieß, „sittlichen“ Fürsorge und Wertevermittlung im Zunfthandwerk. Mit der Aufhebung der französischen Zünfte 1791, der Ausdehnung des französischen Machtbereichs auf die linksrheinischen Gebiete im Zuge der Revolutionskriege und schließlich mit den preußischen Gewerbereformen, die eine Auflösung des dortigen zünftigen Zwangssystems Ende 1810 mit sich brachten, wurden die hitzigen gewerbepolitischen Debatten um die Zünfte auch in den anderen deutschen Territorialstaaten neu entfacht. Ohne strukturelle gewerbliche Veränderungen schien es keinen Ausweg zu geben, die Debatten drehten sich vor allem um die Radikalität der Ansätze. Ferdinand Osterley kam in den 1830er Jahren nach einer Gegenüberstellung von Zunftverfassung und Gewerbefreiheit zu dem Ergebnis, dass die völlige Durchsetzung einer freien Gewerbeordnung viele schädliche Folgen zeitigen würde. Der Verarmung breiter Bevölkerungsschichten stünden, wie das Beispiel Preußen bereits zeige, die vagen Vorteile weniger gewitzter Kaufleute gegenüber.49 Ähnlich vorsichtig-zurückhaltend und dennoch reformorientiert äußerte sich Markus Mayer. Für ihn stellte die Zunft eine umfassende Lebensgemeinschaft dar, „denn es ist beynahe kein Verhaeltnis so eingreifend in alle Zweige des bürgerlichen und politischen Lebens als das Zunftwesen.“ Gewerbe- und konkurrenzbeschränkende Mittel seien zwar „wider die Natur“, doch wären allgemeine gesellige, soziale Zwecke unbedingt anzuerkennen.50 Abseits der teilweise sehr heftigen Diskussionen konnten die Zünfte in den meisten deutschen Staaten im Gegensatz zu England oder Frankreich dennoch einen wichtigen Teil ihrer Funktionsfähigkeit bis in die 1860er Jahre erhalten.

Die jüngere Schule der Historischen Nationalökonomie Die Bedeutung der kontroversen Einschätzungen über den Charakter der Zunft und in erweitertem Sinne des Handwerks lag in deren langfristigen Wirkungen. Gerade weil die Aufhebung des Zunftzwangs nicht allgemein akzeptiert und durchgesetzt wurde, sondern bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts umstritten blieb, fanden beide Auffassungen stets zahlreiche Anhänger. Die Anschauung von einem „entarteten“, verknöcherten, innovationsfeindlichen und fortschrittshemmenden Zunfthandwerk beeinflusste die entstehende Handwerkshistoriografie ebenso wie das Bild des solidarischen Zunftverbandes als allumfassende, ganz 48 SONNENFELS, Joseph von: Grundsätze der Polizey, Handlung und Finanzwissenschaft. Erster Theil. Wien ³1770. 49 OSTERLEY, Ferdinand: Ist es rathsam die Zunftverfassung aufzuheben? Göttingen 1833, bes. S. 116–123. 50 MAYER, Markus: Versuch einer Entwicklung der relativen Ansichten des Zunftwesens. Liegt in dem Zunftwesen überhaupt, dann für unsre Zeiten insbesondre, noch etwas Brauchbares, und welches sind die Bedingungen eines für das allgemeine Beste daraus zu ziehenden Vortheils? Augsburg 1814, S. 1, 130.

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heitliche Lebensgemeinschaft. Augenblickliche gewerbepolitische Streitfragen führten dazu, dass sich die historische Forschung dem Themenkreis Handwerk fast ausschließlich vonseiten seiner zünftigen Organisation her zuwandte.51 Abseits der aktuellen Debatten um die Ausgestaltung der Gewerbeordnung fanden kulturgeschichtliche Abhandlungen, welche die vergangen geglaubten handwerklichen Traditionen bald positivistisch, bald populärwissenschaftlich beschrieben, ein starkes Echo.52 Besonderen Einfluss übten die Arbeiten der jüngeren Historischen Schule der Nationalökonomie um Karl Bücher, Lujo Brentano und Gustav Schmoller aus, die mit bahnbrechenden rechts- und verfassungshistorischen Aspekten die Zunftforschung im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts prägten. Vielleicht am folgenreichsten für die Handwerksgeschichtsschreibung waren die Langzeitwirkungen, welche die Wirtschaftsstufentheorie Büchers und „eine Art Verlaufsmodell der Zunftgeschichte“ durch Schmoller in Zusammenarbeit mit Wilhelm Stieda hatten,53 an deren Grundaussagen sich anlehnend, unzählige Arbeiten einem dreigliedrigen Entwicklungsschema des Handwerks folgten. Einer wissenschaftlich äußerst umstrittenen Aufstiegsphase im Hochmittelalter und einer glorifizierten Blütezeit bis ins 15. und 16. Jahrhundert sei ein langwieriger Abstieg in der frühen Neuzeit gefolgt, der in der Auflösung des kollektiven Zwangssystems gegipfelt habe. Um die erste Phase dieses Entwicklungskonstrukts rankten sich die verschiedenen Entstehungstheorien der älteren Gilden und Zünfte, die jedoch quellenbedingt kaum belegt bzw. widerlegt werden konnten. Die Phase eines goldenen Zeitalters, welche im Gedanken vom „Handwerk mit dem goldenen Boden“ ihren griffigen Leitspruch im Bereich des Gewerbewesens fand, wäre durch den zähen Widerstand des mittelständischen Zunfthandwerkers gegen den Einfluss des Kapitals und der Großbesitzer gekennzeichnet. Diese Epoche wanderte im Wissenschaftsdiskurs auf einer zeitlichen Achse immer weiter in die informationsärmere Vergangenheit, da unter Weiterentwicklung der verschiedenen methodischen An 51 FLEISCHMANN (Handwerksgeschichte) 1985, S. 339. – KAUFHOLD, Karl Heinrich: Handwerksgeschichtliche Forschung in der Bundesrepublik Deutschland. Überlegungen zur Entwicklung und zum Stande. In: ENGELHARDT, Ulrich (Hrsg.): Handwerker in der Industrialisierung. Lage, Kultur und Politik vom späten 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert (= Industrielle Welt. Schriftenreihe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte, Bd. 37). Stuttgart 1984, S. 20. 52 REININGHAUS, Wilfried: Zur Entstehung der Gesellengilden im Spätmittelalter. Diss. Münster. München 1980, S. 2. 53 BÜCHER, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Vorträge und Versuche. Tübingen 91913, bes. S. 87–91. – LENGER, Friedrich: Die Gewerbegeschichtsschreibung der Historischen Schule. Einige zentrale Konzepte und ihr sozialpolitischer Kontext. In: Ders. (Hrsg.): Handwerk, Hausindustrie und die historische Schule der Nationalökonomie. Wissenschafts- und gewerbegeschichtliche Perspektiven. Bielefeld 1998, S. 10. – REITH, Reinhold: Technische Innovationen im Handwerk der frühen Neuzeit? Traditionen, Probleme und Perspektiven der Forschung. In: KAUFHOLD, Karl Heinrich / REININGHAUS, Wilfried (Hrsg.): Stadt und Handwerk in Mittelalter und Früher Neuzeit (= Städteforschung, Reihe A: Darstellungen, Bd. 54). Köln, Weimar, Wien 2000, S. 41.

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sätze die Auswertungen zusätzlichen Quellenmaterials den konzeptionellen Vorstellungen nicht entsprachen.54 Das hieß, die „Niedergangsphase“, in der die Handwerker zunehmend Besitzinteressen vertreten hätten und zu Kleinkapitalisten herabgesunken wären, hielt im Stufenmodell mehrere Jahrhunderte lang an und wurde permanent weiter ausgedehnt. Indem der Idealzustand der Zunft in die Aufstiegs- und Blütephase während des hohen und späten Mittelalters projiziert wurde, die Missbräuche, der Niedergang und der Zunftegoismus dagegen der frühen Neuzeit verblieben, entstand sogar die Möglichkeit, dass die beiden konträren Zunftbilder des 18. Jahrhunderts miteinander versöhnt werden konnten. Je nach persönlichem Interesse und Forschungsschwerpunkt stützten sich spätere Autoren in ihrer Argumentation auf einen oder mehrere der drei Abschnitte. Vor allem eine tiefgründige Auseinandersetzung mit den frühneuzeitlichen Handwerksorganisationen unterblieb jedoch, der Fokus lag vorrangig auf dem vermeintlich (spät)mittelalterlichen Entwicklungszenit. An das Bild der allgegenwärtigen Zunftgemeinschaft als Schutzanstalt für die Schwachen knüpfte unter anderem Brentano an. Die Zünfte könnten dem Typus der alten Bürgergilden zugeordnet werden. „Diese Bürgergilden ergriffen eben wie alle auf germanischer Grundlage beruhenden Gilden den ganzen Menschen in allen seinen Lebensverhältnissen, und indem sie die persönliche Freiheit und die Erwerbsinteressen ihrer Mitglieder sicherten, setzten sie diese auch in Stand, Beiträge zur gegenseitigen Unterstützung im Falle von Krankheit und Noth zu leisten.“55

 54 Für Georg Berlit war die Zunft in Leipzig bereits zum Ende des 15. Jahrhunderts in die Abstiegsphase eingetreten, da sie nicht mehr die Organisation sei, „die den ganzen Menschen forderte“. BERLIT, Georg: Leipziger Innungsordnungen aus dem XV. Jahrhundert. In: Programm des Nicolaigymnasiums in Leipzig. Leipzig 1886, S. 15. Dabei begann die unmittelbare zünftige Überlieferung in dieser Stadt erst im 15. Jahrhundert mit vergleichsweise wenigen Zeugnissen. 55 BRENTANO, Lujo: Erwerbsordnung und Unterstützungswesen. In: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschaft im Deutschen Reich 1/1877, H. 3, S. 21. – Ders.: Mein Leben im Kampf um die soziale Entwicklung Deutschlands (= Beiträge zur Geschichte der deutschsprachigen Ökonomie, Bd. 23). Jena 1931 (Neuauflage Marburg 2004), S. 98. In ähnlicher Weise kann bei Karl Bücher gelesen werden: Die Zunft „zieht den ganzen Menschen nach allen seinen geistigen und sinnlichen Bedürfnissen und Lebensäußerungen in ihren Bereich.“ BÜCHER, Karl: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte. Tübingen 1922, S. 245. Als familienähnliche Vereinigung kam die Zunft gar bei Otto von Gierke daher. GIERKE, Otto von: Das deutsche Genossenschaftsrecht. Erster Band: Rechtsgeschichte der deutschen Genossenschaft. Berlin 1868 (ND Graz 1954), S. 359. Brentano betonte zudem die Rolle des (preußischen) Staates deutlich, so z. B. in: BRENTANO, Lujo: Die beabsichtigte Alters- und Invaliden-Versicherung für Arbeiter und ihre Bedeutung. In: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 50/1888, N. F. Bd. 16, S. 1–46. Der Ansicht, die Handwerkszünfte dagegen als einfache Fortentwicklung oder „Nachbildung“ der frühen (Bürger-)Gilden anzusehen, widerspricht Wilhelm Stieda, zu deutlich seien die Unterschiede im Hauptcharakter beider Einrichtungen gewesen. Zwangsbeitritt, gewerbepolizeiliche und jurisdiktionelle Aufgaben hätten bei den rein gesellig-sozial-religiösen Bürgergilden gefehlt. STIEDA, Wilhelm: Zur Entstehung des Deutschen Zunftwesens. Jena 1876 (ND Vaduz 1977), S. 7f.

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Trotz der vorgefundenen Ungereimtheiten wurde ein einheitliches „Wesen“ der Zunft konstruiert. Teilweise wurden fragwürdige mythische und angeblich stammesgeschichtlich ableitbare deutsch-germanische Charakterzüge angeführt (z. B. ein Hang zur solidarischen Gemeinschaftsbildung), die auf die Entstehung kollektiver Sicherungsmechanismen besonders günstig gewirkt hätten. Die durchscheinend idealistische Einschätzung steigerte sich sogar bei Georg Hogen, welcher der Handwerkerorganisation „als hilfsbereiter Mitarbeiterin“ der Kirche und der Städte wesentliches Gewicht auf dem Gebiet der Armenfürsorge einräumte.56 Aus freiwilliger Übereinkunft der Gemeinschaftsmitglieder entstandene Statuten hätten ausdrücklich die Verpflichtung zur Hilfeleistung gegenüber Bedürftigen festgeschrieben. Am selbstverständlichen sozialen Zweck der Handwerksorganisationen könne daher kein Zweifel bestehen. „Der größte Teil der in die Zunftkasse fließenden Gelder wurde naturgemäß aufgebraucht durch die Unterstützungsleistungen, welche die Zunft ihren in Not und Krankheit geratenen oder sonst unverschuldet bedürftig gewordenen Mitgliedern zuteil werden ließ.“57

„Die Zunft war eine große Familie, deren einzelne Glieder Freud und Leid miteinander teilten.“58 Idealisierende, verzerrende und empirisch unzureichend abgesicherte Darstellungen resultierten häufig aus der nicht hinterfragten Wiedergabe scheinbar erwiesener „Erkenntnisse“ und einer zu schmalen Quellengrundlage. Das frühneuzeitliche Gegenbild einer „von der engherzigen Befangenheit und den eigensüchtigen Gelüsten eines monopolgierigen Kastengeistes“ getriebenen Zwangseinrichtung sprach Georg Berlit an.59 Das seit dem 16. Jahrhundert verfallende Zunftwesen erschien keiner weiteren Untersuchung wert, sodass umfassendere Quelleneditionen besonders aus der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg fehlen.60 Für Max Flemming stand fest, dass die Zünfte im 18. und 19. Jahrhundert auf breiter Front erstarrt seien, weshalb eine Betrachtung dieses Zeitraumes „kaum durch ein entsprechendes Interesse belohnt worden wäre“.61 Zumeist nor 56 HOGEN, Georg: Erwerbsordnung und Unterstützungswesen in Deutschland von den letzten Jahrhunderten des Mittelalters bis zum Dreißigjährigen Kriege, mit besonderer Berücksichtigung der Zunftverfassung. Diss. Erlangen. Borna-Leipzig 1913, S. 25. 57 Ebd., S. 59f. Vgl. STOCK, Ch. L.: Die Gewerbsgilden, Innungen und Handwerksvereine vom Mittelalter ab bis 1731. In: Neue Jahrbücher der Geschichte und Politik 1841 [ND 2005], Bd. 2, S. 117. 58 GERMAR, Herbert: Das Schneiderhandwerk in Leipzig bis zum Ausgange des 17. Jahrhunderts. Diss. Leipzig. Weida in Thüringen 1918, S. 19. 59 BERLIT (Innungsordnungen) 1886, S. 4. 60 REININGHAUS (Gewerbe) 1990, S. 49f., 103f. 61 FLEMMING, Max: Das Lehrlingswesen der Dresdner Innungen vom 15. bis zum Ende des 17. Jahrhunderts. In: Programm der Annenschule (Realgymnasium) zu Dresden-Altstadt [...] Dresden 1887, S. 1. Dichotomische Bewertungen kamen für diese Zeit darüber hinaus zwischen zünftigen und sogenannten freien Gewerben vor: „Die zünftigen Gewerbe hielten unnütze Innungsversammlungen, beförderten den Kastengeist, und hatten demoralisierende Herbergen, – die freien Gewerbe bildeten freie Genossenschaften, schufen freie Kranken- und Unterstützungscassen, gründeten Arbeiterbildungsvereine und förderten den wahren Gemeinsinn.“ BÖHMERT, Victor: Beiträge zur Geschichte des Zunftwesens (= Preisschriften gekrönt 

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mativ-appellative und rahmensetzende Zeugnisse wurden in aller Breite ausgewertet und verkürzend als wahrheitsgetreues Abbild der gelebten historischen Realität wiedergegeben.62 Schädliche Auswüchse wie die sogenannten „Handwerksmissbräuche“ hätten dem eigentlichen, ursprünglichen Zunftcharakter widersprochen und seien Ausdruck des Verfalls gewesen. Das Werk von Georg Schanz über die „Gesellen-Verbände“ erscheint nicht nur inhaltlich als eine der wenigen Ausnahmen. Gedruckte, normative Quellen bilden zwar bei ihm ebenso die Grundlage seiner Ausführungen, weshalb die Darstellung unvollständig und unausgewogen erscheint, doch zog er kaum generalisierende Schlüsse. Die Arbeit war noch 100 Jahre später richtungsweisend für die Geschichtsschreibung der Gesellenorganisationen, wenngleich die Ergebnisse fast durchgehend deskriptiven Charakter besaßen.63

Der Streit um das Prinzip der „Nahrung“ Seit der letzten Dekade des 19. Jahrhunderts zögerlich, dann nach dem Ersten Weltkrieg deutlicher, wich die handwerkshistorische Forschung von ihren bisherigen Interessengebieten einer reinen Institutionen- und Zunftgeschichte ab und griff zunehmend ökonomische Fragestellungen auf.64 Den gewichtigen Auftakt machte eine mehrbändige Reihe des „Vereins für Socialpolitik“.65 Durch den Volkswirtschaftler Werner Sombart wurde die Theorie der verschiedenen Wirtschaftsstufen kritisiert, denn „ihr Grundfehler liegt darin, dass sie eine Systematik der Wirtschaftsstufen lediglich nach äusserlichen Merkmalen versucht, während es gilt, mehr als bisher den verschiedenartigen



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und herausgegeben von der Fürstlich Jablonowski’schen Gesellschaft zu Leipzig, Bd. 9). Leipzig 1862, S. 57. HOGEN (Erwerbsordnung) 1913, S. 47. SCHANZ, Georg: Zur Geschichte der deutschen Gesellen-Verbände. Mit 55 bisher unveröffentlichten Documenten aus der Zeit des 14.–17. Jahrhunderts. Leipzig 1877. Zur Forschungsentwicklung über die Gesellenorganisationen im Einzelnen siehe: GRIESSINGER (Symbolisches Kapital) 1981, S. 11–18. – REININGHAUS (Entstehung der Gesellengilden) 1980, S. 2–35. Ders. (Gewerbe) 1990, S. 49. Aus dieser Reihe beschäftigen sich der fünfte und der sechste Band explizit mit dem sächsischen Handwerk. BÜCHER, Karl (Hrsg.): Untersuchungen über die Lage des Handwerks in Deutschland mit besonderer Rücksicht auf seine Konkurrenzfähigkeit gegenüber der Großindustrie. Fünfter Band. Königreich Sachsen (= Schriften des Vereins für Socialpolitik, Bd. 66). Leipzig 1896. – Ders. (Hrsg.): Untersuchungen über die Lage des Handwerks in Deutschland mit besonderer Rücksicht auf seine Konkurrenzfähigkeit gegenüber der Großindustrie. Sechster Band. Königreich Sachsen (= Schriften des Vereins für Socialpolitik, Bd. 67). Leipzig 1897.

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Geist, der jeweils in den wirtschaftenden Vorgängen obwaltet, zum Kriterium ihrer Unterschiedlichkeit zu machen“.66

Es rückte somit das „Wesen“ der Zünfte dezidiert in den Blickpunkt der Handwerksforschung, wogegen die wissenschaftliche Untersuchung der Gesellenvereinigungen mehr und mehr in den Hintergrund trat. Nach Sombart strebte der mittelalterliche Zunfthandwerker unter dem Nahrungsbegriff eine gerechte Verteilung der vorhandenen und zu erwirtschaftenden Güter an. Gemeinschaftliche Gleichheitsbestrebungen bewegten die Gewerbetreibenden zu sozialen Handlungen, das kapitalistisch-moderne Gewinnstreben hätte dem brüderschaftlichen Geist im Handwerk ferngelegen.67 Die Gegenposition vertrat Ernst Kelter. Auch Kelter ging vom Begriff der „Nahrung“ aus, der in den handwerklichen Quellenüberlieferungen eine zentrale Rolle spielt. Doch betonte er die ökonomische Dimension, welche der Quellenbegriff „Nahrung“ besitze. Das Streben nach „Nahrung“ und die kollektive Förderung desselben würden keine solidarische Gleichverteilung beinhalten. Vielmehr müsse es sich bei der Zunft um eine „Vereinigung zur Erreichung gemeinsamer Ziele [...] von vornherein vorwiegend wirtschaftlicher Art“ handeln, speziell der Absicherung und Vorsorge für die eigenen Gemeinschaftsmitglieder durch ökonomische Beschränkung der Konkurrenz. Erst Kirche und Obrigkeiten hätten die Handwerkervereinigungen dazu bewogen, sich dem zuzuwenden, was Sombart „den sozialen Geist“ nenne.68 Die Debatte wurde durch Adriaan van Vollenhoven 1935 aufgegriffen, der vermittelnd zwischen den Standpunkten von Sombart und Kelter argumentierte. Nach seiner Auffassung hätten die Zünfte selbstsüchtige, aber gemeinschaftlichsolidarische Ziele verfolgt, bei denen ein Gewinnstreben erst mit der Auflösung der mediävalen Gesellschaft und dem Erstarken des kapitalistischen Elements im Vordergrund stand. Er hielt ausdrücklich an der Vorstellung vom „sozialen Geist“, welcher sich Kelter in einer zeitnahen Erwiderung der Vollenhovenschen Kritik sogar anschloss, fest.69  66 SOMBART, Werner: Der moderne Kapitalismus. Erster Band: Die Genesis des Kapitalismus. Leipzig 1902, S. 55. 67 Der idealistischen Darstellungsweise war sich Sombart selbst bewusst. Sie sollte schließlich dem Zweck der Kontrastierung kritikwürdiger kapitalistischer Verhältnisse der Gegenwart dienen. LENGER (Gewerbegeschichtsschreibung) 1998, S. 18. Zur Diskussion über die Deutung des „Nahrungs“-Begriffs und die Auseinandersetzung mit Sombarts Konzept siehe vor allem den Sammelband: BRANDT, Robert / BUCHNER, Thomas (Hrsg.): Nahrung, Markt oder Gemeinnutz. Werner Sombart und das vorindustrielle Handwerk. Bielefeld 2004. 68 KELTER, Ernst: Die Wirtschaftsgesinnung des mittelalterlichen Zünftlers. In: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reiche 56/1932, bes. S. 754, 763, 774. 69 KELTER, Ernst: Die Wirtschaftsgesinnung des mittelalterlichen Zünftlers. Erwiderung an Herrn van Vollenhoven. In: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reiche 59/1935, S. 316. – VAN VOLLENHOVEN, Adriaan: Die Wirtschaftsgesinnung des mittelalterlichen Zünftlers. Eine Kritik. In: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reiche 59/1935, S. 299–309. 

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Zwischenkriegszeit und Drittes Reich Die intensiven Auseinandersetzungen um Entwicklung und „Wesen“ der Zunft stellten eine explizit deutsche Besonderheit in der Historiografie dar und dauerten bis weit in das 20. Jahrhundert hinein an.70 Methodisch brachten die Arbeiten der Zwischenkriegszeit keine wesentlichen Neuerungen. Es standen die Zunftstatuten und Gesellenartikel sowie obrigkeitlichen Gesetzeswerke im Fokus der Historikerschaft und der Volkskundler, bei denen gleichfalls das Dreistufenmodell ungebrochen erheblichen Anklang fand. Doch muss vielen Dissertationen, Festschriften und anderweitigen Darstellungen für das Zusammentragen reichen Informationsmaterials, unter anderem auf dem Gebiet der Handwerkstechniken und Handwerkskultur, die gebührende Referenz entgegengebracht werden. Aus der Vielzahl der Publikationen, unter denen rechts- und wirtschaftshistorische Darstellungen einzelner Gewerbe überwiegen,71 sticht das Œuvre von Rudolf Wissell, speziell das berühmte mehrbändige Standardwerk „Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit“, hervor. Die ungeheure Arbeitsleistung ist unzweifelhaft zu würdigen. Der Historiker und Sozialdemokrat Wissell vertrat in seinen Studien wiederholt die Ansicht, dass im alten Handwerk ein mächtiger „sozialer  Ebenfalls mit ausgleichender Position: MICKWITZ, Gunnar: Die Kartellfunktionen der Zünfte und ihre Bedeutung bei der Entstehung des Zunftwesens. Eine Studie in spätantiker und mittelalterlicher Wirtschaftsgeschichte. Helsingfors 1936 (ND Amsterdam 1968), S. 162 Anm. 2. 70 REITH, Reinhold: Handwerk. In: JAEGER, Friedrich (Hrsg.): Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 5: Gymnasium-Japanhandel. Stuttgart, Weimar 2007, Sp. 168. 71 Für den sächsischen Raum exemplarisch: DAEHNE, Paul: Geschichte der Schlosserinnung zu Leipzig. Anlässlich des 425jährigen Bestehens dargestellt und mit zahlreichen Bildern aus verschiedenen Jahrhunderten, dabei eigenen Zeichnungen versehen. Lübeck 1925. – EBERWEIN, Konstantin: Die Leipziger Bäckerzunft von ihren Anfängen bis zum Jahre 1861. Ein Beitrag zur Innungsgeschichte der Stadt Leipzig. Diss. Leipzig 1924. – GERMAR (Schneiderhandwerk) 1918. – KUTSCHBACH, Albin: Geschichte der Tuchscherer-Innung in Leipzig (= Beiheft der Schriften des Vereins für die Geschichte Leipzigs). Leipzig 1931. – LANGE, Walter: Das erste Halbjahrtausend der Kürschner-Innung zu Leipzig 1423–1923. Leipzig 1925. – MUELLER, Max: Das Tuchmacher-Handwerk und der Tuchhandel in Zwickau in Sachsen, ein Beitrag zur Wirtschafts-Geschichte Sachsens. Diss. Leipzig 1929. – PETZSCH, Herbert: Die lederverarbeitenden Gewerbe und ihre Zünfte in Leipzig. Diss. Leipzig 1921. – PFAU, William Clemens: Zur Geschichte der Rochlitzer Schneiderinnung. Rochlitz 1934. – PÖNICKE, Martin Herbert: Die Reichenbacher Tuchmacherei und die Handelsbeziehungen der Tuchmacherzunft zu Böhmen und Süd- und Norddeutschland im 17. und 18. Jahrhundert. In: Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Altertumskunde 49/1928, S. 231–244. – Ders.: Die Geschichte der Tuchmacherei und verwandter Gewerbe in Reichenbach i. V. vom 17. bis Anfang des 19. Jahrhunderts. Diss. Leipzig. Plauen i. V. 1929. – SCHNABEL, Werner: Die Entwicklung des Chemnitzer Bäckerhandwerks von seinen Anfängen bis ins 19. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte der Stadt Chemnitz. Diss. Leipzig 1931. – STOLTZE, Alfred: Die eisenverarbeitenden Gewerbe und ihre Zünfte in Leipzig (Schmiede, Schlosser, Messer- und Nagelschmiede) bis zum Ausgange des 17. Jahrhunderts. Diss. Leipzig 1920. – TRENSCH, Walter: Die Chemnitzer Strumpfwirker-Innung. Berlin 1928.

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Geist“ lebendig war, der erst im 18. Jahrhundert verkümmert sei.72 Damit knüpfte er an das Stufenmodell der jüngeren Historischen Schule und an die Vorstellung eines allgemeinen und umfassenden Zunft-„Wesens“ an. Parallel nahm seit Anfang des 20. Jahrhunderts das Interesse für sozialhistorische Fragen nicht nur in der Handwerkshistoriografie zunehmend ab.73 Eine ausgesprochene Diskreditierung erfuhr die Idee der Zunft als Lebensgemeinschaft vorübergehend durch eine nationalistisch und rassistisch ausgeladene Geschichtsschreibung im Dritten Reich. Mittels einer pseudowissenschaftlichen Verklärung der Zünfte zu Blutsgenossenschaften mit schillerndem Ehrenkodex ließ sich ein Teil der deutschen Handwerkshistoriker von dem totalitären Regime instrumentalisieren; es erlitt die Historiografie einen deutlichen Rückschlag. Dabei entbehrte doch die Vorstellung eines stets bedingungslosen, pflichtbewussten Eintretens der zünftigen Gemeinschaftsmitglieder füreinander der empirischen Grundlage.74

Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts Trotzdem scheuten sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einige Darstellungen nicht, die Zunft als „eine Lebensgemeinschaft, die als Interessen- und Kampfverband gewerblich Tätiger wirkte“, vorzustellen, die erst in ihrer späteren Entwicklung als „verknöcherte Organisation“ von größtenteils moralisch defizitären Subjekten daherkam.75 Der Siegeszug des dreistufigen Entwicklungsmodells brach also nicht ab. Noch bei Friedrich Strube ist für das 12. bis 15. Jahrhundert pauschal von „einer Blütezeit des Handwerks“ zu lesen, weshalb jegliche Maßnahmen sozialer Sicherung obsolet gewesen seien. Und Peter Borscheid verweist sogar auf einen relativen individuellen Wohlstand im zünftigen Handwerk bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges und eine ungemein aufwendige Lebens-

 72 WISSELL, Rudolf: Der soziale Gedanke im alten Handwerk. Berlin 1930, S. 5, 63, 89 u. ö. – Ders.: Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit (= Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 7), Bd. 1. Berlin ²1971, S. 465. 73 DIRLMEIER, Ulf: Zu den materiellen Lebensbedingungen in deutschen Städten des Spätmittelalters: Äußerer Rahmen, Einkommen, Verbrauch. In: ELZE, Reinhard / FASOLI, Gina (Hrsg.): Stadtadel und Bürgertum in den italienischen und deutschen Städten des Spätmittelalters (= Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient, Bd. 2). Berlin 1991, S. 59. 74 POTTHOFF, Ossip Demetrius: Kulturgeschichte des deutschen Handwerks mit besonderer Berücksichtigung seiner Blütezeit. Hamburg 1938. Reininghaus nahm in seiner Dissertationsarbeit die wissenschaftlichen Verfehlungen der nationalsozialistischen Zeit zum Anlass, sich vom Vokabular um „Gemeinschaft“ und „Ehre“ absolut zu distanzieren. REININGHAUS (Entstehung der Gesellengilden) 1980, S. 30–33. 75 WERNET, Karl Friedrich: Handwerksgeschichtliche Perspektiven (= Forschungsberichte aus dem Handwerk, Bd. 10). Münster in Westfalen 1963, bes. S. 49.

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weise des Gesindes, auf die eine Reichsgesetzgebung bloß folgerichtig mit zahlreichen Luxusbeschränkungen reagiert hätte.76 Nachdem das historiografische Interesse an dem zünftigen Handwerk erheblich nachgelassen hatte, da eine Beschäftigung mit dieser überlebten Produktionsform scheinbar keinerlei neue, instruktive Erkenntnisse hervorzubringen vermochte, wandte sich ihm die Sozialgeschichtsschreibung um Wolfram Fischer zu.77 Breiteren Anklang fand das Thema in den 1960er Jahren. Mit dem Wirken der Annales-Schule in Frankreich setzte verspätet in beiden deutschen Staaten der 1970er Jahre das Aufleben der quantitativen Methode ein, was von Teilen der Historikerkreise euphorisch gefeiert wurde. Man versprach sich zudem von den neuen technischen Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung erweiterte Auswertungs- und Erkenntnischancen insbesondere in der Wirtschaftsgeschichte und eine Überwindung des quälenden Forschungsstillstands. Die rein beschreibend-positivistische Wiedergabe von Informationen zur Zunftgeschichte als Institutionengeschichte und die unkritisch hingenommenen älteren Anschauungen des allgemeinen gewerblichen Entwicklungsprozesses sollten der Prüfung anhand empirisch „harter“ Fakten ebenso unterzogen werden, wie der Mangel an Analyse behoben und die vermuteten harmonisierenden Schönfärbereien der frühen Zunftentwicklungsphase („innerzünftige Sozialharmonie“78) hinterfragt werden sollten. Der „Skeptizismus gegenüber der Quantifizierung historischer Fakten“ habe sich nun endgültig überlebt.79 Besonders die wirtschaftshistorischen Arbeiten von  76 BORSCHEID (Epochen und Zäsuren) 1987, S. 69. – STRUBE, Friedrich: Soziale Sicherung bei den Handwerkszünften in Bremen. Diss. Kiel 1974, S. 25. Siehe auch: ABEL, Wilhelm: Agrarkrisen und Agrarkonjunktur. Eine Geschichte der Land- und Ernährungswirtschaft Mitteleuropas seit dem hohen Mittelalter. Hamburg, Berlin ³1978, S. 61, 67. – BECHTEL, Heinrich: Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands. Wirtschaftsstile und Lebensformen von der Vorzeit bis zur Gegenwart. München 1967, S. 305. – PUTZER, Peter: Vom Zunftzwang zur Gewerbefreiheit. Aspekte der rechtlichen Ordnung des Salzburger Gewerbes. In: DOPSCH, Heinz (Hrsg.): Vom Stadtrecht zur Bürgerbeteiligung. Festschrift 700 Jahre Stadtrecht von Salzburg (= Salzburger Museum Carolino Augusteum Jahresschrift, Bd. 33). Salzburg 1987, S. 119. Ulf Dirlmeier lehnte dagegen mit wirtschaftshistorischen Belegen die These vom goldenen Zeitalter des spätmittelalterlichen Handwerks entschieden ab. DIRLMEIER, Ulf: Untersuchungen zu Einkommensverhältnissen und Lebenshaltungskosten in oberdeutschen Städten des Spätmittelalters (Mitte 14. bis Anfang 16. Jahrhundert) (= Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse Jahrgang 1978 – 1. Abhandlung). Heidelberg 1978, S. 101. 77 So griff Fischer auch das Thema der Sicherung der (gleichen) „Nahrung“ durch Konkurrenzbeschränkung wieder auf. FISCHER, Wolfram: Handwerksrecht und Handwerkswirtschaft um 1800. Studien zur Sozial- und Wirtschaftsverfassung vor der industriellen Revolution. Berlin 1955, S. 53f. 78 BRÄUER, Helmut: Probleme der älteren Handwerksgeschichte. Einige aktuelle Forschungsaufgaben im Bezirk Karl-Marx-Stadt. In: Regionalgeschichtliche Beiträge aus dem Bezirk Karl-Marx-Stadt 5/1983, S. 57. 79 ELKAR, Rainer S.: Fragen und Probleme einer interdisziplinären Handwerksgeschichte. In: Ders. (Hrsg.): Deutsches Handwerk in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Sozialgeschichte – Volkskunde – Literaturgeschichte (= Göttinger Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 9). Göttingen 1983, S. 4. – IRSIGLER, Franz (Hrsg.): Quantitative Methoden in der 

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Wilhelm Abel fallen ins Auge. Kenntnisreich setzte er Lohn- und Preisentwicklungen zueinander ins Verhältnis, suchte den Lebensstandard früherer Generationen zu bestimmen, um langwellige Entwicklungslinien nachzuzeichnen. Endlich warf er die Frage nach einem „Niedergang des Handwerks“ in der vorindustriellen Zeit auf und kam trotz einiger gewichtiger Einschränkungen anhand der statistischen Auswertungen zu einem eher verifizierenden Ergebnis bezüglich des alten Stufenmodells.80 Obwohl Andreas Grießinger die rein sozialstrukturellen Datenauswertungen für ergänzungsbedürftig hielt, stützte auch er seine Erkenntnisse auf eine demografisch und ökonomisch bedingte, umfassende „Strukturkrise“ des Handwerks im 18. Jahrhundert.81 Im übrigen gaben viele der rechts-, sozial- und wirtschaftshistorischen Studien seit den späten 1950ern neue Forschungsanstöße und verbanden die Geschichte des Handwerks mit größeren Zusammenhängen außerhalb der eigentlichen Gewerbegeschichte, wenngleich die praktische Umsetzung der verständlichen Forderung nach mehr Interdisziplinarität schnell an Grenzen stoßen konnte.82 Eine deutliche Spezialisierung innerhalb der Geschichtsschreibung führte zudem zur Ausbildung partiell eigenständiger Forschungsrichtungen, deren Beachtung und Einbeziehung in die Formulierung von Erkenntnissen für die Handwerksforschung mittlerweile unvermeidlich ist. Auf der Chancenseite stehen bis heute vielfältig mögliche Anknüpfungspunkte und Synergieeffekte, auf der Risikoseite ein fortschreitendes Eigenleben der Teildisziplinen ohne realisierte Verknüpfungen untereinander und damit ohne ausgereiftes, stimmiges, facettenreiches Gesamtbild. Bis in die 1980er Jahre auf breiter Front und noch bis heute (vor allem in zahlreichen Überblicksdarstellungen und durch Vertreter benachbarter Richtungen der Handwerksgeschichtsforschung) prägten und prägen die Beschreibungen des späten 18. und des 19. Jahrhunderts die Vorstellungen von den Handwerkszünften (und Gesellenschaften). In dem viel beachteten Werk von Karl Polanyi zur „embedded economy“ flossen alte, künstliche Gegensätze mit ein. Das menschliche  Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Vorneuzeit (= Historisch-Sozialwissenschaftliche Forschungen, Bd. 4). Stuttgart 1978. 80 ABEL, Wilhelm: Neue Wege der handwerksgeschichtlichen Forschung. In: Ders. (Hrsg.): Handwerksgeschichte in neuer Sicht (= Göttinger Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1). Göttingen 1978, S. 18–23. 81 GRIESSINGER (Symbolisches Kapital) 1981, S. 19, 23f., 52 u. ö. Seinen pauschalisierenden Schlussfolgerungen einer zerstörerischen Strukturkrise ab den 1740er Jahren, in deren Zuge z. B. die Einheit des „ganzen Hauses“ zerstört und der Zeit- in Stücklohn umgewandelt worden sei, muss mit differenzierendem Blick entgegengetreten werden. Die genannten Prozesse hatten ebenso wie der Reallohnverfall der Gesellen oder die Auflösung eines „Zwangszölibats“ deutlich ältere Wurzeln oder griffen auf bestimmte Handwerke kaum über. Ebd., S. 441f. 82 ELKAR (Interdisziplinäre Handwerksgeschichte) 1983, S. 5. – FLEISCHMANN (Handwerksgeschichte) 1985, S. 356. – KAUFHOLD (Handwerksgeschichtliche Forschung) 1984, S. 31–33. – REININGHAUS (Gewerbe) 1990, S. 52.

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Handeln in vorkapitalistischen, vormodernen Systemen habe nicht der Sicherung individueller materieller Interessen, sondern der Sicherung des gesellschaftlichen Ranges und der Wertvorstellungen gegolten, ohne dass ein Gewinnstreben als Handlungsmotiv eine bedeutungsvolle Rolle eingenommen habe.83 Die allumfassende Lebensgemeinschaft wie die versteinerte Berufsclique sind noch heute gängige Zunftbilder.84 „Einer umfassenden Sicherung gegen alle Wechselfälle des Lebens“, welche die Zunftgemeinschaft ihren Mitgliedern bot, sprach beispielsweise Hans Holzinger das Wort. „Die Gemeinschaft verhinderte materielle Not des Mitgliedes ebenso wie psychische Vereinsamung. Sie umgab ihre Angehörigen von der Wiege bis zur Bahre mit Sicherheit und Geborgenheit.“85

Die dichotomischen Urteile eines solidarischen Zunftideals und eines hässlichübersteigerten Kastenegoismus, der entweder als Auslöser oder als Ursache des Niedergangs des Handwerks interpretiert wurde, blieben wirkungsmächtig. „Solche und ähnliche Widersprüchlichkeiten haben bis heute ein eindeutiges und gültiges Urteil über Umfang und Bedeutung der Sozialtätigkeit der Handwerker-Korporationen gegen Ende der Zunftzeit verhindert“,86

 83 POLANYI, Karl: The Great Transformation. Politische und ökonomische Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen. Frankfurt am Main ²1990, S. 75, 87. Im Gegensatz dazu sei das Handwerk laut Elkar schon immer eine Produktionsform gewesen, die „zunächst und primär auf Gewinn ausgerichtet war“. ELKAR (Interdisziplinäre Handwerksgeschichte) 1983, S. 10. 84 MÜNCH, Paul: Lebensformen in der frühen Neuzeit. 1500 bis 1800. Berlin 1998, S. 91. Verallgemeinernd bewertet Jürgen Bergmann die sozialen Aufgaben der Zunft als unentbehrlich für deren Bestehen. „Im Notfall trat also die Zunft für jedes ihrer Mitglieder, ob Lehrling, Geselle, Meister oder Meisterwitwe, ein. Die Einheit des Trägerkreises manifestierte sich darin besonders deutlich, und in dieser solidarischen Handlungsweise zeigte sich sein Bewußtsein, eine Lebens- und Schicksalsgemeinschaft zu sein.“ In vergleichbarer Weise meint WagnerBraun, den „genossenschaftlichen Solidaritätsgeist der Zünfte“ zu erkennen. BERGMANN, Jürgen: Das „Alte Handwerk“ im Übergang. Zum Wandel von Struktur und Funktion des Handwerks im Berliner Wirtschaftsraum in vor- und frühindustrieller Zeit. In: BÜSCH, Otto (Hrsg.): Untersuchungen zur Geschichte der frühen Industrialisierung vornehmlich im Wirtschaftsraum Berlin/Brandenburg (= Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin beim Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin, Bd. 6). Berlin 1971, S. 251. – WAGNER-BRAUN, Margarete: Zur Bedeutung berufsständischer Krankenkassen innerhalb der privaten Krankenversicherung in Deutschland bis zum Zweiten Weltkrieg. Die Selbsthilfeeinrichtungen der katholischen Geistlichen (= Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Nr. 95). Stuttgart 2002, S. 29. Dagegen ist noch 2008 bei Hans-Ulrich Wehler von einer „sozialen Versteinerung“ zu lesen. WEHLER, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Erster Band: Vom Feudalismus des Alten Reiches bis zur Defensiven Modernisierung der Reformära 1700–1815. München 2008, S. 94. 85 HOLZINGER, Hans: Die geschichtliche Entwicklung der sozialen Sicherung bei Arbeitsunfähigkeit. Diss. Freiburg im Breisgau 1991, S. 298. Pointiert angegriffen wird die Vorstellung der zünftigen Lebensgemeinschaft bei: EHMER (Denken) 1998, S. 51.

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wobei die Formulierung „Ende der Zunftzeit“ weit auszulegen ist, denn nach Auffassung der Vertreter des Stufenmodells habe der Verfall bereits im Spätmittelalter eingesetzt.

Kritik am „Stufenmodell“ – Jüngere Ansätze und ältere Defizite Wie erwähnt blieb es nicht aus, dass viele der neu erschlossenen Quellen Zweifel an der Verfallsthese weckten. Nachdem schon Wolfram Fischer eine Pauschalisierung der Niedergangsthese abgelehnt und auf die Anpassungsfähigkeit von Teilen des Handwerks hingewiesen hatte,87 spürte Helmut Bräuer der Vitalität des sächsischen Zunfthandwerks im 18. Jahrhundert und noch mehr der großen qualitativen und formenreichen Streubreite der Lebensbedingungen innerhalb der Handwerkerschaft nach.88 Die kritische Überwindung der alten dichotomischen Zuspitzungen gelang nach Meinung von Josef Ehmer in den spezialisierten Teildisziplinen partiell89 und in den häufig zitierten systematisierenden Sammelwerken vielfach gar nicht. Die deutschsprachige historische Forschung ging einen anderen Weg. Sie sah weg. Nach Aussage von Wilfried Reininghaus war noch im Jahr 2000 die Zunftgeschichte einfach nicht „en vogue“. „Trotz der plausiblen und notwendigen Erweiterung des Blickwinkels auf einzelne Handwerker kommt Handwerksgeschichte nicht ohne Zünfte aus.“90 Das hieß, dass mit der Abwendung der wissenschaftlichen Beschäftigung von den Organisationsformen schiefe Vorstellungen vom Zunfthandwerk zurückbleiben mussten. Erst in jüngster Zeit  86 DETER (Rechtsgeschichte) 1990, S. 223. Für Dirlmeier erscheint die konträre Einschätzung des Handwerks nur als Spitze einer widersprüchlichen Beurteilung der Stadtgeschichte im Spätmittelalter insgesamt. DIRLMEIER (Lebensbedingungen) 1991, S. 60f. 87 FISCHER, Wolfram: Wirtschaft und Gesellschaft im Zeitalter der Industrialisierung (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 1). Göttingen 1972, S. 320. 88 BRÄUER, Helmut: Bemerkungen zur sozialökonomischen Entwicklung des Zunfthandwerks in Sachsen zwischen 1648 und 1763. In: Ungarische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): III. Internationales handwerksgeschichtliches Symposium. Veszprém 18.–24.10.1986, Bd. 1. Veszprém 1987, S. 23–47. – Ders. (Landes-Oeconomie-, Manufactur- und CommercienDeputation) 1990, S. 50–84. Vgl. SCHLENKRICH / BRÄUER (Armut) 2000, S. 93f. Der Vielfalt und Anpassungsfähigkeit des Zunfthandwerks wird ebenfalls Respekt gezollt bei: HAUPT, Heinz-Gerhard: Neue Wege zur Geschichte der Zünfte in Europa. In: Ders. (Hrsg.): Das Ende der Zünfte. Ein europäischer Vergleich (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 151). Göttingen 2002, S. 11f. – LENGER, Friedrich: Zwischen Kleinbürgertum und Proletariat. Studien zur Sozialgeschichte der Düsseldorfer Handwerker 1816–1878 (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 71). Göttingen 1986, S. 36. Dagegen meint Pierenkemper: „Im frühen 19. Jahrhundert lassen sich die Handwerker zumeist als eine recht homogene Gruppe erfassen. Meister und Gesellen befanden sich, trotz der Unterschiede, die in der wirtschaftlichen Lage der einzelnen Handwerkszweige begründet sind, in einer ähnlich armseligen Lebenssituation.“ PIERENKEMPER (Gewerbe) 2007, S. 72. 89 EHMER (Denken) 1998, S. 33–35. Eine weitere Klage über fehlenden Forschermut kommt von Jeggle. JEGGLE (Produktion und Arbeitsorganisation) 2004, S. 20. 90 REININGHAUS (Stadt und Handwerk) 2000, S. 1, 9.

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kann neu aufkommendes geschichtswissenschaftliches Interesse für mittelalterliche, frühneuzeitliche und neuzeitliche Handwerksorganisationen verspürt werden.91 Die Betonung einer notwendigerweise differenzierten Betrachtungsweise erforderte ebenso wie die Widersprüchlichkeit der älteren, überlebten Ansichten neue methodische Ansätze, die in Detail- und Lokal- bzw. Regionalstudien zu dem Thema der „Sozialtätigkeit“ der Handwerksorganisationen zu verwirklichen waren. Durchaus vor dem Hintergrund aktueller politischer Entwicklungen entstanden in den 1970er Jahren einige Arbeiten, die sich mit diesem Thema ausdrücklich auseinandersetzten, jedoch mit unterschiedlichstem Anspruch und Abstrahierungsgrad. Nach den Ausführungen von Wissell zum „sozialen Geist“ des Handwerks war die verdienstvolle Arbeit von Sigrid Fröhlich wohl die erste (und in ihrer Breite bislang auch die letzte), welche die kollektive soziale Sicherung im Handwerk detaillierter betrachtete, weshalb immer noch gern und häufig auf sie verwiesen wird. Aus dem umfangreichen Untersuchungsfeld heraus resultierend, musste die Autorin leider methodische Abstriche akzeptieren. Bis auf eine Handvoll Kölner Akten wurden bis dahin edierte Quellen und Sekundärliteratur herangezogen. Aus der Wahl ihrer Quellengrundlage und dem Anspruch der Arbeit ergaben sich einige Schwachstellen. Einerseits transportierte sie Ergebnisse älterer Forschungen wie die von Schanz, Wissell und Friedrich Wilhelm Stahl, die sich vorrangig dem mittelalterlichen Gewerbewesen zugewandt hatten, praktisch in spätere historische Kontexte. Für die mitteldeutsche gewerbereiche Region wurden mehrere Arbeiten aus der Mitte und dem Ende des 19. Jahrhunderts herangezogen, ohne deren Stichhaltigkeit anzuzweifeln. Andererseits blieb ihr nichts anderes übrig, als aus Einzelbeispielen (häufig) normativer Art auf die Handwerksorganisationen im Generellen zu schließen. Eine Überprüfung der postulierten hohen Verpflichtungen in der sozialen Praxis, gegebenenfalls vergleichend zwischen unterschiedlichen Handwerksbranchen, Epochen und Territorien, konnte die Arbeit nicht leisten.92  91 BUCHNER, Thomas: Formale Eliten bei Wiener und Amsterdamer Zünften im 18. Jahrhundert. In: HÄBERLEIN, Mark / JEGGLE, Christof (Hrsg.): Vorindustrielles Gewerbe. Handwerkliche Produktion und Arbeitsbeziehungen in Mittelalter und Früher Neuzeit (= Irseer Schriften. Studien zur schwäbischen Kulturgeschichte, N. F. Bd. 2). Konstanz 2004, S. 211–227. – BUCHNER, Thomas: Möglichkeiten von Zunft. Wiener und Amsterdamer Zünfte im Vergleich (17.–18. Jahrhundert) (= Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, Bd. 43). Wien 2004, bes. S. 22. – HAUPT, Heinz-Gerhard (Hrsg.): Das Ende der Zünfte. Ein europäischer Vergleich (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 151). Göttingen 2002. 92 FRÖHLICH, Sigrid: Die Soziale Sicherung bei Zünften und Gesellenverbänden. Darstellung, Analyse, Vergleich (= Sozialpolitische Schriften, H. 38). Berlin 1976. Kritik an Fröhlichs Arbeit auch durch: REININGHAUS (Entstehung der Gesellengilden) 1980, S. 371 Anm. 6. Dagegen kommt uneingeschränktes Lob von: DILCHER, Gerhard: Zum Bürgerbegriff im späteren Mittelalter. Versuch einer Typologie am Beispiel von Frankfurt am Main. In: FLECKENSTEIN, Josef / STACKMANN, Karl (Hrsg.): Über Bürger, Stadt und städtische Literatur im Spätmittelalter. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittel

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Die rechtswissenschaftliche Dissertation von Friedrich Strube konzentrierte sich bereits zwei Jahre vor Fröhlich auf die soziale Sicherung in den Bremer Handwerksorganisationen, obwohl der Titel der Arbeit nur von den Zünften sprach. Durch das begrenztere Untersuchungsfeld und die Nutzung der Bestände des Bremer Staatsarchivs vermochte es Strube, deutlich tiefer in die komplexe Materie einzudringen, leider unterblieben qualitative und quantitative Auswertungen einzelner Quellen, welche die Ergebnisse besser hätten absichern können. Es gelang dem Juristen dennoch, selbst wenn sich die Arbeit nicht völlig vom Stufenmodell der jüngeren Historischen Schule der deutschen Nationalökonomie löste, kritisch-differenzierende Thesen zu formulieren, die von den älteren Ansichten abwichen. Vornehmlich die Rolle des Magistrats wurde näher beleuchtet.93 Schließlich wurde das Thema in jüngster Zeit in einigen Zeitschriftenaufsätzen behandelt. Hervorzuheben ist ein instruktiver Beitrag von Katrin Keller zur sozialen Sicherung im sächsischen Zunfthandwerk des 17. und 18. Jahrhunderts.94 Auf die Unterstützung der Hinterbliebenen und die Totenmemoria für die Zunftmitglieder geht die Autorin gesondert ein, auf ein Feld somit, welchem in der historischen Forschung bisher trotz seines großen Gewichts für den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Handwerker zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Es taugt als auffälliges Beispiel für die zutage tretende Entwicklungsfähigkeit der sozialen Sicherungsmaßnahmen im Zunfthandwerk. Die vorliegende Studie soll auch an diesen Vorgaben ansetzen und sie weiter ausführen. Insbesondere soll der Klage der mangelhaften Darstellung normativer Vorgaben in der gelebten Praxis95 durch die Heranziehung zahlreicher deskriptiver und statistischer Quellen entgegengetreten werden. Weit häufiger als Analysen über die Verbindungen von sozialer Sicherung und Handwerk waren Arbeiten, die sich einzelnen konkreten Problemen sozialer Sicherung in ihrer ganzen Tiefe widmeten. Unmöglich kann auch nur ansatzweise auf die diversen Forschungen zur Geschichte der sozialen Sicherung bei Krankheit, Invalidität, Arbeitslosigkeit, Armut oder gegenüber den Hinterbliebenen eingegangen werden. Nicht allein vonseiten der Sozial-, Wirtschafts-, Kirchen-, Politik-, Verfassungs- und Rechtsgeschichte entstanden Untersuchungen, auch das  alters 1975–1977 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-historische Klasse, 3. Folge, Nr. 121). Göttingen 1980, S. 104 Anm. 230. 93 STRUBE (Handwerkszünfte in Bremen) 1974. 94 KELLER, Katrin: Armut und Tod im alten Handwerk. Formen sozialer Sicherung im sächsischen Zunftwesen des 17. und 18. Jahrhunderts. In: JOHANEK, Peter (Hrsg.): Städtisches Gesundheits- und Fürsorgewesen vor 1800 (= Städteforschung, Reihe A: Darstellungen, Bd. 50). Köln, Weimar, Wien 2000, S. 199–223. 95 LUSIARDI, Ralf: Caritas – Fraternitas – Solidarität. Überlegungen zur kollektiven Daseinsvorsorge in spätmittelalterlichen Zünften und Gesellenvereinigungen. In: GILOMEN, Hans-Jörg / GUEX, Sébastian / STUDER, Brigitte (Hrsg.): Von der Barmherzigkeit zur Sozialversicherung. Umbrüche und Kontinuitäten vom Spätmittelalter bis zum 20. Jahrhundert (= Schweizerische Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 18). Zürich 2002, S. 143.

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Versicherungswesen interessierte sich für die Erforschung der Wurzeln moderner (Sozial-)Versicherungssysteme. Stellvertretend sei auf die Rolle der Medizingeschichtsschreibung hingewiesen. Den permanenten, unaufhaltsamen medizinischen Fortschritts- und Erkenntnisprozess zu dokumentieren, traten anfangs vor allem Medizinerinnen und Mediziner an, um mit frühen medizinhistorischen Arbeiten häufig ideengeschichtliche, architektonische oder nosologische Aspekte bzw. einzelne Autoritäten oder Berufsgruppen in den Vordergrund zu rücken.96 Mit dem Wirken der Annales wandte sich die Geschichtsschreibung verstärkt auch medizinhistorischen Fragestellungen zu. Unter Medizinhistorikerinnen und Medizinhistorikern kam es zum zaghaften Aufgreifen sozialgeschichtlicher Fragestellungen. Wirtschaftshistorische Auswertungen und die Verbindung zu anderen Geschichtsteildisziplinen gewannen an Gewicht. Die Bedeutung des politischen Einflusses auf konkrete medizinische Entwicklungen untersuchte Ute Frevert. Die Sammelwerke von Alfons Labisch und Reinhard Spree führten mit neuen methodischen Schritten das große Feld sozial- und wirtschaftshistorischer Forschungsmöglichkeiten von Krankheits- und Gesundheitsproblematiken vor. Relativ jung waren betriebswirtschaftliche Auswertungen zu historischen Medizinaleinrichtungen und anthropologische Analysen kulturell bedingter Krankheits- und Gesundheitsvorstellungen.97 Aufgrund der speziellen Perspektive war fast allen diesen Werken gemein, dass in ihnen die soziale Sicherung der Handwerksorganisationen nicht oder nur grob vereinfachend dargestellt wurde. Nicht zufällig spielen dezidierte Forschungen zum Bereich der sozialen Sicherung im Handwerk somit bisher eine untergeordnete Rolle. Innerhalb der Handwerksgeschichtsschreibung wurde zwar die Rolle der Zünfte auf dem Gebiet der sozialen Sicherung oft anerkannt, doch ohne die zahlreichen, oft älteren pauschalierenden oder kaum empirisch geprüften Einschätzungen am konkreten Quellenmaterial zu messen. In diesem Sinne führte Partsch Anfang der 1980er Jahre aus: „Ungeklärt bleibt jedoch die meines Erachtens sehr bedeutsame Frage, ob, in welchem Umfang und aufgrund welcher Voraussetzungen diese traditionalen Gemeinschaften tatsächlich in der Lage waren, die ihnen zugeschriebenen Schutzfunktionen auszuüben.“98

 96 BLASIUS, Dirk: Geschichte und Krankheit. Sozialgeschichtliche Perspektiven der Medizingeschichte. In: Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft 2/1976, H. 3, S. 390. 97 FREVERT, Ute: Krankheit als politisches Problem 1770–1880. Soziale Unterschichten in Preußen zwischen medizinischer Polizei und staatlicher Sozialversicherung (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 62). Göttingen 1984. – LABISCH, Alfons / SPREE, Reinhard (Hrsg.): „Einem jeden Kranken in einem Hospitale sein eigenes Bett“. Zur Sozialgeschichte des Allgemeinen Krankenhauses in Deutschland im 19. Jahrhundert. Frankfurt am Main, New York 1996. – LABISCH, Alfons / SPREE, Reinhard (Hrsg.): Krankenhaus-Report 19. Jahrhundert. Krankenhausträger, Krankenhausfinanzierung, Krankenhauspatienten. Frankfurt am Main 2001. – SCHEFFLER, Christian: Das Leipziger Allgemeine Krankenhaus zu St. Jacob im 19. Jahrhundert. Eine Analyse aus betriebswirtschaftlicher Sicht. Aachen 2004. 98 PARTSCH (Prinzipien und Formen) 1983, S. 5.

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Über die traditionalen Sicherungsformen besitze man trotz einer Fülle an Sekundärliteratur lediglich dürftige Kenntnisse.99 Dieser Missstand änderte sich in der Folgezeit tatsächlich nur unzureichend. Vor allem fehlen bislang Studien von begrenzter Reichweite, welche die lokalen und regionalen Bedingungen deutlicher berücksichtigen.100 Ein wesentliches Problem, das hiermit in Zusammenhang stand, sprach Martin Dinges in seiner Analyse der Stadtarmut von Bordeaux an. Autoren mit sozialpolitischem oder versicherungswirtschaftlichem Impetus wie Hans Braun gingen von einem engen sozialen Sicherungsbegriff aus. Auch Sozial- und Wirtschaftshistoriker wie Matthias Meinhardt, Christoph Sachße oder Florian Tennstedt schilderten das Unterstützungs- und Fürsorgewesen vorrangig oder ausschließlich von seiner obrigkeitlichen Seite.101 Und für seine Charakteristik der sozialen Sicherung legte Detlev Zöllner den Fokus klar auf staatliche oder staatlich induzierte Maßnahmen, wenngleich er sich auf die Zeit seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts konzentrierte.102 Auf den zu Unrecht vernachlässigten Teil der sozialen Sicherung wies nun Dinges hin, denn „die frühneuzeitlichen Gesellschaften waren Selbsthilfegesellschaften“, wogegen private Wohltätigkeit und kommunale oder landesherrliche Armenfürsorge zwar wichtig, aber nachrangig gewesen seien. „Die Selbsthilfe ist angesichts der subsidiären Rolle der Fürsorge die zentrale Strategie der Armen in vorindustriellen Gesellschaften, das Absinken in Bedürftigkeit zu vermeiden.“103  99 Ebd., S. 9. 100 Allerdings belebte sich in jüngster Zeit die Forschungslandschaft zur Armenproblematik sowie zur sozialen Sicherung im mitteldeutschen Raum neu, wodurch auch die Handwerker und ihre Familien in den wissenschaftlichen Fokus rückten. Als monumentale Grundlage für zukünftige Forschungen kann nur ausdrücklich auf ein zweibändiges Quelleninventar hingewiesen werden, aus welchem auch die vorliegende Arbeit schöpfen konnte. BRÄUER, Helmut / SCHLENKRICH, Elke (Bearb.): Armut und Armutsbekämpfung. Schriftliche und bildliche Quellen bis um 1800 aus Chemnitz, Dresden, Freiberg, Leipzig und Zwickau. Ein sachthematisches Inventar. Leipzig 2002. 101 MEINHARDT, Matthias: Die Erforschung der Geschichte Dresdens von den Anfängen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Forschungsgeschichte, Literaturbericht und Bibliographie. In: Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalpflege 39/1997, S. 79–142. – SACHSSE, Christoph / TENNSTEDT, Florian: Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland, Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zum 1. Weltkrieg. Stuttgart, Berlin, Köln ²1998. Vgl. BRAUN, Hans: Soziale Sicherung. System und Funktion. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1972, S. 16. – METZ, Karl Heinz: Die Geschichte der sozialen Sicherheit. Stuttgart 2008. – RITTER (Sozialstaat) 2010. Siehe auch Kap. 2.1, Anm. 2. 102 Detlev Zöllner nannte als Merkmale sozialer Sicherung unter anderem eine individuelle Leistungsberechtigung aufgrund eines gesetzlich geregelten Rechtsanspruchs und eine Leistungsverpflichtung eines öffentlichen oder gesetzlich beauftragten Leistungsträgers. ZÖLLNER, Detlev: Soziale Sicherung zwischen Theorie und Empirie. In: KAUFHOLD, Karl Heinrich / RIEMANN, Friedrich (Hrsg.): Theorie und Empirie in Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsgeschichte. Wilhelm Abel zum 80. Geburtstag (= Schriftenreihe für ländliche Sozialfragen, H. 92). Göttingen 1984, S. 73. 103 DINGES (Stadtarmut) 1988, S. 27. – Ders.: Frühneuzeitliche Armenfürsorge als Sozialdisziplinierung? Probleme mit einem Konzept. In: Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für 

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Obwohl sich diese programmatische Feststellung dezidiert auf die urbanen Unterschichten am Rande des Existenzminimums bezog, soll sie auf die häufig von Armut bedrohten zünftigen Handwerker übertragen werden. Die soziale Sicherung durch Innungen und Gesellenschaften stellte für die Handwerkerschaft sicherlich nur eine Spielart der institutionalisierten Selbsthilfe dar,104 die jedoch, wie gezeigt werden soll, u. a. durch ihre zähe Langlebigkeit und ihr vielfältiges Potenzial besondere Beachtung verdient.

2.4 QUELLEN UND METHODE Die unzureichende Erforschung der sozialen Sicherungssysteme im Handwerk hatte neben der Konzentration auf das obrigkeitliche Armen- und Fürsorgewesen und den aufgezeigten Forschungstraditionen weitere Ursachen. Die methodische Durchdringung des Themas stellt den Historiker vor nicht wenige Schwierigkeiten. Speziell für den sächsischen Bereich nehmen Aussagen die Etablierung frühester Sicherungsmechanismen betreffend aufgrund der Quellenlage hypothetischen Charakter an.105 Eine problemlose, zügige Bearbeitung entsprechender Fragestellungen anhand einiger weniger edierter Urkunden oder eines fest abgegrenzten Materialkorpus ergibt sich nicht, zumindest dann nicht, wenn Quellen über die bloßen Regelsetzungen hinaus zu durchleuchten sind. Die Informationen zum Problemkomplex der sozialen Sicherung im Handwerk finden sich weithin verstreut über eine Vielzahl unterschiedlichster Quellengattungen; nicht selten stehen Informationswert und Arbeitsaufwand in einem ungünstigen Verhältnis zueinander. Infolgedessen wurde in Bezug auf die mehrschichtigen Zielsetzungen, die dürftig vorliegenden Spezialarbeiten, die methodische Vorgehensweise, die anspruchsvolle Überlieferungslage und aufgrund des Inhalts sowie des strukturellen Charakters der Quellen kein geschlossener Quellenbestand herangezogen. Es  Historische Sozialwissenschaft 17/1991, H. 1, S. 11, 19. Vgl. SIGNORI, Gabriela: Alter und Armut im späten Mittelalter. Überlegungen zu den lebenszyklischen Dimensionen von sozialem Abstieg und den formellen und informellen „Strategien“ der Überwindung. In: OEXLE, Otto Gerhard (Hrsg.): Armut im Mittelalter (= Vorträge und Forschungen, Bd. 58). Ostfildern 2004, S. 219. Auch Frevert ging näher auf die Selbsthilfeformen als Gegenmodell zum „Hospitalgeist“ ein, doch behandelte sie die gewerblichen Unterstützungskassen vorrangig ab dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts. FREVERT (Krankheit) 1984, S. 151–162. Ausschließlich auf Düsseldorfer Unterstützungskassen seit den 1840er Jahren konzentrierte sich in ähnlicher Weise folgende Studie: ASMUTH, Margaret: Gewerbliche Unterstützungskassen in Düsseldorf. Die Entwicklung der Krankenversicherung der Arbeitnehmer 1841 bis 1884/85 (= Schriften zur Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsgeschichte, Bd. 35). Köln 1984. 104 JÜTTE, Robert: Arme, Bettler, Beutelschneider. Eine Sozialgeschichte der Armut in der Frühen Neuzeit. Weimar 2000, S. 106. 105 Für die meisten sächsischen Kleinstädte ist sogar erst nach dem Dreißigjährigen Krieg mit einer günstigeren Überlieferungslage zu rechnen. KELLER (Armut und Tod) 2000, S. 203f.

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musste dagegen die Untersuchung auf eine Vielzahl strukturell höchst unterschiedlicher Quellengattungen ausgedehnt werden. Dies war umso notwendiger, weil andere Funktionen der Handwerksorganisationen in den archivalischen Überlieferungen meist im Vordergrund standen und Angaben zur Unterstützungsproblematik mehr oder weniger versteckt enthalten waren. Klar überwiegen knappe, dürftige Einträge, wenngleich die Informationsdichte mit dem Fortschreiten des Untersuchungszeitraums zunimmt.106 Die systematische Durchforstung einer einzelnen Quellengattung nach zielführenden Erkenntnissen hätte die Resultate von vornherein, ähnlich wie bei der früheren ausschließlichen Nutzung von Zunftstatuten, verfälscht. Vielmehr musste aus der großen Masse an ungedruckten Überlieferungen in der Hoffnung auf besonders aussagekräftige Materialien eine Auswahl getroffen werden, aus der Bruch- und Fundstücke extrahiert wurden, die Einblicke geben, wie soziale Sicherung in den Handwerksorganisationen gedacht und vor allem praktiziert wurde. Oft konnte dies nicht anders als durch Stichprobenanalysen oder vereinzelte glückliche Zufallsfunde geschehen. Analytische Einschätzungen, die auf statistischen Auswertungen beruhen, müssen dementsprechend unter methodischem Vorbehalt betrachtet werden, da beispielsweise keine langen Informationsreihen im Quellenmaterial existieren. Dennoch sollten diese Schwierigkeiten nicht abschrecken, das lohnende Thema grundsätzlich zu bearbeiten. Die hinsichtlich ihrer thematischen Aussagekraft und Relevanz unterschiedlichsten Schriftstücke boten zahlreiche Chancen, sich dem Problemkreis der sozialen Sicherung im zünftigen Handwerk als einem Teil der Mittel- und Unterschichten der ständischen Gesellschaft anzunähern, wichtige Entwicklungstendenzen aufzuzeigen und zentrale Thesen bezüglich der Organisationsformen und ihres Sozialcharakters zu überprüfen. Insgesamt erhebt die Arbeit somit keinen Anspruch auf eine flächendeckende oder chronologisch-stringent ausgerichtete Analyse, sondern verfolgt einen sachorientierten Ansatz. Welche Quellen wurden verwandt? Will man das genutzte Material gruppieren, so können erstens grundsätzlich normative und nicht-normative bzw. deskriptive Quellen unterschieden werden. Zweitens findet sich ein anderes Strukturierungskriterium in dem jeweiligen Aussteller der Quellen. Korrekterweise muss bedacht werden, dass die Handwerkskultur und das Handwerksrecht nur in Teilen verschriftlicht waren. I. d. R. konnte, wie die über 106 „Aufzeichnungen, die Gesundheit und Krankheit zum Inhalt haben, besitzen folglich – mit Ausnahme von Seuchenzeiten – absolut nachrangigen Stellenwert“ in den verschiedenen Quellentypen. OTTNER, Christine: Dem gemeinen wesen zum besten. Verwaltung von Krankheit und Gesundheit in Krems an der Donau und Österreich unter der Enns (1580– 1680) (= Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde, Bd. 37). St. Pölten 2003, S. 11. Beispielsweise klagte Herbert Friedrich mehrfach über die spärlichen Nachrichten zu den Zwickauer Verhältnissen. FRIEDRICH, Herbert: Das Armenund Fürsorgewesen in Zwickau bis zur Einführung der Reformation. Ein Beitrag zur Kulturund Wirtschaftsgeschichte Sachsens. Würzburg 1935, S. 28, 96.

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lieferten Handwerksbücher, Jahresrechnungen, Zahlungsbelege, Kundschaften107 und Protokolle beweisen, der allergrößte Teil der Meister und Gesellen spätestens im 18. Jahrhundert lesen und schreiben.108 Zahlreiche verwaltende Tätigkeiten der Handwerksorganisationen erforderten ein Mindestmaß an Schreib-, Lese- und Rechenfertigkeiten und häufig wechselte das Amt des Rechnungsführers oder Handwerksschreibers unter den Mitgliedern. Die Gesellenschaften als halblegale Einrichtungen scheuten dagegen geradezu eine weiterreichende Verschriftlichung ihrer Kulturformen, um der polizeilichen Überwachung und obrigkeitlichen Regulierungswut zu entgehen. Sie ersetzten Feder und Papier durch die mündliche Botschaft und das Ritual.109 Und selbst die Kultur der Meister und ihrer Angehörigen war grundsätzlich keine schriftlich fixierte. Durch den Mangel an Geschäftsgut für das städtische Handwerk vor 1800 verschob sich die Relation zugunsten der massenhaften Überlieferungen aus städtischer und staatlicher Provenienz.110 In vielen Fällen beauftragten die Aussteller außerdem mehr oder weniger professionelle Schreiber mit der schriftlichen Abfassung. Mit dem eigentlichen Schreibprozess wurden somit Personen betraut, die erstens durchaus abweichende Vorstellungen davon besitzen konnten, welche Informationen für eine Aufzeichnung relevant seien, und zweitens eigene Interessen bei diesem Selektionsprozess verfolgen konnten. Insbesondere bei Protokollnotizen hielten die Schriftführer eigenmächtig vielfach nur dasjenige Gesprächsmaterial fest, das ihnen von der größten Wichtigkeit schien. Als bedeutendste Aussteller treten die Orts-, Landesund Reichsobrigkeiten und ihre Vertreter, die Handwerksorganisationen der Handwerksmeister und -gesellen sowie sonstige Aussteller wie Hospitalvorstände  107 Als eine Art Vorläufer der Wanderbücher stellten die Kundschaften Ausweisdokumente dar, mit denen sich wandernde Handwerksgesellen bei den Handwerksorganisationen an anderen Orte als redliche, friedsame Personen zu erkennen geben mussten. 108 Ein Beispiel für die ausgeprägte Schriftlichkeit im Zunfthandwerk zeigt die Inventarliste des Dresdner Schneiderhandwerks aus dem Jahr 1723 auf, indem ein Tagebuch, ein Quartalsbuch, ein Lehrjungenbuch, ein Strafbuch, ein „Capittelbuch“, ein Meisterhauptbuch, ein Hauptrechnungsbuch, ein Steuerbuch, „ein Alfabet“, 16 Schreibtäfelchen für die verschiedenen Meistertische und ein Kalender genannt werden. StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 46, [unpag.] (Besitzverzeichnis von 1723). 109 STÜRMER (Herbst) 1986, S. 155. 110 ELKAR, Rainer S.: Feder, Tinte und Papier – ungebrauchte Werkzeuge im alten Handwerk? In: GERHARD, Hans-Jürgen (Hrsg.): Struktur und Dimension. Festschrift für Karl Heinrich Kaufhold zum 65. Geburtstag, Bd. 1: Mittelalter und Frühe Neuzeit (= Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte Nr. 132). Stuttgart 1997, S. 274–297. – MÜLLER, Dirk H.: Binnenstruktur und Selbstverständnis der „Gesellenschaft“ der Berliner Zimmerer im Übergang von der handwerklichen zur gewerkschaftlichen Interessenvertretung. In: ENGELHARDT, Ulrich (Hrsg.): Handwerker in der Industrialisierung. Lage, Kultur und Politik vom späten 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert (= Industrielle Welt. Schriftenreihe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte, Bd. 37). Stuttgart 1984, S. 627. – REININGHAUS (Gewerbe) 1990, S. 53f., 103. – SCHWARZ, Klaus: Die Lage der Handwerksgesellen in Bremen während des 18. Jahrhunderts (= Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen, Bd. 44). Bremen 1975, S. 26.

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oder Privatleute auf. Im Folgenden sollen kurz die wichtigsten Quellengattungen vorgestellt werden, auf die sich die Untersuchung stützt. Quantitativ fußt die Analyse schwerpunktmäßig auf den schriftlichen Hinterlassenschaften aus der Provenienz der Handwerker selbst und der ihnen übergeordneten obrigkeitlichen Instanzen auf den unterschiedlichen Herrschaftsebenen.111 Bedeutsame normative Quellen entstammen der zentralen Reichsebene. Die römisch-deutschen Könige und Kaiser erließen Patente und Gesetze, die sich mit Handwerks- und Fürsorgethemen beschäftigten und in den jeweiligen deutschen Territorien umgesetzt werden sollten. Außer den kaiserlichen Weisungen und Patenten wirkten die vom Reichstag gerade an der Wende vom Mittelalter zur frühen Neuzeit beschlossenen Abschiede und Beschlüsse auf die Territorialgesetzgebung ein. Auf Landesebene waren die Quellen zu beachten, die vom landesherrlichen Hof bzw. der Hofkanzlei ausgingen, wobei besonderes Augenmerk auf die normativen Regelungen gelegt wurde. In Urkunden, Gesetzen, Mandaten, Richtlinien und anderen informierenden oder weisungsgebenden Schriftstücken fand der landesherrliche Wille seinen Ausdruck. Vor Ort kam großes Gewicht der ratsherrlichen Überlieferung zu. Neben originär rechtsetzenden Quellen der kommunalen Instanzen standen Rats- und Stadtbücher, Sitzungs- und Gesprächsprotokolle sowie Rechnungen, Berichte und Korrespondenzen der Stadträte im Vordergrund. Anhand von Gerichtsakten städtischer und landesherrlicher Provenienz ließen sich Argumentationsmuster verfolgen und wurden beiläufig erwähnte, für die Analyse dennoch gewichtige Informationen sichtbar. Nicht selten waren Stadtchroniken die einzigen Zeugnisse über spezielle lokalgeschichtliche Ereignisse, zu denen darüber hinaus keine weiteren Nachrichten existieren. Stiftungsakten gaben Auskünfte über Struktur und Zielrichtung der vom Magistrat verwalteten Stiftungen, die von den Handwerksorganisationen zugunsten bedürftiger Personen, Personengruppen oder Einrichtungen errichtet werden konnten.112 Auch die schriftliche Überlieferung der seit der Kommunalisierung städtisch verwalteten Hospitäler selbst, darunter Vertragstexte, Briefe und Jahresrechnungen, repräsentierte einen potenziellen Fundort, der nicht übersehen werden durfte. Handwerksaufzeichnungen konnten zum einen von den Innungen, zum anderen von den Gesellenschaften herrühren und verschiedenen Zwecken dienen. Die Aktenstücke der Gesellenvereinigungen lehnten sich größtenteils an die Überlieferungen der Meisterzünfte an, wurden zum Teil von diesen selbst angefertigt. Die Bezeichnungen der überlieferten Einzelquellen aus dem Handwerk variieren von  111 Aufgrund der mannigfaltigen, aber zerstreuten Materialbasis lag das Hauptaugenmerk der archivalischen Recherchen auf der kommunalen Überlieferung und auf den schriftlichen Hinterlassenschaften der Handwerksorganisationen selbst. 112 Neben den korporativen Stiftungen im Namen bestimmter Handwerksorganisationen waren Individualstiftungen häufig, die zugunsten bedürftiger Handwerksmitglieder aufgesetzt wurden. Diese gehören jedoch streng genommen nicht zur kollektiven sozialen Sicherung.

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Stadt zu Stadt, von Gewerbe zu Gewerbe und natürlich von Zeit zu Zeit. Handwerks-, Innungs-, Meister-, Lehrlings-, Aufding-, Lossprechbücher113 usw. berichten von innerzünftigen Verhältnissen und Organisationsmustern, allgemeinen Entwicklungen, gewöhnlichen und außergewöhnlichen Vorkommnissen. Rechnungs- und Quittungsbücher geben Aufschluss über die Finanzstrukturen der Handwerksorganisationen. Protokollbücher sagen etwas über die Gesprächsgegenstände auf den Handwerksversammlungen (Quartalen, Morgen- und Abendsprachen) aus. Daneben fand sich ein breiter Fundus an korporativen Bittschriften, Briefen, Berichten, Rechtsgutachten etc. Und schließlich durften Dokumente sonstiger Verfasser nicht aus den Augen verloren werden. Beispielsweise wurden individuell oder kollektiv verfasste Suppliken, Beschwerden, Berichte, Briefe an Zunft, Gesellenschaft, Rat, Landesherr oder deren Behörden gerichtet, um eine persönliche Bitte zu äußern, einer Kritik an einem subjektiv empfundenen Unrecht Nachdruck zu verleihen, wichtige Auskünfte zu erteilen, eine Rechnung zu stellen und vieles mehr. Unter die letztgenannte Quellengruppe lassen sich auch Ego-Dokumente wie Tagebücher und familiäre Schreiben subsumieren. Neben zahlreichen Vorteilen, die eine kombinierende Analyse normativer und deskriptiver Quellen bietet, allen voran eine angemessene, breit gefächerte Annäherung an die Problemfelder auf Handwerks-, Orts-, Landes- und Reichsebene, ergeben sich somit verschiedene methodische Unsicherheiten, die bei der Auswertung der Quellen zu Relativierung und Vorsicht gemahnen. Wie bereits beschrieben, stützte sich die Mehrheit der älteren Handwerksgeschichtsforschungen lediglich auf normative Quellen, wodurch häufig etablierte Konzepte reproduziert wurden. Obwohl in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bereits die Gefahren, zugleich aber auch die Chancen der zahllosen Ordnungen, Statuten und Gesetzestexte erkannt wurden,114 verurteilten Vertreter der modernen Sozialgeschichte nicht allein die ungleichmäßige Dominanz der Auswertung dieser Quellen, sondern die Beschäftigung mit diesen Quellenformen generell.115 In jüngster Vergangenheit bestand kein Zweifel mehr, dass der „Realitätsbezug“ normativer Quellen „inzwischen von der Geschichtswissenschaft relativiert worden ist“ und diese Überlieferungsform allein nicht für ein überzeugendes, wirklichkeitsnahes Urteil genügen kann. Oft wurde in Gesetzestexten und Handwerksordnungen allein das „Untypische“ geregelt. Die unkritische Übernahme normativer Wunsch 113 Die Aufnahme eines Jungen in die Handwerkslehre wurde als Aufdingen bezeichnet, das Ende der Lehrzeit als Lossprechen. Beides geschah meist gegen eine gewisse Gebühr und wurde vorrangig vor der Handwerksorganisation vollzogen. Beide Ereignisse wurden in den Aufding-, Lossprech- oder Lehrlingsbüchern verzeichnet. 114 BRÄUER, Helmut: Innungsordnungen als Quellen für die Erforschung der bürgerlichen Ideologie. In: Ungarische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Internationales handwerksgeschichtliches Symposium. Veszprém 20.–24.11.1978. Veszprém 1979, S. 325, 330f. 115 Ehmer spricht von einer Diskreditierung der Zunftordnungen als Forschungsbasis. EHMER (Denken) 1998, S. 40f.

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vorstellungen in die historische Praxis brachte zur Genüge verzerrende oder generalisierende Aussagen hervor.116 Durch die Analyse unterschiedlicher Quellengattungen kann diesem Problem entgegengearbeitet werden. Beispielsweise zeichnen zahlreiche normative Schriftstücke ausführlich die gesetzten Rahmenbedingungen und das Überschreiten des Rahmens, das Konflikthafte, nach, vernachlässigen aber das Alltägliche. Indem das deviante Verhalten und der Umgang mit dem Normbruch thematisiert werden, können Rückschlüsse auf das „Normale“ gezogen werden. Die normative Seite gibt wichtige Hinweise auf die Vorstellungen vom Wünschenswerten und den zugrunde liegenden Wertemustern. Durch parallele Nutzung nicht-normativer Quellen kann hinter die Fassade der Vorschriften geschaut und ihre Um- und Durchsetzung betrachtet werden. Umgekehrt liefen alltägliche und geschäftsmäßige Handlungen stets vor einer Hintergrundfolie von Werten und Normen117 ab, sodass Alltagsrealitäten permanent bewertet wurden und somit normativem Einfluss unterlagen. Gleichfalls prägten gewohnte oder beiläufige Handlungen die normative Seite selbst neu und veränderten langfristig kulturelle Werte und Vorgaben.  116 Beispielhaft sind die Ausführungen bei Dirk Heinicke. Er legt pauschal dar, wie fremde Bettler in Leipzig zu Beginn des 18. Jahrhunderts „reichliche Almosen“ erhielten, krankes Gesinde vom Hausherrn versorgt und nur bei Raummangel an das Lazarett verwiesen wurde und sich Innungen um erkrankte Gesellen sorgten. Als Quelle nutzt er die Armenordnung von 1704. HEINICKE, Dirk: Armenarztwesen und Ziehkinderpflege in Leipzig von Beginn des 18. Jahrhunderts bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Diss. Leipzig 2004, S. 9f. 117 Ein (soziokultureller) Wert ist „eine grundlegende, zentrale, allgemeine Zielvorstellung und Orientierungsleitlinie für menschliches Handeln und soziales Zusammenleben innerhalb einer Subkultur, Kultur oder sogar im Rahmen der Menschheit“. Werte sind als Vorstellungen des „Wünschenswerten“ die „Ergebnisse komplexer geschichtlich-soziokultureller Entwicklungsund Wandlungsprozesse“ und demnach geschichtlich entstanden, kulturell relativ, wandelbar und bewusst gestaltbar. Werte werden auch als weltanschaulich-ideologische Legitimationsinstrumente zu Machterlangung, -absicherung oder auch -abbau eingesetzt. „Werte fundieren und rechtfertigen in sinnhafter Weise die weitaus zahlreicheren und mehr konkret ausgeprägten sozialen Normen, die für ein gegenseitig abgestimmtes, berechenbares Verhalten der Gesellschaftsangehörigen in den mannigfaltigen Situationen des Alltaglebens unerlässlich sind.“ HILLMANN (Soziologie) 2007, S. 962f. Knapp auch bei HETTLING, Manfred / HOFFMANN, Stefan-Ludwig: Der bürgerliche Wertehimmel. Zum Problem individueller Lebensführung im 19. Jahrhundert. In: Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft 23/1997, H. 3, S. 338f. Anm. 19. „Normen sind inhaltlich definierte und bestimmten Adressaten gegenüber als obligatorisch erklärte, relativ konstante Verhaltensregeln; sie geben an, was in einer bestimmten Situation angesichts einer Reihe von Verhaltensmöglichkeiten zur Erreichung eines bestimmten Zieles geboten und was verboten ist. Zumindest grenzen die Normen den Bereich des Erlaubten ab, wodurch sie ein gemeinsames Bezugssystem der Angehörigen eines sozialen Systems schaffen.“ Zweck von sozialen Normen ist „die Sicherung einer den Zielvorstellungen der Normengeber angemessen erscheinenden sozialen Ordnung durch ein normenkonformes Verhalten von Menschen und Gruppen“. BURGHARDT, Anton: Einführung in die Allgemeine Soziologie. München ²1974, S. 56. Vgl. TEUSCHER, Simon: Bekannte – Klienten – Verwandte. Soziabilität und Politik in der Stadt Bern um 1500 (= Norm und Struktur, Bd. 9). Köln, Weimar, Wien 1998, S. 16.

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Individuelle und summarische, materielle und nichtmaterielle Informationen zu den diversen Akteuren lassen sich schließlich nur im Zusammenspiel der verschiedenen Quellenkategorien genauer fassen, sodass allgemeine Entwicklungslinien formuliert werden können, ohne auf die Beobachtung abweichender Tendenzen zu verzichten. Indem Normen einen Handlungs- und Wahrnehmungsrahmen vorgeben, indem sie die Ergebnisse sozialer Aushandlungsprozesse darstellen und indem sie soziale Kommunikation strukturieren, sind die sie tragenden Quellengattungen aus der Sozialgeschichte nicht mehr wegzudenken.118 Bei einer dünnen Quellendecke stellen normative Aufzeichnungen häufig sogar die einzigen Auskunft gebenden Aufzeichnungen dar, auf die, unter Berücksichtigung ihres speziellen Aussagewertes, damit auf keinen Fall verzichtet werden darf. Kaum weiterer Erwähnung bedürfen die durchaus gravierenden Unterschiede in der Überlieferungslage zwischen den verschiedenen Überlieferungsebenen und innerhalb derselben. Zahlreiche Faktoren beeinflussten die Erhaltung historischer Informationsträger in den verschiedenen Archiveinrichtungen, sodass sich schon aufgrund des vorhandenen Materials die wünschenswerten, d. h. die umfassenden und gleichmäßig ausgewogenen Untersuchungsmöglichkeiten der verschiedenen städtischen Handwerksorganisationen reduzierten. Eine sicherlich reizvolle komparatistische Analyse wurde aufgrund der ungleichgewichtigen Quellenüberlieferung nicht angestrebt. Natürlich zieht auch die Vielzahl unterschiedlicher Quellengattungen spezielle Bearbeitungsprobleme nach sich. Es müssen Eigenheiten frühneuzeitlicher Schriftlichkeit und Verwaltungstätigkeit beachtet werden. Selten ist das historische Register eines Aktenkonvoluts nach heutigen Maßstäben vollständig, oft sind die Ordnungsmaßstäbe kaum für moderne Fragestellungen brauchbar (z. B. Personenregister, häufig noch dazu nach Vornamen geordnet, bei einer systematischen Fragestellung). Allein die Auswertung der überlieferten Kassenrechnungen fordert ein ganzes Bündel an methodischen Einschränkungen, wenn beispielsweise die Aufzeichnungs- und Rechnungsführungsmethodik permanent wechselt bzw. sich überhaupt keine brauchbare Systematik erkennen lässt. Schließlich kommen auf die Analysten bei vielen der erhaltenen Informationen die gewohnten Probleme und Spannungsfelder von Informationsdefiziten, historischer Termino-

 118 DETER (Rechtsgeschichte) 1990, S. 223. – MÜLLER, Albert: Arbeitsverbote und soziale Disziplinierung im städtischen Handwerk des Spätmittelalters. Das Fallbeispiel Wiener Neustadt. In: JARITZ, Gerhard / SONNLEITNER, Käthe (Hrsg.): Wert und Bewertung von Arbeit im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Ergebnisse des internationalen Arbeitsgespräches Lindabrunn 17. bis 19. September 1993. Herwig Ebner zum 65. Geburtstag (= Schriftenreihe des Instituts für Geschichte, Bd. 7). Graz 1995, S. 161–163. – SCHUBERT, Ernst: „Hausarme Leute“, „starke Bettler“: Einschränkungen und Umformungen des Almosengedankens um 1400 und um 1500. In: OEXLE, Otto Gerhard (Hrsg.): Armut im Mittelalter (= Vorträge und Forschungen, Bd. 58). Ostfildern 2004, S. 285.

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logie, intentionaler, subjektiver Schilderung und objektivem Forschungsideal zu.119

 119 Reith verweist auf allgemeine Gefahren des Modernismus, Populismus, Teleologismus und Ideologismus, denen die Forschungen zur Fürsorge- und Sozialsicherungsproblematik unterliegen. REITH, Reinhold: Praxis der Arbeit. Überlegungen zur Rekonstruktion von Arbeitsprozessen in der handwerklichen Produktion. In: Ders. (Hrsg.): Praxis der Arbeit. Probleme und Perspektiven der handwerksgeschichtlichen Forschung (= Studien zur Historischen Sozialwissenschaft, Bd. 23). Frankfurt am Main, New York 1998, S. 12f. Schließlich sollen einige Hinweise zur Zitierweise gegeben werden. Aufgrund der Vielfalt an Quellentypen, der großen Varianz an Eigenheiten der einzelnen Schreiber, des Wechsels an Aufzeichnungsnormen usw. wurden wörtliche Zitate wie folgt wiedergegeben: Zitate aus gedruckten Quellen wurden originalgetreu verwendet, die Interpunktion wurde aber behutsam modernisiert, wenn es dem Textverständnis diente. Ungedruckte Quellenauszüge wurden ebenfalls mit modernisierter Interpunktion wiedergegeben. Die Buchstaben u und v bzw. i und j wurden bei schlechter Unterscheidbarkeit nach ihrem Lautwert verzeichnet. Bezüglich der Getrennt- und Zusammenschreibung sowie der Groß- und Kleinschreibung wurden die ungedruckten Quellen möglichst originalgetreu aufgenommen, doch wurde hier ebenfalls das Bedürfnis nach einem angemessenen Textverständnis berücksichtigt. Unter Beachtung dieser Regelungen kam prinzipiell eine buchstabengetreue Zitierweise zum Tragen. Eigene Zusätze des Autors und nicht stillschweigend aufgelöste Kürzel wurden durch eckige Klammern, Auslassungen durch eckige Klammern und drei Punkte angezeigt. Abkürzungen in den Titelbezeichnungen wurden nicht aufgelöst. Die Zitation des Archivmaterials erfolgte in eindeutiger Weise durch Angabe der Archiveinrichtung, der Signatur und der Blatt- oder Seitenangabe soweit vorhanden und ohne Wiedergabe eines ohnedem oft fehlenden oder wenig aussagekräftigen Aktentitels.

3. DAS UNTERSUCHUNGSFELD Der zentralen Thematik der Arbeit soll sich im Folgenden angenähert werden, indem wesentliche Begrifflichkeiten erläutert sowie essenzielle kontextuelle Bezüge und Handlungseinheiten vorgestellt werden.

3.1 DAS ORGANISIERTE HANDWERK IN DER FRÜHEN NEUZEIT Im Zentrum der Untersuchung stehen die verschiedenen Organisationsformen des städtischen Handwerks: die Meister- und die Gesellenvereinigungen. Ökonomische Grundlage dieser Einrichtungen war die Produktionsform des Handwerks. Im berühmten Zedlerschen Lexikon galt das „Hand-Werck“ als „eine Wissenschafft, so man mit Fleisse erlernet hat, aus einer gewissen Materie allerley im menschlichen Leben nöthige und nützliche Dinge durch die Hand zu verfertigen.“1 Am Ende des Ancien Régime befand der kurhessische Rechtsgelehrte Elard Johannes Kulenkamp, ein Handwerker sei derjenige, „der (rohe) Materialien kunstmässig zu Befriedigungsmitteln menschlicher Bedürfnisse gegen einen gewissen Lohn bearbeitet“.2 In ähnlicher Weise äußerte sich der Philosophieprofessor Johann Andreas Ortloff: „Ein Gewerbe treibt derjenige, der rohe oder auch schon verbesserte Naturalien mechanisch zu einem Zwecke bearbeitet, und heißt Gewerbsmann, Handwerker.“3 Ob die drei Definitionen schon um 1800 noch wirklich befriedigen konnten, bleibt offen. Die Ökonomische Enzyklopädie von Johann Georg Krünitz wurde trotz eines umfangreichen Artikels zum Stichwort „Handwerk“ nur ansatzweise konkreter. Außer dem Ergebnis der Handarbeit, dem „Hand-Werk“, beschrieb sie Handwerk als „die Fertigkeit, körperliche Arbeiten ohne Kenntniß allgemeiner Wahrheiten hervor zu bringen, noch mehr aber dasjenige Gewerbe, welches sich auf diese Fertigkeit gründet; im Gegensatze [zu] einer

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ZEDLER, Johann Heinrich: Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste, welche bißhero durch menschlichen Verstand und Witz erfunden und verbessert worden [...] Halle, Leipzig 1735 (ND Graz ²1994), Bd. 12, Stichwort: Hand-Werck, Sp. 450. KULENKAMP, Elard Johannes: Das Recht der Handwerker und Zünfte. Marburg 1807, S. 1. ORTLOFF, Johann Andreas: Das Recht der Handwerker nach allgemeinen teutschen Reichsgesetzen überhaupt, und mit besonderer Rücksicht auf das allgemeine Landrecht und andere Innungsgesetze für die Königl. Preussischen Staaten, die Chursächsischen GeneralInnungsartikel, die Braunschweigische Gildeordnung für Handwerker und mehrere andere teutsche Handwerksgesetze. Erlangen 1803, S. 3.

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Kunst und Wissenschaft.“4 Daher muss auf die jüngere Begriffsdefinition von Karl Heinrich Kaufhold zurückgegriffen werden. Danach wird Handwerk „als selbständige gewerbliche Tätigkeit begriffen, die a) mit der Person ihres Trägers unlösbar verbunden ist und bei der auf der Grundlage individueller, erlernter Handfertigkeit und umfassender Werkstoffbeherrschung produziert wird (unter Ausschluß der sogenannten Urproduktion) oder Dienstleistungen (unter Ausschluß von Verkehrs- und Bewirtungsleistungen) angeboten werden, b) eine Produktionstechnik anwendet, bei der Werkzeuge und Maschinen 5 nur zur Ergänzung der Handarbeit eingesetzt werden.“

Idealtypisch bezeichnet der Begriff „Handwerk“ nur diejenige Betriebsform des ökonomischen Sekundärsektors, die durch einen selbstständigen und das Eigentum an den Produktionsmitteln innehabenden Produzenten geführt wird. Als spezielle Kennzeichen werden die meist dezentralen, kleinen Betriebsstätten, der formell geregelte Ausbildungsgang und die bedarfsweise vorhandenen Hilfskräfte angeführt.6 Abweichende Produktionsformen, die dieser Definition nicht oder nur bedingt entsprachen, waren der Verlag, das Heimgewerbe und die Manufaktur.7 Zwischen diesen verschiedenen Formen der Produktion bestanden fließende Übergänge, sodass jeweils am konkreten Fall geprüft werden müsste, ob es sich beim vorhandenen Akteur um einen rechtlich, ökonomisch und sozial selbstständigen Handwerksmeister gehandelt hatte oder nicht.8 Die eng gefasste traditionelle Sichtweise des autonom wirtschaftenden Handwerksmeisters traf aber auf einen Großteil der Produzenten im Textil- und Bekleidungsgewerbe der frühen Neuzeit nicht mehr zu. Dennoch hielten die ehemals eigenständig und selbstverantwortlich handelnden Produzenten oft weiter an ihren althergebrachten Organisationsformen und dem überkommenen Selbstverständnis fest.

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KRÜNITZ, Johann Georg: Oeconomische Encyclopädie, oder allgemeines System der StaatsStadt- Haus- u. Landwirthschaft, in alphabetischer Ordnung. Berlin 1780, Bd. 21, Stichwort: Handwerk, S. 468. KAUFHOLD (Umfang und Gliederung) 1978, S. 28. GRIESSINGER (Symbolisches Kapital) 1981, S. 426. – REININGHAUS (Gewerbe) 1990, S. 4. – Ders. (Stadt und Handwerk) 2000, S. 5. – REITH (Handwerk) 2007, Sp. 149. Gerade in der frühneuzeitlichen Textilbranche kamen häufig auch andere Betriebsformen als das klassische Handwerk vor. Heimarbeit fand meist im Nebengewerbe statt. Produziert wurde für Abnehmer außerhalb des eigenen Haushalts, wobei jedoch die Übergänge zur Eigenbedarfsproduktion oder zum Verlag fließend waren. Bei den verschiedenen Varianten des Verlags stellten ökonomisch selbstständige und unselbstständige Produzenten mit eigenen Werkzeugen in eigenen Betriebsstätten Halbwaren oder Fertigprodukte her, die jedoch nicht ihnen, sondern vertraglich dem Verleger gehörten. Manufakturen existierten in zentralisierter und dezentralisierter Form. Die hoch arbeitsteilige Produktion erfolgte durch Lohnarbeiter, die weder am Werkzeug noch am Rohstoff oder dem Produkt ihrer Arbeit einen Besitz anmelden konnten. Während in der dezentralisierten Manufaktur die Grenzen zu verschiedenen Verlagsformen verschwammen, wies die zentralisierte Manufaktur Gemeinsamkeiten mit den seit der Industriellen Revolution entstehenden Fabriken auf. REININGHAUS (Gewerbe) 1990, S. 4f. KAUFHOLD (Umfang und Gliederung) 1978, S. 28f.

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Die Meister bildeten die Spitze der handwerklichen Produktion, die sie mit gelernten Facharbeitskräften (Handwerksgesellen9), Auszubildenden (Lehrlingen) und gegebenenfalls weiteren, formal nicht ausgebildeten Hilfskräften (Mägden, sonstigen Knechten, Lohnjungen10, Handlangern, Tagelöhnern, Hilfsarbeiterinnen usw.) ausführten. Selbstständige Meisterinnen, mit den gleichen Einschränkungen bezüglich der verwandten Produktionsformen wie bei den Meistern, existierten in den untersuchten obersächsischen Handwerken anscheinend offiziell nicht (mehr).11 Gleiches traf auf andere formal ausgebildete weibliche Arbeitskräfte zu.  9

Im spätmittelalterlichen Gewerbewesen wurde die allgemeine Bezeichnung „Knecht“ für spezialisierte, unselbstständige Arbeitskräfte des Handwerks wie für abhängig beschäftigte Haus- und Hofarbeitskräfte allgemein genutzt, woraus heute Zuordnungs- und Interpretationsprobleme resultieren können. Bei den Tuchmachern tauchen die Gesellen zumeist als „Knappen“ auf, ein Ausdruck, der auch auf die unselbstständigen Arbeitskräfte im Berg- und Hüttenwesen angewandt wurde. 10 In den untersuchten sächsischen Städten waren Lohnjungen bei den Handwerken der Barbiere, Kürschner, Nadler, Riemer, Schuhmacher, Zimmerer und vor allem der Schneider vorhanden. Sie stellten eine Gruppe mit niedrigerem Sozialstatus innerhalb oder außerhalb der Gesellenschaft dar und wurden geringer entlohnt. StadtAC, RA, IX. Aa 3a, Bl. 61, 290, 294b. – StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 65, [unpag.]. – StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 67, [unpag.]. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 1, Nr. 22. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 317–319b. – StadtAL, II. Sektion S (F) 851, Bl. 56b. – StadtAL, Inn Schneider C 2, Bl. 51b. – StadtAL, Rb 26 (1570–1571), Bl. 11–11b. – StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 110b– 112b. – StadtAZ, X, 33, 3b, Bl. 13b. – RICHTER, Otto: Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der Stadt Dresden. Erster Band: Verfassungsgeschichte. Dresden 1885, S. 357. Bisweilen wurde der Status eines Lohnjungen oder Lohnburschen fälschlicherweise mit dem eines Lehrlings gleichgesetzt. Vgl. GERMAR (Schneiderhandwerk) 1918, S. 62, 85. – REITH, Reinhold: Arbeits- und Lebensweise im städtischen Handwerk. Zur Sozialgeschichte Augsburger Handwerksgesellen im 18. Jahrhundert (1700–1806) (= Göttinger Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 14). Göttingen 1988, S. 233. – TROITZSCH, Fritz (Hrsg.): Die alten Zunftrollen der Geraer und Leipziger Seilerinnungen. Berlin [1913], S. 24. 11 Es fehlen allerdings sowohl Lokal- als auch epochenübergreifende Längsschnittstudien zu dieser Thematik fast völlig, obwohl die selbstständige Ausübung des Handwerks und die gleichberechtigte Zunftmitgliedschaft von Frauen für andere Territorien belegt werden können. Auf die Rolle der Handwerkswitwen ist im Kap. 6 noch einzugehen. Selbstständige Meisterinnen traten in der Leipziger Kramerinnung und vermutlich in anderen Handelsgewerben auf. Die Möglichkeit einer Doppelzünftigkeit für ein Ehepaar oder eine Einzelperson wurde ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zurückgedrängt. MOLTKE, Siegfried: Die Leipziger Kramer-Innung im 15. und 16. Jahrhundert. Zugleich ein Beitrag zur Leipziger Handelsgeschichte. Leipzig 1901, S. 34–36. – SCHÖTZ, Susanne: Zur Mitgliedschaft von Frauen in der Leipziger Kramerinnung im Spätmittelalter bzw. zu Beginn der Frühen Neuzeit (1477–1695). In: ZWAHR, Hartmut / SCHIRMER, Uwe / STEINFÜHRER, Henning (Hrsg.): Leipzig, Mitteldeutschland und Europa. Festgabe für Manfred Straube und Manfred Unger zum 70. Geburtstag. Beucha 2000, S. 58, 63–65. – UITZ, Erika: Frauenarbeit im Handwerk. Methodenfragen und inhaltliche Probleme. In: SIMON-MUSCHEID, Katharina (Hrsg.): „Was nützt die Schusterin dem Schmied?“ Frauen und Handwerk vor der Industrialisierung (= Studien zur Historischen Sozialwissenschaft, Bd. 22). Frankfurt am Main, New York 1998, S. 45–50. Frauenzünfte im deutschsprachigen Raum fanden sich bisher nur in Köln und Zürich. ENNEN, Edith: Die Frau in der mittelalterlichen Stadt. In: HERRMANN, Bernd (Hrsg.): Mensch und Umwelt im Mittelalter. Stuttgart ³1987, S. 45f. – MITTERAUER, Michael: Familie und Arbeits

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Über die besondere Stellung der Meisterwitwen und Meistertöchter wird später ausführlich zu sprechen sein. Bereits im Mittelalter schlossen sich die Handwerksmeister zu multifunktionalen Organisationen zusammen. Abhängig von ihrer regionalen Verbreitung waren die Bezeichnungen „Zunft“, „Gilde“, „Amt“, „Innung“, „Zeche“ und „Einung“ am geläufigsten. In den obersächsischen Quellen tauchten hauptsächlich „Zunft“ und „Innung“ auf oder die Meisterorganisationen nannten sich schlichtweg „Handwerk“,12 was mitunter für eine historische Analyse die Unterscheidung zwischen organisierten und nicht-organisierten Handwerken erschweren kann. Umstritten ist, ob die Bezeichnungen der Handwerkervereinigungen zumindest partiell Hinweise auf deren funktionale Ausrichtung liefern.13 Grundsätzlich waren in einer Zunft sowohl Meister als auch deren Familien, Gesellen, Lehrlinge und sonstiges Gesinde integriert, wenngleich nur Erstere die Vollmitgliedschaft der Zunft besaßen, alle korporativen Rechte genossen und allen korporativen Pflichten genügen sollten. Ihre Ehefrauen, Familien, Meisterwitwen, Handwerksgesellen und -lehrlinge sowie ihre anderen Hilfskräfte unterlagen dagegen einem eingeschränkten Zunftrecht.14 Den Innungen standen die  organisation in städtischen Gesellschaften des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. In: HAVERKAMP, Alfred (Hrsg.): Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt (= Städteforschung, Reihe A: Darstellungen, Bd. 18). Köln, Wien 1984, S. 32. – SCHUSTER, Dora: Die Stellung der Frau in der Zunftverfassung (= Quellenhefte zum Frauenleben in der Geschichte, H. 7). Berlin 1927, S. 6–17. – SCHMELZEISEN, Gustaf Klemens: Die Rechtsstellung der Frau in der deutschen Stadtwirtschaft. Eine Untersuchung zur Geschichte des deutschen Rechts (= Arbeiten zur deutschen Rechts- und Verfassungsgeschichte, X. Heft). Stuttgart 1935, S. 73– 75. 12 In Zwickau waren die Bezeichnungen „Handwerk“ und „Innung“ üblich. Eine Ausnahme bildeten lediglich die Steinmetze, welche ihren Verband als „Bauhütte“ oder „Hütte“ bezeichneten. KUMMER, Paul: Gewerbe und Zunftverfassung in Zwickau bis zum Jahre 1600. Diss. Leipzig 1921, S. 65. Für Dresden siehe: FLEMMING, Max: Die Dresdner Innungen von ihrer Entstehung bis zum Ausgang des 17. Jahrhunderts. Erster Teil. Dresden 1896, S. 25f. Anm. 2. 13 Für Schmidt-Wiegand handelt es sich um Heteronyme, die sich in ihrem Verbreitungsradius und zumindest ansatzweise in ihrer funktionalen Akzentsetzung unterscheiden. SCHMIDTWIEGAND, Ruth: Die Beziehungen Zunft und Gilde in ihrem historischen und wortgeographischen Zusammenhang. In: SCHWINEKÖPER, Berent (Hrsg.): Gilden und Zünfte. Kaufmännische und gewerbliche Genossenschaften im frühen und hohen Mittelalter (= Vorträge und Forschungen, Bd. 29). Sigmaringen 1985, S. 31–52. Nach Schulz bestände für die historische Verwendung der Begriffe weniger ein inhaltlicher als ein geografischer Unterschied. Für die Bezeichnungsweise sei in erster Linie der räumliche Faktor ausschlaggebend. SCHULZ (Handwerk, Zünfte und Gewerbe) 2010, S. 35, 41. Weitere Bezeichnungen für Handwerkszünfte waren z. B. Gaffel, Kerze, Kompanie, Lehen, Mittel, Sozietät und Werk. 14 Nach Schmelzeisen „war die Frau in der Zunft mittelbare Schutzgenossin“. Sie und die anderen Angehörigen und Angestellten des Meisters könnten als „Genossen abgeleiteten Rechts“ und Schutzverwandte der Zunft charakterisiert werden, deren Genossenschaftsrecht vom Inhaber des Meisterrechts abgeleitet würde, weil sie dem Hausverband des Meisters angehörten. Folgt man den Ausführungen, würde sich in diesem Fall das Ausscheiden aus dem Meister

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sogenannten Obermeister, Viermeister oder Ältesten vor,15 die von den stimmberechtigten Mitgliedern der gesamten Gemeinschaft oder des bisherigen Zunftvorstandes gewählt wurden. Teilweise besaß der städtische Rat ein Ernennungs-, Bestätigungs- oder Vereidigungsrecht. Im Vordergrund der zünftigen Aktivitäten standen ökonomische Zielsetzungen. Parallel zu den funktional vielseitigen Zünften bildeten sich stärker religiöskaritativ orientierte Institutionen heraus, die unabhängig von einer Handwerksorganisation entstanden oder an eine oder mehrere Handwerksorganisationen angeschlossen sein konnten bzw. einen konstitutiven Bestandteil derselben bildeten. Dadurch unterschied sich der Mitgliederkreis dieser religiösen Bruderschaften oftmals vom Kreis der Zunftmitglieder. In denjenigen Gewerben, in denen die Interessendivergenz zwischen Meistern und Gesellen deutlich zunahm, eine ausreichende Gruppengröße erreicht wurde und weitere mobilisierende Faktoren hinzukamen, schlossen sich die Handwerksgesellen im deutschsprachigen Raum seit dem 14. Jahrhundert zu eigenen Gesellenorganisationen zusammen. Aufgrund einschneidender Konflikte und mehrfacher Vereinigungsverbote vermieden viele dieser Personenverbindungen eine vollständige Institutionalisierung.16 Entsprechend spärlicher fiel ihre archivalische schriftliche Überlieferung aus. Als wesentlicher Anstoß zur Gründung eigener Gesellenvereinigungen wird verschiedentlich die mangelhafte soziale Sicherung durch die Meister bzw. die Zünfte angeführt.17 Hereinbrechende Seuchenwellen könnten eine Katalysatorfunktion gespielt haben.18 Über die Charakterisierung und eine entsprechend angemessene Bezeichnung der Gesellenorganisationen entstand in der Handwerksforschung eine Kontrover

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haushalt als problematisch für die Aufrechterhaltung des Schutzverwandtenstatus darstellen. SCHMELZEISEN (Rechtsstellung) 1935, S. 30. Auch andere Bezeichnungen waren üblich. Teilweise wurden die vorsitzenden Meister der Innungen Obermeister und deren Stellvertreter Beisitzer, Vier- oder Vormeister genannt, teilweise wurden grundsätzlich alle Zunftobersten als Älteste, Ober- bzw. Viermeister vorgestellt. KINZELBACH, Annemarie: Gesundbleiben, Krankwerden, Armsein in der frühneuzeitlichen Gesellschaft. Gesunde und Kranke in den Reichsstädten Überlingen und Ulm, 1500–1700 (= Medizin, Gesellschaft und Geschichte, Beiheft 8). Stuttgart 1995, S. 303. SCHEWE (Versicherung) 2000, S. 117. Bräuer führt außerdem das Wirken einer mittelalterlichen Korporationsidee an. BRÄUER, Helmut: Das Zwickauer „Tuchknappenregister“ von 1536 bis 1542. Bemerkungen zum Problem der sozialen Sicherung im Handwerk der frühen Neuzeit. In: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1990, H. 2, S. 100. Zur Entstehung der Organisationen der Handwerksgesellen ausführlich und überzeugend: REININGHAUS (Entstehung der Gesellengilden) 1980. Tabellarische Übersichtsdarstellungen der Seuchenjahre in Leipzig von 1350 bis 1892 finden sich in: BERGER, Beate / GRONEMANN, Bodo / PACER, Jakuf: Vom Aderlass zum Gesundheitspass. Zeittafel zur Geschichte des öffentlichen Gesundheitswesens in Leipzig (= Leipziger Kalender, Sonderband 2000/4). Leipzig 2000, S. 92f. Vgl. SEYFARTH, Carly: Das Hospital zu St. Georg in Leipzig durch acht Jahrhunderte 1212–1940. 1. Band: Das Hospital zu St. Georg vom Jahre 1212 bis zum Jahre 1631. Leipzig 1939, S. 65.

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se, die sich bis in das 19. Jahrhundert zurückverfolgen lässt.19 Hinzu kam, dass sich möglicherweise neben den Gesellenorganisationen, die sich eher geselligen Zielen verpflichtet fühlten, analog den religiösen Bruderschaften der Meister und Gesellen reine Gesellenbruderschaften herausbildeten. Der deutschsprachigen Geschichtsforschung war es bislang nicht möglich, das Verhältnis der Bruderschaften zu den „säkularen“ Meister- und Gesellenorganisationen gänzlich offenzulegen. Die wissenschaftlichen Charakterisierungen schwanken zwischen nahezu eigenständigen Personenvereinigungen mit spezifisch religiösem oder weltlichem Aufgabenprofil und polyfunktionalen Verbindungen ohne sinnvoll erscheinende Abgrenzung einzelner Aufgabenbereiche. Im Folgenden werden die verschiedenen Standpunkte in der deutschsprachigen Forschung knapp nachgezeichnet, um anschließend die Stellung der vorliegenden Arbeit innerhalb dieser Kontroverse mit Blick auf die obersächsische Überlieferung zu verorten. Der Begriff von den Gesellenorganisationen als „Doppelgenossenschaft“ geht auf eine der ältesten handwerksgeschichtlichen Schriften zurück, die noch immer als ein wichtiges Werk der Handwerksgesellenforschung Beachtung verdient.20 Nach Schanz hätte ein enges, nicht voneinander zu trennendes Nebeneinander rein kirchlicher Brüderschaften und rein weltlicher Gesellenverbände bestanden. Wenngleich sich Mitgliederkreise, Verbandsvorstände und Kassenwesen unterschieden, hätten beide Korporationen unter dem Dach einer gemeinsamen Ordnung eine Art „Doppelgenossenschaft“ gebildet. Dennoch räumte er den Bestand reiner Brüderschaften und reiner Gesellenschaften ein.21 Die Überblicksdarstellung von Paul Sander zum deutschen Städtewesen legte sich eindeutiger fest. Bruderschaften hätten nicht als originäre Vereinigungen fungiert, sondern wurden von Sander zum „Nebenverein“ der Zünfte (und damit auch der Gesellenschaften) stilisiert. Durch den Zunftbeitritt erwarben sich die Handwerker ein Aufnahmerecht in die Bruderschaft, ein Beitrittszwang hätte im Gegensatz zur Zunft aber nicht bestanden. Auf eine mögliche Aufnahme zunftfremder Personen in die Bruderschaft wies Sander hin.22 Auf seine Ausführungen berief sich das rechtshistorische Werk von Gustaf Klemens Schmelzeisen, der sich darin den weiblichen Zunftmitgliedern zuwandte.23 Dagegen stand für Eugen Schirbel fest, dass es sich bei den Gesellenbruderschaften um die früheste Form der Gesellenverbände gehandelt haben müsse, die den Grundstein für die jüngeren Gesellenschaften legte. Seine unterstellte Trennung in vorreformatorische Bruderschaften und nachreformatorische Gesellenschaften ist empirisch allerdings nicht

 19 Auf der Meisterseite besteht die begriffliche Unschärfe zwischen Zünften und religiösen Bruderschaften ebenfalls, jedoch in abgeschwächter Form. 20 SCHANZ (Gesellen-Verbände) 1877. 21 Ebd., S. 21f., 93–101. 22 SANDER, Paul: Geschichte des deutschen Städtewesens (= Bonner staatswissenschaftliche Untersuchungen, H. 6). Bonn, Leipzig 1922, S. 122f. 23 SCHMELZEISEN (Rechtsstellung) 1935, S. 28 Anm. 5.

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nachvollziehbar.24 Eine Umkehrung des Entstehungszusammenhangs nahm die versicherungswissenschaftliche Arbeit von Ernst Vesper vor. Nach seiner Auslegung hätten zuerst umfassende mittelalterliche Handwerkseinrichtungen inklusive diverser „Sozialeinrichtungen“ bestanden, aus denen sich „unter Führung der verständnisvolleren Zunftmitglieder“ „Bruderschaften“ und „Sterbeladen“ entwickelten. Diese religiösen Einheiten hätten sich zwar noch an ihre Mutterorganisationen angelehnt, befänden sich aber nach einer gewissen Zeit in relativer Unabhängigkeit.25 Alle bisherigen Darstellungen, mit Einschränkungen selbst die Arbeit von Schanz, unterlegten ihre Thesen kaum hinreichend. Dies nahm Fröhlich zum Anlass, um zwar an die Überlegungen von Schanz anzuschließen und sich doch von ihnen abzugrenzen. Nach Fröhlich gab es durchaus auch „Doppelgenossenschaften“, doch die grundsätzliche Unterscheidung weltlicher Gesellenverbände als „Zwangsverbände“ und kirchlicher Brüderschaften nach dem Freiwilligkeitsprinzip durchzieht ihr Werk, obwohl sie auf die kaum zweifelsfrei definierbaren, fließenden Grenzen der Organisationsformen hinwies.26 Eine andersgeartete Auslegung unternahm Reininghaus in seiner umfassenden und bis heute wegweisenden Dissertation über die Entstehung der Gesellenvereinigungen. Für ihn könne es keine zwei getrennten Einrichtungen im Sinne von Schanz‘ „Doppelgenossenschaft“ gegeben haben, da Gesellenvereinigungen stets mit verschiedenen Zwecken ausgestattet waren. Weder wären die säkularen Vereinigungen aus den Bruderschaften herausgewachsen, noch hätte die Arbeitswelt der Gesellen nichts mit der Sorge um ihr christliches Seelenheil zu schaffen. Um sich begrifflich unmissverständlich von bisherigen Vorstellungen abzugrenzen und das multifunktionale Wesen der Gesellenorganisationen zu unterstreichen, nutzte Reininghaus die Bezeichnung „Gesellengilde“.27 Ihm sprang Michael Stürmer bei, indem er den „Doppelcharakter der Gesellenbruderschaften“ im 18. Jahrhundert betonte, wenngleich er damit der Terminologie von Reininghaus nicht folgte und die Gesellenorganisationen als „Bruderschaften“ bezeichnete.28 Der scheinbar beliebigen Austauschbarkeit der Begriffe Bruderschaft und Gesellenverband/Gesellenschaft trat Knut Schulz entgegen. Die Verbindung zwischen den bruderschaftlichen und den gesellig-weltlichen Organisationen hätte von locker bis unauflöslich geschwankt, wodurch er sich in die Nähe des Schanzschen Standpunktes stellte.29 Seiner Meinung schlossen sich unter anderem Wolf 24 SCHIRBEL, Eugen: Geschichte der sozialen Krankenversorgung vom Altertum bis zur Gegenwart, Bd. 1. [Berlin 1929], S. 91, 95. 25 VESPER, Ernst: Die Sterbekassen in alter und neuer Zeit (= Schriftenreihe des Instituts für Versicherungswissenschaft an der Universität Köln, N. F. H. 23). Berlin 1966, S. 22. 26 FRÖHLICH (Sicherung) 1976, S. 31f. 27 REININGHAUS (Entstehung der Gesellengilden) 1980, S. 188–190, 224. 28 STÜRMER (Herbst) 1986, S. 183. 29 SCHULZ, Knut: Handwerksgesellen und Lohnarbeiter. Untersuchungen zur oberrheinischen und oberdeutschen Stadtgeschichte des 14. bis 17. Jahrhunderts. Sigmaringen 1985, S. 163 Anm. 1, 169–171. – Ders. (Handwerk, Zünfte und Gewerbe) 2010, S. 237f.

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gang Hardtwig und Kurt Wesoly an.30 Einen verwandten Standpunkt nahm Gerhard Dilcher ein, ohne sich bisweilen explizit zu den Handwerksgesellen zu äußern. Der ursprünglich bruderschaftliche Kern der Handwerkervereinigungen hätte nicht verhindert, dass Zunft und Bruderschaft auseinandertreten konnten und sich Letztere häufig vom gewerblichen Zunftwesen gelöst habe.31 Schließlich betonte Bräuer die Bedeutung der „gestörten sozialökonomischen Strukturbeziehungen der kleinen gewerblichen Warenproduktion“, denen die scheinbar rein religiösen Bruderschaften primär entsprungen seien. Die Entwicklung zu späteren Gesellenorganisationen wäre somit bereits in ihrem Kern angelegt.32 Eine jede religiöse Bruderschaft lehnte sich an eine kirchliche oder klösterliche Einrichtung, etwa einen geistlichen Orden oder eine städtische Pfarrkirche, an. Da keine eindeutigen Belege für eine rein religiöse Handwerkerbruderschaft in den untersuchten obersächsischen Handwerksorganisationen gefunden wurden, selbst wenn die spätmittelalterlichen Quellenzeugnisse nicht jeden Zweifel tilgen konnten,33 geht die vorliegende Arbeit im Grunde von einer zwar möglichen, jedoch sehr unwahrscheinlichen Existenz verschiedener Organisationsformen der Gesellen (und Meister) aus. Sicher belegt ist dagegen die multifunktionale Ausrichtung vieler Meister- und Gesellenvereinigungen in den untersuchten Städten, die unter anderem religiöse Funktionen ausübten. Es wäre denkbar, dass es inner 30 HARDTWIG (Genossenschaft) 1997, S. 58. – WESOLY (Lehrlinge und Handwerksgesellen) 1985, S. 310f. Daneben gehen auch Maschke und Voltmer von zwei möglichen Organisationsformen der Gesellen aus. MASCHKE, Erich: Soziale Gruppen in der deutschen Stadt des späten Mittelalters. In: FLECKENSTEIN, Josef / STACKMANN, Karl (Hrsg.): Über Bürger, Stadt und städtische Literatur im Spätmittelalter. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1975–1977 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-historische Klasse, 3. Folge, Nr. 121). Göttingen 1980, S. 127–145. – VOLTMER, Ernst: Reichsstadt und Herrschaft. Zur Geschichte der Stadt Speyer im hohen und späten Mittelalter (= Trierer Historische Forschungen, Bd. 1). Trier 1981, S. 282f. Vgl. STÖRMER, Wilhelm: Bürgerliche Korporationen im spätmittelalterlichen Bayern. In: JOHANEK, Peter (Hrsg.): Einungen und Bruderschaften in der spätmittelalterlichen Stadt (= Städteforschung, Reihe A: Darstellungen, Bd. 32). Köln, Weimar, Wien 1993, S. 144f. 31 DILCHER, Gerhard: Die genossenschaftliche Struktur von Gilden und Zünften. In: SCHWINEKÖPER, Berent (Hrsg.): Gilden und Zünfte. Kaufmännische und gewerbliche Genossenschaften im frühen und hohen Mittelalter (= Vorträge und Forschungen, Bd. 29). Sigmaringen 1985, S. 100–105. Bei Mc Ree gelten die Abwesenheit von Versuchen der ökonomischen Regulierung und die heterogene berufsständische Herkunft als Kennzeichen für religiöse Bruderschaften. MC REE, Ben R.: Charity and Gild Solidarity in late Medieval England. In: Journal of British Studies 32/1993, H. 3, S. 196. Letzteres Kennzeichen ist für die vorreformatorischen Personenvereinigungen allerdings nur selten verifizierbar. 32 BRÄUER, Helmut: Gesellen im sächsischen Zunfthandwerk des 15. und 16. Jahrhunderts. Weimar 1989, S. 116. 33 Im Jahr 1519 wollte der Zwickauer Rat den „Bettcher gesellen“ „irem ansuchen nach nicht gestatten, eyn Innunge adder Zunfft vfzurichten, anders dan als sie begengknis“ pflegten. Ob diese Bestimmung auf eine exklusive Privilegierung einer ausschließlich religiös ausgerichteten Bruderschaft hinauslief, muss offen bleiben. StadtAZ, III x 60, RP 1516–1519, 1518/19, Bl. 27b.

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halb einer Meisterzunft oder einer Gesellenvereinigung durchaus zu einem besonderen Zusammenschluss zugunsten religiöser Aufgaben kam. Als religiöse Bruderschaft konnte sich dann entweder die gesamte Handwerksorganisation oder speziell der inhaltlich enger auf das religiöse Moment ausgerichtete Personenkreis, der nicht allein nur Mitglieder der Handwerksorganisation umfassen musste, bezeichnen. Bestand eine Meister- bzw. Gesellenorganisation, war die Wahrscheinlichkeit einer festen Verbindung und personellen Überschneidung von religiöser Bruderschaft und weltlicher Handwerksorganisation überwältigend groß. Bezüglich des Entstehungsprozesses herrscht innerhalb der deutschsprachigen Forschung aufgrund der Überlieferungslage keine wissenschaftlich belegte Klarheit darüber, ob grundsätzlich säkulare in religiösen Handwerkerorganisationen wurzelten oder umgekehrt religiöse überhaupt in Abhängigkeit von säkularen Organisationen entstanden. Denkbar erscheint, dass es kein einheitliches Entstehungsmuster gab, sondern die Gründungen der frühen Handwerkerorganisationen den lokalen oder regionalen kirchlichen, städtischen, gewerblichen und personalen Umständen und Interessen folgten. Für diejenigen Forschungen aber, die wie die vorliegende Arbeit grundsätzlich von funktional zugleich religiös und weltlich orientierten Handwerksorganisationen ausgehen, stellt sich die Frage gar nicht erst. Zudem existieren für die Gründungszeit der obersächsischen spätmittelalterlichen Handwerksverbindungen kaum stichhaltige Belege. Knappe Hinweise über religiöse Stiftungen können beispielsweise nicht widerspruchsfrei als Belege für eigenständige religiöse Bruderschaften gewertet werden. Regelten dagegen die Statuten der Zünfte oder Gesellenschaften religiöse Angelegenheiten ungeschieden von ökonomischen, sozialen oder anderen Themen, ist davon auszugehen, dass keine separate Bruderschaft bestand, weil dann deren Notwendigkeit nicht mehr gegeben war.34 Fehlten religiöse Regelungen, beweist dies noch nicht, dass die Handwerkerverbindung keine religiösen Funktionen wahrnahm. In diesen Fällen wird das Vorhandensein von religiösen Bruderschaften, die sich nicht vorrangig berufsspezifisch zusammensetzten, wahrscheinlicher. Ausschließlich religiös konnotierte Ordnungen von Handwerkervereinigungen fanden sich nicht. In der Forschungsliteratur werden die Bezeichnungen für die Organisationsformen der Handwerkergesellen wie gezeigt teilweise synonym und teilweise mit verwirrenden Überschneidungen verwandt. Selbst in der historischen Überlieferung werden in gleicher Weise die Begriffe „Gesellenschaft“, „Gesellschaft“,  34 MEISTER, Bert: Sie sollen bruderschafft halden. Religiöses Engagement in den genossenschaftlichen Vereinigungen (Bruderschaften, Zünfte, Gesellenvereinigungen) der Stadt Altenburg im Spätmittelalter (= Schriften der Rudolf-Kötzschke-Gesellschaft, Bd. 7). Beucha 2001, S. 146. Laut Meister würden Hinweise auf Bruderschaften innerhalb der Statuten der Meister- bzw. Gesellenorganisationen kein Beleg für eigenständige Bruderschaftsinstitutionen sein. Ebd., S. 153f. Für Freiberg in Sachsen vermutet Knebel eine einzige rein kirchliche Bruderschaft der Schmiedegesellen, ohne dies zweifelsfrei belegen zu können. KNEBEL, Konrad: Handwerksbräuche früherer Jahrhunderte, insbesondere in Freiberg. In: Mitteilungen vom Freiberger Altertumsverein 23/1886, S. 85.

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„Bruderschaft“ und „Brüderschaft“ genutzt,35 mit einer Ausnahme: Ausschließlich religiös orientierte Gesellenverbände, die sich eben nicht zweifelsfrei für die sächsischen Gebiete belegen lassen, nannten sich selbst nicht „Gesellenschaft“ oder „Gesellschaft“. Um der Begriffsverwirrung zu entgehen, werden in der vorliegenden Arbeit unter dem Begriff „Gesellenschaften“ Organisationen innerhalb des zünftigen Handwerks verstanden, deren Vollmitglieder i. d. R. ausschließlich abhängig beschäftigte Handwerksgesellen waren. Darunter fallen sowohl weltlichgesellig als auch religiös orientierte, vor- und nachreformatorische Gesellenorganisationen. Die Bezeichnung „religiöse Handwerkerbruderschaft“ wird dagegen auf die vorrangig religiös ausgerichteten, in vorreformatorischer Zeit innerhalb der multifunktionalen Meister- oder Gesellenorganisationen gegründeten Zusammenschlüsse angewandt. Teilweise ist eine klare Trennung beider Organisationsformen innerhalb des Handwerks nicht möglich. Neben den Handwerkerbruderschaften bestanden ohne Zweifel religiöse Bruderschaften, deren Mitgliedschaften sich nicht an berufsspezifischen Kriterien orientierten. Die Begriffe „Gesellenvereinigung“, „Gesellenverband“ und „Gesellenorganisation“ geben keine Hinweise auf die funktionale Ausrichtung der jeweiligen Institutionen.

3.2 ALLGEMEINE ÖKONOMISCHE ENTWICKLUNGEN 3.2.1 Sachsen als Territorium Die gewerbereiche sächsische Region und mit ihr die Städte Chemnitz, Dresden, Leipzig und Zwickau erlebten ab der Mitte des 15. Jahrhunderts und nochmals beschleunigt durch den Aufschwung im erzgebirgischen Bergbau ab etwa 1470 („Großes Berggeschrey“) einen enormen Entwicklungsschub, den eine rege Bautätigkeit in den einzelnen Städten begleitete.36 Die belebende ökonomische Situation hielt nicht ungebremst an, während zudem parallel die soziale Differenzierung wuchs. Auf der einen Seite beschreibt Uwe Schirmer die sächsische Wirtschaftsentwicklung phasenweise bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts als durch ein langsames Wachstum gekennzeichnet, welches durch kurze Boomphasen und längere Stagnationen oder Rezessionen unterbrochen wurde.37 Mit dem Anstieg  35 SCHANZ (Gesellen-Verbände) 1877, S. 69. 36 BLASCHKE (Bevölkerungsgeschichte) 1967, S. 162. – BRÄUER, Helmut: Wider den Rat. Der Zwickauer Konflikt 1516/17 (= Zwickauer Arbeits- und Forschungsberichte. Kulturgeschichtliche Beiträge, Beiheft 1). Leipzig 1999, S. 35. – STEINFÜHRER, Henning: Die Leipziger Ratsbücher 1466–1500. Forschung und Edition (= Quellen und Materialien zur Geschichte der Stadt Leipzig, Bd. 1). Leipzig 2003, 1. Halbband, S. XIV. Zu den ökonomischen Entwicklungstendenzen Sachsens und einer nachvollziehbaren Phaseneinteilung siehe instruktiv: SCHIRMER, Uwe: Die wirtschaftlichen Wechsellagen im mitteldeutschen Raum (1480–1806). In: ZWAHR, Hartmut / SCHIRMER, Uwe / STEINFÜHRER, Henning (Hrsg.): Leipzig, Mitteldeutschland und Europa. Festgabe für Manfred Straube und Manfred Unger zum 70. Geburtstag. Beucha 2000, S. 293–330. 37 SCHIRMER (Wirtschaftliche Situation in Kursachsen) 1998, S. 78.

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der Bevölkerungszahlen im 16. Jahrhundert verschoben sich auf der anderen Seite die Angebot-Nachfrage-Kurven auf den Güter- und Arbeitsmärkten und auf lange Sicht das Preisniveau und die Preisstrukturen zuungunsten der Anbieter von gewerblichen Produkten.38 Der anhaltende Kaufkraftverlust durchzog das gesamte „Jahrhundert der Reformation“39. Bestimmte Veränderungen im europäischen Wirtschaftsgefüge und in den Textilgewerben beinhalteten außerdem Chancen wie Risiken gleichermaßen. Durch eine räumliche Verlagerung der Wirtschaftszentren und Handelswege im 16. Jahrhundert in Richtung nordwestliches Europa und durch den Wandel von Produktionsstrukturen und -organisationen wurde das sächsische Gewerbewesen mit neuen Herausforderungen konfrontiert, auf welche die einzelnen Handwerke unterschiedlich reagierten.40 Im Ganzen betrachtet wuchs die sächsische Wirtschaft gerade in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts aber deutlich. Nach einer kräftigeren Teuerung 1560/61 und einer ersten heftigeren Unterproduktionskrise in der Landwirtschaft 1571–1574, die eine schwere Hungersnot nach sich zog, stabilisierten sich die Marktverhältnisse des vormodernen Wirtschaftssystems am Ende des Jahrhunderts auf relativ hohem Niveau. Doch schon bevor der Dreißigjährige Krieg Kursachsen heimsuchte, deuteten sich erhebliche ökonomische Krisenzeichen an, wenngleich ein großer Teil des städtischen Handwerks durch seine überregionalen Absatzmöglichkeiten weiter florierte. Gerade im primären Produktionssektor offenbarten sich die strukturellen Grenzen notwendiger Produktionssteigerungen, die größtenteils einseitig mit Extensivierungsmaßnahmen erreicht werden sollten. Die zur Verfügung stehenden Anbauflächen ließen sich aber nur begrenzt ausweiten. Das Verhältnis von Nachfrage (abhängig von der Bevölkerungszahl) und Angebot (abhängig von den Ressourcen) auf den Getreidegütermärkten geriet ins Rutschen.41 Entscheidend erschütterte zudem das „Kipper- und Wipperwesen“ den Zahlungs- und Kapitalverkehr und damit die monetäre Basis der Exportgewerbe. Nach Münzverschlechterungen, Steuerbelastungen und Preisanstiegen konnten viele Meister ihre angestellten Gesellen nicht mehr entlohnen. Entlassungen waren die Folge, die Beschäftigtenzahlen sanken deutlich.42 Im Dreißigjährigen Krieg selbst gingen neben vielen Siedlungen verschiedenster Größenordnung vor allem zahlreiche Vorstädte in Flammen auf, teilweise mehrfach. Der trostlosen Lage in ihren verwüsteten Heimatgemeinden kehrten (besonders ab 1637) viele kursächsische Ein 38 HENNING, Friedrich-Wilhelm: Die zunehmende wirtschaftliche und soziale Differenzierung in einer obersächsischen Gewerbe-Exportstadt (Zwickau) bis zum 16. Jahrhundert. In: Scripta Mercaturae 2/1968, Bd. 1, S. 23. 39 So der Titel eines jüngeren Sammelbandes. JUNGHANS, Helmar (Hrsg.): Das Jahrhundert der Reformation in Sachsen. Sonderausgabe. Leipzig 2005. 40 KAUFHOLD (Wirtschaft Mitteleuropas) 1987, S. 55. 41 SCHIRMER (Wirtschaftliche Situation in Kursachsen) 1998, S. 79. – Ders. (Wirtschaftliche Wechsellagen) 2000, S. 306. 42 STANISLAW-KEMENAH, Alexandra-Kathrin: Lebensbedingungen unter dem Einfluss des Dreißigjährigen Krieges. In: BLASCHKE, Karlheinz (Hrsg.): Geschichte der Stadt Dresden. Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges. Stuttgart 2005, S. 639f.

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wohner den Rücken und wanderten vorzugsweise in nördlichere, vom Krieg stärker verschonte und steuergünstigere Regionen aus.43 Der die Bevölkerungsentwicklung beeinflussende Verlauf der Preiskurven für agrarische Güter hing zudem langfristig vor allem mit einem natürlichen Phänomen zusammen. Nach einer relativen Wärmeperiode im Mittelalter setzte mit der sogenannten „Kleinen Eiszeit“ eine Phase durchschnittlich sinkender Jahrestemperaturen ein, die bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts anhielt. Ein markantes „Temperaturpessimum“ wurde im letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts erreicht. Da es infolgedessen bei eher ungünstigen Witterungsverhältnissen und kaum erfolgter agrarischer Intensivierung sowie unzureichend ausdehnbaren landwirtschaftlichen Anbauflächen zu vielfältig ungünstigen Auswirkungen auf die sächsische Bevölkerung kam, wurde der noch immer anhaltende ökonomische Aufholprozess nach dem Dreißigjährigen Krieg erschwert.44 In erster Linie führten die Entwicklungen witterungsbedingt zu schwächeren Ernteerträgen, einer Zunahme von Hochwasserkatastrophen und einer höheren Wahrscheinlichkeit von Viehkrankheiten, die eine Verknappung und Verteuerung landwirtschaftlicher Güter, eine Verschlechterung des Ernährungszustands der Menschen sowie einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Geburten- und Sterberaten zur Folge hatten.45 Trotzdem erholte sich Kursachsen im Vergleich zu anderen Regionen und in Anbetracht der teilweise enormen Kriegsschäden und Menschenverluste recht schnell, wenngleich der Wiederaufbau in vielen Dörfern und bestimmten Städten deutlich mehr Zeit in Anspruch nahm.46 Die positive Wirtschaftsentwicklung hielt mit einigen Rückschlägen (Pestepidemie 1680–1683, Großer Nordischer Krieg 1700–1721) bis zum Siebenjährigen Krieg an. Sie beschleunigte sich sogar Anfang des 18. Jahrhunderts,47 obwohl die Zunahme der Bevölkerungszahl die Er 43 SCHIRMER (Wirtschaftliche Situation in Kursachsen) 1998, S. 83. 44 MILITZER, Stefan: Sachsen – Klimatatsachen und Umriß von Klimawirkungen im 17. Jahrhundert. In: SCHIRMER, Uwe (Hrsg.): Sachsen im 17. Jahrhundert. Krise, Krieg und Neubeginn (= Schriften der Rudolf-Kötzschke-Gesellschaft, Bd. 5). Beucha 1998, S. 72. Vgl. DIPPER (Deutsche Geschichte) 1991, S. 10–18. Laut Bräuer seien die Kriegsfolgen weitgehend bereits in den 80er Jahren des 17. Jahrhunderts überwunden worden. Dagegen sprechen z. B. die häufig noch nicht ausgeglichenen Bevölkerungsverluste und die hohen Wüstungszahlen um 1700. Damals betrug der Wüstungsstand in Chemnitz knapp 41 Prozent und lag damit deutlich über dem kursächsischen Durchschnitt. Einen klar unterdurchschnittlichen Wert hatte Dresden mit etwas über 10 Prozent aufzuweisen. BRÄUER (Landes-Oeconomie-, Manufactur- und Commercien-Deputation) 1990, S. 51. – KELLER (Kursachsen am Ende des 17. Jahrhunderts) 1998, S. 158. Vgl. RICHTER-NICKEL, Sieglinde: Handwerk, Manufaktur und Handel. In: GROSS, Reiner (Hrsg.): Geschichte der Stadt Dresden. Bd. 2: Vom Ende des Dreißigjährigen Krieges bis zur Reichsgründung. Stuttgart 2006, S. 71. 45 MILITZER (Klimatatsachen) 1998, S. 75–95. 46 SCHIRMER (Wirtschaftliche Situation in Kursachsen) 1998, S. 84. Die Bevölkerungsverluste bis zum Kriegsende wurden für das Kurfürstentum Sachsen auf ca. 30 Prozent geschätzt. Ders. (Wirtschaftliche Wechsellagen) 2000, S. 311. 47 WEISS, Volkmar: Arbeitsteilung auf dem Lande und soziale Mobilität, berechnet aus Stichproben aus Ahnenlisten: Sachsen 1650 bis 1770. In: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1989, H. 3, S. 129.

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nährungssituation pro Kopf langsam erneut verschärfte und die Kornkaufkraft langfristig fiel.48 Einige Studien proklamieren für die Dekaden vor 1756 sogar die Bezeichnung „goldene Jahrzehnte“, da verhältnismäßig günstige Lebensmittel den Absatz der handwerklichen Güter noch einmal unterstützt hätten.49 Ab den 1740er Jahren stiegen freilich die Getreidepreise tendenziell wieder an und führten in der zweiten Jahrhunderthälfte in eine allgemeine „Knappheits- und Umverteilungskrise“, wogegen die ersten beiden Schlesischen Kriege das Gewerbewesen wenig beeinträchtigten. Bei allen positiven ökonomischen Tendenzen verschärften sich die sozialen Probleme und Spannungen, insbesondere im zünftigen Handwerk. Egalisierende Beteuerungen der Statutenbriefe und zahlreiche floskelhafte Formulierungen im Korrespondenzverkehr der Zunftspitze mit den Obrigkeiten konnten die zunehmend tiefer gehende Spaltung der Innungen in reichere, ärmere und bettelarme Meister und Witwen nicht übertünchen.50 Gerade die Textilhandwerke hatten mit diesen sozioökonomischen Ungleichgewichten innerhalb ihrer Organisationen zu kämpfen, sodass die meisten Werkstattinhaber dieser Gewerbe spätestens mit Ausbruch des Siebenjährigen Krieges vollends in den Windschatten der ökonomischen Gesamtentwicklung abglitten,51 während sich eine Minderheit der ehemaligen Meister beispielsweise als Verleger und Manufakturisten etablieren konnte. Kursachsen wurde durch den Siebenjährigen Krieg sehr hart getroffen. Steuererhöhungen, Münzverschlechterungen, Kontributionsleistungen, Truppendurchzüge, Plünderungen und direkte Kriegshandlungen führten zu einem jahrelangen Ausbluten des Landes. Zudem schwächten weitere Preissteigerungen bei Lebensmitteln, verschiedene Viehseuchen und ein auch durch ständige Truppenaushebungen verstärkter Arbeitskräftemangel die Ökonomie. „Das städtische Handwerk [...] hatte wohl am meisten unter Münzverschlechterungen und ‚Geldmangel‘ zu leiden, der Absatz und vor allem Bezahlung der Produkte gefährdete.“52 Daneben gab es jedoch einige Bereiche im Wirtschaftsleben (wie die Waffenmanufakturen oder die Eisenverhüttung), die von den unruhigen Zeitumständen profitierten.53 Stringent ist das Bild eines in Agonie gefallenen Handwerks mit einheitlichem „Wesen“ also beileibe nicht. Nur wenige Jahre später erschütterte eine der dramatischsten Hungerkatastrophen weite Teile Europas. Weil die mitteleuropäischen Ernten von 1770 um etwa ein Drittel magerer ausfielen als in den Jahren zuvor, spitzte sich die Ernährungs 48 SCHIRMER (Wirtschaftliche Wechsellagen) 2000, S. 298, 321. – VASOLD, Manfred: Die Hunger- und Sterblichkeitskrise von 1770/73 und der Niedergang des Ancien régime. In: Saeculum. Jahrbuch für Universalgeschichte 59/2008, 1. Halbband, S. 108. 49 STÜRMER (Herbst) 1986, S. 270. Vgl. SCHIRMER (Wirtschaftliche Wechsellagen) 2000, S. 321f. 50 Zahlreiche aussagekräftige Beispiele der innerzünftigen Spaltung und individuellen Verarmung in den sächsischen Textilhandwerken bei: SCHLENKRICH / BRÄUER (Armut) 2000. 51 KAUFHOLD (Wirtschaft Mitteleuropas) 1987, S. 59. – STÜRMER (Herbst) 1986, S. 276f. 52 KELLER, Katrin: Der Siebenjährige Krieg und die Wirtschaft Kursachsens. In: Dresdner Hefte. Beiträge zur Kulturgeschichte 19/2001, H. 68, S. 77. 53 Ebd., S. 78f.

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lage breiter städtischer Bevölkerungsschichten zu. Das Jahr ging als „Hungerjahr“ in die Geschichtsschreibung ein. Lange Regenperioden in diesem und dem nächsten Jahr und ein ungewöhnlich strenger Winter 1771/72 bewirkten, dass sich die Auswirkungen der Katastrophe auch auf die Folgezeit erstreckten und eine beispiellose Verarmungswelle das Land überzog.54 Einen Schwerpunkt bildete das aufgrund seiner ökonomischen Strukturen vulnerable sächsische Erzgebirge. Mit dem Abebben der Krise setzte 1773 ein kaum gebremstes wirtschaftliches Wachstum bis an die Schwelle des industriellen Zeitalters ein,55 doch erreichten die positiven Auswirkungen nicht die Massenhandwerke, in denen die strukturellen Krisenerscheinungen am Ende des 18. Jahrhunderts nicht mehr zu übersehen waren. Abgeschirmt von englischer Konkurrenz durch Napoleons Kontinentalsperre gelang der sächsischen Textilherstellung ein plötzlicher, unerwartet steiler Aufstieg, auf den aber ab 1813 wieder eine regressive Phase folgte. Mit dem Aufweichen des ökonomischen Schutzschirms überfluteten günstigere englische Textilwaren den kontinentalen Markt und spülten einen Teil der sächsischen Produktion wieder fort. Zahlreiche verarmte Meister unter den Zeug- und Leinewebern, Strumpfwirkern und Tuchmachern betrieben ihr dürftiges Handwerk aufgrund billigerer ländlicher Produktion, hoher Verschuldung, fehlenden Absatzes und schrumpfender Gewinnspannen nicht mehr. Sie ließen sich notgedrungen in Manufakturen und Fabriken andingen oder waren als Handarbeiter tätig.56 Ihren wenigen Gesellen und Lehrlingen erging es nicht besser. Zudem hatte in Sachsen um 1800 die Mechanisierung im Textilgewerbe eingesetzt.57 In den nächsten 25 Jahren entstanden in dieser ersten Industrialisierungsphase 99 sächsische Fabriken und allein in den Jahren zwischen 1825 und 1830 noch einmal weitere 80.58 Vielen der entwurzelten Handwerker konnten sie zwar eine Beschäftigung geben, zumeist aber auf niedrig entlohntem Niveau und zu problematischen Arbeitsbedingungen.

 54 SCHLENKRICH, Elke: Bevölkerung und soziale Zustände. In: GROSS, Reiner (Hrsg.): Geschichte der Stadt Dresden. Bd. 2: Vom Ende des Dreißigjährigen Krieges bis zur Reichsgründung. Stuttgart 2006, S. 504f. 55 KELLER (Der Siebenjährige Krieg) 2001, S. 79. 56 BRÄUER, Helmut: Gesellenmigration in der Zeit der industriellen Revolution. Meldeunterlagen als Quellen zur Erforschung der Wanderbeziehungen zwischen Chemnitz und dem europäischen Raum. Karl-Marx-Stadt 1982, S. 15. – FORBERGER, Rudolf: Die Manufaktur in Sachsen vom Ende des 16. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts (= Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Schriften des Instituts für Geschichte, Reihe I: Allgemeine und deutsche Geschichte, Bd. 3). Berlin 1958, S. 58f. – Ders. (Industrielle Revolution) 1982, S. 392f. 57 EWERT, Ulf Christian: Die „Kleinen Leute“ in Sachsens Frühindustrialisierung: Zum sinkenden Lebensstandard einer wachsenden Bevölkerung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In: Jahrbuch für Regionalgeschichte 25/2007, S. 45. 58 RICHTER-NICKEL (Handel) 2006, S. 367.

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3.2.2 Die Städte Chemnitz, Dresden, Leipzig und Zwickau Die uneinheitliche textilgewerbliche Entwicklung der obersächsischen Region wird anhand von vier ausgewählten, besonders bedeutsamen Städten nachvollzogen.

A) Chemnitz Geografisch am Knotenpunkt zweier Fernhandelsstraßen und im Vorfeld des Erzgebirges gelegen, schienen für die gewerbliche Entwicklung der Stadt Chemnitz, der das Marktrecht bereits 1143 verliehen worden war, günstige Voraussetzungen vorhanden zu sein. Der episodenhafte Entwicklungsabschnitt als Reichsstadt bis 1308 verblasste bald und Mitte des 14. Jahrhunderts war Chemnitz eine meißnische Landstadt wie jede andere. Einen wichtigen Wachstumsimpuls gab, wie sich jedoch erst später herausstellen sollte, die Anlage einer Landesbleiche am Chemnitzfluss 1357. Die mit weitreichenden Privilegien ausgestattete Bleiche roher und verstärkt auch weißer Leinwand lockte im Laufe der Zeit zahlreiche gewerbliche Arbeitskräfte in die Stadt.59 Der städtische Einfluss und das Selbstbewusstsein der aufstrebenden Bevölkerung wuchsen langsam an. 1423 kaufte man vom Landesherrn die Gerichtsbarkeit auf Widerruf, der Ausbau der städtischen Verwaltung machte gute Fortschritte. Das städtische Bild prägten bereits zu dieser Zeit die Gewerbe der Textilherstellung. Unter den sieben ältesten Innungen befanden sich die Schneider, die Wollweber (Tuchmacher), die Schuhmacher und die Leineweber.60 Den kriegerischen Auseinandersetzungen des sächsischen Bruderkrieges fielen die Vorstädte zum Opfer, nicht zum letzten Mal in der Geschichte dieser Stadt. Dennoch gelang Chemnitz der Aufstieg zum größten Textilproduktionsplatz innerhalb Sachsens;61 im 16. Jahrhundert konnte Zwickau überflügelt werden. Die gewerbliche und handelsökonomische Blüte hatte Auswirkungen auf die ratsherrliche Zusammensetzung des Stadtregiments, in welchem bis zur Mitte des 17.

 59 KUNZE, Arno: Der Frühkapitalismus in Chemnitz. Forschungsergebnisse aus dem Stadtarchiv Karl-Marx-Stadt und anderen deutschen Archiven mit Urkunden, Plänen und Bildern (= Beiträge zur Heimatgeschichte von Karl-Marx-Stadt, Nr. 7). Karl-Marx-Stadt 1958, S. 9–13. 60 ERMISCH, Hubert (Hrsg.): Urkundenbuch der Stadt Chemnitz und ihrer Klöster (= Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae, Zweiter Haupttheil, Bd. 6). Leipzig 1879, S. 58f. Die ältesten Chemnitzer Handwerksstatuten dürften nach Ansicht von Mating-Sammler aufgrund der zünftigen Beteiligung an einem Tumult vernichtet worden sein, weshalb nur noch die entsprechenden Abschriften erhalten sind. MATING-SAMMLER, Alfred: Zur Geschichte der Schneider- und der Tuchmacherinnung in Chemnitz. In: Mitteilungen des Vereins für Chemnitzer Geschichte 6/1887/88, S. 48. 61 KUNZE (Forschungsergebnisse) 1958, S. 117.

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Jahrhunderts vorrangig vermögende Tuchmacher und Kaufleute vertreten waren.62 Frühkapitalistische Produktionsformen prägten die Textilgewerbe. Sie wurden im Dreißigjährigen Krieg besonders schwer geschädigt und erreichten erst im 18. Jahrhundert ihr Ausgangsniveau. Zu dieser Zeit dehnte das Verlagswesen seinen Einfluss bis weit in das städtische Umland hinein aus, indem ursprünglich selbstständige Produzenten nun gegen Lohn tätig wurden.63 Im Zuge des sächsischen Rétablissements schritt Chemnitz ins Manufakturzeitalter. Mit der Stadt und ihrem Umland entstand unter anderem ein wichtiges Zentrum des Kattundrucks.64 Zentrale und dezentrale Manufakturen wurden um 1800 von den Fabriken abgelöst. Dieser frühe Eintritt in das industrielle Zeitalter mit fabrikmäßiger Produktion und Technisierung beeinflusste die Chemnitzer Textilgeschichte nachhaltig. Erste Maschinenspinnereien entstanden im sogenannten „Klein-Manchester“ schon kurz vor der Jahrhundertwende.65 Nach ökonomischen Rückschlägen aufgrund des Wegfalls der Kontinentalsperre, des Verlustes von Absatzgebieten und dem Ausbau preußischer, österreichischer und russischer Schutzzölle, die zu drastischen Produktionseinschränkungen führten, gelang mit dem Beitritt zum Deutschen Zollverein ein neuer Aufschwung.66

B) Dresden Ökonomisch handelte es sich bei Dresden bis in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts um ein unbedeutendes Landstädtchen. Das nahe gelegene Pirna kaufte ihm allen gewerblichen Schneid ab. Nachdem 1410 die niedere Gerichtsbarkeit und 1455 die Stapelgerechtigkeit erworben, neben der niederen 1484 die Obergerichtsbarkeit an den Dresdner Rat übertragen und vier Jahre später ein zweiter Jahrmarkt in der Fastenzeit eingerichtet worden waren, begann der langsame Aufstieg Dresdens. Aber erst mit dem letzten Drittel des 15. Jahrhunderts schloss das Gemeinwesen mit der Entwicklung zur Residenz zur vordersten Reihe der sächsischen Städte auf und gewann (ebenso wie sein Innungswesen) relativ spät an größerer Bedeutung.67  62 CRUSIUS, Irene: Elitenwandel in Chemnitz als Folge des Dreißigjährigen Krieges. In: FIEDLER, Uwe (Hrsg.): Der Kelch der bittersten Leiden. Chemnitz im Zeitalter von Wallenstein und Gryphius. Chemnitz 2008, S. 85f. 63 VIERTEL, Gabriele / WEINGART, Stephan: Geschichte der Stadt Chemnitz vom „locus Kameniz“ zur Industriestadt. Gudensberg-Gleichen 2002, S. 45. 64 STRAUSS, Rudolph: Die Lage und die Bewegung der Chemnitzer Arbeiter in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (= Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Schriften des Instituts für Geschichte, Reihe II: Landesgeschichte, Bd. 3). Berlin 1960, S. 25–38. 65 BRÄUER (Gesellenmigration) 1982, S. 15. – Ders.: Chemnitz zwischen 1450 und 1650. Menschen in ihren Kontexten (= Aus dem Stadtarchiv Chemnitz, Bd. 8). Chemnitz 2005, S. 10, 20, 22, 99, 322. – STRAUSS (Chemnitzer Arbeiter) 1960, S. 5. 66 VIERTEL / WEINGART (Chemnitz) 2002, S. 53. 67 BLASCHKE, Karlheinz: Wirtschaft und Verfassung. In: Ders. (Hrsg.): Geschichte der Stadt Dresden. Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges. Stuttgart 

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Unter der Regierung von Herzog Albrecht (1443–1500, regierte seit 1464) kam es zu einer rasant beschleunigten Entwicklung der Stadt.68 Den politischen und ökonomischen Charakter Dresdens prägte eine dünne Oberschicht, die ab dem 16. Jahrhundert im Schatten des landesherrlichen Hofes stand. Um 1700 besaßen nur noch zwei von fünf Häusern innerhalb der Festungsmauern einen bürgerlichen Besitzer.69 Noch um 1500 war das organisierte Handwerk in der Stadt lediglich durch acht Innungen vertreten, während deren Anzahl in Leipzig 28 betrug. Im 16. Jahrhundert konnte mit der Entfaltung und Spezialisierung des Gewerbewesens die innungsmäßige Leipziger Vielfalt allerdings überflügelt werden.70 Das im Dreißigjährigen Krieg schwer geschädigte Handwerk überwand die Kriegsfolgen wohl recht ungleich. Während einige Handwerke bei Kriegsende in Bezug auf die Meister- und Gesellenanzahl gegenüber dem Vorkriegsstand nicht weiter zurückstanden, gelang es den meisten Gewerben mehrere Jahrzehnte nicht, die Verluste wieder auszugleichen. Aussagekräftiger als die bloßen Mitgliederzahlen der Zünfte sind Angaben über die tatsächliche Ausübung eines Gewerbes. Der Anteil der selbstständig aktiven Meister verharrte bei verschiedenen Handwerken noch Ende des 17. Jahrhunderts deutlich unter 50 Prozent.71 Auch die mangelnde Zahlungsbereitschaft bzw. -fähigkeit vieler Schuldner verringerte den Handlungsspielraum so mancher Zunft, die selbst Gläubiger der Stadt, des Hofadels oder des Kurfürsten war.72 Im „Augusteischen Zeitalter“ gehörte Dresden kulturell und politisch zu den bedeutendsten europäischen Residenzstädten und zog zahlreiche Gewerbetreiben

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2005, S. 154, 162–164. – FLEMMING (Lehrlingswesen) 1887, S. 1. – Ders. (Entstehung) 1896, S. 2. Zur Erforschung der Stadtgeschichte liegt neben einer umfangreichen fünfbändigen Bibliografie auch ein ergänzendes jüngeres Werk für die Zeit bis 1600 vor. Historische Kommission der Sächsischen Akademie der Wissenschaften in Zusammenarbeit mit der Sächsischen Landesbibliothek (Hrsg.): Bibliographie zur Geschichte der Stadt Dresden. 5 Bde. Dresden 1981–1984. – MEINHARDT (Geschichte Dresdens) 1997. GROSS, Reiner: Dresden im 15. Jahrhundert. In: Dresdner Hefte. Beiträge zur Kulturgeschichte 19/2001, H. 65, S. 82. Dresdner Geschichtsverein e. V. (Hrsg.): Dresden. Die Geschichte der Stadt. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Dresden 2002, S. 88. BRÄUER (Gesellen) 1989, S. 16. Ob im 14. Jahrhundert bereits 26 Leipziger Zünfte existierten, wie Bechtel behauptet, erscheint fraglich. An anderer Stelle wird nur von sechs oder sieben Handwerken gesprochen, die im 14. Jahrhundert in Zünften organisiert waren. BECHTEL (Wirtschaftsstile) 1967, S. 151. – DUCLAUD, Jutta / DUCLAUD, Rainer: Leipziger Zünfte. Berlin 1990, S. 16, 60, 219. – ZÖLLNER, Georg: Die Zunftverfassung in Leipzig bis zum Jahre 1600. Diss. Leipzig. Halle an der Saale 1915. Zu den frühesten Dresdner Innungen siehe: FLEMMING (Entstehung) 1896. NICKEL, Sieglinde: Zur Wirtschaft, Sozialstruktur, Verfassung und Verwaltung in der Stadt Dresden von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis in die dreißiger Jahre des 18. Jahrhunderts. Diss. Leipzig 1986, S. 53. – RICHTER-NICKEL (Handwerk) 2006, S. 71f. – SPARMANN, Ernst: Dresden während des 30jährigen Krieges (= Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens, H. 24). Dresden 1914, S. 81. RICHTER-NICKEL (Handwerk) 2006, S. 69.

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de an, insbesondere das Kunsthandwerk blühte. Der Siebenjährige Krieg traf die Stadt hart und unvorbereitet; die Vorstädte wurden 1761 heimgesucht. Mit der einsetzenden Friedenszeit begann in Dresden eine zweite Blüte des Manufakturwesens. Dennoch entspannte sich in den meisten Handwerken die sozial und ökonomisch dramatische Situation nicht und zahlreiche zünftige Meister und Gesellen verarmten. Zur bestehenden Wollmanufaktur traten weitere großbetriebliche Produktionsstätten in der Textilherstellung hinzu, sodass 1804 fünf Tuchmanufakturen vorhanden waren. Drei Manufakturen für Gaze und Marly sowie zwei Bandund Seidenmanufakturen ergänzten die Produktionspalette. Als erste Dresdner Fabrikanlage nahm die Baumwollspinnerei an der Weißeritz 1820 ihre Produktion auf.73 Trotz manufakturieller Blüte verharrte Dresden nach 1763 längere Zeit in ökonomischer und wirtschaftspolitischer Stagnation, die erst durch die bürgerlichen Umwälzungen Anfang der 1830er Jahre überwunden wurde.74 Die Niedergangserscheinungen in breiten Teilen des Handwerks verschärften sich und das Bettlerproblem nahm neue Dimensionen an, deren sich die Stadt kaum noch zu erwehren wusste.75

C) Leipzig Ökonomisch günstig an der Kreuzung zweier traditionsreicher Reichsstraßen gelegen, wuchs sich das spätmittelalterliche Leipzig zum „Mittelpunkt der via regia“ und zu einem „Haupthandelsplatz von überregionaler Bedeutung“ aus.76 Nach lang anhaltendem Aufschwung der Stadt im 15. Jahrhundert, dem Erwerb der Hochgerichtsbarkeit 1423 (endgültig 1434) und der Gründung des Oberhofgerichts 1483, belegte Leipzig größenmäßig und ökonomisch um 1500 innerhalb der kleinstädtisch geprägten obersächsischen Region die Spitzenposition, obwohl es im reichsweiten Vergleich weiterhin eine Mittelstadt blieb.77 Die bis dahin größere und wirtschaftlich führende Bergstadt Freiberg (Sachsen) wurde überholt. Besonders deutlich unterstreicht der durchschnittliche Vermögenswert  73 Ebd., S. 363f., 367f. 74 EIGENWILL, Reinhardt: Dresden in der Zeit des Siebenjährigen Krieges 1756–1763. In: Jahrbuch zur Geschichte Dresdens 1981, S. 88, 94f. 75 SCHLENKRICH (Bevölkerung und soziale Zustände) 2006, S. 505f. 76 STEINFÜHRER (Ratsbücher) 2003, S. XII. – STRASSBURGER, Carl Gustav: Geschichte des Leipziger Tuchhandels bis zum Ausgange des 16. Jahrhunderts. Diss. Leipzig. Halle an der Saale 1915, S. 15. – UNGER, Manfred: Leipzig und die Via regia. In: BRÄUER, Helmut / SCHLENKRICH, Elke (Hrsg.): Die Stadt als Kommunikationsraum. Beiträge zur Stadtgeschichte vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Festschrift für Karl Czok zum 75. Geburtstag. Leipzig 2001, S. 792. 77 STEINFÜHRER (Ratsbücher) 2003, S. XVII. Die differenzierte „Städtelandschaft“ Sachsens, die besonders durch ihre Klein- und Mittelstädte geprägt war, stellt Katrin Keller in ihrer Habilitationsschrift vor. KELLER, Katrin: Kleinstädte in Kursachsen. Wandlungen einer Städtelandschaft zwischen Dreißigjährigem Krieg und Industrialisierung (= Städteforschung, Reihe A: Darstellungen, Bd. 55). Köln, Weimar, Wien 2001.

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eines Leipziger Bürgers im Vergleich zu seinen zeitgenössischen Mitbürgern aus Dresden, Zwickau oder Chemnitz die überragende ökonomische Bedeutung der Stadt.78 Als weitere Meilensteine des städtischen Werdegangs können wohl die kaiserliche Verleihung des Privilegs für einen dritten Jahrmarkt, den Neujahrsmarkt, im Jahr 1458 und die rechtlichen Vergünstigungen gegenüber den nahe gelegenen Konkurrenten Naumburg und Halle (Saale) gelten.79 Neben dem das Stadtbild prägenden Fernhandels- und Messewesen, von dem sich besonders der Rauchwaren-, Tuch- und Buchhandel zu herausragender Bedeutung emporschwangen, erfuhr das gewerbliche Leben eine deutliche Belebung, weshalb schon 1466 von 29 Innungen und im 16. Jahrhundert von fast 100 Gewerben zu lesen ist.80 Bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts verdoppelte sich die Anzahl der Handwerksorganisationen noch.81 Im Gegensatz zu den Zwickauer, Chemnitzer oder vielen kleinstädtischen Zünften erlangten die Handwerksorganisationen der Messestadt jedoch kaum politische Bedeutung. Dieser Umstand lag auch an der sozialen Zusammensetzung des städtischen Magistrats, dem nur zum geringsten Teil Handwerksmeister, aber überwiegend Kaufleute und Grundbesitzer angehörten und der weiterreichende Ambitionen der Zünfte klug auffing.82 Auf starker handelsökonomischer Grundlage stehend erlebte Leipzig Anfang des 16. Jahrhunderts seine erste wirtschaftliche Blüte, in deren Zuge die Stadt selbst und mit ihr die vor den Stadtmauern liegenden Vorstädte, aber auch die sozioökonomischen Unterschiede wuchsen.83 Die langfristige Verlagerung der Handelswege, die andere Siedlungen eher benachteiligte, konnte Leipzig gewinnbringend für sich nutzen. Die einheimischen Kaufleute nahmen in verschiedenen Wirtschaftsbereichen zunehmend selbst das Ruder in die Hand, wo zuvor oberdeutsche Händler dominiert hatten.84 Das urbane Wachstum wurde im Schmalkaldischen kurzfristig und im Dreißigjährigen Krieg nachhaltiger gebremst.85 1625 musste man gegenüber dem Kurfürsten sogar die Zahlungsunfähigkeit Leipzigs eingestehen, worauf die Stadt ihre finanzpolitische Verwaltungshoheit vorüber 78 Mitte des 16. Jahrhunderts betrug das durchschnittliche steuerbare Vermögen in Leipzig 461 Schock, in Zwickau aber nur 129 Schock und in Dresden und Chemnitz jeweils 126 Schock. Alle weiteren sächsischen Städte fielen gegenüber der Messestadt noch weiter ab. BLASCHKE (Statistik) 1956, S. 141. 79 BRÄUER, Helmut: Von der Leipziger Teilung bis zum Westfälischen Frieden (1485–1648). In: SOHL, Klaus (Hrsg.): Neues Leipzigisches Geschicht-Buch. Leipzig 1990, S. 72. – STEINFÜHRER (Ratsbücher) 2003, S. XIII. 80 KUMMER (Gewerbe und Zunftverfassung) 1921, S. 26e. – STEINFÜHRER (Ratsbücher) 2003, S. XV–XVI. 81 StadtAL, Tit. LXIV (F) 63, Bl. 2b–4b. 82 CZOK, Karl: Das alte Leipzig. Leipzig ²1985, S. 20f. 83 KRIESE, Verena: Die Leipziger Vorstädte – ihre ökonomische, soziale und verfassungsmäßige Entwicklung im 18. Jahrhundert. Diss. Leipzig 1986, S. 15. 84 BRÄUER (Leipziger Teilung) 1990, S. 73. – WELLER, Thomas: Theatrum Praecedentiae. Zeremonieller Rang und gesellschaftliche Ordnung in der frühneuzeitlichen Stadt: Leipzig 1500– 1800. Darmstadt 2006, S. 57. 85 CZOK (Das alte Leipzig) 1985, S. 92, 101f. – KRIESE (Leipziger Vorstädte) 1986, S. 15f.

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gehend verlor. Dennoch setzte nach beiden gewaltsamen Auseinandersetzungen ein relativ dynamischer Wiederaufbau ein.86 Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts gelang es erneut, ein beachtliches Maß an städtischer Autonomie zu wahren, nicht zuletzt aufgrund des anhaltenden demografischen und wirtschaftlichen Aufschwungs, wogegen die harten sozialen Realitäten der Bevölkerungsmehrheit mit den positiven Wirtschaftsergebnissen, die durch Messewesen, Exportproduktion und Finanzgeschäfte hervorgerufen wurden, oft spannungsreich aufeinander trafen. Das wissenschaftliche, kulturelle, architektonische und handelsökonomische Leipzig erlebte im „Augusteischen Zeitalter“ eine erneute Blüte,87 bevor es von den militärischen Ereignissen ab 1756 schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Nach dem fast sieben Jahre währenden Krieg und der preußischen Besetzung wurden mit staatlicher Unterstützung viele Manufakturen wieder in Betrieb genommen oder neu errichtet, die insbesondere dem zünftigen Textilgewerbe einige Konkurrenz bereiteten. So seien um 1770 „in Leipzig Gold- und Silberfabricken, silberne Tressenmanufacturen, Gold und Silberspinnereyen, Seidenfabricken, Seiden und halbseiden Fabricken, Sammetfabricken, seidene Strumpffabricken, Seidenfärbereyen, Tuchmanufacturen und Tuchfärbereyen, Leinewand und Zeugmanufacturen, Federschmückereyen, Rauch- und Schnupftobacksfabricken, TapetenLeinewand- und Kattundruckereyen, Wachsleinewandfabricken, Ledermanufacturen, berliner Blau oder Lackfabricken, worzu noch im Jahr 1766 die mit landesherrlichen Privilegio vorzüglich begnadigte Wachslichtfabricke von innländischem Wachse und die dabey angelegte 88 Bleiche zu rechnen ist“,

vorhanden gewesen. Wenngleich fließend wandelte sich doch spätestens seit den 1830er Jahren das politische, ökonomische und soziale Gesicht der Stadt gravierend.89 Eine hinreichende Beschäftigungsperspektive vermochten weder die durch wachsendes Landhandwerk und internationale Konkurrenz bedrängten und sich teilweise durch sehr hohe Eintrittsforderungen abschließenden Zünfte noch die manufakturiellen Produktionsstätten, der immens durch Migrationsbewegungen ansteigenden städtischen Einwohnerschaft90 zu bieten.  86 CZOK, Karl: Leipzig nach dem „großen Krieg“ und im Augusteischen Zeitalter (1648–1763). In: SOHL, Klaus (Hrsg.): Neues Leipzigisches Geschicht-Buch. Leipzig 1990, S. 100–102. – WELLER (Theatrum) 2006, S. 58f. 87 BRÄUER (Bemerkungen) 1987, S. 36. – CZOK (Das alte Leipzig) 1985, S. 146. 88 FRANZ, Johann Georg Friedrich: Pragmatische Handlungs-Geschichte der Stadt Leipzig, worinnen der Ursprung, das Wachsthum, die Ursachen und die Veränderungen der Handlung aus glaubwürdigen Urkunden und zuverläßigen Zeugnissen beschrieben werden. Leipzig 1772, S. 370f. 89 Karl Czok spricht für die Zeit seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts vom „Ende des alten Leipzig“. CZOK (Das alte Leipzig) 1985, S. 182. 90 Besaß die Stadt 1800 gut 32.000 Einwohner, so waren es dreißig Jahre später bereits 41.000. GEISSENBERGER, Nicolaus: Das Schuhmachergewerbe in Leipzig und Umgebung. Eine volkswirtschaftlich-statistische Untersuchung. Diss. Leipzig 1895, S. 20. – PÖNICKE, Martin Herbert: Die Messe und die Zünfte der Stadt Leipzig (= Geschichtliche Wanderfahrten, Nr. 

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D) Zwickau Der 1118 erstmals als „zcwickaw“ erwähnten Muldesiedlung gelang Ende des 13. Jahrhunderts die Erhebung zur Reichsstadt.91 Sie kam jedoch bereits wenige Jahre später endgültig an das Geschlecht der Wettiner und verlor 1348 ihren Status als Reichsstadt.92 Im 14. Jahrhundert dominierte noch die Lokalproduktion für die an der flößbaren Mulde und der Kreuzung von Salzstraße und „Polnischem Gleis“ gelegene Stadt und ihr unmittelbares Stadtumland.93 Durch die Einrichtung des zusätzlichen Antoniusmarktes zu Ende des 15. Jahrhunderts wurde der Fernhandel gestärkt. Doch anders als Leipzig zeichnete sich die Stadt zunehmend durch ihren speziellen Charakter als Textil-Exportgewerbestadt und insbesondere als Tuchmacherstadt aus. Aufgrund der vorteilhaften Lage verfügte Zwickau über ausgebaute Verkehrsverbindungen zu Rohstoff- und Absatzgebieten. Eine schrittweise Verbesserung der Tuchproduktion hielt den überregionalen Absatz jahrzehntelang auf einem sehr hohen Niveau. Kein anderer Gewerbebereich konnte eine vergleichbare Bedeutung aufweisen,94 „weil dieser Wirtschaftsbereich quantitativ und qualitativ hochrangig ausgebildet war und auf Politik, Sozialstruktur, Stadtbild, Kultur, Religiosität und andere Felder des städtischen Le95 bens direkt oder indirekt einwirkte“.

Überregionale Bedeutung hatte ansatzweise nur noch die Metallverarbeitung. Die Jahre von 1470 bis 1520 galten als Blütezeit des Zwickauer Handwerks und der Stadt überhaupt, die als „Perle Sachsens“96 Berühmtheit erlangte. Am Übergang zur frühen Neuzeit konnte sich Zwickau mit führenden albertinischen Städten wie Freiberg und Leipzig durchaus messen. Innerhalb von 50 bis 60 Jahren verdoppelte sich aufgrund starken Zulaufs von außen sogar die Einwohnerzahl und die Stadt stieg zur bevölkerungsreichsten und bedeutendsten des ernestinischsächsischen Kurfürstentums auf.97 

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19). Dresden-Neustadt 1931, S. 22. – Statistischer Verein (Mittheilungen I) 1831, S. 28. – Vereinigung Leipziger Architekten und Ingenieure (Hrsg.): Leipzig und seine Bauten. Zur X. Wanderversammlung des Verbandes Deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine in Leipzig vom 28. bis 31. August 1892. Leipzig 1892, S. 36. HAHN (Zwickau) 1941, S. 244. GROSS, Reiner: Zwickau in der Zeit der Reformation. In: Sächsische Heimatblätter 42/1996, H. 5, S. 283. HENNING (Differenzierung) 1968, S. 25. Ebd., S. 26. – KARANT-NUNN, Susan C.: Zwickau in transition 1500–1547. The Reformation as an agent of change. Columbus 1987, S. 59. – SCHMIDT, Ute / HAUPT, Steffi: Zwickau – so wie es war. Düsseldorf 1992, S. 5. BRÄUER (Wider den Rat) 1999, S. 33. TEICHERT, Silva: Zwickau und sein Handwerk im 16. Jahrhundert. In: Zwickauer HeimatJournal 4/1996, H. 2, S. 56. Für das Jahr 1470 wurden 3.500 bis 4.000 Einwohner angenommen, wogegen um 1530 von 7.300 bis 8.000 Einwohnern ausgegangen wird. BRÄUER (Wider den Rat) 1999, S. 34. –

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Das Gewerbewesen orientierte sich stärker noch als bisher am Exporthandel, spezialisierte die Produktion und entwickelte seine Organisationsformen (Verlag) weiter. An der Zahl der bekannten Gewerbearten, die in Zwickau im 16. Jahrhundert mit 110 über denen von Leipzig (95) und Bautzen (109) lag,98 konnte man den Zwickauer Gewerbereichtum fassen. Der enorme Aufschwung der Stadt war unter anderem der sprunghaften Entwicklung im erzgebirgischen Silberbergbau zu verdanken. Parallel zu dem ökonomischen und kulturellen Aufstieg verstärkten sich aber zugleich die sozialen Differenzierungsprozesse, die sich verschärfend auf die sozialen und politischen Spannungen zwischen den gesellschaftlichen Gruppen auswirkten, als bereits ab 1500 die montane Ausbeute zurückging. Die enttäuschten Renditehoffnungen griffen auf andere Wirtschaftsbereiche über und führten in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu Wachstumsstockungen.99 Neben der sozialen Unzufriedenheit stieg die Anfälligkeit für politische und religiöse Unruhen. Blieb die Stadt in den Hussitenkriegen von einer Zerstörung verschont, sodass die positive Entwicklung in den nachfolgenden Jahrzehnten vorbereitet werden konnte, brannten im Schmalkaldischen Krieg zahlreiche Brücken, Vorräte, städtische Einrichtungen, gewerblich und privat genutzte Gebäude nieder. Intensiv trafen die militärischen Auseinandersetzungen die vor den Toren gelegenen Vorstädte.100 Im Dreißigjährigen Krieg hatte Zwickau allein neun Belagerungen über sich ergehen zu lassen, die Stadt wurde geplündert und verwüstet. Die 1633 wütende Pest trug das Ihrige dazu bei, dass die Stadt und ihre Zünfte nach dem Krieg nicht mehr die gleichen waren wie zuvor.101 Mit dem preußischen Einzug 1756 in Zwickau erfasste der ökonomische Abstieg weitere städtische Bevölkerungskreise und noch bis 1823 mussten Kontributionszahlungen an den nördlichen Nachbarstaat geleistet werden. So konnte es kein Wunder sein, dass in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein Viertel der Einwohnerschaft Zwickaus „aus armen Taglöhnern und Almosenpercipienten“ bestanden haben soll.102 Die Hungerkrise traf die geschundene Stadt ebenfalls heftig, indem 1772 sogar „fast die halbe Stadt“ auf 

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DÖRFELD (Versorgung) 1985, S. 37. – DRECHSEL, Anett: Das Gesundheitswesen der Stadt Zwickau von den Anfängen bis zum Ausgang des 17. Jahrhunderts. Diss. Leipzig 2003, S. 8. – GROSS (Zwickau) 1996, S. 284f. – HAHN (Zwickau) 1941, S. 245. – HENNING (Differenzierung) 1968, S. 35. – LÖFFLER, Michael / PESCHKE, Norbert: Chronik der Stadt Zwickau. Zwickau 1993, S. 259. Siehe auch: KARANT-NUNN (Transition) 1987, S. 241. KUMMER (Gewerbe und Zunftverfassung) 1921, S. 26e. BRÄUER (Wider den Rat) 1999, S. 43. FABIAN, Ernst: Die Stadt Zwickau unter den Einwirkungen des schmalkaldischen Kriegs. In: Mitteilungen des Altertumsvereins für Zwickau und Umgegend 1/1887, S. 92. Mit der Kurwürde verloren die Ernestiner auch die Stadt Zwickau an die Albertiner. SCHULZKE, Regine: Die Leistung des Fachwortschatzes für das Handwerksrecht und die handwerkliche Arbeit bei der Widerspiegelung sozialökonomischer Verhältnisse zur Zeit der frühbürgerlichen Revolution, dargestellt an Zwickauer Handwerksordnungen aus dem 14. bis 17. Jahrhundert. Diss. Leipzig 1974, Bd. 1, S. 30. HERZOG, Emil: Chronik der Kreisstadt Zwickau. Mit lithographirten Ansichten und Plänen. Zweiter Theil. Jahresgeschichte. Teil 2. Zwickau 1845, S. 661.

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den Bettel angewiesen war.103 Grosche charakterisierte den Verlauf der städtischen Entwicklung vom 17. bis ins frühe 19. Jahrhundert kurz mit dem Satz: „Diese Stadt sank zur Bedeutungslosigkeit eines Landstädtchens ab.“104 Selbst wenn diese Formulierung zu drastisch wirkt, eine Umkehr der negativen Entwicklung setzte tatsächlich erst nach 1800 ein. Zu dieser Zeit spielte das Zwickauer Textilhandwerk keine entscheidende Rolle mehr, selbst wenn formal die Meisterzahlen etwas Anderes anzudeuten scheinen. Neue Produktionsanlagen im textilen Sektor entstanden als Manufakturen (vor allem in der Appretur) oder als maschinenbetriebene Fabriken (z. B. zahlreiche Spinnereien). Die Heimweberei hielt sich zwar, doch verschwand das klassische Textilhandwerk weitgehend aus der Stadt. Der ab 1838 erschlossene Zwickauer Steinkohlenbergbau und die erste in Betrieb genommene Dampfmaschine im damals benachbarten Ort Oberhohndorf läuteten für die Region den Einzug der Industrialisierung ein.105

3.2.3 Die Einzelgewerbe – Bedeutung, Charakteristik und Entwicklungstendenzen Will eine handwerkshistorisch ausgerichtete Untersuchung eine spezielle Gewerbebranche untersuchen, so muss sie grundsätzlich die uneinheitliche konjunkturelle Entwicklung „des“ Handwerks bzw. der einzelnen Gewerbe beachten, sodass die nachfolgenden Äußerungen vor allem Tendenzen nachzeichnen. Das Hauptaugenmerk liegt auf den dominierenden Textil- und Bekleidungsgewerben, wobei sich die Gewerbestärke und die Gewerbeprofile zwischen den einzelnen Städten unterschieden.106 So waren im Jahre 1699 in der Hauptstadt des Kurfürstentums insgesamt 884 Handwerker ansässig, in Leipzig 675, in Chemnitz 464 und in Zwickau 431. Vergleichbare Größenordnungen wiesen nur noch Großenhain (502 Handwerker) und Freiberg (442 Handwerker) auf. Bezogen auf die Einwohnerzahlen zeichneten sich Zwickau (145 Handwerker auf 1.000 Einwohner) und Chemnitz (95 Handwerker auf 1.000 Einwohner) besonders aus, während Dresden (42) und Leipzig (31) durch den hohen Anteil anderer sozialer Schichten auf einen deutlich geringeren Handwerkerbesatz kamen. Ihren Charakter als Exportgewerbestädte erhielten Zwickau und Chemnitz durch den überdurchschnittlich hohen Anteil an Textilhandwerkern. Betrug dieser unter den Leipziger Handwerkern 11,6 Prozent und in Dresden 12,8 Prozent, wa 103 Ebd., S. 688. 104 GROSCHE, Günter: Die Stadt Zwickau in Sachsen. Wirtschaftliche Entwicklung und städtisches Wachstum in Vergangenheit und Gegenwart unter besonderer Berücksichtigung der Struktur und Standortdynamik der Industrie. Diss. Potsdam 1965, S. 34. 105 SCHMIDT / HAUPT (Zwickau) 1992, S. 8. 106 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Auswertung verschiedener statistischer Tabellenwerke durch Keller. Hier sind ebenfalls die methodischen Einschränkungen genauer spezifiziert. KELLER (Kursachsen am Ende des 17. Jahrhunderts) 1998, S. 150–157. Zu einigen älteren Vergleichswerten für Leipzig siehe: PROCHNO, Joachim: Beiträge zur Wirtschaftsstatistik Leipzigs 1470 bis 1570. In: Schriften des Vereins für die Geschichte Leipzigs 16/1933, S. 37.

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ren in Zwickau beispielsweise 41,5 Prozent im Textil- und hier vorrangig im Tuchmachergewerbe beschäftigt. Der Chemnitzer Wert erreichte sogar 49,8 Prozent. Geht man im Jahr 1700 allein von den dortigen 82 Leineweber- und 106 Tuchmachermeistern aus,107 betrug deren Anteil an der städtischen Handwerkerschaft bereits über 40 Prozent. In den beiden letzteren Städten lag der Anteil der Textilhandwerker damit bei mehr als dem Dreifachen der Leipziger und Dresdner Werte. Etwas anders gestalteten sich die Verhältnisse bei den Bekleidungshandwerken, die vorrangig durch die beiden großen Handwerke der Schuhmacher und der Schneider vertreten waren. In Chemnitz betrug ihr Anteil gerade 12,5 Prozent, in Zwickau 15,8 Prozent, in Leipzig jedoch 26,7 Prozent und in Dresden gar 28,3 Prozent. Leipzig bot durch Messewesen und Universität einen lukrativen Absatzmarkt und Dresden empfahl sich durch die steigenden Bedürfnisse des Hofes und der Armee. Die beiden größeren Gemeinwesen konnten zudem durch großbürgerliche und adlige Lebensführung günstigere Absatzbedingungen für die Produkte der Schneider und Schuhmacher generieren, während in Chemnitz und Zwickau die beiden Handwerke fast ausschließlich auf die lokale Nachfrage orientiert waren. Im Zentrum der Untersuchung stehen Handwerke, die den Textilgewerben (Leineweber, Posamentierer, Tuchbereiter, Tuchmacher, Tuchscherer und Scherenschleifer) oder den Bekleidungsgewerben (Schneider, Schuhmacher, Strumpfstricker, Strumpfwirker) zuzuordnen sind. Sie alle unterlagen beträchtlichen Schwankungen bezüglich der ökonomischen Entwicklung und der Anzahl der Gewerbetreibenden und ihrer Angestellten. Das wechselvolle Auf und Ab der einzelnen Handwerke verstärkte die individuell erlebte Unsicherheit der Existenz108 und erhöhte die Notwendigkeit kollektiver sozialer Sicherungsmaßnahmen, wenngleich diese perzipierte Notwendigkeit aufgrund der verschiedentlich verfügbaren Ressourcen in stärkerem oder schwächerem Maße ins Bewusstsein der Akteure gelangte. Bevor die Einzelgewerbe näher vorgestellt werden, ist ein Blick auf einen lang anhaltenden Entwicklungsprozess zu werfen, der die Handwerksorganisationen tief greifend prägte und für eine realistische Bewertung sozialer Sicherungsmaßnahmen unbedingt beachtet werden muss. Die soziale Differenzierung zwischen den Gewerben und innerhalb der Handwerksorganisationen war ein in den ausgewählten Handwerken gleichsam vorhandenes Phänomen, doch trat es in unterschiedlich starkem Maße auf. Als  107 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 305, S. 200. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 293b. 108 Eulenburg erhebt die „Unsicherheit der Existenz, beständige Schwankungen und eine sprunghafte Entwicklung“ geradezu zum Grundcharakter des vormodernen Gewerbewesens. EULENBURG, Franz: Drei Jahrhunderte städtischen Gewerbewesens. Zur Gewerbestatistik AltBreslaus 1470–1790. In: Vierteljahrschrift für Social- und Wirtschaftsgeschichte 2/1904, S. 269f.

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besonders belastend für das Selbstverständnis der Handwerkervereinigungen wirkten sich die zunehmenden Unterschiede in den sozialen und ökonomischen Arbeits- und Lebensverhältnissen zwischen den Mitgliedern derselben Korporation aus. Trotz der vielfachen, auf Gleichheits- und Einheitsideale abzielenden rhetorischen Äußerungen der Zünfte und Gesellenschaften ließ sich diese Entwicklung nicht umkehren.109 Vor allem im 18. Jahrhundert beschleunigte sich der Prozess sogar, sodass sich zahlreiche Handwerksmeister ihren reicheren Berufskollegen als Lohnempfänger andienen mussten und zu den Handwerksgesellen in Konkurrenz traten. Währenddessen gaben viele Gesellen die Aussicht auf eine Meisterstelle auf und gründeten, obwohl in vielen Gewerben nicht gern gesehen oder sogar mit Strafen belegt, eigene Familien und Haushalte. Prinzipiell waren alle Teile der Handwerkerschaft, vom Lehrling bis zum gestandenen Handwerksmeister, von der wachsenden sozioökonomischen Spreizung betroffen. Als Kennzeichen sozialer Differenzierung der Werkstattinhaber können das zu versteuernde Einkommen eines Handwerkers, der Besitz von Wohneigentum und die Zahl der unterhaltenen Beschäftigten in einem Gewerbebetrieb gelten. Verschiedenste Steuerlisten geben Einblicke in die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der städtischen Steuerzahler sowie in die Leistungsfähigkeit der einzelnen Gewerbebetriebe. Bereits im 16. Jahrhundert zählten nur etwa zwischen 46 und 61 Prozent der zünftigen Handwerker zum Kleinbürgertum, während die übrige Handwerkerschaft in die völlig Vermögenslosen und die einigermaßen Begüterten zerfiel.110 Enorme Unterschiede weisen zum Teil beispielsweise die Leipziger Quatembersteuerkataster von 1764 und 1824 in der steuerlichen Behandlung der Zunfthandwerker und deren Einordnung in verschiedene Steuerund Abgabenklassen auf. Wurden einige Meister und Witwen als völlig verarmt eingeschätzt und zahlten keine oder nur geringste Gewerbesteuern, fanden sich unterdessen ihre Kollegen in deutlich höher versteuerten Klassen wieder.111 Eine Kombination mehrerer Steuerlisten könnte unter anderem die zeitlichen Verschiebungen der Vermögens- und Einkommensstruktur offenlegen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Handwerker wohnte bereits Ende des 15. Jahrhunderts (insbesondere in den größeren Städten) zur Miete, wobei sich der Trend bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts fortsetzte. In allen vier untersuchten Städten lag nicht nur der Anteil der Hausgenossen an der Gesamtbevölkerung im 16. Jahrhundert relativ hoch; es besaßen auch speziell viele Handwerker bereits kein eigenes Dach mehr über ihrem Kopf.112 Auf der Grundlage der von Wolf 109 Indem das Rechnungsbuch der Chemnitzer Weber mit einem Sinnspruch eingeleitet wurde, der auch von den allen Meistern „groß und klein“ sprach, wird damit auch die Heterogenität innerhalb der Handwerkerschaft angedeutet. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 409, Bl. 1b. 110 KELLER, Katrin: „Gemeinschaft des hantwergs weiber und kinder“. Zunft und Familie im Leipziger Handwerk des 16. Jahrhunderts. In: Sächsische Heimatblätter 36/1990, S. 74. 111 StadtAL, Tit. XLII E (F) 118. – StadtAL, Tit. XLII E (F) 122. 112 BLASCHKE, Karlheinz: Ratsordnung und Bevölkerung. In: Ders. (Hrsg.): Geschichte der Stadt Dresden. Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges. Stuttgart 2005, S. 360. – BRÄUER (Gesellen) 1989, S. 66f. – Ders. (Chemnitz zwischen 1450 und 1650) 

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gang Feige aus dem Leipziger Landsteuerbuch (1554–1556) zur Verfügung gestellten Daten entbehrten bereits zu dieser Zeit 40 Prozent der Handwerker eines eigenen Hauses. Betrachtet man die größeren Textil- und Bekleidungsgewerbe der Leineweber, Tuchmacher, Schneider und Schuhmacher gesondert, überwogen bei den Leipziger Leinewebern sogar die Hausgenossen, während das Wohnen zur Miete immer noch überdurchschnittlich viele Schneider- und Schuhmachermeister betraf (jeweils 46 Prozent). Der Anteil der zur Miete wohnenden Tuchmacher war erheblich geringer (27 Prozent).113 Innerhalb und zwischen den Gewerben können anhand von Steuer-, Häuserund Einwohnerverzeichnissen gravierende Unterschiede über den Anteil von hausbesitzenden Handwerksmeistern und -witwen und den Wert der jeweiligen Wohneinheiten festgestellt werden. Über die Berechnung der Behausungsziffer (Personenanzahl pro Haus), die für sich genommen wenig aussagekräftig ist, können Aussagen zur Belegungsstärke der Immobilien gemacht werden, wodurch sich zusätzlich zum Häuserwert Hinweise auf Wohnraumgröße und Wohnqualität ergeben können. Da in einem spätmittelalterlichen oder frühneuzeitlichen Stadtund Vorstadthaus meist mehrere Haushalte existierten, wäre auch die Feststellung von Haushaltszahlen (Anzahl der Mitglieder eines Haushalts) vielversprechend als relevante Information, welche die unterschiedlichen Lebenssituationen definiert. Eine solche Untersuchung kann an dieser Stelle jedoch nicht vorgenommen werden.114 Exemplarisch soll dagegen die Spreizung innerhalb der zünftigen Meisterschaft anhand der Beschäftigtenzahlen als weiterem Faktor verdeutlicht werden. Sieht man von den direkten Familienangehörigen ab, welche vielfältige Aufgaben in der Vorbereitung, der Produktion und dem Absatz übernahmen, war die Zahl der Beschäftigten in einem Handwerksbetrieb von der ökonomischen Leistungskraft, der Vermögens- bzw. Einkommenslage des Werkstattinhabers abhängig. Der Aufnahme von Lehrlingen in den Statuten waren meist enge Grenzen  2005, S. 108. – FRÖHLICH (Sicherung) 1976, S. 27f. – KUNZE (Forschungsergebnisse) 1958, S. 63, 67. – MÖLLER, Helmut: Die kleinbürgerliche Familie im 18. Jahrhundert. Verhalten und Gruppenkultur (= Schriften zur Volksforschung, Bd. 3). Berlin 1969, S. 116. – STOY, Fritz: Zur Bevölkerungs- und Sozialstatistik kursächsischer Kleinstädte im Zeitalter der Reformation. In: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 28/1935, H. 3, S. 235 Tabelle 1. 113 Eigene Berechnungen nach den tabellarischen Aufstellungen in: FEIGE, Wolfgang: Die Sozialstruktur der spätmittelalterlichen deutschen Stadt im Spiegel der historischen Statistik – mit besonderer Berücksichtigung der niederen Schichten der Bevölkerung und mit einem Exkurs in das Leipzig des 16. Jahrhunderts. Diss. Leipzig 1965, Bd. 2, S. 238–289. Vgl. KELLER, Katrin: Zu materiellen Lebensverhältnissen kleiner gewerblicher Warenproduzenten am Beginn der Übergangsepoche vom Feudalismus zum Kapitalismus (Ende des 15. bis Anfang des 17. Jh.) – dargestellt am Beispiel von Leder- und Textilgewerben in Leipzig. Diss. Leipzig 1987, S. 54f. – Dies. (Gemeinschaft) 1990, S. 74. 114 StadtAL, Tit. XLII D (F) 153. – StadtAL, Tit. XLII D (F) 154. So ist im Verzeichnis der Leipziger Einwohner am Jahresende 1771 die Anzahl der Gesindekräfte je Haushalt aufgeführt. Vgl. MÖLLER (Kleinbürgerliche Familie) 1969, S. 29–35. – STOY (Bevölkerungs- und Sozialstatistik) 1935, S. 218.

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gesetzt, indem einem Meister oft nur ein Junge (häufig mit einer anschließenden Sperrfrist) zugebilligt wurde. Dagegen kamen Haus- und Hofknechte, Mägde und anderes Gesinde seltener vor. Sie wurden nicht allein in der Werkstatt, sondern mit unterschiedlichen Prioritäten im Haushalt, Garten- und Ackerbau oder in anderen Arbeitsbereichen eingesetzt. Im 16. Jahrhundert aufgrund des höheren Anteils an Hausbesitzern weiter verbreitet, konnte sich im 17. und 18. Jahrhundert nur eine Minderheit einen Dienstknecht oder eine Hausmagd leisten.115 Die größte Gruppe innerhalb der Beschäftigten eines Meisterhaushalts stellten die Handwerksgesellen dar, sodass Aussagen der Betriebsgröße vor allem an ihrer Existenz zu messen sind. Bisherige Arbeiten betonen das Vorherrschen von kleinen Betrieben oder unterstreichen, wie zahlreiche Meister ihre Werkstatt ohne einen einzigen Gesellen führten. Reininghaus gibt als Durchschnittswert 1,5 Mann pro Betriebseinheit an, Kaufhold geht für die Zeit um 1800 durchschnittlich von 1,3 bis 1,8 Betriebsangehörigen aus. Nach Friedrich Lenger hätten die Betriebe damals meist zwischen einer und zweieinhalb Personen (inklusive des Meisters) beschäftigt. Allerdings schwankte die Betriebsgröße zwischen den verschiedenen Gewerben nicht unwesentlich, besonders wenn man an die zum Teil großbetrieblichen Baugewerbe denkt.116 Das Zusammentragen von belastbarem Zahlenmaterial gestaltete sich für die vier sächsischen Städte schwierig, Vorarbeiten sind nur sporadisch vorhanden. Einige Hinweise zu den Textil- und Bekleidungshandwerken sollen dennoch gegeben werden. Für das spätmittelalterliche Leipzig liefert speziell eine Arbeit von Joachim Prochno umfangreiche Daten, die sie aus verschiedenen Steuerregistern schöpft, wodurch die Angaben mit Vorsicht zu betrachten sind. Außerdem wird in dieser  115 Eine klare Trennung zwischen (Haus-)Knechten und Handwerksgesellen bzw. -lehrlingen ist leider allzu oft nicht möglich und nicht selten überschnitten sich die Einsatzorte des Gesindes. Genaue Zahlenangaben über den Gesindeanteil liegen für die spätere Zeit nicht vor. Nach den wenigen Angaben aus dem späten Mittelalter muss der Anteil des Gesindes an der städtischen Bevölkerung aber sehr hoch gewesen sein. Bereits Mitte des 15. Jahrhunderts betrug er in Dresden 9 Prozent, um 1500 bereits 13–14 Prozent. In Chemnitz zählte sogar jeder Fünfte zu dieser sozialen Gruppe (1530). BRÄUER, Helmut: Statuten der Chemnitzer Handwerksgesellen vom Ausgang des 15. bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts. Karl-Marx-Stadt 1979, S. 10. – Ders. (Chemnitz zwischen 1450 und 1650) 2005, S. 137f. – RICHTER, Otto: Zur Bevölkerungs- und Vermögensstatistik Dresdens im 15. Jahrhundert. In: Neues Archiv für sächsische Geschichte und Alterthumskunde 2/1881, S. 279 Anm. 10. – STANISLAW-KEMENAH, Alexandra-Kathrin: „Für Kranke, Arme und Elende gestiftet“ – Dresdner Hospitäler zwischen Mittelalter und Renaissance. In: Dresdner Hefte. Beiträge zur Kulturgeschichte 26/2007, H. 89, S. 6. Vgl. auch die umfangreichen Angaben in der Leipziger Dissertation von Prochno. PROCHNO, Joachim: Das Bevölkerungswesen Leipzigs in der Zeit vor und nach der Reformation. Diss. Leipzig 1919. 116 KAUFHOLD (Umfang und Gliederung) 1978, S. 58, 61. – LENGER (Sozialgeschichte) 1988, S. 21f. – REININGHAUS (Gewerbe) 1990, S. 7. Vgl. BRÄUER (Gesellen) 1989, S. 23. – Ders. (Chemnitz zwischen 1450 und 1650) 2005, S. 109. – EHMER, Josef: Worlds of mobility. Migration patterns of Viennese artisans in the eighteenth-century. In: CROSSICK, Geoffrey (Hrsg.): The Artisan and the European Town, 1500–1900. Aldershot, Burlington/USA, Singapore, Sydney 1997, S. 175f. – STÜRMER (Herbst) 1986, S. 108.

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Studie das männliche Gesinde (mit Ausnahme der Lehrlinge) nicht differenziert aufgeführt (Tabelle 1).117 Bis auf die extremen Durchschnittswerte bei den Tuchscherern, die jedoch den niedrigen Personenzahlen geschuldet sind, und den zum Teil stark spezialisierten Schwarzfärbern, bewegte sich die Gesellen-Meister-Relation fast durchgängig zwischen Werten von 0,5 und 1,5. Das heißt, auf einen Meister kamen rechnerisch 0,5 bis 1,5 Gesellen. Somit besaß ein Meister im Durchschnitt einen Gesellen (und – wenn er es sich leisten konnte – einen Lehrling). Die Durchschnittsberechnung darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, und das geben die zum Teil sehr hohen Werte der Alleinmeister an, dass sich die Verteilung der Gesellen nicht gleichmäßig innerhalb der Meistergruppe vollzog. Interessant scheinen schließlich einige Trends, die jedoch aufgrund der dünnen Informationsbasis mit Vorsicht zu interpretieren sind. So nahm mit Ausnahme der Färber bei allen Handwerken die Zahl der Gesellen je Meister am Beginn der frühen Neuzeit ab. Kamen neue Meister in das Handwerk, ging diese Entwicklung mit einem verhältnismäßig geringeren Anstieg der Gesellenzahlen einher (Schneider, Schuhmacher). Sanken dagegen die Meisterzahlen, so fielen die Gesellenzahlen deutlich schneller (Tuchmacher im 16. Jahrhundert). Die ökonomische Basis, eine Meisterwerkstatt selbstständig zu betreiben, wurde insgesamt also schmaler. Bei den Schneidern liegen einzelne Werte für die Zeit nach 1600 vor. Hier zeichnete sich ein Anstieg der Gesellen-Meister-Relation ab, doch bleiben zu viele Unsicherheiten, um eindeutige Aussagen darüber zu treffen. Vermutlich wurden häufig Gesellen trotz Unter- und Nichtbeschäftigung angeführt, viele kamen nur kurzfristig in Lohn und Brot. Das Chemnitzer Zahlenmaterial setzt fast ausnahmslos erst für das 18. Jahrhundert ein, nur über die Leineweber liegen ältere Informationen vor. Die hilfreiche Sekundärliteratur bleibt dürftig und liefert häufig unsichere Angaben, doch auch die Untersuchung des Quellenmaterials mahnt zur zurückhaltenden Bewertung. An einigen Stellen wurden Meisterwitwen in den Quellen separat aufgeführt. Da dies nicht durchgängig der Fall war, wurden sie, um die Ergebnisse nicht zu verzerren, nicht in die Berechnung einbezogen (Tabelle 2). Die Informationen zu den Chemnitzer Meister- und Gesellenzahlen sind stark auf wenige Handwerke konzentriert. Zu den Schuhmachern und Strumpfwirkern liegen erst für das späte 18. Jahrhundert Angaben vor. Die Werte bewegen sich relativ konstant zwischen 0,45 und 0,65 Gesellen pro Meister. Zwei Verhältniswerte weichen hier jedoch deutlich ab. Die Relation bei den Strumpfwirkern im Jahr 1817 ist durch die äußerst niedrige Gesellenanzahl zu erklären. Bei den Schuhmachern konnte die Gesamtmeisterzahl für das Jahr 1785 nicht festgestellt werden, sodass sich der Wert „Geselle-pro-Meister“ allein auf die Meister mit Gesellen bezog. Nur für die Leineweber existieren umfassende statistische Angaben. Jedoch schwanken hier mitunter die Zahlen innerhalb eines Jahres kräftig, was u. a. auf unsichere Arbeitsverhältnisse der Gesellen hindeutet. Im 18. Jahr 117 PROCHNO (Bevölkerungswesen) 1919, S. 82–89.

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hundert kam zudem eine große, leider nicht näher spezifizierbare Anzahl an Landmeistern zur Innung hinzu. Kamen auf zwei Meister vor dem Dreißigjährigen Krieg deutlich weniger als ein Geselle, wobei die späten 1620er (und vermutlich die 1640er) Jahre absolute Tiefpunkte bildeten, stieg die Relation gegen Ende des 17. Jahrhunderts spürbar an. In den 1720er Jahren war das Verhältnis zwischen Meistern und Gesellen nahezu ausgeglichen, eine solche Konstellation wurde nicht wieder erreicht, denn obwohl die absoluten Zahlen beiderseits stiegen, wurden vergleichsweise weniger Gesellen beschäftigt. Mit den schlesischen Kriegen und den Handelskriegen fiel die Kennziffer wieder auf unter 0,5 zurück. Der ökonomische Aufschwung nach dem Siebenjährigen Krieg und den Hungerjahren 1770/73 trug zum Wachstum der Weberinnung und zur Vergrößerung der Beschäftigtenzahlen bei; das Meister-Gesellen-Verhältnis schwankte etwa zwischen 0,6 und 0,8. Erst mit den Befreiungskriegen und der ökonomischen Erschöpfung nach 1810 gingen die Gesellenzahlen merklich zurück, während die Meisterzahlen weiter stiegen. Später trat eine langsame Erholung der Kennziffer ein. Noch informationsärmer gestaltet sich die Lage in Zwickau. Die Angaben bei Susan C. Karant-Nunn beispielsweise sind zu niedrig gegriffen und können, wenn überhaupt, Minimalwerte darstellen, würden aber bei Berechnungen wie der Gesellen-Meister-Relation die Resultate verfälschen, weshalb sie an dieser Stelle nicht berücksichtigt wurden. Die wenigen existierenden Angaben sollen für sich selbst sprechen (Tabelle 3).118 Zu Dresden existieren ähnlich wie für Chemnitz fast ausschließlich jüngere Informationen. Durch eigene Erhebungen wurden die Meister- und Gesellenzahlen für die Posamentiererinnung gewonnen. Die meisten Meisterzahlen beinhalten aber ein gewisses Unsicherheitsmoment dadurch, dass die Werte aus den Einnahmebüchern stammen, in denen die Auflagegelder verzeichnet wurden, sodass nur diejenigen Meister gezählt wurden, welche auch Beiträge entrichteten. Auch Schwankungen der ohnehin niedrigen Personenzahlen innerhalb eines Jahres kamen vor. Wenn möglich wurden zur Verbesserung der Vergleichbarkeit die Angaben zum jeweiligen Hauptquartal119 erhoben (Tabelle 4). Die Daten zum Posamentierergewerbe verdeutlichen eine gewisse Schwankungsbreite, wobei sich die Werte zwischen 0,44 und 1,14 bewegten. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren bei gestiegenen Meisterzahlen kaum noch Gesellen vorhanden. Bei den Massenhandwerken der Schneider und der Schuhmacher war Anfang des 19. Jahrhunderts ein Anstieg der ohnedies hohen Meisterzahlen festzustellen, wohingegen die Gesellenzahlen uneinheitlich tendierten. Im Schneiderhandwerk fanden deutlich weniger (ordentliche) Hilfskräfte Beschäftigung als bei den Schuhmachern, doch kehrte sich diese Einschätzung zu Beginn der 1830er Jahre um. Strumpfwirker und Tuchmacher beschäftigten teilweise überdurch 118 KARANT-NUNN (Transition) 1987, S. 59. 119 Das Rechnungsjahr der Handwerksorganisationen wurde i. d. R. in vier Abschnitte, die Quartale, unterteilt, an deren Ende jeweils eine Handwerksversammlung, ebenfalls Quartal genannt, stattfand. Am Hauptquartal wurden zumeist die Rechnungslegung und der Wechsel der Obermeister bzw. Ältesten vorgenommen.

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schnittlich viele Gesellen, aber auch bei ihnen machten die Alleinmeister einen relevanten Anteil aus. Zur Interpretation der mitunter heftig schwankenden Werte müssen ergänzende Überlegungen angestellt werden. Neben fehlenden, lückenhaften oder unsicheren Angaben waren die Personenzahlen häufig sehr gering, sodass leichte Veränderungen der absoluten Werte gravierende Auswirkungen auf die GesellenMeister-Relation haben können. Grundsätzlich muss ebenfalls bedacht werden, dass sämtliche Handwerksmeister als Innungsmitglieder aufgeführt wurden, unabhängig von ihrer aktuellen Auftragslage oder Beschäftigungssituation. Nur in den seltensten Fällen wurden Meister separat ausgewiesen, die zwar Mitglied der betreffenden Handwerksorganisation waren, aber aufgrund bestimmter Umstände (Alter, Armut, Krankheit, ökonomische Krisen, Kriege usw.) ihr Handwerk nicht mehr aktiv ausübten. Somit stiegen z. B. Meisterzahlen selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten weiter an. Dagegen tauchen in den meisten Quellen nur in Arbeit stehende Gesellen auf. Ob sie nun erst kurzfristig Beschäftigung erhalten hatten oder seit vielen Jahren in der Werkstatt tätig waren, sie wurden alle zu einem bestimmten Zeitpunkt gezählt. Umgekehrt fanden erst kürzlich entlassene Gesellen in den Aufzählungen keinen Niederschlag. Die Schwankungen der Gesellenzahlen geben dementsprechend kurzfristigere Hinweise auf die ökonomische Lage, denn Gesellen wurden vergleichsweise schnell eingestellt oder entlassen bzw. sie kündigten selbst recht häufig. Im Gegensatz dazu waren die ansässigen Meister stärker an ihre Stadt gebunden, konnten durch den Einsatz von Familienmitgliedern Lohnkosten sparen und suchten durch Nebenerwerbsmöglichkeiten zu überleben. Infolgedessen schlug sich der Einfluss der ökonomischen Entwicklung mit zeitlich größerem Abstand in den Meisterzahlen nieder. Was bei allen empirischen Befunden deutlich wurde, sind die im Durchschnitt niedrigen Gesellenzahlen je Arbeitgeber. Mit einigen Ausnahmen liegen diese zwischen 0,4 bis 1,2 Gesellen pro Meister.120 Folglich kann das Bild des kleinen Handwerksbetriebs ohne oder mit einem einzigen Gesellen bestätigt werden. Ein Lehrling und gegebenenfalls eine Magd konnten in einigen Werkstätten noch hinzutreten. Weitere (nichtfamiliäre) Hilfskräfte dürften bei der Mehrzahl der in den Textil- und Bekleidungshandwerken tätigen Meister kaum vorgekommen sein. Die sozioökonomische Spreizung innerhalb des Meisterstandes darf dabei nicht ignoriert werden. Die teilweise über 50 Prozent liegenden Alleinmeister-Zahlen deuten ein hohes Maß an sozialer Differenzierung an. Bei einzelnen Handwerken wie den Leipziger Webern (Mitte des 16. Jahrhunderts) oder den Dresdner Schuhmachern und Schneidern (Anfang des 19. Jahrhunderts) waren sogar 70 Prozent der Meister allein auf ihre eigene Arbeitskraft angewiesen. Gleichzeitig existierten beispielsweise in Leipzig im 18. Jahrhundert Schneiderwerkstätten mit acht, zehn, zwölf und mehr Gesellen.121  120 Gewerbespezifische Unterschiede und Trends sind zu vermuten, doch bedarf es weiterer quellenintensiver Forschungen. 121 StadtAL, II. Sektion S (F) 1342, Bl. 2b, 8, 16–16b, 30b. – StadtAL, II. Sektion S (F) 2185, Bl. 49, 54b. – StadtAL, II. Sektion S (F) 2380, Bl. 7b.

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Die Angaben über die Betriebsgrößen geben Hinweise auf die Dringlichkeit kollektiver sozialer Sicherungsmaßnahmen für die unselbstständig Beschäftigten wie für die Meister. Gewerbespezifische Besonderheiten müssen allerdings Berücksichtigung finden. Gehörten wie im Baugewerbe zahlreiche Gesellen, Lehrlinge und Handlanger einem Meisterbetrieb an, konnte dieser den Ausfall eines Beschäftigten sicherlich leichter verkraften, als wenn ein Tuchmacher- oder Schneidermeister seinen einzigen Angestellten im Krankheitsfall zu unterhalten hatte. Für viele Meister, die sich nur mit Mühe einen Gesellen leisten konnten, ergab sich eine immense Belastung, wenn ihnen dieser für die Werkstattarbeit durch Krankheit oder Unfall zeitweise oder dauerhaft ausfiel bzw. sogar noch unterhalten werden sollte. Niedrige Beschäftigtenzahlen waren Ausdruck einer tendenziell eher schlechten sozioökonomischen Situation. Untersuchungen zur Steuerstatistik ergaben, dass Alleinmeister in erheblich geringerem Maße Einkommen generieren konnten, als dies Meistern mit mehreren Gesellen möglich war. Für jeden angestellten Gesellen erhöhte sich das Jahreseinkommen demnach um eine errechenbare Größe.122 Die Betriebsgröße bildete somit vor allem innerhalb eines Gewerbes einen wichtigen Indikator für die ökonomische Stellung einer Werkstatt. Der Darstellung des sowohl innergewerblich wie gewerbeübergreifend signifikanten sozialen Differenzierungsprozesses folgen nun beschreibende Charakterisierungen derjenigen einzelnen Textil- und Bekleidungshandwerke, auf die sich die Arbeit in den vier ausgewählten sächsischen Städten vorrangig stützt. Es werden jeweils der Tätigkeitsbereich, die allgemeine Entwicklung und die quantitative Stärke genauer vorgestellt.

A) Tuchmacher Die Tuchmacherei stellte schon im Mittelalter eines der bedeutendsten Handwerke dar. Durch sie wurden aus Schafswolle Produkte meist für den Export erzeugt. Die aus dem Wollreinigen (Säubern und Brühen), Kämmen, Krempeln, Kartätschen (Wollschlagen), Spulen und Spinnen bestehenden Fertigungsverfahren wurden bis in das Spätmittelalter häufig noch auf den Dörfern betrieben, später zunehmend in die Städte verlagert. Ökonomisch wirtschafteten Wollkämmerei und Wollspinnerei wohl prinzipiell abhängig von den Tuchmachern. Die Vertragsverhältnisse konnten bis hin zur Lohnarbeit reichen.123 Nach dem Wollweben  122 DIRLMEIER (Einkommensverhältnisse und Lebenshaltungskosten) 1978, S. 88. – KELLER (Materielle Lebensverhältnisse) 1987, S. 43. 123 BRÄUER, Helmut: Zum sozialen Platz der Lohnarbeiter in einigen westsächsischen Städten am Ausgang des 15. und im 16. Jahrhundert (Ein Diskussionsbeitrag). In: Regionalgeschichtliche Beiträge aus dem Bezirk Karl-Marx-Stadt 2/1980, S. 36–38. – MASCHNER, Fritz: Die Chemnitzer Weberei in ihrer Entwickelung bis zur Gegenwart. Diss. Jena. Chemnitz 1917, S. 

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am Webstuhl wurden die Tuche beschaut, gestempelt, in die Walkmühle geschickt und dann gefärbt, wobei sich die Färberei als eigenes Gewerbe verselbstständigen konnte. An das Färben schlossen sich das erneute Ausspannen der Tuche auf die Tuchrahmen und nach ihrer Abnahme die Weitergabe an die Tuchscherer an, die entweder ein eigenes Handwerk (häufig gemeinsam mit den Scherenschleifern) besaßen oder in die Tuchmacherinnung integriert waren. Es erfolgten weitere Veredelungsprozesse durch Planierer, Tuchschlichter oder Tuchbereiter sowie eine neue Schau und der Verkauf, wobei der lukrative Tuchhandel heftig umkämpft war. Die Tuchmacher konnten dieses Vorrecht in Chemnitz 1470 und in Dresden bereits 1352 gegenüber den Schneidern (Gewandschneidern) bzw. Kaufleuten für sich erwerben.124 Die Gesellen der Tuchmacher wurden Tuchknappen genannt. In Obersachsen ist die Entwicklung der Tuchmacherei untrennbar mit dem Namen der Stadt Zwickau verbunden. Hier wurden zur Mitte des 14. Jahrhunderts nicht allein erste Meister des Gewerbes, sondern ebenfalls erste ausführliche Zunftregelungen belegt.125 Allein ein Viertel der Zwickauer Bevölkerung zählte im 15. Jahrhundert direkt zum zünftig organisierten Tuchmacherhandwerk und ungefähr die Hälfte war von diesem Exportgewerbe abhängig.126 Die Tuchmacherinnung erreichte um 1530 ihren Höhepunkt127 und beflügelte das städtische Wachstum insgesamt. Die Kehrseite des ökonomischen Aufstiegs zeigte sich in der Herausbildung und Vertiefung einer großen Streubreite der Einkommen, die sich in Verlagsbeziehungen und sozialer Differenzierung auch innerhalb der Zunft niederschlug.128 Die führende und konkurrenzlose Stellung, die das Gewerbe in der Muldestadt innerhalb kurzer Zeit um 1500 eingenommen hatte, behielt es bis zum Drei

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35. – REITH, Reinhold: Lohn und Leistung. Lohnformen im Gewerbe 1450–1900 (= Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte Nr. 151). Stuttgart 1999, S. 128. BLASCHKE (Wirtschaft und Verfassung) 2005, S. 165. – KUNZE (Forschungsergebnisse) 1958, S. 78. – MASCHNER (Chemnitzer Weberei) 1917, S. 38–40. – ZÖLLNER (Handelsstadt Chemnitz) 1888, S. 104–111. HENNING (Differenzierung) 1968, S. 24. – MUELLER (Tuchmacher-Handwerk) 1929, S. 2. Überhaupt sind im Zwickauer Stadtrechtsbuch von 1348 mehrere Handwerksartikel überliefert, die bereits eine frühe Zunahme sozialer Spannungen belegen. BRÄUER, Helmut: Das Zwickauer Stadtrechtsbuch „de anno 1348“ aus sozial-, politik- und wirtschaftsgeschichtlicher Perspektive. In: Sächsische Justizgeschichte, Bd. 9: Rechtsbücher und Rechtsordnung in Mittelalter und früher Neuzeit. Dresden 1999, S. 94. HENNING (Differenzierung) 1968, S. 27. Ebd., S. 31. – ROSENBAUM (Liebestätigkeit) 1999, S. 85. Um 1530 seien 250 bis 300 Tuchmachermeister gezählt worden. Vortrag von Helmut Bräuer im Leipziger Stadtarchiv: „Soziale und wirtschaftliche Verhältnisse im Erzgebirgsraum zur Zeit Adam Ries’“ (vom 12.11.2009). Bei Henning findet sich die Zahl von 304 Tuchmachermeistern. HENNING (Differenzierung) 1968, S. 46. BRÄUER (Stadtrechtsbuch) 1999, S. 94f. Von den Meistern, die sich in einer ökonomisch günstigen Position befanden, kamen durchaus positive Stimmen, die den Verlag als wirksames Mittel der Armutsbekämpfung lobten. StadtAZ, X, 49, 123, Bl. 11.

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ßigjährigen Krieg uneingeschränkt. Eine Veränderung der Welthandelswege, die Bevorzugung leichterer, preiswerterer, modischerer Zeuge statt der schweren, teuren Tuche und diverse Klagen über qualitative Produktmängel leiteten dann ab dem 16. Jahrhundert einen ersten Rückgang der Zwickauer Tuchmacherei ein.129 Auch ein Übergang der Verarbeitung von Wolle verschiedener Qualität zur Produktion von leichteren Tuchen und Zeugen konnte den langfristigen Negativtrend nur vorübergehend stoppen. Durch den Schmalkaldischen Krieg (Verlust des Zimmerhauses und zweier Färbehäuser), den Dreißigjährigen Krieg und weitere Unglücksfälle (1665 Abbrennen der niederen Walkmühle) wurde eine Umkehr der deprimierenden Entwicklung erschwert, bis Mitte des 18. Jahrhunderts der Niedergang des Handwerks und die Verschuldung der Innung den völligen gewerblichen Verfall einläuteten.130 Auch wenn zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Zwickauer Tuchmacherei noch immer ihren ersten Rang innerhalb des städtischen Gemeinwesens behauptete, zumindest wenn man sie mit anderen Handwerken anhand der Meisterzahlen maß,131 so besaß sie doch kaum noch etwas vom Glanz ihrer früheren Blüte. Die Meisterzahlen verliefen entsprechend von 230 im Jahre 1540, einem zwischenzeitlichen Hoch von 250 im Jahre 1625, über 165 (1697), 120 (1705), 176 (1728), 80 (1752) bis 69 (1790). Um 1800 gab es noch 58 Zwickauer Tuchmachermeister, von denen jedoch nur 36 gangbare Stühle unterhielten, d. h. ihr Handwerk tatsächlich betrieben,132 was die breite Verarmung der Gewerbetreibenden belegt. Nicht allein in Zwickau prägten die Tuchmacher die städtische Entwicklung. Um 1400 erstmals erwähnt, entwickelte sich dieser Berufsstand in Chemnitz im Laufe des 15. Jahrhunderts ungemein stark, wenngleich er nicht mit der Zwickauer Entwicklung verglichen werden kann.133 Anfangs mit den Schneidern verbunden, begründeten die Chemnitzer Tuchmacher 1470 eine eigene Zunft. Zu Ende  129 HENNING (Differenzierung) 1968, S. 35. – KAUFHOLD (Wirtschaft Mitteleuropas) 1987, S. 55. – STEINMÜLLER, Karl: Zur Lage der Zwickauer Tuchmacherei zwischen 1470 und 1530. In: BRENDLER, Gerhard (Hrsg.): Die frühbürgerliche Revolution in Deutschland. Referat und Diskussion zum Thema Probleme der frühbürgerlichen Revolution in Deutschland 1476– 1535. Berlin 1961, S. 220–222. 130 FABIAN (Schmalkaldischer Krieg) 1887, S. 92. – HERZOG (Chronik II/2) 1845, S. 626, 639. – MUELLER (Tuchmacher-Handwerk) 1929, S. 36–38. In den Gesellenartikeln von 1706 fand sich ein Hinweis auf Knappen, die mit einem Meisterrecht ausgestattet waren. Darunter waren ehemalige Handwerksmeister zu verstehen, die notgedrungen anstelle eines Gesellen sich bei einem anderen Meister verdingten. StadtAZ, X, 49, 124, Bl. 11b. 131 HENNING (Differenzierung) 1968, S. 25. – HERZOG, Emil: Chronik der Kreisstadt Zwickau. Mit lithographirten Ansichten und Plänen. Erster Theil. Topographie und Statistik. Zwickau 1839, S. 235, 242. – MUELLER (Tuchmacher-Handwerk) 1929, S. 117. 132 GROSCHE (Zwickau) 1965, S. 35. – HERZOG (Chronik I) 1839, S. 234f., 242. – Ders.: Chronik der Kreisstadt Zwickau. Mit lithographirten Ansichten und Plänen. Zweiter Theil. Jahresgeschichte. Teil 1. Zwickau 1845, S. 556. – Ders. (Chronik II/2) 1845, S. 567, 595, 639. – KUMMER (Gewerbe und Zunftverfassung) 1921, S. 41. – MUELLER (Tuchmacher-Handwerk) 1929, S. 38, 117. – SCHIRMER (Wirtschaftliche Wechsellagen) 2000, S. 302. 133 BRÄUER (Chemnitz zwischen 1450 und 1650) 2005, S. 104f. – ZÖLLNER (Handelsstadt Chemnitz) 1888, S. 104.

