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German Pages 128 [132] Year 1972
Band 179 (1971) Heft 3
mit Zeitschrift für angewandte Psychologie Schriftleitung W E R N E R FISCH EL, Leipzig und F R I E D H A R T KLIX, Berlin Redaktion J Ü R G E N M E H L , Berlin Unter Mitarbeit von B. G. ANANJEW, Leningrad; H. DÜKER, Marburg; H.-J. EYSENCK, London; P. FRAIS SE, Paris; J.J.GIBSON, Ithaca, N.Y.; H. HIEBSCH, Jena; A. KOSSAKOWSKI, Berlin ; D. KOVÄC, Bratislava; A. N. LEONTJEW, Moskau; B. F. LOMOW, Leningrad; L. A. LURIJA, Moskau; D. A. OSCHANIN, Moskau; J. PIAGET, Genf; G. ROSENFELD, Berlin; K. SATO, Kyoto; W. STRAUB, Dresden
JOHANN AMBROSIUS BARTH LEIPZIG Z. Psychol.
Zeitschrift f ü r Psychologie, Band 179 (1971) H e f t 3 mit Zeitschrift für angewandte Psychologie, Band 89, H e f t 3
INHALT
und 0 . B. SCHOLZ, Berlin. Über Bedingungen der Veränderung von Nutzenskalen der schulischen Leistungsbewertung. Mit 5 Abbildungen
281
Berlin. Konditionierung und Einstellungsänderung. Mit 3 Abbildungen .
300
L., und H . S T R O B A C H , New York, Düsseldorf. Katecholaminausscheidung in Beziehung zu Persönlichkeits- und Leistungsvariablen. Mit 7 Abbildungen
332
SCHMIDT, H . - D . , M . W I E S E N B E R G
LANGE, L . ,
MEYER-BAHLBURG, H . F .
BERNER, C., P .
BERNER, E .
GABRIEL, K .
GLONING,
B. KÜFFERLE, E .
MÜLLER
und
R. TRAPPL, Wien. Objektivierung und Voraussage klinischer Gruppierungen durch statistische Verarbeitung experimentalpsychologischer Daten . . . .
368
WENDT, D., und H. RÜPPELL, Hamburg. Strategien-Lernen in einem Zwci-PersonenNullsummen-Spiel
381
Buchbesprechungen
389
Manuskripte
für Originalabhandlungen
tion Psychologie der Humboldt-Universität,
und Referate
werden an Dr. J. Mehl, Selc-
DDR—102 Berlin, Oranienburger Straße 18 erbeten.
Für diese Zeitschrift werden grundsätzlich nur Arbeiten angenommen, die vorher weder im Inland noch im Ausland veröffentlicht worden sind. Das Manuskript ist satzfertig einzusenden, damit das Lesen der Korrektur bei Zeitmangel von der Redaktion veranlaßt werden kann. Jede Abhandlung ist mit einer kurzen Zusammenfassung in Sfacher Anfertigung für die Übersetzung in russischer und englischer Sprache abzuschließen. Mit der Annahme des Manuskriptes und seiner Veröffentlichung geht das alleinige Recht der Vervielfältigung, Verbreitung und Übersetzung auf den Verlag über. Von Originalarbeiten liefert der Verlag an Stelle eines Honorars 50 Sonderdrucke. Buchbesprechungen werden nicht vergütet, dafür wird das Besprechungsexemplar Eigentum des Referenten. Von der Zeitschrift für Psychologie erscheint jährlich 1 Band mit 4 Heften zum Preis von 50,— M zuzüglich Postgebühren. Die Zustellung erfolgt bis zur Abbestellung, die nur für das Ende des Bandes ausgesprochen werden kann. Anzeigen für die Zeitschrift bitte an die DEWAG-Werbung Leipzig, D D R - 7 0 1 Leipzig, Brühl 3 4 - 4 0 , Ruf 79 740, einsenden. Zur Zeit gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 3.
ZEITSCHRIFT FÜR PSYCHOLOGIE Band 179, 1971
Heft 3
(zugleich Zeitschrift für angewandte Psychologie
Band 89)
Aus der Sektion Psychologie der Humboldt-Universität Berlin Lehrbereich Klinische Psychologie
Über Bedingungen der Veränderung von Nutzenskalen der schulischen Leistungsbewertung V o n H . - D . SCHMIDT, M. W I E S E N B E R G u n d O. B . SCHOLZ
Mit 5 Abbildungen
1. Einleitung Die vorliegende Untersuchung ist an die Intention gebunden, versuchsweise die pädagogisch-psychologische Anwendung der Nutzenskalierung schulischer Leistungsnoten zu erproben. Die Ergebnisse lassen sich nicht nur als einen speziellen Applikationsfall der psychologischen Entscheidungstheorie auffassen (in Richtung der diagnostischen Anwendung von Nutzenskalen), sondern dürften auch Bedeutung haben für die erziehungspsychologische Theorie der Interiorisation externer Werthierarchien (vgl. dazu KOSSAKOWSKI/OTTO 1967), weil es um den Nachweis von Bedingungen geht, die in diesen Interiorisationsprozeß hineinwirken. Theorie und Praxis der Nutzenskalierung tragen sicherlich wesentlich dazu bei, die Interiorisationstheorie durch eine Erweiterung der Aussageverbindlichkeit zu stützen und weiterzuentwickeln (vgl. dazu SCHMIDT 1970, S. 346). Folgende theoretische und empirische Befunde gehen als Voraussetzung in unsere Untersuchung ein: (1) Die entscheidungstheoretische Definition des Leistungsanspruchsniveaus (LAN): Es ist derjenige Punkt auf einer Nutzenskala möglicher Leistungsziele, der den größten Abstand zum nächstniederen Ziel aufweist (SIEGEL 1957, BECKER/SIEGEL 1960). In einem Schema, das die Leistungsnoten 1, 2 und 3 als Nutzenskala abbildet, würde das folgendes bedeuten: Wenn 1 2 Wenn 1
3, dann LAN = 2 2 3, dann LAN = 1
(2) Empirische Befunde darüber, daß gezielte Veränderungen externer Bewertungsbedingungen zu einer Veränderung von Nutzenskalen der Leist.ungsnoten führen (SCHMIDT 1965, 1966). Bei diesen Untersuchungen wurden Zensurenkombinationen nach dem SlEGELschen Prinzip in die Matrix eines 20
Z. Psychologie 179/3
282
Z. Psychol. Bd. 179 (1971) H. 3
Spiels gegen die Natur eingesetzt und die Probanden zu Binärentscheidungen veranlaßt, aus denen die Nutzenskala zu ermitteln war. Die Induktion fiktiver Prüfungsbedingungen in dieses „Spiel um Zensuren" führte zu einer Homogenisierung der Nutzenskalen innerhalb der Stichprobe (d. h. zur Verringerung interindividueller Differenzen) und zu einer „Aufwertung" negativer Zensuren, während die Bedingung „Leistungskontrolle" deutliche individualtypische Nutzenskalen erzeugte, die sich von der objektiven, äquidistanten Zensurenskala nicht so stark unterschieden wie diejenigen unter Prüfungsbedingungen. Diese Befunde ließen die Frage offen, ob sich Nutzenskalen von Leistungsnoten noch für andere Bedingungswirkungen als ansprechbar erweisen. Hier setzt die vorliegende Untersuchung ein.
2. Fragestellungen und Hypothesen Die erste Fragestellung unserer Untersuchung lautet: Welchen Einfluß hat die Beliebtheit eines Unterrichtsfaches auf die jeweilige Nutzenskala der Leistungsnoten in dem betreffenden Fach? — Die Fragestellung schließt die Erhebung von Nutzenskalen im (1) beliebtesten, (2) einem neutralen und (3) dem unbeliebtesten Fach ein und ist mit folgenden Hypothesen verbunden: (1/1) Es wird erwartet, daß es enge Beziehungen zwischen der Leistung eines Schülers in einem Fach und der Beliebtheit dieses Faches gibt, d . h . : das beliebteste Fach weist den größten Anteil an positiven Leistungsnoten auf, der zum unbeliebtesten Fach hin eine ständige Abnahme erfährt. (1/2) Es wird erwartet, daß höhere Leistungsziele vermehrt im beliebtesten Unterrichtsfach angestrebt werden und zum unbeliebtesten Fach hin an Häufigkeit abnehmen, was sich in einer entsprechenden Veränderung der Zensuren-Nutzenskalen niederschlagen muß. (1/3) Aus Hypothese 1/1 ist zu erschließen, daß es auch einen Zusammenhang zwischen den Schulleistungen und den Zielsetzungen in dem Sinne gibt, daß Schüler mit besseren Leistungsresultaten gegenüber denen mit weniger guten Schulleistungen in stärkerem Umfange höhere Leistungsziele anstreben. Die zweite Fragestellung betrifft den Einfluß spezifischer Persönlichkeitsmerkmale auf die Nutzenbestimmung von Leistungsnoten und schließt folgende Hypothesen ein: (2/1) Es wird erwartet, daß die Nutzenskala der Leistungszielsetzungen ihr Pendant in Fremdeinschätzungsskalen der Eigenschaft „Ehrgeiz" besitzt, d. h. ehrgeizige Schüler weisen andere Zensuren-Nutzenskalen auf als nicht ehrgeizige, sie haben ein höheres LAN.
H.-D. SCHMIDT U. Mitarb., Nutzenskaleh der schulischen Leistungsbewertung
283
(2/2) Es wird erwartet, daß die Intelligenz eines Schülers die Nutzenskala von Leistungsnoten beeinflußt. Das ist vor allem aus Untersuchungen zu erschließen, die einen Zusammenhang zwischen Intelligenz und Risikoeinstellung bzw. -verhalten deutlich machen (vgl. dazu u. a. SCHUBRING 1970). (2/3) Es wird erwartet, daß das Ausmaß der sozialen Anerkennung innerhalb einer Gruppe mit den eigenen Leistungsansprüchen korreliert, und zwar derart, daß Schüler, die eine stärkere soziale Anerkennung erfahren, eher höhere Leistungsziele anstreben als solche mit geringerer sozialer Anerkennung, weil sie höhere soziale Ansprüche an sich selbst stellen. Diese Wechselbeziehungs-Hypothese resultiert aus sozialpsychologischen Erfahrungen (vgl. dazu
u . a . VORWERG
1966,
HIEBSCH/VORWERG
1968).
Auch
die
hier
an-
genommenen Beziehungen müßten sich in unterschiedlichen Nutzenskalen der jeweiligen Stichproben abbilden.
3. Methodik 3.1. Ermittlung der Beliebtheit von Unterrichtsfächern Die in der betreffenden Klasse laut Stundenplan erteilten Fächer wurden vom VI an die Tafel geschrieben. Die Vpn erhielten die Anweisung, das beliebteste Fach, das unbeliebteste Fach und dasjenige Fach, das weder geliebt noch abgelehnt wird, das also im mittleren Rangbereich liegt, auf einem dafür vorgesehenen Zettel mit Namensangabe zu vermerken. Dieses Vorgehen resultierte aus der Auswertung von Erfahrungen in Vorversuchen.
3.2. Ermittlung der Nutzenskalen Nach einer ausführlichen und eingehenden Instruktion wurden die Vpn folgenden Zensurenkombinationen (in Form von Spielmatrizen) konfrontiert, bei denen sie um Zensuren spielten (natürlich fiktiv): A ET E2
B 1
3
A
B
A
B
A
B
2
2
3
1
2
1
3
2
4
3
4
2
4
3
Die Beschränkung auf diese Kombinationen resultierte aus auswertungstechnischen Gründen (Vereinfachung) und aus der Erfahrung, daß Spielmatrizen mit einer sicheren Alternative kognitiv besser zu bewältigen sind (Sicherheit des Instruktionsverständnisses). 20*
284
Z. Psychol. Bd. 179 (1971) H. 3
Im Gegensatz zu bisherigen Verfahrensweisen (SIEGEL, SIEGEL/BECKER, SCHMIDT), hei denen die objektive Wahrscheinlichkeit p(E) 0,5 betrug, so daß p (Ej) = p (£ 2 ) — also die Situation des Münzenwurfs —, erschien es sinnvoll, ein systematisches Variieren der Wahrscheinlichkeit von 1/6 bis 5/6 vorzunehmen (Situation des Würfeins). Damit ergab sich auf eine günstigere Weise die Möglichkeit, den Indifferenzpunkt — wo die Vp beide Alternativen für gleich vorteilhaft hält — zum Zwecke der Nutzenskalierung genauer zu bestimmen. Am Beispiel einer Zensurenkombination dargestellt, sieht das folgendermaßen aus :
1/6 5/6
A
B
1 3
2 2
2/6 4/6
A
B
1 3
2 2
3/6 3/6
A
B
1 3
2 2
4/6 2/6
A
B
1 3
2 2
5/6 1/6
A
B
1 3
2 2
Bei vier verschiedenen Zensurenkombinationen wurden den Vpn also 20 Matrizen dargeboten. Bei jeder Matrix mußte die Entscheidung entweder für A oder B getroffen werden. Die Sequenz der Matrizen wurde randomisiert. Die drei Matrizenbögen für die 3 Fächer (beliebt, neutral, unbeliebt) wurden in Abständen von mehreren Tagen vorgelegt, um Ubertragungseffekte zu vermeiden.