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des Jahrhunderts setzte sich bei ihnen der Verlag als vorherrschende Organisationsform der handwerklichen Produktion durch, womit der Zerfall der Zunft in „Nur-Produzenten“ und „Produzenten-Händler“ ersichtlich wurde.134 Bei stabiler positiver Entwicklung bis weit in das 16. Jahrhundert, auf die ein geringer Rückgang der Produktion in den 1580er und 1590er Jahren folgte, setzte eine anschließende Wiederbelebung ein. Nachdem noch um 1630 das Tuchmacherhandwerk unter den Chemnitzer Gewerben zahlenmäßig am stärksten vertreten war, ging die Tuchproduktion (mittlerweile von sogenannten breiten Tuchen nach niederländischen Fabrikationsmethoden135) im Dreißigjährigen Krieg und in der Folgezeit in der Stadt und ihrer Umgebung zurück. Die Tuchherstellung wurde schrittweise durch die Weberei zurückgedrängt, bisweilen durch kurzfristige Aufschwünge unterbrochen, bis im 18. Jahrhundert durch das Zusammenwirken verschiedener ungünstiger Faktoren ein lang anhaltender Rückgang das definitive Ende der handwerklichen Tucherzeugung einleitete.136 Neben veränderten Modevorstellungen und zünftiger Verschuldung schwächten besonders die Konkurrenz der ländlichen und kleinstädtischen Zeug- und Baumwollweber und der Baumwollmanufakturen sowie die hohe Abgabenlast und eine merkantilistische Wirtschaftspolitik (Einfuhrverbot fremder Wolle, erschwerte Ausfuhr von Wollerzeugnissen, Transitgebühren) das Gewerbe.137 Die Meisterzahlen gingen von 120 um das Jahr 1615 auf 92 (1659/60) und 82 (1668) zurück. Nach einer späten Erholung (1700: 106 Meister) wurden 1718 nur noch 79 Meister gezählt. Nach dem Siebenjährigen Krieg nahmen zwar zwischen 60 und 70 Meister das Zunftrecht wahr, jedoch produzierten nur 20 bis 30 von ihnen aktiv Tuche. 1781 lagen diese Zahlen bei 29 von 49 Zunftmeistern. Mit dem Eintritt ins 19. Jahrhundert reduzierte sich die Meisterzahl weiter auf gerade einmal vier aktive Produzenten.138 Die 1288 erstmals erwähnten Leipziger Tuchmacher wiederum besaßen nur ein eingeschränktes Verkaufsrecht, d. h. sie durften ausschließlich ganze Stücke veräußern und keinen Ausschnitt tätigen, sodass sie allein Halbfabrikate für den (Export-)Markt lieferten. Eine mögliche Weiterveredelung geschah durch die Tuchscherer, Schneider und Tuchausschneider (Gewandschneider), wobei sich die Letzteren seit dem Spätmittelalter vorrangig auf den Tuchhandel konzentrierten.  134 KUNZE (Forschungsergebnisse) 1958, S. 77f. – VIERTEL / WEINGART (Chemnitz) 2002, S. 30. 135 KUNZE (Forschungsergebnisse) 1958, S. 52, 84. 136 BRÄUER (Bemerkungen) 1987, S. 28–30. – MASCHNER (Chemnitzer Weberei) 1917, S. 36, 44. – VIERTEL / WEINGART (Chemnitz) 2002, S. 45. – ZÖLLNER (Handelsstadt Chemnitz) 1888, S. 348f. 137 MASCHNER (Chemnitzer Weberei) 1917, S. 44–46. – ZÖLLNER (Handelsstadt Chemnitz) 1888, S. 415f. 138 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 293b. – StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 5, Bl. 41–42b, 89– 90b. – KUNZE (Forschungsergebnisse) 1958, S. 77. – MASCHNER (Chemnitzer Weberei) 1917, S. 45. – VIERTEL / WEINGART (Chemnitz) 2002, S. 45. – ZÖLLNER (Handelsstadt Chemnitz) 1888, S. 416. Ohne Quellenbeleg bleibt die fragwürdige Angabe von 240 Tuchmachermeistern im Jahre 1608 bei: SCHNABEL, Werner: Die Entwicklung des Chemnitzer Bäckerhandwerks von seinen Anfängen bis ins 19. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte der Stadt Chemnitz. Diss. Leipzig 1931, S. 21.

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Mit dem allgemeinen Aufschwung Ende des 15. Jahrhunderts stieg die Anzahl der Tuchmachermeister in Leipzig von 28 (1481) auf 69 (1506). Aber bereits in der ersten Hälfte des nächsten Jahrhunderts lichteten sich die Reihen innerhalb des Gewerbes stark (Mitte 16. Jahrhunderts nur etwa 40–45 Meister) und die Bedeutung des Gewerbes sank aufgrund des veränderten Produktionssortiments.139 1628 waren mindestens 28, 1650 nur noch 17 Tuchmachermeister vorhanden, von denen vier ihr Handwerk aus Armut nicht mehr betrieben. Das gesamte 18. Jahrhundert kämpfte die Leipziger Tuchmacherei gegen ihre völlige Auflösung, bis 1784 gerade einmal vier Meister gezählt wurden, 1802 immerhin wieder elf.140 Die Dresdner Tuchmacherinnung hatte bei ihrer Gründung, die vor dem Jahr 1380 liegen muss, bereits das Recht des Gewandschnitts erlangt und damit ihren Höhepunkt mehr oder weniger erreicht. Zu dieser Zeit zählte sie knapp 50 Meister und wurde im Spätmittelalter schnell von zahlreichen anderen Dresdner Handwerken überflügelt, nicht zuletzt aufgrund der städtischen Entwicklung zur landesherrlichen Residenz. Die Bedürfnisse des Hofes deckten eher Luxus-, Spezialund Versorgungsgewerbe. Blaschke gibt bis zum Ende des 15. Jahrhunderts einen Anstieg der Meisterzahlen auf 65 an; andere Autoren sehen bereits zu dieser Zeit einen ersten Niedergang.141 In den 1570er Jahren war jedenfalls kaum ein Dutzend Meister aktiv im Handwerk tätig. Während etwa noch einmal so viele Personen formelle Zunftmitglieder waren, entwickelten sich die Meisterzahlen im 17. und 18. Jahrhundert uneinheitlich auf recht niedrigem Niveau.142 Schließlich waren 1808 genau 21 Meister fassbar. Ende 1831 mühten sich nur noch sieben Tuchmachermeister, davon fünf ohne jegliche Hilfskräfte (Alleinmeister).143 Zu Ende des 18. Jahrhunderts verstärkte sich die handwerkliche Konkurrenz durch großgewerbliche Manufakturen, deren Errichtung häufig selbst durch vormals zünftige Tuchmachermeister initiiert worden war. Vor allem in Dresden sorgten frühe und zudem staatlich geförderte Produktionsanlagen wie die 1679  139 KELLER (Materielle Lebensverhältnisse) 1987, S. 10. – STRASSBURGER (Tuchhandel) 1915, S. 30f. 140 StadtAL, Rb 2 (N. F. 1802), Bl. 121. – StadtAL, Tit. LXIV (F) 220, Bl. 87. – StadtAL, Tit. LXIV (K) 314, Bl. 35. – BÖHME, Adam Friedrich: Beschreibung der Stadt Leipzig. Leipzig 1784, S. 158. – KELLER (Materielle Lebensverhältnisse) 1987, Anhang Tabelle 1. – PROCHNO (Bevölkerungswesen) 1919, S. 82f. – STRASSBURGER (Tuchhandel) 1915, S. 71. – WUSTMANN, Gustav: Geschichte der Stadt Leipzig, Bd. 1. Leipzig 1905, S. 287. 141 BLASCHKE (Wirtschaft und Verfassung) 2005, S. 166. – BUTTE, Heinrich: Geschichte Dresdens bis zur Reformationszeit (= Mitteldeutsche Forschungen, Bd. 54). Köln, Graz 1967, S. 75. – FLEMMING (Entstehung) 1896, S. 273. – RICHTER (Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte I) 1885, S. 70 Anm. 1. 142 StadtAD, 11.2.66, Nr. 37, Bl. 127. – StadtAD, RA, F. XXII. 4b, S. 81. – FLEMMING (Entstehung) 1896, S. 273. – HASCHE, Johann Christian: Diplomatische Geschichte Dresdens von seiner Entstehung bis auf unsere Tage. Fünfter Theil. Dresden 1820, S. 531, 538. – RICHTER (Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte I) 1885, S. 210–212. 143 StadtAD, 11.2.66, Nr. 64, Bl. 6b–7b. – Statistischer Verein für das Königreich Sachsen: Mittheilungen des statistischen Vereins für das Königreich Sachsen. Bd. 1, Zweite Lieferung, enthaltend die bürgerlichen und Local-Verhältnisse der Haupt- und Residenzstadt Dresden. Leipzig 1832, S. 38.

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errichtete städtische Wollmanufaktur und die nach 1686 begründete Tuchmanufaktur für eine angespannte Lage des Absatzmarktes. Dagegen fehlte weitestgehend eine heimgewerbliche Tucherzeugung.144

B) Leineweber Da Wollgewebe verhältnismäßig teuer waren, galt Leinwand im Mittelalter und zu Beginn der frühen Neuzeit als wichtigster gewebter Stoff. Für die Leinenweberei waren im Untersuchungszeitraum einige elementare Trends festzuhalten. Im Gegensatz zum überwiegend städtisch geprägten Tuchmacherhandwerk blieb die Leinenweberei lange Zeit ein dem ländlichen Raum weitgehend verhaftetes (Heim-)Gewerbe. Verhältnismäßig verbreitet war der Flachsanbau beispielsweise im Erzgebirge, weshalb die dortige Leinwandproduktion bereits früh einen recht bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstellte. Während im Spätmittelalter viele Weber in die aufstrebenden Städte wanderten, war die Garnerzeugung vor allem auf den Dörfern verortet. Mit der Etablierung von Handwerksorganisationen in verwandten Gewerben suchten nunmehr auch die städtischen Weber durch gleichwertige Gründungen den ihnen anhaftenden Makel der „Unehrlichkeit“145 zu überwinden und eigene Interessen besser durchzusetzen. Ab dem 16. Jahrhundert verschoben sich die Produktionsschwerpunkte jedoch wieder von einer zünftig-städtischen zu einer verlegten ländlichen Produktion und damit in das urbane Umland. Daneben erfuhr die städtische Weberei selbst tief greifende strukturelle Verschiebungen, indem sich die Ausgangsstoffe, die Organisation der Produktion und das Erzeugnisspektrum mehrfach wandelten. Verarbeitet wurden in der mittelalterlichen Leinenweberei Pflanzenfasern, vorrangig aus Flachs, wogegen die grobe Hanfleinwand in der frühen Neuzeit kaum mehr für Kleidungsstücke Verwendung fand. Bis zum 18. Jahrhundert löste die Baumwolle den Flachs als Rohstoff zunehmend ab.146 Die sächsische Region zählte zu den größten Leinenerzeugungszonen im deutschsprachigen Raum.147 Neben den beiden Lausitzen stach besonders der  144 BECHTEL (Wirtschaftsstile) 1967, S. 340. – RICHTER-NICKEL (Handwerk) 2006, S. 83, 87. 145 Zur berufsständischen „Unehrlichkeit“ der Leineweber siehe: MATING-SAMMLER, Alfred: Der Kampf der kursächsischen Leinweber um die Ehrlichkeit ihres Handwerks (= Beigabe zum Programm der Realschule zu Rochlitz, Programmnummer 482). Rochlitz 1879. – WISSELL (Recht und Gewohnheit I) 1971, S. 408–413. Beispiele zu Ehrkonflikten bei den Dresdner bzw. Leipziger Leinewebern in: HERMANN, Konstantin: „Unehrliche Leute“ – Ausgrenzungen in der frühen Neuzeit. In: Dresdner Hefte. Beiträge zur Kulturgeschichte 26/2007, H. 89, S. 20–22. – KORGE, Marcel: Der gute Ruf des Handwerks: Normative Ehrvorstellungen und soziale Praxis in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Das Beispiel der Leipziger Schneider- und Goldschmiedeinnung (1470–1730) (= Thematische Schriften-Reihe „Historische Studien“, Bd. 5). Leipzig 2010, S. 50f., 56. 146 PALLA, Rudi: Falkner, Köhler, Kupferstecher. Ein Kompendium der untergegangenen Berufe. Frankfurt am Main 1997, S. 195. 147 REITH (Lohn und Leistung) 1999, S. 124f.

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Raum um Chemnitz hervor. Die Chemnitzer Leineweberei erlebte aufgrund des großen Bleichprivilegs von 1357 ihren Durchbruch und ließ die konkurrierende Tuchmacherei hinter sich. Die durch das Bleichmonopol eingeleitete weitgehende Trennung der unmittelbaren Produzenten vom Absatzmarkt, da diese häufig den zeitlichen und finanziellen Aufwand des Bleichprozedere scheuten, führte frühzeitig zu einer von Verlagsbeziehungen geprägten Gewerbestruktur.148 Zahlreiche Leineweber siedelten sich, durch die umfassenden Privilegien angelockt, in unmittelbarer Nähe der Bleiche an. Sie stellten aus Flachsgarn Linnen her, das durch Bleichen, Walken und Mangeln in ein weißes, glattes Textilprodukt verwandelt wurde. Innerhalb des Gewerbes stiegen einige kapitalkräftigere und klug agierende Meister neben den oberdeutschen Handelsinvestoren rasch zu Fernhändlern und Verlegern auf. Sie agierten als Faktoren und Handelspartner vor Ort und konnten durch die Vergabe von Garn- und Finanzvorschüssen andere Meister in den Städten und Dörfern in ökonomische Abhängigkeit bringen. Sie nahmen ihnen die Halbfabrikate vor dem Bleichen ab und verkauften die gebleichten Stücke. Schon seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert wurde in Chemnitz, Mittweida und anderen sächsischen Städten für die süddeutschen Verlagshäuser produziert.149 Durch landesherrliche Anordnungen (1472, 1477 u. ö.) sollte die ländliche Konkurrenz mehrfach eingedämmt werden. Zwar konnte dies nicht verhindern, dass die privilegierte Landesbleiche weiterhin durch nicht genehmigte ländliche Winkelbleichen und mangelhafte Produktivität in Schwierigkeiten geriet. Sie musste 1478 durch den Rat der Stadt übernommen und von diesem befristet ver 148 BRÄUER (Chemnitz zwischen 1450 und 1650) 2005, S. 100. – HEITZ, Gerhard: Gründung, Kapazität und Eigentumsverhältnisse der Chemnitzer Bleiche (1357 bis 1471). In: KRETZSCHMAR, Hellmut (Hrsg.): Vom Mittelalter zur Neuzeit. Zum 65. Geburtstag von Heinrich Sproemberg. Berlin 1956, S. 266. – KUNZE (Forschungsergebnisse) 1958, S. 9f. Zu den verschiedenen Formen des Verlags im Leinewebergewerbe siehe: AUBIN, Gustav / KUNZE, Arno: Leinenerzeugung und Leinenabsatz im östlichen Mitteldeutschland zur Zeit der Zunftkäufe. Ein Beitrag zur industriellen Kolonisation des deutschen Ostens. Stuttgart 1940, bes. S. 43. 149 BRÄUER (Chemnitz zwischen 1450 und 1650) 2005, S. 102f. – KUNZE (Forschungsergebnisse) 1958, S. 85–88. – SCHÖNE, Bernd: Posamentierer – Strumpfwirker – Spitzenklöpplerinnen. Zu Kultur und Lebensweise von Textilproduzenten im Erzgebirge und im Vogtland während der Periode des Übergangs vom Feudalismus zum Kapitalismus (1750–1850). In: WEINHOLD, Rudolf (Hrsg.): Volksleben zwischen Zunft und Fabrik. Studien zur Kultur und Lebensweise werktätiger Klassen und Schichten während des Übergangs vom Feudalismus zum Kapitalismus (= Veröffentlichungen zur Volkskunde und Kulturgeschichte, Bd. 69). Berlin 1982, S. 112. – VIERTEL / WEINGART (Chemnitz) 2002, S. 30. Einen gewichtigen Unterschied zum Verlagswesen betonen Aubin und Kunze. Bei der ostmitteldeutschen Weberei hätte die Leinwandproduktion als Lohnhandwerk nicht die klassische Verlagsdimension erreicht. Die alte gewerbliche Produktionsform sei „in ihrem Kern unberührt“ und der Handwerksmeister wäre weitgehend selbstständig geblieben. Erste Züge des Übergangs zum Verlagssystem, in dem Garne verwendet würden, die vom Verleger vorschussweise dem Produzenten zur Verfügung gestellt würden, schlugen in ihrer grundsätzlichen ökonomischen Bedeutung nicht durch, u. a. aufgrund der großen Konkurrenz unter den Verlegern. Eine Gefährdung der Selbstständigkeit sehen beide Autoren erst nach 1650. AUBIN / KUNZE (Leinenerzeugung) 1940, S. 276–279.

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pachtet werden, was deren Niedergang allerdings nicht aufhielt.150 Doch ungeachtet dessen erfuhr die sich mittlerweile in der Stadt konzentrierende Leinenweberei keinen Einbruch. Ihre zünftige Organisation hatte durch die obrigkeitliche Unterstützung gegenüber dem freien Landgewerbe an Boden gewonnen und bestand in Chemnitz 1494 bereits aus 66 Meistern.151 Als die Konsumenten aufgrund der Modeentwicklung statt Bleichleinwand farbenfrohere und anschmiegsamere Gewebe favorisierten, wurde die Produktion besonders nach 1532 auf Farbleinwand und das aus Baumwolle und Flachsgarn bestehende Mischgewebe Barchent umgestellt.152 Eine frühere Barchenterzeugung, die sich auf importierte Baumwolle aus dem östlichen Mittelmeerraum gestützt hatte, war Anfang des 15. Jahrhunderts eingegangen. Nun war dem wärmenden, dichteren Mischgewebe ein größerer Erfolg beschieden.153 Die produktionsstarke Chemnitzer Innung umfasste 1539 allein 129 Leinewebermeister. In ihrer Funktion als Kreislade gehörten ihr mehrere sächsische Städte an, darunter Leipzig und Freiberg.154 Um 1600 erzwang ein neuer Geschmack den Übergang von gemeinem, glattem Barchent, dessen Herstellung in Chemnitz 1627 einging, und Farbleinwand zu Bombasin-Barchent in verschiedenen Farben.155 Zugleich stellten die Leineweber die Produktion auf leichte, niederländische Wollzeuge um, weshalb ihre Bezeichnung fortan „Zeug- und Leineweber“ lautete. Die Konflikte mit den Tuchmachern um die Produktion von halbwollenen und wollenen Zeugen gingen mindestens bis in die 1580er Jahre zurück. Kurzfristige Erfolge der Tuchmacher hielten nicht lange vor. Anfang des 17. Jahrhunderts und nochmals 1723 gelang den Webern die weitgehende Durchsetzung ihrer Interessen. Ein Wiederaufschwung des Leinewebergewerbes, nun aber in der Produktion von wollenen und halbwollenen Zeugen, war die Folge.156  150 BRÄUER (Chemnitz zwischen 1450 und 1650) 2005, S. 100. 151 MASCHNER (Chemnitzer Weberei) 1917, S. 11. 152 BRÄUER (Chemnitz zwischen 1450 und 1650) 2005, S. 102. – KUNZE (Forschungsergebnisse) 1958, S. 23. – MASCHNER (Chemnitzer Weberei) 1917, S. 19. Die kurzfristig bestehende selbstständige Barchentweberinnung bestand nicht lange. AUBIN / KUNZE (Leinenerzeugung) 1940, S. 293. 153 KUNZE (Forschungsergebnisse) 1958, S. 48f. 154 MASCHNER (Chemnitzer Weberei) 1917, S. 11. Waren einzelne örtliche Handwerke nicht mitgliederstark genug, um lebensfähige eigene Innungen zu gründen, konnten sich mehrere Ortsverbände zusammenschließen und an bedeutenderen Produktionsstandorten Kreis- oder Hauptladen errichten. Hauptladen konnten auf mehreren Bei- oder Nebenladen aufbauen. Die Organisationsmöglichkeiten im Zunfthandwerk gestalteten sich sehr vielfältig. Vgl. KÖPPEL, Martin: Orts-, Kreis- und Landesinnungen des 15. bis 17. Jahrhunderts in Plauen (Vogtland). In: Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Altertumskunde 57/1936, S. 180–186. – STOCK, Ch. L.: Die Gewerbsgilden, Innungen und Handwerksvereine vom Mittelalter ab bis 1731. Zweiter Artikel. In: Neue Jahrbücher der Geschichte und Politik 1842 [ND 2005], Bd. 2, S. 341–344. 155 KUNZE (Forschungsergebnisse) 1958, S. 52. – SCHIRMER (Wirtschaftliche Situation in Kursachsen) 1998, S. 77. – Ders. (Wirtschaftliche Wechsellagen) 2000, S. 305. 156 MASCHNER (Chemnitzer Weberei) 1917, S. 19. – ZÖLLNER (Handelsstadt Chemnitz) 1888, S. 204f., 417.

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Die Chemnitzer Leineweberzunft blieb bis 1630 die weithin stärkste Weberzunft im östlichen Mitteldeutschland.157 Auf ihrem Höhepunkt angelangt, zählte die Zunft 1611 244 Meister, 1612 248 Meister und 1623/24 sollen es sogar ca. 300 Meister und Meisterwitwen gewesen sein.158 Die Herstellung der Barchentstoffe wurde bis 1600 und diejenige von Bombasin-Barchenten ab etwa 1600 bis zum Dreißigjährigen Krieg ausgeweitet,159 während reines Leinengewebe schon Ende des 16. Jahrhunderts weniger als ein Viertel innerhalb der Gesamtproduktion ausmachte.160 Im Krieg auf das schwerste getroffen, erholte sich das Gewerbe in der zweiten Jahrhunderthälfte wieder leicht. Die knapp 50 Leinewebermeister,161 welche das Kriegsende erlebt hatten, wandten sich nun der Erzeugung reiner Baumwollgewebe und ab Anfang des 18. Jahrhunderts u. a. der Kattunanfertigung zu. Mit der Einrichtung zusätzlicher Bleichen in der Stadt erfuhr die Leinenweberei sogar einen neuen Aufschwung.162 Für die städtischen Weber waren diese gewerbespezifischen Entwicklungen von vorübergehender Natur. Denn wenngleich im 18. Jahrhundert die städtische Barchent- und Baumwollweberei grundsätzlich zu den großen Versorgungsgewerben zählte und die Meister- und Gesellenzahlen stiegen, nahm ihre relative Bedeutung unaufhaltsam ab. Waren Ende des 17. Jahrhunderts immerhin etwa 70 bis 80 Leinewebermeister und 1723 gut drei Mal so viele in der Stadt beschäftigt,163 dehnten sich die Verlagsbeziehungen seit Langem weit über die Stadtgrenzen aus. Nach dem Siebenjährigen Krieg war die städtische gegenüber der ländlichen Produktion längst ins Hintertreffen geraten. Das Streben nach Kostenverminderung aufgrund aus- und inländischer Konkurrenz begünstigte die ländlichen, meist unzünftigen, billigeren Leinwandproduzenten, deren Zahl bis zum Beginn

 157 KUNZE (Forschungsergebnisse) 1958, S. 76. 158 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 305, S. 135. – KUNZE (Forschungsergebnisse) 1958, S. 99. – MASCHNER (Chemnitzer Weberei) 1917, S. 19. 159 LUDWIG, Jörg: Leipzig als Färbereizentrum in Mitteldeutschland von 1590 bis 1630. In: ZWAHR, Hartmut / SCHIRMER, Uwe / STEINFÜHRER, Henning (Hrsg.): Leipzig, Mitteldeutschland und Europa. Festgabe für Manfred Straube und Manfred Unger zum 70. Geburtstag. Beucha 2000, S. 42. 160 AUBIN / KUNZE (Leinenerzeugung) 1940, S. 292f. 161 1646 zählte die Zunft 46, 1648 47 und 1652 56 Leinewebermeister. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 305, S. 177, 179. – MASCHNER (Chemnitzer Weberei) 1917, S. 19 162 LUDWIG (Färbereizentrum) 2000, S. 42. – VIERTEL / WEINGART (Chemnitz) 2002, S. 45. 163 Im Jahr 1700 besaßen 82 Chemnitzer Meister und Witwen die Innungsmitgliedschaft. Das „Handelsbuch“ der Weber weist nur 70 Meister aus, während die Leichenkasse im gleichen Jahr 96 Meister umfasst haben soll. Gegebenenfalls waren unter diesen 96 Meistern auch einige, die das Handwerk nicht (mehr) aktiv betrieben, sondern ausschließlich die Vorteile der Leichenkasse in Anspruch nahmen. Im Jahr 1723 sind 246 Meister belegt. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 305, S. 200. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 293b–294. – KUNZE, Arno: Vom Frühkapitalismus zur industriellen Revolution. In: Beiträge zur Heimatgeschichte von Karl-Marx-Stadt 13/1965, S. 13, 15. – MASCHNER (Chemnitzer Weberei) 1917, S. 21. – REITH (Lohn und Leistung) 1999, S. 125.

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des 19. Jahrhunderts weiter stieg.164 Die Innung wies im Jahr 1800 dennoch 755 Webermeister als Mitglieder aus,165 da man zunehmend Landmeister in die Zunft aufnahm. Die Lebenssituation der Zunftmitglieder unterschied sich aber gravierend voneinander. In der Stadt hatte die soziale Differenzierung viele Meister dazu veranlasst, sich bei besser situierten Arbeitskollegen als Lohnweber bzw. gesellenweise zu verdingen, sodass die Schlüsselpositionen in den Verlagsbeziehungen statt durch Großhändler nun von zünftigen Webermeistern besetzt wurden.166 Bei weiter steigenden Handwerkerzahlen nahm der Anteil selbstständiger Leineund Zeugwebermeister bis 1830 fortschreitend ab; die Wege individueller Verarmung waren dabei durchaus vielfältig.167 Zur Versorgung der Textilproduzenten wurden um die Stadt Spinnereien errichtet, sodass innerhalb eines Radius von vier Meilen um 1800 etwa 15.000 Spinnereien gezählt werden konnten.168 Zu dieser Zeit hatte die Anzahl der zünftigen Webermeister die Marke von eintausend überschritten. Insgesamt hatte die Innung inklusive Witwen, Gesellen und Lehrlingen fast 1.900 Mitglieder, was einem Anteil von ca. 18 Prozent der Chemnitzer Bevölkerung entsprach! Werden Ehefrauen und Kinder in die Berechnung einbezogen, denn nur unter deren Mitarbeit konnte ein schlecht bezahlter Webermeister seine Familie finanzieren, so war wohl insgesamt ein Drittel der Stadtbevölkerung in der Zeugweberei tätig.169 Das starke Wachstum der städtischen und mehr noch der ländlichen Weber hatten eine wichtige Ursache in der erst spät einsetzenden Technisierung der Weberei. Anders als bei der Garnerzeugung konnte der maschinelle Einsatz in der sächsischen Weberei erst um 1830 wirklich Fuß fassen, erste zaghafte und eher experimentelle Einsätze von Webmaschinen hatte es ungefähr seit 1815 gegeben.170 Somit zeichnete sich Chemnitz Anfang des 19. Jahrhunderts als ausgeprägte Weberstadt aus. Der anhaltende, gewinnbringende Fernhandel in Leipzig zog ein schwach ausgebildetes Verlagssystem nach sich, denn durch die Möglichkeiten des Messewesens bestanden für die Leineweber gute Absatzmöglichkeiten. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts tauchten dennoch einige verlagsmäßige Gruppen- und  164 BRÄUER (Landes-Oeconomie-, Manufactur- und Commercien-Deputation) 1990, S. 59–63. – REITH (Lohn und Leistung) 1999, S. 125. 165 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 296. 166 KARLSCH / SCHÄFER (Wirtschaftsgeschichte) 2006, S. 19. – SCHOLZ (Handwerk und Manufaktur) 1991, S. 13–18. 167 SCHLENKRICH, Elke: Verarmung Chemnitzer Leineweber im 18. Jahrhundert. In: CSIFFÁRY, Gergely / DÓKA, Klára (Hrsg.): Tanulmányok a kézmĦipar történetébĘl. Veszprém 1999, S. 324–327. – STRAUSS, Rudolph: Im 19. Jahrhundert verarmen die Chemnitzer Webermeister – Ausdruck dafür sind menschenunwürdige Wohnverhältnisse. In: Volksstimme. Organ der Bezirksleitung Karl-Marx-Stadt der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Karl-MarxStadt 10/1955, Nr. 283. 168 BRÄUER (Chemnitz zwischen 1450 und 1650) 2005, S. 104. 169 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 299. – SCHLENKRICH (Verarmung Chemnitzer Leineweber) 1999, S. 322. – SCHOLZ (Handwerk und Manufaktur) 1991, S. 8, 10. – STRAUSS (Chemnitzer Arbeiter) 1960, S. 13. 170 KARLSCH / SCHÄFER (Wirtschaftsgeschichte) 2006, S. 31.

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Einzelverträge auf.171 Kurze Zeit später profitierten die ca. 30 bis 40 Leineweber von der Veränderung des Produktionssortiments, sodass ihr Gewerbe Mitte des 16. Jahrhunderts einen spürbaren Aufschwung erlebte.172 Bezüglich der Meisterzahlen erreichte die Leineweberinnung ihre maximale Entfaltung Anfang des 17. Jahrhunderts mit etwas über 70 Personen. Diesen Stand stellte die Korporation nach dem Schock des 30 Jahre währenden Krieges erst einmal erneut wieder ein. Im 18. Jahrhundert gelang allerdings keine mit Chemnitz vergleichbare flexible Entwicklung der Produktion, weshalb die Leipziger Leineweberzunft am Ende des 18. Jahrhunderts beinahe in der Bedeutungslosigkeit versank. Um 1800 wurden hier weniger als zehn Webermeister gezählt.173 In Dresden etablierten sich die Leineweber als letzte unter den im 15. Jahrhundert existierenden neun Zünften.174 Ähnlich wie in Leipzig blieb das Verlagswesen relativ schwach entwickelt. Ganze Zunftkäufe, bei denen Verleger die Gesamtproduktion der Mitglieder einer Handwerksorganisation aufkauften, gab es kaum.175 Die um 1600 bis auf etwa 100 Leineweber angewachsene Dresdner Meisterschaft büßte aber durch den Dreißigjährigen Krieg in einem solchen Maß dauerhaft an Wirtschaftskraft ein, dass so gut wie keine Gesellen mehr gefördert werden konnten. Am Ende des 17. Jahrhunderts betrug die Mitgliederzahl kaum die Hälfte des Vorkriegsstandes und von diesen wenigen Meistern führten die ärmeren zwangsweise Auftrags- und Verlagsarbeiten ihrer reicheren Zunftgenossen aus.176 Die Zahl der Innungsmitglieder nahm bis Ende 1831 auf 26 (arbeitende) Meister weiter ab, unter denen 19 als armselige Alleinmeister tätig waren.177 Mit der landesherrlich abgesegneten Errichtung einer Bleiche mit Mangelund Färbehaus für Leinwand und ihrer ersten vom Rat konfirmierten Handwerksordnung überschritten die Zwickauer Leineweber bereits Anfang des 16. Jahrhunderts ihren Höhepunkt. Bis weit in das 18. Jahrhundert hinein bewegten sich die Mitgliederzahlen auf niedrigem Niveau unterhalb von 15 Meistern. Erst mit der Übernahme der Produktion von baumwollenen Zeugen, der ökonomischen Begünstigung durch die Kontinentalsperre und schließlich dem Eintritt in den Deut 171 AUBIN / KUNZE (Leinenerzeugung) 1940, S. 298. 172 KELLER (Materielle Lebensverhältnisse) 1987, S. 10. – PROCHNO (Bevölkerungswesen) 1919, S. 82f. – WUSTMANN (Geschichte der Stadt Leipzig) 1905, S. 287. 173 AUBIN / KUNZE (Leinenerzeugung) 1940, S. 298. – BÖHME (Beschreibung) 1784, S. 156. – LEONHARDI, Friedrich Gottlob: Geschichte und Beschreibung der Kreis- und Handelsstadt Leipzig nebst der umliegenden Gegend. Leipzig 1799, S. 273. 174 Die erste Innungsordnung der Dresdner Leineweber wurde Ende 1472 konfirmiert. BUTTE (Geschichte Dresdens) 1967, S. 145. 175 AUBIN / KUNZE (Leinenerzeugung) 1940, S. 308. 176 StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 2, Bl. 116b–117. – FLEMMING (Entstehung) 1896, S. 276. – HASCHE, Johann Christian: Magazin der sächsischen Geschichte. Erster Theil oder erstes bis zwölftes Stück. Dresden 1784, S. 476b. – NICKEL (Wirtschaft) 1986, S. 54. – RICHTER (Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte I) 1885, S. 211. – SPARMANN (Dresden) 1914, S. 85. 177 Statistischer Verein (Mittheilungen II) 1832, S. 38.

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schen Zollverein stiegen die Meisterzahlen auf etwa 40 Meister am Ende des Untersuchungszeitraums.178

C) Färber, Tuchscherer, Tuchbereiter Eng mit den Handwerken der Textilherstellung waren verschiedene textilveredelnde Gewerbe verbunden. Nicht alle organisierten sich in eigenen Handwerkszünften bzw. Gesellenschaften. Oft mangelte es an einer gewissen Mindestgröße, auch war der gewerbliche Verselbstständigungsprozess nicht immer gern gesehen. Die Tätigkeitsbereiche in der Textilveredelung konnten sich überschneiden, sodass es zu vielfachen Abgrenzungskonflikten kam. Zumeist bevorzugten die Kunden der Weber und Tuchmacher gefärbte Textilien. Die Herstellungsverfahren boten unterschiedlich günstige Ansatzpunkte für eine Verselbstständigung des Färbewesens.179 Anfangs färbten die Tuchmacher ihre Waren in Färbekesseln jeder selbst.180 Mit wachsenden Anforderungen errichteten die Meister schließlich Färbehäuser, die teilweise der Innung gehörten, teilweise in Privatbesitz standen. Die Chemnitzer Tuchmacher besaßen um 1590 ganze vier Färbereien. Sie mussten jedoch nach und nach all ihre Färbehäuser verpachten bzw. verkaufen.181 Während die Färberei mit der Tuchproduktion lange in enger Verbindung stand, konnte sich die Schwarzfärberei, die ausschließlich Leinwand färbte, von den Leinewebern lösen. Erste, jedoch bald wieder unterdrückte Leinwandfärbeversuche gab es bereits Mitte des 15. Jahrhunderts in Chemnitz. In Leipzig wurden Färber erstmals 1469 und Schwarzfärber 1506 erwähnt. Zuvor färbten die Webermeister die wenigen, benötigten Garne meist selbst. Mit der verstärkten Nachfrage nach Farbleinwand etablierten sich im 16. Jahrhundert ebenfalls verschiedene innungseigene Färbehäuser, so in Chemnitz in den 1520er Jahren. Die dort beschäftigten Leinwandfärber gehörten damals entweder der Weberinnung an oder waren gänzlich unzünftig. Sie traten 1557 zu einer landesherrlich konfirmierten Landesinnung mit Hauptsitz in Chemnitz zusammen. Daneben bestanden manche Innungsfärbehäuser bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts fort. Die  178 GEYER, [o. V.]: Alt-Zwickauer Erwerbszweige II. In: Zwickauer Geschichtsblätter. Monatsbeilage des „Zwickauer Tageblatt und Anzeiger“ vom 17.10.1926. – HERZOG (Chronik I) 1839, S. 236, 240, 242 Anm. 1. – Ders. (Chronik II/1) 1845, S. 556. – Ders. (Chronik II/2) 1845, S. 567. – KUMMER (Gewerbe und Zunftverfassung) 1921, S. 27. – LÖFFLER / PESCHKE (Chronik) 1993, S. 264. 179 Nach Ludwig würde die Leinwand anders als bei den Tuchmachern erst nach Abschluss der Weberei gefärbt werden. LUDWIG (Färbereizentrum) 2000, S. 43. Tatsächlich wurden aber häufig gefärbte Garne verwoben, um gemusterte Textilien herzustellen. Vgl. KUNZE (Forschungsergebnisse) 1958, S. 23. 180 ERMISCH (Urkundenbuch) 1879, S. 167. 181 BRÄUER, Helmut: Handwerk im alten Chemnitz. Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Chemnitzer Handwerks von den Anfängen bis zum Beginn der industriellen Revolution. Chemnitz 1992, S. 40. – MASCHNER (Chemnitzer Weberei) 1917, S. 38–40, 45f.

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Zahl der selbstständigen Schwarzfärbermeister, die über ein beträchtliches Betriebskapital zum Führen der Färbehäuser verfügen mussten, war sehr begrenzt. Beschäftigung fand dagegen eine größere Menge an zünftigen und unzünftigen Hilfskräften. Der Kosten- und Konkurrenzdruck verschlechterte die Lage der Färberei, sodass auch die anfangs stattlichen Chemnitzer Einrichtungen langsam niedergingen.182 Um 1600 konzentrierte sich das sächsische Schwarzfärbergewerbe zunehmend in Leipzig, nicht zuletzt durch einfließendes Handelskapital. Durch den berühmten Kaufmann Thomas Lebzelter (um 1570–1632) wurde 1612 eine erste Leipziger Großfärberei errichtet, in der neben Färbern auch Tuchbereitergesellen angestellt waren. Mit dem Tod des Gründers und weiteren Rückschlägen (Kapitalmangel, mehrfache Kriegsverwüstungen) ging die Anlage ein.183 Die Stadt Leipzig, in der sich eine der Kreisladen der Landesinnung befand, blieb jedoch das sächsische Färbezentrum und konnte 1720 ganze 21 Schwarz- und Schönfärbereien vorweisen, wenngleich es nicht zur Entwicklung einer protoindustriellen Produktion kam.184 Dass sich das Handwerk zunehmend auf das Umland ausbreitete, belegen die Meisterzahlen. Im Jahre 1786 gab es in Leipzig gerade noch einen Färbermeister, der gemeinsam mit 39 auswärtigen Meistern die Leipziger Kreislade bildete.185 Gefärbte Tuche wurden durch Tuchscherer, Tuchbereiter und andere Handwerker weiter veredelt. Zu den Aufgaben der Tuchscherer bzw. Tuchbereiter  182 BRÄUER (Lohnarbeiter) 1980, S. 39. – Ders. (Handwerk im alten Chemnitz) 1992, S. 31f. – KUNZE (Forschungsergebnisse) 1958, S. 39. – ZÖLLNER (Zunftverfassung) 1915, S. 35. Laut Curt Wilhelm Zöllner hätten die Chemnitzer Meister jedoch später der Zwickauer Lade angehört, sodass ein Wechsel des Sitzes der Hauptlade denkbar ist. Ders. (Handelsstadt Chemnitz) 1888, S. 366. Zur Zeit der Gründung der Landesinnung gab es in Leipzig drei Färbermeister mit zehn Gesellen, 1592 stiegen die Zahlen auf acht Meister und 18 Gesellen, bis schließlich allein in der Lebzelterschen Färberei zehn Meister mit 65 Arbeitskräften Beschäftigung fanden. Im Dreißigjährigen Krieg ging die Zahl der zünftigen Meister auf fünf zurück, auch eine Witwe war noch Innungsmitglied. Bis zum Ende des Ancien Régime konnten die Lebzelterschen Dimensionen in der Stadt nicht wieder erreicht werden. StadtAL, Inn Färber B 3, Bl. 48. – LUDWIG (Färbereizentrum) 2000, S. 50. – ZWIEDINECK-SÜDENHORST, Otto von: Die Färberei in Leipzig. In: BÜCHER, Karl (Hrsg.): Untersuchungen über die Lage des Handwerks in Deutschland mit besonderer Rücksicht auf seine Konkurrenzfähigkeit gegenüber der Großindustrie. Fünfter Band. Königreich Sachsen (= Schriften des Vereins für Socialpolitik, Bd. 66). Leipzig 1896, S. 223f. In Dresden waren vor dem Dreißigjährigen Krieg bis zu fünf Schwarzfärber beschäftigt. Danach schwankten die Meisterzahlen zwischen vier und acht. Sie verbanden sich schließlich mit den (Kattun-)Druckern. StadtAD, 11.2.16, Nr. 9, Bl. 9. – StadtAD, RA, C. XXXII. 17, [unpag.]. – FLEMMING (Entstehung) 1896, S. 280. – HASCHE (Diplomatische Geschichte V) 1820, S. 538. – RICHTER (Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte I) 1885, S. 210f. 183 SCHMERTOSCH VON RIESENTHAL, Richard: Thomas Lebzelter, ein Leipziger Handelsherr aus dem Anfange des 17. Jahrhunderts. In: Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Altertumskunde 32/1911, S. 75. 184 LUDWIG (Färbereizentrum) 2000, S. 44–55. 185 StadtAL, Inn Färber B 4, Bl. 75. Nach Leonhardi waren zu dieser Zeit immerhin zwei Leipziger Färber vorhanden. LEONHARDI (Geschichte und Beschreibung) 1799, S. 274.

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konnte das Aufrauen, das Abschneiden der zu weit nach dem Aufrauen herausragenden Wollfasern, das Glätten und Pressen der Tuche gehören. Diese Handwerker hatten selten den Status eines selbstständigen Meisters. Viel häufiger waren sie als Lohnwerker im Kundenauftrag tätig. Aufgrund ihrer geringen Anzahl lehnten sie sich organisatorisch meist an andere Handwerke wie Tuchmacher oder Schneider an.186 Traten Tuchbereiter und Tuchscherer parallel zueinander auf, so appretierten Erstere vermutlich eher feinere, Letztere vorrangig gewöhnlichere Tuche.187 In Sachsen bildeten die Tuchscherer mit den Scherenschleifern eigene Innungen, die sich 1587 zu einer kursächsischen Landesinnung zusammenfanden, die wiederum aus Kreisladen in Dresden, Chemnitz, Wittenberg usw. aufgebaut war.188 In der Färberei von Thomas Lebzelter arbeiteten Anfang des 17. Jahrhunderts einige Tuchbereitergesellen unter einer, wie Ludwig es ausdrückt, ersten „Leipziger Fabrikordnung“.189 Nach dem Eingehen der Lebzelterschen Anlage begünstigte anscheinend das Messewesen das relativ konstante Fortbestehen einer kleinen Gruppe von Tuchscherern und Tuchbereitern, obwohl das Tuchmachergewerbe in Leipzig längst im Schwinden begriffen war.190 In Zwickau waren aufgrund der starken Tuchmacherei 1540 schon drei, 1716 sogar zwölf Tuchscherer existent191 und in Dresden konnten im 16. und 17. Jahrhundert zwischen drei bis fünf, Ende 1831 sogar 14 Tuchscherer (davon neun mit Hilfskräften) nachgewiesen werden.192  186 REITH (Lohn und Leistung) 1999, S. 148. – STRASSBURGER (Tuchhandel) 1915, S. 31f. Zum Tuchscherergewerbe generell und der Leipziger Innung im Besonderen siehe: KUTSCHBACH (Tuchscherer-Innung) 1931. 187 PALLA (Kompendium) 1997, S. 337. 188 ZÖLLNER (Handelsstadt Chemnitz) 1888, S. 350. – ZÖLLNER (Zunftverfassung) 1915, S. 34. In Leipzig bestand mit den Scherenschleifern spätestens ab 1545 eine gemeinsame Innung. Kutschbach vermutet eine Innungsgründung bereits mehrere Jahrzehnte zuvor. KUTSCHBACH (Tuchscherer-Innung) 1931, S. 12, 16. 189 LUDWIG (Färbereizentrum) 2000, S. 53–55. 190 Am Ende des 15. Jahrhunderts beschäftigten drei Tuchscherer noch 13 Gesellen und zwei Lehrlinge. Zur Zeit der Innungsgründung waren sechs Meister vorhanden, doch verringerte sich deren Anzahl aufgrund von Arbeitsmangel wieder, bis im 18. Jahrhundert meist drei oder vier Meister vorhanden waren. Daneben betätigten sich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts durchgängig sechs bis zehn Tuchbereiter und nach dem Siebenjährigen Krieg etwas weniger. Im Jahr 1816 saßen gerade einmal noch drei Meister in der Innung. StadtAL, Inn Tuchbereiter B 1. – StadtAL, Inn Tuchbereiter B 2, S. 1–9. – StadtAL, Inn Tuchbereiter B 3. – BÖHME (Beschreibung) 1784, S. 158. – KUTSCHBACH (Tuchscherer-Innung) 1931, S. 17, 52. – PROCHNO (Bevölkerungswesen) 1919, S. 84f. – WUSTMANN (Geschichte der Stadt Leipzig) 1905, S. 286f. 191 StadtAZ, X, 50, 28, [unpag.]. – HERZOG (Chronik I) 1839, S. 241. – KUMMER (Gewerbe und Zunftverfassung) 1921, S. 27. 1705 ist bei Herzog von zwei Tuchbereitern und zehn Tuchscherern in Zwickau die Rede. Eventuell gehörten beide Berufe der gleichen Innung an, sodass sieben Jahre später von zwölf Innungsmitgliedern auszugehen ist. HERZOG (Chronik II/2) 1845, S. 567. 192 StadtAD, RA, F. XXII. 4b, S. 83. – HASCHE (Diplomatische Geschichte V) 1820, S. 538. – Statistischer Verein (Mittheilungen II) 1832, S. 38.

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D) Posamentierer „Posamentierer (auch Bortenmacher, Bortenwirker, Bandmacher, Bandweber, Schnürmacher) verfertigten kunstvolle Besatzartikel (Posamenten) wie Borten, Krepinen, Troddeln, Tressen, Bänder, Litzen, Fransen, Quasten und Schnüre aus Seide, Wolle, Baumwolle, Leinengarn 193 oder Zwirn.“

Wie das ökonomisch eng verwandte Spitzenklöppeln entstand die Posamentenherstellung im albertinischen Sachsen als „Ersatz-“ und „Folgegewerbe“ für den zurückgehenden Bergbau und konzentrierte sich im 16. Jahrhundert im Erzgebirge um die Städte Annaberg und Buchholz. Im Vergleich zu der meist von Frauen praktizierten, prinzipiell unzünftigen Klöppelei, die überwiegend im Nebengewerbe ausgeübt wurde, erreichte das Posamentiererhandwerk nie deren quantitative Dimensionen. Anfang des 19. Jahrhunderts sollen allein im sächsischen Erzgebirge über 30.000 Personen geklöppelt haben.194 Dagegen kam es seit der Mitte des 16. Jahrhunderts zu Innungsgründungen der Posamentierer im Kurfürstentum. Die Annaberger Zunft konnte inklusive der Hilfskräfte eine Stärke von etwa 400 Posamentenherstellern aufweisen,195 doch blieben die Handwerksorganisationen in den Städten nördlich des Erzgebirgskamms deutlich kleiner. Neben der Messestadt Leipzig, in der im 18. Jahrhundert immerhin ein bis zwei Dutzend Meister arbeiteten,196 beflügelte die barocke Lebenshaltung der kursächsischen Residenz die Posamentenherstellung, wodurch sich in Dresden eine beachtliche Gruppe an Posamentierern etablieren konnte. Waren 1617/18 gerade sieben Meister vorhanden und verhinderte der Dreißigjährige Krieg vorerst eine Vergrößerung der Zunft, so stieg deren Zahl bis zum Ende des 17. Jahrhunderts auf ca. 20, auf welchem Niveau die Innungsstärke im 18. Jahrhundert lange Zeit verharrte.197 Erzeugt wurden Posamenten auf den Bortenwirker- bzw. Posamentierstühlen. Die schwierige Beschaffung der Ausgangsmaterialien und die anspruchsvolle Absatzorganisation begünstigten eine verlagsmäßige Durchdringung des Gewerbes.  193 PALLA (Kompendium) 1997, S. 253. 194 KELLER, Katrin: Der vorzüglichste Nahrungszweig des weiblichen Geschlechts: Spitzenklöppeln im sächsischen Erzgebirge als textiles Exportgewerbe. In: REITH, Reinhold (Hrsg.): Praxis der Arbeit. Probleme und Perspektiven der handwerksgeschichtlichen Forschung (= Studien zur Historischen Sozialwissenschaft, Bd. 23). Frankfurt am Main, New York 1998, S. 192. Bereits am Ende des 16. Jahrhunderts sollen sich im sächsischen Erzgebirge etwa 10.000 Personen von diesem Gewerbe ernährt haben. SCHÖNE (Textilproduzenten) 1982, S. 121. 195 Diese Anzahl wurde für das Jahr 1680 ermittelt. Ebd., S. 114. 196 BÖHME (Beschreibung) 1784, S. 157. – LEONHARDI (Geschichte und Beschreibung) 1799, S. 273. 197 StadtAD, 11.2.46, Nr. 75g, S. 1. – StadtAD, 11.2.46, Nr. 75h, Bl. 0 [sic!], 57, 61. – StadtAD, 11.2.46, Nr. 75i. – StadtAD, 11.2.46, Nr. 75o. – Flemming (Entstehung) 1896, S. 291. – RICHTER-NICKEL (Handwerk) 2006, S. 72f. Gesicherte Zahlenangaben zu den drei anderen Städten sind kaum zu finden. In Leipzig waren 1594 sechs Meister, 1683 elf Meister und eine Meisterwitwe und um 1800 zwölf bis dreizehn Meister sowie vier bis fünf Meisterwitwen vorhanden. StadtAL, Inn Posamentierer B 2, Bl. 2. – StadtAL, Tit. XXXI A (F) 1b, Bl. 80– 80b. – StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 307b. – BÖHME (Beschreibung) 1784, S. 157.

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Der Gebrauch des 1667 in Basel erstmals eingesetzten, innovativen Bandmühlenstuhls, auf dem durch eine Kraftbewegung gleichzeitig bis zu 40 Bänder angetrieben werden konnten, wurde unter anderem aus Furcht vor einer zu hohen Produktivität und einem vernichtenden Konkurrenzwettbewerb mehrfach untersagt.198 Am 19. Februar 1685 erging sogar ein kaiserliches Verbotsedikt.199 Erst mit dem Generale vom 20. März 1765 wurden Bandmühlen in Kursachsen wieder zugelassen.200 Seitdem setzte der Übergang der handwerklichen zur manufakturiellen Produktion mit vollem Tempo ein, wenngleich der Widerstand der Innungen bis in das erste Quartal des 19. Jahrhunderts hoch blieb. Die meisten zünftigen Posamentierer sanken dennoch zu einfachen Lohnarbeitern herab, die in Abhängigkeit von den kaufmännischen Kapitalgebern standen. So konnten 1831 allein 13 von 27 Dresdner Posamentierern keine Gesellen oder Lehrlinge mehr beschäftigen.201

E) Schneider Weniger als bei den meisten anderen Handwerken genügten dem Schneider einige kostengünstige Produktionsmittel, um seine Tätigkeit aufnehmen zu können. Durch das niedrige Einstiegs- und Betriebskapital war der praktische Zugang zum Berufsstand leicht zu erlangen, weswegen die Schneider oftmals über die überhandnehmende Konkurrenz (Übersetzung, Pfuscherei) klagten, die sie auf andere Weise zu beschränken suchten. Beispielsweise wurde die beträchtliche Beteiligung von Frauen an der Schneiderarbeit im 15. und 16. Jahrhundert zunehmend aus der offiziellen in die inoffiziell-familiäre Sphäre verdrängt. Da es nicht zu einer gewerblichen Technisierung der Schneiderei kam und sich die Produktion lange Zeit auf den lokalen und regionalen Absatz konzentrierte, war die Entwicklung dieses Handwerks besonders in Mittel- und Kleinstädten an die Bevölkerungsentwicklung gekoppelt. Die Leipziger Schneiderei, deren Ordnung von 1386202 das älteste Innungsstatut der Stadt darstellt, stand noch Mit 198 SCHÖNE (Textilproduzenten) 1982, S. 115. 199 Kayserliches Edict ins Reich, wegen Abschaffung der so genannten Mühl-Stühle, oder Schnur-Mühlen. Wien, den 19.02.1685. In: SENCKENBERG, Heinrich Christian / SCHMAUSS, Johann Jacob (Hrsg.): Teutsche Reichs-Abschiede. Neue und vollständigere Sammlung der Reichs-Abschiede, Welche von den Zeiten Kayser Conrads des II. bis jetzo, auf den Teutschen Reichs-Tägen abgefasset worden, sammt den wichtigsten Reichs-Schlüssen, so auf dem noch fürwährenden Reichs-Tage zur Richtigkeit gekommen sind. In Vier Theilen. Franckfurt am Mayn [1747]. Vierter Theil derer Allgemeinen Reichs-Gesetze, bestehend in denen merckwürdigsten Reichs-Schlüssen Des Noch währenden Reichs-Tags, S. 153f. 200 Generale, Den nachgelassenen Gebrauch derer Schnur-Mühlen oder Band- und MühlenStühle betreffend, d. d. 20. März 1765. In: BENNIGSEN, Rudolph Christian von (Hrsg.): Fortgesetzter Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici [...] bis zum Jahre 1772 [...] Erste Abtheilung. Leipzig 1772, Sp. 893–896. 201 Statistischer Verein (Mittheilungen II) 1832, S. 38. 202 POSERN-KLETT, Karl Friedrich von (Hrsg.): Urkundenbuch der Stadt Leipzig, Bd. 1 (= Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae, Zweiter Haupttheil, Bd. 8). Leipzig 1868, S. 55f.

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te des 15. Jahrhunderts in vergleichsweise hoher Blüte. Sie hatte ab dem Ende des 16. Jahrhunderts aufgrund der gegenüber der Stadtbevölkerung überproportional wachsenden Handwerkerzahl einen Niedergang zu verkraften, der auch durch eine partielle Exportproduktion nicht aufgehalten werden konnte. Dieser Trend provozierte eine erneute Erhöhung der Eintrittsschranken in die Innung.203 In Zwickau bewegten sich die Zahlen der Schneidermeister auf relativ konstantem, niedrigem Niveau zwischen 14 und 25, um erst im 19. Jahrhundert weiter anzusteigen.204 Für Chemnitz wird eine ähnliche Entwicklung vermutet, die von einem vergleichsweise niedrigen Niveau am Ende des 18. Jahrhunderts in einen deutlich kräftigeren Aufwärtstrend mündete.205 Dagegen boten die Städte Leipzig und Dresden zusätzlich belebende Impulse, wodurch die Schneiderei schon im 17. und 18. Jahrhundert zu einem Massenhandwerk anwuchs. In Leipzig waren 1481 erst 34 Schneidermeister vorhanden, wogegen Mitte des 16. Jahrhunderts bereits 50 und vor dem Eintritt Sachsens in den Dreißigjährigen Krieg knapp 100 Meister ihr Einkommen in diesem Handwerk zu erzielen suchten. Wenige Jahre nach dem Krieg wurden die hohen Ausgangszahlen wieder erreicht, nur um noch weiter in die Höhe zu schnellen. 1784 sprach man von knapp 300 Leipziger Schneidermeistern und 1841 sogar von 437.206 Die Dresdner Schneiderei erlebte ein noch dramatischeres Wachstum. Leider fehlen stichhaltige Angaben für das 15. und 16. Jahrhundert. Aufgrund der ziemlich späten Innungsgründung kann für die damalige Zeit von einem vergleichsweise schwach besetzten Schneiderhandwerk ausgegangen werden. Zu Beginn der 1630er Jahre brachen die Meisterzahlen von knapp 100 auf 50 Personen ein, um sich in der Folgezeit nur noch dynamischer zu entwickeln. Um 1800 bezifferte man die Zahl der beschäftigten Innungsmeister mit 380 bis 390, 1817 sogar mit 514. Für das Jahr 1831 berichtete der „Statistische Verein“ schließlich von 599 Dresdner Schneidermeistern.207 Die Entfaltung des höfischen Lebens und die steigenden Ansprüche der adligen und bürgerlichen Bevölkerung ließen die Schneiderei aufblühen, obgleich davon der einzelne Meister kaum über das Existenzminimum hinaus profitieren konnte. Den Berufsstand  203 GERMAR (Schneiderhandwerk) 1918, S. 20f., 34. 204 HAHN, Karl: Die Zwickauer Schneiderinnung. In: Alt-Zwickau 1925, Nr. 6, S. 22, 24. – HERZOG (Chronik I) 1839, S. 240, 242 Anm. 1. – Ders. (Chronik II/2) 1845, S. 567. – KUMMER (Gewerbe und Zunftverfassung) 1921, S. 27. 205 Von 45 Meistern im Jahr 1789 stieg die Zahl der Mitglieder der Chemnitzer Schneiderzunft bis 1831 auf 146 Meister. StadtAC, RA, Kap. III. Sect. VIIb, Nr. 92A, RP 1789, Stück 4, [unpag.] (Schreiben vom 24.02.1789). – StadtAC, RA, Kap. IX. Se 21, Bl. 1. 206 StadtAL, II. Sektion S (F) 2546 (Schriftstück vom 06.03.1841). – StadtAL, Rb 64 (1612– 1613), Bl. 152. – StadtAL, Tit. LXIV (F) 264. – StadtAL, Tit. LXIV (F) 269. – BÖHME (Beschreibung) 1784, S. 157. – GERMAR (Schneiderhandwerk) 1918, S. 48. – PROCHNO (Bevölkerungswesen) 1919, S. 88f. 207 StadtAD, 11.2.54, Nr. 114, Bl. 24. – StadtAD, 11.2.54, Nr. 129, Bl. 22–25. – StadtAD, 11.2.54, Nr. 160, Bl. 41–48. – StadtAD, RA, F. XXII. 4b, S. 67. – FLEMMING (Entstehung) 1896, S. 274f. – LEONHARDI, Friedrich Gottlob: Erdbeschreibung der Churfürstlich- und Herzoglich-Sächsischen Lande. Zweyter Band. Leipzig ³1803, S. 262. – Statistischer Verein (Mittheilungen II) 1832, S. 38.

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bildeten eine breite Schicht armer und ärmerer, zünftiger und unzünftiger Schneider ohne jegliche Hilfskräfte oder mit lediglich einem einzigen Gehilfen, einige wenige besser gestellte Zunft- und Hofschneider mit mehreren Gesellen, Lehrlingen, Lohnjungen und anderen Beschäftigten sowie eine Handvoll Textilfabrikanten. Die Schneiderarbeit wurde meist als Lohnwerk bzw. auf Kundenauftrag im Haus des Auftraggebers in Klein- und Kleinstbetrieben ausgeführt.208 Beliebt war es zudem als bedarfsmäßiges Nebengewerbe. Zeiten der Unter- und Nichtbeschäftigung wechselten sich mit Phasen der Überanstrengung aufgrund eines plötzlichen Auftragsanstiegs unregelmäßig ab. Viele Schneider konnten sich von ihrer Erwerbsarbeit besonders seit dem 18. Jahrhundert nicht oder nicht dauerhaft ernähren, geschweige denn ihre Familien. Anderen gelang es knapp, ihre elementaren Lebensbedürfnisse zu decken, doch jede Krise, jede Krankheit und jeder Zwischenfall konnten sie in existenzielle Nöte stürzen, da es den meisten nicht möglich war, individuelle Vorsorge zu treffen.209 Nach Friedrich Gottlob Leonhardi hätten allein die Schneidermeister und ihre Gesellen um 1800 ein Sechstel aller Dresdner Handwerker ausgemacht.210 Im Übrigen sind die Schneider nicht zu verwechseln mit den Gewandschneidern. Letztere schnitten das gewebte Tuch vom Ballen ab und betrieben den ertragreichen Tuchhandel. Sie kamen ursprünglich häufig aus den Reihen der Schneider oder Tuchmacher und gerieten mit ihnen über den Gewandschnitt und den damit verbundenen Handel in Konflikt. Gelang es den Gewandschneidern, sich gegen ihre Konkurrenten durchzusetzen, bildeten sie im Regelfall „eine Art kaufmännischer Aristokratie“ und trennten sich von den Tuchmachern bzw. Schneidern. Eine Betrachtung der Gewandschneider unterbleibt, da sie eher dem Handels- als dem Handwerksstand zuzuordnen sind.211 Eigenständige Organisationen der Gewandschneider konnten wie in Chemnitz auch fehlen. Hier blieben Tuchmacher und Schneider bis 1470 in einer Innung miteinander verbunden und separierten sich erst, als es den Tuchmachern gelungen war, den alleinigen Tuchhandel an sich zu reißen.212

F) Schuhmacher Dass wie bei Leonhardi die Schneider häufig mit den Schuhmachern in einem Atemzug genannt wurden, stellte keinen Zufall dar. Die Schuhmacher wiesen  208 REITH (Lohn und Leistung) 1999, S. 167. 209 1828 war ein Drittel der Zwickauer Schneider nicht beschäftigt, ein weiteres Drittel nur mit dem Allernötigsten an Arbeit versehen. HAHN (Schneiderinnung) 1925, S. 24. 210 LEONHARDI (Erdbeschreibung) 1803, S. 262. Vgl. KAUFHOLD (Umfang und Gliederung) 1978, S. 41. – LENGER (Sozialgeschichte) 1988, S. 53. 211 BLASCHKE (Wirtschaft und Verfassung) 2005, S. 164. – STRASSBURGER (Tuchhandel) 1915, S. 28f. – ZÖLLNER (Zunftverfassung) 1915, S. 14. 212 KUNZE (Forschungsergebnisse) 1958, S. 78.

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vielfach ähnliche gewerbliche Charakteristika und Organisationsstrukturen wie jenes andere Massenhandwerk auf und hatten mit vergleichbaren Schwierigkeiten wie einer hohen Konkurrenzanfälligkeit und einer starken innerzünftigen sozioökonomischen Differenzierung zu kämpfen. Das auf der Weiterverarbeitung tierischer Häute beruhende Gewerbe stand in einer Produktionskette mit den Fleischern und Gerbern, weshalb eine enge Zusammenarbeit dieser Handwerke bereits frühzeitig in vielen Städten sichtbar wurde. Die Leipziger Schuhmacher veranstalteten sogar bis 1496 einen gemeinschaftlichen Lederkauf mit den Gerbern. Sie hatten in der Mitte des 14. Jahrhunderts eine Zunft mit den Fleischern gebildet, eine eigene Innung besaßen die Schuhmacher hier ab 1414.213 In Dresden trennten sich die Gerber organisatorisch erst 1550 von den Schuhmachern.214 Das zur Betriebsaufnahme benötigte Startkapital stellte keine erhebliche Hürde dar, da es als Schuhmacher nur bedingt teurer Rohstoffe und einiger Hilfsmittel bedurfte.215 Durch die vergleichsweise leichte Aufnahme des Gewerbebetriebs hatten die Schuhmacher seit dem 14. Jahrhundert unter hoher Konkurrenz, Absatzproblemen und zunehmenden sozialen Spannungen zu leiden. Da gut bezahlte Aufträge nur begrenzt vorhanden waren, übernahmen ärmere Schuhmacher vermehrt Ausbesserungsarbeiten, die mit einer geringeren sozialen Reputation und einer marginalen Entlohnung verbunden waren. Verwandte ältere Bezeichnungen für diese Flickschuster waren Altreisser, Altboter, Altlapper, Altflicker und Altbüsser; für Sachsen sind die Bezeichnungen Reseler und Altreuße überliefert.216 Sie organisierten sich im 14. und 15. Jahrhundert sogar in eigenen Handwerksinnungen, sodass in Leipzig parallel zur Schuhmacherzunft seit 1373 eine Organisation der Flickschuster bestand, die aber 1494 unwiderruflich einging.217 In der frühen Neuzeit setzte sich die Spreizung bezüglich des Vermögens und Einkommens, des sozialen Ansehens und Lebensstils innerhalb des Schuhmachergewerbes fort. Ärmere zünftige Meister, die aufgrund von Kapitalmangel meist nicht die Produktion, wohl aber die wenig lukrative, billigere Ausbesserung von Schuhen, Stiefeln, Pantoffeln usw. übernahmen, gerieten in ökonomische Konkurrenz zu einigen größeren Personengruppen, die sich als unzünftige Flick-,  213 GEISSENBERGER (Schuhmachergewerbe) 1895, S. 4. – MOSER, Otto: Geschichte der Schuhmacher-Innung zu Leipzig. Nach urkundlichen und archivalischen Quellen. Festschrift zum Tage der Einweihung des neuen Schuhmacher-Innungshauses am 20. November 1882. Leipzig 1882, S. 14. – POSERN-KLETT (Urkundenbuch Leipzig I) 1868, S. 29. – ZÖLLNER (Zunftverfassung) 1915, S. 38. 214 LINGKE, August Friedrich: Die Schuhmacher-Innung zu Dresden 1401–1901. Festschrift zur fünfhundertjährigen Jubelfeier am 4., 5. und 6. September 1901. Dresden 1901, S. 28. 215 BRÄUER (Handwerk im alten Chemnitz) 1992, S. 57. 216 ERMISCH (Urkundenbuch) 1879, S. 91f. – SCHREIER, Wilfried: Das deutsche Schuhgewerbe. Berufsstand, Zunftzeit, Handwerk, Schuhindustrie. Weißenfels 2002, S. 11 Schema 1. – ZÖLLNER (Zunftverfassung) 1915, S. 39. 217 POSERN-KLETT (Urkundenbuch Leipzig I) 1868, S. 43. – ZÖLLNER (Zunftverfassung) 1915, S. 39.

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Wander- oder Landschuster betätigten. Auch im Nebengewerbe konnte die Schuhreparatur ausgeübt werden. Für die Hilfsarbeiten dieser Schuster bzw. Schuhflicker entfielen zahlreiche Arbeitsmittel und Werkzeuge. Einige Zuschneidemesser, Scheren, Zangen, Nadeln, Hämmer und ein Knieriemen zum Fixieren der Schuhe genügten ihnen.218 Dagegen konnten sich die etwas besser gestellten Innungsmeister der Schuhherstellung widmen und dazu Hilfskräfte wie Mägde, Lehrlinge und Gesellen, die in diesem Gewerbe lange Zeit noch Schuhknechte hießen, einstellen. Der Anteil der begüterten Meister mit Gesinde an der Gesamtmeisterschaft nahm jedoch tendenziell stark ab. Waren um 1500 nur etwa zehn Prozent der Schuhmacher Leipzigs ohne Gesinde geblieben, erhöhte sich ihr Anteil bis zu Beginn der 1540er Jahre auf ein Viertel und stieg auch danach weiter an, bis nur noch eine Minderheit mit Hilfskräften arbeitete.219 Ein erheblicher Teil der Meister und Gesellen war unterbeschäftigt oder von (vorübergehender) Arbeitslosigkeit betroffen, sodass die durch den Handwerksbetrieb generierten Einkommen allein oft zu niedrig ausfielen, um eine Familie zu ernähren.220 Unter den Almosenempfängern und Bettlern des 18. Jahrhunderts fanden sich daher überproportional viele Schneider und Schuhmacher bzw. deren Witwen wieder, weshalb die Sorge um das tägliche Brot in vielen Familien vorherrschte. Selbst unter den Obermeistern kam es vor, dass „aus dringender Noth“ das väterliche Haus verkauft werden musste.221 Die sich im 18. Jahrhundert für das Schuhmacherhandwerk verschlechternde wirtschaftliche Lage wird auch an den Relationen der Meister zur Gesamtbevölkerung deutlich. Kamen Mitte des 15. Jahrhunderts nur etwa 50 Einwohner in Dresden auf einen Schuhmacher, verschob sich das Verhältnis bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts zugunsten der Meister auf fast 300 zu 1. Während aber die aus Sicht der Meister relativ positive Verschiebung über zweieinhalb Jahrhunderte anhielt, vollzog sich seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts innerhalb weniger Jahrzehnte eine rasante Negativentwicklung. Am Anfang des 19. Jahrhunderts kamen in der kursächsischen Landeshauptstadt nur noch etwa 110 bis 120 Einwohner auf

 218 Zu den Arbeitsmitteln des Schuhmachers siehe: WEBER, Paul: Der Schuhmacher. Ein Beruf im Wandel der Zeit. Aarau, Stuttgart 1988, S. 12f., 51. 219 FEIGE, Hans-Uwe: Die Schuhmacher-Innung Leipzig 1352–2002. Leipzig 2002, S. 12f. – PROCHNO (Bevölkerungswesen) 1919, S. 88f. Laut einer Aussage der Dresdner Innungsältesten aus dem Jahr 1819 sollten in der Stadt nur noch 26 Prozent der zünftigen Meister mit Gesellen gearbeitet haben. StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 4, [unpag.] (Schreiben vom 22.02.1819). 220 In Augsburg gehörten Anfang des 17. Jahrhunderts zwei Drittel der Schuhmachermeister zur ärmsten Bevölkerungsschicht ohne oder nur mit rudimentärem Besitz. Nur jeder Zehnte konnte sich nach materiellen Gesichtspunkten den städtischen Mittelschichten zugehörig fühlen. CLASEN, Claus-Peter: Die Augsburger Weber. Leistungen und Krisen des Textilgewerbes um 1600 (= Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg, Bd. 27). Augsburg 1981, S. 215–217. 221 FEIGE (Schuhmacher-Innung) 2002, S. 19.

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einen Schuhmachermeister.222 Die Dresdner Innung klagte über „die gänzliche Nahrlosigkeit in unsere[r] Profeßion und die von Jahr zu Jahr sich noch mehrenden Armuth unsere[r] Meister“, unter denen mehr als ein Drittel Almosen von der Innung erhielt und ein weiteres gutes Drittel als Gesellen für andere Meister arbeiten musste.223 Auch in Leipzig lässt sich eine ähnliche, etwas zeitversetzte Entwicklung erkennen.224 Die bereits um 1800 einsetzenden Produktionsveränderungen, die mit dem Entstehen von Großwerkstätten und Marktschuhmachereien einhergingen, begünstigten eine stärkere Arbeitsteilung und vergrößerten die Kluft innerhalb der

 222 Die Bevölkerungszahlen nach: EIGENWILL (Dresden) 1981, S. 87. – KRÖBER, Johanna: Die Entwicklung des Dresdner Stadtkrankenhauses (Lazaretts) von der Gründung 1568 bis zur Verlegung nach Friedrichstadt 1849. Ein Beitrag zur Geschichte der öffentlichen Wohlfahrtspflege. Diss. Leipzig 1923, S. 17 Anm. 1. – LINDAU, Wilhelm Adolf: Neues Gemählde von Dresden in Hinsicht auf Geschichte, Oertlichkeit, Kultur, Kunst und Gewerbe. Dresden 1817, S. 120, 122. – MEYER, Ernst Julius Jacob: Versuch einer medicinischen Topographie und Statistik der Haupt- und Residenz-Stadt Dresden. Stollberg am Harz, Leipzig 1840, S. 177. – RICHTER (Bevölkerungsstatistik) 1881, S. 197f., 200, 282. – Statistischer Verein (Mittheilungen I) 1831, S. 28. Für die Meisterzahlen siehe: StadtAD, 11.2.56, Nr. 173, Bl. 159–203. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 4, [unpag.] (Schreiben vom 22.02.1819). – StadtAD, 11.2.56, Schuhmacher-Dep. Nr. 16, [unpag.]. – StadtAD, RA, C. XXXII. 17, [unpag.]. – StadtAD, RA, F. XXII. 43s, [unpag.]. – FLEMMING (Entstehung) 1896, S. 274. – LINGKE (Schuhmacher-Innung) 1901, S. 13, 18. – RICHTER (Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte I) 1885, S. 212. – Statistischer Verein (Mittheilungen II) 1832, S. 38. Zwar sind viele ältere Zahlenangaben mit besonderer Vorsicht zu betrachten und einzelne Schuhmacher produzierten auch für einen überlokalen Markt, aber die tendenziellen Entwicklungen sind überaus deutlich. 223 StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 4, [unpag.] (Schreiben vom 22.02.1819). Seit 1833 wurden sogar Pläne ausgearbeitet, ärmere Meister als Lohnarbeiter von der Schuhmacherinnung bezahlen zu lassen. StadtAD, 11.2.56, Nr. 227. 224 Zwischen dem Ende des 15. und der Mitte des 18. Jahrhunderts kamen in Leipzig zwischen 150 und fast 300 Einwohner auf einen Schuhmachermeister. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stiegen die Meisterzahlen jedoch sprunghaft an, sodass einem Meister nur etwa 120 bis 150 Einwohner gegenüberstanden. Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts verschoben sich die Proportionen wieder bis etwa 200 zu 1. Es gelten darüber hinaus dieselben methodischen Einschränkungen wie für die Dresdner Berechnungen. Für die Bevölkerungszahlen siehe: BLASCHKE (Bevölkerungsgeschichte) 1967, S. 140. – Ders. (Ratsordnung und Bevölkerung) 2005, S. 362. – BRÄUER, Helmut: Armenmentalität in Sachsen 1500 bis 1800. Essays. Leipzig 2008, S. 36. – GEISSENBERGER (Schuhmachergewerbe) 1895, S. 20. – Institut für Geschichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin (Hrsg.): Deutsche Geschichte in Daten. Berlin 1967, S. 263. – KELLER (Kursachsen am Ende des 17. Jahrhunderts) 1998, S. 150. – PÖNICKE (Messe) 1931, S. 22. – PROCHNO (Wirtschaftsstatistik) 1933, S. 21. – Statistischer Verein (Mittheilungen I) 1831, S. 29. – Vereinigung Leipziger Architekten und Ingenieure (Bauten) 1892, S. 36. Für die Meisterzahlen siehe: GEISSENBERGER (Schuhmachergewerbe) 1895, S. 16, 20. – LEONHARDI (Geschichte und Beschreibung) 1799, S. 274. – PROCHNO (Bevölkerungswesen) 1919, S. 88f. – WUSTMANN (Geschichte der Stadt Leipzig) 1905, S. 287.

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Meisterschaft. Eine Maschinisierung setzte jedoch erst im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts ein.225 Die Entwicklung der Personenzahl mit Meisterrecht verlief in den vier untersuchten Städten uneinheitlich. Anfangs stieg die Zahl der Werkstätten im Schuhmacherhandwerk in der frühen Neuzeit allgemein kräftig an, meist nur kurz durch Ereignisse wie den Dreißigjährigen Krieg unterbrochen. Ab dem 18. Jahrhundert ergab sich eine differenzierte Entwicklung. Bis auf die Zwickauer Innung, die im 18. Jahrhundert um die Hälfte ihrer ursprünglichen Größe reduziert wurde,226 beschleunigte sich das Anwachsen der Meisterzahlen in den anderen Städten noch. In der Landesresidenz erlangten immer mehr Gesellen das Meisterrecht, sodass die ohnehin hohen Mitgliederzahlen der Zunft bis 1830 auf über 530 stiegen; in Leipzig wurde ein beachtliches Niveau von etwa 200 Schuhmachermeistern gehalten.227 An der Wende zum 19. Jahrhundert war jeder dritte Handwerker in Sachsen entweder ein Schneider oder ein Schuhmacher,228 von denen die Mehrzahl eine kärgliche Existenz führte.

G) Strumpfstricker, Strumpfwirker Die schon im Mittelalter bekannte Strumpfstrickerei wurde im 16. Jahrhundert zu einer erwerbsmäßigen Beschäftigung, nachdem sich der modische Geschmack von einteiligen Beinlingen zu einer Trennung in Kniehose und Strümpfe verschoben hatte. Anfangs vorrangig ein städtisches Gewerbe wurden schließlich ländliche Strumpfstricker durch kapitalkräftige Handwerksmeister und Händler verlegt. Eventuell als Reaktion auf die bedeutende ländliche Verbreitung kam es im 17. Jahrhundert zur Gründung von Strumpfstrickerinnungen, so in Chemnitz.229 In  225 WEBER (Schuhmacher) 1988, S. 74f. 226 HENNING (Differenzierung) 1968, S. 46f. – HERZOG (Chronik I) 1839, S. 242. – Ders. (Chronik II/2) 1845, S. 567. Nach der Wende zum 19. Jahrhundert wurde das frühere Niveau an Meisterstellen nicht nur eingestellt, sondern erheblich übertroffen. Ders. (Chronik I) 1839, S. 242. 227 StadtAD, 11.2.56, Nr. 173, Bl. 38, 159–203. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 4, [unpag.] (Schreiben vom 22.02.1819). – StadtAD, 11.2.56, Schuhmacher-Dep. Nr. 16, [unpag.]. – GEISSENBERGER (Schuhmachergewerbe) 1895, S. 16. – LEONHARDI (Geschichte und Beschreibung) 1799, S. 274. – Ders. (Erdbeschreibung) 1803, S. 262. – LINGKE (SchuhmacherInnung) 1901, S. 18, 35. – Statistischer Verein (Mittheilungen II) 1832, S. 38. Richter geht für Dresden um 1830 sogar von über 650 Schuhmachermeistern aus. RICHTER (Verfassungsund Verwaltungsgeschichte I) 1885, S. 212. Vgl. LINGKE (Schuhmacher-Innung) 1901, S. 18. Einige wenige Chemnitzer Angaben finden sich bei: BRÄUER (Handwerk im alten Chemnitz) 1992, S. 57. 228 LEONHARDI (Erdbeschreibung) 1803, S. 262. Vgl. KAUFHOLD (Umfang und Gliederung) 1978, S. 41. 229 Zöllner spricht zwar bei der 1689 gegründeten Chemnitzer Innung von Strumpfwirkern, gemeint sind jedoch Stricker. Bräuer findet eine einleuchtende Erklärung. Die von den Strickern Mitte des 17. Jahrhunderts geschaffene Organisationsform wurde wohl unter der missverständlichen Wirkerbezeichnung fortgeführt und erfuhr 1689 eine Neugründung. BRÄUER 

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Leipzig gab die lästige Konkurrenz einiger mit Strickwaren handelnder Schutzverwandter (Zettelleute) den Ausschlag für eine Innungsgründung der Hosenstricker.230 Der Zusammenschluss der wenigen städtischen Strumpfstricker, die anfangs ihre Waren im Nebenberuf herstellten und vertrieben, mit anderen, meist verwandten Berufen wie Hosenstrickern, Handschuhstrickern, Wollhemdenstrickern oder Barettmachern war relativ typisch. Um sich der vielfältigen ökonomischen Rivalen zu erwehren, wurde eine Landesordnung der Barettmacher und Strumpfstricker schon 1563 entworfen und 1567 landesherrlich konfirmiert.231 Trotz der organisatorischen Vereinigung verlor die Strickerei mit der Entwicklung des Strumpfwirkerstuhls in den Städten stark an Bedeutung, wogegen sie in den Dörfern ein verbreitetes Nebengewerbe blieb.232 Die Meisterzahlen der städtischen Innungen bewegten sich am Ende des 18. Jahrhunderts im einstelligen oder niedrigen zweistelligen Bereich.233 Im Unterschied zur Weberei, bei der zwei Fäden miteinander verknüpft werden, wird beim Wirken entweder ein einziger Faden mit sich selbst verschlungen oder es werden viele Fäden gleichzeitig und parallel miteinander in Schleifen verbunden.234 Da die frühneuzeitliche Strumpfwirkerei technische Neuerungen voraussetzte, die noch dazu erst mit Verspätung in den mitteldeutschen Raum gelangten, bildete sie einen relativ jungen Handwerkszweig, der sich aber umso zügiger zu einem der wichtigsten Bekleidungsgewerbe entwickelte. Sachsen bildete zum Ende des 18. Jahrhunderts den wohl bedeutendsten Standort des Strumpfwirkerhandwerks im Alten Reich. Das Produktionszentrum lag in der Region um Chemnitz. Erst 1728 als Gewerbe eingeführt, gab es Mitte des 18. Jahrhunderts in der Stadt bereits 60 und in der direkten Umgebung schon 300 bis 400 Wirkermeister. In die 1731 gebildete Innung wurden auch Landmeister inkorporiert, um diese Konkurrenz stärker an die Vorgaben der städtischen Meister zu



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(Handwerk im alten Chemnitz) 1992, S. 40. – ZÖLLNER (Handelsstadt Chemnitz) 1888, S. 357. Vgl. OPPENHEIM, Wilhelm: Die Einführung und Entwicklung der Wirkwarenindustrie in Sachsen. Diss. Würzburg 1921, S. 14. – TRENSCH (Strumpfwirker-Innung) 1928, S. 21. Die anfangs Hosenstrickerinnung genannte Vereinigung entwickelte sich schnell zur Innung der Barettmacher und Strumpfstricker. Bereits bei der Gründung der Hosenstrickerinnung wurden auch Strümpfe von den Mitgliedern gefertigt. StadtAL, Tit. LXIV (F) 129, Bl. 1–13. StadtAD, 11.1.4, Nr. 6. Vgl. StadtAD, 11.1.4, Nr. 6a. – StadtAD, RA, C. XXIV. 274b, Bl. 256–261. REITH (Lohn und Leistung) 1999, S. 155. Es sind nur wenige quantitative Angaben der städtischen Strumpfstricker bekannt: 9 Meister (Dresden 1734), 8 Meister (Leipzig 1720), 11 Meister (Leipzig 1736), 3 Meister und 2 Witwen (Leipzig 1766), 5 Meister und 2 Witwen (Leipzig 1784), 16 Meister (Zwickau 1790), 4 Meister (Dresden 1800). StadtAD, RA, C. XXXII. 17, [unpag.]. – StadtAL, Adressbuch 1720, S. 117. – StadtAL, Adressbuch 1736, S. 125. – StadtAL, Tit. LXIV (F) 129, Bl. 50. – BÖHME (Beschreibung) 1784, S. 158. – LEONHARDI (Erdbeschreibung) 1803, S. 262. – LÖFFLER / PESCHKE (Chronik) 1993, S. 265. OPPENHEIM (Wirkwarenindustrie) 1921, S. 2.

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binden. Eine endgültige landesherrliche Konfirmation der Innung gelang erst 1755.235 Bis zum Ende des Jahrhunderts breitete sich das Handwerk schnell aus; die Stadt Limbach wurde sogar als Strumpfwirkerstadt bezeichnet, wogegen die Chemnitzer Zunft nur bedingt von diesem Trend profitierte. Sie konnte zumindest die Produzenten der umliegenden Ortschaften in die Kreislade integrieren.236 Aufgrund der billigeren Konkurrenz vom Lande mussten die städtischen Wirkermeister die teuren Rohstoffe oft auf Kreditbasis beziehen; Verlagsgeschäfte nahmen nach der Jahrhundertmitte mehr und mehr zu. Wenngleich laut Karlsch und Schäfer die Chemnitzer Strumpfwirkerei noch als „einigermaßen“ unabhängig bezeichnet werden konnte, ging sie ökonomisch betrachtet unweigerlich nieder und versank mit der Aufhebung der Kontinentalsperre in der Bedeutungslosigkeit. Nach 1815 setzte endlich die Mechanisierung in diesem Gewerbe ein.237 Ohne mit der Chemnitzer Entwicklung konkurrieren zu können, waren auch in Leipzig und Dresden mehrere Dutzend Strumpfwirker in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ansässig.238 In Zwickau ließ sich der erste Strumpfwirker wohl 1701 nieder, eine Innungsgründung erfolgte 1756. Die Entwicklung des Gewerbes blieb jedoch wegen hoher steuerlicher Belastungen und durch die Auswirkungen des Siebenjährigen Krieges in den Anfängen stecken. Die Strumpfherstellung wich in stärker begünstigte Nachbarterritorien aus.239

 235 BRÄUER (Handwerk im alten Chemnitz) 1992, S. 40f. – REITH (Lohn und Leistung) 1999, S. 156. – SCHÖNE (Textilproduzenten) 1982, S. 127. – VIERTEL / WEINGART (Chemnitz) 2002, S. 45f. – ZÖLLNER (Handelsstadt Chemnitz) 1888, S. 418, 434. Trensch und Reith veranschlagen den Zeitpunkt der Erwähnung der ersten Chemnitzer Strumpfwirker zehn Jahre früher. REITH (Lohn und Leistung) 1999, S. 156. – TRENSCH (Strumpfwirker-Innung) 1928, S. 27. In der Überlieferung findet sich kein eindeutiger Hinweis. In den Rechnungen der Strumpfwirker wird eine Innungsgründung im Jahr 1729 erwähnt. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 238, Bl. 9b. Vgl. StadtAC, RA, Kap. IX. Sl 1. – StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 1. 236 StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 28, Bl. 150b–151. – OPPENHEIM (Wirkwarenindustrie) 1921, S. 24. – TRENSCH (Strumpfwirker-Innung) 1928, S. 49. – VIERTEL / WEINGART (Chemnitz) 2002, S. 51. 237 KARLSCH / SCHÄFER (Wirtschaftsgeschichte) 2006, S. 19, 32. – OPPENHEIM (Wirkwarenindustrie) 1921, S. 26–28. – TRENSCH (Strumpfwirker-Innung) 1928, S. 45f., 55. 238 Ein erstes Gesuch um „Confirmation einer gewissen Innung“ erfolgte in Dresden vermutlich 1710. Die zugehörige Akte wurde jedoch kassiert, sodass nur noch der Hinweis im Findbuch des Stadtarchivs zu den Innungssachen existiert. Die Meisteranzahl betrug in der Landeshauptstadt 1748 73 und um 1800 etwas über 20, in Leipzig lebten 1794 immerhin 42 Meister. StadtAD, 11.2.62, Nr. 16, Bl. 3. – StadtAL, Stift. III B, Nr. 57, Bl. 31–32. – LEONHARDI (Geschichte und Beschreibung) 1799, S. 275. – Ders. (Erdbeschreibung) 1803, S. 262. 239 GEYER, [o. V.]: Alt-Zwickauer Erwerbszweige I. In: Zwickauer Geschichtsblätter. Monatsbeilage des „Zwickauer Tageblatt und Anzeiger“ vom 14.08.1926. – ROCHLITZER, Gerhart: Handwerk und Gewerbe in Zwickau. Von der Reformationszeit bis zur Gegenwart. Zwickau 1996. (Manuskript der Ratsschulbibliothek Zwickau).

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3.3 SOZIALE SICHERUNG AUSSERHALB DER HANDWERKSORGANISATIONEN Um die Formen kollektiver Sicherung, die von den Handwerksinnungen und Gesellenschaften ausgingen, einer Charakterisierung und Bewertung unterziehen zu können, ist ihre Abgrenzung von anderen Formen sozialer Sicherung notwendig.

3.3.1 Kollektive und individuelle soziale Sicherung Grundsätzlich kann die Organisation von Sicherungsmaßnahmen gegen verschiedene soziale Risiken individuell oder kollektiv ausgestaltet werden. Den möglichen Konsequenzen nach dem Eintreten zahlreicher Risikofälle lässt sich jedoch besonders mit zunehmend komplexer werdenden Lebenswelten und Vergesellschaftungsformen langfristig nur durch letzteres Sicherungsmodell zufriedenstellend begegnen. Die Gründe fallen vielfältig aus. Individuelle Vorsorge (z. B. das klassische Sparen) kann in vielen Fällen dem Bedürfnis nach Unterstützung, selbst bei maximaler persönlicher Anstrengung, in keiner Weise gerecht werden, da die sozialen Grundrisiken die physischen, psychischen und materiellen Ressourcen des Einzelnen mitunter überfordern. Die Maßnahmen würden ihren effektiven Anreiz zur Risikovorsorge verlieren. So fand der konventionelle Leibrentenkauf bei ländlichen und städtischen Bevölkerungsschichten im Mittelalter und der frühen Neuzeit breiten Anklang, konnte aber durch Angehörige der Unterschichten aufgrund fehlender Eigenmittel so gut wie nicht genutzt werden.240 Abgesehen von ökonomischen Handlungsspielräumen sind vielfach die Vorsorgemöglichkeiten aufgrund rechtlicher Vorgaben beschränkt. Sich in eine Hospitaleinrichtung einzukaufen, blieb in zahlreichen Fällen den Besitzern des jeweiligen Bürgerrechts und den Wohlhabenden vorbehalten. Zudem verspüren potenziell betroffene Akteure möglicherweise kein hinreichendes Interesse an (individuellen wie kollektiven) Vorsorgemaßnahmen, da diese die momentanen Lebensbedingungen relativ beeinträchtigen, indem beispielsweise wichtige Güter nicht in der Gegenwart, sondern erst in der Zukunft zur Verfügung stehen werden (temporäre Verschiebung) und auch dies nur mit einem gewissen Unsicherheitsmoment. Jedoch lassen sich die sozialen Risiken bzw. deren Folgen oft erst kollektiv in überschaubarer Weise kalkulieren und bewältigen, da private Vorsorgemöglichkeiten erhebliche materielle Unwägbarkeiten beinhalten können, sodass Individuen in zahlreichen Fällen auf gruppenbezogene Unterstützungsformen durch die Umwelt angewiesen sind.241 Die simple Feststellung, dass selbsttätiges Sparen dem vormodernen Menschen dagegen fremd gelegen habe, greift zu kurz.242  240 OGRIS, Werner: Der mittelalterliche Leibrentenvertrag. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Privatrechts (= Wiener rechtsgeschichtliche Arbeiten, Bd. VI). Wien, München 1961, S. 162. 241 HENNING (Sozialpolitische Maßnahmen) 1984, S. 109 Anm. 1. – PARTSCH (Prinzipien und Formen) 1983, S. 54, 58. – STEYNITZ, Jesko von: Mittelalterliche Hospitäler der Orden und 

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Kollektive Unterstützung bei sozialer Not kann in vielfältigen Konstellationen geleistet werden. Zwischen den Mitgliedern einer sozialen Gruppe, deren interpersonelle Beziehungen sich durch das Bewusstsein vager Zugehörigkeit oder intensiverer Bindungsgefühle untereinander auszeichnen, können Sicherungsmaßnahmen getroffen werden. Die Gruppe würde in diesem Fall für ihre Mitglieder eine soziale Sicherungs- bzw. Unterstützungsfunktion übernehmen. Neben den Hauptakteuren der vorliegenden Untersuchung, den Handwerksorganisationen, bestanden weitere vor allem kollektive Sicherungsinstanzen innerhalb des Untersuchungszeitraums, deren wichtigste kurz vorgestellt werden.

3.3.2 Zentrale soziale Sicherungsinstanzen in der frühen Neuzeit In seinem bis heute in dreifacher Auflage erschienenen Werk „Massenarmut und Hungerkrisen“ beschrieb Abel die Vormoderne als ausgeprägte Krisen- und Notzeit. Damit wollte er einer weit verbreiteten Auffassung entgegentreten, wonach erst die frühe Industrialisierung ein Heer an pauperisierten Massen hervorgebracht habe, während die vorangegangenen Jahrhunderte in Bezug auf die Erforschung sozialer Problemfälle lange Zeit vernachlässigt wurden.243 Nach Schätzungen glitten in Krisenzeiten bis zu zwei Drittel der frühneuzeitlichen Bevölkerung an oder unter die absolute Existenzgrenze ab,244 wogegen den meisten Menschen die Bildung individueller Rücklagen in Form von Kleidungsstücken oder Gebrauchsgegenständen selbst in „guten“ Jahren nur begrenzt möglich war. Folgt man den erschöpfenden Einlassungen Abels, kam den verschiedenen Formen kollektiver und individueller sozialer Sicherung in der höchst unsicheren Zeitspanne des ausgehenden 15. bis zum beginnenden 19. Jahrhundert eine außerordentliche Bedeutung zu. Wesentliche soziale Sicherungsfunktionen übernahm von alters her die eigene Familie bzw. Verwandtschaft. Durch die engen persönlichen Bindungen standen die Mitglieder einer Familie bei sozialen Notfällen idealerweise füreinander ein, ohne dass es einer Verrechtlichung dieser Beziehungen bedurfte. Der Hausvater hatte für seine Familie zu sorgen, zu der nicht nur die engsten Verwandten zählten, weshalb die Zunft die Angehörigen zu Lebzeiten des Meisters im Notfall  Städte als Einrichtungen der Sozialen Sicherung (= Sozialpolitische Schriften, H. 26). Berlin 1970, S. 131. 242 Vgl. BRAUN, Heinrich: Die Entwicklung des Versicherungsgedankens im Deutschland des 18. Jahrhunderts. In: Oesterreichische Revue. Organ für Assekuranz und Volkswirtschaft 46/1921, Nr. 39, S. 150. 243 ABEL, Wilhelm: Massenarmut und Hungerkrisen im vorindustriellen Deutschland. Göttingen ³1986, bes. S. 5f. 244 LIEBEL, Helen: Der aufgeklärte Absolutismus und die Gesellschaftskrise in Deutschland im 18. Jahrhundert. In: HUBATSCH, Walther (Hrsg.): Absolutismus (= Wege der Forschung, Bd. 314). Darmstadt ²1988, S. 514.

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auch nicht direkt unterstützte.245 Eine der Familie ganz ähnliche Schutzfunktion kam den gegenseitigen Hilfsleistungen zu, die durch die Nachbarschaften übernommen wurden.246 Verschiedene Entwicklungen (Urbanisierung, Mobilität, städtische Familienstrukturen) schwächten in der frühen Neuzeit allerdings die familiären und nachbarschaftlichen Beziehungen und damit die Effizienz dieser Instanzen als funktionelle Erbringer sozialer Unterstützungsleistungen. Ein weiteres Feld sozialer Sicherungsmechanismen stellen die Arbeitsbeziehungen dar. Als „betriebliche Sozialleistungen“ können Schutzverpflichtungen des Arbeitgebers für seine von ihm abhängigen Arbeitskräfte angesehen werden. Indem die Arbeitskraft der Untergebenen in guten Zeiten nutzbringend dem Arbeitgeber zur Verfügung stand, versprach dieser dafür bei Bedarf und in begrenztem Maße Sicherungsleistungen wie die Übernahme eines Begräbnisses oder einer ausreichenden Krankenpflege. Insbesondere auf dem flachen Lande übernahmen adlige Grundherren im Gegenzug zu feudalen Abgaben und Dienstleistungen ihrer bäuerlichen Untertanen Schutzverpflichtungen inklusive gewisser sozialer Unterstützungsleistungen. Jedoch etablierten sich sowohl die Leibeigenschaft als auch die Hörigkeit unter den Bauern der sächsischen Kernlande nicht in dem Maße wie beispielsweise in Mecklenburg oder den beiden Lausitzen247, weshalb nur eine abgeschwächte Form der feudalen sozialen Sicherung durch den sächsischen Grundbesitzer zu konstatieren war. Dass die Bedeutung dieser dienstherrlichen Fürsorgepflicht außerdem in den Städten immer stärker marginalisiert wurde, davon zeugen die unter den Bettlerscharen aufzufindenden unzähligen Dienstboten, Knechte und Mägde ohne jegliche soziale Absicherung im Fall von Alter, Krankheit oder Invalidität.248 In diesem Zusammenhang scheint es angebracht, sich dem bereits erwähnten Modell des „ganzen Hauses“ genauer zuzuwenden, welches durch einige Frühneuzeithistorikerinnen und -historiker viele Jahre erklärend angeführt wurde, um die Beziehungen der Gesellen, Lehrlinge, Mägde, Hausknechte und anderen Hilfskräfte zu ihren Arbeitgebern zu charakterisieren. Nach den traditionellen Vorstellungen lebte der Geselle in vielen Handwerken im Meisterhaushalt. Dies traf in noch höherem Maße für den Lehrling zu. Durch diese Wohn- und Lebensgemeinschaft wären dem Meister nicht nur Rechte, sondern auch (Fürsorge-)Pflichten entstanden. Jedoch sollte die Vorstellung vom „ganzen Haus“, nach welcher die unselbstständigen Hilfskräfte in die Meisterfa 245 KLUGE, Arnd: Die Zünfte. Stuttgart 2009, S. 322. 246 Siehe z. B.: REININGHAUS, Wilfried: Westfälische Nachbarschaften als soziale Gruppen des Gildetyps. Bemerkungen anläßlich neuer Untersuchungen über Nachbarschaften und Vereine. In: Westfälische Forschungen 31/1981, S. 124–131. Vgl. DORREN, Gabrielle: Communities within the community. Aspects of neighbourhood in seventeenthcentury Haarlem. In: Urban History 25/1998, H. 2, bes. S. 182f, 186. 247 Letzte Reste der Leibeigenschaft in der sächsischen Oberlausitz wurden erst im Zuge der staatlichen Reformen 1832 abgeschafft. 248 Für ein aussagekräftiges Beispiel des nicht sozial abgesicherten Dienstgesindes am Ende des 18. Jahrhunderts siehe: StadtAL, Tit. XXXIX (F) 55, Bd. II, Bl. 91–93b.

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milie integriert wurden, wegen der unterschiedlichen Betroffenheit sozialer Unsicherheit überprüft werden. Ein zweiter Grund für die Betrachtung dieser These liegt darin begründet, dass soziale Differenzierung nicht allein innerhalb der Meisterschaft stattfand. Die Unterschiede, welche zwischen Meistersöhnen, einheiratenden und „fremden“, zwischen einheimischen und auswärtigen und vor allem zwischen verheirateten und ledigen Gesellen bestanden und sich in der frühen Neuzeit häufig vertieften, beeinflussten entscheidend die Chancen für eine Etablierung als zünftiger Handwerksmeister und das Maß der potenziellen Abhängigkeit von kollektiver Unterstützung im sozialen Notfall. Ursprünglich bezog sich das Modell des „ganzes Hauses“ auf die mittelalterlich-bäuerliche Wirtschaftsform, die nach häuslicher Autarkie strebe und darüber hinausgehenden Austausch mittels Handel zur Gewinnbereicherung als schädlich oder gefährlich, zumindest aber als überflüssig und nicht erstrebenswert ansehen würde. Konzeptionell entfaltet wurden die erstmals von Wilhelm Heinrich Riehl 1854 so benannten Vorstellungen zum „ganzes Haus“ durch Otto Brunner. Er betonte die Gesamtheit und Einheit der Hausgemeinschaft, deren Strukturen durch ein stark herrschaftlich geprägtes Element (Hausvaterschaft) gekennzeichnet wären. Über den Bezug zur ländlichen Gesellschaft des Mittelalters dehnte Brunner den Begriff auf andere soziale Gruppen aus. „Auch die im Handel und Gewerbe tätige Bevölkerung lebte zum guten Teil im ‚ganzen Hause‘, kannte keine Trennung von Haushalt und Betrieb.“ Erst mit dem Ende des 18. Jahrhunderts wäre die häusliche Gemeinschaft gesprengt worden, wobei als Indikatoren die josephinische Gesetzgebung, die Herauslösung der Kernfamilie aus der Hausgesamtheit und die neue Volkswirtschaftslehre, die eine genügsame Subsistenzwirtschaft ablehnte, angeführt wurden.249 Eine kritische Handwerksgeschichtsschreibung rieb sich vor allem an zwei Teilaspekten der Brunnerschen Ausführungen. Das Herrschaftselement, welches den Angehörigen der Hausgemeinschaft nur eingeschränkte Selbstständigkeit, dem Hausvorstand jedoch umfassende Machtmittel zubilligte, war im Ausgangsmodell noch relativ zentral ausgeprägt. Verschiedene Studien belegten jedoch die Möglichkeiten der Mitglieder der Hausgemeinschaft, sich Handlungsspielräume zu eröffnen und anzueignen.250 Der zweite Punkt, um den die Kritik vielfach kreiste, ergab sich aus der hinterfragten eindimensionalen Hierarchie, spielte aber im ursprünglichen Konzept nur eine marginale Rolle. Kritisiert wurden Aussagen,  249 BRUNNER, Otto: Das „ganze Haus“ und die alteuropäische „Ökonomik“. In: Ders. (Hrsg.): Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte. Göttingen ³1980, S. 103–127, bes. S. 109. 250 Beispielsweise in: SCHLENKRICH, Elke: Der Alltag der Lehrlinge im sächsischen Zunfthandwerk des 15. bis 18. Jahrhunderts. Diss. Leipzig 1991. – SIMON-MUSCHEID, Katharina (Hrsg.): „Was nützt die Schusterin dem Schmied?“ Frauen und Handwerk vor der Industrialisierung (= Studien zur Historischen Sozialwissenschaft, Bd. 22). Frankfurt am Main, New York 1998. – WERKSTETTER, Christine: Frauen im Augsburger Zunfthandwerk. Arbeit, Arbeitsbeziehungen und Geschlechterverhältnisse im 18. Jahrhundert (= Institut für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg. Colloquia Augustana, Bd. 14). Berlin 2001.

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wonach die Handwerksgesellen in den Meisterhaushalt als Schutzverwandte inkorporiert wären und es kaum Ausnahmen gegeben habe. Während die allgemeine Historiografie die These von Brunner übernahm, dass die auf Selbstversorgung zielende hierarchische Hausgemeinschaft in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zerfallen sei,251 beschritt die Handwerksforschung andere Wege. Ausgenommen von den Vorstellungen des „ganzen Hauses“ wurden frühzeitig die unselbstständig Beschäftigten in den Bauhandwerken, die i. d. R. eigene Familien gründeten und nicht in den Meisterhaushalten lebten, sodass die dienstherrlichen Versorgungspflichten stark eingeschränkt waren. Grundsätzlich widersprach Michael Mitterauer den Vorstellungen einer engen Hausgemeinschaft im Zunfthandwerk. Durch die Untersuchung der Familienstrukturen und des Anteils der zur Miete wohnenden Handwerker erhielten die Vorstellungen tiefe Risse. Statt vom „ganzen Haus“ zu reden, müssten die einzelnen Haushalte in den Vordergrund der Betrachtungen rücken, so Mitterauer.252 Noch häufiger wurde das „ganze Haus“ aufgrund der abgeleiteten Aussagen über die Handwerksgesellen abgelehnt. Dezidiert setzte sich Reininghaus mit dem Modell für das spätmittelalterliche Handwerk am Oberrhein auseinander. Seiner Ansicht nach könne es bestenfalls für das Handwerk des 12. und 13. Jahrhunderts Gültigkeit beanspruchen. Auch bei Margrit Schulte Beerbühl ist von einer Auflösung des „ganzen Hauses“, wenn überhaupt, dann im Spätmittelalter zu lesen. Christine Werkstetter hinterfragte das Konzept einer Familienökonomie im Zunfthandwerk und lehnte es für eine Beschreibung der sozialen Praxis als zu kurz gegriffen weitgehend ab.253 Auf die sozialen Funktionen der sächsischen Handwerksorganisationen in den Textil- und Bekleidungsgewerben bezogen, erscheint es wichtig zu überprüfen, inwiefern die Gesellen dieser Branchen Teil des Meisterhaushalts waren und welche Beziehungen sie zu ihrem Dienstherrn und seiner Familie pflegten. Daraus könnte geschlussfolgert werden, ob und inwieweit eine mögliche soziale Verpflichtung des Meisters gegenüber seinen Gesellen, aber auch der Gesellen für ihren Meister aus dem Arbeitsverhältnis heraus bestanden habe.

 251 Beispielsweise in: FREVERT (Krankheit) 1984, S. 245. – ZERWAS, Hans-Jörg: Arbeit als Besitz. Das ehrbare Handwerk zwischen Bruderliebe und Klassenkampf 1848. Reinbek bei Hamburg 1988, S. 23, 28, 62. 252 MITTERAUER, Michael: Zur familienbetrieblichen Struktur im zünftischen Handwerk. In: Ders.: Grundtypen alteuropäischer Sozialformen. Haus und Gemeinde in vorindustriellen Gesellschaften (= Kultur und Gesellschaft, Bd. 5). Stuttgart-Bad Cannstatt 1979, S. 114f. 253 REININGHAUS, Wilfried: Das „ganze Haus“ und die Gesellengilden. Über die Beziehungen zwischen Meistern und Gesellen im Spätmittelalter. In: ELKAR, Rainer S. (Hrsg.): Deutsches Handwerk in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Sozialgeschichte – Volkskunde – Literaturgeschichte (= Göttinger Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 9). Göttingen 1983, S. 55–70. – SCHULTE BEERBÜHL, Margrit: Vom Gesellenverein zur Gewerkschaft. Entwicklung, Struktur und Politik der Londoner Gesellenorganisationen 1550–1825 (= Göttinger Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 16). Göttingen 1991, S. 489. – WERKSTETTER (Frauen im Augsburger Zunfthandwerk) 2001, bes. S. 37f., 507.

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Die Chemnitzer Tuchmacherordnung verlangte bereits 1470, dass eine Beköstigung der Gesellen am Meistertisch zu unterbleiben habe.254 Die Trennung von Meisterhaushalt und Gesellenwohnraum wurde von anderen Phänomenen begleitet, die auf eine ähnlich divergierende Entwicklung hinausliefen. Auf vielfältige Weise konnte die Erlangung des Meisterrechts in den folgenden Jahrhunderten erschwert werden. Eine kleine Auswahl zeigt die Möglichkeiten der Zünfte auf: Verlängerung der Lehr- und Gesellenzeiten, Einführung einer Wanderpflicht und von Mut- und Jahrzeiten255, Beschränkung der Meldetermine, Verteuerung der Meisterstücke, Erhöhung der Strafgelder für Fehler an den Meisterstücken, Festschreibung der Meisterzahlen, Einführung weiterer Forderungen und Gebühren wie Mutgroschen, „Köstgen“256-Gelder usw. Dadurch, dass die Meisterwerdung verteuert, verkompliziert bzw. hinausgezögert wurde, sanken die Anreize, sich am normativ von einigen Zünften vorgegebenen Heiratsverbot zu orientieren.  254 ERMISCH (Urkundenbuch) 1879, S. 171. Auf diesen Aspekt der alten Tuchmacherordnung wurde bereits frühzeitig aufmerksam gemacht. STRAUSS, Rudolph: Die Zunftordnung der Tuchmacher vom Jahre 1470 – ein Zeugnis für die Zersetzung des mittelalterlichen Zunftwesens durch das Eindringen handelskapitalistischer Bestrebungen. In: Volksstimme. Organ der Bezirksleitung Karl-Marx-Stadt der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Karl-MarxStadt 10/1955, Nr. 16. – UHLE, Paul: Chemnitzer Handwerksordnungen von einst. Die Ordnungen der Tuchmacher und Schneider aus dem 15. Jahrhundert. In: Chemnitzer Tageblatt und Anzeiger. Chemnitzer Morgenzeitung, Handels- und Industrieblatt, Chemnitzer Sportblatt 1925, Nr. 197, 2. Beilage, S. 11. Die Regelung wurde auch in die Nachfolgeordnungen aufgenommen. StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 1, Bl. 12. – StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 2, Bl. 13b. – StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 30, Bl. 34b. 255 Ein Geselle, welcher willens war, das Meisterrecht zu erwerben, hatte sich bei der Zunft rechtzeitig zur Meisterschaft anzumelden und diese Meldung auf vorgeschriebene Weise mehrfach zu wiederholen, seinen „Mutgroschen“ („Mutgeld“) zu zahlen und gesellenweise bei einem Zunftmeister oder einer Meisterwitwe zu arbeiten. Der Zeitpunkt von der ersten Anmeldung bis zum Verfertigen der Meisterstücke bzw. bis zum Erlangen des Meisterrechts wurde „Mutzeit“ genannt. Häufig umfasste die reguläre „Mutzeit“ den Zeitraum von drei oder vier Quartalen, sodass auch von einem „Mutjahr“ gesprochen wurde. Aber auch „Mutzeiten“ von einem halben Jahr oder bis zu drei Jahren kamen vor. Diesem Zeitraum ging die „Jahrarbeit“ („Meisterjahr“, „Sitzjahr“, „Zeitarbeit“) voraus. Während der „Jahrarbeit“ hatte sich der Geselle ebenfalls bei einem oder mehreren Meistern vor Ort zu verdingen. Befand sich der Geselle in der „Mutzeit“, hieß er bei einigen Handwerken „Jahrersitzer“, während der Verfertigung der Meisterstücke „Stückgeselle“ und während der Jahrarbeit „Jahrarbeiter“. Die Bezeichnungen für solche „Ausbildungsabschnitte“, die als Voraussetzungen für die Meisterschaft galten, konnten sich in den einzelnen Gewerben voneinander unterscheiden. Siehe beispielsweise: StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 379–379b. Vgl. WERKSTETTER, Christine: „... da ich meinem Vater Tochter, Gesell, Junge und handtlanger gewesen“: Arbeitsfelder, Ausbildung und „work identity“ von Frauen im Augsburger Zunfthandwerk des 18. Jahrhunderts. In: HÄBERLEIN, Mark / JEGGLE, Christof (Hrsg.): Vorindustrielles Gewerbe. Handwerkliche Produktion und Arbeitsbeziehungen in Mittelalter und Früher Neuzeit (= Irseer Schriften. Studien zur schwäbischen Kulturgeschichte, N. F. Bd. 2). Konstanz 2004, S. 169. 256 Eine „Köstgen“-Gebühr hatten z. B. bei den Leipziger Schneidern die frisch Vermählten zu zahlen, teilweise auch noch in Form von Lebensmitteln. StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 138b. – StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 60b. Vgl. StadtAL, Inn Tuchmacher B 1, Bl. 80b.

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Die Frage nach der Lebenswirklichkeit verheirateter Gesellen und ihrer Tolerierung durch die Gesellenschaft bzw. das Handwerk scheint regionale und gewerbespezifische Dimensionen zu besitzen. Verschiedene Gesellenordnungen erwähnten ausdrücklich verheiratete Gesellen, ohne sie zu stigmatisieren. Im 16. Jahrhundert fehlten Anzeichen, dass die Arbeit verheirateter Gesellen unterbunden wurde, noch weitgehend. Dagegen wurde diesen Gesellen in einzelnen Handwerken schon im 15. Jahrhundert der Zugang zur Meisterschaft verwehrt.257 Tauchten sogar entsprechende Regelungen zu den Frauen von Gesellen oder zu verheirateten Gesellen in den Gesellenartikeln gehäuft auf, dürfte das Vorkommen von Gesellenfamilien nicht nur eine Ausnahmeerscheinung dargestellt haben.258 Die Außerehelichenquote stieg ebenso wie der Anteil verheirateter Gesellen, die einen eigenen Haushalt begründeten und somit aus der Gemeinschaft der Meisterfamilie ausschieden. Die Konsequenzen für die Handwerksgesellen können nicht unterschätzt werden. Mit einer Verheiratung im Gesellenstand wurden oft die letzten Hoffnungen und Chancen auf eine eigene Meisterwerkstatt begraben. Außerdem eskalierte die finanzielle und ökonomische Lage der Gesellen nicht allein durch die Versorgung der eigenen Familie, sondern auch durch den Verlust bisheriger sozialer Sicherungen, und seien sie noch so rudimentär gewesen. Bereits in den 1530er Jahren lag der Anteil der verheirateten Gesellen in den obersächsischen Städten zwischen 17 und 33 Prozent. Neben dem Baugewerbe traten hier besonders die Textilgewerbe hervor. Die Zwickauer Kämmerinnen, die für das Tuchmachergewerbe arbeiteten, waren laut einer Studie von Bräuer 1531 zu knapp einem Viertel verheiratet. Ihre Männer waren ausschließlich Tuchknappen.259 In der Textilgewerbestadt Chemnitz gingen im 17. Jahrhundert knapp 37 Prozent der Handwerksgesellen eine Ehe ein.260 Doch selbst unter den Weber- und Tuchmachergesellen nahmen die Bestrebungen der ledigen (Wander-)Gesellen, die sogenannten „Hausknappen“, also die verheirateten Gesellen mit eigenem Haushalt, durch die Meister verbieten zu lassen, seit dem Ende des 16. Jahrhunderts deutlichere Konturen an und intensivierten sich im 18. Jahrhundert. Sie blieben aber ohne dauerhaften Erfolg.261 Nachdem sich das Klima innerhalb des  257 Für Leipzig bestätigt dies: KELLER, Katrin: Handwerksgesellen im 16. Jahrhundert. Zum Alltag von Gesellen in Leipziger Leder- und Textilhandwerken. In: Jahrbuch für Regionalgeschichte 17/1990, 1. Teil, S. 122f. 258 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 305, S. 49f. – StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 160–161. – StadtAD, 11.2.66, Nr. 64, Bl. 5–5b. 259 BRÄUER (Lohnarbeiter) 1980, S. 37. Vgl. UITZ (Frauenarbeit) 1998, S. 40. Bräuer wies für Zwickau über das Türkensteuerregister von 1531 eine relativ hohe Verheiratungsquote nach, die im Durchschnitt bei knapp 30 Prozent lag. BRÄUER (Gesellen) 1989, S. 100. Vgl. HENNING (Differenzierung) 1968, S. 48f. 260 BRÄUER (Armenmentalität) 2008, S. 70. 261 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 184f., 196–198, 233f., 288 u. ö. – BRÄUER (Chemnitz zwischen 1450 und 1650) 2005, S. 154. Das Rechnungs- und Registrierbuch der Chemnitzer Weberinnung von 1726 bis 1806 (StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412) schwankt unregelmäßig 

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Handwerks und der Gesellenschaft zunehmend gegen die „Hausknappen“ gerichtet hatte, nahm ihr Anteil unter den Gesellen vorübergehend ab. Auch die schlechte Lohnentwicklung trug ihren Teil dazu bei. Am Ende des 18. Jahrhunderts gründeten aber immerhin noch mindestens 12 Prozent der Chemnitzer Webergesellen eine eigene Familie, ein Anteil, der bis 1819 auf über ein Drittel anwachsen sollte.262 Im 18. Jahrhundert verstärkten sich diese Trends auch in anderen untersuchten Gewerben. Die Dresdner Strumpfwirkergesellenschaft gab gegenüber den Ratsherren bekannt, dass „bey unserer Gesellschaft ein guth Theil Beweibte“ seien.263 In derselben Stadt lebte nach dem Siebenjährigen Krieg die Mehrzahl der Schneidergesellen nicht mehr im Meisterhaushalt.264 Unter ihnen hatten viele auch Frau und Kinder zu ernähren. Und auch bei den Leipziger Schneidern kamen spätestens im 18. Jahrhundert Gesellenfamilien in nicht unbeträchtlicher Anzahl vor, wenngleich die ledigen Gesellen lange versuchten, die Beschäftigung der Verheirateten zu unterbinden.265 Letztere stellten zusätzliche Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt dar, die durch ihre Sesshaftigkeit und ihren Familienstand durchaus konfligierende Interessen vertraten und daher eine Organisation der Geselleninteressen mit durchschlagkräftigen Kampfmitteln (Streik, Auszug) erschwerten. Sogar die Lehrlinge wurden in bestimmten Handwerken nicht im Meisterhaushalt verköstigt, sondern vollständig entlohnt, weil die Meister oft nicht die nötigen Räumlichkeiten für eine Unterbringung der Lehrlinge zur Verfügung stellen konnten.266 Die Altersstruktur und die geringen Löhne verhinderten jedoch die Gründung einer eigenen Lehrlingsfamilie. Unter den geschilderten Umständen kann zum einen zu Beginn der frühen Neuzeit nur noch bedingt und im 18. Jahrhundert nicht mehr von einer grundsätz

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zwischen Blatt- und Seitenpaginierung. Um Missverständnisse zu vermeiden, wurden deshalb die Zitationsbelege für diese Quelle einheitlich nach der Seitenzählung angegeben. StadtAC, RA, Kap. IX. Za 45, Bl. 120–122, 150–152b. – SCHOLZ (Handwerk und Manufaktur) 1991, S. 32f., 126. – STRAUSS (Chemnitzer Arbeiter) 1960, S. 23. Dagegen gehen einige historische Arbeiten noch von einem geringen Anteil verheirateter Gesellen aus. Sie gestehen höchstens den Gesellen der Baugewerke eine hohe Verheiratungsquote zu. Vgl. REITH, Reinhold: Altersprobleme und Alterssicherung im Handwerk der frühen Neuzeit. In: GÖCKENJAN, Gerd (Hrsg.): Recht auf ein gesichertes Alter? Studien zur Geschichte der Alterssicherung in der Frühzeit der Sozialpolitik (= Beiträge zur Sozialpolitik-Forschung, Bd. 5). Augsburg 1990, S. 32. Für Berlin im Jahr 1827 werden von Ute Frevert als Anteil verheirateter Gesellen zwischen 10 und 30 Prozent veranschlagt. FREVERT (Krankheit) 1984, S. 253. StadtAD, 11.2.62, Nr. 3, [unpag.] (Artikelentwurf vom 26.10.1779). WOZEL, Heidrun: Dresdner Handwerksgesellen. Materialien zu ihrer Lebensweise (1763– 1830). In: Jahrbuch für Volkskunde und Kulturgeschichte 31/1988, S. 44. StadtAL, Inn Schneider B 11, Bl. 128b. Zahlreich sind die Ermahnungen, dass die Handwerkswitwen keine verheirateten Gesellen als Tafelschneider einstellen sollten. Dies weist auf die häufige Beschäftigung dieser Gesellen im Handwerk hin. StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 96b, 99b–100, 114, 143, 145b, 155, 172–172b, 234b u. ö. – StadtAL, Inn Schneider B 11, Bl. 71b. StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 17, Bl. 1–3b.

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lichen häuslichen Einheit und Gemeinschaft im zünftigen Handwerk gesprochen werden.267 Zum anderen waren die Gesellen in unterschiedlich hohem Maße auf die kollektiven Unterstützungsleistungen der Handwerksorganisationen angewiesen. Während einheimische Gesellen in erheblich größerem Maße auf soziale Kontakte zurückgreifen konnten, fehlten den fremden Wandergesellen familiäre oder nachbarschaftliche Unterstützungsreservoire beispielsweise bei einer schweren Erkrankung. Die Gründung einer eigenen Familie gestaltete sich für viele Handwerksgesellen ambivalent. In manchen Handwerken (Schneider, Schuhmacher) bedeutete eine Gesellenheirat gleichsam den Verzicht auf das Meisterrecht, doch konnte eine eigene Familie den Betroffenen in sozialen Notfällen auffangen. Ehefrau und Kinder versuchten, für zusätzliches Einkommen zu sorgen und standen einem erkrankten oder verunfallten Gesellen fürsorglich zur Seite. Zugleich konnten sich die notdürftigen Lebensverhältnisse und die möglichen Belastungen durch die Familie als gravierender Nachteil für einen Handwerksgesellen mit geringem Einkommen entpuppen, weil die Familienangehörigen selbst durch soziale Grundrisiken gefährdet waren. Verlässt man noch einmal den Bereich des Handwerks, dann traten im Bergund Hüttenwesen besondere soziale Risiken stärker als in anderen Wirtschaftssektoren hervor. Daher wandten sich die Knappenorganisationen sowohl der Krankenunterstützung als auch der Begräbnisvorsorge und der Hinterbliebenenversorgung zu und richteten eigene Unterstützungskassen ein.268 Zuweilen beteiligten sie sich wie die Annaberger Knappschaft269 an der Finanzierung städtischer Fürsorgeinstitutionen. Der von den Bergarbeitern zu zahlenden Zehnte sollte mit wei 267 BRÄUER, Helmut: Alltägliches aus Zunftstube, Werkstatt und Handwerkerhaus. Zur Sozialgeschichte des Handwerks um 1500. In: Evangelisches Predigerseminar (Hrsg.): „Gott hat noch nicht genug Wittenbergisch Bier getrunken“. Alltagsleben zur Zeit Martin Luthers. Lutherstadt Wittenberg 2001, S. 43f. – Ders. (Chemnitz zwischen 1450 und 1650) 2005, S. 187, 193f. – Ders. (Armenmentalität) 2008, S. 76. 268 Zur sozialen Sicherung in den sächsischen Bergknappschaften siehe: Ders.: Armut in Bergstädten des sächsischen Erzgebirges während der frühen Neuzeit. In: KAUFHOLD, Karl Heinrich / REININGHAUS, Wilfried (Hrsg.): Stadt und Bergbau (= Städteforschung, Reihe A: Darstellungen, Bd. 64). Köln, Weimar, Wien 2004, S. 234–238. – LANGER, Johannes: Die Freiberger Bergknappschaft. In: Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins mit Bildern aus Freibergs Vergangenheit 62/1932, S. 68–86. – LÖSCHER, Erika (Bearb.): Das erzgebirgische Bergrecht des 15. und 16. Jahrhunderts. III. Teil: Fragmente der geschichtlichen Einleitung und systematischen Darstellung des damals geltenden Bergrechts und alle noch vorhandenen gedruckten berggeschichtlichen Abhandlungen (= Freiberger Forschungshefte, D 232). Freiberg 2009, S. 434–436. – WAPPLER, [o. V.]: Über die alte Freiberger Berg-Knapp- und Brüderschaft. In: Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins mit Bildern aus Freibergs Vergangenheit 37/1900, S. 53–55. – WILSDORF, Helmut: Zur Geschichte der erzgebirgischen Bergbrüderschaften und Bergknappschaften. In: Glück auf. Beiträge zur Folklorepflege H. 23/24 1986, S. 1–74. 269 RICHTER, Adam Daniel: Umständliche aus zuverläßigen Nachrichten zusammengetragene Chronica der im Meißnischen Ober-Ertz-Gebürge gelegenen König. Churf. Sächßischen freyen Berg-Stadt St. Annaberg, nebst beygefügten Urkunden. I. Theil. St. Annaberg 1746, S. 204.

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teren Geldern nach einer landesherrlichen Bestimmung von 1553 wöchentlich an die Armen ausgeteilt werden.270 Somit wurde frühzeitig ein Teil des knappschaftlichen Unterstützungswesens dem Verantwortungsbereich der Selbsthilfeorganisationen im Berg- und Montanbereich entzogen und obrigkeitlich reglementiert. Schließlich oblag ein wichtiger Teil der öffentlichen Armen- und Sozialfürsorge nach dem Gebot der christlichen Nächstenliebe kirchlichen Einrichtungen, welche allen Bittstellern eine legitime Unterstützungsberechtigung zuerkannten. Geistliche und weltliche Orden sowie religiöse Bruderschaften lehnten sich eng an kirchliche Vorgaben an und verfolgten häufig karitative Ziele, um die Angst um das eigene Seelenheil durch die Tat guter Werke zu vertreiben. Hospitäler als eine der wichtigsten Fürsorgeeinrichtungen des europäischen Mittelalters fanden sich in allen bedeutenderen Ortschaften, wobei diese Institutionen keine regelmäßige medizinische Betreuung kannten.271 Im Vordergrund stand vielmehr neben der Unterbringung und der Verköstigung die seelsorgerische Pflege. Eine allmähliche „Medikalisierung“ setzte in den meisten Hospitälern erst im 16. Jahrhundert ein. Zu diesem Zeitpunkt waren viele Armen- und Fürsorgeeinrichtungen bereits durch Kommunalisierungsprozesse in städtische Hände übergegangen oder von den Städten selbst (neu) gegründet worden. Grundsätzlich löste der Territorialstaat bzw. die Ortsgemeinde die Kirche als zentralen Akteur im öffentlichen Armenund Fürsorgewesen äußerst zögerlich und über einen lang gestreckten Zeitraum vom 14. bis zum 16. Jahrhundert ab. Durch einen ersten Regulierungsschub im Zuge der großen Pesteinbrüche Mitte des 14. Jahrhunderts, infolgedessen wichtige Fürsorgeeinrichtungen wie Pesthäuser und Siechstuben errichtet wurden, traten die städtischen und landesherrlichen Obrigkeiten als Handlungsträger auf dem Gebiet der Armen- und Krankenversorgung auf. Wichtiger wurde die Rolle, welche die weltlichen Obrigkeiten einnahmen, erst, als sich am Ende des 15. Jahrhunderts und zu Beginn des 16. Jahrhunderts mehrere Entwicklungsprozesse überlagerten. Erstens spitzten sich die sozialen und ökonomischen Probleme innerhalb der städtischen Gemeinschaften durch die Bevölkerungszunahme, die Verknappung der agrarischen Produkte, das Steigen der Lebensmittelpreise, die verstärkte Arbeitsteilung, die Anhäufung großer Kapitalmengen, den Ausbau frühkapitalistischer Produktionsformen und die verstärkte sozioökonomische Differenzierung erheblich zu. Zweitens wurden die vergrößer 270 LANGER (Bergknappschaft) 1932, S. 72. 271 JANKRIFT, Kay Peter: Herren Kranke, arme Siechen. Medizin im spätmittelalterlichen Hospitalwesen. In: BULST, Neithard / SPIESS, Karl-Heinz (Hrsg.): Sozialgeschichte mittelalterlicher Hospitäler (= Vorträge und Forschungen, Bd. LXV). Ostfildern 2007, S. 166f. Zur vorreformatorischen Leipziger Hospitallandschaft siehe beispielsweise: JUNG, Paul: Caritas in Leipzig vor der Reformation. In: BULANG, Heinrich / GÜLDEN, Josef / SEIFERT, Siegfried (Hrsg.): Unum in veritate et laetitia. Bischof Dr. Otto Spülbeck zum Gedächtnis. Leipzig 1970, bes. S. 205–217. Über die reformatorische Zeitschwelle geht die Arbeit von Dietzmann noch hinaus. DIETZMANN, Elisabeth: Die Leipziger Einrichtungen der Armenpflege bis zur Übernahme der Armenverwaltung durch die Stadt 1881. Diss. Leipzig 1932, bes. S. 11–21.

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ten sozialen Probleme nicht mehr in ausreichender Weise durch die nur begrenzt leistungsfähigen älteren Sicherungsinstanzen, allen voran Kirche und Familie, aufgefangen. Vor allem durch die Abwanderung Arbeit suchender Personen in die Städte rissen Sozialkontakte ab oder wurden zumindest so stark beeinträchtigt, dass die Familien ihren bisherigen Funktionen inklusive der sozialen Sicherung nicht mehr in vollem Umfang gerecht werden konnten.272 Drittens führte das Auftreten konkreter gesellschaftlicher Gefährdungen in Form neuartiger Seuchen wie der Syphilis zum Eingreifen der stadt- und landesherrlichen Obrigkeiten, die selbst (viertens) ein Interesse daran haben mussten, die bereits angestoßene Kommunalisierung des öffentlichen Fürsorgewesens weiter voranzutreiben und auszugestalten. Von territorialstaatlicher Seite verfolgte man dabei vor allem sicherheits-, ordnungs- und wohlfahrtspolitische Ziele. Bereits am Ende des 15. Jahrhunderts wurden die obrigkeitlichen Vorstellungen des Armen- und Fürsorgewesens aufgrund des Heimatprinzips formuliert, nach denen jede Gemeinde für ihre eigenen Armen aufzukommen hatte. Vonseiten der Landesherren waren seit dem Reichstag von Lindau 1497 die Kommunen zum Ergreifen von Maßnahmen der Armenfürsorge aufgerufen, die insbesondere das Bettelgehen unterbinden sollten.273 Eine restriktive Armenpolitik, welche die ganze frühe Neuzeit über vorherrschend bleiben sollte, nahm somit im 15. Jahrhundert ihren Ausgang. Kaum konkretere Vorstellungen zur Versorgung der Armen sprach der Augsburger Reichstag von 1530 an: „Item, daß auch die Oberkeit Versehung thue, daß eine jede Stadt und Commun ihre Armen selbst ernehren und unterhalten und im Reich nicht gestattet, Fremden an einem jeglichen Ort 274 zu betteln.“

 272 Jens Alber spricht mit Blick auf die Zunahme schutzbedürftiger Personenkreise von einem Anstieg der absoluten Sicherungsbedürftigkeit, während er das partielle Versagen der älteren Sicherungseinrichtungen als Anstieg der relativen Sicherungsbedürftigkeit bezeichnet. ALBER, Jens: Vom Armenhaus zum Wohlfahrtsstaat. Analysen zur Entwicklung der Sozialversicherung in Westeuropa. Frankfurt am Main, New York ²1987, S. 29f. 273 Abschied des Königlichen Tags zu Lindau, Anno 1497. In: SENCKENBERG, Heinrich Christian / SCHMAUSS, Johann Jacob (Hrsg.): Teutsche Reichs-Abschiede. Neue und vollständigere Sammlung der Reichs-Abschiede, Welche von den Zeiten Kayser Conrads des II. bis jetzo, auf den Teutschen Reichs-Tägen abgefasset worden, sammt den wichtigsten ReichsSchlüssen, so auf dem noch fürwährenden Reichs-Tage zur Richtigkeit gekommen sind. In Vier Theilen. Franckfurt am Mayn [1747]. Zweyter Theil derer Reichs-Abschiede von dem Jahr 1495 bis auf das Jahr 1551 inclusive, S. 32. 274 Römischer Kayserlicher Majestät Ordnung und Reformation guter Policey, im Heiligen Römischen Reich, zu Augspurg Anno 1530 auffgericht. In: SENCKENBERG, Heinrich Christian / SCHMAUSS, Johann Jacob (Hrsg.): Teutsche Reichs-Abschiede. Neue und vollständigere Sammlung der Reichs-Abschiede, Welche von den Zeiten Kayser Conrads des II. bis jetzo, auf den Teutschen Reichs-Tägen abgefasset worden, sammt den wichtigsten ReichsSchlüssen, so auf dem noch fürwährenden Reichs-Tage zur Richtigkeit gekommen sind. In Vier Theilen. Franckfurt am Mayn [1747]. Zweyter Theil derer Reichs-Abschiede von dem Jahr 1495 bis auf das Jahr 1551 inclusive, S. 343.

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In Kursachsen wurde das Problem ebenfalls auf die kommunale Ebene verlagert, indem einerseits das Ausschreiben von 1555 die kommunale Verantwortung, andererseits die Generalartikel von 1557, die auf eine Visitation der Kirchengüter erfolgt waren, das Thema der kirchengemeindlichen Armenfürsorge aufgriffen.275 Mit den sich verschärfenden Auseinandersetzungen im Umgang mit Bettlern und Umherziehenden insistierten seitdem verschiedene kursächsische Landesordnungen und Edikte auf die Fürsorgepflicht einer jeden Gemeinde für die eigenen „wahren“ Bedürftigen.276 Die städtischen Räte reagierten, wenn sie nicht schon seit dem 15. Jahrhundert wie in Leipzig und Dresden mit der Bevorzugung einheimischer Armer eine verschärfte Bettlerpolitik betrieben hatten,277 mit der Differenzierung der Bedürftigengruppe in „Würdige“ und „Unwürdige“ und wandten gegenüber Letzteren restriktive Zwangsmaßnahmen wie ernste Ermahnungen, Gefängnisstrafen, körperliche Züchtigungen und Stadtverweise an. Im Laufe der frühen Neuzeit verschärften sich mit dem Problem des „Bettlerunwesens“ sowohl die Bettlerdiskurse als auch die Strafpraxis.278  275 Ausschreiben, Churfürst Augusti, etlicher Articul, so Sie auf deroselben Landschafft unterthänigen Rath und Bedencken in Sachen, Policey und anders belangend, zu Abwendung derer angegebenen Land-Gebrechen, in Ihren Landen verordnet, den 1. Octob. Anno 1555. In: LÜNIG, Johann Christian (Hrsg.): Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici […] [Bd. I]. Leipzig 1724, Sp. 72. – General Articul vnd gemeiner bericht, wie es in den Kirchen mit den Pfarherrn, Kirchendienern, den Eingepfarten, vnd sonst allenthalb ordentlich, auff Hertzogen Augusten Churfürsten zu Sachsen etc. in jüngst verschienen Fünff vnd Sechs vnd funfftzigsten Jharen, verordnete vnd beschehene Visitation, gehalten werden soll. In: RICHTER, Aemilius Ludwig (Hrsg.): Die evangelischen Kirchenordnungen des sechszehnten Jahrhunderts. Urkunden und Regesten zur Geschichte des Rechts und der Verfassung der evangelischen Kirche in Deutschland. Zweiter Band: Vom Jahre 1542 bis zu Ende des sechszehnten Jahrhunderts. Weimar 1846, S. 184, 193. 276 Edict Churf. Christiani I. zu Sachsen, die Müßiggänger und Land-Bettler betreffend, den 27. Januar. Anno 1588. In: LÜNIG, Johann Christian (Hrsg.): Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici […] [Bd. I]. Leipzig 1724, Sp. 1429f. – Mandat, Die Herrenlosen Knechte, Garden Brüder und müßige zusammen rottirte Handwercks-Gesellen betreffend, den 1. Nov. Anno 1599. In: Ders. (Hrsg.): Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici […] [Bd. I]. Leipzig 1724, Sp. 1439f. – Policey- Hochzeit- Kleider- GesindeTagelöhner- und Handwercks-Ordnung Churfürst Joh. Georgens des II. zu Sachsen, den 22. Junii, Anno 1661. In: Ders. (Hrsg.): Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici […] [Bd. I]. Leipzig 1724, Sp. 1573. Zur Unterscheidung der Armen von den Bedürftigen siehe: FISCHER, Thomas: Städtische Armut und Armenfürsorge im 15. und 16. Jahrhundert (= Göttinger Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 4). Göttingen 1979, S. 25f., 42f. 277 BRÄUER, Helmut: Der Leipziger Rat und die Bettler. Quellen und Analysen zu Bettlern und Bettelwesen in der Messestadt bis ins 18. Jahrhundert. Leipzig 1997, S. 45–52. – DIETZMANN (Armenpflege) 1932, S. 9. – STANISLAW-KEMENAH (Kranke, Arme und Elende) 2007, S. 12. Auch in der Zwickauer Ordnung des Gemeinen Kastens von 1566 wurde auf das Heimatprinzip verwiesen. StadtAZ, Kaland 17, Nr. 5, Bl. 5. 278 Eine schriftlich fixierte Definition des Kriteriums der Heimatangehörigkeit, die angab, wer zu den „eigenen“ Unterstützungsberechtigten der Kommunen und Städte zu zählen sei, fand sich erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In der Dresdner Armenordnung wurden der Ort der Geburt bzw. der Ansässigkeit oder ein Aufenthalt von mindestens zwei Jahren als 

3. Das Untersuchungsfeld

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Ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts häuften sich die gesetzgeberischen Eingriffe, die darauf hindeuteten, dass es spätestens seit dieser Zeit im öffentlichen Unterstützungswesen zu gravierenden Schwierigkeiten kam, welche die städtischen und territorialen Machthaber nicht mehr einfach ignorieren konnten. Aufgrund beschränkter Handlungsoptionen nutzten die Städte und Territorialherren die Möglichkeiten, die ihnen andere Korporationen boten, sodass sie beispielsweise die Handwerksorganisationen vermehrt an ihre soziale Verantwortung erinnerten und sie schließlich am Ende des 18. Jahrhunderts daraufhin verbindlich verpflichteten. Neben den bislang vorgestellten Trägern sozialer Sicherung sorgten Privatinitiativen, Stiftungen und Spendenaktionen für Bedürftige und Arme, sei es in eigenverantwortlicher, kirchlicher oder seit dem Spätmittelalter in städtischer Trägerschaft. Schließlich konnten in den Städten Bürger und Nichtbürger Unterstützungsleistungen von Korporationen wie den Universitäten oder Handwerksorganisationen beziehen. Eine der wichtigsten, aber keine zwingend notwendige Voraussetzung hierfür bildete die Mitgliedschaft in diesen auf dem Gegenseitigkeitsprinzip aufgebauten Gemeinschaften.

 Kriterien angeführt. Nach einem Generale vom 1. Juli 1809 sollte eine bedürftige Person durch diejenigen Gemeinden versorgt werden, „a) wo dieselbe ansässig gewesen, oder dafern dies nicht der Fall seyn sollte, b) wo sie zuletzt zwei Jahre hinter einander wesentlich sich aufgehalten, oder wenn dieses nicht statt gefunden haben sollte, c) wo dieselbe geboren ist.“ Für die Handwerksgesellen ergab sich jedoch das Problem, dass ihr temporäres, auswärtiges „Dienen“ keine „Verbindlichkeit zur Aufnahme“ und keine Versorgung nach sich zog. StadtAD, RA, B. XIII. 28, [unpag.] (Entwurf vom 22.06.1772). – Generale, die wechselseitige Annahme und Versorgung armer und preßhafter Personen in den Erblanden und beiden Lausitzen betreffend, vom 1sten Juli 1809. In: FLECK, Ferdinand Gotthelf / KOHLSCHÜTTER, Karl Christian (Hrsg.): Dritte Fortsetzung des Codicis Augustei, worinnen die in dem Königreiche Sachsen ergangenen gesetzlichen Verordnungen vom Jahre 1801 bis zu der am 9ten März 1818 angefangenen Gesetzsammlung, enthalten sind. Erste Abtheilung. Dresden 1824, S. 458.

4. KRANKENUNTERSTÜTZUNG DURCH HANDWERKSZÜNFTE UND GESELLENSCHAFTEN Es „wurde auch eines armen Meisters gedacht, welcher vor 9 Jahren auf dem Kirchwege von einen heftigen Schlagfluße befallen wurde und in währender Zeit durch Chirurgische und Medicinische Mittel gesucht hat zu precaviren. Alle angewandten Mittel sind fruchtlos angewendet worden und [er] ist dabey in Unthätigkeit und der größten Schwachheit verblieben [und] ist dadurch in die äußerste Armuth verfallen, das er nunmehro die dringlichste Unter1 stützung nöthig hat.“

Dieser Auszug aus dem Rechnungsbuch der Chemnitzer Weber verweist auf ein individuelles Schicksal, eine Erkrankung, als Ursache für die materielle Verarmung eines Mannes. Besonders die erhebliche zeitliche Dimension des Leidens erhöhte die Wahrscheinlichkeit einer sich herausbildenden Bedürftigkeit aufgrund des Verlustes der Arbeitsfähigkeit. Die Zugabe erheblicher eigener Mittel für Präventions- oder Therapieversuche beeinflusste natürlich nicht allein die Lebensumstände der kranken Person selbst, sondern die ihrer gesamten Familie bzw. ihres Haushalts. In einem Bittschreiben an Kurfürst Johann Georg III. (1647–1691) schilderte die Tuchmacherwitwe Maria die familiären Auswirkungen der lang anhaltenden gesundheitlichen Beschwerden ihres Ehemannes. „Weiln dann, gnädigster Churfürst undt Herr, ich arme Wittbe bey Lebzeiten meines vorigen Mannes, in dem selbiger von dem Allerhöchsten Gott mit großer Haus-Creütz undt beschwerlicher Kranckheit undt zwar morbo epileptica heimgesuchet undt befället, welche Continuirlichen angehalten undt ihn dermaßen mit genommen, daß er etliche Jahr fast gantz nichts bey seinem Handtwercke verrichten können, also von allen Vermögen kommen, undt mit meinen 2 unerzogenen Kindern in eüserste Armut geseztet undt gerahten.“

Besonders dem „continurlichen“ Fortgang der Erkrankung war es geschuldet, dass die Witwe, nachdem aller Besitzstand verkauft oder beliehen worden war, auf öffentliche Almosengaben angewiesen war. Erkrankungen bildeten in der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gesellschaft eine wichtige Ursache für Verarmungsprozesse, insbesondere wenn es sich um schwere Leiden von langer Dauer handelte. Sie spitzten bereits bestehende soziale Notlagen weiter zu und führten vielfach, selbst wenn die Krankheit  1 2

StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 353. „Precaviren“, d. h. bestimmte Vorkehrungen treffen. StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 5, Bl. 27. „Haus-Creütz“ konnte allgemein für Leiden, häusliche Widerwärtigkeiten und diverse Unglücksfälle stehen. ADELUNG, Johann Christoph: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der Oberdeutschen. Zweyter Theil, von F-L. Leipzig 1796, Stichwort: Hauskreuz, Sp. 1031.

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4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften

überwunden wurde, zur völligen Mittellosigkeit und Überschuldung. Die finanziellen Aufwendungen für die medizinische Behandlung und die Krankenpflege eines Familienmitglieds konnten enorme Ausmaße erreichen und die Leistungsfähigkeit der Angehörigen schnell überfordern. Mitunter waren der zeitliche Aufwand und die physischen und psychischen Belastungen für die Familie nicht zu tragen. Bei einer Untersuchung der Medizinalversorgung in den Dresdner Vorstädten im Jahr 1721 gaben viele der befragten Einwohner an, sich „aus Armuth auch nur Haußmittel“ und keinen Medikus leisten zu können,3 wodurch viele Erkrankungen verschleppt wurden oder sich verschlimmerten. Die Inanspruchnahme von Laienheilern und „Winkelärzten“ erfolgte nach Angabe der Betroffenen auch aus finanzieller Not heraus.4 Verbot die Art der gesundheitlichen Beschwerde eigentlich eine Pflege im Familienkreis, legte dies die Unterbringung in einem Hospital oder Krankenhaus nahe, was mit höheren finanziellen Aufwendungen verbunden war.5 Doch nicht allein die medizinische und pflegerische Versorgung und Unterhaltung des Kranken stellte die Angehörigen vor ungeheure Herausforderungen unterschiedlichster Art. Die engen Wechselwirkungen von Armut und Krankheit standen mit einem dritten Moment, der Arbeitsunfähigkeit, die als Gradmesser für die Gefährlichkeit der Krankheit herangezogen wurde, in Verbindung. Die zeitgenössischen Auffassungen von Gesundheit und Krankheit kreisten entsprechend um das individuelle Vermögen, den alltäglichen Verrichtungen nachzugehen.6  3

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StadtAD, RA, F. XXII. 19, Bl. 8, 9, 15 u. ö. Die landesherrliche Obrigkeit erkannte das soziale Problem und ordnete die unentgeltliche Versorgung der Armen durch den städtischen Physikus an. Ebd., [unpag.] (Schreiben vom 27.05.1721). Wiederholt wurde diese Festlegung in: Befehl, die Reisen der Amts-Physicorum in mittelbare Ortschaften […] betr. vom 06.09.1799. In: FLECK, Ferdinand Gotthelf / KOHLSCHÜTTER, Karl Christian (Hrsg.): Zweyte Fortsetzung des Codicis Augustei, oder anderweit vermehrtes Corpus Juris Saxonici [...] bis zum Jahre 1800 [...] Erste Abtheilung. Leipzig 1805, Sp. 1127–1130. In Zwickau erfolgte die Anstellung eines städtischen Pestilenzarztes, der die kranken Almosenempfänger behandeln sollte, ohne von ihnen ein Entgelt zu verlangen, bereits im 16. Jahrhundert. StadtAZ, III x 75, RP 1597– 1599, 1597/98, Bl. 272b. StadtAD, RA, C. XXIV. 215o, [unpag.] (Schreiben vom 19.11.1711). – StadtAZ, III x 134, RP 1676–1677, Bl. 31b–32. – SCHLENKRICH, Elke: „Sie hätten anfänglich vermeinet, es sey eine Colica.“ Zur Kommunikation von Heilkundigen und Patienten im frühneuzeitlichen Sachsen. In: BRÄUER, Helmut / SCHLENKRICH, Elke (Hrsg.): Die Stadt als Kommunikationsraum. Beiträge zur Stadtgeschichte vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Festschrift für Karl Czok zum 75. Geburtstag. Leipzig 2001, S. 650f. Vermutlich standen die „durch Tradition legitimierten Heiler-Gruppen“ den ärmeren Kranken auch sozial näher. SPREE, Reinhard: Soziale Ungleichheit vor Krankheit und Tod. Zur Sozialgeschichte des Gesundheitsbereichs im Deutschen Kaiserreich. Göttingen 1981, S. 143. Naturgemäß besitzen wir keine Auskunft über den Anteil derjenigen, die aus Geldmangel diese Option nicht wahrnehmen konnten. Bettelprotokolle, Suppliken und andere Quellen weisen aber immer wieder auf invalide und kranke Personen sowie auf Folgeschäden aufgrund unbehandelter Leiden hin. Selbst in modernen Begriffsdefinitionen wird dem Aspekt der Leistungsminderung bis zur Arbeitsunfähigkeit und der Hilfsbedürftigkeit hohe Aufmerksamkeit gewidmet. HILLMANN (Soziologie) 2007, S. 462f.

4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften

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Zwar besaßen zahlreiche Handwerkerfamilien mehrere Einkommensquellen, indem sie ihre Einkünfte nicht nur direkt aus der Ausübung des Handwerks bezogen, sondern eventuell auch ein kleines Gartengrundstück oder eine Ackerfläche bewirtschafteten, einen kleinen Handel betrieben oder Verdienste aus Vermietungen, Kapitalverleih oder anderen Tätigkeiten beispielsweise in kommunaler Anstellung generieren konnten. Der Hauptteil des Haushaltseinkommens wurde jedoch aus der mehr oder weniger selbstständigen Arbeit in der Meisterwerkstatt und dem Vertrieb der Waren bzw. Dienstleistungen erwirtschaftet. War die Gesundheit eines Werkstattinhabers in so erheblichem Maße beeinträchtigt, dass eine Fortführung der jeweiligen Beschäftigungen nicht möglich war, versiegte häufig die Haupteinnahmequelle der Meisterfamilie. Die Handwerksgesellen und -lehrlinge waren in ihren Erwerbsmöglichkeiten noch stärker eingeschränkt. Aufgrund der geringen Rücklagen- und Vermögensbildung bedeutete eine längere Erkrankung für sie eine kaum zu bewältigende finanzielle Belastung. Für erkrankte Handwerksgesellen, die einen eigenen Familienhaushalt führten, bestanden ähnlich wie bei den verheirateten Meistern durch die Existenz einer Familie sowohl Chancen als auch Risiken. Der Möglichkeit, zusätzlich bzw. ersatzweise generiertes Einkommen durch die Familienangehörigen zu erlangen, stand die Sorge um die Unterhaltung derselben gegenüber, wenn mit dem Familienvorstand eine wesentliche Einnahmequelle aufgrund von Krankheit vorübergehend oder dauerhaft ausfiel. Natürlich konnten auch kranke Angehörige Mehrkosten verursachen. Dagegen waren vor allem zugewanderte Gesellen ohne familiären oder sonstigen sozialen Rückhalt hauptsächlich oder sogar ausschließlich auf die Beschäftigung durch ihren Arbeitgeber angewiesen. Kranke Personen wurden demnach besonders durch zwei Momente gefährdet: den Verlust des Arbeitsentgelts und die zusätzlichen Pflege- und Behandlungskosten. Hinzu kam möglicherweise als drittes der ungewisse Fortgang des Genesungsprozesses, der nicht immer mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit endete. Auf alle drei Risiken mussten die Handwerker, wenn sie sich mit dem Problem der Unterstützung Kranker auseinandersetzten, angemessen reagieren.7 Über die privat-familiären und die korporativen Konsequenzen hinaus betraf die gesundheitliche Verfassung der Bevölkerung die städtische Gemeinschaft als Ganzes. Seit den gewaltigen Bevölkerungsverlusten infolge der spätmittelalterlichen Pestepidemien gingen die städtischen Räte und mit zeitlicher Verzögerung auch die Territorialherren dazu über, mit gesundheits-, hygiene- und ordnungspolitischen Vorgaben die Krankenversorgung der Handwerksorganisationen bewusst und unbewusst zu beeinflussen. Die folgenden Abschnitte beleuchten die weitgehend vergleichbaren Bedingungen, Formen und Motive der Krankenunterstützung durch Meisterzünfte und

 7

FRÖHLICH (Sicherung) 1976, S. 81.

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4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften

Gesellenschaften gemeinsam, wobei die verfügbaren Informationen über die Sicherungsformen zugunsten kranker Gesellen überwiegen.8

4.1 VARIANTEN DES KRANKENUNTERSTÜTZUNGSWESENS IM HANDWERK Betrachtet man die Handwerksorganisationen und ihre kollektiven sozialen Sicherungsmaßnahmen pauschal aus zu großer Distanz, resultieren daraus Urteile von einer Verkrustung vorhandener Sicherungsstrukturen, einer statischen Unterstützungspraxis und einem anhaltenden Diskursmangel über eine Verbesserung sozialer Hilfsangebote. Auch eine vom gegenwärtigen Wissensstand ausgehende, herablassende Beurteilung des vormodernen medizinischen Kenntnisstandes wird nicht zielführend sein.9 Mittlerweile besteht in der Handwerksgeschichtsschreibung über diese Punkte Einigkeit. Die Einschätzungen differieren jedoch, wenn es um Fragen der konkreten Formenvielfalt und des Wandels der Maßnahmen geht und, wenn ein Wandel konstatiert werden kann, ob dieser mit gewissen Diskontinuitäten einer bestimmten Richtung folgte. Es ist von einem breitem Spektrum an Veränderungen im Kleinen und speziell für die obersächsischen Gebiete von einer langsamen Umgestaltung auszugehen, bei der lokale und gewerbespezifische Besonderheiten in den Hintergrund treten konnten; dennoch sind signifikante Auffälligkeiten festzustel 8

9

Neben der Gefährdung durch eine Erkrankung wird in diesem Kapitel bei einzelnen Beispielen auf die sozialen Risiken „Unfall“ und „Behinderung“ eingegangen, da viele Quellen nicht immer zwischen krankheits- und unfallbedingter sozialer Sicherung unterschieden. Die Folgen eines Unfalls konnten bedeutsame und anhaltende Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Gesundheit des Verunfallten haben und mit einer vorübergehenden oder dauerhaften Einschränkung der Arbeitsfähigkeit und somit der Verdienstmöglichkeiten einhergehen. Behinderungen konnten angeboren sein oder beispielsweise durch Krankheiten oder andere schädigende Einflüsse im Laufe des Lebenszyklus erworben werden. Auch sie besaßen erheblichen Einfluss auf das Vermögen, sein Einkommen selbstständig zu verdienen. Führten Unfälle oder körperliche bzw. geistige Behinderungen zu dauerhafter, schwerer Invalidität, verstetigte sich die individuelle Abhängigkeit von Unterstützungsmaßnahmen und die gesundheitlichen Beeinträchtigungen wirkten permanent existenzbedrohend. Trotz meist verschiedener Ursachen ähnelten sich die sozialen und ökonomischen Folgewirkungen von Unfällen, Behinderungen und Krankheiten, weshalb diese individuellen Risiken daher in das Kapitel zur kollektiven Sicherung im Krankheitsfall integriert wurden. Um Dopplungen zu vermeiden, wird i. d. R. nur von Krankenunterstützung gesprochen, doch kann davon ausgegangen werden, dass sowohl die konkreten Hilfsangebote als auch die allgemeinen Entwicklungstendenzen gleichfalls auf die Unfallversorgung bezogen werden können. Eine Unterstützung im Falle dauerhafter Behinderung fand dagegen eher unter denselben Bedingungen wie bei einer lang anhaltenden Krankheit statt. Eine solche modernistische Haltung findet sich z. B. in: KAISER, Gottfried: Festschrift zur 100-Jahr-Feier des Stadtkrankenhauses zu Dresden-Friedrichstadt. Eine Darstellung der Entwicklung der Krankenanstalt von 1568 bis zur Gegenwart. [Dresden 1949], S. 9. – MUMMENHOFF, Ernst: Die öffentliche Gesundheits- und Krankenpflege im alten Nürnberg. Nürnberg 1898 (ND Nürnberg 1986).

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len.10 Für die Einzelorganisationen und die Kranken bzw. deren Angehörige stellten kleinere Modifizierungen der jeweiligen Krankenunterstützung mitunter einschneidende Veränderungen dar. Schließlich dürfen Entwicklungsprozesse, die nicht direkt mit der zünftigen Krankenversorgung in Verbindung standen, nicht außer Acht gelassen werden. Die Verlagerung des Krankheitsprozesses in die Institutionen (Kloster, Hospital, Krankenhaus),11 die organisatorischen Veränderungen der einzelnen Einrichtungen, der Strukturwandel im Handwerk und in den jeweiligen Gewerben sowie die Verschiebungen innerhalb des sozialen Profils der Meisterschaft und vor allem der Gesellenschaft, die Erweiterungen des Wissensstandes im Gesundheitswesen, die fortschreitende Etablierung einer städtischen Hygienepolitik und schließlich ein schleichender Wertewandel beeinflussten die soziale Sicherung der Kranken im Zunfthandwerk.

4.1.1 Familiäre und dienstherrliche Unterstützung In erster Linie war ein frühneuzeitlicher Mensch im Falle einer Krankheit auf sich und sein engstes soziales Umfeld zurückgeworfen. Kranke wurden durch ihre Familie, Freunde und Nachbarn unterstützt. Eigenverantwortlichkeit und familiäre Pflege bedurften aufgrund der natürlichen Gegebenheiten keiner expliziten Regelung, geschweige denn Kodifizierung, weshalb für gewöhnlich keine detaillierteren Aussagen zu dieser Art der „Familienarbeit“ getroffen werden können.12 Fehlende Belege der mittelalterlichen Epoche wurden in der Vergangenheit oft genutzt, um verklärend die im Gegensatz zur frühen Neuzeit noch scheinbar intakten Familienverbände und deren ausgeprägte, emotionsbegründete Krankenversorgung zu loben.13 Die charakteristischen Elemente eingeschränkter Solidarität, begrenzter Unterstützungsmöglichkeiten und eng definierter Empfängerkreise als

 10 Vgl. BRÄUER (Gesellen) 1989, S. 83f. – SCHULZ (Handwerk, Zünfte und Gewerbe) 2010, S. 60. Dagegen spricht Schirbel von einem statischen Sicherungssystem. „Wie das Krankenunterstützungswesen der Gesellenverbände zur Reformationszeit beschaffen war, so funktionierte es noch am Ausgange des 18. Jahrhunderts […].“ SCHIRBEL (Krankenversorgung) 1929, S. 99. 11 FREVERT (Krankheit) 1984, S. 269. – STICKER, Anna (Hrsg.): Die Entstehung der neuzeitlichen Krankenpflege. Deutsche Quellenstücke aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Stuttgart 1960, S. 13. 12 So wurden kranke Meisterkinder vorrangig von ihren Familien und dem Gesinde des Haushalts betreut, wenn nicht die Art der Erkrankung eine häusliche Pflege verbot. WERKSTETTER (Frauen im Augsburger Zunfthandwerk) 2001, S. 113f. Eine Ausnahme stellen die oft verschriftlichten Vereinbarungen zur Pflege im Alter dar, die häufig bei der Übergabe des Hauses an die jüngeren Angehörigen oder Freunde getroffen wurden. 13 STEYNITZ (Mittelalterliche Hospitäler) 1970, S. 16. – STRUBE (Handwerkszünfte in Bremen) 1974, S. 27f.

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mögliche Risiken der Krankenunterstützung durch den Familienverband thematisieren nur wenige Arbeiten.14 Erkrankte ein Meister, sollte er sich im Allgemeinen auf die Unterstützung seiner Familie verlassen können. Die Beschäftigten des Meisterhaushalts versuchten ebenfalls, auf familiäre Kontakte zurückzugreifen. Für die Handwerksgesellen, die mit Ausweitung der Wanderpflicht zunehmend an anderen Orten als in ihrer Heimatgemeinde beschäftigt waren, bestand diese Möglichkeit oftmals nicht. Bei ihnen wurden die aktuellen und zukünftigen Lebenschancen durch eine Krankheit, die sie ihrer Arbeitsfähigkeit beraubte, stärker bedroht als bei Personen, die am Arbeitsort verwandtschaftliche oder andere langjährige soziale Bindungen besaßen. Im Handwerk begründete das Arbeitsverhältnis zwischen Meister und Hilfskraft allerdings soziale Beziehungen spezieller Art, die im Falle eines Unfalls oder einer Krankheit Unterstützungsleistungen nach sich ziehen konnten. Dinges charakterisierte diese aus Arbeitsbeziehungen herrührenden gegenseitigen Hilfsmaßnahmen als eine Unterstützungsform, aus der ähnlich wie im Familienverbund eine Anhäufung von „Sozialkapital“ resultieren konnte.15 In der älteren Historiografie wurde diese potenziell vorhandene Sicherungsform jedoch als dauerhafte Fürsorgepflicht überbewertet. Als Beleg berief man sich neben der kirchlich gebotenen christlichen Nächstenliebe und Barmherzigkeit auf einige ältere Gesetzessammlungen (Sachsenspiegel von 1225) und Stadtrechte (Bremer Stadtrecht von 1303, Hamburger Stadtrecht von 1270),16 während im Übrigen für die gewohnheitsrechtlichen Unterstützungshandlungen schriftliche Fixierungen nicht nötig gewesen seien. Für die sächsischen Gebiete konnte in diesem Zusammenhang sogar auf eine Freiberger Handwerksordnung von 1511 verwiesen werden. Die Böttchermeister legten hier fest: „Dann hat er (der Meister) Ine (den Gesellen) gehalten in gesuntheit, so hat er Ine auch in kranknöthen.“17 Es bestand also durchaus eine gewisse Wahrscheinlichkeit und morali 14 Ein aufschlussreiches Beispiel beschränkter familiärer Unterstützung bei: BRÄUER (Armenmentalität) 2008, S. 92. 15 DINGES (Stadtarmut) 1988, S. 123–126, 247. – Ders. (Armenfürsorge) 1991, S. 24. Vgl. BOURDIEU, Pierre: Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In: KRECKEL, Reinhard (Hrsg.): Soziale Ungleichheiten (= Soziale Welt, Sonderband 2). Göttingen 1983, S. 190f. – KINZELBACH (Gesundbleiben) 1995, S. 301. 16 BRUNS, Albrecht: Die Arbeitsverhältnisse der Lehrlinge und Gesellen im städtischen Handwerk in Westdeutschland bis 1800. Diss. Köln 1938, S. 207. – DIETZMANN (Armenpflege) 1932, S. 29. – KLEEIS, Friedrich: Die Geschichte der sozialen Versicherung in Deutschland. Berlin 1928 (ND Berlin, Bonn 1981), S. 23f. – WISSELL (Recht und Gewohnheit I) 1971, S. 451. 17 Ders.: Die Geschichte der deutschen Sozialversicherung. Von der Krankenfürsorge im Mittelalter zur Krankenversicherung der Neuzeit. Jahre 1270 bis 1838. In: Die Reichsversicherung. Zeitschrift für die gesamte Sozialversicherung 1/1927, H. 5, S. 138. Vgl. KNEBEL (Handwerksbräuche) 1886, S. 28. – SCHULZE, Franz: Die Handwerkerorganisation in Freiberg i. Sa. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. In: Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins mit Bildern aus Freibergs Vergangenheit 53/1918/19, S. 28.

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sche Verpflichtung, dass das Handwerksgesinde zumindest bei leichteren Krankheiten mit der Hilfe des Meisters bzw. der Meisterwitwe rechnen konnte, wie auch diese umgekehrt auf ihre lohnabhängig Beschäftigten zählten. Konkretere Aussagen zur älteren dienstherrlichen Fürsorge wurden in den überlieferten Schriftquellen nicht getroffen. Eine Bewertung dieser selbst normativ nur selten vorgegebenen Krankenpflege durch den Arbeitgeber fällt gerade für die spätmittelalterliche Zeit schwer. Noch immer vertreten einige Stimmen innerhalb der Geschichtsforschung die Meinung, nach der eine weitgehende und selbstverständliche Fürsorge- und Beistandspflicht des Meisters für seine Bediensteten bestand. Nur in besonderen Notfällen, wenn der Meister nicht in der Lage war, seinen Verpflichtungen gerecht zu werden, hätten die Berufskorporationen eingegriffen.18 Aufgrund der tatsächlichen Belege bleibt aber zu konstatieren, dass es weder einen rechtlichen Anspruch auf Krankenunterstützung im Meisterhaushalt in irgendeiner Form gab, noch dass eine Unterhaltung kranker Gesellen, Lehrlinge oder Mägde durch ihren Arbeitgeber abwegig war, weil er sich ihnen moralisch verpflichtet fühlte bzw. in ihnen wertvolle Arbeitskräfte erkannte.19 Die als Facharbeiter angestellten Gesellen konnten hochqualifizierte Tätigkeiten ausüben und Lehrlinge oder Mägde stellten kostengünstige Hilfskräfte dar, auf die der Meister bei herrschendem Arbeitskräftemangel angewiesen sein konnte. Unterstützte der Meister seine unselbstständig Beschäftigten bei einer Krankheit oder nach einem Unfall, dann baute er im umgekehrten Fall ebenfalls auf die Hilfe seiner Beschäftigten. Die verauslagten Behandlungs- und Verpflegungskosten ließ der Meister bei Genesung des Gesellen, Lehrlings, Lohnburschen oder der weiblichen Beschäftigten durch diese häufig abarbeiten oder auf andere Art zurückerstatten.20 Obwohl einige Studien davon ausgehen, dass die Lehrlinge uneingeschränkt zum Familienverband des Meisterhaushalts zählten und ihnen im Prinzip die familiäre, zumindest aber die dienstherrliche Fürsorge automatisch zustand, zeigen konkrete  18 GÖTTMANN, Frank: Handwerk und Bündnispolitik. Die Handwerkerbünde am Mittelrhein vom 14. bis zum 17. Jahrhundert (= Frankfurter historische Abhandlungen, Bd. 15). Wiesbaden 1977, S. 30f. – HEINICKE (Armenarztwesen) 2004, S. 9f. – PELLING, Margaret: Apprenticeship, Health and Social Cohesion in Early Modern London. In: History Workshop Journal 37/1994, S. 44f. – PETERS, Horst: Die Geschichte der sozialen Versicherung. Bonn, Bad Godesberg 1974, S. 25. – PICKL, Othmar: Bruderschaften, Gesellenverbände und Gesellenordnungen in der Steiermark. In: Ungarische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): II. Internationales handwerksgeschichtliches Symposium. Veszprém 21.–26.8.1982, Bd. 1. Veszprém 1983, S. 290. – WESOLY (Lehrlinge und Handwerksgesellen) 1985, S. 332. Dagegen bezweifelte bereits Maschke die Reichweite der Sorge für kranke Gesellen im Meisterhaushalt. MASCHKE (Unterschichten) 1984, S. 444. Vgl. JÜTTE, Robert: Ärzte, Heiler und Patienten. Medizinischer Alltag in der frühen Neuzeit. München 1991, S. 202. 19 SCHULZ (Handwerksgesellen und Lohnarbeiter) 1985, S. 196. – STRUBE (Handwerkszünfte in Bremen) 1974, S. 26f. 20 ZATSCHEK, Heinz: Aus der Vergangenheit des deutschen Handwerks. In: Archiv für Kulturgeschichte 37/1955, H. 1, S. 51.

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4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften

Beispielfälle, dass es sich bei der Unterstützung durch den Arbeitgeber um keine Selbstverständlichkeit handelte. Da die Handwerksstatuten wie bei den Leipziger Leinewebern nur von allgemeiner meisterlicher Versorgungspflicht des Lehrlings „mit nothdürfftigen Unterhalt“ sprachen21 und bisherige Forschungen das Thema oft stiefmütterlich behandelten oder einseitig darstellten, müssen zwingend einige Exempel des meisterlichen Fürsorgeverhaltens nähere Auskunft geben. Dabei bleibt nicht aus, dass die seltenen Belege ausschließlich konflikthafte Auseinandersetzungen thematisieren, während kooperativ-friedliche Verhältnisse zwischen dem Meister und seinen Beschäftigten i. d. R. nicht den Weg in die Akten fanden. Dennoch dienen die Fallbeispiele der Relativierung und kritischen Hinterfragung einer pauschalen und obligatorischen Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Nachdem vermutlich in der Mitte des 16. Jahrhunderts mehrfache Zwischenfälle das Arbeitsklima zwischen Meistern und Gesellen vergiftet hatten, beharrte der Zwickauer Stadtrat gegenüber den Gerbern tatsächlich auf der Pflicht des Meisters, für sein erkranktes Gesinde zu sorgen. Zumindest sollte keiner „sein krangk gesind one vorbewust der vier meister verstoßen“. Durch Krankheit versäumte Lehrjahre waren allerdings nachzuholen.22 In manchen Handwerken hatten die Jungen bei Antritt einer Lehre außer der Zahlung von Lehrgeld und Aufdinggebühren ein Lehrbett zu stellen. Die Chemnitzer Weber bestimmten, dass „darinnen ein solcher Junge sich behelffen kan“,23 sodass die Lagerstätte vermutlich auch im Krankheitsfall genutzt werden sollte. Vielfach mussten aber Lehrlinge, denen anders als den Gesellen der Rückhalt durch eine eigene Berufsorganisation fehlte, nicht selten das Meisterhaus verlassen oder sogar die Lehre abbrechen, wenn ein Leiden länger anhielt, chronisch wurde oder ansteckend wirkte.24 Eine besonders erhellende wie schockierende Darstellung ergibt sich aus dem Vernehmungsprotokoll des Leipziger Stadtschreibers vom 9. Dezember 1763. Nach diesem wechselten der Geselle und der Lehrling des Schneidermeisters Mechau den Arbeitgeber, da sie „übel mit Schlägen tractiret“ worden.25 Das Protokoll führte in Bezug auf den Lehrling weiter aus, dass der vorgeladene Meister „leugnet, daß er mit selbigem unbarmherzig umgiengen und ihn sehr öffters, ohne Ursache zu haben, mit Schlägen übel tractirte, räumte aber ein, daß, wenn der Junge muthwillig was versehen und die Arbeit nicht recht gemacht und verderbet hätte, er selbigen darum manchmahl modice bestrafet und ein paar Maulschellen gegeben, welches einem Meister doch allemahl

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StadtAL, Zunftbuch IV, Bl. 41b. StadtAZ, III x 66, RP 1546–1553, Bl. 122. StadtAZ, X, 1, 17, Bl. 37. SCHLENKRICH, Elke: „Tränen des Vaterlandes“ – Leipzig in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges. In: Dresdner Hefte. Beiträge zur Kulturgeschichte 16/1998, H. 56, S. 37. – Dies. (Kommunikation) 2001, S. 634. Eine Untersuchung der französischen Stadt Bordeaux offenbarte eine Vielzahl von Regelungen für den Krankheitsfall von Lehrlingen. DINGES (Stadtarmut) 1988, S. 81. 25 StadtAL, Tit. VIII (F) 334, 1763, Bd. 2, Teil 4, Bl. 608.

4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften

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freystehen müßte, weil der Junge sonsten nichts mercken und in seiner Boßheit nur bestärcket 26 werden [und] auch nichts lernen würde“.

Nicht allein diese gewalttätigen Ausbrüche waren der Grund dafür, dass sich der Vater des Lehrlings gegen die Aussage des Meisters verwahrte: „Der Vater, welcher hierauf vorgelaßen ward, sagte M[ei]st[e]r Mechauen unter die Augen, daß er den Jungen bishero sehr öffters ohne Ursache und bloß aus Haß geschlagen, auch, als er den Ausschlag gehabt, immer in ihn hinein gedrungen hätte, daß er arbeiten sollen, da er doch nicht das Vermögen darzu gehabt hätte, ihn auch nicht erlauben wollen, daß er ihn zu sich nehmen und curiren laßen sollen, hiernächst einen Stock [in die Kammer des Lehrlings] hineingeleget und ihn durch öffteres Drohen in beständige Furcht gesetzet, welches der Ge27 selle, der Leidenberger, bezeugen würde.“

Meister Mechau hatte also anscheinend den kranken Lehrling durch physische und psychische Gewalt zur Arbeit zwingen wollen und ihm die Möglichkeit einer von dem Vater angebotenen und finanzierten Behandlung verboten. Vermeint man nun ein konsequentes Einschreiten der Ortsobrigkeit erwarten zu können, wirkt die Reaktion des Ratsdeputierten28 ernüchternd bis erschreckend. Der Deputierte regte an, den Jungen weitere vier Wochen auf Probe zu Meister Mechau in die Lehre zu geben. Als sich der fürsorgende Vater dieser Option verweigerte und einen anderen Lehrmeister verlangte, bestand der Vertreter des Magistrats auf diesem Vorschlag: „Nach beschehenen Vortragen in der Raths Stube erhielte der Vater zur Resolution, daß, da der Junge einmahl bey M[ei]st[e]r Mechauen in die Lehre gethan worden sey, derselbe auch 29 bey ihm verbleiben müßte.“

Der Meister wurde lediglich zu allgemeinem Wohlverhalten ermahnt. War die Ursache einer Krankheit oder eines Unfalls nicht eindeutig auf die Schuld des Lehrmeisters zurückzuführen, gelang es diesem, eine Übernahme der

 26 Ebd., Bl. 609. 27 Ebd., Bl. 609b. 28 Schon in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts hatte der sächsische Kurfürst dem Zwickauer Stadtrat befohlen, vom Rat nicht genehmigte Versammlungen der Handwerksmeister und Gesellen zu verbieten. Ab dem 16. Jahrhundert wurden den Handwerksinnungen, vereinzelt auch den Gesellenschaften, Ratsbeauftragte zur Seite gestellte, die auf den Zusammenkünften und vor allem den Rechnungslegungen Ordnungs- und Kontrollfunktionen ausüben sollten. In Zwickau wurden der Tuchmacherinnung, „dieweil das handwergk der tuchmacher durch vnvleis Inn grosse schulden vnd gegenschulden gefurt vnd der Radth das gedeyhen dis handwergks zu süchen schüldig vnd willig“, bereits 1535 „zweene herren vom Radth“ beigeordnet. Bei den Schwarzfärbern in Dresden sollten diese Deputierten seit 1547 an den Versammlungen teilnehmen, bei den Posamentierern seit Gründung der Innung im Jahr 1618. StadtAD, 11.2.46, Nr. 75g, S. 1, 7, 8 u. ö. – StadtAD, RA, C. XXIV. 274b, Bl. 254–254b. – StadtAZ, III x 64, RP 1534–1536, 1534/35, Bl. 48b. – SCHMIDT, Tobias: Chronici Cygnei Pars Posterior. Oder Zwickauischer Chronicken Anderer Theil [...] Zwickau 1656, S. 201. 29 StadtAL, Tit. VIII (F) 334, 1763, Bd. 2, Teil 4, Bl. 610.

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Behandlungskosten abzuwenden und auf die Eltern des Lehrlings oder die kommunale Armenfürsorge abzuwälzen,30 wie die folgenden Beispiele zeigen. Der Schneidermeister Johann David Benndorf gestand auf der Ratsstube, seinen Lehrling Julius Erdmann Trägekopf entlassen zu haben, „indem er sich immer krank stelle“. Die Mutter des vermeintlichen Simulanten sah sogar ein, dass „die sitzende Lebensart“ der Schneiderprofession den Gesundheitszustand ihres Sohnes verschlimmern würde. Sie verlangte aber die Herausgabe des Lehrbettes, was der Meister mit Hinweis auf den Arbeitsausfall durch die ständigen Krankheitszeiten des Jungen verweigerte. Der Mutter blieb nichts anderes übrig, als auf das Bett zu verzichten oder Meister Benndorf zu entschädigen, worauf sie sich notgedrungen für die zweite Variante entschied und ihn ratenweise auszahlte. Die ärztlichen Behandlungskosten hatte die städtische Armenanstalt aufgrund der allgemeinen Bedürftigkeit der Familie Trägekopf zu tragen.31 Am Ende des 18. Jahrhunderts war der Waisenknabe und Schuhmacherlehrling Friedrich August Schmauß seit einem halben Jahr bei Meister Christian Sigmund Calov in Dresden beschäftigt. Der Meister hatte von der Stadt bei Lehrantritt des Waisenkindes acht Taler zum Lehrgeld erhalten und den Jungen vor versammelter Innung ins Lehrlingsbuch einschreiben lassen. Nach mehreren Zwischenfällen wurde nun jedoch nach Meinung des Meisters und der Zunftführung eine Einlieferung des offenbar „melancholischen“ Lehrlings in das Torgauer Armen-, Zucht- und Waisenhaus unumgänglich. Als der Lehrling in Torgau 1795 eintraf, beschwerte sich der Hausverwalter. Er schrieb an den Dresdner Magistrat, dass bei Schmaußens „Einlieferung kein Bette nebst doppelten Uberzügen zu deßen Lagerstädte mit anhero geschaffet worden“ sei und forderte 17 Reichstaler zur Unterbringung. Da sich aber der ehemalige Lehrmeister des Knaben weigerte, mehr als zwei Reichstaler beizusteuern, übernahmen die Dresdner Armenkasse und die Sophienkirche den Großteil der Unkosten. Das Lehrgeld behielt Meister Calov stillschweigend für sich.32 In den benachbarten preußischen Staaten sprach das Allgemeine Landrecht die Handwerksmeister ausdrücklich von einer Fürsorgepflicht bei Erkrankung ihrer Lehrlinge frei.33 In ähnlicher Weise dürfte es Mägden, Lohnburschen und anderen Hilfskräften in Kursachsen ergangen sein, wenn sich die Arbeitgeber nicht aus christlichem Mitleid, persönlicher Verbundenheit oder ökonomischer Rationalität eines Besseren besannen.34 Für die Ersetzung der verlorenen Arbeitskraft bei einem krankheitsbedingten Ausfall des Lehrlings sorgten die Meister dagegen vor. Sie erhielten die Möglich 30 StadtAC, RA, Kap. IX. Za 1a, [unpag.] (Schreiben vom 07.05.1715, Registratur vom 17.05.1715). – StadtAL, Richterstube Akten Teil 1, Nr. 919, Bl. 1–6. – SCHLENKRICH (Alltag der Lehrlinge) 1991, S. 104f. Vgl. PELLING (Apprenticeship) 1994, S. 43f. 31 StadtAL, Tit. XLIV (F) 372, Vol. I, Bl. 54–57b. 32 StadtAD, RA, B. XIII. 42, [unpag.]. 33 HATTENHAUER, Hans (Hrsg.): Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794. Neuwied, Kriftel, Berlin ²1994, S. 468. 34 StadtAD, RA, F. XXII. 12, Bl. 25–29.

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keit, die festgesetzte Sperrfrist für die Neueinstellung eines Lehrlings zu umgehen, wenn der bisherige Junge nach Ansicht des Meisters gesundheitlich nicht zur Fortführung der Lehre in der Lage war. Bei den kursächsischen Tuchscherern und Scherenschleifern musste ein Meister, dessen Lehrling aufgrund des Verhaltens des Meisters entlaufen war, ein Jahr warten, bevor er einen neuen aufdingte. Lag die Schuld beim Lehrling, musste keine Frist eingehalten werden.35 Gleiches galt für einen anderen Fall: „Truge sichs aber zu, das der LehrJunge leibs gebrechen halben oder sonsten aus bewerlichen vnd ansehnlichen vrsachen nicht kendte außlernen, So ist der Meister abermals entschuldigt 36 vnd mag als baldt einen andern Jungen auffnehmen.“

Ohne eine eigene Organisation stand es auf dem Gebiet der Krankenunterstützung für die Handwerksgesellen kaum besser. Dauerte das Arbeitsverhältnis erst kurze Zeit, war die Gefahr größer, bei Arbeitsunfähigkeit oder anhaltender Leistungsschwäche durch Krankheit oder Unfall ohne Zuspruch des Meisters vor die Tür gesetzt zu werden. Dem Tuchscherergesellen Palzar von Rebitzsch gab sein Zwickauer Meister Christoph Elias Kriebeln nach zwei Arbeitstagen ohne Aufschub und ohne Lohn den Abschied, weil er „die Roße an einen Schenckel bekommen“ hatte. Da der Meister sofort einen anderen Gesellen einstellte, wusste sich der Kranke nicht anders zu helfen, als den Meister und seinen Konkurrenten zu schelten.37 Selbst nach einem Vierteljahr in der Werkstatt des Strumpfwirkermeisters Johann Christian Graulich konnte sich der Geselle Rödel nicht auf dessen Hilfe im Krankheitsfall verlassen. Rödel habe, „weil er aber kranck worden, sich zu seinen Vater begeben müßen, bey dem er sich auch, wie er [d. h. Graulich] bezeugen könne, biß dato beständig aufgehalten“.38 Als ein Gegenbeispiel, bei dem sich ein Meister vermutlich über das Maß des von ihm Erwarteten hinaus engagierte, steht der Schneider Andreß Langkmann. Er gelobte im Sommer 1604 gegenüber dem Leipziger Stadtrat, „das ehr vor seinen Sinlosen gesellen, Welcher ein Erbar Rath auff sein bitten vnd ansuchen in das hospitall zu S[ankt] Johannes einnehmen lassen, […] die Vnkosten, so in wehrender

 35 StadtAZ, X, 50, 15, [unpag.]. 36 Ebd. Vgl. StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 208b. – StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 268. – StadtAZ, X, 1, 14, Bl. 46. 37 StadtAZ, X, 50, 20, S. 176. Seinen erst acht Tage beschäftigten Gesellen Carl August Kunze, der ihm „nur so kurze und unbedeutende Dienste geleistet hat“, wollte der Dresdner Fleischermeister Friedrich Samuel Gerber nicht auskurieren. „Als bloßen Dienstherrn Kunzens kann mir aber diese Uibertragung der fraglichen Cur-Kosten rechtlich gar nicht angesonnen werden.“ Aus „Rücksichten der Menschlichkeit“ habe er ihn schon genau acht Tage lang bei sich gepflegt und ärztlich behandeln lassen, dies müsse nach Ansicht des Meisters ausreichen. StadtAD, RA, C. XXIV. 138, Bl. 73–75b. 38 StadtAD, 11.2.62, Nr. 20b, Bl. 2. Auch ein Zinngießergeselle, der „durch eine unglückliche Aderlas seinen Arm verdorben, daß er nicht mehr arbeiten könne“, musste sich seinen Abschied holen. StadtAL, Tit. VIII (F) 334, 1744, Teil 1, [unpag.] (Eintrag vom 23.04.1744).

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4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften seiner beschwerung auff Ihn gehen vnd lauffen, wirdett zur billikeitt abtragenn vnd erstatten 39 wolle“.

Auch eine ansteckende, langwierigere oder chronische Erkrankung war ein Anlass dafür, dass eine Pflege im Meisterhaushalt versagt werden konnte.40 Die grundsätzliche Unterstützungsbasis im Krankheitsfall war und blieb jedoch die familiäre und die dienstherrliche Versorgung. So wurde vor allem bei vorübergehenden, leichteren Erkrankungen aufgrund des Gewohnheitsrechts im Meisterhaushalt fürsorgerische Zuflucht gesucht.

4.1.2 Etablierung der kollektiven Selbsthilfe Die ältere Handwerksforschung ging davon aus, dass bereits bei Gründung der Handwerksinnungen der Gleichheitsanspruch und die gegenseitigen Unterstützungsformen wichtige Stellenwerte im Selbstverständnis dieser Organisationen einnahmen.41 Mit bruderschaftlichem Impetus wurden tatsächlich egalisierende Formulierungen in die ältesten Handwerksstatuten eingefügt. Die Statuten versprachen, Einnahmen vor allem für soziale Zwecke auszugeben. Produktions- und Vertriebsbeschränkungen sollten bremsend auf ein zu starkes sozioökonomisches Auseinanderdriften in den Lebens- und Arbeitsbedingungen der Korporationsmitglieder wirken und der Sicherung der „Nahrung“ dienen. Zusätzlich zur familiären und dienstherrlichen Sorge und Pflege traten bereits im Mittelalter bestehende Meisterzünfte aufgrund ihrer genossenschaftlichen Organisationsstruktur für bedürftige Mitglieder ein. Dies geschah jedoch nur im äußersten Notfall und ohne dass für die Zeit vor dem 15. Jahrhundert genauere Aussagen in Bezug auf die obersächsischen Städte belegbar wären. Dieter Schewes Aussage, dass Regelleistungen bei den Meisterzünften im Krankheitsfall bis ins 15. Jahrhundert fehlten,42 kann somit auch auf die untersuchten Städte projiziert werden.  39 StadtAL, Rb 56 (1604–1605), Bl. 83b. 40 Der Vertrag der Schneidergesellen mit dem Leipziger Georgenhospital begründete sein Bestehen auch aus dem Umstand, dass eine angemessene Pflege und Wartung gerade bei längerer Erkrankung des Gesellen nicht von dessen Meister erwartet werden konnte. StadtAL, Inn Schneider C 1, Bl. 18. Siehe auch: StadtAL, II. Sektion S (F) 2185, Bl. 49, 54b. Eine Untersuchung von Londoner Quellen ergab, dass nur wenige erkrankte Lehrlinge tatsächlich zu ihren Herkunftsfamilien zurückkehrten und der Normalfall eher die dienstherrliche Versorgung war. PELLING (Appenticeship) 1994, S. 48. 41 STOLTZE (Die eisenverarbeitenden Gewerbe) 1920, S. 121. – WISSELL (Der soziale Gedanke) 1930, S. 89. Kritisch dagegen: BUCHNER, Thomas: Überlegungen zur Rezeption von Nahrung in der handwerksgeschichtlichen Forschung seit dem Nationalsozialismus. In: BRANDT, Robert / BUCHNER, Thomas (Hrsg.): Nahrung, Markt oder Gemeinnutz. Werner Sombart und das vorindustrielle Handwerk. Bielefeld 2004, S. 92f. 42 SCHEWE (Versicherung) 2000, S. 141. Vgl. BOS, Sandra: A tradition of giving and receiving. Mutual aid within the guild system. In: PRAK, Maarten / LIS, Catharina / LUCASSEN, Jan / SOLY, Hugo (Hrsg.): Craft guilds in the early modern Low countries. Work, power, and representation. Aldershot 2006, S. 175f.

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Eine nachweisbare Veränderung trat zumindest für die akut betroffenen Wandergesellen mit der Etablierung von Gesellenschaften und religiösen Bruderschaften ein. Während über die krankheitsbedingte Unterstützung durch religiöse Handwerkerbruderschaften relativ wenig bekannt ist und für die vier untersuchten obersächsischen Städte außer einigen grundsätzlichen Informationen über deren Existenz konkrete inhaltliche Informationen zur Krankenversorgung fehlen,43 nahmen die Gesellenschaften eine genauer rekonstruierbare Rolle auf diesem Feld der kollektiven sozialen Sicherung ein. Mit dem Ausbrechen von Pestepidemien, in deren Gefolge nicht nur die Handwerksmeister, sondern die mittelalterlich-städtischen Gesellschaften insgesamt finanziell, personell und organisatorisch überfordert waren, wurde ein Entwicklungsprozess angestoßen, infolgedessen sich die bislang unorganisierten Gesellen einiger größerer Gewerbe enger zusammenschlossen. Gerade ärmeren Meister gelang es im 15. und 16. Jahrhundert nicht mehr, die Kosten der Versorgung kranker, nichtproduktiver Gesellen zu tragen. Als Konsequenz des Gefühls einer unzureichenden Versorgung kranker Gesellen durch die Meisterschaft und einer in bestimmten Gewerben schon relativ weit fortgeschrittenen Entfremdung zwischen Meistern und Gesellen, zumindest aufgrund des beginnenden Zerfalls der Lebensgemeinschaft beider Personenkreise,44 stieg das Bedürfnis der Handwerksgesellen nach einer Verbesserung der aktuellen Versorgungssituation bei sozialen Notfällen. Dem Erreichen dieses Ziels, mit besonderem Fokus auf der Krankenversorgung, vermeinten die Gesellen in der Schaffung von Selbsthilfe 43 Recht allgemein wird auf die Krankenversorgung als nachrangige bzw. begleitende Funktion der religiösen Bruderschaften hingewiesen, ohne dass oft nähere Ausführungen gegeben werden oder überhaupt möglich sind. Vgl. MEISTER (Altenburg) 2001, S. 158f. Für die vorliegende Arbeit relativiert sich das Problem jedoch dadurch, dass keine ausschließlich religiös orientierte Handwerkerbruderschaft nachgewiesen werden konnte, sondern das Krankenunterstützungswesen somit im Rahmen der Meisterzünfte und der Gesellenschaften besprochen wird. 44 Zum Modell des „ganzen Hauses“ siehe Kap. 3.3.2. Noch immer wird die Auflösung der vermeintlich engen Lebensgemeinschaft zwischen den Handwerksmeistern und ihren Gesellen vorrangig den Entwicklungen des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts zugeschrieben. Vgl. FREVERT (Krankheit) 1984, S. 245f. – SPREE, Reinhard: Die Finanzierung von Krankenhäusern in Deutschland während des 19. Jahrhunderts. In: GERHARD, Hans-Jürgen (Hrsg.): Struktur und Dimension. Festschrift für Karl Heinrich Kaufhold zum 65. Geburtstag. Bd. 2: Neunzehntes und Zwanzigstes Jahrhundert (= Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte Nr. 133). Stuttgart 1997, S. 440. – STEINER, Kilian: Grenzen und Potentiale einer frühen Krankenversicherung am Beispiel der Ersten Münchner Krankenhausversicherung 1813–1832. In: LABISCH, Alfons / SPREE, Reinhard (Hrsg.): Krankenhaus-Report 19. Jahrhundert. Krankenhausträger, Krankenhausfinanzierung, Krankenhauspatienten. Frankfurt am Main 2001, S. 84. Zur Betroffenheit des Handwerks von Pestzügen des 17. und 18. Jahrhunderts siehe: SCHLENKRICH, Elke: Die späten Pestzüge des ausgehenden 17. und des frühen 18. Jahrhunderts als Armutskatalysatoren in Sachsen und Schlesien. In: BRÄUER, Helmut (Hrsg.): Arme – ohne Chance? Protokoll der internationalen Tagung „Kommunale Armut und Armutsbekämpfung vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart“ vom 23. bis 25. Oktober 2003 in Leipzig. Leipzig 2004, S. 104–108.

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organisationen näherzukommen.45 Standen in so mancher frühen Bruderschaft religiöse Ziele noch an erster Stelle, wie bei der 1472 erstmals erwähnten Zwickauer Fronleichnamsbruderschaft,46 übten diese mittelalterlichen Zusammenschlüsse doch bereits wichtige soziale Sicherungsfunktionen aus. Nicht zuletzt wollte man durch kollektiv organisierte, gegenseitige Unterstützungen die Gemeinschaftsehre vor bettelnden, zerlumpten Gruppenmitgliedern bewahren.47 Die neuen Gesellenverbände übernahmen die Unterstützung bedürftiger, kranker Gesellen des jeweiligen Gewerbes von Anfang an in ihren Aufgabenkatalog, wenngleich die Krankenversorgung nur eine wichtige Funktion unter vielen blieb. Die Meister und ihre Organisationen reagierten i. d. R. kompromissbereit auf die Forderung der Gesellen nach Übertragung der Krankenversorgungsfunktion an die neuen Gesellenverbindungen, da sie darin eine willkommene Befreiung von lästigen und kostenintensiven Pflichten sowohl der einzelnen Werkstattinhaber als auch der Zünfte erblickten. Die Innungen sicherten sich zudem Zugriffs- und Kontrollmöglichkeiten über die Gesellenfinanzen und erkannten in den begrenzt autonomen Gesellenorganisationen mögliche Disziplinierungs- und Steuerungsinstrumente. Auch viele Stadträte und Kircheneinrichtungen reagierten entgegenkommend in der Hoffnung auf eine Entlastung städtischer und kirchlicher Almosen- und Armenkassen. Sie erhofften sich außerdem zusätzliche Einnahmequellen durch Abgaben und fromme Zuwendungen der neuen multifunktionalen Gesellenschaften. Zudem beanspruchten die Magistrate die Oberaufsicht über die Gesellenorganisationen und suchten somit auf eine Verminderung des politischen Unruhepotenzials der Gesellen hinzuwirken. Die Bildung von Gesellenorganisationen fand in den sächsischen Gebieten in einem langen Zeitraum seit dem 15. Jahrhundert statt. Grundsätzlich formierten sich Gesellenorganisationen in den einzelnen Handwerken und Städten erst allmählich und i. d. R. zeitversetzt nach der Etablierung der entsprechenden Zünfte. Teilweise kam es nie zu einem eigenständigen Zusammenschluss, weil beispielsweise die Anzahl der Gesellen dies nicht zuließ. Unabhängig von der Einrichtung einer Gesellenschaft existierte, wie bereits geschildert, eine gewisse gewohnheitsrechtliche Verpflichtung wie auch ein begrenztes rationales Interesse der Arbeitgeber fort, für ihre kranken Hilfskräfte zu sorgen. Zugleich erhöhte eine bestehende Gesellenorganisation den Anreiz für die betreffenden Meister, kranke Gesellen  45 BOS (Tradition) 2006, S. 179f. – BRÄUER (Gesellen) 1989, S. 82. – FOUQUET, Gerhard: Bauen für die Stadt. Finanzen, Organisation und Arbeit in kommunalen Baubetrieben des Spätmittelalters. Eine vergleichende Studie vornehmlich zwischen den Städten Basel und Marburg (= Städteforschung, Reihe A: Darstellungen, Bd. 48). Köln, Weimar, Wien 1999, S. 195. – REININGHAUS (Entstehung der Gesellengilden) 1980, S. 180, 261f. – Ders.: Vereinigungen der Handwerksgesellen in Hessen-Kassel vom 16. bis zum frühen 19. Jahrhundert. In: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 31/1981, S. 101. – WESOLY (Lehrlinge und Handwerksgesellen) 1985, S. 306–310. 46 BRÄUER (Tuchknappenregister) 1990, S. 100. Im Einzelnen zur Fronleichnamsbruderschaft der Zwickauer Tuchknappen und Kämmerinnen siehe vor allem Kap. 4.4.1 im Abschnitt zu den Krankengeldern und Kap. 4.5.3. 47 Selbst bei den Meisterzünften fand sich dieses Motiv. StadtAL, Inn Fleischer B 1, Bl. 4b.

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an diese Instanz zu verweisen und die meisterliche Fürsorge einzuschränken. Gesetzt den Fall, dass eine Pflege im Meisterhaus nicht möglich oder nicht beabsichtigt war, traten kollektive Hilfsformen in den Vordergrund. In den Gewerben, in denen sich die Gesellen zu Gesellenschaften zusammengeschlossen hatten, übernahmen diese Vereinigungen vorrangig die Versorgung bedürftiger Mitglieder im Krankheitsfall, während die Meisterzünfte sich stärker auf die Unterstützung der Meister und indirekt ihrer Angehörigen konzentrierten. Bestanden keine Gesellenorganisationen, fiel die begrenzte, gewohnheitsrechtliche Aufgabe der Versorgung kranker Gesellen dem Arbeitgeber und bei Bedarf der Meisterzunft zu. Durch die öffentliche Armen- und Krankenfürsorge wurden Mitglieder von Handwerksorganisationen dagegen erst subsidiär unterstützt. Das bedeutete, dass sowohl der Betroffene, seine Familie und der nähere Freundeskreis als auch eventuell „zuständige“ Korporationen unterstützungsunfähig sein mussten, bevor eine Hilfsleistung durch die Kommune erfolgte.48 Eine Ausnahme bildeten Handwerker, die für einen öffentlichen Arbeitgeber mit patriarchalischer Herrschaftsauffassung tätig waren.49

4.2 RELATIVITÄT VON KRANKHEIT UND GESUNDHEIT Bei der wissenschaftlichen Betrachtung der frühneuzeitlichen Krankenversorgung stoßen die Forschenden auf das generelle Problem, einerseits die Gesamtheit der als krank charakterisierten Personen und andererseits die speziellen Maßnahmen der Krankenunterstützung im überlieferten Quellenmaterial zweifelsfrei aufzuspüren. Diese eingeschränkte Fähigkeit hängt unmittelbar mit dem historischen Krankheitsverständnis und der sprachlichen Nutzung der jeweiligen Attribute für kranke oder gesunde Personen zusammen. Nach der Reformation gründeten die protestantischen Städte für den Bereich der Armen- und Krankenfürsorge die Gottes- oder Gemeinen Kästen. Für eine beachtliche Anzahl mitteldeutscher Gotteskastenrechnungen wertete der Medizinhistoriker Robert Jütte den Empfängerkreis detailliert aus und fand zwischen 10 bis 25 Prozent der Hilfsbedürftigen als krank gekennzeichnet.50 Auch unter den  48 HENTSCHEL, [o. V.]: Armenwesen, Armenhaus, Georgenhaus. In: HASSE, Ernst (Red.): Die Stadt Leipzig in hygienischer Beziehung. Festschrift für die Theilnehmer der XVIII. Versammlung des Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege. Leipzig 1891, S. 386. Zur Frage nach den Verantwortlichkeiten im System der Krankenunterstützung durch die Handwerksorganisationen siehe Kap. 4.7. 49 FOUQUET (Bauen) 1999, S. 195f. Eine fortschrittliche Form kollektiver Kranken- und Unfallunterstützung lässt sich ebenfalls zu Beginn der frühen Neuzeit im Montan- und Hüttenwesen finden, indem die besonders durch ihre Tätigkeit gefährdeten Berg- und Hüttenarbeiter Knappschaftskassen gründeten, die im Bedarfsfall einmalige oder mehrmalige Unterstützungsgelder zahlten oder die notwendigen Pflegekosten wenigstens teilweise übernahmen. BRÄUER (Bergstädte) 2004, S. 234–238. Siehe auch Kap. 3.3.2. 50 JÜTTE, Robert: Die Sorge für Kranke und Gebrechliche in den Almosen- und Kastenordnungen des 16. Jahrhunderts. Anspruch und Wirklichkeit. In: OEHMIG, Stefan (Hrsg.): Medizin 

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vorgebrachten und manchmal recht zufällig notierten Gründen der von den obersächsischen Handwerksorganisationen zu leistenden Unterstützungen fanden sich häufig Leibesgebrechen oder Krankheiten, doch blieb die Mehrzahl der Quellenaussagen vage, mehrdeutig und von nachrangigem Stellenwert. Eine günstige Ausnahme stellt eine Chemnitzer Spezifikation aus dem Jahr 1799 dar, die gezielt die Armutsursachen wiedergibt. Unter den darin verzeichneten 126 verarmten Leinewebern führten 36 Prozent ihre Umstände auf ein gesundheitliches Leiden zurück.51 Die Regel waren solche informativen Aufstellungen nicht. Der Zugriff auf Hinweise zum allgemeinen Unterstützungswesen der Handwerksorganisationen gelingt vergleichsweise einfach über die vorhandenen Handwerksstatuten und Gesellenartikel. In den normativen Bestimmungen fehlten jedoch umfassendere Regelungen zur kollektiven Sicherung bei Krankheit und erst recht bei Unfall. Teilweise wurden diese Aufgabenbereiche in den Handwerksordnungen völlig ausgeblendet, ohne dass damit das Fehlen der sozialen Sicherungsmaßnahmen bewiesen wäre. Einzig einzelne allgemein gehaltene Formulierungen über die Verwendung der finanziellen Mittel oder über die Rückzahlung ausgereichter Gelder deuten diesbezügliche Kassenausgaben an. In den protokollarischen oder buchhalterischen Quellen sind dagegen vielfach verstreute Hinweise auf eine Hilfeleistung im Krankheitsfall vorhanden, doch bleibt die Analyse der deskriptiven Aufzeichnungen aufgrund der oft zufälligen Funde problematisch. Ralf Lusiardi räumt die durchgehend heikle Beurteilung der praktischen Umsetzung normativer Regelungen im Krankenunterstützungswesen ein. „Konkrete Aufschlüsse hierüber sind allerdings für den deutschsprachigen Raum bislang noch kaum möglich. Denn diejenigen jüngeren Studien regionalen Zuschnitts, die dieser Frage Aufmerksamkeit schenkten, mussten konstatieren, dass entsprechende Rechnungsbelege 52 nicht überliefert sind.“

In der vorliegenden Arbeit wird daher ganz speziell versucht, auch diese Seite der Überlieferung – soweit möglich – adäquat abzubilden und verstärkt Belege aus dem Rechnungswesen der Handwerksorganisationen heranzuziehen. Ausformulierte Vergaberegeln fanden sich aber im Rechnungsschriftgut nicht, sondern können nur indirekt aus der Vergabepraxis heraus rekonstruiert werden. Tatsächlich wurden besonders im Rechnungsschriftgut der Zünfte und Gesellenschaften wertvolle Informationen zu diversen sozialen Unterstützungen vermutet, doch verzichteten die Schreiber nur allzu oft auf eine Kennzeichnung der Unterstützungsursachen oder gaben als Grund schlichtweg Armut an. Dieser Informationsmangel, auf den sich die obige Aussage Lusiardis stützt, liegt zum einen darin begründet, dass es für kollektive Leistungen wie Almosen oder Darle und Sozialwesen in Mitteldeutschland zur Reformationszeit (= Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, Bd. 6). Leipzig 2007, S. 11. Vgl. JÜTTE (Arme, Bettler, Beutelschneider) 2000, S. 33. 51 SCHLENKRICH (Verarmung Chemnitzer Leineweber) 1999, S. 325. 52 LUSIARDI (Daseinsvorsorge) 2002, S. 143.

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hen in erster Linie auf die Konsequenzen eines Ereignisses und die sozialen Begleitumstände (z. B. Arbeitsunfähigkeit, Mittellosigkeit, Bedürftigkeit) ankam und nicht auf das Ereignis als ursprüngliche Wurzel der Unterstützung (z. B. Krankheit, Unfall). Für eine praktikable Rechnungsführung war es zum anderen schließlich auch nicht notwendig, auf die Ursache der Zahlung näher einzugehen. Daher könnte das quantitative Ausmaß der zünftigen Unterstützung aufgrund von Krankheit nur durch einen rechnerischen Mindestanteil aufgrund derjenigen Rechnungsposten, welche zweifelsfrei Krankheit als Unterstützungsanlass angeben, gekennzeichnet werden. Dieser Umstand dürfte unter anderem auch dafür verantwortlich sein, dass noch immer wissenschaftliche Spezialarbeiten zu arbeitsbedingten und berufsspezifischen Gesundheitsrisiken fehlen.53 Nur wenn sich die Handwerksorganisationen über ihr Finanzgebaren gegenüber einer übergeordneten Kontrollinstanz rechtfertigen mussten, stieg die Notwendigkeit, in den Rechnungsaufstellungen die Unterstützungsursachen anzuführen. So hatten die Handwerksinnungen ihre Jahresrechnungen bei den städtischen Magistraten einzureichen und die Verantwortlichen der Gesellenladen bzw. Gesellenverpflegungskassen mussten vor den Handwerksinnungen Rechenschaft über das Finanzgebaren ablegen. Besonders bei umfangreicheren Finanzbewegungen wurden ausschließlich Zusammenfassungen der eigentlichen Jahresrechnungen präsentiert, bei denen soziale Ausgaben nur als ein einziger Sammelrechnungsposten auftauchten. Zumeist gaben sich die aufsichtführenden Akteure mit den informationsarmen Rechnungsaufstellungen bzw. Rechnungsübersichten ohne Angabe von Unterstützungsgründen zufrieden. In ihrer Augsburger Studie verweist Susanne Eser auf zwei weitere Gründe für die relative Unterrepräsentation von kranken Unterstützungsempfängern bzw. von krankheitsbezogenen Informationen unter den Unterstützungsleistungen. Neben dem zeitgenössischen medizinischen Kenntnisstand, der die Grenzen zwischen „preßhafften“ Kranken oder einfach (alters-)schwachen, gebrechlichen Per-

 53 DINGES, Martin: Neues in der Forschung zur spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Armut? In: GILOMEN, Hans-Jörg / GUEX, Sébastian / STUDER, Brigitte (Hrsg.): Von der Barmherzigkeit zur Sozialversicherung. Umbrüche und Kontinuitäten vom Spätmittelalter bis zum 20. Jahrhundert (= Schweizerische Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 18). Zürich 2002, S. 23. – KINZELBACH (Gesundbleiben) 1995, S. 278. – ZIMMERMANN, Volker: Ansätze zu einer Sozial- und Arbeitsmedizin am mittelalterlichen Arbeitsplatz. In: HERRMANN, Bernd (Hrsg.): Mensch und Umwelt im Mittelalter. Stuttgart ³1987, S. 141. Einige wenige Ausführungen zu berufsspezifischen Erkrankungen finden sich bei: FISCHER, Alfons: Geschichte des deutschen Gesundheitswesens. Bd. II: Von den Anfängen der hygienischen Ortsbeschreibungen bis zur Gründung des Reichsgesundheitsamtes (Das 18. und 19. Jahrhundert). Berlin 1933, S. 253–257. Für Wissell bestand aufgrund der seltenen Regelungen zur Unfallversorgung der Verdacht, dass die Unfallgefahr im Handwerk grundsätzlich als relativ gering einzuschätzen war. WISSELL (Der soziale Gedanke) 1930, S. 51. – Ders. (Recht und Gewohnheit I) 1971, S. 463.

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sonen verschwimmen ließ, billigten die damaligen Gesundheitsvorstellungen nur wenigen Kranken ihren Krankenstatus zu.54 In der Gegenwart gehen viele „moderne“ Auffassungen von einem gedachten Normalzustand „Gesundheit“ aus, schlagen aber dennoch eine Brücke zum Krankheitsbegriff, indem sie versuchen, den Gegenstand über die Definition des scheinbaren Gegensatzstückes zu erfassen. Mittlerweile betonen Studien unterschiedlicher Fachrichtungen die Relativität und gesellschaftlich-kulturelle Bedingtheit beider Begriffe.55 Nach Michel Foucault sei Krankheit „letztlich das, was zu einer bestimmten Zeit in einer bestimmten Gesellschaft praktisch und theoretisch zum Gegenstand der Medizin gemacht wird“.56 Doch was galt zwischen dem ausgehenden 15. und dem beginnenden 19. Jahrhundert als Krankheit und wann wurden kranke Menschen durch die Handwerksorganisationen unterstützt? Für die Zeit des Mittelalters muss beachtet werden, dass der bereits bekannten Bezeichnung „kranc“ eine andere Bedeutung innewohnte, als ihr zu späteren Zeiten beigemessen wurde. Das Attribut „kranc“ wandte man auf vielfältige Zustände der Schwäche oder Nichtigkeit an. Dagegen wurden kranke Menschen als „siech“ tituliert und erst seit dem Spätmittelalter, in welchem die obersächsischen Quellen zu sprechen beginnen, näherten sich beide Begriffe einander bis zur inhaltlichen Deckungsgleichheit an.57 Im Verständnis der meisten Zeitgenossen stellten sich Gesundheit und Krankheit als zwei Spannungspole dar, zwischen denen sich die mit Sünden behafteten Menschen bewegten. Diese Konstellation war eingebettet in einen größeren göttlichen Plan, in dem gesundheitliche Gebrechen die Rolle einer göttlichen Prüfung  54 ESER, Susanne F.: Verwaltet und verwahrt – Armenpolitik und Arme in Augsburg. Vom Ende der reichsstädtischen Zeit bis zum Ersten Weltkrieg (= Historische Forschungen, Bd. 20). Sigmaringen 1996, S. 258. Als ein dritter Grund sollten besonders bei Quellen, die städtischer Provenienz entstammen, die Verantwortlichkeitsregeln im frühneuzeitlichen Krankenunterstützungswesen beachtet werden. Für die Angehörigen des zünftigen Handwerks war die öffentliche Hand nur nachrangig zuständig, weshalb in den entsprechenden Aufzeichnungen kranke Personen des Handwerksmilieus unterrepräsentiert sein dürften. Vgl. STANISLAWKEMENAH, Alexandra-Kathrin: Spitäler in Dresden. Vom Wandel einer Institution (13. bis 16. Jahrhundert) (= Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde, Bd. 24). Leipzig 2008, S. 384, 386. 55 HILLMANN (Soziologie) 2007, S. 297. – OTTNER (Verwaltung von Krankheit und Gesundheit) 2003, S. 12. – REINHOLD, Gerd: Krankheit. In: Ders. (Hrsg.): Soziologie-Lexikon. München, Wien 42000, S. 365. Wenig hilfreich dagegen die Definitionen in: ZETKIN, Maxim / SCHALDACH, Herbert: Lexikon der Medizin. 16. Auflage. Köln [2005], Stichwort: Gesundheit, S. 730; Stichwort: Krankheit, S. 1101. 56 FOUCAULT, Michel: Ärzte, Richter und Hexer im 17. Jahrhundert. In: DEFERT, Daniel / EWALD, François (Hrsg.): Michel Foucault. Schriften in vier Bänden. Dits et Ecrits. Bd. I: 1954–1969. Frankfurt am Main 2001, S. 958. 57 RIHA, Ortrun: „krank und siech“. Zur Geschichte des Krankheitsbegriffs. In: FRIEDRICH, Arnd / HEINRICH, Fritz / VANJA, Christina (Hrsg.): Das Hospital am Beginn der Neuzeit. Soziale Reform in Hessen im Spiegel europäischer Kulturgeschichte (= Historische Schriften des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen. Quellen und Studien, Bd. 11). Petersberg 2004, S. 191f.

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bis hin zum Strafcharakter ebenso annahmen, wie körperliche Unversehrtheit als Gottesgeschenk zu preisen war.58 Die Gesellenartikel der Strumpfwirkergesellen in Chemnitz setzten demgemäß mit den Worten ein: „Es ist jedermann bekannt, daß Straffen und Kranckheiten von Gott kommen.“59 Göttlich konnten Personen individuell oder kollektiv für ihre sündhaften Normübertretungen sanktioniert werden. Große Seuchenzüge resultierten nach dieser Auslegungsvariante eher aus gemeinschaftlichem Fehlverhalten, syphilitische Erkrankungen wurden dagegen oft als Hinweis auf persönliche Verfehlungen anderer gedeutet. Sprachen die Kranken und Invaliden (z. B. im Supplikationswesen) durch ihre Schriften selbst oder über die Vermittlungsinstanz der Schreiber, so schätzten sie ihr Schicksal jedoch mit anderer Konnotation ein. In den meisten Bittschriften, in denen Krankheiten und körperliche Beschwerden geschildert werden, gingen die Hilfesuchenden zwar auf die göttliche Heimsuchung ein, ein individuelles Schuldeingeständnis für ihr zurückliegendes Leben offenbarten sie für gewöhnlich nicht. Sie deuteten vielmehr das jeweilige Leiden als göttliche Bewährungsprobe.60 Der sich als „armer Tuchknap“ vorstellende Thomas Riedel schrieb an den kursächsischen Landesherrn: „So hatt der getreue und Barmhertzige Gott mich Väterlichen heimgesucht, mich an meinen gehör gestraft, das ich sehr übel hören kan, auch alles das Jenige, so ich uber meine geringe Kost und tegliche Kleiderlein geübrigett und an die Ertzte gewendett, Ob schon ich teglich in der hofnung gestanden, sobaldt sich mein gehör ein wenig wieder finden möcht, ich mich in heyligen Ehestandt zu begeben bedacht gewesen und selbst Meister werden und solches wegen des gehörs unterlaßen, nun eine geraume Zeitt von einen Jahr biß auf das andere auf beßerung gewartt, hatt doch mich weder Artzney noch andere unverbotene mittel nichts helfen 61 wollen.“

Außer einer göttlichen Verantwortlichkeit wurden bisweilen weltliche Ursachen wie Kriege und hohe Arbeitsbelastung für Krankheit oder Invalidität angeführt, jedoch kein schuldhaftes Individualverhalten.62 Körperliche (und seelische) Leiden sollten demnach die frommen Christen weniger im Sinne eines Strafgerichts  58 BRÄUER (Armenmentalität) 2008, S. 204. – ECKART, Wolfgang Uwe: Geschichte der Medizin. Fakten, Konzepte, Haltungen. Heidelberg 62009, S. 70, 78. – HOLZINGER (Arbeitsunfähigkeit) 1991, S. 297. – JAKUBOWSKI-TIESSEN, Manfred: „Pestilenz macht fromm, Hungersnot macht Buben...“ Erfahrung und Deutung von Katastrophen im 16. Jahrhundert. In: Evangelisches Predigerseminar (Hrsg.): „Gott hat noch nicht genug Wittenbergisch Bier getrunken“. Alltagsleben zur Zeit Martin Luthers. Lutherstadt Wittenberg 2001, S. 64f. – STANISLAW-KEMENAH (Spitäler) 2008, S. 37. – UHLIG, Paul: Die Franzosenkrankheit im Spiegel Zwickauer Ratsprotokolle. In: Sudhoffs Archiv für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften 35/1942, S. 113f. Dass die theologische Begründung von Krankheiten nur eine möglicher Ansatz war und insbesondere frühneuzeitliche Ärzte und Handwerkschirurgen humoralpathologische Konzepte favorisierten findet sich bei: JÜTTE (Ärzte) 1991, S. 40–54. 59 StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 7, Bl. 2. 60 JÜTTE (Ärzte) 1991, S. 47. 61 StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 2, Bl. 105–105b. 62 StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 5, Bl. 22.

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treffen, als sie zu einem generellen Überdenken ihrer bisherigen Verhaltens- und Lebensweisen mahnen. Als ein zentrales, leicht lesbares Krankheitszeichen galt in der vormodernen Gesellschaft Bettlägerigkeit. Eine Krankenunterstützung wurde demnach versagt, wenn die als krank angezeigte Person ihr Bett verließ und ausging.63 In praxi konnte soziale Not aber selbst Schwerkranke an einer für den Genesungsprozess erforderlichen Bettruhe hindern, sodass der Umstand, ein Bett zu hüten, nicht als alleiniges Beurteilungskriterium angesehen werden kann.64 Arme Kranke ohne Aussicht auf Unterstützung fügten sich häufig erst unter erheblichen Schwierigkeiten und Schmerzen in ihre Krankenrolle.65 Spätestens, wenn eine Fortsetzung der Arbeit aufgrund gesundheitlicher Einbußen nicht mehr das gewünschte Arbeitsergebnis hervorbrachte, sprach man von Krankheit. Das Zedlersche „Universal-Lexicon“ erklärte die Gesundheit letztlich zu einem solchen „Zustand des menschlichen Leibes, in welchem derselbe an allen seinen Theilen unverletzt seine natürlichen Verrichtungen ungehindert ausüben kann“ und führte daneben auch eine Gesundheit des Verstandes an.66 Jedoch zeigen erste Untersuchungen, dass Körperdefekte unterhalb der Schwelle von Bettlägerigkeit und Arbeitsunfähigkeit von den Betroffenen sehr wohl als Krankheit eingeschätzt wurden.67 Diese genügten allerdings meist nicht, um eine kollektive Unterstützung zu erlangen, denn dazu war vor allem die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit durch die Handwerksorganisation konstitutiv.

4.3 UNTERSTÜTZUNGSWÜRDIGE KRANKE Bis auf die eher seltenen prophylaktischen Maßnahmen bedurfte es entscheidender Voraussetzungen, um eine Unterstützung im Krankheitsfall gleich welcher Art durch Zunft oder Gesellenschaft zu erhalten. Die Bedingungen unterschieden sich teilweise in den einzelnen Handwerken und Städten und wurden abhängig von den jeweils geltenden Umständen unterschiedlich streng angewandt. Vorab sei bemerkt, dass die meisten Unterstützungsleistungen natürlich an die Mitgliedschaft in der jeweiligen Korporation gebunden waren.68  63 StadtAD, 11.2.56, Nr. 141, Bl. 3. Vgl. BOS (Tradition) 2006, S. 184. – SCHIRBEL (Krankenversorgung) 1929, S. 91f. 64 Im Krankenhaus der Dresdner Schuhknechte wurden beispielsweise durchaus Gesellen versorgt, welche ihre Bettstatt verlassen konnten. StadtAD, 11.2.56, Nr. 185, Bl. 22. 65 JÜTTE (Ärzte) 1991, S. 165f. 66 ZEDLER (Universal-Lexicon) 1735, Bd. 10, Stichwort: Gesundheit, Sp. 1334. Von großen körperlichen und seelischen Belastungen aufgrund diverser Krankheiten zeugen die vielfachen Meldungen über Suizide. Vgl. VOGEL, Johann Jacob: Leipzigisches Geschicht-Buch oder Annales. Das ist: Jahr- und Tage-Bücher der weltberühmten Königl. und Churfürstl. Sächsischen Kauff- und Handels-Stadt Leipzig [...] Leipzig ²1756, S. 200, 217, 800 u. ö. 67 KINZELBACH (Gesundbleiben) 1995, S. 281f., 397. 68 Auf die Bedingung der Mitgliedschaft wird in Bezug auf die einzelnen Leistungen beispielsweise in Kap. 4.4 eingegangen. Die Gewährung von Krankenunterstützungsleistungen nach 

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Als erstes musste der Korporation eine Meldung über die Erkrankung zugehen. Der Kranke musste, falls er dazu selbst in der Lage war, persönlich und ansonsten durch einen Vermittler gegenüber dem Handwerk um Gewährung einer Unterstützung, allgemein oder konkret, bitten. Mit diesem Vorsprechen, das mit einem gewissen Maß an Demuts- und Unterwürfigkeitsgesten einhergehen sollte, verband sich für die betroffene Person eine gewisse soziale Erniedrigung. Der Bittsteller hatte die eigene Hilflosigkeit und Unselbstständigkeit einzugestehen. Da kein rechtlicher Anspruch auf kollektive Unterstützung bestand, scheuten viele die Bitte und griffen erst mit großer Scham und in letzter Not zu diesem Mittel.69 Bei den Chemnitzer Webern sprach Meister Salomon Schneider vor. Ihm wurde „von der ganzen Gesellschaft resolviret, da er bey dem Herrn Obermeister um eine Beysteuer angehalten, weil er es sehr dürftig wäre, um eine kleine Unterstützung das Handwerck anzuflehen, indem er ganz und gar nichts mehr verdienen könnte und wegen seiner Leibes Constitution nicht mehr fähig wäre, zu Arbeiten und überdies noch zwey unerzogene Kinder hätte, so wüßte er seines Elendes keinen Rath, so ungerne er solches thäte, das Handwerck damit zu belästigen, so nöthig wäre ihm die Hülfe. So faßte die Gesellschaft den Schluß, er solte 2 r 70 erhalten.“

Erst mit der Einrichtung von Gesellenverpflegungskassen zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde den Beitragszahlern unter bestimmten Bedingungen ein persönlicher Anspruch auf Unterstützung eingeräumt. In einem Entwurf zu einer „Kranken-Verpflegungs-Casse“ äußerten sich die Leipziger Schneidermeister wie folgt. Die Kasse solle den Charakter einer Zwangsvereinigung besitzen. Jeder arbeitende Geselle habe sich, nachdem er seinen ersten Lohn erhalten habe, sofort bei dem Kassierer der Verpflegungskasse zu melden „und sich in das KrankenVerpflegungs-Buch gegen Erlegung von 6 g einzeichnen [zu] lassen, wodurch er das Recht erhält, wenn er krank wird, verpflegt zu werden“.71 Nach Aufhebung der alten Gesellenladen wurden zahlreiche Zwangsverpflegungskassen eingeführt, die von „den Ansprüchen an die Verpflegungs-Kasse“ sprachen und damit ebenfalls für einen bestimmten Personenkreis ein Anrecht auf Unterstützung begründe einer gewissen Mitgliedschaftsdauer fand sich in den untersuchten Korporationen nicht. Vgl. BOS (Tradition) 2006, S. 184. – VAN LEEUWEN (Guilds) 2012, S. 72. 69 Vgl. STANNEK, Simone: Armut und Überlebensstrategien von Frauen im sächsischen Zunfthandwerk des 16.–18. Jahrhunderts. In: SIMON-MUSCHEID, Katharina (Hrsg.): „Was nützt die Schusterin dem Schmied?“ Frauen und Handwerk vor der Industrialisierung (= Studien zur Historischen Sozialwissenschaft, Bd. 22). Frankfurt am Main, New York 1998, S. 107. 70 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 372. Die zurückgenommene, devote Haltung des kranken Meisters gegenüber der Innung allein als taktisches Instrument zu deuten, um an eine geringe Unterstützung zu gelangen, verbietet sich mit Blick auf die übergroßen Verarmungs- und Differenzierungstendenzen im Chemnitzer Weberhandwerk am Ende des 18. Jahrhunderts, die auch Sparbemühungen bezüglich der Innungsausgaben auslösten. Ebd., S. 308f. – StadtAC, RA, Kap. IX. Za 75, Bl. 2b–3. – BRÄUER (Handwerk im alten Chemnitz) 1992, S. 112f. 71 StadtAL, Tit. LXIV (F) 322, Bl. 32. Hervorhebung durch den Autor.

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ten.72 Allerdings setzten die Verpflegungskassen die Hürden, die für eine Leistungsgewährung überwunden werden mussten, relativ weit hinauf. Die Zwickauer Tuchmacher wollten niemandem aus ihrer Lade leihen, „er seye dann wahrhafftig mit Leibes schwachheit beladen Oder es erfordere sonsten die hohe notdurfft“.73 Die zuständigen Instanzen, in diesem Fall die Zunftältesten, entschieden über „die hohe notdurfft“ und damit über die Gewährung der Unterstützung. Dazu wurden verschiedene Faktoren untersucht. Zwei der wichtigsten Grundvoraussetzungen für die kollektiv erbrachten Leistungen mussten kombiniert auftreten: Arbeitsunfähigkeit und individuelle Bedürftigkeit. Das bedeutete, die betroffene Person musste ihre Fähigkeit, die täglichen Arbeitsanforderungen zu erfüllen, völlig oder zu einem großen Teil verloren haben und besaß augenscheinlich keine oder nicht genügend Subsistenzmittel, um diese selbstständig wiederherzustellen und sich (sowie die abhängigen Angehörigen) bis zu diesem Zeitpunkt ausreichend zu versorgen. Andere Unterstützungsquellen wie familiäre Hilfen mussten zuvor ausgeschöpft werden. Somit griffen diese kollektiven Unterstützungsmaßnahmen wie auf die öffentlichen Hilfen unter Subsidiaritätsvorbehalt. Um den Nachweis der echten, „würdigen“ Arbeitsunfähigkeit und persönlichen Bedürftigkeit zu erbringen, genügten teilweise offensichtliche Leiden und persönliche Schilderungen, teilweise wurden ärztliche, obrigkeitliche oder andere Attestate vorgelegt oder Zeugenaussagen beigebracht.74 Weitere Einschränkungen betrafen Erkrankungen des „Geistes“. Wenn eine finanzielle Unterstützung erfolgen sollte, bezogen sich einige Handwerksordnungen ausschließlich auf diejenigen, so „wahrhafftig mit Leibes schwachheit“ geschlagen waren.75 In einer gerichtlichen Auseinandersetzung in Leipzig um die Bezahlung von Krankengeldern setzte sich die Meinung der Strumpfwirker gegen die Ansichten der Ehefrau eines an „Schwermuth“ leidenden Handwerkers durch, indem das Leipziger Schöppengericht urteilte: „Da die Krankheit, welche der Klägerin Ehemann, benannten Johann August Hahnen, betroffen, nach den Zeugnißen [...] nicht sowohl in einem körperlichen Uebel als viel mehr in einer 76 Zerrüttung des Gemüths bestanden“

hätte, wäre die Krankenkasse der Handwerker nicht zuständig. Die Zwickauer Gürtler erleichterten dagegen einem Meistersohn oder einem einheiratenden Gesellen die Fertigung des Meisterstücks, wenn er „gebrechlichenn, ann seynenn gesichts oder vorstande“ war.77  72 StadtAL, II. Sektion S (F) 2380, Bl. 37. 73 StadtAZ, X, 49, 124, Bl. 12b–13, 27b. 74 Besonders ausführlich bestimmte die Hilfs- und Beerdigungskasse der Chemnitzer Strumpfwirker, welche Prüfungen der angeblich Kranke über sich ergehen lassen musste. StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 37, Bl. 5–5b, 47b–48b. 75 StadtAZ, X, 49, 124, Bl. 12b–13, 27b. Vgl. StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 23. – StadtAZ, X, 1, 14, Bl. 96. 76 StadtAL, Stift. III B, Nr. 57, Bl. 47b–48. 77 StadtAZ, X, 15, 4, Bl. 5b.

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Außerdem wurde das bisherige Verhalten des Betroffenen in die Beurteilung einbezogen, sodass unbotmäßige Delinquenten ein Vorenthalten der Krankenunterstützung befürchten mussten. Auf diese Weise wurde die sittliche „Würdigkeit“ der kranken Person auf eine Unterstützungsleistung ausgedrückt. Damit wirkten die Handwerksorganisationen disziplinierend auf das alltägliche Verhalten ihrer Mitglieder und Angehörigen. In den meisten Fällen kann dieser normierende Einfluss sozialer Sicherung nicht direkt nachgewiesen werden. Deutlich wurde er jedoch in denjenigen Fällen, in denen Handwerkskorporationen eine Unterstützung aufgrund von vermeintlich selbst verschuldeten Leiden ausschlossen oder zumindest qualitativ oder quantitativ minderten. Die so oder so ähnlich oft gebrauchte Formel von einem „bösen und unordentlichen Leben und Wesen“, das „zu solcher seiner Kranckheit muthwilliglich Ursache gegeben“ habe,78 zielte vor allem in zweierlei Richtung. Die Chemnitzer Strumpfwirker bestimmten in den Gesellenartikeln: „Wenn sich einer eine Kranckheit durch eignen Schuld, als Schlägerey und liederliches Leben, selbst zugezogen, so soll ihm nichts gegeben werden“.79 Verletzungen, die also von provozierten gewaltsamen Zusammenstößen herrührten, wurden von der Gesellenschaft nicht als „würdiger“ Unterstützungsgrund anerkannt. Ein „liederliches Leben“ zu führen, verwies auf den Bereich der Geschlechtskrankheiten. Hier wurden die Dresdner Schuhmacher konkreter. Nach der Umwandlung der Gesellenlade in eine Gesellenverpflegungskasse wurde die Krankenversorgung ihrer Gesellen neu geregelt. Von den vielfältigen Leistungen der Kasse waren jedoch die „venerischen Kranken“ ausgeschlossen. „Diese bekommen aus der Gesellen-Caße nichts, sind vielmehr sich selbst überlaßen und müßen sich für ihr Geld curiren laßen. Immaßen ansonst mancher Leichtsinnige sich muth80 willig ruiniren und ins Verderben stürzen würde.“

 78 Die kursächsischen Bader und Wundärzte reichten kranken Gesellen „aus Christlicher condolenz“ eine nicht rückzahlungspflichtige Beihilfe. „Do er aber mit seinem bösen und unordentlichen Leben und Wesen zu solcher seiner Kranckheit muthwilliglich Ursache gegeben und es überführet würde, soll er die Uncosten, so auff ihn verwendet worden, wieder zuerlegen schuldig seyn.“ StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 47. Vgl. StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 213. Siehe auch: StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 7, Bl. 32. – StadtAL, II. Sektion S (F) 1860, Bl. 6b, 11b. – StadtAZ, X, 1, 17, Bl. 82b. – StadtAZ, X, 45, 20, [unpag.]. Gleichermaßen nutzten die städtischen Obrigkeiten Hilfsmaßnahmen als Kontroll- und Disziplinierungsinstrument in der Kranken- und Armenfürsorge. Das Ersuchen von Hanns Holckell um Aufnahme ins Hospital wurde 1551 vom Zwickauer Stadtrat abgelehnt, „nachdem er jhe vnnd allewege ein sere mutwilliger boßer mensch gewesen ist, so sal yme sein suchen vmbs hospithahl zu S. Johannes abgeschlagen vnd yme nemlich angetzeiget werdenn, das er sich Inn seiner krangkheit fur sich selbst uffs beste er kan versorgen vnnd an dy ort tziehen soll, do er sein schaden geholt hat“. StadtAZ, III x 66, RP 1546–1553, Bl. 63b. 79 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 225, Nr. 1, [unpag.]. 80 StadtAD, 11.2.56, Nr. 184, Bl. 11. Vgl. StadtAD, 11.2.54, Nr. 27, Bl. 4. – StadtAD, 11.2.66, Nr. 64, Bl. 5. Die Dresdner Schneidermeister und -gesellen wollten die an einer venerischen Krankheit Leidenden keineswegs in das Patientenhaus aufnehmen und sich die Behandlungskosten zurückerstatten lassen, da „keine Restitution der auf deßen Cur verwendeten Kosten zu 

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Die Bestimmungen, welche auf eine Normenkonformität des Mitgliederverhaltens hinausliefen, dürfen jedoch nicht verallgemeinert werden. Es kam beispielsweise durchaus vor, dass Kranke im sogenannten „Franzosenhaus“ Unterstützung fanden, obwohl gerade den „Französern“, also den an Syphilis Erkrankten, unehrenhaftes Sexual- und Sozialverhalten nachgesagt wurde.81 Selbst wenn alle persönlichen Voraussetzungen und Vorgaben erfüllt waren, standen die finanziellen Unterstützungsmaßnahmen unter einem allgemeinen Kassenvorbehalt. Sie wurden somit nur gewährt, wenn die jeweilige Handwerks-, Gesellen- oder Krankenkasse liquide war. So versprachen die Strumpfwirker ihren Bedürftigen zu helfen, „wenn Geld in der Lade“ ist.82 Jedoch konnte eine zusätzliche Sammlung unter den Kassenmitgliedern erfolgen83 oder die Auflagenhöhe orientierte sich an den aktuellen Ausgaben der Krankenversorgung. Bei den Chemnitzer Webergesellen hatte sich dabei um 1800 eine gewohnheitsmäßige Auflagenobergrenze ergeben, die in den Augen der Gesellen gerade noch zumutbar war. „Das Auflege-Geld wird angeordtnet, [je] nachdem [ob] sich viel oder wenig Krancke befinden, höchstens binnen 4 Wochen 2 g 6 d oder 3 g.“84 Jegliche Leistungen wurden nicht aufgrund eines rechtlichen Anspruchs und viele (wie die Senkung von Gebühren) nur höchst unregelmäßig gewährt, sodass auf deren Bezug und deren Höhe selten Planungssicherheit bestand. Eine Änderung zeichnete sich einerseits am Ende des 18. Jahrhunderts mit der territorialstaatlichen Reglementierung des Problems der Wegschaffung kranker Fremder und andererseits am Anfang des 19. Jahrhunderts mit der staatlich initiierten Einrichtung von Gesellenverpflegungskassen ab. Betroffene bzw. deren Rechtsvertreter argumentierten seitdem mit den entsprechenden gesetzlichen Vorgaben, um ihre Ansprüche durchzusetzen. Die Definitionshoheit darüber, was als unterstützungswürdige Krankheit galt und wann jemand schon bzw. noch arbeitsunfähig war, stellte einen wichtigen Machtfaktor im System der zünftigen Krankenunterstützung dar. Abgesehen von dem Kranken selbst, der sich seine Erkrankung einzugestehen hatte, übernahmen verschiedene Akteure die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit, angefangen bei Mitgesellen bzw. Meisterkollegen über Kassenverwalter, Altgesellen und Herbergsväter bis hin zu den Innungsältesten, dem medizinischen Personal, den Hospitalvorstehern und der örtlichen Obrigkeit. Normalerweise handelten jedoch die Mitglieder 

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gewarten wäre“. Vielmehr sollten diese Personen überhaupt nicht im Krankenhaus versorgt werden. StadtAD, 11.2.54, Nr. 27, Bl. 4, 8b, 11b. StadtAZ, X, 16, 24, Vol. II, Rechnung 1525/26, Bl. 4b. Vgl. StadtAD, 11.2.54, Nr. 27, Bl. 4, 8b, 11b. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 184, Bl. 3, 10b–11. – StadtAD, 11.2.66, Nr. 64, Bl. 5. – UHLIG (Franzosenkrankheit) 1942, S. 113f. StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 1, Bl. 24. Vgl. StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 47. – StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 1, Bl. 95. – StadtAD, 11.2.46, Nr. 75k, Bl. 135. – FRÖHLICH (Sicherung) 1976, S. 264. StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 7, Bl. 2. Vgl. StadtAL, II. Sektion S (F) 1860, Bl. 7. – StadtAL, II. Sektion S (F) 2380, Bl. 32b. StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 9, Bl. 15.

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der engsten sozialen Gruppe die Krankenrolle untereinander aus. Ärzte oder Obrigkeit wurden erst bei anhaltenden Konflikten und vor allem ab dem 18. Jahrhundert bemüht.85 Bei der „Krankencasse“ der Leipziger Strumpfwirkermeister hatte jedes Mitglied das Recht, den Kranken zu besuchen. Sollte er bei Verrichtungen angetroffen werden, mit denen er Geld verdienen könne, sollten ihm die Unterstützungsleistungen gestrichen werden. Nur im Zweifelsfall wurde ein „Doctor“ angerufen.86 Die Arbeitsfähigkeit der Schneidergesellen in der Messestadt beurteilte bis weit ins 18. Jahrhundert vor allem der Herbergsvater. Er verbot den arbeitsunfähigen Kranken auszugehen und sollte missbräuchliche Verwendung der Unterstützungsleistungen sowie Pfuscherei unterbinden.87 Die Beurteilungen hingen im Einzelfall von den sozialen Umständen und den jeweiligen persönlichen Interessen ab.88 Erst mit Einrichtung der Schneidergesellen-Verpflegungskasse 1811 wurde die medizinische Fachkenntnis klar über ordnungspolitische und moralische Vorstellungen gestellt.89 Häufig gaben die Quellen bloß Hinweise auf Unterstützungen bei offenkundigen und ersichtlichen Leibesschäden, die die Arbeitsfähigkeit entscheidend bzw. längerfristig beeinflussten, während andere gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht erwähnt wurden oder keine Hilfeleistung nach sich zogen.90 Die konkreten Umstände (Bedürftigkeit, Arbeitsunfähigkeit, Art der Krankheit, allgemeines bisheriges und aktuelles Verhalten des Kranken, Kassenbestand, normative Vorgaben, traditionelles Vorgehen usw.) bestimmten die Art der Unterstützung. Für die Gewährung einiger Leistungen mussten weitere Voraussetzungen erfüllt werden. Darlehen wurden vornehmlich an ansässige und einheimische Bedürftige vergeben, fremde Kranke erhielten häufiger Almosen. Genaue Festlegungen, wann beispielsweise Darlehen und wann Almosen an einheimische Kranke gegeben wurden, fanden sich aber nicht. In der Handwerksordnung der Chemnitzer Zeugwirker und Leineweber wurden beide Möglichkeiten erwähnt, ohne auf die Bedingungen der Gewährung und Abgrenzung näher einzugehen. Die Zunft wollte mit einkommenden Geldern „auch insonderheit nothleidende[n] Krancken, so dem Handwercke verwand, vornehmlich aber armen Meistern und Gesellen damit aushelffen, selbigen gebührend vorstrecken oder wohl gar nach gelegenheit, wenn es von nöthen, umb Gottes Willen ohne wiederbegehren 91 mittheilen und also dadurch auff Gottes Befehl und Ehre ein Absehen haben.“

 85 Vgl. BOS (Tradition) 2006, S. 176, 184. – DÖHNER, Otto: Krankheitsbegriff, Gesundheitsverhalten und Einstellung zum Tod im 16. bis 18. Jahrhundert. Eine historisch-medizinsoziologische Untersuchung anhand von gedruckten Leichenpredigten (= Marburger Schriften zur Medizingeschichte, Bd. 17). Frankfurt am Main, Bern, New York 1986, S. 63. 86 StadtAL, II. Sektion S (F) 2166, Bl. 2b. 87 StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 38. 88 DINGES (Armenfürsorge) 1991, S. 17. 89 StadtAL, II. Sektion S (F) 2380, Bl. 37b. 90 BRÄUER (Armenmentalität) 2008, S. 211. – ESER (Armenpolitik) 1996, S. 258. 91 StadtAZ, X, 1, 17, Bl. 49b. Vgl. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 360.

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In welcher Form halfen nun die Handwerksorganisationen kranken Personen? Die Vielfalt der Maßnahmen der Zünfte und Gesellenschaften bei unterstützungswürdigen Krankheitsfällen war beachtlich. Die verschiedenen Organisationen setzten die Maßnahmen nach finanziellen Spielräumen, altem Herkommen und konkreter Interessenlage in unterschiedlicher Weise ein. Noch 1839 musste der Chemnitzer Amtshauptmann gegenüber dem Stadtrat einräumen, dass es bislang nicht gelungen sei, die Krankenunterstützung der Strumpfwirker zu normieren. Die einzelnen Innungsdistrikte, aus denen sich die Chemnitzer Innung zusammensetzte, würden unterschiedliche Unterstützungsformen praktizieren und auch die Finanzierung sei nicht einheitlich geregelt.92 Um die variantenreichen kollektiven Unterstützungsmaßnahmen zu beleuchten, ist eine Strukturierung vonnöten, obwohl sich eine konsequente analytische Trennung der Einzelmaßnahmen nicht durchgehend aufrechterhalten lässt. In der sozialen Praxis bestand diese ohnehin nicht. Es können folgende kollektive Sicherungsformen im Fall einer Krankheit (bzw. eines Unfalls) unterschieden werden: – finanzielle Unterstützungen – krankenpflegerische Leistungen – weitere Hilfsmaßnahmen im Krankheitsfall.

4.4 FINANZIELLE UNTERSTÜTZUNGEN Für die soziale Sicherung der Handwerksorganisationen im Krankheitsfall waren diverse Varianten der direkten und der indirekten finanziellen Unterstützung zentral. Bei beiden Maßnahmengruppen wurden i. d. R. durch die Korporationen keine schriftlichen Vorgaben darüber gemacht, wie eine Verwendung der gewährten Gelder auszusehen hatte. Doch da die finanziellen Leistungen erst bei nachgewiesener oder offensichtlicher Bedürftigkeit gezahlt wurden, war eine zielgerechte Verwendung naheliegend. Teilweise wurden in den Quellen aber auch Hinweise gegeben, für welchen Zweck die Unterstützungsleistungen gedacht waren oder Quittungen belegten die tatsächliche Verwendung. Es wurden Reisegelder „inß warme badtt“,93 Pflege-, Heil-, Verpflegungs- oder Kurgelder, Arznei-, Arzt- und Wundarztkosten, Aufwendungen für den Aufenthalt in einem Hospital oder Krankenhaus u. v. m. bezahlt.

 92 StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 40, Bl. 1–1b. 93 StadtAZ, X, 49, 127, Rechnung 1542/43, Bl. 25. Weitere Gelder zur Kurreise „ins Bad“ z. B. in: StadtAC, Innungsarchiv Nr. 396, Bl. 20. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 407, Bl. 8b. – StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 60, Vol. I, Beleg Nr. 50. – StadtAL, Inn Schuhmacher A 5, Bl. 1.

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4.4.1 Direkte finanzielle Unterstützungen Direkte finanzielle Unterstützungen kamen entweder einmalig oder mehrfach den Kranken oder deren Angehörigen zugute. Mehrfachzahlungen konnten in unregelmäßigem oder regelmäßigem Rhythmus erfolgen. Während Darlehen, Almosen und Vorschüsse prinzipiell den Charakter einmaliger Zahlungen aufwiesen, die aber unter Umständen mehrmals ausgereicht wurden, gewährten die Handwerksorganisationen Krankengelder und Taschengelder regelmäßig (z. B. wöchentlich).

A) Darlehen Weit verbreitet war das einmalige oder mehrfache Leihen von Geldbeträgen an bedürftige Mitglieder der Handwerksorganisationen im Krankheitsfall. Es konnten zudem Darlehen gegeben werden, wenn nahe Angehörige der Korporationsmitglieder erkrankten, womit die Meisterfamilien mittelbar in die Krankenunterstützung der Zünfte einbezogen wurden. Kredite an verheiratete Gesellen aufgrund der Krankheit eines Mitglieds der Gesellenfamilie kamen vermutlich vor, konnten aber unter diesem spezifischen Unterstützungsaspekt nicht nachgewiesen werden, sondern wurden wegen allgemeiner Armut zugebilligt. Geliehen wurde kranken Meistern durch die Handwerkszünfte und kranken Gesellen durch Meister- oder Gesellenorganisationen, wobei der kreditartige Charakter in den Aufzeichnungen nicht immer ersichtlich war. Diese Form der Unterstützung trat praktisch in allen untersuchten Handwerksorganisationen während des gesamten Untersuchungszeitraums auf.94  94 Belege für diese konkrete Unterstützungsform erübrigen sich aufgrund der Materialfülle eigentlich von selbst. Dennoch sollen sowohl statutarische Verpflichtungen als auch einige konkrete Rechnungsausgaben angeführt werden. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 393, Bl. 19, 24. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 402, Bl. 152b. – StadtAC, RA, Kap. III. Sect. VIIb, Nr. 5, RP 1654ff., Bl. 14. – StadtAC, RA, Kap. IX. Sm Nr. 1, Bl. 24. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 360. – StadtAL, Inn Schneider C 1, Bl. 23, 25. – StadtAL, Inn Schneider C 2, Bl. 53b. – StadtAZ, X, 1, 14, Bl. 96. – StadtAZ, X, 16, 24, Vol. I, Rechnung 1521/1522. – StadtAZ, X, 1, 17, Bl. 49b. – StadtAZ, X, 28, 6, [unpag.] (Rechnung von ca. 1530, Rechnung 1568/69). – StadtAZ, X, 41, 26, Bl. 1. – StadtAZ, X, 41, 27. – StadtAZ, X, 45, 5, Bl. 2b. Bei der späteren Einreichung der Strumpfwirkerinnungsartikel zur landesherrlichen Konfirmation fehlte allerdings der Artikel, welcher die Darlehensvergabe an kranke Mitglieder regeln sollte. StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 316–339b. – StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 3, Bl. 3–24. Eine nicht direkt durch die Zünfte und Gesellenschaften praktizierte Form der Darlehensvergabe erfolgte über die kommunal organisierten Gemeinen Kästen. Diese zahlten zinsgünstige Kredite an Handwerker, die jedoch häufig nicht zu den Ärmsten ihrer sozialen Schicht gehörten, sondern die Gelder durchaus auch als Investitionsmittel betrachteten. BRÄUER / SCHLENKRICH (Gemeiner Kasten) 2004/05, S. 84. – LAUBE, Adolf / LOOSS, Sigrid (Hrsg.): Flugschriften der frühen Reformationsbewegung (1518–1524). Bd. 2. Berlin 1983, S. 1033, 1066. – OEHMIG, Stefan: Über Arme, Armenfürsorge und Gemeine Kästen mitteldeutscher Städte der frühen Reformationszeit. In: Ders. (Hrsg.): Medizin und Sozialwesen in Mitteldeutschland zur Reformationszeit (= Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen

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4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften

Bereits in manchen normativen Regularien wurde klar bestimmt, dass die Möglichkeit, ein Darlehen zu erhalten, nur für Handwerksmitglieder bestand, die zuvor in Arbeit waren. Diese Regelungen trafen vor allem reisende und beschäftigungslose Gesellen. „Ob es sich begebe, das ein schuknecht kranck wurde, der eine Zeitlangk alhier gearbeit hett, desselben sollen die schueknecht pflegen, bis i[h]m unßer herrg[o]tt wiederauffhielfft, auch, 95 da ers Bedurffen wurde, eine Zerung aus der Laden darleihen.“

Aufgrund von Statuten wie denen der Schuhmacherknechte gehörten somit Gesellen, die vor ihrer Erkrankung ohne Beschäftigung geblieben waren, nicht zum Kreis der Unterstützungsempfänger. Für jene blieb nur die demütige Bitte um ein Almosen. Im Gegensatz dazu bezogen die Leipziger Färbergesellen ihre Darlehensvergabe nicht allein auf die Gesellen, die vor Ort bis zu ihrer Erkrankung beschäftigt waren. „Do sichs begebe oder zutrüge, daß ein frembder gesell, so anhero keme, oder einer, der alhier in arbeit stünde, kranck würde unndt nichts zuverzehren hette, so sollen ihme die gesel96 len etwas aus der laden zu seiner notturfft uff wiederbezahlung vorstrecken.“

Aber auch fremde, kranke Meister konnten betroffen sein, wenn die Statuten unmissverständlich festlegten, Handwerksgelder nur an einheimische Personen zu verleihen.97 Die Höhe der krankheitsbedingten Darlehensbeträge bewegte sich meist im niedrigen Bereich, weshalb diese Kredite eher als „eine Art Zusatzversorgung“98 zu beurteilen sind. Ein Vergleich fällt aufgrund der Schwankungen des Geldwertes und der vielfach fehlenden Lohnbestimmungen der Gesellen schwer. In den Handwerksstatuten und Gesellenordnungen wurden vorab für gewöhnlich keine spezifischen Darlehensbeträge festgelegt, sondern je nach Schwere der Krankheit, traditionellen Gewohnheiten, Lage des Kassenbestandes und anderen Faktoren über die konkrete Höhe der Unterstützung entschieden. Nur wenige Handwerksund Gesellenordnungen schufen für die Kassenverantwortlichen wie für die po

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Anhalt, Bd. 6). Leipzig 2007, S. 79. – PALLAS, Karl (Bearb.): Die Registraturen der Kirchenvisitationen im ehemals sächsischen Kurkreise. Erster Teil. Die Ephorien Wittenberg, Kemberg und Zahna (= Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, Bd. 41, 2. Abtheilung, 1. Teil). Halle 1906, S. 16, 368. StadtAZ, X, 41, 26, Bl. 1. Vgl. StadtAD, 11.2.46, Nr. 75k, Bl. 134b–135. StadtAL, Inn Färber C 1, Bl. 3–3b. StadtAL, Inn Schneider A 4, Bl. 16b. – StadtAL, Inn Schneider C 1, Bl. 8. SCHULZ (Handwerksgesellen und Lohnarbeiter) 1985, S. 198. Vgl. KELLER (Materielle Lebensverhältnisse) 1987, S. 71. Zu anderen Ergebnissen kamen Studien, welche sich mit spätmittelalterlichen, vornehmlich oberrheinischen Gesellenschaften befassten. Hier wurden Darlehens- und Unterstützungsbeiträge von drei, fünf oder sogar neun Wochenlöhnen als repräsentativ angeführt. HOLZINGER (Arbeitsunfähigkeit) 1991, S. 95. – REININGHAUS (Entstehung der Gesellengilden) 1980, S. 265. – SCHANZ (Gesellen-Verbände) 1877, S. 4f. Anm. 3. – WESOLY (Lehrlinge und Handwerksgesellen) 1985, S. 329f. – ZATSCHEK (Vergangenheit des deutschen Handwerks) 1955, S. 52.

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tenziellen Empfänger eine größere Sicherheit, indem genauere quantitative Angaben allgemeinverbindlich angegeben wurden. Die Chemnitzer Leinewebergesellen sprachen 1538 von „5, 6 oder mehr Groschen“;99 Anfang des 18. Jahrhunderts sollten „selbigen 6, 8 biß 10 g vorgestrecket“ werden.100 Die Zwickauer Tuchmacher legten in ihrer Knappenordnung vom 13. August 1646 fest, dass ein kranker Knappe zuerst sechs Groschen, bei Bedarf nochmals sechs Groschen erhalten sollte.101 Manche Zünfte und Gesellenschaften reichten die Darlehen, insbesondere ab einer bestimmten Größenordnung, nur gegen Sicherheiten aus. Entweder bedurfte es dazu der Vorlage bzw. Verschreibung eines Pfandes oder der Präsentation eines oder mehrerer Bürgen. Erkrankten beispielsweise Hausbesitzer und Hausbesitzerinnen, wurde möglicherweise ihr Heim als Kreditsicherheit eingesetzt.102 Auch zukünftige Lohnforderungen oder der Besitz an Kleidungsstücken fanden als Garantiewert für ein Darlehen Anwendung.103 Die Tuchmacherknappen in Zwickau liehen nach zweifach vorgestreckten sechs Groschen eine weitere Unterstützung nur aus, wenn ein Bürge zur Absicherung benannt wurde. Im Umkehrschluss bedeutete dies die Verleihung von Erst- und Zweitdarlehen ohne Vorlage von Sicherheiten.104 Die Darlehen waren von ihrer Idee her prinzipiell rückzahlungspflichtig, wodurch auf den kranken und genesenden Mitgliedern ein nicht zu verachtender finanzieller Druck lastete, wenngleich die Zahlungsfristen häufig verschoben wurden. Für den Fall, dass der Schuldner vor Rückerstattung des gesamten geliehenen Geldes verstarb, wurde der Nachlass ebenso wie die hinterbliebene Verwandtschaft zum finanziellen Ausgleich herangezogen. Somit konnte sich die Schuldenlast auf die Hinterbliebenen fortpflanzen und diese mit der Rückzahlung belasten. Wurde eine Tilgung der Schulden durch Witwe und Kinder verweigert, war ihr weiteres Fortkommen innerhalb des zünftigen Handwerks ungewiss.105 Vage blieben oft genauere Regelungen zur Rückzahlungsfrist. Eine Schuldentilgung sollte zum frühestmöglichen Zeitpunkt erfolgen, da sonst eine Schmäle 99 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 305, S. 48. 100 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 77f. In Zwickau sollten zuerst sechs Groschen oder aber zwölf Groschen „auff verbürgung“ ausgeliehen werden. StadtAZ, X, 1, 15, Bl. 32b–33. 101 StadtAZ, X, 1, 14, Bl. 96. Vgl. StadtAZ, X, 49, 124, Bl. 12b–13, 27b–28. 102 StadtAZ, III x 1, Nr. 77, Schultheißbuch 1524–1530, [unpag.] (Eintrag von Montag nach Vitus 1528). 103 BRÄUER (Gesellen) 1989, S. 86. 104 StadtAZ, X, 1, 14, Bl. 96. Vgl. StadtAZ, X, 49, 124, Bl. 12b–13, 27b–28. Siehe auch: StadtAC, Innungsarchiv Nr. 305, S. 49. – StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 162. – StadtAL, Inn Schneider C 1, Bl. 8. – StadtAZ, X, 1, 15, Bl. 32b. 105 StadtAL, Inn Färber B 1, Bl. 41. – StadtAL, Inn Färber B 6, Bl. 110. – StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 185. In Annaberg mussten die Posamentierergesellen nur die Hälfte der Krankenunterstützung an die Gesellenschaft zurückzahlen. SIEGEL, Eduin: Zur Geschichte des Posamentiergewerbes mit besonderer Rücksichtnahme auf die erzgebirgische Posamentenindustrie. Annaberg ²1894, S. 47.

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rung des guten Rufes drohen konnte.106 Die Schuhknechte in Leipzig sollten ihre krankheitsbedingten Darlehen „auf daß aller erst“, d. h. mit ihrer nächsten Lohnzahlung, zurückerstatten.107 Mehrere Hinweise aus einem metallverarbeitenden Gewerbe Zwickaus fanden sich aus den 1520er und 1530er Jahren. In der Handwerksrechnung der Schmiede 1535/36 wurde folgende Kreditvereinbarung aufgeführt: „ij ald schok v g iiij d Cuntz Schmidtt gerechnet geldes, das yhm in seiner kranckheytt gelihen ist worden, gibtt in iiij wochen x g, darnach vf pfingsten das hinderstellig“.108 Ein zweiter Schmiedemeister namens Thomas Prewer, der 1524/25 mit drei alten Schock im Schuldenbuch seiner Innung stand, versprach, die Darlehenssumme zu jedem Quartal mit zehn Groschen abzubezahlen. Nachdem er nochmals einen größeren Kredit aufnehmen musste, wiederholte er für das alte Darlehen sein früheres Tilgungsversprechen und schloss zusätzlich für den neuen Kredit eine weitere Rückzahlungsvereinbarung über ein altes Schock je Quartal ab. Als seine Verbindlichkeiten kurze Zeit später auf zwölf alte Schock angestiegen waren, musste er sein Haus verpfänden. Die Tilgungsrate betrug nun 15 Groschen im Quartal, doch die Schulden und damit die kreditorischen Belastungen stiegen weiter.109 Kleinere, häufigere Rückzahlungsraten dürften vielfach vorgekommen sein, wobei insbesondere die Jahrmarkt- und Messetermine als auch die Handwerksquartale, die sich i. d. R. an den Markt- und Messeterminen orientierten, eine wichtige Rolle spielten. Aus dem Handwerksbuch der Leipziger Schneider stammt folgender Eintrag: „Item. Es erscheint Joh[ann] Esaias John, bürtig von Arttern, wird ihm vorgehalten, daß er kranck were gewesen, so were er der brüderschafft schuldig nemlich 3 r 12 g. John gelobet an, auf künfftige Michaelis die helffte zu bezahlen, die andere helffte auf künfftige Ostern 110 1720 vollendts zubezahlen.“

Kürzere Rückzahlungsfristen kamen durchaus vor, wenn Lohnanteile verpfändet wurden oder das Darlehen von geringer Höhe war.111 Damit keine vollständigen Zahlungsausfälle eintraten, sollten „muthwillige Restanten“ bei den Chemnitzer Strumpfwirkern „durch schleunigen Gerichts-

 106 REININGHAUS (Entstehung der Gesellengilden) 1980, S. 263. 107 POSERN-KLETT (Urkundenbuch Leipzig I) 1868, S. 325. 108 StadtAZ, X, 16, 24, Vol. II, Rechnung 1535/36, [unpag.]. Ein Schock galt als Zählmaß für 60 Stück. 109 Ebd., Rechnung 1524/25 bis Rechnung 1529/30, [unpag.]. – StadtAZ, III x 1, Nr. 77, Schultheißbuch 1524–1530, [unpag.] (Eintrag von Montag nach Vitus 1528). Die Leipziger Schneider hatten eine Kornreserve angelegt, die in Notzeiten für ein Vierteljahr an Handwerksmeister und -witwen verborgt wurde. StadtAL, Inn Schneider A 4, Bl. 13. 110 StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 208b. 111 Bräuer weist Fristen für die Tilgung eines Darlehens zwischen acht Tagen und drei Monaten aus. BRÄUER (Gesellen) 1989, S. 87.

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Zwang“ zum Schuldendienst angehalten werden.112 Bei den Kürschnergesellen hatten kranke Gesellen ein Jahr Zeit, das Geld zurückzuzahlen, bevor die Gesellenschaft den Schuldner in das „schwartze Buch“ schrieb und ihn „auftrieb“.113 Auch die Leipziger Schuhknechte erkannten einen Gesellen, der ohne Wissen der Meister und Gesellen aber mit Schulden die Stadt verließ „vor vnduchdick“.114 Bei besonderen Umständen lag eine Umwandlung des Darlehens in ein Almosen im Bereich des Möglichen, womit die Rückzahlungspflicht entfiel. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch auf die Möglichkeit eines Vorschusses hingewiesen. Vorgezogene Unterstützungszahlungen bei Krankheit aufgrund von erwarteten, aber erst später regulär fällig werdenden Leistungen waren einem herkömmlichen Darlehen recht ähnlich. Ein klassisches Beispiel waren die Sterbegelder der Leichenkassen. Ausgezahlt wurden sie regelmäßig erst bei Eintritt eines Todesfalls, doch konnte eine soziale Notlage eine vorzeitige (Teil-)Auszahlung angemessen erscheinen lassen. Die vorgeschossenen Gelder sollten entweder bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückgezahlt werden oder wurden bei Eintritt des Leistungsfalls der Leichenkasse von den Begräbnisgeldern abgezogen.115

B) Almosen Noch ungleich häufiger als Darlehen wurden besonders im 17. und 18. Jahrhundert ein- oder mehrmalige Almosen durch die Zünfte und Gesellenschaften an Bedürftige gegeben. Diese Form der finanziellen Unterstützung unterlag nur wenigen nachweisbaren Reglementierungen. Der Dresdner Schneidermeister Rabe, der aufgrund seiner Almosenvergabepraxis von einigen Mitmeistern kritisiert wurde, sagte aus, dass in den Handwerksartikeln nicht stünde, wie viel an Almosen gegeben werden dürfte. Es sei bezeichnenderweise in den fünf Jahren, in denen er zum ältesten Tisch gehört habe, auch niemals etwas Genaueres wegen der Almosenvergabe besprochen worden.116 Die Vergabe hing somit stark von gewohnheitsrechtlichen Traditionen, die nicht einmal den Verantwortlichen immer präsent schienen, aber auch von der glaubhaften Darstellung der Arbeitsunfähigkeit und dem Wohlwollen der einzelnen Verantwortlichen ab.  112 StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 1, Bl. 24, 95. Die Weber in Chemnitz dagegen verboten den über den Rückzahlungstermin hinaus schuldig Gebliebenen die weitere Ausübung des Handwerks. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 289. Vgl. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 285, Bl. 73. 113 StadtAL, II. Sektion K (F) 96, Bl. 36. Zu den Formen der sozialen Stigmatisierung durch Auftreiben und Verruf siehe: KORGE (Der gute Ruf) 2010, S. 129–141. 114 POSERN-KLETT (Urkundenbuch Leipzig I) 1868, S. 325. Vgl. StadtAZ, X, 49, 124, Bl. 13. 115 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 408, Bl. 17. – StadtAC, RA, Kap. IX. Sg 6, [unpag.]. Siehe auch Kap. 5.4.5. 116 StadtAD, RA, C. XXIV. 19, Bl. 30b. – StadtAD, RA, C. XXIV. 20, [unpag.] (Schreiben vom 06.06.1721).

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Dass die Gabe von Almosen, „Beysteuern“, „Zusteuern“ oder Geldern „um Gottes willen“ nichts über das Verhältnis von Beitrag und Leistung aussagte, wird am Empfängerkreis dieser Gelder sichtbar. Wie bei der Darlehensgewährung kamen zuerst einmal Mitglieder der Handwerkskorporation oder nahe Angehörige von Mitgliedern als potenzielle Empfänger in Betracht. War bereits zum Zeitpunkt der Vergabe von Unterstützungsgeldern an diese Personen eine hohe Ausfallwahrscheinlichkeit gegeben oder bestand von vornherein keine Aussicht auf Heilung bzw. Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, konnten diese Beträge von Beginn an als Almosen ausgereicht werden. Sie mussten dann nicht zurückerstattet werden. Nicht selten kam es vor, dass ausgereichte, ursprünglich rückzahlungspflichtige Kredite oder aufgelaufene Schulden in ein solches Geschenk umgewandelt wurden, wenn die Rück- oder Nachzahlung aufgrund einer verschlechterten gesundheitlichen Prognose nicht mehr zu erwarten war. Auch konnte sich der ökonomische oder soziale Hintergrund weiter zuungunsten des Kreditnehmers entwickelt haben. Auf dem Hauptquartal der Strumpfwirker in Chemnitz „wurde einstimmig resolviret und Obrigkeits wegen genehmiget, daß dem elenden M[ei]st[e]r Neuberten zu Röhrsdorf sein rückständiges Quartal Geld an 1 r 8 g als ein Allmoßen erlaßen 117 werden solte“.

Die Aufhebung der Rückzahlungspflicht von Darlehen und damit die faktische Anerkennung als ein Almosen oder die Abschreibung von Schuldgeldern wurden selten explizit vermerkt. Häufig wurden die Vermerke in den Handwerksbüchern einfach ausgestrichen, ohne dass damit gekennzeichnet wurde, ob eine Rückzahlung in voller Höhe erfolgte. Abschreibungen dieser Art sind bei der großen Menge kleinerer und größerer Schuldbeträge durchaus häufiger zu vermuten.118 Für die Form der finanziellen Unterstützung als Almosen, Geschenk oder „Beysteuer“ gibt es unzählige Belege. Typische Beispiele waren Almosen an blinde, invalide, unheilbar körperlich oder geistig kranke Meister, Meisterfrauen, Witwen, Meisterkinder oder Handwerksgesellen. Ebenfalls kam die „gnädige“ Almosengabe hochbetagten Betroffenen zugute, die wie die 86jährige Leineweberwitwe Schmetterin erkrankt waren.119 Bei diesen „unterstützungswürdigen“ Personen stand nicht das Motiv der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit im Zentrum der Mittelvergabe. Wurden Almosen gereicht, obwohl keine guten Heilungschancen bestanden, dürfte der Grad an Bedürftigkeit sehr hoch gewesen sein. Viele Korporationen verzichteten nur ungern auf die Option der Rückerstattung,  117 StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 28, Bl. 21b. 118 So dürften in den Jahresrechnungen der Chemnitzer Leineweber die Sammelposten mit Bezeichnungen wie „Abfall von armen und verstorbenen Meistern und Wittben nach Handwercks Schluß“ auf Abschreibungen zurückzuführen sein, die auch aus krankheitsbedingter Armut resultierten. StadtAC, RA, Kap. IX. Za 75, Bl. 74b. Die Posamentierergesellen schrieben Gelder auf „verlohrne schult“ ab. StadtAD, 11.2.46, Nr. 76k, [unpag.] (Eintrag vom 03.04.1714). 119 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 396, Bl. 61. Aufgrund der Allgemeingültigkeit wird auf die Anführung weiterer Belege an dieser Stelle verzichtet.

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doch realistische Einschätzungen, inwiefern eine Wiedererlangung der Gelder möglich war, geboten es häufig, Großzügigkeit und Solidarität mit den Bedürftigen zu demonstrieren. Auf diesem Weg konnten die Handwerke ihr soziales Ansehen bei den Mitgliedern und vor allem gegenüber der städtischen Gemeinschaft, den örtlichen Obrigkeiten und den auswärtigen Handwerkervereinigungen erhöhen.120 Zugleich wurde von einigen Organisationen stückweise versucht, sich mit Einmalzahlungen alles solidarischen Beistandes in Zukunft zu entledigen. In den Überlieferungen des Leipziger Schuhmachergewerbes fand sich eine Quittungsbescheinigung, in welcher der Unterzeichner den Empfang eines Almosens der Gesellenschaft bestätigte. Zugleich musste er versprechen, dass er von derselben Korporation „nie wieder einige Unterstützung fordern und derselben niemals wieder zur Last fallen will“.121 Neben den kranken Mitgliedern der jeweiligen Handwerksorganisation vor Ort und deren Angehörigen betraf die nicht rückzahlungspflichtige Mittelvergabe in Krankheitsfällen zwei weitere Personenkreise. Zum einen waren die Unterstützungen für kranke Personen, die nichts mit der Handwerksorganisation unmittelbar zu tun hatten, nicht zu unterschätzen. Viele handwerksfremde Personen, die dem Kreis der sogenannten „würdigen“ Armen zugerechnet wurden, kamen in den Genuss eines Almosens durch die Zünfte oder Gesellenschaften. Unter ihnen fanden sich vor allem Konvertiten, Glaubensflüchtlinge, Wasser- oder Brandgeschädigte, Studiosi, Findel- und Waisenkinder, ehemalige Gefangene, Versklavte und Kriegsgeschädigte. In den Fällen, in denen die Unterstützung von Nichthandwerkern mit einer Krankheit in Verbindung gebracht wurde, kann größtenteils davon ausgegangen werden, dass die Erkrankung für die Almosengabe hauptsächlich nicht konstitutiv war (vielleicht mit Ausnahme der Kriegsgeschädigten). Vielmehr war die gesellschaftlich anerkannte, prekäre und sozial entwurzelte Situation dieser „wahren“ Armen für die Gabe von einigen Almosenpfennigen oder -groschen ausschlaggebend. Als zahlenmäßig gewichtigere Gruppe erhielten zum anderen fremde, einwandernde bzw. durchreisende bedürftige Handwerksmeister und Gesellen des jeweiligen Gewerbes bzw. deren Angehörige im Krankheitsfall ein Almosen. Eindeutig legten die Dresdner Schuhmachergesellenartikel fest, dass nur „ein hier in Arbeit stehender kranck gewordener Geselle“ ein wöchentliches Krankengeld erhalten könne, während alle anderen Gesellen als „wahre Steuer-Brüder“ sich mit sechs Groschen Almosen zufriedengeben mussten.122 Exakt den gleichen Betrag setzten die Strumpfwirkergesellen nach einem Konflikt mit dem Leipziger Rat und unter Verweigerung des sonst üblichen Krankengeldes durch.123 Dem nach  120 Vgl. LUSIARDI (Daseinsvorsorge) 2002, S. 144. 121 StadtAL, Inn Schuhmacher A 5, Bl. 1. Vgl. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 377, 381. – StadtAL, Inn Schneider B 11, Bl. 89. 122 StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 2, Nr. 19, [unpag.]. 123 StadtAL, II. Sektion S (F) 1860, Bl. 7b, 17, 25b, 32–33, 40b.

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4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften

Leipzig zugereisten Schneidergesellen Johann Adam Rühl, der als „melancholicy von Gerolsheim“ im Handwerksbuch auftauchte, wurde der Aufenthalt auf der Krankenstube der Gesellenschaft verwehrt und lediglich „eine beysteuer“ durch Umfrage zugestanden.124 Die Problematik der medizinischen und finanziellen Versorgung fremder Personen, die auf einer Reise erkrankten, beschäftigte die Handwerksorganisationen bis zur Aufhebung des alten Zunftwesens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.125 Bei beiden Personengruppen, den Handwerksfremden wie den mobilen Handwerkern, bestand für gewöhnlich keine realistische Aussicht auf Wiedererstattung der Gelder, sodass eine Vergabe finanzieller Mittel als Darlehen ihren Zweck verfehlt hätte. Dagegen war die Palette an Motiven für das Ausreichen von Almosen an diese Menschen breit gefächert. Sicherlich konnten Interessen, Emotionen, Einstellungen und Überzeugungen wie christliche Nächstenliebe, eine echte persönliche Anteilnahme, ein gewisses emotionales Mitleiden, die Beruhigung des eigenen schlechten Gewissens, der Schutz des persönlichen und kollektiven Ansehens oder die Erwartung von vergleichbarer Hilfe zu einem späteren Zeitpunkt, von Dankbarkeit sowie eines Fürgebets durch den Empfänger und weitere Motive in unterschiedlichster Ausprägung und Kombination zu einer positiven Einstellung gegenüber einer Almosengabe führen. Die Verteilung von Almosen an bedürftige Meister, Gesellen oder deren Angehörige geschah zwar durch die Meister- und Gesellenorganisationen, aber die Almosenspende vollzog sich weniger streng in Abhängigkeit von der Existenz anderer Handwerksorganisationen des gleichen Gewerbes als bei den Darlehen. Bestand also eine Gesellenorganisation, bedeutete dies nicht zwangsläufig, dass die Meisterorganisation einem kranken Gesellen nicht mit einem Almosen half, wie sich umgekehrt Gesellenschaften durchaus um kranke Meister kümmerten. Gegenüber der Gesellenorganisation bewies eine Almosengabe durch die Zunft neben den angeführten Beweggründen, dass man im Gegensatz zu den Gesellen durchaus in der Lage und willens war, sich christlich und großmütig um die Notleidenden zu kümmern. Gleiches galt im umgekehrten Fall, wenn aus der Gesellenkasse kranke Meister unterstützt wurden. Dennoch wurden diese Formen sozialer Sicherung von der eigentlich zuständigen Organisation nicht gern gesehen, insbesondere wenn es sich um Almosen an einheimische Meister oder bis vor Kurzem in Arbeit befindliche Gesellen handelte, da man lieber die eigene finanzielle Leistungsfähigkeit demonstrierte und das Disziplinierungselement der Almosenvergabe nicht aus der Hand geben wollte.126 Weniger misstrauisch war dagegen die Meister- oder Gesellenorganisation, wenn die jeweils andere Korporation fremde Kranke unterstützte, die dem eigenen Berufsstand angehörten. So wurden gerade auswärtige Wandergesellen häufig mit einem Almosen aus der Handwerkskasse bedacht, weil die Gesellenkasse nicht recht bei Kräften war und  124 StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 54b. 125 Siehe Kap. 4.8. 126 StadtAL, Inn Kürschner B 3, Bl. 255–255b.

4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften

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die Vergabe von Zehrpfennigen für beschäftigungslose Gesellen stärker durch die Meisterorganisationen finanziert wurde.127 Wie oft Almosensuchende von den Handwerkskorporationen abgewiesen oder an andere Stellen verwiesen wurden, kann nicht beurteilt werden, da in den Handwerksbüchern für gewöhnlich nur die erfolgreichen Hilfsgesuche vermerkt wurden. Unterstützten die Innungen und Gesellenschaften auswärtige Meister, Gesellen oder Angehörige, so waren sie in vielen Fällen einfach daran interessiert, dass die fremden Kranken möglichst innerhalb kurzer Zeit weiterwanderten, weshalb nicht von Almosen, sondern teilweise konkret von Reisegeldern gesprochen wurde.128 Die ersparten Behandlungskosten bei schneller Weiterreise der kranken Bedürftigen wogen schwerer als die wenigen Groschen Almosengeld. Im 18. Jahrhundert häuften sich Fälle, in denen Handwerksorganisationen krank zugewanderte, beschäftigungslose Gesellen mit einem geringen Notgroschen weiterschickten und eine Unterstützung durch aufwendigere Maßnahmen verweigerten. Nachdem sich die landesherrliche Obrigkeit dieses Problems angenommen und erste Regulierungen angestoßen hatte, stieg auch die Anzahl der aktenkundigen Konflikte um die Übernahme der Kur- und Verpflegungskosten dieser Gesellen. Die Höhe der Almosenbeträge fiel tendenziell niedriger aus als die der Darlehen. Doch zeigen Einzelfalluntersuchungen, dass die Spannbreite der Beträge sehr weit reichen konnte. Zwischen 1805 und 1815 spendeten die Chemnitzer Leineweber Einzelalmosen zwischen zwei Groschen und fünf Reichstalern.129 Damit betrug der maximale Unterstützungswert das Sechzigfache des kleinsten Betrages. Zu vermuten sind höhere Hilfsleistungen für einheimische Meister und Witwen sowie vor Ort bislang in Arbeit gestandene Gesellen, während fremde Personen mit deutlich weniger zufrieden sein mussten und auch die konkreten sozialen Umstände spielten eine wesentliche Rolle, doch wären hier noch weitere Detailuntersuchungen nötig. Almosen wurden einmalig oder mehrmalig gereicht. Regelmäßige Almosen bzw. „Beisteuern“ konnten mit der Zeit den Charakter von gewohnheitsrechtlichen Krankengeldern annehmen. Ursprünglich wurden wahrscheinlich auch Naturalleistungen (Brennholz, Nahrungsmittel) direkt an die Kranken gespendet. Auf diese Praxis verweist beispielsweise ein Handwerksschluss der Dresdner Tischler von 1724. Danach  127 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 407, Bl. 5, 93b, 164. – StadtAD, RA, C. XXIV. 110. Die Vergabe von Zehrpfennigen an kranke, fremde Gesellen deutet bereits darauf hin, dass diese Personen nicht als Kranke, sondern als „Steuer-Brüder“ abwertend klassifiziert und entsprechend unterstützt wurden. 128 Diese Praxis übten nicht nur die Handwerksorganisationen, sie war auch in den Städten nicht unüblich, indem fremde Kranke, deren Behandlung und Versorgung längere Zeit in Anspruch genommen und höhere Kosten verursacht hätten, mit einem Zehr- oder Reisegeld aus der Stadt geschafft wurden. StadtAZ, Ratsrechnungen 1528–1529, S. 81, 84. 129 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 396.

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4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften „ist es Christ billich und von alters her brauch gewesen, daß, wenn im handtwerck waß zum besten und etwan Ein Meister krank währe, ihm Ein bescheyden Essen und 1 Kanne wein 130 oder vor den wein 4 g soll geschickt werden.“

Diese Praxis der Vergabe von Naturalien hatte jedoch zugunsten der finanziellen Unterstützung bzw. der Krankenpflege in den verschiedenen Einrichtungen bereits erheblich an Bedeutung verloren. Einige Handwerke sammelten zumindest Korn- oder Mehlvorräte an, die sie in Notzeiten an Bedürftige vergaben.131 Dagegen finanzierten Handwerksorganisationen durchaus eine Vielzahl von Sachleistungen.132

C) Kranken- und Taschengelder Seit dem Beginn der Überlieferungen vergaben viele Handwerke Darlehen und Almosen an Bedürftige nur bei großer Not. Die älteste bekannte Form echter, d. h. nicht rückzahlungspflichtiger Unterstützungsgelder ohne Almosencharakter, die durch eine Handwerksorganisation des wettinischen Herrschaftsbereichs nach dem Prinzip der Selbsthilfe eingerichtet wurde, fand sich dagegen bei den Zwickauer Tuchknappen und Kämmerinnen.133 Die Idee zu einer solchen Kasseneinrichtung, die nachweisbar seit 1511 diskutiert wurde,134 basierte auf den regelmäßigen Einlagen der abhängig Beschäftigten des Tuchmachergewerbes, um „do durch aynen furradt zuersamlen, [mit welchem] krangken knappen vnd kemmerin In notten do mitte zuhulff zukommen“.135 Die Hauptleistung der spätestens 1534/35 errichteten Knappen- und Kämmerinnenkasse bestand aus nicht rückzahlungspflichtigen Zahlungen, die aufgrund der Beitragsleistung der Kassenmitglieder erfolgen konnten, aber nicht nur diesem Personenkreis zukamen.136 Diese Form der wirksamen und innovativen Selbsthilfeeinrichtung überzeugte so sehr, dass sie Mitte des 16. Jahrhunderts in Chemnitz nachgeahmt wurde.137 Beide Ein 130 StadtAD, 11.2.64, Tischler-Dep. Nr. 14, [unpag.] (Handwerksschluss von 1724). 131 StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 67, [unpag.] (Rezess vom 17.07.1675). – StadtAZ, X, 50, 14, [unpag.]. 132 Siehe Kap. 4.5. Obwohl keine Krankheit betreffend, soll an dieser Stelle kurz erwähnt sein, dass die Leipziger Schneidergesellen der Ehefrau des Herbergsvaters zu jedem Jahrmarkt eine Unterstützung von sechs Groschen versprachen, die aber verdoppelt wurde, falls sie im „Kind-Bette“ lag. StadtAL, Inn Schneider C 2, Bl. 56. 133 Noch Holzinger gab mit Berufung auf die Dissertation von Strube als frühestes Beispiel eines regelmäßigen, nicht rückzahlungspflichtigen Krankengeldes eine Handwerksrolle der Bremer Filzmachergesellen von 1596 an. HOLZINGER (Arbeitsunfähigkeit) 1991, S. 101. – STRUBE (Handwerkszünfte in Bremen) 1974, S. 48. 134 StadtAZ, A*A III 26, Nr. 2c, Briefe 1511–1515, Nr. 3. 135 StadtAZ, III x 60a, RP 1519–1522, 1520/21, Bl. 17b. 136 StadtAZ, X, 49, 135. Dieses sogenannte „Tuchknappenregister“ analysierte Bräuer zum ersten Mal sehr ausführlich in: BRÄUER (Tuchknappenregister) 1990. 137 StadtAC, RA, Kap. III. Sect. VIIb, Nr. 3, RP 1535–1567, Bl. 123b. – StadtAC, RA, Kap. III. Sect. VIIb, Nr. 4, RP 1548ff., Bl. 68.

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richtungen gingen im 17. Jahrhundert wieder ein und wurden durch die herkömmliche Krankenunterstützung mittels Darlehensgewährung substituiert. Frühe Beispiele regelmäßiger Krankengelder wie diejenigen aus dem Zwickauer und Chemnitzer Tuchmachergewerbe blieben in den untersuchten Handwerken bis in das 18. Jahrhundert die berühmten Ausnahmen von der Regel. Unter den direkten finanziellen Hilfen an Kranke dominierten in den meisten Handwerksorganisationen gelegentliche Almosen und rückzahlungspflichtige Darlehen. Allerdings konnten mehrfach gewährte Almosen auf eine dauerhafte, wenngleich mehr oder weniger unverbindliche Unterstützungsform hinauslaufen. Nach einer Untersuchung des Rechnungsbuches der Chemnitzer Strumpfwirkerinnung wurden zu jedem Quartalstreffen aus dem Zeitraum 1808 bis 1824 Almosenzahlungen an bedürftige Meister und Witwen in offenbar festgelegter Höhe in großer Regelmäßigkeit ausgezahlt.138 Die Zahlungen in Stufen von sechs, neun, zwölf oder selten 18 Groschen orientierten sich vermutlich an der Bedürftigkeit des Empfängers, leider sind die Vergabekriterien nicht erkennbar. Höchstwahrscheinlich befanden sich unter dem begünstigten Personenkreis viele arme Alte und Invalide; es dürften aber auch vorübergehend Kranke unterstützt worden sein. Allein dem Hälbersdorfer Meister Gottlob Ihle, welcher der Chemnitzer Kreislade angehörte, wurden über ein Jahrzehnt lang regelmäßige Zahlungen zuteil, sodass hier eine Art Invaliditäts- oder Altersrente vorlag. Eine kombinierte Detailanalyse der Steuerlisten, Handwerks- und Kirchenbücher könnte Auskunft über die Altersund Vermögensstruktur des Empfängerkreises liefern, um Rückschlüsse auf die denkbaren Unterstützungsursachen zu ermöglichen. Dies war allerdings im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht zu leisten. Mit einem regelmäßigen Almosen verbanden sich für den Kranken oder Invaliden sicherlich erhebliche Vorteile. Es bestand eine gewisse Sicherheit auf eine kontinuierliche Unterstützung und es entfiel die oft ruinöse Anhäufung erstattungspflichtiger Verbindlichkeiten. Erkrankte eine Person, die zuvor Beiträge in die gemeinsame Kasse geleistet hatte, verband sich damit ein moralisches Anrecht auf Unterstützung, sodass man nur noch bedingt von Almosen im heutigen Wortsinn sprechen kann. Dennoch wurde durch die Handwerke immer wieder auf die Freiwilligkeit der Unterstützungen hingewiesen. Die Beeinträchtigung bisheriger Zunft- oder Handwerksrechte und die Schaffung eines Präzedenzfalles wurden ausgeschlossen. Drängender als gegenüber kranken Handwerksmeistern brannte den unselbstständig Beschäftigten das Problem der dauerhaften, institutionalisierten Krankenversorgung unter den Nägeln, weshalb man sich frühzeitiger und intensiver mit neuen Varianten der Unterstützung für kranke Gesellen auseinandersetzte. In erster Linie waren somit die Gesellenorganisationen betroffen, aber auch die Meister hatten ein maßgebliches Interesse an einer effizienten, günstigen und verlässlichen Versorgung kranker, bedürftiger Gesellen.  138 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 242.

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Die Tuchbereiter Leipzigs richteten vergleichsweise frühzeitig ein wöchentlich gezahltes Krankengeld ein. „Hingegen, wenn ein Gesell in seiner arbeit mit beschwerlicher Leibeskranckheit und unvermögen beladen würde, der vor sich nicht so viel hette, daß er sich verpflegen könte, so soll demselben aus gemeiner Lade alle wochen 18 g (verstehe der Gesellen Lade) gereichet und in Rechnung gebracht werden, sonsten aber versorget sich ein ieder Gesell mit eigener Kost und 139 Lagerstelle.“

Die Gesellenordnung vom Februar 1671 legte also fest, dass bei Bedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit ein Krankengeld aus der von den Gesellen finanzierten Lade zugeteilt werden sollte, der Kranke aber im Gegenzug keinerlei weitere Leistungen zu erwarten hätte. Selbst die Lagerstelle, die bei diesem kleinen Handwerk bislang zumeist im Meisterhaus gelegen hatte, musste der Unterstützungsempfänger nun selbst finanzieren. Zwar sagte die Ordnung nichts über eine Rückzahlungspflicht aus, doch kann aufgrund des strikten Ausschlusses weiterer Unterstützungsleistungen durch die Gesellenorganisation davon ausgegangen werden, dass der kranke Geselle das wöchentliche Geld nicht wiedererstatten musste. Damit verlor die Gesellenschaft zwar die Aussicht auf Rückerstattung der ausgelegten Gelder, gewann aber an Planungssicherheit für ihre Kassenausgaben. Was noch wichtiger schien, war der Vorteil, der sich den Handwerksmeistern bot. Zahlte die Gesellenschaft die selbst finanzierten Krankengelder, wurden damit ab sofort die Handwerksmeister von ihrer gewohnheitsrechtlich-moralischen und dienstherrlichen Unterhaltsverpflichtung entbunden. Auf ihrem Quartal im Dezember 1728 beschlossen die Leineweber in Chemnitz für ihre Gesellen ein wöchentliches Krankengeld: „So wurde auch von dem Handwercke der viele und großen aufwand bey denen Krancken Gesellen überleget und in soweit resolviret und geschloßen, daß künfftighin, wenn ein Geselle kranck würde, sich solte nach ihren 10ten Articul reguliret und selbigen 6, 8 biß 10 g vorgestrecket, auch weil die Brüderschafft anizo starck, einen Krancken wöchentl[ich] 16 g gegeben werden, welches er denn zu seinen bedürftnis an Zehrung od[er] Medicamente wenden möchte, und wann er wieder gesund worden, soll er solches vorgestreckte geld nach obbenanten 10ten Articul wieder zu bezahlen schuldig seyn, worüber die Gesellen auch eine verord140 nung zu beßerer nachricht von dem handwercke in die Lade bekommen.“

Ganz offensichtlich bestand bei den Webern ein spezieller Grund für die Einführung von regelmäßigen Krankengeldern in konstanter Höhe. Die aus dem Ruder laufenden Verpflegungskosten für kranke Gesellen sollten endlich in den Griff bekommen werden. Zwar finanzierte die Gesellenschaft bislang die Versorgung kranker Gesellen, doch musste die Zunft im Notfall einspringen, wenn die Gesellenlade überfordert war. So besaß die Meisterschaft gleichfalls ein großes Interesse daran, die Ausgaben der Krankenversorgung zu limitieren. Aufgrund der enormen Anzahl an Gesellen und ihrer recht niedrigen Beitragsleistung sahen die  139 StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 23. Vgl. StadtAL, Inn Tuchbereiter A 1, Bl. 11b. 140 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 77f.

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Weber aber von echten Unterstützungsleistungen ab und behielten den Darlehenscharakter für diese Krankengelder bei. Informationen über regelmäßige Krankengeldzahlungen anderer Gesellenorganisationen fanden sich erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts (Tabelle 5). Gegenüber der Vergabe finanzieller Hilfen als Almosen oder Darlehen wurden die Krankengelder detaillierter geregelt, da sie eine erheblich größere Belastung für die Handwerks- und Gesellenkassen darstellten. In allen vier Städten legten in der zweiten Jahrhunderthälfte insbesondere die mitgliederstärksten Gesellenorganisationen fest, dass im Krankheitsfall den betroffenen Gesellen ein regelmäßiger wöchentlicher Unterstützungsbetrag gezahlt werden sollte. Einige Einzelregelungen unterschieden sich, andere Prinzipien waren grundsätzlich identisch. So wurden Krankengelder wie alle anderen Unterstützungen nur bei individueller Bedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit gezahlt. Die erste Zahlung wurde dem Kranken bei den Schuhmachern und den Strumpfwirkern nach acht Tagen zugestellt, um einen Missbrauch zu verhindern.141 Viele Gesellenorganisationen legten zudem fest, dass nur Gesellen, die vor ihrer Erkrankung oder ihrem Unfall vor Ort in Arbeit gestanden hatten und somit Beitragszahler in der örtlichen Gesellenkasse gewesen waren, diese Unterstützung erhalten könnten. Anderen, insbesondere krank zureisenden Gesellen wurde diese Leistung verweigert. Entsprechend nahmen die Dresdner Schuhmacher ausschließlich arbeitende Gesellen in den empfangsberechtigten Personenkreis auf: „Ein Krancker aber soll ohne Unterschied, ob er ein Alt-Geselle oder sonst ein hier in Arbeit stehender kranck gewordener Geselle sey, so Winters als Sommers wöchentlich Sechzehen 142 Groschen zu seiner Beköstigung und Verpflegung erhalten.“

In einem Entwurf sahen die Leipziger Strumpfwirkergesellen die Gründung einer „Kranken-Societaet“ vor, nach der jedem arbeitenden, bedürftigen Gesellen bei Krankheit 16 Groschen in der Woche gezahlt wurden. Doch die implizite Zurückweisung möglicher Krankengeldansprüche fremder Gesellen genügte den Sozietätsgründern nicht. Der Entwurf beinhaltete explizit eine einmalige Almosenzahlung über sechs Groschen an jeden fremden Gesellen unter Ausschluss zusätzlicher Kassenleistungen.143 Nachdem der Stadtrat diese Bestimmung dahin gehend modifiziert hatte, dass fremde Gesellen, die erkrankt waren und nicht weiterreisen konnten, wie einheimische Gesellen zu behandeln seien, widersetzten sich die in Arbeit stehenden Sozietätsmitglieder. Diese Gesellen fürchteten,  141 StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 7, Bl. 3, 31b. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 141, Bl. 2b, 6b, 10b. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 2, Nr. 19, [unpag.]. – StadtAD, 11.2.62, Nr. 3, [unpag.]. – StadtAL, II. Sektion S (F) 1860, Bl. 25b. 142 StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 2, Nr. 19, [unpag.]. Hervorhebung durch den Autor. Die Altgesellen hoben sich von den arbeitenden Beitragszahlern ab und wurden deshalb separat genannt, weil sie während ihrer Amtszeit gegenüber der Gesellenlade beitragsfrei blieben. Siehe auch: StadtAD, 11.2.66, Nr. 64, Bl. 5, 17. 143 StadtAL, II. Sektion S (F) 1860, Bl. 7b.

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4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften „daß hierdurch mit der Zeit das Löbl[iche] Institutum unserer Krancken-Societaet gantz und gar werde wieder über den Haufen geworffen werden. Denn, da diese Artickel in der Nachbarschafft umher ruchtbar geworden, so geschiehet es, dass, wenn von denen in der Nähe herum auf 3, 4, 6 und mehr Meilen weit ein Strumpf-Würcker-Geselle kranck wird, man ihn alsofort anhero schaffen und allhier einwandern läßt und ihm unter den Fuß giebt, daß er zu Leipzig, solange er kranck wäre, Wöchentlich 16 g bekomme. Sind sie nun wieder gesund, so wandern sie wieder fort und gemeiniglich an den Ort zurück, von wannen sie kranck anhero gekommen. Hierdurch aber haben sie unserer Societaet zeithero eine ordentliche Beschwerde zugefüget, wie dem die Casse hierdurch bereits in solche Abnahme gerathen ist, daß wir der144 mahlen etl[iche] 50 r schuldig sind, mithin es in die Länge nicht ausstehen können.“

Nach vier Jahren und zähen Verhandlungen gelang es der Leipziger Gesellenschaft schließlich, den Stadtrat von ihrem Standpunkt zu überzeugen und eine Änderung der Statuten durchzusetzen, die den auswärtigen bzw. beschäftigungslosen Gesellen ausnahmslos lediglich ein einmaliges Almosen zusprach und ein regelmäßiges Krankengeld dagegen versagte.145 Bei den meisten Gesellenkassen existierte laut den normativen Festlegungen nur ein einziger fester Wochenleistungssatz, der ausschließlich unter der Bedingung vollkommener Arbeitsunfähigkeit gezahlt wurde. Die Strumpfwirkergesellen Leipzigs führten in ihrer „Kranken-Societaet“ daneben noch eine verringerte wöchentliche Leistung bei einem eingeschränkten Grad an Arbeitsleistung ein: „Wer aus dieser Societaet mit einer Kranckheit befallen wird, bekömmt zu seiner Verpflegung und Unterhalte wöchentlich 16 g. Ist einer zwar kranck, iedoch nicht gänzlich außer 146 Stande, dabey noch etwas zu arbeiten, so bekömmt er wöchentlich nur 8 g.“

Trotz erheblicher Schwankungen der Lebensmittelpreise und ohne dass jeweils die zusätzlichen Unterstützungsleistungen im Einzelnen bekannt sind, bewegten sich die wöchentlichen Krankengelder bis Anfang des 19. Jahrhunderts meist auf vergleichbarem Niveau. Die Spannbreite betrug zwischen acht und zwanzig Groschen, wobei der Maximalbetrag durchgängig erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts ausgereicht und diese Erhöhung „bey der Theurung aller Lebens-Bedürfniße“ selbst durch die Meister akzeptiert wurde.147 In den meisten Fällen waren 12 bis 18 Groschen wöchentlich üblich. Bei der Mehrzahl der ohnehin nicht üppig vorhandenen Regelungen und Hinweise zu den Krankengeldern lässt sich nicht eruieren, ob es neben diesen wöchentlichen Zahlungen weitere Unterstützungsleistungen gab und für welche Verwendungszwecke die Krankengelder im Einzelnen gedacht waren. Dies wäre wesentlich für eine konsistente Beurteilung der Leistungsfähigkeit des handwerklichen Krankenunterstützungswesens. Die wenigen Informationen deuten eine gewisse Ambivalenz an.  144 Ebd., Bl. 33–34. 145 Ebd., Bl. 17, 25b, 40b. 146 Ebd., Bl. 24b–25. Als ein Beispiel für eine abweichende, flexiblere Lösung in der Praxis siehe: StadtAZ, X, 49, 128, Rechnung 1817/18, [unpag.]. 147 StadtAC, RA, Kap. IX. Za 102, Bl. 16b.

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In einem ersten Beispiel werden die Krankengelder der Chemnitzer Webergesellen etwas näher betrachtet. Die Gesellen dieses Handwerks stellten ohne Frage die mitgliederreichste Gruppe abhängig Beschäftigter in der Stadt dar. Eine Vereinbarung aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sah die regelmäßige Auszahlung von Wochengeldern mit Darlehenscharakter an kranke Gesellen vor. Dieses Modell setzte sich aber nicht durch. In der Folgezeit ließen sich dagegen immer mehr Gesellen die anfallenden Behandlungskosten gegen Vorlage der Belege von der Gesellenkasse erstatten. Diese Praxis wurde am Ende des 18. Jahrhunderts ersetzt, indem neu eingeführte, nicht rückzahlungspflichtige Krankengelder anstelle sämtlicher medizinischer und chirurgischer Leistungen eingeführt wurden. Zusätzlich zahlte die Gesellenschaft ein wöchentliches Wartegeld für die Pflegerin oder den Pfleger. Die Unterbringung in der im städtischen Krankenhaus angemieteten Krankenstube wurde gewährleistet. „Weil vorher die krancken Gesellen in der Krancken-Stube sich einen Medicum oder nach der Kranckheit beschaffenheit einen Chirurgum nach ihren Belieben gehalten hätten, und wenn sie wieder gesund geworden, so sind diese Kosten auff die Brüderschafft gefallen, da durch die Casse derselben sehr geschwächt worden, so wurde beschloßen, daß fernerhin keine Medicinische oder Chirurgische Kosten in denen Gesellen ihren Rechnungen gut gethan werden sollten. Wenn ein krancker Geselle sich eines Medici bedienen will, so soll er solches auf seine eigene Kosten thun, die Gesellschaft soll ferner vor nichts stehen. [...] Ein Krancker Bettlägerischer Geselle soll Wöchendlich 12 g Alimentation und 8 g zum Warte Geld erhalten 148 und weiter nichts mehr.“

Vor der Festlegung der wöchentlichen Krankengelder wurden die jeweiligen Behandlungskosten bei Bedarf übernommen. Da die aufzubringenden Gelder im Voraus nicht abzuschätzen waren, überforderte dies die Gesellenkasse bei einer Häufung der Krankenzahlen in hohem Maße. Die um 1800 aus ca. 700 Personen149 bestehende Gesellenschaft der Weber war offensichtlich nicht in der Lage, weitere Krankenkosten in unkalkulierbarer Höhe zu finanzieren. Daher begrenzte sie die pro Krankenfall auftretenden Unkosten auf ein festgelegtes Maß. Leider fehlen Aufstellungen der Kassenrechnungen aus dieser Zeit, doch soll ein Rechenbeispiel zeigen, welchen Anteil die Krankenversorgung an den Ausgaben der Gesellenschaft einnahm und wie die Versorgungsleistungen insgesamt zu bewerten sind. Die Haupteinnahmequelle der Gesellenlade bildeten die kontinuierlich eingeforderten Auflagegelder. Weitere Einnahmen wie Eintritts- oder Strafgelder, über welche die Kasse verfügte, wurden für das Rechenexempel aufgrund ihrer geringeren Größenordnung und ihres unregelmäßigen Charakters vernachlässigt. Legte ein in Arbeit stehender Chemnitzer Webergeselle an der Wende zum 19. Jahrhundert alle vier Wochen seine etwa zweieinhalb bis drei Groschen in die gemeinschaftliche Büchse, kamen bei 700 Gesellen jährlich zwischen 947 Reichstalern 22 Groschen und 1137 Reichstalern 12 Groschen an Einnahmen zusammen. Kas 148 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 404b–405. 149 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 299. – SCHOLZ (Handwerk und Manufaktur) 1991, S. 10.

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seneinnahmen in dieser Größenordnung wurden aber nur erreicht, wenn alle arbeitenden Gesellen jeden Monat ihre Beiträge entrichteten und ganzjährig in einer Werkstatt angestellt waren. Tatsächlich gab es jedoch zahlreiche „Restanten“ und zeitweilig Beschäftigungslose, sodass die Einnahmen niedriger ausfielen. Setzt man die rechnerischen Kasseneinnahmen den allein für die Krankenversorgung notwendigen und für das Jahr 1804 mit 800 bis 900 Reichstalern angegebenen Ausgaben gegenüber, wurden zwischen 70 und 95 Prozent der Auflagegelder direkt für diesen Verwendungszweck ausgegeben.150 Geht man außerdem hypothetisch davon aus, dass die Ausgaben für kranke Webergesellen in Chemnitz ausschließlich auf den Kranken- und Wartegeldern von 20 Groschen wöchentlich beruhten, kann man den rechnerisch versorgten Krankenstand ermitteln. Danach wären im Durchschnitt jede Woche etwa 18 bis 21 Gesellen mit diesen Geldern unterstützt worden. Dies entspräche einem sehr niedrigen Krankenversorgungsstand von 2,6 bis 3,0 Prozent. Allerdings muss beachtet werden, dass nicht nur wöchentliche Unterstützungsgelder unter die Ausgaben der Krankenversorgung fielen und dass nur absolut bedürftige und arbeitsunfähige Korporationsmitglieder in den Genuss dieser Leistung kamen. Außerdem hatte die Gesellenkasse neben den enormen Kosten durch die Krankenversorgung weitere Lasten zu tragen. Zu erwähnen wären die Zahlung von Zehrgroschen für Wandergesellen, der Schuldendienst, die Verwaltungsausgaben für die Herberge, die Bezahlung der Amtsträger u. v. m. Demnach wurden durch Krankengelder erheblich weniger als drei Prozent der Gesellenschaftsmitglieder versorgt. Insgesamt waren somit die Aufwendungen der Gesellenschaft für die Krankenversorgung ihrer Mitglieder in absoluten Zahlen aufgrund der Mitgliederstärke sicherlich beachtlich, sie kamen aber nur wenigen Gesellen zugute. Einem kranken Webergesellen blieben unter Abzug des Wartegeldes 16 Groschen in der Woche. Hiervon musste er sich, da Wartung und Unterkunft frei waren, ärztlich behandeln lassen. Weiter hatte er die Kosten für benötigte Medikamente, seine Verköstigung und sonstige Bedürfnisse zu tragen. Chemnitzer Strumpfwirker bekamen üblicherweise acht Groschen wöchentlich oder, wenn sie einen Arzt benötigten, ein Krankengeld von zwölf Groschen. Diese Regelung zeigte an, dass die Gesellenkasse keinerlei Behandlungskosten übernahm, sondern ihr allgemeines Unterstützungsversprechen mit dem Krankengeld und den zusätzlich gewährten vier Groschen als abgegolten ansah.151 Andere Gesellenorganisationen bezahlten neben einer wöchentlichen Unterstützung auch den Arzt, den Barbier und die nötigen Medikamente. Sie sicherten eine Unterbringung auf der Herberge oder in einer anderen Versorgungseinrichtung zu, sodass das Krankengeld ausschließlich für die Kost und die persönlichen Bedürfnisse aufgebraucht werden konnte.  150 StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 9, Bl. 7b, 15. 151 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 225, Nr. 1, [unpag.].

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Bei den Leipziger Schneidergesellen wurden die medizinischen Behandlungskosten bei einem Notfall lange Zeit übernommen. Vermutlich in der Mitte des 18. Jahrhunderts, ein genaueres Datum ist nicht feststellbar, wurden zudem regelmäßige Krankengelder eingeführt. Da anscheinend diese Aufwendungen die Gesellenkasse schwer belasteten, schlugen die Altgesellen den Meistern eine begrenzte Erhöhung der wöchentlichen Krankengelder vor, während es im Gegenzug zu einer partiellen Abschaffung der Übernahme von chirurgischen Behandlungskosten kommen sollte. Dieser Vorschlag wurde von der Handwerksinnung 1776 strikt abgelehnt, sodass es vorerst bei der alten Regelung blieb.152 Zu Beitragssteigerungen waren die Gesellen aber nicht willig, größtenteils auch nicht fähig. Die unter der Vormundschaft der Meister stehende Gesellenkasse vermochte weder ihre finanzielle Ausstattung entscheidend zu verbessern noch das Problem der sich zuspitzende Versorgungssituation zu bewältigen. Selbst nach einer leichten Erhöhung reichten die Krankengelder am Ende des 18. Jahrhunderts nicht einmal dazu aus, allein den Lohnausfall zu kompensieren. Kurz nach dem Siebenjährigen Krieg gab der Schneidermeister Johann Friedrich Geißler an, „weiln er keine Wirthschafft habe und sich das Eßen selbst müße hohlen laßen, so gebe er seinem Gesellen, welcher bey ihm mit schlafe und wöchentl[ich] 1 r Lohn von ihm erhalte, 153 tägl[ich] 4 g Kostgeld, hierüber auch das Morgen-Brod“.

Damit erreichte das rechnerische Wocheneinkommen bei einer SechstageArbeitswoche 48 Groschen, zu dem noch das „Morgen-Brod“ hinzukam. Dies entsprach auch den Vorstellungen einer Tageslohnobergrenze von acht Groschen, wie sie in den Statutenentwürfen enthalten waren. In den 1790er Jahren hatte sich daran nichts Grundlegendes geändert. Mehrere Meister erklärten, ihren Gesellen an Lohn und Kost zusammen etwa zwei Taler, also 48 Groschen, zu geben, einige nannten sogar Tageslöhne von neun und mehr Groschen. Dagegen betrug das wöchentliche Krankengeld zur gleichen Zeit lediglich 18 Groschen wöchentlich.154 Damit erreichte das Krankengeld in diesen Fällen nicht einmal die Hälfte des Lohnniveaus. Das Urteil über die unzureichenden, regelmäßigen Krankengelder, die nur als Unterstützungsbeihilfe interpretiert werden können, hatte über die Gründung der Gesellenverpflegungskasse hinaus bis zum Ende des Betrachtungszeitraums Bestand. Das für die Dresdner Schneidergesellen vorliegende Zahlenmaterial, welches sich im Großen und Ganzen auf die Leipziger Verhältnisse übertragen lässt, weist um 1820 bis zu einem Taler an Wochenlohn sowie Kost und Unterkunft oder täglich neun bis zehn Groschen bei Selbstverpflegung aus. Im Krankheitsfall

 152 StadtAL, Inn Schneider B 11, Bl. 47. 153 StadtAL, II. Sektion S (F) 1819, Bl. 77. 154 StadtAL, II. Sektion S (F) 1423, Bl. 24. – StadtAL, II. Sektion S (F) 2185, Bl. 4–4b, 6b–7, 68b–69. – StadtAL, II. Sektion S (F) 2380, Bl. 9.

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standen den Schneidergesellen in Dresden wöchentlich aber nur 20 Groschen zu, von denen sämtliche Aufwendungen bezahlt werden sollten.155 Die Schuhmachergesellen der Residenzstadt hatten ihre Krankengelder einzig zur „Beköstigung und Verpflegung“ vorgesehen,156 was ebenfalls auf eine zusätzliche Erstattung der medizinisch notwendigen Aufwendungen durch die Gesellenschaft hinauslief. Da aber anscheinend vielfach missbräuchlicher Leistungsbezug der Kasse sehr schadete, war spätestens 1784 die Zahlung der Krankengelder an den Aufenthalt im Gesellen-„Krancken-Hauß“ gebunden. Nur diejenigen, welche die sogenannte „Guldensteuer“ oder „Haussteuer“ erhielten, waren davon ausgenommen. Hiervon waren Gesellen betroffen, die sich bei der Arbeit geschnitten oder gestochen hatten und wundärztlicher Versorgung, aber keines stationären Aufenthalts in der handwerkseigenen Pflegeeinrichtung auf der Schießgasse bedurften.157 Im Vergleich zu den Beschäftigten außerhalb der Handwerkskorporationen konnten sich die in Gesellenschaften Organisierten glücklich schätzen, wenn sie am Ende des 18. Jahrhunderts bei Krankheit oder Unfall ein regelmäßiges Krankengeld erhielten. Doch inwiefern genügte die Unterstützung, um die anfallenden Kosten zu decken? Soll eine adäquate Beurteilung der Krankengeldzahlungen erfolgen, befriedigt ein Vergleich mit den Gesellenlöhnen nicht völlig, da auch diese nur in Relation zu den Lebenserhaltungskosten an Aussagekraft gewinnen. Im Folgenden soll eine fiktive Verbrauchsrechnung zur treffenderen Einschätzung der von den Gesellenschaften gezahlten Krankengelder vorgestellt werden. Danach wird auf die methodischen Einschränkungen eingegangen.158 Handwerksgesellen, die bei ihrem Meister lebten, erhielten einen um den Kostgeldanteil geminderten Gesellenlohn. Von dieser Lohndifferenz wurde ihre Unterbringung und (Teil-)Verpflegung finanziert. Wie gezeigt lebten jedoch bereits zu Beginn der frühen Neuzeit viele Gesellen nicht mehr im Haushalt ihres Arbeitgebers, weshalb ihnen der Kostgeldanteil ausgezahlt wurde und sie sich selbst versorgen mussten, was auch für die Zeit einer krankheits- oder unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit galt. Doch selbst für Gesellen, die noch zum Meisterhaushalt gehörten, war die Versorgung in diesem Fall nicht sichergestellt. Sie hatten ihre wenigen Rücklagen aufzubrauchen und wurden häufig auf die Herberge geschickt bzw. an die Gesellenschaft oder ihre Verwandten verwiesen.  155 StadtAD, 11.2.54, Nr. 147, Bl. 78–78b. – StadtAD, 11.2.54, Nr. 160, Bl. 36. Zur Bestimmung des Unterstützungswerts einige Überlegungen und Berechnungen für das 15. und 16. Jahrhundert bei: REININGHAUS (Entstehung der Gesellengilden) 1980, S. 264–267. Siehe auch: BRUNS (Arbeitsverhältnisse) 1938, S. 210–212. – HOLZINGER (Arbeitsunfähigkeit) 1991, S. 107. 156 StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 2, Nr. 19, [unpag.]. Leider wurde der Gesellenlohn nicht als Zeit-, sondern als Stücklohn angegeben, sodass Aussagen, ob die gezahlten Krankengelder den Lohnverlust deckten, nicht möglich sind. 157 StadtAD, 11.2.56, Nr. 141, Bl. 3, 10b, 44. Zum „Kranckenhauß“ der Dresdner Schuhknechte siehe Kap. 4.5.3. 158 Einige Autoren lehnen ähnliche Vergleichsrechnungen mit Hinweis auf die zahlreichen methodischen Einwände grundsätzlich ab. BRUNS (Arbeitsverhältnisse) 1938, S. 191.

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Geht man im günstigeren Fall davon aus, dass die bei einigen Gesellenschaften gezahlten Krankengelder nicht der ärztlichen und wundärztlichen Behandlung, der Versorgung mit Medikamenten und der Deckung von Pflegekosten dienten, dann mussten die Gesellen mit den Krankengeldern „nur“ ihre Ernährung und die ferner notwendigen Lebensbedürfnisse (Unterkunft, Licht, Heizung usw.) decken. Da jedoch umfassende Kenntnisse zu den täglichen Bedürfnissen eines Handwerksgesellen nicht vorliegen,159 soll sich im Folgenden auf den wichtigsten Ausgabeposten, die Ernährung, konzentriert werden. Um die lebenserhaltenden Funktionen aufrechtzuerhalten, bedurfte ein arbeitender Handwerksgeselle täglich ca. 3.400 Kilokalorien. Hatte der Bursche einen eigenen Haushalt gegründet und geht man von einer fünfköpfigen Familie aus, mussten ca. 12.000 Kilokalorien pro Tag aufgebracht werden.160 Dieser Energiebedarf konnte am effektivsten durch die Beschaffung pflanzlicher Nahrungsmittel in Form von preiswerterem Roggen- oder teurerem Weizenbrot gedeckt werden, da die Relation von Nahrungsmittelpreis zur Kalorienzahl hier am günstigsten war.161 Vereinfachend wird angenommen, dass der gesamte Kalorienbedarf durch die Zufuhr von Brot gedeckt werden konnte. Die errechneten Werte stellen somit Mindestangaben dar. Bei einer veranschlagten Energiezufuhr von 230 Kilokalorien je 100 Gramm Brot benötigte ein Geselle täglich 1,5 Kilogramm Brot; für eine fünfköpfige Gesellenfamilie wären 5,2 Kilogramm erforderlich.162 Angaben über Brotpreise liegen für die Stadt Chemnitz aufgrund der Auswertung der Armenkasten- und Almosenrechnungen sowie der Ortszeitung „Chemnitzer Anzeiger“ bei Rudolph Strauß für die Zeit ab 1774 vor.163 Demnach kostete ein Chemnitzer Zweipfundbrot164 von Mai 1774 bis September 1782 durchschnittlich 8,0 Pfennig.165 Wollte ein lediger Geselle eine Tagesration Brot erwerben, hatte er dafür dementsprechend etwa 13 Pfennige aufzuwenden; eine Gesellenfamilie musste 45 Pfennige bezahlen.  159 Ein von den Dresdner Schneidergesellen selbst aufgestellter Warenkorb ist bekannt, dürfte aber kaum repräsentativ gewesen sein. Vgl. WOZEL (Handwerksgesellen) 1988, S. 55. Siehe auch: MÖLLER (Kleinbürgerliche Familie) 1969, S. 106f. 160 WESOLY (Lehrlinge und Handwerksgesellen) 1985, S. 236. Bei der folgenden Berechnung stützt sich die Arbeit auf die angegebenen Kalorienzahlen und Relationen bei: BRÄUER (Gesellen) 1989, S. 77. 161 ABEL (Massenarmut) 1986, S. 23. 162 BRÄUER (Gesellen) 1989, S. 77. Vgl. EBELING, Dietrich: Bürgertum und Pöbel. Wirtschaft und Gesellschaft Kölns im 18. Jahrhundert (= Städteforschung, Reihe A: Darstellungen, Bd. 26). Köln, Wien 1987, S. 176. 163 STRAUSS, Rudolph: Löhne sowie Brot- und Kartoffelpreise in Chemnitz. In: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1962, Teil IV, S. 144–190. 164 Das sächsische Pfund galt zu ca. 467 g. Ein Zweipfundbrot hatte somit im Durchschnitt 934 Gramm zu wiegen. ELSAS, M. John: Umriss einer Geschichte der Preise und Löhne in Deutschland vom ausgehenden Mittelalter bis zum Beginn des neunzehnten Jahrhunderts. Zweiter Band – Teil A. Leiden 1940, S. 33. – STRAUSS (Löhne) 1962, S. 164. 165 Ebd., S. 177.

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4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften

Als erste Vergleichsbasis könnten nun Lohnangaben dienen, doch liegen insbesondere für die Chemnitzer Gesellen der Textil- und Bekleidungsgewerbe keine gesicherten Angaben vor. Als Vergleichsgrößen dienen daher erst einmal die Löhne der Gesellen aus dem Baugewerbe. Ein Chemnitzer Maurergeselle erhielt im Zeitraum 1774–1782 im Sommer täglich sechs, im Winter täglich fünf Groschen. Gleiches galt für Gesellen des Zimmererhandwerks.166 Es wurde im Folgenden der optimistische Fall angenommen, dass diese Gesellen in einem Beschäftigungsverhältnis standen und ganzjährig bezahlt wurden. Aufgrund unterschiedlicher Angaben zur Höhe der Wochenarbeitszeit wurden für die Bauhandwerker zwei Varianten (Arbeitswoche mit fünf Tagen bzw. mit fünfeinhalb Tagen) berechnet.167 In beiden Varianten und unter Beachtung der Prämissen genügten den Gesellen der Bauhandwerke die Lohnzahlungen, um ihren Brotbedarf zu decken. Doch bereits eine Gesellenfamilie konnte sich allein durch das Einkommen aus dem Gesellenlohn nicht erhalten (Aufstellung 1). Sie hätte im günstigsten Fall (Arbeitswoche von fünfeinhalb Tagen und Sommerlohn) knapp 80 Prozent des Gesellenlohnes für Brot ausgeben müssen.168 Als Ersatz für die mangelhaften Gesellenlohnangaben konnten für die Textilund Bekleidungsgewerbe wertvolle Informationen zu den Krankengeldern gesammelt werden, die in den 1770er und 1780er Jahren für gewöhnlich zwischen 12 und 16 Groschen betrugen (Tabelle 5). Ein arbeitsunfähiger Bursche ohne eigene Familie hätte somit nur für seine Ernährung etwa die Hälfte (Sommer) bzw. fast zwei Drittel (Winter) des wöchentlichen Krankengeldes ausgeben müs 166 Ebd., S. 146, 149. Lohnangaben zu den Gesellen der Chemnitzer Textilhandwerke in Form von Stücklohn sind wenig hilfreich. 167 Für das späte Mittelalter wird zwar von einer Fünftage-Arbeitswoche ausgegangen, doch erhöhte sich die Wochenarbeitszeit aus verschiedenen Gründen wie der Streichung kirchlicher Feiertage nach der Einführung der Reformation. BRÄUER, Helmut: Herren ihrer Arbeitszeit? Zu Organisation, Intensität und Dauer handwerklicher Arbeit in Spätmittelalter und früher Neuzeit. In: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 1/1990, H. 2, S. 89f. – REININGHAUS, Wilfried: Arbeit im städtischen Handwerk an der Wende zur Neuzeit. In: TENFELDE, Klaus (Hrsg.): Arbeit und Arbeitserfahrung in der Geschichte. Göttingen 1986, S. 12f. – WESOLY (Lehrlinge und Handwerksgesellen) 1985, S. 161f., 192. Allerdings müssen im Bauhandwerk saison- und witterungsbedingt andere Prämissen beachtet werden. Auch Saalfeld geht für die Zeit um 1800 in seinen Berechnungen für Bauhandwerker von 260 Arbeitstagen aus. SAALFELD, Diedrich: Handwerkseinkommen in Deutschland vom ausgehenden 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Bewertung von Handwerkerlöhnen in der Übergangsperiode zum industriellen Zeitalter. In: ABEL, Wilhelm (Hrsg.): Handwerksgeschichte in neuer Sicht (= Göttinger Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1). Göttingen 1978, S. 65–120. 168 Nach einer Berechnung von Bräuer mussten 87 Prozent des Gesellenlohnes für Lebensmittel ausgegeben werden. BRÄUER (Alltägliches) 2001, S. 44. Vgl. Ders.: Über die „gemeynen arbeitter“ oder „Taglohner“ in obersächsischen Städten während der frühen Neuzeit. In: Jahrbuch für Regionalgeschichte 22/2003, S. 75–77. – SAALFELD, Diedrich: Die Bedeutung des Getreides für die Haushaltsausgaben städtischer Verbraucher in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In: SCHLOTTER, Hans-Günther (Hrsg.): Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft in Geschichte und Gegenwart. Festschrift Wilhelm Abel (= Schriftenreihe für ländliche Sozialfragen, H. 44). Hannover 1964, S. 26–38.

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4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften

sen. Eine Familie oder auch nur die Ehefrau hätten von dem Krankengeld allein nicht erhalten werden können.

Aufstellung 1: Chemnitz 1774–1782, Brotpreis im Jahresdurchschnitt 8,0 d für ein „Zweipfundbrot“ (zu 934 Gramm) benötigte Energiezufuhr in kcal

Tagesration Brot in kg

Kosten der Tagesration Brot in d

Einzelgeselle

3.400

1,5

13

Gesellenfamilie (5 Personen)

12.000

5,2

45

Einkommen pro Tag in d (5-TageArbeitswoche; Geselle im Baugewerbe)

Einkommen pro Tag in d (5 1/2-TageArbeitswoche; Geselle im Baugewerbe)

Krankengeld pro Tag in d (Geselle im Textil- und Bekleidungsgewerbe)

43–51

47–57

21–27

Auch zu Beginn des 19. Jahrhunderts fällt die Einschätzung nicht günstig aus. Die mittlerweile häufig auf 20 Groschen gestiegenen Wochenkrankengelder standen in Chemnitz einem erhöhten Brotpreis gegenüber. Für den Zeitraum 1815 bis 1830 schwankte der Brotpreis beträchtlich, wobei das Minimum bei 10,0 Pfennigen pro Zweipfundbrot im Jahr 1817 (Jahresdurchschnitt) lag und das Maximum 30,2 Pfennige für ein solches Brot betrug (Jahresdurchschnitt von 1825).169 Ein einzelner Geselle hatte in diesem Zeitraum täglich entsprechend zwischen 16,1 und 48,5 Pfennigen für Brot auszugeben. Eine fünfköpfige Familie benötigte zwischen 55,7 und 168,1 Pfennigen. Mit einem wöchentlichen Krankengeld von 20 Groschen konnten nicht einmal 35 Pfennige täglich für die nötigen Einkäufe genutzt werden. Selbst ledige Gesellen konnten sich nur in Zeiten besonders günstiger Brotpreise allein durch die Krankengelder ernähren (Aufstellung 2).

Aufstellung 2: Chemnitz 1815–1830, Brotpreis im Jahresdurchschnitt 10,0–30,2 d für ein „Zweipfundbrot“ (zu 934 Gramm) benötigte Energiezufuhr in kcal

Tagesration Brot in kg

Kosten der Tagesration Brot in d

Einzelgeselle

3.400

1,5

16–49

Gesellenfamilie (5 Personen)

12.000

5,2

56–168

Einkommen pro Tag in d (5-TageArbeitswoche; Geselle im Baugewerbe)

Einkommen pro Tag in d (5 1/2-TageArbeitswoche; Geselle im Baugewerbe)

Krankengeld pro Tag in d (Geselle im Textil- bzw. Bekleidungsgewerbe)

60–69

66–75

34

 169 STRAUSS (Löhne) 1962, S. 177. Im Chemnitzer Baugewerbe verdienten die Gesellen zu dieser Zeit zwischen sieben und acht Groschen am Tag. Ebd., S. 147, 150.

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4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften

Werden Vergleichsrechnungen mit anderen, teureren Lebensmitteln (z. B. Rindund Schweinefleisch) angestellt, gelangten die finanziellen Unterstützungen in Form der Krankengelder noch schneller an ihre Grenzen, sodass eine Bewertung über die Auskömmlichkeit dieser Gelder relativ eindeutig ausfallen muss. Allein mit Krankengeldzahlungen konnten sich die Handwerksgesellen am Ende des 18. und am Beginn des 19. Jahrhunderts nur unter größten Einschränkungen, in Jahren mit höheren Getreide- und Brotpreise jedoch nicht mehr ernähren. Eine Versorgung weiterer Personen (Ehefrau, Kinder, alte Eltern) war ohne Frage nicht möglich. Die Krankengelder konnten den Lohnausfall nicht kompensieren, sie federten den Verlust des Einkommens nur teilweise ab. Für die vorherigen Berechnungen sind einige Einschränkungen zu beachten. Vereinfachende Annahmen betrafen u. a. die ausschließliche Ernährung durch den Kauf von gewöhnlichem Brot als Hauptnahrungsmittel, die denkbare Substituierung durch billigeres, minderwertiges Roggenbrot,170 die Vernachlässigung weiterer lebensnotwendiger Ausgaben (allen voran die Unterbringung) und den konstant gebliebenen Kalorienbedarf bei Kranken bzw. Verunfallten. Außerdem müssen die stark schwankenden Lebensmittelpreise, die möglichen, wenngleich begrenzten Zuverdienstchancen einer kranken oder verunfallten Person und die Erwerbschancen durch andere Familienmitglieder berücksichtigt werden. Die Ausgestaltung der Krankenunterstützung konnte sich zudem von Gesellenschaft zu Gesellenschaft unterscheiden, weshalb einige Gesellen auf zusätzliche Sachleistungen, andere auf Krankengelder (oder lediglich auf Almosen bzw. Darlehen) hoffen konnten. Mit der Aufhebung der alten Gesellenladen und der Einrichtung von Gesellenverpflegungskassen kam es zu neuerlichen Modifizierungen des kollektiven Krankenunterstützungswesens, die mit der beschleunigten Weiterentwicklung der Kranken- und Fürsorgeanstalten in Verbindung standen und mit der Vorstellung von der „Geburt der Klinik“ am Ende des Ancien Régime assoziiert werden.171 Die Handwerksmeister, die mit der Aufsicht über die neuen Kasseneinrichtungen die völlige Kontrolle der Gesellenfinanzen innehatten, suchten den finanziellen und personellen Aufwand für die Krankenversorgung stärker zu begrenzen und die Pflege in „professionelle“ Hände zu geben. Einige Verpflegungskassen lehnten nun die Zahlung wöchentlicher Krankengelder an als krank gemeldete Personen ab, indem sie sich darauf beriefen, dass eine kollektiv finanzierte Unterbringung in einer professionellen Heilanstalt (Krankenhaus, Hospital) sowohl dem Kranken als auch dem sparsamen Einsatz der knappen Einlagen dienlicher wäre. Der Genesungsprozess könne hier rascher und kostengünstiger befördert werden, außerdem unterlägen die Kranken größerer Kontrolle durch das Dienstpersonal. Anstelle des Krankengeldes wurde in diesen Fällen dem Kranken nur noch ein  170 SAALFELD (Haushaltsausgaben) 1964, S. 36. 171 So lautet der Titel des berühmten Werkes des französischen Philosophen und Historikers Michel Foucault. FOUCAULT, Michel: Die Geburt der Klinik. Eine Archäologie des ärztlichen Blicks. Frankfurt am Main 1988.

4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften

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geringes wöchentliches Taschengeld „zu seinen kleinen Bedürfnißen“ zugestanden. Dies zeigt ein Fall aus Leipzig. Gleich bei der „Einrichtung der in Gemäßheit des Allerhöchsten Mandates vom 7. December 1810 bey Einer Ehrsamen Schneider-Innung zu errichtenden Gesellen-Verpflegungs-Kasse“ am 30. Januar 1811 wurde ein solches Taschengeld eingeführt und dessen Vergabe an die Bedingung eines Aufenthalts im städtischen Jakobshospital172 gebunden. „Von dem Ausspruche des Artztes hängt es sodann ab, ob der Kranke in das Jakobs-Hospital zu bringen ist oder nicht. Im erstern Falle hat der Verpflegungs-Meister sogleich die nöthigen Vorkehrungen zu treffen, und es werden dann aus der Verpflegungs-Kasse nicht nur die festgesetzten Beyträge an das Jakobs-Hospital bezahlt, sondern es erhält auch der Kranke, so lange er sich im Hospitale befindet, einen wöchentlichen Geldzuschuß von vier Groschen. Wenn der Artzt hingegen es für rathsamer hält, den Kranken nicht in das Jakobs-Hospital zu bringen: So bekommt der Letztere zwar die nöthigen Arzeneien auf Kosten der VerpflegungsKasse, für die übrigen Bedürfnisse aber muß, wie solches bisher geschehen, der Kranke für seine eignen Kosten sorgen. Diese Versorgung mit Medicin außer dem Jakobs-Hospitale kann jedoch nicht länger als 14 Tage fortgesetzt werden. Nach Ablauf dieser Zeit muß der Geselle 173 entweder selbst die Medicamente bezahlen oder in das Jakobs-Hospital gebracht werden.“

Im Dresdner Schneiderhandwerk erfolgte die Umstellung von Kranken- auf Taschengeld erst Jahre später. Nachdem ein Schuldenberg von 600 bis 700 Reichstalern den Verkauf des innungseigenen „Patientenhauses“ ratsam erscheinen ließ, wollte die Innung die obrigkeitliche Bestätigung des Verkaufes einholen. Sie schlug hierzu dem Rat im Jahr 1820 vor, die an kranke Gesellen ausgegebenen wöchentlichen 20 Groschen und die enormen Aufwendungen für die innungseigene Pflegeanstalt effizienter einzusetzen, indem mit dem Hohenthalischen Krankenstift174 ein Kur- und Verpflegungsvertrag abgeschlossen werden sollte. Man erwarte eine „ungemein große Ersparnis“, denn neben einem an die Anstalt zu entrichtenden Tagessatz von sechs Groschen für Kur und Verpflegung für einen kranken Gesellen würde dem Betroffenen, so die Vorstellungen der Innung, ein Taschengeld von vier Groschen in der Woche genügen. Gleiches könne für römisch-katholische Gesellen mit dem katholischen Stift vereinbart werden. Dagegen verschulde sich derzeit die Schneiderinnung durch die Unterhaltungskosten  172 Zur historischen Entwicklung dieser Armen-, Fürsorge- und Krankeneinrichtung siehe: SCHEFFLER (Krankenhaus zu St. Jacob) 2004. – SCHLENKRICH, Elke: Von Leuten auf dem Sterbestroh. Sozialgeschichte obersächsischer Lazarette in der frühen Neuzeit (= Schriften der Rudolf-Kötzschke-Gesellschaft, Bd. 8). Beucha 2002, bes. S. 27f., 38f., 57–59 u. ö. Weniger hilfreich ist die Arbeit von Karl Körner, auf die sich auch Stollberg und Tamm stützen. KÖRNER, Karl: Zur Geschichte des Krankenhauses „St. Jakob“ zu Leipzig. Diss. Leipzig. Zeulenroda 1936. – STOLLBERG, Gunnar / TAMM, Ingo: Die Binnendifferenzierung in deutschen Krankenhäusern bis zum Ersten Weltkrieg (= Medizin, Gesellschaft und Geschichte, Beiheft 17). Stuttgart 2001, bes. S. 212–326. 173 StadtAL, II. Sektion S (F) 2380, Bl. 37b. 174 Zu dieser Ende des 18. Jahrhunderts als Privatanstalt gegründeten Krankeneinrichtung, die kurz nach ihrer Eröffnung in landesherrlichen bzw. kommunalen Besitz überging, siehe Kap. 4.5.4 im Abschnitt zu Dresden.

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4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften

des nicht mehr genutzten „Patientenhauses“ immer weiter. Nach langen Verhandlungen billigte der Rat den Vorschlag.175 Mit der Bindung der Unterstützungsleistungen an einen Krankenhausaufenthalt näherten sich die Leipziger und Dresdner Schneider- und Schuhmachergesellen dem süddeutschen Modell einer Krankenhausversicherung an. Das vornehmlich in Bayern, Baden und Württemberg obrigkeitlich initiierte Unterstützungsmodell bot keine wöchentlichen, frei verfügbaren Krankengelder an. Sämtliche Leistungen waren dagegen auf den Aufenthalt in den Krankenanstalten ausgerichtet. Während jedoch Krankenhausversicherungen primär der Finanzierung der Krankenanstalten dienten, flossen die Leistungen aus den Leipziger und Dresdner Gesellenkassen nur teilweise unmittelbar an die Hospitäler und Krankenhäuser. Durch den Übergang zu eher dürftigen Taschengeldern wurden die finanziellen Leistungen, die den Kranken direkt zugingen, auch in den genannten sächsischen Handwerken zurückgefahren und die anstaltsfinanzierenden Leistungen erhöht. Damit stellten diese Unterstützungsformen eine Art Zwischenstufe zwischen anstaltszentrierter süddeutscher Krankenhausversicherung und norddeutscher Individualkrankenunterstützung dar.176 Nur selten fanden sich Bestimmungen zur Dauer der Auszahlung von regelmäßigen Unterstützungen. Die Artikel der Leipziger Strumpfwirker sicherten den Betroffenen unbefristete Krankengelder bis zu ihrer Wiedergenesung zu. In den anderen Gesellenschaften lag ebenfalls keine direkte Befristung vor. Auch Rechnungsbelege aus Hospitälern und Krankenhäusern beweisen, dass eine regelmäßige Unterstützung bis zur Entlassung oder bis zum Tod bestand.177 Parallel zum Heilungsprozess konnte eine Absenkung der wöchentlichen Unterstützung erfolgen. Der wieder arbeitsfähige Tuchmachermeister Johann David Pfeil bestätigte,  175 StadtAD, 11.2.54, Nr. 160, Bl. 35b–36b, 64–64b. Ende der 1820er Jahre betrug das Taschengeld für die im Dresdner Stadtkrankenhaus liegenden Schneidergesellen sechs Groschen. 1832 reichte der „Rats-Calculator“ Johann Friedrich Küntzel ein Gutachten beim Magistrat ein, nach dem die Höhe des Taschengeldes völlig überzogen sei. Kranke Gesellen würden ausreichend mit allen Notwendigkeiten versorgt, sodass wöchentlich sechs Pfennig genügen würden. StadtAD, 11.2.54, Nr. 208, Vol. I, Bl. 12b–13, 28b. – StadtAD, 11.2.54, SchneiderDep. Nr. 60, Vol. I, Nr. 10, [unpag.]. 176 Zur Differenzierung des Krankenunterstützungswesens in ein nord- und ein süddeutsches Modell siehe: LABISCH, Alfons: Stadt und Krankenhaus. Das Allgemeine Krankenhaus in der kommunalen Sozial- und Gesundheitspolitik des 19. Jahrhunderts. In: Ders. / SPREE, Reinhard (Hrsg.): „Einem jeden Kranken in einem Hospitale sein eigenes Bett“. Zur Sozialgeschichte des Allgemeinen Krankenhauses in Deutschland im 19. Jahrhundert. Frankfurt am Main 1996, S. 262–264. – LABISCH / SPREE (Krankenhaus-Report) 2001. – Ders.: Krankenhausentwicklung und Sozialpolitik in Deutschland während des 19. Jahrhunderts. In: Historische Zeitschrift 260/1995, H. 1, S. 95–98. Angesprochen wurde die Thematik der Krankenhausversicherung, allerdings noch als Dienstboten- bzw. Geselleninstitute, bereits bei: FISCHER (Gesundheitswesen) 1933, S. 86–89. 177 StadtAL, II. Sektion S (F) 1860, Bl. 7b, 25b. – StadtAL, II. Sektion S (F) 2166, Bl. 15b. – StadtAL, II. Sektion S (F) 2380, Bl. 9. – Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Bibliothek I L 219, S. 9.

4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften

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dass er von der Zwickauer Innung acht Wochen lang zwölf Groschen, danach nochmals vier Wochen die halbe Summe erhalten habe.178 Im Gegensatz zu den Gesellenorganisationen existierten noch Anfang des 19. Jahrhunderts kaum verbindliche Regelungen für eine Krankenunterstützung bedürftiger Meister und Witwen. Die Handwerksordnungen verzichteten fast durchgehend auf eine Konkretisierung der allgemeinen Beistandspflicht. Dennoch wurden durchaus kontinuierliche Kranken- und Taschengelder an bedürftige Meister und Witwen gezahlt, doch fällt es schwer, eine klare Unterscheidung zwischen aus Gnade gewährten Almosengeldern, die jederzeit eingestellt werden konnten, und regelmäßigen, verbindlichen Krankengeldern zu treffen. Auch diese regelmäßigen Zahlungen an Meister und Witwen waren wie die Almosen oft nicht näher statutarisch spezifiziert und wurden allein gewohnheitsrechtlich gewährt. Sogar Invaliditätsrenten an unheilbare, gebrechliche und ältere Meister und Witwen, die über viele Jahre ausgereicht wurden, sind belegt. Die Chemnitzer Leineweber unterstützten z. B. in Ausnahmefällen im städtischen Krankenhaus liegende Meister mit einem wöchentlichen Taschengeld über Jahre hinweg.179 Mit Bezug auf eine Institutionalisierung regelmäßiger Krankengelder zogen die Meisterzünfte der Textil- und Bekleidungshandwerke erst in den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts mit den Gesellenschaften gleich. Relativ umfassend sind wir über eine Leipziger Selbsthilfeeinrichtung informiert. Nachdem ein Mitte der 1770er Jahre errichteter Vorläufer bald wieder eingegangen war, gründeten die Strumpfwirker der Messestadt Anfang 1794 neben der Handwerksinnung erneut eine „Krankencasse“. Die nur aus Innungsmitgliedern bestehende Einrichtung zahlte bei Krankheit ein wöchentliches Krankengeld von einem Reichstaler, wobei erstaunlicherweise Hinweise auf eine Bedürftigkeitsklausel für den Leistungsbezug fehlten. Leistungsvoraussetzung blieb allerdings die völlige Arbeitsunfähigkeit des Meisters.180 Dass die Strumpfwirker-Krankenkasse eine innungsnahe Zwangseinrichtung darstellte, zeigte sich bereits wenige Jahre später, als die Kassenordnung mit einem Zusatz versehen werden sollte, der keinem Innungsmitglied den Austritt aus der Krankenkasse erlaubte. Einige Meister wollten diese Änderung nicht akzeptieren und argumentierten, dass Innung und Krankenkasse nicht in direktem Zusammenhang stünden. Ihrer Meinung nach wäre es „zwar nicht zu leugnen, daß mehrere Innungen unter sich eine Krankencasse eingeführet haben; allein diesem ungeachtet gehört die Errichtung einer Krankencasse nicht zu dem In181 nungswesen“.

 178 StadtAZ, X, 49, 128, Rechnung 1817/18, [unpag.]. 179 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 394, Bl. 15. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 395, Bl. 34. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 353, 372. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 413, Bl. 12b. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 414, Bl. 17b. 180 StadtAL, II. Sektion S (F) 2166, Bl. 1–17. 181 Ebd., Bl. 33b.

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4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften

Den Mitgliedern könne daher der Innungsvorstand keine Regeln oktroyieren, sondern jeder Strumpfwirker könne selbst frei über eine Teilnahme an der Kasse entscheiden. Außerdem hätte die Innung ihren Charakter in den letzten Jahren stark gewandelt. „Die Strumpfwürker-Innung bestehet, wie sie jetzt ist, aus einer gemischten Gesellschafft. Ein Theil derselben treibt die Profession allein, ein andrer Theil treibt neben der Profession 182 etwas anderes dabey und ein dritter Theil hat ein ganz anderes Gewerbe ergriffen.“

Die Krankenkasse selbst hätte somit kaum noch eine enge Beziehung zur Handwerksinnung, sondern käme im Prinzip einer freien Unterstützungs- und Krankenkasse gleich. So wurden die Mitgliedsbeiträge nicht durch Innungsgebühren, sondern durch Umlagen bei jedem Krankheitsfall erhoben. Die Kassenfinanzen wurden nicht mit denen der Handwerkskasse vermengt. Nur die Mitgliedschaft war noch an das Meisterrecht der Innung gebunden. Dennoch setzte eine Innungsmehrheit im Herbst 1810 durch, dass die Änderungen der Kassenordnung angenommen und die widersetzlichen Personen aus der Kasse (ausnahmsweise) exkludiert wurden. Grundsätzlich blieb die Zunftgebundenheit bestehen.183 Entsprachen die Leistungen der Handwerksorganisationen nicht den Erwartungen ihrer Mitglieder, traten diese oftmals in unabhängige Unterstützungskassen ein, wie dies bei mehreren Schneidergesellen in der Schillingkschen Krankenkasse in Leipzig der Fall war.184 Im Gegensatz zu Beispielen aus Würzburg, Bamberg oder Osnabrück existierten aber in den kursächsischen Städten bis zum Ende des Untersuchungszeitraums keine kommunal oder landesherrlich initiierten, gewerbeübergreifenden Sicherungsverbände zur Krankenunterstützung aller Handwerksgesellen.185

 182 Ebd., Bl. 31b–32. Auch in Leipzig gründeten einige Schneidermeister eine Krankenkasse, die nur Meister ihres Berufsstandes aufnahm, jedoch mit der Handwerksinnung im Übrigen in keiner Weise verbunden war. Sie besaß eigene Statuten, ein eigenes Finanzwesen und eine unabhängige Verwaltung. Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Bibliothek I L 219. 183 StadtAL, II. Sektion S (F) 2166, Bl. 51. 184 StadtAL, Tit. LII (F) 11. 185 BERGER, Eva: Frühmodernes Krankenhaus und „Pflegeversicherung“ in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Instrumente städtischer Armenfürsorge? In: LABISCH, Alfons / SPREE, Reinhard (Hrsg.): „Einem jeden Kranken in einem Hospitale sein eigenes Bett“. Zur Sozialgeschichte des Allgemeinen Krankenhauses in Deutschland im 19. Jahrhundert. Frankfurt am Main, New York 1996, S. 211. – FISCHER (Gesundheitswesen) 1933, S. 86–89. – FRÖHLICH (Sicherung) 1976, S. 148–150. – SPREE, Reinhard: Handwerker und kommunale Krankenhäuser im 19. Jahrhundert. In: KAUFHOLD, Karl Heinrich / REININGHAUS, Wilfried (Hrsg.): Stadt und Handwerk in Mittelalter und Früher Neuzeit (= Städteforschung, Reihe A: Darstellungen, Bd. 54). Köln, Weimar, Wien 2000, S. 282f.

4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften

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4.4.2 Indirekte finanzielle Unterstützungen Außer einer direkten Gabe von Geldleistungen oder vereinzelt von Naturalleistungen konnten Geldforderungen betragsmäßig verringert werden, oder es wurden die Fälligkeiten von Geldforderungen zeitlich aufgeschoben. Die wichtigsten Einnahmequellen der Gesellenschaften stellten die einmaligen Einschreibe- oder Eintrittsgelder und die regelmäßigen Auflagegelder dar. Vermutlich kamen Gebührenminderungen aufgrund von Erkrankungen nicht selten vor, wurden aber oftmals nicht gesondert vermerkt. Dem aus Wolkenstein stammenden Gesellen Johann Georg Seifferth erließ eine Dresdner Gesellenschaft unter anderem die Auflage der letzten vier Wochen, „weil er kranck ist gewessen und nicht zu verzehren hatte“.186 Auch bei den Innungen fanden sich aktenkundige Hinweise, wonach die sonst üblichen Gebühren aufgrund von Erkrankungen gelegentlich verringert wurden. Auch ein völliger Verzicht auf diese Gelder konnte erfolgen. Gegenüber dem schwerkranken Posamentierermeister Wolfgang Heinrich Nether wurde auf dem Weihnachtsquartal 1699 gnädig verfahren. „Diese und künfftige auflage verlanget das handw[erk] nicht von Ihm wegen seiner unpäßligkeit.“187 Nether nahm bereits seit 1698 nicht mehr – wie sonst üblich – persönlich an den Zunfttreffen teil, doch wurde ihm das Meisterrecht weiterhin zugestanden. Da neben der Auflage und anderen Anforderungen besonders die finanziellen Aufwendungen für den Erwerb des Meisterrechts häufig sehr hoch waren, setzten hier vielfach die Bitten mutender Gesellen um Absenkungen dieser Kosten ein. Dies geschah oft unter Verweis auf verschiedene Gebrechen und Leiden. Dem stumm und taub geborenen Johann Andreas Kinder wurden beim Handwerksquartal Crucis188 1737, nachdem er sein Meisterstück dem Leineweberhandwerk zu Chemnitz vorgelegt hatte, auf Bitten seines Vormundes Meister Christoph Hartmann und „in ansehung seiner oberwehnten Leibes-Gebrechen“ die Meisterrechtsgelder von 16 Reichstalern und 13 Groschen auf elf Reichstaler abgesenkt. Außerdem wurden ihm seine Fehler am Meisterstück nachgesehen, ohne die sonst übliche Strafgebühr einzutreiben. Vielleicht hatte bereits der ratsherrliche Erlass des Bürgergeldes die Entscheidung der Innung erleichtert. Dennoch bestand die Zunft darauf, dass sich auch in Zukunft niemand auf diese Ermäßigung berufen sollte.189 Dem im Dreißigjährigen Krieg lädierten Paul Sprehe verlangte die Tuchmacherzunft statt beträchtlicher 50 Gulden nur noch einen Bruchteil der Gebühren zum Meisterrecht ab.190 Andere Gesellen erwirkten bei der landesherrli 186 StadtAD, 11.2.46, Nr. 75o, [unpag.] (Eintrag vom 20.10.1715). 187 StadtAD, 11.2.46, Nr. 75l, [unpag.] (Einträge vom 27.12.1699 bis zum 09.03.1704). Siehe auch: StadtAC, Innungsarchiv Nr. 239, Bl. 186. 188 Das dritte von vier Rechnungsquartalen reichte bis Ende September und wurde nach dem Fest der Kreuzerhöhung Crucis benannt. 189 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 199–200. Ein weiteres Beispiel für verringerte Gebührenforderungen in: StadtAC, RA, Kap. IX. Se 8, Bl. 9b. 190 StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 5, Bl. 24–25.

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chen Regierung einen Befehl, dass sie unter anderem aufgrund ihrer häufig angeführten körperlichen Leiden ohne „alle unnöthige Kosten“ zum Meisterrecht angenommen werden sollten.191 Vergleichbares traf auf bereits verhängte Strafgelder zu, die in Anbetracht der dürftigen und kränklichen Situation „um Gottes willen“ erlassen oder verringert werden konnten. Der kranke Leinewebergeselle Georg Hauff von Bischofswerda wurde von einer Strafgebühr befreit, „weil Er schon von der Brüderschafft Sechszehen groschen Allmosen erbethen und also nichts zu erheben bey ihm gewesen“. Ursprünglich sollte er eine Strafe zahlen, „weil er von [Meister] Georg Vetter gewandert ohne urlaubwerck“ und bei seiner Wiederkehr unvermittelt zu einem anderen Meister eingekehrt war.192 Wurden die Fälligkeitstermine ausstehender korporativer Geldforderungen aus Darlehen, Gebühren usw. in die Zukunft verschoben, erfolgte damit eine temporär erweiterte Verfügbarkeit der Geldmittel für den Betroffenen. Abstrakt hieß das, dass dem Unterstützungsempfänger indirekt ein Darlehen für die Zeit der Prolongation eingeräumt wurde. Moratorien dieser Art kamen in großer Zahl vor. Ob ihre Gewährung jedoch auch aufgrund von Erkrankungen erfolgte, war nicht zweifelsfrei zu klären.193

4.5 KRANKENPFLEGE Obwohl das mitgliederstarke Zwickauer Tuchmacherhandwerk vergleichsweise frühzeitig ein Haus für sein krankes Gesinde eingerichtet hatte, mahnte Pfarrer Nikolaus Hausmann im Jahr 1529, die schlechten Zustände in dieser und den anderen Krankenstuben nicht andauern zu lassen. Der Geistliche durchschaute, dass allein eine bessere finanzielle Ausstattung, die durch eine verstärkte steuerliche Heranziehung der Handwerke zur Unterhaltung des Gemeinen Kastens erreicht werden sollte, allein nicht genügte und schlug die Anstellung von Wärterinnen und Wärtern aus der großen Masse der städtischen Bettler vor. Auch die Themen einer ausreichenden Belüftung und einer wohltemperierten, von den jahreszeitlichen Schwankungen abhängigen Beheizung der Krankenstuben griff Hausmann auf.194  191 Ebd., Bl. 230–231b. 192 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 408, Bl. 38b–39. Siehe auch: StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 30b. Über den Erlass von Verbindlichkeiten wurde bereits im Rahmen der Darlehensvergabe gesprochen. 193 So konnten Schulden bis zum nächsten Jahrmarkt, dem Zeitpunkt, an welchem größere Einnahmen erwartet wurden, gestreckt werden, kleinere Aufschübe betrugen nur acht oder vierzehn Tage. 194 GROSS, Reiner: Eine Denkschrift des Pfarrers Nikolaus Hausmann an den Rat zu Zwickau von Ende 1529. In: Regionalgeschichtliche Beiträge aus dem Bezirk Karl-Marx-Stadt 4/1982, S. 62–65.

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Finanzielle Unterstützungen dienten dazu, den Ausfall des Arbeitseinkommens (teilweise) zu kompensieren. Daneben konnte ein solcher Betrag gezahlt werden, damit sich der Kranke die nötige medizinische Behandlung und Pflege leisten konnte. Doch mit einer reinen Geldleistung in meist unzureichender Höhe wäre vielen Kranken, die sich nicht selbst versorgen konnten, nur ansatzweise geholfen. Dagegen wirkten krankenpflegerische Unterstützungsleistungen in eine andere Richtung, indem sie unmittelbar und aktiv der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zugutekamen. Von den verschiedenen Innungen und Gesellenschaften wurde die krankenpflegerische Versorgung der Mitglieder auf vielfältige Weise organisiert, wobei sich die Leistungsangebote vieler Korporationen voneinander unterschieden. Die meisten Organisationen konzentrierten sich auf einige wenige Formen, um die Aufwendungen der Krankenpflege auf ein finanzierbares Maß zu begrenzen. Daher stellen die nachfolgenden Unterstützungen nur mögliche Optionen einer breiten Angebotspalette dar. Einige Gesellenschaften und besonders viele Innungen erbrachten auch keinerlei krankenpflegerische Leistungen, sondern verwirklichten ihre sozialen Vorstellungen allein durch finanzielle Maßnahmen oder arbeitsorganisatorische Hilfen wie die Stellung einer zusätzlichen Arbeitskraft im Krankheitsfall.

4.5.1 Pflegeleistungen Die Krankenpflege wurde in unterschiedlichsten Formen durch die Mitglieder der Handwerksorganisationen entweder selbst übernommen oder von diesen finanziert und auf andere Pflegekräfte übertragen. Die Regulierung der pflegerischen und medizinischen Kosten konnte auf drei verschiedenen Wegen vonstattengehen. Im ersten Fall ging der unterstützungsberechtigte Kranke mit seinen Aufwendungen in Vorleistung und die Zunft bzw. Gesellenschaft erstatteten nach Erbringung der Leistung die verauslagten Mittel unter Vorlage entsprechender Belege. Der seit etwa 30 Jahren in die Dresdner Gesellenkasse der Schneider einsteuernde alte Geselle Georg Bayerlein ersuchte die Kassenvorsteher um Gnade aufgrund einer unlängst zurückliegenden schweren Krankheit, die ihn „aller Geldmittel beraubt“ und um seine Zukunft gebracht habe. Er hatte aus eigenen Kräften alle Arzt- und Medizinkosten ausgelegt, „um der Gesellschaft nicht zur Last zu fallen“. Tatsächlich wurden ihm acht Taler bewilligt.195 Im zweiten Fall wurden die Kosten von der Organisation sogleich übernommen, ohne dass der Kranke bis zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit eine weitere Leistung erbringen musste. Bei den Chemnitzer Strumpfwirkern wurde 1839 ruchbar, dass noch immer einige Innungsdistrikte den Kranken keine wöchentlichen Krankengelder zahlten, sondern die Kurkosten vollständig übernahmen. In Fällen wie diesem ist nicht davon auszugehen, dass der Kranke die Kurkosten vorschussweise auslegte. Vielmehr ließ der Kranke – und dies stellte die dritte Möglichkeit des Umgangs mit den  195 StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. 60, Vol. I, Beleg Nr. 49.

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Pflege- und Behandlungskosten dar – vermutlich beim Arzt, Chirurg, Apotheker, Pflegepersonal oder in einer Krankenanstalt anschreiben und überbrachte der Handwerksorganisation die Belege, welche die Korporation daraufhin beglich.196 Da es sich i. d. R. um bedürftige, arme Kranke handelte, war eine Vorausleistung durch den Kranken nur in den wenigsten Fällen möglich, sodass die zweite und dritte Option überwogen haben dürften. Außerdem barg die rückwirkende Erstattung der Aufwendungen für den Kranken ein größeres Risiko, letztlich doch auf den Kosten selbst sitzen zu bleiben. Versorgt wurden kranke Meister und Witwen entweder daheim, bei Freunden, im Zunfthaus oder in einer speziellen zunfteigenen oder fremden Einrichtung (Kloster, Hospital, Lazarett, Armenhaus, Siechhaus, Krankenstube, Krankenhaus). Kranke Gesellen konnten darüber hinaus auf der Gesellenherberge oder in einem Gesellen-„Krankenhaus“ gepflegt werden. Dabei griffen kollektive, dienstherrliche, familiäre und sonstige fürsorgliche Handlungen teilweise ineinander. An dieser Stelle sollen nur die primär kollektiv organisierten Maßnahmen betrachtet werden. Bereits bei den finanziellen Unterstützungen war augenscheinlich geworden, dass sich die kollektiven Formen der Krankenunterstützung im Handwerk vor allem an die Gesellen richteten. Kranke Meister, Witwen und deren Angehörige ließen sich vorrangig im eigenen Haushalt pflegen und griffen seltener auf die Hilfe der Zunft zurück, da sie zuerst ihre Familie und die im Haushalt Beschäftigten darum bitten konnten. Zudem besaßen viele Meister zumindest einen Notgroschen. Die erbrachten Leistungen reichten von der Versorgung mit Lebensmitteln und einem einfachen Wachdienst, über Krankentransporte und ein zur Verfügung gestelltes Krankenbett bis hin zu einem Aufenthalt in einer städtischen oder handwerkseigenen Pflegeeinrichtung inklusive der Übernahme sämtlicher Kosten. In vielen Fällen mussten vorgestreckte Gelder zurückerstattet werden, vor allem dann, wenn der Leistungsempfänger dazu wieder in der Lage war. Insbesondere über kranke oder verstorbene Gesellen, die in der Fremde noch Angehörige besaßen, fanden sich Mitteilungen, dass sich die Gesellenschaften und Zünfte bemühten, die Aufwendungen wiederzuerlangen.197 Gab es feste Verträge mit medizinischem und pflegendem Personal oder einzelnen Institutionen, entfiel die Rückerstattungspflicht. Auch andere Leistungen, wie diejenigen, welche durch Korporationsmitglieder selbst erbracht wurden, mussten nicht in jedem Fall von dem Kranken bezahlt werden. Eine Entlohnung für Wach- oder Transportdienste durch andere Korporationsmitglieder war ohnehin nicht oft vorgesehen, wohl aber wenn dies durch den Herbergsvater oder angestellte Träger geschah.  196 Bei dieser Form der Kostenregulierung fanden jedoch auch immer wieder Missbräuche statt, indem die Rechnungshöhe gefälscht, falsche Leistungen angegeben oder die Gelder nicht ordnungsgemäß ausgezahlt wurden. Die Sonne 4/1844, Nr. 39 vom 27.09.1844. 197 StadtAD, 11.2.54, Nr. 27, Bl. 31–33. – StadtAL, Stift. II, Nr. 26a, Bl. 106.

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Als traditionelle Form der Krankenpflege galt der Wachdienst. Ein bis zwei Gesellen wurden verpflichtet, bei dem kranken Mitgesellen über Nacht zu wachen, ihm bei nötigen Verrichtungen zu helfen und darauf zu achten, dass die vom Arzt oder Chirurg vorgeschriebene Behandlungsweise und die Einnahme von Medikamenten eingehalten wurde. Bei den Dresdner Schuhmachern versprachen die Schuhknechte, einem kranken Mitgesellen, den der Meister „bey sich im Hauße behalten wolte“, „mit Wartung an hanndt zu gehen“.198 Konnten oder wollten die mit dieser Aufgabe betrauten Gesellen dies nicht erledigen, durfte ein Stellvertreter gesetzt werden. So sollten die Zwickauer Schlappenmachergesellen „einer um dem andern bey dem Krancken wachen oder daßelbe verlohnen, damit der Krancke nicht verderben dürfte“.199 Auch für kranke Meister und Witwen konnten Gesellen zum Wachdienst abgestellt werden. Bei dem kranken Strumpfwirkermeister Kühn hielt sich beispielsweise ein Geselle „Tag und Nacht“ auf, der dafür vom Handwerk 16 Groschen als Entschädigung erhielt.200 Konnte es sich die Organisation leisten, wurde eine Pflegerin oder Wächterin bzw. ein Krankenwärter angestellt. Nach einer Quittung bezahlte die Strumpfwirkerinnung in Chemnitz allein an „Verpflegungskosten für den im Armenhauß untergebrachten kranken Gesellen Joh[ann] Gottlob Fiedler von Apolda vom 14. Jun[i] 1820 bis 21. May 1821 wöchentl[ich] 1 r 4 g an 201 die Krankenwärterin Engelmann“,

zusammen also 57 Reichstaler. Die Dresdner Schneider hatten für ihr „Patientenhaus“ ebenfalls eine Krankenwärterin eingestellt, die in demselben Gebäude wohnte.202 Die Barettmacher und Strumpfstricker Kursachsens waren statutarisch zum Wachdienst verpflichtet: „Wenn ein Geselle kranck wird, so sollen ihn die andern Gesellen warten oder eine Wärterin zu halten schuldig seyn, käme aber deßen Kranckheit von liederlicher Aufführung und Leben 203 her, so sind die Gesellen ihme nichts zu geben schuldig.“

Regelmäßige Krankenbesuche durch die Mitgesellen oder Mitmeister dienten nicht allein der Sorge um den Kranken, sondern galten vor allem dem Schutz vor Simulantentum. Mindestens zwei Krankenbesuche in der Woche schrieben die Schuhmachergesellenartikel in Dresden den Beisitzmeistern und Altgesellen vor.204 Bei den Lohgerbern in Leipzig oblag diese Pflicht den Altgesellen. Weil  198 199 200 201

StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 1, Nr. 22. StadtAZ, X, 45, 5, Bl. 6b. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 240, Bl. 304. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 432, Bl. 29. Für einige weitere Beispiele siehe: StadtAC, Innungsarchiv Nr. 240, Bl. 304. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 391c. – StadtAC, RA, Kap. IV. Sect. X, Nr. 8a, Bl. 63, 71, 85. – StadtAD, 11.2.54, Nr. 160, Bl. 35–35b, 37. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 221, Bl. 18. – StadtAD, 11.2.64, Nr. 27, Bl. 22. – StadtAL, II. Sektion S (F) 2166, Bl. 35b. – StadtAZ, X, 1, 17, Bl. 82b. 202 StadtAD, 11.2.54, Nr. 160, Bl. 35b, 37. 203 StadtAZ, X, 1, 17, Bl. 82b. 204 StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 2, Nr. 19.

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sich der Altgeselle Andreas Weigel „äußerst liebelos“ den Kranken gegenüber gezeigt und die Kontrollbesuche vernachlässigt hatte, führte sein Verhalten zur Beschwerde einiger Gesellen bei der Innung und schließlich vor dem Stadtrat.205 Übernehmen konnte die Zunft oder Gesellenschaft weiterhin die Behandlungskosten durch den Bader, Barbier, Wundarzt oder Medikus. Sie konnte die benötigten Medikamente und Kuren bezahlen und Ausgaben für Unterkunft, Heizung, Beköstigung und sonstige Aufwendungen tragen.206 Als pflegendes und medizinisches „Personal“ kamen Mitmeister und Mitgesellen, Familienangehörige von Handwerkern, befreundete Personen, der Herbergsvater oder dessen Angehörige bzw. Bedienstete, (halb-)professionelle Pflegerinnen und Pfleger, Laienheilerinnen und -heiler sowie Bader, Barbiere, Wundärzte, Medici, deren Angestellte und das jeweilige Anstaltspersonal in Betracht. Die Einlieferung in die Gesellenherberge oder eine andere Versorgungseinrichtung sowie die Verlegung eines Kranken wurden im Notfall ebenfalls durch die Handwerkskorporationen organisiert bzw. finanziert. So beschwerten sich neun Dresdner Schneidergesellen, dass der Verantwortliche der Gesellenverpflegungskasse in den Rechnungen einen unverhältnismäßig hohen Taxbetrag „für den Transport der Kranken in die Hospitäler durch Chaisenträger“ angesetzt hatte.207 Schließlich wurden die Kosten, die für eine Unterbringung und Verpflegung in einem Hospital, Lazarett oder Krankenhaus entstanden, häufig übernommen, teilweise aber wieder zurückgefordert.208 Die Unterbringung in diesen überwiegend städtischen Einrichtungen wurde favorisiert, wenn besondere Umstände die  205 StadtAL, II. Sektion L (F) 634. 206 Die Belege sind sehr zahlreich, sodass allein eine kleine Auswahl genügen soll. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 240, Bl. 304. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 404b–405. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 432, Bl. 29. – StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. 60, Vol. I. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 141. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 182, Bl. 6–6b. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 185, Bl. 3– 3b, 21. – StadtAL, Inn Schuhmacher C 2. – StadtAL, Stift. II, Nr. 140, Bl. 48. – StadtAZ, X, 49, 135, Rechnung 1538/39, Bl. 13, 14, 16b–17b, 20b u. ö. 207 StadtAD, 11.2.54, Nr. 208, Vol. I, Bl. 12. Siehe auch: StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 2, Nr. 19. Für den Krankentransport in das Dresdner Lazarett wurden Tragekörbe genutzt. SCHLENKRICH (Sterbestroh) 2002, S. 135. Vgl. SEYFARTH (Das Hospital zu St. Georg) 1939, S. 160–162. Von der Entlohnung eines Korbträgers ist auch Mitte des 16. Jahrhunderts die Rede im Vertrag der Bäcker mit dem Georgenhospital zu Leipzig. StadtAL, Rb 10 (1550– 1553), Bl. 102. 208 Für das Lazarett in Dresden sind die Insassen über das „Zugangsbuch” zu ermitteln. Leider sind nur in den wenigsten Fällen direkte Aussagen über die Finanzierung der Kranken getroffen worden. So wurde ein Perückenmachergeselle „von der Gesellschaft versorgt“, ein „Feuermäurerkehrer“-Geselle „auf Kosten der Innung“ gepflegt und eine Fleischerwitwe „aus der Fleischsteuer“, einer Innungsgebühr, erhalten. StadtAD, RA, F. XXI. 11, Nr. 81, 99, 168. Der Bericht eines unbekannten Verfassers ging Anfang des 19. Jahrhunderts davon aus, dass der Aufwand für die krank ins Dresdner Lazarett eingelieferten Handwerksgesellen grundsätzlich durch ihre Innungen übernommen wurde. StadtAD, RA, F. XXI. 14y, [unpag.] (Undatierter, anonymer Bericht von etwa 1806). Die Rechnungsbestände der Handwerksorganisationen und Hospitaleinrichtungen berichten zwar vielfach von ausgelegten Krankenkosten, schweigen aber meist darüber, ob diese Gelder tatsächlich zurückgefordert wurden. Für das Leipziger Georgenhospital siehe dazu: SEYFARTH (Das Hospital zu St. Georg) 1939, S. 153.

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Versorgung in der Gesellenherberge verhinderten. So wurde die Gesellenherberge der Leipziger Schneider im Siebenjährigen Krieg als preußisches Feldlazarett genutzt, weshalb erkrankte Burschen in dieser Zeit in das städtische Lazarett eingeliefert wurden, wofür die Gesellenschaft einen wöchentlichen Beitrag dorthin zahlte.209 Liegen für Formen der Krankenpflege, die wie ein einfacher Wachdienst ohne spezielle Institutionalisierung auskamen, kaum Informationen vor, wurden andere Versorgungsmaßnahmen und Strukturen näher geregelt, da in diesen Fällen vielfach Nichtkorporationsmitglieder mit der Krankenpflege betraut wurden. Gepflegt wurde in handwerkseigenen oder in handwerksfremden Einrichtungen.

4.5.2 Herbergskrankenpflege Für Gesellen, die im Meisterhaus lebten, blieb der Meisterhaushalt insbesondere bei leichteren, kurzfristigen Erkrankungen der primäre Ort, an dem sie im Krankheitsfall gepflegt wurden. Obwohl das Schuhmacherhandwerk in Dresden Anfang des 19. Jahrhunderts noch immer ein eigenes „Krancken Hauß“ besaß, wurden nach Aussage des Physikus Dr. Hofmann mehr als die Hälfte aller in der Residenzstadt erkrankten und behandelten Schuhmachergesellen „blos mit freier Kur bei ihren Meistern versehen“.210 Der Anteil der von ihren Arbeitgebern und deren Familien versorgten Gesellen dürfte aufgrund der beträchtlichen Dunkelziffer (Behandlung mit Hausmitteln oder durch Laienheiler) noch höher gelegen haben. Handwerke ab einer bestimmten Größenordnung besaßen ein Zunfthaus, auf dem u. a. die Innungsversammlungen der Meister stattfanden. Hatten sich die Gesellen in einer eigenen Organisation zusammengefunden, konnten deren Treffen ebenfalls im Zunfthaus oder einer eigenen, gemieteten oder gekauften Gesellenherberge abgehalten werden. Gleich in welchem Besitzverhältnis die Gesellenschaft zu ihrem Versammlungsgebäude stand, die Herberge erfüllte stets wichtige Funktionen für die lohnabhängigen Beschäftigten.211 Wenn kranke Gesellen nicht direkt im Haus ihres Arbeitgebers gepflegt wurden, war sie oft der nächste Anlaufpunkt für die Kranken. Diese Aufgabe nahmen viele Herbergen wie die der Chemnitzer Schneidergesellen bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts  209 StadtAL, Stift. II, Nr. 26a, Bl. 106. 210 StadtAD, 11.2.56, Nr. 185, Bl. 19. 211 Besonders die entscheidende Funktion der zünftigen Trinkstuben und Gesellenherbergen als „soziale Orte“ sind auch in Bezug auf die Krankenversorgung zu beachten. SIMONMUSCHEID, Katharina: Zunft-Trinkstuben und Bruderschaften: „Soziale Orte“ und Beziehungsnetze im spätmittelalterlichen Basel. In: FOUQUET, Gerhard / STEINBRINK, Matthias / ZEILINGER, Gabriel (Hrsg.): Geschlechtergesellschaften, Zunft-Trinkstuben und Bruderschaften in spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten (= Veröffentlichungen des Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung, Bd. 30). Ostfildern 2003, S. 147– 162. In Leipzig wurden Gesellenherbergen erstmals in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts erwähnt. WUSTMANN, Gustav: Aus Leipzigs Vergangenheit. Gesammelte Aufsätze. Dritte Reihe. Leipzig 1909, S. 140.

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wahr.212 Das die Herberge führende Ehepaar, der Herbergsvater und die -mutter, waren für die krank bei ihnen liegenden Gesellen verantwortlich. Pflegerische Maßnahmen wurden auf der Herberge auch von den Angehörigen und Angestellten des Herbergsvaters oder anderen Gesellen übernommen. Der erste Ansprechpartner der Gesellen im Bereich der Herbergskrankenpflege war für gewöhnlich der Haushaltsvorstand und somit der Herbergsvater. Die Aufgaben, die ihm im Zuge der Krankenversorgung zukamen, wurden meist nicht schriftlich festgehalten. Als die Ansprüche an eine angemessene, standesgemäße Führung der Gesellenherbergen aber stiegen, dokumentierten die Innungen und Gesellenschaften die Vereinbarungen mit den jeweiligen Herbergsvätern. In den Verträgen wurde mitunter auch die Fürsorgepflicht für kranke Gesellen angesprochen. Bei den Webern in Chemnitz hatte der Herbergsvater nach einem Vertrag unter anderem das mühsam angeschaffte Bettzeug zu reinigen.213 Die Leipziger Posamentiererinnung hielt 1697 in einem Vertrag mit ihrem „Krug-Vater“, d. h. dem Herbergsvater Baumann, dessen Rolle bei der Krankenversorgung der Gesellen fest: „Ingleichen, wenn ein krancker Geselle anhero kömmet, soll Er denselben ohne der Meisterschafft Vorbewust nicht annehmen, sondern dem Jung-Meister solches zu wißen thun; So aber über Verhoffen einer bey einem hiesigen Meistern in der Arbeit stehet undt der Meister wegen Manglung des Logiaments undt Raumes solchen nicht verpflegen köndte, so soll Herr Baumann solchen Gesellen willig annehmen undt mit einem bequehmen Stübgen oder Cammer zu verpflegen gehalten seyn, wegen der auffgewendeten Artzeney undt Kost soll sich die sämbtliche löbl[iche] Innung der Poßamentierer mit Ihme, Herrn Baumannen, verglei214 chen.“

Somit war der einzelne Handwerksmeister zwar noch immer primäre Anlaufstelle für einen mittlerweile erkrankten, zuvor in Arbeit gestandenen Gesellen. Doch konnte unter Umständen die Innungsorganisation, die bei den Leipziger Posamentierern durch Meister und Gesellen gemeinsam finanziert wurde, für die Krankenversorgung aufkommen. Beachtung sollte der Einschränkung geschenkt werden, dass dies nur für einen Gesellen galt, der „bey einem hiesigen Meistern in der Arbeit stehet“. Fremde und beschäftigungslose Gesellen wurden dagegen nicht ohne Weiteres auf der Herberge gepflegt. Ihnen gegenüber wisse der Jungmeister schon, was zu tun sei. Sie wurden in vielen Fällen mit einem Almosen oder Zehrpfennig weitergeschickt.215 Im Mittelpunkt der Herbergskrankenpflege stand das Gesellenbett. Neben den nicht unwesentlichen Kosten für die Anschaffung musste es instand gehalten, das Bettzeug gereinigt und ausgebessert werden. Es war sicherlich keine Seltenheit, dass mehrere Gesellen im Bett, das bisweilen eher einem besseren Strohlager  212 213 214 215

StadtAC, RA, Kap. IX. Se 37a, Bl. 4b, 17. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 407, Bl. 186b. StadtAL, II. Sektion P (F) 163, Bl. 3b. Ebd.

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glich, Platz finden mussten. Größere Gesellenschaften leisteten sich teurere Federbetten. Die Bedeutung des Gesellenbettes wird an zwei Fallbeispielen aus Chemnitz verdeutlicht. Für „etliche zwanzig Gesellen“ unterhielt die Chemnitzer Leinewebergesellenschaft im 17. Jahrhundert ein entsprechendes Bett auf der Herberge.216 Als das „bet gewandt der gesellen gantz wandelbar gewesen“, hätten die Beisitzmeister den Gesellen vorgeschlagen, die Auflage um einen Pfennig oder „was sie sonst wolten mehr Einbringen“ zu erhöhen. Obwohl diese Empfehlung nach Aussage der beisitzenden Meister bei der Mehrheit der Gesellen keine Zustimmung gefunden hatte, beschloss die Innung, dass fortan jeder arbeitende Geselle alle vier Wochen drei Pfennige zusätzlich zur Auflage geben sollte, um das Gesellenbett zu erhalten. Wären Bettgestell und -zeug endlich erneuert, könne die höhere Auflage wieder abgeschafft werden. Trotz des anfänglichen Widerstandes wurden in den nächsten Jahren „Zwilligt Spiel“ und „Leinwandt Züche uber das gesellen Bette“ angeschafft und die Pflegebedingungen stückweise verbessert.217 Aus der gleichen Stadt stammt das zweite, etwas ausführlicher zu besprechende Beispiel. In einem Schreiben vom 23. November 1718 an den Stadtrat stöhnten 14 Tuchknappen um ihren Wortführer Wolfgang Dachßolt218, dass „das Feder-Bette auf unserer Herberge gar sehr zu beßern nöthig, indem kein Pursche sich darinnen zu erhalten vermöchte, sondern sie sich auf die Banck legen müßten“.219 „Zu Anschaffung des Bettes“ schlugen die Aussteller des Schreibens vor, einen der beiden Einschreibegroschen, die ein zuwandernder und in die Gesellenschaft neu eintretender Geselle auf Veranlassung der Altgesellen entrichtete, hierfür zu verwenden. Nach den Gesellenartikeln wären für die Einschreibegelder überhaupt nur vier Pfennig vorgesehen. Noch dazu ging schon seit Jahren der zweite dieser Groschen an die Altgesellen für ihre Bemühungen, sodass die bisherige Praxis nicht den normativen Vorgaben entsprach und der Groschen zumindest in Zukunft sozial hilfreich angewandt werden sollte.220 Diesen Vorschlag hatte Dachßolt bereits vier Wochen zuvor auf der Gesellenversammlung vorgebracht, doch sei ihm von dem Gesellenbeisitzer Kahle das Wort abgeschnitten worden. Meister Kahle und die Altgesellen, die um ihre Einkünfte bangten, forderten, das ungebührliche Verhalten des wortführenden Gesellen mit einer Geldstrafe zu belegen. Bei der daraufhin erfolgten Abstimmung der Gesellenschaft fand der Strafantrag keine Mehrheit, worauf Kahle sich über das Votum der Gesellen hinwegsetzen wollte und eine Bestrafung Dachßolts ultimativ befahl. Die selbstbewussten Gesellen verweigerten ihm wiederum ihre Zustimmung, sodass das Treffen in einem Eklat und ohne Ergebnis endete. Der Beisitzmeister hatte zwar die Ordnungsfunktion und Aufsichtspflicht auf den Versamm 216 217 218 219 220

StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 125b. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 407, Bl. 1. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 402, Bl. 146b, 148–148b. An anderer Stelle in den Akten auch als Wolfgang Dachselt geführt. StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 11, Bl. 53. Ebd., Bl. 53b.

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lungen der Gesellen, konnte aber der Knappenorganisation nicht seinen Willen oktroyieren. Auch in der folgenden Zeit kam kein Kompromiss zustande. Der Beisitzmeister Kahle drohte den Gesellen und versuchte, sie unter Druck zu setzen, indem Einzelbefragungen stattfanden. Bei einer Auflage wurde jeder Geselle, der seinen Beitrag zur Gesellenkasse zahlen wollte, gefragt, „ob er bey der Brüderschaft oder bey denen Articuln halten wollte“, und dabei erinnert, dass „keine Brüderschaft ohne Articuln seyn mag“. Viele Gesellen antworteten auf die Frage, mit wem sie es halten würden, wie der Bursche Hanns George Orth: Sie „stünden wegen Anschaffung des Knappen-Bettes alle vor einen und einer vor alle“, was von Meister Kahle als Rebellion gewertet und der jeweilige Geselle als „Rebeller“ beschimpft wurde.221 Eine solche Ehrminderung konnte sich jedoch kein Geselle unwidersprochen gefallen lassen, weshalb eine Gegenschimpfung drohte. Dieser unsäglichen Entwicklung suchten die Gesellen um Dachßolt und Orth, durch ihr Schreiben an den Rat zu begegnen. Von dem Stadtrat informiert und zur Stellungnahme aufgefordert, rekurrierten die Ober- und Vormeister der Tuchmacherinnung in einem Antwortschreiben auf „eine langwierige Gewohnheit“ des Einschreibegeldes. Daraus wäre den Altgesellen ein „jus quaesitum“ erwachsen. Man betonte, dass „die Knappen von Tage zu Tage sich mehr Freyheit ausnehmen“ würden, während die Zunft allein auf den Schutz guter Ordnung sehe.222 Aus dem Schriftverkehr lässt sich ableiten, dass die Resolution des Rates den Wünschen der Gesellenmehrheit entgegenkam und der Groschen für das Krankenbett genutzt werden sollte. Doch fast vier Jahre später brach der Konflikt erneut auf. Wieder war es Dachßolt, nun in seiner Eigenschaft als Altgeselle, der daran beteiligt war. Er und die drei anderen Altgesellen hatten sich wegen Tumults und Unordnung auf den Gesellentreffen beschwert und „weiln hiernechst die Altgesellen vormals vor ihre Bemuhungen die Helffte der Schreibgebuhren genoßen und die Knapschafft sich anizo vermehre, mithin die Einkünffte sich ver223 stärckten, so bathen sie, die Sache auf disfals wiederum in vorigen Stand zu setzen“.

Die interessengeleitete Wendung im Verhalten des unbequemen Gesellen Dachßolt war bemerkenswert. Auch der neue obrigkeitliche Befehl entsprach nicht der ratsherrlichen Haltung von 1718. Fortan sollte ein Vertreter des Stadtrats den Gesellenversammlungen beiwohnen und der zweite Einschreibegroschen sollte den Altgesellen zufließen. Erneut stand Dachßolt auf der für ihn günstigen Seite. Kaum verwunderlich war daher, dass die nächste Auflage nicht ohne Zwischenfall ablief. Neben den meisten Gesellen forderten nun auch drei der vier Altgesellen, Dacholßt befand sich nicht unter ihnen, den Einschreibegroschen für das Krankenbett zu verwenden, da es „bey unserm Handwercke und geringen Verdienst nicht practicabel [wäre], unsere Auflagen zu verstärcken“. Die Gesellen  221 Ebd., Bl. 54b, 55b. 222 Ebd., Bl. 60, 62–62. 223 Ebd., Bl. 85b.

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verwiesen auf die verschlechterte Lage des Handwerks. Tatsächlich war der Innung und dem Rat „bekannt, daß das Tuchmacher-Handtwerck itzo fast gänzlich darnieder liege und viele Meister alß Knappen arbeit suchten und doch nicht erhalten könnten, sondern Tagelohn arbeit oder 224 wachen vorrichten müßten“.

Den vormals „anderthalbhundert“ Gesellen stünden deswegen zurzeit nur noch „etliche 30 Persohnen“ mit sehr schwachem Einkommen gegenüber. Eine erneute Änderung der ratsherrlichen Position wurde dennoch nicht erreicht, sodass aufgrund der divergierenden Interessen der Beteiligten eine zügige Ausbesserung des Knappenbettes zulasten der Kranken unterblieb.225 Sollten Handwerksgesellen wie im Schneiderhandwerk keinen eigenen Haushalt führen, dann mussten sie entweder im Meisterhaus wohnen oder hatten sich auf der Gesellenherberge aufzuhalten. Gesellen, die keine Arbeit erhielten oder sich aus anderen Gründen nicht den Vorgaben der Innung fügen wollten, kamen oft bei anderen Einwohnern unter. Besonders beliebt waren die sogenannten „Wäschen“, wo sich die Gesellen nicht nur wegen ihrer verschmutzten Kleidungsstücke aufhielten. Hier entkamen die Gesellen für eine Weile den strengen Blicken des Meisters und den restriktiven Handwerksnormen. Auch während Zeiten der Krankheit waren die „Wäschen“ gefragte Versorgungsorte.226 Im August 1758 wurden einige Schneidergesellen in den Wohnungen von Leipziger Bürgern, die nicht das Meisterrecht der Schneider besaßen, festgenommen. Die Gesellen wurden unverzüglich auf der Ratsstube verhört, wobei ihnen vorgeworfen wurde, sich eben nicht an den erlaubten Orten aufgehalten, sondern vermutlich gepfuscht zu haben. Wenngleich sich in den Antworten der Vernommenen sicherlich Scheinargumente und Schutzbehauptungen wiederfanden, so schilderten die Verhörprotokolle dennoch glaubhaft einige Bedingungen, unter denen die Option der Herbergskrankenpflege einem kranken Gesellen nicht zur Verfügung stand. In der Wohnung des Leipziger Bürgers Johann Christian Milcker wurden gleich vier Gesellen aufgegriffen, „da sie vorgegeben, der Herbergs-Vater könne sie nicht legen“. Sie würden sogar in Arbeit stehen und „es hohlten ja die Meister selbst die Gesellen“ dort ab. Weder der Arbeitgeber noch der Herbergsbetreiber boten also den nötigen Raum für die Beschäftigten. Bei einer Erkrankung spitzte sich die Platzfrage weiter zu, denn ein einfacher Vermieter war in keiner Weise  224 Ebd., Bl. 78b–79. 225 Die gesamte Auseinandersetzung um das Gesellenbett in: Ebd., Bl. 53–64, 85–101b. 226 StadtAL, II. Sektion S (F) 851, Bl. 1b, 14b. – StadtAL, Tit. VIII (F) 334, 1744, Teil 4, [unpag.] (Registratur vom 08.12.1744). Vgl. BRÄUER (Leipziger Rat) 1997, S. 144. – WOZEL, Heidrun: Überlieferungen von Bruderschaftsbräuchen der Handwerksgesellen in Dresden vor 200 Jahren. In: Dresdner Geschichtsbuch 4/1998, S. 29. Von den Handwerken wurden die „Wäschen“ nicht offiziell unterstützt, wohl aber doch zeitweise toleriert, da sie für die Meisterhaushalte auch Entlastungsfunktionen besaßen.

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gehalten, den kranken Gesellen bei sich wohnen zu lassen.227 Auch in der Folgezeit kam es immer wieder wegen Raummangels auf der Herberge zum Eklat. So verweigerte sich ein auf der Herbergsstube liegender, kranker Geselle, den angehenden Meistern, die ihre Meisterstücke dort fertigen wollten, zu weichen.228 Bei dem Leipziger Verhör von 1758 brachte außerdem der Schneidergeselle Johann Samuel Naumann vor, dass ihm der Herbergsaufenthalt versagt worden sei, als er vor einem Jahr „die rothe Ruhr“ bekommen habe.229 Die ansteckende Darmerkrankung hatte den Herbergsvater anscheinend zu diesem harten Vorgehen bewogen. Gerade Krankheiten, die mit großen Unannehmlichkeiten für die anderen Gesellen einhergingen, erhöhten die Wahrscheinlichkeit, dass den Betroffenen die Aufnahme oder der weitere Verbleib durch Herbergsvater oder -mutter versagt wurden. Dabei musste die Gefahr einer möglichen Ansteckung nicht einmal im Vordergrund stehen. Auch die Vermeidung von „abscheu und Eckel“ unter den gesunden Gesellen war ein möglicher Verweigerungsgrund.230 Ein weiterer in Leipzig befragter Schneidergeselle namens Heinrich Schwabe gab an, dass er aus Hannover stamme, vor zwei Jahren nach Leipzig gekommen sei und bei verschiedenen Meistern in Arbeit gestanden habe. Danach wäre er ein halbes Jahr krank gewesen und hätte noch „vor 1 Jahr auf der Herberge gelegen, so lange er Geld gehabt. Weil er aber dergleichen nicht mehr gehabt, hätte man ihn heißen [zu gehen]; daher er zu Milckern gegangen“.231 Der den Gesellen finanziell überfordernde Aufenthalt auf der Herberge folgte zwar anscheinend erst nach der eigentlichen Krankheitsphase, doch verschuldeten sich nicht wenige Gesellen durch einen längeren Arbeitsausfall. Noch bei währender Krankheit oder in der unmittelbaren Folgezeit wurde ihnen das Lager auf der Herberge zu teuer.232 Sämtliche Gründe, welche die Schneidergesellen für ihre Aufenthalte außerhalb der Herberge angegeben hatten, wurden, ob zu Recht oder zu Unrecht, durch die Obermeister kurzerhand vom Tisch gewischt. So hätte der an der Ruhr erkrankte Neumann die Krankheit dem Altgesellen melden müssen, um „sodann seine Verpflegung zu erwarten“, denn schließlich hielten die Gesellen „ihren ordentlichen Medicum“.233 Dagegen ließ die Innung einen an der Krätze leidenden

 227 228 229 230

StadtAL, II. Sektion S (F) 1819, Bl. 24–24b. StadtAL, Tit. VIII (F) 334, 1763, Bd. 2, Teil 3, Bl. 457–457b. StadtAL, II. Sektion S (F) 1819, Bl. 25. Diesen Grund führten die Leipziger Schlossergesellen als Argument an, um eine eigenständige Krankenherberge einzurichten. StadtAD, 11.2.52, Schlosser-Dep. Nr. 1, Beleg Nr. 16, [unpag.] (Schreiben vom 19.12.1675). 231 StadtAL, II. Sektion S (F) 1819, Bl. 25. 232 Ebd., Bl. 25–25b. Es finden sich verschiedene ähnliche Fälle, bei denen Gesellen während oder nach einer Krankheit die Herberge aus Kostengründen verließen, um sich in einer „Wäsche“ einzuquartieren. StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 30b. – StadtAL, Tit. VIII (F) 334, 1763, Bd. 2, Teil 4, Bl. 611. 233 StadtAL, II. Sektion S (F) 1819, Bl. 30b.

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Gesellen bei einer Wäscherin liegen, um nicht andere Gesellen auf der Herberge anzustecken.234

4.5.3 Siech- und Krankenhäuser der Handwerksinnungen und Gesellenschaften Einige Innungen und Gesellenschaften gaben sich nicht mit der Pflege kranker Gesellen im Meisterhaushalt oder der allgemeinen Gesellenherberge zufrieden und suchten nach weiteren, effizienteren oder besser zu koordinierenden Möglichkeiten der Unterkunft und Versorgung. Auch die Ansteckungsgefahr für gesunde Gesellen auf den viel frequentierten Herbergen mahnte zu einer abgesonderten Versorgung besonders derer, die mit ansteckenden Krankheiten beladen waren. Die größeren und kapitalkräftigeren Organisationen mieteten, kauften oder erbauten hierfür eigene Einrichtungen. Anlass waren oft bedrohliche Seucheneinbrüche, die zur Schaffung abgetrennter Räumlichkeiten beitrugen, um das Risiko der Krankheitsausbreitung zu minimieren. Da jedoch die Anstalten zu diesem speziellen Zweck nicht durchgehend in Gebrauch gewesen und damit den Handwerken unnötige Kosten entstanden wären, wurden die Peststuben und Siechhäuser235 bald zu allgemeinen Krankenstuben und -häusern umfunktioniert. Nicht jeder erkrankte Geselle wurde in einer solchen Einrichtung versorgt. Neben der eventuellen Beschränkung auf die einheimischen, vormals in Arbeit gestandenen Gesellen konnten ablehnende Aufnahmeentscheidungen aufgrund bestimmter ansteckender oder selbstverschuldeter Leiden erfolgen. Außerdem blieb die Pflege im Meisterhaushalt vorrangig. Solange ihn der Meister „bey sich im Hauße behalten wolte“, solange sollte dies der bevorzugte Ort der Gesellenkrankenpflege sein.236 Jedoch ließ die Existenz handwerkseigener Versorgungseinrichtungen den Anreiz für die Meister, ihre kranken Gesellen dorthin zu verweisen, schnell steigen. Angesichts der spärlichen Informationen, die zu den einzelnen Einrichtungen überliefert sind, und des noch dürftigeren bisherigen Erkenntnisstandes wurden im Folgenden nicht allein die Textil- und Bekleidungsgewerbe, sondern sämtliche  234 Ebd., Bl. 65b. Zur besonderen Beurteilung der Krätze als Schmutzkrankheit und ihrer Verbreitung vornehmlich unter Handwerksgesellen siehe: FREY, Manuel: Der reinliche Bürger. Entstehung und Verbreitung bürgerlicher Tugenden in Deutschland, 1760–1860 (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 119). Göttingen 1997, S. 252–260. Vgl. SCHLENKRICH (Verarmung Chemnitzer Leineweber) 1999, S. 322. 235 Die frühen Siechhäuser der Handwerke galten ursprünglich den mit ansteckenden Krankheiten behafteten Personen. Bei Krünitz steht der Begriff „Siechhaus“ entweder für ein Haus für mehrere Sieche oder wird vorrangig im Oberdeutschen als Synonymausdruck für ein Krankenhaus gebraucht, in welchem vor allem Kranke mit langwierigen Leiden gepflegt werden. Als Sieche definiert die Enzyklopädie wiederum langfristig kranke oder geschwächte Personen. KRÜNITZ (Encyclopädie) 1830, Bd. 153, Stichwort: Siechhaus, S. 724f., 735. 236 StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 1, Nr. 22.

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Handwerksorganisationen der vier betrachteten Städte grundsätzlich und ohne Beschränkung auf bestimmte Branchen untersucht (Tabelle 6).

A) Zahlreiche frühe Ansätze in Zwickau Aufgrund der vergleichsweise frühen und rasanten ökonomischen Entwicklung einiger Handwerke am Ende des 15. und am Beginn des 16. Jahrhunderts regten sich zuerst in der Gewerbestadt Zwickau einige Handwerksorganisationen, um den im Fall einer bedrohlichen Krankheit besonders gefährdeten Gesellen eine gesicherte Unterkunft und Pflege zu bieten. Nach der alten Chronik von Tobias Schmidt handelte es sich dabei um „die fürnemsten Handwercke, als die Tuchmacher, die Becken und Schmiedte“.237 Zur Bedeutung der Handwerke trugen in entscheidendem Maße die Gesellen bei, deren gesundheitliche Grundversorgung durch ihre bloße Anzahl und ihr Streikpotenzial den Meistern und den Stadtvätern unmittelbar ein drängendes Anliegen sein musste. Dennoch ging die Initiative zur Verbesserung der Krankenversorgung von den Gesellen selbst aus. Als der mit Abstand größten Gesellengruppe kam den Tuchknappen eine Vorreiterrolle zu. Die 250 bis 300 Knappen, von denen mindestens jeder Vierte einen eigenen Haushalt und eine eigene Familie besaß,238 arbeiteten eng mit Kämmerinnen und Radspinnerinnen zusammen. Ein guter Teil der Lohnempfängerinnen und -empfänger war sogar miteinander verheiratet. In der bereits seit den 1470er Jahren bestehenden „Fraternitas Corporis Christi“, der Fronleichnamsbruderschaft, waren vermutlich eben diese Personengruppen beiderlei Geschlechts vertreten.239 Nachdem sich um 1500 mit der Ausbreitung der Syphilis und anderer ansteckender Seuchen die Notwendigkeit der Versorgung kranker Tuchknappen, Kämmerinnen und Spinnerinnen erhöht hatte, wurden die Diskussionen um die Gründung einer besonderen Hilfseinrichtung intensiviert. Für den sächsischen Raum stellte die Idee einer eigenfinanzierten, gemeinsamen und „echten“240 Unterstützungskasse der männlichen und weiblichen unselbstständig Beschäftigten eine echte Innovation dar. Einerseits entschlossen sich die Korporationsmitglieder, durch eine quartalsweise Sammlung den gestifteten Knappenaltar der  237 SCHMIDT, Tobias: Chronica Cygnea, Oder Beschreibung Der sehr alten, Löblichen, und Churfürstlichen Stadt Zwickau [...] Zwickau 1656, S. 96. 238 Nach dem Vortrag „Soziale und wirtschaftliche Verhältnisse im Erzgebirgsraum zur Zeit Adam Ries’“ von Helmut Bräuer im Leipziger Stadtarchiv am 12. November 2009 gäbe es unter den 300 Knappen bereits um 1530 90 verheiratete. Zur Anzahl der Tuchknappen siehe auch: BRÄUER (Tuchknappenregister) 1990, S. 98. – HENNING (Differenzierung) 1968, S. 46. – KARANT-NUNN (Transition) 1987, S. 59. – MUELLER (Tuchmacher-Handwerk) 1929, S. 48, 117. 239 BRÄUER (Lohnarbeiter) 1980, S. 37. – Ders. (Tuchknappenregister) 1990, S. 100f. 240 Eine „echte“ Unterstützungskasse war diese Einrichtung in dem Sinne, dass die Kasse vorrangig Unterstützungsgelder ohne Rückzahlungspflicht statt der üblichen Darlehen vergab. Vgl. S. 164, 261–264.

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Pfarrkirche zu St. Katharinen besser auszustatten. Langfristig plante die Bruderschaft schon 1511 andererseits, von den drei Pfennigen, die ein jeder Knappe entrichten sollte, „auch Ein Haws zw kauffenn, dar Inne Ein itzlicher armer, verlassener knappe vom meyster vnnd meysteryne In der Zeit der regirung d[er] pestilentz vnnd and[eren] Jemerlichen gottis straffung sich enthaldenn mochte, Biß zw besserung Irer krankheitten nach dem Willen gottis, vff das wir arme gesellen oberurt bruderschafft nit alßo erbarmblich voracht vnd vorstoßen 241 mochtten werdenn, Als etwan vnd nach von tag zw taghe mit der Zeit geschicht“.

Der Umgang mit nicht mehr arbeitsfähigen Tuchknappen ließ also deutlich zu wünschen übrig. Meister und Meisterinnen konnten oder wollten den dringend notwendigen Bedürfnissen der erkrankten oder verunfallten Lohnempfänger gerade in Seuchenzeiten nicht mehr nachkommen.242 Jeder einzelne Knappe und jede einzelne Kämmerin war aber nicht nur potenziell von einem individuellen, sozioökonomischen Versorgungsproblem betroffen. Auch das christliche Seelenheil und die Gruppenehre waren in Gefahr. Die gottgefällige, redliche und solidarische Unterstützung bedürftiger Kranker in die eigenen Hände zu nehmen, erschien daher als umfassender, ambitionierter Ausweg. Ein separates Pestilenzhaus bot zudem die Chance, die Ansteckungsgefahr für die bislang Gesunden zu reduzieren. Es dauerte bis zum November 1516, als der Stadtrat den Tuchmachern gestattete, „Heinrichen Mulpforten garten bey Sanct Moritz zu kauffen [...] vnd das sie aldo selbst hynen eyn hawß fur yr krangk gesinde bawhen mogen“. Sogar das Geschoss243 wurde den Handwerkern so lange erlassen, wie sie dasselbe Haus „In Bewlichen weßen“ erhalten und nicht zweckentfremden würden. Zögen jedoch zinspflichtige Untermieter ein, sollten diese das Bürgerrecht erwerben „adder Ihe zum wenigsten den tzinß, den Itze der garten hatt, betzalen“.244 Im nächsten Jahr erneuerte der Rat die Privilegierung des Hauses und ermahnte die Handwerker, dass die Abgabenbefreiung hinfällig sei, wenn „es aber zu schaden“ käme.245 Da sich die Räumlichkeiten des ersten Baues gegenüber den Bedürfnissen als zu beengt erwiesen, wurde den Tuchmachern für ihr „Sichenhawß“ „auch eynen Pawhen zur Newhen stuben, dy sie zu setzen bedacht“, nachgelassen.246  241 StadtAZ, A*A III 26, Nr. 2c, Briefe 1511–1515, Nr. 3. 242 BRÄUER (Gesellen) 1989, S. 83. – Ders.: Verarmungsprozesse im mitteleuropäischen Handwerk während der frühen Neuzeit. In: DOMONKOS, Tanulmányok / TISZTELETÉRE, Ottó (Hrsg.): „Isten áldja a tisztes ipart“. Sonderdruck Sopron 1998, S. 13. – BRUNS (Arbeitsverhältnisse) 1938, S. 209. 243 Mit dem Geschoss oder Schoss wurde eine „Abgabe von Aeckern und andern Grundstücken“ bezeichnet. KRÜNITZ (Encyclopädie) 1779, Bd. 17, Stichwort: Geschoss, S. 491. Auch Renteneinkünfte und Vermögen konnten geschosspflichtig sein. 244 StadtAZ, III x 60, RP 1516–1519, 1516/17, Bl. 7. Ein Hinweis bei Mueller auf eine Ersterwähnung des Hauses im Jahr 1513 erweist sich als Fehler, da sich im angegebenen Ratsprotokoll keine entsprechenden Informationen fanden. Vgl. StadtAZ, III x 59b, RP 1510–1513. – MUELLER (Tuchmacher-Handwerk) 1929, S. 32. 245 StadtAZ, III x 60, RP 1516–1519, 1516/17, Bl. 32b. 246 StadtAZ, III x 60a, RP 1519–1522, 1520/21, Bl. 2.

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Das anfänglich für krankes Tuchmachergesinde in Seuchenzeiten gedachte Siechhaus an der alten Moritzkirche wurde in seuchenfreien Zeiten bereits in den 1530er Jahren für Personen genutzt, die an anderen Krankheiten, Gebrechlichkeit und Altersschwäche litten oder infolge von Arbeitsunfällen vorübergehend oder dauerhaft nicht arbeitsfähig waren. Unter den Bewohnern fand sich beispielsweise die „alde Margarethen“, die viele Monate in diesem „Meisterhaus“ lebte und eine wöchentliche Unterstützung von ein bis zwei Groschen erhielt.247 Das handwerkseigene Siechhaus der Tuchmacher fand in Zwickau innerhalb kurzer Zeit mehrere Nachahmer. Den Bäckergesellen wurde im Frühjahr 1522 ihr Ansuchen genehmigt, „Heyntzen Mullers hawß vffm holtzanger adder bey dem Zymmerhawß gelegen, zu kauffen vnd fur Ire krancken In tzeitt der nottrifft zugebrauchen“.248 Unklar ist, ob der Bau tatsächlich auf dem Holzanger südlich der Stadt am linken Muldeufer im ersten Vorstadtviertel ausgeführt wurde. Erstens könnte ein Aufstand der Bäckerknechte im selben Jahr das Vorhaben verzögert haben.249 Zweitens fand sich das fragliche Haus noch in den Geschossbüchern der Folgejahre wieder, ohne dass ein zusätzlicher Eintrag, der auf einen Eigentümerwechsel oder eine Grundstücksteilung hinwies, Platz gefunden hatte.250 Schließlich konnte „der Beckengesellen heußlein“ drittens im zweiten Vorstadtviertel vor dem Frauentor, das sich westlich Zwickaus befand, verortet werden. Wahrscheinlich richteten die Bäckergesellen hier, im Westen vor den Mauern der Stadt, ihr erstes eigenes Siechhaus ein. Diese Information stammt auch aus den Geschossbüchern und wird der Tatsache verdankt, dass der u. a. mit Tuchmachern besetzte Stadtrat den Bäckergesellen nicht so weit entgegenkam, sie ebenfalls dauerhaft von den steuerlichen Pflichten zu entbinden. Eventuell wurde die Steuerbefreiung zunächst befristet gestattet, da das „heußlein“ in den Steuerlisten erstmals 1529/30 verzeichnet wurde, ohne dass ein Geschoss entrichtet werden musste. Erst ab 1531/32 wurde diese Abgabe nachweislich eingetrieben.251  247 StadtAZ, X, 49, 135, Rechnung 1536–1538, Bl. 2–10b. Zahlreiche Beispiele von im „Meisterhaus“ versorgten Knappen, Kämmerinnen und Kindern finden sich im „Tuchknappenregister“. Sie beweisen, dass es dort bereits wenige Jahre nach der Eröffnung nicht mehr allein um die Verpflegung Pestkranker ging. 248 StadtAZ, III x 60a, RP 1519–1522, 1521/22, Bl. 34b. 249 StadtAZ, III x 61, RP 1522–1525, 1522/23, Bl. 6b. – SCHMIDT (Chronici Cygnei Pars Posterior) 1656, S. 286. 250 StadtAZ, III o 8, Nr. 20b, Geschossbuch 1528–1529, S. 24. – StadtAZ, III o 8, Nr. 20c, Geschossbuch 1529–1530, S. 17. – StadtAZ, III x 1, Nr. 11, Stadtbuch 1510–1513. 251 StadtAZ, III o 8, Nr. 20c, Geschossbuch 1529–1530, S. 55. – StadtAZ, III o 8, Nr. 21b, Geschossbuch 1531–1532, S. 47. Vgl. HERZOG (Chronik II/1) 1845, S. 219. Dagegen gehen selbst jüngere Forschungen davon aus, dass das Bäckergesellen-Siechhaus auf dem Holzanger gestanden habe. Vgl. FRIEDRICH (Zwickau) 1935, S. 9. – GROSCHE, Günter / RIEDEL, Klaus / TEICHERT, Silva: Seuchen in der Stadt. Medizinhistorische Betrachtungen. Reinbek 2005, S. 25. – ROSENBAUM, Ute: Liebestätigkeit und Armenpflege in der Stadt Zwickau. Ein sozialhis

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Über ein drittes handwerkseigenes Siechhaus berichtet ein weiteres Zwickauer Geschossbuch, indem darin erstmals an Michaelis 1528 „der Schmide Haus“ Erwähnung fand.252 Das Siechhaus entstand aus der ehemaligen Marienkapelle am Moritzbach vor dem Frauentor auf dem Anger westlich der Stadt. Der Eintrag zu diesem Gebäude folgt in den späteren Geschossbüchern auf den des Bäckergesellenhäusleins, doch kann aufgrund dieser Tatsache nicht unmittelbar davon ausgegangen werden, dass beide Häuser nebeneinander gestanden haben. Zumindest befanden sich aber beide Siechhäuser vermutlich in relativer Nähe zueinander.253 Die Schmiede waren seit dem 14. Jahrhundert neben den Tuchmachern das einzige überregional bedeutsame Handwerk der Stadt.254 Die erfolgreiche, körperlich schwere Produktion von Eisenwaren hing nicht unwesentlich vom Gesundheitszustand der Schmiedegesellen und einem potenziell vorhandenen Arbeitskräfteangebot ab. Das „Schmide Haus“ steigerte mutmaßlich die überregionale Attraktivität des Zwickauer Handwerks, da es der sozialen Sicherung kranker, bedürftiger Gesellen zugutekam. Dass es sich bei dem neutral als „Schmide Haus“ bezeichneten Gebäude um eine Einrichtung zu speziellen, sozialen Zwecken handelte, kann aufgrund der teilweise erhaltenen Innungsrechnungen geschlussfolgert werden. Bereits 1529/30 notierte der Handwerksschreiber, dass ein Groschen und drei Pfennige ausgegeben wurden, „von den petten zw waschen“. Die Meister achteten auch auf ausreichende Versorgung des Hauses mit Brennholz und stellten für die untergebrachten kranken Gesellen eine Wärterin ein, deren Arbeitsmotivation jedoch mit einigen zusätzlichen Anreizen gesteigert werden musste. Die Rechnungen verzeichneten beispielsweise die Ausgabe von „ij g der frauen in der meyster haus [...], auff das ßie, als der peßeren fleys ßal pey dem Jorge Öhel haben, in seyner kranckheit“. Somit hatte die Schmiedeinnung ein eigenes Häuslein für ihre kranken Gesellen auf dem Anger „fur dem frawenthor Inn der Gassen“ errichtet und darin drei Betten aufgestellt.255 Für viele Schmiedemeister stellten diese sozialen Ausgaben damals keine sonderlich großen Belastungen dar. Die Innungskasse war gut gefüllt, die Meister beteiligten sich sogar an Spekulationen im Bergbau und erwarben mehrere Kuxe „auffm Schneberge“.256 Bis zum Schmalkaldischen Krieg war das Schmiede-



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torischer Abriß von Mittelalter und beginnender Neuzeit (= Studien zur Geschichtsforschung des Mittelalters, Bd. 9). Hamburg 1999, S. 53. StadtAZ, III o 8, Nr. 20b, Geschossbuch 1528–1529, S. 69. StadtAZ, III o 8, Nr. 20c, Geschossbuch 1529–1530, S. 52, 55. – StadtAZ, III o 8, Nr. 23, Geschossbuch 1533–1534, S. 40. HENNING (Differenzierung) 1968, S. 26. StadtAZ, III o 8, Nr. 32, Geschossbuch 1542–1543, S. 57. – StadtAZ, X, 16, 24, Vol. II, Rechnung 1529/30, [unpag.]. – Ebd., Rechnung 1532/33, [unpag.]. – Ebd., Rechnung 1534/35, [unpag.]. Ebd., Rechnung 1530/31, [unpag.]. – Ebd., Rechnung 1532/33, [unpag.].

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Siechhaus in Gebrauch, brannte dann aber wie die anderen Handwerkssiechhäuser nieder.257 Schließlich wurde 1536 erstmals ein Garten der Schuhknechte erwähnt. Ein gewisser Hans Herttel hielt sich zu dieser Zeit dort dauerhaft auf, denn er zahlte hierfür dem Rat entsprechende Abgaben. Daher erscheint es denkbar, dass auf dem Grundstück bereits zu dieser Zeit eine Hütte oder ein Häuschen gestanden hat.258 Eine frühe Verwendung als Unterkunft und Pflegeort für kranke Schuhmachergesellen ist durchaus in Betracht zu ziehen. Der Standort des Grundstücks an der freien Luft und in der Nähe von Gewässern bot sich nach Ansicht der Zeitgenossen hierfür an.259 Der Garten lag „oben Inn der Gassen vnd bey den Teichen“, d. h. in der dritten Vorstadt vor dem niederen Tor.260 Sieben Jahre später wurde dann in der Tat außer dem Garten zusätzlich ein „heußlein“ genannt, das als Siechhaus genutzt wurde.261 In Kriegszeiten waren die vor den Stadtmauern gelegenen Siechhäuser und Hospitaleinrichtungen besonders gefährdet. Daher hatten die Zwickauer, als im Schmalkaldischen Krieg die Truppen des sächsischen Herzogs Moritz heranzogen, die Insassen des städtischen Hospitals St. Georgen und Margarethen wie auch diejenigen der Handwerkssiechhäuser vorsorglich evakuiert. „Ettliche hat man kranckheyt vnd schwachheyt halben müssen tragen vnd sindt in die schul pey dem kirchhauß in die vntern stuben eingezogen.“262 Kurze Zeit später brannten tatsächlich die Zwickauer Vorstädte, das Hospital und die Siechhäuser ab. Als die Kriegsgefahr gebannt war, regte der Stadtrat im April 1548 den Wiederaufbau der zerstörten Einrichtungen an. „Nachdem ezliche Siechheusere vorm Nidernthore gestanden, die zusampt den andern, abgebrandt seint, domit sie nuhn nicht also zurteilet gepauet werden möchten, ists besichtiget vnd Im Rathe, auch mitt zuthuen der geschwornen viermeistere ezlicher handtwerger, befunden,

 257 StadtAZ, III o 8, Nr. 37, Geschossbuch 1547–1548, S. 63. – StadtAZ, X, 16, 24, Vol. III, Rechnung 1545/46, [unpag.]. 258 StadtAZ, III o 8, Nr. 26, Geschossbuch 1536–1537, S. 46. – StadtAZ, III o 8, Nr. 27, Geschossbuch 1537–1538, S. 59. 259 Die Gesellenartikel der Zwickauer Schuhknechte sprachen nur allgemein von einer Pflege kranker Gesellen durch ihre Mitgesellen, nicht jedoch von einem konkreten Ort außerhalb der Herberge. Da die Artikel jedoch keine Datierung enthalten und nur aufgrund des Schrift- und Sprachstils dem 16. Jahrhundert zugeordnet wurden, kann deren Abfassung auch vor dem Kauf des „Schuknecht garttens“ stattgefunden haben. StadtAZ, X, 41, 26, Bl. 1. 260 StadtAZ, III o 8, Nr. 32, Geschossbuch 1542–1543, S. 91. 261 StadtAZ, III o 8, Nr. 33, Geschossbuch 1543–1544, S. 77. Die Ratsprotokolle und Ratsrechnungen sprechen von einem Siechhaus der Schuster, ohne dessen Standort zu nennen. StadtAZ, III x 68, RP 1564–1566, Bl. 166b. – StadtAZ, Ratsrechnungen 1545–1547, Nr. 2, Bl. 43. – UHLIG, Paul: Die Pest im Spiegel Zwickauer Ratsprotokolle. In: Sudhoffs Archiv für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften 36/1943, S. 110f. 262 StadtAZ, Kaland 2, Nr. 9, Bl. 23b. Vgl. StadtAZ, III x 66, RP 1546–1553, Bl. 47b. – HERZOG (Chronik II/1) 1845, S. 271.

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das sie alle zusammen vor das Niderthor vnten bei der Vogelstangen gepauet werden söllen 263 vnd söllen dogegen die Schuster vnd Beckere Ire forigen örtten vngepauet lassen.“

Noch im Sommer desselben Jahres wiederholte der Rat seine Mahnung, die Siechhäuser auf dem Platz vor dem Niederen Tor aufzurichten, „doch kein haus höher dann das andere vnd also In einer gleiche hinwegk“.264 Mit der Konzentration auf einen Ort war die Minimierung des Ansteckungspotenzials beabsichtigt. Relativ rasch wurden die Gebäude wieder aufgebaut, denn die Herren des Rates beauftragten die Handwerke 1551, aufgrund von akuter Seuchengefahr die Viermeister zu benachrichtigen und die Siechhäuser zu besetzen.265 Allerdings waren die angesprochenen Handwerke nicht der ratsherrlichen Aufforderung gefolgt und hatten die Standorte ihrer Siechhäuser nicht verändert. So hatten die Schmiede ihr Haus an der alten Stelle am Moritzbach in der Schmiedegasse neu aufgebaut und mit den bisher genutzten drei Betten eingerichtet.266 Eventuell waren diese aus dem alten Siechhaus gerettet worden, bevor es abbrannte, denn allein das Bettzeug war schon von beachtlichem Wert.267 Noch Anfang des 17. Jahrhunderts stand das Siechhaus der Schmiede an seiner alten Stelle westlich von Zwickau im zweiten Vorstadtviertel.268 „Der Tuchmacher heuslein“ befand sich dagegen bereits vor dem Schmalkaldischen Krieg „vnten bey der Vogelstangen“.269 1564 wiederholte der Stadtrat seine Aufforderung zur Verlegung der Handwerkssiechhäuser.270 Die Kosten des Wiederaufbaus ihrer Siechhäuser bewältigten die betroffenen Handwerke nur unter Mühen. Allein der Neubau des Häuschens der Bäckergesel 263 264 265 266

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StadtAZ, III x 66a, RP 1547–1548, Bl. 55b. Ebd., Bl. 78–78b. StadtAZ, III x 66, RP 1546–1553, Bl. 55b, 241b. StadtAZ, X, 16, 24, Vol. III, Rechnung 1551/52, [unpag.]. Auch das Bäckergesellenhäuslein wurde im Geschossbuch weiter im zweiten Vorstadtviertel geführt. StadtAZ, III o 8, Nr. 38, Geschossbuch 1548–1549, S. 55. – StadtAZ, III o 8, Nr. 39, Geschossbuch 1549–1550, S. 65. – StadtAZ, III o 8, Nr. 43, Geschossbuch 1553–1554, S. 52. BOOCKMANN, Hartmut: Leben und Sterben in einer spätmittelalterlichen Stadt. Über ein Göttinger Testament des 15. Jahrhunderts. Göttingen 1983, S. 24. StadtAZ, III o 8, Nr. 99, Geschossbuch 1610–1611, Bl. 172b, 179. StadtAZ, III o 8, Nr. 32, Geschossbuch 1542–1543, S. 99. Laut der Aussage des Chronisten Herzog besaß die Tuchmacherinnung sogar zwei Siechhäuser bei der Moritzkirche. In der Dissertation von Kummer wird diese Aussage übernommen und das Bestehen der beiden Häuser auf die Mitte des 16. Jahrhunderts datiert. Entsprechende archivalische Belege wurden nicht angezeigt. Dagegen wurde in den Ratsrechnungen nach dem Schmalkaldischen Krieg von zwei zerstörten Siechhäusern der Bäcker gesprochen, für die sich aber keine weiteren Indizien fanden. Uhlig sprach für diese Zeit von zwei Pesthäusern vor dem niederen Tor, wovon eines dem Rat, das andere der Tuchmacherinnung gehörte. StadtAZ, Ratsrechnungen 1545–1547, Nr. 2, Bl. 43. – HERZOG, Emil: Zwickau’s Gewerbswesen im Mittelalter. In: Zwickauer Wochenblatt 48/1850, H. 136 vom 16.11.1850, S. 975f. – KUMMER (Gewerbe und Zunftverfassung) 1921, S. 42. – UHLIG (Pest) 1943, S. 110f. Vgl. FABIAN (Schmalkaldischer Krieg) 1887, S. 92. – LÖFFLER / PESCHKE (Chronik) 1993, S. 36, 38. StadtAZ, III x 68, RP 1564–1566, Bl. 166–166b. Vgl. Ebd., Bl. 269b–270. – UHLIG (Pest) 1943, S. 110f.

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len hatte diese in tiefe Schulden gestürzt. Noch im Rechnungsjahr 1560/61 hatten sie gegenüber ihren Meistern mehr als 24 alte Schock an Verbindlichkeiten infolge der Investitionen „am hausse paue“.271 Dennoch erfolgte um 1580 ein Ausoder Anbau des Siechhauses mit einem neuen Raum.272 Laufende Reparaturarbeiten erforderten ständig neue Ausgaben für die Häuser. Das „heußlein“ der Schuhknechte auf ihrem Gartengrundstück wurde nach dem Schmalkaldischen Krieg anscheinend nicht wieder aufgebaut, der Garten selbst wurde 1613 verkauft.273 Die drei Siechhäuser der Tuchmacher, Schmiede und Bäcker nahmen jedoch die Krankenversorgung wieder auf, wenngleich vor allem bei den beiden Letzteren kein durchgängiger Bedarf existierte. Als besonders mitgliederstarke Innung erwarben die Tuchmacher 1567 sogar innerhalb der Stadtmauern ein zweites Haus in der Rosengasse für ihre pestkranken Mitglieder, über das leider nichts weiter bekannt ist.274 Mit der Qualität der Krankenpflege stand es dennoch nicht zum Besten. Lag es an den hohen Kosten oder am mangelnden Willen, dass der Rat Ende des 16. Jahrhunderts die Viermeister des Tuchmacherhandwerks tatsächlich auffordern musste, „Inn Zeitt der gefahr den Vnuormögenden zu hullff zu kommen, Item das sie Wertter für sich bestellen sollen“?275 Auch andere Handwerke, deren Bedürftige sich an den Gemeinen Kasten wandten, sollten nach Ansicht des Kastenvorstehers Engelhard Forstmann ihre eigenen Armen unterhalten, „damit der Casten solcher leute anlauf verschonet sei“.276 Doch die politischen Entwicklungen zerstörten alle Hoffnungen auf eine dauerhafte Verbesserung der Krankenversorgung. Der offizielle Eintritt Kursachsens in den Dreißigjährigen Krieg betraf die Siechhäuser der Zwickauer Handwerke direkt. Die Handwerkssiechhäuser wurden durch die Kriegswirren bereits 1632

 271 StadtAZ, X, 3, 59, Rechnung 1560/61, [unpag.]. Hinweise zu möglichen Rechnungen der Bäckergesellen über ihr Siechhaus tauchten nicht auf. Leider sind außerdem kaum Belege der Bäckerinnung aus dem 16. Jahrhundert erhalten. Die letzten Handwerksrechnungen vor 1560 stammen aus den Jahren 1521/22, die nächsten Jahresrechnungen erst wieder aus der Zeit ab 1586, in der allerdings keine Hinweise auf das Gesellensiechhaus zu finden waren. Ebd., Rechnung 1521/22, [unpag.]. – Ebd., Rechnung 1586/87, [unpag.]. 272 StadtAZ, III o 8, Nr. 68, Geschossbuch 1580–1581, S. 50. 273 StadtAZ, III o 8, Nr. 37, Geschossbuch 1547–1548, S. 97. – StadtAZ, III x 66a, RP 1547– 1548, Bl. 55b. – HERZOG, Emil: Zwickau’s Gewerbswesen im Mittelalter. In: Zwickauer Wochenblatt 48/1850, H. 141 vom 28.11.1850, S. 1009f. 274 Ders. (Chronik II/1) 1845, S. 315. Vermutlich diente es vorrangig der Versorgung armer, kranker Meister und Meisterfrauen. 275 StadtAZ, III x 75, RP 1597–1599, 1597/98, Bl. 272. 276 StadtAZ, A*A II 11, Nr. 28b, Bl. 17. Vgl. SCHLENKRICH, Elke: „Es will auch dem gemeynen kasten beschwerlich furfallen, dass er alle erhalten soll in sterbens zeiten“. Pest und Armenpolitik in sächsischen Städten des 16. Jahrhunderts. In: OEHMIG, Stefan (Hrsg.): Medizin und Sozialwesen in Mitteldeutschland zur Reformationszeit (= Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, Bd. 6). Leipzig 2007, S. 152.

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ein Opfer der Flammen, obwohl sie gerade zu dieser Zeit, in der die Pest in Zwickau täglich bis zu 60 Opfer forderte, dringend gebraucht wurden.277 Kaum dass die Krankeneinrichtungen in Schutt und Asche lagen, ging im Tuchmacherhandwerk „eine heimliche rede“ herum, der Stadtrat strebe eine Neuauflage seines alten Vorhabens und die konzentrierte Neuerrichtung der Handwerkssiechhäuser an anderer Stelle an. Auf einer Versammlung am 18. Januar 1632 sprachen sich der Ausschuss der Vierundzwanziger, ein Verwaltungs- und Kontrollorgan aus 24 gewählten Tuchmachermeistern, und weitere Delegierte der Meisterschaft gegen den sich mittlerweile erhärtenden Plan neu zu bauender Handwerkssiechhäuser „uf dem Bergk gegen die Ferbhäußer“ aus. „Man solte es durchauß nicht nachgeben, es würde dem Ferbhäußßern, Schloß, der Mühlen, besonders denen uf dem Graben sehr schädtlich sein, auch wo es nachgelaßen würde, die 278 gantze stadt angestecket werden möchte.“

Tatsächlich wurden die Vertreter der drei Handwerke knapp zwei Wochen später auf das Rathaus zitiert, wo ihnen die notwendige Verlegung angezeigt wurde. Der Rat führte als „rationes“ die schlechte Lage des alten und die günstige Lage des neuen Standortes an. Bislang wären die Fuhrstraße und die niedere Vorstadt durch das hohe Ansteckungsrisiko sehr gefährdet. Auch müssten die Kranken weit vor die Stadttore gebracht werden, wogegen der Ort „über der Trenckbrücken“ wirklich bequem zu erreichen wäre. Würden sich die Handwerke aber nicht friedlich in den Plan fügen, wurde ihnen angedeutet, dass in „künftiger Zeit, do etwan ein Ungelegenheit deßwegen entstehen möchte, sie alle Verantworttung haben solten“.279 Eine Übernahme der Kosten für die Verlegung der Gebäude kam für die Schmiede und die Bäcker nicht infrage. Beide Handwerke verwiesen auf ihre leeren Kassen. Somit fürchteten die Tuchmacher, dass sie als einziges Handwerk an den Kosten beteiligt würden. Anstelle der Siechhäuser sollten, so die Tuchmachermeister, doch die benachbarten Bauten umgesiedelt werden, „Aldieweill es nur zwey oder dreyer Herrn betrüb, welche Forbverger, Gühter undt gärden bey den Alten Siegheüßern hetten, undt solche gern hiedurch abschaffen wolten“.280 Außerdem sei eine Gefährdung der Handelsstraßen und der Stadt an dem neuen Standort viel eher gegeben. Die Tuchmacher verfassten deshalb ein gemeinsames Protestschreiben gegen das Vorhaben und drohten, dass sie, „wo solches über Verhoffen gescheen solte, Ihre Churf[ürstliche] Durchl[aucht] Steüer wie auch eineß E[hrbaren] Rahts [sic!] schultige gefell nicht entrichten wolden“.281 Eine  277 HERZOG (Chronik I) 1839, S. 168. – TEICHERT, Silva: Der schwarze Tod. In: Zwickauer Heimat-Journal 5/1997, H. 2, S. 27f. 278 StadtAZ, X, 49, 119, Bl. 17b. Die verschiedenen Färbhäuser und Mühlen der Tuchmacher wurden in den Geschossbüchern im südlich und südöstlich gelegenen vierten Vorstadtviertel „vnter dem Berge vnd vber der Mulden“ auf dem westlichen Muldeufer geführt. StadtAZ, III o 8, Nr. 21b, Geschossbuch 1531–1532, S. 42. 279 StadtAZ, X, 49, 119, Bl. 18b–19. 280 Ebd., Bl. 20. 281 Ebd.

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Reaktion der abgewiesenen Ratsherren ist nicht bekannt. Das ratsherrliche Vorhaben, die Handwerkssiechhäuser jenseits der Mulde hinter der Tränk- bzw. Paradiesbrücke zu konzentrieren, wurde jedenfalls verschleppt und schlug erneut fehl. Jüngere Nachrichten über die Handwerkssiechhäuser fanden sich für die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg nur sehr sporadisch. Noch 1679 war gegenüber der Tuchmacherinnung lediglich von einer „Siechhaus-Brandstätte“ mit Garten die Rede, weshalb ein rascher Wiederaufbau nicht mit Sicherheit konstatiert werden kann.282 Die Bäckergesellen waren zu einer Wiederaufrichtung ihres Siechhauses überhaupt nicht mehr in der Lage.283 Sie verkauften die wüste Brandstelle schon im März 1638 an den Bäckermeister Hanns Herrmans, der mit ihr aber kein Glück hatte. Das dort errichtete Haus brannte Ende der 1650er Jahre erneut ab.284 In der viel zitierten Chronik von Emil Herzog findet sich unter dem Jahr 1676 die Nachricht von einem bestehenden „Siechhause der geschenkten Handwerker“ auf dem niederen Anger.285 In einem anderen Aufsatz verwendet Herzog die Bezeichnung der „geschenkten Handwerke der Schmiede“. Damit könnte von einem (weiteren?) Siechhaus der Schmiede 1676 die Rede sein, welches sich vor dem niederen Tor nördlich der Stadt befand. Außer der chronikalischen Nachricht von Herzog gibt es keine Anhaltspunkte zu diesem „Siechhause der geschenkten Handwerker“.286 Das alte Siechhaus der Schmiede bestand jedenfalls an seinem angestammten Platz im Westen der Stadt fort, was hieß, dass sich die Schmiede zum zweiten Mal dem Wunsch des Magistrats widersetzten, ihr Siechhaus auf den auch als Vogelanger bezeichneten Fleck in den Norden der Stadt zu verlegen. Anlass dieser neuen Restrukturierungspläne war das Wüten der roten Ruhr im Zwickauer Umland. Da die Siechenhäuser des Rates ebenfalls den Kriegszerstörungen anheimgefallen waren, wurde den Stadtbürgern im Hochsommer 1676 mit einem Mal bewusst, wie „gar nötig“ der erneute Bau eines Siechhauses wäre. Umgehend  282 HERZOG (Chronik II/1) 1845, S. 525. 283 In den Geschossbüchern wurde die Brandstätte entsprechend nicht mehr unter dem Kapitel des zweiten Vorstadtviertels geführt, sondern unter der Rubrik „Geschoß der Burgere, so keine haußer mehr, sondern nur Stadt guthere haben“. StadtAZ, III o 8, Nr. 116, Geschossbuch 1630–1631, Bl. 85b. – StadtAZ, III o 8, Nr. 118, Geschossbuch 1634–1636, Bl. 116b. 284 StadtAZ, III o 8, Nr. 119, Geschossbuch 1654–1660, Bl. 88. – HERZOG (Chronik II/1) 1845, S. 446. Nach Herzog hätten die Bäckergesellen nicht nur ihre Brandstätte, sondern das Siechhaus gegen eine Stube und eine Kammer im „Raths-Siechhause“ an die Stadt verkauft. Dagegen spricht aber der eben genannte Eintrag im Geschossbuch. Ebd., S. 427. 285 Ebd., S. 520f. 286 Durchaus denkbar wäre ein Versehen Herzogs. Hatte der Chronist in seinem Eintrag den niederen mit dem Frauenanger verwechselt, würde sich das geheimnisvolle „Siechhaus der geschenkten Handwerker“ als das seit dem frühen 16. Jahrhundert bestehende Schmiedesiechhaus entpuppten. Dies würde nicht nur die fehlende Überlieferung über die erstere Einrichtung erklären, sondern auch, wieso in der Folgezeit stets nur von e i n e m Siechhaus der Schmiede die Rede war. In den geschenkten Handwerken, zu denen auch die Schmiede gehörten, galt im Unterschied zu den ungeschenkten Handwerken ursprünglich das Recht des Schenkens, d. h. des Ein- und Ausschenkens eines neu eintreffenden oder Abschied nehmenden Gesellen.

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beratschlagten die „Ehrbaren Herren“, was zu tun sei. Da die Zeit drängte und die Mittel für einen Neubau nicht aufgebracht wurden, entschied man sich, „daß mit den Schmieden geredet würde wegen ihre Sieghauses, damit mann sich deßen aufn fall bedienen köndte, aufn herbst wäre darnach anzuschicken holtz und andere nöthige mate287 rialien.“

Den Schmieden könne nach Ansicht der hohen Herren auch ein „Beytrag zum außbau“ ihres Siechhauses angeboten werden.288 Nachdem in den folgenden Wochen erste Ruhrkranke von auswärts nach Zwickau gelangt waren und in den Bürgerhäusern Unterschlupf gefunden hatten, erkundigten sich die Ratsherren, nach dem Zustand des Schmiede-Siechhauses. „Alleine es wäre das Sieghauß noch nicht außgebauet, daß mann niemand hinein setzen köndte.“289 Diese Baumaßnahmen müssten nun endlich vorangetrieben werden. Für die voraussichtlich notwendige Krankenwartung hatte der Rat ebenfalls einen Einfall. In früherer Zeit hatte der städtische Kuhhirte diese Aufgabe als eine Nebenverdienstmöglichkeit übernommen. Aufgrund der familiären Situation verbot sich die Beauftragung des derzeitigen Kuhhirten Lorentz jedoch, denn er „hätte Kinder und würde sich nicht schicken“. Als Alternative verfiel man auf den Schweinehirten. Dieser willigte unter Vorbehalt ein und „erclehret, ins Sieghauß zu ziehen, fordert aber wochentlich einen halben r zu seinen unterhalt“.290 Da die Ausmaße der bevorstehenden Seuchenkatastrophe nicht eindeutig abzuschätzen waren, sollte der Vorsteher des Gemeinen Kastens, der Ratskämmerer Peter Winter, alternativ zum Siechhaus des Schmiedehandwerks eine weitere Unterkunftsmöglichkeit sondieren. Er wurde beauftragt, mit einer armen Frau, die „noch eine feine, große Stube“ in ihrem Haus „drunten bey der Vogelstengen“ besaß, zu sprechen.291 Grundsätzlich erklärte sich diese zur Aufnahme der Kranken in ihr Haus bereit. Über eine Entschädigung wurde – wie auch mit dem Kuhhirten bzw. dem Sauhirten – Ende Oktober 1676 noch verhandelt.292 Über nähere Angaben zu der Frau oder zum Ausgang der Gespräche schweigen die Quellen. Im Sommer 1743 fand die Geschichte des handwerkseigenen, mittlerweile baufälligen Siechhauses der Schmiede vor dem Frauentor ein Ende. Nachdem  287 StadtAZ, III x 133, RP 1675–1676, Bl. 230b. 288 Ebd. Dass das Siechhaus der Schmiede, nicht jedoch ein Tuchmachersiechhaus in Vorschlag gebracht wurde, spricht dafür, dass es zu dieser Zeit ein solches nicht (mehr) gab oder es ständig überbelegt war. Indem in der Herzogschen Chronik von einer „SiechhausBrandstätte“ gesprochen wird, scheint erstere Variante wahrscheinlich. HERZOG (Chronik II/1) 1845, S. 525. 289 StadtAZ, III x 134, RP 1676–1677, Bl. 31b. 290 Ebd., Bl. 32. Bereits kurz nach Einrichtung des Siechhauses der Schmiede fand sich der Kuhhirte Wolff Tischer darin wieder. In der Zeit vor dem Schmalkaldischen Krieg tauchte er im Siechhaus der Bäckergesellen auf. Der Kuhhirte übernahm verschiedene Aufgaben der Krankenwartung. StadtAZ, III o 8, Nr. 29, Geschossbuch 1539–1540, S. 61. – StadtAZ, III o 8, Nr. 32, Geschossbuch 1542–1543, S. 57. – StadtAZ, III o 8, Nr. 35, Geschossbuch 1545–1546, S. 60. – StadtAZ, III o 8, Nr. 36, Geschossbuch 1546–1547, S. 63. 291 StadtAZ, III x 134, RP 1676–1677, Bl. 32. 292 Ebd., Bl. 32b–33.

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bereits die Stadt das Gebäude seit mehr als einem halben Jahrhundert mietweise genutzt hatte, unter anderem zur Krankenpflege fremder Glaubensflüchtlinge, trennte sich die Innung nun vollends davon und verkaufte es an die Stadt. Die langfristige Unterbringung des Hirten im Schmiedesiechhaus hatte dem Gebäude im 18. Jahrhundert mittlerweile die Bezeichnung „Hirthenhäußchen“ eingebracht.293 Seit Anfang des 16. Jahrhunderts hatten die bedeutendsten und mitgliederstärksten Zwickauer Handwerke eigene Siechhäuser errichtet, die relativ schnell Aufgaben der allgemeinen Kranken- und Armenpflege übernahmen. Doch welche weiteren Informationen sind über die Einrichtungen bekannt? Allein von der Bausubstanz dürften sich die verschiedenen Siechhäuser nicht wesentlich von den Wohngebäuden der Zwickauer Bürger unterschieden haben.294 Ob die Höhe des Geschossgeldes etwas über die Größe der Gebäude aussagen könnte, ist unsicher, da andere Faktoren ebenfalls bei der Festlegung dieser Abgabe eine Rolle spielten.295 Unter den in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts bestehenden Krankeneinrichtungen der Handwerksorganisationen wies das alte Tuchmachersiechhaus an der Moritzmühle die größte Kapazität auf. Mit Ausnahme des 1567 von den Tuchmachern erworbenen Hauses befanden sich alle handwerkseigenen Siechhäuser außerhalb der Stadtmauern und zumeist in der direkten Nähe von fließenden Gewässern. Der zirkulierende Luftaustausch in relativ unbebauter Umgebung und die erleichterte Wasserversorgung bildeten wichtige Elemente in den zeitgenössischen Vorstellungen für einen guten Hospital- bzw. Siechhausstandort. Über das Leben in den Zwickauer Handwerkssiechhäusern kann leider kaum etwas berichtet werden, doch allein mit dem Bau von Siechhäusern war eine adäquate Krankenversorgung offensichtlich nicht gewährleistet. Obwohl das Tuchmachersiechhaus 1520 erst um eine neue Stube erweitert worden war, klagten zeitgenössische Stimmen darüber, wie die Meister ihre Kranken und das Siechhausgebäude, das „gar ubel vorsehen“ sei, vernachlässigten. Der damalige Zwickauer Pfarrer fragte kritisch nach: „Wil man alleine heuser haben und nicht drein bestellen, wie sal kranken leuten geholfen, gedint und gewartet werden?“296 Ob sich aufgrund des Appells, sich intensiver den armen Kranken zuzuwenden, etwas veränderte, muss offenbleiben.  293 StadtAZ, III x 235, RP 1742–1743, Bl. 243b. – FABIAN, Ernst: Die Salzburger Emigranten in Zwickau im Jahre 1732. In: Mitteilungen des Altertumsvereins für Zwickau und Umgegend Heft X, 1910, S. 145. – HERZOG (Chronik II/2) 1845, S. 617. 294 FRIEDRICH (Zwickau) 1935, S. 11. Walter Moschek spricht übrigens davon, dass die Innungen der Tuchmacher, Schmiede, Bäcker „und noch mehr“ eigene Siechhäuser besessen hätten, ohne dies näher auszuführen. MOSCHEK, Walter: Vom Reichen- und vom Armenspital. Die Anfänge der Krankenfürsorge in Zwickau. In: Pulsschlag. Kulturspiegel mit vollständigem Veranstaltungsplan für Stadt und Kreis Zwickau Februar 1962, S. 12. 295 Das Geschoss des Bäckergesellensiechhauses lag i. d. R. etwas höher als derjenige des Schmiedesiechhauses. 296 GROSS (Denkschrift) 1982, S. 62f.

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Die Rechnungen der Tuchknappen- und Kämmerinnenorganisation geben zumindest ein paar Anhaltspunkte über die Zustände im Tuchmachersiechhaus. Ein der Rechnung von 1539/40 angeschlossenes Inventar verzeichnete „an farender habe vnd haußgeredte Inn der Meister hauß“, wie das Siechhaus auch genannt wurde, 17 oder 18 Betten mit Bettzeug, darunter ein „böße pette“.297 Für eine Gemeinschaft von mehr als 400 Personen298 war dies in seuchengefährdeten Zeiten eine notwendige Größenordnung. Die Betten und das Bettzeug stellten die wichtigsten Wertgegenstände des Hauses dar. Daneben wurden kaum noch Sachgüter aufgeführt, lediglich ein Tisch und mehrere Behältnisse nannte das Inventar. In das „Meister hauß“ lieferte die Organisation der Knappen und Kämmerinnen Nahrungsmittel, Stroh, Späne, Töpfe, Leinwand und Tücher auf ihre Kosten. Sogar eine Badestube wurde den Kranken im Siechhaus zugebilligt, für die bald eine Wanne geliefert wurde.299 Die Kosten für Ausbesserungsarbeiten, wie die Verkleidung der Esse, für Krankentransporte und für medizinische und chirurgische Behandlungen und Medikamente wurden übernommen und die Kranken mit kleineren Geldbeträgen unterstützt.300 Ein Wirt hatte die Aufsicht über die Kranken inne und sorgte dafür, dass die Anweisungen des Arztes und des Barbiers befolgt wurden. Den Pflegenden stand ein Spinnrad zur Verfügung. Das informationsreiche „Tuchknappenregister“ endete im Jahr 1542. Seit dieser Zeit tauchten vereinzelt Ausgaben für das Siechhaus und die darin befindlichen Kranken auch in den Tuchmacher-Handwerksrechnungen auf.301 Überhaupt wurde die Verköstigung und Pflege der Insassen durch die Handwerksorganisationen oder, so vorhanden, durch die Angehörigen übernommen. Im Gegensatz zu den städtischen Hospitälern verfügten die Handwerkssiechenhäuser über kein eigenes Vermögen, was die permanente ökonomische Abhängigkeit von der jeweiligen Innung oder Gesellenschaft erklärt. Ihre Auslastung schwankte je nach Krankenstand der Korporation. Die Übernahme krankenpflegerischer Aufgaben durch ältere, ärmere Einwohner ohne einschlägige Berufserfahrungen oder niedere städtische Angestellte  297 StadtAZ, X, 49, 135, Rechnung 1539/40, Bl. 18. 298 Zu den 300 oder mehr Gesellen kamen noch einmal bis zu 125 Kämmerinnen. Ob die ca. 100 Radspinnerinnen nicht auch Aufnahme im Meisterhaus fanden, ist ungewiss. Dafür wurden auch Ehepartner und Kinder aufgenommen. Die Zahlenangaben nach einem Vortrag von Helmut Bräuer im Leipziger Stadtarchiv: „Soziale und wirtschaftliche Verhältnisse im Erzgebirgsraum zur Zeit Adam Ries’“ (vom 12.11.2009). 299 StadtAZ, X, 49, 127, Rechnung 1542/43, Bl. 24b. – StadtAZ, X, 49, 135, Rechnung 1538/39, Bl. 20b. 300 Ein früher Beleg über zwei Groschen, die „den knapen In sichhaus vmb Gotz willen“ gespendet wurden, stammt aus einer Rechnung von 1521/22, die den Leinewebern zugeordnet wurde. Wahrscheinlich gehört sie entweder zur Tuchmacherinnung, da die Leineweber kein eigenes Siechhaus besaßen und die Rechnung selbst keinen Hinweis auf die Leineweber gibt oder es wurde das 1521 neu erworbene Pesthaus des Rates angesprochen. StadtAZ, X, 25, 66, Vol. I, Rechnung 1521/22, [unpag.]. 301 StadtAZ, X, 49, 127, Rechnung 1542/43, Bl. 24b–25. – Ebd., Rechnung 1616/17, [unpag.]. – StadtAZ, X, 49, 137, Bl. 66b, 91.

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(Viehhirten, Totengräber302), die sich neben ihren täglichen Pflichten um die Kranken kümmern sollten, wirft ein bedenkliches Bild auf die Qualität des frühneuzeitlichen Krankenwesens. Wichtig war die seelsorgerische Versorgung der Insassen, die von der Zwickauer Geistlichkeit mit übernommen wurde.303 Insgesamt war die Dichte von bisweilen fünf oder sechs handwerkseigenen Siechhäusern, die ebenfalls für die allgemeine Krankenversorgung genutzt wurden, in der Stadt Zwickau vor dem Dreißigjährigen Krieg bemerkenswert. In keiner der drei anderen sächsischen Städte wurde solch eine Häufung an Selbsthilfeeinrichtungen erreicht. Gerade die Anfang des 16. Jahrhunderts in drei verschiedenen Handwerken eingerichteten Siechhäuser sprechen einerseits für ein erhebliches Solidaritätsgefühl innerhalb der jeweiligen Handwerkskorporation. Andererseits deuten sie auf ein hohes Maß an sozialem Sicherheitsinteresse hin, das durch ratsherrliche Aktivitäten offensichtlich nur unzureichend bedient wurde.304 Dass die Qualität der Unterbringung, Beköstigung und Pflege kranker Personen sowie deren medizinische Behandlung ausreichend Anlass zur Kritik geboten hat, soll dabei dennoch nicht vergessen werden.

 302 Unweit von Zwickau soll im vogtländischen Reichenbach im Falle einer Epidemie bis weit ins 19. Jahrhundert hinein der Totengräber zur Wartung der Kranken verpflichtet worden sein. KÖHLER, Johann August Ernst: Volksbrauch, Aberglauben, Sagen und andre alte Ueberlieferungen im Voigtlande, mit Berücksichtigung des Orlagau’s und des Pleißnerlandes. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte der Voigtländer. Leipzig 1867 (ND Leipzig 1978), S. 630. 303 FRIEDRICH (Zwickau) 1935, S. 53. In Leipzig wurde 1539 ein Kaplan zu St. Thomas eingestellt, der „sol auch die krancken visitiren“. StadtAL, Rb 7 (1537–1542), Bl. 149b. Allgemeinverbindlich bestimmte die kursächsische Kirchenordnung von 1580 schließlich, dass die Ortspfarrer die Kranken fleißig zu besuchen hatten. Des Durchlauchtigsten, Hochgebornen Fürsten vnd Herrn, Herrn Augusten, Hertzogen zu Sachsen, des h. Römischen Reichs Ertzmarschalln, vnd Churfürsten [...] Ordnung, Wie es in seiner Churf. S. Landen, bey den Kirchen, mit der lehr vnd Ceremonien, deßgleichen in derselben beyden Uniuersiteten, Consistorien, Fürsten vnd Particular Schulen, Visitation, Synodis, vnd was solchem allem mehr anhanget, gehalten werden sol. In: RICHTER, Aemilius Ludwig (Hrsg.): Die evangelischen Kirchenordnungen des sechszehnten Jahrhunderts. Urkunden und Regesten zur Geschichte des Rechts und der Verfassung der evangelischen Kirche in Deutschland. Zweiter Band: Vom Jahre 1542 bis zu Ende des sechszehnten Jahrhunderts. Weimar 1846, S. 444. 304 Allein die Aufnahmekapazität bestehender kommunaler Fürsorgeeinrichtungen bewies die subsidiäre Rolle, welche die obrigkeitliche Hospitallandschaft gegenüber den verschiedenen Formen der Selbsthilfe und der offenen Armenfürsorge spielte. Vgl. BRÄUER, Helmut: Armsein in obersächsischen Städten um 1500. Sozialprofile und kommunale Handlungsstrategien vor der Reformation. In: OEHMIG, Stefan (Hrsg.): Medizin und Sozialwesen in Mitteldeutschland zur Reformationszeit (= Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, Bd. 6). Leipzig 2007, S. 31f. – DINGES (Armenfürsorge) 1991, S. 19. – SCHEFFLER (Krankenhaus zu St. Jacob) 2004, S. 222.

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B) Leipziger Intermezzo Wies die Quellenüberlieferung zu den handwerkseigenen Siech- und Krankenhäusern in Zwickau schon erhebliche Lücken auf, stellt sich die Informationsbasis für die übrigen drei Städte noch ungünstiger dar. Nur sehr wenige Hinweise fanden sich für Einrichtungen in Leipzig. Im Regelfall wurden auch hier kranke Gesellen (und Meister) mutmaßlich entweder im Meisterhaushalt, bei der eigenen Familie, auf der Herberge oder in städtischen bzw. kirchlichen Einrichtungen versorgt. Größere Gesellenorganisationen verhandelten – meist vermittelt durch ihre Meister – mit den Leipziger Hospitaleinrichtungen. Im Vorfeld solcher Unterredungen über eine eigens für sie gemietete Krankenstube im Hospital St. Georg305 war den Leipziger Schneidergesellen im Jahr 1607 noch eine andere Idee zur Unterbringung ihrer Kranken in den Sinn gekommen. Problematisch gestaltete sich nämlich die Situation besonders für die Pestkranken, Syphilitiker und jene Personen mit anderen ansteckenden Krankheiten, die keine Aufnahme in die Krankenstube im Georgenhospital fanden.306 Die Schneidergesellen beratschlagten, ob „wir für die krancken ein hauß keüffen solten vndt iemandts darein nehmen, der die krancken wartten thete. Weil wir den ohne eines handtwergs wissen nichts haben fürnehmen können, Als haben wir ein gantz handtwerg fordern lassen, ihme solches fürgehalten Vndt ihr beden307 cken gehöret, Haben derowegen vielerley bedencken gehabt vndt ist allerley fürgefallen.“

Der Plan kam somit (vorerst) nicht zur Ausführung, denn die Meisterschaft führte erhebliche Bedenken an. Selbst wenn die Anschaffungskosten aufgebracht werden könnten, wären die beträchtlichen Unterhaltungsaufwendungen und das Risiko eines Totalverlusts „durch verwarlosung mit brandtschaden“ zu bedenken. Das  305 Zur Geschichte des Hospitals St. Georg in Leipzig siehe: ODIN, Alfred: Entwicklung des Georgen- und des Johannishospitals zu Leipzig bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Diss. Leipzig. Halle an der Saale 1914. – WUSTMANN, Gustav: Das Leipziger Georgenhospital. In: Leipziger Tageblatt und Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Polizei-Amtes der Stadt Leipzig 1901, Nr. 240, S. 3487. – Ebd., Nr. 241, S. 3509f. Als knappe, aber großzügig bebilderte, populärwissenschaftliche Darstellungen sind zu nennen: Bezirkskrankenhaus „St. Georg“ Leipzig (Hrsg.): Bezirkskrankenhaus „St. Georg“ Leipzig. Geschichte und Gegenwart 1213 – 1913 – 1988. Leipzig 1988. – SEYFARTH, Carly: 725 Jahre Hospital zu St. Georg in Leipzig. Leipzig [1938]. Zu letzterer Schrift erschien ein Jahr später ein erster, deutlich umfassenderer Forschungsband, der die Entwicklung des Hospitals bis zum Jahr 1631 nachzeichnet. Ursprünglich waren von dem Autor drei Bände konzipiert worden, doch unterblieben aufgrund des Weltkriegs weitere Veröffentlichungen. Ders. (Das Hospital zu St. Georg) 1939. Erhaltene Haushaltsrechnungen des Georgenhauses wurden von Eduard Erich Koehler bezüglich der Lohn- und Preisentwicklungen ausgewertet, wobei der Schwerpunkt der Ausführungen auf dem 19. Jahrhundert lag. KOEHLER, Eduard Erich: Haushaltsrechnungen des Georgenhauses zu Leipzig. Preise, Löhne, Lebensmittelverbrauch und verpflegte Personen, bearbeitet auf Grund der im Stadtarchiv Leipzig aufbewahrten Rechnungen und Belege. In: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1967, Teil IV, S. 347–405. 306 StadtAL, Inn Schneider C 1, Bl. 18b. 307 StadtAL, Tit. LXIV (F) 151, Vol. I, Bl. 3.

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mahnende Beispiel des vor wenigen Jahren durch Unachtsamkeit der Insassen niedergebrannten „Oberhauses“ im Leipziger Johannishospital308 schwebte den Meistern nur allzu gut noch vor Augen. Und würde nicht, wie die Meister vermuteten, „auch allerley störrerey, auch sonsten viel vngelegenheit daraus erfolgen“? Besonders belastend aber wäre die Außenwirkung, die ein solches Projekt mit sich bringen würde. Die gute Versorgung der kranken Schneidergesellen in Leipzig würde in den umgebenden Städten eine hohe Anziehungskraft auf deren gebrechliche und arbeitsunfähige Gesellen ausüben, so „das sich aus andern städten viel krancke herfinden möchten“.309 Wann genau die Schneidermeister ihre Meinung revidierten, kann nicht genau gesagt werden. Auf jeden Fall wurde das Vorhaben in die Tat umgesetzt. Es stand aber leider unter keinem guten Stern. Zwischen 1607 und 1631 brannte das zur Krankenversorgung erworbene Haus auf dem „Hane-Kamm“ im Dreißigjährigen Krieg völlig ab. Da die bisherige Krankenstube mitsamt dem Georgenhospital seit 1631 ebenfalls in Trümmern lag, das Handwerk „keine mittel zu deßen wiederauffbauung“ auftreiben konnte und sinkende Mitgliederzahlen oder steigende Gerichtsprozesskosten die Schulden der Innung schnell steigen ließen, sah man sich zum Verkauf der verödeten Brandstätte an einen Handelsmann gezwungen.310 Eine eigene Krankenversorgungsanstalt unabhängig von der Gesellenherberge blieb somit nur vorübergehende Episode, obwohl sich die Schneider von der Idee noch nicht recht verabschieden wollten. In den vom Rat bestätigten Verkaufsvertrag nahmen sie die Klausel auf, „daß sie ins Künfftige, wann sie zu mitteln gelangen möchten, wieder anderswo ein häußlein zubauen oder zuerkauffen, daß sie die Krancken Gesellen hinwiederümb hinein thun mögen, Welche gerechtigkeitt sie das Schneiderhandtwerck sich außdrücklich vorbehalten haben 311 will“.

Über zwei weitere Versorgungseinrichtungen vorrangig für kranke Gesellen berichten kurze Einträge in den Leipziger Schöffenbüchern. Lediglich als Nebenbemerkungen zu ratsherrlich bestätigten Hausverkäufen fanden sie sich wieder. So kamen die Schuhknechte im Februar 1535 gegen Barzahlung von 56 Gulden in  308 Mit der Entwicklung des Johannishospitals beschäftigten sich besonders: GEFFCKEN, Heinrich: Zur Geschichte des Leipziger Johannishospitals. In: Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung 1897, Nr. 23, S. 89–91. – ODIN (Georgen- und Johannishospital) 1914. Jüngere medizinhistorische Dissertationen sind für die Beantwortung der hier interessierenden Fragestellungen nicht hilfreich. Vgl. HANICKE, Ottmar: Zur Medizin-Geschichte des St. JohannisHospitals in Leipzig. Diss. Leipzig 1947. – KERL, Matthias: Entwicklung und Schicksal des Johannishospitals zu Leipzig. Diss. Leipzig 1996. 309 StadtAL, Tit. LXIV (F) 151, Vol. I, Bl. 3. Vgl. GEFFCKEN (Johannishospital) 1897, S. 91. 310 StadtAL, Rb 102 (1653–1654), Bl. 32–33b. – VOGEL (Geschicht-Buch) 1756, S. 448. Der „Hane-Kamm“ befand sich im Norden der Grimmaischen Vorstadt. Die seit dem frühen 20. Jahrhundert „Hahnekamm“ genannte Leipziger Straße ist eine Parallelstraße einer östlich gelegenen älteren, die ihren historischen Namen aber schon im 19. Jahrhundert verlor. KLANK, Gina / GRIEBSCH, Gernot: Lexikon Leipziger Straßennamen. Leipzig 1995, S. 94. 311 StadtAL, Rb 102 (1653–1654), Bl. 32b.