3.3. Einschätzung des Merkmals „Ehrgeiz" J e d e Schülerin einer Klasse mußte sämtliche Mitschülerinnen hinsichtlich der Merkmalsausprägung „Ehrgeiz" einschätzen. Als Alternativen standen zur Verfügung: Leistungsehrgeiz sehr stark — stark — zufriedenstellend — mäßig — schlecht. Diese Anlehnung an die 5-stufige Zensurenskala erschien uns im Hinblick auf den Bildungsgrad der Probanden und auf das Merkmal selbst hinreichend und zweckmäßig. In die Auswertung gingen Mittelwerte von 20 bis 30 Einschätzungen ein, wobei die oben angeführten Stufen mit den Noten 1 bis 5 bewertet wurden.
3.4. Intelligenzmessung Die Bestimmung der Intelligenz erfolgte im Gruppenversuch mit Hilfe des Leistungsprüfsystems (LPS) von HORN. A U S zeitlichen Gründen beschränkten wir uns auf das Kurzverfahren, wie es HORN vorgeschlagen hat. Da für dieses Kurzverfahren jedoch keine Gesamtnormen mitgeteilt sind, wurden sie in Anlehnung an GTTTJAHR (1968, Tabelle A) für die vorliegende Stichprobe erstellt.
H.-D. SCHMIDT U. Mitarb., Nutzenskalen der schulischen Leistungsbewertung
285
3.5. Bestimmung der sozialeil Anerkennung (und des sozialen Anspruchs) Sie erfolgt mit Hilfe des Partnerwahlversuchs. In Anlehnung an V o R W E R G (1966) wurden drei Fragen formuliert, die sich auf Tätigkeitsarten der Gruppe beziehen : 1. Wenn Sie im Rahmen der Schule eine kulturelle Veranstaltung vorzubereiten mit welchen Schülerinnen Ihrer Klasse würden Sie das am liebsten gemeinsam wenigsten gern gemeinsam tun? 2. Wenn Sie eine Klassenversammlung mit aktuell-gesellschaftlicher Thematik bereiten hätten, mit welchen Schülerinnen Ihrer Klasse würden Sie das am gemeinsam tun/am wenigsten gern gemeinsam tun? 3. Mit welchen Schülerinnen Ihrer Klasse möchten Sie versäumten Lehrstoff am gemeinsam nacharbeiten/nicht gemeinsam nacharbeiten.
hätten, tun/am vorzuliebsten liebsten
Gefordert war die Angabe v o n jeweils drei Schülerinnen einschließlich Kurzbegründung.
Die Auswertung, d. h. die Bestimmung der Rangposition jeder Schülerin in einer Klasse, erfolgte in enger Anlehnung an VORWERG (1966) für jede der drei Situationen getrennt. Der relative mittlere Rangplatz wurde für jede Schülerin nach 3
J J Ri x 100
berechnet (n = Anzahl der Mitglieder einer Klasse). Danach war eine Einteilung der Rangplätze in vier Stufen möglich (0—24,9; 25—49,9; 50—74,9; 75—100), die eine sehr hohe, hohe, mäßige und niedrige soziale Anerkennung repräsentierten. 3.6. Probanden Die Versuche wurden mit 298 Schülerinnen der Medizinischen Schule des Städtischen Krankenhauses im Friedrichshain (Berlin) durchgeführt. Es handelte sich um 128 Schülerinnen der Berufsrichtung Kinderpflege und 170 der Berufsrichtung Säuglings- und Kinderkrankenschwester. Die Klassenfrequenz innerhalb der 12 Klassen schwankte zwischen 21 und 29. Sämtliche Schülerinnen waren Absolventen der 10-Klassen-Schule und befanden sich im Alter zwischen 17 und 19 Jahren. Die Untersuchungen wurden dadurch erleichtert, daß einer der Autoren (Frau M. WIESENBERG) an dieser Schule unterrichtete 1 . Weitere methodische Erläuterungen — insbesondere in Hinsicht auf die Auswertung — erfolgen im Zusammenhang mit dem Referat der Ergebnisse. 1
Die Autoren danken der Leitung der Medizinischen Schule des Städtischen Krankenhauses Berlin-Friedrichshain für die bereitwillige Unterstützung bei der Realisierung des Untersuchungsprojekts.
286
Z. Psychol. Bd. 179 (1971) H. 3
4. Ergebnisse 4.1. Leistung und Fachbeliebtheit (Hypothese 1/1) Bereits die Grobauswertung (Mittelwert und Streuung) der Zensuren in den drei Fächern läßt erkennen, daß ein Zusammenhang zwischen Leistung und Beliebtheit existiert (Tabelle I). Tabelle I. Zusammenhang zwischen der Leistung in einem Sehulfach und seiner Beliebtheit Beliebtheitsgrad
Leistung
x
beliebt neutral unbeliebt
2,24 2,60 3,02
s 0,52 0,61 0,66
Eine Überprüfung der in die Auswertung einbezogenen 2828 Zensuren auf Normalverteilung ergab, daß im beliebten und unbeliebten Fach erwartungsgemäß keine Normalverteilung vorliegt (Signifikanz: p < 1%), die empirische Verteilung im neutralen Fach hingegen sich der Normalverteilung stärker annähert (5% > P > 1%); vgl. dazu Tabelle II. Tabelle II. Häufigkeitsverteilung der Zensuren im beliebten, neutralen und unbeliebten Unterrichtsfach (in °/ 0 ) Beliebtheitsgrad des Faches
Zensuren 1 2
3
4
5
beliebt neutral unbeliebt
9 2 1
52 36 13
35 55 62
4 7 21
0 0 3
Die statistische Auswertung ergab einen überzufälligen Zusammenhang zwischen dem Beliebtheitsgrad eines Unterrichtsfaches und den entsprechenden Leistungsnoten (1%-Niveau; 2l-Test nach K u l l b a c k , vgl. B l ö s c h l 1966). Der Wert rcc — 0,49 weist auf eine mittlere Korrelation hin (Produkt moment-Koeffizientenäquivalent des Kontingenzkoeffizienten). Damit kann die Hypothese 1/1 als verifiziert gelten. 4.2. Fachbeliebtheit und Zensuren-Nutzenskala (Hypothese 1/2) Aus der in der Einleitung genannten Definition des LAN geht eindeutig hervor, daß sich die Auswertungskriterien auf die Position einer Note zwischen der nächstniederen und -höheren Note zentrieren müssen. Dieser Positions-
H.-D.
SCHMIDT
U. Mitarb., Nutzenskalen der schulischen Leistungsbewertung
287
bestimmung liegt ein Meßverfahren zugrunde, das der Literatur zu entnehmen ist (u. a. STEVENS 1959, SCHMIDT 1966). E s g e s t a t t e t , aus der B e -
stimmung des Indifferenzpunktes der Wahlen die Stellung einer Note zwischen den willkürlich definierten Eckwerten der nächstniederen und -höheren Zensur auf einer Intervall-Nutzenskala zu fixieren. Wir haben aus Vereinfachungsgründen für den Fall jeder einzelnen Matrix den positiven Eckwert mit der Maßzahl 10 ut (ut bedeutet das Maß des Nutzens), den Eckwert der relativ negativen Zensur mit der Maßzahl 1 ut belegt. Aus den Matrizen mit ihren jeweiligen Spalten und Zeilen ergaben sich dann auf der Basis der möglichen Indifferenzpunkte die möglichen Nutzenwerte 4,75 — 6,25 — 7,75 — 9,25, welche die Position der das LAN determinierenden Note zu bestimmen 12 gestatten. Das geht aus folgendem Beispielschema hervor, das die Matrix ^ betrifft: Leistungsnote Nutzen 1 2
3
10 9,25 7,75 6,25 4,75 1
ut ut oder ut oder ut oder ut ut
Die nutzentheoretische Definition des LAN besagt nun: J e geringer der Nutzenwert der Zwischen-Note (hier: 2) ist, desto höher ist die Zielsetzung, weil sie im Beispiel des Schemas stärker auf das LAN, eine 1 zu erreichen, gerichtet wäre. Dieses Beispiel liegt als Prinzip allen Ergebnissen dieses Abschnitts 4.2 zugrunde. Wir prüfen jetzt die relative Position der Noten 2 und 3, wie sie aus den verschiedenen Spielmatrizen zu entnehmen sind. Einen Überblick vermitteln die Abbildungen 1 bis 4, aus denen folgendes hervorgeht. (1) Abbildung 1: Wenn die Note 2 sicher zu erhalten ist, für die Noten 1 und 3 jedoch Risikobedingungen vorliegen, werden im beliebten Fach gegenüber weniger beliebten Fächern höhere Leistungsziele bevorzugt. Diese Beziehung ist überzufällig (p < 0,1%), der Wert rcc = 0,28 zeigt eine geringe Korrelation an. Die Anzahl der Vpn, für die die Note 2 in allen Leistungssituationen (Fächern) einen relativ hohen Nutzen hat, ist erheblich. (2) Abbildung 2: Wenn die Note 3 sicher zu erreichen ist und die Noten 2 und 4 durch Risikobedingungen belastet sind, wird im beliebten Fach gegenüber weniger beliebten Fächern das höhere Leistungsziel, die Note 2, stärker angestrebt. Auch diese Beziehung ist überzufällig (p < 0,1%), aber der Wert rcc = 0,31 deutet auf eine annähernd mittlere Korrelation hin. Im Unterschied
288
Z. Psychol. Bd. 179 (1971) H. 3
zur Situation, die Abbildung 1 widerspiegelt, beschränkt sich nur ein geringer Teil der Vpn auf die Note 3 als Leistungsziel unter allen Risikobedingungen (ut = 9,25). Die Anzahl der Vpn, für die Note 3 einen relativ hohen Nutzen hat, nimmt vom beliebten Fach zum unbeliebten hin erheblich zu. h 180
-
beliebteste s Fach neutrales Fach
760 -
no •
unbeliebtestes Fach
120 • 100 -
//r"
80 -
so H-0 20 0 -
-
\\\
V / ' /./ /
WS-
\
\ \
* \
6,25
7,75
*
9,2S
Nutzenwertetui)
Abb. 1. Häufigkeitsverteilung der Nutzenwerte der Note 2 bei Anwendung 12 der Matrix „„
Abb. 2. Häufigkeitsverteilung der Nutzenwerte der Note 3 bei Anwendung 23 der Matrix / 0
H.-D.
S C H M I D T U.
Mitarb., Nutzenskalen der schulischen Leistungsbewertung
289
(3) Abbildung 3: Unter der Bedingung einer sicheren Note 2 im Kontext der risikobelasteten Noten 1 und 4 ist die Abhängigkeit des LAN von der Beliebtheit weniger stark. Sie ist zwar wiederum überzufällig (p < 0,1%), der Wert rcc = 0,27 signalisiert jedoch eine geringe Korrelation. Für den überwiegenden Teil der Vpn hat die Zensur 2 einen relativ hohen Nutzen. Die Beschränkung
Abb. 3. Häufigkeitsverteilung der Nutzenwerte der Note 2 bei Anwendung 12 der Matrix / 0
Abb. 4. Häufigkeitsverteilung der Nutzenwerte der Note 3 bei Anwendung der Matrix 13 / 0
290
Z. Psychol. B d . 179 (1971) H. 3
auf die Note 2 unter allen Kombinationsbedingungen ist bereits im beliebten Fach beträchtlich und nimmt zum unbeliebten Fach hin stark zu. (4) Abbildung 4 : Wenn die Note 3 sicher ist, die Noten 1 und 4 jedoch ein Risiko einschließen, geht das LAN stark in Richtung der Note 1, insbesondere im behebten Fach. Der Zusammenhang zwischen dem Nutzen der Zensur und der Beliebtheit des Faches ist überzufällig (p < 0,1%), der Wert rcc = 0,38 bedeutet eine mittlere Korrelation. Die Beschränkung auf die Note 3 unter allen Bedingungen ist besonders im beliebten Fach selten. Diese Ergebnisse sprechen für eine Bestätigung der Hypothese 1/2. Allerdings ist die Abhängigkeit des Zusammenhangsgrades von der jeweiligen Matrix unverkennbar. Sie wird in der Diskussion berührt werden.
4.3. Schalleistung und Zensuren-Nutzenskala (Hypothese 1/3) Hier geht es um die Frage, ob Vpn mit besseren Lernergebnissen gegenüber solchen mit weniger guten Zensuren in stärkerem Maße höheren Leistungszielen zustreben. Diese Hypothese wurde durch entsprechende Auswertungen 2 h
A b b . 5. Häufigkeitsverteilung der Zensuren bei unterschiedlichen Nutzenwerten der Note 3 ^Matrix ^jjj im beliebten F a c h 2 Als Kriterium Fächer verwendet.
der
Schulleistung
wurden
Zensuren-Mittelwerte
der
wesentlichen
H.-D.
S C H M I D T U.
Mitarb., Nutzenskalen der schulischen Leistungsbewertung
291
gesondert für jedes Fach (beliebt — neutral — unbeliebt) und für alle untersuchten Zensurenkombinationen (4 Matrizen) geprüft. Wir beschränken uns aus Raumgründen und der Übersichtlichkeit wegen auf eine Zusammenfassung, die sich auf die Signifikanz des Zusammenhangs und auf die Stärke des Zusammenhangs in Gestalt des Korrelationskoeffizienten zentriert (Tabelle III). Nur zum Zwecke der Demonstration sei ein Beispiel angeführt (Abbildung 5). Abb. 5 ist folgendermaßen zu lesen. In jeder Kurve ist die Häufigkeit derjenigen Probanden zusammengefaßt, die bei gleicher Nutzenskalierung der Note 3 (zwischen 2 und 4) im beliebten Fach eine bestimmte Verteilung der Leistungen in diesem Fach aufweisen. Diejenigen Probanden, welche der Note 3 nur 4,75 ut zubilligen (also die 2 als LAN anstreben), weisen eine Linksverschiebung ihres Leistungsgipfels auf, während bei Vpn, die der Zensur 3 den Wert 7,75 ut zuordnen, der entgegengesetzte Trend zu beobachten ist. Tabelle III. Zusammenhang zwischen Leistung und Zensuren-Nutzenskala (Übersicht) Matrix 12 32 23 43 12 42 13 43
beliebtes Fach Sign. Korr.
neutrales Fach Sign. Korr.
s. s.
0,37
n. s.
0,24
s. s.
0,30
s. s.
0,39
s. s.
0,34
s. s.
0,32
s.
0,28
n. s.
0,18
n. s.
0,23
s. s.
0,32
s. s.
0,33
s. s.
0,31
unbeliebtes Fach Sign. Korr.
Die Daten der Tabelle III können im wesentlichen als Bestätigung der Hypothese 1/3 aufgefaßt werden. Probanden mit besseren Leistungen tendieren dazu, höhere LANs zu bilden als solche mit durchschnittlichen oder schlechten Leistungen. Allerdings wird die Stärke dieses Zusammenhangs sowohl vom Beliebtheitsgrad des Faches als auch von der Struktur der Matrix mitbe12 stimmt. Wir finden, ähnlich wie im Abschnitt 4.2., daß die Matrix ^ nicht geeignet ist, die hier interessierenden Zusammenhänge deutlich zu machen. In der Diskussion werden wir darauf zurückkommen.
4.4. Leistungsehrgeiz und Zensuren-Nutzenskala (Hypothese 2/1) Uber die Zusammenhänge, die diese Hypothese betreffen, unterrichtet Tabelle IV. Die Daten der Tabelle IV belegen, daß Hypothese 2/1 nicht allgemein bestätigt werden kann. Nur im beliebten Fach tendieren die als ehrgeizig eingeschätzten S chülerinnen zum höheren LAN, wie es aus den Nutzenskalen zu
292
Z. Psychol. Bd. 179 (1971) H. 3
entnehmen ist. Diese Beziehung verliert sich, wenn das neutrale und unbeliebte Fach einbezogen werden. Tabelle IV. Zusammenhänge zwischen Leistungsehrgeiz und Zensuren-Nutzenwerten (Übersicht) beliebtes F a c h Korr. Sign.
neutrales F a c h Korr. Sign.
unbeliebtes F a c h Sign. Korr.
12 32
s. s.
0,36
n. s.
0,25
n. s.
0,23
23 43
s. s.
0,34
s.
0,30
n. s.
0,26
12 42
s. s.
0,38
s.
0,29
n. s.
0,23
13 43
s. s.
0,34
n. s.
0,27
n. s.
0,23
Matrix
(Hier ist zu beachten, daß die Fremdeinschätzung des Leistungsehrgeizes durch den Logik-Effekt [vgl. C l a t t s s 1968] und durch das zu skalierende Merkmal belastet ist, so daß von daher die Ähnlichkeit der Tabellenwerte I I I und IV mitbedingt sein könnte!) 4.5. Beziehungen zwischen Intelligenz, sozialem Anspruch und Zensuren-Nutzenskala (Hypothesen 2/2 und 2/3) Ein Zusammenhang in dem Sinne, daß intelligentere Vpn höhere Leistungszielsetzungen realisieren, ergab sich nur unter der Bedingung einer vergröbernden Auswertungstechnik (Dichotomisierung der Probanden hinsichtlich Intelligenz und Nutzenbeträgen: Prüfung der Hypothese über die Differenz zweier Häufigkeitsziffern, vgl. W e b e r 1961). Hypothese 2/2 ließ sich auf diese Weise nur bei 3 Matrizen im beliebten Fach und bei 2 Matrizen im unbeliebten Fach verifizieren. Dieser Sachverhalt wird im Abschnitt 5 noch diskutiert. Hypothese 2/3 muß nach unseren Resultaten als falsifiziert gelten. Ganz schwache Zusammenhänge (Tendenz: Schüler mit höherer sozialer Wertung und also zu erwartendem sozialem Anspruch an sich selbst zeigen höhere LANs) ergaben sich lediglich im beliebten Fach, aber sie reichen nicht aus, um eine relativ bündige Konsequenz abzuleiten. 4.6. Die Bedeutung von Persönlichkeitsmerkmalen für die Prädiktion von Zensuren-Nutzenbeträgen U m die Bedeutung der von uns erfaßten Merkmale (Leistung, Leistungsehrgeiz, Intelligenz, sozialer Anspruch) in bezug auf das Nutzenkriterium feststellen und um die Tauglichkeit aller Merkmale für die Vorhersage des dia-
H.-D. SCHMIDT U. Mitarb., Nutzenskalen dei schulischen Leistungsbewertung
293
gnostischen Urteils „Leistungsanspruchsniveau" bestimmen zu können, wendeten wir das Verfahren der multiplen Korrelation an. Die unterschiedliche Zuverlässigkeit der einzelnen Matrizen wurde weitgehend dadurch auszugleichen versucht, daß Durchschnittskorrelationen bestimmt wurden. Werden die Nutzenbeträge.von Leistungsnoten als Kriterium gesetzt, dann wird durch die ermittelten Beta-Gewichte die relative Bedeutung eines jeden Merkmals für die Vorhersage der Leistungszielsetzung aufgeklärt. Tabelle V gibt einen Überblick über die Beta-Gewichte. Tabelle V. Beta-Gewichte der Persönlichkeitsmerkmale f ü r die Vorhersage von ZensurenNutzenwerten Pers.-Merkmal
beliebtes F a c h
neutrales F a c h
unbeliebtes F a c h
Leistung Ehrgeiz Intelligenz soziale Anerkennung
0,188 0,197 0,188 0.019
0,280 0,180 0,174 0,000
0,206 0,007 0,216 0,041
Wir können feststellen, daß dem Merkmal „soziale Anerkennung" so gut wie keine und dem Merkmal „Intelligenz" im Zusammenhang mit den anderen Persönlichkeitsmerkmalen eine größere Bedeutung zukommt, als dies bei alleiniger Betrachtung des Merkmals „Intelligenz" der Fall ist. Auf der Basis der Beta-Gewichte wurde nun der multiple Korrelationskoeffizient berechnet. Er beträgt für das beliebte Fach 0,43, für das neutrale 0,40 und für das unbeliebte Fach 0,37. Es ist also — verglichen mit der Gültigkeit verschiedener psychodiagnostischer Verfahren — in befriedigender und relativ einfacher Weise möglich, anhand der Merkmale „Schulzensur", „Ehrgeiz", „Intelligenz" und „soziale Anerkennung" den Nutzen von Schulnoten vorherzusagen. Das gilt selbstverständlich nur für das beliebte Fach und für Gruppenurteile.
5. Diskussion Wenn wir die früheren Untersuchungsdaten ( S C H M I D T 1965, 1966) und die Befunde der vorliegenden Arbeit auf ihre Essenz reduzieren, so scheint es sicher zu sein, daß Nutzenskalen von schulischen Leistungsnoten und die in ihnen sich bekundenden individual- und gruppenspezifischen Leistungszielsetzungen auf folgende äußeren und inneren Situationsbedingungen ansprechen : 1. Nutzenskalen und Zielsetzungen verändern sich, wenn die Bewertungsbedingungen sich verschärfen, d. h. wenn die Bewertungskonsequenzen eine höhere personale Bedeutsamkeit erlangen (Situation der Prüfungssituation
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versus Leistungskontrolle). Verschärfte Bedingungen nivellieren die interindividuellen Unterschiede im Sinne einer gruppentypischen Tendenz, nur solche Leistungszielsetzungen zu realisieren, deren Erreichbarkeit im Raum hoher Wahrscheinlichkeiten liegt; außerdem werden negative und durchschnittliche Noten aufgewertet. 2. Nutzenskalen und Ziesetzungen verändern sich in Abhängigkeit von individuellen Wertbeziehungen (Einstellungen) zum speziellen Leistungsgebiet (hier ist es das Unterrichtsfach), d. h. von motivationalen Komponenten, wie sie sich in der Beliebtheit des Faches widerspiegeln. Positive Motivationsbeziehungen erzeugen höhere (und das heißt auch riskantere) Leistungszielsetzungen. Dieses zweite Resultat ist, was seinen Inhalt anbetrifft, durchaus nicht neu; Untersuchungen zur Leistungsmotivation (vgl. H E C K H A T T S E N 1 9 6 5 , B I R N E Y 1968) und spezielle pädagogisch-psychologische Motivationsarbeiten (u. a. R O S E N F E L D 1 9 6 4 , H T J R L O C K 1 9 7 0 , S. 532ff.) können als Bestätigung herangezogen werden. Bereits bekannt ist auch die Wechselbeziehung zwischen Schulleistung und Fachbeliebtheit. Wenn H T J R L O C K schreibt: „Es besteht ebenfalls eine hohe Korrelation zwischen der Zensur eines Kindes in einem bestimmten Fach und seiner Einstellung zu diesem Fach. Eine schlechte Zensur erstickt seine Motivation zu versuchen, bessere Leistungen zu erreichen. Dies führt zu einer noch schlechteren Zensur mit einer zunehmend ungünstigen Einstellung. . ." (zitiert werden dann
amerikanische Untersuchungen von
BOWER/HOLMES, MALPASS, MC D A V I D U. a . ) ,
so bestätigt er mit diesen Befunden nicht nur unsere Verifikation der Hypothese 1/1, sondern weist zugleich auf bekannte Bekräftigungsbedingungen hin, die für das Zustandekommen einer Fachbeliebtheit mitverantwortlich sind. Von daher wird auch verständlich, daß ein positiver Zusammenhang zwischen Leistung und Zielsetzung besteht 3 . (Es sei nur hinzugefügt — und hier tragen wir ein Ergebnis nach —, daß die Einstellung zum Unterrichtsfach auch von der Beliebtheit des Lehrers abhängig ist. Wir fanden, daß der beliebte Lehrer bei seinen Schülern einen höheren Leistungsdurchschnitt erreicht als der weniger beliebte, ohne das Bezugssystem revidieren zu müssen.) Die Uberprüfung des Zusammenhangs zwischen dem Nutzen von Leistungsnoten und der Intelligenz erbrachte keine signifikanten Werte. Da zwischen Intelligenz und realem Leistungsstand ebenfalls keine signifikante Korrelation vorliegt, ist anzunehmen, daß die hier gemessene Intelligenz in der schuliHier ist anzumerken, daß zum Zeitpunkt der Versuchsdurchführung größtenteils keine Leistungsnoten vorlagen und auch Erfahrungen aus dem vorangegangenen Lehrjahr in den meisten Unterrichtsfächern nicht wirksam werden konnten. In unserem Falle resultiert also das LAN hauptsächlich aus der Einstellung zum Fach (ohne die bekräftigende Wirkung der Zensur), die ihrerseits die späteren Leistungen positiv beeinflußt (Hypothese 1/3). 3
H.-D. SCHMIDT U. Mitarb., N u t z e n s k a l e n der schulischen L e i s t u n g s b e w e r t u n g
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sehen Praxis dieser Schülerinnen nicht „ b e k r ä f t i g t " wurde und sich somit auch in der LAN-Risikosituation nur in geringfügigem U m f a n g niederschlägt. E s ging uns in dieser Arbeit vor allem darum, die Brauchbarkeit von Zensuren-Nutzenskalen als methodisches (und diagnostisches) Instrument der Ermittlung der Leistungszielsetzung nochmals dadurch zu bestätigen, daß wir die Sensibilität der Skala gegenüber Veränderungen innerer Bedingungen unter Beweis stellten. An dieser Stelle scheint eine kurze Besinnung auf einige methodische bzw. methodologische Probleme angezeigt. Wir meinen, daß die vorliegenden E r gebnisse bis zu einem gewissen Grade eine Unterschätzung der realen Zusammenhänge darstellen und begründen das folgendermaßen: Durch mehrfache Mittelwertsbildungen und durch relative grobe Klassifizierungen (z. B . Skalierung der Merkmale „ E h r g e i z " und „Intelligenz") wurden natürlich Besonderheiten des Datenmaterials weitgehend reduziert. Dieses Vorgehen war deshalb notwendig, u m die Menge von mehr als 5000 Einzeldaten einigermaßen überschaubar zu halten. Betrachtet man andererseits die Ergebnisse, speziell die rcc-Werte, so stellen diese im teststatistischen Sinne Validitätsaussagen dar. D a diese nun aber nicht sonderlich ansprechend sind, stellt sich u m so mehr die Frage nach der Zuverlässigkeit der verwendeten Methoden. Indem überwiegend die Aussage- und Leistungsfähigkeit jeder einzelnen Matrix für sich untersucht wurde (bzw. werden mußte) und indem die Persönlichkeitsmerkmale relativ grob erhoben wurden — die Größe der Stichprobe erforderte dies unter anderem —, mußten notwendigerweise Abstriche an der Zuverlässigkeit der einzelnen Methoden vorgenommen werden. Schließlich sei darauf hingewiesen, daß künftighin statt der Verwendung univariater Versuchsplanung und deskriptionsstatistischer Auswertungen besser multivariate, speziell faktorielle Versuchsplanung und variationsstatistische Auswertungen verwendet werden sollten, u m dadurch zu Aussagen über die Kausalrelationen zwischen L A N und den beschriebenen Persönlichkeitsmerkmalen gelangen zu können und somit das vorliegende Problem noch schärfer zu fassen. Allerdings wird durch die Umgehung der genannten Restriktionen ein erheblich größerer Untersuchungsaufwand notwendig. Wenn wir nun das Problem der Diagnostik des L A N mit Hilfe von Nutzenskalen der Leistungsnoten zur Diskussion stellen, stoßen wir sofort auf die Frage, was die verschiedenen Zensurenkombinationen (Matrizen) für eine solche Diagnostik zu leisten vermögen und warum das so ist. Bereits im Abschnitt 4 drängte sich zweimal diese Frage auf. Prüfen wir also die Zweckmäßigkeit der Matrizen: 12 1. Die Matrix ^
erwies sich nur als mäßig brauchbar, da offensichtlich die
Nutzenwerte von 1 und 2 zu gering differieren, so daß sich nur etwa 5 0 % der
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Probanden im beliebten Fach für die risikobelastete 1 entscheiden. Wir haben früher (SCHMIDT 1966) vermutet, daß dieses Ergebnis (damals an Studenten ermittelt) mit der verbreiteten Tendenz zusammenhängen könnte, die Note 1 durch zu häufige Anwendung zu entwerten. Da diese Bedingung bei der hier untersuchten Stichprobe nachweislich nicht zutreffen kann, gibt es offenbar mindestens noch eine zweite Interpretationsmöglichkeit. Es wäre denkbar, daß Schüler, die sehr, sehr selten in den Genuß einer 1 kommen, sie deshalb aus der Kalkulation herauslassen, weil sie außerhalb der Realitätssphäre liegt. Das ist aber nur eine Vermutung; notwendig wären hier präzisere Untersuchungen. 23 2. Die Matrix erbrachte recht günstige Differenzierungsresultate. E s scheint so zu sein, daß der Nutzen der 3 (im Verhältnis zur 2 und 4) sehr empfindlich auf äußere und innere Bedingungen anspricht, weil es keine einheitlichen, Konformität erzeugenden Wertmaßstäbe für diese Note gibt. 12
3. Die Matrix ^
.