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den Besitz einen Hauses „vf der neustrassen“, welches sie, wie die bisherigen Eigentümer angaben, „zu einer herberg vor krancke vnd verwunte gesellen yres hantwergs“ nutzbar machen wollten.312 Woran es lag, dass die angedachte „herberg“ nach nicht einmal sieben Jahren wieder verkauft wurde, bleibt im Dunkeln. Vielleicht trieben zu hohe Schulden die Gesellen dazu, denn schließlich traten nicht sie, sondern zwei Schuhmachermeister als Vertreter des Handwerks vor den Magistrat, um „des handtwercks heußleyn, welchs sie vor krancke gesellenn gehapt“, wieder zu veräußern.313 Bereits 1524 hatte Andres Weber sein Haus, „vf der hellischenn brucken neben Mathes Heinz des Hutters hause gelegen“, den Gebergesellen Leipzigs für den Kaufpreis von 105 Gulden überschrieben, damit sie es „vor krancke gesellen yres hantwergs vnd sonst yres gefallen vnd besten nutzes“ gemäß gebrauchen konnten.314 Über die weitere Entwicklung dieses und gegebenenfalls weiterer handwerkseigener Krankenversorgungseinrichtungen in Leipzig ist nichts bekannt.

C) Dresdner handwerkseigene Krankenanstalten bis ins 19. Jahrhundert In seiner 1817 erschienenen Darstellung der königlich sächsischen Landeshauptstadt behauptete der gebürtig aus Düsseldorf stammende Jurist Wilhelm Adolf Lindau, dass für „die meisten Innungen“ eigene Krankenhäuser existieren würden.315 Der Aussage sollte lieber kein Glauben geschenkt werden, stellte sie doch eine erhebliche Übertreibung dar, da es zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nur noch ein handwerkseigenes „Krankenhaus“ in Dresden gab. Dagegen bestanden im 17. und 18. Jahrhundert zumindest drei oder vier weitere vergleichbare Einrichtungen. Am Ende des Jahres 1675 schrieben die „Gesellen und Junger“ der Schlosser, Sporer, Büchsen-, Uhr- und Windenmacher sowie der Nagelschmiede, die in einer gemeinsamen Handwerksorganisation verbunden waren, an die etwa 30 Innungsmeister316 und sprachen zugleich auf dem Handwerksquartal vor. Weil „die Hiezigen Kranckheiten ie mehr und mehr zunehmen“,317 sei man nicht nur schwer besorgt, sondern strebe eine dauerhafte Lösung an. Weil „Wir Gesellen und Junger aber hierdurch in nicht wenig bekümmernüß und Noth gesezet werden, Theils daß wir frembde und dahero Von Denen Meistern bey Anmerckung einiger Unbäßligkeit könten Verstoßen werden, (Maßen dann von Manchen schon geschehen) theils auch wegen der Unkosten, daß uns die Krancken auff die Herberge zur Verpflegung und Unterhaltung geschicket und Unsere Lade (der Sie auch theils noch mit Schuld verhafftet sind)

 312 313 314 315 316 317

StadtAL, Schöffenbuch 1534–1537, Bl. 104. StadtAL, Schöffenbuch 1540–1542, Bl. 240–240b. StadtAL, Schöffenbuch 1522–1525, Bl. 229b–230. LINDAU (Gemählde von Dresden) 1817, S. 145. RICHTER (Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte I) 1885, S. 211. StadtAD, 11.2.52, Schlosser-Dep. Nr. 1, Beleg Nr. 16, [unpag.] (Protokoll vom 19.12.1675).

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4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften nicht nur gänzlich erschöpffet, Sondern auch dadurch die Gesunden leichtlich können angestecket werden, in dem aus der Herberge der Reisenden und Zusammen kommenden leichtlich ein Lazareth entstehen kan. [Da] Wir aber auch ohne diß gesonnen gewesen, die Herberge zu endern, umb deß willen aber fast niemand zu bereden [wäre], uns ein Zunehmen, aus besorgung, daß mehr ein Siechenhaus und Kranckheiten als Nuzen von uns zu hoffen wäre 318 etc.“,

verlangte die akute Krankenversorgung nach einer zielführenden Alternative. Zu den angeführten Gründen kamen Auseinandersetzungen mit der Familie des Herbergsvaters.319 In Zeiten akuter Seuchengefahr bildete somit die herkömmliche Pflege im Meisterhaushalt oder auf der Gesellenherberge kein probates Mittel, um der Versorgung der Kranken einerseits und dem Schutz der Gesunden andererseits ausreichend gerecht zu werden. Da es aber „die Christliche liebe erfordert“ und dies auch „so wohl Meistern als Gesellen Rühmlich und Dienlich“ wäre, hatten sich die Burschen für einen anderen Weg entschieden. Wie bereits mit dem Hinweis auf die Entlassungen kranker Gesellen durch einzelne Meister in der Vergangenheit angedeutet, übten sie hier nochmals vorsichtige Kritik an der Haltung ihrer Arbeitgeber. Sie lobten aber zugleich die Vorteile der neuen Idee, um die Meister für ihr Vorhaben gnädig zu stimmen. Was war der Plan? Die Gesellen wollten jeder alle vier Wochen über die gemeine Auflage nochmals drei Pfennig erlegen, um damit „eine absonderliche Herberge vor die Krancken sambt einem bette zu verordnen und anzuschaffen, darmit wir nicht alleine die Nachrede nicht haben, daß es an geringer örthen ordentlicher und Christlicher in Verpflegung zugehe, Sondern auch theils eine besondere Herberge, da die gesunden, (die sonsten leicht einen abscheu und Eckel faßen köndten) die Handwercks 320 Gewohnheit pflegen, die Krancken aber beßer verpfleget werden können“.

Die Meister, die bei den Gesellen mit einer alten Obligation über 25 Gulden noch in den Schulden standen, verbanden ihre Zustimmung mit einem für sie vorteilhaften Geschäft. Auf der einen Seite verhalf die Innung den Gesellen mit sechs Gulden zu einem Bett für die neue Gesellenherberge und genehmigte außerdem zwei Taler für den Umzug der Gesellenlade aus der alten in die neue Herberge. Auf der anderen Seite durfte die Gesellenschaft keine weiteren Forderungen an die Meisterschaft stellen und musste die alte Schuldverschreibung den Obermeistern aushändigen. Alle anfallenden Aufwendungen für die „neüe Krancken Herberge“ inklusive des Hauszinses mussten aus der Gesellenlade finanziert werden. Würde die um drei Pfennig erhöhte Auflage nicht ausreichen, sollten Zuschüsse aus der Gesellenlade genommen werden, ohne die Handwerkszunft zu belasten.321 Über die Kranken- oder „Patienten Herberge“ ist nichts weiter bekannt, als dass sie außerhalb der Stadtmauern „vor dem Thore“ lag und gegen einen Miet 318 319 320 321

Ebd., [unpag.] (Schreiben vom 19.12.1675). Ebd., [unpag.] (Protokoll vom 18.09.1675). Ebd., [unpag.] (Schreiben vom 19.12.1675). Ebd., [unpag.] (Protokoll vom 21.01.1676).

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zins den Gesellen überlassen wurde.322 Während Ende 1771 „kein à partes Kranckenhauß, sondern nur eine Krancken-Stube gemiethet“ wurde, nahm das neue städtische Krankenhaus Ende des 18. Jahrhunderts die kranken Schlosser-, Sporer- und anderen Gesellen ohne Schwierigkeiten auf. Diese Information lässt darauf schließen, dass zu dieser Zeit kein Mietverhältnis für die alte „Patienten Herberge“ mehr bestand.323 Knapp zehn Jahre, nachdem die Schlosser- und Sporergesellen eine besondere Einrichtung für ihre notleidenden Kranken durchgesetzt hatten, folgte das erheblich größere Schneiderhandwerk. Im Juni 1685 erwarb die Schneiderinnung für 150 Meißnische Gulden von Sophia Sauerin, der hinterlassenen Tochter des Soldaten Christian Müller, ein mit Schulden und einer Erblast behaftetes Haus vor den Stadtmauern Dresdens „nächst dem Teich“.324 Dieses „vor dem Wilsdruffer Thor, Viehweider Gemeinde, in der Schießgaße gelegene, mit No. 960 catastrirte, zum Behufe einer Kranken-Anstalt der Schneider-Gesellen erkaufte, so genannte 325 [...] Patienten-Haus“

bestand aus „zwey Stuben und Camern“.326 1798 wurde eine der unteren Stuben für fast 170 Taler in eine „Todtenkammer“ umgewandelt.327 Obwohl keine aussagekräftigen Rechnungen der Schneidergesellen überliefert sind, ist aufgrund einzelner Hinweise davon auszugehen, dass die Gesellenschaft die Kosten der Krankenpflege übernahm, während die Innung laut den Handwerksrechnungen alle Aufwendungen beglich, die für die Immobilie selbst anfielen. Die versorgten, armen Schneidergesellen waren i. d. R. nicht in der Lage, die aufgelaufenen Kosten der Pflege und Beköstigung zurückzuerstatten und bei verstorbenen Gesellen deckte der Nachlass fast niemals die Unkosten. Aufgrund der geringen Mitgliedsbeiträge verschuldete sich die Gesellenkorporation daher immer mehr, sodass sie faktisch jegliche finanzielle Autonomie über die Gesellenlade an die Meister abtreten musste.328 Auch die Bestandserhaltung des Gebäudes erforderte nicht unwesentliche Aufwendungen. Neben den regelmäßigen Steuern und den Erbzinsen waren, wie  322 StadtAD, 11.2.52, Nr. 10, Bl. 26. 323 StadtAD, RA, C. XXIV. 215o, [unpag.] (Registratur vom 30.11.1771). – StadtAD, RA, F. XXI. 14y, [unpag.]. 324 StadtAD, 11.2.54, Nr. 160, Bl. 51–56. 325 Ebd., [unpag.] (Kaufvertrag vom 25.02.1817). 326 Ebd. In einer Beschreibung von 1820 wurde das Patientenhaus als ein zweigeschossiger, hölzerner Bau mit einem Erdgeschoss, einer einzigen Stube im oberen Stock und „mit deutschen Dache“ charakterisiert, zu dem es noch ein kleines, einsturzgefährdetes „Holzschüppchen“ gab. Ebd., Bl. 37, 39. 327 Ebd., Bl. 6. 328 StadtAD, 11.2.54, Nr. 27, Bl. 4. Kurz vor der Auflösung der alten Gesellenlade betrugen die Schulden der Gesellenschaft gegenüber der Innung trotz des Verkaufs des silbernen Willkommens, eines großen Schenk- und Trinkgefäßes von hohem symbolischem Gehalt, noch 550 Taler. StadtAD, RA, C. XXIV. 110, Bl. 112b.

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die Handwerksrechnung von 1720 auf 1721 berichtet, Kosten für Reparaturarbeiten und das Weißen der kleinen Stube und Kammer fällig.329 Gab es freie Kapazitäten, wurden bisweilen handwerksfremde Untermieter aufgenommen. Im Haus selbst lebte noch eine mit der Krankenpflege beauftragte Wärterin. Dennoch konnte das Patientenhaus entsprechend seinem Zweck nie wirtschaftlich gewinnbringend betrieben werden, da außer einem Zuschuss durch die ohnehin hoch verschuldete Gesellenschaft und den wenigen Mieteinkünften keine von der Innung unabhängigen Einnahmequellen erschlossen werden konnten.330 Auf kranke Schneidergesellen in den umliegenden Ortschaften und deren Handwerkskorporationen wirkte das Dresdner „Patientenhaus“ als Anziehungspunkt. Nicht allein unter Beachtung der hereinbrechenden Hungerkatastrophe Anfang der 1770er Jahre muss der Bericht der Ältesten der Schneiderinnung betrachtet werden. Sie schrieben, „daß sie zwar in dem heurigen Jahre sehr viele Krancke Gesellen aufnehmen müßen, da ihnen solche von dem Land-Volcke auf Schübeböcken zugeführet worden wären“. Allerdings hätten nun endlich die ratsherrlichen Verfügungen, solche kranken Burschen nicht mehr in die Stadt zu lassen, die Lage im Schneider-„Krankenhaus“ entspannt.331 Auch sollte kein Geselle, „der an einer Venerischen Kranckheit laborire“, dort nunmehr auf Kosten der Gesellenlade versorgt werden, „weil doch dergleichen Kranckheiten blos durch eine liederliche Lebens-Art ein jeder sich selbst zuzüge“.332 In den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts hatte sich der bauliche Zustand des Patientenhauses nach Aussage der Innungsältesten enorm verschlechtert. Eine Vermietung wäre nicht mehr möglich und unter Berücksichtigung der geringen finanziellen Spielräume der Gesellenlade bzw. der Gesellenverpflegungskasse musste sich die Innung immer stärker an den Kosten der Krankenversorgung beteiligen. Der Oberälteste, der Schneidermeister Johann Peter Holl, schrieb im September 1818 an den Dresdner Stadtrat über das Patientenhaus: „Dieses Hauß hatte zwar par Terre noch eine Stube, welche aber nicht vermiethet werden konnte, sondern zur Aufbewahrung der Verstorbenen benöthigt war. Um aber nur allen möglichen Vortheil daraus zu ziehen, so wurde im Jahr 1798 eine so genannte Todtenkammer erbauet, welcher Bau nebst andern nöthigen Reperaturen laut Rechnungs-Buch 169 r 21 g 3 d betrug, und das par Terre wurde jährlich um und vor 10 r vermiethet. Aber [weil es] wegen Feuchtigkeit der Stube und der in der Nähe befindlichen Todtenkammer wenig Abmiether fand und daher in verschiedener Zeit von der dürftigsten Claße bewohnt wurde, welche mehrsten Theils ohne den gehörigen Mietzinns zu entrichten, ausgezogen sind, wovon gegenwärtig noch Reste vorhanden und der würklich erfolgte, bestund wenig im baaren Gelde, indeme vorgefallne kleine Reperaturen und andere Abgaben, weil kein Haußwirth gegenwärtig, als Wachtzettel, Abschätzung, Brand-Casse, Schülern, Haußzettel zu fertigen, Ofen

 329 StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 46, [unpag.] (Besitzverzeichnis von 1723). – StadtAD, RA, C. XXIV. 20, [unpag.]. Über einen baurechtlichen Nachbarschaftsstreit, in dem unter anderem auf die Lage des Patientenhauses eingegangen wurde, siehe: StadtAD, RA, A. XXIII. 262y. 330 StadtAD, 11.2.54, Nr. 160, Bl. 6–7b. 331 StadtAD, RA, C. XXIV. 215o, [unpag.] (Registratur vom 28.11.1771). 332 StadtAD, 11.2.54, Nr. 27, Bl. 4.

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abzuheben, Schleußen und Cloackgrube zu reinigen und derg[leichen] mehr, so viel als der Miethzinns betrug, und grose Reperaturen, welche bey der Baufälligkeit des Haußes täglich zu erwarten waren, immer auf Kosten der Innung geleistet werden mußten, wie nachfolgender 333 Extract aus den Jahres-Rechnungen erweiset.“

Die erwähnten Jahresrechnungen belegten jährliche Defizite für das Patientenhaus, sodass die Handwerksinnung beständig Zuzahlungen leisten musste. Wahrscheinlich hatte sich die pekuniäre Situation Anfang des 19. Jahrhunderts für die Schneider erneut zugespitzt und auch ökonomisch hatte das zünftige Handwerk mit den unzähligen Pfuschern und Störern und den sich ausbreitenden Textilmanufakturen zu kämpfen. Doch ein anderer Fakt veränderte die Lage so sehr, dass die Motivation der Schneiderinnung, das zunfteigene Patientenhaus fortan noch zu betreiben, dramatisch sank. Aufgrund der Gründung des Hohenthalischen Krankenstifts wurde das der Innung gehörende Patientenhaus nach 1810 faktisch nicht mehr zur Versorgung kranker Gesellen genutzt,334 sodass dessen ursprünglicher Verwendungszweck entfiel. Von der Gesellenverpflegungskasse hatte die Innung für die Unterhaltung des Hauses damit natürlich keine weiteren Mietzahlungen oder sonstigen Unterstützungen zu erwarten. Daher wurde, nachdem die Napoleonischen Kriege überstanden waren, das ehemalige Patientenhaus im Februar 1817 für 280 Taler an einen Maurer verkauft.335 Als die Schneider jedoch den Stadtrat um eine Konfirmation des Vertrags ansuchten und obwohl der Ratsdeputierte bei der Innung Ende des vorigen Jahres seine Zustimmung zu diesem Vorhaben kundgetan hatte, verweigerte der Rat die Genehmigung. Die Begründung dieser abschlägigen Haltung ging den Schneidern prompt zu. Der damalige Innungsobermeister Johann Samuel Winckler habe den Verkauf eigenmächtig „ohne Decret“ vollzogen und die Nachteile, die der Korporation daraus erwüchsen, nicht bedacht. Die Schneiderobermeister argumentierten, den Kranken käme im Hohenthalischen Krankenstift „mit leichteren Kosten eine beßere zweckmäßigere Pflege“ zu, wogegen das heruntergekommene Patientenhaus permanent Anlass zu „immerwährenden Klagen der Gesellen über schlechte Abwartung“ gegeben habe. Erst nach zähen Verhandlungen, der Vorlage verschiedenster Gutachten, Kostenaufstellungen und Rechnungsprüfungen stimmte der Stadtrat im Jahre 1820 der Transaktion zu, nicht ohne die Innung für den seiner Meinung nach übereilten Verkauf nochmals scharf zu tadeln.336

 333 334 335 336

StadtAD, 11.2.54, Nr. 160, Bl. 6. Ebd., Bl. 1. Ebd., [unpag.] (Kaufvertrag vom 25.02.1817). Ebd., Bl. 1–1b, 34b–35. – StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 28, [unpag.] (Eintrag vom 30.12.1816). Zum umfangreichen Schriftwechsel zwischen Schneiderinnung und Dresdner Stadtrat von 1817 bis 1820 und sämtlichen Einzelaufstellungen siehe: StadtAD, 11.2.54, Nr. 160.

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Nur wenig ist über eine andere Einrichtung bekannt. Im Oktober 1710 kauften die Gesellen der Tischler und „Büchßen-Schäffter“337 ein Haus zu einer Gesellenherberge „fürm Pirnischen Thore uff halb-Eulengaßer Gemeinde Zwischen Meister David Thorers König[lich]en Hoff-Schusters und George Mattheßens Wittiben Häußern inne gelegenes Hauß und Hoff“338

von Anna Dorotheen Zeigerin für 300 Meißnische Gulden bar. Bis Ostern des Folgejahres erhielt die Verkäuferin noch ein freies Mietrecht.339 Möglicherweise wurde genau in diesem Gebäude eine besondere Krankenstätte eingerichtet. Wechselweise berichten die überlieferten Akten zwischen den 1720er und den 1750er Jahren von einer „Krancken Kammer“ oder „Krancken Stube“, ohne die Räumlichkeiten näher zu lokalisieren. Von einem ganzen „Krancken Hause“ der Gesellenbrüderschaft sprach sogar der königliche „Modell-Meister“ Andreas Gärthner, der in seinem Testament vom Januar 1727 einhundert Taler für die dortige Krankenpflege aufsetzte. In den wenigen erhaltenen Handwerksrechnungen tauchten Ausgaben für eine Krankenmutter und einen Krankenvater auf. Für die Kammer der Kranken wurden in viertel- bzw. halbjährlichen Raten Mietzinsen gezahlt, was allerdings gegen eine Einrichtung dieser Kammer innerhalb der gekauften Gesellenherberge sprechen würde.340 Für die Zeit nach dem Siebenjährigen Krieg sind kaum weitere Belege der Tischlergesellen-Krankeneinrichtung vorhanden. Vielleicht zeigte eine Beschwerde der Tischlergesellen kurz nach Beginn des Siebenjährigen Krieges schon den beginnenden Niedergang dieser Institution an. Die Gesellen schimpften damals, die Innung hätte „ohne unser Wort in geringsten gelten zu laßen, unsere Krancken Stube von Leuthen, die gut gewirthschafft haben, weggenommen und solche[n] überbracht, die von unsern Krancken Geräthe ein ziemliches theils verkaufft, versezt und durch andere liederliche Wirthschafft ruini341 ret“.

Das älteste und zugleich am längsten genutzte handwerkseigene Dresdner „Krancken Hauß“ gehörte jedoch den Schuhmachern. Durch einen im Oktober 1637 geschlossenen Kaufvertrag zwischen Margarethen, der Witwe von Michäel Schuricht, und den Ältesten des Handwerks gelangten die Schuhknechte, für welche die Ältesten stellvertretend als Vertragspartner standen, in den Besitz eines Hauses auf der Viehweider Gemeinde vor dem Wilsdruffer Tor. In drei Raten wurden pünktlich insgesamt 130 Gulden an die ehemalige Besitzerin gezahlt, um danach  337 338 339 340 341

Die Büchsenschäfter stellten vorrangig Holzschäfte für Handfeuerwaffen her. StadtAD, 11.2.64, Tischler-Dep. Nr. 16, [unpag.] (Kaufvertrag vom 25.10.1710). Ebd. StadtAD, 11.2.64, Nr. 27, Bl. 60–60b, 83–85. Ebd., Bl. 106. Im Jahr 1771 zeigten die Tischler gegenüber dem Rat an, dass sie wohl „ein besonderes Krancken-Hauß“ hätten, in dem aber derzeit niemand liegen würde. StadtAD, RA, C. XXIV. 215o, [unpag.] (Registratur vom 30.11.1771).

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aus dem ehemaligen einfachen Wohnhaus ein „Siech-Häußlein“ für bedürftige, pestkranke Schuhknechte zu machen. Der Stadtrat hatte seine Zustimmung zum Kontrakt gegeben, da „die vff beyden seitenn gestandene[n] Heuser bey bishero Continuirender Kriegsleufften zu grunde demoliret, die possessores auch solche wieder zu repariren vndt vffzubauen nicht ge342 meinet, sondern sich dauon genzlich loß gesaget“.

Somit bestand keine unmittelbare Ansteckungsgefahr und auch die Lage nahe dem alten Lazarett schien für das Vorhaben recht günstig. Landesherrliche Förderung erhielt dieses Haus umgehend, indem bereits 1639 die Befreiung von allen Einquartierungen, Kontributionen und Beschwerungen erfolgte; eine erneuerte Privilegierung ist von 1705 überliefert. Den ratsherrlichen Bemühungen, die hausbesitzenden Schuhknechte in der Mitte des 18. Jahrhunderts an den städtischen Lasten durch eine geringe Besteuerung von einigen Pfennigen zu beteiligen, widersetzten sich die Gesellen zäh, jedoch ohne langfristigen Erfolg.343 Da selbst im 17. Jahrhundert keineswegs ein Pest- oder Seuchenjahr das andere ablöste und somit das „Siech-Häußlein“ leer zu stehen drohte, wurde es recht bald auch für andere kranke Gesellen geöffnet und wandelte sich zum „Krancken Hauß“. Im Jahr 1697 lag beispielsweise ein an Schwindsucht leidender Bursche im Haus auf der Viehweider Gemeinde. Auch fremde Schuhmachergesellen fanden dort bis Ende des 17. Jahrhunderts durchaus Aufnahme.344 Bedürftige Gesellen sollten nur nach ausgiebiger Untersuchung durch einen Beisitzmeister, zwei Altgesellen und einen erfahrenen Arzt oder Chirurgen eingewiesen werden. Gesellen, „die eben nicht mit so schwerer Kranckheit beladen“, „die Kranckheit durch ein unordentliches böse geführetes Leben sich zugezogen oder auch wohl nicht in Arbeit gehen wollen“, blieben demgegenüber unversorgt. Alternativ wurden sie mit einem geringen Almosen versehen.345 Die ins „Schueknechte Hauß“ verbrachten Kranken sollten von den Altknechten „Nottürfftigliche wartung“ erhalten.346 Als Gegenleistung für ein mit dem Physikus vereinbartes Festgehalt erfolgten durch diesen die fernerhin unentgeltliche Behandlung der Insassen und die Bereitstellung der Medikamente. Um 1767 brachten die Gesellen allein für den Arzt jährlich 50 Taler auf.347 Für die tägliche Versorgung wurde zudem ein Krankenvater ins „Krancken Hauß“ einquartiert, der  342 StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 1, Nr. 3. 343 StadtAD, RA, B. XX. 13, [unpag.] (Schreiben vom 23.06.1749). Ende des 18. Jahrhunderts mussten letztlich doch Abgaben an das Krankenhaus gezahlt werden. StadtAD, 11.2.56, Nr. 141, Bl. 37. Vgl. LINGKE (Schuhmacher-Innung) 1901, S. 40. 344 StadtAD, 11.2.56, Nr. 264h, [unpag.] (Rechnung 1664/65). – StadtAD, RA, F. XXII. 10, [unpag.]. 345 StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 1, Nr. 24. Vgl. StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 2, Nr. 19. 346 StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 1, Nr. 22. Die Altgesellen der Schuhmacher wurden Altknechte genannt. 347 StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 2, Nr. 29. – StadtAD, 11.2.56, Schuhmacher-Dep. Nr. 16, [unpag.] (Äußerungen der Ältesten zum Entwurf der Artikel ca. 1767).

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im Sommer wöchentlich 16 Groschen für die Wartung und die Feuerung, im Winter aber wegen höherer Heizkosten einen Taler in der Woche erhielt.348 Im Mai 1810 wurde ein neuer Vertrag mit dem Krankenvater geschlossen, nach welchem sowohl dessen wöchentliche Entlohnung stieg als auch seine Pflichten festgehalten wurden. Der Vater hatte einen Kranken „auf das Krankenbett zu legen, solchen treulich Warten, Dienen und zu pflegen, was ein Kranker bey solchen Umständen bedürftig ist, auch alle Medicamente willig dargereichet werden müßen, die ihm Eine Löbl[iche] Brüderschaft zu seiner Gesundheit angedeihen läßt, bis er sich zu einer gewünschten Beßerung neiget, auch wenn es die Nothwendigkeit erfordert 349 den Patienten mit Licht zu bewachen und solchem niemals die Heitzung zu entziehen“.

Nach umfangreichen Ausbesserungs- und Reparaturarbeiten bestand das „Krancken Hauß“ in der Schießgasse Anfang des 19. Jahrhunderts „aus einem zwey Geschoß hohen hölzernen Fordergebäude nebst dergleichen Seitenflügelchen mit deutschen Schindeldache“.350 In diesem erneuerten Zustand konnten darin zehn bis elf Kranke auf vergleichsweise kleinem Raum untergebracht werden. Nachdem Ausschlagskranke lange Zeit ins Lazarett gegeben wurden, richteten die Handwerker eine besondere Stube für diejenigen Kranken, „welche an einen ansteckenden Ausschlage oder an einer venerischen Krankheit laboriren“, ein. Im Jahre 1811 wurden 206 kranke Schuhknechte im ehemaligen „Siech-Häußlein“ versorgt, von denen 192 als genesen entlassen werden konnten. Sämtliche Aufwendungen wurden von der Gesellenlade übernommen, die sich daneben durch erhebliche Almosengaben und weitere Unkosten mehr und mehr verschuldete.351 An einem Scheideweg befand sich die Krankenversorgung der Schuhmachergesellenschaft aber bereits seit der Mitte des 18. Jahrhunderts. Die einschneidenden Auswirkungen des Siebenjährigen Krieges mit unzähligen Todesfällen, Kriegskrüppeln, verwaisten Kindern, verwitweten Frauen sowie herumziehenden, arbeitsuchenden Bettlerscharen hatten nicht allein die allgemeinen ökonomischen und finanziellen Kräfte Dresdens hart getroffen. Auch die Gesellenschaftsfinanzen waren völlig ruiniert. Nach erheblichen Aufwendungen für das kriegsbeschädigte „Krancken Hauß“, die Unterhaltung vieler kranker Gesellen, die Zahlung von Almosen an Notleidende, die zahlreichen Begräbnisgelder und aufgrund der Zunahme konkurrierender nichtzünftiger Beschäftigung galoppierten die Ausgaben den Einnahmen davon. Die Verbindlichkeiten der Gesellenlade überstiegen in den 1780er Jahren die unfassbar hohe Marke von 1.300 Taler und viele Meister waren nicht länger gewillt, die ihrer Meinung nach unsittlichen Missbräuche und den mangelnden Willen an Sparsamkeit und Ordnung weiterhin zu tolerieren. Sie unterbreiteten im August 1784 den Gesellen vehement zahlreiche Sparvorschläge,  348 349 350 351

Ebd. Vgl. StadtAD, 11.2.56, Nr. 141, Bl. 37. StadtAD, 11.2.56, Nr. 185, Bl. 119–119b. Ebd., Bl. 1. StadtAD, 11.2.56, Nr. 184, Bl. 3. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 185, Bl. 1b, 19, 94b. Die Bemerkung, dass auch an der Syphilis Erkrankte ins „Krancken Hauß“ aufgenommen würden, wurde kurz darauf wieder dementiert. StadtAD, 11.2.56, Nr. 184, Bl. 10b–11.

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die das Schuldenproblem lösen sollten.352 Aus dem umfangreichen Aktenmaterial ergeben sich vielfältige Informationen über das Funktionieren der damaligen Krankenversorgung durch die Schuhmachergesellenschaft. Dem „Doctor“ wurden jährlich ein „Salarium“ von 60 Talern sowie ein Paar „Stiefel und Schuh“ gereicht, der „Palbier“ erhielt 30 Taler und der Krankenvater 50 Taler. Kranken und verunfallten Gesellen zahlte die Gesellenkasse sowohl im „Krancken Hauß“ als auch außerhalb desselben ein wöchentliches Krankengeld von 16 Groschen. Reparaturen am „Krancken Hauß“ und zusätzliche Anschaffungen wurden den knappen Mitteln der Gesellenlade entnommen. Die Altgesellen waren „vor nausschaffen eines Krancken“, d. h. für den Transport und die Einlieferung in das „Krancken Hauß“ zuständig und ließen sich für bestimmte Botenund Liefergänge entlohnen. Außerdem erhielten verstorbene Gesellen ein zünftiges Begräbnis, fremde, bettelnde Gesellen aber ein Almosen von sechs Groschen.353 Einige Meister schlugen vor, nicht allein das Gehalt des Arztes zu kürzen, sondern ferner den Vertrag mit dem Barbier ganz zu kündigen. Die wöchentlichen Krankengelder an verunfallte Gesellen sollten erst nach einer Krankheitsdauer von acht Tagen und nur, wenn sich der Kranke ins „Krancken Hauß“ begeben würde, gezahlt werden. Außerdem seien die Kosten für die Gesellenbegräbnisse zu reduzieren, „eine extra Steuer“ neben der gewöhnlichen Auflage für notwendige Bauarbeiten am Haus oder bei der Anschaffung von Einrichtungsgegenständen einzuführen und die Almosen für die sogenannten „Steuer Brüder“ zu verbieten.354 Da die Anregungen größtenteils eine Kürzung sozialer Leistungen im Krankheits- oder Todesfall und eine Erhöhung der finanziellen Lasten ausschließlich für die Gesellen bedeuteten, legten diese eine größtenteils ablehnende Haltung an den Tag. Dagegen müsste aus Sicht der Gesellen die Einnahmenseite verbessert werden, indem die Söhne der einheimischen Meister, die bisher nichts zur Gesellenlade beigetragen hatten, ebenfalls auflegen sollten. Auch eine moderate Anhebung der Quartalsgelder wurde angeboten. Den Meistern wurde vorgehalten, dass die Miete der Gesellenherberge und die Bezahlung der Ältesten in den letzten Jahren angestiegen seien.355 Nach längerem Schriftwechsel, unzähligen, aber ergebnislosen Gesprächen auf der Ratsstube und einem gescheiterten Kompromissvorschlag, bei dem fast alle Sparvorschläge, gleich von welcher Seite sie herrührten, durch den Stadtrat  352 StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 2, Nr. 29. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 4, Nr. 39. 353 StadtAD, 11.2.56, Nr. 141, Bl. 2–4, 37. Eine Kostenaufstellung aus dem Rechnungsjahr 1808/09 sah für die Verpflegung eines einzigen, im Schuhmacherkrankenhaus versorgten Gesellen einen erheblichen Aufwand in Form von Tauben, Kalbsbraten, Schokolade, Pflaumen, Äpfeln und dergleichen mehr vor. Vermutlich waren diese Nahrungsmittel aber nur bereitgestellt worden, weil der von auswärts stammende Kranke von angeblichen Vermögenswerten in beachtlicher Größenordnung gesprochen hatte, die er in seiner Heimat bald liquidieren könne. StadtAD, 11.2.56, Nr. 182, Bl. 16. 354 StadtAD, 11.2.56, Nr. 141, Bl. 5–8. 355 Ebd., Bl. 9–25.

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akzeptiert, aber von der einen oder der anderen gegnerischen Fraktion wieder abgelehnt wurden, ergingen mehrere Appellationen an den kursächsischen Landesherrn.356 Der Konflikt zur Finanzierung der erheblichen Krankenversorgungskosten konnte dennoch nicht beigelegt werden. Durch eine schwere Krankheitswelle, in deren Folge etwa 30 Schuhknechte im Spätsommer 1786 ins Krankenhaus eingeliefert wurden, spitzte sich die Lage nochmals zu, worauf sogar die symbolträchtigen silbernen Willkommensschilder der Gesellenschaft versetzt wurden. Die Innung musste fortan faktisch die Krankenversorgung der Gesellen subventionieren und einen Teil der Innungsgebühren zur Schuldentilgung einsetzen.357 Mit dem Erlass des Mandats vom 7. Dezember 1810 wurde die Aufhebung der alten Gesellenladen verkündet,358 woran sich die Frage nach der Zukunft des Dresdner Gesellenkrankenhauses anschloss. Die Schneidergesellen hatten das Problem mit dem Verkauf des Patientenhauses und der Einquartierung ihrer Kranken in das Hohenthalische Stift gelöst. Auch viele Schuhknechte tendierten nun in diese Richtung. Sie kritisierten, „daß aller Kosten Aufwand nicht hinreichet, dieser Kranken-Anstalt eine dergestalltige gute Einrichtung zu geben, daß die Kranken zweckmäsig gepfleget und ihnen thunlich zu ihrer vollkomenen Gesundheit wieder verholfen werden [und] gegentheils die kleine Krankenstube [durch] Mangel an nöthiger Kost und Pflege den Kranken selten oder spät ihre Gesundheit wieder gegeben hat; unter welchen Betrachtungen denn wir mit Genehmigung unsers Herrn Innungs Deputati nach dem Beyspiele der Becker, Schneider, Drechsler, Gürtler und Schloßer das Locale des Hohenthalischen Krankenhauses in Friedrichstadt untersuchten, und nachdem wir die dortige Einrichtung unsern Absichten völlig angemeßen, viel beßer als die unsers Krankenhauses und bey weiten wohlfeiler fanden, so erhielten wir, auf Anfrage auch die Einwilligung S[eine]r Excellenz des Herrn Conferenz-Ministers Grafen Hohenthal, zu der 359 Uibersendung unserer Kranken in das Hochdeßelben Direction anvertrauten Instituts.“

Im Gegensatz zu den Schneidergesellen hatten die Schuhmachergesellen zusätzlich zu den enormen Krankenpflege- und Behandlungskosten auch die Aufwendungen, die in direktem Zusammenhang mit dem Gebäude standen, zu schultern. Im Vergleich zu den Aufwendungen in den 1780er Jahren waren die Ausgaben für die Krankenversorgung exorbitant gestiegen. Allein die Kosten für den Medikus hatten sich im Quartal von 16 Reichstalern und 19 Groschen (ca. 1783/84) auf 41 Reichstaler und sechs Groschen (1809/10) mehr als verdoppelt.360 Daher spielte der Kostenaspekt für die Gesellenschaft bei der Diskussion um den Verkauf oder Fortbestand des Hauses neben der Verbesserung der medizinischen und pflegeri 356 Ebd., Bl. 44–46b, 69–72b. 357 Ebd., Bl. 130–140. Auch nach der Auflösung der alten Gesellenorganisation weigerten sich einige Meistersöhne noch immer, regelmäßige Auflagen zu geben. StadtAD, 11.2.56, Nr. 184, Bl. 17–18. 358 Mandat, die Abstellung verschiedener Innungsgebrechen betreffend (Dresden, 07.12.1810). Abgedruckt ist das Mandat z. B. zu finden in: StadtAL, Inn Täschner und Tapezierer D 4. – HEROLD, Georg Eduard: Die Rechte der Handwerker und ihrer Innungen. Leipzig ²1841, S. 111–121. 359 StadtAD, 11.2.56, Nr. 185, Bl. 2–3. 360 StadtAD, 11.2.56, Nr. 141, Bl. 37. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 185, Bl. 67.

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schen Versorgungsqualität eine wesentliche Rolle. In der Frage nach dem weiteren Vorgehen war die Gesellenschaft aber gespalten. Eine Sonderstellung kam den Meistersöhnen zu, die immerhin etwa ein Zehntel der Gesellenschaft ausmachten und keine regelmäßigen Beiträge in die Gesellenbüchse entrichteten.361 Zudem nutzten sie das Gesellenkrankenhaus nicht, sondern ließen sich i. d. R. von ihren Familien pflegen. Andere Gesellen schreckten vor den unabsehbaren Folgen zurück und wollten nicht auf das seit vielen Jahrzehnten im Gesellenbesitz befindliche Haus verzichten. Bei einer Abstimmung der Schuhknechte im Jahr 1812 stimmten 148 Gesellen für einen Verkauf und die Versorgung durch das Stiftkrankenhaus, aber 204 dagegen.362 Die Mehrheit der Gesellen war nicht von den Vorteilen einer Veräußerung überzeugt und die Gesellenschaft scheute eine weitere Auseinandersetzung in diesen ohnehin unruhigen Zeiten. Desgleichen war sich die Meisterschaft uneins. Während einige Schuhmacher durchaus einen Verkauf des Hauses auf der Viehweider Gemeinde favorisierten, insbesondere wenn in ihren Werkstätten die eigenen Söhne als Gesellen arbeiteten, zweifelten andere an der Realisierung einer Kostensenkung durch die Krankenversorgung im Hohenthalischen Stift.363 Entsprechend intendiert waren die Schilderungen der bisherigen Krankenversorgung und die Finanzierungsvorschläge beider Gruppen. Es wurden unterschiedlichste Ausgabenkalkulationen präsentiert und vielfältige Argumente ausgetauscht. Beispielsweise beschrieben mehrere Meister, welche ihre eigenen Schuhmachersöhne beschäftigten, in einem Brief am Beginn des Jahres 1812 ausführlich die unzureichende soziale Sicherung im Gesellenkrankenhaus: „Dieses Krankenhaus ist iedoch von einer solchen Beschaffenheit, daß die dahin gebrachten Kranken, statt gesund zu werden, noch kränker werden müßen. Fürs Erste ist deßen Lage nicht im Freyen, wie doch bey jeder Kranken-Anstalt sowohl um der Kranken selbst willen, als auch damit die Nachbarschaft bey ansteckenden Fiebern nicht in Gefahr komme, der Fall seyn sollte. Fürs Zweite ist der innere Raum dieses Hauses viel zu sehr beengt, als daß eine Absonderung der verschiedenartigen Kranken, wie doch so nöthig ist, Statt finden könnte. Außer der sogenannten Ausschlags-Krankenstube, wo sich die Krätzigen aufhalten, giebt es nur eine einzige Stube, nämlich die im ersten Stockwerke vorne heraus, wo nicht mehr als 6 Bettstellen stehen können. Sechs Kranke neben einander in einer Stube, wo man vor Duft und Ausdünstung nicht ausdauern kann, ist zum Gesundwerden zu viel und auf der andern Seite wieder zu wenig, sobald sich mehrere Kranke melden. Der 7te, 8te und 9te Kranke muß dann entweder auf den Saal oder auf den Boden gebracht werden, wo die Lage des Kranken eben nicht die beste ist. Das kleine Stübchen parterre wird von dem Krankenvater bewohnt und am Tage halten sich zugleich diejenigen Kranken darin auf, welche das Bette verlaßen können. Zum dritten ist die Behandlung der Kranken nicht, wie sie seyn sollte. Nicht zu gedenken, daß der Krankenvater etwas stark dem Trunke ergeben ist, so hängt auch die Beköstigung der Kranken ganz von seiner Willkühr ab. Was er ihnen auftischt, sey es auch dem Kranken noch so wenig angemessen, z. B. Schweinefleisch mit Sauerkraut, Milchspeise, Hülsenfrüchte und dergl[eichen], das muß der Geselle essen, wenn er nicht grob behandelt seyn will. Alle diese Umstände sind denn Grundes genug, warum jeder hiesige Meister, so wie jeder

 361 StadtAD, 11.2.56, Nr. 141, Bl. 86. 362 StadtAD, 11.2.56, Nr. 184, Bl. 113–117. 363 StadtAD, 11.2.56, Nr. 185, Bl. 6–9, 20–38.

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4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften andere Einwohner, deßen Sohn als Schuhmachergeselle hier arbeitet, billig Bedenken trägt, selbigen, wenn er krank wird, in das gemeinschaftliche Krankenhauß schaffen zu laßen. Man müßte sei eignes Kind nicht lieb haben und es dem Verderben muthwillig Preiß geben wollen, 364 wenn man dieses zu thun im Stande wäre.“

Damit richtete sich der Standpunkt, den die einzelnen Meister und Gesellen zum Fortbestand des Gesellenkrankenhauses einnahmen, an ihrer persönlichen Situation aus. Aus verschiedenen Gründen lehnte eine Resolution des Dresdner Stadtrats den geplanten Verkauf im Dezember 1812 ab. Vor allem sei der angebotene Verkaufserlös zurzeit zu gering und die rechnerischen Einsparungen wären zu unsicher.365 Bei diesem Beschluss blieb es für Jahrzehnte, obwohl verschiedene Gesellen- und Meistergruppen mehrfach einen Verkauf des Hauses anregten. Das erheblich günstigere Urteil des Stadtphysikus Kuhn und des Ratsdeputierten Friedrich nach einer Besichtigung des Gesellenkrankenhauses im Jahr 1830 soll abschließend die erwähnte Einschätzung durch einige Meister relativieren. Die insgesamt geräumigen Krankenzimmer seien „zwar niedrig, jedoch trocken“ und „mit gehörigem Luftzuge versehen“, die Betten und Bettstellen von guter Beschaffenheit und der zum Haus gehörige Garten könne ausgiebig von den „Reconvalescenten“ genutzt werden. Vorbildlich fände eine krankheitsspezifische Trennung der Insassen statt, indem eine Stube den „Innerlich Kranken“ und eine zweite den „Hautkranken oder Ausschlagskranken“ diene.366

D) Späte Gründung und schnelles Ende eines Chemnitzer Innungs-„Krancken-Haußes“ Während es in Zwickau schon in vorreformatorischer Zeit erste Ansätze eigenfinanzierter Krankenanstalten bei bestimmten Handwerken gab und in Dresden und Leipzig einzelne Korporationen im 17. Jahrhundert ebenfalls größere Anstrengungen für die Unterbringung kranker Gesellen in eigenen Einrichtungen außerhalb der ordentlichen Gesellenherbergen unternahmen, ergaben die Recherchen für die Stadt Chemnitz keine vergleichbar frühen Initiativen. Das Fehlen von belegbaren Hinweisen über handwerkseigene Versorgungsanstalten für kranke oder verunfallte Meister, Gesellen und Angehörige könnte den Quellenverlusten, aber auch einem zumindest zeitweilig ausgebauten öffentlichen Versorgungssystem zugeschrieben werden, welches die Handwerker rege nutzten. Natürlich wurde sich außerdem der vorhandenen Gesellenherbergen und Zunfthäuser bedient. Es dauerte bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, ehe sich die bei weitem größte Handwerksinnung der Stadt um ein eigenes „Krancken-Hauß“ bemühte. 1783 wurde der Stadtrat erstmals wegen Abtretung eines kommunalen Baugrundstücks an die Innung „zu Erbauung eines dem Handwercke eignen Siech- und Krancken 364 Ebd., Bl. 21b–22b. 365 Ebd., Bl. 121–122b. 366 StadtAD, 11.2.56, Nr. 221, Bl. 18, 20.

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Haußes von ohngefehr 24 Ellen in der Länge und 18 Ellen Breite“ angefragt.367 Der Eintrag im Registrierbuch der Zeug- und Leineweber zum Quartal Trinitatis im Mai 1785 ist glücklicherweise etwas umfassender. „Auch wurde von den ganzen Handwercke der Vortrag verlanget wegen eines KranckenHaußes: Da von vielen Jahren her ist immer große Klage gewesen über Mangel eines Krancken-Haußes und des Unterkommens eines krancken Gesellens; Derjenige Meister, den dieses Schicksal betroffen, ist allezeit in die größte Verlegenheit versetzet worden, seinen krancken Gesellen die Comodite nicht zu verschaffen, wo er seine gehörige Abwartung hätte erhalten können. Wie schlecht hat sich mancher Mensch müssen behandeln laßen, daß es seinen Cörper auf die empfindlichste Art ist nachtheilich gewesen, da er doch durch mäsige Abwartung hätte conserviret werden können, derer Exempel wären verschiedene anzugeben, wie mancher dadurch sein Leben vor der Zeit hat aufopffern müssen, der wohl nach diesem ein guter Weltbürger geworden wäre. Dieses ist bey vielen Jahren her beklaget worden und das Gefühl eines wahren Menschenfreundes hat vielmahl auf Mittel gesonnen, diesem Übel zu steuern, aber die erforderlichen Kosten darzu aufzubringen, schienen allezeit die guten Gedancken zu vereiteln und alle Vorschläge zu vernichten; Endlich ist es doch dahin gediehen, das durch die göttliche Vorsorge das Handwerck durch ein neues Dessein Waare in die Verfaßung gekommen, einige hundert Thaler daran zu wenden, solchen Armen-Nothleidenden Hülfe zu verschaffen und ein Krancken Hauß zu bauen. Darauf ist nach des HandwercksSchluß und der Obrigkeit Vorwißen resolviret worden, ein Seiten-Gebäude mit zwey Stuben 368 aufzuführen und soll dieses Jahr nach gemachten Accort fertig werden.“

Schon jahrelang war das Problem der Versorgung kranker Webergesellen brisant, denn viele der Meister wohnten in bedrängten Verhältnissen und waren nicht zu einer angemessenen Verpflegung und „Abwartung“ erkrankter Gesellen in der Lage. Wie in Zwickau Anfang des 16. Jahrhunderts bildete das Fehlen entsprechender städtischer Alternativen zur Versorgung kranker Handwerksgesellen ohne familiären Rückhalt den konkreten Anlass, ein innungseigenes „Krancken-Hauß“ einzurichten. Das alte Chemnitzer Hospital St. Georg aus dem 14. Jahrhundert war im Laufe der frühen Neuzeit langsam zu einem Pfründnerheim degeneriert, in dem kaum sieben oder acht Insassen Aufnahme erhielten.369 Außer diesem existierten um 1780 weder „Convente“ (Armenhäuser) noch Franzosen- oder Pesthäuser in der Stadt. Einzig ein dem Hospital angeschlossenes, ehemaliges Franzosen 367 StadtAC, RA, Kap. III. Sect. VIIb, Nr. 86, RP 1783, Stück 98, [unpag.] (Schreiben vom 17.03.1785). 368 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 354f. 369 BRÄUER (Chemnitz zwischen 1450 und 1650) 2005, S. 89. – LANG, Thomas: Seelenbad, Siechhof und St. Georg. Einrichtungen der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Stadthygiene in Chemnitz. In: Mitteilungen des Chemnitzer Geschichtsvereins 76/2006, N. F. XV, S. 22, 24. Siehe auch: WEBER, Stefan: Das Hospital St. Georg zu Chemnitz. In: Chemnitzer Roland. Vereinsspiegel für Heimat – Brauchtum – Geschichte – Kunst 4/1997, H. 3, S. 8f., 16. Es liegt außerdem eine ältere Darstellung des Chemnitzer Krankenhauswesens vor, die sich aber vorrangig auf das 19. Jahrhundert bezieht. KRAUSE, Edmund: Die Entwicklung des Krankenhauswesens der Stadt Chemnitz. Chemnitz 1922. Eine ältere stadtgeschichtliche Abhandlung bietet ebenfalls wichtige Anhaltspunkte zum institutionalisierten Armen- und Krankenwesen. ZÖLLNER (Handelsstadt Chemnitz) 1888, S. 45f., 258, 435 u. ö.

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haus bestand noch und bot in seinen beiden Stuben Raum für „Blödsinnige, Melancholici, Epileptische und andere arme krancke und preßhaffte Personen“.370 Die durch einen Wasserschaden in Mitleidenschaft geratene Bausubstanz beschrieb der Kommissionsrat Traugott von Plänckner als zu „keiner Reparatur mehr fähig“. Auch die Unterkünfte wären der Gesundheit nicht zuträglich: „Bißhieher haben sich in einer eben nicht gar zu großen Stube öffters 8 bis 10 auch wohl mehrere Personen zusammen aufhalten müßen, welches ihrer Gesundheit nicht anders als nachtheilig seyn können. Vor wenigen Monaten nur noch lagen auf einmahl 2 blödsinnige und 2 melancholische Personen in dieser einzigen Stube an Ketten und wegen der beyden erstern, die sich noch in solchen Umständen darinnen befinden, ist auch gar keine Hoffnung 371 zur Wiedergenäßung vorhanden.“

Angesichts dieser misslichen Versorgungssituation auf kommunaler Ebene konnte es nicht verwundern, dass die Webermeister die Krankenversorgung ihrer Gesellen nun in die eigenen Hände nehmen wollten. Trotz verschiedener Anläufe war das Projekt eines Weber-„Krancken-Haußes“ bislang an den ungeheuren Kosten gescheitert. Nur einer zufälligen Wandlung des Modegeschmacks und einer entsprechenden Steigerung des Warenabsatzes hatte die Weberinnung den glücklichen Zufluss einiger hundert Taler zu verdanken, die nun in ein Seitengebäude am Zunfthaus investiert werden sollten. Die ratsherrliche Genehmigung für einen Bauplatz wurde umgehend beim Stadtrichter eingeholt und das Bauvorhaben noch 1785 zügig umgesetzt. Mitsamt einigen Reparaturen am Handwerkshaus, den Kosten für einen neuen Holzstall und einer Gratifikation für den Innungsobermeister verschlang das im Herbst desselben Jahres fertiggestellte Seitengebäude mit Ober- und Unterstube 700 Reichstaler.372 Es scheint, als ob umgehend kranke Gesellen darin Unterkunft und Pflege gefunden hätten, denn die Innungsvertreter äußerten sich kurze Zeit später vor dem Rat, dass „z e i t h e r o die krancken Gesellen darinnen aufgenommen und verpfleget“ wurden.373 Doch die Stadtbevölkerung setzte sich nicht nur aus Webern zusammen. Mittlerweile war auch einer eigens einberufenen städtischen Inspektion klar geworden, dass es eines Neubaus zu einer städtischen Krankenversorgungsanstalt bedurfte, um eine minimale gesundheitliche Versorgung der wachsenden Bevölkerung weiterhin zu gewährleisten. Um die Jahreswende 1785/86 kursierten daher außer ersten Grundrissen und Modellen schon Kostenvoranschläge des Bauprojekts. Die Fertigstellung des städtischen Krankenhauses erfolgte in der ersten Jahreshälfte 1787.374  370 371 372 373

StadtAC, RA, Kap. IV. Sect. X, Nr. 8a, Bl. 1, 21b–22. Ebd., Bl. 1–2. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 359b–361. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 413, Bl. 12. StadtAC, RA, Kap. IV. Sect. X, Nr. 8a, Bl. 62. Hervorhebung durch den Autor. Könnte sich hinter dem Wort „zeithero“ sogar ein Hinweis auf eine althergebrachte Krankenpflege im Zunfthaus mit ausgebauter Krankenstube verbergen? 374 Ebd., Bl. 60. Einige Modelle finden sich in: Ebd., Bl. 10b–11, 28b–29, 42b–43.

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Dieses Ereignis hatte unmittelbare Auswirkungen auf die Chemnitzer Weberinnung. Kaum war das städtische Krankenhaus eröffnet, sahen die Weber von einem weiteren Gebrauch ihres neu erbauten Seitengebäudes als Krankenhaus ab. Erstens waren während des Bauprojekts und in der Zeit der ersten Nutzung Zweifel aufgekommen, ob nicht durch den regen Publikumsverkehr – sämtliche Produzenten der Innung hatten beispielsweise ihre Tuche ins Handwerkshaus zur Stempelung zu bringen – die Ansteckungsgefahr für die Gesunden zu hoch sei.375 Zweitens bot sich nun mit der städtischen Einrichtung eine kostengünstige, bequeme Alternative. Schwer erkrankte Webergesellen wurden fortan in das Stadtkrankenhaus eingeliefert.

4.5.4 Vertraglich vereinbarte Pflege in städtischen, kirchlichen und privaten Versorgungseinrichtungen Spätestens, nachdem die Gesellenwanderung verpflichtendes Element der Handwerksausbildung geworden war, arbeiteten zahlreiche Gesellen an unterschiedlichen Orten weitab der Heimatgemeinde. Im Falle einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit kamen die Wandergesellen dann nur unter bestimmten Voraussetzungen bei ihren Familien oder Freunden unter (vertretbares Verhältnis von Reiseaufwand, vermuteter Dauer der Arbeitsunfähigkeit und gesundheitlichem Zustand; Mindestmaß an guten Sozialkontakten). Vor Ort waren vielmehr der Meisterhaushalt und die Gesellenherberge, seltener handwerkseigene Krankenanstalten, die typischen Aufenthaltsorte für kranke Handwerksgesellen. Handelte es sich jedoch um schwere, langwierige oder ansteckende Erkrankungen, erschien es vielen Handwerksorganisationen opportun, die betreffenden Gesellen in ein Siechhaus oder Hospital zu geben. Da die voraussichtlich anfallenden Kosten hierfür relativ schlecht überschlagen werden konnten und gerade in Seuchenzeiten kaum freie Stellen in den vorrangig städtischen Einrichtungen zu erlangen waren, sorgten die bedeutenderen, kapitalkräftigeren Handwerke und Gesellenschaften vor und schlossen feste Verträge mit den Hospitälern. Am Ende des 18. Jahrhunderts kamen Kontrakte mit den neu entstandenen Krankenhäusern oder privaten Krankenstiften hinzu, während in vorreformatorischer Zeit auch Vereinbarungen mit Klöstern existierten. Die Situation in den einzelnen Städten unterschied sich zum Teil gravierend. Informationen zu den unterschiedlichen Formen der Vertragskrankenpflege durch die Zunfthandwerke sind in komprimierter und prägnanter Form bislang nicht existent, weshalb die folgenden Ausführungen detaillierter ausfallen.

 375 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 297. – StadtAC, RA, Kap. IV. Sect. X, Nr. 8a, Bl. 62– 62b. Die vertraglichen Vereinbarungen mit dem Chemnitzer „Krancken-Hauß“ gehören nicht mehr an diese Stelle, sondern werden im Kap. 4.5.4 besprochen.

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A) Unklare Situation aufgrund fehlender Belege – Zwickau Würde an dieser Stelle ein Vergleich Zwickaus mit Leipzig angestrengt, so ergäbe sich ein komparatistischer Punkt sehr deutlich: Die Situation in den beiden Städten gestaltete sich bezüglich einzelvertraglicher Regelungen zu städtischen Versorgungseinrichtungen beinahe spiegelbildlich zur Existenz innungseigener Siechund Krankenhäuser. In Zwickau bestanden gleich mehrere Handwerkssiechhäuser über teilweise sehr lange Zeiträume, während in Leipzig mit Ausnahme weniger, nur sehr kurz bestehender Krankenhäuslein keinerlei Anzeichen entsprechender Siech- und Krankenhäuser vorhanden sind. In Bezug auf die vertraglich ausgestalteten Beziehungen der Handwerksorganisationen zu den kommunalen Krankenanstalten kehrten sich die Proportionen um. Nicht eine Vertragsvereinbarung über die mietweise Nutzung bestimmter Krankenbetten oder -stuben ließ sich für die Zwickauer Zunfthandwerke finden.376 Dagegen trafen etliche wichtige Innungen und Gesellenschaften feste Übereinkünfte mit diversen Einrichtungen in Leipzig.

B) Vertragliche Inanspruchnahme des ausgebauten öffentlichen Angebots – Leipzig Mit dem Auftreten der als „Morbus gallicus“ bezeichneten Syphilis in den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts und ihrer schnellen Verbreitung über West- und Mitteleuropa bemühte sich auch der Leipziger Stadtrat, angemessen auf die Bedrohung zu reagieren. Seit 1496 wurden Syphilitiker im ursprünglichen Leprosenhaus, dem Hospital St. Johannis, versorgt377 und ab 1511 begann im Johannishospital der Bau eines Hauses für die „Französer“,378 an dessen Finanzierung sich die zünftigen Schneidergesellen beteiligten. Die Gesellen kauften im darauffolgenden Jahr im Beisein und mit Zustimmung der Meister „tzu enthaldung der armen  376 Neben der informationsreichen Chronik von Emil Herzog werden die institutionelle Ausstattung der Stadt Zwickau mit Pflege- und Armeneinrichtungen und die hygienischen Verhältnisse u. a. besprochen in: BROD, Carl: Zwickauer Gesundheitspflege vor 400 Jahren. In: Zwickauer Geschichtsblätter. Monatsbeilage des „Zwickauer Tageblatt und Anzeiger“ vom 20.08.1925, S. 10. – DÖRFELD (Versorgung) 1985, bes. S. 24–33. – DRECHSEL (Gesundheitswesen) 2003, bes. S. 15–41. – FABIAN, Ernst: Fahrende Ärzte und Kurpfuscher in Zwickau und Umgegend. In: Mitteilungen des Altertumsvereins für Zwickau und Umgegend 4/1892, S. 132–134. – FRIEDRICH (Zwickau) 1935, bes. S. 2–66. – GROSCHE / RIEDEL / TEICHERT (Seuchen) 2005. – MOSCHEK (Reichen- und Armenspital) 1962. – ROSENBAUM (Liebestätigkeit) 1999, bes. S. 42–54. – UHLIG (Franzosenkrankheit) 1942. – Ders. (Pest) 1943. Siehe unter dem Aspekt der Ernährungssituation auch: BRÄUER, Helmut / SCHLENKRICH, Elke: Von der Tafel im „reichen“ Spital. Speiseplanung im Zwickauer Spital zu St. Georg und St. Margarethe vom Jahre 1593. In: Sächsische Heimatblätter. Zeitschrift für sächsische Geschichte, Denkmalpflege, Natur und Umwelt 46/2000, H. 3, S. 170–179. 377 BERGER / GRONEMANN / PACER (Zeittafel) 2000, S. 6. Nur drei Jahre zuvor war die „Franzosenkrankheit“ erstmals über die deutschen Staaten hereingebrochen. VOGEL (GeschichtBuch) 1756, S. 67. 378 GEFFCKEN (Johannishospital) 1897, S. 91.

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Frantzosichsten menschen“ ein freies Bett im Johannishospital. Dazu gaben die Gesellen zehn Rheinische Gulden ins Spital und erhielten die Zusage, „wo sichs begebe, das immandt der selbigenn gesellenn (das do got der almechtige lange vorhutenn wolle) mit solcher schwerrer kranckheit der Frantzosenn ader sunst der gleichenn mit bruchen ader anderenn geschwirenn gepflaget vnd befallen. Das alsdan sulche person von vns ader vnserenn vil gedachts Hospitals nach Kommeden vorsteerenn, vffgenumen vnd mit sulcher Betstat, wie andere arme menschenn mit berurter Kranckheit beladenn, mit notturffiger 379 vorsorgung essens vnd trinckens sollenn vorseenn werdenn“.

Diese „besundere Betstat“ sollten ein bis zwei Personen bis zu ihrer Genesung gebrauchen dürfen. Nach exakt zwei Jahren erfolgte durch die dann amtierenden Vertreter der Vertragsparteien eine Wiederholung der Vereinbarung, die inhaltlich fast identisch war. Allerdings sollte die „Bettstadt“ nun „vor einen oder zum mindesten zwey Personen“ bereitgestellt werden, da die bisherige Obergrenze von höchstens zwei Personen vermutlich nicht den Bedürfnissen der Gesellenschaft entsprach.380 Aus der Einrichtung, die ursprünglich vor allem für die syphiliskranken Gesellen gedacht war, entwickelte sich bald ein dauerhaft genutztes, allgemeines Krankenbett, dessen Vorteil auch die Schneidermeister erkannten. Bis 1527 erwirkten sie eine Modifizierung des Vertrages mit dem Johannishospital. Neben den zehn Gulden der Gesellen wurden nun weitere zehn Gulden durch die Meisterschaft aufgebracht, wodurch das Hospitalbett nicht mehr allein den kranken Gesellen zur Verfügung stand, sondern im Gegenteil sogar vorrangig den Meistern und ihren Angehörigen: „Wo aber ein meyster ader meysterynne ader eins meysters kynnde so arm unnd des ynn kranckheit selbst notturfftig werenn, die sollenn sollich ebgemelte pette unnd koste vor denn 381 gesellenn macht habenn zugebrauchenn, so es ledig ist.“

Obendrein setzte man eine Klausel ein, die im Vertrag von 1512 und der Vertragswiederholung von 1514 noch nicht vorhanden war. „Auch sall mann keynenn fremdenn gesellenn yn sollich pette nit nhemenn aber lygenn lassenn, Es sey dann, das er die kranckheit alhir erkrieget ader vberkomenn habe.“382 Krank zuwandernde, fremde Gesellen wurden durch die Klausel vom Gebrauch des Krankenbettes ausgeschlossen. Der Vertrag wurde samt dieser Einschränkung noch Jahrzehnte später erwähnt. Die Krankenstube ging spätestens Ende des 16. Jahrhunderts, eventuell 1593 beim Brand des Hospital-„Oberhauses“, verloren.383  379 StadtAL, Inn Schneider C 13, Bl. 5–5b. Eine Abschrift findet sich in derselben Akte. Ebd., Bl. 6–6b. Zur gleichen Zeit hatte sich die Leipziger Universität im Johannishospital eine Krankenkammer für ihre syphilitischen oder an anderen Krankheiten leidenden Studenten gesichert. STÜBEL, Bruno (Hrsg.): Urkundenbuch der Universität Leipzig von 1409 bis 1555 (= Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae, Zweiter Haupttheil, Bd. 11). Leipzig 1879, S. 395. 380 StadtAL, Tit. I (F) 22b, Bl. 234–234b. 381 StadtAL, Inn Schneider A 1. 382 Ebd. Vgl. StadtAL, Inn Schneider A 2. – StadtAL, Inn Schneider A 3. – StadtAL, Tit. I (F) 22b, Bl. 234–234b. 383 GEFFCKEN (Johannishospital) 1897, S. 91.

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4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften

Die Vernichtung der alten Krankenstube zu St. Johannis muss als Grund dafür gedeutet werden, dass sich bereits ab Mitte der 1590er Jahre immer wieder Zahlungen der Schneider für erkrankte Gesellen in den Rechnungen des Hospitals St. Georg fanden.384 Aufgrund der zahlreichen Krankenfälle und steigenden Kosten bemühte sich die Organisation der Schneidergesellen wie schon gegenüber dem Johannishospital um eine feste Vertragsvereinbarung. Die Gesellenschaft hatte sich im Februar 1607 „von wegen vnserer krancken gesellen, das sie vnterhaltung vmb die gebühr im Spittal haben köntten“, mit einem Bittschreiben an den Stadtrat gewandt und um „4 Personen stellen“ in einer Krankenanstalt nachgesucht.385 Das Schriftstück liefert auch einen speziellen Grund für die erbetene Unterbringung und Krankenversorgung in einem städtischen Hospital: „Wie daß sichs offt anhls [d. h. oftmals] zutrüge, daß die gesellen denen meistern kranck u[nd] lagerhafft würden, und wenn sichs mit derselben kranckheit in die länge verziehe und sie derowegen wartung bedurfftig, solches bey denen meistern fugl[ich] nicht geschehen konnte, die weil dieselben meisten theils enge miethen u[nd] wohnungen u[nd] keine son386 derl[iche] stuben u[nd] kammern für die patienten zuentrichten“ hätten.

Eine obrigkeitliche Zustimmung erfolgte offensichtlich nicht, denn auf Ansuchen der Gesellen bat nun das Schneiderhandwerk nochmals Ende Dezember 1607 gegenüber dem Rat um Überlassung einer „stube oder kammer in hospital zu St. Georgen alhie“. In der darauf zustande gekommenen Versorgungsvereinbarung sicherten die Schneider dem Spital zu, dass ihre Handwerksgesellen „den Neuen Jahr Markt 1609“ 25 Gulden Zins entrichten und damit alljährlich fortfahren würden. In der Praxis zahlte das Handwerk den Hospitalvorstehern den Jahresbetrag und konnte sich das Geld von den Gesellen „wieder erhohlen“. Als Gegenleistung nahm das Hospital bis zu drei kranke Schneidergesellen, die tatsächlich der „wartung darbey bedürfftig“ waren, auf und versorgte sie mit Unterkunft, Kost und Wartung. Keine Aufnahme fanden jene, die „mit pestilentz, frantzosen u[nd] dergl[eichen] flechtenden anfallenden und gifftigen Seuchen behafftet“ waren.387 Einen Monat später erfolgte die Einigung betreffs der Finanzierung zwischen den Schneidermeistern und ihren Gesellen. „Dieweil denn die gesellen in diesen consens gewilliget, so giebt ein ehrbahr handwerck denselben zuerkennen. Wie von nöthen seyn wolle, auch mittel, wie sie darbey bleiben können, zu gedencken u[nd] weil biß anhero es also gehalten worden, daß die gesellen, die alhie gearbeitet haben, alle 14 tage heben auch geleget 2 d. Zum quartal aber 4 d. Die fremden gesellen zum ersten mahl 4 d u[nd] einzuschreiben 4 d im quartal 8 d, [so] hat ein ehrbahr handwerck vor gut angesehen, darein auch ein ehrenvester u[nd] wohlw[eiser] rath gewilliget, daß

 384 StadtAL, Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1597/98, Bl. 11–11b. – StadtAL, Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1606/07, Bl. 26. – SEYFARTH (Das Hospital zu St. Georg) 1939, S. 153. 385 StadtAL, Tit. LXIV (F) 151, Vol. I, Bl. 3. 386 StadtAL, Inn Schneider C 1, Bl. 18. 387 Ebd., Bl. 18–18b. Die Zahlungseingänge können in den Hospitalrechnungen nachvollzogen werden. Erstmals wurden im Februar 1609 die 25 Gulden eingenommen. StadtAL, Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1608/09, Bl. 10b.

4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften

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forthin alle gesellen noch eines so viel solle auflegen, die jungen halb so viel, damit diese gerechtigkeit in hospital so wohl auch ein alter ehrl[icher] tantz kan erhalten werden, denn sol388 ches alles den gesellen zu ihren besten gerreichet.“

Anfang 1607 offerierten die Gesellen eine vierzehntägige Auflage von einem Pfennig „in eine büchsen dem Spittal zum besten“. Die etwas über einhundert Personen starke Gesellenschaft hätte selbst bei durchgängiger Beschäftigung und anhaltender Zahlungsmoral demnach nur gut zehn Gulden im Jahr zusammenbringen können. Da die jährliche Forderung des Hospitals aber diesen Betrag bei weitem überstieg, musste die Gesellenauflage erhöht und die erste Auflage der fremden Gesellen verdoppelt werden. Sogar ein Teil des sonst vertrunkenen Quartalsgeldes sollte dafür genutzt werden.389 Für diejenigen Kranken, die im Hospital St. Georg keine Aufnahme fanden, war vorrangig das Krankenhäuslein auf dem „Hane-Kamm“ eingerichtet worden. Der handwerkseigenen Einrichtung war jedoch kein langer Bestand vergönnt, sodass nach dieser unglücklich verlaufenen Episode und dem Verkauf des Häusleins die mit ansteckenden Krankheiten behafteten Gesellen erneut auf die Gesellenherberge angewiesen waren.390 Nach dem Abbrennen des Georgenhospitals aus militärstrategischen Gründen ging die Krankenstube der Schneider 1631 erneut verloren, doch erschloss sich unvorhergesehen eine neue Möglichkeit, die erkrankten Gesellen angemessen unterzubringen. Aufgrund einer Stiftung konnte das Schneiderhandwerk nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges mit dem Johannishospital die Überlassung der „Eckstube des neues hauses“ zur Krankenpflege vereinbaren. Neben dem zinsbaren Stiftungskapital über einhundert Gulden hinterlegte die Gesellenschaft weitere 25 Gulden in bar. Aus der Gesellenlade mussten außerdem sämtliche anfallende Aufwendungen finanziert werden. Gesellen, die „mit der pest oder anderer ansteckenden Seuche beladen“ waren, fanden keinen Einlass. Sie wurden später ins wiedererbaute Lazarett geschickt.391 Über den Zutritt zur Krankenstube und ihre korrekte Nutzung konnte es durchaus zu Auseinandersetzungen kommen. Die Schneidermeister in Leipzig besaßen nach eigenen Aussagen von 1672 bis 1681 den Schlüssel zur Gesellenstube im Johannishospital und zur Gesellenlade. Die Gesellenschaft hatte in der Folgezeit beide Schlüssel für sich behalten. Zumindest der Schlüssel zur Krankenstube dürfte vermutlich mit Einwilligung der Meister bei den Gesellen geblieben sein, denn damit entledigten sich die Meister der lästigen Aufsichts- und Kon 388 389 390 391

StadtAL, Inn Schneider C 1, Bl. 18b. Ebd., Bl. 18b–19. – StadtAL, Tit. LXIV (F) 151, Vol. I, Bl. 3b. Siehe Kap. 4.5.3. StadtAL, II. Sektion S (F) 851, Bl. 25. – StadtAL, Rb 102 (1653–1654), Bl. 12–13b. – StadtAL, Schoßstube, Johannishospital, Rechnungen 1653/54, Bl. 15b, 28b. – StadtAL, Stift. II, Nr. 140, Bl. 190–194b. – StadtAL, Tit. I (F) 22b, Bl. 274b. Das in einem ärztlichen Attest Ende des 18. Jahrhunderts erwähnte „Krankenhause der Schneidergesellenschaft” bezog sich sicherlich auf die noch immer bestehende Krankenstube im Johannishospital. StadtAL, Tit. LII (F) 11, Bl. 5.

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4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften

trollpflicht über die Stube. Außerdem forderte die Innung die Herausgabe der Schlüssel erst nach über 25 Jahren! Nun sollten die zwei Schlüssel plötzlich wieder den Meistern überantwortet werden und in deren Besitz verbleiben, „damit die Gesellen nicht ihres Gefallens damit gebahren dürffen, zumahl dem Handtwergk alle Unordtnung zu vermeyden [und] darüber allenthalben Auffsicht zu haben oblieget“.392 Damit sicherte sich die Innung im wahrsten Sinne des Wortes die Schlüsselposition über die Verfügung der Gesellenkrankenstube und die Kontrolle der Gesellenfinanzen. Lange Zeit bestand die Krankenstube im Hospital fort. Aufgrund von Baufälligkeiten im städtischen Armenhospital, dem früheren „neuen Haus“ von St. Johannis musste die Schneiderkrankenstube Anfang des 19. Jahrhunderts in ein neues Gebäude auf dem Hof des alten Georgenhauses verlegt werden. Dort wurden eine Kammer und eine Stube „für die hiesigen krancken Schneidergesellen“ hergerichtet.393 In den dortigen Räumlichkeiten verblieben die arbeitsunfähigen Schneidergesellen, bis sich das Hospital 1822 von der alten Vereinbarung als „von einem unangenehmen onus“ gegen Erlegung von 300 Reichstalern loskaufte. Der bis zu diesem Zeitpunkt geltende Vertrag hatte dem Hospital keine neuen Einnahmen beschert und die Hospitalvorsteher suchten dringend nach neuen, vermietbaren Räumlichkeiten. So kam es ihnen ganz gelegen, dass nach einem Ratsbeschluss kranke Handwerksgesellen fortan ausschließlich im Jakobshospital, dem städtischen Krankenhaus, untergebracht werden sollten. Bereits zum Jahresende zog in die ehemalige Schneiderstube im Johannishospital ein 62jähriger Schneidermeister als Pfründner ein.394 Außer der personenstarken Schneidergesellenschaft sicherten sich weitere Handwerkskorporationen eine Unterbringung für kranke Meister und Gesellen in diversen Leipziger Hospitälern. Grundsätzlich kamen viele Gesellen und Mägde im Leipziger Lazarett unter, ohne dass spezielle Anstaltsverträge geschlossen wurden,395 doch rechneten insbesondere größere Gesellenschaften eher damit, dass eine langfristige Vereinbarung für sie kostengünstiger ausfallen und zugleich die Verfügbarkeit freier Krankenbetten sicherstellen würde. 1620 zahlte das Schuhmacherhandwerk einhundert Gulden ins Johannishospital für die Aufnahme kranker Schuhknechte, die nicht mit der „infection“ beladen waren, sondern mit „fiebernn vndt andern vnenfelligen seuchenn“. Das städtische Spital sollte vorab für die Verpflegung mit Kost und Trank, für Wartung, Pflege, Betten sowie medizinische und chirurgische Behandlungen und Medikamente  392 393 394 395

StadtAL, II. Sektion S (F) 979, Bl. 1b–2. StadtAL, Rb 1 (N. F. 1801), Bl. 220–221b. – StadtAL, Stift. II, Nr. 140, Bl. 194–195. Ebd., Bl. 247, 248. In den dokumentierten Rechnungsaufstellungen des Lazaretts finden sich verschiedene Mägde, Handwerksgesellen und Meisterwitwen als Insassen wieder. Z. B. StadtAL, Stift. I, Nr. 6a, Bl. 67–80.

4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften

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aufkommen und sich die Kosten von der Gesellenlade erstatten lassen.396 Mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges investierten die Schuhknechte weitere 50 Gulden und ließen die „Cammer“ zu einer „Stube“ ausbauen.397 Als kurze Zeit darauf „ein armer gebrechlicher Schustergeselle“ namens Davidt Fritzsche in das Hospital aufgenommen wurde, fand die Krankenstube jedoch keine Erwähnung. Der vermutlich schon alte Geselle kaufte sich vielmehr als Pfründner bzw. auf ratsherrliche Anordnung ein und vermachte sein Vermögen, immerhin fast 150 Gulden, vollständig dem Hospital,398 das sich immer mehr zu einer Versorgungsanstalt für ältere Personen entwickelte. Noch vor der Einführung der Reformation im albertinischen Sachsen hatten sich die Meister und Gesellen des Leipziger Baderhandwerks gegen eine Einmalzahlung von 60 Gulden eine unentgeltliche Unterbringung, Wartung und Beköstigung im Georgenhospital gesichert.399 Bei den Tischlern verschrieb im Jahr 1669 Meister Hannß Steinbrecher dem Lazarett 50 Gulden Kapital, von dessen Zinsen kranke Gesellen in der Anstalt verpflegt werden sollten. Doch allein aufgrund der gestiegenen Lebensmittelpreise war dies nicht möglich, sodass die Innung ab 1703 einen jährlichen Betrag von einem Reichstaler beisteuern musste. Einige Jahre später erhöhte sie den Jahreszuschuss nochmals auf zwei Taler acht Groschen, ohne dass dies ausreichend gewesen wäre.400 Die älteste bekannte Krankenstube unter den Leipziger Handwerken besaßen jedoch die Bäcker. Schon im Januar 1492 überließen die Dominikanermönche im Paulinerkloster den Bäckergesellen widerruflich ein Häuslein zur Versorgung ihrer kranken Brüder. Es habe neben dem Beginenhaus an der späteren Universitätsstraße „uff der schefferey“ gelegen. Da sich in der Mitte des Hauses ein „eyngangk wie eyn gesslein“ befand, sprach man auch von den „zcwei hewsslin“ der Bäcker.401 In der strengen Aufnahmeordnung wurden keine Einzelheiten bezüg 396 StadtAL, Rb 72 (1620–1621), Bl. 207–208. Vgl. auch StadtAL, Stift. II, Nr. 140, Bl. 48. – StadtAL, Tit. I (F) 22b, Bl. 251b–252b. 397 StadtAL, Rb 100 (1651–1652), Bl. 15–15b. – StadtAL, Schoßstube, Johannishospital, Rechnungen 1650/51, S. 28. – StadtAL, Stift. II, Nr. 140, Bl. 61. – StadtAL, Tit. I (F) 22b, Bl. 274b. Die Bestätigung des Erweiterungsbaues erfolgte 1657 durch den Rat. Ebd., Bl. 61b. 398 StadtAL, Schoßstube, Johannishospital, Rechnungen 1652/53, Bl. 16. 399 StadtAL, Rb 6 (1530–1537), Bl. 213b–214. – StadtAL, Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1534/35, Bl. 36. 400 StadtAL, Inn Tischler C 42, Bl. 97–98b. Den Hinweis auf diese Zuwendung verdanke ich Frau Dr. Elke Schlenkrich. Ähnliche Stiftungen einzelner Personen zugunsten von Handwerksangehörigen kamen häufiger vor, gelten aber nicht als kollektive soziale Sicherungsmaßnahme. Im vorliegenden Beispiel erbrachte die Handwerksinnung allerdings durch die jährlichen Zubußen eine eigene Unterstützungsleistung. Vgl. StadtAL, Tit. LXIV (F) 183, Vol. 2, Bl. 31–32b. 401 StadtAL, Barthels Diplomatarii Lipsiensis, Teil VI, Bl. 97–98. Vgl. FÖRSTEMANN, Joseph (Hrsg.): Urkundenbuch der Stadt Leipzig, Bd. 3 (= Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae, Zweiter Haupttheil, Bd. 10). Leipzig 1894, S. 186f. – ZARNCKE, Friedrich (Ed.): Acta rectorum universitatis studii Lipsiensis. Leipzig 1859, S. 515. Siehe auch: BEIER, Karl / DOBRITZSCH, Alfred (Hrsg.): Tausend Jahre deutscher Vergangenheit in Quellen heimatlicher 

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lich finanzieller Absprachen geschildert. Ausführlich gingen die Bettelmönche aber auf diejenigen Bäckergesellen ein, die man keineswegs im „begkenhewslein“ dulden wollte. So wurden juristisch für unehrlich erklärte und kriminelle, verbannte und aussätzige Personen genannt, „item keyner, der in der zceit seyner müssigkgengereye in kranckheit gefallen ist. Item nymande, der anderßwo kranck worden, von außwendigk her zcuflucht dor zcu vorgunst wer402 de.“

Damit war der Aufenthalt u. a. den an Geschlechtskrankheiten leidenden und den krank zuwandernden Gesellen verwehrt. Nach einer Beschreibung von 1543 speisten die Dominikaner die kranken Bäckergesellen. Es „gibt yhr eynem das closter vff eynen tagk, so lang die krangkheit weret, eyn par semmeln, eyn suppe, eyn zcugemüsse vnd eyn kan scherpen. Dokegen wöchlin vff eynen tagk geben die meister von alters her vor sulche wollthat dem closter, yder nach seym gefallen, das es gleichwoll ix g viij weniger ader mehr semmeln macht, welches nach disen tagk genge ist, 403 wie es dann aich woll feyl ader tewr ist.“

Bald nach Anfertigung der Beschreibung wurde, nachdem ein städtischuniversitärer Konflikt beigelegt worden war, das Paulinerkloster an die Hochschule übergeben. Diese Übereignung hatte nach einer abschriftlich erhaltenen Nachricht vom 14. April 1545 Auswirkungen auf die Krankenversorgung im Bäckerhandwerk. „Die Backer Meister vnd gesellen seint durch den Ratt geweist, der Vniversitet Ir haußlein zu entreumen, Nachdem dasselb gedachter Vniversitet von v[nserem] g[nä]d[igen] Hern Hertzog 404 Moritz zu Sachssen gentzlich mit sampt dem Pauler closter geeigent,“

worauf die Bäckerhäuslein zu Wohnungen für die Universitätsprofessoren umgestaltet wurden.405 

402 403

404 405 

Geschichte insbesondere Leipzigs und des Leipziger Kreises, Bd. 1. Leipzig 1911, S. 121f. – FRANKE, Erich: Die Universitätsgebäude von 1409 bis ins 17. Jahrhundert. In: FÜSSLER, Heinz (Hrsg.): Leipziger Universitätsbauten. Die Neubauten der Karl-Marx-Universität seit 1945 und die Geschichte der Universitätsgebäude. Leipzig 1961, S. 134, 154. – FRÖHLICH (Sicherung) 1976, S. 157. – JUNG (Caritas in Leipzig) 1970, S. 220f. – KNOLL, Alexander: Handwerksgesellen und Lehrlinge im Mittelalter (= Gewerkschaftliche Jugendbücherei, Bd. 1). Berlin 1924, S. 55. StadtAL, Barthels Diplomatarii Lipsiensis, Teil VI, Bl. 97b. ZARNCKE (Acta) 1859, S. 515. Ein kommentierter Lageplan der betreffenden Gebäude findet sich ebenfalls bei Zarncke. Ebd., S. 525f. Nach Ansicht von Konstantin Eberwein stammten die wöchentlich gezahlten Groschen aus der Gesellenlade. EBERWEIN (Bäckerzunft) 1925, S. 39. StadtAL, Tit. I (F) 22b, Bl. 159b. Vgl. StadtAL, Rb 8 (1542–1546), Bl. 273b. – PÖNICKE (Messe) 1931, S. 4. KUSCHE, Beate / STEINFÜHRER, Henning: Die Bauten der Universität Leipzig von 1409 bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges. In: Geschichte der Universität Leipzig 1409–2009 (hrsg. im Auftrag des Rektors der Universität Leipzig Franz Häuser von der Senatskommis-

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Nachdem die Bäcker die beiden Häuslein aufgeben mussten, dauerte es nur fünf Jahre, bis ein neues Vertragswerk ihren Gesellen „ein Stubelein unnd kammern“ im Georgenhospital zur Unterbringung der bedürftigen Kranken zusicherte. Gegen die hohe Summe von 300 Gulden, davon ein Drittel in bar, übernahm das Hospital alle anfallenden Kosten, von der Verpflegung und dem „Feuerwerck“ über eine einzustellende Krankenwärterin, die zusätzliche Botendienste verrichten sollte, bis zu den medizinischen Behandlungskosten. Nur für die Betten und das Bettzeug hatten die Bäcker selbst zu sorgen. Außerdem wollte das Handwerk „dem Korbtreger Sant Georgen hospitals, gleich wie sie vor altters den Paul[in]er Munchenn gethann, alle Sonnabende zwej pahr weiche Semmeln gebenn“.406 Spätestens als es 1584 über die Lebensmittellieferung eine „Irrung“ zwischen den Meistern und dem Hospital gab, wurde die Sachleistung in eine Geldleistung umgewandelt, sodass die Bäcker seitdem etwa 13 bis 20 Gulden jährlich entrichteten.407 Die Rechnungen des Georgenhospitals berichten seit etwa dieser Zeit von Einnahmen aus der „Becken Buxsen“. So wurden vom 24. Oktober 1607 bis zum 30. Januar 1608, also in 14 Wochen von 28 „Pecken“ genau vier Gulden 14 Groschen eingesammelt, was auf eine wöchentliche Gebühr eines jeden Bäckermeisters von drei Pfennigen hinauslief. Durch diesen regelmäßigen Beitrag, der sich mit weiteren Belegen in den Hospitalrechnungsbüchern deckte,408 entledigten sich die Bäckermeister weitestgehend der Krankenpflege für ihre Gesellen. Wie andere vergleichbare Einrichtungen wurden die Hospitalbetten der Bäckergesellen jedoch durch den Dreißigjährigen Krieg vernichtet. Um eine Krankenversorgung der Gesellen stückweise aufrechtzuerhalten, wurde die Aufdinggebühr für Lehrlinge um zwölf Groschen angehoben, die der Gesellenlade zufließen sollten. Über die tatsächliche Verwendung dieser Mittel bestand allerdings keine Transparenz, weswegen sich einige Meister weigerten, die nicht statutarisch abgesicherten, höheren Gebühren zu entrichten. Neue Gesellenbetten wurden damit jedenfalls nicht erworben.409 Eine jährliche Abgabe in Form einer Sachleistung hatten auch die Leineweber Mitte der 1560er Jahre mit dem Hospital St. Georg vereinbart. Sie lieferten jährlich 60 Ellen Leinwand, die zu Hand- oder Betttüchern weiterverarbeitet werden 

406 407 408

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sion zur Erforschung der Leipziger Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte). Bd. 5: MAREK, Michaela / TOPFSTEDT, Thomas (Hrsg.): Geschichte der Leipziger Universitätsbauten im urbanen Kontext. Leipzig 2009, S. 44f. StadtAL, Rb 10 (1550–1553), Bl. 102–102b. SEYFARTH (Das Hospital zu St. Georg) 1939, S. 152. StadtAL, Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1599/1600, Bl. 11b. – StadtAL, Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1606/07, Bl. 9. – StadtAL, Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1607/08, Bl. 11–11b. – StadtAL, Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1619/20, Bl. 8. – StadtAL, Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1629/30, Bl. 18. StadtAL, Tit. LXIV (F) 17b, Bl. 79–80, 82–86. In der Dissertation von Eberwein ist von zwei Gesellenbetten, die im Dreißigjährigen Krieg verbrannt seien, die Rede. EBERWEIN (Bäckerzunft) 1925, S. 39.

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konnten, um im Gegenzug ihr krankes Gesinde einliefern zu dürfen.410 Ende des 16. Jahrhunderts versiegen jedoch die Einträge über die Rohstofflieferungen. Eine bislang nicht zu belegende Modifikation oder ein Auslaufen der Übereinkunft könnten auch erklären, wieso beispielsweise „Georg Lang, Leinweber, fur einen krancken gesellen, welcher in Spittal 4 wochen kranckh gelegenn, vonn ieder wochenn 4 g“ an das Hospital zahlte.411 Zusammenfassend gewährleisteten unter den aufgeführten Beispielen in Leipzig die beiden Massenhandwerke der Schneider und Schuhmacher lange Zeit eine institutionalisierte Krankenpflege durch Vertragsabschlüsse mit den städtischen Hospitälern St. Johannis bzw. St. Georg, auch wenn die Versorgungsqualität412 oder die Räumlichkeiten bisweilen nicht allen Anforderungen genügten. Selbst wenn die Innungen beteiligt waren, lagen die Krankenpflege und die dazu nötige Finanzierung hauptsächlich in den Händen der Gesellen. Zumindest das kurzlebige Schneiderhäuslein auf dem „Hane-Kamm“ wurde wahrscheinlich durch die Meisterinnung erworben. Andere Gesellengruppen wie diejenigen der Bader und Bäcker waren auf eine stärkere Unterstützung ihrer Arbeitgeber angewiesen, da ihnen die finanziellen und personellen Möglichkeiten fehlten. Die meisten Handwerksorganisationen leisteten sich jedoch keine teuren Reservierungen von Bettstellen oder Krankenstuben. Sie überwiesen kranke Gesellen ad hoc an die Gesellen- bzw. Handwerksherberge und schickten sie erst im Notfall in ein Hospital oder Krankenhaus, um die Kosten für jeden Einzelfall zu übernehmen. Im Vergleich der Verträge untereinander wurde deutlich, dass sich die vereinbarten Bedingungen für die Leipziger Handwerker mit der Zeit verschlechterten. Nicht nur die aufzubringenden Geldbeträge wuchsen beispielsweise vom Anfang des 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts beträchtlich an, auch die übrigen Leistungen hatten die Gesellenschaften bzw. Handwerke nun selbst zu tragen. Damit wurde insbesondere den Gesellenschaften eine ausreichende, finanzierbare Krankenversorgung für bedürftige Korporationsmitglieder beinahe unmöglich gemacht. Neue Verträge wurden in Leipzig dementsprechend im 18. Jahrhundert nicht mehr abgeschlossen. Die zahlreichen verschuldeten Gesellenkassen sahen sich allein mit den sozialen Aufgaben zunehmend überfordert, sodass man nach  410 StadtAL, Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1567/68, Bl. 11b. – StadtAL, Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1568/69, Bl. 13. – StadtAL, Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1569/70, Bl. 8. – SEYFARTH (Das Hospital zu St. Georg) 1939, S. 152. 411 StadtAL, Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1591/92, Bl. 19b. Warum die Übereinkunft mit dem Hospital auslief und einzelne Arbeitgeber die Versorgungskosten wieder selbst zahlten, kann aufgrund fehlender Angaben nicht entschieden werden. Ein starker Rückgang der Gesellenzahlen oder die zunehmende Verarmung weiter Teile der Meisterschaft könnten ursächlich dafür sein, dass die bisherige Regelung für viele Meister nicht mehr interessant war. 412 StadtAL, Stift. I, Nr. 89, Bl. 12–12b. – StadtAL, Stift. II, Nr. 140, Bl. 234b.

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Mitteln und Wegen suchte, die kostspielige Krankenunterstützung zu verringern, was schließlich zu diversen unsozialen Auswüchsen führte.

C) Breite Nutzung der neuen Anstaltslandschaft am Ende des Ancien Régime – Dresden Obwohl in Dresden ab dem späten Mittelalter Hospitaleinrichtungen existierten, finden sich kaum Überlieferungen zu vertraglichen Absprachen mit einzelnen Handwerksorganisationen.413 Wie in anderen vergleichbaren Städten entwickelten sich die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Hospitäler, die lange Zeit unter anderem krankenpflegerische Aufgaben übernommen hatten, zu Alters- und Pflegeheimen. Aufnahme fanden hier vorrangig hochbetagte Dresdner Bürger, die sich die Einkaufsumme oder die Jahresgelder leisten konnten und bei Bedarf ihren Besitz dem Hospital übereigneten, um im Gegenzug bestimmte Privilegien bei der Verpflegung zu genießen. Seit 1718 bestand ferner ein Stadtarmenhaus.414 Eine  413 In den Überlieferungen finden sich beispielsweise Beschreibungen der verschiedenen Stuben des Dresdner Lazaretts, ohne auf eine Vermietung oder Bettenreservierung für spezielle Personen oder Personengruppen einzugehen. StadtAD, RA, F. XXI. 13c, Bl. 14–19. Soll das ältere kommunale Armen- und Hospitalwesen Dresdens betrachtet werden, führt kein Weg an den Forschungen von Stanislaw-Kemenah vorbei. Besonders hervorzuheben sind: STANISLAW-KEMENAH, Alexandra-Kathrin: Dresdner Klöster und Hospitäler im Mittelalter. In: Dresdner Hefte. Beiträge zur Kulturgeschichte 19/2001, H. 65, S. 46–55. – Dies.: „Das wir vnsere augen von den Armen nicht sollen wenden“. Die Bedeutung der Armenfürsorge und der Stellenwert des Hospitalwesens bei Philipp von Hessen und Moritz von Sachsen. In: FRIEDRICH, Arnd / HEINRICH, Fritz / VANJA, Christina (Hrsg.): Das Hospital am Beginn der Neuzeit. Soziale Reform in Hessen im Spiegel europäischer Kulturgeschichte (= Historische Schriften des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen. Quellen und Studien, Bd. 11). Petersberg 2004, S. 33–48. – STANISLAW-KEMENAH, Alexandra-Kathrin: Kirche, geistliches Leben und Schulwesen im Spätmittelalter. In: BLASCHKE, Karlheinz (Hrsg.): Geschichte der Stadt Dresden. Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges. Stuttgart 2005, S. 207–213. – STANISLAW-KEMENAH (Kranke, Arme und Elende) 2007. – Dies. (Spitäler) 2008. Siehe außerdem einige ältere, kurze Aufsätze oder Beschreibungen bei: BÖNISCH, [o. V.]: Einige Bemerkungen über die Entstehung und Entwickelung des Stadtkrankenhauses und über dessen dermalige Einrichtungen. In: Mittheilungen aus dem Stadtkrankenhause zu Dresden mit besonderer Berücksichtigung der Jahre 1871, 1872, 1873. Erster Theil: Geschichtliches. Dresden 1874, S. 1–31. – DASSDORF, Karl Wilhelm: Beschreibung der vorzüglichsten Merkwürdigkeiten der Churfürstlichen Residenzstadt Dresden und einiger umliegenden Gegenden. Dresden 1782, S. 233–235. – MATTHAES, Ruth: Die ältesten Hospitäler Dresdens. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Technischen Hochschule Dresden 6/1956/57, H. 1, S. 29– 38. Beachte auch die Ausführungen bei: Butte (Geschichte Dresdens) 1967, S. 159–161. – KLEINE-NATROP, Heinz Egon: Das heilkundige Dresden. Dresdner Chirurgenschulen und medizinische Lehrstätten in drei Jahrhunderten. Dresden, Leipzig 1964, S. 36–49. Eine Leipziger Dissertation aus den 1920er Jahren verfolgte eigens die Entwicklung des Stadtkrankenhauses. KRÖBER (Dresdner Stadtkrankenhaus) 1923. 414 Einwohneramt der Königlichen Polizeidirection (Bearb.): Adress- und Geschäfts-Handbuch der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Dresden für das Jahr 1855. II. Abtheilung: Geschäftshandbuch. Dresden 1855, S. 136. – LINDAU (Gemählde von Dresden) 1817, S. 317. – 

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umfangreiche Krankenversorgung bedürftiger Personen leisteten diese Einrichtungen im Laufe des 18. Jahrhunderts jedoch nicht mehr. Einen knappen Hinweis auf eine frühere Krankeneinrichtung für Handwerker enthält ein Bericht des Stadtrates über „der Hospitalien Siech vnnd anderer Heuser halbenn, Inn vnd vor der Stadt, auch zu Alten Dreßdenn“ aus dem Jahre 1581. Dieses Hospital sei speziell „für die armen Dienstbothenn, Handtwercksgesellen, auch frembde gewanderte Krancke Leuthe, so nicht fortkommen kennen, Item Wahnsinnige“ eingerichtet worden. Es hätte nahe dem „Pestilenz-Hauße“, also dem Lazarett, gestanden und sei „außm gemeinen Kasten oder vom Rath versorget“ sowie vom Totengräber und seiner Ehefrau bewohnt worden.415 Der weitere Fortgang des kleinen, ohnehin städtisch geführten Spitals ist unbekannt. Wie ein Schreiben des Stadtphysikus aus dem Jahr 1771 zeigt, lag auf dem Gebiet der Versorgung armer Kranker in Dresden auch etwa zweihundert Jahre später vieles im Argen. Der Mediziner erwähnte die „so furchtbare als nahrungslose Jahreszeit“, die sich bereits ankündigenden schweren Seuchen, die abnehmende individuelle Mildtätigkeit und die mitleiderregenden „HandwercksPurschen“, welche sich „kraftlos und siech theils noch auf den Straßen herumtreiben, theils auf denen Herbergen und Innungskranckenhäusern herumliegen und iämmerlicher weise entweder hülflos gelaßen oder denen mörderischen Versuchen eines ieden tollkühnen Winckelartzes, den die Altgesellen dafür bezahlen, ohne Bedencken preiß gegeben sind […] Bekanntermaßen sind unsere öffentlichen Anstalten zum Behuf Siecher und Krancker sehr unbeträchtlich und blos auf das Lazareth vor dem Wilsdruffer Thore eingeschräncket, welches aber noch, nach dem Zeitalter seiner Stiftung und der damalen geringern Anzahl Menschen in Dreßden, auf einen sehr mittelmäßigen Fuß eingerichtet, weder mit hinlänglichen Einkünften noch weniger mit denen zur Wiederherstellung der Gesundheit erforderlichen Bequemlichkeiten versehen, von ieher nur 416 wenigen Krancken eine mühselige Zuflicht verstattet hat.“

Es würde nicht mehr lange dauern, bis „es gegenwärtig bald nichts mehr als der elendeste Zufluchtsort für Hunger und Blöße ist, und nur die um den traurigen Trost, darinne aufgenommen zu werden, flehen, welche durch die erschrecklichsten Folgen ihrer Unordnungen und Ausschweifungen mit den schändlichsten und oft unheilbaren Kranckheiten gebrandmarcket sind; dagegen andere des Mitleids würdigere Krancke die Aufnahme, theils wegen des herrschenden Mangels, theils wegen der unvermeidlichen Gemeinschaft mit denen Ruchlosen, als die bitterste Schmach verabscheu417 en“.

 MEYER (Topographie und Statistik) 1840, S. 162. Zu einer kurzen Beschreibung der am Ende des 18. Jahrhunderts vorhandenen Krankeneinrichtungen in Dresden siehe: StadtAD, RA, B. XII. 60, Bl. 134–139b. 415 StadtAD, RA, F. XXI. 15k, Bl. 69–70. Abgedruckt auch in: HASCHE (Magazin) 1784, S. 471– 476. 416 StadtAD, RA, C. XXIV. 215o, [unpag.] (Schreiben vom 19.11.1771). 417 Ebd.

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Im Notfall brachten die Dresdner bedürftige Kranke, darunter nicht wenige Handwerksgesellen, somit in das 1568 gegründete Lazarett.418 Diese Anstalt, die 1797 offiziell die Bezeichnung „Stadtkrankenhaus“ erhielt,419 bot etwa 140 Bedürftigen, darunter Kranken, auch Venerischen und Schwangeren, Platz, genügte jedoch am Ende des 18. Jahrhunderts, neben einem Mangel an Räumlichkeiten, keinesfalls mehr den hygienischen Ansprüchen.420 Außer auf die äußeren Unzulänglichkeiten ging ein Bericht der landesherrlichen Expedition an die Landesregierung auf den Innenzustand des Lazaretts im Februar 1787 ein. In dem Bericht wurde dafür plädiert, „daß ein ganz neue[s] Lazarethgebäude errichtet werden müsse, weiln iezt alle Stuben im Lazarethgebäude so tief lägen, daß das Wasser an den Wänden herunter laufe und dahero Holzwerk, Betten, Wäsche, Kleidung und alles, was dahin gebracht würden, gar bald beschlage und in Fäulniß übergehe, auch nicht einmal behörige Behältnisse vorhanden, um Vorräthe aufbewahren zu können; So hätte zu einer Hauptverbesserung und Aenderung der innern Einrichtung noch nicht verschritten werden können, sondern sie [d. h. die Expeditionsmitglieder] hätten blos sich begnügen müssen, daß sie von denen iezigen Stuben zwey Conventstuben anlegen und sämtliche Stuben reinigen und ausweisen lassen, auch hätten sie zu Beförderung der Gesundheit und Reinlichkeit, statt daß die Kranken zeithero auf Stroh gelegen und mit einem unüberzogenen Bette sich behelfen müssen, Strohsäcke und Frießdecken mit denen nöthigen Einschlagetüchern, Bett-Tüchern und Überzügen, auch zur Bekleidung die erforder[lichen] Hemden [...] angeschafft und hierdurch die höchste Absicht, so weit der dermalige 421 Zustand des Lazareths solches thunlich gemacht, möglichst zu erreichen sich bemühet“.

Die zu dieser Zeit etwa 50.000 Einwohner422 zählende Stadt besaß das abgewirtschaftete Lazarett als einzige größere Krankenpflegeeinrichtung. Dies stellte auf dem Gebiet der öffentlichen Armen- und Krankenfürsorge einen untragbaren Zustand dar, den das Mitte des 18. Jahrhunderts gegründete katholische Krankenstift, das gerade einmal zwölf Personen Platz bot, und die Hofpatientenburg, die vorrangig für Dresdner Hofbedienstete eingerichtet worden war, nicht spürbar ver 418 StadtAD, RA, F. XXI. 15d. Noch aus den 1770er und 1780er Jahren berichten beispielsweise die Rechnungen der Tuchmacher von kranken Gesellen, die im Lazarett auf Innungskosten versorgt wurden. StadtAD, 11.2.66, Nr. 71w, Rechnung 1770/71, 1771/72, 1776/77, 1784/85 u. ö. Auch das Zugangsbuch des Lazaretts weist von 1746 bis 1788 eine große Anzahl Handwerksgesellen aus. StadtAD, RA, F. XXI. 11. 419 StadtAD, RA, B. XII. 61, Bl. 1. 420 LINDAU (Gemählde von Dresden) 1817, S. 143. – MEYER (Topographie und Statistik) 1840, S. 242. – NEIGEBAUR, Johann Daniel Ferdinand: Dresden und die Saechsische Schweiz. Leipzig 1843, S. 221. – Statistischer Verein (Mittheilungen II) 1832, S. 76. – WEINHOLD, Rudolf: Armen- und Spitalverpflegung als Element städtischer Ernährungspolitik. Dargestellt am Dresdner Material des 17. bis 19. Jahrhunderts. In: Volkskunde in Sachsen 7/1999, Studien 2, S. 85–87. Die erwähnten Wilhelm Adolf Lindau, Ernst Julius Jacob Meyer und Johann Daniel Ferdinand Neigebaur datieren die Gründung des alten Lazaretts auf das Jahr 1560. Streng genommen stammte aus diesem Jahr lediglich die kurfürstliche Stiftung von 10.000 Gulden. LINDAU, Martin Bernhard: Geschichte der Haupt- und Residenzstadt Dresden von der frühesten bis auf die gegenwärtige Zeit. Erster Band. Dresden 1859, S. 589. 421 StadtAD, RA, F. XXI. 15k, Bl. 118–127b. 422 MEYER (Topographie und Statistik) 1840, S. 177.

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besserten.423 In dieser unzureichenden medizinisch-pflegerischen Versorgungssituation war es nachvollziehbar, dass sich größere Handwerksorganisationen nur im äußersten Notfall an die öffentlichen Einrichtungen wandten und versuchten, die Arbeitsfähigkeit ihrer kranken Gesellen auf den Herbergen oder eigenen Krankenstuben und -häusern zu restituieren. Erst eine Stiftung des kursächsischen Konferenzministers Peter Karl Wilhelm Graf von Hohenthal-Königsbrück (1754–1825) sollte langfristige Auswirkungen zeitigen. Aus den Stiftungsmitteln wurde nach langen Diskussionen bis 1797 die sogenannte Hohenthalische Anstalt am Friedrichstädter Marktplatz Nr. 173 errichtet. Kaum zwei Jahre später wurde sie vom sächsischen Kurfürst übernommen und unter Amtsgerichtsbarkeit gestellt, weshalb die Institution fortan als Friedrichstädter Amtskrankenhaus bezeichnet wurde. Die Anstalt sollte ursprünglich Unterkunft für 24 Personen bieten, war aber schnell überbelegt. Ein ebenfalls von Minister Hohenthal erworbenes zweites Gebäude direkt neben dem Amtskrankenhaus, das sogenannte Hohenthalische Haus oder Krankenstift, wurde mit 36 Siechenstellen eröffnet und nach dem Tod des Stifters testamentarisch dem Amtskrankenhaus übereignet. Die beiden vereinigten Häuser wurden nun wechselweise Friedrichstädter Krankenhaus oder Hohenthalische Anstalt genannt. Im Jahr 1816 waren in der gesamten Einrichtung schon 97 Insassen untergebracht, obwohl die Stuben eigentlich nur für 60 Kranke ausgelegt waren.424 Im Krankenstift fanden vor allem arme Gesellen verschiedener Handwerke und ältere, unvermögende Witwen in Zeiten einer Krankheit Unterkunft. Die Handwerksorganisationen, die Verträge mit dem Krankenstift abschlossen, hatten

 423 Einwohneramt (Adress- und Geschäfts-Handbuch) 1855, S. 137. – LINDAU (Gemählde von Dresden) 1817, S. 145. – LUFFT, Julius: Das Königliche Krankenstift zu DresdenFriedrichstadt 1747–1897. Denkschrift zur Hundertfünfzigjährigen Jubelfeier des Krankenstifts nach Urkunden und Archivalien bearbeitet. Dresden 1897, S. 12f. – MEYER (Topographie und Statistik) 1840, S. 245f. 424 StadtAD, RA, B. XII. 154e, Vol. I. – StadtAD, RA, B. XII. 154f, Vol. I. – StadtAD, RA, B. XII. 160s. – LINDAU (Gemählde von Dresden) 1817, S. 144. – MEYER (Topographie und Statistik) 1840, S. 245. Nach dem Umzug des alten Stadtkrankenhauses 1849 in das ehemalige Marcolinische Palais wurde die Hohenthalische Anstalt ähnlich den frühneuzeitlichen Hospitälern vorrangig als Versorgungsanstalt für ältere sächsische Bürger genutzt. Auch eine Umwandlung in ein Siechenhaus wurde anfangs ins Auge gefasst. StadtAD, RA, B. XII. 160y. – Einwohneramt (Adress- und Geschäfts-Handbuch) 1855, S. 136. Lagepläne und Abbildungen der jeweiligen Krankenhäuser, Hospitäler und anderer Dresdner Einrichtungen finden sich in: RICHTER, Otto: Atlas zur Geschichte Dresdens. Pläne und Ansichten der Stadt aus den Jahren 1521 bis 1898. Dresden 1898. Auch eine jüngere Darstellung der Geschichte des Friedrichstädter Krankenhauses geht kurz auf die Vorgeschichte der Anstalt ein. KUNZE, Peter: Vom Adelpalais zum Städtischen Klinikum. Geschichte des Krankenhauses DresdenFriedrichstadt. Zusammengestellt anläßlich des 150jährigen Jubiläums 1849–1999. Dresden 1999, bes. S. 7–17.

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für ihre einquartierten Gesellen meist ein tägliches Kostgeld zu zahlen, außer wenn es sich um Freistellen handelte.425 Unter den städtischen Gesellengruppen gehörten die Schneider zu den zahlenmäßig stärksten. Sie hatten ihre kranken Gesellen, die nicht von ihren Meistern versorgt wurden, in einem der Innung gehörenden Patientenhaus unterbringen können. Eine Aufnahme in das städtische Krankenhaus, das ehemalige Lazarett, wurde ihnen Anfang des 19. Jahrhunderts sogar verweigert.426 Um 1800 hatten sich jedoch die Vorstellungen einer zweckmäßigen Krankenversorgung gewandelt, sodass sowohl die Versorgung durch die Familie des Meisters in dessen Haushalt als auch diejenige durch Mitgesellen und eine Laienpflegerin im Patientenhaus immer größere Kritik erfuhren. Die Ältesten der Schneiderinnung wandten sich an die Direktion des Amtskrankenhauses zu Friedrichstadt und hoben dessen „Reinlichkeit, Ordnung und gute Pflege“ hervor, die sie gern in Anspruch nehmen würden. Sie verwiesen auf das Vorbild der Bäckerinnung, mit der bereits eine vertragliche Absprache bestand.427 Darüber hinaus spielten finanzielle Aspekte eine große Rolle. Bislang finanzierte die Gesellenschaft die Krankenversorgung, während die Meister für das Patientenhaus als Gebäude aufkamen. Die Ausgaben für das Objekt überstiegen ständig die dürftigen Einnahmen, sodass sich die Meister nur zu gern von dieser Verlustimmobilie trennen wollten. Bei einer Unterbringung im Hospital würden die Aufwendungen zur Krankenversorgung, so die Hoffnungen vieler Meister, endlich vollständig auf die Gesellen und ihre Verpflegungskasse abgewälzt. Nach erfolgter Einwilligung des Ministers Hohenthal und einigen Gehaltserhöhungen für den Stiftsarzt und den -chirurgen wurden ab 1808 zunehmend kranke Schneidergesellen in das Hohenthalische Krankenstift geschickt, wogegen die Nutzung des Patientenhauses als Unterkunft für erkrankte Gesellen im Jahre 1810 endgültig eingestellt wurde.428 Gegen einen Fixbetrag hatte im Übrigen einzig die Nagelschmiedeinnung die Einlieferung ihrer kranken Gesellen ins städtische Krankenhaus vereinbart.429

 425 Im Sommer 1805 wurden beispielsweise Bäcker-, Uhrmacher- oder Tuchscherergesellen in das Krankenstift aufgenommen. Die Bäckerinnung entrichtete ein tägliches Kostgeld von sechs Groschen für jeden kranken Gesellen. StadtAD, RA, B. XII. 160u, Bl. 32, 59b. Vgl. StadtAD, 11.2.56, Nr. 185, Bl. 2b. 426 Eine Ausnahme wurde bei krätzigen und venerischen Personen gemacht. StadtAD, RA, F. XXI. 14y, [unpag.] (Undatierter, anonymer Bericht von etwa 1806). 427 StadtAD, RA, B. XII. 160u, Bl. 59–60. 428 StadtAD, 11.2.54, Nr. 160, Bl. 1, 6. 429 StadtAD, RA, F. XXI. 14y, [unpag.] (Undatierter, anonymer Bericht von etwa 1806).

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D) Mehrjährige Mietverträge der Weber mit dem städtischen Krankenhaus – Chemnitz An anderer Stelle wurde über die Errichtung des ersten städtischen „KranckenHaußes“ in Chemnitz 1787 berichtet – ein Ereignis, das zugleich das Ende der Versorgung kranker Webergesellen im handwerkseigenen Krankenhaus bedeutete. Nach einer Vorsprache der Zeug- und Leineweberinnung im Februar 1788 auf der Ratsstube, bei der „auf 6 Jahre eine Stube ingl[eichen] 1 Stuben- und BodenKammer in dem neuen Krancken-Hauße am Anger, nebst einem Holtz-Schuppen, gegen einen billigmäßigen Miethzinnß“ erbeten wurden, erfolgte der Vertragsschluss am 2. Mai desselben Jahres.430 Die ratsherrliche Konfirmation des Mietvertrags zwischen der Chemnitzer Innung und dem Interims-Vorsteher des neuen Krankenhauses am Anger wurde am 23. Juni 1788 vollzogen. Auf sechs Jahre wurde den Webern das Nutzungsrecht dieser Räumlichkeiten auf halbjährlichen Mietzins von sechs Talern eingeräumt. Daneben hatte die Innung keinerlei Privilegien zu erwarten. Die Kranken des Handwerks sollten „mit Beköstigung, Wartt- und Pflegung auch Holtz, Geleuchte, Betten und Bett-Stellen“ ohne Belastung des Hospitals und Krankenhauses versorgt werden. Selbst die anfallenden Reparatur- und Renovierungsarbeiten übernahm das Handwerk. Sollte der im Krankenhaus angestellte Krankenwärter mit der Sorge der Webergesellen beauftragt werden, versprachen die Weber, ihm eine „absonderliche Vergüthung“ zu reichen.431 Die Handwerksrechnungen bestätigen auf den ersten Blick scheinbar hinreichend, dass die Innung nötige Aufwendungen übernahm. So wurden mehrfach Ofenreparaturen und Glaserarbeiten, Transportkosten für Kranke und Verstorbene, kleinere Anschaffungen wie ein Nachtstuhl und auch Almosen für besonders Notleidende bezahlt. Den wenigen Meistern, die im Krankenhaus untergebracht waren, wurde sogar ein gewisses wöchentliches Taschengeld gegönnt.432 In praxi hatte aber nicht das Handwerk allgemein die Kosten für die Versorgung kranker, bedürftiger Gesellen zu tragen, sondern vorrangig die Gesellenschaft. Die Innung haftete finanziell erst an zweiter Stelle und ließ sich die entstandenen Kosten über die Gesellenauflagen wiedererstatten. Allein im Rechnungsjahr 1813/14 musste die Handwerksinnung den Gesellen „aus dringender Noth wegen der vielen Krancken“ 660 Taler vorstrecken.433 Da es nach dem Winter 1788/89, also bereits kurz nach dem Beginn der vertraglich mit dem Krankenhaus vereinbarten Nutzungsdauer, zu Veruntreuungs 430 StadtAC, RA, Kap. IV. Sect. X, Nr. 8a, Bl. 62–63b. 431 Ebd., Bl. 67–69b. Vgl. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 391f. 432 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 395, Bl. 26b, 33b–34. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 396, Bl. 74b, 139. 433 Ebd., Bl. 161b. Als die Übernahme medizinischer und chirurgischer Behandlungskosten diskutiert wurde, argumentierte die Innung außerdem, dass die „Brüderschafft“ hierdurch sehr geschwächt worden sei, weshalb diese Aufwendungen zukünftig nicht mehr kollektiv getragen würden. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 404b–405.

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und Missbrauchsvorwürfen kam und sich neben der Weberinnung weitere Angehörige von mehreren Krankenhausinsassen beschwerten, wurden die Pflichten des Krankenwärters schriftlich festgehalten. Dem Wärter sollten lediglich Aufsichts-, Kontroll- und Wirtschaftsaufgaben, jedoch keine medizinischen Versorgungsfunktionen mehr obliegen. Er sollte die Kranken „mit guter christlicher Pfleg- und Wartung auch angemeßener Kost versorgen, deren Wäsche und Betten reinigen und waschen und hierbey allenthalben sich nebst seinem Eheweibe un434 vordroßen bezeigen“

und „Personen von verwirrten Gemüths-Umständen, daferne es nöthig, an die Kette legen und solche an- und abschlüßen“. Arme Pflegebedürftige, die nicht völlig arbeitsunfähig waren, wurden vom Wärter zur Arbeit angehalten, wogegen er alle Bettelversuche unterbinden sollte.435 Unabhängig von der Wartung und Pflege kranker Leinewebergesellen wurde der Krankenwärter von der Stadt für die Versorgung bedürftiger Armer mit acht Groschen wöchentlich und freier Wohnung entlohnt, später erhielt er zudem noch zwölf Pfund Brot.436 Nach Ablauf des ersten Mietvertrags wurde eine neue dreijährige Mietvereinbarung mit dem Krankenhaus ausgehandelt, doch wurde nun betont, dass kein Geselle aufzunehmen sei, „wenn er nicht gantz Bettlägerich ist“. Die Krankenversorgungskosten waren unerwartet stark angestiegen, worauf die Weberinnung die Einführung eines wöchentlichen Kranken- und Wartegeldes bei gleichzeitigem Wegfall der vollständigen kollektiven Kostenübernahme durchsetzte.437 Langfristig trugen auch die Forderungen des Krankenhauses nach einer erheblichen Steigerung des Mietzinses dazu bei, die kollektive Krankenversorgung für die Webergesellen sehr zu verteuern. Aus den 1788 vereinbarten zwölf Reichstalern für die Miete, zu denen noch 16 bis 18 Reichstaler an Holzgeld kamen, wurden ab 1798/99 40 Reichstaler und ab 1804/05 schließlich 50 Reichstaler. Auf diesem hohen Niveau verblieben die in halbjährlichen Raten zu zahlenden Forderungen.438 Mit der Umwandlung des ehemaligen Waisenhauses an der oberen Waisenstraße in eine Aufnahmestation für Cholerakranke deutete sich ein neuer Entwicklungsschritt an. Zur Unterbringung kranker Personen wurde dieses Gebäude am 1. Juni 1837 als neues Krankenhaus mit einer Bettenkapazität von 66 Stück eröffnet. Es diente vorrangig der Aufnahme kranker Handwerksgesellen und armer Kranker der Stadt Chemnitz. Das Rechnungsbuch der Weberinnung verzeichnete taggleich mit der Eröffnung die Ausgabe von 500 Talern an die Verwaltungsdeputation des neuen Krankenhauses, „wodurch der jährliche Miethzins an 50 r für die Kranken 434 435 436 437 438

StadtAC, RA, Kap. IV. Sect. X, Nr. 8a, Bl. 76b. Ebd., Bl. 71–72, 76–77b. Ebd., Bl. 85. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 404b–405. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 395. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 396. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 415.

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4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften

stube künftig“ obsolet wurde.439 Damit erwarb die Innung ein dauerhaftes Unterbringungsrecht für ihre kranken Gesellen. Die Notwendigkeit einer geregelten Versorgung kranker Webergesellen ergab sich in Chemnitz bereits durch die schiere Größenordnung dieser Gesellengruppe.440 Andere Handwerke konnten ebenfalls bedeutende Gruppen lohnabhängiger Beschäftigter vorweisen, doch verfügten diese entweder über keinen vergleichbaren organisatorischen Zusammenhalt wie die Webergesellen oder sie konnten in größerem Maße auf „soziales Kapital“441 in Form eigener Gesellenfamilien wie bei den Bauhandwerkern oder Strumpfwirkern zurückgreifen. Bei kleineren Gesellengruppen bestand für eine stärker institutionalisierte Gesellenkrankenpflege keine entsprechende Dringlichkeit. Oft existierten auch keine korporativen Zusammenschlüsse dieser vereinzelten Gesellen. So beschäftigten die zünftigen Tuchscherer und Färber in Chemnitz um 1800 vermutlich kaum noch Gesellen.442 Den meisten Schneider- und Schuhmachergesellen, die nicht wie in der Residenzstadt Dresden oder der Messe- und Universitätsstadt Leipzig an einen entsprechend großen Absatzmarkt angebunden waren, dürften dagegen die finanziellen Mittel gefehlt haben.

4.5.5 Vertragliche Vereinbarungen mit Ärzten und Wundärzten Zahlreiche Handwerksorganisationen übernahmen im Krankheitsfall die notwendig gewordenen medizinischen Behandlungs- und Arzneikosten, wenn ihre Mitglieder die eigene Bedürftigkeit glaubhaft vermitteln konnten und die Kassenlage dies zur rechten Zeit gestattete. Außer der Begleichung fälliger Rechnungen für Ärzte, Chirurgen und Apotheker wurden längerfristige Dienstverträge mit den betreffenden Personen getroffen, entweder allein in Bezug auf die in einer speziellen Anstalt versorgten Kranken oder umfassend zugunsten aller unterstützungswürdigen Mitglieder der Korporation. Entsprechende verbindlich festgehaltene Absprachen sind vor allem aus dem Ende des Untersuchungszeitraums erhalten. Beispielsweise schlossen die Dresdner Schneider mit einem Arzt um 1800 eine vertragliche Vereinbarung ausschließlich für die im handwerkseigenen Krankenhaus liegenden Gesellen. Der Medikus übernahm die Behandlung für eine vierteljährliche Bezahlung von acht Talern exklusive der Arzneien, deren stark schwankende Aufwendungen die eigentlichen Behandlungskosten gemeinhin  439 Ebd., Bl. 232. 440 Zur Zeit der Errichtung des innungseigenen Krankenhauses gab es in Chemnitz ca. 600 Webergesellen. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 371, Bl. 66b. Bis Anfang der 1830er Jahre stieg ihre Zahl auf über 1.000 an. StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 28, Bl. 150b–151. – StadtAC, RA, Kap. IX. Za 102, Bl. 24. 441 Zum Konzept der verschiedenen Kapitalformen nach Pierre Bourdieu und der Interpretation durch Martin Dinges siehe Kap. 4.1.1, Anm. 15. 442 StadtAC, RA, Kap. IX. Fa 13, Bl. 85b. – StadtAC, RA, Kap. IX. Td 4a, [unpag.].

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überstiegen.443 Auch die Schuhknechte Dresdens waren bereits Ende des 18. Jahrhunderts feste Dienstverträge mit dem „Doctor“ und dem „Palbier“ eingegangen.444 Die Leipziger Schuhmacher finanzierten in den 1830er Jahren einen Arzt für ihre erkrankten Gesellen aus den allgemeinen Innungsgebühren. Der Mediziner hatte alle eingewanderten, arbeitswilligen Burschen zu untersuchen und etwaig festgestellte Krankheitssymptome unverzüglich anzuzeigen, da das Handwerk nicht gewillt war, bereits krank einwandernde Gesellen finanziell zu unterstützen. Die eigentlichen Kernaufgaben des Mediziners lagen bei der Behandlung, Kontrolle und gegebenenfalls Einweisung der kranken Gesellen in ein Hospital. Für diese Leistungen erhielt der Arzt von der Innung ein festes, in vierteljährlichen Raten gezahltes Gehalt. Im Übrigen wurde eine kollektive Übernahme der Kosten nach der seit Anfang des 19. Jahrhunderts aufkommenden homöopathischen Behandlungsmethode speziell in den Verträgen der Leipziger Schuhmacher abgelehnt.445

4.6 WEITERE HILFSMASSNAHMEN IM KRANKHEITSFALL Zu den bislang angesprochenen Leistungen der Handwerksorganisationen, den finanziellen und pflegerischen Unterstützungen, kamen verschiedene zusätzliche, teils generalisierte, teils individualisierte Unterstützungen für den Krankheitsfall hinzu.

A) Vorsorgemaßnahmen Der sicherlich interessante präventiv-gesundheitliche Unterstützungsbereich berührte vor allem den einzelnen Meisterhaushalt, indem der Werkstattinhaber zur generellen Unterhaltung seiner Untergebenen angehalten war, soweit sie keinen eigenen Hausstand führten. Ernährungs- und Hygienefragen betrafen somit selten die Handwerksorganisationen, solange gewisse Standards eingehalten wurden. Größere Relevanz hatte dieses Thema bei den Medizinalhandwerkern. So sollten die kursächsischen Bader und Wundärzte bei ihren Gesellen und Lehrlingen darauf achten, „daß es sauber sey und dem Nechsten kein Schade zugefüget werde.“446 Die Sorge um das gesundheitliche Wohl der Kunden und der städtischen Allgemeinheit wirkte auf die Beschäftigten im Meisterhaushalt der Bader, Barbiere und Wundärzte zurück.  443 StadtAD, 11.2.54, Nr. 160, Bl. 35b. 444 StadtAD, 11.2.56, Nr. 141, Bl. 2–2b. Für ein weiteres Beispiel aus Dresden siehe: StadtAD, RA, C. XXIV. 110, Bl. 17b. 445 StadtAL, Inn Schuhmacher C 2. – StadtAL, Inn Schuhmacher C 3. 446 StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 46a. Vgl. StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 213.

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Eine besondere Art der Zuwendung, die kollektiv abgesichert wurde, fand sich in Form des Badegeldes. Inwiefern die Zahlung dieser Leistung tatsächlich in erster Linie der Gesunderhaltung zugutekam, kann nicht konkret belegt werden.447 Ursprünglich sicherlich gesundheitlichen Zwecken dienend, entwickelte sich die Ablösung des Badegeldes durch die Gewährung eines Badetages oder Badeabends zu einem Freizeitausgleich mit gewohnheitsrechtlichem, später statutarisch vereinbartem Charakter. Bei den Leipziger Schneidern ersetzte nach der Reformation ein vierzehntägiger Badeabend den mittlerweile verbotenenen Brauch des „blauen Montags“.448

B) Attestate Eine Unterstützungsleistung, die ebenfalls häufig zur Anwendung kam, weil sie die Handwerksorganisationen kaum etwas kostete und in vielfältigen Situationen nutzbringend eingesetzt werden konnte, war die Ausstellung von Schriftstücken, welche die Krankheit oder genauer gesagt die Bedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit des Kranken gegenüber zahlungs- bzw. unterhaltsfähigen Dritten belegen sollten. Handwerksattestate wurden insbesondere für kranke Meister und Gesellen angefertigt, die über Land reisen sollten, in der Hoffnung auf Almosen in der Fremde. Obwohl die rats- und landesherrliche Gesetzgebung den Bettel seit dem 16. Jahrhundert zu unterdrücken suchte, wurde Herumziehenden mit entsprechenden Briefen das Betteln um Almosen, Nahrung, Unterbringung oder sonstige Hilfe zumindest zeitweilig gestattet, weil diese Dokumente die Unterstützungssuchenden mehr oder weniger glaubhaft der Gruppe der „guten“ oder „wahrhaftig“ Bedürftigen zuwiesen.449 In den Handwerks- und Rechnungsbüchern der Zünfte und Gesellenschaften fanden sich immer wieder Unterstützungsbelege und Rechnungseinträge, die auf eine Almosengabe aufgrund eines Attestats hinwiesen.450  447 Vgl. FRÖHLICH (Sicherung) 1976, S. 94. – KLEEIS (Versicherung) 1928, S. 31. Badegeldzahlungen fanden sich nicht bei den untersuchten Textil- und Bekleidungshandwerken, wohl aber bei Riemern und Sattlern. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 1, Bl. 30b. – StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 208b. – KUMMER (Gewerbe und Zunftverfassung) 1921, S. 87f. – ZÖLLNER (Zunftverfassung) 1915, S. 54. 448 StadtAL, Inn Schneider A 3. – StadtAL, Inn Schneider C 1, Bl. 19b. Später wurde der Badeabend nur noch alle vier Wochen gewährt. Ebd., Bl. 22b. 449 Eine eigene Kategorie unter den mit echten oder gefälschten Attestaten versehenen Bettlern bildeten die Brandbettler, die durch Feuerschaden um ihr Hab und Gut gekommen waren. BRÄUER (Leipziger Rat) 1997, S. 89f., 91. – Ders. (Chemnitz zwischen 1450 und 1650) 2005, S. 292f. 450 Eindeutige Hinweise auf Attestate, die von den Vertretern der Handwerksorganisationen unterschrieben wurden, fanden sich seltener, da der Aussteller eines solchen Belegs in der Mehrzahl der Fälle nicht genannt wurde. Sie dürften jedoch zahlreich vorhanden gewesen sein, da die Handwerke z. B. an einer schnellen Weiterreise kranker Fremder direkt interes

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Ungleich häufiger dürften die mündlichen Fürsprachen der Handwerkskorporationen für ihre bedürftigen, kranken Mitglieder gewesen sein, deren Nachweis aber vor allem auf Zufallsfunden basiert, wenn beispielsweise in beiläufigen Bemerkungen zu anderen Sachverhalten von einer solchen Fürsprache die Rede war. Die Handwerksorganisationen setzten sich bisweilen dafür ein, dass ein längerfristig bzw. dauerhaft kranker oder invalider Meister, Geselle oder ein anderes Familienmitglied in eine öffentliche Versorgungs- und Pflegeanstalt aufgenommen wurden. Die Ältesten der Dresdner Schneiderinnung bestätigten einem ihrer Zunftmitglieder große Bedürftigkeit aufgrund des anhaltend schlechten Gesundheitszustandes seiner Ehefrau: „Wir verpflichteten Aeltesten einer löb[lichen] Schneider-Innung allhier attestiren hiermit, daß unser Mitmeister Namens Reinhold Hillig, welcher im Jahr 1812 das Meisterrecht bei uns erlanget, wegen der vielen häuslichen Unglücks-Fälle aber die selbigen betroffen, indem er 6/4tel Jahr lang nicht nur 2 kranke Kinder hatte, sondern auch seine Frau wurde von einer gänzlichen, beinahe an Blindheit gränzenden Blödigkeit der Augen befallen und ganz unvermögend ist, etwas zu verrichten, wodurch oben erwähnter Meister Hillig in die unglücklichste Lage versetzt worden, indem selbiger, da er nichts zuzusetzen hat und außer Stande ist, auf seinen eigenen Händen auch nur die unentbehrlichsten Bedürfniße zu erwerben, den äußers451 ten Elend ausgesetzt ist und mitleidiger Hülfe und Unterstützung höchst nöthig bedarf.“

Ein weiteres Attest wurde vom Stadtprediger für Meister Hillig gefertigt. Beide Bescheinigungen legte der arme Schneider einem Bittschreiben an den sächsischen König im Juni 1816 bei, in dem er um Aufnahme seiner blinden Frau in das Friedrichstädter Krankenhaus ansuchte.452

C) Vermittlerfunktion Handwerksorganisationen übten grundsätzliche Vermittlerfunktionen bei Auseinandersetzungen unter ihren Mitgliedern aus. In Einzelfällen konnten Unterstützungsleistungen Ursache dieser Spannungen sein. Beispielsweise bestand die Möglichkeit, dass eine Zunft mediatorisch angerufen wurde, wenn ein Geselle seinen Arbeitgeber um eine Beihilfe im Krankheitsfall bat, der Meister aber eine solche ablehnte und der Konflikt aufgrund dieser versagten dienstherrlichen Unterstützungsleistung eskalierte. Nicht immer endeten diese Konfrontationen mit einem Kompromiss wie im folgenden Fall, der dem Zunftprotokoll der Schneider zu Leipzig entnommen wurde: „Anno 1782, d[en] 7. August bringt Joh[ann] Andreas Räther vor dem H[errn] Ältesten an, das ihm sein Geselle, da er 1 r vor seinen Lohn verlangt und er ihm solchen verweigert zu ge-

 siert waren. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 238, Bl. 28b. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 182, Bl. 1. – StadtAD, 11.2.62, Nr. 20b, Bl. 92. – StadtAD, RA, B. XII. 160u, Bl. 201–201b. 451 Ebd., Bl. 201–201b. Ein weiteres Originalattest, in dem sich die Dresdner Goldschmiedeinnung für einen ihrer Mitmeister einsetzte, fand sich in: StadtAD, RA, B. XIII. 46. 452 StadtAD, RA, B. XII. 160u, Bl. 200–201.

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4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften ben, sei aus der Arbeit gegangen. Nachdem der Geselle Friedrich Hempel, gebürdig aus Gerau, darieber vernommen, warum er dießes gedahn, giebt [er] vor, das er zu seiner bedürffnis 1 r von seinen verdienten Lohn von Nöhden gehabt hette, weil ihm niemandt etwaß borgen wollen, der WäschVater Kindt im Karppen [und] auch der HerbergsVater hätten zu ihm gesagt, ich borge dier auff deinen Meister nicht 2 g. Ein Schneidergeselle, der Coburger, steht in arbeit bey Joh[ann] Christoph Langen [und] hette zu ihm gesprochen, ich borge dir mein guht nicht mehr, weder du noch dein Meister könt mir ihn bezahlen. H[err] Räther giebt in bein sein [sic!] der H[errn] Ältesten den Geselln 1 r, es wirt den Geselln aufferlegt zu arbeiten, da er sich aber Curiren will, so erlaubt ihm der Meister, dieße Woche darzu anzuwenden, doch 453 daß er sein Geselle sein soll bis zu außdrag der Sache.“

Der kranke Geselle Hempel war also, da er keinen Lohnvorschuss von seinem Meister zu seiner Kur erhielt, ohne ordentlichen Abschied aus der Arbeit gegangen. Auf Vermittlung der Innung wurde der Konflikt beigelegt.

D) Aushebung eines zusätzlichen Gesellen Die krankheitsbedingte Führung der Werkstatt durch Hilfskräfte knüpfte an die gegenseitigen, gewohnheitsrechtlichen Verpflichtungen aus dem Dienstverhältnis an. Für Alleinmeister ergab sich diese Option nicht. Da aber selbst Meister mit wenigen Hilfskräften und geringem Vermögen bei längerer Krankheit vor enorme Probleme gestellt wurden, die Produktion und den Vertrieb bei einer eigenen Erkrankung aufrechtzuerhalten, räumten ihnen einige Handwerke die vorübergehende Einstellung eines zusätzlichen Gesellen für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit ein. Gleiches galt für bedürftige, erkrankte Meisterwitwen.454 Für die Neueinstellung von Gesellen galt in den meisten Handwerken ein festes Regelsystem. Vielfach wurden in die Stadt einwandernde Gesellen durch die sogenannte „Umschau“ an den jeweiligen Meister bzw. die jeweilige Meisterwitwe vermittelt. Dabei war eine gewerbespezifische Reihenfolge innerhalb der Meisterschaft einzuhalten. Auf diese Weise sollte kein Werkstattinhaber grob benachteiligt werden. So gut das System der Umschau in der Theorie auch gemeint war, in der Praxis gab es zahlreiche Verstöße dagegen. Beim Handwerk der Leipziger Schneider erschien Johanna Maria, die Ehefrau des Meisters Christian Bilden, und brachte vor, „wasmaßen ihr Mann 3 Wochen an der colique kranck läge und seit Ostern keinen Gesellen hätte“. Sie habe den Herbergsvater dringend um das Zuschicken eines Gesellen gebeten, doch habe dieser gemeint, dass „wenn gleich ein Geselle käme, so nähmen ihn die Meister gleich weg“.455 Unter Umgehung der sonst üblichen Umschauregelungen gestatteten die Leipziger Schönfärber einem kranken Meister oder einer kranken Meisterin die Aushebung eines Gesellen aus einer anderen Werkstatt, wobei die Wahl des Ge 453 StadtAL, Inn Schneider B 11, Bl. 140. 454 StadtAL, II. Sektion S (F) 1342, Bl. 11, 16b–17. In den preußischen Staaten war diese Regelung allgemeingültig für alle Handwerke im Allgemeinen Landrecht festgelegt worden. HATTENHAUER (Allgemeines Landrecht) 1994, S. 470. 455 StadtAL, Tit. VIII (F) 334, 1745, Teil 1, Paket 1, Bl. 122.

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sellen der erkrankten Person zukam.456 Der Betrieb, welcher den Gesellen abgeben musste, durfte keinerlei Widerstand gegen die Aushebung leisten. Wenn es nicht möglich war, einen geeigneten Gesellen vor Ort einzustellen oder wie im Falle des Schneidermeisters Bilden keine Aushebung bei Krankheit erlaubt wurde, dann durften entsprechende Kandidaten von außerhalb angeworben oder, wie es hieß, „verschrieben“ werden. Auch hier wurden die sonst üblichen Regeln der Umschau, die für die Einstellung eines Gesellen zu beachten waren, ausnahmsweise außer Kraft gesetzt. Kranken, bedürftigen Meistern und Witwen war es somit schneller möglich, eine Hilfskraft zu rekrutieren. Bei den Chemnitzer Tuchscherer kam es durch das „Verschreiben“ eines auswärtigen Gesellen zu Auseinandersetzungen, weil anscheinend noch genügend potenzielle Arbeitskräfte vor Ort verfügbar gewesen waren. Der Meister Zacharias Uhlich strebte aufgrund seiner Krankheit danach, einen Gesellen aus Mittweida für seine Werkstatt zu erhalten, ohne auf die sonst übliche Umschaureihenfolge Rücksicht zu nehmen und führte als Präzedenzfall die Vorgehensweise des Obermeisters vor drei Jahren an.457 Ein kriegsinvalider Schneidermeister mit Namen Andreas Lohse hatte für seine eigene Versorgung eine längerfristige Lösung im Sinn, da eine Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit ausgeschlossen war. Er schrieb am 13. Januar 1696 an den Kurfürst: „Euer Chur Fürstl[ichen] Durchl[aucht] gebe ich hiermit ganz unterthänigst zu vernehmen, das als bey dero am 5ten Juny des verwichenen 1695sten Jahres alhier in Chemnitz gehaltenen Erbhuldigung und zwar nach beschehener ein Hohlung derer dazu gnädigst Deputirten Herren Commissarien beym Salveschießen meine Mußquete, unwißend woher, weil ich solche vorhero inwendig wohl ausgeputzt und nicht etwa uberladen gehabt, in Etzliche Stucken dergestalt zersprungen, daß ich davon meinen lincken Daumen nicht alleine verlohren, sondern auch solche Hand wegen verletzter Flechßen nicht mehr [ge]brauchen noch mein Ehrlich erlerntes Schneider Handwerg ferner treiben kann, ich mich endlich dahin entschlißen mußen, eines hiesigen Meisters Sohn, Nahmens Hanß Christoph Hentzsche von Dreßden, alwo er zu Vollbringung seiner Wander Jahre gleich in Arbeit gestanden, anhero zu Versorgung meiner Werckstadt anhero zu verschreiben und zwar mit gethaner Versicherung, daß bey dem Schneiderhandtwergk alhier ich es so weit bringen wolte, das die an dehnen schuldigen zweyen Wander Jahren noch ermangelnde 3/4 Jährige Zeit, wenn er solche bey mir verar458 beithen würde, vollends erlaßen werden solte.“

Die Bitte um Erlass der Wanderjahre deutet darauf hin, dass der derzeit in Dresden arbeitende Geselle Hentzsche nur unter dieser Bedingung bereit war, vorzeitig nach Chemnitz zurückzukehren und die Versorgung der Werkstatt zu übernehmen, wenn ihm daraus kein Nachteil für seine zukünftige Meisterschaft erwuchs. Die Innungsartikel verboten eigentlich die verfrühte Rückkehr eines Wandergesellen, der  456 StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 291. 457 StadtAC, RA, Kap. IX. Td 1, [unpag.] (Schreiben vom 19.03.1672). 458 StadtAC, RA, Kap. IX. Se 2, Bl. 80–80b.

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4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften „zwey Jahr nach einander wandern [müsse], es wäre denn, daß einer Kranckheits halber anheim käme, doch soll er nicht darüber arbeiten, sondern wieder wandern, biß seine Zeit erfül459 let ist.“

Vermutlich war es zu Absprachen zwischen Meister Lohse und der Familie Hentzsche gekommen. Meistersöhne, welche die Lohsesche Werkstatt hätten übernehmen können, waren mutmaßlich nicht vorhanden. Auf Bitte des invaliden Meisters erfolgte die landesherrliche „Concession“, worauf auch die Innung dem Vorhaben zustimmte. Ihr war es ungemein daran gelegen, „ihre habenden Innungs Brieffe nicht selbst zu durchlöchern“.460

E) Übernahme zünftiger Aufgaben durch eine dritte Person Erkrankten Handwerksmeister oder -witwen, kam es durchaus vor, dass diese zur zwischenzeitlichen Führung des Werkstattbetriebes allgemein oder für ganz spezielle Tätigkeiten die Arbeitskraft einer dritten Person unterstützend nutzen konnten, obwohl dies im Normalfall nicht gestattet war. So durften Ehefrauen und Meisterkinder in Ausnahmefällen intensiver in die zünftigen Arbeiten eingebunden werden, als es gemeinhin erlaubt war. Dazu wurde mitunter die vermittelnde Hilfe der städtischen Obrigkeit benötigt. Nach Aussage des Chemnitzer Ratsprotokolls „ist denen gesambten Meistern des Bortenwurckerhandtwergs aufferleget worden, Hanß Rückeln, ihren mitmeister, zu gestatten, daß wegen seines gebrechlichen leibes und kundtbahren armut, sein weib uff einen Stule arbeiten zu lassen, iedoch solcher gestalt, daß er keinen gesellen und lehr Jungen neben Ihr setzen solle. Wurde er aber einen lehr Jungen oder gesellen setzen können, so soll er seinen weibe zu arbeiten nicht gestatten, welches er versprochen 461 und mit dem handtschlage bestercket.“

Bei den Webern konnte der Vertreter einer kranken Witwe die Mitarbeit der ehelichen Tochter anfangs nicht durchsetzen. „Adam Eichlers, in Cura[tur] Christinen David Seydels Wittib, Brachte vor E[inem] WohlEhrv[esten] Raht an, Weil diese seine Curandin lange Zeit bettlägerich gewesen, also daß Sie fast ganz zusammen gewachßen und dahero ihre Lein Weber Wahren nicht selbst uf die Stempel tragen könte, sondern solches durch ihre Tochter verrichten ließe, Solches aber das 462 Handwerck der Leinweber nicht zugeben wolte.“

Als Grund für ihre Verweigerungshaltung führte die Innung mehrfache ehrenrührige Beschimpfungen durch die Tochter an, sodass „ein solch loses Maul“ nicht befugt sei auszuhelfen. Auf Zureden des Magistrats und mit dem Versprechen, die schmählichen Reden streng abzustrafen, gab die Meisterorganisation nach.463  459 460 461 462 463

StadtAC, RA, Kap. IX. Se 8, Bl. 5b–6. StadtAC, RA, Kap. IX. Se 2, Bl. 80b, 84–84b. StadtAC, RA, Kap. IX. Pb 1, Bl. 1. StadtAC, RA, Kap. IX. Za 2, Bl. 208. Ebd., Bl. 208b–209.

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In manchen Fällen durften Gesellen auch Arbeiten ausführen, die sonst dem Meister vorbehalten waren. „Es soll auch kein Meister seinen Gesellen zuzurichten ausgehen laßen, es sey denn, daß der Meister krank oder nicht einheimisch wäre“, bestimmte eine Handwerksordnung der Schneider in Leipzig. Entsprechend schickte der Herbergsvater dem kranken Meister Weiß nach Einholung der Zustimmung durch die Zunft einen Gesellen zu, „der ausgehn und Maaße nehmen“ durfte, solange der Meister erkrankt war.464 Bei der Verarbeitung der Rohstoffe durften einem kranken Zwickauer Corduanmacher und Lederbereiter andere Meister und Gesellen „vmb einen billigen Lohn“ helfen. Ähnliche Vereinbarungen fanden sich in weiteren Handwerken außerhalb der Textilbranche.465 Ob die Erlaubnis einer Innung, dass ein Meister bei längerer Krankheit gesellenweise für einen Zunftkollegen arbeiten dürfe, als echte Privilegierung und soziale Sicherung oder als verdeckte Form der Verlags- oder Lohnarbeit aufzufassen ist, bleibt fraglich. Jedenfalls gestatteten die Barettmacher und Strumpfstricker in ihrer Landesordnung vom 30.09.1687 darüber hinaus auch den ansonsten verbotenen Verkauf halbverfertigter Waren an andere Mitmeister. „Wenn auch ein Meister in Armuth geriethe und nicht Vermögens were, sein Handwergk zu treiben, soll ihme vergönnet seyn, einem andern Meister auserhalb deßelben Wergkstadt, Stückwergk zu arbeiten, zu stricken, walcken und ausbereiten nach seinen Begehren. So ein Meister unvermögens, der Leibes Schwachheit halber seine Arbeit nicht walcken oder außbe466 reiten könte, soll er Macht haben, dieselbe einen redlichen Meister zuverkauffen.“

Die Vergabe von Auftragsarbeiten an arme, gebrechliche oder invalide Meister wurde innerhalb der Dresdner Schuhmacherinnung gestattet,467 was den städtischen Behörden die Möglichkeit eröffnete, bedürftige Schuhmacher unter Verweis auf diese Option von der öffentlichen Armenhilfe fernzuhalten und die Armenkassen zu entlasten. Ärmere und gesundheitlich angeschlagene Zunftmitglieder ohne genügend finanzielle Polster, die sich auch nicht auf die Mitarbeit von angestellten Beschäftigten verlassen konnten, waren somit faktisch gezwungen, sich als abhängige Hilfskraft bzw. Zulieferer an vermögendere Meister zu verdingen.

F) Verminderte Anforderungen für das Meisterrecht Neben der Verringerung von Geldleistungen oder dem gänzlichen Verzicht auf selbige aufgrund von Erkrankungen der Zahlungspflichtigen konnten auch nichtmonetäre Forderungen von den Handwerksorganisationen fallen gelassen werden. Dazu waren viele Innungen jedoch nicht aus eigenem Antrieb heraus bereit. Es  464 StadtAL, Inn Schneider B 11, Bl. 179. – StadtAL, Inn Schneider C 1, Bl. 5. Vgl. StadtAL, Inn Schneider B 11, Bl. 199–199b. – StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 144b. Siehe ferner: StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 353. – StadtAL, II. Sektion B (F) 325. 465 StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 302b. – StadtAZ, X, 1, 14, Bl. 37. 466 StadtAZ, X, 1, 17, Bl. 32b. Vgl. StadtAZ, X, 45, 20, [unpag.]. 467 StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 2, Bl. 241b.

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bedurfte stattdessen der Vermittlung und des Anstoßes durch die örtlichen oder landesherrlichen Behörden. Die Handwerkskorporationen handelten in den meisten Fällen nicht egoistisch oder gar böswillig. Sie beharrten vielmehr darauf, dass die Übertretung der statutarischen Regelungen nach dem Einzelfallprinzip geschehe und die zünftigen Rechte unabhängig davon unangetastet bleiben mussten. Bei einer grundsätzlichen Durchlöcherung der Anforderungen an das Meisterrecht fürchteten die etablierten Meisterrechtinhaber eine übergroße Flut an neuen Konkurrenten, da schließlich bis ins 19. Jahrhundert ähnlich hohe Beitrittshürden in den anderen Städten Kursachsens und der benachbarten Territorien galten. Zahlreiche Dispensationen belegen die Befreiung vom lästigen Wanderzwang aufgrund schwächlicher Leibeskonstitution. Entweder ging es darum, dass der Geselle nicht in der körperlichen Verfassung war, die anstrengende Wanderschaft angemessen zu bewerkstelligen. Oder der Geselle war anscheinend nicht abkömmlich, weil er daheim kranke oder invalide Familienmitglieder versorgte. Auch die notwendige finanzielle Unterhaltung zukünftiger Ehefrauen und derer Kinder wurde mit langwierigen, kostenaufwendigen Krankheitsverläufen in Verbindung gebracht. Der vor dem Chemnitzer Stadtrat erschienene Tuchmacher Adam Eyhler brachte im Sommer 1668 an, „daß sein Stieff-Sohn Christoph Schirmer bey Daniel Seydel das Tuchmacherhandwerg alhier gelernet, ob nun es wol an dem, daß derselbe wandern solte, so wäre doch dieser Sein Sohn mit der Schweren Noth beladen, alßo wenn es ihn ankäme, daß er flugs zu 8 oder 9 Wochen liegen müßte, und käme zu schweren oder zu geschwellen, könnte solches mit vielen leuten 468 bezeugen.“

Daher bat Eyhler für seinen Stiefsohn, „daß ihme die Guthat gescheen möchte, daß er deren Wanderjahre erlaßen würde und dieselbigen dafür verarbeiten dürffte. Er erböte Sich, von seines Weibes vermögen dem handwerge 469 8 fl zuerlegen.“

Ob auf Druck des Rats oder nicht, die Zunft lenkte ein. Zwei der drei Wanderjahre sollten in Chemnitz abgearbeitet, das dritte Wanderjahr gegen „uffgeld“ abgegolten werden.470 Für die Belange des Dresdner Strumpfwirkergesellen Peter Wilhelm Körner setzte sich auf Bitten des Vaters im Mai 1752 der Magistrat ein. Dem Sohn, der sich erst seit knapp zwei Monaten auf Wanderschaft befand und der derzeit in Berlin arbeitete, sollte, da er „ein sehr miserabler und gebrächlicher Mensch“ sei, der Rest seiner drei Wanderjahre erlassen werden. Die Zunft war zumindest grundsätzlich zu einem Kompromiss bereit, bestand aber auf landesherrlicher Bestätigung ihrer verbrieften Rechte. Nach erfolgreicher Supplikation an den Landesherrn wurden die Wanderjahre dem Gesellen Körner aufgrund seiner kränklichen Leibesumstände „aus Gnaden“ erlassen. Allerdings wurde das Bittschreiben  468 StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 5, Bl. 92. 469 Ebd. 470 Ebd., Bl. 93b.

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aus unbekannten Gründen erst im November 1754 an den Kurfürsten gerichtet, sodass lediglich etwa ein halbes Jahr nicht mehr „verwandert“ werden musste.471 Gerade (Stief-)Söhne von Handwerksmeistern, die in der Innung einen gewissen Einfluss besaßen, dürften die Chance der Abzahlung der Wanderjahre für sich genutzt haben. Entweder wurde die körperliche Einschränkung als bekannt vorausgesetzt bzw. als offensichtlich dargestellt oder es wurde ein ärztliches Attest vorgelegt. Die Wanderpflicht war dann allerdings durch ein Geldäquivalent abzugelten.472 Bei den Zwickauer Strumpfwirkern konnten zahlungskräftige Gesellen jedes Wanderjahr mit fünf Gulden abbezahlen, wenn bestimmte soziale Notfälle eintraten. Darunter fielen „Kranckheit, Gebrechlichkeit oder Todes-Fälle derer Eltern“.473 In der Mitte des 18. Jahrhunderts nahmen immer mehr Handwerke die Option der Ablösung der Wanderjahre gegen Geldbeträge in ihre Artikel auf. Ein Statutenentwurf des Chemnitzer Schneiderhandwerks aus dem Jahr 1766 sah vor, dass die Wanderjahre grundsätzlich abgezahlt werden konnten, doch wenn „einer wegen Unpäßlichkeit, welches zwar erst zu erweisen, nicht wandern könte“, musste er nur die Hälfte der Ablösesumme aufbringen.474 Außer einem Erlass oder einer Verkürzung lästiger Wartezeiten in Form von Mut- und Wanderjahren kamen weitere Erleichterungen in Betracht. Dem aus Görlitz stammenden Barett- und Strumpfstrickermeister Carl Gottfried Härtler wurde die Aufnahme in die Dresdner Handwerksinnung gestattet, nachdem der Magistrat die Meister dezidiert auf das Reichsgutachten zur Abstellung der Handwerksmissbräuche von 1731 hingewiesen hatte. Härtler hatte den Ratsherren glaubhaft vermittelt, dass er sich in die Residenzstadt wenden wolle, um die Wirtschaft der Eltern zu übernehmen und sich dabei um die verwitwete und kranke Mutter zu kümmern.475 Dem aus Dölitz stammenden Gesellen Davit Schreiber wurden von der Leipziger Innung der Schneider nur vier Reichstaler Meisterrechtsentgelt abverlangt,  471 StadtAD, 11.2.62, Nr. 20b, Bl. 90–95. Weshalb das Bittschreiben an den Kurfürsten erst mit anderthalb Jahren Verspätung ausgestellt wurde, konnte nicht geklärt werden. Vielleicht hatte sich der Gesundheitszustand des Gesellen zwischenzeitlich gebessert, um sich später erneut zu verschlechtern. Der landesherrliche Befehl erfolgte dagegen nur fünf Tage nach der Ausstellung der Supplik. 472 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 235, 244. 473 StadtAZ, X, 46, 17, [unpag.]. 474 StadtAC, RA, Kap. IX. Se 8, Bl. 9b. Die Regelung dürfte nicht konfirmiert worden sein, da kurz zuvor ein landesherrlicher Befehl die vollständige Ableistung der Wander- und Mutjahre zur Bedingung für das Meisterrecht machte. Befehl, Die, bey denen Innungen in Ansehung derer Wander- und Muth-Jahre und zu fertigenden Meisterstücke, eingerissenen Unordnungen betreffend; den 27. April, 1764. In: BENNIGSEN, Rudolph Christian von (Hrsg.): Fortgesetzter Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici [...] bis zum Jahre 1772 [...] Erste Abtheilung. Leipzig 1772, Sp. 877f. 475 StadtAD, 11.2.61, Nr. 6a, [unpag.] (Attestat vom 23.07.1762, Registratur vom 02.09.1762). – Allgemeine zu Abstellung Der Handwercker-Mißbräuchen ergangen- und von Sr. Kayserl. Majest. Ratificirte Reichs-Verordnung (Wien, 16.08.1731).

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„weil er ein gebrechlicher man were“, wogegen andere Gesellen etwa das Dreifache geben mussten.476 Auch die Tuchmacher der Messestadt hatten bei einem erkrankten Gesellen ein Einsehen. Dieser Geselle sprach im Jahr 1680 vor, um sein Meisterstück zu machen, „welches er zwar angefangen hat zu wircken, aber dasselbe nicht weiter gewircket als 2 band, die andern 6 band hat ein ander meister abgewircket, den[n] er [hatte] zuvor lange kranck gelegen am fieber, darumb er das handwerck angesprochen umb einen gehülffen, welchen ihm 477 das handtwerck gewillfahret hat“.

Vielleicht verhielt sich die Tuchmacherzunft deshalb so nachsichtig, weil er der erste mutende Geselle des Handwerks war, der zur Fertigung eines Meisterstücks verpflichtet wurde. Mit den beiden Bändern, die der Kranke „gewircket“, übte die Innung dennoch keine Nachsicht. Sie bestanden die Schau nicht, sodass er einen halben Gulden Strafe erlegen musste.478 Eine spezielle Form der Verminderung der Bedingungen für den Meisterspruch ging nicht initiativ von den Handwerksinnungen aus. Sie tangierte aber sehr wohl das Handwerksrecht und betraf die Privilegierung von Kriegsinvaliden. Nachdem sich die landesherrliche Gesetzgebung für diese Personengruppe in Anbetracht ihrer für das Heimatland hergegebenen Gesundheit eingesetzt hatte, durften sie mit obrigkeitlichen Freischeinen ein zünftiges Handwerk unter Erlass sonstiger Voraussetzungen ausüben, „jedoch in der Stille und ohne Setzung einiger Gesellen oder Lehr-Jungen bloß vor sich“. Die Innungsprivilegien sollten dadurch nicht weiter berührt werden.479

G) Sonstige Privilegien Neben den bislang angeführten Sicherungsmaßnahmen und Erleichterungen gab es vereinzelte Vergünstigungen für erkrankte Personen, die vor ihrer Erkrankung bestimmte Ämter innerhalb der Handwerksorganisationen innegehabt hatten. Durch ihre vielfältigen und wichtigen Aufgaben wurden beispielsweise den Herbergsvätern im Falle einer Erkrankung besondere Unterstützungen zuteil. Dem bereits längere Zeit erkrankten Meister Johann Gottfried Kretzschmar kündigte das Chemnitzer Weberhandwerk nicht etwa die Herberge und sein Amt als Herbergsvater auf. Die notwendigen Obliegenheiten verlangten dem bisherigen Vater  476 477 478 479

StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 186b. StadtAL, Inn Tuchmacher B 1, Bl. 36b. Ebd. Generale, Die Befreyung der Invaliden von Personal-Praestandis, und deren übrige Immunitaeten betreffend; d. d. 21. Sept. 1738. In: BENNIGSEN, Rudolph Christian von (Hrsg.): Fortgesetzter Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici [...] bis zum Jahre 1772 [...] Erste Abtheilung. Leipzig 1772, Sp. 1105f. Vgl. StadtAL, Inn Schneider C 2, Bl. 12–13.

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sicherlich einiges ab, weshalb man auch gestattete, dass er in seinen Tätigkeiten durch Meister Johann Christian Hoffmann unterstützt werde, weil bereits „die Ordnung und Auffsicht in Hauße gantz auffhörte und besonders Feuer und Licht nicht gehörig in Acht genommen wurde, deß gleichen auff die Vielen Reißenden und einwandern480 den Gesellen [...] keine Auffsicht mehr“

bestünde. Letztlich sollte Meister Hoffmann, der „noch ein munterer bereitwilliger und dienstfertiger Mann wäre, und lange Zeit in Handwerks Diensten gestandten [und] viele Wißenschafft von Handwärk innen hätte und dahero die 481 Meister mehrentheils kennete“,

in die niedere Stube der Herberge einziehen und sich mit Kretzschmar die Einkünfte teilen. Auch das letzte Beispiel zeigt, dass weitere punktuelle Erleichterungen im Falle einer Arbeitsunfähigkeit denkbar waren. Sie blieben aber auf die jeweilige Konstellation beschränkt und hingen vom Wohlwollen der Handwerksführung ab.

4.7 ORGANISATION UND FINANZIERUNG Übereinstimmend zahlreich waren in vielen Handwerken die Klagen über eine enorm teure Krankenversorgung, an der sich besonders die Gesellenschaften verschuldeten. Eine kleine Auswahl an Belegen soll dies verdeutlichen. Allein um die Rückreise eines erkrankten Gesellen aus Weißenfels und die dann drohende Übernahme der Behandlungskosten zu verhindern, stellte die Schuhmachergesellenschaft in Leipzig entgegen allen sonstigen Gewohnheiten nachträglich und in Abwesenheit des ohne Abschied aus der Arbeit gegangenen Betroffenen eine gültige Kundschaft aus.482 Ein solches Vorgehen wäre unter den sonst üblichen Umständen undenkbar gewesen, da die Handwerke akribisch auf die Gültigkeit dieser Ausweisdokumente achteten. Gleich mehrere Dresdner Innungen lehnten trotz Ermahnung des Stadtrates die Zahlung eines Viatikums, also einer Reiseunterstützung für beschäftigungslose Handwerksgesellen, ab, da allein die Sicherstellung der Versorgung kranker Gesellen ihre gesamten finanziellen Kräfte erfordern würde.483  480 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 406b. 481 Ebd., S. 407. 482 StadtAL, Tit. VIII (F) 334, 1763, Bd. 2, Teil 4, Bl. 611–611b, 614–614b. Weitere Schulden der Schuhknechte liefen bald gegenüber dem Hausvater im Lazarett auf. StadtAL, Inn Schuhmacher B 3, Bl. 1–4. – StadtAL, Inn Schuhmacher C 1. 483 StadtAD, RA, C. XXIV. 120, Bl. 3–14. Die enormen Kosten der Krankenunterstützung waren vielfach auch in den anderen untersuchten Städten ein Konflikt- und Klagethema für die Zunfthandwerke im 18. und frühen 19. Jahrhundert. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 77. – StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 9, Bl. 7b. – StadtAL, Inn Schneider C 2, Bl. 67b. – StadtAL, II. Sektion S (F) 1860, Bl. 70.

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Nachdem die Kranken- und Begräbniskosten den Webergesellen aus dem Ruder gelaufen waren, forderte der Chemnitzer Magistrat: „Hinführo aber, wenn einer aus der Brüderschafft kranck würde, sollte selbiges bey E[inem] E[hrbaren] Rathe gemeldet, die Sachen, welche den krancken zustünden, richtig specificiret 484 und in tüchtige verwahrung gebracht werden“.

Ohne Erfolg verschärfte sich die finanzielle Situation der Gesellenlade, wobei die Innung als Erklärungsansatz insbesondere die Krankenversorgung bestimmter Gesellengruppen verantwortlich machte. Die Lade sei über die Maßen verschuldet, weil „denen Zeug- und Leinewebern alhier verschiedene Personen zu versorgen bloß deswegen angesonnen werden, weil sie Leineweber-Gesellen sind und weil sie als verheyrathete Personen oder sonst aus hiesiger Stadt nicht füglich weggewiesen werden können und aus der hiesigen Armen-Caße nicht versorget werden wollen. Obnun schon dergleichen Personen, weil sie ihrer Krankheit wegen nicht wieder herzustellen sind, in ihren ganzen Leben keinen Pfennig zur Caße beytragen können; So werden sie dennoch dem Leineweber Handwerk aufge485 bürdet.“

Neben den hohen Aufwendungen für die Krankenunterstützung lagen die Ursachen für die zahlreichen finanziellen Engpässe aber vor allem auf der Einnahmenseite der Handwerksorganisationen. Einerseits konnte es ihnen einfach schlichtweg an Beitragszahlern mangeln, sodass die Meister des Dresdner Posamentiererhandwerks ihren Gesellen beisprangen und die Krankenunterstützung gemeinsam organisierten. Andererseits lagen die Beiträge wie bei den Gesellenorganisationen der Massenhandwerke teilweise zu niedrig, um die hohen Krankenkosten zu begleichen.486 Unter den etwa 30 Gesellen des Chemnitzer Tuchmachergewerbes entbrannte ein jahrelang währender Konflikt, der deutlich mehr Ressourcen band, als das eigentliche Streitobjekt – ein Groschen bei jeder Einschreibung eines neuen Gesellen – wert war.487 Da im Krankenunterstützungswesen vergleichsweise große Mengen Geldes aufgebracht werden mussten, war die Frage nach den Zuständigkeiten umso ent 484 StadtAC, RA, Kap. IX. Za 45, Bl. 232. 485 StadtAC, RA, Kap. III. Sect. VIIb, Nr. 93, RP 1793, Stück 11, [unpag.] (Schreiben vom 02.05.1793). 486 Aus zahlreichen Beispielen einige Belege: StadtAC, Innungsarchiv Nr. 432, Bl. 2. – StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 9, Bl. 13. – StadtAD, 11.2.46, Nr. 75k, Bl. 135. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 141. – StadtAD, 11.2.56, Schuhmacher-Dep. Nr. 16, [unpag.] (Äußerungen der Ältesten zum Entwurf der Artikel ca. 1767). – StadtAD, RA, C. XXIV. 120, Bl. 9. – StadtAL, Inn Schneider B 11, Bl. 97, 131b. – StadtAZ, X, 38, 47. – Die Sonne 4/1844, Nr. 35 vom 30.08.1844 (Beilage), S. 293. Für die Augsburger Weber gelangt eine andere Untersuchung zu einem ähnlichen Urteil. Das Ungleichgewicht aus übermäßigen Ausgaben und zu geringen Einnahmen verhinderte einen Ausbau sozialer Hilfsmaßnahmen. CLASEN (Augsburger Weber) 1981, S. 118f. 487 StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 11, Bl. 53–63, 86, 89b–90. Die Altgesellen hatten sich nach Ansicht vieler Gesellen diese marginale Gebühr unrechtmäßig einverleibt.

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scheidender. Davon abzugrenzen sind Probleme der konkreten Umsetzung: Wer finanzierte die vielfältigen Unterstützungsformen, wer besaß welche Pflichten oder Rechte? Die Versorgung kranker Personen im Handwerk wurde nur unzureichend schriftlich geregelt. Unterstützungsleistungen basierten vor allem auf gewohnheitsrechtlichen Strukturen. Auch die obrigkeitliche Gesetzgebung regelte die Krankenversorgung nicht im Detail; sie schrieb allein die generellen Verantwortungsbereiche vor. Als fundamentales Modell diente auf dem Gebiet der Armen(kranken)versorgung das Heimatrecht.488 Dieses beinhaltete die nachgelagerte Versorgungspflicht der Gemeinden für ihre eigenen Bedürftigen, wenn alle anderen Unterstützungsmöglichkeiten ausgeschöpft worden waren. Innerhalb dieses Modells hatten die Handwerkskorporationen vor dem Eingreifen der Ortsarmenkassen für ihre kranken Bedürftigen zu sorgen. Ernste Ermahnungen und Funktionszuweisungen, die kranken- und armenfürsorglichen Pflichten nicht zu vergessen, stammten bereits aus dem 16. Jahrhundert,489 fanden sich aber auch in den städtischen Armenordnungen des 18. Jahrhunderts.490 Orts- und landesobrigkeitliche Initiativen zur zielgenauen Lenkung der Regelungen auf dem Gebiet der zünftigen Armen- und Krankenunterstützung unterblieben, lediglich Einzelfälle wurden auf juristischem Wege gelöst, ohne indes Anstöße für grundsätzliche Verrechtlichungen zu geben. Selbst der sächsische Kurfürst ließ in den Generalinnungsartikeln des Jahres 1780 zur Krankenunterstützung in den Zunfthandwerken nicht mehr verlautbaren, als dass die Auflagegelder der Gesellen „zu Unterhaltung der Herberge, Verpflegung armer und krancker Gesellen, und zum Reise-Pfennig [...], keineswegs aber zu Schmausereyen anzuwenden“ seien. Die Kassengelder der Meister sollten wie bisher in den Spezialartikeln, d. h. den einzelnen Handwerksordnungen, angegeben verwendet werden.491 Hielt eine Krankheit nur kurze Zeit an, war eine Krankenpflege durch den Dienstherrn wahrscheinlich, wenn die Aufwendungen für die Anwerbung und Anlernphase eines neuen Gesellen oder Lehrlings die Kosten der Krankenunterstützung überstiegen. Obwohl der schwindsuchtkranke Strumpfwirkergeselle Gottlieb Böhme erst 14 Tage bei seinem neuen Meister Johann Traugott Friedrich Martin in Chemnitz gearbeitet hatte und danach arbeitsunfähig wurde, unterhielt dieser ihn ganze sechs Wochen, bevor er eine weitere Unterstützung ablehnte.492 Mit zunehmender Dauer des Beschäftigungsverhältnisses konnte außerdem die soziale Bindung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wachsen, sodass aus  488 Siehe Kap. 3.3.2. 489 StadtAZ, III x 66, RP 1546–1553, Bl. 122. – StadtAZ, III x 75, RP 1597–1599, 1597/98, Bl. 272–272b. 490 StadtAL, Stift. IV, Nr. 1a, Bl. 78b–79. Siehe auch: BRÄUER (Leipziger Rat) 1997, S. 141f. 491 Mandat die General-Innungs-Articul für Künstler, Professionisten und Handwercker hiesiger Lande betreffend (Dresden, 08.01.1780), Kap. II § 13, Kap. III § 10. 492 StadtAC, RA, Kap. III. Sect. VIIb, Nr. 92B, RP 1789, Stück 4, [unpag.] (Schreiben 05.06.1789).

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gutem Willen, christlicher Sorge und Mitleid eine Krankenversorgung erfolgte. Nur wenn ein Geselle selbst mittellos war und zudem sein Meister nicht in der Lage oder willens, die Phase der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit erfolgreich zu bewältigen, war die Handwerkskorporation zuständig. Eine allgemeine Fürsorgepflicht des Meisters bestand wie gezeigt nicht. Der Schneidermeister Theodorius Rappe in Leipzig beschwerte sich sogar auf einer Innungsversammlung im November 1716 gegenüber dem Handwerk als auch beim Leipziger Bürgermeister, dass er die Behandlungs- und Kurkosten für seinen eigenen Gesellen habe tragen müssen, weil sich die Gesellenschaft unrechtmäßig verweigert habe.493 Von einer Krankenversorgung, die durch die Handwerksorganisationen erbracht wurde, profitierten nur bedürftige Personen, sodass ein enger Zusammenhang zwischen den kollektiven Formen sozialer Sicherung und der Armenfürsorge bestand. Traditionell trat für in Innungen oder Gesellenschaften organisierte Handwerker die öffentliche Armen- und Krankenfürsorge vorerst in den Hintergrund, bot sich ihnen doch eine ersatzweise Sicherungsinstanz durch die Berufskorporation an. Waren Meister oder Gesellen Mitglied einer solchen Gemeinschaft und zahlten Mitgliedsbeiträge, hofften sie auf deren Hilfe im Krankheitsfall. Innerhalb der Handwerksforschung besteht, was die Frage nach einem Anspruch auf die kollektiven (Kranken-)Unterstützungsleistungen betrifft, keine Einigkeit. Während einige Arbeiten von einem definitiven Anspruch aufgrund der traditionellen Solidarität und den eingezahlten, regelmäßigen Beitragsleistungen ausgehen,494 lehnen andere Studien den hohen Maßstab eines gerichtlich einklagbaren Rechtsanspruches ab.495 Das Studium der verschiedensten Quellen zu den untersuchten obersächsischen Handwerken ergab keinerlei Hinweise auf eine offensiv vorgetragene Anspruchshaltung aufgrund rechtlicher Privilegierung und ebenso keinerlei gerichtliche Klageführung zur Durchsetzung von Leistungsansprüchen bei der Krankenunterstützung. Aufgrund dessen schließt sich die vorliegende Arbeit einer eher anspruchsskeptischen, jedoch vermittelnden Perspektive an. Einen eindeutigen, einklagbaren Rechtstitel auf Unterstützung durch die Be 493 StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 137b. 494 BRÄUER, Helmut: Obersächsische Zucht- und Arbeitshäuser vor 1715/16. Projekte – Realisation – Konflikte. In: AMMERER, Gerhard / BRUNHART, Arthur / SCHEUTZ, Martin / WEISS, Alfred Stefan (Hrsg.): Orte der Verwahrung. Die innere Organisation von Gefängnissen , Hospitälern und Klöstern seit dem Spätmittelalter (= Geschlossene Häuser. Historische Studien zu Institutionen und Orten der Separierung, Verwahrung und Bestrafung, Bd. 1). Leipzig 2010, S. 64. – BRUNS (Arbeitsverhältnisse) 1938, S. 209f. – FREVERT (Krankheit) 1984, S. 255. – KINZELBACH (Gesundbleiben) 1995, S. 303 Anm. 189. – PONFICK, Friedrich Wilhelm: Geschichte der Sozialversicherung im Zeitalter der Aufklärung. Dresden 1940, S. 37. – SCHIRBEL (Krankenversorgung) 1929, S. 78. WAGNER-BRAUN (Krankenkassen) 2002, S. 30. – WESOLY (Lehrlinge und Handwerksgesellen) 1985, S. 329. – WISSELL (Recht und Gewohnheit I) 1971, S. 457. 495 FRÖHLICH (Sicherung) 1976, S. 84. – LUSIARDI (Daseinsvorsorge) 2002, S. 142–144. – SCHEWE (Versicherung) 2000, S. 29.

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rufsorganisationen gab es nicht; wohl aber konnte durch die selbst finanzierte Unterstützung der Berufskollegen das eigene gewohnheitsrechtlich abgesicherte, moralische Anrecht auf soziale Sicherung in Notsituationen bekräftigt werden. Erst die jüngeren Kranken- und Unterstützungskassen, welche die Sicherungsleistungen mit obrigkeitlicher Genehmigung direkt definierten, sprachen von Ansprüchen und Anrechten der Beitragszahler, wenngleich weiterhin ein grundsätzlicher Kassenvorbehalt bestand.496 Zumindest der Rhetorik der Handwerksinnungen nach bestand eine lange Tradition der gegenseitigen Hilfeleistung unter den Zunftmitgliedern, die eine gesetzliche Verpflichtung der Handwerke zur Unterhaltung ihrer Armen und Kranken nicht notwendig erscheinen ließ. Dennoch ermahnte der Zwickauer Magistrat die Innungen am Ende des 16. Jahrhunderts, ihren fürsorgerischmoralischen Pflichten wieder mehr Aufmerksamkeit zu widmen: „Den Viermeistern der handtwerge Ist Angetzeigt, das ein iede Zunfft die durfftigen Inn Zeitt der gefahr den Vnuormögenden zu hulff zu kommen, Item das sie Wertter fur sich bestellen 497 sollen Inn der Zeitt.“

Die Viermeister erklärten daraufhin, dass „Inn eins theils laden zihmlich hendel seindt bey gering Vorrath“, man sich aber dennoch „nach vormögen“ den obrigkeitlichen Vorgaben entsprechend fügen wolle.498 Die unzureichende soziale Sicherung im Krankheitsfall durch den einzelnen Meister bzw. die Zunft war für die Handwerksgesellen ein Anstoß, eigene Organisationen zu begründen, die sich unter anderem dieser Aufgabe widmeten. Bestanden Gesellenschaften, oblag diesen die soziale Sicherung kranker Gesellen, wogegen die Zünfte sich um kranke Meister und Witwen, deren Angehörige und nur im Notfall um kranke Gesellen kümmerten. Letzterer Fall trat ein, wenn die Gesellenschaft dazu nicht in der Lage war. Dieses Zuständigkeitsprinzip war aufgrund der erbrachten Leistungen offensichtlich, wurde aber auch in Konfliktfällen immer wieder bestätigt. Anfang des 19. Jahrhunderts äußerten sich auf landesherrliches Verlangen alle Chemnitzer Handwerksinnungen auf der Ratsstube zur gegenwärtigen und zukünftigen Existenz von Gesellenorganisationen und deren Funktionen. Dabei wurde offenbar, dass kranke Gesellen in der Mehrzahl durch die Gesellenschaften unterstützt wurden. Die Gesellen der Zeug- und Leineweber, der Schneider und der Strumpfwirker kamen allein für ihre kranken Mitglieder auf. Bei den Tuchmachern gaben die Meister einen Zuschuss, da die wenigen in Arbeit befindlichen Gesellen die Krankenpflege nicht immer ausreichend gewährleisten könnten. Auch die Schuhmachermeister hatten den Gesellen bereits finanziell unter die Arme gegriffen, wenngleich prinzipiell die Verantwortung bei den Gesellen selbst lag. Dagegen wurde beispielsweise die Aussteuerung beschäftigungsloser Gesel 496 STEINER (Krankenhausversicherung) 2001, S. 69. – WISSELL (Sozialversicherung) 1927, S. 144. 497 StadtAZ, III x 75, RP 1597–1599, 1597/98, Bl. 272. 498 Ebd., Bl. 272–272b.

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len häufiger durch Meister und Gesellen gemeinsam getragen.499 Fehlten also eigene Gesellenorganisationen oder war die Zahl arbeitender Gesellen vor Ort sehr gering, steuerten Meister und Gesellen gemeinsam zur Finanzierung kranker Gesellen (und Meister) bei.500 Die eigenständig organisierte und finanzierte Erbringung von Unterstützungsleistungen prägte das Selbstverständnis der Handwerkskorporationen. Bei Auseinandersetzungen mit den Orts- und Landesobrigkeiten oder anderen Handwerksorganisationen wurden auf die wichtige soziale Sicherungsfunktion und die kollegiale Solidarität verwiesen. Nicht ohne Stolz auf die eigene Sicherungskompetenz beharrten die Gesellenschaften darauf, dass die Krankenversorgung ihrer Mitglieder eine interne Angelegenheit ihrer Gemeinschaft sei, welche die Meister ebenso wenig angehe wie umgekehrt die Gesellen die Unterstützung kranker Meister durch die Zünfte.501 Generell weist die konkrete Ausgestaltung der Organisation des zünftigen und gesellenschaftlichen (Kranken-)Unterstützungswesens eine enorme Variationsbreite auf. Die Mittel zur Krankenversorgung wurden in den meisten Fällen aus den allgemeinen Einnahmen der Handwerks- und Gesellenkassen erbracht.502 Nur in einigen Handwerken war der Anteil der Gebühren festgelegt, welcher der Krankenversorgung zukommen sollte. Bei den Dresdner Leinewebergesellen sollte von dem Groschen und den neun Pfennigen, die ein jedes Mitglied alle vier Wochen einzahlen musste, der Groschen der „Krancken Casse“ zufließen.503 In der Praxis erfolgte aber meist keine konsequente Zweckbindung der eingenommenen finanziellen Mittel, denn dazu hätte es finanziell unabhängiger Krankenoder Unterstützungskassen bedurft, die nur in seltenen Fällen vorhanden waren. Die Rechnungsführung der Innungen und Gesellenschaften verweist dagegen auf ein Finanzierungskonglomerat der verschiedenen Ausgabeposten. Die Handwerksorganisationen wurden grundsätzlich durch ihre arbeitenden Mitglieder finanziert, wobei es durchaus Abstufungen in den Beitragsleistungen geben konnte. Allgemeine Einnahmen der Handwerksorganisationen erfolgten durch die Erhebung regelmäßiger und unregelmäßiger Mitgliedsbeiträge und Gebühren. Von größerer Bedeutung waren meist die Quartals- oder Auflagegelder. Daher waren die Gesellenorganisationen sehr darauf bedacht, dass sich neu in Arbeit gekommene Gesellen spätestens nach der ersten Lohnzahlung in die Gesel 499 StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 9. 500 Dies geschah beispielsweise bei den Leipziger Posamentierern und Seilern. StadtAL, Inn Seiler A 28, Bl. 4–4b. – StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 305–305b. – StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 321–321b. – StadtAL, Zunftbuch IV, Bl. 6b–7. 501 StadtAL, II. Sektion S (F) 851, Bl. 11b. 502 Die Finanzierung der Krankenunterstützungen, welche durch einige Leichenkassen erfolgten, wird in Kap. 5.4.4 erläutert. I. d. R. waren aber Zunft- und Gesellenkassen oder spezielle Unterstützungs- und Krankenkassen für die Erbringung der institutionalisierten Hilfsleistungen zuständig. 503 StadtAD, RA, C. XXIV. 110, Bl. 32–32b. Siehe auch: StadtAD, 11.2.46, Nr. 75k, Bl. 134b– 135. – StadtAL, Inn Schneider C 2, Bl. 53. – StadtAZ, X, 45, 5, Bl. 2b.

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lenschaft einschrieben und regelmäßige Beiträge leisteten. Gesellen, die dies versäumten, wurden als Pfuscher angesehen und verrufen. Eine Unterstützung im Krankheitsfall wurde ihnen verwehrt.504 Außerdem hatten neue Korporationsmitglieder einmalige Eintrittsgebühren in erheblicher Höhe (Meisterrechtsgebühren, Eintrittsgelder in die Gesellenschaft usw.) zu entrichten. Durch die Verhängung von Strafgeldern wurden die Kasseneinnahmen ebenfalls ergänzt, doch waren der Erhebung von Strafen durch die Handwerksorganisationen zunehmend engere Grenzen gesetzt worden, indem beispielsweise Maximalwerte für die Strafgeldhöhe statutarisch festgeschrieben wurden. Mit dem Zurückdrängen der jurisdiktionellen Funktion der Handwerksorganisationen verlor diese Einkommensart schnell an Bedeutung. Weitere Gelder wurden durch Einnahmen aus anderen Einkommensarten in die Handwerks- und Gesellenkassen gespült. Dazu bedurfte es aber zumeist eines erweiterten Vermögensstockes. Zum Beispiel brachte die Verpachtung innungseigener Mühlen oder Färbehäuser, die Vermietung von Immobilien und Grundstücken oder die Verzinsung von Kapitalanlagen gutes Geld ein. Auch aus Erlösen durch den Verkauf diverser Güter oder die Bereitstellung von Dienstleistungen wie den Verleih des Leichenornats erfolgten Einnahmen. Daneben entschieden sich die Handwerker auf den Zusammenkünften für spontane Umlagen, wenn beispielsweise einer bedürftigen Person eine freie Beisteuer zugesagt worden war.505 Innerhalb der jeweiligen Handwerksorganisation flossen die Einnahmen in eine Meister- bzw. Gesellenkasse oder -büchse. Für soziale Unterstützungszwecke wie die Krankenversorgung konnten spezielle Armen-, Unterstützungs- oder Krankenbüchsen eingerichtet werden, die auch zusätzliche Gebühren einnehmen konnten, aber meist dennoch in enger Abhängigkeit von der Handwerkskasse bestanden. Geriet eine möglicherweise vorhandene innerzünftige Unterstützungskasse in Zahlungsschwierigkeiten, wurden entweder die Leistungen abgesenkt oder die allgemeine Handwerkskasse sprang ein. Im Einzelfall müsste geprüft werden, inwiefern es sich bei diesen speziellen Kranken- und Unterstützungskassen um Einrichtungen handelte, die mit dem Handwerk in Verbindung standen oder ob diese Kassen eher den Charakter von freien Krankenversicherungs- und Unterstützungsvereinen annahmen.506

 504 StadtAL, Tit. VIII (F) 334, 1745, Teil 2, Paket 1, Bl. 233–235. 505 Nur unregelmäßig wurden spontane Umlagen im Rechnungs- oder Verwaltungsschriftgut verzeichnet, da diese gesammelten Gelder direkt wieder an die Betroffenen ausgegeben wurden. Bei den Leipziger Schneidern erfolgten solche „Collecten“ laut dem Handwerksbuch in großer Zahl für Kranke, Brandgeschädigte oder andere „würdige“ Notleidende. StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 54b, 161b, 230. – StadtAL, Inn Schneider B 11, Bl. 3b, 9b, 31, 41b, 74, 102, 106–106b, 108b, 156, 172 u. ö. 506 Aufgrund einer umfassenden Datenbank konnte eine jüngere Studie eine exaktere Verteilung der verschiedenen Typen an Unterstützungskassen in den Niederlanden nachzeichnen. Dabei wird das Wachstum der freien Unterstützungskassen insbesondere im 18. Jahrhundert deutlich. Vgl. VAN LEEUWEN (Guilds) 2012, S. 66f.

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Die Art der Rechnungsführung in den Handwerkskorporationen erlaubt keine generalisierten Angaben über den Anteil der Krankenversorgung an den kollektiven Ausgaben, da die Prinzipien der Buchführung in den verschiedenen Organisationen teils undurchsichtig, teils uneinheitlich waren und häufig wechselten. In vielen Fällen kann keine Aussage getroffen werden, zu welchen konkreten Zwecken die Kassenaufwendungen getätigt wurden. Einige empirische Erhebungen sollen jedoch verdeutlichen, dass besonders viele Meisterorganisationen ihre Einnahmen mehrheitlich nicht für Aufgaben auf dem Gebiet der sozialen Sicherung einsetzten, sondern damit oftmals Verwaltungsaufwendungen sowie Investitionen zur Entwicklung und Förderung des Gewerbebetriebs finanzierten. Für eine solche Analyse boten sich größere Handwerksorganisationen eher an als kleinere, da die Aussagekraft mit dem Umfang der Rechnungsposten stieg. Jedoch bestand hierbei oft der Nachteil, dass die Jahresrechnungen keine Einzelnachweise enthielten bzw. diese nicht mehr erhalten waren, sondern man mit summarischen Einnahmen- und Ausgabeneinträgen und Rechnungsübersichten vorlieb nehmen musste. In erheblichem Umfang sind die Handwerksrechnungen der Dresdner Tuchmacher aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert erhalten. Die im Wesentlichen nachvollziehbare Struktur der Jahresrechnungen blieb relativ konstant, doch existierte kein eigenständiges Rechnungskapitel für „Soziales“, sodass die Rechnungen mühsam im Einzelnen durchgegangen und die sozialen Einzelausgaben aus dem Kapitel „Insgemein“ und teilweise weiteren Kapiteln extrahiert werden mussten. Nicht immer waren die Ausgabenzwecke eindeutig feststellbar. Angaben zur Begräbnisunterstützung fehlten, da eine eigenständige Leichenkasse existierte. Stichproben aus den Jahren 1720 bis 1812 ergaben selbst bei großer Toleranz stets marginale Anteile sozialer Aufwendungen an den Gesamtausgaben. Sogar unter Einbeziehung der allgemeinen Herbergsmiete, die in Raten dem Herbergsvater gezahlt wurde, lag die Summe aller Rechnungsposten der Ausgabenseite, die im weitesten Sinne der sozialen Sicherung dienten, mehrfach unter einem Prozent (z. B. 1722/23, 1746/47, 1754/55). Im besten Fall erreichten die Unterstützungsleistungen in den Rechnungen etwas über fünf Prozent (1778/79). Eine Detailuntersuchung der Rechnungsjahre von 1770/71 bis 1784/85 ergab, dass allein die Besoldungen der Amtsinhaber (Ratsdeputierte, Älteste, Handwerksschreiber, „Accis“-Einnehmer, Jungmeister, Schützenmeister) und das auf den Quartalen vertrunkene Bier stets die Gesamtheit aller sozialen Ausgaben überstiegen und nicht selten den drei- bis vierfachen, bisweilen sogar den siebenfachen Betrag erreichten.507 Über das Dresdner Schuhmacherhandwerk sind nur einzelne Innungsrechnungen aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts überliefert. In absoluten Zahlen schwankten die Aufwendungen für soziale Zwecke (ohne Begräbnisgelder) zwi-

 507 StadtAD, 11.2.66, Nr. 71v. – StadtAD, 11.2.66, Nr. 71w. – StadtAD, 11.2.66, Nr. 71x.

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schen sechs und 29 Gulden. Gegenüber den Gesamtausgaben bedeutete dies einen Anteil zwischen 4,7 und 10,0 Prozent.508 In etwa der gleichen Größenordnung wandten die Berufskollegen aus Leipzig Gelder für ihre Bedürftigen mehr als ein Jahrhundert später auf. Zu den von 1783 bis 1837 erhaltenen Jahresrechnungen der Leipziger Schuhmacher erleichterten einige Sammelrechnungen, welche die Einzelposten zu größeren Ausgabenkapiteln zusammenfassten, eine stichprobenartige Untersuchung. Weitere Rechnungsjahre mussten dagegen Posten für Posten untersucht werden, um die sozialen Unterstützungsaufwendungen herauszuarbeiten (Tabelle 7). Innerhalb des kurzen Zeitraums nahmen die Umsätze der Handwerkskasse um mehr als die Hälfte ab, ein Hinweis auf eine erheblich verschlechtere kassenfinanzielle und gewerbliche Situation, doch die relativen Anteile sozialer Ausgaben an den Gesamtinnungsausgaben sanken noch schneller. Wurden in den ersten Rechnungsjahren ab 1783/84 noch 13 bis 15 Prozent für Almosen und die städtische Armenkasse gegeben, betrug dieser Anteil Anfang der 1790er Jahre nur noch etwa drei Prozent, was vor allem zulasten der durch die Zunft selbst ausgereichten Almosen geschah. In absoluten Zahlen hatten sich die Unterstützungsaufwendungen sogar bis auf einen Bruchteil verringert. Dagegen fraßen besonders die festen Besoldungen der Obermeister und der anderen Zunftämter sowie die Steuer- und Abgabenpflichten die schrumpfenden Einnahmen auf.509 Dass die Unterstützungsausgaben für bedürftige Handwerksmitglieder zum Teil erheblichen Schwankungen unterlagen, kann auch an den Rechnungsaufstellungen der 1731 gegründeten Chemnitzer Strumpfwirkerinnung abgelesen werden. In den Rechnungen dieser Korporation tauchten in den ersten Jahren nach Gründung der Innung nur sehr selten Ausgaben zu sozialen Zwecken auf. Die überlieferten Jahresrechnungen setzen 1735 ein und wurden seit diesem Zeitpunkt bis Anfang des 19. Jahrhunderts vollständig untersucht. Ein Vergleich der Rechnungen bot sich an, da sie Strumpfwirkerrechnungen über den gesamten Zeitraum (1735 bis 1804) im Wesentlichen ihren strukturellen Charakter behielten. Ein eigenes Ausgabenkapitel für Sozialausgaben, die sich vor allem aus den Almosen für Arme, Kranke, Brandgeschädigte und andere Bedürftige, den Zehrpfennigen für beschäftigungslose Gesellen und seit den 1770er Jahren aus einer fixen Abgabe von jährlichen fünf Talern an die Dresdner Armenhaushauptkasse zusammensetzten, bestand nicht. Die einzelnen sozialen Ausgabenposten mussten daher für jedes Jahr aus den Rechnungen extrahiert und zusammengetragen werden, wobei ab 1755 zwi-

 508 StadtAD, 11.2.56, Nr. 264h. In der Akte finden sich weitere Aufstellungen, darunter eine ausführliche „Armuths Rechnung“ des Rechnungsjahres 1720/21, die aufschlussreiche Hinweise über den Kreis der Unterstützungsempfänger liefert. Jedoch fehlen Angaben zu den Gesamtausgaben der Innung. 509 StadtAL, Inn Schuhmacher B 2, Bd. 1. – Ebd., Bd. 2. – Ebd., Bd. 3.

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schen den verschiedenen Unterstützungszwecken unterschieden werden konnte (Tabellen 8 und 9).510 In der Zeit bis zum Siebenjährigen Krieg lag der Anteil sozialer Ausgaben durchgehend auf marginalem Niveau unter fünf Prozent, etwa jedes zweite Jahr wurde nicht einmal jeder hundertste Groschen für Soziales ausgereicht! Nur vereinzelt finden sich Ausgaben zur Krankenunterstützung an Meister, Witwen oder Gesellen, da insbesondere die Letzteren vor allem durch die Gesellenschaft finanziert wurden. Damit unterschied sich die frühe Strumpfwirkerinnung nicht von den anderen aufgeführten Beispielen. Durch die große Zahl an Kriegsversehrten, Witwen und Verarmten stiegen die Sozialausgaben am Ende des Siebenjährigen Krieges und in den Folgejahren bis fast auf ein Zehntel der Gesamtausgaben an, um danach jedoch wieder auf das niedrige Vorkriegsniveau zu fallen. Besonders durch einzelne Brandgeschädigte, denen vergleichsweise hohe Almosen zugesprochen wurden, stiegen die sozialen Ausgaben Ende der 1760er und Anfang der 1770er Jahre auf über ein Viertel der Gesamtausgaben! 1770/71 wurde die bislang vernachlässigte Jahresabgabe an die Armenhaushauptkasse, die bereits in den Innungsstatuten 1755 festgeschrieben worden war, rückwirkend nach Dresden abgeführt. In absoluten Werten hatten die Almosen bereits einen beachtlichen Umfang erreicht, u. a. hervorgerufen durch die große Hungerkrise ab 1770, doch konnten sie mit den allgemein stark gestiegenen Ausgaben, infolgedessen sich die Innung erheblich verschuldete, nicht mithalten. Die sozialen Ausgaben sanken durch die Finanzkrise der Innung bis auf ein Niveau zwischen ca. zwei und sechs Prozent. Am Ende des 18. Jahrhunderts veränderte sich die Ausgabenstruktur der Innungsrechnungen dieses Gewerbes deutlich dahin gehend, dass nun eine nicht unerhebliche Summe für die größer werdende Zahl bedürftiger Strumpfwirkermeister und -witwen ausgegeben wurde. Allein die an abgebrannte, alte, kranke oder invalide Personen ausgereichten Almosen betrugen nun bis zu zehn Prozent und 1802/03 sogar gut 14 Prozent, die gesamten sozialen Unterstützungen stiegen in letzterem Jahr sogar bis auf über 30 Prozent. Neben der festen jährlichen Abgabe an die Armenhaushauptkasse setzten sich die sozialen Hilfsleistungen aus den tendenziell stark steigenden Zehrpfennigen und den erheblich schwankenden Krankenunterstützungen und sonstigen Almosen zusammen. Ab Mitte der 1780er Jahre bildeten die Zehrpfennige durchgängig den größten sozialen Ausgabeposten. Im Vergleich der einzelnen Rechnungsjahre wird der Zusammenhang der sozialen Aufwendungen mit dem Kassenbestand sichtbar. Nachdem sich die Kas 510 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 238. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 239. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 240. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 241. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 242, S. 1– 16. Anscheinend existierte noch ein „Gesellen und Allmosen Büchel“, in dem aber anscheinend nur minimale Ausgaben verzeichnet waren, die in die Gesamthandwerksrechnung mit einflossen. Da alle Quartalsgelder und sonstigen Einnahmen in der Handwerksrechnung aufgingen, erscheint es unwahrscheinlich, dass in diesem „Büchel“ zusätzlich soziale Ausgaben von den Meistern finanziert wurden. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 238, Bl. 130b.

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senlage ab etwa 1780 gebessert hatte und die Schulden zurückgezahlt wurden, zeigte sich das Handwerk wieder großzügiger und reichte zwischen 10 und 20 Prozent als Unterstützungsleistungen aus. Der Einbruch an sozialen Ausgaben 1780/81 wurde durch die Tilgung gewichtiger Kredite verursacht. In den Jahren 1786/87 und 1788/89 überstiegen die Ausgaben die Einnahmen und die Innungsältesten mussten in Vorleistung treten, worauf infolgedessen die Almosenausgaben durch Kassendefizit und neue steigende Verbindlichkeiten erneut sichtbar beschnitten wurden. Die erneute Entspannung der finanziellen Lage bewirkte nicht nur das mehrfache Verleihen von Kassengeldern auf dem Kapitalmarkt, sondern auch das Wachstum der sozialen Aufwendungen, wobei sich der Schwerpunkt hier besonders in den 1790er Jahren zunehmend auf die durch die Gesellen teilfinanzierten Zehrpfennige verlagerte. Die erheblich verbesserte Einnahmesituation in der Mitte der 1790er Jahre, aufgrund derer die Meister schließlich sogar 500 Taler Kapital verleihen konnten, führte auch zu sprunghaft steigenden Unterstützungsleistungen. Weitere Rechnungsanalysen mit vergleichbaren Ergebnissen wären für die Chemnitzer Webermeister und andere bedeutsame Zunfthandwerke möglich.511 Die Beispiele zeigten, dass der bisweilen stark schwankende Anteil sozialer Aufwendungen in den Rechnungen vieler Handwerksinnungen nur einen marginalen bis relativ geringen Anteil ausmachte, wenngleich die Vollständigkeit der Aufzeichnungen mitunter bezweifelt werden darf. Für die Handwerksgesellen bildete die soziale Sicherung bei Krankheit eine wichtige Funktion ihrer Gesellenschaft. Aufgrund des Sondercharakters und des vergleichsweise frühen Auftretens der bereits an anderer Stelle erwähnten Zwickauer Tuchknappen- und Kämmerinnenkasse sollen die organisatorischen und finanziellen Strukturen dieser Kranken- und Unterstützungskasse etwas genauer betrachtet werden. Die personell stark vertretenen abhängig Beschäftigten des Tuchmachergewerbes hatten sich frühzeitig organisiert, um anstelle der verbreiteten sozialen Sicherung durch eine unzureichende Darlehensgewährung eine echte, solidarische Hilfskasse zu begründen, die vor allem Unterstützungsgelder ausreichte, die nicht rückzahlungspflichtig waren. Da die Leistungen auf selbst erwirtschafteten Beiträgen beruhten, handelte es sich nicht um Almosen in dem Sinne, dass bedürftige Personen aus christlichem Mitleiden eine gutwillige Hilfsleistung von Dritten erhielten. Obwohl der Almosenbegriff in den einschlägigen Quellen genannt wurde, stellte diese Kasse eine faktische Selbsthilfeorganisation dar. Die Idee zur Einrichtung eines entsprechenden Unterstützungsfonds kursierte bereits vor 1511, als man die Sammlungen von Mitgliedsbeiträgen für den Kauf  511 Z. B. gaben die Weber in den 1730er Jahren zwischen drei und sieben Prozent und Anfang der 1790er Jahre inklusive der Abgaben an das Stadtalmosen und die Instandhaltungskosten für das handwerkseigene Krankenhaus etwa zehn bis zwölf Prozent der Ausgaben für Unterstützungsleistungen aus. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 395, Bl. 1–35b. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 409.

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eines „Krankenhauses“ diskutierte.512 Der Initiative der Tuchknappen und Kämmerinnen, einen Teil des Lohnes regelmäßig bei „dem meister innen zulassen vnd do durch aynen furradt zuersamlen, [um] krangken knappen vnd kemmerin In notten do mitte zuhulff zukommen“, hatte der Zwickauer Stadtrat 1521 zugestimmt.513 Aufgrund der reformatorischen Veränderungen im Bruderschaftswesen wurde die Finanzierungsfrage der Kasse akut. Mit der Einrichtung des städtischen Gemeinen Kastens, zu dem auch die Knappen und Kämmerinnen wöchentlich ihren Teil beitrugen, ergab sich keine dauerhafte Lösung. Die Kommune befürchtete, der Kasten werde durch die hohen Kosten kranker Knappen und Kämmerinnen zu stark belastet. Daher wurde kurz nach Martini 1534 auf den ursprünglichen Vorschlag einer eigenen Knappen- und Kämmerinnen-Unterstützungskasse zurückgegriffen. „Die anlage, so knappen vnd kemmerin vor sich wöchlich thuen wöllen, belangennde Sal mitt den kastenhern dauon geredt werden vnd so vil müglich, nach dem solch fürhaben beim Radte vor guth angesehen, das nicht alles vffn gemeinen kasten gehen vnd geschlagen werden 514 durffte, das es seinen fürgangk haben möchte etc.“

Die Selbsthilfekasse war somit spätestens Ende 1534 bzw. Anfang 1535 etabliert worden. Die eingesammelten Pfennige wurden fast vollständig sozialen Zwecken zugeführt und insbesondere für die Krankenversorgung verwandt.515 Kurze Zeit darauf tauchten in den Ratsprotokollen verordnete Vierknappen im Tuchmachergewerbe auf, die für die Einnahme des „almosen“, d. h. der Kassenbeiträge, zuständig waren. Der Grund ihres Vorsprechens auf der Ratsstube war kein erfreulicher: „Die verordenten vierknappen zur einnahme des almosen haben geklagt, das etliche meistere vnd knappen sich mit vergeblichen wortten hören lassen, das gesinde verleucknen vnd sich also stellen, dadurch dem almosen grosser nachteil erfolget, Bitten vmb einsehen. Hierauff ist beschlossen, das auff Ihr anzeigen dieselbigen sollen gestrafft werden auch mit einem ernst,

 512 BRÄUER (Tuchknappenregister) 1990, S. 102. – Ders. (Wider den Rat) 1999, S. 65f. 513 StadtAZ, III x 60a, RP 1519–1522, 1520/21, Bl. 17b. 514 StadtAZ, III x 64, RP 1534–1536, 1534/35, Bl. 12. Auch in Wittenberg spielte der Gemeine Kasten bei der Krankenversorgung von Hilfskräften aus dem Handwerk eine wichtige Rolle. In der Stadt an der Elbe zahlten die Meister und Gesellen der Schuhmacher und Fleischer bis nach dem Dreißigjährigen Krieg Beiträge gemeinsam in den Gotteskasten und durften im Gegenzug ihre kranken Gesellen und Lehrlinge im Wittenberger Hospital „Zum heiligen Kreuz“ unterbringen. Die Kosten für den Arzt oder Barbier zahlte dann der Gemeine Kasten. Laut Auskunft von Herrn Jörg Mayer (Stadtkirche Wittenberg) ist dieser Vertrag in der Akte AI 52 des Archivs der Wittenberger Stadtkirche belegt. BÖHMER, Wolfgang / KABUS, Ronny: Zur Geschichte des Wittenberger Gesundheits- und Sozialwesens. Teil I: Von der Stadtfrühzeit bis zum Ende des 17. Jahrhunderts. Wittenberg 1981, S. 47, 70. – KLEEIS (Versicherung) 1928, S. 32. 515 Die aussagekräftigste Quelle dieser Kasseneinrichtung bildet das sogenannte „Tuchknappenregister“. Von den darin verzeichneten Gesamtausgaben im Zeitraum Allerheiligen 1537 bis Ostern 1538 über 19 Gulden 9 Groschen und 11 Pfennigen wurden nach eigenen Berechnungen fast 97 Prozent nachweisbar für soziale Unterstützungsleistungen ausgegeben. StadtAZ, X, 49, 135. Vgl. BRÄUER (Tuchknappenregister) 1990. Siehe auch Kap. 4.5.3.

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vnd gefelt dem Radth das Zweene aus den xxiiij zu den vier gesellen verordenet würden, die vmb die einnahme vnd ausgabe mit wissen trügen, auch die laden zum verwarung hetten 516 etc.“

Aufgrund der Schwierigkeiten, die sich bei der Finanzierung der Kassenleistungen ergaben, indem beispielsweise versucht wurde, den Vierknappen zahlungspflichtige Arbeitskräfte zu verschweigen, drohte das gesamte soziale Projekt zu scheitern. Daher wurden den verordneten vier Gesellen zwei Beisitzmeister aus der Gruppe der Vierundzwanziger, einem gewählten Verwaltungs- und Kontrollausschuss der Innung, beigegeben. Die beiden Meister, die zum Tuchknappenalmosen beigeordnet wurden, wurden spätestens seit 1536 im städtischen Amtsbuch namentlich verzeichnet.517 Zur steten Befolgung wurden die Vorgaben, dass ein jeder Knappe einen Pfennig und eine jede Kämmerin einen Heller wöchentlich vom Lohn durch den Meister einziehen lassen sollten, in den Gesellenartikeln 1536 festgeschrieben. „Vier redliche vnd auffrichtige gesellen aus den knappen alhie“ sollten die Gelder „alle wochen“ von den Meistern einfordern und gemeinsam mit den zwei Beisitzmeistern sowie mit „fürwissen“ des Stadtrates und der Innung „dauon das fürhabende vnd angefangene Christliche werck“ bewerkstelligen. Um die Zahlungsdisziplin aufrechtzuerhalten, wurde mit Geldstrafen und Arbeitsverbot gedroht.518 Dennoch kam es in der Folgezeit noch zu Auseinandersetzungen. Die Ratsprotokolle verzeichneten 1548, dass das Tuchmacherhandwerk neben vier weiteren Themenpunkten beratschlagte, inwiefern die wöchentliche Einsammlung der Knappen und Kämmerinnen zu ihrer Kranken- und Unterstützungskasse weiterhin Bestand haben sollte. Man beschloss mit Zustimmung des Rates, „Das die knappen Ire einlage zum Almosen vnd erhaltung des armuts wöchentlich geben sollen, wie zuuorn gescheen“.519 Da es dennoch mit der sozialen Sicherung im Tuchmacherhandwerk in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nicht zum Besten stand, mussten die Ratsherren die Viermeister an ihre Beistandspflicht erinnern. Ob die letztmalige Nennung der Viergesellen und der Beisitzmeister „zum Almosen“ in den fortlaufenden Amtsbüchern ebenfalls eine Verschlechterung der Kassenorganisation vermuten lässt, sei dahingestellt.520 Spätestens am Ende des Dreißigjährigen Krieges hatte  516 StadtAZ, III x 64, RP 1534–1536, 1534/35, Bl. 44. 517 StadtAZ, III b 1, 54 V, Amtsbuch 1536–1543, 1536/37, Bl. 20. In den Amtsbüchern wurden zusätzlich ab 1544 die Vierknappen verzeichnet. StadtAZ, III b 1, 54 VI, Amtsbuch 1544– 1554, 1544/45, Bl. 18b. 518 StadtAZ, X, 49, 122, Bl. 51–52. Exakt die gleichen Beiträge sollten in Chemnitz die Tuchknappen und -kämmerinnen entrichten. Auch hier wurden sogar die Kinder der Gesellen und Kämmerinnen im Krankheitsfall mit versorgt. StadtAC, RA, Kap. III. Sect. VIIb, Nr. 3, RP 1535–1567, Bl. 123b. – StadtAC, RA, Kap. III. Sect. VIIb, Nr. 4, RP 1548ff., Bl. 68. 519 StadtAZ, III x 66a, RP 1547–1548, Bl. 78b. 520 StadtAZ, III x 75, RP 1597–1599, 1597/98, Bl. 272–272b. Die Beisitzmeister wurden in den Zwickauer Amtsbüchern zuletzt Mitte der 1560er Jahre angeführt, die Amtsbezeichnungen selbst zuletzt Anfang der 1570er Jahre verzeichnet. StadtAZ, III b 1, 54 VII, Amtsbuch 1555– 1568, 1564/65, Bl. 243. – StadtAZ, III b 1, 54 VIII, Amtsbuch 1568–1579, 1571/72.

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sich der Charakter der Kasse gewandelt. Anstelle der echten Unterstützungsgelder wurden nun wie in vielen anderen Gesellenschaften lediglich Darlehen gewährt.521 In den meisten anderen Gesellenschaften legten die Gesellen ebenfalls regelmäßige Auflagegelder in die Gesellenbüchse, aus der soziale Zwecke wie die Krankenversorgung finanziert wurden (Tabelle 10). Weitere Einnahmen entstanden unter anderem aus der Erhebung von Eintritts- oder Strafgeldern, dem Verleih des Leichenornats oder dem Kreditwesen. Gemeinsame Kassen der Meister und der Gesellen, aus denen sowohl bedürftige Meister, Witwen und Gesellen unterstützt wurden, waren in der Minderheit. Weil es bei den Leipziger „Trüpmachern“522 um 1600 „demnach auch zue mehrmahlen sich zuetregt, das Arme vnuormögende Meister oder Meisterin, derselben Kinder vnd gesinde inn Kranckheit gerahten vnd von den Ihrigen keinen vnter523 halt haben können“,

zahlte jedes Korporationsmitglied vierzehntägig drei Pfennige ein. Dagegen mussten die Gesellen bei den Posamentierern im Vergleich zur Gebühr der Meister nur den halben Betrag aufbringen.524 Zu keinem Zeitpunkt waren für eine Gesellenschaft konkrete statutarische Angaben zur Höhe und zur Verwendung der Auflagegelder sowie zur Lohngeldhöhe gleichzeitig verfügbar, sodass der Anteil der geplanten Krankenversorgungsbeiträge am Geselleneinkommen berechenbar wäre. Für die Schneidergesellen in Chemnitz und Dresden waren kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg bzw. am Anfang und am Ende des 18. Jahrhunderts zumindest zwei dieser drei Angaben zugleich bekannt; nur die konkrete Mittelverwendung wurde nicht schriftlich festgelegt. Außerdem fanden sich die Angaben zur Auflagenhöhe und zur Lohnhöhe in ein und derselben Quelle, was der Relation beider Werte zueinander besonderes Gewicht zukommen lässt. Aufgrund dieser Belege kann für die Schneidergesellen der Anteil der für soziale Zwecke maximal geleisteten Beiträge bestimmt werden. Für das Jahr 1658 sind die Lohnobergrenzen für die Schneidergesellen in Chemnitz anhand der Gesellenartikel bekannt. „Ein Jeglicher Geselle soll von seinem Meister Zum Wochenlohn haben Vierdthalben Groschen, Ein Jungen Schneider Zwey Groschen, Ein Junge Achtzehen Pfennige.“ Zur vierzehntägli 521 StadtAZ, X, 1, 14, Bl. 96. Vgl. StadtAZ, X, 49, 124, Bl. 12b–13, 27b–28. 522 Der Begriff „Trippenmacher“ muss vermutlich im jeweiligen Sprachraum und Kontext betrachtet werden. Während „Trippenmacher“ nach dem Grimmschen Wörterbuch ein Gewerbe bezeichnet, dass Wollzeuge herstellt, werden andernorts unter dieser Bezeichnung auch Hersteller von Unterschuhen verstanden. GRIMM, Jacob / GRIMM, Wilhelm: Deutsches Wörterbuch. Leipzig 1952, Bd. 11, I. Abteilung, Teil II, Stichwort: Tripp, Sp. 639. – SCHREIER (Schuhgewerbe) 2002, S. 11 Schema 1. 523 StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 20b–21. 524 StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 305. Ein weiteres Beispiel einer durch die Meister teilfinanzierten Krankenversorgung fand sich bei den Leipziger Bäckern. StadtAL, Tit. LXIV (F) 17b, Bl. 82b–83.

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chen Gesellenauflage waren je nach persönlicher Qualifikation zwischen einem und drei Pfennigen zu erlegen. An den vier Quartalen musste ein Schneidergeselle außerdem noch vier Pfennige, ein junger Schneider aber drei Pfennige einzahlen. Damit betrug die jährliche Belastung durch Quartals- und Auflagegelder zwischen 2,8 und 4,5 Prozent des Jahreslohnes.525 Bevor dieses Ergebnis bewertet wird, sollen noch die Dresdner Daten herangezogen werden. Die Schneidergesellenartikel in Dresden von 1710 legten zum einen ebenfalls die zulässige Obergrenze für die Wochenlöhne fest: „Eine Wittbe giebet einem Taffel-Schneider Wöchentlich Zwölff Groschen Lohn und ein Geselle, so seines Meisters Werckstadt sowohl bey deßen Verreysung alß Kranckheit wohl versehen kann, die Woche zum Lohne Acht Groschen, ein Pursche aber 5 bis 6 Groschen, davor 526 ein jeglicher seinem Meister gehorsam und getreu seyn muß.“

Zum anderen sollte ein in Arbeit stehender Geselle alle vier Wochen einen Groschen und ein einfacher Bursche hiervon die Hälfte in die Gesellenbüchse legen. Zu den viermal im Jahr stattfindenden Quartalstreffen war die doppelte Auflage zu erübrigen.527 Somit trugen ein Geselle, der ganzjährig Beschäftigung gefunden hatte, 17 Groschen und ein Bursche 8,5 Groschen in einem Jahr zur Kassenauflage bei. Dies entsprach bei den Burschen in Bezug auf die Lohntaxe einem Anteil am Jahreslohn von 2,7 bis 3,3 Prozent, bei den Gesellen 4,1 Prozent und bei den Tafelschneidern 2,7 Prozent. Von diesen Auflagen erfolgten, und dies trifft natürlich auch auf die Chemnitzer Werte zu, jedoch nicht nur Ausgaben zur sozialen Sicherung, geschweige denn zur Krankenversorgung. Die Ordnung der Gesellen bestimmte, dass ein Drittel der üblichen Auflage (und die Hälfte der Strafgelder) sowie bei den Quartalen ein Viertel der Auflage (und die kompletten Strafgelder) allein „zu ihrer Ergötzlichkeit oder Trunck“ verwendet werden durften. Das hieß, dass von den gewöhnlichen Auflagegeldern eines Gesellen nur sechs Groschen und von den Quartalsgeldern ebenfalls nur sechs Groschen im Jahr für andere, vornehmlich soziale Zwecke verblieben, was einem Jahreslohnanteil von 2,9 Prozent (bzw. 1,9 Prozent bei den Tafelschneidern) entsprach. Entsprechend gaben junge Burschen hierfür nur zweimal drei Groschen aus, was einem Anteil am Jahreslohn von 1,9 bis 2,3 Prozent ausmachte. Schließlich gilt zu beachten, dass Ge 525 StadtAC, RA, Kap. III. Sect. VIIb, Nr. 5, RP 1654ff., Bl. 13b, 14b. Da keine Aussage zur Quartalsauflage für die Jungen getroffen wurde, ist in der Rechnung davon ausgegangen worden, dass diese ganzjährig nur die gewöhnlichen Auflagegelder zahlten. 526 StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 353. Generell wurden Gesellen, die für Witwen arbeiteten, „Meistergesellen“ genannt, während sie bei einzelnen Handwerken spezielle Namen erhielten. Bei den Schneidern hießen sie „Tafelschneider“, bei den Schuhmachern „Bretschneider“ usw. BRODMEIER, Beate: Die Frau im Handwerk in historischer und moderner Sicht (= Forschungsberichte aus dem Handwerk, Bd. 9). Münster 1963, S. 47. – KULENKAMP (Recht der Handwerker und Zünfte) 1807, S. 348. An anderer Stelle wurden diejenigen „Meister-Gesellen“ genannt, die eigenverantwortlich für Kunden arbeiteten und einen Teil ihres Kundenlohnes an den Meister bzw. die Witwe abführten. Ebd., S. 291. 527 StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 355b–356, 358b.

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sellen, die im Wochenlohn standen, i. d. R. bei ihren Meistern lebten, sodass diese Kost und Unterbringung größtenteils frei hatten. Vergleichbare Informationen liegen außerdem für die Zeit um 1780 vor. Erhielt ein Dresdner Schneidergeselle damals sechs Groschen Tagelohn, von denen er sich selbst mit Kost und Wohnraum versorgen musste, oder zwischen zehn und sechszehn Groschen Wochenlohn, wenn er im Meisterhaushalt lebte und dort versorgt wurde, kann der Anteil für Kost und Unterkunft errechnet werden. Er betrug – bezogen auf den Tagelohn bei einer angenommenen Arbeitswoche von fünfeinhalb Tagen528 bzw. rund 287 Arbeitstagen im Jahr – zwischen 42 und 61 Prozent. Vermutlich erhielten jedoch auch Gesellen, die im Meisterhaushalt lebten, keine Vollverpflegung, sondern hatten Teile des Wochenlohnes für Nahrungsmittel auszugeben. Unabhängig von diesen Überlegungen standen einem Schneidergesellen maximal 33 Groschen Lohn in der Woche zu (Bezahlung auf Tagelohn, ganzwöchentliche Beschäftigung). Von diesem Einkommen hatte er sein Quartalsgeld (vier Groschen) und sein dreiwöchentliches Auflagegeld (zwei Groschen) an die Gesellenkasse zu bezahlen, womit er jährlich je nach Anzahl der Auflagen etwa auf 40 bis 42 Groschen an Ausgaben kam.529 Damit betrug der Anteil des Auflage- und Quartalsgeldes am Jahreseinkommen eines vollbeschäftigten Gesellen auf Tagelohn 2,3 bis 2,4 Prozent. Für einen im Meisterhaushalt wohnhaften „Wochenlöhner“ machten diese Ausgaben (bei einem angenommenen mittleren Wochenlohn von 13 Groschen) zwischen 5,9 und 6,2 Prozent des ausgezahlten Jahreslohnes aus. Ein beträchtlicher Teil des Geldes floss jedoch der Schuldentilgung der Gesellenkasse zu. So sollten mindestens vier Groschen des Quartalsgeldes (also 16 Groschen im Jahr) zum Schuldenabbau genutzt werden.530 Ein weiterer großer Ausgabenposten, der mit den Auflagen finanziert wurde, war das Viatikum. Um die Höhe dieses Zehrpfennigs für beschäftigungslose Gesellen festzulegen, wurden die Dresdner Innungsältesten verschiedener Handwerke zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach der Höhe der Gesellenlöhne befragt. Folgt man diesen Aussagen, schrumpfte der Anteil der zur Gesellenkasse abzuführenden Beiträge am Anfang des 19. Jahrhunderts nochmals zusammen. Selbst wenn man von den mutmaßlichen Lohnangaben den jeweils geringsten Wochenlohn annimmt, betrugen die Aufwendungen für Quartals- und Auflagegelder bei den Schneidergesellen nur noch 1,6 Prozent, bei den Schuhknechten 4,8 Prozent und bei den Tuchknappen sogar nur 1,2 Prozent des rechnerischen Jahreslohnes.531  528 Siehe Kap. 4.4.1, Anm. 167. 529 Die Gesellen und die Handwerksmeister rechneten bei ihren Kalkulationen selbst mit Geselleneinlagen von 40 Groschen im Jahr. StadtAD, 11.2.54, Nr. 27, Bl. 5b, 12b. 530 Ebd., Bl. 8, 11, 17. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 4, Bl. 391b. 531 StadtAD, RA, C. XXIV. 120, Bl. 15–15b. Die Berechnungen wurden in der Annahme auf Vollbeschäftigung durchgeführt. Für Zeiten ohne Anstellung hatten die Gesellen auch keine Quartals- und Auflagegelder zu entrichten. Zahlungsprobleme konnten entstehen, wenn höhere Gebühren bei einer Erstmitgliedschaft (Eintrittsgelder) zu leisten waren oder weil Quartalsgelder auf einen Schlag fällig wurden und viele Gesellen es nicht vermochten, mit Blick auf den Quartalstag Ersparnisse anzulegen.

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Die Beitragsleistungen zur Finanzierung sozialer Ausgaben, worunter die Versorgung kranker Mitglieder wiederum nur einen Teil ausmachte, bewegten sich somit – gemessen am Jahreslohn – auf sehr niedrigem Niveau, weshalb die Kassen bei stärkerer Belastung schnell überfordert waren und die Leistungen senkten.532 Obwohl die eingebrachten Kassengelder für den einzelnen Gesellen auf das Gesamtjahr gesehen nur einen geringen Anteil ausmachten, konnten viele Beitragspflichtige ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen und blieben den Gesellenschaften die Beiträge schuldig. Gesellen jedoch, die mit mehreren Auflagen in Rückstand gerieten, mussten mit Strafgeldern oder Einbehalt des Lohnes rechnen oder um ihre Krankenunterstützung fürchten.533 Bei den Tuchknappen in Zwickau sollte das übermäßige Anschreiben sogar durch drohende Arbeitsverbote eingedämmt werden – meist aber ohne großen Erfolg. „Es soll ein ieder sein Aufleggeld nicht aufwachßen laßen, sondern deßelbige allezeit ablegen vnd keinem nicht mehr als Ein Eingang, Jedoch so er von Alt-Knechten verlaubnüß genommen hette, geborget werden. Do aber einer etwaß mehr aufwachßen laßen wolte, soll er von keinem Meister gefördert werden, biß es baar erleget vnd von iedem Eingang Einen g zur 534 straff den Alt-Knechten verfallen sein.“

Umgekehrt waren die korrekte Verwendung der mühsam eingebrachten Groschen und Pfennige stets ein wichtiges Thema auf den Handwerksversammlungen. Über die Verteilung der eingenommenen Mittel konnte es durchaus zu heftigen Auseinandersetzungen kommen. So schilderten im Jahre 1734 einige Tuch- und Raschmachermeister535 vor dem Chemnitzer Magistrat das aufgebrachte Verhalten vieler Mitglieder auf einer jüngst vergangenen Gesellenversammlung: „Beym letzten Auflegen derer Tuchknappen die Woche nach der Himmelfarth hätte der Altgeselle der Tuchknappen, Johann Christian Beil, weiln die Pursche Bier getrunken und das von ein und dem andern dazu bezahlte Geld nicht zugelangt, das ermangelnde an etl[ichen]

 532 Im Falle spätmittelalterlicher Gesellenschaften im Oberrheingebiet konnte Reininghaus auf einen überlieferten „Stufenbetragstarif“ zurückgreifen. Eine vergleichbare Lohnstaffelung war in den untersuchten obersächsischen Gesellenorganisationen übrigens nicht festzustellen. Der Anteil des Lohneinkommens, der für die Gesellenkasse gezahlt wurde, fiel den Berechnungen der Studie zufolge erheblich höher aus (etwa 10 Prozent) als bei den Beispielen aus Kursachsen. Reininghaus schloss daher auf eine exklusive Mitgliedschaft in den Gesellenschaften, mit der sich die Mitglieder von unzünftigen Personen abzugrenzen suchten. REININGHAUS (Entstehung der Gesellengilden) 1980, S. 335–338. Dagegen sehen andere Studien die Beitragsleistungen der Gesellen ebenfalls als sehr gering an. BRUNS (Arbeitsverhältnisse) 1938, S. 210–212. – SCHANZ (Gesellen-Verbände) 1877, S. 73f. – SCHULZ (Handwerksgesellen und Lohnarbeiter) 1985, S. 198. 533 StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 7, Bl. 3–3b. – StadtAL, II. Sektion S (F) 1860, Bl. 28b. – StadtAL, Inn Schneider B 1, Bl. 29, 30. – StadtAL, Inn Schneider C 2, Bl. 67b–71. 534 StadtAZ, X, 1, 14, Bl. 93b–94. 535 Als Rasch wurde ein locker gewebtes Wollzeug bezeichnet, das u. a. als Unterfutter für Teppiche und Borten diente. Raschmacher waren auch als Raschweber bekannt. GRIMM / GRIMM (Wörterbuch) 1893, Bd. 8, Stichwort: Rasch, Sp. 125; Stichwort: Raschmacher, Sp. 130.