.
.
.
erbringt die vergleichsweise schlechteste Differenzierung.
Hier dürfte die gleiche Bedingung maßgebend sein, die unter 1. schon genannt wurde. Das Auftreten der Note 4 verstärkt die Nutzenangleichung von 1 und 2, so daß die sichere 2 allzu häufig bevorzugt wird. 13 4. Wesentlich günstiger sieht es wieder mit der Matrix ^ a u s > deren Differenzierungsfähigkeit der unter 2. genannten Matrix nahekommt. Der Grund dürfte derselbe sein, den wir schon dort erwähnten: die Existenz der labilen 3 innerhalb der Konfiguration. Damit ergibt sich die Schlußfolgerung, daß diejenigen Matrizen, welche die Nutzengröße der 3 im Kontext ihrer direkten oder indirekten „Nachbarschaft" prüfen, den größten diagnostischen Aussagewert haben. Werden alle 5 Zensuren in entsprechende Matrizen einbezogen, so erweist sich die Note 4 als besonders aufschlußreich (SCHMIDT 1966), also wiederum die Zensur, deren Mittelposition zwischen dem positiv und negativ bewerteten Skalenbereich am uneindeutigsten ist. E s bleibt noch ein Problem offen, das mit der Instruktion zusammenhängt, an Hand der vorgelegten Matrizen in eine Situation einzutreten, in der um Zensuren gespielt (hier: gewürfelt) wird. Es besteht kein Zweifel — trotz aller Überzeugungskünste, die der VI aufbringen mag —, daß diese Sachlage in mehrfacher Hinsicht (unter pädagogischem Aspekt, aber auch unter dem der Methodik) ungünstig ist, und das trotz des Nachweises hoher Korrelationen zwischen Ernstfall und Spiel (BECKER/SIEGEL). Hier gibt es nur zwei Auswege: Es werden Möglichkeiten gesucht, unter Umgehung von Spielmatrizen dennoch zu Zensuren-Nutzenskalen der hier geforderten Präzision zu kommen, und zwar so, daß die Skalenkonstruktion diagnostisch handhabbar ist. Das
H.-D. SCHMIDT U. Mitarb., Nutzenskalen der schulischen Leistungsbewertung
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dürfte nicht ganz einfach sein 4 . Oder: Wir bleiben bei der Schaffung einer fiktiven Benotungssituation, eliminieren aber das Moment des Spiels gegen die Natur in Gestalt des Würfels oder der Münze. Das wäre z. B. denkbar in Form eines Fragebogens, der Aufgaben der folgenden Art enthält: ). Stellen Sie sich bitte vor, daß Sie in einer mündlichen Prüdung sind (im Fach Der Prüfer bricht nach einiger Zeit die Prüfung ab und sagt Ihnen folgendes: „Wir wollen zunächst einmal Schluß machen. Sie können jetzt zwischen zwei Möglichkeiten wählen: 1. Entweder: Sie werden nicht weiter geprüft, dann erhalten Sie eine 2, und Sie können nach Hause gehen. 2. Oder: Sie werden weitergeprüft, und dann ist es möglich, daß Sie eine 1 oder auch eine 3 bekommen, je nach Ihren Leistungen. — Entscheiden Sie sich jetzt bitte!" Es ist klar, daß Sie sich nur dann für die 2. Möglichkeit entscheiden, wenn Sie annehmen, daß die Chance besteht, die Note 1 zu erreichen. Da Sie klug sind, überprüfen Sie Ihre Fähigkeiten und rechnen sich Ihre Chancen durch, ehe Sie sich entscheiden. Kreuzen Sie bitte in jeder der folgenden Zeilen das für Sie zutreffende Ergebnis des Durchrechnens der Chancen an: Bei einer Chance von 10% für die Note 1 würde ich mich weiterprüfen lassen würde ich nach Hause gehen Bei einer Chance von 30°/ 0 für die Note 1 würde ich mich weiterprüfen lassen würde ich nach Hause gehen. Bei einer Chance . . . usw. usf. (Die Wahrscheinlichkeitswerte können nach Wunsch und Absicht des Untersuchers gestuft werden.)
Ein Fragebogen dieser Art könnte in weiteren Untersuchungen erprobt werden — übrigens auch im Zusammenhang mit Fragestellungen zum Problem der Erfassung der Risikoeinstellung, da die spieltheoretische Definition des Risikos (0 < p < 1; p ist dem Dezidenten bekannt) erfüllt ist.
Zusammenfassung Mit Hilfe ausgewählter Zensurenkombinationen innerhalb von Matrizen eines Spiels gegen die Natur (nach dem Vorbild von SIEGEL) wurde der Einfluß spezifischer innerer Bedingungen von Probanden einer weiblichen Stichprobe (Berufsschülerinnen) auf die Zensuren-Nutzenskalen und damit zugleich auf die Leistungszielsetzung überprüft. Dabei ergab sich: 1. Die Wirkung der Einstellung zum Unterrichtsfach auf die Zielsetzung läßt sich an Hand der Nutzenskalen nachweisen. Im beliebtesten Fach (gegenüber einem neutralen und dem unbeliebtesten) werden höhere Zielsetzungen angestrebt. 4 Diese Aussage stellt nicht die prinzipielle Möglichkeit der Konstruktion von Nutzenskalen im Zielsetzungsbereich ohne Bezug zu Spielwetten in Frage (vgl. SCHMIDT 1966), sondern zieht die Spezifität der Situation (Nutzenskalen von schulischen Leistungsnoten) in Betracht, wodurch zusätzliche methodische Schwierigkeiten entstehen.
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2. Ein gleichsinniger Effekt läßt sich in Hinsicht auf die Bedingungen „Leistung" (faßbar durch Zensuren-Mittelwerte) und „Leistungsehrgeiz" (erfaßt durch Fremdeinschätzungen) nachweisen. 3. Die Überprüfung der Bedingungen „Intelligenz" und „sozialer Anspruch" (abgeleitet aus sozialen Rangpositionen) ergab kaum signifikante Korrelationen. Die Diskussion der Ergebnisse konzentrierte sich vor allem auf die methodisch-diagnostischen Möglichkeiten der Zensuren-Nutzenskalierung.
Summary By means of selected combinations of school marks in matrices of games against nature (according to the SlEGEL-model) we tested the influence of specific internal conditions of persons (female adolescents of a professional school) on utility scales of marks and thus on the level of aspiration. The following results are essential: 1. The effect of attitudes for or against subjects of education is reflected in the utility scales of marks. In the most favoured subject of education there are higher levels of aspiration than in a neutral and unfavoured one. 2. Effects in the same sense and direction are registered by examining the variables 'ability of achievement in school' (medium marks) and 'achievement ambition' (medium rating scores). 3. The examination of the variables 'intelligence' and 'social aspiration' (derived from rank order scores) produced scarcely significant correlations. The discussion is centred in problems of practicability of school mark utility scales in the context of methodology and diagnostics.
Pe3K>Me C nOMOmbK) H3ApaHHMX KOMÖHHa^lÜ 0IJ6H0K, 3aH6C6HHbIX B MaTpnqtl RJIH Iirpil npOTHB npnpoAbi (no oöpaeriy 3HrcjiH), 6m.JIO HccjiGßOBaHO BJIHHHHG cneiyiHmH6 H3 c o i i n a j i b H o r o noJIOJKGHHH) HG AANA CHRHIT$HKAHTHHX KoppGJIHI^lift.
•J^HCKYCCHH p63yjIbTaT0B COCpGflOTOMGHa TJiaBHblM 06pa30M Ha MGTOAHKOAHarHOCTHHGCKHX B03M0JKH0CTHX npHMGHGHHH HIKajI OQCHOK OJKHflaGMOil nOJIb3bI.
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H.-D.
SCHMIDT U.
Mitarb., Nutzenskalen der schulischen Leistungsbewertung
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BIRNEY,
Anschrift der Verfasser: Prof. Dr. H.-D. SCHMIDT Dipl.-Psych. M. WIESENBERG Dipl.-Psych. Dr. 0 . B. SCHOLZ Sektion Psychologie der Humboldt-Universität DDR - 102 Berlin, Oranienburger Str. 18
2)'
Aus der S e k t i o n W i s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d W i s s e n s c h a f t s o r g a n i s a t i o n der H u m b o l d t - U n i v e r s i t ä t zu Berlin
Konditionierung und Einstellungsänderung V o n L . LANGE
Mit 3 A b b i l d u n g e n
1. Einleitung L A N D E R hat kürzlich (i970) auf die Möglichkeiten und Grenzen für die Anwendung psychologischer Lerntheorien in verschiedenen Bereichen der angewandten Psychologie hingewiesen. Entsprechende Möglichkeiten und Grenzen gibt es auch für die sozialpsychologische Grundlagenforschung. Hier soll nur ein Bereich von Anwendungsmöglichkeiten der Lerntheorien in der Sozialpsychologie behandelt werden, nämlich die Einstellungsänderung. Der Anwendungsbereich solcher Untersuchungen zur Einstellungsänderung beschränkt sich aber nicht auf die Sozialpsychologie, sondern hat auch für die klinische Psychologie Bedeutung (Änderung neurotischer Haltungen, Beeinflussungsmöglichkeiten bei Rigidität, Demenzen und bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen). In sozialpsychologischer Hinsicht liegen Anwendungsmöglichkeiten für lerntheoretische Untersuchungen zur Einstellungsund Yerhaltensänderung vor allem bei der Massenkommunikation, Werbung, bei erzieherischen Maßnahmen des Gesundheitswesens, bei der Verkehrserziehung und anderen Formen der Agitation und Propaganda. Einstellungen und Meinungen sind im Prozeß der Interiorisation erworben, sie entstehen bei der Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Umwelt. Wie auch L A N D E R (1970) hervorhebt, ist eine Begrenzung der Anwendbarkeit psychologischer Lerntheorien bereits durch ihren behavioristischen Ursprung (den die meisten Lerntheorien haben, insbesondere die Konditionierungstheorien) gegeben. Im Hinblick auf die Einstellungsbildung und -änderung berücksichtigen die S-R-Theorien häufig nicht die inneren Bedingungen, auf die die äußeren Einflüsse treffen (s. hierzu R U B I N S T E I N 1958). Hervorgehoben werden muß andererseits der materialistische Ausgangspunkt der in dieser Arbeit erwähnten Lerntheorien, die sich ja im Anschluß an die Untersuchungen P A W L O W S entwickelt haben.
L. LANGE, Konditionierung und Einstellungsänderung
301
Die Berücksichtigung lerntheoretischer Ansätze und Versuchstrgebnisse für die Untersuchung der Einstellungsänderung hätte den Vorteil einer zielgerichteten und systematischen Hypothesenableitung auf der Grundlage von durch zahlreiche experimentelle Untersuchungen zusammengetragenem Material in diesem Grundlagengebiet. So verwundert es nicht, wenn bereits anderweitig ( V O R W E R G 1969) auf die Möglichkeiten und Vorteile hingewiesen wurde, Einstellungs- und Verhaltensänderung mit den Vorgängen beim klassischen und instrumentellen Bedingen zu vergleichen.
II. Semantische Generalisierung bei der Bildung bedingter Reflexe nach P A W L O W Erste Versuche, Ergebnisse der Theorie von der höheren Nerventätigkeit bei der Herausbildung sozialer Einstellungen zu verwenden, stammen von PAWIIOW-Schülern, wenn auch der Begriff „Einstellung" im sozialpsychologischen Sinne hier nicht erscheint. Bei solchen Versuchen ging man in der Regel so vor, daß zunächst bedingte Reaktionen auf bestimmte Worte ausgebildet wurden und diese Worte anschließend entweder in anderem Zusammenhang vorkamen oder durch solche mit gleicher Bedeutung oder phonetischer Ähnlichkeit ersetzt wurden. War die bedingte Reaktion stark genug ausgebildet worden, so zeigte sich auch nach dem Ersetzen des Reizwortes durch die genannten anderen verbalen Reize eine bedingte Reaktion. W O T K O W A (1953 nach R A Z R A N 1961) bildete z. B. bedingte Speichelreaktionen auf die Worte „gut" und „schlecht" bei einem dreizehnjährigen Schüler aus. Der gesteigerte bzw. gehemmte Speichelfluß zeigte sich auch, wenn die genannten Worte in Sätzen vorkamen. Danach wurde der bedingte Reflex „erneuert", d. h. es folgten einige Wiederholungen des Konditionierungsvorganges. Auch Sätze ohne die Adjektive „ g u t " und „schlecht", aber mit entsprechender Wertung riefen danach den bedingten Speichelfluß hervor. Mit Vasokonstriktionen als bedingten Reaktionen arbeiteten S C H W A R Z (1960) sowie W I N O G R A D O W A und E I S L E R (1959). Die Gefäßverengungen wurden durch Auflegen einer kühlen Scheibe an einen Arm bzw. durch Elektroschock hervorgerufen. Bedingte Reize waren wiederum Worte, die durch Synonyme und Homonyme abgelöst wurden. Dabei war die bedingte Reaktion bei Synonymen am deutlichsten und häufigsten zu bemerken. (Eine statistische Prüfung der Versuchsergebnisse fehlt allerdings.) Für die Untersuchung der Einstellungsbildung und -änderung haben diese Ergebnisse insofern Bedeutung, als solche physiologischen Reaktionen wie Speichelfluß oder Gefäßverengung auch eine emotionale Komponente haben.
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D. h. die Konditionierung bestimmter Worte oder Sätze an physiologische Reaktionen bedeutet gleichzeitig eine Konditionierung an Emotionen. Der Tonus des Nervensystems, der auf diese Weise beeinflußt wird, wirkt auf die Bereitschaft des Organismus, auf nachfolgende Reize zu reagieren (s. hierzu W A Z U K O 1956). So meint S O K O L O W (1958), von einer gleichzeitigen Dilatation der Stirngefäße und Verengung der digitalen Blutgefäße könne man auf die Existenz eines Orientierungsreflexes schließen. Dieser ist für das assoziative Konditionieren (Bildung bedingter Reflexe zweiter und dritter Ordnung) nach Meinung von A N O C I U N (1958) sowie W O R O N I N (1957) eine notwendige Bedingung. Die Bedeutung des assoziativen Konditionierens bei der Einstellungsänderung wird im nächsten Abschnitt besprochen.
III. Einstellungsänderung interpretiert nach theoretischen Prinzipien v o n HULL
1. E i n s t e l l u n g e n als b e d i n g t e R e a k t i o n e n H U L L betrachtet den Lernvorgang als Koppelung von Reaktionen an auslösende Reize. Dabei werden intervenierenden Variablen eine wesentliche Bedeutung zugemessen. E Y F E R T H ( 1 9 6 4 ) stellt die Reiz-Reaktions-Kopplung nach H U L L vereinfacht so dar (S. 9 6 ) :
S
r -* s
R
Auf einen äußeren Reiz folgt eine innere Reaktion, die einen inneren Reiz hervorruft, welcher beobachtbares Verhalten erzeugt. Im Anschluß an eine solche Konzeption betrachten S T A A T S ( 1 9 6 7 ) , S T A A T S und S T A A T S ( 1 9 6 7 ) sowie D O O B ( 1 9 4 7 ) soziale Einstellungen als innere Reaktionen („implicit responses"), die aufgrund sozialer Reize entstehen. Nach S T A A T S und S T A A T S (1967.) sind die Einstellungen als bedingte emotionale Reaktionen aufzufassen. Sie meinen, das Lernen der Verbindung S — r (Reiz — Einstellung) sei unabhängig vom Lernen der Verbindung s — R (Einstellung — beobachtbares Verhalten). Auf der Grundlage dieser Ansichten führten S T A A T S und S T A A T S Versuche zur Einstellungsänderung durch, sowohl nach dem Vorbild des klassischen als auch des instrumentellen Konditionierens. So versuchten z. B. die genannten Autoren ( 1 9 6 7 ) , die durch soziale Reize (Nationennamen und Vornamen) ausgelösten Einstellungen durch „klassisches Bedingen" zu ändern, indem sie zusätzlich Worte wertender Bedeutung als „unbedingte Reize" boten. Die „bedingten Reize" wurden projiziert, die „unbedingten" vom VI gesprochen, wobei bestimmte Wortkoppelungen immer nur einmal vorkamen.
L . LANGE, Konditionierung und Einstellungsänderung
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Nach diesem Versuch unterschieden sich die mit positiv bewerteten USWorten (d. h. Worten, die als unbedingte Reize fungierten) gekoppelten Namen signifikant von denen mit negativer Kopplung bei der Beurteilung durch die Vpn auf einer siebenstufigen Skala. In einem anderen Versuch (geschildert in S T A A T S 1967) wurden den Probanden entweder emotional positiv oder negativ getönte oder neutrale Worte jeweils nach einer von zwei alternativen motorischen Reaktionen gegeben. Die „positiven" Worte verstärkten die instrumentelle Reaktion, die „negativen" schwächten sie und die neutralen lagen in ihrer Wirkung zwischen diesen beiden. Verschiedene lerntheoretische Ergebnisse bzw. Hypothesen lassen sich gut mit der Auffassung von Einstellungen als inneren bedingten Reaktionen in Einklang bringen, z. B. mit der Reizgeneralisierungshypothese der Einstellungen von D O O B ( 1 9 4 7 ) . Er nimmt an, die Einstellung als innere Reaktion („Reaktionstendenz") könne mit einer Vielfalt von Reizen und Reizmustern verbunden werden. Diese Hypothese ist gut vereinbar mit der „Vermittlungsinterpretation" der Reizgeneralisierung (s. z. B . W A L K E R 1 9 6 7 ) , nach der die Verbindung zwischen Reiz und Reaktion keine direkte, sondern vermittelt ist durch eine Reaktion, die mit beiden (dem äußeren Reiz und der sichtbaren Reaktion) verbunden ist. Im Sinne von D O O B , S T A A T S , aber auch von OSGOOD (1953), bestünden hier zahlreiche Verbindungen zwischen der Reaktionstendenz und den äußeren Reizen einerseits sowie dem inneren Reiz und dem beobachtbaren Verhalten andererseits, während zwischen der Reaktionstendenz und dem inneren Reiz immer nur eine Assoziation besteht. Eine Einstellung kann also durch verschiedene Reize hervorgerufen werden, desgleichen können durch den mittels der Einstellung erzeugten inneren Reiz zahlreiche unterschiedliche Reaktionen hervorgebracht werden. Wahrscheinlich ist es sinnvoll, in dem oben abgebildeten Schema jeweils zwischen den beobachtbaren Reizen und Reaktionen Verbindungen anzunehmen. Damit werden nicht nur Reiz- und Reaktionsgeneralisierungen leichter interpretierbar, sondern auch Erscheinungen wie das sog. assoziative Konditionieren bei der Einstellungsbildung. Es ist möglich, zwei neutrale Reize Si und S2 miteinander so zu koppeln, daß eine Reaktion, die als Folge von gelernt wurde, ohne weiteres auch nach auftritt. Dieses Problem kann große praktische Bedeutung bei der Strukturierung von Einstellungen haben. Allerdings ist es wahrscheinlich im konkreten Fall schwer auszumachen, ob eine Assoziation von Einstellungen an unterschiedliche Objekte nach Verstärkung nur aufgrund einer Verbindung auf die eben beschriebene Weise zustandegekommen ist oder als das Ergebnis einer Reizgeneralisierung oder mangelnden Reizdiskriminierung betrachtet werden soll. D A S und N A N D A ( 1 9 6 3 nach K I E S L E R , C O L L I N S und M I L L E R 1 9 6 9 ) erreichten assoziatives Konditionieren bei der Einstellungsbildung auf experimentellem
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Wege. Sie assoziierten bei ihren Vpn. unbekannte „ S t a m m e s n a m e n " mit sinnfreien Silben. Danach wurde mit den sinnfreien Silben ein Wahrscheinlichkeitslernen durchgeführt. Die Probanden erfuhren, daß sie bestimmte Silben richtig reproduziert hätten und andere nicht. Diese Rückmeldung hatte auf die wertende Einschätzung der „ S t a m m e s n a m e n " einen deutlichen Einfluß. Bei solchen Versuchen drängt sich der auch schon von KIESLER, COLLINS und MILLER (1969) geäußerte Verdacht auf, die Ergebnisse seien auf das Bemühen der Probanden zurückzuführen, im Sinne der durchschauten Hypothese des VI zu antworten. Ein Entscheidungsexperiment zu diesem Problem, das zugleich auch feststellen sollte, an welcher Stelle des Versuchs das Gewahrwerden der Hypothese eintrete, führte PAGE (1969) durch. E r verwendete die gleiche Versuchsanordnung wie STAATS und STAATS (1967), schob aber zwischen die Konditionierungsversuche und die Einordnung der Silben (bei STAATS und STAATS Namen) in das semantische Differential noch einen Reproduktionsversuch ein und variierte die Schwierigkeit des Konditionierens durch Verwendung einer unterschiedlichen Anzahl von Füllsilben. Am Schluß folgte ein Fragebogen über den Zweck des Versuchs, ob entsprechende Vermutungen während des Experiments aufgetreten seien und an welcher Stelle. Der Konditionierungsversuch verlief erfolgreich, jedoch zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen den Vermutungen der Probanden über das Experiment und dem Erfolg des Bedingens. PAGE bestreitet nicht, daß Einstellungen durch einen Vorgang erworben werden können, der dem des klassischen Konditionierens ähnlich ist, er findet nur die in den Laborexperimenten zur Prüfung dieser Zusammenhänge verwendeten Methoden ungeeignet. Allerdings geht aus seinem Versuch nicht hervor, daß Bedingen im Sinne von STAATS und STAATS ohne Bewußtwerden der Zusammenhänge durch die Vpn unmöglich sei. STAATS selbst (1969) vermutet, die Frage nach dem Gewahrwerden des Versuchszweckes könne dies bei den Versuchsteilnehmern evtl. erst hervorrufen. Dieser Auffassung sind auch BERKOWITZ und KNTTREK (1969), die in einem Konditionierungsexperiment (erlernt wurden Einstellungen gegenüber Personennamen) nur bei 9 von 69 Probanden „Mißtrauen" gegenüber dem eigentlichen Versuchszweck feststellten. Selbst wenn das Bewußtwerden der Versuchszusammenhänge durch die Vpn bei der Methode von STAATS nicht die Bedeutung haben sollte, die deren Kritiker vermuten, wäre eine Verbesserung dieser Methode im Sinne größerer Lebensnähe und geringerer Durchschaubarkeit für die Probanden zu begrüßen. Bei dem Bemühen, die Lerntheorien für die Untersuchung der Einstellungsbildung und -änderung nutzbar zu machen, wurde oft eine dem Tierversuch entsprechende Methodik verwendet, die für die Untersuchung sozialpsychologischer Zusammenhänge nicht angemessen ist. E s gibt auch Untersuchungen
L. LANGE, Konditionierung und Einstellungsänderung
305
von Vertretern der Reiz-Reaktions-Theorie bei der Einstellungsänderung, die die geschilderten methodischen Mängel nicht haben. Hier handelt es sich aber meistens um Yermeidensbedingen unter Verwendung echter unbedingter Reize (s. im Abschnitt über Vermeidenslernen als Grundlage für Einstellungsänderung). E s fragt sich weiterhin, ob ein anderer lerntheoretischer Ausgangspunkt für die Untersuchung der Einstellungsänderung fruchtbarer sein kann als der der klassischen Reiz-Reaktions-Theorie. Wenn ohnehin intervenierende Variable angenommen werden müssen (wie bei STAATS), diese aber nicht neurophysiologischer Natur sind (wie bei PAWLOW) , kann man auch die Vorteile anderer Lerntheorien nutzen. Zunächst wollen wir uns einer weiteren Interpretation der Einstellungen im Anschluß an H u i i zuwenden, einer Interpretation, die an den Begriff der antizipatorischen Zielreaktion geknüpft ist.