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4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften Thalern aus der KranckenBüchße entlehnet, worüber aber etliche Tuchknappen gleichsam 536 eine Rebellion begonnen hätten.“

Beim Stadtrat hätten die Ankläger sicherlich auf unverhohlene Parteinahme für ihre Sache hoffen können, doch war der Zeitpunkt denkbar ungünstig. Der erst einige Jahre zurückliegende Aufstand der Augsburger Schuhknechte und die Diskussion um die Aufhebung der Handwerksmissbräuche hatten den Magistrat sensibilisiert. Jegliche widersetzliche Handlung der Gesellen, und sei es gegen ihre eigenen Altgesellen und Beisitzmeister, stieß folglich auf Ablehnung. Ein gesundes Misstrauen gegen die Verwaltung der Handwerks- und Gesellenkassen war vermutlich angebracht, da es immer wieder zu Unregelmäßigkeiten und Fehlbeträgen bei der Rechnungsführung kam.537 Daher wurden erhöhte Sicherheitsmaßstäbe an die Kassenführung und die Aufbewahrung der Gelder angelegt. Während die sozialen Leistungen der Innungen durch die Zunftältesten, gegebenenfalls beaufsichtigt durch gewählte Deputierte der gesamten Meisterschaft und berufene Vertreter des Magistrats, gewährt wurden, besaßen die Meister gegenüber den Gesellenorganisationen ein Aufsichtsrecht bzw. eine Aufsichtspflicht. Ein oder mehrere Beisitzmeister sollten stets bei den Gesellenversammlungen anwesend sein und insbesondere das Finanzgebaren der Gesellenschaft kontrollieren. Genügte das nicht, konnte ein Ratsdeputierter hinzutreten. Größere Transaktionen sollten nur mit dem Wissen und Willen der Handwerkszunft bzw. der Obermeister vorgenommen werden. Außer auf den Gesellentreffen hatte sich die Kasse in der Obhut eines rechtschaffenen Meisters oder des Herbergsvaters zu befinden. Aus Sicherheitsgründen war die Gesellenkasse mit mehreren Schlössern versehen, von denen mindestens ein dazu gehöriger Schlüssel ebenfalls im Besitz eines Meisters war. Somit war die autonome Verfügungsgewalt der Gesellen über ihre eigenen Kassengelder bereits seit Beginn der frühen Neuzeit eingeschränkt.538 Mindestens einmal im Jahr sollten die Altgesellen und Beisitzmeister der Gesellenschaft die Rechnungslegung präsentieren. Gleiches galt für die Obermeister bzw. Ältesten gegenüber der versammelten Meisterschaft. Besonders die Jahresrechnungen der Zünfte sollten ferner dem städtischen Rat zur Kontrolle und Ge 536 StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 23, Bl. 16. 537 Aus den zahlreichen Konflikten, in denen es um Veruntreuungsvorwürfe und Fehlbeträge in der Rechnungsführung ging eine Auswahl: StadtAC, Innungsarchiv Nr. 362, Bl. 71b. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 176–182b. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 402, Bl. 115. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 269, 379. – StadtAD, 11.2.54, Nr. 208, Vol. I. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 141, Bl. 133b–137. – StadtAD, RA, C. XXIV. 19. – StadtAZ, III x 64, RP 1534– 1536, 1534/35, Bl. 2b. Vgl. REININGHAUS (Gesellenvereinigungen) 1984, S. 236. 538 Besonders prägnante Regelungen finden sich z. B. in: StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 165. – StadtAC, RA, Kap. IX. Pb 7, Bl. 45b. – StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 7, Bl. 2–2b, 8b. – StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 11, Bl. 86. – StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 38a, [unpag.] (Schreiben vom 08.03.1811). – StadtAD, 11.2.66, Nr. 64, Bl. 3b. – StadtAD, RA, C. XXIV. 110. – StadtAL, II. Sektion (F) S 851, Bl. 60. – StadtAL, II. Sektion S (F) 1860, Bl. 27b. – StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 132b. – StadtAL, Inn Schneider C 1, Bl. 53b. – StadtAZ, III x 60a, RP 1519–1522, 1520/21, Bl. 12. – StadtAZ, X, 1, 15, Bl. 29b–30.

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nehmigung vorgelegt werden. Somit besaßen vor allem die Meister gegenüber den Gesellenorganisationen, aber auch die Ratsherren gegenüber den Innungen prinzipiell ein Mitspracherecht, wenn es um die Ausgabenpolitik ging, sodass davon auch die Krankenversorgung betroffen war. Bei finanziellen Engpässen halfen nicht selten die Meister den Gesellen und mitunter die Gesellen den Meistern aus. Die Zwickauer Schneidergesellen klagten, dass die Viermeister, welche die Lade verwahrten, Geld daraus entliehen hätten, aber „dorüber keine handschrifft zu finden“ sei.539 Nicht immer stießen die Aushilfszahlungen auf allumfassende Zustimmung. Die Chemnitzer Tuchmachermeister beschwerten sich 1811, dass sie 28 Taler für die Krankenversorgung zweier Gesellen „verlagsweise“ hergeben mussten. Sie hatten „zum Unterpfande“ die Insignien der Gesellenorganisation einbehalten und „zeithero schon“ die Gesellenlade zur Verwahrung in ihrem Besitz.540 Meister, Meisterwitwen oder Handwerksinnungen konnten sogar aus den Schulden der Gesellenschaften Gewinne schöpfen, wenn sie diesen ihr eigenes Kapital gegen Zinsen anboten.541 Hinterfragt wurde die prinzipielle Verantwortung für bedürftige, kranke Korporationsmitglieder nicht. Zwar konnte es vorkommen, dass aufgrund der dürftigen Kassenverhältnisse mal mehr, mal weniger, mal keine Unterstützung gegeben wurde, aber dass die Handwerksorganisationen eine gewohnheitsrechtliche, christliche Fürsorge- und Beistandspflicht für ihre Mitglieder trugen, darüber herrschte lange Zeit breiter Konsens. Meinungsverschiedenheiten traten allerdings auf, wenn es um die konkrete Abgrenzung des Empfängerkreises ging. Nicht allein die Diskussionen um die wahre Bedürftigkeit, nach denen auf der städtischen Ebene die Massen der Almosensuchenden in „starke“ Bettler und „schwache“ Bedürftige eingeteilt wurden, befruchteten die Meinungsbilder und Debatten in den Handwerken. Insbesondere wurden Leistungen in erheblichem Maße im Laufe der frühen Neuzeit nur noch an einheimische Personen bzw. Personen, die vor ihrer Krankheit in Arbeit gestanden hatten, vergeben.542 Schleichend war der Prozess, der mit der zunehmenden Finanzierung des öffentliches Armen- und Fürsorgewesens einherging. Bereits kurz nach der Einrichtung der Gemeinen oder Gotteskästen in den sächsischen Gemeinden wurden die Innungen aufgerufen, fleißig Spenden einzulegen.543 Nach vielen Handwerksstatuten kamen Abgaben bei der Aufdingung und Lossprechung von Gesellen als auch beim Meisterspruch dem kommunalen Armenwesen zu. Die Mindestsätze dieser  539 StadtAZ, III x 75, RP 1597–1599, 1597/98, Bl. 79b–80. Siehe auch: StadtAZ, III x 1, Nr. 16, Stadtbuch 1525–1527, Bl. 195. 540 StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 38a, [unpag.] (Schreiben vom 05.03.1811). 541 StadtAD, 11.2.56, Nr. 141, Bl. 5b. – StadtAL, Inn Schneider B 11, Bl. 97, 211, 224. – StadtAL, Inn Schneider B 12, Bl. 1. 542 Siehe Kap. 4.8. 543 StadtAZ, III x 62, RP 1525–1528, 1526/27, Bl. 38.

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Abgaben wurden 1772 einheitlich festgelegt.544 Seit Mitte des 18. Jahrhunderts und vor allem mit Bestehen der Generalinnungsartikel wurden jährliche Beiträge an die Armenhaushauptkasse in Dresden fällig.545 Zur direkten Finanzierung bestimmter Versorgungsanstalten wurden ebenfalls die Handwerke herangezogen. Beim Bau des Dresdner Lazaretts 1568 wurde beispielsweise jede Innung verpflichtet, zehn Gulden zum Bauprojekt beizutragen.546 Weitere finanzielle Beteiligungen wurden vor allem in Dresden diskutiert.547 Indem der einzelne Handwerker durch Steuern, Abgaben und mehr oder weniger „freiwillige“ Spenden, aber auch die Handwerksinnungen und die Gesellenschaften bzw. Gesellenverpflegungskassen durch Zahlungen an den Gemeinen Kasten, die Ratskämmerei, die Ortsarmenkasse oder die landesherrliche Armenhaushauptkasse zur Beteiligung an den Lasten der allgemeinen Fürsorge herangezogen wurden, sank die Motivation und Einsicht, für die bedürftigen Korporationsmitglieder zusätzlich nochmals in Eigeninitiative aufzukommen.548 Verengte sich noch der finanzielle Handlungsspielraum der Berufsorganisationen, waren diese nur zu gern gewillt, Notleidende an die öffentlichen, zumeist städtischen Kassen zu verweisen. Diese reagierten ablehnend bis kompromissbereit, bestan 544 Erneuertes und erläutertes Mandat wegen Versorgung der Armen, und Abstellung des Bettelwesens, vom 11. April 1772. In: FLECK, Ferdinand Gotthelf / KOHLSCHÜTTER, Karl Christian (Hrsg.): Zweyte Fortsetzung des Codicis Augustei oder anderweit vermehrtes Corpus Juris Saxonici [...] bis zum Jahre 1800 [...] Erste Abtheilung. Leipzig 1805, Sp. 642. Für die Zahlungen an die rats- und landesherrlichen Kassen wurden in den Handwerksorganisationen häufig gesonderte Rechnungs- und Quittungsbücher geführt, von denen viele in späterer Zeit kassiert wurden. Nur noch in den Findhilfsmitteln zu finden, sind beispielsweise: StadtAD, 11.2.46, Nr. 76c. – StadtAD, 11.2.46, Nr. 76d. – StadtAD, 11.2.61, Nr. 6b. Anscheinend ließen die Ablieferungen an die öffentlichen Armenkassen dennoch zu wünschen übrig. StadtAD, RA, B. XII. 83. – StadtAD, RA, B. XIII. 108d. 545 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 239, Bl. 185. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 240, Bl. 15b, 36b, 207b u. ö. – StadtAC, RA, Kap. IX. Fa 13, Bl. 72–72b, 74. – StadtAC, RA, Kap. IX. Se 8, Bl. 23, 40b. – StadtAD, 11.2.62, Nr. 20c, [unpag.] (Reskript vom 15.09.1780). – StadtAD, RA, B. XII. 83. – StadtAZ, X, 46, 17, Bl. 112. – StadtAZ, X, 46, 21, Vol. III, Rechnung 1774/75, [unpag.] (Schreiben vom 18.11.1774). – StadtAZ, X, 46, 26, Vol. I, [unpag.] (Schreiben vom 03.08.1761). – Rescripts-Extract die Beiträge der Innungen zu der Armenhaus-Hauptcasse und sonstige Einrichtung der Special-Innungs-Artikel betreffend, vom 5ten Mai 1802. In: FLECK, Ferdinand Gotthelf / KOHLSCHÜTTER, Karl Christian (Hrsg.): Dritte Fortsetzung des Codicis Augustei, worinnen die in dem Königreiche Sachsen ergangenen gesetzlichen Verordnungen vom Jahre 1801 bis zu der am 9ten März 1818 angefangenen Gesetzsammlung, enthalten sind. Erste Abtheilung. Dresden 1824, S. 395. 546 StadtAD, RA, F. XXI. 15d, Bl. 24, 70–73. 547 StadtAD, RA, B. XIII. 33a, Vol. I, Bl. 18, 21, 22b. – StadtAD, RA, B. XIII. 116v, Bl. 1–1b. In Chemnitz bezahlten die Strumpfwirker am 13. Juli 1773 acht Taler an die vom Rat zur Armenversorgung verordnete Deputation. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 239, Bl. 250. 548 Für ähnliche Verteilungskämpfe um die Krankenkosten und die Abschiebung an die öffentlichen Armenkassen in Braunweig siehe: ALBRECHT, Peter: Die Förderung des Landesausbaues im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel im Spiegel der Verwaltungsakten des 18. Jahrhunderts (1671–1806) (= Braunschweiger Werkstücke, Reihe A, Bd. 16). Braunschweig 1980, S. 282–286.

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den aber im Prinzip auf dem Grundsatz, dass die Handwerke ihre eigenen Armen zu versorgen hätten. Ein eindrucksvolles Beispiel liefert das Registrierbuch der Chemnitzer Weberinnung: „An Quartal Crucis 1787 traten zwey Meister vor: Johann Gottfried Mathes und Friedrich Salomon Schneider, welche ihr Elend vorstelleten wie kümmerlich um vielerley LeibesSchwacheiten [sic!] ihr Zustand wäre; so wurde von der ganzen Gesellschafft resolviret, es solte ein jeder 2 r erhalten mit dem Bedinge, sich künftig nicht wieder zu melden, weil das Handwerck von der Obrigkeit angehalten sey, künftig ein starck Contingent ins Allmosen zu 549 entrichten.“

So wies die Innungsrechnung der Weber noch 1786 wöchentliche Abgaben an das städtische Armeninstitut von einem Groschen aus. In der Folgezeit überwies die Innung dagegen vierteljährliche Beiträge über vier Reichstaler an das Stadtalmosen, zu dem noch die Abgaben aufgrund der Statuten kamen.550 Mit dem obrigkeitlichen Befehl, sich finanziell stärker an der städtischen Armenkasse zu beteiligen, verband die Innung die soziale Entpflichtung, für bedürftige Meister, zumindest wenn diese fremd waren, zu sorgen. Auch weiteren Meistern wurde deswegen und in Anwesenheit des Ratsdeputierten dieser Bescheid gegeben, „sich künftig solcher Ansprüche zu enthalten“.551 Da sich anscheinend ähnliche Abweisungen in letzter Zeit gehäuft hatten und die städtische Armenkasse überfordert war, drohte der Rat den Webern, diese mit ihren Armen, gleich ob fremd oder einheimisch, allein zu lassen, wenn sie sich nicht stärker öffentlich engagierten. Es „wurde uns von Einen Hoch-Edlen Rath Anlaß gegeben, weil das Armen-Institut mehr in Abnahme als Zunahme geriethe und wir gleichwohl sehr viele Arme hätten, aber von den Competenten unserer Seits wenig beygetragen würde, daß nicht mehr als 11 r und etliche Groschen in 14 Tagen von 369 Mann Contribuiret würden und gleichwohl alle 8 Tage an unsere Armen so viel verwendet würde, da solche über 200 wären! so solte doch das Handwerck einen freywilligen Beytrag thun, daß sie nicht genöthiget würden, uns solche zu überlaßen. Hierauf wurde von der sämmtlichen Gesellschafft der Schluß gemacht, sie wolten vor jetzo, weil das Handwerck in guten Flor wäre, alle 14 Tage 16 g geben, sich aber vorbehalten, wenn aber das Handwerck in Verfall geriethe und nicht mehr zu praestiren stünde, es zu gebe[n], solches wieder zu mindern; dieses wurde ihm von den Hoch-Edlen Herrn Raths Deputatus 552 zugestanden“.

Die regelmäßige, aber kalkulierbar-begrenzte Zahlung an das „Armen-Institut“ wurde von der Innung wohl wissend, dass die Eigenversorgung der Armen des Gewerbes erheblich umfangreicher war, präferiert.  549 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 377. 550 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 394, Bl. 11b, 14, 15. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 395, Bl. 9, 10, 12, 13, 14b u. ö. Vgl. StadtAC, RA, Kap. IX. Za 59a, [unpag.] (Schreiben vom 25.01.1803). 551 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 381. 552 Ebd., S. 381–381b.

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Neuerliche Diskussionen um die Zukunft der Krankenversorgung der Gesellen hoben vielerorts an, als die Zukunft der alten Gesellenladen nicht mehr gesichert war. Die in der Vergangenheit zahlreich erbrachten und kostenaufwendigen Leistungen waren für viele Handwerksinnungen ein überaus wichtiges Argument, vor einer vollständigen Aufhebung der alten Gesellenladen mit unwägbaren Folgen zurückzuschrecken, da die Meister fürchten mussten, die bisherigen sozialen Sicherungsleistungen selbst organisieren und finanzieren zu müssen. In Chemnitz äußerten die Leineweber erhebliche Bedenken gegen die Aufhebung der Gesellenlade, weil eine gesicherte Basiskrankenversorgung bei über eintausend Gesellen kaum anders vorstellbar sei als durch die bisherige Organisationsform der institutionalisierten Selbsthilfe. Auch die Schneider merkten an, dass eine Auflösung der bisherigen Gesellenorganisationen nur dann Erfolg zeitigen könne, „wenn es durchgängig bey den Handwerkern geschehen sollte“, da sonst massive Protestaktionen zu erwarten seien. Kleinere Handwerke, wie dasjenige der Tuchmacher, die kaum über Gesellen verfügten, argumentierten dagegen eher neutral, dass sie nichts gegen ein Ende der bisherigen Gesellenschaften einzuwenden hätten. Ihnen kam die Zerschlagung der letzten Reste früherer Gesellenautonomie sicherlich ganz gelegen.553 Ähnlich gespalten waren die Aussagen der Zunfthandwerke Dresdens. Unter den Textil- und Bekleidungsgewerben sprach sich jedoch kaum eines für eine Abschaffung der Gesellenladen aus. Neben den wenigen Tuchscherern verwiesen lediglich die Schneider auf konkrete Streitfälle und forderten eine Aufhebung der Gesellenlade. Die Schuhmacher betonten dagegen die Reinlichkeit der Krankenbetten, die anständigen Begräbnise und die vorhandenen Beweise der „OrdnungsLiebe und guten Haushaltung“ ihrer Gesellen.554 Sämtliche Zwickauer Handwerke, in denen eine Gesellenlade vorhanden war, wurden zu einer vergleichbaren Befragung auf die Ratsstube geladen. Sie alle waren einhellig der Meinung, dass die Gesellenorganisationen von großem Nutzen seien, so „daß solche beybehalten werden möchten“.555 Die landesherrliche Politik ging dennoch andere Wege. Mit der Etablierung der Gesellenverpflegungskassen am Anfang des 19. Jahrhunderts änderte sich an der generellen Zuständigkeit und Organisation wenig. Die Gesellen wurden wie in den alten Gesellenladen zwangsweise zur Mitgliedschaft und Beitragszahlung verpflichtet, wogegen die Meister, wenn nicht bereits geschehen, die direkte Kontrolle über die Gesellengelder übernahmen. Neben den Gesellen mussten nun auch die Lehrlinge aus den Aufding- und Lossprechgebühren Beiträge an die Verpflegungskassen zahlen.556 Das generelle Festhalten an den bisherigen Organisations 553 554 555 556

StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 9, bes. Bl. 5–14. StadtAD, RA, C. XXIV. 110, Bl. 126–134b, 167–173. StadtAZ, X, 1, 11, [unpag.] (Registratur vom 22.11.1803). StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 5, Bl. 120–120b, 141b. – StadtAL, Inn Schuhmacher C 4, Bl. 1. – StadtAL, Inn Schuhmacher D 1, S. 5, 7. – StadtAZ, X, 38, 55, [unpag.]. – StadtAZ, X, 49, 115, Bl. 17–17b. Vgl. REININGHAUS (Gesellenvereinigungen) 1984, S. 237f.

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strukturen des Kranken- und Unterstützungswesens beinhaltete ein „Eingeständnis der Leistungsfähigkeit“ der alten Gesellenkassen.557 Aus den Einnahmen der Verpflegungskassen wurde die Krankenversorgung als ein zentraler Aufgabenbereich finanziert, obwohl das Mandat vom 7. Dezember 1810, aufgrund dessen die Verpflegungskassen eingerichtet wurden, lediglich von der Krankenversorgung ganz allgemein und von einem Retentions- und Vorzugsrecht am Nachlass, jedoch nicht von genaueren Verbindlichkeiten für bedürftige Kranke sprach.558 Um die Krankenversorgung als zentrale Funktion der Gesellenverpflegungskassen empirisch nachzuweisen, soll das Rechnungswesen dieser Kassen exemplarisch analysiert werden. Leider sind kaum auswertbare Rechnungsbücher der untersuchten Verpflegungskassen aus dem frühen 19. Jahrhundert erhalten. Die meisten überlieferten Rechnungsbücher setzen erst im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts ein. Das „Rechnungsbuch“ der Zwickauer Strumpfwirkergesellen, welches direkt mit der Gründung der Verpflegungskasse 1810 angefangen wurde, besteht beispielsweise nur aus einer einzigen Seite. Die Auflagegelder der Gesellen wurden darin nur bis 1816 verzeichnet und stattdessen in den Rechnungen der Handwerksinnung aufgeführt, ohne dass es – weder im „Rechnungsbuch“ noch in den Innungsrechnungen – Aufzeichnungen zu Ausgaben für die Krankenversorgung gibt.559 Für die große Gesellenschaft der Chemnitzer Weber existiert ein „Gesellensteuer Manual“, welches allerdings lediglich die Beiträge der Gesellen zur Verpflegungskasse von Mai bis Dezember 1826 verzeichnet. An Ausgaben werden nur an einer Stelle Besoldungen für die Amtsträger der Verpflegungskasse und regelmäßige Krankengelder, die aber vermutlich den Hauptteil der Ausgaben bildeten, genannt.560 Eine noch vergleichsweise frühe und günstige Informationsbasis lieferten die Jahresrechnungen der Zwickauer Schneidergesellen-Verpflegungskasse, welche für den Zeitraum von 1825/26 bis 1834/35 ausgewertet wurden (Tabelle 11). Erkennbar heftig schwankte die Höhe der Gesamtausgaben, die mit Ausnahme der ersten Rechnung in den 1820er Jahren die Einnahmen zum Teil erheblich überstiegen. Ab 1829/30 überwogen die Einnahmen, sodass ein Kassenbestand als Notfallreserve gebildet werden konnte. Betrachtet man die Verwendungszwecke der Gesellengelder, dann machten die Aufwendungen zur sozialen Sicherung den mit Abstand größten Teil der Verpflegungskassenausgaben aus, während die  557 Ebd., S. 238. Vgl. FREVERT (Krankheit) 1984, S. 248. 558 Mandat, die Abstellung verschiedener Innungsgebrechen betreffend (Dresden, 07.12.1810), Kap. I § 4c; Kap. I § 4l. Abgedruckt ist das Mandat z. B. zu finden in: StadtAL, Inn Täschner und Tapezierer D 4. – FLECK, Ferdinand Gotthelf / KOHLSCHÜTTER, Karl Christian (Hrsg.): Dritte Fortsetzung des Codicis Augustei, worinnen die in dem Königreiche Sachsen ergangenen gesetzlichen Verordnungen vom Jahre 1801 bis zu der am 9ten März 1818 angefangenen Gesetzsammlung, enthalten sind. Erste Abtheilung. Dresden 1824, S. 478–494. – HEROLD, Georg Eduard: Die Rechte der Handwerker und ihrer Innungen. Leipzig ²1841, S. 111–121. 559 StadtAZ, X, 46, 21, Vol. V. – StadtAZ, X, 46, 34. 560 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 397, Bl. 17b.

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Verwaltungs- und sonstigen Aufwendungen auf vergleichsweise niedrigem und konstantem Niveau verharrten. Mit einer einzigen Ausnahme betrugen die Krankenleistungen zusammen mit den Ausgaben zum Zehrpfennig durchgängig über 70 Prozent, gemeinsam mit den Unkosten für die Herberge, die vorrangig ebenfalls der Unterkunft arbeitsunfähiger und beschäftigungsloser Gesellen diente, sogar deutlich über 80 Prozent. In einzelnen Rechnungsjahren wurden sogar fast 100 Prozent der Einnahmen zugunsten von Krankenunterstützung und Zehrpfennig ausgegeben, wenngleich Unvollständigkeiten innerhalb der Aufzeichnungen einkalkuliert werden müssen. Drastischer als bei allen anderen Rechnungsposten zeigte sich die enorme Schwankungsbreite der Krankenunterstützungen, die in einem Jahr beinahe gegen Null tendierten, wogegen sie in anderen Jahren zwei Drittel der Ausgaben oder sogar mehr ausmachten, wodurch die Planbarkeit der notwendigen Finanzmittel erheblich erschwert wurde. Die Kasseneinnahmen, allen voran die Beiträge der Verpflegungskassenmitglieder, dienten also tatsächlich größtenteils der sozialen Sicherung der Handwerksgesellen, insbesondere der Versorgung arbeitsunfähiger, kranker Personen.561 Die Abführung der Verpflegungskassenbeiträge erfolgte i. d. R. durch die Einbehaltung des entsprechenden Anteils vom Lohn durch den Arbeit gebenden Meister, der die Gelder in regelmäßigen Abständen an den Kassenverantwortlichen auszuhändigen hatte. Dennoch kam es sowohl bei den alten Gesellenladen als auch bei den Verpflegungskassen in gehäuftem Maße immer wieder zu Rückständen bei den Beitragsgeldern. Nahmen jedoch die ausstehenden Beiträge überhand, war die gesamte Krankenversorgung gefährdet. Im Fall der Verpflegungskassen drohte den zum Einhalt der Beitragsgelder verpflichteten Meistern, mit eigenen Mitteln für die Säumigen aufkommen zu müssen. Für die korrekte Abentrichtung der Beiträge war schlussendlich in letzter Instanz der einzelne Arbeitgeber verantwortlich, der bei Nachlässigkeit oder Saumseligkeit mit eigenem Vermögen haften sollte.562 Die Innungen wie die städtischen Obrigkeiten wollten oder konnten die eigentlichen Ursachen für die zahlreichen Zahlungsausfälle bzw. Aufschübe der Gesellenverpflegungsbeiträge nicht wahrnehmen. Die Aussage der mit Handwerksmeistern besetzten Verwaltung der Webergesellen-Verpflegungskasse in Chemnitz gab noch ein eher positiveres Beispiel ab: „Man gesteht zwar gerne ein, daß es in gegenwärtiger bedrängter Zeit manchem Gesellen schwer wird, die gesetzliche Auflage aufzubringen; dennoch kann die Behauptung aufgestellt 563 werden, daß Mangel an guten Willen die Hauptursache der vielen Rückstände ist.“

 561 StadtAZ, X, 38, 47. Weitere Recherchen zur genaueren Aufschlüsselung der frühen Gesellenverpflegungskassenrechnungen ergaben wenig Informationen, da vielfach nur Sammelposten aufgeführt wurden, während die Einzelbelege oft unvollständig oder nicht erhalten sind. 562 StadtAC, RA, Kap. IX. Se 26, Bl. 79b. – StadtAC, RA, Kap. IX. Za 45, Bl. 302–302b. – StadtAC, RA, Kap. IX. Za 93, Bl. 5b. – Mandat, die Abstellung verschiedener Innungsgebrechen betreffend (Dresden, 07.12.1810), Kap. I § 4f. 563 StadtAC, RA, Kap. IX. Za 93, Bl. 2b.

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Und an anderer Stelle wurde dem Beitragskassierer zu große Nachsicht gegenüber den Gesellen, „welche aus vorgeblicher Armuth, mehr aber noch, welche aus Mangel an guten Willen, ihre Auflagegelder vorenthalten“, unterstellt.564 Auch in der Öffentlichkeit wurden vergleichbare Meinungen vertreten. In einer Lokalzeitung wurde gefordert, dass „Kaufmannsdiener, Handwerksgesellen, im hohen Lohne stehendes Gesinde und unverheyrathete Arbeiter, welche den Druck der bisherigen schweren Zeiten wenig oder gar nicht gefühlt, ihren schönen Verdienst oft aufs liederlichste durchgebracht, alle Moden mitgemacht und sich keinen Nothpfennig erspart haben, ja jetzt im Lande als lästige Bettler herumstrei565 fen“,

nun zur Beteiligung an der Finanzierung der Armenkassen herangezogen werden müssten. Mit dem Bestehen der neuen Unterstützungskassen wurde die Pflicht zur Versorgung kranker Gesellen gesetzlich neu geregelt und auf die bislang eher gewohnheitsrechtlich verantwortlichen Gesellenorganisationen festgeschrieben.566

4.8 GRENZEN DER KRANKENUNTERSTÜTZUNG Die Unterstützung kranker Personen bestand als ein Aufgabenbereich der Handwerksorganisationen seit deren Gründung. Insbesondere die Gesellenschaften widmeten sich auf vielfältige Weise der finanziellen und pflegerischen Hilfe für ihre krankheits- oder unfallbedingt arbeitsunfähigen und bedürftigen Mitglieder. Unstimmigkeiten zwischen den obrigkeitlichen und der handwerksinternen Vorstellungen traten jedoch auf, wenn es darum ging, den empfangsberechtigten Personenkreis abzustecken. Potenziell gehörten diesem ohne Zweifel Handwerksgesellen (und bei einigen Unterstützungskassen auch weibliche Hilfskräfte) an, welche die regelmäßigen Korporationsbeiträge entrichteten, sodass sie im berechtigten Notfall und wenn es der Kassenbestand erlaubte, zumindest in begrenztem Maße sozial aufgefangen wurden. Diesen Personen wurde vor allem dann eine Unterstützung zuteil, wenn es sich um körperliche Leiden handelte, bei denen eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit in einem absehbaren zeitlichen Rahmen möglich war. Doch selbst bei diesen Kranken wurden stets aufs Neue Zweifel am berechtigten Leistungsempfang gehegt. Ein häufiger Vorwurf war die Vortäuschung schwerer Leiden unter missbräuchlichem Empfang kollektiver Unterstützungsleistungen bei zugleich heimlich ausgeübter Handwerksarbeit. Bei den Leipziger  564 StadtAC, RA, Kap. IX. Za 102, Bl. 3. 565 Chemnitzer Anzeiger 1817, Nr. 5 vom 05.02.1817, S. 58. Auch die Bedürftigkeit von Meistern oder Witwen wurde oft mit individuellem Fehlverhalten und nicht durch strukturelle Mängel erklärt. So sei für die Armut des braven, gottesfürchtigen Webermeisters Bastel Richter in Chemnitz allein seine Ehefrau verantwortlich, denn „ein loß weib macht einen loßen man“. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 89. 566 StadtAL, Inn Schuhmacher C 2, Bl. 1.

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Schneidergesellen waren die „Wäschen“ als Aufenthaltsorte in echten oder angeblichen Krankheitszeiten beliebt und wurden wohl auch für unzünftige Arbeiten auf eigene Rechnung genutzt.567 Unterstützungsleistungen wurden daher erst erbracht, wenn für die Kassenverantwortlichen feststand, dass der Geselle individuell bedürftig und tatsächlich arbeitsunfähig war. Ärztliche Untersuchungen und Kontrollbesuche sollten unrechtmäßigen Leistungsbezug einschränken. Besonders umfangreich waren bei den Dresdner Schuhknechten die Bestimmungen der Gesellenartikel von 1730, die zu einer Einbringung in das Gesellenkrankenhaus berechtigten: „Weiln über den Mißbrauch derer denen wahrhafftig Armen und Krancken nothleidenden Gesellen sonst zukommenden Beneficien auch Klage von der Brüderschafft bey uns geführet worden, wie nehmlich anhero unterschiedene, die eben nicht mit so schwerer Kranckheit beladen gewesen, vielmahls auch selbst die Kranckheit durch ein unordentliches, böse geführtes Leben sich zugezogen oder auch wohl nicht in Arbeit gehen wollen, sich alsobald ins Krancken Hauß bringen und daselbst auf der Brüderschaffts Unkosten accommodiren, pflegen und wartten laßen, wodurch der Brüderschafft viele Unkosten zugezogen worden, So wollen wir solches hinführo dahin vermitteln, daß ehe und bevor der angegebene Patiente ins Kranken Hauß zur Verpflegung gebracht und denen wahrhafften Armen Krancken destiniren und zu genüßen habenden Beneficien theilhafftig gemachet, er vorhero durch einen Beysizer und 2 Alt-Gesellen, nebst Zuziehung eines erfahrnen Medici oder Chirurgi, ob die Kranckheit gefährlich oder nicht, erst besichtiget und alsdenn, da es sich befindet, daß der Patiente in Ge568 fahr [sei], derselbe in das Krancken-Hauß zur gewöhnlichen Verpflegung gebracht werde.“

Ein anderes soziales Problem, welches sich im Laufe der frühen Neuzeit potenzieren sollte, wurde in der Regelung der Schuhmachergesellen nur angedeutet. Gravierende Hindernisse, eine kollektiv organisierte Krankenversorgung zu empfangen, ergaben sich für Personen des Handwerksmilieus, die zum Zeitpunkt einer Erkrankung weder in einer Gesellenschaft noch in einer Innung Mitglied waren. Dies traf auf Handwerker zu, die sich auf der Wanderschaft befanden oder nicht bzw. nicht mehr dem zünftigen Handwerk angehörten. Für beide Personengruppen mussten spezifische Lösungen für das soziale Sicherungsproblem gefunden werden. Anders als oftmals vermutet, wurden bestimmte Unterstützungsleistungen bereits in vorreformatorischer Zeit und damit im Prinzip seit Beginn der entsprechenden Überlieferungen denjenigen Handwerkern versagt, die vor ihrer Erkrankung kein zahlendes Mitglied der örtlichen Handwerksorganisation gewesen waren. Die Schneidergesellen zu Leipzig hatten seit dem Jahr 1512 mit dem Hospital St. Johannis eine vertragliche Vereinbarung über die Überlassung einer Krankenstube getroffen. Sie schlossen aber nach einer Anpassung des Vertragswerkes 15  567 StadtAL, II. Sektion S (F) 851, Bl. 1b, 14b. – StadtAL, II. Sektion S (F) 1819, Bl. 64–67. – StadtAL, II. Sektion Z (F) 255, Bl. 7. – StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 30b. – StadtAL, Inn Schneider B 11, Bl. 119b. Siehe auch Kap. 4.5.2. 568 StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 4, Bl. 25b–26. Vgl. StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 1, Nr. 24. Die Definition des Krankseins durch die betroffene soziale Gruppe von Nichtlaien dagegen bei: JÜTTE (Ärzte) 1991, S. 187f.

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Jahre später jeden „fremdenn gesellenn“ aus, „es sey dann, das er die kranckheit alhir erkrieget ader vberkomenn habe“.569 Ob diese Vertragsmodifikation auf Initiative des Hospitals oder der Gesellenschaft erfolgte, ist nicht überliefert. In Arbeit befindliche Gesellen wurden von den Mitgesellen gepflegt bzw. erhielten, wenn sie erkrankten, für gewöhnlich Darlehen vorgestreckt. Sie konnten, insbesondere wenn die Krankheit nicht lange anhielt, mit der Rückkehr in ein Arbeitsverhältnis vor Ort rechnen, um die Schulden abzuarbeiten bzw. zurückzuzahlen. Die Zwickauer Schuhmachergesellen hatten bereits im 16. Jahrhundert bestimmt, „Ob es sich begebe, das ein schuknecht kranck wurde, der eine Zeitlangk alhier gearbeit hett, desselben sollen die schueknecht pflegen, bis i[h]m unßer herrg[o]tt wiederauffhielfft, auch 570 da ers Bedurffen wurde, eine Zerung aus der Laden darleihen.“

Neben einem Darlehen wurde im Umkehrschluss die kollegiale Krankenpflege versagt, wenn der Geselle nicht „alhier“ gearbeitet hatte. Außerdem stellten die häufigen Voraussetzungen für ein Darlehen in Form von Pfandleistungen oder Bürgen für fremde, krank Zugewanderte für gewöhnlich eine Unmöglichkeit dar. Einige Handwerksorganisationen bestimmten direkt, dass Darlehen nur an einheimische Mitglieder zu vergeben seien.571 Dagegen wurden von den Zünften und Gesellenschaften bereits im 16. und 17. Jahrhundert dürftige Reiseunterstützungen für kranke, fremde Handwerker gegeben, um entweder in die Heimat zurückzureisen oder um zur Kur „ins Bad“ zu gelangen. Ob die fremden Kranken und insbesondere die krank einwandernden Personen auf diese Weise willentlich abgeschoben wurden, um nicht dauerhaft den jeweiligen Unterstützungskassen zur Last zu fallen oder um ihnen zumindest teilweise auf eigenen Wunsch in der Heimat eine angemessenere Hilfeleistung im Kreis der Familie zu ermöglichen, kann aufgrund fehlender Detailinformationen nicht entschieden werden.572 Der Zwickauer Magistrat schritt jedenfalls bereits 1555 gegen das mutwillige Verstoßen kranken Gesindes ein – ein Hinweis auf früh praktizierte unsoziale Auswüchse.573 Spätestens zu Beginn des 18. Jahrhunderts fand eine qualitative Veränderung im Umgang mit fremden Bedürftigen statt, deren Zahl zudem spürbar stieg. Dieser Prozess hatte seine Ursachen in der erneut einsetzenden Zuspitzung der strukturellen Probleme von Teilen der sächsischen Ökonomie und im Besonderen des  569 StadtAL, Inn Schneider A 1. 570 StadtAZ, X, 41, 26, Bl. 1. 571 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 305, S. 49. – StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 162. – StadtAL, Inn Schneider A 4, Bl. 16b. – StadtAL, Inn Schneider C 1, Bl. 8. – StadtAZ, X, 1, 14, Bl. 96. – StadtAZ, X, 1, 15, Bl. 32b. 572 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 407, Bl. 5, 8b, 93b. 573 StadtAZ, III x 66, RP 1546–1553, Bl. 122.

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Zunfthandwerks nach dem Dreißigjährigen Krieg. Folglich erhöhte sich die Relevanz sozialer Sicherung nicht nur auf dem Gebiet der Krankenversorgung.574 Seit Mitte des 17. Jahrhunderts setzte ein lang anhaltendes Bevölkerungswachstum ein, womit die Nachfrage nach agrarischen Gütern der Angebotssteigerung tendenziell davonlief. Steigende Nahrungsmittelpreise bewirkten, dass ein größer werdender Anteil am Haushaltsbudget für Lebensmittel ausgegeben werden musste, weshalb die Nachfrage nach gewerblichen Produkten sank. Gleichzeitig suchten die vielfach vorhandenen Arbeitskräfte ihr Auskommen in den Handwerken, die jedoch mit einer verstärkten Abschließung reagierten. War eine Lehre im Zunfthandwerk oft noch möglich, wurden zahlreiche Gesellen jedoch durch die erhöhten Bedingungen für das Meisterrecht, die quantitative Festschreibung der Meisterstellen bzw. der jährlich neu anzunehmenden Meister und die Bevorzugung von Meistersöhnen und Einheiratenden am Aufbau einer selbstständigen Existenz als Handwerksmeister gehindert. Und selbst ein zünftiger Meisterspruch bot, wenn man die ökonomischen Verhältnisse der meisten Handwerksbetriebe im 18. Jahrhundert betrachtet, in vielen Textil- und Bekleidungshandwerken nur noch eine kümmerliche Einkommensperspektive. Die beschränkten Verdienstmöglichkeiten führten dazu, dass eine wachsende Zahl zünftiger und unzünftiger Handwerksgesellen (und Lehrlinge) ohne Beschäftigung blieb. Sie wurden von den Handwerksorganisationen und den Armenkassen mit kümmerlichen Almosen und Zehrpfennigen aus der Stadt gewiesen. Auch wenn sich eine Beschäftigung bei einem Zunftmeister fand, hatten die Gesellen dennoch oft Mühe, die ohnehin geringen Beitragsgelder für die Handwerks- bzw. Gesellenkassen aufzubringen. Blieb eine Meisterschaft längerfristig aussichtslos, gründeten viele Gesellen eine eigene Familie, was ihre sozioökonomische Situation in vielen Fällen jedoch verschlechterte. Ihre dürftigen, durch häufig wechselnde Beschäftigungsverhältnisse unregelmäßigen Einkommen genügten nicht, eine mehrköpfige Familie zu ernähren. Bei einem länger anhaltenden Lohnausfall durch Krankheit, Unfall oder Tod verschärfte sich die soziale Situation der „labouring poor“575 somit für mehrere Personen, darunter viele Kinder.  574 Die strukturellen Bedingungen sollen nur hier überblicksartig beschrieben werden, da ansonsten auf die umfangreich vorhandenen Vorarbeiten verwiesen sei. Siehe die Ausführungen und Literaturhinweise zur allgemeinen Entwicklung des Handwerks in Sachsen in Kap. 2.3 und Kap. 3.2.3. 575 HUNECKE, Volker: Überlegungen zur Geschichte der Armut im vorindustriellen Europa. In: Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft 9/1983, S. 483f., 509. – LABISCH, Alfons / SPREE, Reinhard: Krankenhausträger, Krankenhausfinanzierung, Krankenhauspatienten: Zur Einführung in den „Krankenhaus-Report 19. Jahrhundert“. In: LABISCH, Alfons / SPREE, Reinhard (Hrsg.): Krankenhaus-Report 19. Jahrhundert. Krankenhausträger, Krankenhausfinanzierung, Krankenhauspatienten. Frankfurt am Main 2001, S. 26, 28. – Ders. (Finanzierung von Krankenhäusern) 1997, S. 440. – Ders. (Kommunale Krankenhäuser) 2000, S. 273. Mittlerweile wird für Bevölkerungsschichten, die ihr Subsistenzminimum nicht allein durch Erwerbsarbeit decken können, der Begriff „working poor“ favorisiert, weil er auf eine eventuell unterschwellig-emotionale Bewertung verzichtet.

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Im Schneiderhandwerk wurden beweibte Gesellen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wie in Leipzig nicht geduldet. Ihnen wurde jegliche soziale Sicherung der Gesellenschaft verweigert.576 In den Augen der Chemnitzer Webermeister wurden als Hauptgrund für die überschuldete Gesellenlade vor allem verheiratete Gesellen ausgemacht, die bei einer Erkrankung nicht aus der Stadt gewiesen werden konnten.577 Die Dresdner Strumpfwirkergesellen bezogen zwar auch verheiratete Personen in den Bezug der Krankengelder ein, doch fand bezüglich der Leistungshöhe keine Berücksichtigung der familiären Situation statt. Der Krankengeldsatz war für alle Empfänger einheitlich gestaltet, sodass die Gesellenfamilien nicht ausreichend entlastet wurden.578 Die bestehenden Versorgungssysteme waren einerseits aufgrund der Zahl der unterbeschäftigten oder arbeitsunfähigen Unterstützungssuchenden, andererseits wegen der Einnahmeschwäche zunehmend mit den Anforderungen der traditionellen sozialen Sicherung überfordert. Hinzu kamen durch zahlreiche Kriege und Seuchen zerstörte, entwurzelte und beschädigte Existenzen, die das Heer der arbeitsuchenden und notleidenden Migranten vergrößerten. Selbst wenn noch Handlungsspielräume bestanden, schreckten die Handwerksorganisationen vor dem Ausbau der Unterstützungsleistungen zurück, da sie einen Zuzug Bedürftiger aus den benachbarten Ortschaften fürchteten. Besonders dramatisch gestalteten sich die Bedingungen für Gesellen, die entweder auf ihrer Wanderschaft erkrankten oder aufgrund einer erst kürzlich aufgenommenen Beschäftigung ihren Arbeitsplatz verloren und keinerlei sozialen Rückhalt besaßen. Mit Berufung auf das Heimatprinzip, wonach eine jede Gemeinde ihre eigenen Armen zu versorgen hätte,579 verweigerten immer mehr Handwerksorganisationen krank einwandernden Gesellen eine adäquate Krankenunterstützung. Diese Gesellen wurden mit einem geringen Almosen oder Reisegeld abgespeist und in ihre (vermeintliche) Heimat weitergeschickt, obwohl ihr gesundheitlicher Zustand dies oftmals verbot. Mit dieser Vorgehensweise orientierten sich die Handwerke im Prinzip an den Fürsorgeleistungen der städtischen Einrichtungen, die bereits seit dem Ende des 15. Jahrhunderts und besonders mit Beginn der frühen Neuzeit vorrangig sächsische Landeskinder unterstützten.580 Mitte Dezember des Jahres 1708 erreichte ein Brief aus dem sächsischen Freiberg das Ratskollegium in Chemnitz. Die Freiberger Ratsherren klagten, es sei „bey uns etliche mahl Beschwerung eingelauffen, daß die unter ihnen wohnenden Zeug- und Leinweber ihre Gesellen, wenn sie etwa kranck werden, recta auff alhiesige Stadt zu führen und bringen laßen, damit das alhiesige Zeug- und Leinweber Handwerg solche krancke Gesellen entweder selber auffnehmen und pflegen oder aber weiterschaffen sollen. Nachdem

 576 StadtAL, Tit. VIII (F) 334, 1763, Bd. 2, Teil 4, Bl. 580–580b. 577 StadtAC, RA, Kap. III. Sect. VIIb, Nr. 93, RP 1793, Stück 11, [unpag.] (Schreiben vom 02.05.1793). 578 StadtAD, 11.2.62, Nr. 3, [unpag.] (Schreiben vom 26.10.1779). Vgl. FREVERT (Krankheit) 1984, S. 254. 579 Siehe Kap. 3.3.2. 580 STANISLAW-KEMENAH (Spitäler) 2008, S. 307.

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4. Krankenunterstützung in den Handwerkszünften und Gesellenschaften aber solches der Policey-Ordnung ganz zuwieder und ein iedweder Ort, auch ein iedweder Haußwirth, schuldig und verbunden, die seinigen, sowohl in guten und gesunden als auch in krancken tagen zu verpflegen und zu versorgen, auch bey fortschaffung solcher krancker Personen gar leichte große Verwahrlosung vorgehen kan, der Gefahr, sozumahl bey Contagions581 Zeiten, daraus entstehen kan, vorietzo zu geschweigen.“

Deshalb solle der Chemnitzer Rat „dergleichen unnachbarliches und unchristliches Unternehmen nachdrücklich“ den Webermeistern verweisen und verbieten.582 Das Argument einer möglichen Verbreitung gefährlicher Krankheiten durch das Herumschicken kranker Gesellen und Bettler hatte bereits um 1600 die Obrigkeiten beschäftigt und zu Verboten der Aufnahme fremder Gesellen bei Seuchengefahr geführt.583 In dem Streitfall zwischen Chemnitz und Freiberg lag der Kern des Konflikts aber in der unterschiedlichen Auslegung der Zuständigkeiten für die Krankenversorgung begründet, da die landesherrliche Gesetzgebung das Heimatprinzip nicht näher spezifiziert hatte. Während die Chemnitzer Weber kranke Gesellen in ihre Heimatgemeinden zurücksendeten, forderten die Freiberger die Unterstützung durch die ehemaligen Dienstherren bzw. deren Handwerksorganisation. Außerdem nutzten viele Heimatgemeinden die eingeräumte Möglichkeit allzu gerne aus, bei besonders großer „Bettelbedrängnis“ sogenannte Kundschaften auszustellen, mit denen die Bedürftigen an andere Gemeinden gewiesen werden durften.584 Die Schneidermeister in der Landeshauptstadt hatten sich nach Aussage des Obermeisters im Jahr 1720 anscheinend auf eine restriktive Unterstützungspolitik geeinigt. „Es soll auch ins Künfftige der H[err] Ober Äl[te]ste nicht befugt sein, etwan Armen oder Abgebranten, so ausser unsern Landen ist, einen 1 g zu geben, Es sey den, daß zu weillen ein Sonderlicher Armer oder Exulante, der es sehr nöthig hatt und mit guten Atestat versehen ist, mit einen Almosen kan abgefertiget werden, die Andern können zum Almosen Herrn gewie585 sen werden und sollen nur die bekommen, welche aus unsern Sächsischen Kräntzen sind.“

Gleichfalls in Dresden wurde ein Altgeselle der Schuhknechte mit dem Wegschaffen der sogenannten „Steuer-Purschen“ betraut. Ihm wurden für seine Mühen täg 581 582 583 584

StadtAC, RA, Kap. IX. Za 22, Bl. 76–76b. Ebd. StadtAL, Tit. LX B (F) 7, Bl. 166. Die Policeyordnung von 1661 hatte fatalerweise neben dem generellen Heimatprinzip festgelegt, wenn „eine Stadt oder Ambt mit so viel Armen beladen, daß sie derer Orte nicht möchten ernähret werden, auf den Fall ist einer Stadt, dieselben Armen mit einem schrifftlichen Schein oder Kundschafft (derer doch keine über ein Jahr währen soll) in eine andere Stadt zu befördern, unbenommen.“ Von dieser Möglichkeit, mit obrigkeitlich ausgestellten Kundschaften bedürftige Arme fortzuweisen, wurde ausgiebig Gebrauch gemacht. Faktisch handelte es sich dabei um Bettelbriefe für andere Orte. Policey- Hochzeit- Kleider- Gesinde- Tagelöhner- und Handwercks-Ordnung Churfürst Joh. Georgens des II. zu Sachsen, den 22. Junii, Anno 1661. In: LÜNIG, Johann Christian (Hrsg.): Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici […] [Bd. I]. Leipzig 1724, Sp. 1573. 585 StadtAD, RA, C. XXIV. 20, [unpag.] (Rechnungsaufstellung von 1720/21).

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lich zehn bis zwölf Groschen Lohn in Aussicht gestellt.586 Als Steuerburschen wurden diejenigen beschäftigungslosen, kranken, invaliden und sonstig bedürftigen Gesellen bezeichnet, die von anderen Orten in die Stadt gelangten und um Unterstützung baten, ohne Aussicht auf Anstellung in einer Meisterwerkstatt. Zog sich eine Krankheit zu sehr in die Länge oder bestand keinerlei Aussicht auf ein Ende der Unterstützung, dann versuchten manche Korporationen, andere Auswege aus ihrem finanziellen Dilemma zu finden und Bedürftige abzuweisen oder an andere Korporationen bzw. die öffentliche Armenkasse abzuschieben.587 Diese Auswüchse, zu denen es nicht erst im 18. Jahrhundert kam, hinzunehmen, dazu waren sowohl die städtischen wie die landesherrlichen Obrigkeiten nicht bereit. Neben den Gemeindevorstehern und Magistraten, die einige inhumane Auswüchse zwar einzudämmen suchten, ansonsten aber paradoxerweise selbst mit Wegweisung der Bettelnden und Bedürftigen reagierten, hatte sich bereits im 17. Jahrhundert die kursächsische Landesregierung dem Problem des „Herumführens“ kranker Personen zugewandt. Das „Mandat, wegen Zu- Hin- und Herführung des krancken Bettel-Volcks“ vom 20. Juni 1681 berichtete über „die Zuführung des krancken Bettel-Volcks von frembden und benachbarten in Unsre Lande, als auch in denenselben von einem Ort zu dem andern hin und wieder dergestalt überhand nähme, daß dergleichen Leute fast täglich auf Schiebeböcken herzu geschleppt, vor die Dörffer, Schencken und derer Richter Häuser hingelegt, mit grossen Unstatten weiter geschafft und öffters von andern Orten, da sie nicht angenommen werden wolten, wieder zurück 588 ins nechste Dorff, von dar sie kommen, geschickt würden“,

weshalb diese Praxis untersagt sein sollte. Da sich der gewünschte Erfolg nicht einstellte,589 reagierte man mit Wiederholungen, Verbotspräzisierungen und Strafverschärfungen,590 ohne weder den betroffenen Armen noch den überforderten Gemeinden eine praktikable Lösung bieten zu können. Nach dem Mandat vom 7. Dezember 1715 sollte zumindest „gegen diejenigen, welche augenscheinlich

 586 StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 4, Bl. 25b. 587 Dem Strumpfwirkermeister Borck, der „an einem unheilbaren Krebsschaden im Gesichte“ litt und bereits 24 Wochen Krankengeld bezog, wurde eine hohe Einmalzahlung versprochen, wenn er einen „beigebrachten Revers“ unterzeichne, dass er „Verzicht auf alle sonstigen Leistungen“ leiste. StadtAL, Tit. LXIV (K) 385, Bl. 20–20b. Siehe auch Kap. 4.4.1, Anm. 121 und Kap. 4.7. 588 Mandat, wegen Zu- Hin- und Herführung des krancken Bettel-Volcks, den 20. Jun. Anno 1681. In: LÜNIG, Johann Christian (Hrsg.): Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici […] [Bd. I]. Leipzig 1724, Sp. 1667f. 589 Beispiele dieser Krüppelschübe bzw. Krankenfuhren in: StadtAC, RA, Kap. III. Sect. VIIb, Nr. 65A, RP 1762, Stück 17, [unpag.]. – StadtAC, RA, Kap. III. Sect. VIIb, Nr. 92B, RP 1789, Stück 4, [unpag.]. 590 Anderweites Mandat, die Land-Bettler, Ziegeuner, Vaganten, Handwercks-Pursche, MühlKnappen und dergleichen betreffend, den 10. Augusti, Anno 1684. In: LÜNIG, Johann Christian (Hrsg.): Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici […] [Bd. I]. Leipzig 1724, Sp. 1673.

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kranck und unvermögend oder bey welchen sonst besondere Umstände sich ereignen, mit Gelindigkeit verfahren“ werden.591 Doch neben der grundsätzlich problematischen Armenpolitik, die weiterhin auf der Kombination von Bettelverbot (bzw. befristeter Bettelerlaubnis), Heimatprinzip und der Wegschaffung fremder Bedürftiger basierte,592 wuchs sich die Not kranker Personen, die keine längerfristige Beschäftigung hatten, seit der Mitte des 18. Jahrhunderts und insbesondere seit dem Siebenjährigen Krieg und der Hungerkatastrophe von 1770–1773 immer stärker aus. Die mit eigenen Krankenhäusern ausgestatteten Schneider- und Schuhmachergesellen in Dresden knüpften nach dem Siebenjährigen Krieg die Aufnahme in die handwerkseigenen Krankenanstalten an eine wesentliche Bedingung: ein Beschäftigungsverhältnis vor Ort bei Ausbruch der Krankheit. Bei letzterer Gesellenschaft sollten die wöchentlichen Krankengelder einem Schuhknecht „ohne Unterschied, ob er ein Alt-Geselle oder sonst ein hier in Arbeit stehender kranck gewordener Geselle sey“, zustehen. Ausgegrenzt wurden dagegen fremde Gesellen, die ohne Kundschaft und Arbeitsbescheinigung der letzten vier Wochen einwanderten. „Wenn krancke Gesellen anhero kommen, so ist zuförderst nach dererselben Kundschafft zu fragen und zu untersuchen, ob sie der Arbeit wegen auf der Wanderschafft begrieffen gewesen oder auch in eines Meisters Werckstatt kranck geworden sind, oder ob sie als Bettler und Landstreicher lediglich der Verpflegung wegen von einem Orte zum andern herumschweifen. Zu dem Ende soll keinem kranck anhero kommenden Gesellen, weder auf der Herberge noch im Krancken-Hauße, einiger Aufenthalt gestattet werden, der nicht durch eine richtige Kundschafft darthut, daß er in denen nächst verstrichenen Vier Wochen bey einem Meister in Arbeit gestanden habe und daselbst kranck worden sey und welcher nicht zugleich auch auf der ordinairen Straße von dem Ort, wo er kranck worden, nach seiner Heimath durch diese Stadt begrieffen ist. Wer nun dergleichen Kundschafft nicht mitbringet oder den Weg über Dreßden nach seiner Heimath zu nehmen nicht genöthiget gewesen ist, der soll nur 6 Groschen aus der Büchße zu seinen Fortkommen erhalten, er aber sogleich bey dem AllmosenAmte angezeiget, durch einen Armen-Voigt über das Weichbild gebracht und als ein Landstreicher, daß er bey Vermeidung Zucht-Hauß-Straffe sich nicht wieder allhier betreten laßen solle, bedeutet werden. Würden die Alt-Gesellen sich unterstehen, dergleichen Herumstrei-

 591 Erneuert und geschärfftes Mandat, wider die Bettler, Landstreicher und ander böses Gesindel, den 7. Decembr. Anno 1715. In: Ders. (Hrsg.): Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici […] [Bd. I]. Leipzig 1724, Sp. 1845. 592 Generale, Was massen, nach heurig erlangter reichen Erndte, mit denen Bettlern zu verfahren, den 29. Nov. Anno 1720. In: Ders. (Hrsg.): Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici […] [Bd. I]. Leipzig 1724, Sp. 1931–1934. – Mandat Herrn Friderici Augusti, Königs in Pohlen [etc.] und Chur-Fürstens zu Sachsen [etc.] wider das Bettel-Wesen [etc.] und wegen Errichtung einer allgemeinen Brand-Casse; d. d. 5. April 1729. In: BENNIGSEN, Rudolph Christian von (Hrsg.): Fortgesetzter Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici [...] bis zum Jahre 1772 [...] Erste Abtheilung. Leipzig 1772, Sp. 537–556. – Mandat Herrn Friderici Augusti, Königs in Pohlen [etc.] und Chur-Fürstens zu Sachsen [etc.] Wegen Versorgung derer Einheimischen Armen [etc.] ingl. wegen des Brandwesens, und der allgemeinen Brand-Casse; d. d. 28. Dec. 1733. In: Ders. (Hrsg.): Fortgesetzter Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici [...] bis zum Jahre 1772 [...] Erste Abtheilung. Leipzig 1772, Sp. 605–614.

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cher vor wahre Steuer-Brüder auszugeben, in das Krancken-Hauß zu bringen oder zu ihren Fortkommen ein mehrers als die oberwähnte 6 Groschen in Ausgabe zu verschreiben, so sollen sie zum doppelten Ersaz derer zur Ungebühr aufgewendeten und verschriebenen Kosten 593 angehalten werden.“

Die Anfang des Jahres 1756 gebildete „Krancken-Societaet“ der Leipziger Strumpfwirkergesellen nahm den Ausschluss von Gesellen für den Fall, dass diese „kranck anhero“ kämen, in ihren Statutenentwurf mit auf. Der Stadtrat hatte jedoch gegen den Protest der in Arbeit stehenden Gesellen eine Modifikation dieser Bestimmung durchgesetzt. Eine Krankengeldzuweisung wurde nun auch den fremden Gesellen zuerkannt, wenn diese „Kranckheits halber nicht weiter fortkommen“ können. Erst als die Kasse einzugehen drohte, da viele Strumpfwirkergesellen boykottierend ihre Beiträge zurückhielten, weil sie nicht für fremde Personen die Krankenkosten zahlen wollten, lenkte der Magistrat ein und kehrte zur alten Regelung zurück. Krankengelder wurden fortan nur den vor ihrer Erkrankung in Arbeit gestandenen Gesellen gewährt.594 Die Dresdner Posamentierergesellen legten ihre drei wöchentlichen Pfennige, die neben verschiedenen anderen Aufwendungen der Versorgung der eigenen, in Arbeit stehenden Gesellen dienten, gesondert in die „kleine Lade“. Die Gesellenbeiträge auf den Meisterquartalen wurden indessen zur Unterstützung fremder Bedürftiger inklusive armer, kranker Fremder mittels dürftiger Almosen angewandt.595 Die unsäglichen Zustände brachten eine neue landesherrliche Regelung hervor. In dem knapp gefassten „Generale, die Fortschaffung der Bettler und anderer mit Krankheiten befallener Fremden“ betreffend, wurde nach dem Willen der Landesregierung die Wegschaffungspraxis grundsätzlich bestätigt. Da aber die inhumane, teilweise tödlich endende Wegweisung und das hohe Verbreitungsrisiko gefährlicher Krankheiten eine Reaktion erforderten, „erachten Wir“, wie die Landesregierung schrieb, „der Nothdurft, die Transportirung solcher Personen, welche an ein oder dem andern Orte in der Maaße, daß sie allein weiter zu gehen nicht vermögend sind, erkranken, weiter nicht zu gestatten, vielmehr, daß selbige daselbst so lange, bis sie sich wenigstens am Stabe wieder fortzuhelfen im Stande sind, behalten und versorgt, so viel hingegen ausländischen dergleichen Personen, worunter auch die fremden Handwerkspursche zu rechnen, anlangt, solche, wann sie auf Wagen oder Schubkarren aus benachbarten Landen an hiesige Gränzorte bereits krank gebracht worden, nicht angenommen, sondern sogleich zurückgewiesen werden sollen, 596 hiermit anzuordnen.“

 593 StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 2, Nr. 19. Vgl. StadtAD, RA, C. XXIV. 215o, [unpag.] (Registratur vom 28.11.1771). Einige Beispiele für die Fortschaffungspraxis kranker Gesellen: StadtAL, Tit. VIII (F) 334, 1744, Teil 3, [unpag.] (Eintrag vom 12.09.1744). – StadtAZ, X, 49, 124, Bl. 64–64b. – StadtAZ, X, 49, 127, Rechnung 1744/45, Bl. 23. 594 StadtAL, II. Sektion S (F) 1860, Bl. 7b, 17, 25b, 32–33, 40b. 595 StadtAD, RA, C. XXIV. 110, Bl. 148–148b. 596 Generale, die Fortschaffung der Bettler und anderer mit Krankheiten befallener Fremden betr. vom 7. April, 1772. In: FLECK, Ferdinand Gotthelf / KOHLSCHÜTTER, Karl Christian (Hrsg.): 

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Das Generale hatte das Problem der Herumschickens kranker Bedürftiger lösen sollen. Stattdessen potenzierte es die Anzahl der seit dem Ende des 18. Jahrhunderts gerichtskundig werdenden Streitfälle, die um die Verschickung und Zurücksendung kranker Personen sowie um die Übernahme der aufgelaufenen Behandlungs-, Kur-, Transport- und Verwaltungskosten entstanden, da es erstmals gemeinsam mit dem „Mandat wegen Versorgung der Armen, und Abstellung des Bettelwesens“597 eine rechtliche Grundlage für Finanzierungs- und Restitutionsansprüche für diesen Fall lieferte. Die Einrichtung der Gesellenverpflegungskassen änderte an diesem Zustand nichts.598 Exemplarisch soll die dramatische Versorgungssituation der Betroffenen verdeutlicht werden. Im Februar 1804 reiste der an einer schweren Augenkrankheit leidende Schneidergeselle Büttner nach Dresden ein. Er stammte gebürtig aus Erlangen und hatte mehr als ein halbes Jahr krank im Leipziger Jakobshospital gelegen. Von der dortigen Gesellenschaft sei er auch versorgt worden. „Durch gute Freunde“ habe Büttner von geschickten Augenärzten in Dresden erfahren, worauf er von den Leipziger Schneidergesellen mit einem Zehrgeld und einem ärztlichen Attest versehen in die Elbstadt geschickt wurde. Der ihn in Dresden untersuchende Arzt Pönig stelle „eine starcke Nerven Schwäche“ fest, die vermutlich nur auf sehr lange Sicht hin heilbar sei, und verschrieb ihm „Augen-Wasser“ und andere Medikamente. Die Behandlungs- und Arzneikosten jedoch zu übernehmen, weigerten sich die Dresdner Gesellen. Die Meisterinnung winkte ebenfalls ab und verwies auf die Leipziger Gesellenschaft, damit man sich die Kosten von diesen hole, da die Krankheit schließlich dort ausgebrochen sei. Auf Anfrage antworteten die Leipziger Schneider erbost, es habe „besagter Büttner bey Ihnen 30 Wochen kranck gelegen und der Gesellschafft viel gekostet, [sie] überdiß selbige[n] Sommer über 40 Krancke gehabt hätten, wodurch Sie sehr in Schul599 den gekomen und also nichts beytragen könten“.

 Zweyte Fortsetzung des Codicis Augustei oder anderweit vermehrtes Corpus Juris Saxonici [...] bis zum Jahre 1800 [...] Erste Abtheilung. Leipzig 1805, Sp. 637f. Über die Geschichte der Bettelfuhren und „Schübe“ in Franken siehe: SCHUBERT, Ernst: Arme Leute, Bettler und Gauner im Franken des 18. Jahrhunderts (= Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte Reihe IX: Darstellungen aus der fränkischen Geschichte, Bd. 26). Neustadt an der Aisch ²1990, S. 216–222. 597 Erneuertes und erläutertes Mandat wegen Versorgung der Armen, und Abstellung des Bettelwesens, vom 11. April, 1772. In: FLECK, Ferdinand Gotthelf / KOHLSCHÜTTER, Karl Christian (Hrsg.): Zweyte Fortsetzung des Codicis Augustei, oder anderweit vermehrtes Corpus Juris Saxonici [...] bis zum Jahre 1800 [...] Erste Abtheilung. Leipzig 1805, Sp. 639–666. 598 Bereits ein Entwurf zur Gesellenverpflegungskasse der Leipziger Schneider berücksichtigte nur die Versorgung kranker, in Arbeit stehender Gesellen. Diese Regelung wurde dann auch tatsächlich umgesetzt und führte zu lang anhaltenden Konflikten mit dem Stadtrat. StadtAL, II. Sektion S (F) 2380, Bl. 37–37b. – StadtAL, Tit. LXII–I (F) 10, Bl. 82–82b. – StadtAL, Tit. LXIV (F) 322, Bl. 44–44b, 48. 599 StadtAD, 11.2.54, Nr. 137, Bl. 8.

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Vor allem aber wären sie nichts mehr schuldig, da Büttner gesund das Leipziger Hospital verlassen habe. „Ob nun die hiesige Gesellschafft an diesen Menschen nach Christenpflicht gehandelt und ob sie nicht noch mehr gethan, als die Geseze besagen, zumahl zu einer Zeit, wo sie daß große Übel betraf, daß mehr als 40 Gesellen an einen ansteckenten Fieber auf einmahl kranck wurden, selbst der Herbergvater und seine Familie mit angesteckt wurden, wollen wir Ihrer reifen 600 Überlegung überlaßen.“

Mit dieser barschen Absage standen die Dresdner Schneiderburschen mit dem Problem allein und favorisierten nun, den Kranken sofort in seine Heimat abzuschieben. Einem baldigen Krankentransport stellte sich pflichtbewusst und durchaus mitfühlend der Arzt Pönig mit erheblichen Bedenken wegen Büttners Gesundheit entgegen. Da sich aber noch Monate später die Gesellenschaft mit den Hinweisen „wer ihn hier behalten hätte, der müße auch für die Kosten stehen“ und eigentlich seien die Leipziger verantwortlich, weigerte, die Unkosten zu tragen, blieben Pönig und vor allem der Herbergsvater, bei dem der Kranke von Anfang an gelegen hatte, auf den Kosten sitzen.601 Ein zweites aussagekräftiges Beispiel, das besonders deutlich die Einstellungen der handelnden Akteure widerspiegelt, stammt aus dem Gürtlerhandwerk. Dessen Gesellenschaft versorgte in Dresden seit Anfang Oktober 1780 einen bereits krank in die Stadt eingezogenen Gesellen aus Stockholm. Nachdem sich die Kosten für „den Medicum, die Wärter und Arzney“ innerhalb eines halben Jahres auf fast 50 Taler summiert hatten und weder eine Besserung des Gesundheitszustandes in Aussicht war, noch die Gesellenschaft eine weitere finanzielle Belastung verkraftete, ergriffen die Gürtlermeister für ihre Gesellen Partei. Sie sprachen beim Stadtrat vor und schrieben an den Kurfürsten, dass die Gesellen „aus Verdruß über die gänzliche Erschöpfung ihrer Caße“ zahlungsunwillig wären und anfingen, ihre Arbeit aufzukündigen und wegzuziehen. Ein Grund für ihren Unmut läge vor allem darin, „daß sie dasjenige, was sie von ihren ersparten sauren Lohn zu gemeinschaftlicher Hülfs Leistung ihrer allhier in Arbeit stehenden Neben Gesellen bei Kranckheits oder andern Noth Fällen unter sich seit einigen Jahren aufgebracht haben, auf einen ihnen ganz fremden Men602 schen und Ausländer allein zu verwenden und ihre Landsleute gänzlich darben“

lassen müssten. Bereits drei erfolglose Schreiben hätte das Dresdner Handwerk nach Stockholm geschickt und um Versorgung des Gesellen gebeten. Nun solle er endlich nach Torgau oder Waldheim ins Armenhaus gebracht werden. Prinzipiell bestand der Dresdner Stadtrat auf der Pflicht der Innungen, für ihre Kranken inklusive fremder Gesellen zu sorgen. Da es sich aber um einen Ausländer handelte, der zudem unheilbar war und keine Aussicht auf Restitution der Kosten absehbar sei, zudem die Dresdner Gesellen bereits beachtliche Unkosten  600 Ebd. 601 Ebd., Bl. 6. 602 StadtAD, RA, F. XXI. 10, Bl. 6b.

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getragen hatten, setzte sich der Magistrat für die Verbringung in eine Landesanstalt ein. Mit kurfürstlicher Zustimmung geschah dies schließlich auch.603 Das umfangreich erhaltene Aktenmaterial beschreibt die zahlreichen Auseinandersetzungen nur zu gut, in denen es vorrangig um die Begleichung der entstandenen Kur- und Behandlungskosten ging.604 Den meisten dieser Konfliktfälle waren einige Elemente gemein. Zum einen datierten fast alle Auseinandersetzungen nach dem Erscheinen der ersten landesherrlichen Regelungen in Kursachsen. Die obrigkeitlichen Anordnungen bewirkten nur eine partielle Verbesserung der Versorgung kranker Fremder, während sie zugleich die Städte und Korporationen in ihrem Vorgehen bestärkte, die Kranken in ihre Heimatgemeinden abzuschieben, wenn sich diese nur irgendwie fortbewegen konnten. Zum anderen sprach aus den Berichten, Protokollen und Briefen der verantwortlichen Stellen das erhebliche Misstrauen gegenüber dem Wahrheitsgehalt der Aussagen betroffener Bedürftiger. Einzelne echte Missbrauchsfälle erhitzten die Gemüter und führten zu ausgedehnten Debatten über die zunehmende, lästige Bettlerplage. Sie wurden auf die Gesamtgruppe der Betroffenen übertragen, sodass die Arbeitsunfähigkeit der Notleidenden immer wieder angezweifelt wurde und sich die Kranken mit Vorwürfen der Müßiggängerei, Faulheit, Verschwendung, Kriminalität und dem Vortäuschen falscher Tatsachen konfrontiert sahen. Dazu kamen noch unzählige Fälle, in denen arme Kranke ohne Mühe weiter abgeschoben wurden und auf der Straße an den Folgen verschleppter Leiden verstarben oder irreparable Schäden erlitten, ohne dass es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung und damit einer überlieferungsfähigen Dokumentation kam. Unter den von den Armenvögten und städtischen Aufsehern aufgegriffenen und verhörten Bettlern fanden sich auch immer wieder kranke Handwerksgesellen, welche die Passanten und Anwohner auf den Straßen und Plätzen der Städte um ein Zubrot ansuchten.605  603 Ebd., [unpag.] (Verordnung vom 27.06.1781, Notiz vom 09.07.1781). 604 An dieser Stelle nur einige weitere Exempel für gerichtskundig gewordene Auseinandersetzungen um die Übernahme von Behandlungskosten kursächsischer Handwerksgesellen: StadtAC, Bezirkshandwerkskammer Nr. 136. – StadtAC, RA, Kap. IX. Ma 6. – StadtAC, RA, Kap. IX. Sg 22a. – StadtAC, RA, Kap. IX. Sg 25. – StadtAC, RA, Kap. IX. Sg 26. – StadtAD, 11.2.19, Nr. 34. – StadtAD, 11.2.52, Nr. 124. – StadtAD, 11.2.54, Nr. 28. – StadtAD, 11.2.54, Nr. 161. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 178. – StadtAD, 11.2.66, Nr. 71b. – StadtAL, II. Sektion L (F) 611. – StadtAZ, X, 41, 20. – StadtAZ, X, 46, 12. 605 Dem aus Freiburg eingewanderten Tuchknappen Johann Gottlieb Feige, der im Januar 1789 in Dresden bettelnd aufgegriffen wurde, seien „unterweges die Füße erfrohren“, er könnte „dahero bey der großen Kälte nicht wieder fortgehen“. Auch der einige Wochen beim Bettelgehen vom Dresdner Armenvogt erwischte und danach befragte Geselle Krauße „räumet ein, weiln er ungesund sey, gebettelt zu haben“. StadtAD, RA, B. XIII. 116n, Vol. I, Bl. 11b, 24. Über die Protokolle zu den Dresdner Bettlerverhören des 18. Jahrhunderts, in denen viele Handwerksgesellen auftauchten, liegen mehrere informationsreiche Aktenbände vor, die jedoch nicht für die Arbeit ausgewertet werden konnten. StadtAD, RA, B. XIII. 116 h. – StadtAD, RA, B. XIII. 116 k. – StadtAD, RA, B. XIII. 116n, Vol. I–X. – StadtAD, RA, B. XIII. 116o, Vol. I–XIII.

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In kurzer Abfolge erschienen zu diesem Problem bis über den Untersuchungszeitraum hinaus zahlreiche weitere Mandate und Verordnungen.606 Die Versorgungssituation fremder Kranker spitzte sich aber noch zu, da die Regelungen den betroffenen Kranken keinen Anspruch auf Unterstützungsleistung einräumen wollten, sondern lediglich das Heimatprinzip wiederholten und selbst die allgemeinen Zuständigkeitsfragen nur halbherzig ansprachen. Besonders ausländische Kranke, unter denen viele Handwerksgesellen als Hauptleidtragende ausgemacht wurden, wurden zwischen den deutschen Staaten und innerstaatlich zwischen den Gemeinden hin und her gesandt oder fanden an den territorialstaatlichen Grenzen ihr Ende. Aus eigener Kraft waren die sozial heterogenen Handwerksorganisationen am Ende des 18. Jahrhunderts nicht fähig, den sozialen Herausforderungen, mit welchen sich ihre Korporationsmitglieder konfrontiert sahen, überzeugend zu begegnen. Obwohl es eine Verbreiterung der Einnahmenbasis verheißen hätte, verwei 606 Einige Beispiele in chronologischer Reihenfolge: Generale, die Einschärfung und resp. Erläuterung des Generalis vom 7. April, 1772 die Fortschaffung erkrankter Armen und Bettler betr. vom 8. Julii, 1789. In: FLECK, Ferdinand Gotthelf / KOHLSCHÜTTER, Karl Christian (Hrsg.): Zweyte Fortsetzung des Codicis Augustei oder anderweit vermehrtes Corpus Juris Saxonici [...] bis zum Jahre 1800 [...] Erste Abtheilung. Leipzig 1805, Sp. 977–980. – OberamtsPatent, wegen des Verhaltens gegen die auf der Reise erkrankenden Personen, vom 11. Jun. 1793. In: CERUTTI, Ludwig (Hrsg.): Sammlung sächsischer Medicinal-Gesetze. Zweiter Band. Fortgesetzt von Johann Christian Rosenmüller. Leipzig 1820, S. 92–94. – Rescript, die Fortschaffung erkrankter Armen aus und in die Weimarischen Lande betreffend, vom 25. Sept. 1797. In: Ders. (Hrsg.): Sammlung sächsischer Medicinal-Gesetze. Zweiter Band. Fortgesetzt von Johann Christian Rosenmüller. Leipzig 1820, S. 120f. – Generale, die auswärtigen in die hiesigen Lande durch den sogenannten Schub kommenden Armen und andere Personen betreffend, vom 3ten August 1808. In: FLECK, Ferdinand Gotthelf / KOHLSCHÜTTER, Karl Christian (Hrsg.): Dritte Fortsetzung des Codicis Augustei, worinnen die in dem Königreiche Sachsen ergangenen gesetzlichen Verordnungen vom Jahre 1801 bis zu der am 9ten März 1818 angefangenen Gesetzsammlung, enthalten sind. Erste Abtheilung. Dresden 1824, S. 452–455. – Generale, die wechselseitige Annahme und Versorgung armer und preßhafter Personen in den Erblanden und beiden Lausitzen betreffend, vom 1sten Juli 1809. In: FLECK, Ferdinand Gotthelf / KOHLSCHÜTTER, Karl Christian (Hrsg.): Dritte Fortsetzung des Codicis Augustei, worinnen die in dem Königreiche Sachsen ergangenen gesetzlichen Verordnungen vom Jahre 1801 bis zu der am 9ten März 1818 angefangenen Gesetzsammlung, enthalten sind. Erste Abtheilung. Dresden 1824, S. 457–459. – Verordnung der Landesregierung, die Zurückweisung ausländischer, mit ansteckenden Hautkrankheiten behafteter Handwerksgesellen betr., vom 12. November 1829. In: SCHAFFRATH, Wilhelm Michael (Hrsg.): Codex Saxonicus. Chronologische Sammlung der gesammten praktisch-gültigen Königlich Sächsischen Gesetze von den ältesten Zeiten, vom Jahre 1255 an bis zum Schlusse des Jahres 1840; mit einem alphabetisch-systematischen Repertorium. Zweiter Band enthaltende die gesammten Gesetze vom 9. März 1818 an bis zum Schlusse des Jahres 1840. Leipzig 1842, S. 315. – Verordnung, die Behandlung armer, auf der Reise begriffener Kranken betreffend; vom 16. Mai 1832. In: Ders. (Hrsg.): Codex Saxonicus. Chronologische Sammlung der gesammten praktisch-gültigen Königlich Sächsischen Gesetze von den ältesten Zeiten, vom Jahre 1255 an bis zum Schlusse des Jahres 1840; mit einem alphabetisch-systematischen Repertorium. Zweiter Band enthaltende die gesammten Gesetze vom 9. März 1818 an bis zum Schlusse des Jahres 1840. Leipzig 1842, S. 466f.

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gerten sich viele Handwerker der Erweiterung des Kreises an Beitragszahlern. Davon war das Krankenunterstützungswesen der Zünfte und Gesellenschaften direkt betroffen. Die gesetzlichen Vorgaben, die verlangten, dass alle Gesellen eines Gewerbes, unabhängig davon, ob sie bei einem Innungsmeister oder einem unzünftigen Arbeitgeber in Lohn standen, Mitglied einer Gesellenverpflegungskasse sein mussten, waren eindeutig. Dennoch waren die Widerstände groß. Einmal versuchten die Innungsmeister, durch den Ausschluss der unzünftigen „Fabrikgesellen“ sozialen Druck auf diese Arbeitskräfte aufzubauen. Dann wieder zeigten sich die Zunftgesellen und die Fabrikgesellen nicht bereit, in eine gemeinsame Kasseneinrichtung einzuzahlen und begegneten der jeweils anderen Seite mit Misstrauen und Ablehnung.607 Und gegenüber den Gesellen anderer Handwerke bestanden wie schon seit Jahrhunderten erhebliche Vorbehalte. Es dominierte aber nicht nur die zwischengewerbliche, auf Kleingruppen orientierte Konkurrenz gegenüber einer berufsübergreifenden Solidarität im Handwerk. Um das soziale Risiko „Krankheit“ für alle Beitragszahler relativ gleichmäßig zu verteilen, blieben die Beitragszahler mit gleichartiger Beschäftigung vornehmlich unter sich, da bestimmte Berufe unfallanfälliger waren, während in anderen Gewerben bestimmte Berufskrankheiten verbreiteter auftraten.608 Immer wieder verhinderten enorme Widerstände, auch hervorgerufen durch die angespannte Einkommenssituation, eine Erhöhung der vergleichsweise niedrigen Auflagen oder die Einrichtung einer Sonderabgabe für soziale Belange.609 Mit der Verringerung der ökonomischen Erwerbschancen im Handwerk verschlechterten sich die Lebensbedingungen der Betroffenen. Die Schwierigkeiten, mit denen das Kranken- und Armenwesen der Handwerkskorporationen am Ende des 18. Jahrhunderts zu kämpfen hatte, traten immer offener zutage, indem Hilfsleistungen immer häufiger versagt oder reduziert wurden. Obwohl die Landesregierung in erheblichem Maße an der Aufrechterhaltung des korporativen Krankenunterstützungssystems interessiert sein musste, erfolgte  607 Ihren Statuten entsprechend nahmen einige Verpflegungskassen auch Fabrikgesellen auf. In der Praxis zeigten sich jedoch die Spannungen zwischen den Gruppen. StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 13a. – StadtAC, RA, Kap. IX. Za 86, Bl. 11. – StadtAC, RA, Kap. IX. Za 102, Bl. 20. Vgl. BRÄUER (Gesellenmigration) 1982, S. 18. – STRAUSS (Chemnitzer Arbeiter) 1960, S. 70, 130f., 191f. 345 u. ö. Die Unstimmigkeiten über die unterschiedliche Verpflegung der Gesellen, die bei einem Zunftmeister beschäftigt waren, gegenüber den übrigen Gehilfen sorgten über die Einführung der Gewerbefreiheit im Königreich Sachsen hinaus für sozialen Zündstoff. BRÜCKNER, Carl Gustav: Bericht über die Verhältnisse der Dresdener Handwerkerinnungskassen im Allgemeinen und die der Gesellenverpflegungskassen Insbesondere, auf Grund der Beantwortungen der zu diesem Zwecke an die Herren Innungsältesten ausgegebenen Fragebogen. Dresden 1866, S. 12. Vgl. FREVERT (Krankheit) 1984, S. 252. 608 Ebd., S. 255. Vgl. RAMAZZINI, Bernhardi: Untersuchung Von denen Kranckheiten der Künstler und Handwercker, Worinnen die Kranckheiten, womit fast alle Künstler und Handwercker gemeiniglich befallen werden, genau beschrieben, wie durch die Kunst oder Handwerck solche zugezogen werden, und wie man solche hernachmals aufs beste und leichteste curiren kan. Leipzig 1718 (ND Leipzig 1977). 609 StadtAD, 11.2.62, Nr. 20b, [unpag,] (Registratur vom 16.08.1766).

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keine überzeugende und umfassende Regulierung der grundsätzlichen Versorgungsbedingungen.610 Die Handwerke bzw. die Gesellenladen und ab 1810 die Gesellenverpflegungskassen in Kursachsen wurden auf die soziale Sicherung ihrer bedürftigen Mitglieder verpflichtet, ohne ihnen die notwendigen Instrumente an die Hand zu geben. Mit der Verrechtlichung der (Armen-)Krankenversorgung avancierten die sozialen Sicherungsleistungen zum Rechtsobjekt und damit zum Rechtsstreitobjekt, da viele der überforderten Handwerks- und Gesellenkassen versuchten, das kollektive Unterstützungswesen zu schonen, indem sie den Kreis der Empfangsberechtigten mehr und mehr begrenzten. Zentraler Konfliktpunkt im 18. Jahrhundert wurde die Übernahme sozialer Sicherungsverantwortung für kranke oder verunfallte Personen, die bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nicht in einem Beschäftigungsverhältnis standen. Die Handwerksorganisationen tendierten dazu, nur beitragszahlende Mitglieder im Notfall zu versorgen, während die landesherrliche Obrigkeit grundsätzlich die Innungen und Gesellenorganisationen in der Pflicht sah, allen erkrankten Bedürftigen des jeweiligen Handwerksberufes samt ihren Angehörigen beizuspringen. Dieser anhaltende Konflikt konnte bis zum Ende des Betrachtungszeitraums nicht überzeugend gelöst werden. Trotz massiver obrigkeitlicher Einflussnahme verweigerten beispielsweise in Dresden noch Ende der 1820er Jahre fast alle Innungen vehement den zugewanderten Gesellen ihres Handwerks die Krankenversorgung durch Krankengelder und Anstaltspflege und verwiesen auf die Zuständigkeit der öffentlichen Armenkassen, wogegen diese die Bedürftigen an die Handwerksorganisationen delegierten.611

4.9 GEDANKEN ZUR MOTIVATION Nach der Darstellung der verschiedenen Maßnahmen, der Organisation und den Problemen der kollektiven Krankenunterstützung im Zunfthandwerk sollen kurz einige mögliche Beweggründe der handelnden Akteure angesprochen werden. Dabei ist es ebenso schwierig, Fragen über die Handlungsintention historischer Personen allgemein zu beantworten, wie eine knappe Gesamtbewertung der Leistungen aller Handwerkskorporationen zugunsten kranker Personen vorzulegen. Die Formen und Strukturen waren äußerst vielfältig und wandelbar; die Bedingungen, unter denen die Krankenversorgung funktionieren sollte, unterschieden  610 Vgl. BRÄUER, Helmut: Arme Leute in Sachsen im 18. Jahrhundert. In: Räume voll Leipzig. Arbeitsberichte des Stadtarchivs Leipzig. Neue Reihe. Leipzig 1994, S. 84. 611 StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 74. – StadtAD, RA, C. XXIV. 138. Vgl. StadtAD, RA, C. XXIV. 120. Eine zeitgenössische Ausführung, die sich mit der Frage nach der Versorgungspflicht der Zünfte für auswärtige Gesellen beschäftigte, stellte sich auf die Seite der Handwerksorganisationen und wies die Verantwortung der jeweiligen „Armencommune“ zu. RAUERT, [o. V.]: Ueber Gesellen-Brüderschaften und die Verpflichtung zur Verpflegung erkrankter Handwerks-Gesellen. In: Archiv für Geschichte, Statistik, Kunde der Verwaltung und Landesrechte der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg 1/1842, S. 82–89.

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sich erheblich. Dennoch sollen grundsätzliche Überlegungen zu beiden Fragen (Motivation und Bewertung) nicht unterbleiben. Krankenunterstützung im zünftigen Handwerk betraf vor allem die unselbstständig arbeitenden, vielfach sehr mobilen Gesellen und damit die Gesellenschaften, da ihre Mitglieder häufig nicht unmittelbar auf „soziales Kapital“ in Form von Familien- oder langjährigen Nachbarschaftsbeziehungen zurückgreifen konnten. Soziale Sicherung im Krankheitsfall hatte sich zum einen um die materiellen Bedürfnisse der Betroffenen zu kümmern und eine Kompensation für das ausbleibende Einkommen zu schaffen, sei es in Form von Geld-, Sach- oder Dienstleistungen. Zum anderen behielt sie im Kontext des frühneuzeitlichen Zunfthandwerks vor allem die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit und weniger der ursprünglichen gesundheitlichen Verfassung im Auge, um die Unterstützungssituation zeitlich zu begrenzen und möglichst abzukürzen. Tendierte infolge eines Unfalls, einer Krankheit oder einer fehlerhaften oder ungenügenden Behandlung die Chance der Restituierung des Arbeitspotenzials gegen null, sodass fortwährende Invalidität bzw. eine Chronifizierung des Leidens die Folge waren, fanden die unterstützungsgebenden Einrichtungen in Bezug auf ihr weiteres Vorgehen ein Dilemma vor. War eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der kranken Person nicht möglich oder zumindest wenig wahrscheinlich, entfiel der Krankenunterstützung im Handwerk das primäre Ziel der Versorgungsbemühungen. Besonders gefährdet waren Personen, welche zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit nicht in einem Beschäftigungsverhältnis standen. In einigen dieser Fälle zeigten sich altruistische Ansätze über arbeitsökonomische Erwägungen hinaus. Wurden Almosen an unheilbar Kranke, Blinde oder Kriegsinvalide gegeben, meldeten sich christliche Nächstenliebe und soziales Verantwortungsgefühl. Einige Pfennige und Groschen wurden aus schlechtem Gewissen oder der Angst um das eigene Seelenheil, andere aus echtem Mitleid gereicht, wie manche Aufzeichnungen nicht müde wurden zu betonen. Der Dresdner Schneidermeister Johann August Becker erhielt drei Taler Almosen „wegen seiner immerfortwährenden Kranckheit aus Mittleid bewogen“.612 Emotionale Momente traten mit höherer Wahrscheinlichkeit auf, falls eine persönliche Verbindung bestand. Motive des Eigennutzes, der Gegenseitigkeitserwägung und des Schutzes eigener Angehöriger kamen hinzu. Solidarisch kämpften die Chemnitzer Tuchknappen für ein Gesellenbett und standen dabei „alle vor einen und einer vor alle“,613 denn auf ein solches Krankenlager konnte man durchaus einmal selbst angewiesen sein. Auch gewohnheitsrechtliche Traditionen trugen dazu bei, dass Meister und Gesellen kranke Personen unterstützten und Formen der Zweckentfremdung der für soziale Ausgaben vorgesehenen Mittel attackiert wurden.614  612 StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 28, [unpag.] (Eintrag vom 07.10.1811). 613 StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 11, Bl. 55b. 614 StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 23, Bl. 16–16b.

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Für die Handwerker, die gesamte städtische Gemeinschaft und die Obrigkeiten waren zudem Überlegungen, welche die gesamtgesellschaftliche Gesundheit berücksichtigten, relevant. Die Versorgung kranker Handwerker diente der Eindämmung und Bekämpfung akuter Ansteckungsgefahren. Die Schlossergesellen in Dresden betonten ihre christliche Pflicht, auch die Gesunden vor gefährlichen Krankheiten zu schützen, weil „es dann Gottlicher befehl, sich nicht in die Gefahr muthwillig zubegeben, Und es dann die Christliche liebe erfordert beydes Vor die Krancken, daß Sie Verpfleget, Als vor die Gesun615 den, daß Sie nicht angestecket werden, in Zeiten zu sorgen“.

Sie kritisierten sogar vorsichtig ihre Meister, die sich nach Ansicht der Gesellen zu sehr aus ihrer Verantwortung stehlen wollten.616 Oft reagierten Zünfte und Gesellenschaften, teilweise durch die Obrigkeit motiviert, auf die ungenügenden städtischen Unterstützungsangebote, indem sie eigene Anstalten schufen, Beiträge zum Ausbau öffentlicher Versorgungsangebote leisteten oder den Betroffenen finanziell und pflegerisch zur Seite standen. Durch die erheblichen Leistungen der Handwerkskorporationen wurde das städtische Armen- und Fürsorgewesen entlastet. Vermittelten Stadträte in zahlreichen Konflikten, die das Krankenunterstützungswesen der Innungen und Gesellenschaften betrafen, zwischen den Konfliktparteien, so nahmen sie nur scheinbar eine neutrale Schiedsposition ein.617 Um das öffentliche Interesse an der kollektiven sozialen Sicherung wussten natürlich die Handwerker, sodass sie sich, um eigene Projekte durchzusetzen, des Arguments der Entlastung von Öffentlichkeit und Stadtrat bedienten.618 In dem Maße, in dem allerdings die Handwerker und ihre Organisationen stärker zur Finanzierung des städtischen und landesherrlichen Armen- und Fürsorgewesens herangezogen wurden, entstand die nachvollziehbare Einschätzung, eigene Bedürftige auch an eben jene öffentlichen Einrichtungen verweisen zu dürfen. Aufgrund der erheblichen Schwierigkeiten, die eine angemessene Krankenunterstützung nach sich zog, erfüllte besonders die Gesellen ein gewisser Stolz in Bezug auf die eigene Leistungs- und Organisationsfähigkeit. Die eigenständige Wahrnehmung sozialer Sicherungsfunktionen bildete immer einen Ausweis für den Anspruch der Gesellen auf Autonomie. Zugleich konnte eine Vernachlässigung der sozialen Aufgaben den guten Ruf der Gesellenschaft schädigen und zu „übler Nachrede“ führen, sodass stets die Erwartungen anderer Akteure das eigene Handeln beeinflussten.619  615 StadtAD, 11.2.52, Schlosser-Dep. Nr. 1, Beleg Nr. 16, [unpag.] (Schreiben vom 19.12.1675). 616 Ebd. 617 StadtAC, RA, Kap. IX. Za 1a, [unpag.] (Schreiben vom 07.05.1715, Registratur vom 17.05.1715). – StadtAC, RA, Kap. IX. Za 2, Bl. 208–209b. 618 StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 7, Bl. 15b. – StadtAL, II. Sektion S (F) 1860, Bl. 1–1b. 619 StadtAD, 11.2.52, Schlosser-Dep. Nr. 1, Beleg Nr. 16, [unpag.] (Schreiben vom 19.12.1675). – StadtAL, II. Sektion L (F) 634, Bl. 17–17b. – StadtAL, II. Sektion S (F) 851, Bl. 11b).

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Das kollektive Versprechen, im Falle von Krankheit oder Unfall den bedürftigen Mitgliedern Unterstützungsleistungen bereitzustellen, wirkte sozial disziplinierend auf die potenziellen Empfänger und beschränkte die ökonomische Konkurrenz. Delinquenten Personen, welche sich nicht an die Handwerksnormen hielten, konnten die Beihilfen eingeschränkt oder versagt werden. Frauenarbeit sollte nach Ansicht der Gesellen im Leipziger Schneiderhandwerk nicht geduldet werden, da Mägde nicht mit auflegen und keinen Beitrag zur Krankenversorgung leisten würden. Pfuscherarbeit konnte den Ausschluss vom Almosen nach sich ziehen. Dies drohte in Dresden den Tuchknappen, die bei einem unzünftigen Meister arbeiteten oder in Leipzig einem Meister, der verbotenerweise bei einem Kollegen in Lohn stand. Die Schulden eines in Zahlungsrückstand befindlichen Werkstattinhabers waren ursächlich für die Abweisung seines kranken Gesellen durch die Gesellenschaft. Auf eine Einmischung in ihre Krankenunterstützung reagierten die Leipziger Kürschner äußerst empfindlich, da sie die Vergabe von Almosen als soziales Macht- und Kontrollinstrument betrachteten.620

4.10 ZUSAMMENFASSUNG UND BEWERTUNG ALS SOZIALE SICHERUNGSFORM Betrachtet man die empirischen Befunde in ihrer Gesamtheit, dann handelte es sich bei den Leistungen der sozialen Sicherung, welche die Handwerksorganisationen im Krankheitsfall erbrachten, um eine äußerst bedeutsame korporative Funktion, deren Wert von den beteiligten Akteuren, den Gesellen und den Meistern, der Obrigkeit und der übrigen städtischen Gesellschaft, in gleicher Weise hoch eingeschätzt wurde. Gerade die Unterstützung kranker Gesellen bildete eine wesentliche Funktion der Gesellenschaften. Die Reaktionen der meisten Handwerksinnungen, auf den Vorschlag nach einer Auflösung der alten, unbequemen Gesellenladen am Anfang des 19. Jahrhunderts gingen zu großen Teilen verständlicherweise in die gleiche Richtung: Viele Handwerksinnungen schreckten vor einem solchen Schritt zurück, weil die Meister befürchten mussten, die Kosten der Krankenversorgung selbst zu tragen oder bei einer Neuorganisation ein Versorgungschaos hervorzurufen. Mit der Ausgestaltung der neu eingerichteten Gesellenverpflegungskassen und der fortgesetzten Eigenfinanzierung des Krankenunterstützungssystems durch die Lohnempfänger wurden die Befürchtungen der Meister schnell ausgeräumt.  620 StadtAD, 11.2.66, Nr. 64, Bl. 6, 29b. – StadtAL, Inn Kürschner B 3, Bl. 255–255b. – StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 42b, 208b. – StadtAL, Inn Schneider B 11, Bl. 170. Die Nutzung von Schulden als Instrument sozialer Disziplinierung fand sich häufiger. Ganz ähnlich wie die Abweisung des kranken Gesellen aufgrund der Verbindlichkeiten des Arbeitgebers wirkte z. B. die Schuldensituation für den Sohn eines Leipziger Färbermeisters. Dem Meistersohn wurde der Gesellenspruch anscheinend so lange vorenthalten, bis der Vater seine Schulden beglichen hatte. StadtAL, Inn Färber B 7, Bl. 78b.

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Die Formen der Krankenunterstützung richteten sich nach den jeweiligen Bedingungen, die vor Ort vorgefunden wurden. Jedoch krankte das Sicherungssystem grundsätzlich an seiner Beschränktheit. Zu wenige Beitragszahler mit heterogenen Interessen hatten erhebliche Unkosten zu schultern, die teilweise noch dazu für Leistungen ausgegeben wurden, die nicht dem Prinzip allgemeiner Reziprozität entsprachen. Das heißt, die Leistungen wurden Personen zuteil, die keine Gegenleistung für die Korporation erbrachten, wenn man von Dankgebeten, Dankschreiben o. ä. absieht. Es mangelte auch an einer konsequenten kommunalen Unterstützung und einer staatlichen Zentralisierung, die nur durch den Gesetzgeber zu leisten gewesen wäre. Die finanziellen Leistungen waren je nach Perspektive dürftig bis unzureichend und stellten für den Ausfall des Arbeitseinkommens und die entstandenen Behandlungs- und Pflegekosten nur ein „Zubrot“ dar. Einige kranke Gesellen mussten von ihrem wenigen Ersparten auf der Gesellenherberge zehren und verließen das Krankenbett so früh wie möglich, da sie sich den Herbergsaufenthalt schlichtweg nicht leisten konnten. Außerdem wirkten insbesondere Almosen und einmalige Darlehen nur als kurzfristige Linderung. Viele der Leistungen mussten zurückgezahlt werden und belasteten die Betroffenen und ihre Angehörigen spätestens nach Wiederherstellung der Arbeitskraft. Nicht rückzahlungspflichtige, regelmäßige Krankengelder waren bis 1750 eher die Ausnahme und wurden am Ende des 18. Jahrhunderts in der Form von Taschengeldern sogar an den Aufenthalt in den Krankenanstalten gebunden und in ihrer Höhe gekappt. Die selten parallel vorkommenden Angaben zu Gesellenlöhnen und Krankengeldern zeigten, dass auch die regelmäßigen Unterstützungen nicht ausreichten, um die jeweils nötigen Ausgaben (Verpflegung, Unterkunft und/oder medizinische Behandlung) abzudecken. Innungseigene Siech- und Krankenhäuser konnten sich lediglich die kapitalstärksten Organisationen leisten. Doch im Laufe des 18. Jahrhunderts genügten diese Anstalten immer weniger den medizinischen und hygienischen Anforderungen der Zeit, von der einfachen Pflege im Meisterhaushalt oder auf der Gesellenherberge ganz zu schweigen. Daher wurde am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts verstärkt auf die städtischen Angebote der Anstaltskrankenpflege, die sich mit der Gründung der frühen allgemeinen Krankenhäuser boten, zurückgegriffen. Dagegen wurden auch die letzten, persönlich zu leistenden Dienste abgebaut und durch die Finanzierung „professioneller“ Pflege ersetzt. Das Krankenunterstützungswesen der Handwerksorganisationen wurde somit stückweise entpersonalisiert und versachlicht.621 In den untersuchten Städten führte die unzureichende soziale Sicherung kranker Handwerksgesellen und anderer unselbstständig Beschäftigter vonseiten der Kommunen wie der Handwerksorganisationen zu gemeinnützigen bürgerschaftlichen Initiativen wie der Gründung eines Leipziger  621 Mit erheblich älteren Quellen belegt Schulz für die Stadt Straßburg bereits im 15. Jahrhundert eine „spürbare Tendenz zur Versachlichung, ja Kommerzialisierung der Beziehungen“. SCHULZ (Handwerksgesellen und Lohnarbeiter) 1985, S. 204. Vgl. LUSIARDI (Daseinsvorsorge) 2002, S. 145, 150 Anm. 52.

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Vereins für „die Krankenpflege unbemittelter Personen betreffend, besonders in Beziehung auf die Gesellen und Lehrlinge der hiesigen Innungen“.622 Für gewöhnlich übernahmen die Gesellenschaften die Versorgung kranker Handwerksgesellen. Dabei fand kein echter Risikoausgleich unter den beitragszahlenden Mitgliedern statt, indem nicht allein diese Personen den Kreis der Leistungsempfänger bildeten. Die Fluktuation innerhalb der Gesellenschaft eines Ortes war erheblich, ein Beschäftigungsverhältnis dauerte häufig nur kurze Zeit.623 In den Genuss von Unterstützungen im Krankheitsfall kamen nicht nur Gesellen, die erst kurze Zeit Beiträge eingesteuert hatten, sondern auch Nichtbeitragszahler, deren Position sich im 18. Jahrhundert aber deutlich verschlechterte. Gleiches galt für die Krankenversorgung durch die Zünfte, die ebenfalls fremde Meister, Gesellen oder Handwerksfremde, welche erkrankt waren, unterstützten. Grenzen fand die Unterstützungsbereitschaft außerdem am Eigennutz, an der finanziellen Leistungsstärke, den traditionell gewachsenen Unterschieden zwischen verschiedenen Personengruppen und der sozialen und ökonomischen Differenzierung innerhalb der Korporationen. Meistersöhne beteiligten sich nicht an den Auflagen der Dresdner Schuhknechte, weil sie kein Interesse an einer kollektiven Krankenunterstützung hatten.624 Dagegen profitierten die Meister grundsätzlich von der auf dem Prinzip der Selbsthilfe basierenden Krankenversorgung der Gesellen. Insbesondere wurden dadurch diejenigen Arbeitgeber finanziell entlastet, welche überhaupt Gesellen beschäftigen konnten. Die Gesellenschaften verschuldeten sich gerade auch aufgrund der Krankenunterstützungen häufig, sodass die Innungen ihrerseits Beiträge leisteten. In diesem Fall finanzierten die ärmeren Alleinmeister das Krankheitsrisiko der Gesellen ihrer reicheren Zunftgenossen mit. Folglich nutzte eine kollektive Krankenunterstützung durch die Gesellenschaften erstens den Handwerksmeistern und zweitens langfristig eher den Besserstehenden unter ihnen.625 Als Korrektiv wirkten jedoch die Unterstützungsleis 622 StadtAL, Inn Tuchmacher C 3, Bl. 56. 623 Anhand von Aufzeichnungen zu den Quartalsauflagen der Gesellen können die Beschäftigungszeiten nachvollzogen werden. Umfangreiche Unterlagen sind beispielsweise für die Dresdner Posamentierer erhalten, aus deren Rechnungs- und Hauptbüchern die Beschäftigungsdauer der einzelnen Gesellen errechnet werden kann (Bestand: StadtAD, 11.2.46). 624 StadtAD, 11.2.56, Nr. 141. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 184, Bl. 17–17b. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 185. 625 Vgl. BRÄUER (Gesellen) 1989, S. 87. – EHMER (Denken) 1998, S. 65. Obwohl nicht das Krankenwesen betreffend, spricht das Beispiel des Chemnitzer Webermeisters Estel Bände in Bezug auf einen möglichen innerzünftigen Solidaritätsgeist. Estel fragte im Mai 1896 beim Zunftvorstand an, ob das kollektiv gesammelte Geld, welches für eine Spinnmaschine ausgegeben werden sollte, nicht auf andere, sozialere Weise verwandt werden könne. „Es könnten dabey die Armen Meister mit Garn versehen werden“, argumentierte der Weber. Die Antwort fiel unmissverständlich ablehnend aus, denn „werde Reuth, der Reuth und werde Leit, der Leit“, was so viel hieß wie: wer da reitet, der reitet und wer da leidet, der leidet. StadtAC, RA, Kap. III. Sect. VIIb, Nr. 89 I, RP 1786, Stück 42, [unpag.]. Vgl. SCHLENKRICH (Verarmung Chemnitzer Leineweber) 1999, S. 323.

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tungen, die durch die Innungen für kranke Meister und Witwen erbracht wurden. Im Laufe der frühen Neuzeit schrumpfte tendenziell der Personenkreis, dem die Krankenunterstützung grundsätzlich zugutekam, bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die unterschiedlichen Vorstellungen und Möglichkeiten der Handwerksorganisationen mit denen der kommunalen Obrigkeiten konfligierten. Für eine adäquate Beurteilung müssen aber die lückenhafte Überlieferungslage, die keine flächendeckende Betrachtung des zünftigen Krankenunterstützungswesens zulässt, der Wandel des Unterstützungswesens und vor allem die historischen Umstände beachtet werden. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Personengruppen konnten frühneuzeitliche zünftige Handwerker auf verschiedenste soziale Sicherungsmaßnahmen durch ihre Korporationen hoffen. In den Augen der beteiligten Akteure (Landesregierung, Städte, Meister und Gesellen) stellte die sozialfürsorglich-traditionelle Funktion der Handwerksorganisationen ein unersetzliches Unterstützungs- und Ordnungselement dar, das zu keinem Zeitpunkt auf andere Weise zu substituieren war. Trotz ungünstiger ökonomischer Strukturen und sozialer Konflikte vermochten die Handwerksinnungen und besonders die Gesellenschaften mit begrenzten finanziellen Mitteln vielfältige Unterstützungsleistungen zur Verfügung zu stellen, die, wenngleich sie keine vollwertige Versorgung versprachen, für den Einzelnen wichtige soziale Sicherungselemente bildeten, indem sie die zu erwartenden Kosten verringerten. Sie konnten die tief greifenden sozialen Probleme, die sich speziell am Ende des Ancien Régime potenzierten, nicht beseitigen, aber das akut drohende Risiko der Vernichtung jeglicher Zukunftsperspektive mildern und den Erkrankten und Verunfallten ein Beitrag zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit und Gesundung sein. Daher dürften zünftig organisierte Handwerker, die krankheits- oder unfallbedingt zu Almosenempfängern und Bettlern herabgesunken waren, gemessen an ihrem tatsächlichen Bevölkerungsanteil unterrepräsentiert gewesen sein.626 Schließlich darf die psychologisch-emotionale Bedeutung der Sicherungsleistungen nicht vergessen werden. Der potenziell von Krankheit und Armut Bedrohte wusste, dass er, zugegeben unter Vorbehalt erheblicher Bedingungen, kollektiv in gewissem Umfang aufgefangen und versorgt wurde. Auch wenn das zünftige Krankenunterstützungssystem in seiner Wirkung überschaubar und in seinem Empfängerkreis eng begrenzt war, machte es doch einen unverzichtbaren Anteil des Selbstverständnisses und des Habitus aus, nach welchem das vormoderne Handwerk seinen Platz innerhalb der frühneuzeitlichen Gesellschaft definierte.

 626 Vgl. STANISLAW-KEMENAH (Spitäler) 2008, S. 384–386.

5. BEGRÄBNISWESEN IN DEN HANDWERKSZÜNFTEN UND GESELLENSCHAFTEN Im „modernen“ 21. Jahrhundert mag es vielen nicht mehr recht bewusst sein, doch bis vor Kurzem stellte der Tod einen der wichtigsten Bezugspunkte im Leben der Menschen in Europa dar. Die Aussicht auf ein plötzliches, einsames, dunkles Existenzende auf Erden bildete im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit eine der großen sozialen Herausforderungen. Die seit der Antike vertretene Auffassung, ein überraschender Tod könne den quälenden Todeskampf ersparen, wurde im christlichen Mittelalter durch einen anderen Aspekt zunehmend überlagert. Die Vorstellungen von einem Tod ohne menschlichen Zuspruch und Sterbesakramente schürten nun weithin tief liegende Ängste. Hinzu kamen praktische Sorgen um ein möglichst repräsentatives, auf jeden Fall aber „ehrliches“ Begräbnis,1 die Bewältigung der nicht zu vernachlässigenden Begräbniskosten, die kurz-, mittel- und langfristige Versorgung der im Diesseits zurückgelassenen Familienmitglieder oder die Fortführung des beruflichen Werks. Die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bruderschaften, Meisterzünfte und Gesellenvereinigungen strebten danach, das Verhalten ihrer Mitglieder zu regulieren und beeinflussten deren irdische Existenz an den entscheidenden Weichenstellungen. Sie vereinnahmten den Menschen nicht nur in der ökonomischen Sphäre, sondern sorgten sich neben Geburt, Heirat und allgemeinem Lebenswandel auch um das Lebensende ihrer Mitglieder. Gleichzeitig wurden die Familien- und sogar die Haushaltsangehörigen der Meister und Gesellen in die kollektiven Erwartungen und Normierungsversuche einbezogen. Die soziale Sicherung für den Todesfall betraf somit zwei Versorgungsbereiche. Einerseits wurden Probleme berührt, welche in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Begräbnis standen und andererseits galt es, Probleme der Hinterbliebenenversorgung zu bewältigen. In der Historiografie werden diese Leistungen bislang relativ positiv als großzügige Gesten, Ausdruck des sozialen Zusammenhalts und wichtigste gegenseitige Unterstützungsformen bewertet.2  1

2 

Als „ehrlich“ wurde ein Begräbnis dann bezeichnet, wenn der Begräbnisakt nach bestimmten altüberkommenen Gewohnheiten und Normen ablief. Eine mögliche Beschreibung eines solchen Begräbnisses findet sich bei: MATHESIUS, Johannes, Syrach Mathesij. Das ist: Christliche, lehrhaffte, trostreiche und lustige Erklerung und Außlegung deß schönen Haußbuchs, so der weyse Mann Syrach zusammen gebracht und geschrieben. Leipzig 1597, S. 290b. Zum Bestattungswesen im spätmittelalterlichen Dresden siehe: STANISLAW-KEMENAH (Kirche) 2005, S. 227–234. Vgl. BOS, Sandra / LOURENS, Piet / LUCASSEN, Jan: Die Zünfte in der niederländischen Republik. In: HAUPT, Heinz-Gerhard (Hrsg.): Das Ende der Zünfte. Ein europäischer Vergleich (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 151). Göttingen 2002, S. 138. – DIL-

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5. Begräbniswesen in den Handwerkszünften und Gesellenschaften

5.1 VON DER BRUDERSCHAFT ZUR STERBEGELDVERSICHERUNG Bevor die Einzelaspekte der Sicherungsmaßnahmen im Begräbniswesen beleuchtet werden, soll in einem knapp gehaltenen Überblick die allgemeine Entwicklung auf diesem Feld sozialer Sicherung im Zunfthandwerk umrissen werden. Die im Spätmittelalter zahlreich vorkommenden religiösen Bruderschaften lehnten sich an andere, bereits bestehende religiöse Einrichtungen an. Sie nahmen den Hinterbliebenen eine wesentliche Sorge ab, indem sie ihren Mitgliedern ein „ehrliches“ Begräbnis zusicherten, wohl auch die Begräbniskosten trugen und das Gemeinschaftsgefühl unter ihren Mitgliedern förderten. Vor allem aber garantierten sie ein dauerhaftes Totengedächtnis. Jedoch fand diese spezielle Form der bruderschaftlichen Memoria in den untersuchten Städten mit dem Konfessionswechsel der jeweiligen Landesherren ein Ende. Der sozialen Sicherung im eigentlichen Sinne diente sie als ein Nebeneffekt nur am Rande. Im Gegensatz zu sozialen Risiken wie „Krankheit“ und „Arbeitslosigkeit“ markierten die reformatorischen Umbrüche auf dem Gebiet des Begräbniswesens eine echte Scheidelinie, da die Stiftungen und Besitztümer der religiösen Bruderschaften eingezogen und bestimmte Ansätze sozial-karitativer Sicherungsmaßnahmen gekappt wurden. Waren die mediävalen Bruderschaften, Zünfte und frühen Gesellenverbände stärker auf die religiösen Belange ihrer Mitglieder ausgerichtet, verschoben sich die funktionellen Dimensionen im Zuge der reformatorischen Umgestaltung. Altarstiftungen, Prozessionen und Anniversarien bildeten schon vor dem 16. Jahrhundert nur einen kleinen Ausschnitt des vielfältigen religiösen Aufgabenbereichs, der durch die Handwerksorganisationen lange ausgefüllt wurde. Durch den Übertritt der ernestinischen Kurfürsten und 1539 der albertinischen Herzöge zum lutherischen Glauben veränderte sich in ihren Landen das Verhältnis der Innungen und Gesellenschaften zur Religion. Die meisten Handwerksorganisationen verengten ihre funktionelle Orientierung auf diesem Aufgabengebiet. Unterdessen übernahmen andere Gemeinschaften, die zuvor eher weltlich ausgerichtet waren, Pflichten wie den zünftigen Leichengang von den untergehenden Bruderschaften und fügten sie in ihre Statuten ein. Nirgends aber versiegte die religiöse Funktionalität völlig. Was sich änderte, war die zweckgebundene Ausrichtung der Personenvereinigungen unter gewandelten religiösen, gesellschaftlichen Umständen. Das qualitative Gewicht, welches dem Thema „Tod“ im Verständnis der Handwerkervereinigungen innewohnte, zeigte sich in der nachreformatorischen Zeit sogar umso gravierender, als der Leichenzug und das kollektive Begräbnis gemeinsame Konstanten unter den zentralen religiösen und sozialfürsorglichen Obliegenheiten der Handwerksorganisationen blieben. Diese zentralen Funktionen der Bruderschaften, die mit den Meisterzünften und Gesellenbrüderschaften mal mehr mal weniger eng verbunden waren, wurden zu  CHER (Genossenschaftliche Struktur) 1985, S. 106. – FRÖHLICH (Sicherung) 1976, S. 108. – REITH (Altersprobleme) 1990, S. 30.

5. Begräbniswesen in den Handwerkszünften und Gesellenschaften

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Beginn der frühen Neuzeit durch die Handwerksorganisationen nachhaltiger als zuvor aufgenommen und fortentwickelt. Aus der bruderschaftlichen Memorialgemeinschaft wurde eine sich stärker auf den Leichengang und den Begräbnisakt konzentrierende Beerdigungsgemeinschaft der Handwerkerschaft. Vor wie nach der Reformation bestand die Pflicht zur Teilnahme am gemeinsamen Leichengang und dem „ehrlichen“ Begräbnis. Dabei bedurfte es keiner komplexen organisatorischen Strukturen. Im Spätmittelalter wurde den Aufgaben eher durch bruderschaftliche Vereinigungen und in den protestantisch geprägten Territorien der frühen Neuzeit durch die Handwerkszünfte bzw. Gesellenschaften nachgekommen. Nach der Einziehung der Besitztümer der religiösen Bruderschaften und der Auflösung altkirchlicher Personenverbindungen im Zuge der Reformation bildeten sich innerhalb des Zunfthandwerks vorerst keine eigenständigen Einrichtungen heraus, die ausschließlich den religiösen Belangen und den Unterstützungsleistungen im Begräbniswesen im Besonderen dienten, wenngleich letzterer Aufgabenbereich durchaus von den Handwerksorganisationen wahrgenommen wurde. Die Anschaffung von Leichentüchern durch die Handwerke setzte schon im Spätmittelalter ein. Die steigenden gesellschaftlichen Anforderungen an die öffentlichen Akte im Begräbniswesen führten dann in der frühen Neuzeit bei immer mehr und besonders bei größeren Personengemeinschaften zu vielfältigen Aufwendungen und Anschaffungen von diversem Leichengerät (Leichentücher, Kruzifixe, Leichenschilder, Trauermäntel, Trauerhüte, Baren, Särge usw. bis hin zu Leichenwagen). Da dies häufig ein kostenintensives Unterfangen war, auch die Unterhaltung und Wartung der verschiedenen Gegenstände einigen Aufwand erforderte, gingen vor allem die Meister dazu über, innerhalb der Zünfte allmählich zusätzliche Finanz- und Verwaltungsstrukturen zu errichten. Die Übergänge von den kaum näher spezifizierten Pflichten der früheren Handwerksorganisationen zu den organisierten Trauerladen und Beerdigungsgesellschaften am Ende des 17. Jahrhunderts waren fließend und vielgestaltig. Die Handwerker hielten jedoch in zunehmendem Maße umfassendere Finanzierungsgrundsätze und Verhaltensvorschriften schriftlich fest. Eigene Gebühren wurden für den Erhalt des Leichenornats eingeführt, Ausleihvorschriften und Entgeltregelungen erlassen. Die Etablierung neuer innerzünftiger Funktionsämter (Leichenträger, Leichenbesteller, Leichenbitter, Kassenführer, Schriftführer), der Übergang von entgeltfreier zu entlohnter Aufgabenüberantwortung an bestimmte Verantwortliche und die Schaffung ordnungsmäßiger Strukturen im Kassenwesen stellten wesentliche Schritte auf dem Weg zu einer sich verfestigenden Institutionalisierung dar. Die sich herausbildenden zünftigen Beerdigungsgesellschaften blieben im Kern dennoch bis zum Ende des Untersuchungszeitraums mit den Handwerksorganisationen verbunden. Unabhängig von den Zunfthandwerken entstanden freie Beerdigungsgesellschaften. Andere Begräbnisvereinigungen lehnten sich an Korporationen wie Bergknappschaften oder Schützenbrüderschaften an.3 Gemein war diesen  3

KELLER (Armut und Tod) 2000, S. 215.

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5. Begräbniswesen in den Handwerkszünften und Gesellenschaften

(halb)institutionellen Einrichtungen, dass ein „ehrliches“ Begräbnis weiterhin konstitutives Element ihres Wirkens blieb, wogegen die direkte finanzielle Unterstützung der Hinterbliebenen i. d. R. eine untergeordnete Rolle spielte. Der zuletzt genannten Aufgabe widmeten sich mit steigendem Bedarf hauptsächlich andere Einrichtungen, die seit dem Dreißigjährigen Krieg nicht allein durch Handwerksorganisationen eingerichtet wurden. Ihren Bestimmungszweck sahen die zahlreichen Leichen- oder Sterbe(geld)kassen auf dem Gebiet der Hinterbliebenenversorgung durch Zahlung einer einmaligen Geldsumme in vorab festgesetzter Höhe im Falle des Todes eines Mitglieds.4 Eventuell wurden Sterbegelder beim Tod von Angehörigen (Ehefrau, leibliche Kinder) bezahlt, sofern diese Personen zuvor mit in die Kasseneinrichtung eingekauft worden waren. Dagegen rückte das Zunftbegräbnis als kollektiver Akt bei den Leichenkassen in den Hintergrund. Sowohl die frühen Beerdigungsgesellschaften als auch Leichenkassen öffneten sich häufig einem nichtzünftigen Interessentenkreis, wodurch die Bindungen zur Handwerksorganisation nachlassen konnten. Manche Leichenkassen wiesen kaum noch Berührungspunkte mit den traditionellen Handwerksorganisationen auf. Bei ihnen deutete am Ende des 18. Jahrhunderts nur noch der Name auf eine ursprüngliche Verbindung mit einer Innung hin. In den deutschen Territorien übernahmen Kasseneinrichtungen, die sich dem Begräbniswesen im Handwerk zuwandten, erst relativ spät versicherungsrechtliche Grundsätze. Ihre beitragszahlenden Mitglieder erhielten einen Anspruch auf bestimmte, festgeschriebene Leistungen, sodass sich am Ende des Untersuchungszeitraums einige Leichenkassen zu versicherungsähnlichen Institutionen gewandelt hatten. Selbst wenn die jeweiligen Strukturen ausschließlich innerhalb der Zunftbzw. Gesellenschaftsorganisationen zu verorten waren, existierten zwischen allen Entwicklungsstufen – religiöse Bruderschaft, Zunft- bzw. Gesellenbegräbnis ohne Zusatzorganisation, Beerdigungsgesellschaft, Sterbekasse – durchaus Übergangsund Mischformen. Oft traten die verschiedenen Entwicklungsprozesse parallel auf und überschnitten einander. Als vergleichsweise deutlichster, da gewerbeübergreifend und landesweit präsenter Einschnitt kann die Auflösung der religiösen Bruderschaften angesehen werden.

 4

Daneben gab es sogenannte Witwen- und Waisenkassen, die sich entweder nur dem Namen nach von Leichenkassen unterschieden oder ihre Leistungen ausschließlich bzw. hauptsächlich den in ihrer Bezeichnung geführten Personengruppen zukommen ließen. In den untersuchten Handwerksorganisationen fanden sich bis auf die „Wittwen und Wäisen Casse“ der Chemnitzer Schuhmacher keine echten Witwen- und Waisenkassen. StadtAC, RA, Kap. IX. Sg 6, [unpag.].

5. Begräbniswesen in den Handwerkszünften und Gesellenschaften

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5.2 RELIGIÖSE BRUDERSCHAFTEN IN DEN OBERSÄCHSISCHEN HANDWERKEN Unter religions- und politikgeschichtlicher Perspektive gilt die Reformation ohne Zweifel als gravierende Zäsur. Hinsichtlich sozialer Sicherungsfragen trifft diese Charakterisierung nur bedingt zu,5 da sich die reformatorischen Entwicklungen den verschiedenen Handwerksorganisationen, die sich der religiösen und sozialkaritativen Sicherung widmeten, nicht in umfassender Weise als abrupt und einschneidend darstellten. Am deutlichsten wird der durch den konfessionellen Wechsel ins protestantische Lager beschleunigte Wandel noch in den Sicherungsformen und Organisationsstrukturen der religiösen Bruderschaften sichtbar, auch wenn es sich bei diesen Einrichtungen nicht immer um klassische Handwerksinstitutionen handelte, da allein ihre Aufnahmebedingungen häufig nicht berufsspezifisch definiert waren.6 Der konsensuale Zusammenschluss einer Anzahl von Personen zu vorrangig religiösen, daneben oft zugleich karitativen Aufgaben der gegenseitigen Unterstützung mit Anbindung an eine Kirche, eine Kapelle, ein Kloster, einen geistlichen Orden oder ein Hospital mit gewissen Regularien, Strukturen und Ämtern wurde religiöse Bruderschaft genannt. Diese Fraternitäten gingen aus der religiösen spätmittelalterlichen Laienbewegung hervor und erlebten im 15. Jahrhundert einen enormen Aufschwung. Die auf freiwilliger Basis bestehenden Personenverbindungen waren auf Dauer angelegte Memorialgemeinschaften und umfassten vielfach Personen unterschiedlicher Berufsstände, Geschlechter und sozialer Stellungen.7  5 6

7



Reininghaus (Gesellenvereinigungen) 1984, S. 228. Auf die Problematik der Begriffsbildung und eindeutigen Unterscheidung von religiösen Bruderschaften und den eher weltlichen Handwerksorganisationen (Meisterzünften, Gesellenschaften) wurde im Kap. 3.1 eingegangen. Da aufgrund der geringen Quellendichte Informationen zu den religiösen Bruderschaften rar sind, wird im Folgenden die Beschränkung auf die Textil- und Bekleidungshandwerke aufgehoben. Zu den religiösen Aspekten und speziell zur geübten Memoria der Gesellenorganisationen siehe umfassend: REININGHAUS (Entstehung der Gesellengilden) 1980, S. 224–260. MC REE (Charity) 1993, S. 195f. – REMLING, Ludwig: Bruderschaften in Franken. Kirchenund sozialgeschichtliche Untersuchungen zum spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bruderschaftswesen (= Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg, Bd. XXXV). Würzburg 1986, S. 49f. Vgl. Ders.: Sozialgeschichtliche Aspekte des spätmittelalterlichen Bruderschaftswesens in Franken. In: JOHANEK, Peter (Hrsg.): Einungen und Bruderschaften in der spätmittelalterlichen Stadt (= Städteforschung, Reihe A: Darstellungen, Bd. 32). Köln, Weimar, Wien 1993, S. 150. Nach Remling ist die Frage nach einer möglichen Zwangsmitgliedschaft in den Handwerkerbruderschaften falsch gestellt. Die Mitgliedschaft ergab sich praktisch für jeden Handwerker von selbst durch das „Eingeordnetsein in das Handwerk“, wobei für Remling die von verschiedenen Historikern analysierten Handwerkerbruderschaften keine religiösen Bruderschaften im engeren Sinne darstellten, sondern gemeine Handwerksinnungen. REMLING (Bruderschaften in Franken) 1986, S. 342f. – Ders. (Sozialgeschichtliche Aspekte) 1993, S. 151. Eine Typologisierung der Bruderschaften schlägt vor: HARDTWIG (Genossenschaft) 1997, S. 72. Auf die Unterscheidung von Bruder-

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Eine besondere Form der Bruderschaften bildeten die Handwerkerbruderschaften, deren Mitglieder sich vermutlich innerhalb einer Meisterzunft oder Gesellenschaft vereinigten. Diese Personenverbände nahmen häufig die jeweiligen Ehepartner, Kinder und das Gesinde mit in die Memorialgemeinschaft auf. Bei der Bruderschaft der Leipziger Schneidergesellen konnten sich ein Schneidermeister und seine Ehefrau mit einem halben Gulden, „eine außwendige person“ mit zwei Gulden einkaufen.8 Andere Bruderschaftsverbindungen bestanden dagegen exklusiv aus Angehörigen eines bestimmten beruflichen Umfeldes oder konzentrierten sich auf ein soziales Merkmal und ließen nur Meister oder nur Gesellen zu. Im Zentrum der Aktivitäten der versammelten Bruderschaft stand das Totengedächtnis. Es wurde für das Seelenheil der Verstorbenen gebetet, wobei sich die „Brüder“ und „Schwestern“ untereinander auch physischen Beistand leisteten und sich stets aufs Neue ihres Gruppencharakters vergewisserten.9 Zur Memoria konnten je nach Aufgabenspektrum der Verbindung weitere Funktionen hinzutreten. Die Fraternitäten widmeten sich dem Begräbniswesen und übernahmen Aufgaben der Pflege und Versorgung ihrer notleidenden Mitglieder, doch kann eine aktive Armenpolitik nicht immer direkt nachgewiesen werden.10 Die Durchführung von Unterstützungsmaßnahmen in den religiösen Bruderschaften stellte in erster Linie keine soziale Pflicht dar, sondern wurde als religiöser Auftrag gesehen, um durch gute Werke in der Angst um das Seelenheil vor Gott bestehen zu können.11 Für die Mitglieder von grundlegender Bedeutung war, dass die kirchlichen, klösterlichen oder sonstigen religiösen Einrichtungen, an welche die Bruderschaften Anschluss suchten, die Laien an den frommen „Gnadenmitteln“ teilhaben ließen, ihnen christliche Begräbnisse oder begehrte Grabstellen boten. Die Überlassung des Ordens- oder Klostergewands zur Beerdigung galt für ein einfaches Bruderschaftsmitglied als besondere Ehrung.12 Die vorrangig religiösen und gemeinschaftlichen Funktionen ließen konsequenterweise die Bedeutung einer „materia schaft und verbundener Memorialgemeinschaft weist ausdrücklich hin: Meister (Altenburg) 2001, S. 27. 8 StadtAL, Inn Schneider A 1. Vgl. ZÖLLNER (Handelsstadt Chemnitz) 1888, S. 140. 9 OEXLE, Otto Gerhard: Die mittelalterlichen Gilden: Ihre Selbstdeutung und ihr Beitrag zur Formung sozialer Strukturen. In: ZIMMERMANN, Albert (Hrsg.): Soziale Ordnungen im Selbstverständnis des Mittelalters. 1. Halbband (= Miscellanea mediaevalia, Bd. 12/1). Berlin, New York 1979, S. 214. 10 MEISTER (Altenburg) 2001, S. 23. – MOLLAT, Michel: Die Armen im Mittelalter. München ²1987, S. 128. – OEHMIG, Stefan: Studien zum Armen- und Fürsorgewesen der Lutherstadt Wittenberg am Ausgang des Mittelalters und in der Reformationszeit. Diss. Berlin 1990, S. 54f. 11 STANISLAW-KEMENAH (Kranke, Arme und Elende) 2007, S. 7. 12 MATING-SAMMLER, Alfred: Zur Geschichte der Tuchmacherinnung in Chemnitz. In: [Rat der Stadt Chemnitz] (Hrsg.): Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten der Fabrik- und Handelsstadt Chemnitz auf das Jahr 1884. Chemnitz 1884, S. 231.

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listischen“ bzw. individuellen sozialen Sicherung der Betroffenen und ihrer Angehörigen zu einem Nebeneffekt abfallen.13 Nicht immer lassen die spärlichen Quellen aus dem obersächsischen Raum eine klare Unterscheidung von religiösen (Handwerker-)Bruderschaften einerseits und Handwerksinnungen bzw. (säkularen) Gesellenvereinigungen andererseits zu. Wurden religiöse Verpflichtungen in den Statuten der Handwerker aufgeführt, handelte es sich für gewöhnlich nicht um autonome Vereinigungen, sondern um Funktionen angeschlossener Einrichtungen.14 Existierende spätmittelalterliche Handwerksstatuten der untersuchten obersächsischen Städte regelten entweder ausschließlich nicht-religiöse Bereiche oder beschrieben religiöse parallel neben nicht-religiösen Pflichten. Handwerksorganisationen, deren Statuten auf religiösen wie nicht-religiösen Regelungen beruhten, stellten somit keine religiösen Bruderschaften im engeren Sinne dar, doch wurde bereits an früherer Stelle vermittelt, dass ein eigenständiges Bestehen reiner Memorialgemeinschaften der Handwerker nicht völlig auszuschließen ist. Ohne Zweifel konnte einer obrigkeitlich konfirmierten (säkularen) Innungs- oder Gesellenschaftsgründung der Zusammenschluss zu einer multifunktionalen Handwerkervereinigung inklusive religiöser Handwerkerbruderschaft vorausgehen.15 Selbst wenn eine organisierte „fraternitas“ nicht in jedem Fall dem Namen nach belegt werden kann, hielten die Meisterzünfte und Gesellschaften doch Kontakt zu kirchlichen und klösterlichen Einrichtungen, um von deren Gnadenschatz zu profitieren, durch welchen Verstorbene an bevorzugten Begräbnisstellen ihre letzte Ruhe fanden und ihrer durch die Memorialgemeinschaften gedacht wurde. Einmalige Unterstützungen und regelmäßige Zuwendungen aus den Reihen der Handwerksorganisationen, die in diese Richtungen zielten, lassen sich in Rechnungsaufstellungen, Stiftungsurkunden und anderen Quellenmaterialien durchaus finden. Die Handwerker boten zudem an, Jahrgedächtnisse für Personen innerhalb und außerhalb des Handwerks abzuhalten. Gegen Stiftungen oder Schenkungen wurde an einem besonderen Tag wie dem Namenstag des Gebers seiner und seiner Angehörigen gedacht.16 Im Spätmittelalter betätigten sich Bruderschaften in breitem Maße auf religiösem und karitativem Gebiet, doch ihr Wirken, welches sich in erster Linie auf den eigenen Mitgliederkreis bezog, ist quantitativ kaum genauer messbar.17 Die meis 13 Vgl. STANISLAW-KEMENAH (Kranke, Arme und Elende) 2007, S. 7. An anderer Stelle wird die Bedeutung der gemeinschaftlichen Solidarität und des kollektiven Ansehens gegenüber den individuellen Hilfsleistungen durch die religiösen Bruderschaften unterstrichen. MC REE (Charity) 1993, S. 198f., 202. 14 MEISTER (Altenburg) 2001, S. 146. 15 In seiner Untersuchung des Altenburger Bruderschaftswesens konstatiert Meister, dass es sich in den meisten Fällen wohl nicht um separate Bruderschaftsinstitutionen gehandelt habe. Ebd., S. 153f. 16 POSERN-KLETT, Karl Friedrich von (Hrsg.): Urkundenbuch der Stadt Leipzig, Bd. 2 (= Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae, Zweiter Haupttheil, Bd. 9). Leipzig 1870, S. 305, 409f. 17 OEHMIG (Wittenberg) 1990, S. 52.

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ten Personen in den größeren städtischen Siedlungen dürften damals Mitglied einer Bruderschaft gewesen sein. Allein in der kursächsischen Stadt Wittenberg, deren Bevölkerungszahl am Anfang des 16. Jahrhunderts zwischen 2.000 und 2.500 Personen schwankte, wurden 21 religiöse Bruderschaften gezählt, von denen einige ihre Mitglieder nach berufsspezifischen Kriterien auswählten. Aufgrund ihrer gemeinsamen gewerblichen Beschäftigung hatten sich aus der Wittenberger Handwerkerschaft jeweils die Tuchmacher, Gewandschneider, Steinmetze, Fleischer, Schusterknechte und Bäckerknechte in einer eigenen Bruderschaft zusammengeschlossen.18 Auch in vielen anderen Städten des Wettinischen Herrschaftsbereichs, darunter in den vier untersuchten Städten Chemnitz, Dresden, Leipzig und Zwickau, konnten religiöse Bruderschaften der Handwerker ermittelt werden.19 Die Zwickauer Katharinenkirche beherbergte vor der Reformation zehn Altäre, von denen der berühmteste, der Knappenaltar, der auch Fronleichnams- oder Wehraltar genannt wurde, in der Taufsteinhalle stand. Seine Bezeichnung verdankte er den Tuchknappen. Diese Gesellen hatten in den 1470er Jahren eine Fronleichnamsbruderschaft (Fraternitas Corporis Christi) begründet, deren geistigen Mittelpunkt der Knappenaltar darstellte. Hier wurden für die Knappen, Spinnerinnen und Krempler20 Messen gelesen und hier kam das bruderschaftseigene Leichengerät öffentlichkeitswirksam zum Einsatz. Häufige Schenkungen der Tuchmachermeister und -gesellen an die Katharinenkirche spiegelten sich bildhaft in den mit Werkzeugen des Handwerks geschmückten Kirchenfenstern des Altarraums wider. Eine innungseigene Schlaguhr auf dem Katharinenkirchturm wies bis 1810 auf die enge Verbindung nicht nur der Gesellenbruderschaft, sondern ebenso der Meister mit der Kirche hin.21 Der Zwickauer Historiker und Chronist  18 LAUBE / LOOSS (Flugschriften) 1983, S. 1033, 1036. – OEHMIG (Wittenberg) 1990, S. 53, 67. – STRAUBE, Manfred: Soziale Struktur und Besitzverhältnisse in Wittenberg zur Lutherzeit. In: Jahrbuch für Geschichte des Feudalismus 9/1985, S. 149. 19 Neben dem erwähnten Wittenberg und der umfassenden Untersuchung zu den Altenburger Bruderschaften sei nur auf Vereinigungen in Freiberg, Görlitz, Kamenz, Löbau, Pirna und Torgau hingewiesen. KNABE, Carl (Bearb.): Urkundenbuch von Torgau. Torgau 1902, S. 55, 62, 74, 79 u. ö. – KNEBEL (Handwerksbräuche) 1886, S. 80–86. – KNOTHE, Hermann (Hrsg.): Urkundenbuch der Städte Kamenz und Löbau (= Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae, Zweiter Haupttheil, Bd. 7). Leipzig 1883, S. 189, 301f. – NEUMANN, [o. V.]: Vier Urkunden, die Franziskanerbrüder in Görlitz betreffend. In: Neues Lausitzisches Magazin 26/1849, S. 82. – POSERN-KLETT, Karl Friedrich von (Hrsg.): Urkundenbuch der Städte Dresden und Pirna (= Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae, Zweiter Haupttheil, Bd. 5). Leipzig 1875, S. 442. – SCHANZ (Gesellen-Verbände) 1877, S. 210. – SCHULZE (Freiberg) 1918/19, S. 28. – SIEBER, Siegfried: Die städtische Gemeinschaft. In: FRENZEL, Walter / KARG, Fritz / SPAMER, Adolf (Hrsg.): Grundriß der Sächsischen Volkskunde. Leipzig 1932, S. 149. 20 Krämpel hießen die groberen Wollkämme der Wollarbeiter im Tuchmachergewerbe. KRÜNITZ (Encyclopädie) 1789, Bd. 46, Stichwort: Krämpel, S. 785. – GRIMM / Grimm (Wörterbuch) 1873, Bd. 5, Stichwort: Krämpel, Sp. 2008. 21 StadtAZ, A*A III 26, Nr. 2c, Briefe 1511–1515, Nr. 3. – BRÄUER (Armsein) 2007, S. 47. – BROD, Carl: Die Brüderschaften zu Beginn des 16. Jahrhunderts: In: Zwickauer Geschichtsblätter. Monatsbeilage des „Zwickauer Tageblatt und Anzeiger“ vom 12.06.1927. – CLEMEN, 

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Emil Herzog zählt fernerhin Handwerksbruderschaften der Gerber, Kürschner, Schuster, Bäcker und Schmiede auf.22 Auch eine Bruderschaft der Böttchergesellen hielt jährliche Begängnisse bei den Klosterbrüdern.23 Vermutlich Mitte des Jahres 1439 vereinigten sich die Leipziger Stellmacher und Maurer zu einer Bruderschaft, just als Mathias, der Provincial des Franziskanerordens in Sachsen und Professor der Theologie diesen Zusammenschluss in die Gemeinschaft der guten Werke des Ordens aufnahm.24 Zahlreiche weitere Handwerker-Bruderschaften sind aus Leipzig bekannt. Wie die Zimmerermeister dürften es die Schneider zuerst mit den Mönchen von St. Thomas gehalten haben, während sie sich später in die Bruderschaft ihrer Gesellen mit einkauften, die den Dominikanern (Paulinermönchen) nahe stand. Die Dominikaner-Predigermönche waren daneben bei den Gesellen des Bäcker- und Kürschnerhandwerks sowie den Meistern und Gesellen des Leineweberhandwerks beliebt.25 Schon ab dem 14. Jahrhundert nahmen die Barfüßermönche Dresdens Laien in ihre Bruderschaft auf. Die Schustergesellen schlossen sich dieser Klosterbruderschaft an und zahlten für die begehrte Beerdigung eines Gesellen auf dem Klosterkirchhof sechs Groschen. Sie durften das seidene Leichentuch der Bruderschaft gegen ein Entgelt nutzen, wodurch es zu Spannungen zwischen ihnen und dem städtischen Pfarrer bzw. den Pfarrkirchen aufgrund der entgangenen Spoliengelder (Gebühren für die Nutzung der kirchlichen Leichentücher) kam. Gleichfalls fanden die Schneidergesellen Anschluss an die bruderschaftliche Begräbnis- und Memorialgemeinschaft, indem regelmäßige Beiträge zu den Begängnissen an die Mönche gezahlt oder Kelche gestiftet wurden. Leider sind zu wenige Klosterrechnungen erhalten, um ein Muster in den Finanztransaktionen zu erkennen.26 Die 

22 23 24 25

26



Otto: Aktenstücke aus dem Zwickauer Ratsarchiv. In: Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte 20/1907, S. 253. – FABIAN, Ernst: Die Zwickauer Schulbrüderschaft. In: Mitteilungen des Altertumsvereins für Zwickau und Umgebung 3/1891, S. 51. – FRIEDRICH (Zwickau) 1935, S. 94, 99, 101. – HERZOG (Chronik I) 1839, S. 121, 124–126, 128f., 235. – Ders. (Chronik II/1) 1845, S. 135. – Ders. (Gewerbswesen I) 1850, S. 975f. – MUELLER (Tuchmacher-Handwerk) 1929, S. 30f. HERZOG (Chronik II/1) 1845, S. 174. Vgl. FRIEDRICH (Zwickau) 1935, S. 92 Anm. 147. SCHULZKE (Fachwortschatz) 1974, Bd. 2, Nr. 16. POSERN-KLETT (Urkundenbuch Leipzig I) 1868, S. 150. StadtAL, Inn Leineweber A 2. – StadtAL, Inn Schneider A 1. – StadtAL, Inn Zimmerer B 1, bes. Bl. 6b. – StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 37b. – FÖRSTEMANN (Urkundenbuch) 1894, S. 219. – GERMAR (Schneiderhandwerk) 1918, S. 24. – POSERN-KLETT (Urkundenbuch Leipzig I) 1868, S. 55f., 380. Selbst einmalige finanzielle Spenden, wie sie die Leipziger Barfüßermönche bei ihren Baumaßnahmen durch die Tuchscherer fanden, könnten zu Privilegierungen geführt haben. KUTSCHBACH (Tuchscherer-Innung) 1931, S. 17. HASCHE, Johann Christian: Diplomatische Geschichte Dresdens von seiner Entstehung bis auf unsere Tage. Nebst Urkundenbuch zur Dresdner Geschichte. Erster Theil. Dresden 1816, S. 453. – LINGKE (Schuhmacher-Innung) 1901, S. 19. – MÜLLER, Georg: Das Franziskanerkloster in Dresden. In: Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte 5/1890, S. 117–154. RICHTER, Otto: Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der Stadt Dresden. Zweiter Band: Verwaltungsgeschichte, Zweite Abtheilung. Dresden 1891, S. 311. – Ders.: Die ältesten Innungsord-

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Altendresdener Schneidermeister stifteten zusammen mit anderen frommen Menschen in der Gestalt der „Brüderschaft der heiligen 14 Nothhelfer und des heiligen Wolfgang“ einen Altar für die Pfarrkirche, an dem „etzliche Messen wochentlich“ gelesen werden sollten. Langfristig war die Einrichtung eines „ewigen Altars“ angedacht.27 Weitere Stiftungen von Altären und Kapellen belegten die Existenz von Bruderschaften der Böttcher, Fleischer, Töpfer, Steinmetze und Maurer in Dresden sowie der Fleischer und Riemer in Altendresden.28 In Chemnitz hatten die Franziskanermönche 1481 gegen den Widerstand des örtlichen Pfarrherrn mit dem Bau ihres Klosters begonnen, das erst 1485 die päpstliche Konfirmation erfuhr. In der Stadt gab es anscheinend eine erhebliche Nachfrage nach seelsorgerischer Zuwendung und diversen Begräbnisleistungen, denn bereits ein Jahr später wurden sowohl die Schuhknechte als auch die Tuchmacher in die Bruderschaft des Klosters aufgenommen.29 Etwa zur selben Zeit begannen auch die jährlichen Abgaben, welche die Mönche in dem „Kloster an der Pforte“ von den Leinewebern empfingen. Darunter befanden sich nicht zuletzt Zuwendungen dieser größten Innung der Stadt für die Begräbnisse ihrer Meister und Gesellen durch den Minoritenorden.30 Schließlich zahlten die Bäckergesellen regelmäßig einen Opferpfennig zum Begängnis in ihre Bruderschaft. Sie hatten wie alle anderen Mitglieder einer religiösen Bruderschaft den gemeinschaftlichen Vigilien und Seelmessen unter Strafandrohung beizuwohnen.31



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nungen der Dresdner Schuhmacher und Schneider. In: Dresdner Geschichtsblätter 2/1893, Nr. 2, S. 69f. KLEMM, Heinrich: Geschichte der altehrwürdigen und wohlangesehenen Dresdner SchneiderInnung von ihren ersten Spuren bis auf die Neuzeit. Eine Denkschrift zur Feier des vierhundertjährigen Jubiläums der Bestätigung des ältesten Innungs-Statuts. Dresden 1881, S. 10. – POSERN-KLETT (Urkundenbuch Dresden) 1875, S. 277. BUTTE (Geschichte Dresdens) 1967, S. 166. – HASCHE (Diplomatische Geschichte I) 1816, S. 346. – Ders.: Diplomatische Geschichte Dresdens von seiner Entstehung bis auf unsere Tage. Zweiter Theil. Dresden 1817, S. 79f. – RICHTER (Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte II) 1891, S. 311f. – SCHÄFER, W.: Zur Geschichte der öffentlichen Gebäude Dresdens. In: Dresdner Anzeiger. Amtsblatt des Königl. Bezirksgerichts, der Königl. Polizei-Direction und des Raths zu Dresden, Nr. 143 vom 22.05.1868, S. 11. – STANISLAW-KEMENAH (Kirche) 2005, S. 222. BRÄUER (Statuten) 1979, S. 14. – ERMISCH (Urkundenbuch) 1879, S. 448. – MATINGSAMMLER (Tuchmacherinnung) 1884, S. 231. – RICHTER, Adam Daniel: Umständliche aus zuverläßigen Nachrichten zusammengetragene Chronica Der, an dem Fuße des Meißnischen Ertzgebürges gelegenen, Churfürst. Sächß. Stadt Chemnitz, nebst beygefügten Urkunden. Erster Theil. Zittau und Leipzig 1767, S. 97f. – ZÖLLNER (Handelsstadt Chemnitz) 1888, S. 119, 139. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 305, S. 47. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 289. UHLE, Paul: Zwei Chemnitzer Gesellen-Ordnungen des 15. Jahrhunderts. In: Chemnitzer Neueste Nachrichten. Verbreitetste Chemnitzer bürgerliche Zeitung 37/1925, Nr. 164. Eine Teilnahmepflicht an den Totenfeiern ist für die Leinewebergesellen in ihren Artikeln von 1538 nachweisbar. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 305, S. 52.

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Während jedoch viele religiöse Bruderschaften in den katholischen Regionen die reformatorischen Umbrüche unbeschadet überstanden und sich weiterentwickeln konnten, endete die Präsenz dieser älteren Vereinigungen im ernestinischen wie im albertinischen Sachsen mit dem konfessionellen Lagerwechsel. Die infolge der Reformation eingeleiteten Kirchenvisitationen führten zu folgenschweren Beschlüssen wie demjenigen von 1533 aus Wittenberg. Nach diesem sollten neben den Gütern und Stiftungen der Hospitäler und Klöster „auch allen forrat an silber, ornaten, barschaft am gelde und schulden der kirchen und bruderschaften“ dem Gemeinen Kasten der Stadt zugeschlagen werden.32 Dabei waren in der Elbestadt die Auflösung der Bruderschaften und der Einzug ihres wertvollen Eigentums (Leichenornat, Kirchengerät) zugunsten der neu eingerichteten Fürsorge- und Versorgungseinrichtung mit Abfassung der Wittenberger Kirchenordnung seit 1522 in vollem Gange. Nach 1528 bestand allein die Priesterbruderschaft noch einige wenige Jahre.33 Eine vergleichbare Entwicklung in den anderen sächsischen Städten ist anzunehmen. Anders fiel die Situation bei den Handwerksorganisationen aus. Wenn sie nicht schon seit längerer Zeit auch religiös-karitativ ausgerichtet waren, so traten die primär zu ökonomischen Zwecken gegründeten Organisationen der Handwerksmeister und -gesellen nun stückweise die funktionelle Nachfolge der Bruderschaften an. Innerhalb der Zünfte und Gesellenschaften bestehende bruderschaftliche Strukturen überdauerten die Reformation und wurden funktionell neu ausgerichtet.34 Der Berliner Historiker Knut Schulz geht sogar „schon für die Zeit  32 PALLAS (Registraturen der Kirchenvisitationen) 1906, S. 15. Die erste Visitation der Parochie Zahna bestimmte 1528 den Einzug des Bruderschaftsbesitzes an den Gemeinen Kasten. Ebd., S. 368. Zum Wittenberger Hospitalwesen siehe: BÖHMER / KABUS (Wittenberg I) 1981. – BÖHMER, Wolfgang / KABUS, Ronny: Zur Geschichte des Wittenberger Gesundheits- und Sozialwesens. Teil II: Das 18. Jahrhundert. Wittenberg 1983. – LUDWIG, Ulrike: Die Universitätshospitäler in Wittenberg. Aspekte ihrer Entstehung und Funktion im Reformationsjahrhundert. In: OEHMIG, Stefan (Hrsg.): Medizin und Sozialwesen in Mitteldeutschland zur Reformationszeit (= Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, Bd. 6). Leipzig 2007, S. 169–196. – OEHMIG (Wittenberg) 1990, bes. S. 18–47. 33 BEYER, Michael: Die Neuordnung des Kirchengutes. In: JUNGHANS, Helmar (Hrsg.): Das Jahrhundert der Reformation in Sachsen. Sonderausgabe. Leipzig 2005, S. 98. – KERN, Bernd-Rüdiger: Die Sächsischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts. In: Sächsische Justizgeschichte. Bd. 9: Rechtsbücher und Rechtsordnung in Mittelalter und früher Neuzeit. Dresden 1999, S. 189. – LAUBE / LOOSS (Flugschriften) 1983, S. 1033, 1036. – OEHMIG (Wittenberg) 1990, S. 141. Vgl. STANISLAW-KEMENAH (Bedeutung der Armenfürsorge) 2004, S. 34–36. – WINDEMUTH, Marie-Luise: Das Hospital als Träger der Armenfürsorge im Mittelalter (= Sudhoffs Archiv. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte, Beihefte H. 36). Stuttgart 1995, S. 103. 34 Das starke nicht-religiöse, gesellige Moment als Grund des Fortbestehens führt an: MEISTER (Altenburg) 2001, S. 167. Nach der Dissertation von Paul Dalmer zum Innungswesen der Stadt Zerbst wurden die dortigen Zünfte als wirtschaftliche Zusammenschlüsse gegründet, während „erst später zuwandernde Meister aus dem Westen, zum Teil auch aus Magdeburg den bruderschaftlichen Charakter in die Innungen“ hineingetragen hätten. DALMER, Paul: Das Innungswesen der Stadt Zerbst bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. Diss. HalleWittenberg. Halle an der Saale 1910, S. 67.

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des Übergangs vom 15. zum 16. Jahrhundert von einer verstärkten Orientierung der Gesellen zum Spital“ aus. Er sieht darin eine deutlich vorreformatorische Bedeutungsverschiebung innerhalb der Gesellenorganisationen von religiösen zu sozialen Funktionen.35

5.3 DIE SICHERUNG EINES „EHRLICHEN“ BEGRÄBNISSES Mit der Reformation verschwanden neben den religiösen Bruderschaftsorganisationen die altgläubigen Memorialelemente aus den Zünften und Gesellschaften. Während in der Stiftungskultur und der praktischen Religionsausübung Anlehnungen an Vigilien, Seelmessen und Jahrgedächtnisse fortbestanden, wurden die zugehörigen religiösen Bestimmungen aus dem statutarisch verankerten Aufgabenbereich der Handwerksorganisationen gestrichen. In dem Maße, in welchem jedoch einige andere religiöse Funktionen überlebten, stieg deren Bedeutung für den Bereich der kollektiven Identität und, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, für den der sozialen Sicherung fühlbar an. Dabei ist in erster Linie an die Leistungen der Begräbnisvorsorge zu denken, die für die Mitglieder der Handwerksorganisationen und zum Teil für deren Angehörige angeboten wurden. Allerdings können Fragen der Hinterbliebenenversorgung davon nicht immer trennscharf unterschieden werden. Das Interesse des Einzelnen an einem angemessenen Begräbnis korrelierte unmittelbar mit der Kostenfrage, die zu einem bestimmten Zeitpunkt für den Betroffenen bzw. die Hinterbliebenen virulent wurde. Seit den frühesten Überlieferungen der Handwerksorganisationen stellte sich der Wunsch nach einem ehrbaren Begräbnis im Kreise der Berufskollegen und gegebenenfalls der Angehörigen als eine Konstante dar, die sich im gesamten Untersuchungszeitraum wiederfinden ließ. In vorreformatorischer Zeit wurden vorhandene Strukturen von den Handwerksorganisationen genutzt und neue Verbindungen zu religiösen Einrichtungen in Form von Fraternitäten etabliert, um ein „ehrliches“ Begräbnis zu generieren. Daneben verpflichteten sich Meisterzünfte und Gesellenorganisationen selbst zur sozialen Sicherung im Bereich des Begräbniswesens. Als soziale Sicherung können die einzelnen Bestimmungen in dem Sinne begriffen und gewertet werden, als dem Verstorbenen und seiner Familie die Kosten, die mit der Beerdigung in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang standen, verringert oder völlig von der Zunft oder der Gesellenorganisation übernommen wurden und den Betroffenen eine gewisse psychologisch relevante Sicherheit versprochen wurde.

 35 SCHULZ (Handwerksgesellen und Lohnarbeiter) 1985, S. 195.

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5.3.1 Allgemeine Bedeutung von Leichengang und Begräbnis innerhalb der Handwerksorganisationen Für die Zeit des Spätmittelalters bilden die Handwerksstatuten und Gesellenartikel äußerst wichtige Quellengattungen, da andere Aufzeichnungsformen nur in geringem Umfang stichhaltige Informationen liefern. Über den nicht unproblematischen Charakter dieser normativen Aufzeichnungen wurde bereits bei der Quellenauswahl gesprochen. Außerdem verzichteten zugegebenermaßen einige der spätmittelalterlichen Ordnungen (fast) völlig auf religiöse Festlegungen,36 was vermuten lässt, dass zur gleichen Zeit eventuell religiöse Bruderschaften bestanden, an denen die Handwerker Anteil hatten. Je nach den konkreten Umständen deutete dieses Fehlen auch auf die Selbstverständlichkeit bestimmter Verhaltensweisen, die nicht ausdrücklich verzeichnet werden mussten, oder auf eine sinkende Relevanz bestimmter religiöser Aspekte innerhalb der Zünfte und Gesellenschaften hin. Unter anderem konnte sich die letztere Möglichkeit in einer Verlagerung der Bestimmungen innerhalb der Struktur der Statuten bzw. Gesellenartikel ausdrücken. Setzten frühere Ordnungen, wie die Gesellenartikel der Zwickauer Tuchknappen vom 28. August 1670, mit diesen Normen ein, rückten die Themen Leichengang und zünftiges Begräbnis im Laufe der frühen Neuzeit an das Ende der Normierungen oder verschwanden ganz. Die Nachfolgeordnung der genannten Gesellenartikel der Tuchknappen stammte aus dem Jahre 1706 und erwähnte das zünftige Begräbniswesen nun an unscheinbarer vorletzter Stelle.37 In vielen Kreisladen- oder Landesordnungen wurden religiöse Angelegenheiten überhaupt nicht festgeschrieben und nach 1780 wurden separate Bestimmungen zum Begräbnis obsolet, da die Generalinnungsartikel das Nötige normierend geregelt hatten.38 Unabhängig vom Zeitpunkt der genauen schriftlichen Fixierung wurde spätestens mit der Auflösung der religiösen Bruderschaften der gemeinschaftliche Leichengang der Handwerker zentrales Element der sozialen Sicherung bei einem Todesfall. Seine Bedeutung steigerte sich bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts noch, indem er selbst in den Kirchenordnungen als gewichtigster Bestandteil des Beerdigungsaktes galt.39 Verstarb ein Meister oder ein Geselle, waren mindestens die Mitglieder der jeweiligen Handwerksorganisation verpflichtet, den Toten zu Grabe zu begleiten. Einige Mitglieder des Kollektivs wurden bestimmt, die Funktion der Leichenträger auszuüben, während ein Teil oder die Gesamtheit der Meister bzw. Gesellen sich dem Trauerzug anschloss. Kurz nach der Reformation legte die Leipziger „Begrebnus-Ordnung“ für die Handwerksmeister fest,  36 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 289. – StadtAZ, III x 1, Nr. 141b, Bl. 38–40, 73b–75. – POSERNKLETT (Urkundenbuch Leipzig I) 1868, S. 55f. – RICHTER (Innungsordnungen) 1893, S. 69f. 37 StadtAZ, X, 49, 124, Bl. 14–14b, 22. 38 Beispielsweise fehlten für die Schwarzfärber entsprechende Regelungen in ihren Handwerksund Landesordnungen. StadtAD, RA, C. XXIV. 274b, Bl. 253–255. – StadtAL, Inn Färber A 1. – StadtAL, Inn Färber A 2. – StadtAL, Inn Färber A 4. – StadtAL, Inn Färber A 6. – StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 332–336b. 39 KELLER (Armut und Tod) 2000, S. 214.

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5. Begräbniswesen in den Handwerkszünften und Gesellenschaften „das die jüngsten meister die Leiche zu grabe tragen und alle mit zu grabe gehen müssen, bey einer straffe, welchs denn der heiligen Geschrifft nicht ungemes, zu deme auch ehrlich und 40 erbarlich ist“.

Die üblichen statutarischen Regelungen sahen vor, dass die Personen, welche zum Grabgeleit verpflichtet waren, am Haus des Verstorbenen erscheinen mussten, „eher man die leiche erhebt unnd der zu grabe volgen unnd der vigilien ausharrenn“ sollten,41 wobei die Verpflichtung bezüglich der Totenmessen mit der Reformation hinfällig wurde. Nach der Beerdigung sollte sich die Trauergemeinschaft dem Gang der Hinterbliebenen erneut anschließen und sie bis zurück zum „Trauerhaus“ geleiten. Auch andere Angehörige des Meisterhaushalts wurden mitunter im Rahmen eines zünftigen Begräbnisses bestattet, doch waren nicht in allen Handwerken Regelungen bezüglich der Familienmitglieder, geschweige denn der Lehrlinge, Mägde und anderer Mitglieder des Haushalts vorzufinden. Mit dem kollektiven Leichengang und einer anschließenden würdevollen, vielleicht sogar aufwendigen Beerdigung brachte die Handwerkergemeinschaft dem Verstorbenen und seiner zurückgelassenen Familie große Ehrerbietung entgegen. Dem aus ihrer Mitte Scheidenden wie den Hinterbliebenen wurden eine normengerechte Mitgliedschaft innerhalb der Handwerkskorporation ebenso wie die persönliche Ehrbarkeit bezeugt. Die Zusicherung eines zünftigen Begräbnisses verhieß jedoch nicht zugleich eine Übernahme der (kompletten) Begräbniskosten durch die Gemeinschaft. Gleichwohl stellte sich ein solches Begräbnis für die Handwerker und ihre Familien als großer Trost, psychologische Stütze und immaterielle Form42 sozialer Sicherung dar, denn auf jeden Fall wirkte die Mitgliedschaft in der Korporation identitätsstiftend und erhöhte die Sicherheitsperzeption. Für den Fall, dass ein solcher Begräbnisakt abgelehnt wurde, mussten nämlich entweder höhere Aufwendungen durch die Hinterbliebenen getragen werden oder es drohte eine nicht standesgemäße Beerdigungsform. Bei einer „unehrlichen“ Person verscharrten die städtischen Totengräber oder Scharfrichter die Leiche ohne alle Ehren in ungeweihter Erde. Bei einem „Eselsbegräbnis“ wurde der tote Körper einfach aus der Stadt hinaus transportiert und an Weggabelungen oder Straßenkreuzungen unbeerdigt abgelegt. Selbst wenn sich der Verstorbene nichts Ehrenrühriges zuschulden kommen gelassen hatte, drohte bei Armut neues Unheil. Fehlten den Hinterbliebenen die nötigen Mittel, sprangen die Städte, Gemeinden, Nachbarschaften oder andere Korporationen ein, um dem Verstorbenen mit minimalem Aufwand ein Armenbegräbnis auszurichten. Die Beisetzung einer solchen „Almosenleiche“ stand zwar nicht symbolisch für die Unehrbarkeit des Verstorbenen wie ein „unehrliches“ oder „Eselsbegräbnis“, demütigte aber den Betroffenen und seine Familie schwer. Aufschlussreich spricht ein Schreiben des Schneidermeisters J. W. Keilweit über wahr gewordene Be 40 Der Stad Leipzig allerley Ordnunge 1544 (UBL-Signatur: Hist.Sax.1104 l). 41 StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 89b. 42 FRÖHLICH (Sicherung) 1976, S. 229.

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fürchtungen einer nicht standesgemäßen Beerdigung. Gegenüber dem Dresdner Stadtrat schilderte Keilweit: „Am 23ten vorigen Monats habe ich mein, mir verstorbenes Kind auf meine Kosten zur Erde bestatten lassen. Wie ich nun vor Kurzem erfahren habe, ist diesem ein Grab an dem Platze des Weidenkirchhofes angewiesen worden, wo die Grabstätte derjenigen, welche sich selbst entleibt haben, desgleichen derer sich befinden, welche auf Kosten des Armenfonds bestattet werden. Es kann mir jedoch keinesweges gleichgültig seyn, unter meinen Mitbürgern als ein solcher betrachtet zu werden, welcher diese Kosten nicht mehr aus seinen Mitteln habe be43 streiten können, und mich sogar vielleicht der Spöttelei Anderer auszusetzen.“

Die beschämende und völlig haltlose Annahme, dass sich Keilweit ein „ehrliches“ Begräbnis mit zugehöriger Grabstelle nicht leisten könne, sei seinem Kind und insbesondere ihm angetan worden. Der Schneidermeister forderte die Exhumierung des Kindes auf Kosten des verantwortlichen Kirchners.44 Die unmittelbare Nähe zu den Grabstellen „unehrlicher“ Personen potenzierte den Makel noch und wurde bis weit ins 19. Jahrhundert hinein als Schande und persönliche Ehrverletzung verstanden. Um der verbreiteten Angst vor einem Armenbegräbnis zu entgehen, stellte das Begräbnis im Kreis der Berufsgenossen eine wichtige Alternative dar. Ohne das Zutun der Handwerksorganisationen fürchteten die Hinterbliebenen außerdem nicht selten höhere finanzielle Aufwendungen, die aufgrund der geringen Subsistenzmittel in breiten Teilen der Handwerkerschaft kaum durch vorsorgliches Sparen aufgebracht werden konnten.45 Der Leichenzug und das gemeinsame Erleben der Beerdigung sollten jedem Beteiligten nachvollziehbar seinen Platz inmitten einer größeren solidarischen Gemeinschaft vermitteln. Zugleich präsentierte sich die Teilnehmerschaft durch diese öffentlichen Akte gegenüber der übrigen Gesellschaft als soziale Gruppe. Dabei wirkten sowohl gruppeninterne Disziplinierungskräfte (Innendimension) als auch exklusive Abgrenzungsmechanismen (Außendimension). Damit die Leichenprozession und das Zunft- bzw. Gesellenbegräbnis ihre Wirkungen als öffentliche und kollektive Akte entfalten konnten, waren Kleidungs- und Verhaltensvorschriften ebenso zu beachten wie Rangfragen. Normverletzungen wurden sanktioniert. Am häufigsten kamen unentschuldigtes Fehlen, zu spätes Eintreffen oder unangemessene Kleidung vor. Da die Disziplin, sich pünktlich oder überhaupt zu den Leichengängen und Begräbnissen einzufinden, zu wünschen übrig ließ, reagierte man auf zweierlei Weise. Das Niveau der Straf 43 StadtAD, RA, B. XVI. 118e, Bl. 1–1b. 44 Ebd., Bl. 1b. 45 Zu den verschiedenen Begräbnisformen siehe: LINDEMANN, Mary: Armen- und Eselbegräbnis in der europäischen Frühneuzeit, eine Methode sozialer Kontrolle. In: BLUM, Paul Richard (Hrsg.): Studien zur Thematik des Todes im 16. Jahrhundert (= Wolfenbütteler Forschungen, Bd. 22). Wolfenbüttel 1983, S. 125–139. Die weit verbreitete Furcht vor einem Begräbnis „von Armen wegen“ ist noch im 20. Jahrhundert dokumentiert. GEIGER, Paul: Begräbnis. In: BÄCHTOLD-STÄUBLI, Hanns (Hrsg.): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Berlin, Leipzig 1927 (ND Berlin 2000). Bd. 1: Aal-Butzemann, Sp. 997.

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maßnahmen konnte erhöht werden, während zugleich die Mitglieder verstärkt zur Teilnahme ermahnt wurden. Es konnten aber auch die verschiedenen Bestimmungen zur Teilnahme gelockert werden. Damit war die Hoffnung verbunden, dass die abgemilderten Anforderungen nun umso eher eingehalten würden, wogegen sich die Anzahl der sanktionswürdigen Vorfälle vermindern sollte.46 Die Schneider in Dresden weigerten sich dennoch vehement, die Leichen der mit ihnen in einer Innung verbundenen Neudresdener Meister auf deren Gottesacker zu begleiten. Erstere meinten, sie würden zu viel von ihrer Arbeit versäumen, da die Beerdigungen zur Unzeit stattfinden würden. Sie provozierten die Neudresdener sogar mit dem Angebot, jene sollten sich doch von der gemeinsamen Zunft „separiren“. Erst mit der Intervention des Stadtrates gaben die Schneider Ruhe.47 Besonders das Handwerk der Chemnitzer Weber hatte mit schwindendem Pflichtbewusstsein seiner zahlreichen Mitglieder zu kämpfen. Die steigende Zahl der Zunftmeister und die wachsenden Gegensätze zwischen den Mitgliedern trugen zur Entfremdung der Berufskollegen voneinander bei. Außerdem häuften sich die Sterbefälle und Begräbnistermine, wodurch die Arbeitsausfallzeiten anstiegen. Traditionelle Strafgelder genügten nicht, der mangelhaften Leichenbegleitung, die „dem Handwercke zur größten Schande gereichen thäte“,48 effektiv beizukommen, da viele Handwerker die Strafzahlung verweigerten oder ihre Normverstöße gänzlich leugneten. Daher wurden bei den Webern wie in vielen anderen Handwerksorganisationen Leichen- oder Grabzeichen eingeführt. Diese aus Holz oder Metall bestehenden, individualisierten Kontrollmarken sammelten Personen der Zunft oder der Gesellenschaft kurz vor oder nach dem Begräbnis von den Teilnehmenden ein und prüften die Marken auf ihre Vollzähligkeit. Fehlende Zeichen belegten die Regelverletzung, führten zu Geld- oder Wachsstrafen und dienten somit als eine Einnahmequelle, die unter anderem zum Erhalt des Leichenornats beitrug. Dennoch konnte beispielsweise die Einführung der Leichenzeichen 1613 durch die Chemnitzer Weber nicht verhindern, dass noch im selben Jahrzehnt Klagen über ein nachlassendes Pflichtgefühl, die verstorbenen Mitbrüder zu begleiten, laut wurden. Selbst Fälschungen der Kontrollzeichen traten auf, weshalb in den 1780er Jahren neben der Einführung neuer Marken zudem „NahmenStempel“ angefertigt wurden, um der mangelnden Disziplin Herr zu werden.49 Bei dem Anfang des 18. Jahrhunderts mehr als 150 Meister zählenden Leipziger Schneiderhandwerk wurden sogar zehn bis zwölf Deputierte als Amtsträger verpflichtet, die fehlende Personen „bei den Leichen“ aufschreiben sollten.50

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StadtAD, 11.2.46, Nr. 75h, Bl. 73b. StadtAD, 11.2.54, Nr. 18. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 294. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 305, S. 139. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 362, Bl. 80. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 145b. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 266. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 413, Bl. 8b. 50 StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 7, 48b.

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5.3.2 Teilnehmerkreis des Leichengangs Je nach gewerblichen oder organisatorischen Gegebenheiten nahmen am Leichengang verschiedene Personengruppen der Korporation in unterschiedlichen Funktionen teil. Es können drei Varianten unterschieden werden. Hielten Meister und Gesellen gemeinsame Zusammenkünfte, lag es nahe, die Leichengänge gemeinsam zu absolvieren. Auf den Handwerkstreffen wurde in vereinigter Runde gegessen und getrunken, es wurden Beiträge in die gleiche Handwerkskasse einbezahlt und oft hielten Meister und Gesellen ihre Versammlungen unter dem Dach einer einzigen handwerksrechtlichen Ordnung ab. Entsprechend zeigten die Handwerksmeister und -gesellen bei einem Todesfall ihre Verbundenheit und richteten ein gemeinschaftliches Begräbnis aus. Relativ eigenständige Gesellenorganisationen beförderten dagegen ein autonomes Begräbniswesen der Gesellen. Die Gesellenschaft war dazu befähigt, wenn eine gewisse Größenordnung erreicht wurde. Als dritte Form kann die einseitige Verpflichtung der Gesellen zur Leichenfolge bei den Meistern (und deren Angehörigen) zusätzlich zu ihren eigenen „Kollegen“ angesehen werden, die nicht auf einer wechselseitigen Verpflichtung der Meister gegenüber ihren abhängig Beschäftigten beruhte (Tabelle 12).

A) Getrennter Leichengang Betrachtet man exemplarisch die Chemnitzer Bekleidungs- und Textilhandwerke, findet sich am häufigsten die nach Meister oder Gesellen getrennte Ausrichtung des Leichenganges. Noch in vorreformatorischer Zeit bestimmten die Gesellenartikel der Chemnitzer Leineweber, dass die gesamte Gesellenschaft der Leiche eines verstorbenen Mitglieds zur Seelmesse folgen und danach den Verstorbenen „ordenglichen mit kertzen und Tuch [...] und gleich einen meister“ bestatten sollte.51 Dagegen besagte ein vom Stadtrat 1590 bestätigter Beschluss des Handwerks: „Erstlich wan ein meister oder meisterin stirbett, sol aus ider wergkstadt oderr hausse, uffs wenigste eins, entwieder der meister oder meisterin mit der Leiche gehenn und vor Leich52 hausse uff den kirchhoffe das gleidt geben.“

 51 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 305, S. 48. Vgl. StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 162. Im Jahr 1618 sei die Leichenfolge sogar auf die Frauen der Gesellen ausgedehnt worden. Gleiches galt für die Zwickauer Tuchknappen nach ihrer Ordnung von 1670. StadtAZ, X, 49, 124, Bl. 22. – BRÄUER (Chemnitz zwischen 1450 und 1650) 2005, S. 154. 52 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 145b. In einem Schreiben von 1619 wurde die Leichenfolge erneut thematisiert, ohne dass eine Begrenzung der Personenzahl je Haus erwähnt wurde. Es blieb aber vermutlich in Kraft, da 1731 erneut von dem üblichen „halben“ Handwerk beim Leichengang die Rede war. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 362, Bl. 80. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 409, Bl. 134.

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Im 16. Jahrhundert war in Chemnitz allein die Meisterschaft des Leineweberhandwerks zwischen 100 und 200 Personen stark und damit groß genug, um einen von den Handwerksgesellen gesonderten und dennoch repräsentativen Leichenzug abzuhalten. Einen eigenen Leichengang hatten vermutlich auch die Chemnitzer Meister der Schneider und Tuchmacher vereinbart.53 Die Innung der Letzteren erreichte zu Beginn des 17. Jahrhunderts eine Größenordnung, die es gestattete, nicht allein getrennt von den Gesellen aufzumarschieren, sondern die es eventuell sogar aus ordnungspolitischen Überlegungen angemessen erscheinen ließ, die Teilnehmerzahl des Leichenzuges ähnlich den Webern auf eine Person pro Werkstatt zu begrenzen.54 Zwar waren die Schneider vermutlich bis weit in das 18. Jahrhundert keineswegs in ihrer Größe mit den Tuchmachern und Leinewebern vergleichbar, dennoch leisteten sie sich anscheinend einen nach Meistern und Gesellen geschiedenen Leichengang. Bei den Meistern wurden auch deren Ehefrauen, Witwen und Kinder zu Grabe getragen. Anwesenheitspflichtig waren bei diesen Zunftbegräbnissen allein die Meister und mutmaßlich die Witwen.55 Vor allem durch die weiter fortschreitende, allmähliche Auflösung des geselligen Charakters der zünftigen Gemeinschaften änderte sich die Situation bezüglich des Leichengangs im 18. Jahrhundert. Die Chemnitzer Weberinnung überschritt in den 1730er Jahren die Marke von 500 Meistern, ohne dass bereits die Meisterwitwen eingerechnet worden wären, und stieg in der Folgezeit weiter sprunghaft an. Einerseits führten das zahlenmäßige Wachstum und die Zunahme der innerzünftigen sozioökonomischen Differenzierung des städtischen Weberstandes zu einem Nachlassen identitätsstiftender Gefühle und Denkweisen der Zunftmitglieder untereinander. Die Disziplin, eine Zunftleiche zu begleiten, litt mittlerweile stark. Klagen über mangelnde Beteiligungen oder miserables Betragen beim Leichengang nahmen zu. Gesellige Aktivitäten, welche eine gemeinsame Identifikationsbasis hätten erneuern können, waren größtenteils verloren gegangen. Aufgrund der erheblichen Einkommens- und Vermögensunterschiede und der zahlenmäßigen Dimension engagierten sich nur noch die Zunfteliten und ausgewählte Deputierte regelmäßig auf den Zunftversammlungen der Weber. Andererseits bedrohten Landhandwerk und Manufakturwesen sowie das Anwachsen der verarmten oder von Armut direkt bedrohten unteren städtischen Schichten die Existenz der traditionellen Handwerksorganisation. Diese Entwicklungen trugen dazu bei, dass die getrennte Leichenbegleitung nach Meistern und Gesellen bei den Webern aufgehoben wurde. Ein Teil der Meister sollte fortan gemeinsam mit  53 Völlige Klarheit darüber, welcher Personenkreis am Leichengang teilnahm, herrscht im Gegensatz zu den Chemnitzer Leinewebern allerdings nicht, da keine Gesellenartikel vorhanden sind. Die Zunftstatuten beschreiben zwar nur die Leichenfolgepflicht für Handwerksmeister und deren Ehefrauen bzw. Witwen, Gesellen waren eben aber auch nicht die Adressaten dieser Ordnungen. 54 StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 2, Bl. 14b. 55 StadtAC, RA, Kap. IX. Se 8, Bl. 5b.

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ihren eigenen Angestellten den Leichen der Meister, Ehefrauen, Witwen, Kinder und Gesellen folgen, um ein leidlich angemessenes Zunftbegräbnis zu bewerkstelligen. Konterkarierend zu diesen Bemühungen wirkten Beschlüsse, welche die Zunftältesten privilegierten. So hatte angeblich das ganze Handwerk beschlossen, die ältesten 100 Meister samt den Obermeistern von der Pflicht des Leichengangs zu befreien.56 In den drei anderen, hier näher betrachteten Städten gestalteten sich die Dinge ähnlich. Das relativ große Zwickauer Schuhmacherhandwerk begrub die Meister und deren Familienangehörige getrennt von den Gesellen und umgekehrt.57 Gleiches galt für das bedeutende Zwickauer Tuchmacherhandwerk, doch konnten sich hier vermögendere Meister eine Begleitung durch die Gesellenschaft erkaufen: „Deßgleichen so ein Meister, sein Weib oder Kinder stürben vnd er die Knappen begehren würde, solcher verstorbenen Leiche das gleit zue geben, der soll 6 g erlegen, halb der Brüederschafft, wenn sie gemein bier trincken, und die andere helffte in die lade Vnd sollen also alle Knappen, wer sie auch weren, Keiner außgeschloßen, wenn sie durch den KnappenKnecht zum begräbnüß erfordert werden, sich neben den Altknechten bey dem Vater uf der 58 Herberge sich versamlen und mitgehen.“

Die zusätzliche Bezahlung an die Gesellen und die enorme Zahl der Begräbnisteilnehmer wirkte als besondere soziale Auszeichnung des Verstorbenen und seiner Familie. Auch Dresdner und Leipziger Tuchmacher und Schuhmacher gingen laut den Statuten nach Meistern und Gesellen getrennt.59 Schließlich sollen Beispiele aus zwei Leipziger Handwerken zeigen, dass sich scheinbar fest gefügte Sepulturgebräuche änderten. Am Ende des 15. Jahrhunderts schritten die Webermeister der Stadt gemeinsam mit ihren Gesellen zu den Begräbnissen und noch die letzte vorreformatorische Handwerksordnung bestätigte diese Tradition. Alle nachfolgenden Statuten sprachen jeweils ausschließlich von Meistern und Meisterinnen, d. h. Meisterfrauen bzw. Meisterwitwen, die den Leichen zu folgen hätten. Selbst die Strafgelder für versäumte Beerdigungen konzentrierten sich auf die meisterlichen Ehepaare. Die Gesellen wurden dagegen offensichtlich nicht mehr hinzugefordert. Ähnliches ließ sich im Schneiderhandwerk beobachten. Die auffällige Veränderung der Regelungen könnte mit den reformatorischen Umbrüchen in Zusammenhang stehen. Gab es vor 1539 in Leipzig eine Memorialgemeinschaft der Leinewebermeister und -gesellen bei den Pauliner 56 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 318. Über die Chemnitzer Schneider und Tuchmacher fehlten leider vergleichbare Informationen aus dem 18. Jahrhundert. 57 StadtAZ, X, 41, 1, [unpag.]. – StadtAZ, X, 41, 26, Bl. 3b. 58 StadtAZ, X, 1, 14, Bl. 93. 59 StadtAD, 11.1.66, Nr. 76, [unpag.]. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 1, Nr. 22, [unpag.]. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 2, Nr. 19, [unpag.]. – StadtAD, 11.2.66, Nr. 64, Bl. 5. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 291b–220. – StadtAD, RA, C. XXIV. 274b, Bl. 10, 77. – StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 89b, 199. – StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 356. – StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 313–313b. – StadtAL, Inn Schuhmacher D 1, S. 16. – StadtAL, Inn Tuchmacher A 1, Bl. 8.

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mönchen und eine Bruderschaft der Schneidergesellen, die „zue sant Paul“ Begräbnisse und Seelmessen hielt und für Schneidermeister und deren Ehefrauen offen stand, erschienen jeweils gemeinsame Leichengänge als natürlich und angemessen. Mit dem Ende der religiösen Bruderschaften entfielen die vereinten Begräbnisleistungen. Fortan schritten die Mitglieder der beiden Handwerke getrennt nach ihrem Sozialstatus zu den Beerdigungen. Möglich wurde diese Entwicklung des 16. Jahrhunderts durch das Wachstum der Meister- und Gesellenzahlen in beiden Leipziger Zunfthandwerken.60

B) Gemeinsamer Leichengang Für die vorreformatorische Zeit versagen die Quellen flächendeckende Angaben zur Begräbniskultur. Gemeinsame religiöse Bruderschaften der Meister und Gesellen eines Handwerks zogen, wie bei den Leipziger Webern gezeigt, sicher vereinte Beerdigungspraktiken nach sich. Nach der Reformation kamen primär die zahlenmäßig sehr kleinen Handwerke nicht umhin, gemeinsame Leichengänge und Begräbnisse der Handwerksangehörigen zu veranstalten. Dies traf auf das exklusive Gewerbe der Tuchscherer und Scherenschleifer zu. Dafür legten die Scherer und Schleifer in ihren Landesordnungen die Zahl derjenigen relativ weit aus, denen ein Zunftbegräbnis vergönnt wurde. Es sollten, „ob ein Meister, deßelben Weib, Kinder, Gesellen oder Gesinde in Gott verschieden, die Jüngsten Meister dießelbe zur grabe tragen vnd die andern Meister vnd Gesellen zum Be61 gräbnus nachuolgen bey straff eines groschen.“

Gleiches galt für die sieben bis acht Dresdner Posamentierer zu Beginn des 17. Jahrhunderts, die sogar andere Handwerke anrufen wollten, wenn nicht genügend Träger vor Ort wären, „damit die Leichen ehrlichen zur erden bestettiget werden“.62 Nachdem die Landesinnung der Barettmacher bereits einen Leichengang der Meister, Meisterfrauen, Witwen und Gesellen für alle Verstorbenen der Innung festgeschrieben hatte, verschwand die Begräbnisregelung aus den Landesordnungen, als sich die Barettmacher mit den Strumpfstrickern zusammenschlos 60 StadtAL, II. Sektion S (F) 1423, Bl. 8b–10b. – StadtAL, Inn Leineweber A 1. – StadtAL, Inn Leineweber A 2. – StadtAL, Inn Schneider A 1. – StadtAL, Inn Schneider A 2. – StadtAL, Inn Schneider C 1, Bl. 5. – StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 3–3b, 281b. – StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 85b–86, 140b–141b. – StadtAL, Zunftbuch IV, Bl. 45b. Die nach der Reformation verfassten Gesellenartikel, Hauptbriefe und Landesordnungen der beiden Handwerke enthielten keinerlei Bestimmungen zum Begräbniswesen. StadtAL, Inn Schneider A 3. – StadtAL, Inn Schneider C 2, Bl. 51–57. – StadtAL, Tit. LXIV (F) 152, Bl. 14–17. – StadtAL, Tit. LXIV (F) 263, Bl. 18–19, 24–27. – StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 6–7b, 151–154b. 61 StadtAZ, X, 50, 15, [unpag.]. Vgl. StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 216b–217. – StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 274b. – StadtAL, Zunftbuch IV, Bl. 100. – StadtAZ, X, 1, 14, Bl. 53b. – StadtAZ, X, 1, 15, Bl. 24b. 62 StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 1, Bl. 123b.

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sen. Dadurch kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob es in diesem Handwerk seit dem 17. Jahrhundert noch gemeinsame Meister- und Gesellenbegräbnisse gab.63 Gemeinsame Leichenbegleitungen waren darüber hinaus für die relativ kleinen Innungen der Posamentierer, Schönfärber, Tuchbereiter und Hosenstricker in Leipzig belegbar.64 Doch während nach Meister und Gesellen getrennte Begräbnisse vermutlich nur bei größeren Gewerben auftraten, galt diese Ausschließlichkeit für gemeinsame Leichenbegleitungen und Begräbnisse nicht. Die viele Dutzend Personen umfassenden Handwerke der Leineweber und der Schneider zu Dresden standen hierfür als Exempel. Die Webergesellen waren allein bei dem Tod eines Meisterkindes von der Leichenfolge befreit. Bei den Schneidergesellen schwiegen zwar die Artikel vor dem 18. Jahrhundert, doch konnte eine Verpflichtung der Meister, an den Gesellenbegräbnissen teilzunehmen, höchstwahrscheinlich nur mit einer gegenseitigen Ehrerweisung der Gesellenschaft einhergegangen sein. Dagegen bewirkte das enorme Wachstum sowohl der Dresdner Meister- als auch der Gesellenorganisation, dass Werkstattinhaber wie abhängig Beschäftigte im 18. Jahrhundert nicht mehr zu gemeinsamen Leichengängen einbestellt wurden und erst ein Statutenentwurf von 1830 dies erneut vorsah.65

C) Einseitige Verpflichtungen Recht selten wurden als eine dritte Variante einseitig die Handwerksgesellen in doppelter Weise verpflichtet. Im jungen Zwickauer Strumpfwirkerhandwerk wurden sie genötigt, sowohl bei den eigenen Gesellenschaftsmitgliedern als auch bei den Meistern und deren Frauen zu Grabe mitzugehen. Dagegen bestand für die Meister keine reziproke Leichenfolgepflicht bei einem verstorbenen Mitglied der Gesellenorganisation. Damit waren die Zwickauer den Chemnitzer und Dresdner Gesellen des gleichen Handwerks gegenüber im Nachteil, da in der Elbestadt zumindest ein Teil des Meisterehepaares zu den Gesellenbegräbnissen erscheinen musste. Die mit Strafgeldzahlungen unterlegte Pflicht, an den Begräbnissen der Meister und ihrer Angehörigen teilzunehmen, wurde in den Chemnitzer Gesellen 63 StadtAD, 11.1.4, Nr. 6, [unpag.]. Keine Hinweise finden sich mehr in: StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 1, Bl. 292–298. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 250–259, 484– 491b. 64 StadtAL, Tit. LXIV (F) 129, Bl. 5. – StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 305. – StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 322. – StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 23b, 291b. Nach dem Zusammenschluss der Posamentierer mit anderen Leipziger Handwerken zu einer „Leichen Gesellschafft“ existieren keine Hinweise mehr für einen gemeinsamen Leichengang der Meister und der Gesellen. Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Bibliothek I L 35, [unpag.]. 65 StadtAD, 11.2.54, Nr. 183, Bl. 3d, 90–91. – StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 65, [unpag.]. – StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 67, [unpag.]. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 1, Bl. 288b–289. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 2, Bl. 118b–119. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 42b–43, 324–324b, 361b–362. – POSERN-KLETT (Urkundenbuch Dresden) 1875, S. 277.

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artikeln von 1786 wieder aufgehoben und durch einen moralischen Appell ersetzt. Der 19. Artikel bestimmte damals, „daferne und so offt ein Geselle verstürbe, soll ein jeder Geselle, Niemand ausgeschloßen, ihn zu Grabe geleiten, jedoch findet kein[e] Conventional-Strafe statt, auch kein Zwang“. Diese liberale Formulierung stellte eine Ausnahme unter den Begräbnisbestimmungen der verschiedenen Handwerke dar. Vermutlich war die Anwendung der Bestimmung in der Praxis weniger freiheitlich, als es der Artikel suggerierte, denn zahlreiche Quellen über alle Handwerksgrenzen hinweg belegen die tendenziell mangelhafte Motivation zur Leichenfolge.66 Weitere Beispiele der dritten Variante der Leichenfolge waren rar gesät. In der ältesten Leipziger Leineweberordnung wurden Knappen zwar mit drei Pfennigen bestraft, wenn sie nicht an dem Haus des verstorbenen Meisters oder seiner Frau waren, „ehir man die Leiche erhebet“, doch ob auch Meister und Meisterfrauen einer Gesellenleiche folgen mussten, wurde nicht geregelt.67 Die große Tuchknappenschaft in Zwickau verpflichtete sich Anfang des 18. Jahrhunderts, „freiwillig“ an den Leichengängen eines Meisters, seiner Frau und der Kinder teilzunehmen. Diese Zusage, die in der Folgezeit sicherlich einer festen Pflicht glich, erstreckte sich aber nicht auf minderjährige Meisterkinder, „so noch nicht zum heiligen Abendmahl gewesen“. Bei diesen Kindern wurde auch die Zahl der verpflichteten Meister mengenmäßig stärker begrenzt.68 Der umgekehrte Fall einer einseitigen Verpflichtung der Meister und ihrer Frauen kam ebenfalls vor, stellte aber eine Sonderform der zünftigen Begräbnisleistungen dar. Ein Appell, den Leichen von Gesellen, Lehrlingen, Mägden, Eltern, Freunden usw. zu folgen, konnte tatsächlich allein an Handwerksmeister, Meisterfrauen und -witwen gerichtet werden. Er tauchte im Rahmen von einzelnen innungseigenen Beerdigungsgesellschaften auf, wenn bestimmten ehrsamen Personen ein zünftiges Begräbnis gekauft wurde.69

5.3.3 Leichentragepflicht Je nach Begrenzung des Teilnehmerkreises für den Leichengang wurden die Boten, welche die Teilnehmer zu diesem Ereignis einluden, und die Träger der Leiche bestimmt. Entweder hatten die jüngsten Gesellen bzw. Meister70 diesen  66 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 213, Nr. 1, [unpag.]. – StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 337– 337b. – StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 7, Bl. 4b, Bl. 34b–35. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 4, Bl. 71b–72. – StadtAZ, X, 46, 17, [unpag.]. Eventuell galt Gleiches für das Zwickauer Schlappenmacherhandwerk. StadtAZ, X, 45, 5, Bl. 6b. 67 StadtAL, Inn Leineweber A 1. In der nachfolgenden Ordnung wurde der gemeinsame Leichengang eindeutig festgeschrieben. StadtAL, Inn Leineweber A 2. 68 StadtAZ, X, 49, 124, Bl. 16b–17b. 69 StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 42b–43. 70 Das Attribut „jung“ bezog sich nicht auf das Lebensalter, sondern auf das Alter des individuell erworbenen Meisterrechts. Die jüngsten Meister waren also, womöglich unter Ausschluss 

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Diensten nachzukommen oder es bestimmte eine gewisse Reihenfolge, welche Personen mitzugehen hatten. Die Erfüllung dieser Leistungen geschah entweder unentgeltlich oder wurde aus der Handwerks- bzw. Gesellenkasse bezuschusst, wodurch die Hinterbliebenen finanziell entlastet wurden. In einigen Fällen mussten jedoch allein die Hinterbliebenen für den Trägerdienst bezahlen.71 Speziell „den armen Leuten umsonst“ sollte bei den Chemnitzer Leinewebern der Handwerksbote die Leichenbestellung vornehmen und den Trauerhabit zum Trauerhaus transportieren.72 Selbst bei gemeinschaftlichen Leichengängen von Meistern und Gesellen war es üblich, dass eine jede soziale Gruppe ihre Verstorbenen selbst trug. Gleiches galt für die jeweiligen Angehörigen, wenn für sie ein Begräbnis durch die Handwerksorganisation vorgesehen war. Es finden sich allerdings Ausnahmen bei exakt denjenigen Handwerken, bei denen ein von Meistern und Gesellen gemeinsamer Leichengang vereinbart worden war. Hier sollten fast durchgängig die jüngsten Meister das Tragen sämtlicher Innungsleichen inklusive der Gesellen übernehmen.73 War ein gemeinsamer Leichengang aufgrund der geringen Größe des Handwerks nötig, kam vermutlich aus Prestigegründen kein junger Bursche für das Tragen einer Meisterleiche infrage. Eventuell wirkten zudem Überlegungen, die wenigen vorhandenen Gesellen durch Vergünstigungen anzulocken, während die frischgebackenen Meister durch Botendienste, lästige Aufwartungen und eben das Tragen verstorbenen Gesindes symbolisch gedemütigt wurden. Die Rangordnung innerhalb der vermeintlich egalitären Meisterschaft wurde auf diese Weise artikuliert. Ebenfalls aufgrund möglichen Gesellenmangels wurden bei den Zwickauer Leinewebern die jüngsten Meister zum Tragen der Gesellenleichen verpflichtet, wobei die Anwesenheitspflicht für die Gesellen dennoch weiter bestand. Waren jedoch genügend Gesellen vorhanden, waren die jungen Meister dieser unliebsamen Pflicht ledig.74 Wenn „Sterbensläuffte“ einfielen, kamen seuchenhygienische Aspekte zum Tragen, woraufhin die Tragepflicht aufgehoben und an städtisch verordnete Leichenträger delegiert wurde. Diese Leichenträger, die ihre öffentliche Tätigkeit für 

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der Meistersöhne, diejenigen Meister, deren Meisterspruch zeitlich am kürzesten zurücklag. Häufig wurde ihre Anzahl exakt festgelegt. Bei den Zwickauer Tuchmachern entlohnten die Verbliebenen die Träger mit acht bis zwölf Groschen. Seit 1668 ging dieses Geld allerdings direkt in die kapitalschwache Trauerlade. Die Träger hatten ihren Dienst nun ohne Entlohnung zu absolvieren. Die Bezahlung der Leichenträger setzte zwischenzeitlich wohl wieder ein, da das Leichentragen ohne Entgelt später erneut zugunsten der Trauerlade durchgesetzt wurde. StadtAZ, X, 49, 126, [unpag.] (Schreiben vom 11.09.1800). – StadtAZ, X, 49, 145, [unpag.] (Rezess vom 11.06.1668). StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 265. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 1, Bl. 123b, 252b. – StadtAD, RA, C. XXIV. 274b, Bl. 50b. – StadtAZ, X, 50, 15, [unpag.]. Vgl. StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 216b–217. – StadtAZ, X, 1, 14, Bl. 53b. – StadtAZ, X, 1, 15, Bl. 24–24b. Als Ausnahme von der Regel sollten bei den Leipziger Posamentierern die ältesten Gesellen sämtliche Handwerksleichen tragen und die jüngsten Meister nur bei Bedarf aushelfen. StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 305. – StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 322. StadtAZ, X, 1, 15, Bl. 33.

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gewöhnlich im Nebenberuf ausübten, waren aus den Handwerks- bzw. Gesellenkassen zu entschädigen. Die Leichenfolgepflicht bestand dessen ungeachtet teilweise fort, teilweise wurde sie aufgehoben.75 Dennoch traten widersetzliche Handlungen gerade unter den Handwerksgesellen auf, wenn sie das Leichentragen als gemeinschaftliche Ehrensache ansahen oder andere Interessen mit einer solchen öffentlichen Veranstaltung verbinden wollten. Nicht allein aufgrund hoher Ansteckungsgefahr ging die sächsische Regierung um 1830 dazu über, Leichenbegleitungen der Gesellen als prinzipiell genehmigungspflichtig einzustufen. Da die Innungsobermeister und „nach Befinden“ die örtlichen Polizeidirektionen, nicht aber medizinisches Fachpersonal, die Genehmigungen bewilligten, können auch ordnungspolitische Gründe unterstellt werden.76

5.3.4 Differenzierungen und Begrenzungen bei Handwerksbegräbnissen Es wäre falsch, sowohl das Begräbnis als auch das Tragen der Leiche ausschließlich als ärgerliche Pflichten, denen man sich lieber zu entziehen suchte, darzustellen. Die religiöse und solidarische Bedeutung, die diesen öffentlichen Handlungen innewohnte, wurde bereits angedeutet. Auch das Streben nach Repräsentation und die Betonung der rangmäßigen Unterschiede führten dazu, dass keine Kosten und Mühen gescheut wurden. Aus Gründen der Ausgabenbegrenzung und der sozialen Disziplinierung forderten landesherrliche und städtische Verordnungen eine Beschränkung des Aufwandes, der bei Begräbnissen betrieben wurde, da „mancher in Unrath und Unvermögen“ gekommen sei.77  75 Siehe beispielsweise: StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 216b–217. – StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 3b, 275. – StadtAZ, III x 65a, RP 1543–1544, Bl. 4b. – StadtAZ, X, 1, 15, Bl. 48. – UHLIG (Pest) 1943, S. 115. 76 StadtAD, RA, B. XV. 130 (Ratspatent vom 17.03.1834). Eine Abschrift auch in: StadtAD, 11.2.22, Glaser-Dep. Nr. 80a, [unpag.]. 77 Policey- Hochzeit- Kleider- Gesinde- Tagelöhner- und Handwercks-Ordnung Churfürst Joh. Georgens des II. zu Sachsen, den 22. Junii, Anno 1661. In: LÜNIG, Johann Christian (Hrsg.): Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici […] [Bd. I]. Leipzig 1724, Sp. 1584. Vgl. E.E. Hochweisen Raths der Stadt Leipzig verbesserte Ordnung Wie ein ieder Stand bey Verlöbnissen, Hochzeiten, Gastereyen, Kindtäuffen und Leich-Begängnissen Ingleichen in Kleidungen sich zuverhalten. Leipzig 1680, S. 12–14 (publiciert: Leipzig, 02.08.1680) (UBL-Signatur: Hist.Sax.1107(k)). – E.E. Rahts der Stadt Leipzig Renovirtes Mandat, Wegen der Kleider Ordnung, Vnd wie es forthin vff Verlobnüssen, Hochzeiten, Kindtauffen, vnd Leichbegängnüssen zuhalten. Leipzig 1634, [unpag.]. (publiciert: 30.04.1634) (UBL-Signatur: Hist.Sax.1107(k)). – E.E. Raths Der Stadt Leipzig Anietzo wiederholte und erklärte Neue Ordnung Wie ein ieder Stand bey Verlobnüssen, Hochzeiten, Kind-Täuffen und Leich-Begängnüssen Ingleichen In Kleidungen sich zu verhalten. Leipzig 1662, S. 12f. (publiciert: Leipzig, 15.12.1661) (UBL-Signatur: Hist.Sax.1107(k)). – E.E. Raths der Stadt Leipzig, Erklerung, Der Anno 1634 publicirten Ordnung, wie es vff Verlöbnüssen, Hochzeiten, Kindtauffen vnd Leich-Begängnüssen zu halten. Leipzig 1640, [unpag.] (publicirt: 19.01.1640) (UBL-Signatur: Hist.Sax.1107(k)). – Vgl. WELLER (Theatrum) 2006, S. 230–238.

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Außerdem zeigen beispielsweise Vergleiche von Rechnungsaufstellungen aus Dresden, dass die Begräbniskosten vom 15. bis ins 18. Jahrhundert drastisch angestiegen waren.78 Die Obrigkeiten sahen sich, weil „in bestellung der Begräbnüße die Leüthe mit denen gebühren sehr übersezet würden und allerhand mißbräuche dabey eingerißen weren“, zum Einschreiten genötigt und verabschiedeten städtische Leichenordnungen. Es wurden zahlreiche Bestimmungen rund um das Begräbniswesen erlassen, Leichenträger, Grabebitter und Heimbürgerinnen obrigkeitlich bestallt und vereidigt sowie Taxen für verschiedene Begräbnisgebühren eingeführt, um die Hinterbliebenen vor Betrug und Überteuerung zu schützen.79 Auch wenn es viele historische Arbeiten andeuten: Handwerksbegräbnis war nicht gleich Handwerksbegräbnis. Sozioökonomische Hierarchien drückten sich unter anderem in den Differenzierungen beim Begräbnisaufwand aus. Einen langjährigen, angesehenen, vielleicht sogar vermögenden Zunftobermeister beerdigte das Handwerk für gewöhnlich in einem anderen Rahmen als einen einfachen Meister oder gar einen gemeinen Gesellen. Es gab unzählige differenzierende Faktoren, die jeden Teilnehmer darüber informierten, welche Wertigkeit diesem Begräbnis und der verstorbenen Person beigemessen wurde. Doch nicht allein die Wertschätzung, sondern vor allem die finanzielle Leistungskraft desjenigen, der die Begräbniskosten tragen musste, entschieden über die präferierte Begräbnisform und die Begleitumstände. Der Aufwand bei den Gesängen und beim Glockengeläut, das Halten von Leichenpredigten, die Präsenz spezieller geistlicher oder städtischer Würdenträger, das Mitführen besonderen Begräbniszubehörs,80 der Beerdigungszeitpunkt,81 all das und vieles mehr unterschied die einzelnen Begräbnisakte und den vorausgegangenen Leichenzug voneinander.82 In Chem 78 StadtAD, RA, B. XV. 36a, Bl. 3–4, 12–16. – HILDEBRANDT, Heide: Die Geschichte der Pest in Dresden. Diss. Dresden 1966, S. 40. – KÜBLER, Thomas / OBERSTE, Jörg (Hrsg.): Die drei ältesten Stadtbücher Dresdens (1404–1476). Leipzig 2007, S. 503f. 79 StadtAD, RA, B. XV. 3a, Bl. 77. – StadtAD, RA, B. XV. 62, Bl. 1. – StadtAD, RA, B. XV. 109. – StadtAD, RA, B. XV. 112. 80 Die Aufstellungen der Leichengerätschaften und die Abrechnungen der Leichenkassen belegen zahlreiche Differenzierungen im betriebenen Begräbnisaufwand. So wurden bei den Dresdner Schneider „das gute Leichentuch“, „das mittlere Leichentuch“ und „zwey schwarz Leinwanden Tücher“ penibel unterschieden. Auch das sonstige Zubehör wurde aufwandsabhängig eingesetzt. „Ein stark vergoldetes Crucifix“ kam nur „zum guten Leichentuch“ zum Einsatz. Entsprechend den jeweiligen Begräbnisformen und aufgewendeten Mitteln schwankten die Kosten für ein zünftiges Begräbnis. Ebd., Bl. 24. 81 Die Leipziger Schneidergesellen unterschieden zu Beginn des 16. Jahrhunderts zwischen Leichen, die „vor mittag“ und die „zue mittag“ begraben wurden. StadtAL, Inn Schneider A 1. Ab den 1670er Jahren verbreitete sich in Kursachsen das Nachtbegräbnis von einer unehrenhaften Strafe zu einem „Ritual der Ehre“. KOSLOFSKY, Craig: Von der Schande zur Ehre. Nächtliche Begräbnisse im lutherischen Deutschland (1650–1700). In: Historische Anthropologie 5/1997, H. 3, S. 350–369. 82 Ab dem 18. Jahrhundert wurde die Verwendung von Leichenwagen zu einem Differenzierungsmerkmal. StadtAD, 11.2.54, Nr. 183, Bl. 3e. – StadtAL, Inn Kürschner B 3, Bl. 210. Einige Studien halten das Begräbnis gar für das wichtigste Ereignis im Leben eines Menschen, um den sozialen Status des Individuums zu kennzeichnen. Vgl. EDGREN, Lars: Crafts

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nitz wählte man im 18. Jahrhundert beispielsweise zwischen Begräbnissen „mit einer ganzen Chorleiche und Leichenpredigt“ und denen „mit einen halben Chor“. Anfang des 19. Jahrhunderts grenzte man die „halben Chorleichen“ von den „ganzen Leichen“, den „doppelt ganzen Leichen“ und den „dreifach ganzen Leichen“ ab. Bei „halben Chorleichen“ war beispielsweise der Kreis der vortragenden Chorschüler ebenso verkleinert wie derjenige der dem Begräbnis beiwohnenden Personen.83 Bei den anderen Formen stiegen jeweils die Ansprüche und die geforderten Teilnehmerzahlen. Einfachere Beerdigungen kamen etwa in Chemnitz meist mit 9 bis 14 hinzugebetenen Personen aus, zu der eine beliebige Anzahl freiwilliger Begleiter hinzustieß.84 Daneben wurden zu dieser Zeit zunehmend stille Beerdigungen praktiziert. Der letztgenannte Aspekt des schwankenden Teilnehmerkreises wird allzu häufig vergessen. Dem schiefen Bild einer vereinten, homogenen Handwerkerschaft, die alle ihre verstorbenen Mitglieder einträchtig zu Grabe geleitete, ist kritisch zu begegnen. Größere Personenverbände hatten schon aus pragmatischen Gründen die Grenzen ihrer Organisationsfähigkeit, die entstehenden Kosten und die arbeitsökonomischen Ausfälle bei einer in die Hunderte gehenden Leichenbegleitung zu beachten. Dass bei diesen Handwerken die Teilnahmepflicht auf eine Person je Haushalt, wahlweise auf den Meister oder seine Ehefrau, beschränkt werden konnte, wurde bereits erwähnt. Immer wieder scheiterten Korporationen, ihre gesamte Mitgliederschaft für Begräbnisse und Leichenbegleitungen zu mobilisieren. Bestimmte Leichengänge besaßen einen weniger hohen Rang, was sich in einer besonders mangelhaften Motivation zu folgen und seine Arbeit dadurch zu vernachlässigen, zeigte. Typische Beispiele waren Situationen, in denen es galt, Gesinde- oder Kinderleichen, noch dazu wenn diese bisher „nicht zum Sacrament gangen“ waren, zu beerdigen.85 In vielen dieser Fälle hob man entweder die Leichenfolgepflicht auf oder setzte die geforderte Teilnehmerzahl herab.  men in the political and symbolic order. The case of eighteenth-century Malmö. In: CROSSICK, Geoffrey (Hrsg.): The Artisan and the European Town, 1500–1900. Aldershot, Burlington/USA, Singapore, Sydney 1997, S. 142f. 83 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 408, Bl. 72b. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 365f. – FRANKE, Richard: Zur Geschichte des Begräbniswesens in Chemnitz. In: Chemnitzer Tageblatt und Anzeiger. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden in Chemnitz 1903, Nr. 307, S. 14. – Ders.: Zur Geschichte des Begräbniswesens in Chemnitz. In: Chemnitzer Tageblatt und Anzeiger. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden in Chemnitz 1903, Nr. 310, S. 3f. Ähnliche Unterschiede sind aus Leipzig bekannt, wo zwischen Begräbnissen mit ganzer, großer halber, kleiner halber und viertel Schule unterschieden wurde. GREBENSTEIN, Georg: Beiträge zum Begräbniswesen für Leipzig und andere Orte [o. O.] 1976, S. 20, 22. 84 FRANKE (Begräbniswesen) 1903, Nr. 310, S. 3f. 85 Kleine Meisterkinder erhielten mitunter eigene Kinderleichentücher, die aus älteren, abgetragenen Leichentüchern der Erwachsenen oder aus Stoffresten gefertigt wurden. Solch ein Leichenbegräbnis fiel qualitativ gegenüber den sonst üblichen Begräbnissen ab. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 408, Bl. 39b. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 136. – StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 3–3b. – StadtAZ, X, 49, 120, Bl. 306.

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Bei stark wachsenden Handwerken wie den Chemnitzer Leinewebern im 18. Jahrhundert waren sowohl eingeschränkte Organisationsfähigkeit und hoher Kostenaufwand als auch Motivationsmangel und sinkender Gruppenzusammenhalt als Gründe denkbar. Den Meisterkindern der Weber musste bis 1743 nur ein Viertel der Meisterschaft folgen, danach nur noch ein Achtel. Da die unbefriedigende Teilnahme weiterhin ein Thema auf den Handwerksquartalen blieb und einige Meister sogar eine Beschädigung der zünftigen Ehrbarkeit befürchteten, wurden 1770 absolute Teilnehmerzahlen für die Begräbnisse vereinbart. Bei „derer Meister-Leichen“ sollten 100 Meister mitsamt ihren Gesellen teilnehmen, beim Tod eines Meisterkindes nur 40 Meister.86 Ohne Wirkung verhallte die Bestimmung. 1774 wurde der Anteil bei einer Gesellen- oder Kinderleiche wegen unordentlicher, „zur Unehre und schändlichen Nach-Rede“ gereichender Begleitung auf ein Zwölftel der Meisterschaft gesetzt, was damals etwa einer Gruppe von 50 Personen entsprach.87 Weitere Herabsetzungen der Pflichtteilnehmerzahl folgten, bis schließlich 1784 die Zwangsbegleitung im Falle einer Kinderleiche aufgehoben und bei den übrigen Leichen auf ein überschaubares Teilnehmerfeld begrenzt wurde. Mittlerweile waren die ältesten Meister und die Obermeister von diesen Bestimmungen ausgenommen.88 Eine vergleichbare tendenzielle Verminderung der Teilnehmerzahlen belegen die Akten für die expandierende Schneiderzunft in Dresden.89 Durch die obrigkeitliche Vereinheitlichung des Handwerksrechts 1780 wurde die Leichenfolge für die Meister festgeschrieben, doch sollte des großen Zeitaufwands und wirtschaftlichen Ausfalls wegen nur die Innung in halber Stärke oder ab 40 Meistern nur jeder Vierte teilnehmen.90 Genau an diese Vorgaben hielten sich die Statuten der Dresdner Schneider und der Strumpfwirker, die kurz nach den Generalinnungsartikeln entstanden.91 Spätere Ordnungen anderer Handwerke verzichteten vielfach gänzlich auf eigene Regelungen.92 Obwohl sich das Dresdner Leineweberhandwerk Ende 1831 aus gerade einmal 26 Meistern zusammensetzte, reduzierten die Spezialinnungsartikel die Leichenfolgepflicht auf eine Anzahl von maximal zehn Meistern. Gemeinhin suchten die früheren Ordnungen entweder übergroße Leichenzüge zu vermeiden und die Aufwendungen einzudämmen oder eine Mindestanzahl an Teilnehmern zu aktivieren. Doch diese Ord 86 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 265f., 294. 87 Ebd., S. 299. Ende 1772 wurden im Chemnitzer Weberhandwerk 558 Meister und 1778 etwa 660 Meister gezählt. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 296b–297. 88 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 318, 342f., 349. 89 StadtAD, 11.2.54, Nr. 183, Bl. 3d, 3h, 98. – StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 65, [unpag.]. – StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 67, [unpag.]. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 324–324b. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 4, Bl. 396b. 90 Mandat die General-Innungs-Articul für Künstler, Professionisten und Handwercker hiesiger Lande betreffend (Dresden, 08.01.1780), Kap. III § 31. 91 StadtAD, 11.2.62, Nr. 20c, [unpag.] (Entwurf neuer Innungsartikel ca. 1785). – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 4, Bl. 396b. 92 StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 5, Bl. 120–124. – StadtAZ, X, 1, 17, Bl. 141b–145. – StadtAZ, X, 38, 55.

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nung legte eine Obergrenze auf niedrigem Niveau fest. Nach den politischen Unruhen 1830 erschien bereits die kleine Weberinnung, die eventuell noch mit einer Handvoll Gesellen auflaufen konnte,93 der die Konfirmation erteilenden königlich sächsischen Landesdirektion als zu gefährlich.

5.3.5 Aufwand und Bedeutung des Leichengeräts Um dem Leichenzug und der anschließenden Beerdigung eine höhere gegenständliche Symbolik und öffentlichkeitswirksame Repräsentativität zu verleihen, schafften sich die mitgliederstärkeren Meisterzünfte seit dem 15. Jahrhundert nach und nach den nötigen Leichenornat und das häufig gebrauchte Begräbniszubehör an.94 Die Bedeutung von Kerzen bei den Leichengängen, Begräbnissen und anderen Gelegenheiten wurde durch die Verhängung von Wachsstrafen deutlich.95 In den obersächsischen Gesellenorganisationen war nach der Reformation meist lediglich von Kerzen und Leichentüchern, gegebenenfalls noch von Bahren, die Rede. Begründet durch die Altersstruktur, wurde bei ihnen kein mit den Meisterzünften vergleichbarer Aufwand beim Leichengerät veranstaltet.96 Das Leichenornat wurde entweder gemeinsam mit der Handwerks- bzw. Trauerlade97 oder gegen ein Entgelt in einer Kircheneinrichtung98 aufbewahrt. Zu den jeweiligen Anlässen hatte eine mit dieser Pflicht beauftragte Person (Handwerksbote, jüngster Meister, Grabebitter etc.) das korporationseigene Begräbnis 93 StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 5, Bl. 144b. – Statistischer Verein (Mittheilungen II) 1832, S. 38. 94 ZÖLLNER (Handelsstadt Chemnitz) 1888, S. 119. 95 Im Laufe der frühen Neuzeit wurden allerdings die meisten aus Naturalien bestehenden Strafen – neben Wachs wurde häufig Bier verwendet – in Geldstrafen umgewandelt. Bei den Leipziger Schneidern setzte diese Transformation direkt mit der Übernahme der Reformation ein. Nachdem die älteste Schneiderordnung der Stadt überwiegend Wachsstrafen und Wachsgebühren kannte und sich in den Gesellenartikeln Anfang des 16. Jahrhunderts das Verhältnis zwischen Strafen und Gebühren in Wachs und Geld umgekehrt hatte, fanden sich bereits in den Gesellenartikeln ein Jahr nach der Reformation wie in allen nachreformatorischen Hauptbriefen und Handwerksordnungen keine Angaben in Wachseinheiten mehr. StadtAL, Inn Schneider A 1. – StadtAL, Inn Schneider A 2. – StadtAL, Inn Schneider A 3. – POSERNKLETT (Urkundenbuch Leipzig I) 1868, S. 55f. Besonders bei öffentlichen Anlässen dienten die Handwerkskerzen unter anderem als Ausweis der ökonomischen Potenz einer Handwerksorganisation. LÖTHER, Andrea: Prozessionen in spätmittelalterlichen Städten. Politische Partizipation, obrigkeitliche Inszenierung, städtische Einheit (= Norm und Struktur, Bd. 12). Köln, Weimar, Wien 1999, S. 145. 96 Vgl. FRÖHLICH (Sicherung) 1976, S. 168f. – REININGHAUS (Entstehung der Gesellengilden) 1980, S. 252. 97 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 305, S. 175. – StadtAZ, X, 49, 145, [unpag.] (Rezess vom 11.06.1668). 98 StadtAL, Inn Schuhmacher B 1, Bl. 4b. – Stadtgeschichtliches Museum, Bibliothek I L 35, [unpag.]. Siehe auch: StadtAL, Inn Glaser B 2, Bl. 43. Bei den Zinngießern in Dresden konnten die Leichentücher auch bei den Oberältesten aufbewahrt werden, die dafür eine Entschädigung erhielten. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 4, Bl. 89.

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zubehör zu transportieren und zu beaufsichtigen.99 Es wurde auch durch die Organisation an die Mitglieder meist unentgeltlich ausgeliehen.100 Dass dies keinen unerheblichen Vorzug darstellte, belegen die hohen Ausgaben, die für die Anschaffung und Wartung der Leichentücher, -schilder, -mäntel, -kruzifixe usw. aufgewandt wurden. Allein das Leichentuch der Dresdner Schuhmacherinnung, das im Jahr 1819 gekauft wurde, soll 1198 Taler gekostet haben.101 Blieben die Mitglieder ihren Handwerksorganisationen nichts schuldig und hatten sich normgerecht verhalten, dann besaßen sie einen gewohnheitsrechtlichen Anspruch auf ein zünftiges Begräbnis und die Überlassung des Zubehörs. Bei den Chemnitzer Webern sollte „ein neu Sammtenes mit goldenen Spangen besetzt“ zu fertigendes Leichentuch allen Zunftmitgliedern, die in die Trauerlade eingezahlt hatten, unabhängig von der sonstigen Begräbnisform zur Verfügung gestellt werden. Die Handwerker ersparten sich damit eine einmalige Nutzungsgebühr von zwei Reichstalern, die alle Nichtmitglieder zahlen mussten.102 An zahlreichen Positionen berichten die umfangreichen Handwerksakten der Chemnitzer Leineweber über das Begräbniszubehör. Schon die vorreformatorischen Gesellenartikel der Chemnitzer Weber von 1538 sprechen von einem organisationseigenen Tuch, mit dem der Tote zu bedecken war.103 1605 kaufte die Innung zu ihrem älteren „Lundischen“ auch ein samtenes Leichentuch für 150 Gulden.104 Neue Leichentücher wurden mehrfach, so 1730 für 120 Taler und 1800 für über 175 Taler, angeschafft.105 Vielfältige Verzierungen (Fransen, goldene Tressen, Kruzifixe, Leichenschilde) erhöhten den Wert der Tücher. Am Anfang des 19. Jahrhunderts war das Reservoir an Leichenzubehör so weit angewachsen, dass bei den Chemnitzer Webern neben drei qualitativ verschiedenen Ensembles auch ein Kinderleichentuch Anwendung fand.106 Um zu schnelle Lädierungen zu vermeiden, wurde ihr Gebrauch bei schlechten Witterungsbedingungen einge 99 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 222. – StadtAD, 11.2.56, Schuhmacher-Dep. Nr. 6, [unpag.]. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216, Bd. 3, Bl. 41b. – Stadtgeschichtliches Museum, Bibliothek I L 35, [unpag.]. 100 Bei der Leipziger Leineweberinnung mussten vor der Reformation Meister und Meisterfrauen bei einem Begräbnis Gebühren „zue den lichten“ geben. StadtAL, Inn Leineweber A 2. – StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 38–38b. 101 LINGKE (Schuhmacher-Innung) 1901, S. 19. Ein Schneidergeselle verdiente zu dieser Zeit in Dresden neben Kost und Wohnung wöchentlich maximal einen Taler. StadtAD, 11.2.54, Nr. 147, Bl. 78. 102 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 365f. Zum Vergleich: Der Wochenlohn eines Schneidergesellen, der bei seinem Meister Wohnung und Verpflegung erhielt, betrug zu dieser Zeit zwischen zehn und sechszehn Groschen. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 4, Bl. 391b. 103 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 305, S. 48. 104 Ebd., S. 134. Ein Tuch wurde als „lundisch“ oder „lündisch“ bezeichnet, wenn es aus englischem Stoff bestand, der von Stapelort London aus versandt worden war. GRIMM / GRIMM (Wörterbuch) 1885, Bd. 6, Stichwort: Lündisch, Sp. 1302. 105 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 264–264b, 298b. 106 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 396, Bl. 6. Ein erstes Kinderleichentuch wurde bereits 1731 aus einem großen Leichentuch geschnitten. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 136. Siehe auch: Ebd., S. 378.

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schränkt.107 Die Träger der Leiche wurden mit Trauermänteln und Trauerhüten ausgestattet, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts ebenfalls gegen eine größere Summe besorgt wurden.108 Die hohen Kosten für das Begräbniszubehör spalteten die Mitglieder der Handwerksorganisationen in mehrere Lager. Als im Handwerksbuch der Chemnitzer Weberinnung vermerkt wurde, dass man beim Quartal Crucis 1787 beschloss, für die Anschaffung eines neuen Leichentuches auch neue Leichenschilder aus Silber anfertigen zu lassen, „sie möchten kosten, was sie wolten“,109 wurde damit sicherlich nicht die Meinung sämtlicher Meister und Witwen wiedergegeben. Kurze Zeit später regte sich Widerstand. Im Handwerksbuch stand dazu: „Da nach den letzten Quartals-Schluß die Schilder solten verfertiget werden und der Goldschmidt bereits auch angefangen hatte, solche zu bearbeiten, so erkühneten sich etliche Meister von der Gesellschafft, M[ei]st[e]r Christian Friedrich Schubert, Christian Gotthelf Keimling und Johann Friedrich Grimm, ein Schreiber bey einen Hochedlen Rath einzugeben wieder das Unternehmen der verfertigung derer Schilder mit den nichtigen Vorwande, es wäre Unrath, daß man das Geld damit verschwendete, es könnte den Armen dafür an den Abgaben etwas erlaßen werden; hierüber wurde der Obermeister mit seinen Consorten zu Rathhauße gefordert und darüber vernommen, erhielten die Resolution, damit anzuhalten bis künftiges Quartal, da solten die Meister noch nunmahl darüber befraget werden, wie ihre Gesinnung 110 wäre, und nach diesen solte es wieder gemeldet werden.“

Ein erstes Schild, welches über 60 Taler kostete, erheischte bei den Obermeistern, dem Bürgermeister, dem Stadtschreiber und dem obrigkeitlichen Deputierten großen Beifall. Auf einer kurzfristig anberaumten Versammlung von etwa 200 Webermeistern wurde der Verfertigung von drei weiteren Schilden mehrheitlich zugestimmt, doch musste von den Obermeistern eingeräumt werden, dass mittlerweile drei beschwerdeführende Meister „sich einen Anhang gemacht“ hatten.111 Waren für viele Handwerker repräsentative Begräbnisse von hohem Wert, wollten andere die Gelder lieber für Almosengaben an ärmere Kollegen oder eine Senkung der belastenden Quartalsgebühren verwandt wissen.

5.3.6 Finanzierung des Leichengeräts und Errichtung zünftiger Beerdigungsgesellschaften Einzelpersonen hätte die Anschaffung des teuren Zubehörs fraglos finanziell überfordert, besonders da dessen Nutzung für den Einzelnen glücklicherweise nicht  107 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 67b. Ende des 18. Jahrhunderts wurde eine Strafgebühr eingeführt, die fällig wurde, wenn das entliehene Leichentuch „durch ungestüme Witterung letiret“ wurde. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 365f. 108 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 305, S. 162. 109 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 377b–378. 110 Ebd., S. 383–383b. 111 Ebd., S. 383b–383c. Vgl. SCHOLZ (Handwerk und Manufaktur) 1991, S. 55–60.

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regelmäßig vonnöten war. Kollektiv jedoch schienen die nicht sonderlich günstigen Anschaffungen vielen Meistern und Gesellen finanzierbar. Man entnahm das nötige Geld der allgemeinen Handwerks- bzw. Gesellenkasse, veranstaltete obligatorische oder freiwillige Sammlungen oder konnte Stiftungen und Schenkungen darauf verwenden. Genügten die üblichen Kasseneinnahmen nicht oder erreichte der buchhalterische Aufwand bezüglich des Ornats eine gewisse Größenordnung, richteten zahlreiche Handwerke sogar eigene Trauerladen oder Ornatskassen ein, die vorrangig der Sammlung von Geldern für die verschiedenen Ausgabenposten rund um das Begräbniszubehör dienten. Neben Anschaffung, Reparatur und Aufbewahrung entlohnten die Kassen im Bedarfsfall die Transportdienstleistungen für das Zubehör. Diverse einmalige, regelmäßige oder unregelmäßige Gebühren wurden zwischen der Handwerks- bzw. Gesellenkasse und der Trauerlade geteilt oder es wurden eigene Gebühren wie eine „Trauerhabitseinnahme“ oder ein „Trauergroschen“ für das Leichengerät erhoben.112 Das Verhältnis der innungsinternen Ornatladen zur Mutterkasse gestaltete sich höchst unterschiedlich. Ein erster Hinweis auf eine eigenständige Trauerlade der Zwickauer Tuchmacher könnte mit einer 1621 errichteten Begräbnisordnung verbunden gewesen sein, doch schweigen die Quellen zum Inhalt dieser frühen Ordnung.113 Das 1641 einsetzende Protokollbuch des Handwerks lässt den Bestand einer Trauerlade 1646 sogar wahrscheinlich erscheinen. Während zu Beginn des 17. Jahrhunderts noch Ausgaben für das Leichenornat aus der allgemeinen Handwerkskasse entnommen wurden, verband sich die kurze Information von 1646 zugleich mit einer Andeutung auf die Ablegung eigenständiger Trauerladenrechnungen durch die jeweils verantwortlichen Ladenvorsteher. Obwohl nach den Statuten die Einnahmen beider Kassen voneinander geschieden wurden, reichte die Handwerkskasse an die Trauerlade Gelder aus, die sie nicht zurückerhielt.114  112 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 128. – StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 30, Bl. 6b–7. – StadtAZ, X, 49, 57, [unpag.]. Vgl. FRÖHLICH (Sicherung) 1976, S. 104. 113 Die Zwickauer Chronik von Herzog weist auf eine erste Tuchmacher-Begräbnisordnung von 1621 hin. HERZOG (Chronik II/1) 1845, S. 403. An anderer Stelle führt Herzog eine Begräbnisordnung aus dem gleichen Jahr als Grundlage für die Errichtung der „großen Zunft“ 35 Jahre später an, doch handelte es sich hierbei nicht um die gesuchte Zunftbegräbnisordnung, sondern um eine allgemeine „Jungfern-Heiraths- und Begräbniskasse“. Der hier angegebene Beleg auf Böttiger erweist sich als nicht zielführend, da dieser nur pauschal von der Bildung von Zwickauer „Leichencommunen“ zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges spricht. Schließlich taucht die fragwürdige Tuchmacher-Begräbnisordnung bei Mueller auf, der sich auf einen Bericht von Carl Eduard Schäfer an das sächsische Ministerium des Inneren aus der Mitte des 19. Jahrhunderts bezieht. Mehrere Anfragen an das Zwickauer Stadtarchiv sowie an das Sächsische Hauptstaatsarchiv Dresden ergaben jedoch keine Treffer. BÖTTIGER, Carl Wilhelm: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band. Von der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts bis auf die neueste Zeit, 1553–1831. Hamburg 1831, S. 144. – HERZOG (Chronik I) 1839, S. 266. – Ders. (Chronik II/1) 1845, S. 499. – MUELLER (TuchmacherHandwerk) 1929, S. 34. 114 StadtAZ, X, 49, 19. – StadtAZ, X, 49, 120, Bl. 93, 313.

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Nach einem Rezess des Magistrats von 1668 sollte bei den Tuchmachern der Stadt Zwickau „wie vorhin herkommens die Trauer-Lade sambt dem Trauer-Ornat bey denen Vierundzwanzigern verbleiben, auch zue deßen reparir- und Verbeßerung nicht wie bißanhero bey beerdigung eines Meisters oder der seinigen 8 biß 12 g darvor abgestattet, sondern sie darmit zue solcher Zeit verschohnet und hingegen dieser abgangk durch eine gelinde collecte ersetzet und von dato an von jeden Meister ein Groschen jährlich Johannis entrichtet, Von denen beyden eligirten aus denen Vierundzwanzigern eingenommen und von jahren zue jahren denen Geschwohrnen darüber richtige Rechnung gethan, auch was an baaren Gelde verhanden und zue solchen Trauer-Ornat nicht nöthig, mit eingehändiget, auch entweder in Vorrath 115 verwahrlich behalten oder sonsten zue des Handwergks Nutzen angewendet werden“.

Da die Belastung der Trauerlade, der die Erhaltung des Begräbniszubehörs oblag, zu drückend geworden sei, wurde also ein jährlicher „Johannisgroschen“ von jedem Tuchmachermeister eingeführt, der aber auch anderen Verwendungszwecken dienen durfte. Die Innungsmitglieder und ihre Angehörigen mussten zudem Einkaufsgelder in die Trauerlade entrichten.116 Während einige Ornat- bzw. Trauerladen recht unabhängig ihre Leistungen erbrachten oder sogar Gelder an die Handwerks- bzw. Gesellenkassen gegen Zins liehen, musste anderen Ornatkassen immer wieder finanziell unter die Arme gegriffen werden. Absolute Autonomie erreichten die Trauerladen von den Handwerkskassen aber nicht, solange sie mit den Handwerksorganisationen verbunden waren. Die Einrichtung von Ornat- bzw. Trauerladen stellte einen wesentlichen Schritt auf dem Weg zu einer Beerdigungsgesellschaft dar. In den untersuchten Handwerken konnte die Existenz entsprechender Kassen seit den 1640er Jahren mit der Zwickauer Trauerlade der Tuchmacher und der Trauergesellschaft des Dresdner Schuhmacherhandwerks nachgewiesen werden.117 Weiter zurückreichende Quellen geben keine sicheren Hinweise, jedoch ist zu vermuten, dass vereinzelt durchaus schon vor dem kursächsischen Eintritt in den Dreißigjährigen Krieg neben der gewöhnlichen Innungskasse weitere Kassen bestanden, die für spezielle Ausgabenzwecke im Bereich der Begräbnis- oder Hinterbliebenenversorgung eingerichtet worden waren. So fand sich bei den Chemnitzer Leinewebern aus dem Jahr 1619 ein Hinweis auf ein „fiscum“, in welches Witwen, die nicht mehr das Handwerk führten, einbezahlten, damit ihnen ein zünftiges Begräbnis gewiss war. Beim Stadtbrand von 1634 seien dann die „zwo laden“ des Handwerks gerettet worden. Ob es sich tatsächlich bereits um eine eigenständige Grabekasse gehandelt hat, ist nicht sicher. Beim Leipziger Schneiderhandwerk wurde schon vor 1613 ein jährliches „Leichen-Geld“ eingesammelt, ohne dass der Zweck desselben genannt wurde. Und bereits Anfang des 17. Jahr 115 StadtAZ, X, 49, 145, [unpag.] (Rezess vom 11.06.1668). 116 StadtAZ, X, 49, 120, Bl. 294–295b. 117 StadtAD, 11.2.56, Nr. 264h, [unpag.] (Rechnung von 1648/49). – StadtAZ, X, 49, 120, Bl. 93. In der historischen Forschung ist mit Beerdigungsgesellschaften und Sterbekassen bisher, wie Keller betont, im Gegensatz zu ihrer Verbreitung und Bedeutung recht stiefmütterlich umgegangen worden. KELLER (Armut und Tod) 2000, S. 213.

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hunderts soll eine Leichencommun der Leipziger Schuhmacher bestanden haben.118 Zünftige Beerdigungsgesellschaften (Begräbnisgesellschaften, Trauerladen, Grabekassen usw.) entstanden in mehreren Schritten innerhalb der Handwerkskorporationen. Die traditionelle Leichenfolge- und Leichentragepflicht im Zunfthandwerk bildete die Grundlage dieser Einrichtungen, die sich oft ein umfangreiches Begräbniszubehör zulegten. In vielen Fällen bedurfte es keines formellen Gründungsaktes und keiner Abfassung eigener Grabe- oder Begräbnisartikel, um eine solche Personenverbindung innerhalb einer bestehenden Innung oder Gesellenschaft zu etablieren. Ein Austritt aus einer zunftinternen Beerdigungsgesellschaft setzte meist das Verlassen der Innung voraus. Wohl aber konnten ein Meister oder eine Witwe, die nicht mehr aktiv das Handwerk trieben, gegen die Erfüllung bestimmter Verpflichtungen weiterhin an der Beerdigungsgesellschaft der Zunft teilhaben und im Falle ihres Todes vom Kollektiv mit allen Ehren beerdigt werden. Da diese Personen nicht mehr alle Vorteile ihrer Zunftmitgliedschaft genossen, insbesondere nicht das Gewerberecht, fielen ihre Gebühren niedriger aus als die der aktiven Mitglieder. Auf diese Weise sicherten sich ältere, gebrechliche Personen ein zünftiges Begräbnis.119

5.3.7 Käufliche Leistungen: Leichengerät und „Kaufleichen“ Der Vorteil der (meist unentgeltlichen) Nutzung des Leichengeräts für die Mitglieder der Handwerksorganisationen und deren Angehörige relativierte sich, da diese Leistungen für handwerksfremde Personen käuflich waren. Bereits im Spätmittelalter standen viele Bruderschaften, die für die Organisation eines würdigen Begräbnisses zuständig waren, Nichtzünftigen offen. Der Professor der Theologie Hieronymus Dungersheym (1465–1540) stiftete 1535 der Leipziger Tuchmacherinnung 220 Gulden, um für sich und seine Eltern ein Begräbnis „wie eyn ander sollicher bruderschafft vorwanter und eyngeleipter“ zu erlangen.120 Spätestens mit der Einrichtung von innungseigenen Ornatladen war häufig ein Verleih des Leichengeräts gegen Gebühr an Nichtmitglieder verbunden. Zwölf Jahre nach der Ersterwähnung der Trauerlade der Zwickauer Tuchmacher berich 118 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 362, Bl. 80b–81. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 56. – StadtAL, Inn Schneider C 2, Bl. 36b. In seiner Dissertation gibt Friedrich Rech als Quelle eine Jubiläumsschrift der Schuhmacher-Innung an. RECH, Friedrich Karl Nikolaus: Die Anfänge des Versicherungswesens in Leipzig. Diss. Leipzig 1920, S. 18. Vgl. MOSER (Schuhmacher-Innung) 1882, S. 55, 57. 119 StadtAL, Inn Schneider C 1, Bl. 8. – StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 150b. – StadtAZ, X, 46, 17, [unpag.]. 120 STÜBEL (Urkundenbuch) 1879, S. 506–508. „Eine außwendige person“ konnte sich für „zwen gulden“ zur Bruderschaft der Schneidergesellen in Leipzig einkaufen. StadtAL, Inn Schneider A 1.

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tete das Handwerksprotokoll über Einnahmen aus der Zubehörleihe.121 Bereits kurz nach der Anschaffung borgten die Chemnitzer Leineweber ihren neuen Leichenornat entgeltlich aus.122 Die der Innung gehörenden Trauermäntel und ein Leichentuch verliehen sie 1730 für zwei Taler.123 1785 war eine Ausleihe von bis zu zwanzig Trauermänteln der Weberinnung möglich.124 Bei solchen Leihgeschäften lag der Verlust des durch die Handwerksorganisationen mühevoll angeschafften Leichenornats im Bereich des Möglichen. Daneben waren die teuren Objekte durch unglückselige Ereignisse gefährdet. So vermerkten die Handwerksprotokolle der Chemnitzer Leineweber, dass dem Handwerk beim Brand des Meisterhauses 1634 Glück im Unglück widerfuhr, als neben der wichtigen Lade, der Kasse und den Privilegienbriefen zumindest auch der Trauerhabit und die beiden wertvollen Leichentücher von den Flammen verschont wurden.125 Bei vielen anderen Unfällen und Katastrophen blieben die Innungsmitglieder auf den Wiederbeschaffungskosten sitzen, wogegen Nichtmitglieder meist nur eine einmalige Gebühr für die Leihe zu zahlen hatten und nicht für solche Risiken hafteten. Damit nicht genug konnten die Dienste der Handwerksleichenträger oder ein ganzes Handwerksbegräbnis gegen Entgelt erworben werden. Frühzeitig war es in vielen Zünften üblich, dass Meister oder Meisterwitwen, die das Handwerk nicht mehr trieben, „es mit der Innung halten“ durften und sich eine Leichenbegleitung sowie ein Zunftbegräbnis sicherten, wofür Gebühren fällig wurden. Peu à peu boten ab der Mitte des 16. Jahrhunderts einige Handwerksorganisationen mietweise an, die Leichen von Personen, die nicht selbst Mitglieder der Organisation gewesen waren, mit zünftigem Gepränge zu Grabe zu tragen, sodass im Prinzip diese berufsübergreifende Tradition der religiösen Bruderschaften im Rahmen einer zunftinternen Memorialgemeinschaft wieder aufgegriffen wurde. Bei den größten der untersuchten Handwerke lässt sich diese Entwicklung schrittweise nachzeichnen. Dass im Spätmittelalter die Chemnitzer Weber einer religiösen Bruderschaftsorganisation angehörten, wurde erwähnt.126 Ob Personen anderer Berufe Aufnahme fanden, ist speziell für diese Bruderschaft nicht belegt, aber aufgrund vergleichbarer Organisationen durchaus denkbar. Nach der Reformation waren die Chemnitzer Webermeister anfangs nicht verpflichtet, der Leiche einer Meisterwitwe, die zuletzt dem Handwerk nicht mehr aktiv angehört hatte, zu folgen, „es würde dann nach gelegenheit von einer solchen wittben dem handwerge zum besten ettwas in fiscum gegeben“.127 Ende des 17. Jahrhunderts wurde  121 StadtAZ, X, 49, 120, Bl. 222. 122 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 305, S. 136. 123 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 125–127. Die häufige Verleihung führte zu erhöhtem Verschleiß, sodass die Innung bald „nur Standes- und gratuirten Persohnen“ und Zunftmitgliedern die Benutzung des Ornats erlaubte. Zugleich sollten die Leichenträger gemietet werden, um ein übermäßiges Strapazieren der teuren Stücke zu verhindern. Ebd., S. 320f. 124 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 394, Bl. 6–6b. 125 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 305, S. 175. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 56. 126 Siehe Kap. 5.2, Anm. 30. 127 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 362, Bl. 80b–81.

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zwei Schwarzfärbermeistern erlaubt, sich in die Trauergesellschaft der Chemnitzer Weber zu begeben. Zuerst erschien zum Trinitatisquartal 1696 der Schwarzfärber Johannes Titrich. Er wünschte, „sich bey den handtwerg in die Trauer Zunfft einzukauffen, und dieses vor sich, sein Weib und Kinder“.128 Beide Seiten einigten sich auf genauer spezifizierte Leistungen. Die Zunft versprach die Leichenfolge für den Färber, sein Weib, seine Kinder und seine bei ihm wohnhafte Schwiegermutter, während Titrich sich bereit erklärte, die acht Trauermäntel der Innung entgeltfrei zu färben. Außerdem verlangte das Handwerk der Weber von ihm, „das er sich ein leichen zeichen solte machen laßen und mit unsern verstorbenen auch wechselweise mit zu grabe gehen, auch darbey alle iahr einen Trauer g[roschen] zu erhaltung des 129 Trauerhabits ab[zu]stadten“.

Einer anderen Färberfamilie wurde ein Jahr später ein ähnliches Angebot offeriert, doch ersetzte man die Färbeleistung durch ein zu entrichtendes Fass Bier. Die Trauermäntel der Innungen hatten erst vor Kurzem ihre farbliche Erneuerung erhalten. Weitere vergleichbare Fälle dieses Handwerks stammen aus den 1730er Jahren und sind für die Leipziger und Zwickauer Tuchmachern belegt.130 In Leipzig vereinbarten sie in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, dass die überhandnehmenden Einkäufer außer den einmaligen Gebühren weitere Lasten mittragen sollten: „Nachdem auch etliche burgers Söhne vnd andere sich bey dem hanthwerge der Tuchmacher in ihre bruederschaft einkauffen, aber doch das hanthwerg nicht treibenn Vnd dardurch der gemeinen hanthwergs beschwerung alß mit Leichentragen, in der Rustung zugehen vnd anderm befreiet zu sein vormeinen, So soll hinforder diese ordnung gehalten werden, Das unter denselben Zum wenigsten zwene die Jungsten abgemelte gemeines hanthwergs beschwerung 131 mit tragen helffen sollen, bey straf des hanthwergs.“

Durch die Einbeziehung in die Rechte und Pflichten des zünftigen Begräbniswesens versuchten die Innungen, eine ungerechtfertigte Nutzung des teuer angeschafften Begräbnisornats zu verhindern. Es entstand den sich einkaufenden Personen ein enormer Aufwand durch häufig vorfallende Todesfälle, da die größeren Innungen mehrere hundert Meister zählten. Im weiteren Verlauf des 18. Jahrhunderts entfiel die Teilnahmepflicht für die Einkäufer bei den Chemnitzer Webern. Insgesamt wurde bei diesen „Kaufleichen“, die bis ins 19. Jahrhundert recht beliebt waren, eine eindrucksvolle Beerdigung mit einer größeren Personenanzahl in ansprechender Kleidung und Prozessionsordnung und mit aufwendigem Begräb-

 128 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 231b. 129 Ebd. 130 Ebd., Bl. 233. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 134f., 187f. – StadtAZ, X, 49, 120, Bl. 94. 131 StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 200. Vgl. StadtAL, Inn Tuchmacher A 1, Bl. 6b–7.

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niszubehör als Dienstleistung gekauft, ohne dass eine über die Gebührenzahlung hinausgehende Verpflichtung verlangt wurde.132 Gegenüber Nichtmitgliedern besaßen die Angehörigen der Zünfte und Gesellenorganisationen alles in allem zwar weiterhin einen finanziellen Vorteil, da ihnen diese einmaligen Leih- oder Einkaufgebühren erspart blieben und sie teilweise sogar finanzielle Unterstützungen, wenngleich in recht geringer Höhe, erhielten. Allerdings hatten Meister, Witwen und deren Beschäftigte für ihre Mitgliedschaft entsprechende Gegenleistungen (Beitragszahlungen, Anschaffungs- und Wartungskosten für das Begräbniszubehör, Versammlungs-, Leichenfolge- und Tragepflicht, militärische Dienstleistungen, Anpassung der allgemeinen Lebensweise usw.) im Voraus zu erbringen. Daher ist es ungewiss, inwiefern die finanziellen Ersparnisse im Todesfall die tatsächlich erbrachten Aufwendungen überstiegen. Erhielten Nichtmitglieder noch dazu privilegierten Zugang zu den Trauergesellschaften, wurden die Handwerksmitglieder zumindest materiell klar benachteiligt. „Beyde Bürgermeister als Regendten sollen von trauerornat nichts geben, aber von den Rathsherren sohl ein billiches genommen werden“, wurde auf Vorschlag der Trauerladenvorsteher der Zwickauer Tuchmacher vereinbart. Der Zugewinn an symbolischem Kapital für den ehrenvollen Leichengang beim Tod eines hohen städtischen Repräsentanten sollte den relativen finanziellen und zeitlichen Verlust für die Zunft aufwiegen.133 Als vermeintlich rentable Option könnte sich die erweiterte Nutzung des zünftigen Leistungsangebots erwiesen haben, falls weitere Familienmitglieder vergleichsweise günstig als „Kaufleichen“ zu Grabe getragen wurden.134 Neben den von der Zunft teils unentgeltlich, teils kostenpflichtig übernommenen Dienstleistungen kamen auf die Hinterbliebenen freilich weitere nicht unwesentliche Ausgabenposten zu.

5.3.8 Zunftübergreifende Beerdigungsgesellschaften Besonders kleineren Handwerken fehlten oftmals die personellen und finanziellen Kapazitäten, um ein würdevolles Begräbnis mitsamt dem üblichen Zubehör zu bewerkstelligen. Als Alternative zu einem Einkauf in bestehende Trauerladen anderer Zünfte schlossen sich daher viele kleinere Handwerke seit dem Dreißigjährigen Krieg, in dessen Folge die meisten Organisationen erhebliche Einbrüche  132 Bei den Leipziger Tuchmachern bestand mindestens seit dem 16. Jahrhundert eine Brüderschaft, in die sich wichtige Vertreter der städtischen Oberschicht einkauften. Vermutlich ging es dabei aber nicht um den Erwerb des Leistungsstatus von einer „Kaufleiche“, sondern um die Erlaubnis zum lukrativen Gewandschnitt. StadtAL, Inn Tuchmacher B 1, Bl. 119–147. – StadtAL, Inn Tuchmacher B 2. Vgl. KELLER (Materielle Lebensverhältnisse) 1987, S. 12. 133 StadtAZ, X, 49, 120, Bl. 313b–314. 134 Im 17. Jahrhundert fanden sich Hinweise bei den Chemnitzer Leinewebern, dass neben den Meistern und ihren Ehefrauen bzw. Witwen auch Meisterkinder und eventuell sogar Eltern, Großeltern, Schwiegereltern, Stiefeltern und Geschwister zu Grabe getragen wurden. Vermutlich geschah dies gegen ein Entgelt als „Kaufleiche“. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 68b.

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der Mitgliederzahlen erlebten und finanzielle Engpässe überstehen mussten, zu zunftübergreifenden Beerdigungsgesellschaften zusammen oder traten freien Beerdigungsgesellschaften bei. In Zwickau wurde 1656 eine städtische Trauergesellschaft gegründet, da „beym begräbnüßen in Grabtragn und mit Gehen, ia auch in entlehnung der Trauerkleider ein- und daß Andere bey solchen schwachen Handtwergken sich sehr beschwerlich ereignet 135 und große ungelegenheit hierauß entstehen wolten“.

Ihre Mitglieder rekrutierte die Vereinigung nicht allein aus den Zunfthandwerken, sondern aus der gesamten städtischen Mittel- und Oberschicht. Frauen und Kinder konnten „eingekauft“ werden und selbst von Witwen wurden die Angebote der Trauergesellschaft als attraktiv eingeschätzt. Die Mitgliedszahlen stiegen seit der Gründung bis zum Ende des ersten Überlieferungszeitraums 1716 auf über 130 Personen an. Anscheinend waren die Mitglieder mit der Einrichtung der Vereinigung recht zufrieden, sodass sogar ganze Handwerke geworben werden sollten: „Anno 1678 Am Hauptquartahl Luciae hat sich d[er] Herr Christian Heilman Neben seinen Weibe v[nd] s[einer] Tochter bey der Trauer Laten ein gekaufft [...] Neben den gebieren vnd wan er versterben soldte, so wolte er schon waß destiren, auch hat er versprochen, daß 136 handtwerck der Tuchscherer zu unß zu bringen.“

Auffälligerweise fehlten unter den Mitgliedern Angehörige bestimmter Handwerke. Bäcker und Fleischer besaßen persönlich im Durchschnitt genügend finanzielle Mittel, Tuchmacher und Schuhmacher bildeten ausreichend große Innungen, um ihre Toten angemessen selbst bestatten zu können.137 Die Ausgaben der „Trauer-Zunfft“ bzw. „Trauerlade der Stadt Zwickau“, wie sich die Gesellschaft später nannte, beweisen, dass es neben den Verwaltungskosten, der Anschaffung und Erhaltung des Ornats, der Bezahlung der Leichenträger und vielen weiteren Posten zu keiner Auszahlung von Sterbegeldern kam. Allein vereinzelte unregelmäßige Almosenbeträge ließen sich finden. Ob sie an Gesellschaftsmitglieder oder auch an Fremde gereicht wurden, muss offenbleiben, da die Trauerladenrechnungen hier zu informationsarm sind. Auf diesem Entwicklungsstand stellte die Zwickauer „Trauer-Zunfft“ eine klassische (freie) Beerdigungsgesellschaft ohne Zahlung von Leichengeldern dar. Die Überlieferungen zu dieser berufsübergreifenden Personenverbindung rissen leider in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ab.138  135 StadtAZ, V, T 2, 8a, Bl. 2 (Konfirmation der Trauerlade 1659). Das mehrfach genannte Gründungsjahr 1659 verweist auf die Konfirmation durch Zwickauer Bürgermeister und Rat. Vgl. GEYER, [o. V.]: Das Begräbniswesen im alten Zwickau. In: Zwickauer Geschichtsblätter. Monatsbeilage des „Zwickauer Tageblatt und Anzeiger“ vom 07.10.1933. – LÖFFLER / PESCHKE (Chronik) 1993, S. 56. 136 StadtAZ, V, T 2, 8a, S. 2 (Hauptquartal der Trauerlade 1678). 137 Dieses Muster findet sich auch in Leipzig wieder, wo durch das Almosenamt Leichentücher verliehen wurden, jedoch Angehörige der stärkeren Handwerke fehlten. StadtAL, Schoßstube, Almosenamt, Rechnungen 1782. – StadtAL, Schoßstube, Almosenamt, Rechnungen 1783. 138 StadtAZ, V, T 2, 8a. – StadtAZ, V, T 2, 8b. Die 1780 gegründete „Große Trauer-Societät“ Zwickaus stellte keine Beerdigungsgesellschaft mehr dar. Anstelle des gemeinsamen Begräb

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Im Gegensatz zur freien Zwickauer Trauergesellschaft, die prinzipiell alle gesellschaftlichen Schichten der städtischen Gesellschaft umfassen konnte, bestanden andere gewerbeübergreifende Beerdigungsvereinigungen nur aus Personen einiger weniger Berufsstände. Beispielsweise konnten sich mehrere Handwerksorganisationen mehr oder weniger verwandter Berufe zu Beerdigungsgesellschaften vereinigen. Bereits kurz nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges hatte sich die Leipziger Brüderschaftscommun der neun vereinigten Handwerke gebildet, die sich aus den Innungen der Kammmacher, Klempner, Bürstenmacher, Gürtler, Nadler, Drechsler, Hutmacher, Beutler und Stellmacher zusammensetzte. Diese Innungen bestanden außerhalb des Bereichs des Begräbniswesens weiterhin selbstständig fort.139

5.4 BEGRÄBNISKOSTENÜBERNAHME UND FINANZIELLE UNTERSTÜTZUNGEN Betraf ein Todesfall die mittleren oder unteren Gesellschaftsschichten, waren kurzfristig insbesondere die zu schulternden Begräbniskosten ein nicht zu unterschätzender Ausgabenposten für die Hinterbliebenen. Verschärfend kamen Faktoren wie Kriegszüge, Seucheneinbrüche oder Hungerkrisen hinzu. Nach den dreißig Jahre andauernden Kriegsschrecken hieß es in einer Klageschrift des 17. Jahrhunderts, dass innerhalb der Handwerkerschaft „etliche in solcher Armuht gestorben, daß sie von den ihrigen nicht begraben werden können“.140 Und der Kameralist Marperger (1656–1730) prangerte heftig die Dreistigkeit der „Begräbniß-Bettler“ an,

 nisses, des zur Verfügung gestellten Leichenornats und vieler gesellschaftsfremder Leistungen, beschränkten sich ihre Ausgaben auf die Auszahlung von Leichengeldern und einigen wenigen Verwaltungsaufgaben. StadtAZ, V, T 2, 9. Geyer führt den bis 1933 bestehenden Sterbekassenverein dennoch auf die „große Trauer-Zunfft“ des 17. Jahrhunderts zurück. GEYER (Begräbniswesen) 1933, S. 16. 139 StadtAL, Inn Gürtler C 9, Bl. 103b. – Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Bibliothek I L 35, [unpag.]. – ROTTIG, J. F.: Chronologische Geschichte der Leipziger Leichen-Commun der neun vereinigten Handwerke, vom Anfang ihrer Gründung bis auf die neuesten Zeiten. In: Sachsenzeitung. Zur Besprechung des Gemeinwohls und zur Unterhaltung der Bewohner Sachsens und angrenzender Länder 2/1831, Nr. 91 vom 16.04.1831, S. 681. Später kamen noch die Senkler und die Posamentierer hinzu. Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Bibliothek I L 35, [unpag.]. Im sächsischen Freiberg verbanden sich die Riemer, Sattler, Stellmacher und Wagner und in Dresden die Gürtler, Zinngießer und Beutler zu gemeinsamen Begräbnisgesellschaften. StadtAD, 11.2.25, Nr. 2, Bl. 6b–10b. – SCHULZE (Freiberg) 1918/19, S. 26. 140 StadtAL, Tit. LXIV (F) 269, Bl. 48b.

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„welche zur Begräbniß ihrer todten über der Erden liegender Männer, Weiber, Eltern, Kinder oder armer Anverwandten, (zumahl an denen Orten, wo das Begraben der Todten kostbar ist,) 141 Geld zusammen betteln“.

Marperger musste aber, von einigen Missbrauchsfällen abgesehen, sogleich eingestehen, dass sie „solches auch wohl in der That nöthig haben“.142 Mit der Ausrichtung „ehrlicher“ Begräbnisse durch die Handwerksorganisationen wurden bestimmte Leistungen meist unentgeltlich für die Hinterbliebenen erbracht, was aber nicht als kostenfreie Bestattung bewertet werden darf. Ob nämlich neben den bisher geschilderten Leistungen (Leichengang, Tragepflicht, Bereitstellung des Leichengeräts usw.), deren korporative Übernahme meist bereits die Angehörigen sehr wohl entlasten konnte, weitere Begräbniskosten durch die Handwerksorganisationen regelmäßig bestritten wurden, kann besonders für die Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg nicht exakt belegt werden. Generelle Bestimmungen hierzu sind selten überliefert.143 Katharina Hermans, die arme Witwe eines Leipziger Schneiders, die im Hospital St. Georg 1591 verstarb und „keinne Barschafft verlaßen [hatte] Als gahr Altte kleider, welche nichts wert“ waren, wurde sehr wohl durch das Handwerk „ehrlich“ bestattet. Gleichermaßen wurden die Begräbniskosten von Regina Friedemans, einer „Leinweberin“ und „Schwester in der Oberstuben“ des Hospitals, aus deren hinterlassener Barschaft mühelos finanziert.144 Eventuell überdeckten im 15. und 16. Jahrhundert religiöse Aspekte und das Interesse an der Sicherung eines ehrenhaften Begräbnisses die Probleme der Übernahme von Begräbniskosten und ihrer Bewältigung durch die Hinterbliebenen. Grundsätzlich mussten bei Beerdigungen vielfach finanzielle Mittel aufgewandt werden, die wie Handgelder oder Geschenke nicht immer verzeichnet wurden.145

5.4.1 Begräbnisse für Gesellen und andere Hilfskräfte und die Übernahme der Kosten Für die Frage der Begräbnisfinanzierung beim Tod von Handwerksgesellen, Lehrlingen oder Mägden war entscheidend, wem die Veranstaltung des Begräbnisses oblag. In erster Linie wurde der Besitz der verstorbenen Person herangezogen und  141 MARPERGER, Paul Jacob: Wohlmeynende Gedancken über die Versorgung der Armen, Wes Standts, Alters, Leibs- und Unglücks-Constitution nach selbige auch seyn möchten [...] Dresden 1733 (ND Leipzig 1977), S. 14. 142 Ebd. 143 FRÖHLICH (Sicherung) 1976, S. 106. 144 StadtAL, Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1591/92, Bl. 41b, 43. 145 Siehe im übergreifenden Zusammenhang zu scheinbar altruistisch gereichten Geldern: GROEBNER, Valentin: Korruption in der Eidgenossenschaft im späten Mittelalter und am Beginn der Neuzeit (= Konflikte und Kultur – Historische Perspektiven, Bd. 3). Konstanz 2000. – Ders.: Liebesgaben. Zu Geschenken, Freiwilligkeit und Abhängigkeit zwischen dem 14. und dem 16. Jahrhundert. In: Traverse. Zeitschrift für Geschichte 9/2002, H. 2, S. 39–52.

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die jeweiligen Angehörigen waren verpflichtet, sich um die notwendigen Schritte zu kümmern.146 Beide Elemente stellten speziell eine Personengruppe im Handwerk vor besondere Probleme. Gerade den oft schlecht bezahlten Handwerksgesellen gelang es nicht immer, Ersparnisse anzulegen. Viele Gesellen arbeiteten weit entfernt vom Heimatort, sodass im Falle des Todes nicht oder nicht sofort auf die Angehörigen zurückgegriffen werden konnte. War in diesen Fällen der Verstorbene kein Mitglied einer Korporation, drohte zwangsweise ein beschämendes „unwürdiges“ Armenbegräbnis, das aus Mitteln einer öffentlichen Kasse finanziert wurde. Unter anderem um diesem zu entgehen, traten die Gesellen mehr oder weniger freiwillig in Bruderschaften und Gesellenschaften ein oder waren als Angehörige eines Meisterhaushalts mit einer Handwerksinnung verbunden. Im 18. Jahrhundert nahmen freie Sterbegeldkassen auch Handwerksgesellen auf und einige Gesellenschaften begannen, selbstständig Sterbegelder auszuzahlen. Vor der Reformation traten zahlreiche Handwerksgesellen oder ganze Gesellenschaften in religiöse Bruderschaften ein. Deren regelmäßige Gaben an die kirchliche oder klösterliche Einrichtung, an welche die einzelne Bruderschaft angeschlossen war, sicherten den verstorbenen Mitgliedern ein angemessenes Begräbnis. Ob alle Kosten mit den Abgaben der Bruderschaftsmitglieder abgegolten waren, sodass für den Einzelnen bzw. dessen Hinterbliebene keine zusätzlichen Aufwendungen entstanden, kann nicht abschließend beantwortet werden. Mangelhafte Informationen über die Übernahme von Begräbniskosten oder die Unterstützungen im Todesfall erschweren die Aussagen für die anschließende Zeit bis zum Dreißigjährigen Krieg, doch verstreute Hinweise berichten sehr wohl über eine Entlastung der Betroffenen. Relativ reichhaltig waren die Hinweise, die sich im Leipziger Georgenhospital fanden. Immer wieder wiesen die Rechnungsschreiber darauf hin, dass im Spital verstorbene Gesellen kaum Gegenstände von Wert hinterließen, sie aber dennoch ein „ehrliches Begräbnis“ erhielten, indem das Handwerk, die Gesellenschaft, ihr Meister oder einfach „Ire freinnde“ sie bestatten ließen.147 Wie erwähnt veranstalteten einige Handwerke gemeinsame Leichenbegängnisse und begruben vermutlich die Gesellen auf Kosten der Meister und Gesellen unter Heranziehung des Nachlasses bzw. der hinterbliebenen Angehörigen. Für die Veranstaltung gemeinsamer Leichengänge fehlten bei den Leipziger „Trüpmachern“, deren einzige überlieferte Handwerksordnung aus dem Jahr 1609 stammt, leider direkte Beweise. Da aber nicht allein die Meister selbst vierzehntägig mit 3 Pfennigen zur Handwerkslade beitrugen, sondern diesen Beitrag auch von ihrem Gesinde erhoben und an die Lade weiterreichten, „damit die durfftigen  146 FRÖHLICH (Sicherung) 1976, S. 105. 147 Im Folgenden wurden branchenübergreifend Belege aus einigen Rechnungsjahren aufgenommen: StadtAL, Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1590/91, Bl. 36–36b. – StadtAL, Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1591/92, Bl. 18b, 19b, 41, 42, 43, 44. – StadtAL, Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1593/94, Bl. 38b. – StadtAL, Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1595/96, Bl. 36. – StadtAL, Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1596/97, Bl. 37.

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vnd Armen im fall der Noht vnderhalt, Auch ehrlichen, zur Erden bestattet werden mügen“, erscheint ein vereinigter Leichengang der Meister und Gesellen wahrscheinlich.148 Die gemeinsame Finanzierung durch Personen unterschiedlicher sozialer Schichten bildete die Grundlage für eine kollektive Bezahlung der Bestattungskosten. Vermutlich war eine relativ geringe Personenanzahl in diesem Handwerk die Voraussetzung für die gemeinschaftliche Handwerkskasse und somit die vereinte Begräbnisvorsorge und -finanzierung. Im Falle der obersächsischen Posamentierer war ebenfalls aufgrund der geringen Größe des Handwerks im 16. und 17. Jahrhundert keine eigene Gesellenorganisation vorhanden. Auf den Handwerkstreffen erlegten Meister und Gesellen gemeinsam ihre zünftigen Mitgliedsbeiträge, wobei die Gesellengebühr nur die Hälfte derjenigen der Meister betrug,149 was sie durchaus berechtigte, Forderungen an die gemeinsame Organisation zu stellen. Noch recht vage verabredeten die Meister der Dresdner Hauptlade150 1618, „das, wenn ein gesell stirbet, so soll der verordenete aldt gesell schuldigk sein, den Eltesten Meister solches an zu zeigen, welcher die meister vndt gesellen zu sammen fordern laßen soll 151 vndt sich mit ein ander ve[r]gleichen, wie er zur erden bestadtet werden soll“.

Vermutlich wurde damit auch die Frage der Begräbniskosten berührt. Die Leipziger Schwesterorganisation wurde elf Jahre später deutlicher: „Sonsten so einer aus dem handtwerge verstürbe, es sey geselle oder junge, undt nicht so viel verliesse, daß er zur erden ehrlich bestattet werden könte, denselben soll das handtwergk je152 des orths begraben zu lassen schuldig sein.“

In der Messestadt übernahm damit dieses Handwerk die Begräbniskosten für die unselbstständig Beschäftigten. „Wann aber in einer stadt nur ein meister vorhanden, soll derselbe auff solchen fall bey den meistern zu Leipzigk, da die hauptlade ist undt das aufflegegeldt albereit berechnet worden, 153 schuz zu suchen undt sich da selbst des schadens zu erholen befuget sein.“

Da die Hauptlade viele kleinere Ortsinnungen mit nur einem einzigen Meister umfasste, gestand man ihnen zu, sich in diesen besonderen Fällen zum Kostenausgleich an die Hauptlade zu wenden. Zu diesen mutigen Schritten konnten sich die Dresdner Posamentierer mitten im Krieg nicht durchringen:

 148 StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 20b–21. 149 StadtAD, 11.2.46, Nr. 75g. – StadtAD, 11.2.46, Nr. 75l. – StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 305. – StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 321. – StadtAL, Zunftbuch IV, Bl. 6b. – StadtAZ, X, 1, 15, Bl. 58b. 150 Das Posamentiererhandwerk war in Kursachsen in mehreren Hauptladen organisiert, zu denen jeweils zahlreiche Ortsverbände gehörten, die ohne eigenständige Handwerksartikel und nur mit eingeschränkten jurisdiktionellen und finanzorganisatorischen Befugnisse bestanden. 151 StadtAD, 11.2.46, Nr. 75g, S. 7. 152 StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 321b. 153 Ebd., Bl. 322.

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5. Begräbniswesen in den Handwerkszünften und Gesellenschaften „1639, den 25. Augusti, Ist bey Offen Laden entschlossen worden, wan bey einen oder den andern meister ein geselle oder junge vnnd magd vorstürbe, soll der meister, bey welchen ein iedes vorstürbe, sehen, wie er seine geselln, jungen oder mägde zur erden christlichen zur erden bestatten lasse. Vnnd wegen der vncosten [soll] das handwerck nicht schuldig sein, etwas 154 darzu zu geben.“

Die Zurückweisung etwaiger Bitten um Kostenübernahmen für Begräbnisse durch die Zunft schien nicht allein den besonderen Zeitumständen – Dresden wurde gerade von einer Pestwelle heimgesucht und litt stark unter den kriegerischen Auseinandersetzungen – geschuldet. Meist geschah ein kostenfreies Begräbnis nur bei besonderen sozialen Notlagen. Dass innerhalb des relativ kleinen Posamentiererhandwerks in kurzer Zeit drei verschiedene Regelungen auftauchten, deutet zumindest eine durchaus flexible, wechselvolle Handhabung durch die Korporationen an. Im 18. Jahrhundert war beispielsweise eine eigene Gesellenbüchse vorhanden, sodass diese vermutlich im Notfall die Kosten für ein Gesellenbegräbnis übernahm.155 Die Vereinbarungen der Posamentierer gingen zusätzlich zu den Handwerksgesellen auf Lehrlinge und Mägde ein, die Trippenmacher sprachen allgemein von dem Gesinde. Derartige Informationen zur sozialen Sicherung dieser unselbstständig Beschäftigten im Handwerk sind, sieht man von den Gesellen ab, rar gesät. Im April 1590 verzeichnete das Rechnungsbuch des Leipziger Hospitals St. Georg folgendes Ereignis: „Ist in Gottseligklichen entschlaffen Vndt vorschiedenn Venna N., ist eine Bademagt gewesenn, hatt am gelde nichs gelaßenn Als ir gerettlein, welche das Bader handtwerckh zur Erden 156 habenn laßen bestettigen, der Gott gnade Vndt verley Ihr einne Selige aufferstehung.“

Für besonders arme Beschäftigte bestand somit zwar die Möglichkeit, ein zünftiges Begräbnis zu erlangen, doch lassen sich bezüglich der Begräbnisse von Lehrlingen, Mägden, Lohnburschen und anderen Personengruppen keine pauschalen Aussagen treffen. Einige Autoren schließen speziell die Bestattung von Lehrlingen ausdrücklich in den zünftigen Aufgabenbereich mit ein. In einzelnen nordund westdeutschen Handwerksordnungen wurden tatsächlich Begräbnisleistungen für Lehrburschen nachgewiesen, doch ließ sich die Annahme im Falle obersächsischer Textil- und Bekleidungshandwerke (mit Ausnahme des angeführten Handwerks der Posamentierer) nicht verifizieren.157 Auch wenn eine eigene Gesellenorganisation existierte, konnte im Notfall die Meisterzunft für die oftmals klamme Gesellenkasse einspringen. 1698 wurden die  154 StadtAD, 11.2.46, Nr. 75g, S. 52. In ganz ähnlicher Weise geboten die Leipziger Hosenstricker, dass die Meisterschaft an sämtlichen Handwerksbegräbnissen teilnehmen sollte, die Kostenübernahme für die Beerdigung eines Gesellen, eines Lehrlings oder einer Magd jedoch in der Verantwortung des Arbeitgebers allein lag. StadtAL, Tit. LXIV (F) 129, Bl. 5. 155 StadtAD, 11.2.46, Nr. 76k. 156 StadtAL, Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1590/91, Bl. 36. 157 FUHSE, Franz: Handwerksaltertümer (= Werkstücke aus Museum, Archiv und Bibliothek der Stadt Braunschweig, Bd. VII). Braunschweig 1935, S. 27*. – PONFICK (Sozialversicherung) 1940, S. 38f.

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Unkosten für das Begräbnis eines Breslauer Gesellen, der anscheinend ohne weitere Mittel und Angehörige in der Stadt verstorben war, von der Chemnitzer Weberzunft bezahlt, da die Gesellenschaft nicht über die notwendigen Gelder verfügte.158 Die Tuchbereiter Leipzigs, bei denen keine eigene Gesellenschaft vorhanden war, übernahmen die Beerdigungskosten für einen ihrer Gesellen, wenn „er nicht beweibet noch wohnendt alhier ist und hette in seinen vermögen nicht so viel, daß er davon zur Erden bestattet werden könte“.159 Wenn die Gesellen keine Angehörigen vor Ort hatten und Gesellenschaften existierten, besorgten oftmals diese Verbände eigenständig die Gesellenbegräbnisse und kümmerten sich um die entsprechende Organisation. Dann erfolgten vermutlich neben der Teilnahmepflicht, dem Leichentragen, dem Informieren der zuständigen Personen wie Pfarrer, Küster und Totengräber viele weitere Leistungen. 1538 zahlten die Zwickauer Tuchknappen dreieinhalb Groschen dem „Wolff v[o]n Porckhaußenn tzu bergraben lhon vnnd zuleuthen“. Sie richteten für ihre mittellosen Gesellen ein Leichenbegräbnis aus und bezahlten anschließend den Leichengräber.160 Vielfach wurden Beerdigungen von Gesellen durch die Gesellenorganisationen im Zusammenhang mit einem Darlehen bei einer schweren Erkrankung erwähnt. Endete die Krankheit tödlich, sollte der Nachlass des Gesellen herangezogen werden, um das von der Korporation veranstaltete Begräbnis zumindest zum Teil zu finanzieren. Waren Freunde oder Familienangehörige vorhanden, konnten diese wegen einer Entschädigung der Gesellenkasse angesprochen werden.161 Ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nahmen die Quellenhinweise zu, dass die Gesellenorganisationen für verstorbene Mitglieder ein Begräbnis ausrichteten und die Begräbniskosten übernahmen, wenn der Verstorbene oder dessen Freunde und Bekannte die Kosten nicht (komplett) bezahlen konnten.162 Bei den Strumpfwirkergesellen in Dresden war für diesen Fall sogar eine spezielle Kasse seit der Mitte des 18. Jahrhunderts vorgesehen.163 Eine Übernahme der Begräbniskosten abseits des obligatorischen Leichengangs und der Teilnahme am Begräbnis fand jedoch subsidiär und keineswegs als eine Selbstverständlichkeit statt.164 Wenn die Gesellenschaft das Begräbnis aus 158 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 126. 159 StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 23. Vgl. StadtAL, Inn Tuchbereiter A 1, Bl. 11b. 160 StadtAZ, X, 49, 135, Rechnung 1536–1538, Bl. 5. Noch im 19. Jahrhundert waren die Begräbnisleistungen der Gesellenladen wesentlich umfangreicher als die vergleichbarer Einrichtungen wie der betrieblichen Kassen. REININGHAUS, Wilfried: Die Unterstützungskassen der Handwerksgesellen und Fabrikarbeiter in Westfalen und Lippe (1800–1850). In: Westfälische Forschungen 35/1985, S. 155. 161 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 305, S. 48f. 162 StadtAC, RA, Kap. IX. Sm Nr. 7, Bl. 3b. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 2, Nr. 19, [unpag.]. – StadtAL, Inn Färber C 1, Bl. 3–3b. – StadtAL, Inn Kürschner B 5, Bl. 80. 163 StadtAD, 11.2.62, Nr. 3, [unpag.]. 164 Vgl. FRÖHLICH (Sicherung) 1976, S. 170. – REININGHAUS (Entstehung der Gesellengilden) 1980, S. 256. – WESOLY (Lehrlinge und Handwerksgesellen) 1985, S. 329.

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richtete und ihr Angehörige oder Freunde des Verstorbenen bekannt waren, richteten sich die Ansprüche auf Erstattung der ausgelegten Kosten meist an diese. War der Rückgriff auf die Angehörige nicht möglich und hinterließ der Verstorbene etwas von Wert, wurde dieser Nachlass zur Deckung der Unkosten herangezogen. Größtenteils handelte es sich um Kleidungsstücke eher geringeren Wertes,165 die meistbietend verkauft wurden, wenn sich nach Ablauf einer gewissen Frist keine Angehörigen des Verstorbenen gemeldet hatten oder niemand sonst ausfindig gemacht werden konnte, der die Begräbniskosten übernahm. Durch die Verrechnung der entstandenen Kosten mit dem Nachlass des Verstorbenen entstand den Hinterbliebenen in zahlreichen Fällen nur dann ein Vorteil, wenn der Nachlass erstens kaum von Wert war und sie zweitens selbst nichts beisteuern konnten. Einige Angehörige versuchten, dem Zugriff der Gesellenorganisationen auf die Nachlassgüter zu entgehen. Die Gesellenverpflegungskasse der Zeug- und Leineweber in Chemnitz beschwerte sich, dass die Mutter des verstorbenen Gesellen A. Th. Bach, die ihn zugleich in ihrer Witwenwerkstatt beschäftigt hatte, die Gesellenschaft betrügen wollte, indem sie nicht den wahren Besitz ihres Sohnes, sondern „statt eines guten braunen Tuchrock einen schlechten blauen Tuchrock, statt eines Paar guter Sommerhosen ein Paar schlechte Tuchhosen und statt einer schwarzen Tuchmütze eine 166 Sommermütze“

an die Gesellenlade zur Verrechnung mit den Begräbniskosten abgeführt hatte. Solch ein Widerstand war nur von Erfolg gekrönt, wenn der Geselle zuletzt nicht an anderen Orten gearbeitet hatte. Nur unter dieser Bedingung konnten die Hinterbliebenen schnell auf seinen Besitzstand zugreifen. Bei den Meistersöhnen veranstalteten häufig deren Familien das Begräbnis, doch konnte es hierüber und über die anschließende Verwertung des Gesellennachlasses zu Auseinandersetzungen kommen.167 Bei den Dresdner Schneidern mussten anscheinend die Angehörigen im 18. Jahrhundert keine Begräbniskosten für einen verstorbenen Gesellen übernehmen.168 Die Unkosten wurden komplett durch die Gesellenorganisation bzw. die  165 Aufstellungen über die Hinterlassenschaften von Handwerksgesellen finden sich verstreut in verschiedenen Quellen. So gibt es unter den hunderten Akten zu den Testamentssachen im Leipziger Stadtarchiv auch Aufzeichnungen über Gesellenbesitztümer. StadtAL, Tit. LIX (F). Für ein Beispiel aus Chemnitz siehe: StadtAC, RA, Kap. IX. Za 45, Bl. 231. 166 StadtAC, RA, Kap. IX. Za 59a, [unpag.]. 167 In Dresden weigerte sich die Mutter eines Schuhmachergesellen, „dessen Nachlaß zu extradiren“, weil man dem Sohn keine Krankensteuer gezahlt hätte. Sie wollte zudem lieber das Begräbnis selbst ausrichten. StadtAD, 11.2.56, Nr. 141, Bl. 159b. 168 In einem Regulativ bezüglich der Gesellenbegräbnisse wurde die Kostenübernahme durch die Angehörigen nur bei teuren Leichen in „Procession“ erwähnt. In der Vernehmung der Innungsältesten war von der bisherigen Bezahlung der Begräbniskosten der Prozessionsleichen durch die Gesellenschaft die Rede, wenn nicht „deßen Freunde das benöthigte darzu hergeben wollten“. Bei der Bezahlung einfacher Gesellenbegräbnisse wurde das Nötige aus der Gesellenlade genommen. StadtAD, 11.2.54, Nr. 27, Bl. 9–12, 16–17b.

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einzelnen Mitglieder getragen, was jedoch einige Spannungen hervorrufen konnte, da wirksame Kontrollmechanismen nicht in ausreichender Weise vorgesehen waren oder umgangen wurden. Innerhalb der Schneidergesellenorganisation wurde der Altgeselle Johann Friedrich Zscherner von seinen Kollegen 1775 beschuldigt, bei der Abrechnung für das Begräbnis eines Gesellen sowohl bei der Leinwand für das Ausschlagen des Sarges als auch für die 40 Zitronen, die für das Begräbnis nötig waren,169 die Kosten unrechtmäßig gesteigert zu haben. Er musste die Vorwürfe letztlich einräumen und die zu viel berechneten Gelder erstatten. Um künftige Irritationen unter den Gesellen zu vermeiden, forderten die Innungsältesten ein dauerhaftes Regulativ und unterbreiteten dem Magistrat ihre Vorschläge. Die Ideen der Meister flossen fast vollständig in das „Regulativ wegen derer Schneider-Gesellen“ vom 9. Dezember 1775 ein. Es sah unter anderem eine Begrenzung der Begräbniskosten für ein „ordinaires“ Gesellenbegräbnis vor. Um eine Kostengrenze festzulegen, wurden neben der Befragung des „Innungs-LeichenBestellers“, der das Begräbnis größtenteils organisierte, mehrere Spezifikationen über die üblichen Ausgaben für die verschiedenen Begräbnisformen vorgelegt. Das teuerste Begräbnis mit „einer Leichen-Predigt vor ein Geselle in St. Annen“ belief sich demnach auf 17 Taler und vier Groschen, das günstigste „mit der halben Schule in der Stadt“ auf 13 Taler acht Groschen und sechs Pfennige. Im Regulativ einigten sich die Innungsältesten und der Rat auf eine Maximalgrenze von 13 bis höchstens 14 Talern, die wie bisher der gemeinschaftlichen Gesellenlade entnommen werden sollten. Dagegen waren in der Vergangenheit die sogenannten „Processions-Leichen“, bei denen ein größerer Aufwand betrieben wurde und alle Gesellen öffentlich teilnehmen mussten, durch Sammlungen von zwei Groschen je Schneidergeselle und Sterbefall gegenfinanziert worden. Diese Begräbnisse in „Procession“ mit großem Leichenzug und Trauerfeier sollte es fortan nur noch geben, wenn die Kosten aus dem Nachlass oder durch Freunde des Verstorbenen aufgefangen wurden.170 Als im Jahre 1783 der aus Neckarweihingen in Württemberg stammende Geselle Michael Kurze nach langer Krankheit in Dresden verstarb, begrub ihn die Gesellenschaft. Sie verlangte die verauslagten Kosten von den Hinterbliebenen des Gesellen Kurze in der Heimat zurück, wodurch deutlich wurde, dass die Bestimmungen des Regulativs die Schneidergesellenlade nicht effektiv vor neuen Kostenexplosionen schützte. Die Dresdner Gesellenschaft forderte nämlich gut 56 Taler, in denen neben Kur- und Verpflegungskosten über 30 Taler für das Begräbnis enthalten waren. Die Hinterbliebenen hatten sich daraufhin an den herzoglich Württembergischen Regierungsrat und Oberamtmann Kerner in Ludwigsburg  169 Zitronen besaßen diverse Funktionen und fanden nicht nur bei Begräbnissen Verwendung. KORGE, Marcel: Schlechtes Geld und weiße Handschuhe. Aufstand und Festumzug der Leipziger Schneidergesellen im Jahr 1763. In: Stadtgeschichte. Mitteilungen des Leipziger Geschichtsvereins e. V. Jahrbuch 2010, S. 231–233. 170 StadtAD, 11.2.54, Nr. 27, Bl. 1–17b. Aus der Rechnung der Gesellenverpflegungskasse 1827/28 geht hervor, dass die Gesellenschaft mehrfach Begräbniskosten über etwa zwölf Taler beglich. StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 60, Vol. I.

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gewandt, der gegenüber dem Dresdner Stadtrat zu erkennen gab, wie „diese Praetension offenbar übertrieben und es nirgends üblich ist, einen armen SchneiderPursch mit solchem Aufwand, der sich auf 20 r belauft, zur Erde bestatten zu laßen“. Der vorgeladene Altgeselle erklärte auf der Dresdner Registratur: „Daß der Kosten-Aufwand auf die Beerdigung so hoch ausgefallen [sei], rührte daher, weil der verstorbene Kurtz seine Beerdigung in der Art, wie sie erfolgt, selbst verlangt und sie gebethen hätte, sie sollten ihm nichts abgehen und es an nichts fehlen laßen, mit der Versiche171 rung, wie er 300 r eigenes Vermögen hätte und von diesem alles bezahlet werden müßte.“

Ohne Sicherheiten den Beteuerungen des schwer kranken Michael Kurze vertrauend, hatte die Gesellenschaft ihm ein aufwendiges Begräbnis in „Procession“ mit allen Ehren veranstaltet und musste sich nun mit den Angehörigen des Verstorbenen auseinandersetzen.172 Bei einem einfachen Gesellenbegräbnis ohne „Procession“ erhob dagegen die Schneidergesellenschaft gegenüber möglichen Angehörigen tatsächlich keine Restitutionsansprüche. Vor dem Dresdner Magistrat beklagte sich der Schneidermeister Carl Gottfried Lohse. Er hatte einen schweren Stand, da er seinen Sohn, den Schneidergesellen Carl Tobias Lohse, auf eigene Kosten beerdigt hatte und im Nachhinein versuchte, die Kosten von der Gesellenorganisation zurückzuerlangen. „Da sich der Verstorbene nicht länger halten wollte, mußte ich, erläuterte der Vater, „mit deßen Beerdigung eylen [und], ohne daß ein Camerade ihn begleitet hatt, begraben laßen.“173 Meister Lohse forderte nun „das gewöhnliche LeichenGeld“, das bei dem Auflegen der Gesellen einkassiert wurde, was ihm die Gesellenschaft grundsätzlich zusagte. Die Vorgehensweise kann als Beweis gelten, dass die Gemeinschaft der Gesellen die Begräbniskosten bis zu einem gewissen Höchstbetrag trug, da die Forderung des Meisters sonst generell abgelehnt worden wäre. Nur über die genaue Summe bestand aufgrund von Schulden und unredlichem Verhalten des Verstorbenen zuerst keine Einmütigkeit. Selbst ein landesherrliches Reskript brachte die Gesellenorganisation nicht zum Einlenken.174 Erst als Meister Lohse vorschlug, man solle sofort zwangsweise gerichtlich „mit der Auspfändung verfahren“, gaben die Schneiderburschen nach. Meister Lohse hatte auf dem Rathaus „die Gesellen-Lade nebst dem silbernen, denen Schneider-Gesellen zugehörigen so genannten Willkommen, welches beydes der Herbergs-Vater, M[ei]st[e]r Eck in Verwahrung habe, zum 175 Objecto executionis“

angegeben, was mitten ins Zentrum der gesellenschaftlichen Existenz zielte. Einige erstaunliche Parallelen wies die Entwicklung im Dresdner Schuhmacherhandwerk auf. Dessen Gesellenartikel sahen eine Übernahme der Begräbnis 171 StadtAD, 11.2.54, Nr. 27, Bl. 34b–35. 172 Ebd., Bl. 31–36b. Die Festsetzung der Kosten für ein Gesellenbegräbnis beschäftigte die Gesellenschaft noch in den 1830er Jahren. StadtAD, 11.2.54, Nr. 208, Vol. I, Bl. 28b. 173 StadtAD, 11.2.54, Nr. 107, Bl. 1b. 174 Ebd., Bl. 37, 39. 175 Ebd., Bl. 40b-41.

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kosten, anders als bei den Schneidern aber ein grundsätzliches Restitutionsrecht gegenüber den „Aeltern“ oder Freunden und eine Nachlassverwertung vor. Im Notfall wurde auch hier der „Begräbniß-Aufwand“ „als eine nicht wieder zu erlangende Ausgabe“ akzeptiert. Die Begräbniskosten sollten sich nicht über eine Summe von zwanzig Talern erstrecken und von jedem Gesellen durch Einlage von zwei Groschen bei jedem Sterbefall eingetrieben werden.176 Auslöser neuerer Diskussionen um eine Begrenzung der von der Gesellenschaft zu übernehmenden Begräbniskosten war der enorm hohe Verschuldungsgrad der Organisation in den 1780er Jahren. In einem Schreiben an den Stadtrat hielt die vereinigte Gesellenschaft eine Limitierung der Kosten für möglich, begründete aber ihre Vorstellungen über unentbehrliche Ausgaben für ein „ehrliches“ Begräbnis: „Nach genauer Uberlegung ist ein öfentliches jedem ehrlichen Kerl gebührendes Begräbniß unter Dreysig Thaler gar nicht zu veranstalten, dieß vorausgesezt haben wir uns alle auf 30 Thaler zum jedesmaligen Leichenbegängniß eines Mittbruders bestimmt und sind erböthig, 177 auf Erfodern [sic!] Denenselben Rechnung abzulegen.“

Keineswegs waren die Gesellen bereit, auf eine öffentliche, aufwendige Beerdigung mit Prozession zu verzichten. Selbst die Schuhmachermeister legten in einer ersten Reaktion Kostenaufstellungen vor, die nur knapp unter den avisierten 30 Talern lagen und akzeptierten im Grundsatz das Bedürfnis der Gesellen. Von städtischer Seite aus war man ebenfalls willens, einer Obergrenze von 30 Talern zuzustimmen.178 Als sich die ausgenommen schlechte finanzielle Situation der Gesellen nicht besserte und dem Schuldendienst nicht mehr nachgekommen werden konnte, zugleich aber weiterhin kostspielige Begräbnisse organisiert wurden, begannen erneut Auseinandersetzungen um eine Abschaffung der „Prozessionsleichen“. Ein Kompromiss war die Folge, nach dem „Prozessionsleichen“ erlaubt wurden, wenn die Gesellen untereinander mindestens 30 Taler aufbrachten, ohne die Gesellenlade zu belasten. Ansonsten sollten die „stillen Leichen“ mit einer geringeren „Leichensteuer“, also einer Einlage eines jeden Gesellen, und einem Zuschuss aus der Lade finanziert werden.179 In den nächsten Jahren existierten beide Begräbnisformen nebeneinander, selbst wenn sich die Gesellen langfristig die öffentlichen Begräbnisse nicht leisten konnten. Allein die stillen Beerdigungen wurden mit 20 Talern in die Rechnungen eingebracht.180 Trotz der Erfahrungen bei den Schneidergesellen gelang es den Schuhmachern nicht, Missbräuche des gemeinschaftlichen Begräbniswesens zu verhindern. Dem Gesellen Johann Anton Nase wurde auf sein „ausdrückliches  176 177 178 179 180

StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 2, Nr. 19, [unpag.]. StadtAD, 11.2.56, Nr. 141, Bl. 19b–20. Ebd., Bl. 39, 46, 49–49b. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 2, Nr. 29, [unpag.]. StadtAD, 11.2.56, Nr. 141, Bl. 85b–99, 107. Ebd., Bl. 124–125b.

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Verlangen“ und seine Versicherung, „daß er wenigstens 600 r in Vermögen besitze“, ein teureres Begräbnis gewährt.181 Gesellenschaften oder Handwerksinnungen übernahmen vor allem bei sozialen Notfällen die Begräbniskosten für Gesellen. Einige Organisationen wie die Dresdner Schneidergesellen bezahlten darüber hinaus die Kosten unabhängig von der individuellen Bedürftigkeit. Doch nur selten erlangten Angehörige von verstorbenen Gesellen eine unmittelbare finanzielle Unterstützung ohne Anrechnung des Nachlasses in Form von echten Sterbegeldern, die zudem in ihrer Höhe recht niedrig ausfielen. Wird das Niveau der Sterbegelder mit demjenigen der üblichen Begräbniskosten verglichen, zeigt sich, dass die aus den Gesellenkassen stammenden Gelder nicht über die tatsächlichen Aufwendungen hinausreichten, sondern oft nur einen Teil der Unkosten abdeckten. Eine mittel- oder langfristige Hinterbliebenenversorgung gewährleisteten sie nicht. Erste Belege dieser Gesellenkassen-Sterbegelder entstammen der Mitte des 18. Jahrhunderts. Vor allem in Handwerken, in denen der Anteil verheirateter Gesellen relativ hoch war, erfolgte eine gewisse finanzielle Direktunterstützung der Hinterbliebenen. Bei den Chemnitzer Strumpfwirkern wurde im Falle des Todes eines Gesellen den Hinterbliebenen ein Sterbegeld von zwei Talern gegeben, wenn sie ihn beerdigten. Sämtliche Begräbniskosten übernahm die Vereinigung nur, wenn der Geselle selbst keine finanziellen Möglichkeiten und keine kapitalkräftigen sozialen Beziehungen unterhielt.182 Die Leipziger „Sammet- und SeidenwürckerGesellen“ hatten eine Lade unter sich aufgerichtet, die beim Tod eines Mitglieds acht Taler zum Begräbnis zahlte. Die Leichenfolgepflicht und die Ausrichtung eines Begräbnisses durch die Gesellenschaft entfielen jedoch.183 Bei den Tuchmachergesellen in Dresden sahen neue Gesellenartikel Anfang des 19. Jahrhunderts vor, dass den Hinterbliebenen eines verstorbenen Gesellen, er sei ledig oder verheiratet, neben der Hinterlassenschaft noch zwölf Taler zum Begräbnis gereicht werden sollten, wofür die Erben das Begräbnis zu bezahlen hätten. Die Gesellschaft war weiterhin zum Leichengang und dem Tragedienst verpflichtet.184 Gesellenorganisationen, die direkte Hilfen an Hinterbliebene entrichteten, versuchten häufig, sich aus der Verantwortung für die Ausrichtung des Begräbnisses zu kaufen. Sie zahlten den Angehörigen eine feste Summe, wodurch die Ausgaben für die Gesellenkassen kalkulierbar wurden, während die Familie und Freunde des Betroffenen den eigentlichen Begräbnisaufwand tragen mussten und über die konkrete Ausgestaltung entschieden. Mit der Zahlung von Begräbnisgeldern näherten sich die Gesellenschaften den zunfteigenen Beerdigungsgesellschaften und Leichenkassen an.  181 StadtAD, 11.2.56, Nr. 182, Bl. 5b–10. 182 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 213, Nr. 1, [unpag.]. – StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 7, Bl. 3b, 32– 32b. Vgl. StadtAL, II. Sektion S (F) 1860, Bl. 7. 183 StadtAL, II. Sektion S (F) 1941, Bl. 12. 184 StadtAD, 11.2.66, Nr. 64, Bl. 5–5b. Die Angleichung der Begräbnisbestimmungen für verheiratete Gesellen zeigte, dass diese Form des Zusammenlebens im Tuchmacherhandwerk der Landeshauptstadt damals weit verbreitet war.

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Bezüglich der obersächsischen Gesellenorganisationen besaß besonders das „Mandat, die Abstellung verschiedener Innungsgebrechen betreffend“ vom 7. Dezember 1810 große Relevanz, da mit ihm die bisherigen Gesellenladen und alten Gesellenbrüderschaften zugunsten von Gesellenverpflegungskassen aufgelöst wurden. Auf die Problematik der Gesellenbegräbnisse ging das Mandat jedoch nicht näher ein. Nur in einem Nebensatz wurde ein „Retentions- und zugleich ein Vorzugsrecht“ bei aufgelaufenen Verpflegungs- und Begräbniskosten proklamiert, wodurch auf die Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts übliche Übernahme dieser Kosten durch viele Gesellenverpflegungskassen und die anschließende Wiedererstattung durch die Angehörigen bzw. die Heimatgemeinde angespielt wurde.185 Problematisch gestaltete sich die Lage für Gesellen, welche nicht in einem Arbeitsverhältnis standen und erkrankten oder verstarben. Auf ihre Lage wurde an anderer Stelle eingegangen.186

5.4.2 Anfänge geregelter finanzieller Begräbnisbeihilfen für Meisterfamilien Die Handwerksinnungen reichten an arme Hinterbliebene im Notfall sporadische Almosen und Darlehen und bisweilen finanzierten sie auch (teilweise) deren Begräbniskosten.187 Für die obersächsischen Textil- und Bekleidungsgewerbe waren dagegen direkte, regelmäßige finanzielle Beihilfen zu den Begräbniskosten für einen Meister, eine Meisterfrau bzw. -witwe oder für Meisterkinder erst ab dem Ende des 17. Jahrhunderts nachweisbar. Die Zünfte zahlten diese aus bestehenden Handwerks- oder Ornatskassen, veranstalteten Sammlungen unter den Mitgliedern oder richteten eigene Trauerkassen ein. Große Teuerungen könnten für die Chemnitzer Leineweber ein Grund dafür gewesen sein, dass 1700 „das Handwerk eine Trauer- oder Leichen-Casse unter sich auffgerichtet und gewiße Articul darüber verfaßt“ hatte, die eine Beisteuer von zwei Gulden an die Hinterbliebenen im Falle des Todes eines Meisters vorsahen. Vier Jahre später wurde die Regelung auf den Tod einer Meisterwitwe ausgedehnt, doch wurde in diesem Fall nur eine halb so hohe Beisteuer vereinbart.188 Nur bei besonderen Notlagen und auf einhelligen Beschluss gab die Innung zusätzliche Beisteuern oder Almosen.189 Ähnlich verlief die Entwicklung bei den Tuchmachern in Zwickau. Einzelne unregelmäßige Zugaben – sogar an Zunftfremde wie 1631 für „Zachar Gebhardts, deß Alten geweßenen Kirchen Knechts Sohn, zu seinen begreßnüß“ – gaben die Meister schon länger. Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts existierte eine Trauerlade und am Ende dieses Jahrhunderts häuften sich die in den Rechnungen ange 185 Mandat, die Abstellung verschiedener Innungsgebrechen betreffend (Dresden, 07.12.1810), Kap. I § 4l. 186 Siehe Kap. 4.8. 187 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 239, Bl. 276. 188 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 294. 189 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 409, Bl. 103b. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 214f.

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führten Begräbnisalmosen für Hinterbliebene der verstorbenen Meister oder Meisterangehörigen. Erstmals in der Jahresrechnung 1711/12 wurde eine „Ergötzlichkeit“ für Meister und Meisterfrauen nach ihrem Tode verzeichnet und in einem Bericht über diese Jahresrechnung schließlich über die Höhe der „Begräbnißgelder“ diskutiert. Auszahlungen echter Sterbegelder in Höhe von vier Gulden tauchten definitiv in den Rechnungen der „Trauer-Lade“ ab 1719 auf.190 Unter den Zwickauer Schuhmachern führte ein handwerksinterner, vom Magistrat 1703 bestätigter Vergleich dazu, dass die bisherigen „Vier Gülden, so nach eines Meisters Absterben den hinterbliebenen Wid[w]en oder Kindern aus der Handwergks Lade als ein Beytrag zum Begräbnüs gegeben werden sollen, auf Sechs 191 Gülden erhöhet seyn“

und „wann eines Meisters Weib oder Widwe, welche in ihren Widwenstand verblieben, mit Tod abgehet, sollen dem Meister oder der Widwen Erben aus den Widwen Fisco, worein ein ieder junger Meister anstatt der Kuchen Einen Gülden nach und nach zu erlegen schuldig seyn soll, 192 Vier Gülden bezahlet werden“.

Bei einer erneuten Heirat konnte die zweite Ehefrau gegen Zahlung eines Guldens in diesen „Widwen Fisco“ aufgenommen werden.193 Die 1708 eingerichtete Trauerkasse der Schneider Zwickaus umfasste ein Anfangskapital von 400 Talern und gewährte jedem Kassenmitglied beim Tod eines Mannes zwölf Taler, beim Tod einer Frau zehn Taler.194 Ausführliche Aufzeichnungen sind zu einer Grabegesellschaft in Dresden erhalten. „Es ist von dem sämtlichen Handtwerck der Schneider schon anno 1687 eine Grab-Ordnung abgeredet, zu Pappier gebracht und individualiter unterschrieben worden.“195 In der Einleitung ihrer Ordnung gaben die Meister die Gründe des Zusammenschlusses an: „Nachdem das Löb[liche] Handtwerck der Schneider alhier in dieser Churf[ürstlich] Sächß[ischen] Residenz undt Haupt Vestungs-Stadt-Dreßden wohl erwogen, wie wir alle Arme gebrechliche Menschen der Sterbligkeit unterworfen seindt undt keiner nicht wißen kann, wenn undt wie der liebe Gott etwa einem oder dem andern Heimsuchen möchte, Gleichwohl aber ein ieder vor sich oder die lieben Seinigen gerne ein Ehrlich Begräbniß oder ErdenBestattung haben will, Hingegen aber manchen Meister solche dazu gehörige mittel bey diesen schweren Zeiten aufzubringen, dadurch sein Bedrübnüß desto größer, sehr schwer fället; Damit nun der jenige, dem es betrifft, gleichwohl in etwas getröstet undt des Handtwercks Vermögen auch mit Zugenüßen habe, Alß haben Sie sich belieben undt nach gesezte puncta

 190 StadtAZ, X, 49, 57, [unpag.]. – StadtAZ, X, 49, 127, Rechnung 1711/12, Bl. 31. – Ebd., Rechnung 1719/20, Bl. 29. 191 StadtAZ, X, 1, 15, Bl. 63b. 192 Ebd., Bl. 63b–64. 193 Ebd., Bl. 64. 194 HAHN (Schneiderinnung) 1925, S. 24. 195 StadtAD, 11.2.54, Nr. 113, [unpag.] (Bericht vom 15.01.1692). Vgl. StadtAD, RA, B. XV. 1, [unpag.] (Bericht vom 15.01.1692).

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nicht allein aufzusezen undt ieden zur Wißenschafft öffentlich ablesen undt vortragen zulaßen, Sonderlich aber auch alle Wiederwertigkeit undt weigerung ins Künfftige Vorzukom196 men, Haben Sie alle einhellig bewilliget, Sich eigenhändig zu unterschreiben.“

Die nicht von allen leicht zu bewältigenden Begräbniskosten führten also zu einer Vereinigung der Handwerksmeister, die im Bedarfsfall die Leistungen der Grabegesellschaft ohne Entgelt in Anspruch nehmen durften. Darunter fielen die Dienste des Grabebitters, der Leichengang der Meisterschaft, der Tragedienst durch die jüngsten Meister, die Nutzung des Leichentuchs, des Kruzifixes, der „Gabeln“ und des übrigen Begräbniszubehörs. Doch damit nicht genug wurde im Todesfall den Hinterbliebenen ein Leichengeld gezahlt. Beim Tod eines Meisters erhielten die Hinterbliebenen und Erben vom Vorsteher der Begräbnislade zwölf Taler, beim Tod einer Meisterfrau oder Meisterwitwe zehn Taler und bei einem Meisterkind, abhängig vom Alter, zwischen einem und sechs Talern. Die Sterbegelder für die Kinder wurden allerdings nur ausbezahlt, wenn die Kinder unverheiratet waren und nicht außerhalb Dresdens verschieden. Zum ordnungsgemäßen Betrieb richteten die Schneider eine Begräbniskasse ein, in die zur Bildung eines ersten Kapitals jeder Meister und jede Witwe der Zunft eine einmalige Eintrittsgebühr von mindestens vier Groschen einlegte. Spätere Ausgaben sollten über eine wöchentliche Gebühr aller Mitglieder bestritten werden, wobei die Meister sechs Pfennig, die Witwen drei Pfennig beitrugen. Weitere Einnahmen wurden durch die sogenannten „Brathen thaler“, d. h. eine beim Meisterspruch fällige, vermutlich anstelle früherer Meisteressen übliche Abgabe, generiert. Der Leichenornat wurde insbesondere durch das Einkaufen von Zunftfremden und die Leihgebühren für denselben unterhalten.197 Was mit großer Zustimmung der gesamten Meisterschaft des Schneiderhandwerks begonnen hatte, stand bereits wenige Jahre nach der Gründung vor dem Aus. Der Unmut über Geldverschwendungen und das Übertreten der Kassenordnung wuchs beständig. Persönliche Beschimpfungen trafen die kassenverantwortlichen Obermeister an ihrer persönlichen Ehre. Schließlich wurde keine wöchentliche Einlage mehr eingesammelt, da sich mehr als ein Drittel der Mitglieder von der Begräbnisordnung lossagen wollte. Wie kurz die Vereinigung mitsamt der Grabeordnung schon 1690 vor dem Zerbrechen stand, schilderte die Reaktion des ursprünglichen Gesellschaftsbefürworters und Obermeisters Christian Ehrich. Er schlug „mit ziemlichen harten worten“ kapitulierend vor: „Man wolle die Lade zerschmeißen, das geld wieder eintheilen und die ordnung auffheben.“198 Die zerfahrene Situation hielt neun Monate an, dann wandte sich eine Meistergruppe an den Rat und klagte über große Unordnung im Kassenwesen der Gesellschaft. Das eingenommene Geld werde nicht zu den ursprünglichen Zwecken, „sondern bald zu unnötigen processen, gestalt der contra Paul Branden verführte process in die 100 r gar leichte gekostet, da er anfangs mit 2 r gehoben [sic!] werden können, bald aber

 196 StadtAD, 11.2.54, Nr. 114, Bl. 6–6b. 197 Ebd., Bl. 6–13b, 44–64b. 198 Ebd., Bl. 15b, 23.

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5. Begräbniswesen in den Handwerkszünften und Gesellenschaften zu andern unnötigen außgaben angewendet, als zum exempel da werden 3 r, so ein Schreiber vor fertigung der Rechnung bekommen, angesezet, so und so viel ist bey zehlung des geldes von den Vorstehern vertruncken worden, Von welchen allen die Grabe ordnung nichts besa199 get“,

als dass die Ältesten nur von ihrer Einlage befreit seien. Die beschwerdeführenden Meister um Christian Rothe äußerten erbost, sie wären „nicht versichert, ob unsere Einlage uns oder den unsrigen zu gute kommen werde“. Daher wollte man nun austreten, „denn auch bey auffrichtung der Grab Ordnung [sei] von denen Meistern die Freyheit, darvon nach befinden wieder abzutreten, außdrücklich bedungen worden“.200 Anscheinend stellte sich der Fall aber nicht ganz so einfach dar, da sich die Oberältesten weigerten, die abtrünnigen Meister ziehen zu lassen und auf Einhaltung der Gründungsvereinbarungen drangen. Als die Innungsoberältesten dem Stadtrat ihren Standpunkt nochmals darlegten, dass diese Meister um Rothe „keinen Scherff weiter“ zur gemeinsamen Kasse beitragen wollten und entweder die Ordnung mit allen Folgen eingehen und „cassiret“ oder ihnen obrigkeitlich geholfen werden müsste, lenkten die Ratsherren ein. Ohne nähere Ausführungen sollten erst einmal alle Meister bei der Grabeordnung bleiben. Nach Überprüfung des Mitgliederverzeichnisses und der Jahresrechnungen der Grabegesellschaft befand der Magistrat die Einrichtung für gut, schlug vor, einen Teil der geschuldeten Einlagen den Gesellschaftsmitgliedern zu erlassen und ermahnte die Kassenverantwortlichen zu gehörigem Umgang mit den Finanzen. Damit gaben sich die abtrünnigen Schneidermeister zufrieden.201 Es folgte die erbetene Konfirmation der leicht geänderten Grabeordnung samt eines Rezesses, der die Konflikte ausräumen sollte und zugleich die Zwangsmitgliedschaft innerhalb der Grabegesellschaft unmissverständlich bestätigte.202 Bereits ein halbes Jahr nach der Konfirmation wurde der Charakter der Grabegesellschaft als innungsabhängige Zwangseinrichtung erneut infrage gestellt. Sieben Innungsverwandte argumentierten, „die aufgerichtete Grabe-Gesellschafft hette mit dem Handwerck und Eltesten nichts zu thun, indem auch ein ieder darunter angenommener Gesell vor sein eingelegtes Geld soviel als ein 203 Eltister zu sprechen“

habe. Damit wurde auf die Möglichkeit angespielt, dass sich Gesellen in die Grabegesellschaft einkaufen dürften. Dem erneut angerufenen Stadtrat erschien das Gravaminum „von keiner Erhebligkeit“. Da allerdings die Beschwerdeführer als Hof-Stallschneider in landesherrlichen Diensten standen, erstattete der Magis 199 Ebd., Bl. 16b–17. 200 Ebd., Bl. 16, 17. Bei einem späteren Konflikt berief sich auch der Grabekassenälteste Christian Haupt darauf, dass bei der Gründung der Grabegesellschaft „einem ieden, ohne Zwang sich [hinein] zu begeben, freygestanden“ hätte. StadtAD, RA, B. XV. 1, Bl. 7. 201 StadtAD, 11.2.54, Nr. 114, Bl. 19, 26–26b, 39–39b. 202 StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 35b–49b. 203 StadtAD, 11.2.54, Nr. 113, [unpag.] (Schreiben vom 15.01.1692).

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trat dieses Mal untertänigsten Bericht an den Kurfürsten. Der Rat führte seine Meinung aus, es seien die Mitglieder „davon abzuspringen nicht befugt“. Auf einen möglichen Beitritt von Schneidergesellen zur Grabekasse ging der Bericht nicht ein.204 Die Akten geben nicht wieder, ob in der Vergangenheit tatsächlich Begräbnisgelder an Gesellen geflossen waren. Dies erscheint wenig realistisch, da sich die sieben Hofschneider dieses Arguments sicherlich bedient hätten. Zwar gab es bei der Grabegesellschaft eingekaufte Personen, darunter Nichtmeister und Zunftfremde, aber es handelte hierbei um „Kaufleichen“. Diesen kam im Todesfall ein zünftiges Begräbnis zugute, sie wurden aber zu Lebzeiten keine Vollmitglieder der Gesellschaft und erwarben somit keinen Anspruch auf ein Begräbnisgeld, was nach Ansicht der Zunft stets an das erlangte Meisterrecht gebunden war.205 Diese und andere Streitigkeiten der Grabegesellschaft zogen sich noch mehrere Jahre hin, doch um 1700 verloren sich ihre Spuren vorläufig. Neue Informationen der Dresdner Schneider-Grabegesellschaft entstammen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Nach dem Siebenjährigen Krieg genehmigte der Stadtrat die Artikel der „Begräbniß-Cassa“, die in ihrer Grundstruktur bis weit in das folgende Jahrhundert fortbestand. Überlieferte Kassenrechnungen zeigten, dass die Grabekasse lange Zeit einen finanziellen Überschuss erwirtschaftete. Kapitalvermögen wurde sogar gegen Zins ausgeliehen und angelegt. Noch im Februar 1813 befanden die Schneider, „daß die Caße in guten Umständen sich befinde“, und sogar eine partielle Erhöhung der Sterbegelder wurde beschlossen. Problematisch gestalteten sich allerdings die Beitragsrückstände, welche die Mitglieder bei der Grabekasse angehäuft hatten. Sie betrugen 1813 über 1800 Taler.206 Mit der Schlacht von Dresden 1813 und einer grassierenden Fleckfieberepidemie 1813/14 gerieten die Kassenfinanzen aufgrund gehäufter Sterbefälle und einbrechender Zahlungsmoral in arge Bedrängnis. Ausgeliehenes Kapital ließ sich nicht kurzfristig abrufen, die Ausstände konnten bei der allgemein schlechten wirtschaftlichen Lage nicht eingetrieben werden. Es blieb nichts anderes übrig, als entweder die Beiträge zu erhöhen oder die Leistungen zu kürzen. Die Grabegesellschaft entschied sich für die zweite Option. Die Begräbnisgelder wurden abgesenkt, das „Kinderbeneficium“ hob man ganz auf. Als sich die finanzielle Lage nicht besserte und allein bis 1819 über 1600 Taler an Krediten aufgenommen werden mussten, richteten die Kassenverantwortlichen und die Innungsältesten einen jährlichen Zuschuss von 100 Talern aus der Handwerkskasse zugunsten der Grabekasse ein. Ausgeliehene Innungsgelder über mehrere hundert Taler sollten ohne Zinsen und vermutlich ohne Rückzahlungsoption bei der Grabekasse verbleiben. Auch aufgrund dieser Zahlungen erholte sich die Grabekasse wieder, sodass bis 1828 die Darlehen bis auf 700 Taler getilgt werden konnten. Allein die  204 Ebd. 205 Ebd. 206 StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 28, [unpag.]. Kredite hatte die Grabegesellschaft bis zu diesem Zeitpunkt nicht aufnehmen müssen.

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finanziellen Abhängigkeiten zeigten, wie stark die Grabekasse mit der Zunft verbunden blieb.207 Unter besonderer Berücksichtigung der Konflikte innerhalb der SchneiderGrabegesellschaft lassen sich wesentliche Unterschiede zu den freien Beerdigungsgesellschaften oder den freien Sterbegeldkassen, die unabhängig von jeder anderen Korporation bestanden, aufzeigen. Das Verhältnis zur Schneiderinnung war ausgesprochen eng, da die Grabekasse personell, finanziell und rechtlich mit der Handwerksorganisation verbunden blieb. Mitgliederverzeichnis und Grabeordnung beweisen, dass alle vollberechtigten Mitglieder der zünftigen Grabegesellschaft das Meisterrecht des Handwerks oder wie die Witwen ein auf dem Meisterrecht basierendes Fortführungsrecht besaßen. Allein Meisterfrauen und Meisterkinder durften zu Lebzeiten des Meisters eingekauft werden, damit der Meister bei ihrem Tod ein Sterbegeld erlangen konnte. Nur die Vollmitglieder der Grabekassen erhielten gleichermaßen Zunftbegräbnis und Sterbegeld, wogegen den sich einkaufenden Zunftfremden nur Ersteres zugesprochen wurde. Ein Austritt aus den zünftigen Grabegesellschaften war im Prinzip nicht vorgesehen. Nur in Verbindung mit einem Ausschluss aus der jeweiligen Handwerksinnung war eine Loslösung möglich, was qua Zunftzwang das Ende der bisherigen Gewerbeführung bedeutete. Außerdem wären die bisherigen Einlagen in die Grabekasse (und eventuell die Handwerkskasse) verloren gegangen. Dabei war in der Frühphase der Trauergesellschaften eine Zwangsmitgliedschaft nicht unbedingt vorgesehen bzw. teilweise sogar umstritten. Die Chemnitzer Leineweber bestimmten 1738, nachdem wiederholt Meisterwitwen vorgesprochen und einen Begräbnisbeitrag für ihre Männer, die anscheinend zu Lebzeiten nicht in die Trauerlade einzahlten, erbeten hatten, „daß es künfftig nicht mehr geschehen solte, sondern es solte ein jeder Meister schuldig seyn, sich unverlängt zwischen hier und zukünfftiger himmelfarth zur Casse zu wenden, und denen künfftigen jungen Meistern soll solches, wan sie geschrieben, zugleich mit angedeutet werden, sich mit in die Leichen Casse zu wenden, da dan ein jeder hernach zu solche bedürffniß so viel, als er verstanden, zu gewarten hätte, und daß handwerck, solcher beschwerung dabey verschonet were, und welcher sich deßen entbrechen würde, solchen soll auch künfftig hin 208 nichts mehr aus dem handtwercke gut gethan und bezahlet werden“.

Die Handwerksorganisationen waren darauf bedacht, möglichst alle Zunft- bzw. Gesellenschaftsmitglieder in die Trauergesellschaften zu integrieren und setzten daher meist, auch mithilfe ökonomischen und sozialen Drucks, eine Zwangsmitgliedschaft durch. Bei den Dresdner Schuhmachern schien es möglich, dass sich unvermögende Grabekassenmitglieder unter Umständen „excludiren“ lassen konnten bzw. mussten. Die Handwerksorganisation erbarmte sich in diesen Fällen und trug die mit 207 StadtAD, 11.2.54, Nr. 183, Bl. 3c–3f, 106b, 114, 118 u. ö. – StadtAD, RA, B. XVI. 92, [unpag.]. Zur weiteren Entwicklung der Grabekasse in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts siehe: StadtAD, 11.2.54, Nr. 183. 208 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 214f.

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tellosen Verstorbenen dennoch zu Grabe, um ein beschämendes Armenbegräbnis abzuwenden.209 Gegenüber einem üblichen Zunftbegräbnis gereichten diese aus zünftigen „Allmoßen Gebühren“ vorgenommenen Begräbnisse den Handwerkern ebenfalls kaum zur Ehre. Vor allem Handwerksmeister und Gesellen bezogen aus der Arbeitswelt ein großes Quantum ihrer persönlichen Ehre.210 Ein Armenbegräbnis oder ein Begräbnis aus den gemeinschaftlichen Almosenmitteln der Zunft bewies dagegen das ökonomische Scheitern des Betroffenen. Alle vorgestellten Beispiele zeigen also, dass viele handwerkseigenen Grabebzw. Beerdigungsgesellschaften um 1700 dazu übergingen, neben der Ausrichtung eines „ehrlichen“ Begräbnisses mit Leichenzug und Begräbniszubehör ein finanzielles Zubrot an die Hinterbliebenen zu zahlen, mit dem ein Teil der Begräbniskosten beglichen werden konnte.211 Die Ausrichtung des Begräbnisses übernahmen entweder die Verantwortlichen der Beerdigungsgesellschaft oder die Hinterbliebenen selbst.212 Dass es ähnlich der Errichtung von Beerdigungsgesellschaften auch bei der Auszahlung einer finanziellen Beihilfe keiner komplexen Organisationsstruktur bedurfte, zeigt das Beispiel der Chemnitzer Posamentierer. Nach einem Verbesserungsvorschlag formulierten die Innungsartikel kompakt, dass eine „Beysteuer“ zu den Begräbnissen nach Beschaffenheit der Handwerkskasse gezahlt werde, für die jeder Meister einmalig fünf Gulden einzulegen hatte.213

5.4.3 Die Zahlung finanzieller Beihilfen im Todesfall als Entwicklungsschritt in der sozialen Sicherung Ob „Trauer-Casse“, „Trauer-Lade“, „Widwen Fisco“ oder direkte Ausgabe aus der Handwerkskasse, viele dieser mit den Handwerksinnungen eng verbundenen Einrichtungen der kollektiven Begräbnisleistungen unterschieden sich bis auf ein Sterbegeld kaum von den früheren Beerdigungsgesellschaften (Tabelle 12). Die finanzielle Unterstützung der Hinterbliebenen war von vornherein von der Kassenlage abhängig und fiel, selbst wenn sie „aus tringender noth“ und auf eindring 209 StadtAD, 11.2.56, Schuhmacher-Dep. Nr. 24, [unpag.]. Bei den Dresdner Schneidern konnte nach Ansicht des Rates, selbst wenn die regelmäßige Einlage in die Grabegesellschaft nicht getätigt wurde, keine Aufhebung von der Pflicht der Leichenbegleitung, des Tragedienstes und des zünftiges Begräbnisses erfolgen. StadtAD, 11.2.54, Nr. 113, [unpag.] (Bericht vom 15.01.1692). 210 KORGE (Der gute Ruf) 2010, S. 93–114. 211 Auch in anderen Beerdigungsgesellschaften begann man zu dieser Zeit mit der Auszahlung von Unterstützungssummen. Die „Leichen-Commun der neun vereinigten Handwerke“ zahlte beispielsweise ab 1708 eine Summe von acht Talern. ROTTIG (Leichen-Commun) 1831, S. 681. 212 Zur Auswahl wurden einige Dresdner Beispiele, bei denen Angehörige das Begräbnis des Gesellen ausrichteten, belegt. StadtAD, 11.2.54, Nr. 107. – StadtAD, 11.2.54, Nr. 156b, Bl. 1b. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 141, Bl. 163. 213 StadtAC, RA, Kap. IX. Pb 7, Bl. 13b.

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liche Bitte nochmals aufgestockt wurde, bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts eher marginal aus. Sie deckte somit die tatsächlichen Begräbniskosten nicht, sondern fungierte als Bezuschussung.214 Etwas höher nahm sich das Beneficium bei der Schneider-Grabegesellschaft in Dresden aus, doch über das Begräbnisereignis hinaus halfen diese Gelder den Hinterbliebenen nicht. Dennoch bildete gerade der Übergang von der sporadischen Almosengabe zur regelmäßigen, relativ gesicherten Zahlung von Begräbnisgeldern eine Zäsur in der Entwicklung der sozialen Sicherung im zünftigen Begräbniswesen. Mit der Zahlung von finanziellen Unterstützungen richteten einige Grabekassen ihr Augenmerk auf das Schicksal der mit den Begräbniskosten häufig überforderten Hinterbliebenen. Die Handwerksorganisationen versuchten somit, beide Aufgabenfelder, die eigentlichen Leistungen um ein „ehrliches“ Begräbnis und die direkte finanzielle Unterstützung der Hinterbliebenen, miteinander zu verbinden. Zunftfremde Personen konnten sich in die Beerdigungsgesellschaften einkaufen, erlangten aber keine Vollmitgliedschaft. Stiegen die gezahlten Sterbegelder der Beerdigungsgesellschaften im 18. Jahrhundert deutlich an, konnte das bisher zentrale Element der Ausrichtung eines „ehrlichen“ Begräbnisses in den Hintergrund treten und sich die Gesellschaft der Form einer Sterbekasse annähern.215 Mit Blick auf ihre konstitutiven Elemente des gemeinsamen Leichengangs und des zünftigen Begräbnisses erreichten die frühneuzeitlichen Handwerksorganisationen mit der Etablierung von Beerdigungsgesellschaften vor allem seit dem Dreißigjährigen Krieg eine neue organisatorische und funktionelle Stufe. Die Mitgliederkreise zwischen vielen Handwerkerorganisationen und Beerdigungsgesellschaften deckten sich fortan immer weniger. Mit der Vereinbarung der Zahlung finanzieller Beihilfen aus den Trauerladen bzw. Handwerkskassen beschritten sowohl freie als auch handwerksgebundene Trauergesellschaften neue Wege. Sporadische, unregelmäßige Unterstützungen hatte es bereits zuvor gegeben. Die nun unter kassenwirtschaftlichem Vorbehalt abgegebenen Unterstützungsversprechen sollten die Hinterbliebenen absichern und zugleich die Handwerksorganisationen vor übergroßen Aufwendungen bewahren. Mehrfach wurden nämlich zusätzliche, von den übrigen Abgaben getrennte Beiträge für die Trauergesellschaftskassen eingesammelt. Beerdigungsgesellschaften, die nicht allein ein gemeinsames Begräbnis ausrichteten und für gewöhnlich das Leichenzubehör zur Verfügung stellten, sondern schließlich wie die detaillierter beschriebene Grabegesellschaft der Dresdner Schneider ordentliche Finanzhilfen reichten, können durchaus als Mischformen zwischen Beerdigungsgesellschaften und Sterbekassen charakterisiert werden.  214 Nach Kostenaufstellungen verschiedener Begräbnisarten mussten selbst für einfache Begräbnisse Summen ausgegeben werden, die für einfache Handwerker, die an der Subsistenzgrenze lebten, nicht bewältigt werden konnten. Vgl. StadtAD, RA, B. XV. 36a, Bl. 3–4, 12–16. 215 Den Aspekt der zunehmend monetarisierten Leistungen im Begräbniswesen der niederländischen Zünfte aufgrund steigender finanzieller Leistungskraft der Kassen und höherem individuellen Sicherungsbedarf sprach an: BOS (Tradition) 2006, S. 183.

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Während die Trauerlade der Zwickauer Tuchmacher und die Grabekasse der Dresdner Schneider bis ins 19. Jahrhundert, wenngleich mit erheblichen Finanzierungsproblemen, versuchten, sowohl Sterbegelder an die Hinterbliebenen auszuzahlen, als auch ein ehrbares Zunftbegräbnis zu organisieren, waren bei den Leinewebern in Chemnitz und Zwickau die beiden Funktionen buchhalterisch unterschiedlichen Kassen zugeteilt. Die Handwerkskassen organisierten den Leichenzug, richteten das Zunftbegräbnis aus und stellten die Leichenträger sowie den Leichenornat zur Verfügung. Alle damit in Zusammenhang stehenden Einnahmen und Ausgaben liefen i. d. R. bei ihnen auf. Die Trauer- oder Leichenkassen waren für die Auszahlung der Sterbegelder und die Einnahme der zugehörigen Gelder verantwortlich. So war die „Trauer-Casse“ der Zwickauer Leineweber spätestens 1815 bereits eine reine Sterbegeldkasse, die sich ab 1837 sogar zu einer „SpaarCasse“ mit Anlagevermögen in Aktienform im Montanbereich wandelte.216 Leichenkassenbücher oder Leichenkassenordnungen der Chemnitzer Leineweber wurden leider nicht aufgefunden. Nimmt man jedoch parallel zu den stark verstreuten Hinweisen über gezahlte oder offerierte Leichengelder die Rechnungen der Handwerkskasse hinzu, beweisen diese Quellen spätestens in der Mitte des 18. Jahrhunderts eindeutig die Existenz einer von der Handwerkskasse zunehmend unabhängigen Sterbegeldkasse, die Begräbnisgelder in nicht unerheblicher Höhe auszahlte.217 Und selbst wenn schon die alten Beerdigungsgesellschaften und Grabekassen finanzielle Unterstützungen anboten, konnte es zusätzlich zur weiteren Gründung von reinen Sterbegeldkassen kommen, vor allem wenn eine gewisse Zahl von Meistern ihre Hinterbliebenen oder sich selbst nicht ausreichend abgesichert wähnten.218 Dies war auch bei den Dresdner Schneidern der Fall, wie im Folgenden gezeigt wird.

5.4.4 Sterbekassen Klassische Trauergesellschaften dienten vornehmlich dem gemeinsamen Leichengang und Begräbnis, der Bereitstellung von Leichenträgern und Leichenornat und der Kostendämpfung für die Hinterbliebenen. Etwa seit der Mitte des 17. Jahrhunderts etablierte sich in den untersuchten Städten eine neue Form von Personenvereinigung, die sich der Zahlung von finanziellen Beihilfen im Todesfall  216 StadtAZ, X, 25, 88, Vol. I, Bl. 2, 14b, [unpag.] (Registratur vom 26.09.1836). – StadtAZ, X, 49, 126, [unpag.] (Schreiben vom 11.09.1800). 217 StadtAC, RA, Kap. IV. Sect. X, Nr. 1, [unpag.] (Schreiben vom 14.11.1719). – StadtAC, RA, Kap. IV. Sect. X, Nr. 6b, Bl. 4b. – StadtAC, RA, Kap. V. Sect. XVI, Nr. 5, Bl. 11. Noch in den 1860er Jahren bestanden in Dresden mehrere zunfteigene Begräbniskassen, die ohne einen eigenen Kapitalfonds auskamen. BRÜCKNER (Bericht) 1866, S. 7. 218 Bei den Chemnitzer Webern existierte ab 1806 eine freie Begräbniskasse, die nur bei ihrer Gründung ausschließlich aus Webermeistern bestand, die aber weder eine Beitrittspflicht noch eine berufsspezifische Mitgliedschaft kannte. Wenig später wurde eine zweite freie Begräbniskasse unter einer Anzahl von Chemnitzer Webermeistern errichtet. StadtAC, RA, Kap. V. Sect. XVI, Nr. 5. – StadtAC, RA, Kap. V. Sect. XVI, Nr. 11, Bl. 8.

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widmete. Diese Leichenkassen, auch Sterbe- oder Sterbegeldkassen genannt, schossen in Kursachsen besonders ab der Mitte des 18. Jahrhunderts wie Pilze aus dem Boden, sodass der „Markt“ an diesen Kassenformen kaum mehr überblickt werden konnte.219 Zunächst lobten Fachgelehrte wie auch staatliche Stellen grundsätzlich die neuen Ansätze sozialer Sicherung.220 Viele einfache Menschen ließen sich durch die hohen Begräbniskosten, die verlockenden Kassenleistungen und die meist sehr einfach erscheinenden Regelungen überzeugen und traten häufig in eine oder mehrere Sterbekassen ein. Durch die Aufnahme weiterer Angebote (Heiratsbeihilfe, Krankengeld, Kreditvergabe etc.) in die Leistungskataloge der Kassen entstanden zahlreiche Mischformen, in denen die Sterbegeldzahlung nur eine Aufgabe unter vielen war. Ihre breite Leistungspalette bei vorgeblich geringen Aufwendungen steigerte die Anziehungskraft der Kassen für potenzielle Interessenten noch. Aufgrund der bald ersichtlichen Risiken und der negativen Erfahrungen versuchte die landesherrliche Gesetzgebung, im Laufe des 18. Jahrhunderts das ausufernde Sterbekassenwesen einzuschränken. Da aber „hierbey auch insgemein vieler Betrug und Bevortheilung mit untergelauffen und die Leute ihr baares Geld in der Hoffnung und Absicht einiges Gewinnstes, welches doch nicht anderst als mit derer andern Schaden geschehen können, darzu häuffig hingegeben, und deshalber ihre Grund-Stücken, Haus-Rath, Handwercks-Zeug und andere Mobilien verkauffet und verstossen, und auf solche Art die Unterthanen und arme Dienst-Bothen durch dergleichen Inventiones ohne Unsern Befehl gleichsam collectiret, auch zum Theil umb das Ihrige gebracht 221 worden“,

befahl der sächsische Kurfürst 1720 die Aufhebung derjenigen „Männer- und Weiber-, auch Wittwer- und Wittwen-, ingleichen Jungfer- und JunggesellenCassen“, die ohne „Vorbewust und Genehmhaltung“ errichtet worden waren. Um zukünftigen Schaden zu vermeiden, sollten nun Kassenneugründungen nur mit ausdrücklicher Genehmigung möglich sein.222  219 In Zwickau konnten bereits 1714 acht Sterbe- und Heiratskassen gezählt werden. HERZOG (Chronik II/2) 1845, S. 574. Peter Löffler vermutet einen Ursprung der Sterbekassen in den Nachbarschaften, der aber nicht bestätigt werden kann. Vielmehr gingen die Entwicklungen einiger Beerdigungsgesellschaften zu Sterbekassen fließend ineinander über. LÖFFLER, Peter: Studien zum Totenbrauchtum in den Gilden, Bruderschaften und Nachbarschaften Westfalens vom Ende des 15. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts (= Forschungen zur Volkskunde, H. 47). Münster 1975, S. 19 Anm. 34. Vgl. REININGHAUS (Nachbarschaften) 1981, S. 129f. Zur Geschichte der Sterbekassen allgemein, aber teilweise zu holzschnittartig und ohne ausreichende Belegstellen siehe: VESPER (Sterbekassen) 1966. 220 MARPERGER (Montes Pietatis) 1715, S. 147f. 221 Generale, Worinnen, die so genannte Männer- und Weiber- auch Wittwer- und Wittwen, ingleichen Jungfer- und Junggesellen-Cassen cassiret, und die künfftigen, ausser die FeuerCasse, verbothen werden, den 6. Dec. Anno 1720. In: LÜNIG, Johann Christian (Hrsg.): Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici […] [Bd. I]. Leipzig 1724, Sp. 1935f. 222 Ebd.

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Sowohl die Missbräuche als auch die übermäßigen und unvernünftigen Eintritte in diverse Sterbegeldkassen rissen mit diesem Mandat nicht ab. Viele Bürger begaben sich in diese Einrichtungen, obwohl sie ein zu geringes Einkommen hatten und dauerhaft nicht imstande waren, die hohen Beiträge zu entrichten, insbesondere wenn sie in mehrere Kassen eintraten und sich die Sterbefälle häuften.223 Ein neuer Gründungsboom ließ sich Ende der 1740er bzw. Anfang der 1750er Jahre erkennen, den das „Generale, die Ungültigkeit der eigenmächtigerweise errichteten Grabegesellschaften und Wittwen-Cassen betr[effend]“ einzudämmen suchte, indem erneut auf die Genehmigungspflicht verwiesen wurde.224 Doch derartig allgemeine obrigkeitliche Verbote verhinderten nicht effektiv, dass sich Kassen ohne Genehmigung gründeten, denn dafür übten die versprochenen Leistungen einen zu großen Reiz auf die Interessenten aus. Während manche Einrichtungen nie bestätigt wurden, lagen bei anderen zwischen Gründung und Konfirmation oft viele Jahre oder Jahrzehnte.225 Mit dem Siebenjährigen Krieg gerieten zahlreiche Sterbekassen in finanzielle Schwierigkeiten.226 Eine neue Welle von Kassengründungen bzw. -konfirmationen setzte mit dem Abflauen der Folgen der Hungerkrise von 1771/73 ein.227 Durch ihre Beitragszahlungen hatten die Mitglieder der Sterbekassen auf jeden Fall ein moralisches Anrecht auf Auszahlung der Leistungen im Todesfall. Meist war die Auszahlung der Kassenleistung aber von der Kassenlage abhängig, sodass für die Mitglieder ein beachtlicher Unsicherheitsfaktor blieb. Nur wenn die gemeinschaftlichen Artikel, die nach der landesherrlichen Gesetzgebung obrigkeitlich genehmigt werden sollten, eine Nachschusspflicht der Mitglieder oder ein Hilfsgebot durch die Handwerkskasse beinhalteten, bestand wohl ein rechtlicher Anspruch.228 In diesem Fall glichen die Sterbegeldkassen bereits modernen Sterbegeld- bzw. Lebensversicherungen.229 Allerdings mangelte es den Kassen gerade in den deutschen Territorien noch bis ins 19. Jahrhundert an verlässlichen statisti 223 StadtAD, RA, B. XVI. 29, Bl. 113b. 224 Generale, die Ungültigkeit der eigenmächtigerweise errichteten Grabegesellschaften und Wittwen-Cassen betr. vom 29. Juny 1762. In: FLECK, Ferdinand Gotthelf / KOHLSCHÜTTER, Karl Christian (Hrsg.): Zweyte Fortsetzung des Codicis Augustei oder anderweit vermehrtes Corpus Juris Saxonici [...] bis zum Jahre 1800 [...] Erste Abtheilung. Leipzig 1805, Sp. 597– 600. 225 Drastisch klafften bei den Bornaer Schuhmachern 150 Jahre zwischen der Aufrichtung und der Bestätigung ihrer Sterbekasse. KELLER (Armut und Tod) 2000, S. 217. 226 StadtAL, Inn Schneider C 2, Bl. 59b. – StadtAL, Tit. VIII (F) 334, 1763, Bd. 2, Teil 3, Bl. 467. 227 Siehe beispielsweise die verschiedenen Dresdner Leichenkassenordnungen in: StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 4 und 5. 228 Die Leipziger Schneider versprachen, ihr Innungshaus mit einer Hypothek zu belasten oder zusätzliche Umlagen unter der Meisterschaft einzusammeln, um das Leistungsangebot ihrer Leichenkasse aufrechtzuerhalten, wenn „wieder verhoffen die masse solches fisci erschopfft“ wäre. StadtAL, Inn Schneider C 1, Bl. 26b–27. – StadtAL, II. Sektion S (F) 1971, Vol. II, Bl. 46. Der Kassenvorbehalt und die eher seltene Nachschusspflicht galten auch für die zünftigen Beerdigungsgesellschaften. StadtAZ, X, 49, 145, [unpag.] (Rezess vom 11.06.1668). 229 FRÖHLICH (Sicherung) 1976, S. 106.

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schen Berechnungsgrundlagen. Aufgrund niedriger Zahlungsdisziplin bzw. Zahlungsfähigkeit, sinkender Mitgliederzahlen, überhöhter Leistungen, niedriger Beiträge, schlechter Kassenführung, individuellen Fehlverhaltens und unvorhergesehener Unglücksfälle gerieten viele Sterbekassen immer wieder in Existenznöte. Pflegten die Sterbekassen aber ein enges Verhältnis zu der jeweiligen Handwerksorganisation und wiesen einen Zwangscharakter auf, dann erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit erheblich, dass diese zünftigen Sterbekassen lange Zeit überlebten und sogar die Aufhebung des Zunftzwangs in Sachsen überdauerten. Mit dem Auftreten von konkurrierenden Sterbe-, Witwen-, Waisen-, Hochzeits- und anderen Kassen existierte ein Ventil für die sich stärker ausdifferenzierenden Interessen der Zunftmitglieder an einer Absicherung für den Todesfall. Ob dadurch die Nachfrage nach den freiwilligen zünftigen Versorgungskassen abnahm, ist ungewiss. Weit verbreitet waren vor allem Mehrfachmitgliedschaften, denn offensichtlich wirkten die verschiedenen Angebote recht verlockend. Handwerksmeister verließen sich nicht automatisch allein auf die innungseigenen Sterbekassen, sondern nahmen zusätzlich die Offerten der unabhängigen Kassen an. Selbst einfache Handwerksgesellen, denen die Mitgliedschaft in den Innungsleichenkassen aufgrund fehlenden Meisterrechts versagt wurde, traten in andere Sterbegeldkassen ein.230 Nach einigen Missbrauchsfällen untersagten die meisten Sterbegeldkassen und das kursächsische „Rescript, die Einrichtung der Grabegesellschaften betr[effend]“ vom 1. August 1792 ausdrücklich Mehrfachmitgliedschaften,231 doch mangelte es an effektiven Kontrollmöglichkeiten. Noch an der Wende zum 19. Jahrhundert wurden dem Leipziger Johannishospital für die Beerdigung der Schneiderwitwe Siebziger sowohl aus der Zunftleichenkasse als auch „aus der Reinickischen Leichen-Commun“, einer freien Sterbegeldkasse, Gelder übereignet. Aufgrund untersagten Beitritts zu mehreren Leichenkassen kam es bei der Auszahlung der Leichengelder immer wieder zu langwierigen Streitigkeiten.232 Klassische Sterbe- oder Leichenkassen sicherten gegen verhältnismäßig geringe Einzahlungen eine formal festgelegte Geldsumme im Todesfall, das sogenannte „Beneficium“ oder Sterbegeld, für die Hinterbliebenen zu, ohne dass die Mittelverwendung streng genommen zweckgebunden zu erfolgen hatte. Anders als bei den Beerdigungsgesellschaften rückte das gemeinsame Begräbnis bei diesen Institutionen in den Hintergrund.  230 Gleich mehrere Schneidergesellen waren Mitglieder in der Kranken- und Sterbekasse von Johann Gottlob Schillingk. Selbst wenn sie vornehmlich aufgrund der Krankengeldleistungen beigetreten waren, dürfte gerade für verheiratete Gesellen eine solche Kasse verlockend gewirkt haben, um den Hinterbliebenen die zukünftigen Begräbniskosten zu ersparen. StadtAL, Tit. LII (F) 11, Bl. 2b. 231 Rescript, die Einrichtung der Grabegesellschaften betr. vom 1. August 1792. In: FLECK, Ferdinand Gotthelf / KOHLSCHÜTTER, Karl Christian (Hrsg.): Zweyte Fortsetzung des Codicis Augustei oder anderweit vermehrtes Corpus Juris Saxonici [...] bis zum Jahre 1800 [...] Erste Abtheilung. Leipzig 1805, Sp. 1045f. 232 StadtAD, RA, B. XVI. 29, bes. Bl. 21. – StadtAD, RA, F. XXI. 14a. – StadtAL, Schoßstube, Johannishospital, Rechnungen 1800, S. 37.

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Von den innungseigenen Sterbegeldkassen wurden zahlreiche freie oder an andere Personenvereinigungen angelehnte Leichenkassen unterschieden. Einige ehemals zünftige Leichenkassen öffneten sich mehr und mehr gegenüber Zunftfremden und entwickelten sich zu freien Leichenkassen, bis die ursprüngliche Zunftbindung fast völlig verblasste. Auch Trauerladen wurden durch die Kassenmitglieder zu Leichenkassen umgeformt, doch bildete eine mit dieser Prioritätenverschiebung einhergehende Entwicklung keine Zwangsläufigkeit. In vielen Handwerksorganisationen ging man im ausgehenden 17. und verstärkt im 18. Jahrhundert dazu über, den Hinterbliebenen eine finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen und zugleich ein gemeinsames Zunftbegräbnis zu veranstalten. So stellten viele innungseigene Kasseneinrichtungen, die Bezeichnungen variierten hier, Mischformen zwischen den Idealtypen einer Beerdigungsgesellschaft und einer versicherungsähnlichen Sterbegeldkasse dar. In einigen Fällen spalteten sich diese gemischten Einrichtungen, wie die Beispiele der Leineweber in Chemnitz und Zwickau zeigten, in eine Leichenkasse und eine traditionelle Trauergesellschaft auf. Drei Finanzierungsmodelle von Handwerksleichenkassen sollen an einigen Beispielen näher vorgestellt werden, wobei unter anderem das Verhältnis zu den Mutterorganisationen im Blick behalten wird.

A) Die „Begräbniß-Beneficien-Societät“ der Dresdner Schneider und die Finanzierung durch „Einsteuern“ „Es haben bereits im Jahr 1755 verschiedene Personen aus E[iner] Löbl[ichen] Innung derer Schneider allhier in der Churfürstl. Residenz-Stadt Dresden die Erfahrung gemacht, daß die seit langen Jahren bestehende, auch noch gegenwärtig in guter Verfassung sich befindende Handwerks-Grabe-Casse die Löbl[iche] Absicht, noch bey gesunden Tagen sich eines anständigen Begräbnisses zu versichern, und bey eintretendem Todesfalle, die Seinigen von der oft großen Sorge für die Beerdigung und Trauerkosten zu befreyen, in den meisten Fällen nicht völlig erreicht werden, und sich dahero vereiniget, nach dem Beyspiele anderer Innungen noch eine besondre freywillige Begräbnis-Beneficien-Gesellschaft zu errichten, auch solche 233 am Sonntage Judica des gedachten 1755. Jahres würklich zu Stande gebracht und eröfnet.“

Die alte Beerdigungsgesellschaft, um die es kurz nach ihrer Gründung so große Auseinandersetzungen gegeben hatte,234 bestand bei den Schneidern in Dresden damals noch. Sie erfüllte jedoch die Bedürfnisse der Hinterbliebenenversorgung in den Augen einiger Meister nur unzureichend. Daher gründeten die unzufriedenen Innungsmitglieder kurz vor dem Siebenjährigen Krieg zusätzlich zur alten „Grabe-Casse“ eine neue „Begräbniß-Beneficien-Societät“, deren Beitrittsmög-

 233 StadtAD, Bibliothek B.70.1619, Nr. 25, S. 6. 234 Siehe Kap. 5.4.2, S. 346–350.

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lichkeit nicht mehr an das Meisterrecht gekoppelt war. Die Sozietätsartikel wurden 1792 überarbeitet und ein Jahr später landesherrlich konfirmiert.235 Die Gegensätze der „Begräbnis-Beneficien-Societät“ zur Innungsgrabekasse waren offensichtlich. Die alte Grabekasse nahm nur Innungsmitglieder auf, der Beitritt zu ihr war, bis auf wenige Ausnahme, für jeden Handwerksmeister verpflichtend. Es bestand keine Begrenzung der Mitgliederzahl. Die jüngere „Societät“ entsprach dagegen einer damals üblichen geschlossenen Sterbegeldkasse. Sie war in dem Sinne geschlossen, als es eine feste Anzahl zugelassener Mitglieder gab, im Falle der neuen Artikel von 1792 exakt 200 und ab 1807 sogar 330 Mitglieder (ohne deren Ehefrauen). Alle weiteren Interessenten hatten sich auf eine „Expectanten“-Liste einzutragen und rückten erst dann in die Sozietät auf, wenn eines der regulären 200 Mitglieder verstarb. Wie die Ordnung der Sozietät bestimmte, „können bey gegenwärtiger Gesellschaft nicht allein Personen aus der Löbl[ichen] Schneider-Innung, sondern auch andere ehrbare bürgerliche Einwohner [...] angenommen werden“.236 Es handelte sich somit um eine freie Sterbegeldkasse, zu der jede Person unabhängig von ihrem Berufsstand beitreten konnte, wenn sie die übrigen Zutrittsbedingungen erfüllte. Diese sahen vor, dass nur jemand, welcher „der reinen lutherischen Religion zugethan“, höchstens 45 Jahre alt sei und sich „eines christlichen Lebenswandels und honetten Bewerbes“ befleißige, dem Verband angehören durfte. Personen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Mitgliedschaften in anderen „Grabegesellschaften“ als der Schneiderinnungs-Grabekasse kamen ebenfalls für einen Beitritt nicht in Betracht.237 Mit der Handwerksinnung hatte die Sozietät kaum noch etwas gemein. Bis auf den Namen erinnerte lediglich das im Schneiderinnungshaus abgehaltene Hauptquartal an deren historische Wurzeln.238 Gezahlt wurden Leichengelder in einer Höhe, die von den direkt eingesammelten „Leicheneinsteuern“ abhing, denn anders als in der Grabekasse steuerten die Mitglieder keine laufenden Beiträge bei. Ein „Einsammler“ oder „Societätsbesteller“ informierte die Sozietätsmitglieder über den Todesfall, trieb die „Einsteuern“ ein und überbrachte sie dem „Cassierer“. Je nach Anzahl der Mitglieder und Höhe der Einsteuerbeiträge kam so,  235 Ebd., Nr. 25. Vergleichbare Kasseneinrichtungen gab es auch in anderen Dresdner Handwerken. Neben der traditionellen Beerdigungsgemeinschaft oder „Grabe-Gesellschafft“ innerhalb der Tuchmacherinnung wurde im 18. Jahrhundert eine „Tuchmacher-Innung BegräbnisBeneficien-Societät“ nachgewiesen, die für Nichtzünftige offen stand. Bei den Schuhmachern bestand parallel zur zunfteigenen „Schuhmacher-Innungs-Grabekasse“ eine freie Sterbegeldkasse, die sogenannte „Schuhmacher und anderer christlichen Personen Begräbnis-Casse“. StadtAD, 11.2.66, Nr. 35. – StadtAD, Bibliothek B.70.1619, Nr. 26. – Ebd., Nr. 28. 236 Ebd., Nr. 25, S. 7. Mitgliederlisten der Sterbegeldkassen belegen, wie frühzeitig die Leichenkassen sich von den Handwerksinnungen getrennt hatten. Während beispielsweise in Dresden im 18. Jahrhundert ca. zwei Dutzend Tuchmachermeister tätig waren, umfasste die „Begräbnis-Beneficien-Societät“ der Tuchmacher dreihundert Mitglieder, darunter beileibe nicht alles Innungsmeister. StadtAD, RA, B. XVI. 29, Bl. 47–57. – StadtAD, RA, B. XVI. 85, Bl. 19– 30b. – StadtAD, RA, C. XXXII. 17, [unpag.]. – LEONHARDI (Erdbeschreibung) 1803, S. 262. 237 StadtAD, Bibliothek B.70.1619, Nr. 25, S. 6–7. 238 Ebd., Nr. 25, S. 12.

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nach Abzug eines gewissen Betrages „zum Honorar für die Administration und zu den übrigen jährl[ichen] Ausgaben“, ein Sterbegeld zustande, das die ausgezahlten Gelder der Beerdigungsgesellschaften nicht selten um ein Mehrfaches überstieg. Bei der 1755 gegründeten Sozietät wurden Leichengelder von 30 Talern, ab 1807 von 55 Talern erreicht.239 Andere Sterbegeldkassen lockten neue Mitglieder mit noch weitaus höheren Auszahlungen. Nach der „Ordnung für die Mitglieder der am 26sten Septbr. 1780 errichteten Neuvereinigten Grabe-Gesellschafft“ in Dresden wurden beispielsweise 150 Taler Sterbegeld in Aussicht gestellt.240 Theoretisch konnte die Ausreichung hoher Sterbegelder von 50, 100 oder mehr Talern die Hinterbliebenen über die Ausgaben für ein ansprechendes Begräbnis hinaus längerfristig absichern. Als der 75jährigen, blinden Witwe eines verstorbenen Mitglieds der „Tuchmacher-Begräbnis-Beneficien-Societät“ die weitere Mitgliedschaft aufgekündigt werden sollte, führte der Kassenvorsteher unter anderem an, dass die Witwe vom Beneficium schon dauerhaft leben könne.241 Die beträchtlichen Sterbegelder versprachen zuerst einmal tatsächlich eine gewisse soziale Sicherung, die sich nicht auf die Bewältigung der unmittelbaren Begräbniskosten beschränken musste. Doch sie implizierten zugleich erhebliche Aufwendungen. Da in vielen Kassen die Sterbegelder pro Leichenfall eingesammelt wurden, konnte ein hohes Sterbegeld zweierlei bedeuten. Erstens konnten die Beiträge pro Leiche sehr hoch ausfallen, was aber kaum vorkam, weil eine solche finanzielle Belastung die meisten Interessenten sofort von einem Beitritt zu einer freien Sterbekasse abgehalten hätte. Ungleich häufiger konnten zweitens Leichengelder in beachtlicher Höhe von vergleichsweise geringen Beiträgen, aber einer großen Anzahl an Mitgliedern herrühren, woraus eine entsprechend hohe Frequenz an Sterbefällen und damit vielfache Kasseneinlagen resultierten. Mitglieder wurden also mit der Aussicht auf ein verlockendes Sterbegeld finanziell nicht selten überfordert, gerade wenn aufgrund von Seuchenzügen viele der Mitglieder verstarben. Parallel sanken in diesen Zeiten die Leichengelder und die Sterbekassen hatten Probleme, neue Beitragszahler zu werben, da das Verhältnis von Beitrag und Leistung dann tendenziell unattraktiver wurde. Eine Dresdner Verordnung führte dazu bezeichnenderweise aus: „Unter dem Schein einer sehr geringfügigen Beysteuer bey ieder vorfallenden Leiche der Mitglieder oder der Ihrigen wird nicht überlegt, daß eben diese Beysteuer desto öfterer vorfallen müsse und daß das ausfallende Begräbniß-Quantum bey weiten gar nicht oder doch nur selten mit den gesteuerten Geldern in einigem Verhältniß stehet. Die Erfahrung hat gelehrt, daß sehr viele dergleichen Mitglieder, welche noch darzu, wie gemeiniglich geschieht, bey mehrern dergleichen Gesellschafften recipiret gewesen, weil sie außer ihrem täglichen Verdienst kein Vermögen gehabt, entweder die Beysteuern schuldig verblieben sind, und daher mit Verlust ihres Beneficii und gehabten ansehnlichen Aufwandes von den Gesellschafften

 239 Ebd., Nr. 25, S. 9, 11, 15. 240 StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 4, Bl. 416. 241 StadtAD, RA, B. XVI. 29, Bl. 1b. In den Augen der Witwe fungierte das Begräbnisgeld jedoch naturgemäß nicht als ihr dauerhafter Unterhalt. Es sei stattdessen ausschließlich zum Begräbnis bestimmt. Ebd., Bl. 3b.

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5. Begräbniswesen in den Handwerkszünften und Gesellenschaften excludiret oder genöthiget worden, ihre gehabten Rechte, ebenfalls mit großer Einbuße, an 242 andere abzutreten.“

Negativ wirkte sich ferner aus, dass bei vielen dieser auf „Einsteuern“ basierenden Sterbekassen ab einem gewissen Zeitpunkt die Mitglieder beitragsfrei gestellt wurden. Man argumentierte, dass diese Personen bereits mehr Geld eingezahlt hatten, als sie bei einem Todesfall aus der Kasse erlangen würden. Dabei wurde übersehen, dass dies zu einem Anstieg der Ansprüche ohne gleichzeitige Einzahlungen führte und Beitrittswillige von einem hohen Anteil „ausgesteuerter“, aber anspruchsberechtiger Mitglieder abgeschreckt wurden. Hinterbliebene konnten dagegen von einem rein ökonomischen Standpunkt aus profitieren, wenn das Kassenmitglied nach relativ kurzer Mitgliedschaftsdauer verstarb, doch bedingten sich die meisten Leichenkassen gesundheitliche Unbedenklichkeit und ein Maximalalter für neue Mitglieder aus. Durch die Finanzierung über „Einsteuern“ bei jedem Todesfall bildete sich bei Einrichtungen wie der „Societät“ der Dresdner Schneider „keine stehende Casse“. Der Verwaltungsaufwand wurde theoretisch auf ein Minimum reduziert. Lediglich einmal jährlich trafen sich die Mitglieder der Vereinigung zum Hauptquartal, auf welchem die Rechnungslegung der alten „Cassenofficianten“, die Wahl neuer Amtsträger und die Verlesung der Artikel stattfanden. Bis auf diese Jahrestreffen mussten zwischen den Mitgliedern der Sterbegeldkasse keinerlei soziale Beziehungen bestehen, ein gemeinsamer Leichengang oder andere gemeinschaftliche Aktivitäten waren nicht vorgesehen. Damit entfiel die Notwendigkeit von Grabezeichen oder eigenem Leichengerät, obwohl es auch Sterbegeldkassen gab, die Leichengerät gegen Gebühr verliehen.243

B) Beispiele der Finanzierung durch regelmäßige Beiträge und Innungsgebühren Anders gestaltete sich die Lage der Sterbegeldkassen mit regelmäßigen Einkünften. Hier bestand keine direkte Relation zwischen der Einnahme von Beiträgen und der Höhe der ausgereichten Leistungen. Kasseneinnahmen konnten sich aus wöchentlichen, monatlichen oder quartalsmäßigen Mitgliedsbeiträgen, aber auch aus Zinsen, Lossprechgeldern, Anteilen der Meistergebühren, Einkaufsgeldern o. ä. zusammensetzen. Waren die Einnahmen hoch genug angesetzt, konnte ein Kapitalstock aufgebaut und das nicht sofort benötigte Kapital zinsbringend ausgeliehen oder angelegt werden. Kapitalanlagen wurden unter anderem in Form von Immobilien und Grundstücken getätigt.244 Durch wachsendes Gemeinschaftsvermögen konnte das zu erwartende Sterbegeld mit der Zeit gegebenenfalls angeho 242 Die Errichtung neuer Begräbniß-Gesellschaften ohne vorgängige Vergünstigung betreffend, Dresden 04.01.1791. In: Kursächsische Mandate und Verordnungen des Rates zu Dresden aus den Jahren 1787–1791, Nr. 57 (SLUB-Hauptsignatur 31.2.9). 243 StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 4, Bl. 266, 269b. 244 Ein geplanter Grundstückskauf mithilfe des angesammelten Leichenkassenkapitals fand sich z. B. bei den Webern in Chemnitz. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 145f.

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ben werden. Die Höhe der Sterbegelder konnte sich entweder nach der Mitgliedschaftsdauer, bei Zwangsmitgliedschaften also der Dauer des Meisterrechts, richten oder sie war auf einen Betrag festgeschrieben. Zwischen Handwerksmeistern, Meisterfrauen bzw. Witwen und möglicherweise weiteren Personengruppen konnte bei der Leichengeldzahlung ebenfalls differenziert werden. Zu diesen Sterbegeldkassen mit regelmäßigen Mitgliedsbeiträgen zählte die „Begräbniß-Gesellschaft“ der Dresdner Schuhmacher. Ursprünglich vermutlich aus der traditionellen Beerdigungsgesellschaft bzw. aus der seit 1685 bestehenden Innungbegräbniskasse hervorgegangen, bildete diese Einrichtung am Ende des Untersuchungszeitraums eine reine Sterbegeldkasse, die jedoch anders als freie Sterbegeldkassen nur Schuhmacherinnungsmitgliedern offenstand. Der Beitritt stand ihnen frei, ein Austrittsrecht war nach einer Mindestmitgliedschaftsdauer von zwei Jahren verbrieft. Die Sterbegeldhöhe richtete sich nach der Dauer der Mitgliedschaft.245 Die Leipziger Leichenkasse der Schuhmacherinnung nahm ebenfalls ausschließlich Innungsmitglieder und deren Ehefrauen bzw. Witwen auf. Regelmäßige Mitgliedsbeiträge wurden nicht erhoben, vielmehr setzten sich die größeren Einnahmeposten der Leichenkasse aus Gebühren zusammen, die in Verbindung mit der Zunftmitgliedschaft standen. Mussten beispielsweise alle Meisterrechtsanwärter die Meistergelder zahlen, die zum Teil in die Leichenkasse flossen, wurde damit indirekt ein Beitrittszwang für alle Handwerksmeister begründet. Ein verweigerter Beitritt zur Leichenkasse wäre kontraproduktiv gewesen, da die zu zahlenden Gebühren sonst nicht einmal einen Nutzen erbracht hätten. Die Sterbegeldhöhe war fix, sodass mit Eintritt in die Leichenkasse im Todesfall die volle Höhe gezahlt wurde.246 Als besonders eng mit einer Handwerksinnung verbunden, war die Leichenkasse oder „Leichen-Commun“ der Leipziger Schneiderinnung dennoch zu den Sterbekassen zu rechnen. Im Vorwort der ersten Leichenkassenordnung vom 6. Juni 1699 wurde auf den Zweck der Gründung, die allzu teuren Beerdigungen, eingegangen, „welche aber manchen ehrlichen Manne schwer genung ankommen, der vielen Unkosten halber, welche darauff verwendet werden müßen“. Darauf wurde beschlossen, einen „Leichen Fiscum“ aufzurichten, „damit bey ihren oder ihrer Weiber Absterben den hinterlaßenen etwas zur Erleichterung der Leichen Unkosten aus dem selben gereichet werden soll“. Beim Tod eines Schneidermeisters waren anfangs zwölf Taler und beim Tod einer Schneiderfrau bzw. -witwe acht Taler für die hinterlassenen Personen vorgesehen. Später wurden die Sterbegelder aufgrund der guten Kassenentwicklung mehrfach angehoben.247  245 StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 5, Bl. 124b–127. Die Ordnung der alten Innungsbegräbniskasse, die 1685 verabschiedet und mehrfach modifiziert wurde, ist ebenfalls überliefert. StadtAD, 11.2.56, Schuhmacher-Dep. Nr. 6, [unpag.]. 246 StadtAL, Inn Schuhmacher D 1. 247 StadtAL, Inn Schneider C 1, Bl. 25b. Vgl. StadtAL, II. Sektion S (F) 585, Bl. 8–10b. Ausführliche Jahresabrechnungen der Leichenkasse liegen im 18. Jahrhundert nicht vor. Die verschiedenen Bemerkungen in den Handwerksbüchern und vereinzelte Angaben des Vermö

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Die besondere Verbindung dieser „Leichen-Commun“ zum Handwerk trat an verschiedenen Stellen zutage. Erstens zahlte die Kasse nur Handwerksmeistern bzw. deren Weibern ein Sterbegeld. Die Finanzen waren zweitens aufs Engste mit der Handwerkskasse verknüpft. In die Leichenkasse sollten beispielsweise die „Köstgen Gelder“ fließen, die bisher anstelle des Meisteressens von den neuen Meistern gezahlt wurden. Der dritte Teil der Meisterrechtsgebühren, ein Teil der Entgelte der eingekauften „fremden“ Leichen und der Einschreibe- und Lossprechgebühren der Handwerkslehrlinge, die „Leichen Straffen“ für das Fehlen bei den Zunftbegräbnissen sowie viele weitere Posten, die ursprünglich der Handwerkskasse zugestanden hatten und sogar aus Leistungen der Beerdigungsgesellschaft resultierten, flossen in die Leichenkasse. Sollten im Bedarfsfall alle Einnahmequellen die Ausgaben nicht decken können, waren die Meister und Witwen gewillt, ihr Innungshaus „Zum Goldenen Beil“ als Sicherheit einzusetzen, um die Leichenkasse kreditfähig zu halten. Sämtliche Aufzeichnungen mit Ausnahme der separat von einem Innungsvormeister248 erstellten Leichenkassenrechnungen wurden mit dem Handwerksschriftgut vermischt. Umgekehrt wurden Gelder der Leichenkasse zur Deckung von Ausgaben der Innung genutzt. Schließlich wurde drittens sechs Schneidermeistern nach jahrelangem Prozess der Austritt aus der Innungsleichenkasse auf landesherrlichen Befehl ausnahmsweise gewährt. Dieser auf die wenigen, namentlich genannten Meister begrenzte Austritt war an die Bedingung einer zusätzlichen Erklärung geknüpft: „Endlich erklähren sich auch dieselben [sechs Meister], wie daß, da sie es mit der Handwercks Leichen Caße zu halten nicht gemeinet, auch in dieselbe nichts bezahlet hätten, sie allerseits vor sich, ihre Weiber und Kinder sich von so thaner Leichen Caße völlig losgesaget haben wolten, wie sie den auch nicht verlangen wolten, daß sie zum Leichentragen gefordert, oder wenn sie, ihre Weiber und Kinder versterben solten, sie allerseits oder deren Weiber und Kinder von dem Handwerck getragen werden solten, immaaßen sie sich hiermit aller und jeder denenjenigen Meistern, welche es mit der Leichen Caße hielten, zukommenden Wohlthaten wohlbedächtig begeben und sich vor sich, ihre Erben und Erbnehmer gäntzlich davon los249 gesaget haben wolten.“

Die Lossagung wurde somit nur um den Preis des gleichzeitigen Ausschlusses aus der Beerdigungsgemeinschaft zugelassen. Unter diesen Umständen war eine Trennung der Leichenkasse von der Handwerksinnung und der mit ihr verbundenen Beerdigungsgemeinschaft nicht möglich.250  gensbestandes der Kasse lassen aber zumindest die positive Gesamtentwicklung erkennen, wobei die Kasse während des Siebenjährigen Krieges vorübergehend große Einbußen erlitt. StadtAL, Inn Schneider B 2. – StadtAL, Inn Schneider C 2, Bl. 59b. 248 Die Leichenkasse befand sich nicht beim Obermeister der Innung, sondern bei einem der Vier- bzw. Vormeister. Durch diese formelle Trennung der Kassen versprachen sich die Handwerker größere Transparenz und Sicherheit. Die in den Artikeln wiedergegebene Finanzstruktur ließ aber keine wirklich eigenständige Führung der Leichenkasse zu. StadtAL, II. Sektion S (F) 1671, Bl. 15b. 249 StadtAL, II. Sektion S (F) 1971, Vol. II, Bl. 64b–65. 250 StadtAL, Inn Schneider C 1, Bl. 25b–27.

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Auffällig viele Streitigkeiten rief eine bestimmte Finanzierungsquelle der Sterbegelder hervor. Die sehr hoch angesetzten Meistergebühren sollten zu einem Drittel in die Leichenkasse fließen. Je nach Umständen erfüllten viele Meisterrechtsanwärter die Anforderungen der Zunft nicht gänzlich, wodurch weitere Forderungen auf sie zukamen. In den Jahren 1710 bis 1722 erfolgten Einzahlungen in die Leichenkasse zwischen 20 und 40 Reichstalern, was zu erheblicher Unruhe unter den mutenden Gesellen führte.251 Gerade diese jungen Männer mussten immense Mittel für den Meisterspruch aufwenden, worunter die Abgabe an die Leichenkasse den größten Posten ausmachte. Der Schneidergeselle Johann Gottfried Hennig argumentierte, er sei zwar „unter denen in ergangenen Landesherrl[ichen] Rescripten und Mandaten gemessenst vorgeschriebenen Conditionen das Meister Recht zu erlangen, auch das Schuldige zu entrichten bereit gewesen, und [doch habe sich] dabey hauptsächlich die Ohnmöglichkeit dargethan, daß ich an ihrer Leichen-Casse kein Theil nehmen und auf einmahl 30 r erlegen könnten, weil es leichter und dem izigen Armuth angemeßener wäre, in eine Leichen Commun zu treten, wo 252 man einzeln 4 g einsteuerte“.

Der finanziell überforderte Geselle Friedrich Wilhelm Pasenow sprach sogar von „Sclaverey“.253 Zusätzlich mussten Ehefrauen und bereits vorhandene Kinder noch separat eingekauft werden. Zäh bestanden die etablierten Leipziger Meister auf den hohen Forderungen. Über diesen Kostenpunkt versuchten sie, den Zugang zur Innung neben zahlreichen weiteren Hürden mit dem sozialen Argument der Versorgung schwächerer Mitglieder zu steuern. Eine monatliche Mitgliedsgebühr, wie die von Hennig vorgeschlagenen vier Groschen, hätte dagegen diese Limitierungsfunktion nicht erfüllt. Gerade die Bedeutung der Sterbegelder gegenüber mittellosen Witwen und Waisen wurde unterstrichen, „indem es unsere Vorfahren als eine kleine Mittgifft armer Wittwen u[nd] Meisters Töchter angesehen haben und auch nicht zu läugnen ist, daß manche Arme noch eher dadurch ihre 254 Versorgung gefunden, derer bey einer so großen Innung ohne deß gar viele sind“.

Dass die Hinterbliebenenversorgung zumindest kein reines Scheinargument war, zeigte sich, als der Widerstand gegen die Ungleichbehandlung von fremden Gesellen gegenüber Meistersöhnen und Einheiratenden groß genug war, um die Ortsobrigkeit auf den Plan zu rufen. Nun schreckten die Obermeister nicht davor zurück, selbst eigene Familienangehörige mit einem gewissen Entgelt zugunsten der Leichenkasse zu belegen, um die Sterbegelder auf stabilem Niveau zu halten. Indem aber „ein ieder Meister ohne Unterschied 20 r und eine Frau 12 r zu erwarten“ hatten255 bzw. ab 1766 die Sterbegelder in verschiedenen, von der Dauer der  251 StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 14, 17, 35b, 39–40b u. ö. 252 StadtAL, II. Sektion S (F) 1971, Vol. II, Bl. 89b. 253 Ebd., Bl. 119b. Die Konflikte um die überhöhten Gebühren rissen nicht ab und füllten in den 1770er Jahren allein bei den Leipziger Schneidern drei dicke Aktenordner. StadtAL, II. Sektion S (F) 1971, Vol. I–III. 254 StadtAL, II. Sektion S (F) 1971, Vol. I, Bl. 56. 255 Ebd.

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Mitgliedschaft abhängigen Höhen ausgezahlt wurden, berücksichtigte die Kasse keine sozialen Belange. Das Sterbegeld hatte jeder Erbe eines Leichenkassenmitglieds zu erwarten. Der Unterschied war, ob der Verstorbene bzw. die Hinterbliebenen zu Lebzeiten Schulden gegenüber der Leichenkasse oder der Handwerkskorporation gemacht hatten. In diesem Fall kam es darauf an, was mit den Verbindlichkeiten geschah. Sie konnten mit dem Leichengeld verrechnet oder durch die Kassenführer erlassen werden bzw. gar nicht erst den Weg in die Rechnungsbücher finden. Ein tatsächliches Egalitätsprinzip innerhalb der Handwerksorganisationen, besonders der Innungen, kann mit der Zahlung einheitlicher Sterbegelder nicht bewiesen werden. Ob die Probleme der Schneider-Leichenkasse entscheidend waren oder nicht, am Ende des 18. Jahrhunderts kam es zur Gründung zweier weiterer Einrichtungen: einer „Kranken- und Sterbecasse“ für die Leipziger Schneidermeister und einer ähnlichen Kasse für deren Ehefrauen. Beide vereinigten sich im Jahre 1818 und gaben sich 1833 gemeinsame Artikel zu einer „Kranken- und SterbeCommun der Schneidermeister und ihrer Ehegattinnen zu Leipzig“.256

C) Die „Wittwen und Wäisen Casse“ der Chemnitzer Schuhmacher als Beispiel gemischter Finanzierung Die „Wittwen und Wäisen Casse“ der Chemnitzer Schuhmacher, die Anfang der 1680er Jahre errichtet wurde, setzte auf eine Mischfinanzierung. Die Beiträge der Mitglieder wurden teils quartalsweise, teils bei jedem Todesfall durch „Einsteuern“ erhoben. Da die Sterbegelder ausschließlich für die Witwen und Waisen des Handwerks gedacht waren, waren selbstverständlich nur die Handwerksmeister Kassenmitglieder. Bei ihrem Tod wurde ein Begräbnisgeld in Höhe von bis zu 30 Gulden gezahlt. Innerhalb der untersuchten obersächsischen Handwerksorganisationen war dies die einzige Einrichtung, die nicht nur dem Namen nach, sondern real zumindest die Begräbnisgelder exklusiv für verwitwete Ehefrauen und Kinder von Handwerksmeistern bereithielt. Sie stellte aber keine Pensionskasse dar, die regelmäßige Unterstützungen zahlte.257  256 Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Bibliothek I L 219. 257 In den untersuchten Textil- und Bekleidungshandwerken konnten keine Witwen- oder Waisenpensionskassen, die regelmäßige Unterstützungen ausschließlich für die Hinterbliebenen auszahlten, nachgewiesen werden. Dagegen reichten die Leipziger Zimmerer bereits kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg ein jährliches „Witben Gelt“ an ihre Hinterbliebenen aus. StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 319–319b. Ausführlich zu Witwenpensionskassen am Beispiel von Wien siehe: STEIDL, Annemarie: „Trost für die Zukunft der Zurückgelassenen...“ Witwenpensionen im Wiener Handwerk im 18. und 19. Jahrhundert. In: EHMER, Josef / GUTSCHNER, Peter (Hrsg.): Das Alter im Spiel der Generationen. Historische und sozialwissenschaftliche Beiträge. Wien, Köln, Weimar 2000, S. 328–338. Vgl. VAN LEEUWEN (Guilds) 2012, S. 70f. Kursächsische Pensionskassen bestanden unter anderem für die Witwen und Waisen von Priestern, Lehrern und landesherrlichen Bediensteten. MEIER, Ulrich: Zu den alten LehrerWitwen- und Waisenkassen. In: Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Altertumskun

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Über innerzünftige Streitigkeiten und verschiedene Funktionen dieser Kasse berichten die Chemnitzer Quellen. Einige ärmere Innungsmitglieder gaben gegenüber dem Stadtrat in einem Schreiben im April 1720 an, dass sie nun das Kapital der Leichenkasse „bey so schlechten Abgang und der theuren Zeit“ „durchgängig und nach proportion“ unter sich auf- und austeilen müssten, „umb uns durch selbiges bey iezigen beträngten Zeiten zu unserer nöthigen Nothdurfft und Unterhalt zu retten, weil wir außer dem uns gar nicht helfen können, sondern bey unterblei258 benden Fall theils gar crepiren müßen“.

In Zukunft wolle man erneut Beiträge einlegen und damit die Einrichtung „de novo anfangen“.259 Ein Dutzend Meister wehrte sich gegen diesen Vorschlag. Man habe bereits einen Teil des Kapitals gegen Pfand und Zins ausgeteilt. „Wann dann dadurch vielen armen Wittwen und Wäisen solche Steuer in wehrender Zeit sehr wohl zustatten kommen, da manche sonst nicht gewußt, wie sie ihren Ehemann hätten sollen unter die Erde bringen, dadurch aber sehr getröstet worden, solches hat man wahr genommen an denen, so nicht bey solcher Casse gehalten, daß sie größte Noth gehabt, den Defuncto zur Erde zu bringen, haben auch wohl E[inen] E[hrbaren] Rath und die gesammte Meisterschafft 260 um ein Allmosen ersuchen müßen“,

weshalb die Kasse in ihrer alten Stärke unbedingt erhalten bleiben sollte. Denn die Zeit könne „noch schlechter werden, wenn der liebe Gott uns mit Kranckheiten heimsuchen sollte, welches Er doch in Gnaden verhüten wolle, da mann es gewiß nötiger hätte, Hulffe zu suchen, worauf auch gesehen worden bey Aufrichtung der Societaet und deswegen ein gewißer Artickul beliebet worden, denen Nothleidenden zu Hülffe zu kommen, so auch schon an welchen geschehen, die in ihrer Kranckheit haben etwas Vorschuß bekommen. Und über dieses hat ein jeder diese 3 d wöchentl[ich] nicht vor sich, sondern zu einem ehrlichen Begräbniß und zum Trost und Hülffe Wittwen und Wäisen hinterlegt, wie könnte man den anjetzo auf die Gedancken gerathen, denen armen nachgelaßenen Wittwen und Wäisen das ihnen hinter261 legte zu entziehen.“

Die Kassenfunktionen umfassten also neben der Zahlung von Sterbegeldern auch die Ausreichung von Krediten im Krankheitsfall. Als Darlehenskasse im allgemeinen Notfall diente sie ebenfalls. 

258 259 260 261

de 50/1929, S. 235–238. – MÜLLER, Georg: Lehrer-Witwen- und -Waisenkasse der Ephorie Chemnitz 1606. In: Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Altertumskunde 49/1928, S. 158–161. – VOGEL (Geschicht-Buch) 1756, S. 561. – WUNDER, Bernd: Pfarrwitwenkassen und Beamtenwitwen-Anstalten vom 16.–19. Jahrhundert. Die Entstehung der staatlichen Hinterbliebenenversorgung in Deutschland. In: Zeitschrift für Historische Forschung 12/1985, H. 4, S. 433–445. StadtAC, RA, Kap. IX. Sg 6, [unpag.] (Schreiben vom 15.04.1720). Ebd. Ebd., [unpag.] (Schreiben vom 16.04.1720). Ebd.

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Bei einer anschließenden Vorladung auf das Rathaus zeigten sich die Differenzen innerhalb der Meisterschaft. Während die Mehrheit der Meister bei der „Wittwen und Wäisen Casse“ bleiben und sie fortführen wollte, erbat ein Viertel der Schuhmacher die Beiträge, da sie aus tiefer Armut unbedingt benötigt würden. Einige der Ärmeren wollten sich gern erneut beteiligen, wenn ihnen, wie einer meinte, „daraus unter die Arme gegriffen würde“. Da beide Seiten sich verständig und kompromissbereit zeigten, einigten sie sich auf einen Austritt derjenigen Meister, die es wünschten, und versprachen ihnen eine Rückzahlung der entrichteten Mitgliedsbeiträge. Das Übereinkommen zeugte von den schwierigen Lebensverhältnissen einiger Handwerker, vor denen ihre Kollegen nicht die Augen verschließen konnten.262 Aufgrund ihrer speziellen Finanzstruktur sei die Witwen- und Waisenkasse für kurfürstliche Bedienstete, welche 1720 gegründet wurde, kurz erwähnt. Anstelle der Festlegung einer Maximalmitgliederzahl wurden hier sowohl auf der Einnahmen- wie auf der Ausgabenseite 400 „Portionen“ bereitgestellt. Die Mitglieder konnten je nach Finanzkraft und Präferenz bis zu zehn freie „Portionen“ kaufen. Die Beiträge bei einem Sterbefall als auch die Sterbegelder richteten sich nach der erworbenen „Portionen“-Anzahl.263 Eine vergleichbare Adaption unter den Einrichtungen der Handwerksorganisationen wurde nicht gefunden. Bei der Wahl des Finanzierungsmodells der Sterbekasse (und der Beerdigungsgesellschaft) waren oftmals die Beziehungen zur Handwerksinnung entscheidend. Natürlich konnten Innungsgelder nur als reguläre Einnahmen in die Sterbekassen fließen, wenn ein enges Verhältnis zur Handwerksorganisation bestand und die Sterbekasse vorrangig Innungsmitglieder aufnahm. Mit den Innungen verbundene Leichenkassen ließen sich wie die korporationseigenen Beerdigungsgesellschaften buchhalterisch nicht immer von den allgemeinen Handwerkskassen trennen. Beide hatten gegenüber den freien Leichenkassen den Vorteil der Zwangsmitgliedschaft eines jeden Innungsmitglieds, den sie freilich zuvörderst ordnungspolitisch durchsetzen mussten. Sie konnten beide auf den finanziellen Rückhalt durch die Handwerkskasse bauen, ihre Einnahmenseite stand auf einer breiteren Grundlage. Umgekehrt konnten die Kassenmitglieder nicht nachvollziehen, inwiefern ihre Beiträge eventuell zweckentfremdet für andere Innungszwecke ausgegeben wurden und finanzielle Schwierigkeiten der Handwerkskasse wirkten sich durchaus auf die Leichen- bzw. Grabekasse aus. Dagegen bestand bei beitragsfinanzierten Leichenkassen im Gegensatz zu den auf „Einsteuern“ basierenden Kassen die Möglichkeit, auf einen eigenen angesammelten Kapitalstock zurückzugreifen, so

 262 Ebd., [unpag.] (Undatierte Registratur). 263 StadtAD, Bibliothek B.72.135.

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vorhanden.264 Wurden Leistungen aus den allgemeinen Handwerks- bzw. Gesellenkassen gezahlt, galten für sie diese Chancen und Risiken ebenfalls. Im 18. Jahrhundert trafen viele Sterbekassen mittel- bis langfristig auf erhebliche, oft existenzielle finanzielle Schwierigkeiten, weil ihnen zuverlässige statistische Grundlagen fehlten, nach denen ein tragfähiges Kassenmodell hätte aufgebaut werden können. Obwohl es bereits seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wichtige Analysen zu empirischen Beobachtungen der Leibrenten und Lebenserwartungen gab, wurde sich ihrer nicht bedient. Die wichtige Absterbeordnung von Edmond Halley (1656–1742), die eine brauchbare Sterbetafel enthielt, wurde ignoriert. In den deutschen Territorialstaaten machten führende Kameralisten wie Johann Heinrich Gottlob von Justi (1717–1771) selbst noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts keinen Gebrauch von diesen versicherungstechnischen Arbeiten und hielten an der traditionellen Witwenversorgung durch Wiederverheiratung fest.265 Gleich welches Finanzierungsmodell favorisiert wurde, versicherungsmathematische Modelle nahmen die Kassenbetreiber erst langsam in ihre Überlegungen auf. Die Differenzierung der Leichengeldhöhe nach Aufnahmealter oder nach Beitragsjahren, die in den verschiedenen kursächsischen Leichenkassen ab etwa 1730 und in den untersuchten Handwerken nach 1750 einsetzte, kann hierfür als Beleg gelten (Tabelle 12).266 Bis zur Übertragung der wissenschaftlich-statistischen Erkenntnisse in die Praxis standen viele Sterbegeldkassen auf tönernen Füßen, insbesondere wenn ihnen keine Handwerkskasse zusätzlichen Rückhalt bot. Auch krankten viele Kassenmodelle an fehlerhaften Berechnungen. Verschuldete Leichenkassen und Kassenzusammenbrüche, die mit einem Verlust der Mitgliedsbeiträge einhergingen, waren das Resultat einer unzureichenden statistischen Fundierung. Dabei bewältigten die mit den Handwerksorganisationen enger verbundenen Kassen ihre finanziellen Sorgen meist besser als freie Leichenkassen. Mit der allmählichen  264 Daneben bildeten einige Institutionen nur einen begrenzten Kapitalstock, um nach dem Erreichen eines bestimmten Kapitals mit der Gebühreneinnahme auszusetzen. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 5, Bl. 125b. 265 BRAUN, Heinrich: Die Entwicklung des Versicherungsgedankens im Deutschland des 18. Jahrhunderts. In: Oesterreichische Revue. Organ für Assekuranz und Volkswirtschaft 46/1921, Nr. 40, S. 154. – Ders.: Geschichte der Lebensversicherung und der Lebensversicherungstechnik. Nürnberg 1925, S. 117. – HAGENA, Wilhelm: Die Ansichten der deutschen Kameralisten des 18. Jahrhunderts über das Versicherungswesen. Diss. Erlangen. Norden 1910, S. 10, 60. – HERRMANNSDORFER, Fritz: Versicherungswesen (= Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft. Abteilung Staatswissenschaft, Bd. XLIII). Berlin 1928, S. 55. 266 KELLER (Armut und Tod) 2000, S. 219. Dagegen wies Paul Jacob Marperger bereits 1715 auf eine notwendig nach Altersstufen gestaffelte Sterbekasseneinlage hin. MARPERGER (Montes Pietatis) 1715, S. 145. Die bei Mueller angesprochene Begräbniskasse der Zwickauer Tuchmacher von 1621, welche bis in das 19. Jahrhundert bestand und nach verschiedenen Altersklassen eingeteilt war, dürfte diese Struktur nicht bereits seit ihrer Gründung aufgewiesen haben. MUELLER (Tuchmacher-Handwerk) 1929, S. 34. Zur Problematik des Nachweises dieser ersten Begräbniskasse siehe Kap. 5.3.6, Anm. 113.

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Übernahme von Wahrscheinlichkeitsrechnung und Mortalitätsmodellen wurden die Kassenkalkulationen sicherer und die Pleitewellen seltener. Die alten Sterbegeldkassen veränderten im Zuge der rechnungstechnischen Professionalisierung ihren Charakter am Ende des Ancien Régime in Richtung modernerer Sterbebzw. Lebensversicherungen.267

5.4.5 Kreditfunktion der Beerdigungsgesellschaften und Sterbegeldkassen Vielfach nutzten die Handwerker die sich bietenden Kreditfunktionen der Beerdigungsgesellschaften und Sterbegeldkassen, was aufgrund der Verrechnung der Sterbegelder mit den aufgelaufenen Rückständen auf Kosten der eigenen Angehörigen gehen konnte. Konkrete Unterstützung erhielten die Handwerker und ihre Angehörigen dadurch, dass ihnen die in Aussicht gestellten Sterbegelder der Beerdigungsgesellschaften und Sterbegeldkassen eine gewisse Kreditwürdigkeit verschafften. Erstens dienten regelmäßige Einzahlungen in Handwerks-, Grabe- und Sterbegeldkassen dazu, den Mitgliedern verzinste Kredite und Barvorschüsse zu gewähren. Meist wurden Quittungen oder Schuldscheine über die ausgereichten Gelder ausgestellt. In Leipzig weigerte sich der Schneidermeister Hanß Lorentz Stender, einen solchen Schuldschein gegenüber der Leichenkasse in Höhe von 62 Talern zu unterzeichnen, „wan sie mir nicht trauen, können sie alles zurück nehmen“.268 Ein ausgedehntes Kreditwesen aus den Mitteln einer Leichenkasse konnte sogar zum Einschreiten der obrigkeitlichen Kontrollbehörden führen. Bei der Chemnitzer Leichenkasse der Schneider wurden vielfach Kredite ausgereicht. Die Darlehenssummen schwankten in den Größenordnungen von unter zehn bis über 100 Talern (1827/28).269 Die Doppelfunktion als Leichen- und Kreditkasse fand keinen ungeteilten Beifall. Nach Ansicht des Amtshauptmanns für den Erzgebirgischen Kreis wären „die Zwecke einer Leichen-Casse großentheils dadurch verfehlt worden, daß man ohne genügende Sicherheit an Meister des Handwerks Gelder auslieh und diese ihnen oder den Ihrigen 270 abzog“.

 267 BRAUN (Lebensversicherung) 1925, S. 177. – EHMER, Josef: Altersversorgung. In: JAEGER, Friedrich (Hrsg.): Enzyklopädie der Neuzeit. Bd. 1: Abendland-Beleuchtung. Stuttgart, Weimar 2005, Sp. 276. – PONFICK (Sozialversicherung) 1940, S. 57f. – REITH (Altersprobleme) 1990, S. 30. Als erste Lebensversicherungsanstalt auf deutschem Territorium gilt die 1827 von Ernst-Wilhelm Arnoldi (1778–1841) gegründete „Gothaer Lebensversicherungsbank für Deutschland“. HERRMANNSDORFER (Versicherungswesen) 1928, S. 55. 268 StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 83b. Vgl. StadtAL, Inn Schneider B 11, 3b. 269 StadtAC, RA, Kap. IX. Se 26, Bl. 1–19, 28–30, 43–43b. Siehe auch: Ebd., [unpag.]. Für weitere Beispiele, in denen Leichenkassen Kreditfunktionen übernahmen, siehe: StadtAC, Innungsarchiv Nr. 341, Beleg Nr. 2. 270 StadtAC, RA, Kap. IX. Se 26, Bl. 43.

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Überdies bewirkte die Vorgehensweise eine klare Gefährdung der Kassenfinanzen, weshalb die alte Leichenkasse innerhalb von zehn Jahren eine Neustrukturierung erfuhr. Zweitens konnten mit der anscheinend recht nachlässigen Einkassierung der Beiträge häufig indirekte Zahlungsminderungen oder Moratorien erlangt werden. Von den seit 1815 in die Grabekasse der Dresdener Schneiderinnung eingetretenen 70 Neumitgliedern blieben bis 1820 nur neun ohne Schulden gegenüber der Kasse.271 Nicht selten nutzten Handwerker und ihre Angehörigen die Möglichkeit extensiv aus, sodass über viele Jahre keine Beiträge gezahlt wurden und im Todesfall dennoch ein Teil der Sterbegelder eingefordert wurde.272 Viele Kassen, die nicht über das System der „Einsteuern“ funktionierten, sondern sich einen Kapitalstock ansparten, gaben in ihren Bilanzen und Jahresrechnungen hohe bis sehr hohe Kassenvermögen an, die jedoch allzu oft lediglich auf sogenannten „Resten“, also Zahlungsrückständen der Mitglieder, basierten. So kann erklärt werden, wieso scheinbar umsatzstarke, kapitalkräftige Begräbniskassen bei kurzfristigen Zahlungsschwierigkeiten in arge Existenznöte gerieten.273 Drittens gelang es, die zukünftigen Leichengelder als Kreditsicherheit einzusetzen, um sich beispielsweise im Alter oder bei Gebrechlichkeit in eine Fürsorgeeinrichtung einzukaufen. Die Tuchmacherwitwe Dorothea Polonuss bat den Chemnitzer Magistrat aufgrund ihrer sozialen Notlage um finanzielle Unterstützung. Die Lebenssituation der bedürftigen Frau überzeugte die Ratsherren, denn Mitte Oktober 1719 wurde ihr ein wöchentliches Almosen gewährt. Als knapp einen Monat später eine Insassenstelle im Hospital St. Georgen frei wurde, schrieb die Witwe erneut an den Magistrat und bat um Aufnahme in die ihr zweckmäßiger erscheinende Versorgungseinrichtung. Auf der Rückseite dieses Schreibens vermerkte der Handwerkskassenschreiber Michael Klimper: „Wenn Impetrantin Neun Gülden von ihren beym Tuchmacher Handwerg [...] zu hoffen habenden Begräbnüsgeldern, ingl[eichen] ihre Kleider und Betten, wie sie verwilliget, in Siech274 hof wenden wird, soll selbe in Siechhoff recipiret werden.“

Weitere Bescheinigungen der Leichenkasse der Chemnitzer Zeug- und Leineweber wegen „Receptionsgelde“ aus den Jahren 1763 bis 1766 bestätigen den Eindruck, dass zukünftig zu erwartende Sterbegelder als Sicherheiten für einen Hos 271 StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 53, [unpag.]. 272 StadtAL, II. Sektion D (F) 214, Bl. 16. 273 Das im Jahr 1813 mit über 2.600 Talern angegebene Grabekassenvermögen der Dresdener Schneider bestand zu fast 70 Prozent aus Altschulden der Mitglieder. Im nächsten Rechnungsjahr konnte durch gehäufte Todesfälle ein Kassenkollaps nur durch enorme Kreditaufnahmen und eine gesteigerte Zahlungsdisziplin abgewendet werden. StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 28, [unpag.]. – StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 74, [unpag.] (Inserat vom 04.10.1827). 274 StadtAC, RA, Kap. IV. Sect. X, Nr. 1, [unpag.] (Schreiben vom 14.11.1719). Eine Kurzbiografie des Chemnitzer Bürgers Michael Klimper findet sich in: BRÄUER, Helmut: Stadtchronistik und städtische Gesellschaft. Über die Widerspiegelung sozialer Strukturen in der obersächsisch-lausitzischen Stadtchronistik der frühen Neuzeit. Leipzig 2009, S. 229f.

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pitaleinkauf akzeptiert wurden und der jeweiligen Fürsorgeeinrichtung die später anfallenden Begräbniskosten ersparten.275 Dafür wurde den Insassen der Einrichtungen ein ansprechendes Begräbnis zugesichert. Für Leipziger Verhältnisse genügten die eher geringen Sterbegelder allein nicht, um sich in ein Hospital einzukaufen. Dennoch beweisen Stichproben aus dem Leipziger Johannishospital, wie die zu erwartenden Leichenkassenforderungen den Interessenten auf einen Hospitalplatz zusätzliche Kreditwürdigkeit verschafften.276

5.5 GEDANKEN ZUR MOTIVATION Vor einer zusammenfassenden Bewertung der Unterstützungsleistungen im Begräbniswesen inklusive der finanziellen Beihilfen im Todesfall sollen einige Gedanken zu den Interessenlagen der verschiedenen Akteure stehen. Diese Ausführungen sind nicht als umfassendes Erklärungsmodell konstruiert, sondern sollen schlaglichtartig neben Offensichtlichem auch mehrdeutige Motive offenlegen. Die zentrale treibende Kraft für die vorgestellten Maßnahmen bildete im Idealfall sicherlich der Wert, den ein „ehrliches“ Begräbnis als solches für jedes Mitglied der spätmittelalterlichen bzw. frühneuzeitlichen Gesellschaft und speziell des zünftigen Handwerks besaß. Doch die bisherige Analyse offenbarte ein ganzes Bündel möglicher weiterer Interessen, die bei den Regelungen und konkreten Maßnahmen der Begräbnisausrichtung und der Auszahlung von Sterbegeldern in schwankender Intensität eine Rolle spielten. Das überhöhte Repräsentationsstreben und die lang anhaltende Steigerung der finanziellen Aufwendungen bei frühneuzeitlichen Begräbniszeremonien überforderten viele Menschen und weckten Bedürfnisse und Begehrlichkeiten nach Übernahme der Kosten durch die Handwerksorganisationen. Die erheblichen Aufwendungen wurden dadurch aufgefangen, dass die meisten Kassen lediglich in sozialen Notfällen einen größeren Kostenanteil trugen und dass vor allem im 18. Jahrhundert Leichenkassen eingerichtet wurden, in welchen präventiv Gelder aus verschiedenen Einnahmequellen angesammelt wurden. Bei den freien und den zunfteigenen Leichenkassen, die auf Mitgliedsbeiträgen basierten, finanzierte im Idealfall jedes Mitglied die eigenen Begräbnisgelder nach dem Prinzip der individuellen Selbsthilfe, ohne dass die Gemeinschaft einspringen musste. Mit dem obligatorischen Hinweis auf einen Ausschluss aus den Leichenkassen bei säumigen Beitragszahlungen entledigten sich viele Handwerke selbst noch der sozialen Beistandspflicht im Notfall. Was blieb, waren willkürliche, kollektive Almosen, die zwar mutmaßlich nicht in gleicher Weise wie öffentliche Armenbegräbnisse beschämend wirkten, die aber dennoch den Druck zur Einhaltung zünftiger Rollenerwartungen erhöhten.277  275 StadtAC, RA, Kap. IV. Sect. X, Nr. 6b, Bl. 4b. 276 StadtAL, Schoßstube, Johannishospital, Rechnungen 1800, S. 36f. – StadtAL, Stift. II, Nr. 140, Bl. 220, 244. 277 Vgl. BRÄUER (Armenmentalität) 2008, S. 186.

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Soziale Disziplinierung Aufgrund der symbolischen und sozialen Bedeutung, die einem ehrlichen Begräbnis in der frühen Neuzeit beigemessen wurde, besaßen die Handwerksorganisationen, die entsprechende Unterstützungsleistungen für den Todesfall anboten, ein wichtiges Disziplinierungs- und Machtmittel. Damit wirkte das Angebot von sozialen Leistungen im Begräbniswesen durch die Handwerkszünfte und Gesellenschaften tendenziell normierend auf die Handlungen der Mitglieder, da delinquente Verhaltensweisen mit einer Minderung oder einem Entzug der Leistung bzw. einer entehrenden Abwandlung in der Form der Leistungserbringung sanktioniert werden konnten. Das hieß, dass die Verfügbarkeit der Unterstützungsleistungen im Todesfall an das Wohlverhalten der Betroffenen und ihrer Angehörigen zu Lebzeiten gebunden war. Ganz konkret wandten die Handwerksorganisationen das „ehrliche“ Begräbnis und die Hinterbliebenenversorgung als Sanktionsmittel an, um die geforderte Sepulturkultur aufrechtzuerhalten. Mögliche Vorgehensweisen reichten von einer vagen Andeutung, über eine konkrete Androhung bis zum tatsächliche Verlust von handwerks- und gewohnheitsrechtlichen Befugnissen und materiellen wie immateriellen Ansprüchen. Es konnten spezielle Einzelaspekte der Beerdigungsaktes oder des Leichenganges wie das Leichentragen oder die Nutzung des Leichenornats berührt werden oder die traditionellen Gebräuche wurden auf eine Weise abgewandelt, dass diese Modifikation einem jeden, der die Semantik deuten konnte, als symbolische Bestrafung und soziale Demütigung verständlich war. Der ursprüngliche Regelverstoß musste keineswegs direkt mit dem Sanktionsmittel in Verbindung stehen. Die Norm ehelicher Geburt wurde bei den Leipziger Schuhmachern bestätigt, indem uneheliche Meisterfrauen aus der Leichenkasse vollständig ausgeschlossen wurden. Die gefährdete Handwerksehre gestatte es nach Ansicht der Zunftspitze nicht, dass „unwürdigen“ Personen ein Sterbegeld aus der löblichen Handwerksleichenkasse gereicht werde.278 In einem anderen Fall aus der gleichen Stadt beschwerte sich der Schneidermeister Rehe, er sei wegen nicht angemeldeter Aufnahme eines Gesellen und verweigerter Strafgeldzahlung demütigend behandelt worden. Bei dem Begräbnis seiner Tochter „haben nicht nach Gewohnheit 2 Meister, sondern mir zu Schimpf nur einer tragen helffen, auch die längsten zur kürtzesten Person gestellet, daß also die Leiche gantz auff die Seite undt 279 von einer zur andern geschwäncket worden“.

Eine solche unübliche Vorgehensweise in der Öffentlichkeit kränkte den Betroffenen zutiefst und erhöhte den Druck, die angemahnte Normverletzung zu büßen und sich zukünftig dergleichen Regelverletzungen zu enthalten.  278 StadtAL, II. Sektion H (F) 689. 279 StadtAL, II. Sektion R (F) 141, Bl. 1b. Weitere Beispiele in: StadtAD, RA, B. XV. 36a, [unpag.] (Schreiben vom 04.07.1719). – StadtAD, RA, C. XXIV. 19, Bl. 32–32b.

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Als die Begleitung verstorbener Zunftmitglieder im 18. Jahrhundert ins Abnehmen geriet, senkten die Chemnitzer Weber das erforderliche Anwesenheitsquorum. Damit bestand nur noch für einen gewissen Teil der Mitglieder eine Teilnahmepflicht. Diese Gruppe sollte aber unmissverständlich und bei Androhung von Strafgeldzahlungen die Leichenbegleitung nicht versäumen. Waren die Säumigen unwillig, die Strafgelder zu zahlen, wurde ferner gedroht: „Denenjenigen aber, so solche Buße zu erlegen sich weigerten, denen sollte nicht nur bey Absterben ihrer selbst oder denen Ihrigen nicht nur der Mitgang zur Begleitung bey der Beerdi280 gung, sondern auch der gäntzliche Leichen Ornat versaget werden.“

Solange dem zünftigen Begräbnis eine hohe Bedeutung beigemessen wurde, solange eignete es sich hervorragend, um als soziales Disziplinierungsinstrument eingesetzt zu werden. Eine Benachteiligung wurde selbstverständlich denjenigen Personen zuteil, die nicht der Norm „des rechten Glaubens“ entsprachen. Ihnen wurde der Zutritt zu den Handwerksorganisationen untersagt. Mit dem Übertritt des Kurfürsten Friedrich August I. (1670–1733) zum römischen Katholizismus und der Etablierung eines römisch-katholischen Hofstaates bzw. einer römisch-katholischen Gemeinde in Dresden wurde das Problem der religiösen Andersgläubigkeit für die Handwerksorganisationen virulent. Sie wehrten sich i. d. R. erfolgreich gegen eine Beteiligung von Nichtlutheranern an innungseigenen Begräbnisgesellschaften und Sterbekassen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts häuften sich Beispiele bikonfessioneller Eheschließungen. Diese Ehen erlangten die kurfürstliche Zustimmung, wenn der jeweils nicht-lutherische Teil des Ehepaares vor der ehelichen „Copulation“ versprach, den Partner in seiner Religion ungehindert zu belassen, die aus der Ehe hervorgehenden Kinder lutherisch zu taufen und aufzuziehen sowie kein öffentliches „Religions-Exercitium“ für seinen Glauben zu fordern. Diese Entwicklung besaß für das Thema der sozialen Sicherung besondere Relevanz, da nun theoretisch konfessionell Andersdenkende aufgrund der obrigkeitlich anerkannten gemischtkonfessionellen Eheverbindungen Beitrittsforderungen und Leistungsansprüche gegen die bestehenden Sicherungseinrichtungen geltend machen konnten. Leider fehlen jedoch konkrete und aussagekräftige Quellenzeugnisse. Zumindest für die Gesellenschaft der Leipziger Strumpfwirker ist bekannt, dass sie sich schon kurz nach Gründung ihrer „Kranken-Societaet“, die zugleich eine Sterbekasse war, bemühte, reformierte Gesellen hineinzuzwingen. Dies wurde von den jeweiligen Gesellen mit Berufung auf ihre soziale Versorgung durch die „reformirte Colonie“ der Stadt oder ihre Arbeitgeber abgelehnt. Grundsätzlich taten sich die Handwerksorganisationen bis zur rechtlichen Gleichstellung mit der Akzeptanz von Nichtlutheranern schwer. Wurden im 18. Jahrhundert Lehrlinge, Gesellen und sogar Ehefrauen, die nicht der lutherischen Glaubensgemeinde angehörten, toleriert und in die Handwerkskorporationen auf 280 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 301.

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genommen, blieb das Meisterrecht ein Privileg für Lutheraner. Für die zunftinternen Beerdigungsgesellschaften und Leichenkassen hieß das, dass ein Beitritt von Nichtlutheranern zu diesen Einrichtungen meist über das konfessionsgebundene Zunftrecht verhindert werden konnte. So wehrte sich die zur Leipziger Schuhmacherinnung gehörende Leichenkasse, eine reformierte Witwe aufzunehmen, da sie nach dem Tod ihres lutherischen Mannes sonst die gleichen Rechte genießen würde wie jede andere rechtgläubige Meisterin. Auch viele freie Sterbekassenordnungen begrenzten ihren Mitgliederkreis auf ihnen genehme Konfessionsangehörige. Die Benachteiligung der nichtlutherischen Konfessionen endete formal im sächsischen Königreich erst Anfang des 19. Jahrhunderts mit der rechtlichen Gleichstellung der Katholiken (Frieden von Posen 1806, Mandat vom 16.02.1807281) und der Reformierten (Mandat vom 18.03.1811282). Kurz darauf erhielten römisch-katholische und reformierte Handwerksgesellen erstmals ihren Meisterspruch283 und nichtlutherischen Gesellen wie Johann Anton Nase, der „catholischer Religion“ war, wurden Begräbnisse mit Prozession von einer mehrheitlich lutherischen Gesellenschaft bezahlt.284

Erfolgsaussicht der Schuldeneintreibung Wie dargestellt, kamen die Zahlungen von Sterbegeld nicht allein den Hinterbliebenen zugute. Noch durch einen anderen Mechanismus erzeugten diese Zahlungen positive Effekte für die Korporationen. Durch die Verrechnung der Leistungen der Leichenkassen (bzw. der Sterbegeld zahlenden Beerdigungsgesellschaften) mit den angehäuften Schulden und den nicht rechtzeitig zurückgezahlten Darlehen eines verstorbenen Zunft- oder Gesellenschaftsmitglieds gelang es den Handwerksorganisationen oftmals, langjährige Ausstände einzutreiben.  281 Mandat, die Ausübung des Römisch-Catholischen Gottesdienstes betr., vom 16ten Februar 1807. In: FLECK, Ferdinand Gotthelf / KOHLSCHÜTTER, Karl Christian (Hrsg.): Dritte Fortsetzung des Codicis Augustei, worinnen die in dem Königreiche Sachsen ergangenen gesetzlichen Verordnungen vom Jahre 1801 bis zu der am 9ten März 1818 angefangenen Gesetzsammlung enthalten sind. Erste Abtheilung. Dresden 1824, S. 11f. 282 Mandat die Gleichstellung der reformirten Religionsverwandten, hinsichtlich der öffentlichen Ausübung ihres Gottesdienstes, auch übrigen bürgerlichen und politischen Rechte, mit den römischkatholischen und Augsburgischen Confessionsverwandten betreffend, vom 18ten März 1811. In: FLECK, Ferdinand Gotthelf / KOHLSCHÜTTER, Karl Christian (Hrsg.): Dritte Fortsetzung des Codicis Augustei, worinnen die in dem Königreiche Sachsen ergangenen gesetzlichen Verordnungen vom Jahre 1801 bis zu der am 9ten März 1818 angefangenen Gesetzsammlung enthalten sind. Erste Abtheilung. Dresden 1824, S. 17f. 283 StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 28, [unpag.] (Eintrag vom 27.07.1810, Eintrag vom 07.09.1811). 284 StadtAD, 11.2.56, Nr. 182. Wie üblich forderte die Gesellenschaft die aufgewandten Kosten von den ausfindig gemachten Erben des Verstorbenen zurück.

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Wurden mehrfach Beiträge nicht gezahlt, drohte die zwangsweise „Exclusion“ von der Sterbekasse bei gleichzeitigem Verlust bisher gezahlter Gelder. Bisweilen wurden aus Gnade freiwillige Almosen gewährt, wenn die zünftigen Forderungen etwaige Leichengelder überstiegen und die soziale Not offenkundig war. Im Handwerksbuch der Schneiderinnung zu Leipzig stand unter dem Datum des 2. April 1718: „Seint [die] h[erren] ältesten bey h[errn Vormeister] Geißlern beisammen gewesen. Wegen David Stockman ist die überlegung gemacht worden, weil die frau Stockmannin daß geld verlangt zu ihres mannes beerdigung, so ist viel schuldt im buche gefunden worden, wie auch ihr die leichen confirmation ist vorgelesen worden, daß wen ein meister keine handwercksdienste nicht thut, der solte das beneficium nicht geniesen aus der leichencasse, so ist ihr dieses abgesprochen worden. Weil sie aber inständig und mit thränen gebeten hat, weil ihr man im lazareth gestorben, so bitt sie um etwas, daß er auf dem gottesacker könte begraben werden, daß er nicht im lazareth begraben würde ohne sarg. Auf ihr inständiges ansuchen haben die h[erren] ältesten aus der handwerckslade 4 r alß ein almosen gereichet. Weil aber dieses nicht zulänglich [war], so ist ihr auß dem leichenfisco noch 2 r gegeben worden mit dem beding, wen sie es erschwinden könte, so wolte sie es wieder bezahlen, könte sie aber nicht bezahlen, 286 so solte es nach ihrem todte die 2 r abgekürtzt werden, laut schein.“

Die Witwe erhielt aufgrund eines anhaltenden Gefühlsausbruchs sechs Taler, wovon ihr ein Teil vom Leichengeld abgezogen werden sollte, falls sie bis zu ihrem Ableben die zwei Taler nicht zurückgezahlt hätte. Um kein Risiko einzugehen und um keinen Präzedenzfall zu schaffen, ließ sich die Zunft kurze Zeit später ihre Rechte vom Magistrat bestätigen, damit „den handwercke zu keinen nachtheil gereichen solte und sich keinesweges [jemand] auf sie beruffen solte“.287 Auch wenn nicht alle Handwerksstatuten oder Leichenkassenordnungen es ausdrücklich festschrieben,288 die Verrechnung der Schulden oder sonstiger ausstehender Gel 285 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 408, Bl. 17. Weitere Beispiele: StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 83, 85b. – StadtAZ, X, 25, 88, Vol. I, Bl. 6 sowie [unpag.] (Verzeichnis seit 1782). 286 StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 178. 287 Ebd., Bl. 196. Aus der Leichenkasse der Schneider, die finanziell deutlich besser stand, wurden häufiger Almosen gereicht. Ebd., Bl. 184, 207b, 211b. Das befürchtete Begräbnis ohne Sarg zielte auf ein „unehrenhaftes“ Begräbnis. Die Verwendung von Särgen begann in Sachsen ab dem Ende des 15. Jahrhunderts üblich zu werden, war aber noch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nicht allgemein verbreitet. LANGER, Otto: Über Totenbestattung im 16. Jahrhundert, vornehmlich in Zwickau. In: Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Altertumskunde 28/1907, S. 13f. – STANISLAW-KEMENAH (Kirche) 2005, S. 227. 288 Es finden sich genügend Beispiele für explizite Bestimmungen der Schuldenverrechnung. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 213, Nr. 6, § 12, [unpag.]. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 5, Bl. 125b. – StadtAL, Inn Schneider A 6, Bl. 12b. – StadtAL, Inn Schneider C 1, Bl. 26b. – StadtAL, Inn Schneider C 14, Bl. 45. – StadtAL, Inn Schuhmacher D 1, S. 21.

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der wurde seit dem Bestehen dieser Kassen angewandt. Besondere Probleme offenbarten sich, wenn die Beiträge zu den Leichenkassen oder den Handwerksinnungen allgemein über einen längeren Zeitraum nicht gezahlt werden konnten, wenn beispielsweise eine Krankheit dies verhinderte und ein Anspruch auf ein Begräbnisgeld somit fraglich wurde.289

Ablehnung eines stärkeren sozialen Engagements Die Leichenkassen und viele Beerdigungsgesellschaften basierten größtenteils auf den direkten Beiträgen ihrer Mitglieder und zahlten im Todesfall ein Begräbnisgeld. Damit sicherten sich die Mitglieder durch ihre eigenen Beitragsleistungen ein „ehrliches“ Begräbnis. Einen denkbaren Ansatz über eine rein versicherungsähnliche Gesellschaft hinauszugehen, enthielt ein aufschlussreicher „Entwurf zu verbesserter [sic!] Statuten der zur Schneider-Innung gehörigen Grabecasse“ von Anfang Februar 1830 aus Dresden. Dieser neue Entwurf sah neben den üblichen Leistungen soziale Sonderregelungen für Meisterangehörige vor, die kein Mitglied in der Grabekasse waren: „Obschon die Erben eines Meisters, welcher seine Ehefrau nicht eingekauft hat, auf etwas mehr als das für seine Person in der Classe ausgesetzte Beneficium nicht Anspruch machen können, so soll doch auf den Fall, daß ein solcher Meister in Armuth verstürbe und zugleich ein oder mehrere noch unerzogene der Unterstützung bedürftige eheleibliche Kinder hinterließe, nach vorgängiger von der Administration der Casse und der Innungsältesten gewissenhaft angestellten Erörterung des wirklichen Nothstandes dieser Hinterlassenen das Beneficium in der III. Classe von 10 r auf 12 r, in der IV. Classe von 12 r auf 16 r, in der V. Classe von 14 r auf 18 r, in der VI. Classe von 16 r auf 20 r [und] in der VII. Classe von 18 r auf 24 r erhöhet werden. Stirbt die Wittwe eines Meisters, welche wegen unterlassenen Einkaufs für ihre Person nicht Mitglied gewesen ist, in diesem Wittwenstande hiesigen Orts in Armuth mit Hinterlassung eines oder mehrerer in dieser Ehe erzeugten noch unerzogenen Kinder, so haben diese letztern, wenn der Bedarf einer Unterstützung in der vorgedachten Maase ermittelt 290 worden, aus der Casse sich eines Beytrags von 4 r zu den Begräbnißkosten zu gewärtigen.“

Ein Teil der Meisterschaft versuchte damit, den bislang häufig bei einem Todesfall gezahlten unregelmäßigen Almosen eine gewisse Verlässlichkeit zu geben und die Bedürftigen stärker zu unterstützen. Jedoch waren die Innungsältesten an dieser Regelung nicht interessiert. Gegenüber dem Stadtrat äußerten sie, dass dieser Abschnitt des Statutenentwurfs entfallen sollte, da er „auf die vorigen Artikel nicht begründet sey“ und die Notleidenden bereits ausreichend aus der Innungskasse alimentiert würden. Mit entsprechendem Bericht des Rates an die Landesregierung ließ diese den Artikel tatsächlich komplett streichen.291 Da allein die Innungsältesten von Fall zu Fall über die Vergabe und die Höhe von Beisteuern und Almosen bedürftiger Innungsverwandter und anderer Bittsteller entschieden, hat 289 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 240, Bl. 259. 290 StadtAD, 11.2.54, Nr. 183, Bl. 89–90. 291 Ebd., Bl. 107b–108, 114.

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ten sie keinerlei Interesse an einer Kodifizierung, die ihnen dieses Machtmittel aus der Hand genommen und ihre Handlungsfähigkeit eingeschränkt hätte. Ein ganz ähnlicher Fall lässt sich bei den Chemnitzer Strumpfwirkern finden, bei denen die sozialen Ausgaben einschließlich der Beerdigungsaufwendungen gekürzt werden mussten. Allerdings geschah dies hier durch ein Schreiben des städtischen Protokolleurs August Scheibner, der die eingereichten Innungsartikel kontrollierte. Nach seiner Meinung könne „doch der Plan nicht gebilligt werden, nach welchem nicht nur die Nutzungen des gesammten Innungsvermögens, sondern auch die sämmtlichen fortlaufenden Einkünfte zu dem fraglichen Zwecke von der Zunft ausgesetzt worden sind. Denn wenn es auch die hauptsächliche Bestimmung einer Innungscasse ist, mit den Zinnsen des Vermögens unbeschadet der Substanz desselben die verarmten Meister zu unterstützen, so ist es doch keineweges die einzige, indem mehrere andere Fälle vorkommen, in welchen die Innungscassen zur Mitleidenheit zu ziehen 292 sind.“

Das Chemnitzer Ratskollegium und die Zwickauer Kreisdirektion schlossen sich dieser Ansicht an. Die Behörden sahen einerseits die Gefahr der unverantwortlichen, willkürlichen Mittelverwendung, indem „alles von dem Gutdünken und dem guten oder üblen Willen der Innung im einzelnen Falle abhängen“ würde und wollten andererseits keine Überforderung der Innungskasse riskieren.293 Der Anteil der sozialen Ausgaben und damit die Zahlung von Begräbnisgeldern wurden auf ein Höchstmaß beschränkt.

Innerzünftige Finanzhoheit Um das Risiko von missbräuchlicher Verwendung der Leichenkassengelder zu minimieren, wurden diese Gelder häufig formell von den eigentlichen Zunftkassen separiert. Auch bei den Leipziger Schneidern waren Handwerks- und Leichenkasse schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts voneinander getrennt. 1775 wurde dies nochmals in den „Articul der Leichen-Commun“ im elften Artikel präzisiert: „Es soll diese Leichen-Cassa von der übrigen Handwercks-Cassa gänzlich abgesondert seyn, darzu ein eigener Für-Meister, welcher mit Grundstücken bey dieser Stadt gnugsam angeseßen, aus der Zahl derer Ober-Meister erwehlet und demselben von denen im Regiment stehenden Beysizern von dem Handwercke zugeordnet, die Cassa doppelt verschloßen und sowohl dem Fürmeister als dem Beisizer ein verschiedener Schlüßel, so daß einer ohne dem andern dieselbe nicht öfnen kan, dazu anvertrauet, nicht weniger bei alljährlicher Abwechslung des Ober-Meister-Amts zugleich ein anderer Für-Meister und Beysizer der Leichen-Cassa erwehlet, von denen abgehenden richtige Rechnung über Einnahme und Ausgabe gefertiget und gleich der Handwercks-Cassen-Rechnung des Ober-Meisters abgeleget, sowohl die Cassa

 292 StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 37, Bl. 10. 293 Ebd., Bl. 34–34b.

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samt beyden Schlüßeln und Rechnungen dem neuernannten Für-Meister und Beysizer über294 geben werden.“

Damit blieb die Kassenverwaltung sowohl der Innungs- wie der Leichenkasse in den Händen der Obermeister. Deren Amtszeit dauerte zwar jeweils nur ein Rechnungsjahr, doch rotierten die jeweiligen Funktionen innerhalb der Gruppe der Obermeister, die meist auf Lebenszeit diesem kleinen Zirkel angehörten.295 Zudem blieben zahlreiche zunfteigene Leichenkassen aufgrund der Finanzstruktur eng mit den Handwerkskassen in vielfältiger Form verbunden. Einige Vorteile und Gefahren, die diese Beziehung mit sich brachte, wurden bereits angedeutet. Die nachhaltige Verbindung der beiden Kassen kam vor allem denjenigen zupass, die Zugriff auf die Finanzen hatten. Über Besoldungen, Beköstigungen, Ausgleichszahlungen für Unannehmlichkeiten und weitere Rechnungsposten, die für die anderen Meister kaum transparent waren, konnten Gelder in die Taschen der Obermeister und Beisitzer wandern. Es verwundert daher nicht, dass es immer wieder zu Unmutsbekundungen, Gerichtsklagen und ehrverletzenden oder gewaltsamen Konflikten wegen Unterschlagung und Misswirtschaft kam. Dass nicht alle Vorwürfe der Wahrheit entsprachen, steht außer Frage. Doch selbst wenn nur ein Teil der Verdächtigungen begründet war, schürte er das Misstrauen besonders in größeren Handwerksorganisationen gegen „die Herren Ältesten“. Dabei musste die Zunftspitze nicht einmal kriminell vorgegangen sein. Im besagten Beispiel der Leipziger Schneider wuchs die Leichenkasse im 18. Jahrhundert deutlich. Die zahlreichen Einnahmequellen, wobei die Anteile aus den Meistergeldern besonders hervorzuheben sind, trugen dazu bei, dass der Leichenkassenbestand Anfang des Rechnungsjahres 1708/1709 von knapp 1.200 Talern (bei 1.000 Talern verzinst angelegtem Kapital) auf einen Bestand von knapp 4.200 Talern (bei 3.400 Talern Anlagekapital) Ende 1775 bis auf mehr als 8.200 Talern (bei 7.225 Talern Anlagekapital) im Jahr 1797 stieg. 1822 verfügte die Leichenkasse über ein Gesamtvermögen von 14.382 Talern. Im gleichen Zeitraum verschuldete sich die Handwerkskasse immer mehr, sodass sie sich bei der Leichenkasse und den Obermeistern große Summen borgen musste. In welchem Maße die Ältesten der Innung, die über lange Jahre einem relativ kleinen Personenkreis angehörten, private Gelder einsetzten oder ob sie vor allem die Geldsummen zwischen den Kassen ohne eigenes Verlustrisiko hin und her jonglieren ließen, ist nicht bekannt. Im März 1826 baten jedenfalls zwei Schneidermeister gegenüber dem Ratsdeputierten um eine Senkung „der Interessen für die geleistete Caution des Herrn Aeltesten“ an die Leichenkasse der Schneider. Zum Abbau der enorm aufgehäuften Schulden der Innung sei eine  294 StadtAL, Inn Schneider A 6, Bl. 12b–13. 295 StadtAL, Inn Schneider B 2. – StadtAL, Inn Schneider B 11. Diese Ämterrotation kann ebenfalls für die Leipziger Tuchmacher belegt werden. StadtAL, Inn Tuchmacher B 1. – StadtAL, Inn Tuchmacher B 2. – StadtAL, Inn Tuchmacher B 3. – StadtAL, Inn Tuchmacher B 4. Weitere Detailuntersuchungen der innerzünftigen personellen und funktionellen Strukturen, der Rekrutierungsmechanismen der Zunfteliten und der sozialen Beziehungen innerhalb der obersächsischen Handwerkszünfte wären sicherlich sehr aufschlussreich.

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Zinssatzsenkung von fünf auf vier Prozent hilfreich. Die verantwortlichen Kassenführer gingen also bei der Handwerkskasse in Vorleistung, obwohl die Leichenkassenbestände, sowohl das Anlagekapital als auch die Bargeldbestände, permanent wuchsen, und ließen sich diese Auslagen und „Cautionen“ teuer bezahlen. Sie pochten auf die spezielle Qualität ihrer Aufwendungen, die nicht wie einfache Darlehenszinsen vermindert werden könnten und schließlich seien ohnehin ihre Besoldungen schon recht niedrig.296 Auch der simple Kapitalverleih versetzte die Kassenoffizianten in eine privilegierte Lage. Theoretisch sollten Gelder nur „mit Vorbewußt und Einwilligung des gantzen Handwercks“297 verborgt werden, doch die meisten Meister hatten ganz andere Sorgen, als ihren Kollegen bei Rechnungslegung und Kapitalverkehr auf die Finger zu schauen. Nicht wenigen fehlte wohl zudem ein gewisses Verständnis für das Kassenwesen und die Transaktionen. In der großen Schneiderinnung wurde jedenfalls deutlich, wie über die Kontrolle der Zunft- und Leichenkassengelder einige Meister erheblichen Einfluss auf die Meisterschaft ausübten, wenngleich nicht jede Amtsführung immer widerstandslos hingenommen wurde. Die verfügbaren Machtmittel und das gesteigerte Ansehen für die höheren Amtsträger waren jedenfalls nicht zu unterschätzen.

Entlastung öffentlicher Kassen Selbstverständlich kam es den städtischen und staatlichen Fürsorge- und Armenkassen entgegen, dass Handwerksinnungen wie Gesellenschaften die Begräbnisse für ihre Angehörigen ausrichteten, Zuschüsse für die Notleidenden unter ihnen vergaben und eine Sterbegeldvorsorge organisierten. Bereits Marperger wies darauf hin, dass dies „eines derer grösten Motiven ist, daß die wohlhergebrachte Aemter und Handwercks Zünffte noch bey ihren privilegiis und Freyheiten gewisser massen“ gelassen wurden.298 Dadurch wurde nicht nur das Risiko reduziert, dass die Städte auf den Kosten sitzen blieben, sondern zugleich der Zuverdienst für die geistlichen Amtsträger gesichert. Nachdem die kursächsischen Städte aufgrund der hohen Staatsverschuldung im Zuge der ersten beiden schlesischen Kriege zu Kontributionsleistungen verpflichtet wurden, legten diese die Forderungen auf die einzelnen bürgerlichen Haushalte und Korporationen um. Dementsprechend sollte das Leipziger Schneiderhandwerk durch obrigkeitliche Verfügung aus dem Jahr 1749 für einen Teil der sächsischen Verbindlichkeiten einstehen und allein nach einer Ratsverordnung vom 6. Juli 1752 exakt 900 Taler entrichten.299 Da das Geld der Handwerkskasse fehlte, griffen die Schneidermeister auf einen Vorschlag zurück, das kapitalisierte Guthaben der zunfteigenen Leichenkasse zu verwenden, um der Kontributions 296 297 298 299

StadtAL, Tit. LXIV (F) 322, Bl. 1–3, 15–16b. StadtAL, Inn Schneider A 6, Bl. 13b. MARPERGER (Montes Pietatis) 1715, S. 148. StadtAL, Inn Schneider B 1, Bl. 22-23.

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forderung nachzukommen. Sollten einzelne Meister bereits ihren Anteil privat beigetragen haben, könne er ihnen von dem kollektiven Kapital zurückerstattet werden. Dieser Plan rief jedoch beim Magistrat scharfe Ablehnung hervor, „da die Leichen-Gelder bloß zum Begräbniß derer darzugehörigen Meistere, deren Weiber und Wittben, mithin zu Bezahlung derer vor die Geistlichen und Schulen geordnete Gebüh300 ren, angewendet werden sollen“.

Die Schneidermeister blieben somit individuell auf ihrem jeweiligen Teil der Kontribution sitzen, denn dem Stadtrat war nicht allein an einem Begräbnis seiner Bürger, sondern auch an einer gesicherten Entlohnung der beteiligten Amtspersonen durch korporative Zusammenschlüsse gelegen, die die Gemeinen Kästen und „mithin“ die Stadtfinanzen schonten.

5.6 ZUSAMMENFASSUNG UND BEWERTUNG ALS SOZIALE SICHERUNGSFORM Standen im 15. und 16. Jahrhundert anfangs die Memoria, das Erlebnis der gemeinsamen Vigilien, der Seelmesse und des Begräbnisses, später ein gemeinschaftlicher Leichengang und die Pflicht, die Leichen der verstorbenen Mitbrüder bzw. Angehörigen zu tragen, im Vordergrund, wobei der Leichengang und das Begräbnis nach der Reformation durch den Wegfall verschiedener Begräbniselemente nochmals aufgewertet wurden, rückten nach dem Dreißigjährigen Krieg vor allem Finanzierungsfragen rund um das zünftige Begräbnis und die Hinterbliebenenversorgung in das Zentrum der Überlegungen. Elementare Pflichten, wie der Leichengang oder die Nutzung des Leichengeräts, wurden den Angehörigen eines Verstorbenen meist unentgeltlich erbracht, aber generell übernahmen die Handwerksorganisationen die Begräbniskosten nicht. Dies geschah allein in Einzelfällen. Die hohen Erwartungen an ein „ehrliches“ Begräbnis überforderten die Hinterbliebenen seit dem 17. Jahrhundert zunehmend. Anfangs sporadisch und nur bei sozialen Notfällen, schließlich in großer Regelmäßigkeit zahlten vor allem die Zünfte daher Beiträge zu den Begräbniskosten ihrer Mitglieder und teilweise derer Angehörigen. Diese Mittel wurden aus den allgemeinen Handwerksfinanzen oder eng verbundenen Laden der Beerdigungsgemeinschaften, zunehmend aber auch aus separaten Leichenkassen zur Verfügung gestellt. Diese Leichen- oder Sterbekassen entwickelten sich mehr und mehr zu versicherungsähnlichen Institutionen, auf deren Leistungen schließlich die Kassenmitglieder mehr als nur einen moralischen Anspruch erheben konnten. Mit diesen Kassen leisteten die Handwerksorganisationen einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Sterbevorsorge und des späteren Versicherungswesens und gaben Anstöße zur Gründung weiterer Sterbe- und Unterstützungskassen. Unter den Gesellenschaften fanden sich schon wegen des niedrigeren Grades an Schriftlichkeit und der jüngeren Altersstruktur der Mitglieder erheblich seltener  300 Ebd., Bl. 22b.

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institutionalisierte Beerdigungsgesellschaften oder Leichenkassen. Die grundsätzlichen Leistungen („ehrliches“ Begräbnis, Begräbnisgeldzahlung) fanden sich hier aber ebenfalls. Die verschiedenen Formen der Unterstützung kamen einem begrenzten Personenkreis zugute. Zu den meisten handwerkseigenen Innungsladen, Beerdigungsgesellschaften und Sterbekassen hatten nur Mitglieder der zugehörigen Handwerksorganisationen Zutritt. Einzelne Leistungen konnten käuflich durch Außenstehende erworben werden. Bei Leichenkassen, die nur noch lose Verbindungen zu einer Handwerkskorporation unterhielten, bei denen ansonsten aber keine berufsspezifischen Zugangsbedingungen bestanden, galt diese Begrenzung nicht. Diese freien Kassen wandten sich zahlungskräftigen Bürgerinnen und Bürgern unabhängig ihres Berufsstandes zu. Die Auszahlung der Sterbegelder aus den Handwerks- und Trauerladen sowie den Leichenkassen deckte die Begräbniskosten meist nicht, wodurch die Hinterbliebenen nur partiell entlastet wurden. Erst ab der Mitte des 18. Jahrhunderts erreichten die finanziellen Beihilfen einiger Leichenkassen eine über die Begräbniskosten hinausreichende Höhe, doch nahmen dafür neben persönlichen Unzulänglichkeiten die Strukturprobleme der Kassen, die ohne versicherungstechnische Grundlagen bestanden, erheblich zu. Sie stellten insbesondere für die mittleren und oberen Schichten innerhalb der Handwerkerschaft interessante Varianten der sozialen Absicherung ihrer Angehörigen dar.301 Ob sich eine solche „Hinterbliebenenversicherung“ im betriebswirtschaftlichen Sinne tatsächlich rentierte, müsste allerdings erst noch genau kalkuliert werden, denn oft fanden sich in den Ausgabenposten der zünftigen Leichenkassen zahlreiche „versicherungsfremde“ Leistungen, die letztlich die Sterbegeldhöhe beeinträchtigten. Die soziale Frage einer bereits eingetretenen oder akut drohenden Armut in weiten Teilen des Handwerks und einer daraus resultierenden Problematik der langfristigen Hinterbliebenenversorgung dieser Personen am unteren sozialen Rand konnte jedenfalls nur unzureichend mit den Maßnahmen rund um das zünftige Begräbnis unter Einschluss des Leichenkassenwesens beantwortet werden. Dennoch tröstete die Aussicht auf ein kollektives Begräbnis die Angehörigen der Handwerkszünfte und Gesellenschaften, subsidiär sicherten die kollektiven Strukturen sie vor einer unehrenhaften Beerdigung. Unter anderem durch diesen Aspekt der „immateriellen Sicherheit“302 und durch die realen Dienstleistungen (Leichenfolge, Tragedienst) überstieg der Output der meisten an ein Handwerk angeschlossenen Kassen die Angebote vergleichbarer Organisationen (freie Leichenkassen, Fabriksterbekassen usw.). Werden konkrete Quellenzeugnisse betrachtet, wird insgesamt deutlich, wie neben der Frage der sozialen Sicherung im Umkreis des sozialen Risikos „Tod“  301 Vergleichbares lässt sich für Witwen- und Waisenpensionskassen feststellen. STEIDL (Witwenpensionen) 2000, S. 328, 346. 302 FRÖHLICH (Sicherung) 1976, S. 229.

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stets weitere Motive eine große Rolle spielten, die nicht selten die sozialen, solidarischen Antriebskräfte in den Hintergrund drängen konnten.

6. HINTERBLIEBENENVERSORGUNG DURCH HANDWERKSZÜNFTE UND GESELLENSCHAFTEN Stärker noch als im Unterstützungswesen der Handwerksorganisationen bei Krankheit oder Unfall unterschied sich die Dringlichkeit der Hinterbliebenenversorgung zwischen den verschiedenen Akteursgruppen. Da die Handwerksmeister möglichst verheiratet, die Gesellen vieler Handwerke aber ledig sein sollten, muss in den folgenden Ausführungen eine deutliche Ungleichgewichtigkeit zwischen den Sicherungen durch die Zünfte und den Sicherungen durch die Gesellenorganisationen herrschen. Daher wird im Folgenden vorrangig auf die soziale Sicherung der Hinterbliebenen in den Meisterfamilien eingegangen. Mit Hinblick auf einen möglichen Todesfall bewegten die Handwerker nicht allein Versorgungsfragen, welche das eigene Begräbnis direkt betrafen, sondern auch Probleme der mittel- und langfristigen Hinterbliebenenversorgung über den Tag der Beerdigung hinaus. Zuletzt wurde in der Forschung mehrfach unterstrichen, dass gerade im „vormodernen“ Handwerk Mann und Frau als voneinander gegenseitig abhängiges, interdependentes Arbeitspaar zu sehen sind.1 Der Verlust eines Ehe- und Arbeitspartners bedeutete für die gesamte Wirtschaftseinheit „Handwerksbetrieb“ eine gravierende Zäsur.2 Der Wegfall eines Ehepartners durch dessen Tod bildete ein soziales Risiko, das den überlebenden Teil des „Arbeitspaares“3 und die übrigen Mitglieder des Meisterhaushalts schwer traf. Somit bestand bereits wegen des Interesses des Einzelnen am Schutz seiner Hinterbliebenen ein dringender Regelungsbedarf, der die Normsetzungen und Handlungen der Handwerksorganisationen beeinflusste, wenngleich fürsorgliche Aspekte nicht die einzigen Motive der Sicherungsmaßnahmen darstellten. Ob durch den Tod des Meisters oder der Meisterin, der Handwerkerfamilie brach in ökonomischer, finanzieller, rechtlicher und sozialer Sicht eine ihrer wichtigsten  1

2 3

BRODMEIER (Frau im Handwerk) 1963, S. 12. – INGENDAHL, Gesa: Witwen in der Frühen Neuzeit. Eine kulturhistorische Studie (= Geschichte und Geschlechter, Bd. 54). Frankfurt am Main 2006, S. 162. – WERKSTETTER (Frauen im Augsburger Zunfthandwerk) 2001, S. 58. – WUNDER, Heide: „Er ist die Sonn’, sie ist der Mond“. Frauen in der Frühen Neuzeit. München 1992, S. 96. BRÄUER (Armenmentalität) 2008, S. 60f., 81. – REITH (Altersprobleme) 1990, S. 24. – STEIDL (Witwenpensionen) 2000, S. 320f. Erstmals wurde der Begriff des „Arbeitspaares“ in Bezug auf ein Handwerkerehepaar von Heide Wunder geprägt. WUNDER, Heide: Frauen in der Gesellschaft Mitteleuropas im späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit (15. bis 18. Jahrhundert). In: VALENTINITSCH, Helfried (Hrsg.): Hexen und Zauberer. Die große Verfolgung – ein europäisches Phänomen in der Steiermark. Graz, Wien 1987, S. 123–154. Siehe auch: WUNDER (Er ist die Sonn’) 1992, S. 96, 98.

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Säulen weg, nicht zuletzt deshalb, weil die ungehinderte Fortführung des Haushalts und zugleich des Werkstattbetriebes mit angeschlossenen Arbeitskreisen wie Beschaffung, Werbung und Vertrieb schwerlich durch eine Person allein gewährleistet werden konnte. Nicht nur der zurückgelassenen Meisterwitwe stellten sich große Barrieren in den zukünftigen Lebensweg, da das Bestehen der Meisterwerkstatt grundsätzlich an das Meisterrecht ihres verstorbenen Ehemannes gebunden war. Auch dem verwitweten Handwerksmeister war es oft unmöglich, alle relevanten Aufgaben im Wohn- und Arbeitsbereich ausreichend und kompetent zu erfüllen, wenn nicht zumindest ergänzende Unterstützungsleistungen durch weitere Familienangehörige oder Gesindekräfte hinzukamen. Dennoch bestanden gravierende Unterschiede zwischen den Handlungsoptionen, die einem verwitweten Meister verblieben, und denen einer Meisterwitwe. Spätestens seit der reformatorischen Abwertung des zölibatären Lebensentwurfs und der schon vor Luther einsetzenden Würdigung der Ehe „als wahre Keuschheit“4 trat im Handwerk zu dem Modell des „Arbeitspaares“ eine weitere Norm, die sich in den Bedingungen zur Meisterschaft häufig als Heiratszwang niederschlug. Entsprechend der kirchlich und gesellschaftlich aufgewerteten Verehelichungsnorm sollte nach den Vorstellungen der Zeitgenossen einem Handwerkerbetrieb i. d. R. ein gemeinsam wirtschaftendes Handwerkerehepaar mit Kindern und Gesinde angehören. Während verwitwete Zunftmeister ihre Werkstätten unabhängig von ihrem Familienstand führen konnten, wenngleich eine Heirat aus ökonomischen, sozialen und anderen Gründen angezeigt war, stellte sich für die Meisterwitwen und für die Handwerksgesellen das Problem in aller Dringlichkeit dar. Handwerkswitwen besaßen kein eigenes Zunftrecht. Handwerksrechtlich waren sie nur über ihren Ehemann an das Gewerbe angebunden. Der Verlust des Ehemannes brachte sie in die große Gefahr, die Werkstatt und damit ihre ökonomische Existenzgrundlage aufgeben zu müssen. Daher kam den Regelungen zur Fortführung des Werkstattbetriebes bzw. zur Wiederverheiratung in den einzelnen Handwerksorganisationen enormes Gewicht zu. Natürlich soll nicht unterschlagen werden, dass gerade eine Witwenzeit mitunter interessante Chancen bot, sich auf Aufgabenfeldern zu profilieren, die zuvor der Ehepartner weitgehend ausgefüllt hatte. So entwickelten viele Witwen erstaunliches Organisations- und Innovationstalent, um die Werkstatt am Laufen zu halten oder kümmerten sich besser um wirtschaftliche Belange als ihre verstorbenen Ehemänner. Nicht wenigen Ehefrauen gelang dies inoffiziell bereits während vieler Ehejahre vor ihrer Witwenschaft. Gleichwohl brachte der Tod des Handwerksmeisters und Ehemannes die Witwen allein handwerksrechtlich in den meisten Fällen in eine prekäre Lage. In Bezug auf die Gesellen wiederum verlangten viele Handwerksstatuten bis ins 18. Jahrhundert in Verbindung mit dem Meisterrecht deren Verheiratung. Der Zeitpunkt der Heirat eines zünftigen Gesellen stand dabei in enger Beziehung zum Zeitpunkt des Meisterspruchs. Die Heirat hatte größtenteils kurz vor der Meister 4

Ebd., S. 66.

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sprechung, meist innerhalb der Mutzeit, zu erfolgen. Teilweise genügte der Nachweis einer vollzogenen Verlobung, wenn die Hochzeit baldmöglichst nachgeholt wurde. Bei den Chemnitzer Tuchmachern kamen die Meistersöhne und die Gesellen, welche in das Handwerk einheirateten, ausschließlich unter der Bedingung, dass sie innerhalb eines Jahres „nach gehaltener wiedtschafft“ ihr Meisterrecht erlangten, in den Genuss ihrer Privilegien.5 Dagegen bedeutete die vorzeitige Verheiratung eines Gesellen häufig den praktischen Verzicht auf einen Meisterspruch. Soziale Sicherungsmaßnahmen, die für die Hinterbliebenen eines verstorbenen Zunftmitglieds gedacht waren, wurden diesen von der Zunft nur dann entsprechend den Vorstellungen einer ehelichen Gemeinschaft von Mann und Frau als Handwerkspaar gewährt, wenn zwischen den Partnern eine kirchlich abgesegnete Beziehung bestand. Aufgrund der besonderen Gefährdung betrafen die meisten Maßnahmen, die dem Hinterbliebenenschutz dienten, den Fall, dass der Handwerksmeister verstarb. Der Tod des Haushaltvorstands, Werkstattführers und Inhabers des Meisterrechts bildete eine der häufigsten Ursachen für Unterstützungsleistungen durch Dritte.6 Soziale Sicherung nach dem Tod des Meisters bezog sich auf seine Hinterbliebenen, insbesondere auf die Ehefrau und die unmündigen, unverehelichten Kinder, denen der Verstorbene ein rechtlicher Vormund gewesen war.7 Eine mittel- bis langfristige soziale Sicherung der Witwen und Waisen8 durch die Handwerkszünfte wurde auf verschiedenen Wegen angestrebt: – über die Erleichterung einer (Wieder-)Verheiratung – über das Fortführungsrecht – über direkte und indirekte materielle Unterstützungen – über sonstige Vorteile.

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StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 2, Bl. 11. Auf eine Darlegung weiterer Einzelregelungen und -belege wird an dieser Stelle verzichtet. Die Festlegungen in den jeweiligen Handwerken unterschieden sich im Detail voneinander, in ihrer Tendenz aber meist nicht. Mummenhoff gibt sogar die Verheiratung als Bedingung für die Erlangung des Bürgerrechts an. MUMMENHOFF, Ernst: Der Handwerker in der deutschen Vergangenheit (= Die deutschen Stände in Einzeldarstellungen, Bd. 8: Der Handwerker). Jena ²1924, S. 101. ESER (Armenpolitik) 1996, S. 254f. Zur eingeschränkten rechtlichen Selbstständigkeit von Frauen im frühneuzeitlichen Handwerk siehe: BRODMEIER (Frau im Handwerk) 1963, S. 43–51. – WERKSTETTER (Frauen im Augsburger Zunfthandwerk) 2001, bes. S. 41. Als Waise galt in der frühneuzeitlichen Gesellschaft jedes Kind, das einen Elternteil verloren hatte. JACOBI, Juliane: „Man hatte von ihm gute Hoffnung“. Die soziale Kontur der Halleschen Waisenkinder. In: STRÄTER, Udo / NEUMANN, Josef N. (Hrsg.): Waisenhäuser in der Frühen Neuzeit (= Hallesche Forschungen, Bd. 10). Tübingen 2003, S. 55. Für die folgenden Ausführungen zur sozialen Sicherung im Zunfthandwerk war jedoch nur der Fall relevant, dass der das Handwerk führende Vater verstarb. Beim Tod der Mutter unterstützte das Handwerk den Meister i. d. R. nicht zusätzlich bei der Unterhaltung der Halbwaisen.

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Nach den Statuten der Handwerksinnungen hatte nur ein „ehrlich“ zum Meister gesprochener Mann das volle Recht auf die Ausübung des Gewerbes durch die Gewinnung des Meisterrechts erworben. Ohne Weiteres konnte die Werkstatt nach seinem Tod nicht fortgeführt werden, denn das obrigkeitlich geschützte Gewerberecht sah in den privilegierten Zunfthandwerken vor, dass dies allein durch ein Vollmitglied der Zunft geschehen durfte. Anders als beim Bürgerrecht, das nach dem Tod des Mannes zu einem großen Teil auf die Hinterbliebenen überging,9 wurde den Frauen und ehelichen Kindern nur ein eingeschränktes Zunftrecht zugestanden; die Zugehörigkeit der Meisterfrauen und -kinder zur Zunft wurde über die Verbindung zu ihrem Ehemann bzw. Vater hergestellt. Mit dem Tod des Meisters drohte die Kontinuität der Werkstattführung abzureißen, an welcher der Meister mit Hinblick auf die materielle Versorgung seiner Familie ein Interesse haben musste. Das Motiv des stabilen Werkstattbesatzes vor Ort wird auch den Städten und Zünften bisweilen unterstellt, um die Produktion und die Zunftstruktur zu stabilisieren.10 Um den Übergang der Werkstatt an einen neuen Werkstattinhaber zu erleichtern und zugleich dessen Familie abzusichern, schrieben viele Handwerke diverse strukturelle Erleichterungen fest, die beide Ziele miteinander verbinden sollten. Am geeignetsten schienen den Handwerkern die Erleichterung der Meisterschaft für den neuen Anwärter und die Gründung einer neuen Meisterfamilie, an deren Spitze erneut ein Meisterehepaar stand. Besonderen Stellenwert nahm das sogenannte Fortführungsrecht ein. Es beschrieb die jeweils geltenden Bedingungen zur selbstständigen Weiterführung der Werkstatt eines verstorbenen Zunftmeisters durch dessen Ehefrau bzw. dessen Kinder, ohne dass dieselben ein eigenes Meisterrecht erlangt hatten. Die Fortsetzung des Handwerksbetriebs durch Angehörige des verstorbenen Meisters bedurfte zusätzlicher Privilegierung, weil vom gewerberechtlichen Standpunkt aus grundsätzlich erst das Meisterrecht die Führung der Werkstatt im Zunfthandwerk ermöglichte. Da in den meisten frühneuzeitlichen Statuten von einem die Werkstatt führenden Handwerkerehepaar ausgegangen wurde, war die Existenz einer Witwe beim Tod des Meisters der Regelfall. Die meisten Regelungen betrafen demzufolge die mögliche Fortführung des Handwerks durch die Meisterwitwe, weshalb das (unbefristete) Fortführungsrecht der Meisterwitwe teilweise auch Witwenrecht genannt wurde. Nicht allein durch strukturell-organisatorische Regelungen suchten die Zünfte die Hinterbliebenen zu unterstützen. Neben einmaligen Almosengaben und Geschenken wurden regelmäßige und unregelmäßige Geld- und Sachleistungen gereicht, fällige Gebühren und Abgaben verringert oder aufgeschoben, Kredite be 9 DILCHER (Bürgerbegriff) 1980, S. 79. 10 HAUPT (Neue Wege) 2002, S. 28. Zumindest die Zünfte hätten jedoch ebenfalls ein Interesse an einer Verkleinerung der Werkstättenanzahl haben können, um die Marktmacht der einzelnen Handwerker zu vergrößern. An einer Stabilisierung der Produktionsstruktur könnte dagegen das Stadtregiment interessiert gewesen sein, um eine gleichmäßige, sichere Versorgung der urbanen Bevölkerung zu gewährleisten. Jedoch spielten hier auch Überlegungen zur Öffnung der Handwerke und der Schaffung neuer Arbeitsstellen eine wichtige Rolle.

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willigt usw. In den Genuss von direkten und indirekten materiellen Vergünstigungen kamen die Hinterbliebenen nur teilweise aufgrund ihres sozialen Status. Eine Witwe oder eine Waise zu sein, war für eine kollektive Unterstützungsleistung nicht immer ein hinreichendes Moment. In einigen Fällen war die materielle Armut, die häufig aus dem Tod der Bezugsperson resultierte, entscheidender, doch kann der ausschlaggebende Faktor, der zur Unterstützung durch die Handwerksorganisation führte, nicht immer festgestellt werden. Auf jeden Fall wurde das Armutsrisiko für die meisten Betroffenen durch die krisenhaften Folgen, die ein Todesfall auslösen konnte, erheblich gesteigert. Schließlich gab es eine ganze Reihe weiterer Vorteile, die den Witwen und Waisen eingeräumt wurden, die jedoch entweder in den untersuchten Gewerben lediglich sporadisch zu finden waren oder nur bedingt der sozialen Sicherung für Hinterbliebene zugeordnet werden können. Mitunter waren diese Privilegien auf einige Einzelfälle ganz konkret bezogen oder galten in eng definierten Zeiträumen.

6.1 UMSTRITTENE BEWERTUNG DER MASSNAHMEN ZUR HINTERBLIEBENENVERSORGUNG IM ZUNFTHANDWERK – EINE FORSCHUNGSKONTROVERSE Unterschiedliche Auffassungen gibt es gegenwärtig in der historischen Forschung über die Bedeutung der einzelnen Maßnahmen und über deren Effektivität, insbesondere hinsichtlich der Verheiratungsstrategie und des Fortführungsrechts. Insbesondere in Überblicksdarstellungen und vielen Studien aus verwandten Fachdisziplinen der Geschichtswissenschaft finden sich generell positive Einschätzungen zur Leistung der Handwerksorganisationen auf diesem Gebiet. Manfred Partsch bewertet die diversen zünftigen Vorkehrungen und Bestimmungen zugunsten der Hinterbliebenen wohl zu pauschal und lobt besonders das Fortführungsrecht, da es schwächeren Mitgliedern wie den Witwen ermöglicht hätte, durch betriebliche Weiterführung wirtschaftlich zu überleben und sich selbst zu versorgen.11 In der Handwerksgeschichtsschreibung prägt kein einheitlicher Tenor die Beurteilung des Fortführungs- bzw. Witwenrechts. Ohne zeitliche, sehr wohl aber  11 PARTSCH (Prinzipien und Formen) 1983, S. 147. Auch rechtshistorische Arbeiten argumentieren nicht selten einseitig. So lobt Ziekow die „soziale Solidarität“, die sich insbesondere an der Verleihung des Fortführungsrechts für ältere Witwen ohne realistische Wiederverheiratungschance gezeigt hätte. ZIEKOW, Jan: Freiheit und Bindung des Gewerbes (= Schriften zur Rechtsgeschichte, H. 54). Berlin 1992, S. 177. Siehe ebenfalls die einseitig positiven Äußerungen zur Waisenversorgung durch Handwerkszünfte bei: LANGE, Hermann: Geschichte der christlichen Liebestätigkeit in der Stadt Bremen im Mittelalter (= Münsterische Beiträge zur Theologie, H. 5). Münster in Westfalen 1925, S. 194. – SCHIRBEL (Krankenversorgung) 1929, S. 85.

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mit gewerbespezifischer Differenzierung kommt Reinhold Reith zu einer relativ günstigen Einschätzung des Fortführungsrechts: „In weiten Bereichen des Handwerks scheint jedoch das Witwenrecht insgesamt eine wirksame soziale Sicherung dargestellt zu haben, die durch die Witwenkassen noch ergänzt wur12 de.“

Zu diesem Urteil gelangt der Sozial- und Wirtschaftshistoriker, obwohl er einräumen muss, dass in Handwerken, in denen den Witwen die Haltung eines Gesellen vorgeschrieben wurde, die Witwenbetriebe meist keinen langen Bestand hatten.13 Auch bei Heide Wunder fungierte das Witwenrecht „als einfachster Garant der Versorgung und als Statthalterschaft für unmündige Kinder“. Dagegen führte die von den Zünften aktiv betriebene Wiederverheiratungspolitik nicht immer zum erstrebten Ergebnis, was die hohe Zahl der Handwerkswitwen unter den von der städtischen Fürsorge unterstützten Frauen zeigt.14 Eine tendenzielle Verschlechterung der wirtschaftlichen Überlebenschancen selbstständiger Witwen im Übergang vom Spätmittelalter zur frühen Neuzeit konstatiert der Marburger Geschichtswissenschaftler Peter Borscheid. „Die eigentliche und häufigste Unterstützung für die Witwe bestand darin, ihr die Fortführung des Handwerksbetriebes zu gestatten.“ Helfend habe die Zunftgemeinschaft der Witwe „eine psychische Stütze“ geboten und ihr angeboten, „sie in ihre Mitte zu nehmen, sie geistig aufzurichten und ihr Ratschläge zu erteilen“. Während jedoch im Mittelalter sehr oft ein uneingeschränktes Witwenrecht bestanden habe, erschwerten im 16. Jahrhundert Arbeitsverbote und Beschäftigungsbeschränkungen die Handlungsspielräume der Witwen. Ihnen wurden oft Wiederverheiratungsgebote auferlegt und somit ein eigenständiger Weiterbetrieb der Werkstatt verwehrt. Außer einer meist kargen, kurzfristigen Unterstützung erbrachte die Zunftorganisation auch kaum effektive materielle Leistungen.15 Bestätigung findet diese Aussage durch Gerhard Deters Untersuchung westfälischer Zünfte im 18. Jahrhundert: „Die Heirat mit einem Amtsbruder, nicht aber das Kassenwesen und auch nicht die Fortführung des selbständigen Gewerbebetriebes durch die Witwe war noch an der Schwelle zum 19. Jahrhundert das zentrale Versorgungssystem für die Hinterbliebenen in dem ostwestfälischen Land. [...] Allen anderen Formen der Versorgung der Ehefrauen verstorbener Amtsgenossen 16 kam dagegen weitaus geringere Bedeutung zu.“

 12 REITH (Altersprobleme) 1990, S. 28. 13 Ebd., S. 26. Die Erwerbstätigkeit der Witwen ebenfalls als vorherrschende Sicherungsform bei: EHMER (Altersversorgung) 2005, Sp. 273. 14 WUNDER (Er ist die Sonn’) 1992, S. 125, 182. 15 BORSCHEID, Peter: Geschichte des Alters. 16.–18. Jahrhundert (= Studien zur Geschichte des Alltags, Bd. 7, 1. Teilband). Münster ²1987, S. 69–71, 244. 16 DETER (Rechtsgeschichte) 1990, S. 228.

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Nur während einer Übergangsphase, deren Dauer von der ökonomischen Stärke des Handwerks abhing, wäre den Witwen eine tatsächliche Fortführung des Handwerksbetriebes möglich gewesen.17 Deters Ansichten schließt sich Lyndal Roper an. Nach ihren Ausführungen sei das Fortführungsrecht „eher ein theoretisches Privileg“ gewesen, das nur indirekt als soziale Sicherungsmaßnahme zugunsten der Witwen eingeschätzt werden kann. In der Praxis habe es primär den Interessen der Korporation und der Inhaber des Meisterrechts gedient: „Nutzen hatte es vorrangig als Teil einer Wiederverheiratungsstrategie: es erhielt und schützte die Werkstatt, bis die Witwe wieder heiratete und ihr Zunft- und Bürgerrecht auf den neuen 18 Ehemann übertrug.“

Zuletzt räumte Christine Werkstetter dem Fortführungsrecht wieder größere Bedeutung ein. In ihrer Untersuchung des Augsburger Zunfthandwerks stieß sie auf ein fast durchgängig auftauchendes unbefristetes Witwenrecht und zahlreich vorhandene Witwenbetriebe. Anderen Möglichkeiten der sozialen Sicherung wie der (Wieder-)Verheiratung oder der Werkstattübergabe weist sie eine beachtliche, aber keine übermäßig große Rolle zu.19 Zu einem deutlicher radikaleren Urteil gelangt schließlich die Cambridger Wirtschaftshistorikerin Sheilagh Ogilvie. Ihrer Meinung nach hätten die Zünfte die Handwerksfrauen ausgebeutet und ihrer Überlebensstrategien beraubt. Innerhalb des Witwenrechts hätten die Frauen ihr vom verstorbenen Ehemann erlangtes Meisterrecht wieder verloren, sobald sie sich neu verheiratet hätten, weshalb diese Form der Marktstabilisierung keine echte soziale Sicherung darstellen könne.20 Um zu den verschiedenen Ansichten Stellung nehmen zu können, werden nun die Befunde zu den ausgewählten obersächsischen Zunfthandwerken betrachtet.