2. E i n s t e l l u n g e n als v o r w e g g e n o m m e n e
Zielreaktionen
D O O B (1947) sowie LOTT und LOTT (1968, 1969, 1970) meinen, daß Personen oder Objekte vorweggenommene Zielreaktionen und den damit gekoppelten fraktionierten Zielreiz SG nach I I u i L hervorrufen können. Die betreffenden Reize erhalten Verstärkungsqualitäten als Ergebnis vorangegangener Assoziation mit einer Belohnung (Triebreduktion) und durch Reizgeneralisierung. Die vorweggenommenen Zielreaktionen mit dem Zielreiz rG — sG werden als positive oder negative Einstellungen bezeichnet, die sowohl Signal- als auch Antriebsqualitäten (im Sinne von MILLEK und DOLLARD 1946) haben. Ihre Stärke hängt ab von der Häufigkeit, mit der die Zielreaktion in Gegenwart des Reizes ausgelöst wurde und von der Dauer der Zielreaktion, die im wesentlichen von der Stärke der Belohnung bestimmt wird.
LOTT und LOTT (1968, 1969) untersuchten insbesondere die Bildung und Änderung von Einstellungen gegenüber Personen auf der genannten lerntheoretischen Grundlage. Der Erwerb einer bestimmten Einstellung gegenüber einer Person wird aufgefaßt als ein Lernen, Belohnung in Gegenwart der betreffenden Person zu antizipieren. Beliebte und unbeliebte Personen werden als positive bzw. negative Verstärker interpretiert. Negative Einstellungen gegenüber Personen sind das Ergebnis vorweggenommener Bestrafung, die zum Vermeidensverhalten führt. 1969 untersuchten LOTT und LOTT die Wirkung beliebter und unbeliebter Personen als positive oder negative Verstärker beim Diskriminationslernen. Den Probanden (Schülern) wurden unter anderem nach richtigen oder falschen Antworten im Diskriminierungsversuch (die Vpn wußten nicht, daß
306
Z. Psycho!. B d . 179 (1971) H . 3
es sich um einen solchen handelte) Fotos von Klassenkameraden vorgelegt, die sie einige Wochen vorher als sympathisch oder unsympathisch bezeichnet hatten. Das Diskriminierungsexperiment verlief erfolgreich und es gab keinen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Durchschauen des Versuchszwecks durch die Probanden und der Lernleistung. In einer anderen Arbeit untersuchten LOTT u. a. (1970) den Einfluß eines starken oder schwachen Antriebs (drive) auf die Herausbildung der antizipatorischen Komponente der Zielreaktion. Es wurde sowohl die Wirkung der Quantität der Belohnung (Ausmaß der Triebreduktion) als auch der Qualität derselben auf die Herausbildung von Einstellungen gegenüber ursprünglich neutralen Reizen (Personen) festgestellt. Das Ausmaß geäußerter Sympathie gegenüber bei starker oder geringer Triebreduktion (Essen bei großem oder wenig Hunger bzw. Erreichen hoher oder niedriger Punktzahlen im Intelligenztest bei unterschiedlichem Ehrgeiz) anwesenden oder durch Fotos repräsentierten Personen nahm mit dem Ausmaß der „Triebreduktion" zu. Es zeigte sich auch ein positiver Zusammenhang zwischen der Qualität der Belohnung (z. B. Güte der gereichten Nahrung) und der Sympathie gegenüber den Reizpersonen. Aufgrund dieser Versuche erscheint es sinnvoll, den Begriff „vorweggenommene Zielreaktion" zur Erklärung der Bildung von Einstellungen (besonders gegenüber Personen) anzuwenden.
3. E i n s t e l l u n g e n a l s R e a k t i o n s t e n d e n z e n z u r A n n ä h e r u n g und Vermeidung H O V L A N D , JAÜSTIS und K E L L E Y formulierten 1 9 5 3 eine Theorie der Einstellungsänderung auf der Grundlage von Lernprinzipien HxiLLs sowie M I L L E R S und D O L L A R D S . Sie unterscheiden zunächst zwischen Einstellungen und Meinungen, zwischen beiden bestehe ein hoher Grad von Interaktion. Während H O V L A N D U. a. in Meinungen Gewohnheiten sehen (habits), werden Einstellungen — ähnlich wie bei DOOB sowie L O T T und L O T T — als Reaktionstendenzen (implicit responses) definiert, d. h. sie haben Antriebswert. Der Einfluß von H Ü L L bei der Theorie von H O V L A N D , J A N I S und K E L L E Y äußert sich weiter vor allem in dem Begriff „Anreiz", der in folgendem Zusammenhang vorkommt. Beim Erwerb neuer Meinungen und der Änderung von Einstellungen spielen drei Vorgänge eine besondere Rolle: Aufmerksamkeit oder Bemerken einer Kommunikation, ihr Verstehen und deren Akzeptierung. Die Kommunikation stellt einen Reiz dar, der eine bestimmte Antwort nahelegt. Dabei spielen mindestens zwei verschiedene Reaktionen eine Rolle, nämlich die durch den Kommunikator suggerierte und diejenige, an die das
L. LANGE, Konditionierung und Einstellungsänderung
307
Individuum selbst denkt. Bei der zweiten Antwort ist die Akzeptierung der Kommunikation wichtig, die nur gewährleistet ist, wenn die anderen beiden Voraussetzungen zur Einstellungsänderung (Aufmerksamkeit und Verstehen) erfüllt sind. Die Akzeptierung der Kommunikation ist eine positive Funktion des Anreizwertes derselben. Dieser Anreiz kann durch die in der Kornmunikation enthaltenen Argumente gegeben sein, durch die Erwartung sozialer Billigung oder Mißbilligung oder durch die Erwartung rechtzuhaben. Die Zusammenhänge zwischen den Variablen Kommunikation, Meinungen, Einstellungen und Anreiz sind in Abb. 1 zusammen mit den ihnen entsprechenden HtrLLschen Symbolen (nach Meinung von I I O V L A N D u. a.) dargestellt.
Kommuni Kation (S)
Meinungen
Einstellungen (r)
Leider werden die Begriffe der Lerntheorie in der Ausdehnung durch und K E L L E Y recht vage. Das trifft besonders auf den Begriff „Anreiz" zu (s. hierzu auch I N S K O 1967). Besonders die Versuche zur Dissonanztheorie haben gezeigt, daß es kaum möglich ist, bei einem Experiment vorherzusagen, was für die Probanden Anreizwert bei der Einstellungsänderung hat, ob finanzielle Belohnung, Akzeptierung durch einen vorgestellten Beobachter, Verbesserung der Selbsteinschätzung, „Dissonanzreduktion" oder Übereinstimmung mit der sozialen Umgebung. Sogar die zunächst einleuchtende Hypothese, daß die Aussichten für eine Einstellungsänderung mit dem Ausmaß der Aufmerksamkeit zunähmen, muß im Lichte neuerer Experimente (z. B . F E S T I N G E R und M A C C O B Y 1967) auf bestimmte Bedingungen eingeschränkt werden. Der genannte Versuch legt nahe, daß durch Zerstreuung der Vpn bei der Informationsaufnahme die Gegenargumentation behindert werden kann und auf diese Weise die Aussichten für eine Einstellungsänderung zunehmen. HOVLAND, JAOTS
4.
D a s K o n s t r u k t „ V e r s t ä r k u n g " n a c h H U L L bei der I n t e r p r e t a t i o n der E i n s t e l l u n g s ä n d e r u n g
Aus den Ausführungen im letzten Abschnitt kann man schließen, daß bestimmte Begriffe aus der Lerntheorie für Interpretationen und Voraussagen der Einstellungsänderung besser verwendet werden können als andere.
308
Z. Psycho!. Bd. 179 (1971) H. 3
So erscheint z. B. — wie wir auch weiter unten noch sehen werden — eine operationale Definition des Begriffs „Anreiz" in Anlehnung an HTJLL für soziale Situationen gegenwärtig nicht möglich. Möglicherweise verhält es sich anders mit der Variablen „Verstärkung"? E s fragt sich nun, ob dieser Begriff hier als Antriebsreduktion (HTJLL, MOWB.EE 1960) oder als Veränderung der Reaktionswahrscheinlichkeit (SKINNEK.) aufgefaßt werden soll. Wir wollen uns zunächst mit der HuLLschen Definition von „Verstärkung", angewendet auf die Einstellungsänderung, befassen. Zunächst scheint eine Antriebsreduktion nach HTJLL kaum als Erklärung für die Änderung sozialer Einstellungen und Verhaltensweisen in Frage zu kommen. Daß Bedingungen, die lediglich zu einer Zunahme des Antriebs führen, gelernt und aufgesucht werden, dürfte auf soziales Verhalten noch eher zutreffen als auf biologisches, obwohl auch da entsprechende Daten vorliegen (s. SHEFFIELD 1966). Die Ungeeignetheit des Begriffs „Verstärkung" im Sinne von HTJLL für sozialpsychologische Fragestellungen liegt außerdem darin, daß die Annahme eines allgemeinen und unspezifischen Antriebes als intervenierende Variable hier nicht sinnvoll erscheint. E s gibt allerdings bei der Erörterung der Einstellungsänderung einen Begriff, der dem eines allgemeinen Antriebs adäquat sein könnte („Ichbeteiligung") und man hat festgestellt, daß ein hohes Erregungsniveau der Person induzierter Einstellungsänderung nicht förderlich ist im Gegensatz zu geringem Erregungsniveau
(z. B . JOHNSON u n d
SCELEPPI 1969). E s i s t
aber
fraglich,
ob
die
Verminderung der Ichbeteiligung (abgesehen von Furchtreduktion) die Umstrukturierung von Einstellungsinhalten unmittelbar zur Folge hat, vielmehr kann man annehmen, die Erkenntnis von Umgebungszusammenhängen sei leichter bei geringer gegenüber starker emotionaler Beteiligung. Andererseits zeigen einige experimentelle Ergebnisse, daß während des „konsummatorischen Aktes", genauer gesagt beim Essen (man könnte also von Trieb¿«duktion im Sinne SHEFFIELDS sprechen), eine Assoziation sensorischer Reize bei der Nahrungsaufnahme mit anderen Aspekten der Versuchssituation (Lesen von beeinflussendem Material) vor sich gehen kann (RAZRAN 1940, D A B B S u n d JANIS 1965, JANIS, K A Y E u n d KERSCHNER 1965).