6.2 PRIVILEGIERUNG DER (WIEDER-)VERHEIRATUNG An der Spitze eines Handwerksbetriebes sollte dem Idealbild der Zeit gemäß ein Handwerker-Ehepaar stehen. Diese Vorstellung kreuzte sich mit dem Interesse der Berufskorporationen, die hinterbliebenen Angehörigen, insbesondere die Meisterwitwen und Meistertöchter, durch eine (erneute) Verheiratung versorgt zu wissen. Diese Verheiratungen wurden vielfältig begünstigt, indem den Angehörigen einer Meisterfamilie diverse Vorteile eingeräumt wurden. Erst einmal muss jedoch der Bedeutung des sozialen Status „Meisterkind“ oder „Meisterwitwe“ nachgegangen werden.  17 Ebd., S. 231f. 18 ROPER, Lyndal: Das fromme Haus. Frauen und Moral in der Reformation. Frankfurt am Main, New York 1999, S. 50. 19 WERKSTETTER (Frauen im Augsburger Zunfthandwerk) 2001, S. 154, 179, 250f., 274 u. ö. 20 OGILVIE, Sheilagh: „Eine sauere Nahrung“. Frauen, Märkte und soziales Kapital im frühmodernen Deutschland. In: Jahrbuch für Regionalgeschichte 24/2006, S. 95f.

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6.2.1 Der Angehörigenstatus in den Meisterfamilien Um das angestrebte Ziel eines selbstständig geführten, eigenen Werkstattbetriebs zu erreichen, bildete der Schritt vom Gesellendasein zur Meisterschaft die entscheidende formelle Schwelle innerhalb des Zunftsystems.21 In den Artikeln der einzelnen Handwerke wurde dieser Übergang im Laufe der frühen Neuzeit zunehmend detaillierter geregelt. Tendenziell erhöhte sich die zu überwindende Beitrittsschwelle zur Meisterzunft. Die Anforderungen, die an einen Anwärter auf eine Meisterstelle gestellt wurden, differenzierten sich aus, indem u. a. unterschiedliche Maßstäbe an die Personen des Bewerberpools angelegt wurden. Häufigstes Unterscheidungskriterium war die Meisterschaft des Vaters. War bereits der Vater des Anwärters ein zünftiger Meister, konnte sich der Sohn berechtigte Hoffnungen auf einen erleichterten Zugang zum Meisterrecht machen, vor allem sofern dies am gleichen Ort wie bei dem Vater geschehen sollte. Dabei wurde nicht selten ein Ehelichkeitsnachweis des Sohnes explizit eingefordert. Spannungen traten auf, wenn die Geburt respektive die Zeugung des Sohnes vor dem Zeitpunkt der Meistersprechung des Vaters lagen. Bei diesen Konstellationen wurde der Status „Meistersohn“ angezweifelt.22 Frühzeitig versuchten einige Stadträte das Problem auf gesetzgeberischem Wege zu entschärfen, indem der Zeugungszeitpunkt bei der Feststellung des Status „Meisterkind“ keine Rolle spielen sollte. Dies war in Leipzig der Fall. Obwohl die dortigen Ober- und die ältesten Meister des Leineweberhandwerks dagegen waren, besagten mehrfache Beschlüsse und Abschiede des Magistrats am Ende des 16. Jahrhunderts, dass zwischen den Söhnen von Leinewebern, die vor dem Meisterspruch ihres Vaters gezeugt wurden und den Meistersöhnen, die während der Meisterschaft gezeugt  21 Nach den auf Österreich bezogenen Untersuchungen von Michael Mitterauer kam der direkten Werkstattvererbung vom Vater auf den Sohn eine weit geringere Bedeutung zu, als bisher angenommen. Vielmehr stellte für die meisten Handwerker eine unabhängige Meisterschaft das Ziel dar. MITTERAUER (Familienbetriebliche Struktur) 1979, S. 103, 109. Dagegen ergriffen die Söhne von Leipziger Handwerksmeistern deutlich häufiger den Beruf ihres Vaters, wenngleich sie oftmals nicht dessen Werkstatt übernahmen. Je nach Handwerk wurden zwischen 33 und 89 Prozent der Leipziger Meistersöhne wiederum Meister im väterlichen Gewerbe. Nach dem Chemnitzer Meisterbuch der Weber hatte bei fast einem Viertel aller Handwerksmeister bereits der Vater den betreffenden Beruf ausgeübt. BRÄUER (Handwerk im alten Chemnitz) 1992, S. 106. – KELLER (Gemeinschaft) 1990, S. 76. 22 Neben dem Status des Vaters als Handwerksmeister konnte die Tatsache, dass der Meister das Bürgerrecht der Stadt gewonnen hatte, angeführt werden, um eine Förderung bürgerlicher vor nicht bürgerlichen Meisteranwärtern durchzusetzen. Das Bürgerrecht wurde spätestens im Zuge der Meisterschaft erworben und war in vielen Statuten Bedingung für den Erwerb des Meisterrechts. Bei der Aufnahme von Landmeistern durch verschiedene Zünfte galt diese Bedingung nur noch für die städtischen Handwerksmeister. Mitunter spielte nicht das Bürgerrecht, sondern die Sesshaftigkeit des Anwärters oder seiner Familie eine entscheidende Rolle. Einheimische Gesellen oder Meistersöhne wurden in einigen Handwerksordnungen den Gesellen aus auswärtigen Orten vorgezogen. Die verschiedenen Faktoren konnten teilweise miteinander zu komplizierten Aufnahmebedingungen kombiniert werden, es handelte sich aber nicht um einen durchgängig vorhandenen, festen Katalog an Reglementierungen.

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wurden, kein Unterschied gemacht werden sollte. Dass Forderungen wie diese jedoch meist keine durchschlagenden oder nachhaltigen Konsequenzen hatten, bewiesen zahlreiche Konflikte, in denen immer wieder Frauen und Männer um ihre Anerkennung als Meisterkinder kämpfen mussten.23 Die Töchter von zünftigen Handwerksmeistern hatten keinerlei Aussicht, die Nachfolge ihres Vaters als Inhaberinnen des Meisterrechts anzutreten und sich ihr Einkommen durch eigenständige Gewerbeausübung innerhalb der Zunft zu verdienen. Die väterliche Werkstatt konnte für eine verwaiste Tochter nur erhalten bleiben, wenn sich ein geeigneter Heiratskandidat aus dem gleichen Handwerk fand. Doch die Suche nach einem potenziellen Ehemann verlief mitunter recht problematisch und verkomplizierte sich mit zunehmendem Alter der Frauen.24 Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte sich jedwede unterstützende Privilegierung durch die Zunft erübrigt. Besonders in Krisenzeiten zeigte sich in bestimmten Handwerken ein Gesellenmangel. Um den Status eines Meisterkindes zu erhalten, galten ähnlich wie bei den Meistersöhnen für die Meistertöchter verschiedene Anforderungen wie die eheliche und „rechtzeitige“ Geburt. Letztere Bedingung besagte, dass die Geburt bzw. Zeugung der Tochter erst nach der Verehelichung und nach dem Erwerb des Meisterrechts des Vaters stattgefunden haben durfte. Verstarb der Meister, ohne dass der erforderliche Geburtsstatus des Kindes erwiesen war, konnte dieser „Macul“ gravierende Folgen nach sich ziehen und das „Vaterrecht“, also die privilegierte Stellung als Meisterkind, verloren gehen.25 Auch für die Ehefrauen der Handwerker galt i. d. R. deren eheliche Geburt als Erfordernis für die Aufnahme in die Zunft. Daneben waren weitere Bedingungen wie die Beschaffung eines Beleges über die „ehrliche“ Abstammung zu erfüllen. Hinzu kam bei den Witwen und Töchtern die Forderung nach einer „ehrlichen“ Haltung, da an die Frauen ein strengerer Maßstab sexueller Ehrbarkeit angelegt wurde.26 Gesellen, welche die  23 StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 278b–279. Vgl. StadtAL, Zunftbuch IV, Bl. 43. 24 WUNDER (Er ist die Sonn’) 1992, S. 185–188. 25 Die Konflikte, die sich um den Status von angeblichen oder tatsächlichen Meisterkindern drehten, waren zahlreich. Hier nur einige exemplarische Belege: StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 2, Bl. 11. – StadtAL, Inn Färber B 1, Bl. 64b, 68. – StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 65b. 26 Zu geschlechtsspezifischen Aspekten der Ehrvorstellungen: BENKER, Gitta: „Ehre und Schande“. Voreheliche Sexualität auf dem Lande im ausgehenden 18. Jahrhundert. In: GEYER-KORDESCH, Johanna / KUHN, Annette (Hrsg.): Frauenkörper, Medizin, Sexualität. Auf dem Wege zu einer neuen Sexualmoral. Düsseldorf 1986, S. 11, 18. – BURGHARTZ, Susanna: Rechte Jungfrauen oder unverschämte Töchter? Zur weiblichen Ehre im 16. Jahrhundert. In: Journal für Geschichte 1991, S. 39–45. – Dies.: Geschlecht – Körper – Ehre. Überlegungen zur weiblichen Ehre in der Frühen Neuzeit am Beispiel der Basler Ehegerichtsprotokolle. In: SCHREINER, Klaus / SCHWERHOFF, Gerd (Hrsg.): Verletzte Ehre. Ehrkonflikte in Gesellschaften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Köln 1995, S. 214–234. – DINGES, Martin: Ehre und Geschlecht in der Frühen Neuzeit. In: BACKMANN, Sibylle / KÜNAST, Hans Jörg / ULLMANN, Sabine / TLUSTY, Beverly Ann (Hrsg.): Ehrkonzepte in der Frühen Neuzeit. Identitäten und Abgrenzungen. Berlin 1998, S. 123–147. – LESEMANN, Silke: Ehre der Frau – Ehre der Familie? Frauen im frühneuzeitlichen Hildesheimer Handwerk. In: SCHLUMBOHM, Jürgen (Hrsg.): Familie und Familienlosigkeit. Fallstudien aus Niedersachsen und Bremen vom 15. 

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Tochter oder Witwe eines (verstorbenen) Meisters heirateten und damit für deren Versorgung eintraten, erfuhren eine den Meistersöhnen vergleichbare Privilegierung. Entweder waren sie den Meistersöhnen gleichgestellt oder sie hoben sich zumindest in bestimmten Bedingungen des Zunfteintritts bzw. der Erlangung des Meisterrechts von den gemeinen Gesellen ab. Natürlich hatten auch diese zukünftigen Meister eine ganze Reihe an Vorbedingungen zu erfüllen, um in das Handwerk „einheiraten“ zu können.

6.2.2 Erleichterungen für Angehörige von Handwerksmeistern Die Familien der Handwerker waren darauf bedacht, den sozialen Status ihrer Kinder als Meistersöhne und Meistertöchter bzw. ihrer Ehefrauen als Meisterfrauen zu sichern. Statuskonflikte konnten eventuell umgangen werden, wenn „vorzeitig“ geborene Kinder beim Eintritt des Vaters in die Meisterzunft mit eingekauft wurden. In einer Abschrift ihrer Artikel forderten die Zwickauer Tuchmacher, dass sich ein Meister, der sein Meisterrecht nicht in dieser Stadt ausgeübt habe, nicht nur mit 25 Gulden „Haacken Geld“ an den Stadtrat und 50 Gulden an die Handwerkskasse in die Zunft einkaufen sollte, sondern er zudem „vor die Kinder, so er mit bringet und ehelich gebohren, vor jedes Zehen Gülden ins Handwerck zu geben schuldig seyn“ würde.27 In einem solchen Fall stellten der Zunfteintritt des Meisters und die Entgegennahme der entsprechenden Gebühr für die Kinder durch die Zunft Aspekte der Anerkennung des Status „Meisterkinder“ dar. Bei den Schneidern wurden vielfach vor und nach dem Tod des Meisters Kinder ins Handwerk eingekauft, wobei die „Kaufsumme“ variierte. Gleiches galt für Ehefrauen, wenn die Heirat zeitlich vor der Meisterschaft des Ehemannes gelegen hatte. Das Einkaufen nach dem Tod des Meisters war jedoch eine unsichere Variante, da die Zunft nicht immer verhandlungsbereit auftrat.28 Das Prädikat und die mit ihm verbundenen Vorteile als ehrbares Meisterkind oder als ehrbare Meisterfrau bzw. Meisterwitwe mussten nicht nur einmalig gewonnen, sondern permanent bestätigt werden. Zünftige Regelungen schrieben den Handwerkern und ihren Familien ein angemessenes Verhalten vor. Nach dem Tod des Meisters mussten seine Witwe und die Kinder, wenn sie weiterhin Mitglieder  bis 20. Jahrhundert. Hannover 1993, S. 34f. – SIMON-MUSCHEID, Katharina: Frauenarbeit und Männerehre. Der Geschlechterdiskurs im Handwerk. In: Dies. (Hrsg.): „Was nützt die Schusterin dem Schmied?“ Frauen und Handwerk vor der Industrialisierung (= Studien zur Historischen Sozialwissenschaft, Bd. 22). Frankfurt am Main, New York 1998, S. 13–33. 27 StadtAZ, X, 49, 147, Bl. 12. In ihrer Ordnung von 1536 hatten die Zwickauer Tuchmacher noch festgelegt, dass von solchen auswärtigen Meistern mitgebrachte Kinder nicht als Meisterkinder gelten können, es sei denn, sie würden das Handwerk nach gültiger Handwerksgewohnheit lernen. StadtAZ, X, 49, 122, Bl. 30b. 28 StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 67b, 112. – StadtAL, Inn Schneider B 11, Bl. 3, 128b. – StadtAL, Tit. LXIV (F) 262, Bl. 1–11, bes. Bl. 6b. Die Chemnitzer Leineweber untersagten ein nachträgliches Einkaufen von Meisterkindern. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 319f.

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der Zunft bleiben wollten, diesem Anspruch mit Erfüllung von Pflichten „wie ein ander meistere“ entsprechen.29 Der Verhaltenskatalog konnte pünktliches Erscheinen bei Zunftversammlungen, die Zahlung von Mitgliedsbeiträgen, eine ehrbare Aufführung, die Leichenfolge und viele andere Forderungen beinhalten. Bei den Leipziger Schuhmachern mussten beispielsweise Sondergebühren zur Erhaltung des Handwerks durch die Witwe bezahlt werden: „Nach absterben ihres mannes soll eine iede wittibe dem handwerck in jahr und tagk 20 groschen kindergeldt, wenn sie das handwerck treibet, geben, auch jährlichen zu rechter zeit 30 ihren banckzinß 12 g, so lange sie das handwerck sein und deßen geniessen will, erlegen“.

Meistersöhne, Einheiratende, einheimische Burschen und Gesellen von Vätern mit Bürgerstatus strebten nach dem Erhalt ihres jeweiligen sozialen Status, um auf schnellerem, leichterem, günstigerem Wege zur Meisterschaft zu gelangen. Auf welche Privilegierungen konnten sie seitens der Zunft hoffen? Die Anforderungen an einen werdenden Meister differierten stark in den verschiedenen Handwerken und veränderten sich im Laufe des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit. Theoretisch konnten alle Anforderungen, die an einen Meisteranwärter gestellt wurden, abgemildert werden, wenn der Geselle die entsprechenden „Qualifikationen“ aufwies. Oftmals hieß das konkret, dass die Bedingungen zur Meisterschaft spürbar abgesenkt wurden, wenn sich der Geselle bereit erklärte, eine hinterlassene Meistertochter oder -witwe zur Ehe zu führen. Die privilegierten Meistersöhne hatten sich zwar für ihren Meisterspruch ebenfalls der allgemeinen Heiratsnorm zu unterwerfen, mussten jedoch keine Meistertochter oder -witwe zur Frau nehmen, um die Vergünstigungen zu erhalten. Bei der Heirat eines Meisterkindes oder einer Meisterwitwe konnten Gebühren und Abgaben jeglicher Art vermindert werden oder ganz entfallen. Diese verringerten monetären Belastungen stellten konkrete Heiratsbeihilfen dar. So erließen zahlreiche Handwerke demjenigen Gesellen, welcher eine Meistertochter heiratete, beachtliche Geldsummen und verglichen diese Praxis mit der vergünstigten Vergabe des Bürgerrechts an Bürgerkinder.31 Da es anscheinend aber zu Missbräuchen kam, sicherten sich die Handwerke durch eine Art Nachzahlungspflicht im Änderungsfall ab. So musste ein einheiratender Schneidergeselle in Leipzig folgende Erklärung unterzeichnen: „Demnach ich endes unterschriebener mich entschloßen, des verstorbenen Obermeisters Stützens hinterlaßne Tochter zu ehlichen und auff solchen Fall mir eine Erleichterung wegen deren von Fremden zuer leichen casse zuerlegen habenden 36 r angedeyhen müße. Alß verspreche ich hiermit, daferne meine Heyrath mit erwehnter [...] Stützin binnen dato und einem Jahre nicht zu Stande kommen solte, sothane 36 r in E[ines] löbl[ichen] Handwercks der Schnei-

 29 StadtAD, 11.1.66, Nr. 76, [unpag.]. 30 StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 356b. Der „banckzinß“ wurde für die Schuhverkaufsbank auf dem Schuhhaus fällig. Bei den Chemnitzer Webern mussten Meister, Witwen und (verwaiste) Meisterkinder das Quatembergeld bezahlen. StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 175. 31 StadtAL, II. Sektion S (F) 1971, Vol. I, Bl. 19. Auch das Bürgerrecht konnte günstiger an einen Gesellen gehen, wenn er eine „arme“ Bürgerstochter heiratete. MUMMENHOFF (Deutsche Vergangenheit) 1924, S. 101.

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6. Hinterbliebenenversorgung durch Handwerkszünfte und Gesellenschaften der Innung alhier sofort nach ablauff eines Jahres baar in deren leichen Casse ohne eintzige Ausflucht zuerlegen, welches zu thun ich mich auch auff den Fall verbindlich mache, wenn denen Meisters Kindern und Witben kein Erlaß angedeyhen, sondern von der Obrigkeit resol32 viret werden solte, denen fremden gleich 36 r zuerlegen.“

Diese Heiratsbeihilfe wurde in den innungseigenen „Articul der LeichenCommun“ 1775 auf 15 Taler festgeschrieben und bis weit in das 19. Jahrhundert ausbezahlt, zugleich aber als Disziplinierungsinstrument eingesetzt. Dem Schneidermeister Johann Caspar Haack wurde so die Unterstützung vorenthalten, da seine Ehefrau zu zeitig niederkam.33 Auffallend setzte die Zahlung von vielen Heiratsbeihilfen und Heiratsgeldern erst nach dem Siebenjährigen Krieg ein. Ein Grund könnte in der obrigkeitlich forcierten Gleichberechtigung innerhalb der Gesellenschaft liegen. Auch nach den Generalinnungsartikeln sollte es zukünftig keine Unterschiede mehr zwischen Meistersöhnen, einheiratenden und fremden Gesellen geben. Vor allem Anfang des 19. Jahrhunderts war der landesherrliche Einfluss auf die Handwerksinnungen so weit angewachsen, dass sich diese dem Normierungsdruck auf andere Weise zu entledigen suchten. Zwar entfielen in neueren Handwerksstatuten („Spezialinnungsartikeln“) einige ältere Gebührenerleichterungen oder Vorrechte für die Meisterkinder, doch bildeten die erwähnten Heiratsbeihilfen einen unmittelbaren Ausgleich, der noch dazu obrigkeitliche Zustimmung erfuhr.34 Auch die nachzuweisenden Wander-, Mut- und Arbeitsjahre konnten für die Handwerksgesellen verkürzt oder mit barem Geld bzw. vollen Bierfässern bezahlt werden. Die Zahl oder der Schwierigkeitsgrad der zu erstellenden Meisterstücke konnte gesenkt werden. Wartezeiten wurden verkürzt, Restriktionen gemildert, Pflichten, die dem jüngsten Meister oder den jüngsten Meistern auferlegt waren, wurden den Privilegierten womöglich erlassen. Hierunter konnte der Kerzendienst, das Aufwarten bei Zunftversammlungen, die Gesellenumschau, städtischmilitärische Aufgaben im „Schießgraben“ oder das Leichentragen verstorbener Zunftmitglieder fallen. Meister- und Bürgersöhne konnten vom sozialen Kapital ihrer Familien vor Ort profitieren, fremden Gesellen bot sich diese Chance nicht. Doch konnten sie ihren Nachteil durch eine Einheirat teilweise wettmachen, denn eine Einheirat brachte mitunter neben handfesten materiellen Vorteilen eine Steigerung der Reputation und des sozialen Ansehens innerhalb der Zunftgemeinschaft ein. Durch die mannigfaltigsten Regelungen half die Zunft den Meistersöhnen als auch den Gesellen, welche Meistertöchter und -witwen zur Frau nahmen, auf dem  32 StadtAL, Inn Schneider B 1, Bl. 48. 33 StadtAL, Inn Schneider A 6, Bl. 8. – StadtAL, Tit. LXIV (F) 322, Bl. 6b–8, 85, 88b–89b. 34 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 395, Bl. 15, 34, 51 u. ö. – StadtAC, RA, Kap. IX. Za 90, Bl. 15. – StadtAL, II. Sektion S (F) 1971, Vol. II, Bl. 45b. – StadtAL, Inn Schneider C 14, Bl. 47– 47b. – StadtAL, Inn Schuhmacher D 1, S. 19. Ein rechtlicher Anspruch auf eine Heiratsbeisteuer bestünde nach Ansicht der Innungen nicht. Es „sey blos ein Geschenk von der Innung“. StadtAL, Tit. LXIV (F) 322, Bl. 8. Zur Diskussion um die neuerliche Einführung eines Vorzuges für die Meisterkinder siehe: StadtAL, II. Sektion S (F) 1971, Vol. I, bes. Bl. 29–29b.

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Weg zur Meisterschaft. Besonders großzügig zeigten sich die Leipziger Schneider gegenüber nachlässigen Gesellen, die eine Meisterwitwe ehelichen wollten. Die Meister ließen die Gesellen zur Meisterschaft kommen, obwohl die Anwärter für ihre bevorstehende Meisterschaft die nötige Ansage bei der Morgensprache und die Einschreibung ihrer Namen ins Handwerksbuch versäumt hatten, „damit die Armen Wittweiber disfals ahn Ihrer Nahrung vnnd Wolfarth nicht gehindert werdenn“.35 Das Motiv der standesgemäßen Versorgung von Meisterwitwen und Meistertöchtern wurde offen angesprochen.

6.2.3 Auseinandersetzungen und Interessenkonflikte Witwen, Waisen oder deren künftige Ehepartner wandten sich in zahllosen Fällen als Bittsteller an die Handwerksorganisationen und die städtischen und landesherrlichen Obrigkeiten, um sich um Erleichterungen auf dem Wege zur Meisterschaft zu bemühen. Die Statuten dienten den Innungen als Richtlinie, welcher mehr oder weniger stringent gefolgt wurde. Sollten darüber hinaus Rechte erworben werden, lag es am guten Willen der Zunftältesten und der Meisterschaft, ob der Bitte entsprochen wurde. Die ältere Handwerksgeschichtsschreibung ist voll von Negativbeispielen, in denen die Innungen in egoistischer Weise auf ihre konfirmierten Rechte pochten. Und tatsächlich finden sich in den Archivbeständen viele Belege dafür, dass sich Frauen und Männer an die Magistrate, die Ämter oder die Landesregierung wenden mussten, um Rechte einzufordern, Bitten zu äußern oder Missstände anzuprangern, weil die Zünfte ablehnend oder unverhältnismäßig reagiert hatten. Stellvertretend für viele seien nur zwei Beispiele angeführt. Zu Michaelis 1783 wurden die Meisterstücke der Leinewebergesellen Christian Benjamin Forckel und Johann Benjamin Felber vom Chemnitzer Handwerk wegen zahlreicher Fehler gänzlich verworfen. Die Zunft beharrte auf ihren Statuten und der Neufertigung der Meisterstücke. Nachdem die beiden Gesellen aber beim Rat der Stadt vorgesprochen hatten und dieser bei der Zunft intervenierte, die Gesellen doch zu Meistern anzunehmen, willigte dieselbe mit der Begründung, da sie „Vaterlose-Waysen“ wären, ein.36 Vermutlich war den beiden Webergesellen unter anderem zum Verhängnis geworden, dass sie weder ins Handwerk einheiraten wollten, noch ein „Vaterrecht“ besaßen, sodass für die Zunft keine soziale Notwendigkeit bestand, ihnen den Zugang zu erleichtern. Durch fremde „Vaterlose-Waysen“ fühlte sich „das soziale Gewissen“ der Zunftmeister hier augenscheinlich nicht sonderlich angesprochen.

 35 StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 310b. Die Zwickauer Tuchmacher genehmigten bereits seit der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts Meistertöchtern und -söhnen direkt ausgezahlte Heiratsbeihilfen. StadtAZ, X, 49, 120. 36 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 345–345c.

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Im Leipziger Ratsbuch von 1539 erschien der Stadtrat ebenfalls als Fürsprecher von Witwen und Waisen, der sich gegen eine Handwerksorganisation und deren statutarisch verbrieftes Recht durchsetzte: „Merten Griesman, schuster, der sein handtwergk nicht an den ortten, do ein zunfft ist, gelernet hatt, vnd derhalben nicht zum handtwerge der schuster aus den freyheiten, so dem handtwerg alhier gegeben, zuzulassen gewest, Ist aus vorbit des Raths vnnd aus kainer gerechtigkait vom schuster handtwerge nachgelassen, dieweile er aine withwe mit vihel cleinen kindern geelicht, das er das handtwergk treiben magk, vnd sol solche den schustern an yhren gegebenen privilegien vnd freiheiten vnschedtlich vnd vnabbruchlich sein vnnd dem schuster handwergkh khainne einfuhrunge machen, das sie yrgents eynen mehr der gestalt eynnehmen 37 sollen.“

Der Einsatz des Magistrats erfolgte mit Blick auf die kommunale Almosenkasse und freilich nicht oder zumindest nicht allein aus altruistischen Gründen der Barmherzigkeit. Die Herren des Rates beruhigten die Zunft, indem zugesichert wurde, dass sich niemand in Zukunft auf diese Vereinbarung berufen dürfe. Begründet wurde der Einsatz der Stadträte 1539 wie 1783 jeweils mit sozialfürsorglichen Motiven, doch dürften im Hintergrund vor allem finanzielle Überlegungen eine Rolle gespielt haben, während die Handwerksorganisationen auf ihre Statuten pochten. Entgegen dem Eindruck, den diese Beispiele hinterlassen könnten, wechselten die Interessenkonstellationen aber durchaus. So setzten sich die Zünfte in anderen Fällen für die sozialen Bedürfnisse der Angehörigen ihrer Mitglieder ein, hatten aber nicht immer die Autonomie, ihre eigenen statutarischen Bestimmungen auszulegen, wie sie es wünschten. In demselben Handwerk, welches die Gesellen Forckel und Felber nur widerwillig aufgenommen hatte, bestand im 17. und 18. Jahrhundert die Chance, bestimmte Leistungen wie die Wanderzeit oder das Arbeitsjahr vor der Meisterschaft gegen klingende Münze abzugelten. Darüber ausbrechende Streitigkeiten hatte die Zunftversammlung schließlich zum Anlass genommen, eine einheitliche Regelung zu verabschieden, die die Ablösung der Leistungen gegen Geld abschaffte. In einem Schreiben ersuchte die Leineweberzunft den Chemnitzer Rat 1737 jedoch, die ihrer Meinung nach zu strengen Regelungen wieder aufweichen zu dürfen. Für Gesellen, die eine Meistertochter oder Meisterwitwe heiraten wollten, sollten Sonderregelungen gelten. Die Innung begründete ihr Anliegen mit der Versorgungsnotlage der hinterbliebenen Meisterfamilien: „Obzwar wohl vor einigen Jahren von unsern Handwerck gesuchet auch geschloßen worden, daß die Lehr-, Wander-, Muth- und Arbeits-Jahre nicht bezahlet, sondern ordentlich praestiret werden sollen, so haben wir doch zeithero wahrnehmen müßen, daß solches so schlechter dings sich nicht will thun laßen, maßen solche Umstände hierbey vorgefallen, daß besonders wegen Meisters Wittwen und Töchter eine andere Einrichtung getroffen werden muß; Denn da bey ietzigen ohne diß Nahrungslosen Zeiten die Versorgung theils Wittwen, theils Kinder den Handwerck zur Last gereichen will, und zu unterschiedenen mahlen sich Gelegenheit ereignet, daß, wenn das Arbeits-Jahr in Geld verwandelt werden dürfe, manche Wittwe zu Ver-

 37 StadtAL, Rb 7 (1537–1542), Bl. 152.

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sorgung ihrer Kinder ehender Occasion zu heyrathen gefunden haben würde, auch insonderheit anietzo mit der Klöcknerischen Wittwe, welche zwey Kinder hat, sich zuträgt, daß ein lediger Handwercks Geselle Selbige heyrathen und also die Versorgung der Wittwe und Kin38 der übernehmen will, wenn er nur sein Arbeits-Jahr zubezahlen erhalten kan“,

so baten die Meister um Auslösung des Arbeitsjahres für einheiratende Gesellen gegen eine Gebühr, um damit die Witwen- und Waisenversorgung durch die mutenden Gesellen abzusichern. Die soziale Sicherung fiele sonst der Zunft zur Last, welche die aktuellen sozialen und ökonomischen Probleme kaum noch bewältigen könne. Die Antwort des städtischen Rates lautete ablehnend, dass „die Arbeits-Jahre derer Gesellen nach derer Zeug- und Leinenweber allerg[nädigst] confirmirten Innungs-Articuln §. 5 allerdings erforderlich [und] man wieder derer Innhallt keine exvention erlauben könne, dem Handwerck aber disfalls allerunterth[änigst] Supplicando einzukommen freystehen, auch allenfalls ihnen mit allerunterth[änigstem] Bericht nicht entstan39 den werden solle“.

Die Innungen waren keine monolithischen, autonom handelnden Blöcke mit einheitlichem Wesen, die stets unnachgiebig auf der Einhaltung der Statuten beharrten. Vielmehr bestimmten jeweils die konkreten Umstände, wie sich Handwerkszunft oder besser gesagt die Mehrheit der Meister oder die Zunftvorstände verhielten. Die Lehre bei einem zünftigen Meister bildete eine der wichtigsten Grundlagen des Zunftwesens. Mit diesem Element suchten sich die Innungen scharf gegen Nichtzünftige abzugrenzen. Während damit wie im Falle des Gesellen Griesman die unzünftige Lehre in den Augen der Meister ein starkes Kriterium für den Ausschluss des Gesellen vom Meisterrecht war, bildeten Arbeitsjahre eine Bedingung, welche in den Zünften durchaus verhandelbar war, insbesondere wenn es um die Versorgung der handwerksverwandten Witwen und Waisen ging. Eine adäquate Ersatzleistung für die zünftige Lehre existierte dagegen nicht. Mit größer werdendem Einfluss der landesherrlichen Gesetzgebung wurde angestrebt, die strukturellen Privilegierungen der Meisterkinder und einheiratenden Gesellen gegenüber anderen Bewerbern um eine Meisterstelle einzuebnen. Nachdem im Zuge des Aufstandes der Augsburger Schuhknechte ein kaiserliches Reichspatent 1731 erlassen wurde, welches die Aufhebung dieser Unterschiede forderte,40 aber nicht durchsetzen konnte, sollten nach einem Entwurf landesweiter Generalinnungsartikel die fremden Gesellen den anderen gleichgestellt wer 38 StadtAC, RA, Kap. IX. Za 45, Bl. 126–126b. 39 Ebd., Bl. 127b. 40 Allgemeine zu Abstellung Der Handwercker-Mißbräuchen ergangen- und von Sr. Kayserl. Majest. Ratificirte Reichs-Verordnung (Wien, 16.08.1731), XIII, 6 und 7. Die Reichsverordnung vom 16. August 1731 wurde in der Folgezeit als Reichpatent bezeichnet und ist auch enthalten in: Mandat, zu Publicirung des Keyserlichen Patents, Wegen Abstellung derer, bey denen Handwerckern Eingeschlichenen Mißbräuche, Und Desselben genauer Beobachtung In Dero Chur-Fürstenthumb und Landen (Dreßden 19.10.1731). In: BENNIGSEN, Rudolph Christian von (Hrsg.): Fortgesetzter Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici [...] bis zum Jahre 1772 [...] Erste Abtheilung. Leipzig 1772, Sp. 577–592.

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den. Einzelne Zünfte erhoben Einwände und protestierten offiziell. Die Dresdner Schuhmacherinnung äußerte sich zu dem Entwurf, dass nach ihren Handwerksstatuten niemandem „mehr abgefordert [werden dürfe], als was darinne enthalten ist, außer was Meisters Söhne, Töchter und Meisters wittben sind. [Diese] haben nach den 10te u[nd] 11te Special Articul eine Ausnahme. Dadurch wird manche Tochter und Meisters Wittbe mit ihren unerzogenen Kinder versorgt, wenn dieses nicht geschehe, [es] sehr schlecht um wittben und Kinder aus41 sehen würde“.

Die Meister befürchteten mit der Angleichung eine Schlechterstellung ihrer Hinterbliebenen, die unversorgt bleiben müssten. Die Erleichterungen des Meisterrechts für Witwen, Töchter und Söhne wurden von den Handwerkern als gute, wenn nicht sogar beste Möglichkeiten der sozialen Sicherung angesehen, sodass mit dem Versorgungsaspekt argumentierte wurde. Dennoch erfolgte 1780 die Publikation der Nivellierungen. Neben der Aufhebung sämtlicher Mutzeiten sollte ein jeder Meisteranwärter „ohne Unterschied, er sey ein Meisters-Sohn oder ein Fremder“, in gleicher Weise zu den Meisterstücken zugelassen werden. Auch die abgeforderten Gebühren sollten sich nicht mehr voneinander abheben und Unverheiratete seien ohne Widerstand zum Meisterrecht gelangen zu lassen.42 Die vollständige Umsetzung der Verordnung, welche die von den Zünften angestrebte Privilegierung der Hinterbliebenen und die (Wieder-)Verheiratungsstrategie konterkarierte, ließ allerdings noch einige Zeit auf sich warten.43

6.3 FORTFÜHRUNGSRECHT In den untersuchten Zünften wurde den Meisterwitwen meist statutarisch die Weiterführung der Werkstatt ihres verschiedenen Ehemannes gestattet (Tabelle 13).44  41 StadtAD, 11.2.56, Schuhmacher-Dep. Nr. 16, [unpag.] (Äußerungen der Ältesten zum Entwurf der Artikel ca. 1767). In diesem Zitat wurden stillschweigend einige Abkürzungen aufgelöst. 42 Mandat die General-Innungs-Articul für Künstler, Professionisten und Handwercker hiesiger Lande betreffend (Dresden, 08.01.1780), Kap. III § 5, 6, 10 u. ö. Eine Einschränkung der Gleichstellung der Gesellen erfolgte nur bezüglich der Pflichtabgaben „zum Amte, Rathe und Kirche“. Befehl, die Erläuterung der General-Innungs-Artikel vom 8. Januar, 1780 Kap. III § 10 betr. vom 14. Januar, 1783. In: FLECK, Ferdinand Gotthelf / KOHLSCHÜTTER, Karl Christian (Hrsg.): Zweyte Fortsetzung des Codicis Augustei oder anderweit vermehrtes Corpus Juris Saxonici [...] bis zum Jahre 1800 [...] Erste Abtheilung. Leipzig 1805, Sp. 827f. 43 Einen abgesenkten Beitrag beim Eintritt in die Innungsleichenkasse genossen noch am Ende des 18. Jahrhunderts z. B. die Meistersöhne und die einheiratenden Gesellen bei den Leipziger Schuhmachern. StadtAL, Inn Schuhmacher B 2, Bd. 4, Rechnungen 1795/96, Bl. 3b. 44 Dagegen durften Meisterfrauen, die von ihren Ehemännern geschieden wurden oder in Trennung lebten, keine eigenständige Werkstatt führen. Einer Meisterfrau war dies von einer Leipziger Zunft untersagt worden. Der Stadtrat schloss sich dem Standpunkt der Zunft an, sodass der in Trennung lebenden Frau zumindest „biß zue Außtrag der ehesache“ das Handwerk gelegt wurde. StadtAL, Rb 65 (1613–1614), Bl. 351b. Zu den verschiedenen Grundformen 

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Regelungen zum Fortführungsrecht von Meisterkindern waren deutlich seltener. Die Fragen nach der Urheberschaft des Fortführungsrechts und nach deren Einfluss auf die konkrete Ausgestaltung des Fortführungsrechts sind in der Handwerksforschung umstritten.45 Sie sollen an dieser Stelle nicht vertieft werden, da Quellen zu ihrer Beantwortung kaum vorhanden sind und somit die Antworten meist auf Spekulationen beruhen. Vielmehr werden die konkreten Gestaltungsformen, ihre praktische Anwendung und Wirkung betrachtet. Mit einfachen Worten und ohne weitere Einschränkungen hieß es in einer der ältesten Chemnitzer Handwerksordnungen: „Eyne witwee magk eß [d. h. das Handwerk] wol treiben noch yres mannes tode unde eynes meisters son noch synem vorstorben vater.“46 Das Recht der Fortführung galt für die hinterlassenen Eheweiber und hier zusätzlich für die Meistersöhne ohne genauere Reglementierungen. Die Leineweber in Leipzig und Dresden bestimmten: „Bliebe aber die [verwitwete] fraue ahne man, so hat sie jre handtwerck, also ir mahn hatte“ bzw. „wer es auch sache, das ein meister todißhalben abginge, so mag sein frawe das hantwerg mit gesellin tribenn, hat sie es ander zcuuorlegen“,47 das hieß, sie hatte im Fall der Weiterführung das Recht darauf „zcuuorlegen“, also beispielsweise regelmäßige Gebühren wie ein Meister zu entrichten.

6.3.1 Fehlende statutarische Aussagen Während in den frühesten Zunftordnungen der untersuchten Textil- und Bekleidungshandwerke nicht durchgängig Aussagen zum Fortführungsrecht getroffen wurden,48 äußerten sich die frühneuzeitlichen Statuten fast durchgehend und erlaubten der Witwe den weiteren Werkstattbetrieb. Selbst bei fehlenden normativen Vorgaben kann in vielen Handwerken durch andere Regelungen (z. B. das Recht zur Führung von Hilfskräften) auf diese Option geschlossen werden. Dabei war der Werkstattbetrieb durch die Witwe oft an zusätzliche Bedingungen geknüpft. 

45

46 47 48

des Fortführungs- und Witwenrechts in anderen Territorien siehe: KREBS, Peter-Per: Die Stellung der Handwerkerswitwe in der Zunft vom Spätmittelalter bis zum 18. Jahrhundert. Diss. Regensburg 1974, bes. S. 32–38. – SCHUSTER (Stellung der Frau) 1927, S. 29–35. Krebs geht davon aus, dass in erster Linie nicht die verschiedenen obrigkeitlichen Akteure für die Ausgestaltung des Fortführungsrechts verantwortlich waren. Dagegen erkennt Schmelzeisen in den einzelnen Handwerken die entscheidenden Weichensteller. KREBS (Handwerkerswitwe) 1974, S. 65, 78, 140 u. ö. – SCHMELZEISEN (Rechtsstellung) 1935, S. 54f. ERMISCH (Urkundenbuch) 1879, S. 169. StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 39. – POSERN-KLETT (Urkundenbuch Dresden) 1875, S. 262. Vgl. StadtAL, Inn Leineweber A 1. – StadtAL, Inn Leineweber A 2. ZÖLLNER (Zunftverfassung) 1915, S. 74. Es fehlt beispielsweise in den ältesten Dresdner Schneiderstatuten jeglicher Hinweis auf ein Fortführungsrecht. KÜBLER / OBERSTE (Stadtbücher) 2007, S. 290f., 584f. – POSERN-KLETT (Urkundenbuch Dresden) 1875, S. 275–278.

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Die Statuten der Zwickauer und Chemnitzer Weber sagten nichts von einem generellen Fortführungsrecht für die Hinterbliebenen. Zwar wurden Meistersöhne und Gesellen, welche eine Meistertochter oder Meisterwitwe heirateten, mit einer kürzeren obligatorischen Wander- und Mutzeit belohnt, dies musste jedoch nicht auf ein Fortführungsrecht der alten Meisterwerkstatt durch die Hinterbliebenen während der Zeit bis zum Erreichen der Meisterschaft hinauslaufen. Aber durch einen anderen Quellenhinweis wurde eine Berechtigung der Witwe zur Werkstattführung ersichtlich. Eine wiederverheiratete Witwe musste bis zur Meisterschaft ihres neuen Gemahls das Handwerk ruhen lassen. Danach erscheint es logisch, dass die Witwe nach dem Tod ihres vorherigen Mannes das Handwerk während des Trauerjahres49 betreiben durfte. Erst mit der Heirat des Gesellen hatte sie ihre Handwerkstätigkeit einzustellen, bis der neue Ehemann ebenfalls den Meisterstatus erlangt hatte. Außerdem unterschieden die Weber bezüglich der Leichenfolgepflicht zwischen Witwen, die das Handwerk trieben und Witwen, die es nicht trieben.50 Für die Schwarzfärber, die ihr Handwerk später das der Schwarz- und Beifärber bzw. Schwarz- und Schönfärber nannten, sind für die Zeit bis in das zweite Drittel des 18. Jahrhunderts größtenteils Landesordnungen erhalten, in denen nicht auf ein Fortführungsrecht eingegangen wurde. Dies ist nicht verwunderlich, da vorrangig sehr allgemeingültige Standards für die drei kursächsischen Kreisladen vereinbart wurden. Selbst eine frühere Handwerksordnung schweigt zu diesem Aspekt.51 Anhand von Quartalsbüchern und Versammlungsprotokollen ist allerdings erkennbar, dass die Färberwitwen schon vor dem 18. Jahrhundert das Handwerk ausübten, indem nachgewiesen werden kann, wie sie beispielsweise das Quartalsgeld weiterhin bezahlten oder über die Beherbergung von zahlreichen Wandergesellen klagten. Auch eine Kreisladenordnung geht auf das Fortführungsrecht der Meisterwitwen ein.52

6.3.2 Ausheben und Beschäftigen von Gesellen Waren die ersten Innungsordnungen noch recht knapp gehalten, nahm die Regelungsdichte der geltenden Bedingungen zum Fortführungsrecht in den späteren Handwerksartikeln zu. Die Haltung von Gesellen wurde der Witwe gestattet, teilweise wurde ihr ein solcher „tüchtiger“ Geselle sogar vorgeschrieben. Eigene (erwachsene) Söhne ersparten eine zwangsweise Annahme eines Gesellen. Hatte eine Witwe ohne geeignete Söhne keinen eigenen Gesellen, wurde ihr das „Aus 49 ZEDLER (Universal-Lexicon) 1745, Bd. 45, Stichwort: Trauer-Jahr, Sp. 114–138, bes. Sp. 115. Vgl. MÖLLER (Kleinbürgerliche Familie) 1969, S. 192. 50 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 362, Bl. 80b. – StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 26. – StadtAZ, X, 1, 17, Bl. 40–40b. 51 StadtAD, RA, C. XXIV. 274b, Bl. 173–176b, 253–255. – StadtAL, Inn Färber A 1. – StadtAL, Inn Färber A 2. – StadtAL, Inn Färber A 4. – StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 386–389b. 52 StadtAD, 11.2.16, Nr. 8, Bl. 6. – StadtAL, Inn Färber B 3, Bl. 34, 110b.

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heben“ eines solchen aus einer anderen Meisterwerkstatt der Stadt wie bei den Zwickauer Bortenwirkern gestattet: „So ein meister mit tode abgienge und die Witfrau keinen gesellen hette, der ihr die Werckstatt vorrichten könte, So sollen ihr die meister auf ihr Begehren aus einer Werckstatt, wo sie 53 will, einen zulaßen, der ihr die Werckstatt versorgen möchte.“

Bei den Strumpfwirkern in Zwickau und Chemnitz musste sich die Witwe nicht mit dem erstbesten Gesellen zufriedengeben. Sie durfte sogar bis zu drei Gesellen, allerdings aus verschiedenen Werkstätten, nacheinander ausheben lassen, „wo ferne ihr der erste oder der andere nicht einschlägt“. Wenigstens acht Tage vor der Abberufung des Gesellen musste das Ausheben dem abgebenden Handwerksmeister im Voraus mitgeteilt werden.54 Die Witwen wurden bei der Beschäftigung von genehmigten Gesellen unterstützt, indem den Gesellen durch die Zunft untersagt war, die Arbeit in der Witwenwerkstatt abzulehnen. Die Dresdner und Leipziger Schneidergesellen mussten mindestens ein Vierteljahr bei einer Witwe bleiben, wenn sie ausgewählt worden waren, sonst drohte den Burschen ein halbjährliches Arbeitsverbot. Die Obrigkeit sollte die sich eventuell widersetzenden Gesellen zur Kooperation anhalten. In Leipzig kam der Rat dieser Pflicht nach, indem er einen solchen Gesellen mit dem gewaltsamen Auszug aus der Stadt einschüchterte.55 Die Dresdner Schuhknechte durften die Arbeit bei einer Meisterwitwe nicht ohne erhebliche Ursache aufkündigen, sonst mussten sie mit einem vierteljährlichen und ab 1662 mit einem einjährigen Arbeitsverbot der anderen Dresdner Innungsmitglieder rechnen.56 Die Vorschrift, eine Werkstatt mit einem Gesellen fortführen zu dürfen, kann einerseits als Privileg der Witwe gewertet werden. Sie durfte unter Durchbrechung der sonst üblichen Kündigungsfristen sowie des Verbots, sich gegenseitig Gesinde abzuspannen, einen Gesellen für ihre Werkstatt einfordern, der sie bei der  53 StadtAZ, X, 1, 15, Bl. 57. Vgl. StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 83. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 1, Bl. 121. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 4, Bl. 71. 54 StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 1, Bl. 29, 100–100b. – StadtAZ, X, 46, 17, [unpag.]. Die Dresdner Schneiderwitwen durften bis zu zwei Gesellen bei anderen Meistern ausheben, die Leipziger Tuchbereiter und Schneider drei. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 312b. – StadtAL, Inn Tuchbereiter A 1, Bl. 7. – StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 150. – StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 18. 55 StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 312b, 352b. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 4, Bl. 397. Im Jahr 1614 belief sich das Arbeitsverbot in Leipzig auf ein Vierteljahr. Während dieser Zeit durfte kein Schneidermeister einen solch widerspenstigen Gesellen bei einer Geldstrafe von zwölf Groschen beschäftigen. 1648 wurde das Arbeitsverbot auf ein halbes Jahr ausgedehnt und die Geldstrafe auf einen Taler verdoppelt. StadtAL, Inn Schneider C 1, Bl. 7b. – StadtAL, Inn Schneider C 2, Bl. 36, 39b. – StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 150. Die Belege zeigen, dass unter den Gesellen die Arbeit in den Witwenwerkstätten nicht erst im Laufe des 18. Jahrhunderts unbeliebt war. Ingendahl machte die Akzeptanz der Witwenbetriebe an der Funktionalität dieser Werkstätten fest, die sich durch gewerbliche und ständische Entwicklungen veränderte. INGENDAHL (Witwen) 2006, S. 167–171. 56 StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 1, Bl. 241. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 2, Bl. 27. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 450.

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Arbeit unterstützen und die Werkstatt stellvertretend führen sollte. Ferner wurden die Witwen einiger Handwerke bei der Gesellenumschau bevorzugt behandelt. „Denen Widwen, welche keine Gesellen haben“, war es nach der Landesordnung der Barett- und Strumpfwirker „vergönnet und zugelaßen, einen Gesellen vor den Meisteren, wenn gleich die Schauung nicht an ihr ist, anzunehmen, außzulösen und zu setzen.“57 Andererseits bedeutete die Regelung, wenn sie eine verpflichtende Komponente besaß,58 zugleich eine Einschränkung der Autonomie der Frau, da die Zunftgemeinschaft ihr anscheinend nicht zutraute, die Werkstatt allein und eigenverantwortlich zu führen. Weil die Witwe keine formelle Qualifikation vorweisen konnte, sah sich die Zunft, die schließlich für die Produktqualität in der Verantwortung stand,59 in keiner leichten Lage. Auch eine zahlenmäßige Begrenzung der zugelassenen Gesellenzahl konnte die Witwe benachteiligen, wenn die Begrenzung nicht für die Meisterschaft im Allgemeinen galt. Die Chemnitzer, Dresdner und Leipziger Schneiderzünfte gestatteten ihren Witwen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts nicht mehr als einen Gesellen zu halten, wobei in der Werkstatt arbeitende leibliche Söhne nicht unter diese Beschränkung fielen. Dagegen waren den Meistern bis zu drei Stöcke erlaubt, das hieß, sie konnten bis zu drei Hilfskräfte (Gesellen und Lehrlinge) beschäftigen. Eine Witwenwerkstatt sollte nur einen Notbehelf darstellen, um die Witwe und etwaig vorhandene Kinder zu ernähren. Dafür genügte in den Augen der Zunft ein Geselle und er war nach Meinung der Meister für die Aufrechterhaltung sittlicher Zustände und als Garant guter Handwerksarbeit auch dringend nötig.60 In der Landeshauptstadt gelang es den Witwen nach dem Dreißigjährigen Krieg, diese Beschränkung etwas aufzulockern,

 57 StadtAZ, X, 1, 17, Bl. 32b. Das Vorrecht beim Umschauen wurde beispielsweise auch den Leipziger Kammmacherwitwen gewährt. StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 403. 58 StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 213. – StadtAD, 11.2.16, Nr. 8, Bl. 6. – StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 67, [unpag.]. – StadtAD, 11.2.62, Nr. 20c, [unpag.]. – StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 271b, 303. – StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 320b. – StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 17b. – StadtAL, Zunftbuch IV, Bl. 5b. – StadtAL, Inn Tuchbereiter A 1, Bl. 7. – StadtAZ, X, 1, 15, Bl. 49. – StadtAZ, X, 46, 17, [unpag.]. – StadtAZ, X, 50, 14, [unpag.]. – StadtAZ, X, 50, 15, [unpag.]. – StadtAZ, X, 50, 21, [unpag.]. 59 Zu den Beziehungen von handwerklicher Arbeit, Qualitätssicherung und Ehrbarkeit siehe: KORGE (Der gute Ruf) 2010, S. 93–114. 60 StadtAC, RA, Kap. IX. Se 8, Bl. 6b–7. – StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 67, [unpag.]. – StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 138–138b, 148. Auch in den nächsten Hauptbriefen wurde den Leipziger Schneidermeistern die Besetzung von bis zu drei Stöcken erlaubt. StadtAL, Inn Schneider A 7, Bl. 3. – StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 233. Eine gewisse Benachteiligung ergab sich auch für die Schuhmacherwitwen in Dresden, die ab 1720 mit zwei Gesellen, ihre männlichen Berufskollegen aber mit bis zu drei Gesellen arbeiten durften. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 447, 450.

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„dieweil sich aber das Handwergk darinnen verglichen hat, das eine Witt Frau noch eine Lohn Jungen beneben den Gesellen fördern soll, So ist es am Quartal Trinitatis, war der 21. 61 May 1654, registriret worden“.

In den landesherrlich konfirmierten Spezialinnungsartikeln von 1707 wurde die diskriminierende Gesellenbeschränkung der Dresdner Schneidermeisterwitwen endlich aufgehoben. Den Chemnitzer Witwen war die Gleichstellung mit den Meistern in Bezug auf die Gesellenzahl schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bestätigt worden.62 Für alle kursächsischen Handwerke einheitlich und verbindlich wurde das Fortführungsrecht der Witwen in den Generalinnungsartikeln von 1780 festgeschrieben. Es galt in der gesamten Zeit der Witwenschaft. Auch die Stellung eines geschickten Gesellen durch die Handwerksältesten wurde den Frauen zugebilligt, ohne dass die landesherrliche Gesetzgebung die Verpflichtung, einen Gesellen aufnehmen zu müssen, aussprach.63 Das Ausheben der Gesellen aus anderen Werkstätten führte im Handwerk häufig zu Konflikten, da die Gesellen nicht immer freiwillig in die Witwenwerkstätten wechselten, die Meister fleißige Arbeitskräfte nur ungern gehen ließen und die Witwen ihr Recht bisweilen übermäßig ausnutzten. Doch auch in Handwerken ohne ein ausgedehntes Aushebungsrecht erzeugte das weitere Bestehen der Witwenbetriebe im Handwerk Unmut. Die Argumente der Klagenden waren variabel. Die Witwen würden die Beschränkung der ihnen maximal gestatteten Gesellenanzahl nicht einhalten. Die Witwen zahlten den Gesellen zu höhe Löhne, wodurch die Meister ihre Gesellen wiederum an die Weiber verlieren würden. Außerdem trieben die Witwen mit den Gesellen schändliche Unzucht und vieles mehr.64 Besonders beschäftigte die Handwerke die Konstellation, dass Gesellen, statt gegen Lohn und Kost zu arbeiten, die Witwenbetriebe verbotenerweise auf eigene Rechnung führten und die Werkstattbesitzerinnen nur finanziell unterhielten. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wuchs sich das Problem gerade im Massenhandwerk der Schneider aus. Auf einer Versammlung der Schaumeister und anderer deputierter Meister in Leipzig stand es als erster Punkt auf der Tagesordnung. Es wurde geklagt, „daß nehmlich zu großem Nachtheile der Innung fast alle Meisterswitwen statt d[ur]ch ihre Tafelschneider auf ihre eigne Hand arbeiten zu laßen, ihre Werkstätten gegen eine geringe

 61 StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 67, [unpag.]. 62 StadtAC, RA, Kap. IX. Se 2, Bl. 32–32b. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 312. In anderen Handwerken bestanden keine diskriminierenden Beschränkungen der Gesellenzahl. StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 5b. 63 Mandat die General-Innungs-Articul für Künstler, Professionisten und Handwercker hiesiger Lande betreffend (Dresden, 08.01.1780), Kap. III § 39. 64 In Relation der Anzahl der Witwen gegenüber den Meistern erscheinen die Belege dieser Konflikte überaus zahlreich. Hier eine Auswahl: StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 233– 234. – StadtAL, Inn Schneider B 1, Bl. 57b. – StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 13, 17b, 37b– 38 b, 114–114b, 124–124b, 130, 196, 210–210b, 234b–235b. – StadtAL, Inn Schneider B 11, Bl. 19, 25, 57b, 275. – StadtAZ, X, 50, 20, S. 187 u. ö.

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6. Hinterbliebenenversorgung durch Handwerkszünfte und Gesellenschaften wöchentl[iche] Abgabe an die sogenannten Tafelschneider ordentl[ich] verpachteten, diese 65 nun wieder Gesellen hielten u[nd] so gleichsam privilegirte Pfuscher wären“.

Ein gänzliches Arbeitsverbot für Meisterwitwen fiel aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen aus und bloße Sanktionsdrohungen genügten anscheinend längst nicht mehr, sodass man sich nun darauf besann, das Problem parallel zum Strafsystem zusätzlich durch Anreize zu lösen. „Einige der Anwesenden schlugen vor, um die Witwen nicht zu sehr zu drücken, solle ein Fond ausgemittelt werden, aus welchem selbigen eine wöchentl[iche] Unterstützung statt desjenigen Ueberschußes gereicht werden sollte, den sie von den Abepachtern [sic!] ihrer Werk66 stätten hätten u[nd] welcher oft kaum 4 g betragen würde.“

Die Idee einer solchen „Wittwencasse“, die den Betroffenen direkte finanzielle Unterstützungen zukommen ließ, „um auf diese Weise dem verderblichen Unwesen der sogenannten Tafelschneider Einhalt zu thun“, war aber selbst 15 Jahre später noch nicht in die Tat umgesetzt worden.67

6.3.3 Beschäftigung von Lehrlingen Im Gegensatz zur Aufnahme von Gesellen durften die Meisterwitwen keine neuen Lehrlinge anstellen. Die Lehrjungen, denen der Meister aber während ihrer Lehrzeit verstarb, befanden sich in einer besonders misslichen Situation. Nicht bei allen Handwerken fanden sich Hinweise auf das Fortkommen dieser Lehrlinge. Waren Bestimmungen vorhanden, konnte entweder die Witwe den Lehrling übernehmen oder der Lehrling sollte sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt bei einem anderen Meister des Handwerks in die Lehre gehen, d. h. „fortgeschrieben“ werden. Die Schuhmacher Dresdens bestimmten 1551 lapidar, dass einem Lehrling, dessen Lehrmeister verstorben war, vonseiten der Zunft ein neuer Lehrmeister gesucht werden sollte. Auf die Möglichkeit, der Lehrling könne bei der Witwe weiter lernen, wurde nicht eingegangen. Ob damit einer Witwe der Lehrling sofort und kompromisslos entzogen wurde, kann nicht mit aller Sicherheit belegt werden. Erst in den Statuten von 1645 wurde ihr die weitere Beschäftigung des Lehrlings eindeutig erlaubt.68 Diese Zusage wurde bereits 1662 dahin gehend wieder eingeschränkt, dass der Witwe die Weiterbeschäftigung der ohnehin vorhandenen Lehrlinge nur gestattet wäre, „wenn sie das Handtwerck mit Gesellen treibet“.69 Auch vielen anderen Innungsordnungen zufolge konnte die Witwe, wenn sie das Handwerk treiben wollte, einen bereits vorhandenen Lehrling unter bestimm 65 StadtAL, Tit. LXIV (F) 322, Bl. 25b–26. 66 Ebd., Bl. 26. 67 Ebd., Bl. 23. Diese avisierte Kassenform darf nicht mit den Leichenkassen verwechselt werden, die den Hinterbliebenen ein einmaliges Sterbegeld reichten. Siehe Kap. 5.4.4, Anm. 257. 68 StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 1, Bl. 241. – StadtAD, RA, C. XXIV. 274b, Bl. 75b. 69 StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 2, Bl. 25.

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ten Bedingungen weiterhin beschäftigen. Die älteren Statuten der Dresdner Leineweber äußerten sich noch nicht zu dieser Problematik. Erst nach dem Dreißigjährigen Krieg fand sich die Erlaubnis, dass der Lehrling nach dem Tod des Lehrmeisters maximal ein Vierteljahr bei der Witwe verbleiben durfte, „so ferne sie sich mit einander vertragen können“. Danach musste der Junge den Handwerksältesten überantwortet werden.70 Im Gegensatz zum 17. Jahrhundert mussten Mitte des 18. Jahrhunderts Lehrlinge im ersten Lehrjahr bei den Barettmachern und Strumpfstrickern zu anderen Meistern gegeben werden. Bei den Strumpfwirkern Zwickaus konnten diese Lehrlinge selbst entscheiden, ob sie den Betrieb wechseln wollten.71 Die Option der Weiterbeschäftigung von Lehrlingen war hier also an die Dauer der bereits absolvierten Lehrzeit gebunden, grundsätzlich zeitlich befristet oder galt allgemein ohne deutlichere Einschränkungen. Bei den Zwickauer Tuchmachern ist eine Verschärfung der diesbezüglichen Vorschriften fassbar. Gestattete die Ordnung von 1536 einer Tuchmacherwitwe das grundsätzliche Halten und Auslernen der von ihrem verstorbenen Ehemann übernommenen Lehrlinge, so hieß es in der Handwerksordnung aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts: „In fall auch ein Lehrmeister verstürbe und die nachbleibende Wittib das handtwergk forttriebe, Soll der lehrknecht das lezte Jahr bey deroselben vollents außstehen. Da aber in der helffte der Lehr-Jahre sich der Todtesfall ereignete, Soll dem Lehrknecht einen andern Meister auf72 zurichten nachgelaßen werden.“

Diesem Lehrling stand es also frei, die Witwe zu verlassen und zu einem Handwerksmeister überzuwechseln. Spätere Veränderungen schränkten die Möglichkeiten der Witwe weiter ein, indem gefordert wurde: „In fall auch ein Lehrmeister verstürbe, da der junge noch ein jahr zu lernen hette, und die nachbleibende Wittib das handtwergk forttriebe, Soll der lehrknecht das lezte Jahr bey deroselben vollents außstehen und sodann die witbe denselben cum authoritate Curatoris, welcher ein Tuchmacher sein soll, loßsagen. Da aber in der helffte der Lehr-Jahre in dritten jahre oder vorhero sich der Todtesfall ereignete, Soll dem Lehrknecht einen andern Meister aufzurichten 73 nachgelaßen werden.“

War der größte Teil der Lehrzeit bereits vorüber, glaubte man, der Lehrling habe durch seinen verstorbenen Lehrmeister genügend Kenntnisse und Fertigkeiten erworben, um den Rest der Lehre bei der Witwe zu absolvieren. Durch diese jüngeren Festlegungen wurde der Witwe die gesicherte Fortführung der Werkstatt aufgrund zusätzlicher Bedingungen erschwert. Dem Lehrling räumte das Hand 70 Ebd., Bl. 110b. 71 StadtAL, Tit. LXIV (F) 129, Bl. 4b. – StadtAZ, X, 1, 17, Bl. 87. – StadtAZ, X, 46, 17, [unpag.]. 72 StadtAZ, X, 49, 19, Bl. 7. Vgl. StadtAZ, X, 49, 122, Bl. 29. 73 StadtAZ, X, 49, 19, Bl. 7. Ähnliche Differenzierungen nach der bereits absolvierten Lehrzeit finden sich bei den Chemnitzer Strumpfwirkern und den Leipziger Kammmachern. StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 1, Bl. 29b, 100b. – StadtAL, Inn Kammmacher A 2.

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werksrecht teilweise ein Mitspracherecht ein, was die Lage der Witwe nochmals verkomplizierte. Die für die Witwe denkbar ungünstigste Variante fand sich in einer frühen Ordnung der Zwickauer Leineweber, nach der „ab[e]r keyner schlay[er] frawhe add[e]r weip Nu hynfuro ayn Mannes bilde zu leren nachgelaßen werden“ sollte. Auch die Chemnitzer Leineweber und Leipziger Schneider orientierten sich an diesem Prinzip oder gestatteten nur übergangsweise die Haltung von Lehrlingen.74 Nach einem Statutenentwurf der Chemnitzer Schneider vom 23. Januar 1766 sollte „das Handwerck bedacht seyn, [für den Lehrling] einen andern Meister auszumachen“, wodurch der Witwe eine günstige Arbeitskraft entzogen worden wäre.75 Allerdings genehmigten die Generalinnungsartikel 14 Jahre später den Handwerkswitwen die Haltung von übernommenen Lehrlingen. Auslernen konnten die Schneiderwitwen ihre Lehrlinge dennoch nicht.76

6.3.4 Auslernen und Lossprechen von Lehrlingen War es nach vielen älteren Handwerksordnungen den Witwen erlaubt, vorhandene Lehrlinge vorerst weiterhin zu beschäftigen, konnten viele Witwen diese Jungen sogar bis zum Ende einer erfolgreichen Lehre selbst auslernen.77 Durch weitere Bedingungen wurde dies den Frauen aber oft erschwert. Die Lehrzeit endete mit dem formellen Akt der Lossprechung, der i. d. R. auf einer Zunftversammlung vor der versammelten Meisterschaft stattzufinden hatte. Dabei wurden die ehemaligen Lehrlinge aus den Lehrlingsbüchern oder -listen „ausgeschrieben“ und bisweilen mit speziellen Zeremonien direkt in die Gesellenschaft aufgenommen. Auch wurden bestimmte Gebühren fällig. Wollten Witwen vorhandene Lehrlinge auslernen, wurde manchmal zusätzlich die Beschäftigung von „tüchtigen“ Gesellen durch die Witwe verlangt. Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts formulierten die Tuchscherer und Scherenschleifer: „So aber ein Meister seinem Jungen in der Lehrjaren mit thode abging, so mag der Junge bei desselben  74 StadtAC, RA, Kap. IX. Za 22, Bl. 10–12. – StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 138b–139b. – StadtAZ, X, 25, 1, Bl. 2. – GERMAR (Schneiderhandwerk) 1918, S. 85. 75 StadtAC, RA, Kap. IX. Se 8, Bl. 9b. 76 Im Handwerksbuch der Leipziger Schneiderinnung fanden sich unter denjenigen Personen, die ihre Lehrlinge vor der Zunftversammlung loszusprechen wünschten, sowohl vor 1780 als auch danach ausschließlich Handwerksmeister. StadtAL, Inn Schneider B 11. 77 StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 83. – StadtAD, 11.1.4, Nr. 6, [unpag.]. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 1, Bl. 121b. – StadtAL, Tit. LXIV (F) 129, Bl. 4b. – StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 320b. – StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 289. – StadtAZ, X, 1, 15, Bl. 18b, 57. – StadtAZ, X, 1, 17, Bl. 32b, 87. – StadtAZ, X, 49, 122, Bl. 29. – StadtAZ, X, 50, 15, [unpag.]. Zumindest das Probestück des Lehrlings musste seit 1674 bei den Tuchscherern und Scherenschleifern vor dem Obermeister absolviert werden. StadtAZ, X, 50, 8, [unpag.]. Elke Schlenkrich verweist auf die meist problemlose Umsetzung der normativen Festlegungen in die Praxis, räumt aber durchaus auch Schwierigkeiten beim Auslernen der Lehrlinge durch die Handwerkswitwen ein. SCHLENKRICH (Alltag der Lehrlinge) 1991, S. 103.

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vorlassenen Withfrauen durch einen redlichen Gesellen follendt außlernenn.“ Es muss jedoch beachtet werden, dass in diesem Handwerk das Fortführungsrecht von vornherein an das Vorhandensein eines ehrbaren Gesellen oder Meistersohnes gebunden war.78 Die Festlegungen in den Ordnungen verschärften sich teilweise vom 17. zum 18. Jahrhundert. Im Jahr 1687 lautete die entsprechende Bestimmung in den Statuten der Barett- und Strumpfstricker: „Wenn ein Meister mit Tode abgeht, soll desselben hinterlaßene Widwe mit ihren Kindern das Handwergk zu treiben, auch die Lehrjungen, so ihr verstorbener Ehemann angenommen, 79 außzulernen, ungehindert seyn“.

35 Jahre später beschloss das Handwerk, dass ein Lehrling „bereits schon übers Jahr in der Lehre gewesen“ sein müsse, um durch die Witwe ausgelernt zu werden. Dies könne aber nur dann erfolgen, „wenn sie Gesellen gefördert“ habe.80 Bei den Strumpfwirkern in Zwickau, Dresden und Chemnitz musste das letzte Quartal der Lehre bei einem von dem Lehrling ausgewählten Meister stattfinden. Der neue Lehrmeister durfte für diese Zeit kein Lehrgeld fordern und keinen Widerspruch einlegen, hatte den Lehrling auszulernen und vor der Zunft lossprechen zu lassen.81 Nach einem Entwurf der Generalinnungsartikel der Professionisten und Handwerker vom 7. Januar 1767 hatten alle Handwerkswitwen ihre Lehrlinge vier Wochen vor dem Lehrzeitende den Ältesten des Handwerks zuzusenden, die sie dann selbst oder durch einen anderen Meister auslernten.82 Diese vierwöchige Zeitspanne war bereits bei den Schwarz- und Schönfärbern und den Dresdner Schuhmachern üblich gewesen.83 In den verabschiedeten kursächsischen Generalinnungsartikeln wurde schließlich bestimmt, dass eine fähige Witwe übernommene Lehrlinge weiter ausbilden durfte, aber die endgültige, abschließende Ausbildung und Lossprechung nicht durch sie stattzufinden habe.84 Somit sollte im  78 StadtAZ, X, 50, 15, [unpag.]. Vgl. StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 208b, 213. – StadtAD, 11.2.71, Nr. 64b, Bl. 7. – StadtAL, Inn Tuchbereiter A 1, Bl. 7b–8. – StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 268. – StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 18b. – KUTSCHBACH (Tuchscherer-Innung) 1931, S. 21. 79 StadtAZ, X, 1, 17, Bl. 32b. 80 Ebd., Bl. 87. Auch die Strumpfwirker forderten für die Weiterbeschäftigung von Lehrlingen „einen tüchtigen Werck-Gesellen“ im Witwenbetrieb. StadtAZ, X, 46, 17, [unpag.]. 81 StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 1, Bl. 29, 96b. – StadtAD, 11.2.62, Nr. 20c, [unpag.]. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 4, Bl. 71. – StadtAZ, X, 46, 17, [unpag.]. 82 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 285, Bl. 211b–212, 250. Eine weitere Abschrift unter: StadtAD, 11.2.56, Schuhmacher-Dep. Nr. 16, [unpag.]. 83 StadtAC, RA, Kap. IX. Fa 13, Bl. 12b. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 1, Bl. 241. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 2, Bl. 25. – StadtAL, Inn Färber C 1, Bl. 13–13b. Im Lehrlingsbuch der Leipziger Schwarzfärberinnung fand sich bei Stichproben tatsächlich eine Lossprechung, bei der eine Meisterwitwe gegenüber der Zunft vorspricht. Ansonsten wurden Lehrlinge stets von Handwerksmeistern ausgelernt. StadtAL, Inn Färber B 6, Bl. 59b. 84 Mandat die General-Innungs-Articul für Künstler, Professionisten und Handwercker hiesiger Lande betreffend (Dresden, 08.01.1780), Kap. I § 15.

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Zunfthandwerk eine Regelung vereinheitlicht werden, die den Witwen das Recht einräumte, Lehrlinge grundsätzlich zu unterhalten, ihnen aber die letzte Ausbildungskompetenz absprach. Die landesherrlichen Generalinnungsartikel achteten stärker auf das Fortkommen der Lehrlinge. War nämlich die Witwe nicht willens oder in der Lage, den Lehrling zu beschäftigen, sollte er in jedem Fall einem anderen Meister übergeben werden, unabhängig von etwaigen Beschränkungen bei der erlaubten Lehrlingsanzahl.85 Aus der Lehre erst einmal ausgestoßenen Jungen bot sich nämlich kaum noch die Chance, zurück ins Zunfthandwerk zu gelangen. Es sollte unbedingt verhindert werden, dass diese Jungen die Gruppen der Bettler und Armen vergrößerten, die ohnehin in gewaltigem Ausmaße dem öffentlichen Fürsorgewesen zur Last fielen. Lehrlingen gegenüber besaß die Zunft nicht erst mit den landesherrlichen Vereinheitlichungen im Zunftrecht am Ende des 18. Jahrhunderts eine gewisse Verantwortung. Neben einem sozialfürsorglichen Motiv für die jungen Lehrburschen taugt sicher auch die Überlegung, dass die Zünfte kein Interesse daran haben konnten, die Masse der Störer zu vergrößern, die einerseits nirgendwo eine zünftige Anstellung erhielten, da ihnen der formelle Ausbildungsabschluss fehlte. Andererseits genügten aber nicht selten wenige Wochen oder Monate zur Vermittlung der wichtigsten Kenntnisse und Fertigkeiten, um sich als (halb) ausgebildete Fachkraft zu verdingen. Starb der Lehrmeister, sollte den Lehrlingen durch die Witwe bzw. einen anderen Meister ermöglicht werden, ihre Lehre zu beenden.86 Bei den Leipziger Hosen- und Strumpfstrickern sollte, wenn einem Lehrling sowohl der Lehrmeister als auch die Meisterwitwe verstorben war, die Fortsetzung der Lehre nach einem recht problematischen Prinzip ermöglicht werden. Jeweils ein Meister sollte für vier Wochen den Lehrling übernehmen und ihn nach dieser kurzen Zeit entsprechend einer vorgeschriebenen Reihenfolge dem nächsten Meister überantworten. Die zwangsweise und zusätzliche Aufnahme eines Lehrlings zu den anderen Hilfskräften konnte für den einzelnen Meister durchaus mit einigem Aufwand verbunden sein, weshalb man diese Pflicht zeitlich so eng begrenzte.87 Teilweise vereinbarten die Zünfte also relative strenge Selbstverpflichtungen, indem ein solcher Lehrling sogar gegen den Willen eines Meisters aufgenommen werden musste, wenn der Meister gerade an der Reihe war.88  85 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 285, Bl. 212. – Mandat die General-Innungs-Articul für Künstler, Professionisten und Handwercker hiesiger Lande betreffend (Dresden, 08.01.1780), Kap. I § 16. Vgl. StadtAD, 11.2.62, Nr. 20c, [unpag.]. – KULENKAMP (Recht der Handwerker und Zünfte) 1807, S. 250f. 86 Der neue Lehrmeister sollte am Lehrgeld und gegebenenfalls am Lehrbett beteiligt werden. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 219f. Bei den Seilern musste den Lehrlingen sogar ein neuer Lehrmeister in anderen Städten gesucht werden, wenn vor Ort kein geeigneter Kandidat vorhanden war. Dies kann unter anderem auf die geringen Meisterzahlen in diesem Handwerk und die Kreisladenorganisation zurückgeführt werden. StadtAD, 11.2.59, Nr. 2, Bl. 21–21b. – StadtAL, Inn Seiler A 6, Bl. 7–7b. 87 StadtAL, Tit. LXIV (F) 129, Bl. 4b–5. 88 StadtAL, Tit. VIII (F) 334, 1763, Bd. 2, Teil 2, Bl. 259.

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Schienen die üblichen Lösungswege nicht günstig, griff man durchaus zu unkonventionellen Mitteln, wie ein Beispiel aus Dresden zeigt: Obwohl es bei den Posamentierern keine statutarischen Regelungen gab, bestimmten die Meister um 1640: „Dieweill Gott der Almechtige Vnsern lieben mittmeister Baltzer Piertzell seeligen von dieser weltt abgefodertt vnnd er zwene jungen hinderlassen, als ist der eine mitt nahme Christoff Richter zue Hern Lorentz Hänichen gethan worden, seine LehrJahr follendts aus zue lernen, bey welchen dieses zue mercken, das er seinen lehr meister 20 r lehr geldtt versprochen. [...] Wegen des andern jungen alß Kilian Breuer, dieweill er ein blöhde gesichte vnnd selbsten gesagt, das er die arbeitt nicht erkennen köntte, alß ist er in bey sein seines schwager alß sein bürge mitt nahmen Hanns Meyer, Churf[ürstlich] S[ächsischer] Soldat, [...] von den handtwerck so weitt vorglichen, wen er sich wehrde mitt den vnmündigen ihren vormünden vor89 gliechen haben, das sie ihme seinen geburths brieff aus der laden abfolgen lassen wollen.“

Wie wichtig die Fortsetzung der Lehre durch die Lehrlinge selbst eingeschätzt wurde, zeigt die Reaktion eines Burschen, bei welchem trotz mehrfacher Bitten die Vermittlung an einen neuen Lehrmeister nicht sofort gelang. Der Maurerlehrling Johann Christoph Büttner sprach nach dem Tod des Lehrmeisters beim Rat vor und klagte, dass er von der Zunft immer wieder vertröstet werde. Er drückte aus, wie „mit den gesunden Kräften, welche mir Gott verliehen, [ich] in meinen Lehr-Jahren nicht gantz und gar müßig gehen will, indem ich [sonst] mein weniges Erbtheil auf eine unnütze 90 Art und Weise verzehren“

müsste. Die Aussicht auf schnelle, hoffentlich reibungslose Übernahme durch die Witwe oder die Vermittlung an einen anderen Meister bildeten für einen Lehrjungen wichtige Sicherungsoptionen für den kritischen Fall, dass der Lehrmeister verstarb. Neben den Lehrlingen hatten auch die Witwen, welche das Handwerk selbst fortsetzen wollten, häufig ein großes Interesse an einer Übernahme der Jungen. Lehrlinge waren relativ preiswerte Arbeitskräfte, die, wenn sie nicht erst vor Kurzem die Lehre begonnen hatten, tatkräftig im Witwenbetrieb aushelfen konnten. Die Leineweberwitwe Susannen Müller suchte den Magistrat der Stadt Chemnitz an, ihren Lehrling, den sie schon über anderthalb Jahren angeleitet hatte, behalten zu dürfen, obwohl es sonst, wie sie wisse, Brauch war, den Jungen zu einem neuen Meister zu schaffen. Sie müsste ihr Geschäft ganz aufgeben, wenn ihr der Lehrling entzogen würde. Nachdem die Zunftrechte ausdrücklich anerkannt worden waren, zeigte sich die Innung gegenüber der Witwe schließlich kompromissbereit, „indem das handwerck zwar geschehen laßen wolle, daß der junge seinen stuhl in ihren hause behielte, es solle ihm aber ein Meister geordnet werden, worzu sie Georg Wächtler außerse-

 89 StadtAD, 11.2.46, Nr. 75g, S. 54f. 90 StadtAL, Tit. VIII (F) 334, 1744, Teil 1, [unpag.] (Eintrag vom 19.03.1744).

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6. Hinterbliebenenversorgung durch Handwerkszünfte und Gesellenschaften hen, welcher in der Müllerin hause mit ab und zu ginge und dem jungen in handwercke unter91 richtete“.

Im Grundsatz gelang es der Witwe, den Jungen an sich zu binden, doch wurde ihr seitens der Zunft genauer auf ihre Arbeit geschaut, indem sie einen Meister zur Unterrichtung des Lehrlings „ab und zu“ in ihrer Werkstatt dulden musste.92 Wie in vielen anderen Fällen war die prinzipielle Bestätigung der Zunftrechte entscheidend für die Kompromissbereitschaft der Handwerksorganisation.

6.3.5 Dauer des Fortführungsrechts Grundsätzlich galt das Fortführungsrecht für eine Meisterwitwe in den obersächsischen Textil- und Bekleidungshandwerken, „alß lang sie ihren withwen stul nicht vorrugket“.93 Das hieß, während die Witwe in ihrem Witwenstand verharrte, durfte sie das Gewerbe ihres verstorbenen Mannes weiterführen; dies deutet der Begriff „Witwenrecht“ selbst an und viele Ordnungen belegen es. „Eyne wittwe sol yr handtwergk wittwen weyse unverhindert treyben“, räumten die Leipziger Leineweber 1536 ein.94 Doch nicht in allen untersuchten Zünften kam den Handwerkswitwen ein nahezu unbefristetes Fortführungsrecht zugute. In Dresden war das Fortführungsrecht im 16. Jahrhundert sowohl bei dem Massenhandwerk der Schneider als auch der Schuhmacher auf ein Jahr beschränkt. Nach der vom Bürgermeister und dem Rat der Stadt Dresden konfirmierten Ordnung vom 16. April 1569 sollte eine Witwe des Schneiderhandwerks, „Ir handtwergk nach Tode Ires Mannes ein Jar langk zutreibenn, macht habenn“.95 Nach Ablauf des Trauerjahres hatte die Witwe das Gewerbe entweder aufzugeben oder sich mit einem Mann aus dem gleichen Handwerk zu verheiraten, um die Werkstatt zu erhalten. Eine Außerkraftsetzung der zeitlichen Beschränkung des Fortführungsrechts war zumindest bei den Schuhmachern Dresdens für bestimmte soziale Notlagen vorgesehen. „Doch wo eine Witwen mit Viel kindern vberfallen vnnd Arm wehre, sol die [v]erlengerung  91 92 93 94

StadtAC, RA, Kap. IX. Za 22, Bl. 11b–12. Ebd. StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 196. Vgl. beispielsweise StadtAC, RA, Kap. IX. Fa 13, Bl. 20b. StadtAL, Inn Leineweber A 2. Vgl. StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 39. In den Statuten von 1591 fehlen Hinweise auf das Fortführungsrecht für Witwen, doch bestimmte der letzte Artikel, dass die Regelungen der vorherigen Ordnungen weiterhin ihre Gültigkeit behalten sollten. Außerdem wird an verschiedenen Stellen, z. B. beim Leichengang oder bei den Zunftversammlungen, auch von Witwen gesprochen. Ebd., Bl. 276b–282b. 95 StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 65, [unpag.]. Ebenso in einer Abschrift: StadtAD, RA, C. XXIV. 274b, Bl. 50b. Kinderlosen Leipziger Malerwitwen war nur vergönnt, das Gewerbe für ein Jahr zu treiben. Waren dagegen (unmündige) Kinder vorhanden, galt ein unbefristetes Fortführungsrecht. StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 476b. Die Verbindung des häufig auf ein Jahr befristeten Fortführungsrechts und der auf ein Jahr festgesetzten Trauer- oder Witwenzeit erscheint naheliegend.

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dieser Zeitt, der ermelten Jhares frist, bey eines Erbarn Radts erkentnus stehen.“96 Die Entscheidungsgewalt darüber oblag dem Magistrat, womit sich die Handwerksorganisation vor einer Scheltung durch andere Zünfte und Gesellenvereinigungen schützen wollte. Beide Fristenregelungen hatten in den nachfolgenden Handwerksordnungen keinen Bestand mehr. Dafür wurde die Zahl der genehmigten Hilfskräfte pro Witwenwerkstatt auf einen einzigen Gesellen bei den Schneidern bzw. auf zwei Gesellen bei den Schuhmachern festgesetzt.97 Besonders reichhaltig sind die Quellen zu den Leipziger Schneidern. Bei ihnen war den Witwen anfangs nur ein befristetes Fortführungsrecht von einem Jahr gestattet worden. Der bereits ein halbes Jahr über die festgelegte Zeit des Witwenrechts arbeitenden Witwe Knobloch wurde angedroht, dass sie nun ganz vom Handwerk lassen müsste. Allerdings wurde ihr, nachdem sich der Stadtrat mehrfach für sie eingesetzt hatte, ein weiteres halbes Jahr offeriert, währenddessen sie die Werkstatt führen durfte.98 In den Statuten wurde fünf Jahre später das Witwenjahr nochmals festgeschrieben. Wenn eine Witwe jedoch weiterhin das Handwerk treiben wollte, „mag sie noch Ein halbes Jar oder mer nicht vom handtwerge erlangen, das doch in des handtwergs willen stehe.“99 In der Ordnung von 1614 wurden zweieinhalb Jahre bisher und ab sofort fünf Jahre gebräuchliches Witwenrecht angegeben.100 Innerhalb dieses Zeitraums musste sich die Witwe allerdings mindestens für die erste Hälfte einen „Taffel-Schneider“ nehmen, also einen tüchtigen Gesellen, der ihrer Werkstatt vorstand. Der Tafelschneider konnte aus einer anderen Meisterwerkstatt ausgehoben werden. Danach dürfe sie „allein so viel, als sie mit ihre hand oder aber durch ihre Söhne u[nd] ihre Töchter, so zum Schneider handwerck geschickt, bestreiten kan, arbeiten“.101 Nur für die eigene Person stand ihr somit ein unbefristetes Witwenrecht zu. Eheleibliche, unverehelichte Kinder durften sie unterstützen. Auch die Handwerksordnung von 1648 sprach von bisher erlaubten „drittehalb iahr“, sodass fraglich scheint, ob sich die Witwenzeit mit Hilfskräften von fünf Jahren seit 1614 durchgesetzt hatte.102 Das unbefristete Witwenrecht für die Witwe selbst wurde wiederholt, die Haltung von Gesellen und Lehrlingen aber gestaffelt. In den ersten zweieinhalb Jahren ihrer Witwenschaft durften bis zu zwei Gesellen und ein Lehrling, in den nächsten zweieinhalb Jahren maximal noch ein Geselle und ein Lehrling beschäftigt werden. Danach hatte sich die Witwe mit eventuell vorhandenen Meisterkindern al 96 StadtAD, RA, C. XXIV. 274b, Bl. 75. Die Färbermeister der Dresdner Kreislade betonten das Fortführungsrecht ihrer Witwen, „sonderlich da Sie noch Vnerzogene kinder habe“. StadtAD, 11.2.16, Nr. 8, Bl. 6. 97 StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 67, [unpag.]. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 1, Bl. 137b, 241, 252. 98 StadtAL, Rb 7 (1537–1542), Bl. 138b–139. 99 StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 5–5b. 100 StadtAL, Inn Schneider C 1, Bl. 4. Germar weist das Witwenrecht in dieser Ordnung mit maximal vier Jahren aus. GERMAR (Schneiderhandwerk) 1918, S. 85. 101 StadtAL, Inn Schneider C 1, Bl. 4, 7b. Vgl. Ebd., Bl. 22b. 102 Germar geht davon aus, dass das Witwenrecht nach 1614 bald wieder auf zweieinhalb Jahre verkürzt wurde. GERMAR (Schneiderhandwerk) 1918, S. 85.

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lein aus dem Handwerk zu erhalten.103 Der Druck zur Wiederverheiratung stieg, da den Witwen die langfristige Führung der Werkstatt durch die stückweise Zurücknahme erlaubter Hilfskräfte erschwert wurde. Abgesehen davon kam die vergleichsweise streng regulierte Fortführung der Werkstatt nur Schneiderwitwen der lutherischen Konfession zugute. Leipziger Schneidermeistern, „so Reformirte Weiber haben“, wurden im 18. Jahrhundert benachteiligt, indem diesen Frauen jedweder Anspruch auf das Handwerk mit Eintritt in den Witwenstand verwehrt wurde.104

6.3.6 Ehrbarkeit und Ehelichkeit Während der Fortführungszeit hatten sich die Witwen jedes Handwerks „ehrlich“ zu verhalten,105 was vor allem auf die Einhaltung sexuell konnotierter Ehrbarkeitsforderungen abzielte und nicht selten als Druck- und Sanktionsmittel genutzt wurde. Frau Barbara Elisabeth Hartmannin, Witwe des Leinewebermeisters Andreas Hartmann, hatte sich nach Ansicht der Weberinnung „des Handwercks verlustig gemacht“, da sie nicht nur einen Gesellen geheiratet hatte, der noch kein Meister sei und erst „im Stücken säße“, d. h. sein Meisterstück machte, sondern von welchem sie noch dazu bereits geschwängert wurde.106 Und die Witwe des Schneidermeisters Melchior Müller führte „beschwerten an, wie das ihre gewesener Taffelschneider Rühl, der vorm Jahre Mstr. worden, ihre Deflorirt, dahero ihr Verbothen wäre, keinen Taffelschneider zu halten, so bäte sie um107 ständig, einen zu erlauben, weil doch die unerzogenen Kinder da wären“.

Neben dem Erhalt der Ehrbarkeit im Witwenstand war die eheliche Geburt Voraussetzung für das Witwenrecht. „Wer auch, daz sich eynir des hantw[er]gkis sich beweibet mit eynir, dy vnelichin geboren wer, daz weip sal nach iris mannes tode daz hantw[er]g nicht haben noch erbten, Sunden hette sy kindir mit dem selben irinn vorstorben manne, der daz hantw[er]g gehabt hat, getzeugit, dy 108 behalden daz hantw[er]gk vnd ir vatir recht“,

 103 StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 138–138b. Es kamen allerdings vereinzelt auch Verlängerungen der Fristen, in denen Arbeitskräfte beschäftigt werden durften, vor. StadtAL, Inn Schneider B 11, Bl. 137b. 104 Ebd., Bl. 10b. 105 StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 213. – StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 30, Bl. 12. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 312. – StadtAD, RA, C. XXIV. 274b, Bl. 50b. – StadtAL, Inn Tuchmacher A 1, Bl. 3. – StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 196, 271b. – StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 18. – StadtAZ, X, 1, 15, Bl. 49. – StadtAZ, X, 50, 15, [unpag.]. 106 StadtAL, Tit. VIII (F) 334, 1744, Teil 1, [unpag.] (Eintrag vom 24.04.1744). 107 StadtAL, Inn Schneider B 1, Bl. 45b. 108 StadtAZ, III x 1, Nr. 141b, Bl. 38b. Die gleiche Regelung wurde in die neuen Tuchmacherartikel aufgenommen. Ebd., Bl. 74 I.

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hieß es bei den Zwickauer Tuchmachern. Auch andere Handwerke verlangten einen Geburtsnachweis der Ehefrau bzw. der Witwe.109 Bei einer Zweitheirat der Chemnitzer Tuchmacher hatte das Dokument innerhalb eines halben Jahres vorzuliegen, ansonsten würde die Frau beim Tod ihres Mannes des Handwerks verlustig gehen.110 Die direkte Verbindung dieser Bestimmungen mit dem Witwenrecht schwächte sich seit dem Ende des 17. Jahrhunderts ab. In den Handwerksstatuten blieben aber die generellen Forderungen nach redlicher Haltung und ehelicher und „ehrlicher“ Herkunft lange erhalten, wenngleich sich die landesherrliche Gesetzgebung zunehmend bemühte, Stigmatisierungen aufgrund dieser Attribute zu unterbinden.111

6.3.7 Wiederverheiratung Heiratete eine Meisterwitwe erneut, insbesondere wenn es sich um keinen Mann des gleichen Handwerks oder der gleichen Zunft handelte, erlosch ihr Witwenrecht. Dementsprechend gaben die Zwickauer Tuchmacher einer Witwe Bedenkzeit auf „eyn jar czu willekur, ab sie wil bleiben bey dem hantwerg der tuchmacher addir bey dem hantwerg des selbin mannes, den sie genomen hatte. Ist abir sache, daz der selbe man nicht wil in dy wilkur synis weibis vnd wil bleibin bey synen hantwergke, so sal czu vortan dy 112 frauwe daz hantw[er]g der tuchmacher nicht halden noch habin“.

Die ehelichen Kinder konnten das Handwerk in jedem Falle weiter ausüben. Aus allen anderen Gewerben sind keine zeitlichen Fristen bekannt, in denen die Handwerksarbeit durch die wiederverheiratete Frau aufgegeben werden musste. Das Witwenrecht erlosch vermutlich sofort. Waren Jungen zum Zeitpunkt der Wiederverheiratung außerhalb des eigenen Handwerks vorhanden, welche ihre Lehrjahre noch nicht vollendet hatten, wurden sie einem anderen Meister bis zur Beendigung der Lehre übergeben.113 Nicht allein mit dem Verlust des Rechts auf Weiterführung der Werkstatt wollten sich die Barett- und Strumpfstricker zufriedengeben, indem ihre Artikel vorsahen, einer Meisterwitwe, die außerhalb des Handwerks geheiratet hatte, ihre Arbeit umgehend wegzunehmen und „in das Armen Hauß“ zu bringen.114 Besondere Aufmerksamkeit wandte dieses Handwerk auch den Meistersöhnen zu, die sich bei der Wiederverheiratung ihrer verwitweten Mutter mit einem Mann außerhalb der  109 StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 1, Bl. 8. – StadtAD, 11.1.66, Nr. 76, [unpag.]. – StadtAD, RA, C. XXIV. 274b, Bl. 2. – StadtAL, Inn Leineweber A 2. 110 StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 30, Bl. 11b–12. 111 KORGE (Der gute Ruf) 2010, S. 46, 50–52, 76. 112 StadtAZ, III x 1, Nr. 141b, Bl. 39b. Vgl. Ebd., Bl. 74 I. 113 StadtAZ, X, 49, 122, Bl. 29. 114 StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 383b. Vgl. StadtAZ, X, 1, 17, Bl. 87–87b. In keiner anderen Ordnung dieses Handwerks findet sich eine annähernd ähnliche Formulierung.

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eigenen Zunft noch in der Lehre befanden. Die jungen Meistersöhne sollten ohne Berücksichtigung etwaiger Sperrvorschriften oder Gebühren durch einen anderen Zunftmeister unterwiesen werden.115 Erfolgte eine Heirat dagegen innerhalb des eigenen Handwerks, musste die Witwe i. d. R. bis zur Erlangung der vollständigen Meisterschaft des neuen Ehemannes mit der Führung der Werkstatt „stille halten“.116 Die zeitweilige Aufgabe des Betriebs konnte für die Witwe und ihre unmündigen Kinder zu einem außerordentlichen ökonomischen Problem werden, selbst wenn die Werkstatt nur einige wenige Wochen geschlossen werden musste, da oft keine Rücklagen für diesen Fall gebildet werden konnten. Daher resultierten viele Klagen der Zünfte, dass ehemalige Witwen das Handwerk weiter fortsetzten, obwohl ihre neuen Ehemänner das Meisterrecht noch nicht erworben hatten. Umgekehrt bemühten sich nicht wenige Witwen um eine Verkürzung oder Aufhebung dieser Sperrzeit.117 Selten, aber besonders kritisch war der Fall, dass die Witwe sich mit einem Gesellen verheiratete und er noch vor seinem Meisterspruch verstarb. Diese unglückselige Konstellation wurde dadurch möglich, dass nach einigen Handwerksstatuten die Verheiratung eines Gesellen kurz vor dem Meisterspruch zu erfolgen hatte. In die problematische Lage kam die Witwe des verstorbenen Leinewebermeisters Lucas Thöricht, als ihr zweiter Ehemann, der Geselle Matthes Seligman, schon zwei Wochen nach der Hochzeit verstarb. In einem Bericht hieß es dazu: „Hierauf hat sie nun zu ettlichen malen in handwerge bittlichen gesuchet, mann wolle bey ihres ersten mannes ererbeten meisterrecht sie erhalten und noch alß vor eine meisterin er118 kennen“.

Obwohl eine solche Situation Seltenheitswert hatte und man kaum damit rechnen musste, einen Präzedenzfall zu schaffen, gab die Innung erst nach weitreichender Absicherung ihrer Handwerksrechte nach. Nachdem Auskunft von verschiedenen Weberinnungen eingeholt worden war, erhielt die Witwe Mitteilung, „das sie das handwergk nicht mehr dann uff einem werkstule vor sich treiben oder arbeiten laßen soll, inn andern handwergssachen aber wird sie mit aller gerechtigkeit billich wie eine andere vollkömliche meisterin gehalten, inmaßen sie denn auch gleich einer andern witben 119 die vollige handwergsauflage zugeben schuldig sein soll“.

 115 Ebd., Bl. 32b. 116 StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 26. – StadtAZ, III x 1, Nr. 141b, Bl. 39b, 74 I. – StadtAZ, X, 1, 17, Bl. 40–40b. Bei den Schuhmachern Leipzigs war die entscheidende Grenze bereits die Verlobung. StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 357. 117 StadtAC, RA, Kap. IX. Za 1a, [unpag.]. 118 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 203. 119 Ebd., Bl. 204. Für ein zweites Beispiel, bei welchem sich die Leipziger Schneiderinnung auf eine zu zeitige Verehelichung zwischen der ersten und der zweiten statt zwischen der zweiten und der dritten Mutung und damit auf ein Selbstverschulden berufen wollte, siehe: StadtAL, Tit. LXIV (F) 262, Bl. 1–11.

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Als Alleinmeisterin fiel der Witwe das Überleben im Handwerk sicher nicht leicht. Zur Verbesserung der Lebenslage reichte ihr die Zunft weder vorauseilend noch uneigennützig die berühmte helfende Hand.

6.3.8 „Verwaiste“ Werkstätten – das Fortführungsrecht der Waisen Nicht immer war eine Handwerkswitwe im Fall des Todes eines Meisters vorhanden und nicht immer war sie zur Führung der Werkstatt fähig oder willens. Meistersöhne und -töchter besaßen im Zunfthandwerk i. d. R. ein sogenanntes „Vaterrecht“. Dieses gab den Kindern des Meisters bestimmte Privilegien, vor allem in Bezug auf eine leichtere, preiswertere, schnellere Erlangung des Meisterrechts. Es sagte aber nicht unmittelbar aus, ob den Kindern ein Fortführungsrecht beim Tod ihres Vaters zukam. Ein solches Recht war den Meisterkindern der Dresdner Strumpfwirker nicht vergönnt, denn sie hatten das Meisterrecht erst selbst oder durch ihren Ehepartner zu erwerben.120 Von ihren konfirmierten Artikeln abzuweichen, war die Strumpfwirkerzunft auch bei sozialen Notfällen nicht willens. Dem vaterlosen Strumpfwirkergesellen Gottlob Benjamin Trödter, der nach eigenen Angaben „in eine gefährliche und langwierige Kranckheit an Gewulst und Hefftigen Glieder-Reißen verfallen [war], daß ich gantz und gar außer allen Stand gesezet worden, die gewöhnlichen 121 Wander-Jahre anzutreten und zu vollbringen“,

wurden die Wanderjahre – selbst mit Verweis auf die zu versorgende arme Mutter – nicht erlassen. Nach den spätmittelalterlichen Zwickauer Tuchmacherartikeln durften zumindest die ehelich geborenen Meisterkinder „daz hantw[er]gk vnd ir vatir recht“ behalten, wenn ihre verwitwete Mutter unehelich geboren war. Ob dies auf eine selbstständige Führung der Werkstatt durch die Kinder hinauslief, erscheint ungewiss, zumindest genossen die Waisen die für Meisterkinder üblichen Vorrechte. Doch die Ordnung besagte weiter: „Eyn itzliche frauwe addir jungkrauw [sic!] dy daz hantw[er]g hat, wenn sy sich vor elicht, dy sal keyn tuch nicht machen, ir man habe denn burg[er]recht gewunen vnd daz meist[er]recht.“ Im Umkehrschluss könnte man vermuten, dass eine Meisterwitwe oder eine „jungkrauw“, also eine unverehelichte Meistertochter, das Handwerk ausüben konnte, bis sie sich mit

 120 StadtAD, 11.2.62, Nr. 20c, [unpag.]. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 4, Bl. 71b. Nach Zöllners Untersuchung des Leipziger Zunftsystems bis 1600 hatten die unverheirateten Meistertöchter das Recht auf Gewerbeführung, bis sie sich verheirateten. Zöllner verallgemeinert Belege der Messerschmiede, Sattler, Riemer, Maler und Hutmacher für das gesamte städtische Handwerk. ZÖLLNER (Zunftverfassung) 1915, S. 75f. Zumindest bei den Leipziger Schneidern des 18. Jahrhunderts war den Meisterkindern nicht erlaubt, die Werkstatt fortzuführen. StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 172. 121 StadtAD, 11.2.62, Nr. 20b, Bl. 189b.

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einem Gesellen verehelichte.122 In den späteren Tuchmacherartikeln Zwickaus fanden sich keine Hinweise auf ein Fortführungsrecht der Meisterkinder. Am deutlichsten hieß es in den Dresdner Tuchmacherartikeln, dass Meistersöhne und Meistertöchter „Ire Handtwergk treibenn vnnd Arbeittenn vnnd tuch schneiden [dürfen], so lange sie Inn vngetheiltenn guetternn sitzenn Vnnd vnuorehelichett pleybenn“.123 Im Grundsatz blieb dieses Privileg bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts erhalten. Nachdem 1769 „der bey der Innung einverleibte Tuch und Zeug-Fabricant Johann Paul Moses“ ohne Hinterlassung einer Witwe verstorben war und nun dessen Kinder und Erben seine „Fabrication“ fortsetzten, erhob die Innung Einspruch. Aus der Ehe waren zahlreiche Kinder hervorgegangen, von denen vier eheliche Kinder den Vater überlebt hatten. Von diesen vieren waren die beiden Töchter bereits verheiratet. Die Kinder saßen somit nicht mehr „Inn vngetheiltenn guetternn“. Noch dazu stammten die Ehemänner der Töchter nicht aus dem Tuchmacherhandwerk. Dennoch gelang es dem älteren Sohn Heinrich Christian Moses, nach Appellation an den Landesherrn eine Genehmigung zur Führung der „ererbten Tuch-Manufactur“ zu erhalten. Seine zünftige Handwerkslehre, sein bereits erworbenes Meisterrecht, Moses war damals gerade einmal neunzehn Jahre alt (!), und die nahtlose Fortführung des väterlichen Ladens überzeugten die Obrigkeit vermutlich ebenso wie die Aussicht, dass die Versorgung des zehnjährigen Bruders durch die Weiterführung der Werkstatt gewährleistet sein würde.124 Wie bei den Witwen endete bei den Töchtern nach einer Heirat außerhalb des Handwerks das Fortführungsrecht. Die Verletzung des Arbeitsverbots in diesem Fall konnte genügend Spannungen erzeugen, um aktenkundig zu werden. Dies zeigt ein Konflikt im Chemnitzer Tuchmachergewerbe am Ende des 16. Jahrhunderts. Nach den Tuchmacherartikeln von 1543 galt das Fortführungsrecht für Meisterwitwen. Auch die Meistersöhne waren in Bezug auf die Fortführung der väterlichen Werkstatt begünstigt. Die Witwen durften zwar die Werkstatt nicht weiter führen, wenn sie außerhalb des Handwerks heirateten, doch konnten sie anscheinend sogar in diesem Fall Garn weiterhin spinnen. Diese dem eigentlichen Wollwebprozess vorausgehende Tätigkeit nutzten die Frauen, um mittels bisheriger Arbeitserfahrungen ihrer Familie ein zusätzliches Einkommen zu sichern. Sie wurden nur bestraft, wenn sie darüber hinaus handwerksmäßig am Webstuhl arbeiteten.125 Anscheinend war den ledigen Meistertöchtern diese Verdienstmöglichkeit ebenfalls gestattet, galt für sie aber nur befristet bis zu ihrer Verheiratung.  122 StadtAZ, III x 1, Nr. 141b, Bl. 38b, 39b. Diese Regelung wurde auch in die neuen Tuchmacherartikel aufgenommen. Ebd., Bl. 74 I. Die Meistersöhne waren vermutlich in gleicher Weise privilegiert, bis sie die Werkstatt aufgrund ihres eigenen Meisterrechts führen konnten. 123 StadtAD, 11.1.66, Nr. 76, [unpag.]. Die Bestimmung blieb bis weit ins 18. Jahrhundert hinein in Kraft. Vgl. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 215b–216. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 4, Bl. 18b. – StadtAD, RA, C. XXIV. 274b, Bl. 2b. 124 StadtAD, 11.2.66, Nr. 47, Bl. 1–1b und [unpag.]. 125 StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 30, Bl. 12–12b.

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Im Dezember 1598 wandte sich deswegen Sabine, die arme Witwe des Amtslandschreibers Melchior Herfurth, an den Chemnitzer Rat. Die Tuchmacherzunft wollte ihr das Garnspinnen verbieten, obwohl sie doch Tochter eines verstorbenen städtischen Tuchmachers sei und in elenden Verhältnissen lebte. In den Augen der Zunftherren könne sie kein Anrecht mehr auf das Garnspinnen haben, da sie weder Meisterwitwe noch Meistersohn geschweige denn ein unverheiratetes Meisterkind sei. Mit der Heirat hätte sie dieses Recht verloren. Auch vor dem Rat fand die Witwe Sabine kein Gehör. Neben der Bestätigung der zünftigen Beweisführung fürchteten die Ratsherren um den Bestand eines mühsam ausgehandelten Vertrags zwischen der Leineweber- und der Tuchmacherzunft und wiesen die Bittstellerin ab. In ihrer Not schrieb sie an den Kurfürst und unterstrich die „seligen treuen dienste“ des verstorbenen Mannes für das Amt Chemnitz und ihr familiäres Elend, weshalb man ihr zubilligen möge, „das nur bey meinem lebenn mich undt meine armenn kinderlein des hungers dardurch zu erwehren, mir sattinen garnn zu machen“. Das Argument der Versorgung „ihrer kleinen, unerzogenen kinder“ verfing, sodass der Kurfürst im März 1599 den Rat anwies, die Witwe bei ihrem Anliegen zu unterstützen. Schließlich sei „ihr vater ein tuchmacher gewesen, bei welchem sie mit dem gespienst von schafwollen und sättinen garn umbzugehen gelernett“. Das Anlernen und Beschäftigen von Meistertöchtern war anscheinend allgemein üblich und anerkannt. Ob Sabine Herfurthin tatsächlich wieder spinnen durfte, ist ungewiss, denn sowohl die Tuchmacherzunft als auch der Rat führten erneut erhebliche Bedenken an. Für die Zunft sei sicherlich der Schaden, den eine einzelne Frau dem ganzen Handwerk antun könne, gering. Doch hinter dem „suchen der armen einfeldigenn frawen, welche es beßer nicht verstehett“, stünden nach Meinung der Meister „andere leutt, die in unser handtwergk zu stören auß haben und diße supplicantin die bane zu brechen anhetzen, darauff sie hernach dergleichen treiben wollen“. So könnten „itzliche hundert gulden schadenn“ durch diese und ähnliche Pfuscherei entstehen, während die Witwe vielleicht gerade einmal einen einzigen Gulden verlieren würde, wenn es bei dem bisherigen Zunftrecht bliebe. Dem Stadtrat lag dagegen viel an der Aufrechterhaltung des zwischen den Handwerksorganisationen ausgehandelten Vertragswerks. Es war erst kürzlich auf seine Vermittlung zustande gekommen und wog für die hohen Herren gegen die Bedürfnisse einer einzelnen, von Armut bedrohten Frau ungleich schwerer. Eine erneute Reaktion des Landesherrn ist nicht überliefert.126 Die Chemnitzer und Zwickauer Leineweber berechtigten die Meisterkinder dazu, die Werkstatt des Vaters unmittelbar nach dessen Tod kurzfristig fortzuführen, wenn die Meisterwitwe diese nicht übernehmen konnte oder wollte. Nach der Innungsordnung der Chemnitzer Weber von 1668 galt: „Wann auch eine Werckstadt loßstürbet, sollen die hinterlaßenen unverehelichten Kinder Macht haben, nach ihrer Eltern Tode das Handtwerg Vier Wochen zu treiben und darnach die 127 Werkstadt aufgeben.“

 126 StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 1, Bl. 9, 30–40. 127 StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 26.

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Für einen kurzen Zeitraum gestattete diese befristete „Arbeitserlaubnis“ somit den Meisterkindern, Kundenaufträge zu erledigen, die vorhandenen Rohstoffe zu verarbeiten und die Werkstatt ansonsten „abzuwickeln“. Eine vergleichbare VierWochen-Regel fand sich bei einigen anderen Handwerken.128 Bei den Leipziger Leinewebern könnte eventuell indirekt auf ein Fortführungsrecht unverheirateter Meisterkinder geschlossen werden. In einer Klagesache verbot der Magistrat im Juni 1693 der Tochter des verstorbenen Webermeisters Caspar Geißler, fortan mit Weberwaren zu handeln, da sie mittlerweile einen Hufschmied geheiratet hatte. Durch die Heirat mit einem Mann außerhalb der eigenen Zunft hatte sie kein Recht mehr auf diesen Handel, was im Umkehrschluss bedeuten könnte, dass ihr der Handel und vermutlich auch die Handwerksausübung vor der Verheiratung (zumindest in Maßen) gestattet war.129 Von den Artikeln der Dresdner Tuchmacher und mit Einschränkungen vielleicht noch den frühen Artikeln der Zwickauer Tuchmacher abgesehen, bestand in den untersuchten Handwerken kein ausgedehntes, klar formuliertes Fortführungsrecht für Meistersöhne, die noch nicht das Meisterrecht erworben hatten, oder für Meistertöchter ohne einen Meister als Ehemann.

6.3.9 Praktische Wahrnehmung des Fortführungsrechts Selbst wenn das Handwerksrecht und die obrigkeitliche Gesetzgebung den Hinterbliebenen partiell einräumten, die Werkstatt eines verstorbenen Meisters unter bestimmten Bedingungen weiterzubetreiben, muss nach den bisherigen Darstellungen als zweiter Schritt danach gefragt werden, inwiefern die betroffenen Witwen und Waisen überhaupt in der Lage waren, dieses Fortführungsrecht wahrzunehmen, wobei sich speziell den Meisterwitwen zugewandt wird. In der handwerkshistorischen Forschung finden sich, wie bereits angedeutet, widersprüchliche Aussagen zur Umsetzung des Fortführungsrechts, die zu einem großen Teil der problematischen Überlieferung geschuldet sind. In der mehrfach erwähnten, instruktiven Arbeit zur Stellung von Frauen im Handwerk der Reichsstadt Augsburg weist Werkstetter darauf hin, dass an der Quellenlage leider „eine exakte Analyse der wirtschaftlichen Lage dieser Frauen auf der Grundlage quantifizierbarer Daten scheitert“.130 Auch im Rahmen der vorliegenden Arbeit konnten keine entsprechenden aufwendigen, weitläufigen Recherchen vorgenommen werden. Verschiedene Hinweise und einige Erfolg versprechende Ansätze zur gezielten Erforschung der Existenz von Witwenbetrieben fanden sich dennoch, doch kann über die generelle Bedeutung, Dauerhaftigkeit und wirtschaftliche Situation dieser Werkstätten oft nur spekuliert werden.  128 StadtAD, 11.2.71, Nr. 64b, Bl. 11b. – StadtAZ, X, 1, 17, Bl. 46. – StadtAZ, X, 49, 54, Bl. 32. 129 StadtAL, II. Sektion L (F) 135, Bl. 1–1b. 130 WERKSTETTER (Frauen im Augsburger Zunfthandwerk) 2001, S. 197.

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Geht man zunächst von zwei größeren Handwerken, den Leipziger Schneidern und den Chemnitzer Leinewebern, aus und wird die Führung des Schneider- bzw. Leineweberhandwerks unter der Perspektive der gewerbespezifischen Produktionsbedingungen betrachtet, dann könnte eine erfolgreiche Weiterführung durch eine Witwe oder ein Meisterkind am ehesten in Textil- und Bekleidungsgewerben wie diesen denkbar gewesen sein. Die Schneiderwitwen wurden aber von normativ-rechtlicher Seite mit einem vergleichsweise restriktiven Fortführungsrecht konfrontiert, welches ihnen teilweise nur eine Fortführungsfrist einräumte, das Auslernen von Lehrlingen untersagte und oftmals die Haltung von Hilfskräften beschränkte. Dennoch übten die Witwen der Schneidermeister in vielen Fällen sehr wohl das Handwerk über mehrere Jahre hindurch aus. Gerade die häufigen Konflikte und Klagen der Leipziger Schneiderinnung über die überhandnehmenden Aushebungen von Gesellen durch Witwen und über Lohnkonflikte zwischen Gesellen und Witwen zeigten, dass der Witwenbetrieb in diesem Handwerk kein marginales Phänomen darstellte. Die Leichenkassenartikel der Schneider unterschieden penibel zwischen Witwen, welche das Handwerk führten, und denen, die keine aktiven Produzenten mehr waren, und erlegten ihnen unterschiedlich hohe Mitgliedsbeiträge entsprechend ihrer unterschiedlichen wirtschaftlichen Leistungskraft auf.131 Bestanden dazu noch im 18. Jahrhundert Witwenwerkstätten, die über mehr als die ihnen erlaubten zwei Gesellen verfügten, kann die hohe Zahl an Beschäftigten auf ein mutmaßlich florierendes Handwerksgeschäft hindeuten. Das Innungsbuch der Chemnitzer Weberinnung wies allein für das Jahr 1628 neben den 187 Handwerksmeistern genau 73 Meisterwitwen aus, von denen die Mehrheit ihr Handwerk trieb. Ebenfalls zahlten 69 Meisterkinder auf der Zunftversammlung der Weber ihren Jahresgroschen, um damit ihren Anspruch auf das Meisterrecht zu bewahren. Selbst wenn diese Werte absolute Spitzenwerte für die Anzahl der das Handwerk weiterhin führenden Hinterbliebenen darstellten, so sind durchgängig nicht wenige Betriebe vorzufinden, die aufgrund des Fortführungsrechts produzierten. Allein die rein quantitative Dimension der Chemnitzer Weberwitwen und -waisen verdeutlicht die praktischen Schwierigkeiten, mit denen jede konzeptionelle Strategie zur Sicherung der Hinterbliebenenversorgung umgehen musste. Den im Jahre 1628 vorhandenen 73 Meisterwitwen und 69 Meisterkindern, von welchen etwa die Hälfte Meistertöchter gewesen sein dürften, standen nur „etliche 30 Gesellen“ gegenüber, sodass eine umfangreiche Wiederverheiratungsstrategie innerhalb des Handwerks keine Aussicht auf Erfolg hatte.132 Das Fortführungsrecht für die Leineweberwitwen galt während der Witwenschaft unbefristet und ein Heiratszwang existierte im Leineweberhandwerk nicht, wäre auch augenscheinlich aufgrund des beschränkten Gesellenangebots nicht  131 StadtAL, Inn Schneider B 11, Bl. 20b. 132 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 305, S. 170f. Die Mitgliedschaft in der Chemnitzer Weberzunft besaßen 248 Meister und 63 Witwen im Jahr 1612 bzw. ca. 250 Meister und 29 Witwen im Jahr 1723. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 294. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 406, Bl. 1b. – KUNZE (Forschungsergebnisse) 1958, S. 99.

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realisierbar gewesen. Auf ein mögliches Fortführungsrecht für Meisterkinder ist bereits eingegangen worden. Ein wesentlicher Teil der Schneider- und Leineweberwitwen (und bei den Webern womöglich auch der Waisen) könnte damit das Handwerk fortgetrieben haben, wenngleich, wie eine Weberwitwe über die zwei zurückliegenden Jahre im Handwerk schreibt, „bißweilen mit großer Mühe, Sorge und Kummer“.133 Die Chance zur praktischen Umsetzung der Fortsetzungsmöglichkeit bildete für die Angehörigen das entscheidende Moment bei der Frage nach der zukünftigen wirtschaftlichen Selbstständigkeit. Friedrich-Wilhelm Henning bezeichnet die Gewerbeführung von Meisterwitwen ohne Gesellen im Zwickauer Tuchmachergewerbe als Besonderheit. Ein Passus zum Fortführungsrecht fehlte in den entsprechenden Statuten bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts. Dies könnte ein Beleg dafür sein, dass im Tuchmachergewerbe eine erfolgreiche Betätigung von Meisterwitwen ohne Hilfskräfte in der Praxis kaum möglich war.134 Auch Reith geht davon aus, dass die Existenz von Witwenbetrieben häufig nur relativ kurz dauerte, wenngleich in den Handwerken, in denen Witwen das Handwerk selbst ausüben (z. B. Leineweber oder Schneider) oder leicht an Hilfskräfte gelangen konnten, Witwenbetriebe eine größere Überlebenschance aufwiesen. Gerade in vielen Textil- und Bekleidungsgewerben könnten die ökonomischen Schwächen des Handwerks zahlreichen Witwenwerkstätten ein vorzeitiges Ende gesetzt haben, indem die Witwen durch wirtschaftliche Notwendigkeitsabwägungen keinen anderen Ausweg als eine Wiederverheiratung kannten.135 Fanden sich keine entsprechenden Heiratskandidaten, nötigten zwar nicht das offizielle Handwerksrecht oder die Zunft die Witwen zur Aufgabe des Handwerks, wohl aber die wirtschaftlichen Zwänge. Die verwitweten Frauen sahen sich gezwungen, als Bittstellerinnen bei Zunft, Magistrat, Landesregierung, Kirche und Privatleuten um Almosen anzuhalten oder betteln zu gehen. Dies unterstreichen die hohen Anteile von (Handwerks-)Witwen und (Halb-)Waisen an den Almosenempfängern und aufgegriffenen Bettlern.136 Neben den sporadisch auftauchenden Hinweisen über die bloße Existenz von Handwerksbetrieben, die durch Meisterwitwen geführt wurden, könnte eine gezielte systematische Untersuchung verschiedener Quellengattungen weitere Informationen zur Dauerhaftigkeit und Überlebensfähigkeit dieser Werkstätten und  133 StadtAC, RA, Kap. IX. Za 45, Bl. 156–156b. Auch bei den Chemnitzer Tuchmachern sollte nach Ansicht des Stadtrates ein Heiratszwang in den Statuten Mitte des 18. Jahrhunderts entfallen, da „zeithero viele ohne beweibte zum Meister angenommen worden“. StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 30, [unpag.]. 134 HENNING (Differenzierung) 1968, S. 48. 135 REITH (Altersprobleme) 1990, S. 26–28. Für die unterproportional vorhandenen Witwenhaushalte im Augsburger Handwerk siehe: ROPER (Das fromme Haus) 1999, S. 49. Vgl. für die Stadt Ravensburg: INGENDAHL (Witwen) 2006, S. 113f. 136 Siehe die unzähligen Bettlerverhörprotokolle aus Dresden allein in: StadtAD, RA, B. XIII. 116h. – StadtAD, RA, B. XIII. 116k. – StadtAD, RA, B. XIII. 116n, Vol. I–X. – StadtAD, RA, B. XIII. 116o, Vol. I–XIII.

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Haushalte liefern. Vier mögliche methodische Zugänge werden im Folgenden vorgestellt: 1. Durch eine Untersuchung von Lehrlings- und Gesellenbüchern könnte die Einstellung, Beschäftigung und Aufkündigung von Hilfskräften durch die Meisterwitwen belegt werden. Die Archiveinrichtungen bewahren eine große Zahl entsprechender, langjährig geführter Quellen zu den meisten Handwerken auf, in denen Angaben zur Aufdingung und Lossprechung von Lehrlingen und zu den Arbeitsverhältnissen der Gesellen verzeichnet sind. Leider ist in den wenigsten Fällen eine geschlechtsspezifische Unterscheidung der Arbeit gebenden Personen, die nur selten überhaupt namentlich angegeben wurden, möglich. Außerdem bleibt die Feststellung der Existenzdauer der Witwenbetrieben auf diesem Weg nur sehr ungenau, da keine konkreten Anfangs- und Endpunkte der offiziellen weiblichen Betriebsführung ausgemacht werden können, die wenigen Hilfskräfte nur in großen zeitlichen Abständen aufgenommen bzw. verabschiedet wurden und somit die belegbaren Zeiträume der Existenz von Witwenbetrieben ausschließlich Minimalwerte darstellten. Witwenbetriebe ohne Hilfskräfte können über die Lehrlings- und Gesellenbücher überhaupt nicht erfasst werden. Hatten beispielsweise die Schneiderwitwen wie bereits dargestellt mit entscheidenden Beschränkungen der Gewerbeführung zu rechnen, bestanden für die Witwen im Posamentierergewerbe keine vergleichbaren formellen Beeinträchtigungen. Anstatt aber auf zahlreiche Witwenbetriebe in den Handwerksbüchern zu stoßen, waren dort kaum Hinweise über das Handwerk führende Witwen zu finden und unter den mehr als 100 losgesprochenen Lehrjungen des Leipziger Posamentiererhandwerks zwischen 1630 und 1687 wurden gerade einmal vier durch Meisterwitwen ausgelernt und vor dem Handwerk losgesprochen.137 Ein ähnlich ungünstiges Verhältnis belegen die Lossprechungen bei den Schuhmachern in Leipzig. In acht Rechnungsjahren (1782/83 bis 1789/90) wurden 195 Lehrjungen losgesprochen, davon 189 aufgrund der Initiative ihrer Lehrmeister und nur sechs aufgrund der Initiative von Handwerkswitwen.138 Da die Witwen keine Lehrlinge selbstständig aufdingen durften und die fachlich ausgebildeten Handwerksgesellen eine deutlich größere Stütze für die Frauen bildeten, muss der Untersuchung von Gesellenbüchern größere Aufmerksamkeit zukommen. Das Gesellenbuch der Dresdner Schuhmacher139 setzte bereits 1801 ein, gab aber erst zehn Jahre später die Personen an, zu welchen die Gesellen in  137 StadtAL, Inn Posamentierer B 1. 138 StadtAL, Inn Schuhmacher B 2, Bd. 1, Rechnungen 1782/83–1785/86. – StadtAL, Inn Schuhmacher B 2, Bd. 2, Rechnungen 1786/87–1789/90. Die Angaben der Geschäftsbücher sind, so vollständig sie erscheinen mögen, mit Vorsicht zu betrachten. Es wurde beispielsweise bei der Lossprechung eines Lehrlings der Name des bereits verstorbenen Lehrmeisters angegeben, womit nicht gesagt war, dass der Lehrmeister ihn zur Lossprechung anmeldete, sondern dass der Lehrling bei diesem Meister seine Lehre (größtenteils) absolviert hatte. StadtAL, Inn Tuchbereiter B 4, S. 2f. 139 StadtAD, 11.2.56, Schuhmacher-Dep. Nr. 29, [unpag.].

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Arbeit kamen, wogegen das Ende des Beschäftigungsverhältnisses nicht notiert wurde. Eine Auswertung der Aufzeichnungen dieses Buches ergab für den Zeitraum 1811 bis 1827, dass diverse Schuhmachergesellen von 39 Meisterwitwen aufgenommen wurden, unter denen 21 weibliche Arbeitgeber einmalig auftauchten. 18 Witwen stellten mehrfach Gesellen in ihre Werkstätten ein, wobei der Untersuchungszeitraum für die vor 1827 verzeichneten Witwen bis 1830 ausgedehnt wurde, um mögliche Mehrfachbelege nicht zu unterschlagen.140 Über jene Witwen, welche mindestens zwei Fachkräfte aufnahmen und bei denen somit eine Mindestdauer des Witwenbetriebs berechnet werden kann, gibt die nachstehende Übersicht Auskunft (Aufstellung 3).

Aufstellung 3: Einstellung von Gesellen durch Dresdner Schuhmacherwitwen (1811–1827/30) Familienname der Witwe Collong Bergmann Wolf Richter Pathen Krause Werner Hagemann Barthold

Anzahl der Einstellungseinträge 2 2 2 2 2 3 3 3 3

Zeitspanne zwischen erstem und letztem Eintrag in Monaten 2 3 3 12 60 23 8 11 49

Familienname der Witwe Hillmann Schubert Gebhardt Tohrmeier Weinert Sachrig Roch Krumbein Günther

Anzahl der Einstellungseinträge 4 5 5 5 5 8 14 18 20

Zeitspanne zwischen erstem und letztem Eintrag in Monaten 62 24 52 58 68 57 135 111 145

Quantitativ belegten die Witwe Krumbein, welche zwischen November 1814 und Juli 1824 allein 18 neue Gesellen beschäftigte und daneben ihren Sohn aus der Lehre lossprechen ließ, und die Witwe Günther, die bis 1830 insgesamt 20 Gesellen aufnahm, die Spitzenpositionen. Mit wie vielen Hilfskräften die einzelnen Witwen jeweils ihren Betrieb gleichzeitig führten und wie lang die Gesellen in Beschäftigung blieben, kann aus den Einträgen nicht geschlussfolgert werden, da die Verabschiedungen der Gesellen nicht verzeichnet wurden. Es ist jedoch anzunehmen, dass die Arbeitsverhältnisse nicht von langer Dauer waren. Trotz der methodischen Einschränkungen (kurzer Untersuchungszeitraum, nicht präzis feststellbare Dauer der Witwenschaft) beweisen die Ergebnisse, dass nicht wenige Witwen mehrere Jahre eigenständig mit Hinzuziehung von Hilfskräften die Schuhmacherwerkstatt führten. Nur bei drei Witwen konnte allerdings ein Zeitraum von über sechs Jahren nachgewiesen werden. Die meisten Witwenbetriebe gingen deutlich früher ein, wobei die Gründe (Tod der Witwe, Wiederverheiratung, Aufgabe des Handwerks) durchaus variiert haben dürften.  140 Außerdem ließen zwei Witwen sogar Lehrlinge, darunter einen Meistersohn, lossprechen. Ebd.

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2. Anstelle der Nutzung von Aufding-, Lossprech- und Gesellenbüchern können Quartalsgeldzahlungen analysiert werden, um die Existenz und Dauer von Witwenwerkstätten nachzuweisen. Die Vorteile dieser Vorgehensweise gegenüber der ersten liegen in ihrer größeren Genauigkeit, da die Witwen, wenn sie innerhalb der Zunft produzieren und ihre Waren verkaufen wollten, in den meisten untersuchten Handwerken regelmäßige Beiträge an die Innungskasse abführen mussten. Bedauerlicherweise sind auch in diesem Fall viele Quellenangaben zu ungenau. So besitzen die Quartals- und Handwerksrechnungsbücher, welche die wiederkehrenden Beiträge der aktiven Zunftmitglieder in Einzelpositionen regelmäßig und verlässlich ausweisen und damit Hinweise auf die tatsächliche Gewerbeausübung durch die Meisterwitwen liefern könnten, Seltenheitswert. Angaben zu den beschäftigten unselbstständigen Hilfskräften sind darüber hinaus anhand der Quartalsgeldzahlungen nicht möglich. An einigen Beispielen soll dennoch das Potenzial dieser Methode verdeutlicht werden. Im Zeitraum von 1736 bis 1765 konnten in Chemnitz in den Rechnungsbüchern der Strumpfwirkerinnung 17 Witwen, die mindestens einmal Quartalsgeld zahlten und damit den Werkstattbetrieb ihres verstorbenen Ehemannes aufrechterhielten, nachgewiesen werden (Aufstellung 4).141 Allerdings wurden die Mitgliedsbeiträge in einer Summe für das gesamte Rechnungsjahr rückwirkend gezahlt, wodurch eine exaktere Bestimmung der Dauer des Witwenbetriebs unterhalb der Jahresebene entfällt. Durchgängig waren die Namen der verstorbenen Ehemänner, nicht aber diejenigen der Ehefrauen verzeichnet und ab 1765 wechselte nicht nur der Rechnungsschreiber, sondern ebenso die Rechnungsstruktur, weshalb keine Einzelpersonen mehr belegt werden konnten. Vor dem Hintergrund, dass im Chemnitzer Strumpfwirkerhandwerk offiziell keine Befristung des Witwenrechtes existierte,142 kann anhand der weiteren Quartalsgeld-Einzahlungen ein differenzierter Eindruck davon gewonnen werden, in welchen Zeiträumen die Witwenbetriebe fortbestanden.

Aufstellung 4: Nachweise der Chemnitzer Strumpfwirkerwitwen anhand von Quartalsgeldzahlungen (1736–1765) Name des verstorbenen Ehemannes und Meisters Johann Christian Werner

Zeitraum der Quartalsgeldzahlungen 1736/37–1737/38

Johann Uhlich

1737/38–1739/40

Johann Christian Sauer Michael Hähnel Johann Heinrich Richter

1741/42–1746/47 1741/42–1745/46 1741/42–1746/47

Zusätzliche Informationen 1738/39 Schulden abgeschrieben, da die Witwe das Handwerk nicht mehr trieb 1740/41 Schulden abgeschrieben, da die Witwe das Handwerk nicht mehr trieb Schulden vom Ehemann übernommen Schulden vom Ehemann übernommen Schulden vom Ehemann übernommen

 141 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 238. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 239. 142 StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 320b–321. – StadtAC, RA, Kap. IX, Sm 1, Bl. 29, 96b, 100–100b.

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6. Hinterbliebenenversorgung durch Handwerkszünfte und Gesellenschaften

Andreas Schade

1741/42–1742/43

Martin Ziege Christian Haberland Johann Christoph Braun Johann Chr. August Kleinhaus

1741/42–1756/57 1744/45 1747/48 1751/52–1753/54

Samuel Uhlich

1758/59–1764/65

Adam Friedrich Pollner Gotthelff Walther

1759/60–1764/65 1761/62–1764/65

August Rahnfeld Johann Michael Irmschler George Heinrich Nadebusch Christian Friedrich Hartzer

1761/62–1764/65 1761/62–1764/65 1763/64–1764/65 1764/65

Schulden vom Ehemann übernommen, teilweise abbezahlt 1756/57 mit Schulden behaftet

zahlte ab 1759/60 nichts mehr, wurde aber weiter aufgeführt zahlte ab 1762/63 nichts mehr, wurde aber weiter aufgeführt zahlte 1762/63 nicht, sonst durchgehend

Während einige Witwen den (eigenständigen) Werkstattbetrieb relativ schnell einstellten, wohnten andere Frauen den Innungsversammlungen bei und zahlten über einige Jahre ihre Mitgliedsbeiträge, die für die Strumpfwirkerwitwen die Hälfte des üblichen Satzes betrugen. Am längsten führte Martin Ziegens Witwe die Strumpfwirkerwerkstatt weiter, indem sie von 1741 bis 1757 ihr Quartalsgeld in die Handwerkskasse einlegte, doch stellt sie unter den nachgewiesenen Frauen die berühmte Ausnahme von der Regel dar, weil keine andere Witwe das Gewerbe über fünf oder sechs Jahre führte. Teilweise hinterließen die Ehemänner ihren Frauen ältere Schulden, die nur in wenigen Fällen von den Ehefrauen beglichen werden konnten, wogegen die aktuellen, eigenen Quartalsgelder i. d. R. bezahlt wurden. Die häufig schwankenden und teilweise über eine längere Zeit geschuldeten Beiträge verdeutlichen die Schwierigkeiten der Witwen in Bezug auf die eigenständige Gewerbeausübung. So war es kein Einzelfall, als das Rechnungsbuch im Rechnungsjahr 1738/39 verzeichnete, dass eine Verbindlichkeit „abermahls weggeschrieben“ wurde, weil „Johann Christian Werners Wittwe aus Rabenstein, so d[as] Handwerck nicht mehr treibt“, ihre Arbeit notgedrungen niederlegen musste.143 Das von 1687 bis 1713 reichende „Ein Nahme Buch“144 der Posamentierer aus der kursächsischen Residenzstadt beinhaltet die Namen von sieben Handwerkswitwen, welche ihre Quartalsgelder größtenteils in regelmäßigen Intervallen bezahlten (Aufstellung 5). Im Gegensatz zu den Meistern erbrachten die Posamentiererwitwen i. d. R. halbe Gebührensätze. Obwohl nur wenige Meisterwitwen in dem vergleichsweise kleinen Dresdner Handwerk zu überleben suchten, genügt die offensichtliche zeitliche Spreizung des betrieblichen Bestehens von unter 16 Monaten bis über zehn Jahren, um u. a. auf die erheblichen Unterschiede in den sozioökonomischen Grundlagen, mit denen die Witwen im Einzelnen umgehen mussten, hinzuweisen.  143 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 238, Bl. 58. 144 StadtAD, 11.2.46, Nr. 75l, [unpag.].

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Aufstellung 5: Nachweise der Dresdner Posamentiererwitwen anhand von Quartalsgeldzahlungen (1687–1713) Name der Witwe Eva Gleßnerin Anna Elisabeth Kochin Anna Margretha [sic!] Hildebrandin Magdalena Wolffin Dorothea Netherin Dorothea Richterin Eva Dorothea Königin

Beginn der Quartalsgeldzahlung 29.05.1687 16.01.1689 27.10.1700 20.12.1702 01.06.1704 08.10.1707 06.03.1708

Letzte Nachricht über gezahltes Quartalsgeld 06.10.1690 18.12.1695 24.03.1710 (letztmalig gezahlt; Hinweis über geschuldetes Quartalsgeld noch am 29.08.1711) 27.03.1713 (zugleich Ende des Einnahmebuches) 08.07.1709 04.02.1709 28.12.1711

Bezüglich der Tuchmacher in Dresden wurde anhand der vorhandenen Rechnungsbücher145 ein Zeitraum von 135 Jahren analysiert (1720–1855), in welchem mit wenigen Unterbrechungen (Rechnungsjahre 1768/69, 1770/71–1774/75, 1785/86–1787/88) die Hinterbliebenen, welche Quartalsgeld zahlten, individuell verzeichnet waren (Aufstellung 6). Aufgrund der fehlenden Informationen in einzelnen Jahren und der Möglichkeit, dass Witwen erst verspätet zur Zahlung von Innungsbeiträgen herangezogen wurden, stellen die errechneten Zeiträume Mindestwerte für das Bestehen der Witwenbetriebe dar. In den umfangreichen Aufstellungen fanden sich neben 26 Witwen in drei Fällen auch die „Erben“ des jeweiligen Meisters, hinter denen entweder ebenfalls die Witwe oder unverheiratete Meisterkinder standen. Sämtliche Quartalsgeldzahler tauchten in den Rechnungsbüchern nur unter dem Namen des Meisters auf, wobei nicht einmal durchgehend der Vorname des Meisters genannt wurde.

Aufstellung 6: Nachweise der Dresdner Tuchmacherwitwen anhand von Quartalsgeldzahlungen (1720–1855) Name des verstorbenen Ehemannes und Meisters Christian Tanneberger George Matthäen George Coßwig* Taudte Christian Seyffert Samuel Tanneberger** Johann Heinrich Rosenberger* Andreas Hempel Johann Gottfried Schneider

Zeitraum der Zahlungen von Quartalsgeld (jeweils Ende des Rechnungsjahres) 1721–1738 1721–1739 1721–1734 1722 1727–1745 1728–1734 1734 1734 1737–1756

Bestandsdauer des Witwenbetriebs in Jahren 18 19 14 1 19 7 1 1 19

 145 StadtAD, 11.2.66, Nr. 71v, [unpag.]. – StadtAD, 11.2.66, Nr. 71w, [unpag.]. – StadtAD, 11.2.66, Nr. 71x, [unpag.]. – StadtAD, 11.2.66, Nr. 71y, [unpag.].

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Johann George Schneider 1737–1739 3 Johann Christian Kuntze 1746–1760 15 Johann George Kayser 1753–1756 4 Johann Friedrich Schneider 1770–1785 16 Johann Gottlieb Schneider 1770–1777 8 Johann Christoph Rosenberger 1776–1805 30 Beyer 1776–1785 10 Gottlob Hülse 1776–1791 16 Johann Heinrich König 1776–1814 39 Johann Daniel Viehweg 1779–1781 3 Christian Gottlieb Mätzig 1789–1791 3 Johann Adolph Worms 1803–1806 4 Johann Gottlob Hahnewald (Senior) 1807–1816 10 Johann Davidt Lebrecht Fritzsch 1809–1815 7 Johann Heinrich Schlößmann 1811–1827 17 Heinrich Christian Moses (Senior) 1820–1826 7 Johann George Mückenberger 1825–1828 4 Böhme 1828–1843 16 * Statt der Witwe wurden in diesen Fällen die „Erben“ des jeweiligen Meisters aufgeführt. ** Die Witwe des Tuchmachers Samuel Tanneberger wurde in den Aufzeichnungen ab 1729/30 durch die Erben des Meisters ersetzt.

Stärker noch als bei den vorangegangenen Beispielen deuten die Existenzen der Tuchmacher-Witwenbetriebe ein enormes Spektrum in Bezug auf ihre Dauerhaftigkeit an. Während neun Witwen den Betrieb relativ kurzzeitig (bis zu vier Jahren) weiterführten, gelang es 14 Witwen, auf eine Werkstattführung von zehn Jahren und mehr zurückzublicken. Die beiden Schicksale der Witwen von Meister Johann Christoph Rosenberger und Meister Johann Heinrich König mit jeweils 30 bzw. 39 Jahren ausgenutztem Fortführungsrecht unterstreichen die dauerhafte Möglichkeit, in diesem Handwerk als Frau ökonomisch und sozial zu überleben.146 3. Als eine weitere Option kann der Blick auf die Kirchenbuch-Überlieferungen gerichtet werden. In den untersuchten sächsischen Städten liegen die Verzeichnisse der Trauungen und Todesfälle mit unterschiedlich großen Überlieferungsverlusten etwa seit der Mitte des 16. Jahrhunderts vor. Anhand der Toten- bzw. Sterbebücher kann das zeitliche Ableben des Handwerksmeisters nachgewiesen werden, während die Traubücher die erneute Heirat der Meisterwitwe bekannt geben. Die Meisterfrau und Witwe ist selbst namentlich bekannt, die Dauer der Witwenschaft kann taggenau bestimmt werden und unter der Annahme, dass die verwit 146 Abgesehen von der formellen Ausübung des Handwerks während der Witwenschaft übernahmen bereits einige Witwen die Geschäfte ihres Mannes deutlich früher, insbesondere wenn der Ehemann krankheits- oder unfallbedingt arbeitsunfähig wurde. Z. B. zahlte der Meister Heinrich Christian Moses (Senior) bereits jahrelang kein Quartalsgeld mehr, bevor seine Frau erstmals in den Rechnungen auftauchte, was durchaus auf eine längere Krankheitsphase oder dauerhafte Invalidität hindeuten könnte.

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wete Meisterfrau die Werkstatt als wertvolles Faustpfand in die neue Ehe einbrachte, geben die Kirchenbücher somit Auskunft über das Bestehen der Witwenbetriebe.147 Ehelichte die Witwe, wie in vielen Fällen geschehen, einen deutlich jüngeren Gesellen aus dem gleichen Handwerk, dürften das Fortbestehen und damit die Übergabe der Meisterwerkstatt an den neuen Ehemann als Anreiz zum Eingehen einer solchen „ungleichen“ Ehe sehr wahrscheinlich gewesen sein.148 Praktische Schwierigkeiten ergeben sich bei diesem methodischen Ansatz im zeitlichen Aufwand der Informationsgewinnung, da die Kirchenbücher größtenteils noch immer ausschließlich als Originale vorliegen, nur unter erheblichen Einschränkungen einsehbar und Personenregister nicht existent, unbrauchbar oder jedenfalls innerhalb der Einzelbuchstaben nicht alphabetisch geordnet sind. Für die Chemnitzer Stadtkirche St. Jakobi lagern die erhaltenen Kirchenbücher in der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde St.-Jakobi-St.-Johannis. Geprüft wurden zwei zufällig ausgewählte Zeiträume (1743–1744, 1783–1785) im Trauregister der Pfarrgemeinde St. Jakob, von denen ausgehend die zugehörigen Einträge in den Totenbüchern gesucht wurden. Weitere Stichproben wurden für Leipzig ausgewertet. Die zugehörigen Traubücher liegen im Kirchlichen Archiv Leipzig, die Einträge zu den Sterbedaten sind in den Ratsleichenbüchern im Stadtarchiv zu finden. Aus arbeitstechnischen Gründen wurden auch hier die untersuchten Zeiträume anhand der Traubücher der städtischen Pfarrkirchen St. Thomas und St. Nikolai festgelegt. Als Zeiträume wurden die Jahre 1663–1666, 1703–1706, 1743–1746 und 1783–1786 gewählt. Die Informationen über die Wiederverheiratungen von Handwerkswitwen bildeten die Grundlage für die Recherchen zu den Sterbedaten der früheren Ehemänner. Aus den ermittelten Daten wurden zwei Übersichten erstellt (Tabelle 14 und 15), aus denen der Bestandszeitraum der einzelnen vermuteten Witwenwerkstätten hervorgeht.149  147 Spiegelbildlich kann auch dem Bestehen von Witwerbetrieben im Zunfthandwerk nachgegangen werden. Außerdem ergeben sich wertvolle Hinweise auf die sozialen Heiratskreise im frühneuzeitlichen Handwerk. 148 Auf durchaus beträchtliche Altersunterschiede zwischen den Ehepartnern im Handwerk wurde bereits hingewiesen bei: KELLER (Gemeinschaft) 1990, S. 75. Siehe auch: WUNDER (Er ist die Sonn’) 1992, S. 180, 185–188. 149 Der Auswertung wurden folgende Kirchenbücher zugrunde gelegt: Evangelisch-lutherische Kirchgemeinde St.-Jakobi-St.-Johannis Chemnitz, Pfarrgemeinde St. Jakobi, Toten-Buch 1713–1771. – Ebd., Toten-Buch 1772–1805. – Ebd., Trauregister 1713–1787. – Kirchliches Archiv Leipzig, Pfarrgemeinde St. Nicolai, Traubuch 1647–1681. – Ebd., Traubuch 1699– 1718. – Ebd., Traubuch 1732–1752. – Ebd., Traubuch 1765–1787. – Ebd., Pfarrgemeinde St. Thomas, Traubuch 1646–1683. – Ebd., Traubuch 1684–1711. – Ebd., Traubuch 1730–1746. – Ebd., Traubuch 1763–1785. Im Leipziger Stadtarchiv wurden ferner folgende Ratsleichenbücher ausgewertet: StadtAL, Ratsleichenbuch der Stadt Leipzig Nr. 14 (1648–1663), Nr. 15 (1662–1672), Nr. 17 (1680–1689), Nr. 18 (1690–1698), Nr. 19 (1699–1707), Nr. 24 (1733– 1738), Nr. 25 (1738–1742), Nr. 26 (1743–1750), Nr. 29 (1768–1779), Nr. 30 (1779–1784), Nr. 31 (1785–1793).

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Nicht zu allen früheren Ehemännern konnte der Sterbetag eruiert werden. Insbesondere wenn der Verstorbene nicht aus Chemnitz oder Leipzig stammte, wären weitere Recherchen in den Archiveinrichtungen der jeweiligen Pfarrgemeinden nötig gewesen. Daher wurden diese Beispiele nicht aufgenommen. Unter den neuen Ehemännern fanden sich erstaunlich viele Handwerksmeister, doch kann vermutet werden, dass der Meisterspruch in einigen Fällen unmittelbar vor der Hochzeit erfolgte oder eventuell sogar erst noch erfolgen sollte, sodass die Witwen deutlich mehr mutende Gesellen heirateten. Die Spannweite der Zeiträume zwischen Sterbe- und Trauungstermin schwankte in Chemnitz zwischen sieben Monaten und einem Tag auf der einen und fast sechs Jahren auf der anderen Seite. In Leipzig reichten die Nachweise von gut neun Monaten bis fast zu einem Jahrzehnt. Obwohl die kursächsische Eheordnung für Witwen ein volles Trauerjahr vorsah,150 wurde die Festlegung in der Praxis somit in Einzelfällen deutlich unterschritten. Ein neunmonatiger Zeitraum, der Unsicherheiten betreffs der Vaterschaft bei einer Geburt durch eine Witwe verhindern sollte, wurde in einem Fall sogar noch unterlaufen, ohne dass die Gründe hierfür auszumachen waren. In Leipzig (Tabelle 14) heiratete die Mehrzahl der Handwerkswitwen vor Ablauf des zweiten Witwenjahres erneut (57,8 Prozent). Dagegen war die Gruppe der Frauen, die mehr als vier Jahre ohne Ehemann blieb, recht klein (13,7 Prozent). Für Chemnitz (Tabelle 15) stehen weniger Falldaten zur Verfügung, doch war die Verteilung ganz ähnlich. Mehr als die Hälfte der Frauen verharrte weniger als zwei Jahre in ihrem Witwenstand. Nur eine Zeug- und Leineweberwitwe lebte nachweislich über vier Jahre ohne neuen Ehemann. 4. Um die Nachteile bei der Analyse einzelner Schriftquellengattungen auszugleichen, empfiehlt sich die Kombination der verfügbaren Informationen aus verschiedenartigen Quellen, doch geht eine solche Vorgehensweise mit einem erheblichen zeitlichen Aufwand einher. So könnte ein Abgleich der Kirchen-, Handwerksrechnungs-, Gesellen- und Lehrlingsbücher sowie der Steuerlisten erstens die taggenaue Dauer der Witwenschaft erweisen, zweitens aufgrund der Bezahlung von Quartalsbeiträgen die aktive Handwerksführung und Zunftmitgliedschaft belegen und drittens über die Beschäftigung von Hilfskräften und die Steuerleistung Aussagen zur ökonomischen Situation der Witwenbetriebe ermöglichen. Im vergleichsweise kleinen Handwerk der Leipziger Tuchbereiter konnten im 18. Jahrhundert nur drei Witwenwerkstätten belegt werden. Während zwei dieser Betriebe nur etwa ein Jahr bestanden, hielt sich der dritte Betrieb etwa drei Jahre lang, bevor die Witwen jeweils erneut heirateten bzw. die Werkstätten an ihre Kinder weitergaben. Erst am Ende des Untersuchungszeitraums konnte eine weitere Witwe belegt werden, die von 1828 mindestens bis 1849 Quartalsgeld als  150 Ehe-Ordnung Churfürst Johann Georgens des I. zu Sachsen, wie dieselbe in Ihrer Churfürstl. Durchl. gesamten Landen öffentlich von den Cantzeln des Jahres zweymahl abgelesen und gehalten werden soll, den 10. Aug. Anno 1624. In: LÜNIG, Johann Christian (Hrsg.): Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici […] [Bd. I]. Leipzig 1724, Sp. 1026.

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aktives Zunftmitglied zahlte.151 Trotz der Erlaubnis, mit tüchtigen Gesellen Lehrlinge zu beschäftigen und auszulernen, konnte in den gesamten Handwerksbüchern keine einzige Lossprechung durch eine Tuchbereiterwitwe nachgewiesen werden.152 Führt man die verschiedenen Untersuchungsansätze zusammen, kann für die meisten untersuchten Handwerke eine Dreiteilung bezüglich der Bestandsdauer der Witwenwerkstätten konstatiert werden. Wenn die Witwe das Handwerk überhaupt fortführte, bestand ein beachtlicher Teil dieser Werkstätten nur wenig länger als das obligatorische Witwenjahr vorschrieb (Bestandszeitraum von bis zu zwei Jahren). Die meisten Witwen verheirateten sich innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren oder gaben die Werkstatt aus anderen Gründen dann auf. Nur eine kleine, vermutlich privilegierte Minderheit führte den Betrieb länger als sechs oder sieben Jahre fort. Eine gewisse Ausnahme stellen die Erhebungen im Tuchmacherhandwerk der Stadt Dresden dar, die vermutlich mit dem spezifischen Charakter des Gewerbes zu tun haben.

6.3.10 Zusammenfassende Betrachtung und Wirkung Grundsätzlich sollte die soziale Sicherung von Meisterkindern und Meisterwitwen nach dem Tod des Vaters bzw. Ehemannes durch erleichterten Zugang zu einer Meisterwerkstatt und insbesondere bei Frauen zum Heiratsmarkt erfolgen. Der angedachte Versorgungsaspekt wird in einzelnen Statuten angesprochen. „Vnd so ein meyster mit Todte abgehet, Soll desselbenn hinterlassene Widtbe macht habenn, das Handtwerg zutreybenn, damit sich sie erhaltenn könne.“153 Die Zwickauer „Wittfrauen“ der Schneider sollten das Handwerk deshalb weiter treiben, damit eine jede „ihre kindere desto beßer ernehren und auffziehen kann.“154 Prinzipiell war die Fortführung eines Betriebes durch die Meisterwitwe in den meisten untersuchten Textil- und Bekleidungshandwerken während der Witwenzeit erlaubt.155 Während der frühen Neuzeit wurde aber die Ausübung des Handwerks durch die Witwe und in noch stärkerem Maße durch die Meisterkinder, die noch kein Meisterrecht erlangt hatten, durch verschiedene Auflagen zunehmend eingeschränkt. Zahlreiche Zünfte erschwerten oder untersagten den Hinterbliebenen die Fortführung der Meisterwerkstatt langfristig und begünstigten im Gegenzug eine  151 StadtAL, Inn Tuchbereiter B 3. 152 StadtAL, Inn Tuchbereiter B 1, B 2, B 3, B 4. – KUTSCHBACH (Tuchscherer-Innung) 1931, S. 21. Ein paralleler, flächendeckender und zugleich naheliegender Abgleich mit den Kirchenbüchern scheitert derzeit noch an der unzureichenden Digitalisierung bzw. Registerbildung dieser Überlieferungen. 153 StadtAD, 11.1.4, Nr. 6, [unpag.]. 154 StadtAZ, X, 1, 15, Bl. 49. 155 Vgl. KLUGE (Zünfte) 2009, S. 329.

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(Wieder-)Verheiratung über eine breite Palette an Privilegien. Im Jahre 1780 wurde im kursächsischen Herrschaftsbereich das Fortführungsrecht der Witwen bestätigt. Die hinterlassenen Frauen durften es in Anspruch nehmen, solange sie Bürgerrecht besaßen und im Witwenstand verblieben. In den Überlieferungen der Zünfte spielten Festlegungen zum Fortführungsrecht als eine Art der sozialen Sicherung seit den 1780er Jahren damit kaum noch eine Rolle.156 Pro forma stand die selbstständige Fortführung der Werkstatt den Meisterwitwen nun allgemein offen und galt bis zum Ende des Untersuchungszeitraums fort. Der mitunter geringe Handlungsbedarf zu Reglementierungen und das am Ende des 18. Jahrhunderts rechtlich zugesicherte Fortführungsrecht dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Handlungsspielräume der Witwen und Waisen von den ökonomischen Gegebenheiten mindestens ebenso abhängig waren wie von normativen Forderungen. Auch wenn Witwen formell die Möglichkeit zur Fortführung der Werkstatt oder zur Beschäftigung von Hilfskräften besaßen, konnten sie diese häufig nicht nutzen. Erste empirische Auswertungen ergaben aber, dass sehr wohl für die verwitweten Meisterfrauen gewisse Möglichkeiten bestanden, den Handwerksbetrieb über einige Jahre erfolgreich fortzuführen. Weitere akribische Quellenauswertungen könnten bestätigen, dass sich die sozioökonomische Situation der Witwenbetriebe in ähnlicher Weise ausdifferenziert hatte wie die Lage im Zunfthandwerk generell. Konnten nur Witwen in vergleichsweise günstiger ökonomischer Position die Chancen, die ihnen das Fortführungsrecht bot, nutzen, so wäre diese Form sozialer Sicherung nur den bessergestellten Zunftmitgliedern zugutegekommen.157 Eine mögliche Interpretationsweise wäre demnach, das Fortführungsrecht als „Überbrückungsmaßnahme“ zu sehen, um den Gesellen die Möglichkeit der Einheirat in lukrative Witwen- und Töchterbetriebe länger offenzuhalten.158 Verlangte das Fortführungsrecht speziell  156 Die wenigen zwischen 1780 und 1830 konfirmierten Statuten der untersuchten Handwerke erwähnten das Fortführungsrecht der Witwen nicht mehr oder bestätigten es wie die Dresdner Tuchscherer ganz knapp. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 5, Bl. 123. In allen Handwerksordnungen der Dresdner Schneider wurde das Witwenrecht seit dem 16. Jahrhundert erläutert. In den nur vier Jahre nach den Generalinnungsartikeln in Kraft getretenen Statuten fehlten entsprechende Aussagen. Nur auf die Besonderheit des Aushebens von zwei Tafelschneidern wurde eingegangen. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 4, Bl. 390b–398. 157 DETER (Rechtsgeschichte) 1990, S. 232. 158 Ausführlich und nachvollziehbar äußert sich Ingendahl zur Rolle des Witwenrechts. Allerdings kann der von ihr vorgetragenen zeitlichen Verschiebung der Funktionalität von einer Brückenfunktion in der frühen Neuzeit zur langfristigen sozialen Sicherung ab dem Ende des 18. Jahrhunderts nur eingeschränkt gefolgt werden. Die Autorin verneint bis zu diesem Zeitpunkt eine sozialfürsorgliche Komponente in den Handlungen der Innungen völlig, während vor allem im 19. Jahrhundert das Witwenrecht in patriarchalisch-großzügiger Weise gewirkt hätte. Eine radikale Ablehnung des Versorgungsgedankens durch die Zünfte in Bezug auf das Fortführungsrecht erscheint meines Erachtens vor 1800 fraglich. Mit durchgreifenderer landesherrlicher Reglementierung, die das Witwenrecht ab dem Ende des 18. Jahrhunderts langfristig und allgemeingültig durchsetzte, kann zwingend kein autonomer sozialer Sicherungsgedanke des Handwerks mehr begründet werden. Vgl. INGENDAHL (Witwen) 2006, S. 161– 171.

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die Anstellung eines Gesellen, der in der Position des Werkstattführers oftmals mehr verdiente als ein gewöhnlicher Geselle, überforderte diese Forderung ärmere Witwen finanziell.

6.4 FINANZIELLE UNTERSTÜTZUNGEN Da bereits in Kapitel 4.4 ausführlich auf die monetären Hilfsmaßnahmen im Krankheitsfall eingegangen wurde und sich diese häufig mit den entsprechenden monetären sozialen Sicherungsleistungen für die Hinterbliebenen deckten, kann die Analyse an dieser Stelle knapper ausfallen. Da sich aber bestimmte Unterstützungsformen voneinander unterschieden und die wissenschaftliche Verifizierbarkeit natürlich gegeben sein muss, sollen dennoch einige einschlägige empirische Belege die folgenden Ausführungen stützen. Den Empfängerkreis der finanziellen Leistungen stellten vorrangig Handwerksmeister und ihre Witwen bzw. Kinder dar.

6.4.1 Direkte finanzielle Unterstützungen Direkte materielle Unterstützungen waren in den meisten Handwerken in großer Zahl, aber relativ geringer Wertigkeit und in Form von Barleistungen und seltener als Naturalgaben vorhanden. Auf die Rolle der Sterbekassen und Beerdigungsgesellschaften wurde im Zusammenhang mit den sozialen Leistungen im Begräbniswesen eingegangen. Die Vergünstigungen, welche eine (Wieder-)Verheiratung erleichtern sollten, wurden ebenfalls bereits besprochen. Eine andere Form der Unterstützung lag vor, wenn ein neuer Handwerksmeister eine Werkstatt übernahm und ihm aufgetragen wurde, die Hinterbliebenen seines Vorgängers ganz oder teilweise zu unterhalten, ohne die Witwe oder gegebenenfalls die Tochter zu heiraten. Dann hätte die Handwerksgerechtigkeit, also das Recht, das zünftige Handwerk ausüben zu dürfen, den Charakter einer handelbaren Realie eingenommen, die verkauft oder besser gesagt gegen den Wert der sozialen Sicherung getauscht werden konnte. Diese soziale Sicherungsform ließ sich in den untersuchten Textil- und Bekleidungshandwerken allerdings nicht finden. Voraussetzung hierfür wäre gewesen, dass die Meisterstellen eines Handwerks streng limitiert waren. Bis auf das Färberhandwerk, welches an den Besitz oder die Pacht eines der wenigen, wertvollen Färbehäuser gebunden war, war dies nicht der Fall und auch bei den Färbern wurden Witwen und Waisen auf diese Art und Weise vermutlich nicht unterstützt.159  159 Weit verbreitet war die materielle Unterstützung der Hinterbliebenen durch den neuen Inhaber des Meisterrechts beispielsweise im Dresdner Feuermäuerkehrerhandwerk. Hier vergab der Rat die wenigen vorhandenen Meisterstellen oft an Handwerker, die versprachen, die Witwe bzw. Meistertochter des Vorgängers zu heiraten oder sie befristet bzw. unbefristet materiell zu erhalten. StadtAD, RA, A. XII. 32. Vgl. STEIDL (Witwenpensionen) 2000, S. 324.

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Materielle Leistungen durch die Handwerkszünfte selbst konnten durch Direktzahlungen erfolgen, die meist „Almosen“ genannt wurden. Entweder wurden einmalige, mehrmalige oder regelmäßige Zahlungen gewährt. Dem notorisch armen Strumpfwirkerjungen Öße wurden vom Chemnitzer Handwerk im April 1789 zuerst drei Taler gereicht. Nachdem dessen Not aber nicht mehr hinzunehmen war, wurde auf dem Hauptquartal am 27. Juli des folgenden Jahres „resolviret, daß der unmündige Vater- und Mutterlose Wayse Öße ein wochentliches Allmosen von 2 g aus der Lade erhalten sollte“.160 Die Dresdner Tuchmacher bestimmten „wegen der Eltsten Besoldung, wenn sie sterben, so soll das Geld oder Salier die Wittwe erben, in so ferne sie das Haupt-Quartal erlebt, da es ausgezahlt wird.“ Den Witwen der Handwerksältesten wurde damit eine einmalige Unterstützung in durchaus beträchtlicher Höhe gewährt.161 Bei der Vergabe von Almosen fiel oft der übermäßige Anteil der Witwen sofort ins Auge. Bei einem Treffen der Leipziger Schneidermeister im April 1777 waren beispielsweise alle acht vorsprechenden Almosenempfänger Meisterwitwen und die Chemnitzer Weber bedachten viele Witwen mit regelmäßigen wöchentlichen Unterstützungen von einem Groschen.162 Eine Grundsatzentscheidung trafen die Dresdner Schneider in ihrer Handwerksordnung Anfang des 18. Jahrhunderts. Sie sah vor, mindestens vier Mal im Jahr zu den Quartalen den armen Hinterbliebenen etwas zu reichen: „Es ist demnach von denen Einkünfften jährlich ein Gewißes, nach Gelegenheit des Vermögens, mit Vorbewußt des zugeordneten Senatoris unter die, ohne ihr Verschulden verarmete vormahls fleißige und des ihrigen wohl wartende Mit-Meistere, deren Wittben und Unmündige Kinder zu vertheilen, auch bey dem Haupt-Quartal jedes Jahres oder, wo es die Nothdurfft 163 erforderte, bey denen andern Quartalen von dem Quanto solcher Beyhülffe zu deliberiren.“

Witwen von Inhabern eines Zunftamtes konnten im Einzelfall, wenn der Mann sich zu Lebzeiten durch besondere Dienste ausgezeichnet hatte oder die Armut der Witwe und ihrer Kinder gravierend war, neben Almosen oder Geschenken ein verlängertes oder unbefristetes, mietfreies Wohnrecht im Meisterhaus oder der Herberge erlangen.164 Witwen und Waisen erhielten vereinzelt Darlehen oder Vorschüsse auf später zu erwartende Leistungen aus der Zunftkasse. So hieß es an einer Stelle im  160 StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 28, Bl. 58b, 97. 161 StadtAD, 11.2.66, Nr. 71t, [unpag.]. 162 StadtAC, RA, Kap. IX. Za 90, Bl. 6b. – StadtAL, Inn Schneider B 11, Bl. 57b. Vgl. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 239, Bl. 116b, 133, 149b u. ö. 163 StadtAD, RA C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 323. In der Jahresrechnung des Handwerks sollte ein eigenes Rechnungskapitel „Denen verarmeten Meistern ihren Wittben und Kindern verwilligte Beyhülffe“ eingerichtet werden. Ebd., Bl. 323b. Deutlich früher wurden regelmäßige Unterstützungen für Witwen und Waisen im Berg- und Hüttenwesen vereinbart. BergwercksDecret, oder Abschied, wodurch denen in dem Ertz-Gebürge bey dem Bergwercks-Bau eingerissenen Mißbräuchen abgeholffen worden, den 6. Augusti, Anno 1659. In: LÜNIG, Johann Christian (Hrsg.): Des Codicis Augustei oder Neuvermehrten Corporis Juris Saxonici […] Anderer Band. Leipzig 1724, Sp. 320. Siehe auch Kap. 3.3.2, Anm. 268. 164 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 385. Vgl. Ebd., S. 387.

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Handwerksbuch der Leipziger Schneider: „Es hält auch die Fr[au] Pfrotzschern an um 4 r auf ihr Leichengelt.“165 Durch eigene Beitragszahlungen und durch Beiträge ihres Mannes hatte die Witwe für ihre Erben ein Anrecht auf ein Sterbegeld erworben. Dieses Kapital konnte bei Bedarf vorschussweise ausgezahlt werden, wodurch sich der spätere finanzielle Anspruch auf das Sterbegeld verringerte. Bis auf das typische Beispiel eines Vorschusses auf das zukünftige „Leichengeld“ hielten sich die Zünfte mit Krediten an Witwen und Waisen jedoch vergleichsweise stark zurück. Schließlich zahlte die Zunft Gelder an Hinterbliebene aus Stiftungen, Legaten und Schenkungen. In diesem Fall hatten bemitteltere Handwerksmeister oder handwerksfremde Personen bestimmte Summen der Handwerksorganisation unter der Bedingung, das Kapital bzw. die Zinserträge desselben für soziale Zwecke wie die Hinterbliebenenversorgung zu verwenden, überlassen. Die Innungen fungierten hier gewissermaßen nur als Verwalter der Gelder und nicht als „Urheber“ der Leistungen.166 Solche milden Stiftungen, Legate usw. zugunsten von Handwerkshinterbliebenen existierten entsprechend nicht nur innerhalb der Handwerksorganisationen, sondern wurden beispielsweise auch von Stadträten, städtischen Fürsorgeeinrichtungen, kirchlichen Institutionen oder landesherrlichen Stellen verwaltet.167 Für Peter-Per Krebs stellen sämtliche Unterstützungszahlungen keine Mildtätigkeiten oder Almosen dar. „Der Mann hatte durch regelmäßige Zahlungen für sich oder seine Ehefrau einen Anspruch darauf erworben.“168 Der Autor stützt seine Argumentation auf ein Einzelbeispiel aus der 1888 zu Köln eingemeindeten Stadt Deutz. Die Schuster dieser Stadt genehmigten ihren Witwen im 18. Jahrhundert die Heirat außerhalb des Handwerks unter Beibehaltung der sozialen Sicherungsmaßnahmen, wenn die regelmäßigen Beitragszahlungen an die Zunft fortgesetzt würden und der Mann seine Tätigkeit nicht einfach aufkündigen kön 165 StadtAL, Inn Schneider B 11, Bl. 3. Vgl. StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 85b. 166 Ebd., Bl. 180b, 199b. – LANGE (Kürschner-Innung) 1925, S. 13f. 167 Eine Anzahl von Leipziger Stiftungen, die zugunsten von Handwerkern und deren Familien aufgelegt wurden, findet sich nicht nur verstreut in den Innungs- und Handwerksakten, sondern im Leipziger Stiftungsbuch von Geffcken und Tykorinski. Allerdings richten sich diese Stiftungen nur in seltenen Fällen explizit an Witwen und Waisen von Handwerkern. Vielmehr begünstigten sie arme Handwerker ganz allgemein. Eine Ausnahme bildete die Stiftung von Wenzel Buhle, dem Obermeister des Leipziger Kürschnerhandwerks, und seiner Frau Sabina am Ende des 17. Jahrhunderts. Mehr als die Hälfte des Stiftungskapitals von 500 Gulden sollten zugunsten von fünf Kürschnerwitwen eingesetzt werden. StadtAL, Inn Kürschner B 3, Bl. 176–176b. – GEFFCKEN, Heinrich / TYKORINSKI, Hajjim: Stiftungsbuch der Stadt Leipzig. Leipzig 1905, S. 174f. Dagegen war die Stiftung des Maurerobermeisters Friedrich Seltendorff aus dem Jahre 1763 eine personenbezogene Stiftung, welche die Tochter des Stifters dauerhaft absichern sollte. Ebd., S. 461. 168 KREBS (Handwerkerswitwe) 1974, S. 134. Abgemildert spricht Fröhlich nicht von einem rechtlichen, wohl aber einem moralischen Anspruch auf materielle Unterstützung. „In Erwartung und im Bewußtsein dieser Leistung nach seinem Tode an die Kinder [und die Witwe] zahlte der Meister seine regelmäßigen Beiträge.“ FRÖHLICH (Sicherung) 1976, S. 75.

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ne.169 Diese Vereinbarung, welche auf einer sehr speziellen Konstellation basierte, kann keineswegs auf die Gesamtheit der Hinterbliebenenversorgung im Zunfthandwerk übertragen werden. Bis auf die Leistungen aus den Grabe- und Leichenkassen waren gerade finanzielle Unterstützungen in den meisten Fällen nicht rechtlich-verbindlich fixiert und detailliert geregelt, sondern unterlagen zusammen mit sämtlichen Auszahlungsmodalitäten der Willkür der Handwerksorganisationen bzw. des Zunftvorstandes. Die sozialen Sicherungsformen der zünftigen Hinterbliebenenversorgung wurden, bis auf die genannten Ausnahmen, nicht durch eine Kohärenz von Beitragszahlung und Leistung, weder in der Höhe noch im generellen Bestand, charakterisiert.

6.4.2 Indirekte finanzielle Unterstützungen Häufiger gewährten die Zünfte den Witwen und Waisen finanzielle Unterstützung auf indirekte Weise. Diese Erleichterungen unterschieden sich ebenfalls jeweils von Gewerbe zu Gewerbe, von Stadt zu Stadt. Gebühren konnten einmalig oder mehrfach anfallen, Strafgelder wurden bei konkreten Normverstößen fällig. Beide Arten der Bar- oder Naturalleistungen – einige Gebühren oder Strafen sollten den Statuten nach in Wachs, Bier o. ä. bezahlt werden – konnten für Witwen und Waisen regelmäßig oder je nach Einzelfall herabgesetzt oder ganz aufgehoben werden. Einige typische Beispiele werden an dieser Stelle vorgestellt, auf mögliche Vergünstigungen für Meisterkinder oder Meisterwitwen, die gezielt deren (Wieder-)Verheiratung begünstigen sollten, wurde bereits eingegangen. In vielen Handwerken fielen die korporativen Beitragszahlungen der Hinterbliebenen (z. B. Quartalsgelder) gegenüber den vollen Beiträgen erheblich geringer aus, oft betrugen sie nur die Hälfte.170 Insbesondere den Handwerk treibenden Witwen wurde damit eine dauerhafte Unterstützung gewährt, doch bewegten sich die meisten Gebühren bereits auf recht niedrigem Niveau, wodurch die Entlastungen verhältnismäßig gering ausfielen. In besonderen Fällen wurden Beitragsgelder gänzlich erlassen, insbesondere wenn es sich um aufgelaufene, langjährige Schulden handelte, deren Rückzahlung ungewiss schien.171 Insgesamt zwei Taler „La 169 KAEBER, E. / HIRSCHFELD, B. (Bearb.): Quellen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte. Bergische Städte II: Blankenberg und Deutz (= Publikationen der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde, Bd. XXIX). Bonn 1911, S. 257. 170 Als eine kleine Auswahl an Belegen sollen dienen: StadtAC, Innungsarchiv Nr. 238, Bl. 28b. – StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 107b. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 4, Bl. 71. – StadtAD, RA, C. XXIV. 274b, Bl. 75b. – StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 125b. – StadtAZ, X, 49, 120, Bl. 1b. – StadtAZ, X, 50, 20, S. 207. Die Leipziger Schönfärber sind ein Beispiel dafür, dass diese Quartalsgelder für Witwen aber auch durchaus in der Höhe der Gebühren, die für Meister galten, verlangt werden konnten. StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 289b. 171 Beispielsweise finden sich Einträge wie dieser: „Es wird auch der Wittwe Wiesen mit genehmhaltung dere herrn älsten die in dem Schuld-Buche befindliche 2 r 15 g als ein Geschenck gegeben.“ StadtAL, Inn Schneider B 11, Bl. 55.

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den-Gelder“ erließ das Chemnitzer Strumpfwirkerhandwerk einigen „hinterlaßenen Kindern in Ansicht ihrer elenden Umstände am Weyhnachts-Quartal, den 17. Dec[ember] 1779“.172 Gleiches galt für Gebühren, die zu den verschiedensten Anlässen fällig wurden. Am ehesten kamen verwaiste Meistersöhne gegen ein geringeres Lehrgeld, niedrigere Aufding- und Lossprechungsgebühren oder völlig entgeltfrei in die Handwerkslehre.173 In vielen Fällen galten diese Regelungen jedoch nicht ausschließlich für Waisenkinder von verstorbenen Handwerkern, sondern wurden Meistersöhnen generell zugebilligt oder stellten für ärmere Schichten allgemein eine Gelegenheit dar, überhaupt eine Handwerkslehre aufzunehmen. Dass Letzteres nicht immer ohne Gegenleistung geschah, zeigten die verlängerten Lehrzeiten für diese Jungen. Die Dresdener Posamentierer legten in ihren Statuten von 1618 einerseits fest, dass Meistersöhne statt jeweils eines Talers beim Aufdingen und beim Lossprechen nur einen halben Taler zahlen mussten. Andererseits kamen die Posamentierer armen Lehrjungen entgegen. „Wan aber einer so arm sein wurde, daß Er kein geldt zu geben hette vnd vermöchte, soll es auf billiche vergleichung gestellet vnd derselbe desto Lenger zue lernen schuldigk sein.“174 Lehrlinge konnten für ihren Meister oder ihre Meisterwitwe billige Arbeitskräfte in Werkstatt, Haushalt oder Garten darstellen, sodass sicher einige dieser jungen Burschen sogar bevorzugt angenommen wurden. Der soziale Aspekt trat dann in den Hintergrund. Die regelmäßige Anwesenheit bei den Zunftversammlungen war in den zünftigen Gewerben, teilweise mit Ausnahme der Massenhandwerke, eine hohe Pflicht für alle das Handwerk treibenden Meister und Witwen. Aufgrund ihrer Lebenssituation wurde jedoch das Ausbleiben der Witwen und unmündigen Waisen der Schwarzfärber auf einer Zunftversammlung der Leipziger Hauptlade mit der „bößen Kriegszeit“ entschuldigt, wogegen die unentschuldigt fehlenden Meister mit hohen Geldstrafen belegt wurden.175 Die Minderung und der Erlass von Geldbzw. Naturalleistungen betrafen somit auch den Bereich der Strafgelder. Dem Schwarzfärber „Jacob Voigt von Wittenbergk wirt beclaget, das er onbewußt das Handtwergks eines Hirten Sohn gelernet, deroweg[en] ihm Anno 1603 vom Hantwergk die Straffe zuerkand word[en].“ Weil aber der Meister verstarb, wurde seinem gleichnamigen Sohn die Strafzahlung auf drei Taler verringert, „welche Jacob Voigt der Jünger uff negst kommenten Ostermarkt zuerlegen zugesaget“.176  172 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 239, Bl. 185b–186. 173 StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 249b. 174 StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 1, Bl. 114–114b. In fast allen untersuchten Handwerken finden sich ähnliche Regelungen, die nicht immer in die Statuten aufgenommen wurden. Allgemeine Gültigkeit erlangte die Regelung, dass ärmere Jungen ohne Lehrgeld länger zu lernen hatten, mit den kursächsischen Generalinnungsartikeln. Mandat die General-InnungsArticul für Künstler, Professionisten und Handwercker hiesiger Lande betreffend (Dresden, 08.01.1780), Kap. I § 13. 175 StadtAL, Inn Färber B 3, Bl. 33b–34. 176 StadtAL, Inn Färber B 1, Bl. 75.

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Strafgelder wurden jedoch nicht regelmäßig vermindert. Es bestanden kein Anrecht und keine Planungssicherheit, da im jeweiligen Einzelfall individuell entschieden wurde. Eine andere Form des Entgegenkommens für Hinterbliebene bildete die Einräumung zeitlichen Aufschubs für die Zahlung der verschiedenen monetären Verpflichtungen. Falls die Waisen eines Handwerkers sich in besonders jungem Alter befanden, konnte bei finanziellen Forderungen Rücksicht genommen werden: „Item es sol auch den verstorbenen waisen das handtwergk zu gut gehalten werden, wo sie es nicht zuuorlegen haben, biß so lange sie erwachssen, wollen sie wieder zu dem handtwerge komhmen so sollen sie alles, was sie schuldigk sein, von Ihrer Eltern tode ahn niderlegen und 177 geben.“

Bis zum Erreichen eines Mindestalters und der Aufnahme selbstständiger Handwerkstätigkeit wurden die Beiträge ausgesetzt. Wurden die Leistungen bei den Dresdner Tuchmachern „über Jahr und Tag“ jedoch nicht erbracht, duldete die Zunft die Witwen und Meisterkinder beim Handwerk nicht mehr, sondern schloss sie aus.178 Eigene oder vom verstorbenen Ehemann aufgenommene Darlehen konnten bei Fälligkeit gestundet werden.179 Gleichzeitig konnten andere Privilegien als Druckmittel eingesetzt werden, um eine Rückzahlung der Gelder schnellstmöglich zu erreichen. Die Leipziger Schneidermeister sagten auf ihrem Osterquartal 1721 den verschuldeten Witwen an, dass ihnen so lange keine Gesellen mehr zugeschickt würden, bis sie die Schulden abgezahlt hätten.180 Selbst kleinere Erleichterungen konnten so immer wieder zu Disziplinierungs- und Normierungsinstrumenten umgewandelt werden.

6.5 WEITERE KOLLEKTIVE UNTERSTÜTZUNGSFORMEN FÜR WITWEN UND WAISEN DER HANDWERKSMEISTER Neben den Privilegien auf dem Weg zur Meisterschaft, einem befristeten Fortführungsrecht, welches jedoch meist nur der Witwe zustand, und den beschriebenen materiell-finanziellen Unterstützungen gab es relativ wenige Sicherungsmaßnahmen für verwaiste Meisterkinder. Eine eher seltene Form der kollektiven Unterstützung wurde bei den Chemnitzer Webern angesprochen: „Am Quartal Crucii 1738, als daß Handwerck beysammen erschienen und demselben vorbracht wurde, wie ihnen wißend, daß ein Meister Adam Gottlieb Schuster daß Handwerck zu

 177 StadtAD, RA, C. XXIV. 274b, Bl. 170b. Vgl. ebenfalls die Nachfolgeordnung: StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 1, Bl. 288b. 178 StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 4, Bl. 21. Vgl. StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 86b. 179 StadtAZ, X, 50, 20, S. 206. 180 StadtAL, Inn Schneider B 2, Bl. 230b.

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Gefattern gebethen und demselben zum eingebinde 4 r Specie eingebunden worden, auch ob 181 denselben noch einiges solte ufs Bette gegeben werden.“

Sehr häufig kamen dagegen persönliche Patenschaften unter den Mitgliedern der gleichen Korporation oder zu Personen aus verwandten Berufsgruppen vor, sodass die Nachkommen im Notfall idealerweise auf die durch die geistige Verwandtschaft verstärkten Sozialbeziehungen zurückgreifen konnten. Häufig war die Etablierung einer Gevatterschaft aber unter den jeweiligen aktuellen Anlässen ökonomisch oder sogar politisch motiviert.182 Im Entwurf zu den Generalinnungsartikeln, der auf den 7. Januar 1767 datierte, war noch vorgesehen, die verwaisten Meisterkinder unter die fürsorgliche Vormundschaft von zwei anderen Meistern zu geben: „Desgleichen müßen die Aeltesten bey Absterben eines Meisters vor die Bevormundung deßen unmündiger Kinder Sorge tragen und ohne Zeit-Verlust, nach genommener Rücksprache mit der Wittbe, der Obrigkeit 2 taugliche Subjecta darzu in Vorschlag bringen. Die Versiegelung und Inventur der Verlaßenschaft eines verstorbenen Meisters oder Meisterin aber ist von Niemand anders als von der Obrigkeit zu veranstalten und [es ist] zu dem Ende den183 selben der Todes-Fall ungesäumt zu hinterbringen.“

Bei Inkrafttreten der Generalinnungsartikel fehlte diese Bestimmung allerdings wieder.184 Anderenorts verwirklichte man dagegen die Einsetzung und ortsobrigkeitliche Vereidigung von Vormündern für verwaiste Meisterkinder.185 Auch die Witwe bedurfte für Rechtsgeschäfte eines juristischen Vormundes. Ob dieser aber stets aus der zünftigen Meisterschaft kam, wie Konstantin Eberwein es für die Leipziger Bäcker konstatiert,186 erscheint ungewiss. Witwen nahmen auf jeden Fall an den Zunftversammlungen teil. Sie führten für ihre Anliegen oft selbst das Wort und wandten sich mit schriftlichen Eingaben an die Zunft. Ihre Stimmen wurden auf den Zunftversammlungen oder vor dem Rat vermutlich über einen berechtigten Vertreter („Curator“) für die verschiedensten juristischen Angelegenheiten geltend gemacht, wenn die Witwen nicht persönlich zur Abstimmung legitimiert waren.187 Oft unterstützten Handwerksorganisationen bedürftige Hinterbliebene, indem sie Begleitschreiben oder schriftliche Bestätigungsschreiben (Attestate) zu deren  181 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 212. Das Eingebinde oder Angebinde bildete das Taufgeschenk für den Täufling. 182 TEUSCHER (Soziabilität und Politik) 1998, S. 115–134, bes. S. 131. Exemplarisch für eine stichprobenhafte Auswertung der Leipziger Kirchenbücher nach Kriterien der Patenschaftswahl siehe: KORGE (Der gute Ruf) 2010, S. 78–83. 183 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 284, Bl. 250b–251. 184 Mandat die General-Innungs-Articul für Künstler, Professionisten und Handwercker hiesiger Lande betreffend (Dresden, 08.01.1780). 185 BÖHMERT (Zunftwesen) 1862, S. 82–87. – Mayer (Versuch einer Entwicklung) 1814, S. 118. 186 EBERWEIN (Bäckerzunft) 1925, S. 51. Für die Stadt Überlingen siehe: SCHMELZEISEN (Rechtsstellung) 1935, S. 43. 187 WERKSTETTER (Frauen im Augsburger Zunfthandwerk) 2001, S. 506f. – Dies. (Arbeitsfelder) 2004, S. 169.

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Suppliken verfassten, eigene Bittschreiben an die Orts- oder Landesobrigkeit ausfertigten oder vorgefertigte Schreiben im Namen der Korporation unterzeichneten. Während häufig mildtätige Motive und christliches Mitleid vermutet werden können, scheint im Protokoll der Leipziger Schneiderinnung durch, dass es durchaus nicht nur uneigennützige Gründe waren, die zur Ausstellung solcher Schriftstücke beitrugen: „Anno 1782, d[en] 21. August kombt die Frau Stiehlern und die Frau Schützen [und] beyte Bitten, die H[errn] Obermeister möchten Ihnen die Schreiben, welche sie haben machen laßen, um erlaßung ihrer [auf das] Rahthauß geben, und beite versprächen, niemahls keinen Taffel Schneider wieder zu setzen, es ist ihnen ihrer beyte Bitte auff ihr versprechen gewill188 farth und unter Schrieben worden.“

Die Handwerksorganisation stellte den zwei Meisterwitwen eine Bedürftigkeitsbescheinigung aus, mit der beide auf einen Gebührenerlass beim Rat spekulierten. Im Gegenzug mussten die Witwen jedoch einwilligen, keinen Gesellen mehr auszuheben und zu beschäftigen, was mittelfristig eventuell auf die Aufgabe des Handwerks hinauslief. Außerdem strebte natürlich jede Handwerksorganisation danach, die eigenen sozialen Ausgaben möglichst zu begrenzen und Bedürftige an andere Kassen zu verweisen. Bei den Grobgrün-, Vierdraht- und Trippenmachern wurde die Einführung von Lohntaxen für die abhängig Beschäftigten ebenfalls mit einem sozialen Argument begründet. Die Festlegung der Maximallöhne sollte verhindern, dass neben armen Meistern „sonderlich derselben hinterlaßene witben von den andern nicht vntergedrückt oder von den Spinnern nicht vbernemmen, Noch mit dem lohne vbersetzet werden mögen“.189 Dass den Witwen eigene Wohnungen durch die Zünfte angeschafft wurden, wie Friedrich Karl Nikolaus Rech in seiner Dissertation behauptet und sich dabei auf eine nicht näher beschriebene Jubiläumsschrift der Schuhmacher-Innung in Leipzig beruft, konnte nicht bestätigt werden. Die angeschaffte Schuhmacherimmobilie diente als Innungshaus und gegebenenfalls als Herberge zur Krankenversorgung der Gesellen.190 Statt eines selbstständigen Fortführungsrechts für Witwen und Meisterkinder wurde in einigen wenigen Handwerken eine andere Form der „Unterstützung“ praktiziert. Ein Entwurf der Zwickauer Tuchmacherartikel aus dem Jahr 1725  188 StadtAL, Inn Schneider B 1, Bl. 193b. 189 StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 20. Grobgrün-, Vierdraht- und Trippenmacher fertigten aus bestimmten Garnen Wollzeuge. GRIMM / GRIMM (Wörterbuch) 1935, Bd. 4, I. Abteilung, 6. Teil, Stichwort: Grobgrün, Sp. 412; 1951, Bd. 12, II. Abteilung, Stichwort: Vierdraht, Sp. 282. – KRÜNITZ (Encyclopädie) 1780, Bd. 20, Stichwort: Grobgrün, S. 108; 1854, Bd. 224, Stichwort: Vierdraht, S. 304. Siehe auch Kap. 4.7, Anm. 522. 190 RECH (Versicherungswesen) 1920, S. 9. Bei der fraglichen Festschrift könnte es sich um diejenige von Moser handeln, in der aber nicht auf den Verwendungszweck der erworbenen Wohnungen eingegangen wird. MOSER (Schuhmacher-Innung) 1882. Vgl. PETZSCH (Die lederverarbeitenden Gewerbe) 1921, S. 43.

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erwähnte, dass ein Meister, wenn er seine Familie verließ und über ein Jahr nicht wiederkehrte, das Meisterrecht verlor. „Jedoch bleibet denen Kindern, welche er hier bey seinen Meister-Recht in der Stadt gezeuget, das Handwerck unbenommen und ist erlaubet, bey Meistern zu arbeiten gegen Bezahlung 191 des jährlichen Verlags-Groschen“.

Gleiches sollte für Meisterkinder gelten, deren Vater verstorben war. Indem diese Meistersöhne und Meistertöchter für einen anderen Handwerksmeister als Hilfskräfte arbeiteten, erlangten sie ihr notdürftiges Einkommen. Durch die an die Zunft abführte Gebühr blieb ihnen der Status „Meisterkind“ erhalten, der sich bei einer späteren Meisterschaft und Heirat hoffentlich rentieren sollte.192 Ähnliche Regelungen sahen die Statuten der Dresdner Schneidermeister vom 10. August 1707 für die Witwen und verwaisten Töchtern vor, „welchen die Arbeit in einer andern Werck-Stelle nachgelaßen seyn soll“. Die arbeitenden Frauen sollten in jeder entsprechenden Werkstatt unter besonderer Aufsicht des jüngsten Meisters, des Herbergsvaters und des ältesten Gesellen stehen, da Frauenarbeit im Schneiderhandwerk ansonsten weitestgehend verboten und verrufen war.193 Bei den Leinewebern und den meisten Tuchmacher- und Schneiderzünften war die Arbeit von leiblichen, unverheirateten Töchtern und teilweise von Ehefrauen zum Schutz vor drohender Armut zu Lebzeiten des Meisters in dessen Werkstatt, sonst aber nirgends, erlaubt, sodass nach dem Tod des Vaters ein Arbeitsrecht im Handwerk ohne eigenes Fortführungsrecht unwahrscheinlich scheint.194 Schon die Beschäftigung von verwaisten, nahen Verwandten konnte leicht zu Konflikten führen. So wehrten sich die Schneider in Leipzig gegen die Anstellung einer verwaisten Nichte durch den ursprünglich aus Chemnitz stammenden Mitmeister Georg Rudolf, da keinem Meister „seine Mägde, Dienstbothen oder auch andere Weibes Persohnen, außer seinen selbsteigenen Kindern undt Weibe, auf die Werkstadt niederzusetzen, Sie nebenst seinen Gesellen arbeiten zu laßen oder dieselben zum Handtwercke zu unterweisen, verstattet und zugelaßen worden 195 sey“.

Rudolf schrieb daraufhin an den Chemnitzer Rat, „daß Ich das arme, von Vater undt Mutter verlaßene Weyseleinn meiner verstorbener Schwester Tochter zu allen guten erziehe undt damit es zu keinen müßiggang gewohnet werde“ und dass er als „ein armer abgebrandter Mann undt zu mein undt der meinen lebens Unterhaltung kein ander mittel weiß noch habe, alß was Ich mit meiner fleißigen arbeit  191 StadtAZ, X, 49, 54, Bl. 32b. 192 Ebd. 193 StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 317b–318. Vgl. Ebd., Bl. 342b, 352. – BRÄUER (Verarmungsprozesse) 1998, S. 13. 194 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 286, Bl. 70. – StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 32, 178. – StadtAZ, X, 1, 17, Bl. 45b. – StadtAZ, X, 25, 1, Bl. 2. 195 StadtAC, RA, Kap. IX. Se 2, Bl. 11.

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an gar wenigen erlange“. Da er ein Chemnitzer und kein Leipziger Meister sei, wünschte er die Vorlage eines Artikels der Chemnitzer Statuten, die ihm seine Handlung verbieten würde.196 Ob die Beschäftigung des Waisenkindes in Chemnitz eher geduldet worden wäre in Leipzig, kann nicht belegt werden. Bei den Tuchscherern war den Meisterkindern speziell das Scheren nicht erlaubt, die Posamentierer untersagten die Beschäftigung weiblicher Arbeitskräfte inklusive der eigenen Töchter völlig.197 Als letzter Schritt soll geprüft werden, ob es sich bei den verschiedenen Maßnahmen und Strukturen überhaupt um wirkungsvolle soziale Sicherungsmechanismen für Hinterbliebene gehandelt hat. Diese Prüfung beinhaltet zwei verschiedene Aspekte: erstens die Motive der Handlungsträger und zweitens die Effizienz der Maßnahmen. Bevor dies geschieht, wird noch auf die Hinterbliebenenversorgung zugunsten der Gesellenfamilien eingegangen.

6.6 DIE KOLLEKTIVE SICHERUNG DER HINTERBLIEBENEN IN DEN GESELLENFAMILIEN Bislang war fast ausschließlich von der Unterstützung der Hinterbliebenen eines Meisters durch die Handwerkszünfte die Rede. Im Gegensatz zu dem Ideal eines Meisterehepaares war für die Gesellen in vielen Handwerken die Erlaubnis zu heiraten erst mit dem Meisterrecht verbunden. Sich als Geselle in diesen Gewerben vor der Anmeldung zur Meisterschaft bzw. vor dem Meisterspruch zu verehelichen, bedeutete den Verzicht auf die Chance, jemals eine eigene Werkstatt führen zu dürfen. Daher war es zumindest theoretisch in den Gesellenschaften dieser Textil- und Bekleidungsgewerbe nicht nötig, die Hinterbliebenenversorgung innerhalb der Gesellenorganisationen zu regeln. Im gesamten Untersuchungszeitraum existierten dennoch Gesellenfamilien, mit denen in den einzelnen Handwerken auf heterogene Art und Weise umgegangen wurde. Während zu bestimmten Zeiten in einigen Handwerken Gesellenfamilien im Prinzip zur gesellschaftlichen Normalität gehörten und akzeptiert wurden, verstanden es andere Gesellenschaften ihre verheirateten Kollegen unter erheblichen Druck zu setzen und zu marginalisieren.198 Die grundsätzliche Einstellung der Gesellenschaft zur Gesellenheirat hatte vermutlich Auswirkungen auf die kollektive Bereitschaft, mögliche Unterstützungsleistungen beim Tod eines Handwerksgesellen für dessen Familie zur Verfügung zu stellen. Leider waren schriftliche Zeugnisse hierfür nur sehr sporadisch vorzufinden. Neben ersten vereinzelten Ansätzen, die aber umso wichtiger er 196 Ebd., Bl. 13–14b. 197 StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 303, 304. – StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 320b. – StadtAZ, X, 50, 20, S. 198f., 201 198 Siehe Kap. 3.3.2.

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scheinen, widmeten sich die meisten Gesellenschaften relativ spät dem Problem der Hinterbliebenenversorgung. War die Gründung eines eigenen Haushalts unter den Gesellen wie bei den Zwickauer Tuchmachern oder den Chemnitzer Webern im 16. und 17. Jahrhundert üblich oder zumindest verbreitet, stieg die Wahrscheinlichkeit, dass die Angehörigen der Gesellen im sozialen Notfall kollektiv unterstützt wurden. Die Zwickauer Knappinnen und Kämmerinnen, die zu einem erheblichen Teil mit den Tuchknappen verheiratet waren, begründeten gemeinsam mit ihren männlichen Berufskollegen eine der ältesten Unterstützungskassen im obersächsischen Handwerk, die von den Betroffenen selbst getragen wurde. Somit konnte durchaus ein Gesellen-Ehepaar soziale Leistungen beziehen und vereinzelt wurden sogar Kinder der Gesellen unterstützt. Die meisten Unterstützungsleistungen bei Tod oder auch Krankheit erfolgten aber nicht aufgrund des jeweiligen Familienstandes bzw. primär aus Rücksicht auf die Hinterbliebenen, sondern unabhängig von der Existenz einer Ehe auf der Basis der eingezahlten Beiträge.199 Direkte materielle Unterstützungen in Form von Almosen für Witwen und Waisen von Gesellen wurden in seltenen Fällen von Handwerksinnungen und Gesellenorganisationen gegeben. Die Strumpfwirkermeister in Chemnitz spendeten im Jahr 1777 für die Beerdigung der Gesellenwitwe Johannen Christianen Schreiberin 13 Groschen.200 Unmittelbare Hilfe erhielten die Angehörigen verstorbener Gesellen durch die Zahlung von Sterbegeldern nur bei wenigen Gesellenschaften.201 Allein die Existenz dieser Hilfsmaßnahme darf nicht zu dem Schluss verleiten, dass das Geld den Hinterbliebenen zur Verfügung stand. Einzelne Ansätze der finanziellen Unterstützung im Rahmen des Begräbniswesens dienten erstens nicht primär der Hinterbliebenenversorgung.202 Zweitens gestaltete sich die Entwicklung in anderen Handwerken und besonders im 18. Jahrhundert deutlicher weniger tolerant gegenüber den „Beweibten“ als beispielsweise bei den Zwickauer Tuchknappen. Bei den Barettmachern und Strumpfstrickern durften überhaupt keine verheirateten Gesellen gefördert werden,203 sodass sich die Frage nach der sozialen Absicherung für Hinterbliebene der verstorbenen Gesellen erübrigte. Vielmehr wirkte das Heiratsverbot der Gesellen auf die Meisterfamilien zurück. Der Verlust des Handwerksmeisters auf der einen Seite verbunden mit der untersagten Gründung einer eigenen Familie und dem Streben nach dem Meisterrecht auf der anderen Seite begründeten die „ideale Grundlage für die materielle Sicherung der weiblichen Familienangehörigen der

 199 StadtAZ, X, 49, 135. – BRÄUER (Lohnarbeiter) 1980, S. 37. Siehe Kap. 4.7. 200 StadtAC, Innungsarchiv Nr. 239, Bl. 329b. Siehe auch: StadtAZ, X, 49, 127, Rechnung 1544/45, Bl. 29b. 201 StadtAD, 11.2.66, Nr. 64, Bl. 5–5b. – StadtAL, II. Sektion S (F) 1860, Bl. 7. – StadtAL, II. Sektion S (F) 1941, Bl. 12. 202 Siehe Kap. 5.4.1. 203 StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 378.

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Meister“ durch eine (Wieder-)Verheiratungsstrategie.204 Diese Haltung stellte in einigen Handwerken einen wichtigen Grund dafür dar, dass sich keine Zeugnisse der sozialen Sicherung der Hinterbliebenen von Gesellen finden ließen. Allerdings konnten sich die Magistrate gegen den Willen der Handwerke durchaus bereitfinden, eine Gesellenheirat notfalls zu bestätigen, wenn dadurch die Versorgung beispielsweise einer Geschwängerten gesichert wurde.205 Nach den Regelungen vieler Handwerksstatuten hatten sich die Gesellen kurz vor dem Meisterspruch mit einer ehelich geborenen und ehrlich gehaltenen Frau zu verheiraten. Verstarben diese mutenden Gesellen dennoch vor dem Erlangen der Meisterwürde, fühlte sich die Zunft für das Schicksal der zurückgelassenen Frauen in keiner Weise verantwortlich, da sie den Status einer Meisterwitwe noch nicht erlangt hatte. Dies war insbesondere dann der Fall, wenn es sich bei der zurückgelassenen Frau um eine Handwerksfremde und keine Witwe oder Tochter eines verstorbenen Meisters handelte. Für die betreffende Gesellenschaft bildete die Hinterbliebene ebenfalls keine potenzielle Unterstützungsempfängerin, wenn Gesellenheiraten in diesem Handwerk grundsätzlich nicht gestattet waren.206 Somit bildete die Hinterbliebenenversorgung in den Gesellenorganisationen von wenigen Ausnahmen abgesehen kein relevantes Thema.

6.7 GEDANKEN ZUR MOTIVATION Die Suche nach der Motivation historischer Akteure nimmt oft hypothetische Züge an, da sich die Handlungsträger nur selten erklärten. Dennoch soll der Frage nach dem Warum nachgegangen werden. Natürlich war dem Einzelnen im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit mehr als bewusst, welche Zäsur der Tod im Leben des Menschen und seiner Angehörigen spielte. Die Vorstellung eines Arbeits- und Ehepaares im Handwerk entspricht diesem Bewusstsein und unterstreicht den Einschnitt, den der Tod eines der beiden Ehepartner auf die restliche Familie haben musste. Aus diesem Wissen heraus resultierte ein rationales Streben des Einzelnen nach Mechanismen, welche die Seinigen vor den negativen Folgen im Fall des Todes bewahren oder deren Ausmaß eindämmen sollten. Werden die Zünfte als Interessenvertretungen der Handwerker und ihrer Familien betrachtet, hatte jedes Mitglied das Ziel, seine individuellen Bestrebungen auf die kollektive Politik der Berufsorganisationen zu übertragen. Wichtige Voraussetzungen für die weitgehende Durchsetzung dieses Zieles waren sicherlich entweder ein großer Einfluss einzelner machtvoller Akteure, wenn sie dieses Ziel verfolgten, oder ein relativ homogenes Interesse der (meisten) Zunftmitglieder am  204 SCHWARZ (Handwerksgesellen in Bremen) 1975, S. 40. Vgl. SCHULZ, Andreas: Vormundschaft und Protektion. Eliten und Bürger in Bremen 1750–1880 (= Stadt und Bürgertum, Bd. 13). München 2002, S. 150. 205 StadtAL, Rb 26 (1570–1571), Bl. 171b. 206 Siehe Kap. 6.3.7, Anm. 119.

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Hinterbliebenenschutz, welches Letztere so lange gegeben war, wie eine Verheiratung zu den Grundbedingungen der Meisterschaft gehörte. Doch neben dem Bedürfnis, die eigenen Angehörigen abgesichert zu wissen, standen weitere Beweggründe, die zu den verschiedenen Formen kollektiver Absicherung für Witwen und Waisen der Meister eines ganzen Handwerks beitrugen. Die Schutz- und Fürsorgebedürftigkeit von Witwen und Waisen wurde bereits im Alten Testament erwähnt. Die Sorge um bedürftige Hinterbliebene galt demnach als ehrenvolle und „heilige“ Pflicht und erlegte unter anderem den Handwerksorganisationen eine christliche Mitverantwortung für diese hilfsbedürftigen Personen auf.207 Neben dem christlichen Auftrag bestand nach Wissell für die Meisterzünfte die moralische Verpflichtung, sich um die Hinterbliebenen zu kümmern. Das Pflichtgefühl resultierte gewissermaßen aus einer „Nachwirkung des bruderschaftlichen Geistes der alten Gilden“. Während für den Sozialdemokraten Wissell die Zunft somit eine große familiäre Gemeinschaft gleichgesinnter Angehöriger eines Berufsstandes bildete,208 begründete Schmelzeisen die verschiedenen Versorgungsmaßnahmen für die Hinterbliebenen juristisch. Für ihn seien die Angehörigen der Handwerksmeister Zunftmitglieder abgeleiteten Rechts. Die Verbindung der Angehörigen zum Zunftkollektiv beruhte auf ihrer Beziehung zum Inhaber des Zunftrechts, also der Beziehung zum Meister als Ehemann, Vater, Dienstherr usw. Der Zusammenschluss aller ehrbaren Meister zu einer Handwerksinnung und der ihr innewohnende Bruderschaftsgedanke konstituierten demnach eine „Schutzgenossenschaft“, welche die verschiedenen Meisterhaushalte umfasste.209 Bei Verlust des Haushaltsvorstandes würde die Zunft stellvertretend Sorge tragen, dass die Hinterbliebenen nicht ins Bodenlose fielen. Jüngere Forschungen haben sich davon verabschiedet, geradlinig von einer zünftigen „Schutzgenossenschaft“ auf eine soziale Hinterbliebenenversorgung zu schließen und betonen die mitunter ambivalenten oder gar destruktiven Auswirkungen der Einzelmaßnahmen für Hinterbliebene wie für Außenstehende.210 Sich gebührend um die im Diesseits zu 207 Vgl. BRUNNER, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Erster Band (= Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft, Zweite Abteilung, 1. Teil, Bd. 1). Leipzig ²1906, S. 331. – MEUMANN, Markus: Unversorgte Kinder, Armenfürsorge und Waisenhausgründungen im 17. und 18. Jahrhundert. Eine sozialgeschichtliche Einführung. In: STRÄTER, Udo / NEUMANN, Josef N. (Hrsg.): Waisenhäuser in der Frühen Neuzeit (= Hallesche Forschungen, Bd. 10). Tübingen 2003, S. 4. – STOLTZE (Die eisenverarbeitenden Gewerbe) 1920, S. 36f. – WUNDER (Frauen in der Gesellschaft) 1985, S. 429. 208 WISSELL, Rudolf: Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit (= Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 7). Bd. 2. Berlin ²1974, S. 435. 209 SCHMELZEISEN (Rechtsstellung) 1935, S. 29–31. Vgl. SCHERNER, Karl Otto: Das Recht der Armen und Bettler im Ancien régime. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 96/1979, S. 57. – ZIEKOW (Freiheit und Bindung) 1992, S. 177. 210 KREBS (Handwerkerswitwe) 1974, S. 54, 116, 140 u. ö. – ROPER (Das fromme Haus) 1999, S. 50f. – WERKSTETTER (Frauen im Augsburger Zunfthandwerk) 2001, S. 144.

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rückgelassenen Angehörigen ihrer Arbeitskollegen zu sorgen, berührte nach Meinung von Keller sogar das Ansehen und die Ehre der Zunft.211 Natürlich wirkten die zahlreichen Maßnahmen auf unterschiedliche Weise, sodass verschiedene Motive zu unterstellen sind. Die Verheiratung von Meisterwitwen und -töchtern anzustreben oder ihnen eine Fortführung des Meisterbetriebes zu gestatten, zielte auch darauf, die Handwerkskassen zu schonen, indem die Hinterbliebenen ökonomisch auf eigene Füße oder die ihrer zukünftigen Ehepartner gestellt wurden. Gerade das Fortführungsrecht könnte speziell zugunsten derjenigen Witwen und Waisen eingesetzt worden sein, die nicht am untersten Rand des Handwerksmilieus lebten. Damit wäre die Stichhaltigkeit des Arguments der finanziellen Entlastung der Zunftkassen teilweise in Zweifel gezogen, weil ärmere Hinterbliebene nur recht kurzfristig das Handwerk ohne (Wieder-)Verheiratung ausüben konnten. Wird die Weiterführung der Werkstatt durch die Witwen oder Töchter von der Seite der einheiratenden Männer betrachtet, sinken das Fortführungsrecht zur „Überbrückungshilfe“ und die Frauen zu „Platzhalterinnen“ für die zukünftigen Handwerksmeister herab.212 Drohte eine übermäßige Zunahme der Werkstättenanzahl, weil zu viele Hinterbliebene die Betriebe weiterhin führten und damit die Zahl der Wirtschaftskonkurrenten vergrößerten, so konnte durch stärkere Reglementierung des Fortführungsrechts oder Ersetzung desselben durch andere Formen der sozialen Sicherung gegengesteuert werden.213 Nicht zuletzt zur Versorgung von Witwen und Meistertöchtern lockten einige Zünfte ihre Gesellen mit Vergünstigungen oder drängten sie zur Einheirat, indem den nicht einheiratenden Kandidaten nur wenige Chancen auf eine Meisterschaft eingeräumt wurden. Dagegen bewirkte die direkte Vergabe von Almosen im Nebeneffekt, dass die Empfänger in eine Art Schuldverhältnis zum Almosengeber versetzt wurden.214 Gleich mehrere Beweggründe, die Fortführungsrechte, Heiratspolitiken und finanziellen Zuwendungen der Zünfte zu bestätigen, besaßen die kommunalen und staatlichen Obrigkeiten. Sie wurden ebenfalls bis zu einem gewissen Grad von religiösen und fürsorgerischen Vorstellungen geleitet. Auch hatten Ehefrau und Kinder durch den Bürgerrechtsstatus ihres Ehemannes bzw. Vaters „volle genossenschaftliche Teilhabe“ an der städtischen Gemeinschaft erlangt, wodurch die Stadt zu deren elementarer Versorgung verpflichtet war.215 Unzweifelhaft hatten Stadt wie Landesherr also ein finanzielles Interesse an der Übernahme der sozialen Funktion der Hinterbliebenenversorgung durch die Handwerksinnungen. Im 18. Jahrhundert genügten im zünftigen Handwerk christliche Barmherzigkeit, Bruderschafts- oder Solidaritätsgedanke, Gewohnheitsrecht und Ehrgefühl zunehmend nicht (mehr), um die Hinterbliebenen zumindest notdürftig abzusichern. Mit dem Ausbau der Armenfürsorge in den Städten ging das Interesse bzw.  211 212 213 214 215

KELLER (Armut und Tod) 2000, S. 216. INGENDAHL (Witwen) 2006, S. 162, 166. RECH (Versicherungswesen) 1920, S. 12f. Zum Verständnis von Geschenken und Almosen siehe: GROEBNER (Liebesgaben) 2002. DILCHER (Bürgerbegriff) 1980, S. 79.

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der Bedarf der Handwerksorganisationen an der Absicherung der Hinterbliebenen zurück. Man verließ sich zunehmend auf andere Hilfsquellen, sodass der Druck auf das öffentliche Fürsorgesystem stieg und Gegenreaktionen produzierte. Die Masse an verwitweten und verwaisten Bedürftigen, die betteln ging oder durch städtische Armenkassen unterstützt werden musste, veranlasste beispielsweise Kameralisten wie Paul Jacob Marperger zu appellieren, dass doch die Handwerkswitwen durch die Zünfte selbst versorgt werden müssten. Es sollte „ihnen darzu (weil es gar leichtlich und wohl angehen kan) kein Heller Zubusse, weder von dem Publico noch den Aerario Sacro & pauperum, gegeben werden“, denn dies sei schließlich eine zünftige Pflicht.216 Entsprechend diesem Gedanken genehmigte ein landesherrliches Reskript am 13. Juli 1716 den Vorschlag des Dresdner Stadtrats, wonach primär weder die Öffentlichkeit noch die staatlichen Kassen, sondern sämtliche Handwerkskorporationen für die finanzielle Versorgung bedürftiger Mitglieder und deren Hinterbliebene verantwortlich wären. Im Namen des sächsischen Kurfürsten forderte die Regierung von den Ratsherren „ihr wollet, einem unmaasgeblichen gethanen Vorschlage nach, welchen Wir hierdurch vor genehm halten und approbiren, die Zünffte und sämbtlichen Innungen derer Handtwercker alhier darzu bedeuten und anhalten, daß sie zu Versorgung ihrer Handtwergks-Genoßen, hinterlaßenen Witben und Kindere auß ihrer Meister-Lade das Benöthigte unweigerlich hergeben, und ein ieder Meister zu sothanen Bedürffnüße monathlich so wohl alß auch ein neuer Meister bey Erlangung des Meister-Rechts iedesmahl etwas gewißes mit beytragen und erle217 gen“.

Zur Verpflichtung der Zünfte zur Hinterbliebenenversorgung trat mit den Generalinnungsartikeln 1780 die Forderung nach einem allgemeingültigen Fortführungsrecht für Meisterwitwen hinzu, da die übrigen Sicherungsmaßnahmen größtenteils nicht den erwünschten Effekt eines Hinterbliebenenschutzes in ausreichendem Maße erfüllten.

6.8 ZUSAMMENFASSUNG UND BEWERTUNG ALS SOZIALE SICHERUNGSFORM Zugunsten der Hinterbliebenen eines Meisters existierten im organisierten Handwerk mehrere Möglichkeiten der sozialen Sicherung, welche, wie das Beispiel des Fortführungsrechts zeigt, die Handwerkskorporationen in verschiedener Intensität nutzten. In den meisten Statuten fanden sich knappe Äußerungen zum Fortführungsrecht und zur Privilegierung von Meistersöhnen und einheiratenden Gesellen. Seltener waren dagegen Aussagen über allgemeine finanzielle Unterstützungen von Witwen und Waisen aus den gemeinsamen Zunftkassen. Die Minderung oder der Erlass von Gebühren, die für die Ausübung des Gewerbes nötig waren,  216 MARPERGER (Wohlmeynende Gedancken) 1733, S. 95. 217 StadtAD, RA, B. XII. 31, Bl. 8–8b.

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kamen häufiger vor, wurden aber nicht immer explizit in den Handwerks- und Rechnungsbüchern vermerkt. Selbst wenn man nicht allein statutarische Festlegungen betrachtet, hatte die Vorstellung von der Versorgung der Hinterbliebenen durch Heirat bzw. Wiederverheiratung Vorrang vor der eigenständigen Fortführung des meisterlichen Betriebes und vor direkter finanzieller Unterstützung durch die Zunft. Diese Vorstellung wurde von manchen normativen Regelungen und idealisierenden Ansichten teilweise unterstützt. Zumindest in einigen Handwerken kann eine Verschärfung der Bedingungen des Fortführungsrechts festgestellt werden, indem der Druck zur (Wieder-)Verheiratung und für den Erwerb des Meisterrechts durch Meistersöhne oder Einheiratende erhöht wurde. Erst ab dem Ende des 18. Jahrhunderts konnte sich überhaupt ein allgemeines, wenngleich auf längere Sicht häufig theoretisches Fortführungsrecht für die Meisterwitwen (Witwenrecht) durchsetzen. Und auch wenn den Witwen wie im Tuchmacherhandwerk durchgehend fast keine formellen Beschränkungen des Fortführungsrechts durch die Handwerksordnungen auferlegt wurden, stellt dies nur eine Seite der Realität dar. Der auf den Witwen und Waisen in die Richtung einer (Wieder-)Verheiratung zielende Druck musste nicht einmal von den Handwerksorganisationen herrühren, da in vielen Fällen rechtliche und ökonomische Gegebenheiten eine zügige Verheiratung nahelegten. Daher konnte eine Heirat und die Versorgung durch den neuen Ehemann tatsächlich eine bessere Überlebenschance bedeuten, als die unsichere Fortführung eines Witwenbetriebs. Dennoch fanden sich erstaunliche Beispiele einer lang anhaltenden Existenz dieser von Frauen geführten Werkstätten. Zur Effizienz der (Wieder-)Verheiratungsstrategie liegen unterschiedliche Einschätzungen vor. Wird für das spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Stadtwesen ein Frauenüberschuss angenommen, ließ dieser eine Bevorzugung der ins Handwerk einheiratenden Gesellen besonders nötig erscheinen. Häufig auftretende Ehen zwischen älteren Meisterinnen und jüngeren Gesellen würden eine erfolgreiche und verbreitete Wiederverheiratungsstrategie belegen. Im Gegensatz dazu sehen andere Arbeiten einen Grund für die größere Anzahl von Witwen gegenüber Witwern in einer teilweise missglückten Heiratsstrategie der Zünfte und im Heiratsverhalten der Männer, welche neben begüterten vorzugsweise jüngere Frauen favorisierten.218 Trotz der beschriebenen praktischen Umsetzungsprobleme stand wohl die (Wieder-)Verheiratungsstrategie als Form sozialer Sicherung im Handwerk an erster Stelle. Selbst die Innungen äußerten sich zur privilegierten Meisterschaft der Meistersöhne und einheiratenden Gesellen, dass  218 BOS (Tradition) 2006, S. 186. – KELLER (Gemeinschaft) 1990, S. 75. – INGENDAHL (Witwen) 2006, S. 155–157. – MITTERAUER (Familienbetriebliche Struktur) 1979, S. 115f. – Ders.: Familienwirtschaft und Altenversorgung. In: Ders. / SIEDER, Reinhard (Hrsg.): Vom Patriarchat zur Partnerschaft. Zum Strukturwandel der Familie. München 41991, S. 202. – ROPER (Das fromme Haus) 1999, S. 49f. – STANNEK (Armut und Überlebensstrategien) 1998, S. 102. – WUNDER (Er ist die Sonn’) 1992, S. 180–187.

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„das Handtwerck nach vieler Uberlegung kein bequemer Mittel [hätte] erfinden können, daß die Wittiben und Töchtere versorget, hingegen die frembden nicht so gar sehr gehäuffet, jedoch auch wenn sie ins Handtwerck freyhen, dennoch nicht beschweret werden, sondern vor 219 geringe Kosten das Meister-Recht gewinnen mögen“.

Auch wenn nach modernen Maßstäben gerade diese Maßnahme nur bedingt als anzustrebende Sicherungsform gelten kann, beinhaltete sie doch somit beide Momente: Zwang und Disziplinierung auf der einen, Überlebenschance und soziale Sicherung auf der anderen Seite. Nicht allen Witwen, besonders nicht in fortgeschrittenem Alter, bot sich jedoch überhaupt die Möglichkeit der Wiederverheiratung. Der außerordentlich hohe Anteil bedürftiger Witwen und Waisen unter den Armen im späten Mittelalter und vor allem in der frühen Neuzeit verdeutlichte, dass die „vormoderne“ Gesellschaft hierbei mit einem realen Versorgungsproblem konfrontiert war. Auch Angehörige verstorbener Handwerker waren in beachtlichem, in bestimmten Gewerben (Schneider, Schuhmacher) sogar in überproportionalem Maße unter den Bedürftigen zu finden. Die zünftigen Sicherungsmaßnahmen blieben somit insgesamt, wenn sie nicht kontraproduktiv waren, doch unzureichend.220 Von einer umfassenden, durchgehend positiv einzuschätzenden Sorge für die Hinterbliebenen durch die Handwerkszünfte kann ebenso wenig wie von einer feministisch vorangetriebenen Generalkritik der von den Meistern dominierten Korporationen die Rede sein. Sozialfürsorgliche Motive vermischten sich durchaus mit ökonomischen und finanziellen Interessen der Handwerksorganisationen und der konkurrierenden Meisterschaft. Einige Maßnahmen nutzten mutmaßlich einigen vornehmlich bessergestellten Meisterfamilien und wirkten (beabsichtigt oder unbeabsichtigt) in selektiver Weise. Im Gegensatz zu den Zünften nahm das Thema der Hinterbliebenenversorgung in vielen Gesellenschaften einen untergeordneten Rang ein und trat hinter die Sicherungsmaßnahmen im Kranken- und Begräbniswesen zurück. Die langfristige Haltung der Handwerksorganisationen gegenüber den hinterbliebenen Witwen von Handwerksgesellen und deren Kindern hing von den Lebensumständen der Gesellen in den einzelnen Gewerben ab. Dabei sind Faktoren wie die  219 StadtAL, Tit. LXIV (F) 152, Bl. 112b. Für das Wien des 19. Jahrhunderts weist allerdings Steidl der Wiederverheiratung von Handwerkswitwen eine ziemlich geringe Rolle zu, da es kaum noch Beschränkungen des Witwenrechts gab. Eine umso größere Rolle spielten die ökonomischen Bedingungen in den einzelnen Handwerken und die sozioökonomischen Unterschiede zwischen den Witwen oder zu den Zunftmeistern. STEIDL (Witwenpensionen) 2000, S. 341f., 346. 220 Vgl. BRÄUER (Leipziger Rat) 1997, S. 94–96. – Ders.: Altersarmut. In: JAEGER, Friedrich (Hrsg.): Enzyklopädie der Neuzeit. Bd. 1: Abendland-Beleuchtung. Stuttgart, Weimar 2005, Sp. 263. – BRÄUER (Armenmentalität) 2008, S. 61. – ESER (Armenpolitik) 1996, S. 254f. – INGENDAHL (Witwen) 2006, S. 125. – SCHUBERT, Ernst: Erscheinungsformen der Armut in der spätmittelalterlichen deutschen Stadt. In: BRÄUER, Helmut / SCHLENKRICH, Elke (Hrsg.): Die Stadt als Kommunikationsraum. Beiträge zur Stadtgeschichte vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Festschrift für Karl Czok zum 75. Geburtstag. Leipzig 2001, S. 694. – STEIDL (Witwenpensionen) 2000, S. 339f.

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Reichweite der Integration in den Meisterhaushalt, die Arbeits- und Lohnverhältnisse und die Bedingungen zur Erlangung des Meisterrechts zu berücksichtigen.

7. BILANZ UND AUSBLICK Die breit gefächerten empirischen Befunde der vorliegenden Studie erschweren die generalisierende Zuspitzung der bisweilen kleinteiligen Analyseergebnisse auf eine knappe und zugleich erschöpfende Zusammenfassung. Dennoch soll im Folgenden der Versuch gewagt werden, einige grundsätzliche, thesenartige Bemerkungen zu formulieren, die – soweit möglich – wesentliche Resultate der Arbeit in komprimierter Form bilanzierend wiedergeben, ohne dabei auf jede Abweichung und Besonderheit Rücksicht zu nehmen.

1. Rekonstruktion durch Differenzierung in der Vorgehensweise Hinter der mannigfaltigen Präsenz der Unterstützungsformen in den Bereichen des Kranken-, Begräbnis- und Hinterbliebenenwesens durch die frühneuzeitlichen Handwerksorganisationen der Textil- und Bekleidungsgewerbe in den vier ausgewählten sächsischen Städten sowie in der zeitlich und räumlich wandelbaren Ausgestaltung dieser sozialen Sicherungsvorstellungen verbirgt sich bereits die Frage nach der elementaren Möglichkeit einer analytischen Verallgemeinerung, die über die genannten Fakten hinausgeht, ohne bedeutende Informationen zu vernachlässigen. Ein konsistenter Vergleich der verschiedenen Handwerksgewerbe in den städtischen Gemeinwesen wird durch die erheblichen Überlieferungslücken und methodischen Unwägbarkeiten verhindert. Trotz dieser Schwierigkeiten zeichnete sich die Gestalt eines variantenreichen, selbsthilfeorientierten Kranken-, Begräbnis- und Hinterbliebenenunterstützungswesens ab, dem sich ausschließlich mittels eines stark differenzierenden Zugriffs genähert werden kann, um die historischen Realitäten möglichst wirklichkeitsgetreu zu rekonstruieren, ohne der Gefahr einer unvertretbaren Pauschalisierung von vornherein zu erliegen. Insbesondere was motivationale Fragen der Handlungsträger anbetrifft, empfiehlt sich eine Differenzierung der Korporationsmitglieder in verschiedene Interessengruppen, die sich aufgrund ihrer unterschiedlichen sozioökonomischen Arbeits- und Lebensbedingungen nicht zu homogenen Interessenvertretungen zusammenschlossen. Sie bildeten stattdessen konfliktträchtige Personenvereinigungen, deren Mitglieder einen lediglich eingeschränkt vergleichbaren beruflich-sozialen Hintergrund und nur begrenzt gemeinsame Wertevorstellungen aufwiesen.

2. Egoistische Familiencliquen oder solidarische Gemeinschaften? Die noch immer verbreiteten, traditionsbehafteten und zählebigen Bilder der Gesellen- und Zunftorganisationen als einerseits eigennützige, nach außen abge-

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schlossene Familienkreise oder andererseits christlich-barmherzige, vom Opfersinn geleitete Solidargemeinschaften verwandeln sich bei einer empirisch breit unterlegten Gegenüberstellung mit den normativ formulierten und speziell den tatsächlich realisierten kollektiven Sicherungsmaßnahmen zu intendiert aufgeladenen Zerrbildern, die der historischen Realität nicht gerecht werden können. Weder traten die Handwerksorganisationen per se in Form von egoistischabgeschlossenen Wirtschaftsverbänden ohne essenzielle soziale Unterstützungsfunktionen auf, noch können die Vereinigungen der kursächsischen Handwerksmeister und -gesellen am Ende des Mittelalters und in der frühen Neuzeit als homogen-bruderschaftliche Interessengemeinschaften charakterisiert werden, die sich unter dem idealistischen Leitbild eines solidarischen Zunftgeistes in gemeinnützig-altruistischer Weise für in Not geratene einheimische Inkorporierte wie Fremde eingesetzt hätten. In einer zugespitzten, ausschnittartigen Perspektive können sich selbstverständlich Belege für beide Formen extremer Einschätzung finden, doch bleiben diese Befunde randständige Erscheinungen. Das zünftige soziale Sicherungswesen kann vielmehr als ein hauptsächlich rationalpragmatisch flexibel-funktionierendes System der nicht ausschließlich auf Gegenseitigkeitsüberlegungen basierenden Hilfsangebote und Organisationsstrukturen einer ungleichmäßige Interessen verfolgenden Mitgliederschaft charakterisiert werden. So wurden durchaus korporationsfremde Personen unterstützt, ohne dass diese, sieht man von Danksagungen oder -gebeten ab, eine konkrete Gegenleistung für die Gemeinschaft erbracht hatten.

3. Kontinuitäten und Diskontinuitäten Einige elementare Gestaltungsmechanismen des zünftigen und gesellenschaftlichen Unterstützungswesens standen durchaus in mediävaler Tradition, gingen dabei bis auf die bruderschaftlichen Vereinigungen zurück und wurden von knappschaftlichen Vorbildern beeinflusst, wenngleich Letzteres nicht unmittelbar zu belegen ist. Dem Verfolgen einer kohärenten zeitlichen Entwicklungslinie sind durch das vorhandene Quellenmaterial Grenzen gesetzt. Die anfangs mündlich weitergegebenen Funktionsmuster orientierten sich an gesellschaftlich verbreiteten Normen und wandelten sich entsprechend den Gegebenheiten des historischsozialen Umfelds, nahmen im Laufe des Untersuchungszeitraums in größerer Breite belegbare Konturen an und gerieten seit der Mitte des 18. Jahrhunderts mehrheitlich in eine existenzielle Krise, aus der die Handwerksorganisationen selbst und mit ihnen ihre Selbsthilfeformen in veränderter Gestalt hervorgingen. Sie beeinflussten dabei die Gestaltung weiterer sozialer Sicherungssysteme einschließlich des öffentlichen Armenwesens. In diesem umfassenden Rahmen bildete das Unterstützungswesen der Handwerkszünfte und Gesellenschaften eine der wichtigsten Wurzeln des späteren Sozialversicherungssystems, welches bis in die Gegenwart den sozialen Funktionsmechanismus der westlichen Gesellschaftsentwürfe prägt.