Bei den beiden zuletzt genannten Versuchen spielte allerdings das Verhalten bzw. das Wissen um die Meinung des Versuchsleiters eine wesentliche Rolle. Man kann aus diesen Experimenten zunächst nur schlußfolgern, daß die Einstellung zu Personen, die die eigene Triebreduktion fördern, positiv werden kann. Auf diese Weise können auch von der betreffenden Person verfochtene Ansichten leichter übernommen werden (Identifikationserleichterung). E s ist aber nicht zu erwarten, daß bereits bestehende negative Einstellungen gegenüber Personen durch Anbieten primärer Verstärker ohne weiteres in positive geändert werden können. Bei der Verwendung sekundärer Verstärker, die auf
L. LANGE, Konditionierung und Einstellungsänderung
309
mittelbare Weise der Triebreduktion dienen, zeigte sich unter bestimmten Bedingungen ein positiver Zusammenhang zwischen zunehmender „Belohnung" und Einstellungsänderung, unter anderen Bedingungen jedoch ein negativer. Untersuchungen dieser Art spielen eine wesentliche Rolle in der gegenwärtigen amerikanischen Sozialpsychologie. Sie sind ein Beispiel für den Mißbrauch sozialpsychologischer Ergebnisse für die imperialistische Manipulation. Oft ist die Absicht, die Versuchsergebnisse für manipulatorische Zwecke zu verwenden, schon an der Versuchsanlage erkennbar (s. z. B. auch die oben angeführten Experimente zur, Meinungsänderung während des Essens). Diese Bemerkung ist erforderlich, um zu zeigen, daß die insbesondere an dieser Stelle zu referierenden Versuchsergebnisse nicht von ihrer praktischen Anwendung in der betreffenden Gesellschaft getrennt werden können. Dies wird besonders deutlich bei den Versuchen mit sogenannter einstellungskonträrer Argumentation, bei denen zum Teil sehr hohe finanzielle Beträge als „Entschädigungen für die gezeigten Leistungen" gezahlt werden. Teilweise sind diese Versuche unter lerntheoretischem Bezugssystem durchgeführt worden, deshalb sind sie hier für uns von Interesse. Der ursprünglich gefundene Zusammenhang zwischen abnehmender Einstellungsänderung und zunehmender finanzieller Belohnung (FESTINGER und CARLSMITH 1959) hat sich später nicht immer bestätigt (ROSENBERG 1965). W ä h r e n d COHEN (BREHM u n d COHEN 1962) b e i m
Essayschreiben
ähnliche Ergebnisse erhielt wie FESTINGER und CARLSMITH, die ihre Probanden mündlich gegenüber einer anderen „ V p " argumentieren ließen, bestätigten CARLSMITH, COLLINS u n d H E L M R E I C H ( 1 9 6 6 ) d i e E r g e b n i s s e v o n
FESTINGER
und CARLSMITH nur, wenn die einstellungskonträre Argumentation in einer Konfrontation von Angesicht zu Angesicht vor sich ging, bei anonymem Essayschreiben wurden jedoch die Resultate von ROSENBERG bestätigt. Auch der Zeitpunkt der Belohnung hat einen Einfluß. JONES und COOPER (nach INSKO 1967) ließen ebenfalls Essays schreiben. Sie fanden eine positive Beziehung zwischen Lohnhöhe und Einstellungsänderung bei Argumentation gegen die eigene Überzeugung, wenn die Belohnung vor der Argumentation erfolgte (nachdem sich die Vpn. bereit erklärt hatten, am Versuch teilzunehmen), bei Belohnung nach der Argumentation gab es jedoch eine negative Beziehung zwischen beiden Variablen. ROSSOMANDO u n d WEISS (1970) unterscheiden in einer Replikation der
geschilderten Versuche zwischen erwarteter Belohnung („Anreiz") und erhaltener Belohnung und vermuten, daß, gleichgültig zu welcher Zeit die Belohnung versprochen oder erhalten werde, die Einstellungsänderung bei einstellungskonträrer Argumentation mit der erhaltenen Belohnung zunehme und mit der Höhe der erwarteten Belohnung abnehme. Diese Hypothese bestätigte sich lediglich für die Versuchsbedingung „erwartete Belohnung
310
Z. Psychol. Bd. 179 (1971) Ii. 3
bei Bezahlung vor dem Essayschreiben" nicht. Die Autoren erklären ihr Ergebnis als von der erlebten Entscheidungsfreiheit der Ypn abhängig: fühlen sich die Probanden durch die erhaltene oder versprochene Belohnung nicht eingeengt (z. B. Belohnung nach Essayschreiben), so wächst die Meinungsänderung mit dem finanziellen Betrag, bei dem Gefühl, hier eingeengt zu sein, sinkt sie mit demselben. ROSSOMANDO und WEISS befinden sich damit im Gegensatz zu den Hypothesen und Versuchsergebnissen von HOLMES und STRICKLAND (1970). Letztere fanden eine umgekehrte Beziehung zwischen finanziellem Anreiz und Einstellungsänderung unter den Bedingungen freier Entscheidungsmöglichkeit und einen positiven Zusammenhang zwischen beiden Variablen bei fehlender Möglichkeit, die einstellungskonträre Argumentation abzulehnen. Diese Resultate stimmen überein mit denen SHERMANs (1970), der bei großer Entscheidungsfreiheit f ü r die Vpn. die Voraus-
sagen der Dissonanztheorie über die Beziehung zwischen Anreiz und Einstellungsänderung bestätigt fand, bei geringer Entscheidungsfreiheit jedoch die Hypothesen der Verstärkungstheorie. Will man den Begriff „Anreiz" bei der lerntheoretischen Analyse der Einstellungsänderung verwenden, so muß außer den genannten Faktoren noch die Variable „Entscheidungsfreiheit" zu den Anreizbedingungen bei der Einstellungsänderung gerechnet werden. In einigen Versuchen wirkte sich nun große Entscheidungsfreiheit fördernd auf die Einstellungsänderung aus, in anderen hemmend. Ähnliches ist bei anderen Verstärkern (im Sinne von HULL) ZU bemerken. Die finanzielle Belohnung z. B. konnte entweder die Probanden gegenüber dem Versuch und VI geneigt machen oder auch Mißtrauen hervorrufen, sie ist somit nicht unbedingt als sozialer Verstärker zu betrachten und dort, wo sie als solcher auftritt, ist nicht klar, worauf die verstärkende Wirkung des Geldes im Versuch zurückzuführen ist. Wir sehen also bei der bisherigen Betrachtung unseres Themas, daß bei relativ strengem Einhalten lerntheoretischer Prinzipien (z. B. LOTT und LOTT) die Versuchsanordnungen etwas künstlich und die Versuchsergebnisse im Hinblick auf andere Situationen wenig verallgemeinerungsfähig erscheinen. Weitet man jedoch die lerntheoretischen Begriffe aus (z. B. den Begriff „Anreiz"), so ist damit wohl eine stärkere Anpassung an soziale Situationen zu erreichen, aber die aus der Lerntheorie stammenden Termini haben an Klarheit eingebüßt.
IV. Einstellungsänderung durch Vermeidenslernen Vermeidenslernen kann man mit MOWRER (1960) als eine besondere Form des klassischen Konditionierens betrachten. Es unterscheidet sich vom Bedingen nach PAWLOW einmal dadurch, daß nicht Reize und Reaktionen,
L. LANGE, Konditionierung und Einstellungsänderung
311
sondern Reize und Emotionen miteinander verbunden werden und zum anderen durch die Tatsache, daß durch Vermeidensbedingen erworbene Assoziationen und Verhaltensweisen sehr viel schwerer zu löschen sind als Handlungen, die durch das PAWLOWsche Bedingen entstanden sind. Da Einstellungen wesentliche emotionale Aspekte enthalten und zum anderen erworben sind, scheint das MoWRERsche Schema auf sie gut anwendbar zu sein. Hier spielen die Emotionen Furcht und Hoffnung eine besondere Rolle, die antizipatorisch wirken, d. h. aufgrund vergangener Erfahrungen das Ergebnis der Handlung oder Situation vorwegnehmen. Da Furchtreaktionen sehr schwer auszulöschen sind, kann ihre Unangemessenheit vom Individuum schwer erkannt werden. Nach MOWRER kommt es zur Flucht vor furchterregenden Reizen bzw. zur Hemmung eigener Reaktionen, die Furchtreize hervorzurufen geeignet erscheinen. Andererseits kann durch eigenes Verhalten oder aus der Umgebung stammende Reize Triebreduktion („Hoffnung") entstehen, wodurch das entsprechende Verhalten in Zukunft erleichtert wird bzw. eine Annäherung an die Hoffnung erzeugenden Umgebungsreize eintritt. Sind die Umgebungsreize verbaler Art, so kann durch das Hervorrufen von Furcht oder Hoffnung in Gegenwart der betreffenden Worte bzw. Sätze eine positive oder negative Einstellung zu denselben erzeugt werden. S o kombinierten
ZANNA, KIESLER u n d PILKONIS (1970) bei ihren V p n
die
Projektion bestimmter Adjektive mit dem Einsetzen bzw. Aufhören von verabreichten Elektroschocks. Die Validität des Experiments (hier das Nicht durchschauen des Versuchszweckes durch die Probanden) wurde durch verschiedene methodische Anordnungen gesichert. Als Maß für die Konditionierbarkeit der Vpn dienten ihre psychogalvanischen Reaktionen (nicht alle Versuchsteilnehmer zeigten auf diese Weise den erwarteten Konditionierungseffekt), als Indikator für den Erwerb bestimmter Einstellungen gegenüber den dargebotenen Adjektiven deren Skalenwert bei der Einordnung in ein semantisches Differential. E s zeigte sich der erwartete Einfluß des Schockbeginns bzw. -endes auf die Bewertung von Adjektiven, eine unterschiedliche Konditionierbarkeit bei verschiedenen Adjektiven (z. B. beeinflußte das Aufhören der Schocks die positive Bewertung des Wortes „light" stärker als des Adjektivs „dark") und eine Generalisierungstendenz auf semantisch ähnliche Worte und Sätze. Furcht kann nicht nur die Ursache für unangepaßte Einstellungen und Verhaltensweisen sein, sie kann auch zur Änderung derselben führen. Wir wollen uns jetzt mit dem zuletzt genannten Gesichtspunkt befassen. Furchtappelle in Kommunikationen, die der Einstellungs- und Verhaltensänderung dienen sollten, verwendeten z. B. JANIS und FESHBACH (1953) und INSKO, ARKOFF u n d INSKO ( 1 9 6 5 ) . W ä h r e n d b e i J A N I S u n d FESHBACH d e r
312
Z. Psychol. B d . 179 (1971) H . 3
mittelstarke Furchtappell im Vergleich zum milden und starken Furchtappell die stärkste Verhaltensänderung hervorrief (Besuch des Zahnarztes durch die Vpn nach mehr oder weniger krasser Schilderung der Folgen des Zahnverfalls), war bei INSKO U. a. der starke Furchtappell am wirksamsten, um die Meinungen über zukünftiges Verhalten zu beeinflussen (es wurde über Lungenkrebs als Folge des Rauchens vor nichtrauchenden Adoleszenten gesprochen). Tatsächlich kann die Wirkung von Furchtappellen ganz unterschiedlich sein, je nachdem, ob man eine Einstellungsänderung (beabsichtigte Änderung des bisherigen Verhaltens), eine berichtete oder tatsächliche Verhaltensänderung oder das Behalten von dargebotenen Informationen erreichen will, wie ein Versuch von E V A N S , R . O Z E L L E , L A S A T E R und D E M B R O S K I (1970) zeigt. Das Thema der Angstappelle bzw. der mit positivem Gefühlsgehalt verbundenen oder rein informatorischen Instruktionen war wiederum die Zahnpflege, Vpn waren Schulkinder. E s zeigte sich die deutlichste Wirkung des starken Angstappells (gegenüber schwacher Angstkommunikation und den anderen genannten Bedingungen) bei der Änderung der Verhaltensintention und bei berichteter Verhaltensänderung. Bei der tatsächlichen Änderung des bisherigen Verhaltens (im Sinne einer Zunahme der Zahnpflege — dies konnte objektiv festgestellt werden) waren jedoch die Bedingungen „ausführliche Empfehlungen" und „Verbindung mit positivem Gefühlsgehalt" den verschiedenen Angstappellen überlegen. Ähnlich war das Ergebnis, wenn nach den in den Kommunikationen gegebenen Informationen gefragt wurde. Geht es allein um die Einstellungsänderung, so kann man bereits aus den Ausführungen von J A N I S und F E H S B A C H (1953) schließen, daß die furchterregende Kommunikation gleichzeitig bestimmte Möglichkeiten zur Furchtreduktion im gewünschten Sinne nahelegen muß, sonst kommt es zum Versuch, die empfundene Bedrohung auf andere Weise zu verarbeiten, sie z. B . zu ignorieren oder zu verkleinern. Die Zusammenstellung der Versuchsergebnisse über die Wirkung der Angst auf die Einstellungs- und Verhaltensänderung von J Ä N I S .(1967) enthält — im Gegensatz zu den vorhin angeführten Versuchsergebnissen — häufig die Schlußfolgerung, daß ein niedriges Ausmaß von Furcht die Einstellungsänderung zu dem mit dem unangenehmen Gefühl assoziierten Gegenstand bzw. Handlung am leichtesten ermögliche. Wichtig ist hier die Unterscheidung zwischen habitueller (z. B. neurotischer) und aktueller (durch die äußere Situation bedingter) Angst bei den Vpn. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Untersuchung von J A N I S und F E S H B A C H (1954 nach J A N I S 1967). Hier zeigte sich, daß Probanden mit hohen habituellen Angstwerten bei starkem Angstappell viel weniger Einstellungsänderunge zeigten als bei mildem, während die Versuchsteilnehmer mit geringer habitueller Angst sich in beiden Situationen
L. LANGE, K o n d i t i o n i e r u n g und E i n s t e l l u n g s ä n d e r u n g
313
im Hinblick auf die Einstellungsänderung k a u m voneinander unterschieden (s. A b b . 2). Als angsterregende Kommunikation diente wieder ein Referat über die Folgen des Zahnverfalls.
I
starke
60-
Angst Appen
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50-
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ROSENBERG, M . J . ,
Anschrift der Verfasserin: D r . L Y D I A LANGE
Sektion Wissenschaftsthcorie und Wissenschaftsorganisation der I[umbold-Universität DDR—108 Berlin, Bebelplatz (Kommode) 23'
Aus dem Psychologischen Institut der Universität Düsseldorf (Direktor: Prof. Dr. Dr. G. A. LIENERT) und dem Pharmakologischen Institut der Universität Düsseldorf (Direktor: Prof. Dr. K . GREEFF)
Katecholaminausscheidung in Beziehung zu Persönlichkeits- und Leistungsvariablen Von Heino F. L. MEYER-BAHLBURG
und H.