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4. Krankenunterstützung: Monetarisierung und Professionalisierung Die Unterstützung kranker und verunfallter Personen gehörte seit Beginn der gesicherten Quellenüberlieferung zu den Aufgabenbereichen der Handwerksorganisationen. Besonderes Augenmerk innerhalb des Krankenunterstützungswesens wurde im Handwerk auf die am stärksten gefährdete Personengruppe, die Gesellen, gelegt, da diese oftmals als mobile, ledige Individuen vor Ort kein „soziales Kapital“ in ausreichender Menge anhäufen konnten. Die kollektiven Hilfsleistungen erfolgten bei Bedürftigkeit und fast durchgehend nach dem Subsidiaritätsprinzip, wobei der betriebene finanzielle, personelle und organisatorische Aufwand erheblich schwankte. Bedeutsame Versorgungsleistungen, die bis hin zu regelmäßigen Krankengeldzahlungen, der vollständigen Kostenübernahme im Krankheitsfall oder dem Bau und der Unterhaltung handwerkseigener Krankenversorgungsanstalten reichen konnten, führten vor allem im 18. Jahrhundert nicht selten zur Überschuldung und letztlich zum finanziellen Ruin vieler Kasseneinrichtungen. Über ihre zahlungsunfähigen Gesellenbüchsen büßten viele Gesellenschaften wesentliche Teile ihrer Autonomie gegenüber den Meisterorganisationen und dem städtischen Regiment ein. Im Bereich der zünftigen und gesellenschaftlichen Krankenunterstützung brachte der Einfluss der Entwicklung im städtischen Medizinal- und Hygienewesen entscheidende Impulse des Wachstums und der Umgestaltung hervor, doch können nicht immer konkrete Anstöße aus dem kommunalen Bereich als ursächlich für evolutionäre Veränderungen im organisierten Handwerk nachgewiesen werden. Die aus den allgemeinen Entwicklungsprozessen resultierenden wissenschaftlichen Erkenntnisse und gesellschaftlichen bzw. individuellen Bedürfnisse stießen aber grundsätzlich Umformungen des zünftigen Krankenunterstützungswesens an, sodass sich parallel zur kommunalen Fürsorgeebene die Pflegestrukturen wandelten und eine stärkere Bürokratisierung bzw. Regulierung einsetzte. Die persönlichen und sachorientierten Unterstützungselemente innerhalb des Handwerksmilieus wichen einer professionalisierten Form der Pflege und Pflegeunterstützung. Vor allem länger oder ernsthaft erkrankte Handwerker wurden zunehmend nicht mehr von ihren Arbeitskollegen bzw. deren Angehörigen im täglich gewohnten Umfeld gepflegt, sondern gegen finanzielle Unterstützung in die Obhut spezialisierten Medizinal- und Pflegepersonals und in spezielle Versorgungsund Heilanstalten gegeben.

5. Begräbniswesen: Von der Handwerkerbruderschaft zur Individualsterbeversicherung Indem das Ereignis des Todes im Leben der vormodernen Menschen ein allgegenwärtiges, einschneidendes Moment darstellte, zählte ein „ehrliches“ Begräbnis zu den bedeutsamsten Leistungen, welche die frühneuzeitlichen Handwerksorganisationen ausrichteten bzw. finanzierten. Die Zünfte und Gesellenschaften erfüllten für ihre verstorbenen Mitglieder dabei vorrangig zwei Aufga-

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ben, indem sie erstens eine traditionelle Memorialgemeinschaft konstituierten, die christlichen Beistand versprach, gegenseitigen Trost spendete und langfristiges Andenken zelebrierte und zweitens direkt oder indirekt, ganz oder teilweise die finanziellen Kosten des Beerdigungsaktes im Notfall übernahmen. Die im Zusammenhang mit einem Zunftbegräbnis stehenden, kollektiv versprochenen Unterstützungsleistungen übten auf Nichtkorporationsmitglieder eine anziehende Wirkung aus, sodass partielle Begräbnisunterstützungsleistungen in der Öffentlichkeit käuflich angeboten wurden. Auf dem Gebiet der durch die Handwerksorganisationen erbrachten Sicherungsleistungen im Begräbniswesen liefen während der frühen Neuzeit langfristige Institutionalisierungs- und Monetarisierungsprozesse an, die Ausdruck veränderter funktionaler Prioritätenbildung waren. Zwar starben traditionellgemeinschaftliche Memorialhandlungen im Zuge von Zunftbegräbnis und Leichengang am Ende des Ancien Régime nicht aus, aber die langsam schleichenden Verschiebungen in Form und Bedeutung dieser Handlungen waren deutlich spürbar. Die zu Beginn des Untersuchungszeitraums vorherrschend bruderschaftliche Prägung eines zünftigen Begräbnisritus nahm gegenüber einer stärker monetarisierten Form der Begräbnishilfe ab. Besonders in vielen Sterbekassen, die seit der Mitte des 17. Jahrhunderts in den kursächsischen Zunfthandwerken errichtet wurden, sank die individuell-persönliche Verbindung der Kassenmitglieder auf ein Mindestmaß (Anonymisierung), weshalb sich eine große Zahl dieser Einrichtungen im 18. Jahrhundert nicht (mehr) an eine Handwerksorganisation band, sondern als freie, versicherungsähnliche Anstalt etablierte und ein stärker individualisiertes Menschenbild bediente.

6. Hinterbliebenenversorgung: Frauenrechte oder Triumph der alltäglichen Realität Den Witwen und (Halb-)Waisen verstorbener Korporationsmitglieder begegneten die Handwerksorganisationen auf differenzierte Weise. Während für die Angehörigen verstorbener Gesellen kaum Unterstützungsangebote, abhängig von der innerzünftigen Akzeptanz der Gesellenheiraten, verfügbar waren, dominierten für die Meisterwitwen und -waisen das Fortführungsrecht und insbesondere die (Wieder-)Verheiratungsstrategie. Die Praktizierung der einzelnen Versorgungsstrategien offenbarte intensiv die beiden Seiten der gleichen Medaille, die nicht immer die Bezeichnung „soziale Sicherung“ verdiente. Hinter dem eigenständigen Fortführen einer Werkstatt durch eine Handwerkerwitwe konnte eine sozioökonomische Überlebensrationalität ebenso stehen wie das Fehlen eines geeigneten Heiratskandidaten. Die Verehelichung mit einem Handwerksgesellen oder einem verwitweten Meister barg wiederum gleichermaßen Chancen wie Risiken und konnte selbst- oder fremdbestimmt veranlasst worden sein. Selbst wenn es strukturelle Privilegierungen und normative Verbotsappelle nahezulegen scheinen, oft bedurfte es keines institutionellen Zwanges, um eine Verheiratung zu bewirken, da die alltägliche materielle Wirklichkeit keinen anderen Ausweg ließ, um sich

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vor einer drohenden Verarmung und dem völligen sozialen Absturz abzusichern. Kam die Art der Gewerbeausübung den Witwen und Waisen jedoch weit entgegen, glaubten die Obermeister einiger Handwerksinnungen, durch gezielte Beschränkungen des Fortführungsrechts bzw. Förderung der Verheiratungsprivilegien eine Eindämmung der ökonomischen Konkurrenzsituation durchsetzen zu müssen. Die durch die Handwerksorganisationen gegenüber den Hinterbliebenen präsentierten Haltungen und Handlungen reichten von echter Anteilnahme und konkreter, materieller und ideeller Hilfeleistung über mangelnde Regulierungen und Gleichgültigkeitsgesten bis hin zu geschlechtsbezogenen bzw. wettbewerbsverzerrenden Benachteiligungsstrategien. Die tatsächliche Annahme und Nutzung offener und die Schaffung zusätzlicher Handlungsspielräume durch die betroffenen Witwen und Waisen korrespondierte dabei nur bedingt mit den normativen Vorgaben. Sie hing im Wesentlichen von verschiedenartigen Umständen, den gewerblichen Produktionsbedingungen, den persönlichen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Lebensvorstellungen, den sozioökonomischen Startbedingungen der Hinterbliebenen usw. ab, weshalb die kollektive Hinterbliebenenversorgung der frühneuzeitlichen Handwerksorganisationen in den untersuchten Gewerben stets nur kontextuell und äußerst differenziert zu beurteilen ist.

7. Anspruch und Wirklichkeit Hinsichtlich des Anspruchs der zünftigen und gesellenschaftlichen sozialen Sicherung fällt das sporadische, erst relativ spät dichter werdende Ausmaß an konkreter Fixierung in Bezug auf Art, Höhe und Organisation der Unterstützungsleistungen auf. Die Funktion sozialer Sicherung wurde besonders in den Handwerkszünften angesichts der Vorrangigkeit ökonomischer Fragen nicht als prioritär betrachtet. Außer einem nicht näher präzisierten Beistandsgebot und verschiedenen allgemeinen Formulierungen, nach denen auch ärmere Mitglieder zu ihrer „Nahrung“ kommen sollten, unterblieben soziale Unterstützungsregeln in den Zunftstatuten oftmals, sodass der Erfolg der zünftigen Bemühungen nicht allein an diesen normativen Vorgaben gemessen werden kann. Auch erscheint ein durch die Meisterzünfte selbst erhobener, quasi moderner Unterstützungsanspruch in erheblichem Ausmaße überhaupt fraglich, wenn nicht als historisierende Projektion. Schließlich schrieben renommierte Vertreter der Historiografie den Handwerksorganisationen vergangener Zeiten unter einem retrospektiven Blick häufig umfassende soziale Verpflichtungen, Leistungen und Ansprüche zu. Zumindest die Gesellenschaften äußerten sich in ihren Gesellenartikeln demgegenüber entschiedener. Die Notwendigkeit, über die normativen Textgattungen hinaus weiteres Quellenmaterial zu analysieren, zeigte sich in der erheblichen Divergenz zwischen (tatsächlichem oder zugesprochenem) Anspruch und gelebter Wirklichkeit sowie bei der Frage nach der Effizienz der Maßnahmen. Zum einen blieben die erbrachten Leistungen durch einen begrenzten Kreis an Beitragszahlern und eine häufige Finanzschwäche vieler Kasseneinrichtungen marginal; die prophylaktischen, strukturel-

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len Vorkehrungen verhinderten oft keine Verarmung im Fall von Krankheit, Tod, Witwen- oder Waisenschaft. Zum anderen stellte kaum eine andere urbane Bevölkerungsgruppe ihren Angehörigen ein vergleichbar breites Unterstützungsangebot zur Verfügung, durch welches die größte materielle Not gelindert und den Leistungsempfängern über kritische Phasen der Bedürftigkeit hinweggeholfen werden sollte, was nicht immer gelang. Vorzugsweise setzten demnach weder Meister noch Gesellen oder andere ökonomisch unselbstständige Arbeitskräfte und Familienangehörige im frühneuzeitlichen Handwerk ausschließlich auf die sozialen Sicherungsmaßnahmen der Handwerkszünfte oder Gesellenschaften, denn dafür blieben deren kollektive Unterstützungsleistungen in ihrer Struktur, Reichweite und Höhe zu beschränkt.

8. Umlagefinanzierung, Kapitaldeckung oder Almosengabe – damals und heute Wird ausschließlich die Finanzierungsseite der sozialen Sicherungsmaßnahmen in den untersuchten Handwerkszünften und Gesellenschaften betrachtet, lassen die verschiedenen empirischen Belege mehr oder weniger drei idealtypische Finanzierungsmodelle erkennen. Die häufigste Form der Finanzierung kollektiver Unterstützungsmaßnahmen fand in den Handwerksorganisationen nach dem Umlageprinzip statt. Danach deckten sich die Kreise der Beitragszahler und der Leistungsempfänger prinzipiell, die Leistungen waren jedoch nicht vom Ausmaß der geleisteten Beiträge des Einzelnen abhängig, sondern von der aufgewandten gemeinschaftlichen Gesamtleistung. Die regelmäßigen und unregelmäßigen Einnahmen, häufig in Form von spontanen Sammlungen, flossen unverzüglich der Finanzierung sozialer Sicherungsmaßnahmen zu oder wurden für andere, „nicht-soziale“ Ausgabenzwecke verwandt, sodass keine Rücklagen im größeren Umfang gebildet wurden. Für die Beitragszahler ergab sich aus ihren Beiträgen ein Leistungsanspruch, der allerdings im Falle der frühneuzeitlichen Handwerksorganisationen nicht rechtlicher, sondern lediglich moralischer Natur war und zahlreichen, exkludierenden Bedingungen zu entsprechen hatte. Von der gemeinschaftlichen Finanzierung aus sofortiger Umlage setzten sich vor allem mit der Einführung von Sterbe- und Krankenkassen einige Einrichtungen ab, die ihre Leistungen nach dem Prinzip der Kapitaldeckung finanzierten und einer Individualversicherung nahe kamen. Danach sammelte jeder potenzielle Leistungsempfänger aus seinen Beiträgen einen persönlichen Kapitalstock an, aus dem sämtliche Leistungen bezahlt wurden. Aufgrund der Äquivalenz von Beiträgen und Leistungen hing die Leistungshöhe von der konkreten Beitragshöhe und der Dauer der Beitragszahlung ab; die Phasen der Beitrags- und der Leistungszahlung fielen zeitlich auseinander. Idealtypisch besaßen die Zahlungspflichtigen aufgrund der individuellen Aufwendungen einen rechtlichen Anspruch auf die Leistungen, wonach eine Bedürftigkeitsprüfung entfiel, doch musste im Falle des vormodernen Sterbekassenwesens der Rechtsanspruch erst mit staatlicher Hilfe durchgesetzt werden; moralisch konnten die Beitragszahler ohnehin eine Leis-

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tungsgewährung gegenüber der Handwerksorganisation beanspruchen. Die jüngeren Sterbekasseneinrichtungen entfernten sich tendenziell von den traditionellen Zunft- und Gesellenschaftsorganisationen und orientierten sich zunehmend an freien Kassenmodellen. Für ein drittes Finanzierungsmodell müssen die sozialen Leistungen der Handwerksinnungen und Gesellenschaften an korporationsfremde Personen betrachtet werden, wonach grundsätzlich die Beitragszahler und Leistungsempfänger keine deckungsgleichen Personenkreise bildeten. Insbesondere die zahlreichen Almosengaben erfolgten nach diesem Fürsorgeprinzip im engeren Sinne. Ohne einen eigenen materiellen Beitrag in die betreffende Kasse gegeben zu haben, wurden Geld-, Natural- oder Sachleistungen, auf die weder ein rechtlicher noch ein moralischer Anspruch aufgrund der korporationsinternen Normen bestand, aus kollektiven Finanzierungsbeiträgen und Abgaben gewährt. Durchaus konnten aber ideelle Wertvorgaben, die außerhalb der eigentlichen Finanzierungsgemeinschaft existierten, z. B. christliche Nächstenliebe, einen extern begründeten moralischen Anspruch auf Unterstützungsleistungen legitimieren. Alle drei Modelle der kollektiven Finanzierung sozialer Sicherungsmaßnahmen können im Prinzip bis in die sozialen Sicherungssysteme der Gegenwart weiterverfolgt werden; sie treten in verschiedenen kombinierten Variationen auf und bestimmen noch heute die Debatten zur Reform der Sozialsysteme.

9. Praktische soziale Sicherung – begrenzte soziale Sicherung? Die prinzipielle Beurteilung der Möglichkeiten und Grenzen sozialer Sicherung durch die untersuchten Handwerkszünfte und Gesellenschaften fällt ambivalent aus. Während des gesamten Betrachtungszeitraums besetzten die untersuchten Handwerksorganisationen im Bereich der sozialen Sicherung wichtige Funktionspositionen innerhalb der vormodernen städtischen Gesellschaften, die benachbarte Leistungsträger (Kirche, Staat, andere Korporationen) entlasteten und durch ihre generierten Effekte den bedürftigen Empfängern der kollektiven Sozialleistungen auf vielfältige Art zugutekamen. Die Aktivitäten der multifunktionalen Handwerkskorporationen erstreckten sich daher ohne Frage in beachtlicher Weise auf den sozialen Unterstützungsbereich. Über diese naheliegenden Effekte hinausgehend beeinflussten die von den Zünften und Gesellenschaften praktizierten sozialen Hilfsmaßnahmen und die entsprechenden kollektiven Vorstellungen andere Lebensbereiche der betroffenen Handwerker und ihrer Familien, doch bedarf die erschöpfende Durchleuchtung der gesamten Funktionalität sozialer Sicherung in den Handwerksorganisationen, insbesondere was die bewusste oder unbewusste Bevorzugung bzw. Benachteiligung bestimmter Korporationsteile anbetrifft, weiterer Untersuchungen. Gleiches gilt für das Disziplinierungspotenzial jeglicher in Aussicht gestellter Unterstützungsleistungen. An durchaus elastische Grenzen stieß die kollektive soziale Sicherung sowohl in ihrer personenbezogenen Breite als auch der leistungsspezifischen Tiefe. Um in den Genuss der durch die frühneuzeitlichen Handwerkszünfte und Gesellenschaf-

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7. Bilanz und Ausblick

ten offerierten Hilfen zu gelangen, hatten die potenziellen Leistungsempfänger verschiedene Bedingungen zu erfüllen, von denen die individuelle Bedürftigkeit und die (vorübergehende) Arbeitsunfähigkeit zwei vielfach wiederkehrende Unterstützungsvoraussetzungen bildeten. Alle weiteren Empfangsqualifikationen variierten erheblich, sodass zahlreiche Nichtmitglieder zu den Begünstigten der Korporationsleistungen zählen konnten, während umgekehrt Korporationsmitglieder keine Begünstigungen erhielten. Die Leistungen, unter denen in der frühen Neuzeit monetäre Unterstützungen und normativ-rechtliche Privilegien dominierten, blieben einerseits von der oftmals mäßigen finanziellen Leistungsfähigkeit der Handwerksorganisationen abhängig und bewegten sich daher in relativ engen Grenzen. Sie hatten andererseits den jeweiligen gewerblichen, örtlichen und organisationsstrukturellen Bedingungen Rechnung zu tragen, wodurch sie in unterschiedlicher Dringlichkeit benötigt, nachgefragt oder gewährt wurden. Ein rechtlicher Anspruch auf bestimmte Leistungen etablierte sich erst allmählich und nur in bestimmten Bereichen wie dem Sterbekassenwesen am Ende des 18. Jahrhunderts, sodass infolgedessen bisherige fundamentale Unterstützungsvoraussetzungen (Bedürftigkeit, Arbeitsunfähigkeit) obsolet wurden; an einen umfassenden Finanzierungsvorbehalt knüpften dennoch sämtliche monetäre Unterstützungen an.

10. Berufsgenossenschaftliches Unterstützungswesen als Teil institutionalisierten Selbsthilfestrebens Die Betrachtung sozialer Sicherung darf nicht auf eine sozialpolitische Perspektive verkürzt werden, nach der die Unterhaltungspflicht bedürftiger Personen den territorialstaatlichen Organen oblag und soziale Unterstützungsmaßnahmen lediglich einen Teil der obrigkeitlichen Ordnungs-, Armen- und Fürsorgepolitik bildeten. Auch agierten die organisierten Handwerke in der Innenperspektive weder geschlossen, da die Mitglieder nur partielle Interessenübereinstimmungen aufwiesen, noch nach außen unabhängig von den Auflagen durch territorialstaatliche oder kommunale Herrschaftsträger, welche wiederum auf kooperatives Handeln der sozioökonomisch heterogenen Handwerksverbände angewiesen waren und sie teilweise für eigene funktionale Ziele vereinnahmen konnten, teilweise privilegierend förderten. Vielmehr müssen die durch die vormodernen Handwerkszünfte und Gesellenschaften erbrachten Unterstützungsleistungen im Falle von Krankheit, Tod, Witwen- und Waisenschaft stets im Wechselspiel mit den Vorgaben und Angeboten obrigkeitlicher, kirchlicher, korporativer oder privater Akteure beurteilt werden. Maßnahmen sozialer Sicherung, die durch die frühneuzeitlichen Handwerksorganisationen der kursächsischen Textil- und Bekleidungsgewerbe erbracht wurden, hatten sich stets den Bedingungen zu unterwerfen, die im interessengeleiteten Spannungsfeld der Trias Individuum – berufsgenossenschaftliche Korporation – Obrigkeit herrschten. Sie stellten gemeinsam mit den zugrunde liegenden Normen und vor dem komplexen Hintergrund eines lebendigen Selbsthilfestrebens einen einzigartigen und bedeutsamen, aber für sich genommen unzu-

7. Bilanz und Ausblick

457

reichend beschränkten Ausschnitt kollektiver sozialer Sicherung innerhalb der frühneuzeitlichen Gesellschaftsordnung dar.

ANHANG Tabelle 1: Anzahl der Meister und Gesellen in ausgewählten Leipziger Handwerken Handwerk

(Schwarz-)Färber

Jahr

Anzahl der Meister

davon Meister ohne Gesinde 1 1

Anzahl der Gesellen

Gesellen pro Meister

1481 3 1 0,67 1529 4 5 1,25 1554 3 6 2,00 1558 3 10 3,33 1592 8 18 2,25 1612 10 [65]* [6,50] Leineweber 1481 9 1 8 0,89 1506 14 10 2 0,14 1529 34 13 23 0,68 1554 41 26 21 0,51 1554/56 44 33 Schneider 1481 34 6 47 1,38 1506 34 5 41 1,21 1529 43 12 54 1,26 1554 50 16 50 1,00 1554/56 46 16 1607/10 93 > 100 > 1,08 1710/12 150–200 240–300 1,20–2,00 Schuhmacher 1481 28 3 35 1,25 1506 39 4 52 1,33 1529 49 12 53 1,08 1554 55 16 44 0,80 1554/56 48 19 Tuchmacher 1481 28 9 32 1,14 1506 69 22 43 0,62 1529 62 25 33 0,53 1554 35 17 17 0,49 1554/56 26 11 Tuchscherer 1481 3 0 13 4,33 1506 6 1 10 1,67 1529 7 0 4 0,57 1554 3 0 0 0,00 * Der Wert bezieht sich auf die Gesamtanzahl an Arbeitskräften im stark arbeitsteilig eingerichteten Färbereiwesen. Quellen: StadtAL, II. Sektion S (F) S 851, Bl. 35b. – StadtAL, Inn Schneider B 2. – StadtAL, Tit. LXIV (F) 151, Vol. I. – FEIGE (Sozialstruktur) 1965, Bd. 2, S. 238–289. – LUDWIG (Färbereizentrum) 2000, S. 50. – PROCHNO (Bevölkerungswesen) 1919, S. 82–89. – ZWIEDINECK-SÜDENHORST (Färberei in Leipzig) 1896, S. 223f.

460

Anhang

Tabelle 2a: Anzahl der Meister und Gesellen in ausgewählten Chemnitzer Handwerken Handwerk Leineweber

Schuhmacher

Jahr

1627 1628 1632 1679 1689 1700* 1712 1723* 1726* 1728 1768

Anzahl der Meister 244 248 135 187 154 57 67 70 bzw. 82 185 246 bzw. 256 280 327 52

1785

?

1799 1768 1784 1787 1794 1797 1800 1804 1807

80 38 44 49 64 77 75 74 62

1611

Anmerkungen Meisteranzahl

37 Meister mit Gesellen

Anzahl der Gesellen 100 75–98 32 32 52 20–30 36 42 bzw. 50 146 263 bzw. 254 275 bzw. 345 233 27

Gesellen pro Meister 0,41 0,30–0,39 0,24 0,17 0,34 0,35–0,53 0,54 0,51 bzw. 0,71 0,79 1,07 bzw. 0,99 0,98 bzw. 1,23 0,71 0,52

52

(1,41)

0,53 0,45 0,50 0,65 0,64 davon 6 Lohnmeister 0,61 0,60 davon 5 Lohnmeister 0,46 davon 2 Lohnmeister 0,48 0,10 davon 44 Meister 1814 52 5 (nur arbeitende ohne Arbeit Meister: 0,63) 0,06 davon 40 Meister 1817 49 3 (nur arbeitende ohne Arbeit Meister: 0,33) 0,07 davon 38 Meister 1824 43 3 (nur arbeitende ohne Arbeit Meister: 0,60) Tuchmacher 1608 240 100 0,42 1700 106 100 0,94 1718 79 > 30 > 0,38 1730 330 400 1,21 1738 502 > 300 > 0,60 1745 544 260 0,48 1750 604 285 0,47 1778 660 480 0,73 1790 851 638 0,75 1791* 850 664 bzw. 712 0,78 bzw. 0,84 1793 931 550 0,59 * Für diese Jahre liegen unterschiedliche Zahlenangaben vor. Bei den Gesellenzahlen sind sie teilweise mit der hohe Fluktuationsrate innerhalb eines Jahres erklärbar. Strumpfwirker

davon 6 Lohnmeister

42 17 22 32 41 47 45 34 30

461

Anhang Tabelle 2b: Anzahl der Meister und Gesellen in ausgewählten Chemnitzer Handwerken Handwerk

Jahr

Anzahl der Anmerkungen Anzahl der Gesellen pro Meister Meisteranzahl Gesellen Meister Tuchmacher 1795 939 582 0,62 1796 915 663 0,72 1798 958 628 0,66 1800* 1004 bzw. 1009 704 bzw. 720 0,70 bzw. 0,71 1805 1138 941 0,83 1810 1236 728 0,59 1815 1298 432 0,33 1820 1315 695 0,53 1825* 1466 bzw. 1470 691 bzw. 760 0,47 bzw. 0,52 1830 1530 905 0,59 * Für diese Jahre liegen unterschiedliche Zahlenangaben vor. Bei den Gesellenzahlen sind sie teilweise mit der hohe Fluktuationsrate innerhalb eines Jahres erklärbar. Quellen: StadtAC, Innungsarchiv Nr. 305, S. 135, 170f., 173f., 200. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 176b, 198b, 293b, 294b–295, 297–299. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 406, Bl. 1b. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 407, Bl. 1. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 409, Bl. 1. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 410, Umschlagseite. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, [unpag.]. – StadtAC, RA, Kap. IX. Sg 14, Bl. 3–3b. – BRÄUER (Handwerk im alten Chemnitz) 1992, S. 34, 57. – KUNZE (Forschungsergebnisse) 1958, S. 99. – Ders. (Vom Frühkapitalismus zur industriellen Revolution) 1965, S. 13, 15. – MASCHNER (Chemnitzer Weberei) 1917, S. 19, 21. – OPPENHEIM (Wirkwarenindustrie) 1921, S. 23f. – SCHNABEL (Bäckerhandwerk) 1931, S. 21. – SCHOLZ (Handwerk und Manufaktur) 1991, S. 10, 114. – TRENSCH (Strumpfwirker-Innung) 1928, S. 49. – VIERTEL / WEINGART (Chemnitz) 2002, S. 45.

Tabelle 3: Anzahl der Meister und Gesellen im Zwickauer Tuchmacherhandwerk Handwerk Leineweber Schneider Tuchmacher

Jahr 1810 1810 1530 1531 1542 1752 1810

Anzahl der Meister 24 28 250–300 304 235 80 40

Anzahl der Gesellen 5 12 > 300 271 ca. 200 16 6

Gesellen pro Meister 0,21 0,43 > 1,00–1,20 0,89 0,85 0,20 0,15

Quellen: HENNING (Differenzierung) 1968, S. 46. – HERZOG (Chronik I) 1839, S. 242 Anm. 1. – Ders. (Chronik II/2) 1845, S. 639. – MUELLER (Tuchmacher-Handwerk) 1929, S. 48, 117. Die Werte des Jahres 1530 rühren von einem Vortrag Helmut Bräuers (Titel: "Soziale und wirtschaftliche Verhältnisse im Erzgebirgsraum zur Zeit Adam Ries’") im Leipziger Stadtarchiv vom 12. November 2009 her.

462

Anhang

Tabelle 4: Anzahl der Meister und Gesellen in ausgewählten Dresdner Handwerken Handwerk

Jahr

Anzahl der darunter Meister Anzahl der Gesellen pro Meister ohne Gesinde Gesellen Meister (Schwarz-)Färber 1695/1699 17* 12 0,71 1800 10 4 6 0,60 Leineweber 1800 33 13 20 0,61 1831 26 19 6 0,23 Posamentierer 1618 7 8 1,14 1687 9 8 0,89 1688 11 9 0,82 1693 14 9 0,64 1698 19 12 0,63 1703 18 8 0,44 1709 21 21 1,00 1712 23 15 0,65 1713 22 11 0,50 1733/34 20 15 0,75 1831 27 13 8 0,30 Schneider 1800 380 280 210 0,55 1820 500 200–300 0,40–0,60 1831 599 410 414 0,69 Schuhmacher 1800 297 147 279 0,93 1812/14 348 430 1,24 1819 520 384** 200 0,38 1830 655 > 300 > 0,46 1831 531 409 [183]*** [0,34] Strumpfwirker 1800 21 3 57 2,71 1831 21 5 17 0,81 Tuchmacher 1800 25 11 31 1,24 1808 21 40 1,90 1812 21 10 23 1,10 1831 7 5 1 0,14 Tuchscherer 1800 7 3 3 0,43 1831 14 5 9 0,64 * Gemeinsame Anzahl der Färbermeister und Kattundrucker. ** In einem Innungsschreiben von 1819 heißt es: „Von den Meistern hingegen bekommen 190 alte Meister, die ihr Brod nicht mehr verdienen können, aus der Innung Allmosen, 194 arbeiten für andre als Gesellen, 100 Meister arbeiten mit Gesellen, 36 halten nur zuweilen Gesellen.“ *** Der in der Quelle angegebene Wert erscheint zu niedrig, insbesondere beim Vergleich mit dem Vorjahreswert. Quellen: StadtAD, 11.2.16, Nr. 11, Bl. 17b. – StadtAD, 11.2.46, Nr. 75g, S. 1, 229. – StadtAD, 11.2.46, Nr. 75h, S. 0 [sic!], 31, Bl. 57, 65, 102. – StadtAD, 11.2.46, Nr. 75l. – StadtAD, 11.2.46, Nr. 75o. – StadtAD, 11.2.54, Nr. 147, Bl. 38–38b. – StadtAD, 11.2.54, Nr. 160, Bl. 35, 41–48. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 185, Bl. 31b. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 221, Bl. 2b. – StadtAD, 11.2.66, Nr. 64, Bl. 6b–7b. – StadtAD, RA, C. XXXII. 17, [unpag.]. – LEONHARDI (Erdbeschreibung) 1803, S. 261f. – LINGKE (Schuhmacher-Innung) 1901, S. 18. – RICHTER (Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte I) 1885, S. 211f. – Statistischer Verein (Mittheilungen II) 1832, S. 38.

Tabelle 5a: Nichtrückzahlungspflichtige Krankengeldzahlungen

Handwerk

C

C

C

C

G

G

G

G

L

C

M

G

C

M

12 g

1776

1831

1820

1804

1794

1791/92

bisher 16 g, ab 1831 20 g 16 g; Erhöhung abgelehnt

12 g (Alimentation), 8 g (Wartegeld); im Notfall mehr 12 g (Alimentation), 4 oder 8 g (Wartegeld) unbekannte Höhe

1 g oder 3 g

1784–1787 6 g

1785

F

B

B

B

Anmerkungen zum Empfängerkreis

Schneider

C

Empfängerkreis

M

Jahr der Erwähnung 16 g (Rückzahlungspflicht)

Wöchentliches Krankengeld

1728

eventuell

eventuell

ja

nein

Krankengeld nur bei Anstaltsaufenthalt

C

Gesellenschaft finanziert u.a. die Barbierkosten

zusätzliche Aufnahme ins Innungskrankenhaus, aber fortan keine Übernahme medizinischer Kosten mehr „den meisten“ Kranken Bezahlung der Kurkosten ohne Wiedererstattungspflicht

Taschengeldcharakter

Verwendungszweck: Zehrung und Medikamente; daneben Einmaldarlehen über 6 bis 10 g Einholung der obrigkeitlichen Genehmigung

Sonstige Bestimmungen

G

StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 9, Bl. 15b. StadtAC, RA, Kap. IX. Za 102, Bl. 20–22. StadtAC, RA, Kap. IX. Za 102, Bl. 6b, 16b–17. StadtAL, Inn Schneider B 11, Bl. 47.

StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 353. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 394, Bl. 15. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 413, Bl. 12b. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 414, Bl. 17b. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 395, Bl. 34. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 405.

StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 78.

Quellen

Leineweber

Anhang

463

Geltungsbereich

D

D

G

Handwerk

G

D

G

1784

16 g (nach 8 Tagen)

16 g (nach 8 Tagen)

16 g (nach 8 Tagen)

6g

20 g

B

B

B

B (siehe rechts)

ja

nein

ja

ja

Krankengeld nur bei Anstaltsaufenthalt

bis 1784

1769

1827/28, 1832

1820

Wöchentliches Krankengeld

D

D

G

4g

Anmerkungen zum Empfängerkreis

1811

für Verunfallte Krankengeld auch außerhalb der Krankenanstalt (Haussteuer); zusätzliche Beisteuer möglich

Taschengeldcharakter, daneben 14 g täglich an das Hospital; außerhalb des Hospitals nur Arznei für 14 Tage bezahlt; Ausschluss von Venerischen und bestimmten Krätzigen Alternativvorschlag: 6 g tägliches Kurund Kostgeld ins Hohenthalische Stift und 4 g wöchentliches Taschengeld Taschengeldcharakter; daneben Kostenübernahme für Verpflegung, medizinische und sonstige Bedürfnisse; 1832 Vorschlag von nur noch 6 d Taschengeld wöchentlich Verwendungszweck: Kost und Verpflegung

Sonstige Bestimmungen

G

L

G

Jahr der Erwähnung

1796

StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. II, Nr. 19, [unpag.]. StadtAD, 11.2.56, Nr. 141, Bl. 44. StadtAD, 11.2.56, Nr. 141, Bl. 3, 10b.

StadtAD, 11.2.54, Nr. 60, Vol. I, Beleg Nr. 10. – StadtAD, 11.2.54, Nr. 208, Vol. I, Bl. 12b, 28b.

StadtAD, 11.2.43, Nr. 160, Bl. 36.

StadtAL, II. Sektion S (F) 2380, Bl. 9. StadtAL, II. Sektion S (F) 2380, Bl. 36–39b.

Quellen

Schuhmacher

L

Empfängerkreis

G

Geltungsbereich

Schneider

18 g

Tabelle 5b: Nichtrückzahlungspflichtige Krankengeldzahlungen

464 Anhang

Tabelle 5c: Nichtrückzahlungspflichtige Krankengeldzahlungen

Handwerk

C

D

C

G

G

D

G

G

D

G

zwischen 1755 und 1771

1749/50

1749

1811 (Entwurf) 1812 (Entwurf) 1830

1811

12 g (nach 8 Tagen)

12 g (nach 8 Tagen)

12 g (nach 8 Tagen)

20 g

2r

4g

B

B

B

20 g (Krankensteuer), 16 B g (Haussteuer)

ja

nein

ja

ja (bei Krankensteuer)

ja

Krankengeld nur bei Anstaltsaufenthalt

Strumpfwirker

D

Empfängerkreis

G

Geltungsbereich

D

Jahr der Erwähnung

G

Wöchentliches Krankengeld

1804, 1808 20 g (Krankensteuer), 16 B g (Haussteuer)

Anmerkungen zum Empfängerkreis

D

bei gefährlicher Krankheit noch 6 g wöchentlich für Medizin und Wartung

unentgeltliche Behandlung in der Krankenanstalt; bei Haussteuer Bezahlung der chirurgischen Behandlung und der Medikamente 8 g wöchentlich für arbeitsunfähige Ausschlagkranke, die auch freien Aufenthalt und Heizung in der Gesellenkrankenstube sowie die Behandlungskosten bis zu 1 1/2 r erhalten Aufenthalt im Hohenthalischen Stift; Taschengeldcharakter Verwendungszweck: medizinische Pflege und Medizin (1 r 8 g), Sonstiges (16 g) Verwendungszweck: Essen, Trinken und Wäsche; daneben unentgeltliche Behandlung

Sonstige Bestimmungen

G

StadtAD, 11.2.62, Nr. 3, [unpag.] (Aufsatz vom 05.05.1749). StadtAD, 11.2.62, Nr. 3, [unpag.] (Verordnung vom 09.01.1750). StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 7, Bl. 3, 31b–32.

StadtAD, 11.2.56, Nr. 185, Bl. 3b. StadtAD, 11.2.56, Nr. 185, Bl. 94b. StadtAD, 11.2.56, Nr. 221, Bl. 7.

StadtAD, 11.2.56, Nr. 184, Bl. 1, 3, 10. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 185, Bl. 3.

StadtAD, 11.2.56, Nr. 182, Bl. 6–6b. – StadtAD, RA, C. XXIV. 110, Bl. 131–132.

Quellen

Schuhmacher

Anhang

465

Tabelle 5d: Nichtrückzahlungspflichtige Krankengeldzahlungen

L

D

D

C (A)

L

D

C

D

D

Empfängerkreis

G

G

G

G

M

G

G

M

M

Geltungsbereich

Handwerk

Strumpfwirker

Jahr der Erwähnung 8g

8g

12 g

16 g

1837 kein wöchentliches (Konfirma- Krankengeld tion)

1837 (Entwurf)

1821/22

1804

1793/94, 1r 1819, 1829

1786

16 g (nach 8 Tagen)

16 g

B

B

B

B

nein

Krankengeld nur bei Anstaltsaufenthalt

1779

Wöchentliches Krankengeld

1766

Anmerkungen zum Empfängerkreis

StadtAL, II. Sektion S (F) 1860, Bl. 6b–7, 24b–25. StadtAD, 11.2.62, Nr. 20b, [unpag.] (Registratur vom 16.08.1766). StadtAD, 11.2.62, Nr. 3, [unpag.] (Schreiben vom 26.10.1779). StadtAC, Innungsarchiv Nr. 225, Beleg Nr. 1. StadtAL, II. Sektion S (F) 2166, Bl. 2b, 15. – StadtAL, Tit. LXIV (K) 385, Bl. 3, 20. StadtAD, RA, C. XXIV. 110, Bl. 38. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 432, Bl. 33. StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 37, Bl. 49–49b.

nach 6 Wochen 4 g wöchentlich; weniger Bedürftige erhalten 2 g; (dauerhaft) Arbeitsunfähige 4–6 g, weniger Arme 2–4 g; alternativ: Einmalzahlung von 2–4 r Kranke 1–4 r einmalig; (dauerhaft) StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 37, Arbeitsunfähige 12 g–1 r vierteljährlich Bl. 69. oder weniger Arme 8–16 g vierteljährlich; alternative Einmalzahlung von 2–4 r

12 g Krankengeld, wenn Arzt nötig; Ausschluss von Venerischen für Ledige und Verheiratete

für Ledige und Verheiratete

vermindertes Krankengeld von 8 g bei eingeschränkter Arbeitsfähigkeit

Sonstige Bestimmungen

16 g (nach einer Woche) B

Quellen

1756

466 Anhang

D

D

D

Z

G

G

G

G

G

Handwerk

Tuchbereiter

Tuchmacher

Wöchentliches Krankengeld

Jahr der Erwähnung 16 g

12 g B

nach etwa einem Jahr kurzzeitige Auflösung der Kasse und Neuerrichtung seit etwa zwei Jahren Auflage der Gesellen wegen Krankenversorgung

unterschiedliche Leistungen in den einzelnen Innungsdistrikten Verwendungszweck: Kost und Lagerstatt; Anstaltsaufenthalt nicht finanziert

StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 40, Bl. 1–1b. StadtAL, Inn Tuchbereiter A 1, Bl. 11b. – StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 23. StadtAD, 11.2.66, Nr. 64, Bl. 17. StadtAD, RA, C. XXIV. 110, Bl. 80–82. StadtAD, 11.2.66, Nr. 64, Bl. 5. StadtAZ, X, 49, 128, [unpag.] (Rechnung 1817/18).

Abkürzungen: B = Beitragszahler, d.h. Personen, die vor der Erkrankung vor Ort in Arbeit waren und in die Handwerks- bzw. Gesellenkasse einzahlten; C = Chemnitz; C (A) = Amt Chemnitz; D = Dresden; F = auch nichtzünftige Fabrikgesellen als Mitglieder; G = Gesellen; L = Leipzig; M = Meister; Z = Zwickau.

anfangs 12 g für 12 Wochen, danach 6 g wöchentlich Anmerkungen: Die Tabelle 5 gibt Informationen zu den regelmäßigen Krankenunterstützungsgeldern wieder. In der Spalte „Krankengeld nur bei Anstaltsaufenthalt“ wurden Belege für diese eventuell bestehende Konditionalität vermerkt. So gaben die Chemnitzer Webermeister zu Beginn der 1790er Jahre einem Erkrankten die wenigen Groschen Krankengeld nur bei einem gleichzeitigen Aufenthalt im städtischen Krankenhaus.

1808 (Entwurf) 1817/18

1804

B; F

Anmerkungen zum Empfängerkreis

16 g

nein

Krankengeld nur bei Anstaltsaufenthalt

ca. 1800

12 g oder Kurkosten vollständig bezahlt 1671, 1695 18 g

Sonstige Bestimmungen

1839

Quellen

L

Empfängerkreis

G

Geltungsbereich

Strumpfwirker

C

Tabelle 5e: Nichtrückzahlungspflichtige Krankengeldzahlungen

Anhang

467

Ort

Z

Z

L

C

Handwerk

Bäcker

Bäcker

Gerber

Leineweber

Jahr der Ersterwähnung

1783 (Anfrage), 1785 (Bau)

1524

Bezeichnung der Einrichtung Haus „vor krancke gesellen yres hantwergs vnd sonst yres gefallen vnd besten nutzes“ „Krancken-Hauß“

„Der Becken heußlein“

Seitenflügel des Zunfthauses

„vf der hellischenn brucken neben Mathes Heinz des Hutters hause“

G

G

G

I

Kauf durch I

G (?)

Finanzierung

1529

Lokaler Standort „Heyntzen Mullers hawß vffm holtzanger adder bey dem Zymmerhawß“; linkes Muldeufer südlich von Z ehemalige heilige Kreuzkapelle vor dem Frauentor westlich von Z; zweites Vorstadtviertel

bereits Ende der 1780er Nutzung als Krankenanstalt eingestellt

1547 abgebrannt; spätestens bis 1560/61 wieder aufgebaut; 1580/81 Aus- bzw. Anbau; Ende 1632 abgebrannt; eventuell Anfang 1632 Verkauf des Siechhauses an den Rat (?); 1638 Verkauf der Brandstelle für 50 fl

Bauausführung unsicher

Weitere Entwicklung

„Beckenknechtt hawß“

StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 354f., 359b–361. – StadtAC, RA, Kap. III. Sect. VII, Nr. 86, RP 1783, Stück 98, [unpag.]. – StadtAC, RA, Kap. IV. Sect. X, Nr. 8a.

StadtAL, Schöffenbuch 1522– –1525, Bl. 229b–230.

StadtAZ, III o 8, Nr. 20c, Geschossbuch 1529–1530, S. 55. – StadtAZ, III o 8, Nr. 68, Geschossbuch 1580–1581, S. 50. – StadtAZ, X, 3, 59, Rechnung 1560/61, [unpag.]. – HERZOG (Chronik I) 1839, S. 168. – Ders. (Chronik II/1) 1845, S. 219.

StadtAZ, III x 60a, RP 1519– 1522, 1521/22, Bl. 34b.

Quellen

1522 (Genehmigung) G

Tabelle 6a: Handwerkseigene Krankenversorgungseinrichtungen in Chemnitz, Dresden, Leipzig und Zwickau

468 Anhang

Leistungsempfänger

1676

Z

Handwerk

Schmiede (?)

Ort

1528

Jahr der Ersterwähnung

Z

Bezeichnung der Einrichtung

Schmiede

„Siechhause der geschenkten Handwerker“

„Der Schmide Haus“

Lokaler Standort auf dem niederen Anger nördlich von Z; drittes Vorstadtviertel

ehemalige Marienkapelle am G Moritzbach auf dem Anger vor dem Frauentor westlich von Z; zweites Vorstadtviertel

außerhalb der Stadtmauern „vor dem Thore“

Miete und Erhaltung durch G, einmalige Zahlung von 8 fl durch I Rechnungsausgaben bei der I

Finanzierung

„neüe Krancken Herberge“ oder „Patienten Herberge“

1547 abgebrannt; spätestens bis 1550/51 wieder aufgebaut; 1632 abgebrannt; Wiederaufbau; ab 1687 mietweise Nutzung durch den Rat; 1743 Verkauf an den Rat

noch 1771 bestehende „Krancken-Stube“

Weitere Entwicklung

1675 (Vorschlag), 1676 (Miete)

StadtAZ, III o 8, Nr. 20b, Geschossbuch 1528–1529, S. 69. – StadtAZ, III o 8, Nr. 37, Geschossbuch 1547–1548, S. 63. – StadtAZ, III x 134, RP 1676–1677, Bl. 31b–32. – StadtAZ, III x 235, RP 1742– 1743, Bl. 243b. – StadtAZ, X, 16, 24, Vol. III, Rechnung 1551/52, [unpag.]. – HERZOG (Chronik I) 1839, S. 168. – Ders. (Gewerbswesen II) 1850, S. 1009f. HERZOG (Chronik II/1) 1845, S. 520f.

StadtAD, 11.2.52. Nr. 10, Bl. 26. – StadtAD, 11.2.52, Schlosser-Dep. Nr. 1, Beleg Nr. 16, [unpag.]. – StadtAD, RA, C. XXIV. 215o, [unpag.] (Registratur vom 30.11.1771).

Quellen

Schlosser, D Sporer, Büchsen-, Uhr- und Windenmacher G

Tabelle 6b: Handwerkseigene Krankenversorgungseinrichtungen in Chemnitz, Dresden, Leipzig und Zwickau

Anhang

469

Leistungsempfänger

L

Z

D

Schuhmacher

Schuhmacher

Handwerk

Schuhmacher

Ort

L

Jahr der Ersterwähnung

1637

1536

1535

zwischen 1607 und 1631

Bezeichnung der Einrichtung

Schneider

„vf der neustrassen zwischen den Wolf Magwitzin vnd Clemen Roschers heusern gelegen“ „Oben Inn der Gassen vnd bey den Teichen“ bzw. „Mitten Inn der Gassen“ vor dem niederen Tor nördlich von Z; drittes Vorstadtviertel

auf dem „Hane-Kamm“

„Siech-Häußlein“, vor dem Wilsdruffer Tor ab Ende 17. Jahr- „auff der Vieheweider gehundert „Kranmeinde“ auf der Schießgasse cken Hauß“

„Kleine wüste Brandstädte“ und „ein häußlein“ „herberg vor krancke vnd verwunte gesellen yres hantwergs“ „Der Schuknecht gartten“, ab 1543 „Der Schuknecht gartten vnd heußlein“

Lokaler Standort „vor dem Wilsdruffer Thor, Viehweider Gemeinde“ Schießgasse Nr. 960 „nächst dem Teich“

G

G

G

G

G

Kauf durch G

G

Kauf durch G

Kauf durch I, Krankenversorgung durch G Kauf durch I

Finanzierung

„Patienten-Haus“

mindestens bis 1843 bestehend

1547 abgebrannt; Wiederaufbau ungewiss; 1613 Verkauf des Gartens

1798 Einrichtung einer „Todtenkammer“; bis 1810 Nutzung zur Krankenversorgung; 1817 Verkauf abgebrannt im Dreißigjährigen Krieg; 1647 Verkauf für 40 fl 1541 vom Handwerk verkauft

Weitere Entwicklung

D

StadtAL, Rb 102, Bl. 32–33b. – StadtAL, Tit. LXIV (F) Nr. 151, Vol. 1, Bl. 3. StadtAL, Schöffenbuch 1534– 1537, Bl. 104. – StadtAL, Schöffenbuch 1540–1542, Bl. 240–240b. StadtAZ, III o 8, Nr. 26, Geschossbuch 1536–1537, S. 46. – StadtAZ, III o 8, Nr. 32, Geschossbuch 1542–1543, S. 91. – StadtAZ, III o 8, Nr. 33, Geschossbuch 1543–1544, S. 77. – HERZOG (Gewerbswesen II) 1850, S. 1009f. StadtAD, 11.2.56, Nr. 185, Bl. 138f. – StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. I, Nr. 3.

StadtAD, 11.2.54, Nr. 160.

Quellen

Schneider

1685

Tabelle 6c: Handwerkseigene Krankenversorgungseinrichtungen in Chemnitz, Dresden, Leipzig und Zwickau

470 Anhang

Leistungsempfänger

1567

Mitte des 16. Jahrhunderts Haus für pestkranke Mitglieder

zweites Siechhaus

Abkürzungen: C = Chemnitz; D = Dresden; G = Gesellen; I = Handwerksinnung; L = Leipzig; Z = Zwickau

Z

Tuchmacher

Handwerk

Z

Ort

Tuchmacher

Jahr der Ersterwähnung

Z

Bezeichnung der Einrichtung

Tuchmacher

Lokaler Standort Kauf und noch 1771 bestehend Erhaltung durch G

StadtAD, 11.2.64, TischlerDep. Nr. 16. – StadtAD, RA, C. XXIV. 215o, [unpag.] (Registratur vom 30.11.1771). „Heinrichen Mulpforten G Eigentum 1520 „eynen Pawhen StadtAZ, A*A III 26, Nr. 2c, garten bey Sanct Moritz“ der I, zur Newhen stuben“; Briefe 1511–1515, Stück Nr. „vnten bey der Vogelstangen“ Erhaltung 1547 abgebrannt; 3. – StadtAZ, III o 8, Nr. 32, am Moritzbach nördlich von durch G später Wiederaufbau; Geschossbuch 1542–1543, S. Z; drittes Vorstadtviertel 1564 Verlegung „uffs 99. – StadtAZ, III x 60, RP Pentels guth“ geplant; 1516–1519. – StadtAZ, III x 1632 abgebrannt; noch 60a, RP 1519–1522, 1520/21, 1679 „SiechhausBl. 2. – HERZOG (Chronik I) 1839, S. 168. – Ders. (Chronik Brandstätte“ (II/1) 1845, S. 525. – UHLIG (Pest) 1943, S. 110f. bei der Moritzkirche nördlich HERZOG (Chronik I) 1839, S. von Z; drittes Vorstadtviertel 235. – Ders. (Gewerbswesen I) 1850, S. 975f. innerhalb der Stadtmauern in InKauf HERZOG (Chronik II/1) 1845, der Rosengasse nungs- durch I S. 315. mitglieder

G

Leistungsempfänger

„fürm Pirnischen Thore uff halb-Eulengaßer Gemeinde“

Finanzierung

„Krancken Kammer“, „Krancken Stube“, „Krancken-Hauß“ 1511 (Plan), 1516 „Tuchmachr hawß (Genehmigung) fur yr krangk gesynde In sterbens tzeitten“

Weitere Entwicklung

D

Quellen

Tischler und Büchsenschäfter

1710

Tabelle 6d: Handwerkseigene Krankenversorgungseinrichtungen in Chemnitz, Dresden, Leipzig und Zwickau

Anhang

471

472

Anhang

Tabelle 7a: Auswertung der Jahresrechnungen der Schuhmacherinnung in Leipzig (1783–1795) Rechnungsjahr

Besoldungen, Trinkgelder Steuern, Abgaben Baukosten, Reparaturen Gerichtskosten Herbergsvater (Heizgeld, Vorschuss usw.) Stiftungsgelder Quartalsaufwand (Zehrung) „Ins gemein“ (Sonstiges) Kreditzinsen Schreibmaterial Soziale Ausgaben Gesamtausgaben

Rechnungsjahr

1783/84 Geldwert Anteil v. H. 73 20 0 16,05 77 1 4 16,75 167 0 0 36,30 13 20 0 3,01 34 16 0 13 8 0 12 22 0 6 20 0

7,54 2,90 2,81 1,49

60 14 0 460 1 4

13,17 100,02

1786/87* Geldwert Anteil v. H.

1784/85 Geldwert Anteil v. H. 82 21 0 30,43 77 9 5 28,41 2 0 0 0,73

1785/86 Geldwert Anteil v. H. 61 18 0 28,75 49 20 6 23,21 6 0 0 2,79

8 10 0 13 8 0 15 2 0 7 9 9 15 0 0 9 20 0 41 1 0 272 9 2

32 7 13 8 9 8 11 14

3,09 4,90 5,54 2,72 5,51 3,61 15,07 100,01

1787/88 Geldwert Anteil v. H. 66 6 0 29,83 65 10 2 29,46 3 0 0 1,35 27 5 0 12,25

0 0 0 0

15,03 6,21 4,34 5,39

30 16 0 214 19 6

14,27 99,99

1788/89 Geldwert Anteil v. H. 54 12 0 28,02 25 19 2 13,27 2 0 0 1,03

Besoldungen, Trinkgelder Steuern, Abgaben Baukosten, Reparaturen Gerichtskosten Herbergsvater (Heizgeld, Vorschuss usw.) 17 18 0 7,99 32 0 0 16,45 Stiftungsgelder 13 8 0 6,00 46 16 0 23,99 Quartalsaufwand (Zehrung) 8 0 0 3,60 8 0 0 4,11 „Ins gemein“ (Sonstiges) 5 8 3 2,41 5 4 6 2,67 Kreditzinsen Schreibmaterial Soziale Ausgaben 17 15 0 7,39 15 18 0 7,09 20 8 0 10,45 Gesamtausgaben 238 15 0 222 1 5 99,98 194 11 8 99,99 * Für dieses Rechnungsjahr fehlte eine Rechnungsübersicht, weshalb die sozialen Einzelausgaben selbstständig zusammengetragen werden mussten.

473

Anhang

Tabelle 7b: Auswertung der Jahresrechnungen der Schuhmacherinnung in Leipzig (1783–1795) Rechnungsjahr

Besoldungen, Trinkgelder Steuern, Abgaben Baukosten, Reparaturen Gerichtskosten Herbergsvater (Heizgeld, Vorschuss usw.) Stiftungsgelder Quartalsaufwand (Zehrung) „Ins gemein“ (Sonstiges) Kreditzinsen Schreibmaterial Soziale Ausgaben Gesamtausgaben

Rechnungsjahr

1789/90 Geldwert Anteil v. H. 83 20 0 23,54 174 13 3 49,02 4 19 0 1,35 29 13 3 8,30 7 13 23 2

0 8 1 5

0 0 0 3

1,97 3,74 6,47 0,62

17 18 0 356 1 9

4,98 99,99

1792/93* Geldwert Anteil v. H.

1790/91* Geldwert Anteil v. H.

1791/92* Geldwert Anteil v. H.

21 12 0 275 19 6

16 379

7,80

1793/94* Geldwert Anteil v. H.

2 0 0 0

4,24

1794/95* Geldwert Anteil v. H.

Besoldungen, Trinkgelder Steuern, Abgaben Baukosten, Reparaturen Gerichtskosten Herbergsvater (Heizgeld, Vorschuss usw.) Stiftungsgelder Quartalsaufwand (Zehrung) „Ins gemein“ (Sonstiges) Kreditzinsen Schreibmaterial Soziale Ausgaben 12 16 0 2,70 9 0 0 2,63 6 18 0 3,10 Gesamtausgaben 468 22 7 341 16 5 217 23 5 * Für diese Rechnungsjahre fehlte eine Rechnungsübersicht, weshalb die sozialen Einzelausgaben selbstständig zusammengetragen werden mussten. Anmerkungen: In den Originalquellen fanden sich bisweilen kleinere Rechenfehler, die stillschweigend für die tabellarischen Aufstellungen korrigiert wurden. Die Geldwerte sind jeweils in drei Spalten nach Talern, Groschen und Pfennigen aufgeführt. Dies gilt auch für die Tabellen 8, 9 und 11. Quellen: StadtAL, Inn Schuhmacher B 2, Bd. 1–3.

23

22

11

167

Besoldungen

Gerichtskosten, Fordergebühren

Quartalsaufwand (Zehrung)

Gesamtausgaben 1

110

Soziale Gesamtausgaben

2

4

2

8

9

0

0

8

6

3

0

10,99

0,70

100,00

6,79

13,40

13,76

66,05

Anteil v. H.

0,50

100,00

1739/40

0

6

8 11

Geldwert

1

„Ins gemein“ (Sonstiges)

Rechnungsjahr

Soziale Gesamtausgaben

214 14

2

12,58

34

152 0

4

9

0 5

0

5

8

4 21

98 0

8

7,20

24,95

12,39

55,46

4,96

99,99

3,04

26,28

14,23

56,44

Anteil v. H.

0,88

100,00

1740/41

0

9

4

0

0

5

Anteil v. H.

1736/37

2 23 10

25 20

14

55 12

Geldwert

2 10

274

19 18

Gesamtausgaben

23 14

0

76,43

Quartalsaufwand (Zehrung)

0

4

Geldwert

68 11

27

Besoldungen

0

Anteil v. H.

1735/36

Gerichtskosten, Fordergebühren

164

Geldwert

„Ins gemein“ (Sonstiges)

Rechnungsjahr

Tabelle 8a: Struktur der Jahresrechnungen der Strumpfwirkerinnung in Chemnitz (1735–1755)

0

2

7

0

7

7 8 0 14

78

2

8 18

14

53

Geldwert

5

151

17 11

22 10

24

87 10

Geldwert

0

7

6

1

0

0

3,36

99,99

11,54

14,81

15,86

57,78

0,74

100,00

2,95

11,17

17,87

68,01

Anteil v. H.

1741/42

0

9

2

0

0

7

Anteil v. H.

1737/38

0

13

3

6

3

0

6

0

8

124 12

3 15

35 15

14

71

Geldwert

2

176

0

6

0

0

0

6

7,45

32,80

14,19

45,56

0,27

100,00

2,91

28,61

11,24

57,24

Anteil v. H.

1,28

100,00

1742/43

0

5

0

6

0

Anteil v. H.

1738/39 5 11

57 18

25

80

Geldwert

474 Anhang

14

Besoldungen

6

2 23

Quartalsaufwand (Zehrung)

Soziale Gesamtausgaben

0

43

11

Gerichtskosten, Fordergebühren

Gesamtausgaben

14

Besoldungen

2

1

5

0

14 21

Geldwert

0

9

„Ins gemein“ (Sonstiges)

Rechnungsjahr

Soziale Gesamtausgaben

75

1 13

Gesamtausgaben

Quartalsaufwand (Zehrung)

9

4

Gerichtskosten, Fordergebühren

0

55 11

Geldwert

„Ins gemein“ (Sonstiges)

Rechnungsjahr

4

4

0

3

0

1

0,33

99,99

2,04

5,80

18,57

73,58

0,23

100,01

6,87

26,06

32,52

34,56

Anteil v. H.

1747/48

0

4

0

0

0

4

Anteil v. H.

1743/44

0 3

8

0 4

0 23

57 17

5

8 21

14

29 16

Geldwert

0

67 17

3

10 21

14

39 16

Geldwert

0

2

0

0

0

2

4,65

16,06

20,68

58,62

1,66

100,00

8,95

15,38

24,26

51,41

Anteil v. H.

0,49

100,01

1748/49

0

0

6

0

0

6

Anteil v. H.

1744/45

Tabelle 8b: Struktur der Jahresrechnungen der Strumpfwirkerinnung in Chemnitz (1735–1755)

0

0

1

82

7

6

5 10

20 21

14

0

8

9

0

0

5,74

34,34

27,18

32,74

1,57

100,00

6,62

25,37

17,02

50,99

Anteil v. H.

3,09

100,00

1749/50

2

2

0

6

0

8

Anteil v. H.

1745/46

41 22 11

Geldwert

1 14

51 12

2 23

17 16

14

16 20

Geldwert

7

0

0

4

1

50

4

13

0

4

8

0

32 20

Geldwert

0 18

145

2 21

49

14

79

Geldwert

0

8

0

0

8

1,99

100,00

8,63

25,90

65,47

Anteil v. H.

0,52

100,00

1,98

33,95

9,64

54,43

Anteil v. H.

1750/51

2

9

0

0

0

9

1738/39

Anhang

475

3 7 0

4

4

0

0

3,10

100,00

4,53

16,43

79,04

2 16

6 12 0

0

100 13 10

Geldwert

2,43

5,92

91,65

Anteil v. H.

07.07.1755ʹ20.12.1755*

2 20

91

0

4

Anteil v. H.

1751/52

1

66

4

14

48

3

8

5

0

3

Geldwert

2

9

6

0

3

1,71

100,00

6,37

21,10

72,53

Anteil v. H.

1752/53

0

2

0

49 13

1 21

14

33 16

Geldwert

0

1

0

0

1

4,04

100,00

3,78

28,26

67,96

Anteil v. H.

1753/54

0

7

2 1 13

84

2 18

14

67

Geldwert

0

3

6

0

9

1,83

100,00

3,29

16,65

80,06

Anteil v. H.

1754/55

Quelle: StadtAC, Innungsarchiv Nr. 238.

Anmerkung: Ein gesondertes Rechnungskapitel zu den sozialen Aufwendungen fehlte in den Ausgabenrechnungen. Daher mussten diese Ausgaben aus den verschiedenen Rechnungskapiteln extrahiert werden, weshalb die absoluten und relativen Werte der sozialen Ausgaben nicht zu den übrigen hinzugerechnet werden dürfen.

Gesamtausgaben 109 17 10 100,00 * verkürztes Rechnungsjahr; wegen beschädigter Akte keine Aussage zu den sozialen Ausgaben möglich

Quartalsaufwand (Zehrung)

Gerichtskosten, Fordergebühren

Besoldungen

„Ins gemein“ (Sonstiges)

Rechnungsjahr

Soziale Gesamtausgaben

Gesamtausgaben

Quartalsaufwand (Zehrung)

4

15

Besoldungen

Gerichtskosten, Fordergebühren

72

Geldwert

„Ins gemein“ (Sonstiges)

Rechnungsjahr

Tabelle 8c: Struktur der Jahresrechnungen der Strumpfwirkerinnung in Chemnitz (1735–1755)

476 Anhang

Neuer Kassenbestand

Aufnahme (+) und Rückzahlung (-) von Verbindlichkeiten

6

4

6

0

5 12

109

Gesamteinnahmen (inklusive Anfangsbestand)

Verleih (-) und Rücknahme (+) von Kapital

2

Soziale Gesamtausgaben

Armenhaushauptkasse

0 2

103 16

Zehrpfennige

0

7

2

7

0

0

0

5

0

7 10

2 21

74

7 18

18 17

2,17

1,93

0,24

100,00

2,77

71,69

7,47

18,07

Anteil v. H.

20.12.1755–05.07.1756 Geldwert

Almosen, Krankenunterstützung

Gesamtausgaben

Quartalsaufwand (Zehrung)

Gerichtskosten, Fordergebühren

Besoldungen

„Ins gemein“ (Sonstiges)

Rechnungsjahr

2

2

0

6

-15

41

1

6

4

8

0 14

0 18

56 10

5

23

13

15

Geldwert

1

8

8

4

4

9

0

4

0

5

2,41

1,06

1,35

100,00

9,00

40,92

23,03

27,05

Anteil v. H.

1756/57 5 2

4

1

3

7

0 0 14

+30

26 21

1

1

0

56

3 12

1

13 12

38

0

0

0

9

6

3

0

0

0

0

0

2,13

1,89

0,24

100,00

6,22

1,92

23,98

67,88

Anteil v. H.

1757/58 Geldwert

Tabelle 9a: Struktur der Jahresrechnungen der Strumpfwirkerinnung in Chemnitz (1755–1804, 1808/09)

6

5

5

0

7

-10 17

43 14

0

0

0

54

3 18

23 11

13

13 20

6

0

0

0

0

6

0

2

0

4

0,38

0,38

0,00

100,00

6,90

43,20

24,40

25,50

Anteil v. H.

1758/59 Geldwert

Anhang

477

13

Besoldungen

Neuer Kassenbestand

Aufnahme (+) und Rückzahlung (-) von Verbindlichkeiten

Verleih (-) und Rücknahme (+) von Kapital

Gesamteinnahmen (inklusive Anfangsbestand)

Soziale Gesamtausgaben

5

9

2

-5 19

53

0 14

0

Armenhaushauptkasse

0

Zehrpfennige

58 21

Almosen, Krankenunterstützung

Gesamtausgaben

3 13

Quartalsaufwand (Zehrung)

6

1

Gerichtskosten, Fordergebühren

6

40 20

8

0

3

1

2

8

0

0

0

8

1,01

0,36

0,65

99,99

6,01

2,12

22,49

69,37

Anteil v. H.

1759/60 Geldwert

„Ins gemein“ (Sonstiges)

Rechnungsjahr

6

3

0

9

3

6

9

5

0 14

33

0

0

0

32

3

1 19

13

14

Geldwert

7

3

0

0

0

8

0

0

0

8

1,16

0,39

0,77

100,00

9,90

5,53

40,89

43,68

Anteil v. H.

1760/61

5

6

9

7 17

77 20

1 20

0

1 11

85 14

7 12

12

13

52 15

8

7

0

0

0

3

0

3

0

0

2,14

0,44

1,70

100,00

8,76

14,28

15,48

61,48

Anteil v. H.

1761/62 Geldwert

Tabelle 9b: Struktur der Jahresrechnungen der Strumpfwirkerinnung in Chemnitz (1755–1804, 1808/09)

8

9

1

-33

0

45 17

7 10

0

7

78 17

5 19

5 21

13

53 17

8

0

0

0

0

8

0

0

0

8

9,42

0,48

8,94

100,00

7,36

7,46

16,93

68,25

Anteil v. H.

1762/63 Geldwert

478 Anhang

4

5

1

8

6

69

Gesamteinnahmen (inklusive Anfangsbestand) 7

0

0

0

0

0

0

0

0

0

8,30

0,73

7,56

100,00

5,70

9,54

18,06

66,70 8

3

2

4

8

345 17

3

1

1 20

308

21 17

237 21

19

29

0

0

0

0

6

6

6

0

6

1,03

0,43

0,60

99,99

7,05

77,21

6,27

9,46

Anteil v. H.

1764/65* Geldwert 0 9

0

449 21

5 12

2 12

3

370 11

71

19 14

43

236 11

0

0

0

0

0

3

5

0

4

1,48

0,67

0,81

100,00

19,27

5,29

11,61

63,83

Anteil v. H.

1765/66 Geldwert

Neuer Kassenbestand -4 13 0 37 14 6 79 10 0 * außerordentlich hohe Aufwendungen im Rechnungskapitel „Gerichtskosten“ wegen Konfirmation der neuen Innungsstatuten

Aufnahme (+) und Rückzahlung (-) von Verbindlichkeiten

Verleih (-) und Rücknahme (+) von Kapital

6

Soziale Gesamtausgaben

3

Zehrpfennige

Armenhaushauptkasse

5 14 0 13

Almosen, Krankenunterstützung

73 20

Quartalsaufwand (Zehrung)

Gesamtausgaben

7

13

Besoldungen

Gerichtskosten, Fordergebühren

49

Anteil v. H.

1763/64 Geldwert

„Ins gemein“ (Sonstiges)

Rechnungsjahr

Tabelle 9c: Struktur der Jahresrechnungen der Strumpfwirkerinnung in Chemnitz (1755–1804, 1808/09)

2

0

7

6

0

1

2

158 19

-263

609

6

2 13

3 13

187

55 20

22

33

76

6

0

9

0

0

0

3

0

6

0

9

3,25

1,36

1,89

100,00

29,82

11,80

17,62

40,76

Anteil v. H.

1766/67 Geldwert

Anhang

479

-100 240

Neuer Kassenbestand

4

0

609 19

Aufnahme (+) und Rückzahlung (-) von Verbindlichkeiten

Verleih (-) und Rücknahme (+) von Kapital

Gesamteinnahmen (inklusive Anfangsbestand)

7

0

6

0

9,75

6 6

237

-100

4

0

548 14

41 12

5

36

4

0

4

3

0

3

0

0

0

0

0

19,63

2,48

17,15

100,00

30,84

6,15

18,92

44,09

7

6

0

7

0

6

387 18

+100

480

29 23

6 16

23

192 12

63

9

38

81 23

1

0

7

0

0

0

6

2

0

0

4

15,56

3,46

12,10

100,00

32,88

4,80

19,74

42,58 0

6

6

18

14

0

0

0

0

7

0

6

0

1

0

3

0

9 10

269 22

-25

600

8

0

4

4

305 11

75

25 23

39

165

107

7

8,10 1,65

5

0

0

5

211 10

65

13

40

93

35,14

24,55

5,95

4,64

100,00

24,63

8,50

12,77

54,10

Anteil v. H.

1770/71 Geldwert

Soziale Gesamtausgaben

26

0 0

100,00

20,80

2,89

17,06

59,25

Anteil v. H.

1769/70 Geldwert

75

4 11

21 20

269 14 11

9

0

0

2

Anteil v. H.

1768/69 Geldwert

Armenhaushauptkasse

Zehrpfennige

Almosen, Krankenunterstützung

Gesamtausgaben

56

Quartalsaufwand (Zehrung)

1

7 19

Gerichtskosten, Fordergebühren

0

46

159 18

Anteil v. H.

1767/68 Geldwert

Besoldungen

„Ins gemein“ (Sonstiges)

Rechnungsjahr

Tabelle 9d: Struktur der Jahresrechnungen der Strumpfwirkerinnung in Chemnitz (1755–1804, 1808/09)

480 Anhang

63

Quartalsaufwand (Zehrung)

5

8

0

64

386 -60

Soziale Gesamtausgaben

Gesamteinnahmen (inklusive Anfangsbestand)

Verleih (-) und Rücknahme (+) von Kapital 0

7

6

0

0

9

0

0

0

0

7

4

0

0

3

27,58

2,15

11,77

13,66

100,01

27,14

2,72

16,74

53,41 0 6 6

0

6

291 21

17 19

5

4

8 13

163

43

11 13

39

69 10

2

0

0

0

0

5

8

3

0

6

10,90

3,06

2,60

5,23

100,01

26,51

7,08

23,89

42,53

Anteil v. H.

1772/73 Geldwert 0

8

4

0

+10

0

537 17

33

5

2 20

17

261 23

70 12

64 14

39

87 21

6

0

3

0

0

0

0

9

0

0

0

9

12,66

1,91

1,08

9,67

100,00

26,91

24,65

14,89

33,55

Anteil v. H.

1773/74 Geldwert

Neuer Kassenbestand 93 8 2 128 14 9 285 17 * hohe Ausgaben im Rechnungskapitel „Ins gemein“ u.a. durch den Kauf eines neuen Meisterhauses für 525 r

Aufnahme (+) und Rückzahlung (-) von Verbindlichkeiten

5

Zehrpfennige

Armenhaushauptkasse

31 20 27 10

Almosen, Krankenunterstützung

232 23

6

Gerichtskosten, Fordergebühren

Gesamtausgaben

39

124 10

Anteil v. H.

1771/72 Geldwert

Besoldungen

„Ins gemein“ (Sonstiges)

Rechnungsjahr

Tabelle 9e: Struktur der Jahresrechnungen der Strumpfwirkerinnung in Chemnitz (1755–1804, 1808/09)

4

1

0

9

0

0

71

+225

+50

6

0

0

655 21

19 11

5

5

9 11

859 15

68

60

39

692

3

0

0

6

6

0

0

6

3

9

0

0

6

2,27

0,58

0,58

1,10

100,00

7,93

6,98

4,54

80,55

Anteil v. H.

1774/75* Geldwert

Anhang

481

5

Armenhaushauptkasse

+25 +50

Aufnahme (+) und Rückzahlung (-) von Verbindlichkeiten 0

0

4

0

0

0

0

0

0

0

7

6

9

0

4

3,20

0,82

0,79

1,59

99,99

12,32

1,87

6,38

79,42 0

0

6

0

2

+100

0

235 13

12 15

5

5

2 13

318

58 19

36 10

39

184

0

0

0

0

0

0

5

6

6

0

5

3,97

1,57

1,60

0,80

100,00

18,48

11,45

12,25

57,82

Anteil v. H.

1776/77 Geldwert

4

0

3

8

0

0

-100

489

0

4

16 14

5

7 10

4

274

63

63

39

108 12

0

7

0

0

0

0

0

0

3

0

9

6,05

1,82

2,71

1,52

100,00

23,04

23,12

14,23

39,61

Anteil v. H.

1777/78** Geldwert

Neuer Kassenbestand -131 0 7 17 6 7 115 4 7 * hohe Ausgaben im Rechnungskapitel „Ins gemein“ u.a. durch Reparatur- und Ausbaumaßnahmen des Meisterhauses ** in der Originalrechnung falsche Aufrechnung der Einzelposten zu einer Gesamtausgabensumme von 394 r *** Aufzeichnungen des Rechnungsjahres 1778/79 vermutlich unvollständig, da beträchtliche, sonst übliche Ausgaben fehlen

405

Verleih (-) und Rücknahme (+) von Kapital

19 14

Gesamteinnahmen (inklusive Anfangsbestand)

Soziale Gesamtausgaben

4 20

Zehrpfennige 0

9 18

Almosen, Krankenunterstützung

4

7

75 611

Quartalsaufwand (Zehrung)

Gesamtausgaben

11 10

Gerichtskosten, Fordergebühren

0

39

485 10

Anteil v. H.

1775/76* Geldwert

Besoldungen

„Ins gemein“ (Sonstiges)

Rechnungsjahr

Tabelle 9f: Struktur der Jahresrechnungen der Strumpfwirkerinnung in Chemnitz (1755–1804, 1808/09)

0 7

8

9

2

0

115 20

471

14

5

5 18

3

355 13

80

61 10

39

174 20

0

7

0

0

0

0

7

0

6

0

1

3,96

1,41

1,62

0,94

100,00

22,58

17,28

10,97

49,17

Anteil v. H.

1778/79*** Geldwert

482 Anhang

Neuer Kassenbestand

Aufnahme (+) und Rückzahlung (-) von Verbindlichkeiten

Verleih (-) und Rücknahme (+) von Kapital

208

558

46 11

Soziale Gesamtausgaben

Gesamteinnahmen (inklusive Anfangsbestand)

5

Armenhaushauptkasse

3

6

0

6

11

5

30

Zehrpfennige

3

Almosen, Krankenunterstützung

350

82 14

Gesamtausgaben

Quartalsaufwand (Zehrung)

2

64

Gerichtskosten, Fordergebühren

0

39

164 10

4

6

0

0

0

0

2

0

6

0

8

13,27

1,43

3,21

8,63

100,01

23,59

18,31

11,14

46,97

Anteil v. H.

1779/80 Geldwert

Besoldungen

„Ins gemein“ (Sonstiges)

Rechnungsjahr

0

0

0

0

0

4

0

0

0

0

5

69 10 11

-365

799 14

25 14

5

8

3

0

3

7 11 3

12 14

365

98

78 22

39

148 21

Geldwert

7,01

1,37

2,19

3,45

100,00

26,93

21,62

10,68

40,77

Anteil v. H.

1780/81

6

9

0

0

4

2

0

90 20

424 12

43

5

12 22

25

333 16

98

72

39

124

2

5

0

0

0

0

3

3

3

0

9

12,91

1,50

3,87

7,54

100,00

29,45

21,69

11,69

37,17

Anteil v. H.

1781/82 Geldwert

Tabelle 9g: Struktur der Jahresrechnungen der Strumpfwirkerinnung in Chemnitz (1755–1804, 1808/09)

0

2

0

65 15

380 10

43

5

21 10

16 16

314 19

108 13

35 17

40

8

8

0

0

0

0

0

4

9

0

130 11 11

13,69

1,59

6,80

5,29

99,99

34,48

11,35

12,71

41,45

Anteil v. H.

1782/83 Geldwert

Anhang

483

71 23

Neuer Kassenbestand

Aufnahme (+) und Rückzahlung (-) von Verbindlichkeiten

Verleih (-) und Rücknahme (+) von Kapital

0

0

0

0

159

1

0

478 16 11

0

5 55 10

Soziale Gesamtausgaben

19 14

Armenhaushauptkasse

30 20

Zehrpfennige

Gesamteinnahmen (inklusive Anfangsbestand)

7

9

0

7

319 15 11

Almosen, Krankenunterstützung

Gesamtausgaben

Quartalsaufwand (Zehrung)

6

66

Gerichtskosten, Fordergebühren

0

9

39

142

17,33

1,56

6,13

9,64

100,00

22,52

20,73

12,20

44,55

Anteil v. H.

1783/84 Geldwert

Besoldungen

„Ins gemein“ (Sonstiges)

Rechnungsjahr

1

0

7 3

0

6

4

0

3

58 22

448

63 10

5

27 22

30 12

389

5

0

0

0

0

0

7

91 19 10

107

39

151

Geldwert

16,29

1,28

7,17

7,84

100,00

23,59

27,51

10,02

38,88

Anteil v. H.

1784/85

0

6

7 6

5

4

0

8

83 23

375

51

5

24

21 20

291

77

44 16

35

134

4

5

0

0

0

0

1

4

9

0

0

17,57

1,72

8,35

7,50

100,00

26,54

15,35

12,02

46,09

Anteil v. H.

1785/86 Geldwert

Tabelle 9h: Struktur der Jahresrechnungen der Strumpfwirkerinnung in Chemnitz (1755–1804, 1808/09)

0

8 0

0

0

0

0

6

7

5

0

8

4 10

-0 15

398

34 18

5

20 10

9

398 20

101 12

117 21

36

143 10

6

8,71

1,25

5,12

2,34

100,00

25,45

29,56

9,03

35,96

Anteil v. H.

1786/87 Geldwert

484 Anhang

Neuer Kassenbestand

Aufnahme (+) und Rückzahlung (-) von Verbindlichkeiten 68 22

330 13

Verleih (-) und Rücknahme (+) von Kapital

Gesamteinnahmen (inklusive Anfangsbestand)

0

5 36 20

4

Soziale Gesamtausgaben

23

8 16

261 14

Armenhaushauptkasse

Zehrpfennige

Almosen, Krankenunterstützung

Gesamtausgaben

70 13

Quartalsaufwand (Zehrung)

3

49

Gerichtskosten, Fordergebühren

0

37

104 21

6

3

0

0

0

0

5

6

9

0

2

14,08

1,91

8,86

3,31

99,99

26,97

18,79

14,14

40,09

Anteil v. H.

1787/88 Geldwert

Besoldungen

„Ins gemein“ (Sonstiges)

Rechnungsjahr

8

1

0

8

0

0

-2 19

334 23

32 20

5

25

2 20

337 18

90

84

36

127

Geldwert

2

5

0

0

0

0

7

4

9

0

6

9,72

1,48

7,40

0,84

100,00

26,75

24,89

10,66

37,70

Anteil v. H.

1788/89

7

0

0

0

4

0

70

325

2

6

33 20

5

20 20

8

255

73 21

12

36

133

3

5

0

0

0

0

2

0

0

0

2

13,26

1,96

8,16

3,14

100,00

28,95

4,82

14,11

52,12

Anteil v. H.

1789/90 Geldwert

Tabelle 9i: Struktur der Jahresrechnungen der Strumpfwirkerinnung in Chemnitz (1755–1804, 1808/09)

9

0

5

0

11

0

0

0

108 20 0,5

415 21

8

0

20 20 46

6

9

0

1 10,5 20 12

307

94 23

25

36

150 16 7,5

15,09

1,63

6,78

6,68

99,99

30,93

8,27

11,72

49,07

Anteil v. H.

1790/91 Geldwert

Anhang

485

Soziale Gesamtausgaben

Neuer Kassenbestand

Aufnahme (+) und Rückzahlung (-) von Verbindlichkeiten

Verleih (-) und Rücknahme (+) von Kapital

Gesamteinnahmen (inklusive Anfangsbestand)

5 44

Armenhaushauptkasse 0

0

0

0

3

3

6

0

6

213

9 0,5

616 22 3,5

0

0

20 20

Zehrpfennige

4

18

Almosen, Krankenunterstützung

403 13

Gesamtausgaben

4

9

100

45

Gerichtskosten, Fordergebühren

0

Quartalsaufwand (Zehrung)

36

221 23

10,90

1,24

5,16

4,50

100,00

24,82

11,25

8,92

55,01

Anteil v. H.

1791/92 Geldwert

Besoldungen

„Ins gemein“ (Sonstiges)

Rechnungsjahr

0

9

8

0

0

7 3,5

4

0

0

0

6

0

3

0

3

203 11 9,5

552

31

5

20 20

5

348 19

100 20

52 14

36

159

Geldwert

8,94

1,43

5,97

1,53

100,00

28,91

15,08

10,32

45,69

Anteil v. H.

1792/93

0 8

8

4

0 0

0

0

0

3

0

0

0

3

311 18 3,5

634 10 6,5

64

5

45 20

13

322 16

103

40 16

36

142 16

19,89

1,55

14,20

4,13

100,00

32,02

12,60

11,16

44,22

Anteil v. H.

1793/94 Geldwert

Tabelle 9j: Struktur der Jahresrechnungen der Strumpfwirkerinnung in Chemnitz (1755–1804, 1808/09)

3

3

0

8

2

6

0

4

0

0

0

0

2

0

6

0

345 19 4,5

689 10 6,5

75

5

59

11

343 15

106

22

36

179

8

21,90

1,46

17,22

3,23

100,00

30,88

6,44

10,48

52,20

Anteil v. H.

1794/95 Geldwert

486 Anhang

27 21 107 415

Gerichtskosten, Fordergebühren

Quartalsaufwand (Zehrung)

Gesamtausgaben

61

Zehrpfennige

902 14 1,5

Neuer Kassenbestand

Aufnahme (+) und Rückzahlung (-) von Verbindlichkeiten

Verleih (-) und Rücknahme (+) von Kapital

487 10 9,5

0

0

Gesamteinnahmen (inklusive Anfangsbestand)

0

5 107 12

Soziale Gesamtausgaben

0

0

4

0

6

0

Armenhaushauptkasse

0

41 12

Almosen, Krankenunterstützung

3

4

0

36

Besoldungen

1 10

244

25,89

1,20

14,69

10,00

99,99

25,81

6,72

8,67

58,79

Anteil v. H.

1795/96 Geldwert

„Ins gemein“ (Sonstiges)

Rechnungsjahr

0

6

2

0

8 0

0

0

0

9

0

0

0

9

0

0

485 13 10,5

-200

1192 20 7,5

115

5

63

46 18

507

118 11

9 20

36

342 23

Geldwert

22,69

0,99

12,48

9,22

100,00

23,35

1,94

7,10

67,61

Anteil v. H.

1796/97

9

0

5

297

-300

1088

76

5 0

0

0

0

9

0

3

0

6

0

1 4,5

0

7 1,5

8

0

51 16

19 16

491

129 21

70

36

254 23

15,54

1,02

10,52

4,00

100,01

26,44

14,33

7,33

51,91

Anteil v. H.

1797/98 Geldwert

Tabelle 9k: Struktur der Jahresrechnungen der Strumpfwirkerinnung in Chemnitz (1755–1804, 1808/09)

0

0

4

314

822

112

5

56

50

508

0

0

0

0

7

6

0

0

5 3,5

8 10,5

2

0

0

2

3

128 23

43

36

300

1

22,06

0,98

11,02

9,86

99,99

25,38

8,46

7,08

59,07

Anteil v. H.

1798/99 Geldwert

Anhang

487

151 19 514 17 11

Gesamtausgaben

Zehrpfennige

Neuer Kassenbestand

Aufnahme (+) und Rückzahlung (-) von Verbindlichkeiten 352

6

0

0

6

7 1,5

1 0,5

867

Gesamteinnahmen (inklusive Anfangsbestand)

Verleih (-) und Rücknahme (+) von Kapital

146 16

Soziale Gesamtausgaben

0

5

Armenhaushauptkasse

0

58 16 83

Almosen, Krankenunterstützung

0

0

Quartalsaufwand (Zehrung)

2

15

0

Gerichtskosten, Fordergebühren

0

36

311 20 11

28,50

0,97

16,12

11,40

100,00

29,49

2,93

6,99

60,59

Anteil v. H.

1799/1800 Geldwert

Besoldungen

„Ins gemein“ (Sonstiges)

Rechnungsjahr

9

0

4

0

0

140

-100

970

0

0

0

0

4

6

0

0

0

1 9,5

0

6 1,5

104 21

5

96

3 21

730

215 19

143

36

334 23 10

Geldwert

14,36

0,68

13,15

0,53

100,01

29,56

19,64

4,93

45,88

Anteil v. H.

1800/01

0

0

0

0

0

6 3,5

0

0

0

0

9

0

1

0

8

30 10 6,5

-100

734

117 17

5

86

26 17

703 19

248 15

69 14

36

349 14

16,72

0,71

12,22

3,79

99,99

35,32

9,89

5,11

49,67

Anteil v. H.

1801/02 Geldwert

Tabelle 9l: Struktur der Jahresrechnungen der Strumpfwirkerinnung in Chemnitz (1755–1804, 1808/09)

9

0

0

0

0

8

0

0

0

0

8

0

6

0

50 18 4,5

654 18 0,5

185

5

95

84 16

603 23

222

17

36

328 14

2

30,63

0,83

15,78

14,02

100,00

36,82

2,82

5,96

54,40

Anteil v. H.

1802/03 Geldwert

488 Anhang

781

0

0

3 1,5

0

0

0

0

1

0

6

0

7

22,68

0,97

11,89

9,82

100,00

31,10

5,38

6,98

56,54 0

9

8

6

0

4

2

8

953 19

174

5

145

24

726

235

12 14

36

442

6

0

0

0

0

2

6

0

0

8

23,99

0,69

19,99

3,32

100,00

32,40

1,73

4,96

60,91

Anteil v. H.

1808/09 Geldwert

Quellen: StadtAC, Innungsarchiv Nr. 239. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 240. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 241. – StadtAC, Innungsarchiv Nr. 242, S. 1–16.

Neuer Kassenbestand 265 6 0,5 227 11 4 Anmerkung: Ein gesondertes Rechnungskapitel zu den sozialen Aufwendungen fehlte in den Rechnungen. Daher mussten diese Ausgaben (Almosen, Zehrpfennige, Abgaben an die Armenhaushauptkasse usw.) aus verschiedenen vorhandenen Rechnungskapiteln extrahiert werden, weshalb die absoluten und relativen Werte der sozialen Ausgaben nicht zu den übrigen hinzugerechnet werden dürfen. Um die relativen Anteile der Ausgaben nicht zu verzerren, wurden Kreditverleih und -rückzahlungen gesondert aufgenommen und nicht wie in den Originalquellen in der Ausgabenstruktur stillschweigend berücksichtigt (mit Ausnahme etwaiger Vorleistungen der Handwerksältesten).

Aufnahme (+) und Rückzahlung (-) von Verbindlichkeiten

Verleih (-) und Rücknahme (+) von Kapital

Gesamteinnahmen (inklusive Anfangsbestand)

5 117

Soziale Gesamtausgaben

Armenhaushauptkasse

61

8

50 16

Zehrpfennige

Gesamtausgaben

Almosen, Krankenunterstützung

160 10 515 21

Quartalsaufwand (Zehrung)

27 18

Gerichtskosten, Fordergebühren

0

36

291 16

Anteil v. H.

1803/04 Geldwert

Besoldungen

„Ins gemein“ (Sonstiges)

Rechnungsjahr

Tabelle 9m: Struktur der Jahresrechnungen der Strumpfwirkerinnung in Chemnitz (1755–1804, 1808/09)

Anhang

489

Tabelle 10a: Regelmäßige Finanzierung der Gesellenkassen bzw. der gemeinsamen Kassen von Meistern und Gesellen

1804

1818, G 1820, 1831

1833

D

C

C

L

1804

C

1594, G, M 1629, 1695

G

G

G

G

1693

C

G

1536

G

G

C

* Chemnitzer Kreislade

Posamentierer

Leineweber

1819 (Entwurf)

C*

Handwerk

1804

Geltungsbereich

D

Jahr der Erwähnung

Färber (Schwarz- und Schönfärber)

Beitragszahler G, M

G

G

G

G

G

G

G

G

G

Vorrangiger Empfängerkreis sozialer Leistungen

G

einmalige Zusatzgebühr von 1 g; 1697 Rückkehr zur alten Auflage von 6 d

1 g monatlich

9 d wöchentlich

monatliche Neuberechnung der Beiträge

1 g 9 d alle 4 Wochen

jeder Meister zahlt bei gemeinsamen Auflagen 2 g monatlich dazu

Verwendung: 1 g in die Krankenkasse, 6 d zum Unterhalt der Herberge und 3 d unbestimmte Ausgaben auch Strafgelder für soziale Zwecke eingesetzt; auch Fabrikgesellen sind in die Kasse eingeschlossen

StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 305–305b. – StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 321–321b. – StadtAL, Zunftbuch IV, Bl. 6b–7.

StadtAC, RA, Kap. IX. Za 86. – StadtAC, RA, Kap. IX. Za 102, S. 3, Bl. 20–22. StadtAC, RA, Kap. IX. Za 93, Bl. 17b.

StadtAD, RA, C. XXIV. 110, Bl. 32– 32b.

StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 9, Bl. 15– 15b.

StadtAC, Innungsarchiv Nr. 402, Bl. 152b, 156.

StadtAC, Innungsarchiv Nr. 305, S. 48f.

StadtAC, RA, Kap. IX. Fa 14, Bl. 9.

StadtAD, RA, C. XXIV. 110, Bl. 160– 161b.

Verwendung: die Hälfte zur KrankenverStadtAZ, X, 45, 5, Bl. 2b. sorgung, die andere Hälfte zum Vertrinken

maximal 2 g 6 d oder 3 Beitragshöhe von Anzahl der Kranken g alle 4 Wochen abhängig

Auflage von 6 d auf 9 d erhöht

2 g jede Weichfasten

1 g wöchentlich

1 g monatlich

1 g alle 4 Wochen

Regelmäßige Beitragszahlung der Gesellen

1685

Weitere Bestimmungen

Z

Quellen

Barettmacher (Schlappenmacher)

490 Anhang

Tabelle 10b: Regelmäßige Finanzierung der Gesellenkassen bzw. der gemeinsamen Kassen von Meistern und Gesellen

Handwerk

Schneider

1607

1630

1710

1713 (?)

L

L

D

L

1804

D

Geltungsbereich

ca. 1783 (Entwurf)

Jahr der Erwähnung

C

Beitragszahler G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

jeder Meister zahlt bei gemeinsamen Auflagen 2 g monatlich dazu

Verwendung: 3 d wöchentlich für Krankenversorgung der arbeitenden Gesellen, Restbetrag für Unterstützung fremder Kranker und Bedürftiger 2 d vierzehntägig und 4 Verwendung: Hospitalpflege; fremde d zum Quartal Gesellen zahlen erste Gebühr doppelt; junge Schneider zahlen halbe Auflage 4 d je Auflage Verwendung: halb zur Krankenversorgung, halb für diverse Zwecke sparen; junge Schneider zahlen 3 d, Jungen zahlen 2d 1 g alle 4 Wochen und Verwendung: ein Drittel der Auflage und doppelte Auflage zu die Hälfte der Strafgelder zur Ergötzlichden vier Quartalen keit; bei Quartalen ein Viertel der Auflage und die gesamten Strafgelder; ein „Pursche“ zahlt nur 6 d; fremde Gesellen zahlen erste Gebühr doppelt 1 g je Auflage Verwendung: zu „nothwendigen Bedürffniß insonderheit zur Wartung krancker Gesellen“; junge Schneider zahlen 9 d, Lohnburschen zahlen 6 d; fremde Hilfskräfte zahlen erste Gebühr jeweils doppelt

1 g 6 d monatlich

1 g monatlich

nur für in 9 d wöchentlich und D arbei- 1,5–2 r quartalsweise tende G

G

G, M

Vorrangiger Empfängerkreis sozialer Leistungen

G, M

Regelmäßige Beitragszahlung der Gesellen

1618

Weitere Bestimmungen

D

StadtAL, Inn Schneider C 1, Bl. 23.

StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 355b–356, 358b.

StadtAL, Inn Schneider C 2, Bl. 53.

StadtAL, Inn Schneider C 1, Bl. 18b.

StadtAD, RA, C. XXIV. 110, Bl. 148– 149b.

StadtAC, RA, Kap. IX. Pb 7, Bl. 44.

StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 1, Bl. 115, 121.

Quellen

Posamentierer

Anhang

491

Tabelle 10c: Regelmäßige Finanzierung der Gesellenkassen bzw. der gemeinsamen Kassen von Meistern und Gesellen

Handwerk

1750, 1779 G, M*

G

G

D

1804

L

G

1736

1804

D

G

G

C

1784

D

1811

L

* siehe Spalte „Weitere Bestimmungen“

Strumpfwirker

Schuhmacher

1804 (Vor- G schlag)

G

D

Geltungsbereich

1769

Jahr der Erwähnung

L

Beitragszahler G

G

G

G

G

G

G

G

G

Vorrangiger Empfängerkreis sozialer Leistungen

G

1 g alle 4 Wochen und 1 g beim Quartal

1 g quartalsweise

4–6 g Quartalsgeld, abhängig von Bedürftigenzahl 3–4 g Quartalsgeld, abhängig von Bedürftigenzahl 1 g wöchentlich

6 d wöchentlich

10–12 g quartalsweise

2 g vierzehntägig (?)

6–8 g vierteljährlich

Regelmäßige Beitragszahlung der Gesellen

1767

auch Meister, die gesellenweise arbeiten, sollen ohne Gegenleistung monatlich 6 d neben ihrem Quartalsgeld bei der Innung einlegen; auch Gesellen, die als Soldaten arbeiten, zahlen übliche Auflage ohne Gegenleistung

Meistersöhne zahlen nicht ein

Verwendung: zur Krankenversorgung

Weitere Bestimmungen

D

StadtAD, 11.2.62, Nr. 3, [unpag.] (Registratur 04.12.1749; Schreiben vom 26.10.1779).

StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 1, Bl. 93b.

StadtAD, RA, C. XXIV. 110, Bl. 193b.

StadtAD, RA, C. XXIV. 110, Bl. 128– 129.

StadtAD, 11.2.56, Nr. 141, Bl. 5b.

StadtAL, II. Sektion S (F) 2380, Bl. 38b.

StadtAD, RA, C. XXIV. 110, Bl. 172– 173.

StadtAL, Inn Schneider C 2, Bl. 69.

WOZEL (Handwerksgesellen) 1988, S. 55.

Quellen

Schneider

492 Anhang

Tabelle 10d: Regelmäßige Finanzierung der Gesellenkassen bzw. der gemeinsamen Kassen von Meistern und Gesellen

Handwerk

1804

1839

D

C

1558

1804

L

C

D

Tuchbereiter

Tuchmacher

G

G

G

G

1 g alle 4 Wochen, wegen hoher sozialer Ausgaben derzeit aber 2g 3–4 d wöchentlich

Erhöhung der Auflage um 3 d

1 g alle 4 Wochen (bzw. 3 d wöchentlich)

1 g alle 4 Wochen

* siehe Spalte “Weitere Bestimmungen”

G

G, Kä

1 g monatlich

G, Kä, K 1 d jeder G und 1 h der Gejede Kä wöchentlich sellenfamilien nur für in 2 g alle 4 Wochen D arbeitende G

G

G, M, G, M, W, zusätzlich 3 d vierW K zehntägig

G

G

G

G

1671, 1695 G

L

Trippenmacher

1609

1766

Geltungsbereich

D

Jahr der Erwähnung

L

Beitragszahler G

Vorrangiger Empfängerkreis sozialer Leistungen

G*

Regelmäßige Beitragszahlung der Gesellen

zwischen 1755 und 1771 1756

Verwendung: Finanzierung sozialer Zwecke neben der gemeinen Auflage

Verwendung: Finanzierung der Krankengelder

auch Fabrikgesellen eingeschlossen

Gesellen, die als Soldaten arbeiten, zahlen halbe Gebühr ohne Leistungsanspruch

Weitere Bestimmungen

C

StadtAD, RA, C. XXIV. 110, Bl. 80– 82.

StadtAC, RA, Kap. III. Sect. VIIb, Nr. 3, RP 1535–1567, Bl. 123b.

StadtAL, Inn Tuchbereiter A 1, Bl. 10– 10b. – StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 21b.

StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 20b–21.

StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 40, Bl. 1b.

StadtAD, RA, C. XXIV. 110, Bl. 38.

StadtAD, 11.2.62, Nr. 20b, [unpag.] (Registratur vom 16.08.1766).

StadtAL, II. Sektion S (F) 1860, Bl. 2b–3, 6.

StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 7, Bl. 2–6, 24–37b.

Quellen

Strumpfwirker

Anhang

493

D

Vorrangiger Empfängerkreis sozialer Leistungen

Beitragszahler

Jahr der Erwähnung nur für in 2 g alle 4 Wochen D arbeitende G

Regelmäßige Beitragszahlung der Gesellen

G

auch Beteiligung ehemaliger Fabrikgesellen, die zu Zunftmeistern wechselten

Weitere Bestimmungen

1808 (Entwurf)

StadtAD, 11.2.66, Nr. 64, Bl. 3b.

Quellen

Handwerk

Abkürzungen: C = Chemnitz; D = Dresden; G = Gesellen; K = Kinder; Kä = Kämmerinnen; L = Leipzig; M = Meister; W = Meisterwitwen; Z = Zwickau

Geltungsbereich

Tuchmacher

Tabelle 10e: Regelmäßige Finanzierung der Gesellenkassen bzw. der gemeinsamen Kassen von Meistern und Gesellen

494 Anhang

31

38

1 3

5 0

100,00

100,00 9 0

99,99

0 12 0 2 0 0 33 23 0

1,47 5,89 100,00

1832/33 Geldwert Anteil v. H. 12 19 0 37,67 14 16 0 43,19 4 0 0 11,78

28

52 13 0 2 0

2 3

100,00

1,19

1833/34 Geldwert Anteil v. H. 29 3 6 60,99 8 18 0 18,31 4 0 0 8,37 3 9 6 7,11 0 12 0 1,05 2 0 0 4,18 47 19 0 100,01

19

42

0 12 0

1828/29 Geldwert Anteil v. H. 10 21 9 25,91 26 16 6 63,40 4 0 0 9,50

0 0

100,01

1834/35 Geldwert Anteil v. H. 6 7 6 25,94 7 8 6 30,22 4 0 0 16,44 4 4 0 17,12 0 12 0 2,05 2 0 0 8,22 24 8 0 99,99

53

41 21 3

1829/30 Geldwert Anteil v. H. 21 14 9 51,60 12 10 6 29,71 4 0 0 9,55 3 8 0 7,96 0 12 0 1,19

Quelle: StadtAZ, X, 38, 47.

Gesamteinnahmen 46 11 9 50 9 3 67 1 0 80 12 0 68 17 6 Anmerkungen: Um die Vergleichsergebnisse der einzelnen Jahre nicht zu verzerren, wurde im Rechnungsjahr 1833/34 eine Kreditrückzahlung von 20 Talern an die Handwerkskasse in der Ausgabenstruktur nicht berücksichtigt. Gesamteinnahmen wurden inklusive des Kassenbestandes vom Anfang des Rechnungsjahres angegeben.

100,00

31

0 6

1830/31 Geldwert Anteil v. H. 0 16 0 2,15 22 0 6 70,99 4 0 0 12,89 3 12 0 12,36 0 12 0 1,61

Rechnungsjahr

Krankenunterstützung Zehrpfennig Herbergszins „Vertrunken“ Rechnungslegung Sonstiges Gesamtausgaben

1831/32 Geldwert Anteil v. H. 10 7 3 33,18 12 14 0 40,52 4 0 0 12,88 4 4 0 13,42

31 22 0

8 5

Gesamteinnahmen

87

0,95

0 12 0

0,57

0 12 0

Krankenunterstützung Zehrpfennig Herbergszins „Vertrunken“ Rechnungslegung Sonstiges Gesamtausgaben

1827/28 Geldwert Anteil v. H. 14 5 0 27,04 33 20 0 64,39 4 0 0 7,61

1826/27 Geldwert Anteil v. H. 63 7 5 72,48 20 21 0 23,90 2 16 0 3,05

1825/26 Geldwert Anteil v. H. 11 12 0 36,13 11 7 0 35,47 4 0 0 12,57 3 17 0 11,65 0 12 0 1,57 0 20 0 2,62 31 20 0 100,01

Rechnungsjahr

Tabelle 11: Auswertung der Jahresrechnungen der Schneidergesellen-Verpflegungskasse in Zwickau (1825–1834)

Anhang

495

Handwerk

1591 1598

1611

1611

1613

1619

1650 1669

L C

D

D

L

C

Z D

Geltungsbereich

1556 1556 1590, 1594

Jahr der Erwähnung

D D C

Adressaten der Bestimmung G M, G

M

M

M, G

M, G

M, G M M

G M, G

M

M, K

K

G M, G

M

M

M, K M G, Gesellen- G frau (ab 1618) M, G M, G

Tod einer/eines

M G

M, G K M

M, G M (G?) M, G M (G?) G

bei K: Meister oder Meisterfrau

Meister oder Meisterfrau

Meister oder Meisterfrau Meister oder Meisterfrau

Meister oder Meisterfrau

Mindestteilnehmerzahl beim Leichengang

M, G M, G M

M, G M, G M, G M, G G

Leichenfolgepflicht für

1470 1470 1536 1536 1538

StadtAL, Inn Leineweber A 1. StadtAL, Inn Leineweber A 1. StadtAL, Inn Leineweber A 2. StadtAL, Inn Leineweber A 2. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 305, S. 48, 50. StadtAD, RA, C. XXIV. 274b, Bl. 171. StadtAD, RA, C. XXIV. 274b, Bl. 171. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 145b. – StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 184–184b. StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 281b. StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 162. – BRÄUER (Chemnitz) 2005, S. 154. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 1, Bl. 288b–289. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 1, Bl. 289. StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 85b–86. Beerdigungsgesellschaft StadtAC, Innungsarchiv Nr. 362, Bl. (?) 80b–81. StadtAZ, X, 1, 15, Bl. 33. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 2, Bl. 118b–119.

religiöse Bruderschaft religiöse Bruderschaft religiöse Bruderschaft religiöse Bruderschaft

Geregelte finanzielle Unterstützung im Todesfall und Zusatzinformationen

L L L L C

Quellen

Leineweber

M K M G, K G

Tabelle 12a: Leichenfolgepflicht und finanzielle Unterstützungen im Todesfall

496 Anhang

Handwerk

1694 1695

1700, 1704

1711

1743

1770

1770

1774

1774 spätestens 1782 1783

Z L

C

C

C

C

C

C

C Z M

M M

M

M (G?)

M, G

M

M

M

M

M M

G, K

K

M

K

M

M

M, K

K

M

M

M

M (G?)

M, G

M

k. A. M

?

ab sofort 1/8 der M

bisher 1/4, ab sofort 1/8 der M 100 Meister und ihre Gesellen 40 Meister (und ihre Gesellen?) bisher 1/4, ab sofort 1/12 der M ab sofort 1/6 der M

bei K: Meister oder Meisterfrau

Mindestteilnehmerzahl beim Leichengang

M M

M

M

Sterbegeldkasse

2 fl bei Tod eines Meisters, 1 fl bei Tod einer Meisterfrau Beerdigungsgesellschaft oder Sterbegeldkasse

Geregelte finanzielle Unterstützung im Todesfall und Zusatzinformationen

C

1677

Jahr der Erwähnung

C

Geltungsbereich M, G

Adressaten der Bestimmung

1669

Leichenfolgepflicht für

D

StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 342f.

StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 299. StadtAZ, X, 25, 88, Vol. I, [unpag.].

StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 299.

StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 294.

StadtAC, RA, Kap. V. Sect. XVI, Nr. 11, Bl. 8. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 265f. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 294.

StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 294.

StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 2, Bl. 118b. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 392, Bl. 67b. StadtAZ, X, 1, 17, Bl. 36–50b. StadtAL, Zunftbuch IV, Bl. 45b.

Quellen

Leineweber

K

Tabelle 12b: Leichenfolgepflicht und finanzielle Unterstützungen im Todesfall

Anhang

497

Tod einer/eines

Handwerk

1622 1629

1639

1695

1707

Z L

D

L

D

Jahr der Erwähnung M

G, J, Magd M, G

M M, G

M, G

1766 (EntM wurf) 1 freiwillige Leichenfolge 2 wenn von den Angehörigen gewünscht

1618

D

M, G

M M

M

M

M, G, K, J, Gesinde

G, J, Magd

M, G, K, J, Gesinde

M, G, K, J, Gesinde M, G, K, J, Gesinde

K M, K

M

M, G

k. A. M, G

M, G

M, G

M M2

1

M, G

M

maximal 10 Meister

50 Meister und 50 Gesellen

ab sofort 1/30 der M

bei Tod eines armen L oder G Kostenübernahme durch die Innung Arbeitgeber soll Kosten tragen bei Tod eines armen L oder G Kostenübernahme durch die Innung erster Hinweis auf „Begräbnüß gelt“ „eine Beysteuer“

Geregelte finanzielle Unterstützung im Todesfall und Zusatzinformationen

C

1594

L

1784 1832

C D

M, G

Tod einer/eines

Posamentierer

1784

Geltungsbereich

C

Adressaten der Bestimmung M

Leichenfolgepflicht für

1783

Mindestteilnehmerzahl beim Leichengang

C

StadtAC, RA, Kap. IX. Pb 7, Bl. 13b.

StadtAD, 11.2.46, Nr. 75h, Bl. 88.

StadtAL, Zunftbuch IV, Bl. 7–7b.

StadtAD, 11.2.46, Nr. 75g, S. 52.

StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 1, Bl. 123b. StadtAZ, X, 1, 15, Bl. 55–60b. StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 321b–322.

StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 349. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 5, Bl. 144b. StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 305.

StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 342f. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 349.

Quellen

Leineweber

K

Tabelle 12c: Leichenfolgepflicht und finanzielle Unterstützungen im Todesfall

498 Anhang

Handwerk

4

1602 1606

1608 1614

1648

1648

C D

Z L

L

L

freiwillige Leichenfolge Altendresden

1555 1569

Z D

Adressaten der Bestimmung M

M

M M

M M

M M

G G M

K

M

M M, K

M, K M, G, K, Gesinde

M M, G, K, Gesinde

M, K, Gesinde M, G M, G M, K

Tod einer/eines

M

M

M, G

M M

M M

M M

G G M

M

G3

bei ungetauftem K: 1/2 der M bei einer Meisterfrau: Meister oder Meisterfrau bei ungetauftem K: 1/2 der M

Meister oder Meisterfrau (außer bei Einheimischen)

bei ungetauftem K: 8 Meister

bei K oder Gesinde: Meister oder Meisterfrau

Mindestteilnehmerzahl beim Leichengang

3

1512, 1527 1527 1544

L L L

Geltungsbereich

1481

Jahr der Erwähnung

D4

G

Leichenfolgepflicht für

1766

religiöse Bruderschaft religiöse Bruderschaft

8 r Sterbegeld

Geregelte finanzielle Unterstützung im Todesfall und Zusatzinformationen

L

StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 140b–141b.

StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 140b–141b.

StadtAZ, X, 1, 15, Bl. 48. StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 65, [unpag.]. – StadtAD, RA, C. XXIV. 274b, Bl. 50b. StadtAC, RA, Kap. IX. Se 8, Bl. 5b. StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 67, [unpag.]. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 1, Bl. 252b. StadtAZ, X, 1, 15, Bl. 52b. StadtAL, Inn Schneider C 1, Bl. 5.

POSERN-KLETT (Urkundenbuch Dresden) 1875, S. 277. StadtAL, Inn Schneider A 2. StadtAL, Inn Schneider A 1. StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 3–3b.

StadtAL, II. Sektion S (F) 1941, Bl. 12.

Quellen

Samt- und Seidenwirker Schneider

G

Tabelle 12d: Leichenfolgepflicht und finanzielle Unterstützungen im Todesfall

Anhang

499

1699, 1709

1707

1708

1709, 1730

1710

ca. 1735

1755

L

D

Z

L

D

L

D

Adressaten der Bestimmung M

M

G

M

M

M, K

G

M

M, K, „BlutFreundschafft“ M

M

G

M

M

M

bei ungetauftem K: 1/2 der M

bei K oder Freund: 1/3 der M5

Mindestteilnehmerzahl beim Leichengang

M

M

M, G, K, Gesinde, Freunde, Eltern M

Tod einer/eines

M

Leichenfolgepflicht für G

bis 30 r (ab 1807 bis 55 r)

12 r beim Tod eines Meisters, 10 r beim Tod einer Meisterfrau 16 r bei Tod eines Meisters und bis 1766 auf 20 r erhöht, 12 r bei Tod einer Meisterfrau

bei Tod eines Meisters 12 r, bei Tod einer Meisterfrau 10 r, bei Tod eines K 1–6 r 12 r bei Tod eines Meisters, 8 r bei Tod einer Meisterfrau

Geregelte finanzielle Unterstützung im Todesfall und Zusatzinformationen

Handwerk

ohne ganze Schule

1687, 1691

D

G

StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 361b–362 StadtAL, II. Sektion S (F) 1423, Bl. 8b– 10b. StadtAD, Bibliothek B.70.1619, Nr. 25.

StadtAL, II. Sektion S (F) 1971, Vol. I, Bl. 56, 60b. – StadtAL, Inn Schneider C 14, Bl. 7–10.

HAHN (Schneiderinnung) 1925, S. 24.

StadtAL, II. Sektion S (F) 1971, Vol. I, Bl. 29, 60. – StadtAL, Inn Schneider C 1, Bl. 25b. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 324–324b.

StadtAC, RA, Kap. III. Sect. VIIb, Nr. 5, RP 1654ff., Bl. 14b. StadtAD, 11.2.54, Nr. 114, Bl. 1–1b. – StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 39–39b.

Quellen

5

1658

Geltungsbereich

C

Jahr der Erwähnung

Schneider

G

Tabelle 12e: Leichenfolgepflicht und finanzielle Unterstützungen im Todesfall

500 Anhang

1766

1771, 1774/75

1768

1783

1784

1806

1816

1817

Geltungsbereich

L

L

D

C

D

L

D

D

Jahr der Erwähnung

Handwerk

Schneider

Adressaten der Bestimmung M

M

M

M

M

M

K

M

(M)

(M)

k. A.

M

Leichenfolgepflicht für

M, K

M

wenn mehr als 40 Meister vorhanden, dann 1/4 der M

bei K: 1/4 der M

Mindestteilnehmerzahl beim Leichengang

M

M

Geregelte finanzielle Unterstützung im Todesfall und Zusatzinformationen bei Tod eines Meisters 24 oder 30 r, bei Tod einer Meisterfrau 16 oder 20 r bisher „ledigen und Kinder-Beneficien“, wird nun aufgehoben bisher 18 r, fortan 6–16 r (bei Meisterfrauen bis 14 r)

14–24 r bei Tod eines Meisters, 8–16 r bei Tod einer Meisterfrau 24 r bei Tod eines Meisters, 16 r bei Tod einer Meisterfrau bei Tod eines Meisters 14 oder 18 r, bei Tod einer Meisterfrau 12 oder 16 r, bei Tod eines K altersabhängig 1–6 r

StadtAD, 11.2.54, Nr. 156b, Bl. 1–1b, 9b–10.

StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 28, [unpag.] (29.01.1816; März 1816).

StadtAL, Tit. LXIV (F) 322, Bl. 29.

StadtAC, RA, Kap. IX. Se 8, Bl. 34– 37b. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 4, Bl. 396b.

StadtAD, 11.2.54, Nr. 183, Bl. 3d.

StadtAL, Inn Schneider A 6, Bl. 6b–7. – StadtAL, Tit. LXIV (F) 322, Bl. 45–45b.

StadtAL, II. Sektion S (F) 1971, Vol. I, Bl. 56–56b.

Quellen

M

M

Tabelle 12f: Leichenfolgepflicht und finanzielle Unterstützungen im Todesfall

Anhang

501

Tod einer/eines

1819

1822/23

1826, 1828, 1839

1830 (Entwurf)

1834 1841

Geltungsbereich

D

L

C

D

Z L

Jahr der Erwähnung

Handwerk

Schneider

Adressaten der Bestimmung M M M

M, G, K, J, Dienstleute, „Brödlinge“

M

M

Tod einer/eines

M

M

M

Leichenfolgepflicht für k. A.

M

20–56 r bei Tod eines Meisters, 16–30 r bei Tod einer Meisterfrau

bei Tod eines Meisters 6–18 r, bei Tod einer Meisterfrau 6–16 r 20–46 r bei Tod eines Meisters, 16–30 r bei Tod einer Meisterfrau bei Tod eines Meisters bis 22 r, bei Tod einer Meisterfrau bis 14 r bei „Processionsleichen“: bei Tod eines Meisters 1/4 der M 6–18 r, bei Tod einer Meisterfrau 4–16 r; bei armen Waisen Erhöhung des Leichengeldes ab 11 Mitgliedsjahren 2–6 r (wird 1831 auf Regierungswunsch gestrichen); auch nicht eingekaufte Witwen sollen 4 r erhalten (wird auf Regierungswunsch 1831 gestrichen)

Mindestteilnehmerzahl beim Leichengang bei K: 1/4 der M

Geregelte finanzielle Unterstützung im Todesfall und Zusatzinformationen

M

StadtAZ, X, 38, 55, [unpag.]. StadtAL, Inn Schneider D 1, Bl. 6.

StadtAC, RA, Kap. IX. Se 26, Bl. 1b, 17b sowie S. 4 (Mitgliederordnung 1839). StadtAD, 11.2.54, Nr. 183, Bl. 87b, 89b–90, 91, 97b–98, 114.

StadtAL, Inn Schneider C 14, Bl. 42b– 43.

StadtAD, 11.2.54, Nr. 183, Bl. 3h.

Quellen

M

M, K

Tabelle 12g: Leichenfolgepflicht und finanzielle Unterstützungen im Todesfall

502 Anhang

Handwerk

ca. 1682, 1720 1682

1685

1697/98

1703

1713

1714

C

D

D

D

Z

D

L

Geltungsbereich

1661

Jahr der Erwähnung

L

Adressaten der Bestimmung M

M

M

M

M

G

M

M, K

M

M

M, K

M

G

M

M, K

M

G

M

M

jeder G, der gebeten wird

bei K: alle Meister des gleichen Viertels

Mindestteilnehmerzahl beim Leichengang

M, G

M M

Leichenfolgepflicht für

1497 1648/49

bei Tod eines Meisters oder einer Meisterfrau 12 r, bei Tod eines Kindes 2–6 r bei Tod eines Meisters bisher 4 fl und nun 6 fl, bei Tod einer Meisterfrau 4 fl bei Tod eines Meisters oder einer Meisterfrau 16 r Beerdigungsgesellschaft

12 r

bis 30 Gulden bei Tod eines Meisters

StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 309, 313– 313b.

StadtAD, 11.2.56, Schuhmacher-Dep. Nr. 6, [unpag.].

StadtAZ, X, 1, 15, Bl. 63b–64.

StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 1, Nr. 22, [unpag.]. StadtAD, 11.2.56, Schuhmacher-Dep. Nr. 6, [unpag.]. StadtAD, 11.2.56, Nr. 264h, [unpag.] (Begräbnisrechnung 1697/98, Begräbnisrechnung 1699/1700).

StadtAC, RA, Kap. IX. Sg 6, [unpag.].

StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 89b. Beerdigungsgesellschaft StadtAD, 11.2.56, Nr. 264h, [unpag.] (Rechnung 1648/49). StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 356.

Geregelte finanzielle Unterstützung im Todesfall und Zusatzinformationen

L D

Quellen

Schuhmacher

M, K M, K

Tabelle 12h: Leichenfolgepflicht und finanzielle Unterstützungen im Todesfall

Anhang

503

Tod einer/eines

Handwerk

1753 1769

1782

1829

1829

D D

L

C

D

Geltungsbereich M

M

M

M, K

M

M

(M) G G

Leichenfolgepflicht für

M G

M

Adressaten der Bestimmung

1725

bei Tod eines Meisters oder einer Meisterfrau 16 r, bei Tod eines Kindes 2–6 r bis 32 r Übernahme der Begräbniskosten bei Armut 14 r bei Tod eines Meisters, einer Meisterfrau, 18 r bei Tod eines Obermeisters oder Obermeisterfrau (ab 1820ern: 20 r für Tod eines Meisters, 16 r bei Tod einer Meisterfrau, 25 r bei Tod eines Obermeisters) bei Tod eines Meisters oder einer Meisterfrau 8–16 r bei Tod eines Meisters oder einer Meisterfrau 8–20 r, bei Tod eines K 2–12 r

Geregelte finanzielle Unterstützung im Todesfall und Zusatzinformationen

D

StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 5, Bl. 126.

StadtAC, RA, Kap. V. Sect. XVI, Nr. 11, Bl. 30.

StadtAL, Inn Schuhmacher B 2.

StadtAD, Bibliothek B.70.1619, Nr. 26. StadtAD, 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 2, Nr. 19, [unpag.].

StadtAD, 11.2.56, Schuhmacher-Dep. Nr. 6, [unpag.].

Quellen

Schuhmacher

M, K

Tabelle 12i: Leichenfolgepflicht und finanzielle Unterstützungen im Todesfall

504 Anhang

Mindestteilnehmerzahl beim Leichengang

Tod einer/eines

Jahr der Erwähnung

1614

1638

1667 1683 1698 1710 1567

1629

1653

L

S S S L6 S

L7

S

7

Schönfärber Hosenstricker (inklusive Strumpfstricker)

Jahr der Erwähnung

6

M

M

M M M M, G M, G

G

M

M

M, G, K, J, Magd

M, G M, K, Gesinde

G

Tod einer/eines

Barettmacher und Strumpfstricker

1602

Handwerk

S

Geltungsbereich

S

Adressaten der Bestimmung k. A.

M

k. A. k. A. k. A. M, G M, G

k. A.

k. A.

M

Leichenfolgepflicht für

Schwarzfärber

M, K

20 Meister

Mindestteilnehmerzahl beim Leichengang

M

Begräbnis von G, J, Magd bezahlt der Arbeitgeber

Übernahme der Begräbniskosten bei Armut durch Gesellenschaft

bei Tod eines Meisters 20 r, bei Tod einer Meisterfrau 16 r

Geregelte finanzielle Unterstützung im Todesfall und Zusatzinformationen

L

StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 1, Bl. 292–298 .

StadtAL, Tit. LXIV (F) 129, Bl. 5.

StadtAL, Inn Färber A 4. StadtAL, Inn Färber A 6. StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 386–389b. StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 291b. StadtAD, 11.1.4, Nr. 6, [unpag.].

StadtAL, Inn Färber C 1, Bl. 3b.

StadtAL, Inn Färber A 2.

StadtAL, Inn Färber A 1.

StadtAL, Inn Schuhmacher D 1, S. 16.

Quellen

Schuhmacher

1838

Tabelle 12j: Leichenfolgepflicht und finanzielle Unterstützungen im Todesfall

Anhang

505

Handwerk

1748

1748

1749

1755 1756 1749, 1755, 1771

D

D

C

Z L C

M, G G G

G

M, G

M

M, G

M, K G G

G

G, K

M

G, K

M

M, G

M, G

M

M, G

M, G

k. A.

k. A.

bei K: Meister oder Meisterfrau

bei G: alle G sowie Meister oder Meisterin; bei K: eine Person je Werkstatt

Mindestteilnehmerzahl beim Leichengang

Schlappenmacher (inklusive Barettmacher)

1731, 1736, 1755

C

M, G

M

M

G

Zahlung von 5 r 2 r, komplette Kostenübernahme bei Armut durch Gesellenschaft (Nachlassverwertung)

komplette Kostenübernahme bei Armut durch Gesellenschaft

Geregelte finanzielle Unterstützung im Todesfall und Zusatzinformationen

8

1731, 1736, 1755

Jahr der Erwähnung

C

1723

S

Adressaten der Bestimmung

Strumpfwirker

1687

S

Geltungsbereich M, K, Gesinde

Tod einer/eines

1685

Leichenfolgepflicht für

Z8

StadtAZ, X, 46, 17 [unpag.]. StadtAL, II. Sektion S (F) 1860, Bl. 7. StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 7, Bl. 3b.

StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 337. – StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 1, Bl. 30b– 31, 102. StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 337b. – StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 1, Bl. 31, 102b. StadtAD, RA, C. XXIV, Bd. 4, Bl. 71b– 72. StadtAD, RA, C. XXIV, Bd. 4, Bl. 71b– 72. StadtAD, 11.2.62, Nr. 3, [unpag.].

StadtAZ, X, 1, 17, Bl. 80–89.

StadtAZ, X, 1, 17, Bl. 25–35b.

StadtAZ, X, 45, 5, Bl. 6b.

Quellen

Barettmacher und Strumpfstricker

G

Tabelle 12k: Leichenfolgepflicht und finanzielle Unterstützungen im Todesfall

506 Anhang

Geltungsbereich

Handwerk

D

Tuchmacher

1539

1671, 1695

M

M, Gesinde M, G

M

M

M, K

M, K, Gesinde M, G, K, J, Gesinde

M

G

10

Chemnitzer Amt Leichenfolgepflicht ohne Sanktionsdrohung 11 Leichenfolgepflicht vermutlich für das ganze Gesinde

9

L

Tuchbereiter

1609

1838

C

L

1796, 1833

L

G

M

Tod einer/eines

Trippenmacher

1786

C9

M

Adressaten der Bestimmung

ca. 1785

G

M

M, G

M, G11

G10

M

G

G

bei K: Meister oder Meisterfrau

1/2 der M; wenn mehr als 40 Meister vorhanden: 1/4 der M

Mindestteilnehmerzahl beim Leichengang

D

G

M, G

komplette Kostenübernahme bei Armut durch Innung

wenn nötig, volle Kostenübernahme durch Gesellenschaft (Nachlassverwertung) 12 r bei Tod eines Meisters 4–10 r

komplette Kostenübernahme bei Armut durch Gesellenschaft

Geregelte finanzielle Unterstützung im Todesfall und Zusatzinformationen

D

Jahr der Erwähnung

1749, 1755, 1771 1779 (Entwurf)

Leichenfolgepflicht für

C

StadtAL, Inn Tuchbereiter A 1, Bl. 11b– 12. – StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 23– 23b. StadtAD, 11.1.66. Nr. 76, [unpag.].

StadtAL, Tit. LXIV (K) 385, Bl. 27b, 29–29b. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 225, Nr. 6 [unpag.]. StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 20.

StadtAC, Innungsarchiv Nr. 213, Nr. 1 [unpag.].

StadtAD, 11.2.62, Nr. 20c, [unpag.].

StadtAD, 11.2.62, Nr. 3, [unpag.].

StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 7, Bl. 4b.

Quellen

Strumpfwirker

G

Tabelle 12l: Leichenfolgepflicht und finanzielle Unterstützungen im Todesfall

Anhang

507

Handwerk

1646

1646 G Mitte 17. Jh. M 1666 M

1670

1706

1708

Z

Z D C

Z

Z

Z

13

G

G

G

G

M M, G

StadtAZ, X, 49, 124, Bl. 16b–17.

StadtAZ, X, 1, 14, Bl. 92b–93. StadtAD, RA, B. XVI. 29, Bl. 102. StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 30, Bl. 37– 37b. StadtAZ, X, 49, 124, Bl. 22.

G14

Beerdigunggesellschaft

StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 2, Bl. 14b. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 219b–220. StadtAZ, X, 1, 14, Bl. 92b–93.

StadtAD, RA, C. XXIV. 274b, Bl. 10– 10b. StadtAL, Inn Tuchmacher A 1, Bl. 8.

StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 199.

StadtAZ, X, 49, 124, Bl. 14–15.

Meister oder Meisterfrau

bei K: Meister oder Meisterfrau bei K: Meister oder Meisterfrau bei K: Meister oder Meisterfrau Meister oder Meisterfrau bei K: Meister oder Meisterfrau

G13

G

M

M, K G, Gesellenfrau G, Gesellenfrau, Gesellenkind12 M, K (wenn erwachsen und getauft)

G

G

M M

M

M

G, Gesellenfrau M, K

M M, K

M, K

Tod einer/eines

Kind eines Gesellen über 12 Jahre wenn begehrt 14 freiwillige Leichenfolge

1602 1606

C D

M

M, K

M

Geregelte finanzielle Unterstützung im Todesfall und Zusatzinformationen

12

1598

M

L

Geltungsbereich

1570

Jahr der Erwähnung

D

Adressaten der Bestimmung M

Leichenfolgepflicht für

1568

Mindestteilnehmerzahl beim Leichengang

L

Quellen

Tuchmacher

M, K

Tabelle 12m: Leichenfolgepflicht und finanzielle Unterstützungen im Todesfall

508 Anhang

Tabelle 12n: Leichenfolgepflicht und finanzielle Unterstützungen im Todesfall

Handwerk

1755, 1762

1808 (Entwurf) 1556

1587

1602

1670

1674

1825 1826

D

D

S

S

S

S

Z D

S

1730

D

M M

M, G

M, G

M, G

M, G

M, G

G

M

M

M

M

K (ungetauft)

M, G, K, Gesinde M, G, K, Gesinde M, G, K, Gesinde M, G, K, Gesinde M, G, K, Gesinde

G

M

M, K, Gesinde M

k. A. k. A.

M, G

M, G

M, G

M, G

M, G

G

M

M

„Drey Rotten“

Beneficienkasse vorhanden bis 50 r (ab 1805: 30– 100 r) bei Tod eines G 12 r

4 fl

Beerdigunggesellschaft

Geregelte finanzielle Unterstützung im Todesfall und Zusatzinformationen

Tuchscherer und Scherenschleifer

1711/12

Jahr der Erwähnung

Z

Geltungsbereich M

Adressaten der Bestimmung

1710

Tod einer/eines

1708

Leichenfolgepflicht für

D

Mindestteilnehmerzahl beim Leichengang

Z

StadtAZ, X, 1, 17, Bl. 141b–145. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 5, Bl. 120–124.

StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 216b– 217. StadtAL, Zunftbuch IV, Bl. 100.

StadtAZ, X, 1, 15, Bl. 24–24b.

StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 274b.

StadtAZ, X, 1, 14, Bl. 53b.

StadtAD, 11.2.66, Nr. 64, Bl. 5–5b.

StadtAD, Bibliothek B.70.1619, Nr. 28.

StadtAZ, X, 49, 57, [unpag.]. – StadtAZ, X, 49, 127 (Rechnung 1719/20). StadtAD, 11.2.66, Nr. 35.

StadtAD, RA, B. XVI. 29, Bl. 41.

StadtAZ, X, 49, 124, Bl. 16b–17b.

Quellen

Tuchmacher

Anhang

509

Tod einer/eines

Adressaten der Bestimmung

Jahr der Erwähnung

Geltungsbereich

Handwerk 1/2 der M; wenn mehr als 40 Meister vorhanden: 1/4 der M

Abkürzungen: C = Chemnitz; D = Dresden; G = Gesellen; J = Lehrjungen; K = Meisterkinder; L = Leipzig; M = Meister, Meisterehefrauen und Meisterwitwen; S = Kursachsen; Z = Zwickau

M

Leichenfolgepflicht für

Mandat die General-Innungs-Articul für Künstler, Professionisten und Handwercker hiesiger Lande betreffend (Dresden, 08.01.1780), Kap. III § 31. Anmerkungen: Die Tabelle 12 gibt einerseits Hinweise darauf, wie die Leichenfolgepflicht in den Handwerksorganisationen geregelt war. So bestimmten beispielsweise die Statuten der Dresdner Leineweber von 1556, dass beim Tod eines Meisters, einer Meistersfrau, einer Meisterwitwe oder eines Gesellen die Meister und die Gesellen gemeinsam der Leiche folgen sollten. Starb jedoch ein Meisterkind, genügte es, wenn entweder der Meister oder dessen Ehefrau zum Zunftbegräbnis erschien. Andererseits finden sich in der Übersicht Informationen zu den gegebenenfalls gezahlten Begräbnisgeldern. Beispielshalber sahen die Leipziger Weberinnungsstatuten von 1536 eine solche direkte Finanzhilfe nicht vor.

M

Mindestteilnehmerzahl beim Leichengang

M

Geregelte finanzielle Unterstützung im Todesfall und Zusatzinformationen

S

Quellen

Generalinnungsartikel

1780

Tabelle 12o: Leichenfolgepflicht und finanzielle Unterstützungen im Todesfall

510 Anhang

Tabelle 13a: Fortführungsrecht der Handwerkswitwen

Handwerk

Gesellen halten ja ja (?) ja (?) ja ja (?) ja ja

Gesellen aus anderer Werkstatt ausheben

Befristung innerhalb der Zeit der Witwenschaft ja ja ja ja ja

ja1 ja

ja1

nein

1

ja befristet 2 Innungsordnung der Zeugwirker 3 Bedingungen: Geselle vorhanden, Lehrling in erster Lehrzeithälfte und Zustimmung des Handwerks 4 Verweis auf die Kursächsischen Generalinnungsartikel

ja ja ja ja ja

ja

Gesellenpflicht

ja ja

ja

Lehrlinge beschäftigen

ja ja ja ja ja k.A.4 ja ja ja ja ja

ja ja k.A. ja (?) ja ja ja

ja ja ja ja ja

nein ja3

nein

Lehrlinge auslernen

Posamentierer

1669 1694 1701 17132 1739 1832 1594 1618 1622 1629 1663

Geltungsbereich

D Z C D C D L D Z L C

Jahr der Erwähnung

1470 1472 1511 1521, 1524 1536 1611 1619, 1668

Fortführungsrecht der Witwe

L D C Z L D C

StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 39. POSERN-KLETT (Urkundenbuch Dresden) 1875, S. 262. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 289. StadtAZ, X, 25, 1, Bl. 2. StadtAL, Inn Leinweber A 2. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 1, Bl. 288b. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 362, Bl. 80b. – StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 26. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 2, Bl. 110b. StadtAZ, X, 1, 17, Bl. 40–40b, 45b. StadtAC, RA, Kap. IX. Za 22, Bl. 10–12. StadtAD, 11.2.71, Nr. 64b, Bl. 7. StadtAC, Innungsarchiv Nr. 412, S. 233–234. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 5, Bl. 141–145. StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 303. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 1, Bl. 121–121b. StadtAZ, X, 1, 15, Bl. 57. StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 320b. StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 83.

Quellen

Leineweber

Anhang

511

Tabelle 13b: Fortführungsrecht der Handwerkswitwen

Jahr der Erwähnung

Geltungsbereich

Handwerk unbegrenzt6 unbegrenzt6

1 Jahr

1–1,5 Jahre

Befristung innerhalb der Zeit der Witwenschaft

ja ja ja ja ja ja ja ja ja k.A. k.A.7 ja7 ja ja ja

ja

ja ja ja ja ja ja

ja

ja (bis 2 x)

ja

ja (bis 2 x)

ja ja (bis 3 x)

ja ja ja

ja

ja

Gesellen aus anderer Werkstatt ausheben

Schönfärber Schwarzfärber 5 Altdresden 6 Bedingung: nach 5 Jahren ohne Hilfskräfte 7 Verweis auf die Kursächsischen Generalinnungsartikel

1544 1555 1569 1602 1606 1614 1648 1666 1707 1766 1783 1784 1710 1640, 1687

Fortführungsrecht der Witwe

L Z D C D L L C D C C D L L

Gesellen halten ja

Gesellenpflicht

ja k.A. k.A. k.A.

ja

nein

nein nein

ja

Lehrlinge beschäftigen

1695 um 1420 1462 1481

ja

nein

nein nein

ja

Lehrlinge auslernen

L D D D5

StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 5b. KÜBLER / OBERSTE (Stadtbücher) 2007, S. 290f. KÜBLER / OBERSTE (Stadtbücher) 2007, S. 584f. POSERN-KLETT (Urkundenbuch Dresden) 1875, S. 275– 278. StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 5–5b. StadtAZ, X, 1, 15, Bl. 49. StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 65, [unpag.]. StadtAC, RA, Kap. IX. Se 8, Bl. 6b–7. StadtAD, 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 67, [unpag.]. StadtAL, Inn Schneider C 1, Bl. 4, 7b. StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 138–139b, 150–150b. StadtAC, RA, Kap. IX. Se 2, Bl. 32–32b. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 312–312b. StadtAC, RA, Kap. IX. Se 8, Bl. 9b. StadtAC, RA, Kap. IX. Se 8, Bl. 34–37b. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 4, Bl. 397. StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 288. StadtAL, Inn Färber B 3, Bl. 34, 110b.

Quellen

Posamentierer Schneider

512 Anhang

Tabelle 13c: Fortführungsrecht der Handwerkswitwen

Handwerk

1674

L

ja

ja

ja ja ja

Gesellenpflicht

1687 ja ja 1723 ja ja Strumpfwirker 1731, 1736, ja ja ja 1755 D 1748 ja ja ja Z 1755 ja ja ja 8 Bedingung: die letzten vier Lehrzeitwochen bei einem Meister auslernen 9 bei besonderen Notlagen durch Stadtrat verlängerbar 10 Bedingung: Geselle vorhanden 11 auch Handschuhstricker und Hosenstricker 12 Bedingungen: Geselle vorhanden, Lehrling über ein Jahr in der Lehre 13 Bedingung: Lehrling das letzte Vierteljahr an einen Meister abgeben

ja

ja ja

1 Jahr

ja ja10

ja (bis 3 x) ja ja (bis 3 x)

ja

ja ja

nein (?) ja ja10

nein (?)

ja

ja ja ja

ja ja

Gesellen aus anderer Werkstatt ausheben

S S C

S L

ja ja ja

ja

9

Befristung innerhalb der Zeit der Witwenschaft

Barettmacher Hosenstricker (und Strumpfstricker) Barett- und Strumpfstricker11

1626 1645 1662, 1693, 1720 1567 1629

D D D

Geltungsbereich

1551

Jahr der Erwähnung

D

Fortführungsrecht der Witwe ja

Gesellen halten

ja

Lehrlinge beschäftigen

1731, 1751

nein13 nein13

ja ja12 nein13

ja ja

nein8 nein8

nein8

Lehrlinge auslernen

S

StadtAZ, X, 1, 17, Bl. 32b. StadtAZ, X, 1, 17, Bl. 87. StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 320b–321. – StadtAC, RA, Kap. IX. Sm 1, Bl. 29, 96b, 100–100b. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 4, Bl. 71. StadtAZ, X, 46, 17, [unpag.].

StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 94b.

StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 1, Bl. 44b–45. – StadtAD, RA, C. XXIV. 274b, Bl. 75b. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 2, Bl. 137b–138. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 2, Bl. 241. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 3, Bl. 25, 27, 243, 245, 447, 449b. StadtAD, 11.1.4, Nr. 6, [unpag.]. StadtAL, Tit. LXIV (F) 129, Bl. 4b–5.

StadAL, Inn Färber C 1, Bl. 13–13b, 16–16b.

Quellen

Schwarz- und Schönfärber Schuhmacher

Anhang

513

Tabelle 13d: Fortführungsrecht der Handwerkswitwen

Geltungsbereich

Handwerk ja ja ja

S 1545 ja ja S 1556 ja ja S 1587 ja ja 14 Bedingung: Lehrling das letzte Vierteljahr an einen Meister abgeben 15 Bedingung: Geselle vorhanden 16 eventuelles Mitspracherecht des Lehrlings 17 Bedingung: Lehrling bei Tod des Meisters im letzten Lehrjahr

ja ja

ja

Befristung innerhalb der Zeit der Witwenschaft ja

Tuchscherer und Scherenschleifer

Jahr der Erwähnung ja ja

ja (bis 3 x) ja (bis 3 x)

ja

Gesellen aus anderer Werkstatt ausheben

Tuchmacher

Fortführungsrecht der Witwe ja

Gesellen halten ja

Gesellenpflicht

ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja

ja15 ja15

ja17

ja16

ja ja

ja

nein14

ja

ja15 ja15

ja

Lehrlinge beschäftigen

1780 1609 1671 1695 1470 1536 1539 1568 1570 1598 1625 1666 1673 1726 1541

Lehrlinge auslernen

D L L L C Z D L D L L C Z D S

StadtAZ, X, 50, 21, [unpag.]. StadtAZ, X, 50, 15, [unpag.]. StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 268, 271b.

StadtAD, 11.2.62, Nr. 20c, [unpag.]. StadtAL, Zunftbuch II, Bl. 18. StadtAL, Zunftbuch III, Bl. 13b, 17b–18b. StadtAL, Inn Tuchbereiter A 1, Bl. 7–8. ERMISCH (Urkundenbuch) 1879, S. 169. StadtAZ, X, 49, 122, Bl. 29. StadtAD, 11.1.66, Nr. 76, [unpag.]. StadtAL, Zunftbuch I, Bl. 196. StadtAD, RA, C. XXIV. 274b, Bl. 2, 10. StadtAL, Inn Tuchmacher A 1, Bl. 3. StadtAL, Inn Tuchmacher A 1, Bl. 11–12b. StadtAC, RA, Kap. IX. Tc 30, Bl. 12. StadtAZ, X, 49, 19, Bl. 7. StadtAD, RA, C. XXIV. 216c, Bd. 4, Bl. 18–18b. StadtAZ, X, 50, 14, [unpag.].

Quellen

Strumpfwirker Trippenmacher Tuchbereiter

514 Anhang

Tabelle 13e: Fortführungsrecht der Handwerkswitwen

Geltungsbereich

Handwerk ja ja ja

ja ja ja

Gesellen aus anderer Werkstatt ausheben

Befristung innerhalb der Zeit der Witwenschaft ja ja ja

ja ja ja18 nein

18

ja18

StadtAC, RA, Kap. IX. Aa 3a, Bl. 208b, 213. StadtAZ, X, 50, 8, [unpag.]. Mandat die General-Innungs-Articul für Künstler, Professionisten und Handwercker hiesiger Lande betreffend (Dresden, 08.01.1780), Kap. I § 16; Kap. III § 39.

StadtAZ, X, 1, 15, Bl. 18b.

Abkürzungen: C = Chemnitz; D = Dresden; L = Leipzig; S = Kursachsen; x = -mal; Z = Zwickau

Anmerkung: Die Tabelle spiegelt die unterschiedliche Ausgestaltung des Fortsetzungsrechts für Witwen (Witwenrecht) wider. Z. B. durften Dresdner Leineweberwitwen nach den Artikeln von 1472 das Handwerk nur mit Gesellen fortführen (Spalte „Gesellenpflicht“).

Bedingung: Geselle vorhanden

ja ja ja

ja

Quellen

18

1670 1674 1780

Jahr der Erwähnung

S S Generalinnungsartikel S

Fortführungsrecht der Witwe ja

Gesellen halten

ja

Gesellenpflicht

1602

Lehrlinge beschäftigen

S

Lehrlinge auslernen

Tuchscherer und Scherenschleifer

Anhang

515

Anna Maria Jahn Margarita Nuß Margarita Böttger Anna Maria Ferber Margaretha Bulmeyer Margaretha Mentzel Anna Maria Rösinger Maria Opitz Margaretha Delzig Susanna Fulleborn Maria Elisabeth Ellrich Salome Baumann Maria Petzsch Anna Maria Stapenius Elisabeth Kurtz Elisabeth Petzsch Maria Liebgen Euphrosyna Günther Anna Windisch

Maria Apel Catharina Walther Anna Maria Pernitzsch Ursula Kluge

Name der Meisterwitwe

28.05.1661 04.12.1660 11.05.1662 vermutlich nach dem 05.10.1662 16.11.1662 29.07.1660 18.03.1659 14.11.1662 20.08.1662 06.06.1662 03.05.1663 17.01.1664 11.09.1663 20.03.1663 11.09.1664 25.05.1664 10.10.1664 06.11.1663 25.02.1664 17.06.1663 05.06.1665 02.03.1662 19.05.1664

Sterbedatum des (früheren) Ehemannes

Hans Jahn Gabriel Nuß Paul Böttger Hans Ferber David Bulmeyer Heinrich Mentzel Hans Rösinger George Opitz Sigismund Delzig Gottfried Fulleborn Johann Sigismund Ellrich Paul Baumann Hans Petzsch David Stapenius Martin Kurtz George Petzsch Lorentz Liebgen Christoph Günther Elias Windisch

Hans Apel Elias Walther Tobias Pernitzsch Hans Kluge

Name des verstorbenen Ehemannes

Täschner Glaser Schlosser Schuhmacher Bäcker Bäcker Schneider Juwelier Siebmacher Schneider Posamentierer Schuhmacher Schneider Barbier und Wundarzt Glaser Tuchmacher Sporer Müller Drechsler

Bäcker Drechsler Schneider Schneider

Berufsstand des verstorbenen Ehemannes

23.11.1663 09.02.1664 15.02.1664 22.02.1664 17.04.1664 25.04.1664 23.08.1664 06.08.1665 20.08.1665 04.09.1665 24.10.1665 30.10.1665 30.10.1665 13.02.1666 19.02.1666 30.04.1666 09.09.1666 16.09.1666 17.09.1666

Traudatum der Witwe mit neuen Ehemann 24.05.1663 21.09.1663 27.09.1663 19.10.1663 Täschner Glaser Schlosser Schuhmachergeselle Bäcker Bäckergeselle Schneider Medicus Siebmacher Schneider Posamentierer Schuhmachergeselle Gerätträger Barbier und Wundarzt Glasergeselle Tuchmacher Sporer Tuchbereiter Drechsler

Bäckergeselle Drechslergeselle Schneider Schneider

Berufsstand des neuen Ehemannes

1 J. 11 M. 2 J. 9 M. 1 J. 4 M. vermutlich < 1 J. 1 M. 1 J. 0 M. 3 J. 6 M. 4 J. 10 M. 1 J. 3 M. 1 J. 7 M. 1 J. 10 M. 1 J. 3 M. 1 J. 6 M. 1 J. 11 M. 2 J. 5 M. 1 J. 1 M. 1 J. 5 M. 1 J. 0 M. 2 J. 3 M. 1 J. 11 M. 2 J. 10 M. 1 J. 3 M. 4 J. 6 M. 2 J. 3 M.

Dauer der Witwenschaft

Tabelle 14a: Dauer der Witwenschaft anhand von Leipziger Kirchenbucheinträgen (Stichproben: Trauungen 1663–1666, 1703–1706, 1743–1746, 1783– 1786)

516 Anhang

Maria Bahn Magdalena Sibylla Albrecht Christina Elisabeth Ransch Maria Catharina Kühn Maria Dorothea Schultze Magdalena Dengler Anna Barbara Rotsch Euphrasina Elisabeth Wanitzsch Justina Kühn Maria Elisabeth Sturm Maria Elisabeth Leonhardt Maria Regina Dünckler Anna Dorothea Köhler Susanna Döse Elisabeth Löffler Dorothea Sabina Francke Catharina Elisabeth Reig Barbara Schramm

Anna Heinze Christina Antonius Catharina Mentzel Anna Maria Schwarz

Name der Meisterwitwe

01.03.1700

08.06.1702 11.08.1700 21.02.1701 07.12.1700 22.02.1701 10.12.1702 13.01.1699 27.12.1701 13.11.1699 17.12.1702 09.03.1704

23.11.1701 20.02.1701 27.02.1702

24.02.1663 01.06.1662 16.10.1665 14.04.1665

Sterbedatum des (früheren) Ehemannes

David Benjamin Bahn Martin Albrecht Christian Ransch Andreas Kühn Georg Schultze George Dengler Georg Rotsch Christian Wanitzsch Thomas Kühn Jacob Sturm Rudolph Leonhardt Daniel Dünckler Andreas Köhler Johann Döse Johann Christian Löffler Andreas Francke Johann Gottfried Reig Christoph Schramm

Christoph Heinze Johann Antonius George Mentzel Gideon Schwarz

Name des verstorbenen Ehemannes

Hutmacher Korbmacher Hufschmied Schuhmacher Schuhmacher Feuermauerkehrer Ratsmaurermeister Schneider Wagner Töpfer Büchsenmacher Sattler Glaser Lohgerber Posamentierer Glaser Klempner Kupferschmied

Hufschmied Riemer Goldschmied Tuchbereiter

Berufsstand des verstorbenen Ehemannes

14.01.1703 29.01.1703 12.02.1703 29.05.1703 12.06.1703 26.06.1703 03.09.1703 17.09.1703 06.11.1703 22.01.1704 05.02.1704 05.05.1704 16.06.1704 18.11.1704 18.11.1704 23.02.1705 20.04.1705 22.06.1705

Traudatum der Witwe mit neuen Ehemann 24.09.1666 15.10.1666 19.11.1666 25.11.1666 Hutmacher Korbmacher Hufschmied Schuhmacher Schuhmacher Feuermauerkehrer Wundarzt Schneider Kupferschmied Schlosser Büchsenmacher Sattler Posamentierer Lohgerber Posamentierer Schneider Klipper „Notarius Publicus“

Hufschmied keine Angabe Kramer Tuchbereiter

Berufsstand des neuen Ehemannes

5 J. 3 M.

1 J. 3 J. 2 J. 6 M. 2 J. 11 M. 2 J. 11 M. 1 J. 1 M. 5 J. 3 M. 2 J. 5 M. 5 J. 1 J. 11 M. 0 J. 11 M.

1 J. 2 M. 1 J. 11 M. 1 J. 3 M.

3 J. 7 M. 4 J. 4 M. 1 J. 1 M. 1 J. 7 M.

Dauer der Witwenschaft

Tabelle 14b: Dauer der Witwenschaft anhand von Leipziger Kirchenbucheinträgen (Stichproben: Trauungen 1663–1666, 1703–1706, 1743–1746, 1783– 1786)

Anhang

517

19.03.1700 31.05.1702 15.08.1704 28.07.1701 21.09.1705

14.12.1741 07.11.1739 18.12.1741 27.06.1742 01.11.1741 20.04.1741 17.08.1741 16.05.1742

04.01.1742 25.04.1741 30.10.1742 24.07.1743

16.01.1743 17.01.1742

Maria Regina Eckhardt Johanna Rosina Müller Maria Magdalena Friedel Maria Elisabeth Haase Anna Margaretha Rothe Maria Elisabeth Schirmer Maria Elisabeth Projahn Maria Elisabeth Reinhardt Maria Magdalena Schlemm

Johanna Regina Lorenz Barbara Elisabeth Hartmann Johanna Sophia Kluge Anna Catharina Trog

Johanna Elisabeth Schmerlin Dorothea Krause

Sterbedatum des (früheren) Ehemannes

Ursula Elisabeth Neidhardt Catharina Bendrian Elisabeth Rothe Anna Maria Frech Elisabeth Gödel

Name der Meisterwitwe

Johann Jacob Schmerlin Johann Daniel Krause

Gottlieb Lorenz Andreas Hartmann Georg Kluge Gabriel Trog

Johann Heinrich Eckhardt Zacharias Müller George Friedel Peter Haase Samuel Rothe George Schirmer Christoph Projahn Tobias Reinhardt Christian Schlemm

Andreas Neidhardt Sebastian Bendrian Gottfried Rothe Johann Ulrich Frech Adam Heinrich Gödel

Name des verstorbenen Ehemannes

Schneider Seiler

Perückenmacher Leineweber Lohgerber Buchdrucker

Knopfmacher Schneider Seiler Schuhmacher Perückenmacher Seidenwirker Schneider Schuhmacher Fischer

Rotgießer Schuhmacher Schuhmacher Schuhmacher Schneider

Berufsstand des verstorbenen Ehemannes

11.02.1744 22.04.1744 22.06.1744 zw. Ende Juli und Anfang August 1744 13.09.1744 14.09.1744

04.02.1743 14.02.1743 30.04.1743 08.07.1743 30.07.1743 02.09.1743 09.09.1743 25.11.1743 10.02.1744

Traudatum der Witwe mit neuen Ehemann 07.09.1705 21.09.1705 27.10.1705 08.11.1705 15.11.1706

Schneider Seiler

„Studiosus Medicinae“ Buchdruckergeselle Kammmacher Schuhmacher Perückenmacher Seidenwirker Schneider Schuhmacher Fourier in einem Infanterieregiment Perückenmacher Leinewebergeselle Goldschmied Buchdrucker

Rotgießer Schuhmacher Schuhmacher Schuhmacher Schneider

Berufsstand des neuen Ehemannes

1 J. 7 M. 2 J. 7 M.

2 J. 1 M. 2 J. 11 M. 1 J. 7 M. ca. 1 J.

1 J. 2 M. 3 J. 5 M. 1 J. 6 M. 1 J. 1 M. 1 J. 10 M. 2 J. 4 M. 2 J. 3 M. 1 J. 8 M.

5 J. 5 M. 3 J. 3 M. 1 J. 2 M. 4 J. 3 M. 1 J. 1 M.

Dauer der Witwenschaft

Tabelle 14c: Dauer der Witwenschaft anhand von Leipziger Kirchenbucheinträgen (Stichproben: Trauungen 1663–1666, 1703–1706, 1743–1746, 1783– 1786)

518 Anhang

Sterbedatum des (früheren) Ehemannes

16.01.1736 01.01.1743 25.06.1743 19.03.1743 06.05.1742

01.11.1743 21.02.1742 29.02.1744 23.05.1743 07.09.1745 20.06.1744

15.02.1782 zw. 30.03.1779 und 22.12.1780

14.02.1782 02.01.1774 13.05.1782 17.07.1782

Name der Meisterwitwe

Maria Elisabeth Lange Anna Justina Schubert Maria Doberstau Susanna Catharina Reinknecht Dorothea Elisabeth Börsch

Johanna Maria Hahn Maria Catharina Krause Anna Maria Altner Maria Catharina Fiedler Maria Sophia Erbe Johanna Elisabeth Lange Maria Elisabeth Pitzschker Christiana Sophia Schniebe

Johanna Christiana Gentsch Magdalena Sprewitz

Sophia Regina Weber Maria Elisabeth Hegewald Johanna Christiana Piltz Anna Dorothea Morgenroth

Berufsstand des verstorbenen Ehemannes

Christian Jacob Weber Carl Gottfried Hegewald Friedrich Piltz Johann Christian Morgenroth

Johann Christian Gentsch Johann Gottlob Sprewitz

Waffenschmied Seiler Lohgerber Seiler

Lohgerber Schuhmacher

Schuhmacher Pergamentmacher Fischer Strumpfwirker Kunst-, Waid- und Schönfärber Johann Gottlob Hahn Hutmacher Gottfried Krause Sägenschmied Johann Michael Altner Perückenmacher Christoph Fiedler Fleischhauer Johann Christian Erbe Strumpfwirker Johann Georg Lange Perückenmacher Heinrich Christian Pitzschker Pergamentmacher Johann Georg Schniebe Buchdrucker

Christian Friedrich Lange Johann Caspar Schubert Christoph Doberstau Johann Andreas Reinknecht Christian Heinrich Börsch

Name des verstorbenen Ehemannes

17.04.1783 29.05.1783 28.07.1783 11.08.1783

02.03.1783 04.03.1783

24.05.1745 31.05.1745 13.06.1745 29.06.1745 29.08.1746 30.08.1746 30.10.1746 01.11.1746

Traudatum der Witwe mit neuen Ehemann 16.11.1744 07.02.1745 15.02.1745 15.02.1745 23.05.1745

1 J. 6 M. 3 J. 3 M. 1 J. 3 M. 2 J. 1 M. 0 J. 11 M. 2 J. 2 M.

8 J. 10 M. 2 J. 1 M. 1 J. 7 M. 1 J. 10 M. 3 J. 0 M.

Dauer der Witwenschaft

1 J. zw. 2 J. 2 M. und 3 J. 11 M. Kunst- und Seidenfärber 1 J. 2 M. Generalakziseobereinnehmer 9 J. 4 M. Gold- und Silberarbeiter 1 J. 2 M. Seiler 1 J.

Lohgerber Schuhmacher

Hutmacher Sägenschmied Perückenmacher Fleischhauer Gärtner Perückenmacher Schlosser Buchdrucker

Schuhmacher Pergamentmacher Fischer Strumpfwirker Pastor

Berufsstand des neuen Ehemannes

Tabelle 14d: Dauer der Witwenschaft anhand von Leipziger Kirchenbucheinträgen (Stichproben: Trauungen 1663–1666, 1703–1706, 1743–1746, 1783– 1786)

Anhang

519

Johann Catharina Hahn Christiana Rosina Goldner Johanna Friederica Rüdiger Maria Dorothea Bock Johanna Dorothea Göbel Christiana Rosina Röhrlein Eva Maria Sophia Große Rosina Elisabeth Wahlmann Johanna Magdalena Bauer Christina Sophia König Johanna Catharina Metzner Augusta Rosina Hintzmann Rahel Friederica Altermann Johanna Justina Hartmann Sophia Elisabeth Böhme Sophia Elisabeth Wehrwag Christiana Henriette Großmann Rosina Elisabeth Starcke

06.10.1782

Johanna Sophia Vogelhaupt Maria Barbara Andreas Christiana Sophia Thiele

27.01.1784 04.02.1784 03.06.1783 03.10.1783 13.07.1781

12.08.1781 11.12.1782 06.04.1783 29.12.1775 28.01.1783 12.10.1783 17.07.1783 26.11.1783 25.03.1784 21.03.1780

19.06.1782

04.09.1782

Sterbedatum des (früheren) Ehemannes

Christiana Elisabeth Böhme

Name der Meisterwitwe

Schuhmacher

Berufsstand des verstorbenen Ehemannes

Jonas Hahn Christian Heinrich Goldner Barthel Rüdiger Christoph Bock Johann Andreas Göbel Johann Peter Röhrlein Wilhelm August Große Johann Andreas Wahlmann Tobias Bauer Johann Philipp Wahlmann Johann Christian Metzner Daniel Friedrich Hintzmann Johann Christoph Altermann Christian Friedrich Hartmann Andreas Heinrich Böhme Johann Michael Wehrwag Johann Gottfried Großmann Johann Gottfried Starcke

Gelbgießer Kupferschmied Lohgerber Korbmacher Schneider Schuhmacher Schneider Schneider Korbmacher Töpfer Ratsmaurermeister Kürschner Strumpfstricker Wagner Kürschner Schuhmacher Tischler Böttcher

Johann Christian Vogelhaupt Schneider Johann Andreas Weißgerber Johann Gottfried Thiele Schuhmacher

George Christian Böhme

Name des verstorbenen Ehemannes

18.11.1783 23.11.1783 19.04.1784 06.09.1784 13.09.1784 25.10.1784 15.11.1784 21.11.1784 22.11.1784 16.01.1785 31.01.1785 03.04.1785 10.04.1785 29.05.1785 24.07.1785 16.08.1785 21.08.1785 21.08.1785

Traudatum der Witwe mit neuen Ehemann zw. 07. und 14.09.1783 04.11.1783 09.11.1783 16.11.1783

Schneider Huf- und Waffenschmied Sergeant in einem Infanterieregiment Schuhmacher Kupferschmied Böttcher Korbmacher Schneider Schuhmacher Schneider Gasthalter Korbmacher Töpfer Zimmergeselle Handelsmann und Spediteur Schneider Schlosser Kürschner Schuhmacher Tischler Böttcher

Schuhmacher

Berufsstand des neuen Ehemannes

1 J. 2 M. 1 J. 3 M. 2 J. 1 M. 1 J. 10 M. 4 J. 1 M.

2 J. 3 M. 1 J. 4 M. 1 J. 5 M. 8 J. 8 M. 1 J. 8 M. 1 J. 1 M. 1 J. 4 M. 0 J. 11 M. 0 J. 9 M. 4 J. 10 M.

1 J. 4 M.

1 J.

1 J.

Dauer der Witwenschaft

Tabelle 14e: Dauer der Witwenschaft anhand von Leipziger Kirchenbucheinträgen (Stichproben: Trauungen 1663–1666, 1703–1706, 1743–1746, 1783– 1786)

520 Anhang

Johann Gottlieb Canius Johann Gottlob Stengler

Name des verstorbenen Ehemannes

Berufsstand des verstorbenen Ehemannes

Traudatum der Berufsstand des Witwe mit neuen Ehemannes neuen Ehemann 25.09.1785 Perückenmacher 04.10.1785 Seidenwirker

1 J. 2 M. 1 J. 5 M. 3 J. 8 M. 1 J. 8 M. 6 J. 8 M. wird stets das

3 J. 2 M.

Dauer der Witwenschaft

Dauer der Witwenschaft unter 1 Jahr 1 Jahr bis 2 Jahre 2 Jahre bis 4 Jahre 4 Jahre bis 7 Jahre über 7 Jahre Insgesamt

Anzahl der Fälle 4 55 29 11 3 102

Anteil v. H. 3,9 53,9 28,4 10,8 2,9 99,9

Quellen: Kirchliches Archiv Leipzig, Pfarrgemeinde St. Nicolai, Traubuch 1699–1718. – Ebd., Traubuch 1732–1752. – Ebd., Traubuch 1765–1787. – Ebd., Pfarrgemeinde St. Thomas, Traubuch 1684–1711. – Ebd., Traubuch 1730–1746. – Ebd., Traubuch 1763–1785. Im Leipziger Stadtarchiv wurden ferner folgende Ratsleichenbücher ausgewertet: StadtAL, Ratsleichenbuch Nr. 17 (1680–1689), Nr. 18 (1690–1698), Nr. 19 (1699–1707), Nr. 24 (1733–1738), Nr. 25 (1738–1742), Nr. 26 (1743–1750), Nr. 29 (1768–1779), Nr. 30 (1779–1784), Nr. 31 (1785–1793).

Abkürzungen: J. = Jahr(e); M. = Monat(e); zw. = zwischen

06.07.1782

Sterbedatum des (früheren) Ehemannes

Beutler Seiden- bzw. Strumpfwirker Elisabeth Barbara Weber 20.08.1784 Johann Gottfried Weber Schuhmacher 23.10.1785 Schuhmacher Christiana Friederica Rüger 05.09.1784 Johann Andreas Rüger Schuhmacher 19.02.1786 Schuhmacher Susanna Sibylla Glietze 02.11.1782 Heinrich Christoph Glietze Schuhmacher 30.07.1786 „Theologiae Candidatus“ Dorothea Rosina Schwarze 22.12.1784 Johann Pancratius Schwarze Schlosser 10.09.1786 Schlosser Rosina Friederica Städtefeld 03.02.1780 Heinrich Wilhelm Städtefeld Täschner 23.10.1786 „Chirurgus“ Anmerkungen: Das Datum des Eintrags im Leichenbuch kann vom tatsächlichen Sterbedatum um einige Tage abweichen. Aus Gründen der Einheitlichkeit Datum des Leichenbucheintrags genutzt. Die rechnerische Dauer der Witwenschaft wird abgerundet in Jahren und Monaten angegeben.

Maria Rosina Canius Johanna Rosina Stengler

Name der Meisterwitwe

Tabelle 14f: Dauer der Witwenschaft anhand von Leipziger Kirchenbucheinträgen (Stichproben: Trauungen 1663–1666, 1703–1706, 1743–1746, 1783– 1786)

Anhang

521

11.11.1741

12.05.1743

05.04.1740

11.06.1737 09.06.1741 18.07.1741

Sterbedatum des (früheren) Ehemannes

Johann Michael Winckler Christian Werner Johann Christian Zeidler Benjamin Gottlieb Otto Johann George Richter Carl Gottlob Rämler

Sebastian Richter Johann Adam Gläntzel Johann Gottfried Müller Johann George Jahn*

Name des verstorbenen Ehemannes

Schneider Tischler Zeug- und Leineweber Tuchmacher Zeug- und Leineweber Zeug- und Leineweber

Zeug- und Leineweber Zeug- und Leineweber Weißbäcker Tuch- und Raschmacher

Berufsstand des verstorbenen Ehemannes

26.06.1743 20.05.1744 08.06.1744 13.07.1744 12.10.1744 19.10.1744

Traudatum der Witwe mit neuen Ehemann 11.02.1743 24.04.1743 06.05.1743 20.05.1743 Zeug- und Leineweber Zeug- und Leineweber Müller Seiden- und Wollstrumpfwirker Schneider Tischler Zeug- und Leineweber Strumpfwirkergeselle Zeug- und Leineweber Zeug- und Leineweber

Berufsstand des neuen Ehemannes

Christiana Rosina Schneider 20.07.1782 Carl Gottlob Schneider Schlosser 05.05.1783 Schlosser Anna Dorothea Willkomm 29.09.1782 Johann George Willkomm Zeug- und Leineweber 30.06.1783 Handarbeiter Christiana Rosina Gäßler Johann Friedrich Gäßler Zeug- und Leineweber 07.06.1784 Zeug- und Leineweber Dorothea Sophia Köhler 25.06.1783 Johann Christoph Köhler Zeug- und Leineweber 05.07.1784 Zeug- und Leineweber Anna Maria Lange 23.07.1781 Johann Gottlob Lange Zeug- und Leineweber 10.01.1785 Posamentierer Christiana Rosina Ruppmann 05.11.1784 Johann Philipp Ruppmann Schneider 06.06.1785 Schneider Maria Regina Kreyßig 28.03.1784 Christian Gottlob Kreyßig Gold- und Silberarbeiter 10.08.1785 Schneider Christiana Dorothea Pfnaut16.07.1784 Johann Sebastian PfnautSchneider 07.09.1785 Gold- und Silberarbeiter scher scher * personelle Übereinstimmung des verstorbenen Ehemannes nach Angaben des Toten-Buchs und des Trauregisters nicht eindeutig

Christiane Charlotte Winckler Rosina Elisabeth Werner Anna Rosina Zeidler Anna Rosina Otto Rosina Richter Maria Rämler

Marien Rosinen Richter Maria Elisabeth Gläntzel Christiana Sophia Müller Maria Elisabeth Jahn

Name der Meisterwitwe

Tabelle 15a: Dauer der Witwenschaft anhand von Chemnitzer Kirchenbucheinträgen (Stichproben: Trauungen 1743–1744, 1783–1785)

1 J. 3 J. 5 M. 0 J. 7 M. 1 J. 4 M. 1 J. 1 M.

0 J. 9 M. 0 J. 9 M.

2 J. 11 M.

1 J. 2 M.

3 J. 2 M.

5 J. 9 M. 1 J. 10 M. 1 J. 10 M.

Dauer der Witwenschaft

522 Anhang

Name des verstorbenen Ehemannes

Berufsstand des verstorbenen Ehemannes

Dauer der Witwenschaft unter 1 Jahr 1 Jahr bis 2 Jahre 2 Jahre bis 4 Jahre 4 Jahre bis 7 Jahre über 7 Jahre Insgesamt

Anzahl der Fälle 3 6 5 1 0 15

Quellen: Evangelisch-lutherische Kirchgemeinde St.-Jakobi-St.-Johannis Chemnitz, Pfarrgemeinde St. Jakobi, Toten-Buch 1713–1771. – Ebd., Toten-Buch 1772–1805. – Ebd., Trauregister 1713–1787.

Abkürzungen: J. = Jahr(e); M. = Monat(e)

Sterbedatum des (früheren) Ehemannes

Traudatum der Berufsstand des Dauer der Witwe mit neuen Ehemannes Witwenneuen Eheschaft mann Johanna Christiana Sonnenkalb 06.02.1782 Johann Gottlieb Sonnenkalb Gold- und Silberarbeiter 15.11.1785 Gold- und Silberarbeiter 3 J. 9 M. Johanna Dorothea Oßen 02.03.1782 Benjamin Oßen Strumpfwirker 21.11.1785 Strumpfwirker 3 J. 8 M. Anmerkungen: Das Datum des Eintrags im Leichenbuch kann vom tatsächlichen Sterbedatum um einige Tage abweichen. Aus Gründen der Einheitlichkeit wird stets das Datum des Leichenbucheintrags genutzt. Die rechnerische Dauer der Witwenschaft wird abgerundet in Jahren und Monaten angegeben.

Name der Meisterwitwe

Tabelle 15b: Dauer der Witwenschaft anhand von Chemnitzer Kirchenbucheinträgen (Stichproben: Trauungen 1743–1744, 1783–1785)

Anhang

523

ABKÜRZUNGS- UND SIGLENVERZEICHNIS Anm. Bd., Bde. Bearb. bes. Bl. bzw. ca. d d. d. d. h. Dep. ders. dies. Diss. e. V. ebd. Ed. etc. f. fl g h H. Hrsg., hrsg. i. d. R. i. Sa. i. V. Inn Kap. kcal kg N. F. ND No., Nr. o. O. o. V. r RA Rb

Anmerkung Band, Bände Bearbeiter besonders Blatt beziehungsweise circa denarius (Pfennig) de dato das heißt Deposita derselbe dieselbe Dissertation eingetragener Verein ebenda Editor et cetera folgende florin (Gulden) Groschen Heller Heft Herausgeber, herausgegeben in der Regel in Sachsen im Vogtland Handwerksinnungen Kapitel Kilokalorie Kilogramm Neue Folge Nachdruck, Neudruck Numero, Nummer ohne Ort ohne Vornamen Reichstaler, Taler Ratsarchiv Ratsbuch

526 Red. RP S. Sect. SLUB Sp. St. StadtAC StadtAD StadtAL StadtAZ Stift. Tit. u. a. u. ö. u. v. m. UBL unpag. usw. v. H. vgl. Vol. z. B. zit.

Abkürzungs- und Siglenverzeichnis Redaktion Ratsprotokoll Seite Section Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden Spalte Sankt Stadtarchiv Chemnitz Stadtarchiv Dresden Stadtarchiv Leipzig Stadtarchiv Zwickau Stiftungsakten Titelakten unter anderem und öfter und vieles mehr Universitätsbibliothek Leipzig unpaginiert und so weiter von Hundert vergleiche Volumen (Band) zum Beispiel zitiert

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS UNGEDRUCKTE QUELLEN Evangelisch-lutherische Kirchgemeinde St.-Jakobi-St.-Johannis Chemnitz Pfarrgemeinde St. Jakobi, Toten-Buch 1713–1771. Pfarrgemeinde St. Jakobi, Toten-Buch 1772–1805. Pfarrgemeinde St. Jakobi, Trauregister 1713–1787.

Kirchliches Archiv Leipzig Pfarrgemeinde St. Nicolai, Traubuch 1647–1681. Pfarrgemeinde St. Nicolai, Traubuch 1699–1718. Pfarrgemeinde St. Nicolai, Traubuch 1732–1752. Pfarrgemeinde St. Nicolai, Traubuch 1765–1787. Pfarrgemeinde St. Thomas, Traubuch 1646–1683. Pfarrgemeinde St. Thomas, Traubuch 1684–1711. Pfarrgemeinde St. Thomas, Traubuch 1730–1746. Pfarrgemeinde St. Thomas, Traubuch 1763–1785.

Stadtarchiv Chemnitz (StadtAC) Bezirkshandwerkskammer Nr. 136. Innungsarchiv Nr. 213. Innungsarchiv Nr. 225. Innungsarchiv Nr. 238. Innungsarchiv Nr. 239. Innungsarchiv Nr. 240. Innungsarchiv Nr. 241. Innungsarchiv Nr. 242. Innungsarchiv Nr. 285. Innungsarchiv Nr. 286. Innungsarchiv Nr. 289. Innungsarchiv Nr. 305. Innungsarchiv Nr. 341. Innungsarchiv Nr. 362. Innungsarchiv Nr. 371. Innungsarchiv Nr. 392.

528

Quellen- und Literaturverzeichnis

Innungsarchiv Nr. 393. Innungsarchiv Nr. 394. Innungsarchiv Nr. 395. Innungsarchiv Nr. 396. Innungsarchiv Nr. 397. Innungsarchiv Nr. 402. Innungsarchiv Nr. 406. Innungsarchiv Nr. 407. Innungsarchiv Nr. 408. Innungsarchiv Nr. 409. Innungsarchiv Nr. 410. Innungsarchiv Nr. 412. Innungsarchiv Nr. 413. Innungsarchiv Nr. 414. Innungsarchiv Nr. 415. Innungsarchiv Nr. 432. RA, Kap. III. Sect. VIIb, Nr. 3, RP 1535–1567. RA, Kap. III. Sect. VIIb, Nr. 4, RP 1548ff. RA, Kap. III. Sect. VIIb, Nr. 5, RP 1654ff. RA, Kap. III. Sect. VIIb, Nr. 65A, RP 1762. RA, Kap. III. Sect. VIIb, Nr. 86, RP 1783. RA, Kap. III. Sect. VIIb, Nr. 89 I, RP 1786. RA, Kap. III. Sect. VIIb, Nr. 92A, RP 1789. RA, Kap. III. Sect. VIIb, Nr. 92B, RP 1789. RA, Kap. III. Sect. VIIb, Nr. 93, RP 1793. RA, Kap. IV. Sect. X, Nr. 1. RA, Kap. IV. Sect. X, Nr. 6b. RA, Kap. IV. Sect. X, Nr. 8a. RA, Kap. V. Sect. XVI, Nr. 5. RA, Kap. V. Sect. XVI, Nr. 11. RA, Kap. IX. Aa 3a. RA, Kap. IX. Aa 9. RA, Kap. IX. Aa 13a. RA, Kap. IX. Fa 13. RA, Kap. IX. Fa 14. RA, Kap. IX. Pb 1. RA, Kap. IX. Pb 7. RA, Kap. IX. Se 2. RA, Kap. IX. Se 8. RA, Kap. IX. Se 21. RA, Kap. IX. Se 26. RA, Kap. IX. Se 37a. RA, Kap. IX. Sg 6. RA, Kap. IX. Sg 14. RA, Kap. IX. Sl 1.

Quellen- und Literaturverzeichnis RA, Kap. IX. Sm 1. RA, Kap. IX. Sm 3. RA, Kap. IX. Sm 7. RA, Kap. IX. Sm 17. RA, Kap. IX. Sm 28. RA, Kap. IX. Sm 37. RA, Kap. IX. Sm 40. RA, Kap. IX. Tc 1. RA, Kap. IX. Tc 2. RA, Kap. IX. Tc 5. RA, Kap. IX. Tc 11. RA, Kap. IX. Tc 23. RA, Kap. IX. Tc 30. RA, Kap. IX. Tc 38a. RA, Kap. IX. Td 1. RA, Kap. IX. Td 4a. RA, Kap. IX. Za 1a. RA, Kap. IX. Za 2. RA, Kap. IX. Za 22. RA, Kap. IX. Za 45. RA, Kap. IX. Za 59a. RA, Kap. IX. Za 75. RA, Kap. IX. Za 86. RA, Kap. IX. Za 90. RA, Kap. IX. Za 93. RA, Kap. IX. Za 102.

Stadtarchiv Dresden (StadtAD) 11.1.4, Nr. 6. 11.1.4, Nr. 6a. 11.1.66, Nr. 76. 11.2.16, Nr. 8. 11.2.16, Nr. 9. 11.2.16, Nr. 11. 11.2.22, Glaser-Dep. Nr. 80a. 11.2.25, Nr. 2. 11.2.46, Nr. 75g. 11.2.46, Nr. 75h. 11.2.46, Nr. 75i. 11.2.46, Nr. 75k. 11.2.46, Nr. 75l. 11.2.46, Nr. 75o. 11.2.46, Nr. 76k.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

11.2.52, Nr. 10. 11.2.52, Schlosser-Dep. Nr. 1. 11.2.54, Nr. 18. 11.2.54, Nr. 27. 11.2.54, Nr. 107. 11.2.54, Nr. 113. 11.2.54, Nr. 114. 11.2.54, Nr. 129. 11.2.54, Nr. 137. 11.2.54, Nr. 147. 11.2.54, Nr. 156b. 11.2.54, Nr. 160. 11.2.54, Nr. 183. 11.2.54, Nr. 208, Vol. I. 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 28. 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 46. 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 53. 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 60, Vol. I. 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 65. 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 67. 11.2.54, Schneider-Dep. Nr. 74. 11.2.56, Nr. 141. 11.2.56, Nr. 173. 11.2.56, Nr. 182. 11.2.56, Nr. 184. 11.2.56, Nr. 185. 11.2.56, Nr. 221. 11.2.56, Nr. 227. 11.2.56, Nr. 264f, Bd. 1–2, 4. 11.2.56, Nr. 264h. 11.2.56, Schuhmacher-Dep. Nr. 6. 11.2.56, Schuhmacher-Dep. Nr. 16. 11.2.56, Schuhmacher-Dep. Nr. 24. 11.2.56, Schuhmacher-Dep. Nr. 29. 11.2.59, Nr. 2. 11.2.61, Nr. 6a. 11.2.62, Nr. 3. 11.2.62, Nr. 16. 11.2.62, Nr. 20b. 11.2.62, Nr. 20c. 11.2.64, Nr. 27. 11.2.64, Tischler-Dep. Nr. 14. 11.2.64, Tischler-Dep. Nr. 16. 11.2.66, Nr. 35. 11.2.66, Nr. 37.

Quellen- und Literaturverzeichnis 11.2.66, Nr. 47. 11.2.66, Nr. 64. 11.2.66, Nr. 71t. 11.2.66, Nr. 71v. 11.2.66, Nr. 71w. 11.2.66, Nr. 71x. 11.2.66, Nr. 71y. 11.2.71, Nr. 64b. Bibliothek B.70.1619. Bibliothek B.72.135. RA, A. XII. 32. RA, A. XXIII. 262y. RA, B. XII. 31. RA, B. XII. 60. RA, B. XII. 61. RA, B. XII. 83. RA, B. XII. 154e, Vol. I. RA, B. XII. 154f, Vol. I. RA, B. XII. 160s. RA, B. XII. 160u. RA, B. XII. 160y. RA, B. XIII. 28. RA, B. XIII. 33a, Vol. I. RA, B. XIII. 42. RA, B. XIII. 46. RA, B. XIII. 108d. RA, B. XIII. 116n, Vol. I. RA, B. XIII. 116v. RA, B. XV. 1. RA, B. XV. 3a. RA, B. XV. 36a. RA, B. XV. 62. RA, B. XV. 109. RA, B. XV. 112. RA, B. XV. 130. RA, B. XVI. 29. RA, B. XVI. 85. RA, B. XVI. 92. RA, B. XVI. 118e. RA, B. XX. 13. RA, C. XXIV. 19. RA, C. XXIV. 20. RA, C. XXIV. 110. RA, C. XXIV. 120. RA, C. XXIV. 138.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

RA, C. XXIV. 215o. RA, C. XXIV. 216c, Bd. 1–5. RA, C. XXIV. 274b. RA, C. XXXII. 17. RA, F. XXI. 10. RA, F. XXI. 11. RA, F. XXI. 13c. RA, F. XXI. 14a. RA, F. XXI. 14y. RA, F. XXI. 15d. RA, F. XXI. 15k. RA, F. XXII. 4b. RA, F. XXII. 10. RA, F. XXII. 12. RA, F. XXII. 19. RA, F. XXII. 43s.

Stadtarchiv Leipzig (StadtAL) Adressbuch 1720. Adressbuch 1736. Barthels Diplomatarii Lipsiensis, Teil VI. II. Sektion B (F) 325. II. Sektion D (F) 214. II. Sektion H (F) 689. II. Sektion K (F) 96. II. Sektion L (F) 135. II. Sektion L (F) 634. II. Sektion P (F) 163. II. Sektion R (F) 141. II. Sektion S (F) 585. II. Sektion S (F) 851. II. Sektion S (F) 979. II. Sektion S (F) 1342. II. Sektion S (F) 1423. II. Sektion S (F) 1671. II. Sektion S (F) 1819. II. Sektion S (F) 1860. II. Sektion S (F) 1941. II. Sektion S (F) 1971, Vol. I-III. II. Sektion S (F) 2166. II. Sektion S (F) 2185. II. Sektion S (F) 2380. II. Sektion S (F) 2546.

Quellen- und Literaturverzeichnis II. Sektion Z (F) 255. Inn Färber A 1. Inn Färber A 2. Inn Färber A 4. Inn Färber A 6. Inn Färber B 1. Inn Färber B 3. Inn Färber B 4. Inn Färber B 6. Inn Färber B 7. Inn Färber C 1. Inn Fleischer B 1. Inn Glaser B 2. Inn Gürtler C 9. Inn Kammmacher A 2. Inn Kürschner B 3. Inn Kürschner B 5. Inn Leineweber A 1. Inn Leineweber A 2. Inn Posamentierer B 1. Inn Posamentierer B 2. Inn Schneider A 1. Inn Schneider A 2. Inn Schneider A 3. Inn Schneider A 4. Inn Schneider A 6. Inn Schneider A 7. Inn Schneider B 1. Inn Schneider B 2. Inn Schneider B 11. Inn Schneider B 12. Inn Schneider C 1. Inn Schneider C 2. Inn Schneider C 13. Inn Schneider C 14. Inn Schneider D 1. Inn Schuhmacher A 5. Inn Schuhmacher B 2, Bd. 1–4. Inn Schhmacher B 3. Inn Schuhmacher C 1. Inn Schuhmacher C 2. Inn Schuhmacher C 3. Inn Schuhmacher C 4. Inn Schuhmacher D 1. Inn Seiler A 6.

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534

Quellen- und Literaturverzeichnis

Inn Seiler A 28. Inn Täschner und Tapezierer D 4. Inn Tischler C 42. Inn Tuchbereiter A 1. Inn Tuchbereiter B 1. Inn Tuchbereiter B 2. Inn Tuchbereiter B 3. Inn Tuchbereiter B 4. Inn Tuchmacher A 1. Inn Tuchmacher B 1. Inn Tuchmacher B 2. Inn Tuchmacher B 3. Inn Tuchmacher B 4. Inn Tuchmacher C 3. Inn Zimmerer B 1. Ratsleichenbuch der Stadt Leipzig Nr. 14 (1648–1663). Ratsleichenbuch der Stadt Leipzig Nr. 15 (1662–1672). Ratsleichenbuch der Stadt Leipzig Nr. 17 (1680–1689). Ratsleichenbuch der Stadt Leipzig Nr. 18 (1690–1698). Ratsleichenbuch der Stadt Leipzig Nr. 19 (1699–1707). Ratsleichenbuch der Stadt Leipzig Nr. 24 (1733–1738). Ratsleichenbuch der Stadt Leipzig Nr. 25 (1738–1742). Ratsleichenbuch der Stadt Leipzig Nr. 26 (1743–1750). Ratsleichenbuch der Stadt Leipzig Nr. 29 (1768–1779). Ratsleichenbuch der Stadt Leipzig Nr. 30 (1779–1784). Ratsleichenbuch der Stadt Leipzig Nr. 31 (1785–1793). Rb 1 (N. F. 1801). Rb 2 (N. F. 1802). Rb 6 (1530–1537). Rb 7 (1537–1542). Rb 8 (1542-1546). Rb 10 (1550–1553). Rb 26 (1570–1571). Rb 56 (1604–1605). Rb 64 (1612–1613). Rb 65 (1613–1614). Rb 72 (1620–1621). Rb 100 (1651–1652). Rb 102 (1653–1654). Richterstube Akten Teil 1, Nr. 919. Schöffenbuch 1522–1525. Schöffenbuch 1534–1537. Schöffenbuch 1540–1542. Schoßstube, Almosenamt, Rechnungen 1782. Schoßstube, Almosenamt, Rechnungen 1783.

Quellen- und Literaturverzeichnis Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1534/35. Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1567/68. Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1568/69. Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1569/70. Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1590/91. Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1591/92. Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1593/94. Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1595/96. Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1596/97. Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1597/98. Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1599/1600. Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1606/07. Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1607/08. Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1608/09. Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1619/20. Schoßstube, Georgenhospital, Rechnungen 1629/30. Schoßstube, Johannishospital, Rechnungen 1650/51. Schoßstube, Johannishospital, Rechnungen 1652/53. Schoßstube, Johannishospital, Rechnungen 1653/54. Schoßstube, Johannishospital, Rechnungen 1800. Stift. I, Nr. 6a. Stift. I, Nr. 89. Stift. II, Nr. 26a. Stift. II, Nr. 140. Stift. III B, Nr. 57. Stift. IV, Nr. 1a. Tit. I (F) 22b. Tit. VIII (F) 334, 1744, Teil 1, 3–4. Tit. VIII (F) 334, 1745, Teil 1, Paket 1. Tit. VIII (F) 334, 1745, Teil 2, Paket 1. Tit. VIII (F) 334, 1763, Bd. 2, Teil 2–4. Tit. XXXI A (F) 1b. Tit. XXXIX (F) 55, Bd. II. Tit. XLII D (F) 153. Tit. XLII D (F) 154. Tit. XLII E (F) 118. Tit. XLII E (F) 122. Tit. XLIV (F) 372, Vol. I. Tit. LII (F) 11. Tit. LX B (F) 7. Tit. LXII-I (F) 10. Tit. LXIV (F) 17b. Tit. LXIV (F) 63. Tit. LXIV (F) 129. Tit. LXIV (F) 151, Vol. I.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Tit. LXIV (F) 152. Tit. LXIV (F) 183, Vol. 2. Tit. LXIV (F) 220. Tit. LXIV (F) 262. Tit. LXIV (F) 263. Tit. LXIV (F) 264. Tit. LXIV (F) 269. Tit. LXIV (F) 322. Tit. LXIV (K) 314. Tit. LXIV (K) 385. Zunftbuch I. Zunftbuch II. Zunftbuch III. Zunftbuch IV.

Stadtarchiv Zwickau (StadtAZ) A*A II 11, Nr. 28b. A*A III 26, Nr. 2c, Briefe 1511–1515. III b 1, 54 V, Amtsbuch 1536–1543. III b 1, 54 VI, Amtsbuch 1544–1554. III b 1, 54 VII, Amtsbuch 1555–1568. III b 1, 54 VIII, Amtsbuch 1568–1579. III o 8, Nr. 20b, Geschossbuch 1528–1529. III o 8, Nr. 20c, Geschossbuch 1529–1530. III o 8, Nr. 21b, Geschossbuch 1531–1532. III o 8, Nr. 23, Geschossbuch 1533–1534. III o 8, Nr. 26, Geschossbuch 1536–1537. III o 8, Nr. 27, Geschossbuch 1537–1538. III o 8, Nr. 29, Geschossbuch 1539–1540. III o 8, Nr. 32, Geschossbuch 1542–1543. III o 8, Nr. 33, Geschossbuch 1543–1544. III o 8, Nr. 35, Geschossbuch 1545–1546. III o 8, Nr. 36, Geschossbuch 1546–1547. III o 8, Nr. 37, Geschossbuch 1547–1548. III o 8, Nr. 38, Geschossbuch 1548–1549. III o 8, Nr. 39, Geschossbuch 1549–1550. III o 8, Nr. 43, Geschossbuch 1553–1554. III o 8, Nr. 68, Geschossbuch 1580–1581. III o 8, Nr. 99, Geschossbuch 1610–1611. III o 8, Nr. 116, Geschossbuch 1630–1631. III o 8, Nr. 118, Geschossbuch 1634–1636. III o 8, Nr. 119, Geschossbuch 1654–1660. III x 1, Nr. 11, Stadtbuch 1510–1513.

Quellen- und Literaturverzeichnis III x 1, Nr. 16, Stadtbuch 1525–1527. III x 1, Nr. 77, Schultheißbuch 1524–1530. III x 1, Nr. 141b. III x 59b, RP 1510–1513. III x 60, RP 1516–1519. III x 60a, RP 1519–1522. III x 61, RP 1522–1525. III x 62, RP 1525–1528. III x 64, RP 1534–1536. III x 65a, RP 1543–1544. III x 66, RP 1546–1553. III x 66a, RP 1547–1548. III x 68, RP 1564–1566. III x 75, RP 1597–1599. III x 133, RP 1675–1676. III x 134, RP 1676–1677. Kaland 2, Nr. 9. Kaland 17, Nr. 5. Ratsrechnungen 1528–1529. Ratsrechnungen 1545–1547. V, T 2, 8a. V, T 2, 8b. V, T 2, 9. X, 1, 11. X, 1, 14. X, 1, 15. X, 1, 17. X, 3, 59. X, 15, 4. X, 16, 24, Vol. I-III. X, 25, 1. X, 25, 66, Vol. I. X, 25, 88, Vol. I. X, 28, 6. X, 33, 3b. X, 38, 47. X, 38, 55. X, 41, 1. X, 41, 26. X, 41, 27. X, 45, 5. X, 45, 20. X, 46, 17. X, 46, 21, Vol. III, V. X, 46, 26, Vol. I.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

X, 46, 34. X, 49, 19. X, 49, 54. X, 49, 57. X, 49, 115. X, 49, 119. X, 49, 120. X, 49, 122. X, 49, 123. X, 49, 124. X, 49, 126. X, 49, 127. X, 49, 128. X, 49, 135. X, 49, 137. X, 49, 145. X, 49, 147. X, 50, 8. X, 50, 14. X, 50, 15. X, 50, 20. X, 50, 21. X, 50, 28.

Stadtgeschichtliches Museum Leipzig Bibliothek I L 35. Bibliothek I L 219.

GEDRUCKTE QUELLEN Abschied des Königlichen Tags zu Lindau, Anno 1497. In: SENCKENBERG, Heinrich Christian / SCHMAUSS, Johann Jacob (Hrsg.): Teutsche Reichs-Abschiede. Neue und vollständigere Sammlung der Reichs-Abschiede, Welche von den Zeiten Kayser Conrads des II. bis jetzo, auf den Teutschen Reichs-Tägen abgefasset worden, sammt den wichtigsten ReichsSchlüssen, so auf dem noch fürwährenden Reichs-Tage zur Richtigkeit gekommen sind. In Vier Theilen. Franckfurt am Mayn [1747]. Zweyter Theil derer Reichs-Abschiede von dem Jahr 1495 bis auf das Jahr 1551 inclusive, S. 29–35. Allgemeine zu Abstellung Der Handwercker-Mißbräuchen ergangen- und von Sr. Kayserl. Majest. Ratificirte Reichs-Verordnung (Wien, den 16.08.1731). Anderweites Mandat, die Land-Bettler, Ziegeuner, Vaganten, Handwercks-Pursche, MühlKnappen und dergleichen betreffend, den 10. Augusti, Anno 1684. In: LÜNIG, Johann Christian (Hrsg.): Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici […] [Bd. I]. Leipzig 1724, Sp. 1673–1676.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Ausschreiben, Churfürst Augusti, etlicher Articul, so Sie auf deroselben Landschafft unterthänigen Rath und Bedencken in Sachen, Policey und anders belangend, zu Abwendung derer angegebenen Land-Gebrechen, in Ihren Landen verordnet, den 1. Octob. Anno 1555. In: LÜNIG, Johann Christian (Hrsg.): Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici […] [Bd. I]. Leipzig 1724, Sp. 43–74. Befehl, die Erläuterung der General-Innungs-Artikel vom 8. Januar, 1780 Kap. III § 10 betr. vom 14. Januar, 1783. In: FLECK, Ferdinand Gotthelf / KOHLSCHÜTTER, Karl Christian (Hrsg.): Zweyte Fortsetzung des Codicis Augustei oder anderweit vermehrtes Corpus Juris Saxonici [...] bis zum Jahre 1800 [...] Erste Abtheilung. Leipzig 1805, Sp. 827f. Befehl, die Reisen der Amts-Physicorum in mittelbare Ortschaften […] betr. vom 06.09.1799. In: FLECK, Ferdinand Gotthelf / KOHLSCHÜTTER, Karl Christian (Hrsg.): Zweyte Fortsetzung des Codicis Augustei, oder anderweit vermehrtes Corpus Juris Saxonici [...] bis zum Jahre 1800 [...] Erste Abtheilung. Leipzig 1805, Sp. 1127–1130. Befehl, Die, bey denen Innungen in Ansehung derer Wander- und Muth-Jahre und zu fertigenden Meisterstücke, eingerissenen Unordnungen betreffend; den 27. April, 1764. In: BENNIGSEN, Rudolph Christian von (Hrsg.): Fortgesetzter Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici [...] bis zum Jahre 1772 [...] Erste Abtheilung. Leipzig 1772, Sp. 877f. BEIER, Karl / DOBRITZSCH, Alfred (Hrsg.): Tausend Jahre deutscher Vergangenheit in Quellen heimatlicher Geschichte insbesondere Leipzigs und des Leipziger Kreises, Bd. 1. Leipzig 1911. Bergwercks-Decret, oder Abschied, wodurch denen in dem Ertz-Gebürge bey dem BergwercksBau eingerissenen Mißbräuchen abgeholffen worden, den 6. Augusti, Anno 1659. In: LÜNIG, Johann Christian (Hrsg.): Des Codicis Augustei oder Neuvermehrten Corporis Juris Saxonici […] Anderer Band. Leipzig 1724, Sp. 317–326. BÖHME, Adam Friedrich: Beschreibung der Stadt Leipzig. Leipzig 1784. [= BÖHME (Beschreibung) 1784] BRÜCKNER, Carl Gustav: Bericht über die Verhältnisse der Dresdener Handwerkerinnungskassen im Allgemeinen und die der Gesellenverpflegungskassen Insbesondere, auf Grund der Beantwortungen der zu diesem Zwecke an die Herren Innungsältesten ausgegebenen Fragebogen. Dresden 1866. [= BRÜCKNER (Bericht) 1866] Chemnitzer Anzeiger 1817, Nr. 5 vom 05.02.1817. Conclusum Der Dreyen Reichs-Collegiorum, im Majo 1671. Die Abstellung der Mißbräuch bey denen Handwerckern betreffend. [o. O.] 1680. DASSDORF, Karl Wilhelm: Beschreibung der vorzüglichsten Merkwürdigkeiten der Churfürstlichen Residenzstadt Dresden und einiger umliegenden Gegenden. Dresden 1782. Der Stad Leipzig allerley Ordnunge 1544 (UBL-Signatur: Hist.Sax.1104 l). Des Durchlauchtigsten, Hochgebornen Fürsten vnd Herrn, Herrn Augusten, Hertzogen zu Sachsen, des h. Römischen Reichs Ertzmarschalln, vnd Churfürsten [...] Ordnung, Wie es in seiner Churf. S. Landen, bey den Kirchen, mit der lehr vnd Ceremonien, deßgleichen in derselben beyden Uniuersiteten, Consistorien, Fürsten vnd Particular Schulen, Visitation, Synodis, vnd was solchem allem mehr anhanget, gehalten werden sol. In: RICHTER, Aemilius Ludwig (Hrsg.): Die evangelischen Kirchenordnungen des sechszehnten Jahrhunderts. Urkunden und Regesten zur Geschichte des Rechts und der Verfassung der evangelischen Kirche in Deutschland. Zweiter Band: Vom Jahre 1542 bis zu Ende des sechszehnten Jahrhunderts. Weimar 1846, S. 401–452. Die Errichtung neuer Begräbniß-Gesellschaften ohne vorgängige Vergünstigung betreffend, Dresden 04.01.1791. In: Kursächsische Mandate und Verordnungen des Rates zu Dresden aus den Jahren 1787–1791, Nr. 57 (SLUB-Hauptsignatur 31.2.9). Die Sonne 4/1844, Nr. 35 vom 30.08.1844 (Beilage). Die Sonne 4/1844, Nr. 39 vom 27.09.1844.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

DÖHLER, Christian: Kurtze Beschreibung der Handwerks-Rechte und Gewohnheiten, Nach der heutigen Observanz, Nebst einem Register. Jena [1730]. E.E. Hochweisen Raths der Stadt Leipzig verbesserte Ordnung Wie ein ieder Stand bey Verlöbnissen, Hochzeiten, Gastereyen, Kindtäuffen und Leich-Begängnissen Ingleichen in Kleidungen sich zuverhalten. Leipzig 1680 (publiciert: Leipzig, 02.08.1680) (UBL-Signatur: Hist.Sax.1107(k)). E.E. Rahts der Stadt Leipzig Renovirtes Mandat, Wegen der Kleider Ordnung, Vnd wie es forthin vff Verlobnüssen, Hochzeiten, Kindtauffen, vnd Leichbegängnüssen zuhalten. Leipzig 1634 (publiciert: 30.04.1634) (UBL-Signatur: Hist.Sax.1107(k)). E.E. Raths Der Stadt Leipzig Anietzo wiederholte und erklärte Neue Ordnung Wie ein ieder Stand bey Verlobnüssen, Hochzeiten, Kind-Täuffen und Leich-Begängnüssen Ingleichen In Kleidungen sich zu verhalten. Leipzig 1662 (publiciert: Leipzig, 15.12.1661) (UBL-Signatur: Hist.Sax.1107(k)). E.E. Raths der Stadt Leipzig, Erklerung, Der Anno 1634 publicirten Ordnung, wie es vff Verlöbnüssen, Hochzeiten, Kindtauffen vnd Leich-Begängnüssen zu halten. Leipzig 1640 (publicirt: 19.01.1640) (UBL-Signatur: Hist.Sax.1107(k)). Edict Churf. Christiani I. zu Sachsen, die Müßiggänger und Land-Bettler betreffend, den 27. Januar. Anno 1588. In: LÜNIG, Johann Christian (Hrsg.): Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici […] [Bd. I]. Leipzig 1724, Sp. 1429–1432. Ehe-Ordnung Churfürst Johann Georgens des I. zu Sachsen, wie dieselbe in Ihrer Churfürstl. Durchl. gesamten Landen öffentlich von den Cantzeln des Jahres zweymahl abgelesen und gehalten werden soll, den 10. Aug. Anno 1624. In: LÜNIG, Johann Christian (Hrsg.): Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici […] [Bd. I]. Leipzig 1724, Sp. 1019– 1030. Einwohneramt der Königlichen Polizeidirection (Bearb.): Adress- und Geschäfts-Handbuch der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Dresden für das Jahr 1855. II. Abtheilung: Geschäftshandbuch. Dresden 1855. [= Einwohneramt (Adress- und Geschäfts-Handbuch) 1855] ERMISCH, Hubert (Hrsg.): Urkundenbuch der Stadt Chemnitz und ihrer Klöster (= Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae, Zweiter Haupttheil, Bd. 6). Leipzig 1879. [= ERMISCH (Urkundenbuch) 1879] Erneuert und geschärfftes Mandat, wider die Bettler, Landstreicher und ander böses Gesindel, den 7. Decembr. Anno 1715. In: LÜNIG, Johann Christian (Hrsg.): Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici […] [Bd. I]. Leipzig 1724, Sp. 1843–1854. Erneuertes und erläutertes Mandat wegen Versorgung der Armen, und Abstellung des Bettelwesens, vom 11. April 1772. In: FLECK, Ferdinand Gotthelf / KOHLSCHÜTTER, Karl Christian (Hrsg.): Zweyte Fortsetzung des Codicis Augustei oder anderweit vermehrtes Corpus Juris Saxonici [...] bis zum Jahre 1800 [...] Erste Abtheilung. Leipzig 1805, Sp. 639–666. FÖRSTEMANN, Joseph (Hrsg.): Urkundenbuch der Stadt Leipzig, Bd. 3 (= Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae, Zweiter Haupttheil, Bd. 10). Leipzig 1894. [= FÖRSTEMANN (Urkundenbuch) 1894] FRANZ, Johann Georg Friedrich: Pragmatische Handlungs-Geschichte der Stadt Leipzig, worinnen der Ursprung, das Wachsthum, die Ursachen und die Veränderungen der Handlung aus glaubwürdigen Urkunden und zuverläßigen Zeugnissen beschrieben werden. Leipzig 1772. General Articul vnd gemeiner bericht, wie es in den Kirchen mit den Pfarherrn, Kirchendienern, den Eingepfarten, vnd sonst allenthalb ordentlich, auff Hertzogen Augusten Churfürsten zu Sachsen etc. in jüngst verschienen Fünff vnd Sechs vnd funfftzigsten Jharen, verordnete vnd beschehene Visitation, gehalten werden soll. In: RICHTER, Aemilius Ludwig (Hrsg.): Die evangelischen Kirchenordnungen des sechszehnten Jahrhunderts. Urkunden und Regesten zur Geschichte des Rechts und der Verfassung der evangelischen Kirche in Deutschland. Zweiter

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Band: Vom Jahre 1542 bis zu Ende des sechszehnten Jahrhunderts. Weimar 1846, S. 178– 194. Generale, die auswärtigen in die hiesigen Lande durch den sogenannten Schub kommenden Armen und andere Personen betreffend, vom 3ten August 1808. In: FLECK, Ferdinand Gotthelf / KOHLSCHÜTTER, Karl Christian (Hrsg.): Dritte Fortsetzung des Codicis Augustei, worinnen die in dem Königreiche Sachsen ergangenen gesetzlichen Verordnungen vom Jahre 1801 bis zu der am 9ten März 1818 angefangenen Gesetzsammlung, enthalten sind. Erste Abtheilung. Dresden 1824, S. 452–455. Generale, Die Befreyung der Invaliden von Personal-Praestandis, und deren übrige Immunitaeten betreffend; d. d. 21. Sept. 1738. In: BENNIGSEN, Rudolph Christian von (Hrsg.): Fortgesetzter Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici [...] bis zum Jahre 1772 [...] Erste Abtheilung. Leipzig 1772, Sp. 1105f. Generale, die Einschärfung und resp. Erläuterung des Generalis vom 7. April, 1772 die Fortschaffung erkrankter Armen und Bettler betr. vom 8. Julii, 1789. In: FLECK, Ferdinand Gotthelf / KOHLSCHÜTTER, Karl Christian (Hrsg.): Zweyte Fortsetzung des Codicis Augustei oder anderweit vermehrtes Corpus Juris Saxonici [...] bis zum Jahre 1800 [...] Erste Abtheilung. Leipzig 1805, Sp. 977–980. Generale, die Fortschaffung der Bettler und anderer mit Krankheiten befallener Fremden betr. vom 7. April, 1772. In: FLECK, Ferdinand Gotthelf / KOHLSCHÜTTER, Karl Christian (Hrsg.): Zweyte Fortsetzung des Codicis Augustei oder anderweit vermehrtes Corpus Juris Saxonici [...] bis zum Jahre 1800 [...] Erste Abtheilung. Leipzig 1805, Sp. 637f. Generale, die Ungültigkeit der eigenmächtigerweise errichteten Grabegesellschaften und WittwenCassen betr. vom 29. Juny 1762. In: FLECK, Ferdinand Gotthelf / KOHLSCHÜTTER, Karl Christian (Hrsg.): Zweyte Fortsetzung des Codicis Augustei oder anderweit vermehrtes Corpus Juris Saxonici [...] bis zum Jahre 1800 [...] Erste Abtheilung. Leipzig 1805, Sp. 597–600. Generale, die wechselseitige Annahme und Versorgung armer und preßhafter Personen in den Erblanden und beiden Lausitzen betreffend, vom 1sten Juli 1809. In: FLECK, Ferdinand Gotthelf / KOHLSCHÜTTER, Karl Christian (Hrsg.): Dritte Fortsetzung des Codicis Augustei, worinnen die in dem Königreiche Sachsen ergangenen gesetzlichen Verordnungen vom Jahre 1801 bis zu der am 9ten März 1818 angefangenen Gesetzsammlung enthalten sind. Erste Abtheilung. Dresden 1824, S. 457–459. Generale, Was massen, nach heurig erlangter reichen Erndte, mit denen Bettlern zu verfahren, den 29. Nov. Anno 1720. In: LÜNIG, Johann Christian (Hrsg.): Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici […] [Bd. I]. Leipzig 1724, Sp. 1931–1934. Generale, Worinnen, die so genannte Männer- und Weiber- auch Wittwer- und Wittwen, ingleichen Jungfer- und Junggesellen-Cassen cassiret, und die künfftigen, ausser die Feuer-Casse, verbothen werden, den 6. Dec. Anno 1720. In: LÜNIG, Johann Christian (Hrsg.): Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici […] [Bd. I]. Leipzig 1724, Sp. 1935f. HASCHE, Johann Christian: Magazin der sächsischen Geschichte. Erster Theil oder erstes bis zwölftes Stück. Dresden 1784. [= HASCHE (Magazin) 1784] HASCHE, Johann Christian: Diplomatische Geschichte Dresdens von seiner Entstehung bis auf unsere Tage. Nebst Urkundenbuch zur Dresdner Geschichte. Erster Theil. Dresden 1816. [= HASCHE (Diplomatische Geschichte I) 1816] HASCHE, Johann Christian: Diplomatische Geschichte Dresdens von seiner Entstehung bis auf unsere Tage. Zweiter Theil. Dresden 1817. HASCHE, Johann Christian: Diplomatische Geschichte Dresdens von seiner Entstehung bis auf unsere Tage. Fünfter Theil. Dresden 1820. [= HASCHE (Diplomatische Geschichte V) 1820] HATTENHAUER, Hans (Hrsg.): Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794. Neuwied, Kriftel, Berlin ²1994. [= HATTENHAUER (Allgemeines Landrecht) 1994] HEROLD, Georg Eduard: Die Rechte der Handwerker und ihrer Innungen. Leipzig ²1841.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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Mandat, zu Publicirung des Keyserlichen Patents, Wegen Abstellung derer, bey denen Handwerckern Eingeschlichenen Mißbräuche, Und Desselben genauer Beobachtung In Dero ChurFürstenthumb und Landen (Dreßden 19.10.1731). In: BENNIGSEN, Rudolph Christian von (Hrsg.): Fortgesetzter Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici [...] bis zum Jahre 1772 [...] Erste Abtheilung. Leipzig 1772, Sp. 577–592. MARPERGER, Paul Jacob: Montes Pietatis oder Leyh-Assistentz- und Hülffs-Häuser, LehnBanquen und Lombards, und wie solche in einer Jeden Republic, der gemeinen Bürgerschafft, und auch andern Leuten, sonderlich aber dem Nothleidenden Armuth zum Besten, höchst nöthig und nützlich anzulegen [...] Leipzig 1715. [= MARPERGER (Montes Pietatis) 1715] MARPERGER, Paul Jacob: Wohlmeynende Gedancken über die Versorgung der Armen, Wes Standts, Alters, Leibs- und Unglücks-Constitution nach selbige auch seyn möchten [...] Dresden 1733 (ND Leipzig 1977). [= MARPERGER (Wohlmeynende Gedancken) 1733] MARPERGER, Paul Jacob: Montes Pietatis oder Leih-Assistenz- und Hülfshäuser, Leihebanken und Lombards ingleichen von Leibrenten, Todten-Cassen und Lotterien. Neue verbesserte Auflage. Leipzig, Ulm 1760, S. 125. MATHESIUS, Johannes, Syrach Mathesij. Das ist: Christliche, lehrhaffte, trostreiche und lustige Erklerung und Außlegung deß schönen Haußbuchs, so der weyse Mann Syrach zusammen gebracht und geschrieben. Leipzig 1597. MAYER, Markus: Versuch einer Entwicklung der relativen Ansichten des Zunftwesens. Liegt in dem Zunftwesen überhaupt, dann für unsre Zeiten insbesondre, noch etwas Brauchbares, und welches sind die Bedingungen eines für das allgemeine Beste daraus zu ziehenden Vortheils? Augsburg 1814. [= MAYER (Versuch einer Entwicklung) 1814] MEYER, Ernst Julius Jacob: Versuch einer medicinischen Topographie und Statistik der Hauptund Residenz-Stadt Dresden. Stollberg am Harz, Leipzig 1840. [= MEYER (Topographie und Statistik) 1840] Oberamts-Patent, wegen des Verhaltens gegen die auf der Reise erkrankenden Personen, vom 11. Jun. 1793. In: CERUTTI, Ludwig (Hrsg.): Sammlung sächsischer Medicinal-Gesetze. Zweiter Band. Fortgesetzt von Johann Christian Rosenmüller. Leipzig 1820, S. 92–94. ORTLOFF, Johann Andreas: Das Recht der Handwerker nach allgemeinen teutschen Reichsgesetzen überhaupt, und mit besonderer Rücksicht auf das allgemeine Landrecht und andere Innungsgesetze für die Königl. Preussischen Staaten, die Chursächsischen General-Innungsartikel, die Braunschweigische Gildeordnung für Handwerker und mehrere andere teutsche Handwerksgesetze. Erlangen 1803. OSTERLEY, Ferdinand: Ist es rathsam die Zunftverfassung aufzuheben? Göttingen 1833. PALLAS, Karl (Bearb.): Die Registraturen der Kirchenvisitationen im ehemals sächsischen Kurkreise. Erster Teil. Die Ephorien Wittenberg, Kemberg und Zahna (= Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, Bd. 41, 2. Abtheilung, 1. Teil). Halle 1906. [= PALLAS (Registraturen der Kirchenvisitationen) 1906] Policey- Hochzeit- Kleider- Gesinde- Tagelöhner- und Handwercks-Ordnung Churfürst Joh. Georgens des II. zu Sachsen, den 22. Junii, Anno 1661. In: LÜNIG, Johann Christian (Hrsg.): Codex Augusteus, Oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici […] [Bd. I]. Leipzig 1724, Sp. 1561–1610. POSERN-KLETT, Karl Friedrich von (Hrsg.): Urkundenbuch der Stadt Leipzig, Bd. 1 (= Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae, Zweiter Haupttheil, Bd. 8). Leipzig 1868. [= POSERN-KLETT (Urkundenbuch Leipzig I) 1868] POSERN-KLETT, Karl Friedrich von (Hrsg.): Urkundenbuch der Stadt Leipzig, Bd. 2 (= Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae, Zweiter Haupttheil, Bd. 9). Leipzig 1870. POSERN-KLETT, Karl Friedrich von (Hrsg.): Urkundenbuch der Städte Dresden und Pirna (= Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae, Zweiter Haupttheil, Bd. 5). Leipzig 1875. [= POSERNKLETT (Urkundenbuch Dresden) 1875]

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Quellen- und Literaturverzeichnis

RAMAZZINI, Bernhardi: Untersuchung Von denen Kranckheiten der Künstler und Handwercker, Worinnen die Kranckheiten, womit fast alle Künstler und Handwercker gemeiniglich befallen werden, genau beschrieben, wie durch die Kunst oder Handwerck sol-che zugezogen werden, und wie man solche hernachmals aufs beste und leichteste curiren kan. Leipzig 1718 (ND Leipzig 1977). Rescript, die Einrichtung der Grabegesellschaften betr. vom 1. August 1792. In: FLECK, Ferdinand Gotthelf / KOHLSCHÜTTER, Karl Christian (Hrsg.): Zweyte Fortsetzung des Codicis Augustei oder anderweit vermehrtes Corpus Juris Saxonici [...] bis zum Jahre 1800 [...] Erste Abtheilung. Leipzig 1805, Sp. 1045f. Rescript, die Fortschaffung erkrankter Armen aus und in die Weimarischen Lande betreffend, vom 25. Sept. 1797. In: CERUTTI, Ludwig (Hrsg.): Sammlung sächsischer Medicinal-Gesetze. Zweiter Band. Fortgesetzt von Johann Christian Rosenmüller. Leipzig 1820, S. 120f. Rescripts-Extract die Beiträge der Innungen zu der Armenhaus-Hauptcasse und sonstige Einrichtung der Special-Innungs-Artikel betreffend, vom 5ten Mai 1802. In: FLECK, Ferdinand Gotthelf / KOHLSCHÜTTER, Karl Christian (Hrsg.): Dritte Fortsetzung des Codicis Augustei, worinnen die in dem Königreiche Sachsen ergangenen gesetzlichen Verordnungen vom Jahre 1801 bis zu der am 9ten März 1818 angefangenen Gesetzsammlung, enthalten sind. Erste Abtheilung. Dresden 1824, S. 395. RICHTER, Adam Daniel: Umständliche aus zuverläßigen Nachrichten zusammengetragene Chronica der im Meißnischen Ober-Ertz-Gebürge gelegenen König. Churf. Sächßischen freyen Berg-Stadt St. Annaberg, nebst beygefügten Urkunden. I. Theil. St. Annaberg 1746. RICHTER, Adam Daniel: Umständliche aus zuverläßigen Nachrichten zusammengetragene Chronica Der, an dem Fuße des Meißnischen Ertzgebürges gelegenen, Churfürst. Sächß. Stadt Chemnitz, nebst beygefügten Urkunden. Erster Theil. Zittau und Leipzig 1767. Römischer Kayserlicher Majestät Ordnung und Reformation guter Policey, im Heiligen Römischen Reich, zu Augspurg Anno 1530 auffgericht. In: SENCKENBERG, Heinrich Christian / SCHMAUSS, Johann Jacob (Hrsg.): Teutsche Reichs-Abschiede. Neue und vollständigere Sammlung der Reichs-Abschiede, Welche von den Zeiten Kayser Conrads des II. bis jetzo, auf den Teutschen Reichs-Tägen abgefasset worden, sammt den wichtigsten ReichsSchlüssen, so auf dem noch fürwährenden Reichs-Tage zur Richtigkeit gekommen sind. In Vier Theilen. Franckfurt am Mayn [1747]. Zweyter Theil derer Reichs-Abschiede von dem Jahr 1495 bis auf das Jahr 1551 inclusive, S. 332–345. SCHMIDT, Tobias: Chronica Cygnea, Oder Beschreibung Der sehr alten, Löblichen, und Churfürstlichen Stadt Zwickau [...] Zwickau 1656. SCHMIDT, Tobias: Chronici Cygnei Pars Posterior. Oder Zwickauischer Chronicken Anderer Theil [...] Zwickau 1656. [= SCHMIDT (Chronici Cygnei Pars Posterior) 1656] SONNENFELS, Joseph von: Grundsätze der Polizey, Handlung und Finanzwissenschaft. Erster Theil. Wien ³1770. Statistischer Verein für das Königreich Sachsen: Mittheilungen des statistischen Vereins für das Königreich Sachsen. Bd. 1, Erste Lieferung. Leipzig 1831. [= Statistischer Verein (Mittheilungen I) 1831] Statistischer Verein für das Königreich Sachsen: Mittheilungen des statistischen Vereins für das Königreich Sachsen. Bd. 1, Zweite Lieferung, enthaltend die bürgerlichen und LocalVerhältnisse der Haupt- und Residenzstadt Dresden. Leipzig 1832. [= Statistischer Verein (Mittheilungen II) 1832] STÜBEL, Bruno (Hrsg.): Urkundenbuch der Universität Leipzig von 1409 bis 1555 (= Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae, Zweiter Haupttheil, Bd. 11). Leipzig 1879. [= STÜBEL (Urkundenbuch) 1879]

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Verordnung der Landesregierung, die Zurückweisung ausländischer, mit ansteckenden Hautkrankheiten behafteter Handwerksgesellen betr., vom 12. November 1829. In: SCHAFFRATH, Wilhelm Michael (Hrsg.): Codex Saxonicus. Chronologische Sammlung der gesammten praktisch-gültigen Königlich Sächsischen Gesetze von den ältesten Zeiten, vom Jahre 1255 an bis zum Schlusse des Jahres 1840; mit einem alphabetisch-systematischen Repertorium. Zweiter Band enthaltende die gesammten Gesetze vom 9. März 1818 an bis zum Schlusse des Jahres 1840. Leipzig 1842, S. 315. Verordnung, die Behandlung armer, auf der Reise begriffener Kranken betreffend; vom 16. Mai 1832. In: SCHAFFRATH, Wilhelm Michael (Hrsg.): Codex Saxonicus. Chronologische Sammlung der gesammten praktisch-gültigen Königlich Sächsischen Gesetze von den ältesten Zeiten, vom Jahre 1255 an bis zum Schlusse des Jahres 1840; mit einem alphabetischsystematischen Repertorium. Zweiter Band enthaltende die gesammten Gesetze vom 9. März 1818 an bis zum Schlusse des Jahres 1840. Leipzig 1842, S. 466f. VOGEL, Johann Jacob: Leipzigisches Geschicht-Buch oder Annales. Das ist: Jahr- und TageBücher der weltberühmten Königl. und Churfürstl. Sächsischen Kauff- und Handels-Stadt Leipzig [...] Leipzig ²1756. [= VOGEL (Geschicht-Buch) 1756] ZARNCKE, Friedrich (Ed.): Acta rectorum universitatis studii Lipsiensis. Leipzig 1859. [= ZARNCKE (Acta) 1859]

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Philipp Robinson Rössner (ed.)

Cities – Coins – Commerce Essays presented to Ian Blanchard on the Occasion of his 70th Birthday Studien zur Gewerbe- und Handelsgeschichte der vorindustriellen Zeit – Band 31

The Volume is a collection of essays written by pre-eminent scholars across the globe on key topics and problems in medieval and early modern economic history of Britain and central Europe. The book is dedicated to Ian Blanchard, emeritus professor of medieval economic history at the University of Edinburgh (United Kingdom). .............................................................................

Aus dem Inhalt

Philipp Robinson Rössner (ed.) Cities – Coins – Commerce 2012. XX, 204 Seiten mit 7 Abbildungen und 7 Tabellen. Kart. ISBN 978-3-515-10130-1

Michael Palairet: The Descent into a Dark Age: Byzantine Europe, c.400–800 A.D. p Richard Britnell: Royal Initiative and Scottish Burghs, 1100–1400 p Katalin Szende: Neighbourhoods, Suburbs and Ethnic Quarters in the Hungarian Towns, Thirteenth to Fifteenth Centuries p Balzs Nagy: The Study of Medieval Foreign Trade of Hungary: A Historiographical Overview p P. Schofield: Credit and its Record in the Later Medieval English Countryside p Philipp Robinson Rössner: Bad Money, Evil Coins? Coin Debasement and Devaluation as Instruments of Monetary Policy on the Eve of the ‚Price Revolution‘ p John Munro: Necessities and Luxuries in Early-Modern Textile Consumption: Real Values of Worsted Says and Fine Woollens in the Sixteenth-Century Low Countries p Thomas Max Safley: The Höchstetter Bankruptcy of 1529 and its Relationship to the European Quicksilver Market p Nuala Zahedieh: Technique or Demand? The Revival of the English Copper Industry, ca. 1680–1730 p Christopher A. Whatley: Serendipity and a Statue: Dundee, Robert Burns and ‚a monument worthy of Scotland‘ p Markus. A. Denzel: Japans Integration in the International Cashless Payment System.

Franz Steiner Verlag Birkenwaldstr. 44 · D – 70191 Stuttgart Telefon: 0711 / 2582 – 0 · Fax: 0711 / 2582 – 390 E-Mail: [email protected] Internet: www.steiner-verlag.de

Frank Hoffmann

„Ein den thatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild nicht zu gewinnen“ Quellenkritische Untersuchungen zur preußischen Gewerbestatistik zwischen Wiener Kongress und Reichsgründung Studien zur Gewerbe- und Handelsgeschichte der vorindustriellen Zeit – Band 32

Frank Hoffmann „Ein den thatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild nicht zu gewinnen“ 2012. 844 Seiten mit 52 Tabellen, 19 Übersichten sowie CD-ROM. Geb. ISBN 978-3-515-10225-4

Erwerbsstatistische Aufnahmen über die Berufstätigkeit der Bevölkerung und die betrieblichen Strukturen der Unternehmen liefern detaillierte Informationen über die Gesellschaft und die Wirtschaft von Regionen und Ländern. Darum sind die Ergebnisse von historischen Erwerbszählungen von fundamentaler Bedeutung für sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Forschungen. Über die Qualität von Daten, die bei länger zurückliegenden erwerbsstatistischen Erhebungen ermittelt wurden, ist allerdings bis heute kaum etwas bekannt. Zur Schließung dieser Forschungslücke leistet Frank Hoffmann durch die quellenkritische Untersuchung eines bedeutenden historisch-statistischen Datensatzes, der Resultate der alle drei Jahre durchgeführten preußischen Erwerbszählungen zwischen Wiener Kongress und der Reichsgründung, einen grundlegenden und richtungsweisenden Beitrag. Die Arbeit betritt inhaltlich und methodisch Neuland. Systematisch werden sämtliche Phasen des Entstehungsprozesses der preußischen erwerbsstatistischen Daten auf mögliche Fehlerquellen durchleuchtet und in Stichproben insgesamt mehr als 30.000 Einzeldaten auf ihre Aussagekraft untersucht.

Franz Steiner Verlag Birkenwaldstr. 44 · D – 70191 Stuttgart Telefon: 0711 / 2582 – 0 · Fax: 0711 / 2582 – 390 E-Mail: [email protected] Internet: www.steiner-verlag.de

Von jeher versuchen Menschen, sozialen Grundrisiken wie Krankheit oder Tod durch kollektive Sicherungsmaßnahmen zu begegnen. Analysen entsprechender Mechanismen kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen, oftmals jedoch ohne eine quellennahe Überprüfung. Im Mittelpunkt dieser Studie zur frühneuzeitlichen Sozial-, Stadt- und Handwerksgeschichte stehen die Formen der sozialen Sicherung, die durch Meisterzünfte und Gesellenorganisationen der sächsischen Bekleidungs- und Textilbranche versprochen bzw. erbracht wurden. Auf den zentralen Tätigkeitsfeldern der Krankenunter-

stützung, der Hinterbliebenenversorgung und des Begräbniswesens analysiert Marcel Korge grundlegende Unterstützungsprinzipien und -formen vom auslaufenden Mittelalter bis an den Beginn des 19. Jahrhunderts aus den Städten Leipzig, Chemnitz, Dresden und Zwickau. Dabei schenkt er vielfältigen Aspekten des Alltags und des sozialen Miteinanders Beachtung – wie der Entwicklung von handwerkseigenen Siech- und Krankenhäusern, dem innerzünftigen Umgang mit Witwen und Waisen oder der Organisation eines „ehrlichen“ Begräbnisses.

www.steiner-verlag.de Franz Steiner Verlag

ISBN 978-3-515-10402-9

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7835 1 5 1 04029