STBOBACH
Mit 7 Abbildungen
1. Einleitung Seit den frühen Arbeiten C A N N O N S ( 1 9 1 5 ) ist die Bedeutung des sympathoadrenomedullären Systems für den Blutkreislauf und Stoffwechsel (vgl. Literatur in A X E L S S O N , 1 9 7 1 ; H O L T Z und P A L M , 1 9 6 6 ) sowie seine Beziehung zu tierischem und menschlichem Verhalten in zahlreichen Untersuchungen herausgearbeitet worden. Die wichtigsten biochemischen Indikatoren für die Aktivität dieses neuroendokrinen Systems sind die beiden Katecholamine Noradrenalin und Adrenalin. Beide sind im Blut ständig in geringer Menge vorhanden. Davon stammt der größte Teil des Adrenalin aus dem Nebennierenmark, einem spezialisierten sympathischenGanglion, während das Noradrenalin überwiegend von den sympathischen Nervenenden als Uberträgerstoff abgesondert wird. Der Blutspiegel beider Hormone steigt stark an, wenn physische oder psychische Reize auf das sympatho-adrenomedulläre System einwirken. Ein kleiner Teil der im Blut zirkulierenden Katecholamine wird unverändert im Harn ausgeschieden. Für psychoendokrinologische Studien ist die Analyse der Katecholamine aus dem Harn meist von Vorteil, weil die Harnabgabe geringere psychische Nebeneffekte hervorruft als die Blutentnahme. Allgemein nimmt man an, daß die Ausscheidung freier Katecholamine im Harn eine monotone Funktion der Katecholaminfreisetzung im Körper ist. Die Forschung über die Zusammenhänge von Katecholaminen und Verhalten war ursprünglich eng an das Konzept der Notfallsfunktion von C A N N O N und den Streßbegriff von S E L Y E gebunden, hat sich heute aber stark differenziert. Die Hauptansätze sind — wie in der Psychophysiologie — der Zusammenhang von Katecholaminausscheidung und allgemeiner Aktivierung, die Situations- oder Reizspezifität der Katecholaminausscheidung und die Aufklärung interindividueller Differenzen. In Hinsicht auf das Aktivierungskonzept sind vor allem Studien der Katecholaminausscheidung in Streß- und Leistungs-
H . F . L . M E Y E R - B A H L B U R G / H . STROBACH, K a t e c h o l a m i n a u s s c h e i d u n g
333
Situationen von Interesse (Sammelberichte: V . E H L E R , 1 9 6 4 , 1 9 6 7 ; F R A N X E N 1 9 6 8 ; L E V I , 1967 a, 1 9 6 8 ; M A S O S T , 1 9 6 8 ) . Unter Streß steigt die Ausscheidung von Katecholaminen, besonders von Adrenalin, bei Entspannung sinkt sie. Gewöhnlich tritt die Adrenalinreaktion schon vor der eigentlichen Streßsituation bei deren Ankündigung ein: Die Reaktion hat also antizipatorischen Charakter. Bei mehrfach wiederholter Darbietung der gleichen experimentellen Situation kommt es zur Habituation: Die Adrenalinreaktion nimmt ab ( F R A N K E N H A E U S E R und Mitarb., 1967). Die endokrinen Reaktionen lassen sich gut reproduzieren ( P A T K A I und F B A N K E N H A E U S E R , 1964). Mehrfach wurden ausgeprägte monotone Beziehungen der Katecholaminausscheidung zu subjektiven Beurteilungen der Befindlichkeit demonstriert ( F R A N K E N H A E T T -
HAEUSER,
SER, 1 9 6 9 ) .
Besonders wichtig für die Aktivierungsforschung sind Studien, nach denen hohe Katecholaminausscheidung mit der Leistungsfähigkeit in psychologischen Konzentrationstests korreliert ( F R A N K E N H A E T X S E R und Mitarb., 1 9 6 8 ; P A T K A I und Mitarb., 1 9 6 7 ; F R A N K E N H A E T J S E R und P A T K A I , 1 9 6 4 ) . Die im Blut zirkulierenden Katecholamine dürften nämlich nicht nur als Indikatoren der Aktivität des sympatho-adrenomedullären Systems anzusehen sein, sondern selbst indirekt oder direkt die kortikale Aktivierung beeinflussen. Das wird z. T. belegt durch Befunde, nach denen intravenöse Katecholamininfusionen zu Leistungssteigerungen bei Konzentrations- oder Wahrnehmungsaufgaben führen ( F R A N K E N H A E T J S E R und J Ä R P E , 1 9 6 3 ; A R N O L D und W A C H O L D E R , 1 9 5 3 ) bzw. im Tierversuch kortikale Aktivierung, wie sie im E E G erfaßt wird, induzieren (Sammelbericht: M A R L E Y , 1 9 6 6 ) . So ergibt sich die Frage, ob man die Unterschiede im Leistungsverhalten zwischen einigen klinisch bedeutsamen Persönlichkeitsgruppen mit Unterschieden in der Katecholaminausscheidung in Zusammenhang bringen oder gar erklären kann. Die beiden Persönlichkeitsdimensionen Extraversion/Introversion und Neurotizismus von E Y S E N C K sind hier von besonderem Interesse: Sie sind operational definiert und'auch in ihrer Beziehung zu verschiedensten Wahrnehmungs-, Lern- und Leistungsvariablen ausführlich untersucht worden. E Y S E N C K (1967) versuchte, die vorliegenden Befunde einheitlich zu erklären, indem er den beiden Persönlichkeitsdimensionen neurophysiologische Substrate zuordnete. Er brachte die Extraversionsdimension mit der kortikalen Aktivierung und Hemmung in Verbindung, die Neurotizismusdimension mit der autonomen Aktivierung des limbischen Kortex. Introvertierte sollen stärker zu kortikaler Aktivierung neigen, Extravertierte zu kortikaler Hemmung. Neurotiker werden im Vergleich zu Stabilen durch stärkere Erregbarkeit des limbischen Kortex gekennzeichnet. Da das sympatho-adrenomedulläre System z. T. über den limbischen Kortex und den Hypothalamus gesteuert wird und vermittels der peripheren Katecholamine die kortikale
334
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Aktivierung beeinflußt, würde der Nachweis einer Korrelation einer oder beider Persönlichkeitsdimensionen mit der Katecholaminausscheidung eine Modifikation der Theorie E Y S E N C K S nahelegen. Einen Hinweis auf eine mögliche Korrelation der Katecholaminausscheidung mit den Persönlichkeitsdimensionen von E Y S E N C K brachte eine Studie von S C H U L Z und S T R O B A C H (1970). Sie analysierten den Mittagsharn von männlichen Probanden und fanden in einer Teilstichprobe von 15 Nichtrauchern eine signifikant negative Korrelation von Noradrenalinkonzentration im Harn und Extraversion, während die Korrelation von Adrenalin und Extraversion bei Null lag. Introvertierte hatten höhere Noradrenalinwerte als Extravertierte. Der Neurotizismuswert korrelierte nicht mit der Katecholaminausscheidung. S C H U L Z und S T R O B A C H untersuchten jedoch die Noradrenalinkonzentration im Harn, nicht die Ausscheidung per Zeiteinheit (SCHULZ, persönliche Mitteilung). Interindividuelle Differenzen in Konzentrationswerten können ebensogut auf Unterschiede in der Harnausscheidung wie in der Katecholaminausscheidung per Zeiteinheit zurückgehen. Für Aktivierungsstudien ist jedoch nur die Katecholaminausscheidung per Zeiteinheit von Bedeutung. Daher war das Ziel der vorliegenden Erkundungsstudie die Analyse der Katecholaminausscheidung per Zeiteinheit unter Leistungs- und Entspannungsbedingungen bei systematisch selegierten Extremgruppen. Die wichtigsten Fragen, zu deren Beantwortung Anhaltspunkte gewonnen werden sollten, sind: Í. Lassen sich anhand der Dimensionen Extraversion und Neurotizismus persönlichkeitsspezifische Unterschiede in der Katecholaminausscheidung in Leistungs- und Entspannungssituationen feststellen? 2. Sind persönlichkeitsspezifische Unterschiede in der Katecholaminausscheidung an bestimmte Situationen gebunden oder lassen sie sich verallgemeinern? 3. Steht die Katecholaminausscheidung in Beziehung zu den experimentell geforderten Leistungen, vor allem soweit die Leistungen mit den Persönlichkeitsdimensionen korreliert sind? Da die Untersuchung der Katecholaminausscheidung eine experimentelle Kontrolle zahlreicher möglicher Störvariablen erfordert (vgl. LEVT, 1967 b), wurde einer experimentellen Laborstudie gegenüber einer Feldstudie der Vorzug gegeben. Für eine Erkundungsstudie schien es zweckmäßiger zu sein, mehrere kontrastierende Experimentalsituationen zu verwenden und nicht nur eine einzige, auch wenn damit aus ökonomischen Gründen die Probandenzahl beschränkt bleiben mußte. Harnstichproben für die Katecholaminanalyse erfordern eine Sammelzeit von mindestens 1—2 Stunden; die Leistungssituationen mußten daher von entsprechender Dauer sein. Kontinuierliche Leistungsaufgaben sind von B E R G U M (1966) nach dem Ausmaß an Aktivierung, das durch sie induziert wird, klassifiziert worden. Für die vorliegende Studie sollte nach B E R G U M S Klassifikationskriterien Häufigkeit und Komplexität der
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Reize und Reaktionen eine Leistungssituation aus dem unteren Aktivierungsbercieh und eine zweite aus dem mittleren oder oberen Aktivierungsbereich ausgewählt werden. Eine dritte Situation sollte unabhängig von B E R G U M S System eine Leistungsaufgabe mit einer Reizklasse kombinieren, die für den Probanden deutlich unangenehm ist; dabei ist der Aktivierungsgrad vor allem von der Reizintensität abhängig. Unter Berücksichtigung vorliegender Befunde aus der experimentellen Persönlichkeitsforschung und der Psychoendokrinologie wurden folgende drei Leistungssituationen für diese Untersuchung ausgewählt: Vigilanz, Serielle Wahlreaktion und Elektrischer Fingerschock. Ein Y i g i l a n z e x p e r i m e n t erfordert von der Versuchsperson einförmige Reaktionen auf seltene, wenig auffällige Signale. In einer solchen monotonen Situation zeigen Introvertierte in einer Reihe von Untersuchungen (vgl. E Y S E N C K , 1967; D A V I E S und T T J N E , 1970) bessere Vigilanzleistungen als Extravertierte, vor allem geringeren Leistungsabfall mit der Zeit. Extravertierte profitieren mehr als Introvertierte von zusätzlichen aktivierenden Reizen wie Lärm (z. B. D A V I E S und Mitarb., 1969, 1966). Ein Experiment d e r S e r i e l l e n W a h l r e a k t i o n erfordert viele und schnelle Entscheidungen und steht damit in Kontrast zur Vigilanzsituation. Introvertierte zeigen hier nach einer Studie von C O R C O R A N ( 1 9 6 5 ) bessere Leistungen (in L E O N A R D S five-choice serial reaction task) als Extravertierte. Formal hat diese Situation Ähnlichkeit mit einem von der F R A N K E N HA E T J S E R Schule vielfach verwendeten audiovisuellen Konflikttest, der ebenfalls viele schnelle Entscheidungen verlangt. F R A N K E N H A E U S E R und Mitarb. ( 1 9 6 8 ) stellten dabei einen Zusammenhang von Katecholaminausscheidung und Leistung fest: Probanden mit hoher Noradrenalin- und/oder Adrenalinausscheidung erzielten bessere Leistungen. Im Unterschied zu den Studien von C O R C O R A N und F R A N K E N H A E T T S E R wurde in der vorliegenden Untersuchung •die Situation der Seriellen Wahlreaktion in einer Form dargeboten, die die Psychomotorik stark beansprucht. Psychomotorische Leistungen korrelieren im allgemeinen negativ mit Neurotizismus ( Y A T E S , 1 9 6 0 ) . E l e k t r i s c h e S c h o c k s an den Fingern können zu starker Aktivierung und nach F R A N K E N H A E T J S E R und Mitarb. (1965—1966) zu starker Katecholaminausscheidung führen, insbesondere unter Antizipationsbedingungen, d. h. wenn die Zeitintervalle zwischen den Reizen relativ lang sind und jeder einzelne Reiz ohne Vorwarnung gegeben wird. Die Katecholaminausscheidung wächst monoton mit der Schockstärke. In der vorliegenden Untersuchung wurden die elektrischen Schocks als Reize in einem Reaktionszeitexperiment eingesetzt. Jeder Leistungssituation sollte eine Entspannungsphase vorgeschaltet werden und eine weitere folgen, damit die Katecholaminausscheidung unter Leistungsstreß von der Ausscheidung unter Entspannungsbedingungen ab-
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Z. Psychol. Bd. 179 (1971) H. 3
gehoben werden konnte. In einer Trainingssitzung vor dem Hauptexperiment sollten die Probanden mit der Untersuchung vertraut gemacht werden. 2. Methodik 2.1. Stichprobenselektion
Eine Repräsentativerhebung unausgelesener Probanden (Pbn) war aus ökonomischen Gründen ausgeschlossen. Stattdessen sollte für jeden der vier Quadranten des Extraversion-Neurotizismus-Schema von EYSENCK eine Extremgruppe gebildet werden, die auch unter Berücksichtigung des Meßfehlers der EYSENCK-Skalen eindeutig von den anderen vier Gruppen zu trennen war. Die Stichprobengröße wurde auf 6 Pbn festgesetzt, die Gesamtzahl also auf 24. Die Zahl 6 ergab sich aus der Forderung nach vollständiger Permutierung der Sequenz der drei Leistungssituationen über die Pbn jeder Gruppe. Stichprobengrößen eines Vielfachen von N = 6 schieden aus ökonomischen Gründen aus; auch sollte die Untersuchung möglichst innerhalb einer Jahreszeit (Sommer und früher Herbst) durchgeführt werden, um jahreszeitliche Schwankungen der Katecholaminwerte, wie sie von JOHANSSON und Mitarb. (1969) berichtet werden, auszuschließen. N = 335 Freiwillige aus einer Studentenpopulation (überwiegend Mediziner) an der Universität Düsseldorf wurden mit dem EPI-Fragebogen von EYSENCIK und EYSENCK ( 1 9 6 4 ) in der deutschen Fassung (Form A ) von EGGERT ( 1 9 7 1 ) getestet; die Pbn erhielten eine Mensa-Essenmarke als Honorar. Diese Stichprobe zeigte auf den EPI-Skalen Extraversion und Neurotizismus folgende Mittelwerte und Streuungen 1 : Extraversion: M = 1 2 . 4 4 , Md = 1 2 . 4 4 , s = 4 . 0 1 Neurotizismus: M = 7.99, Md = 7.67, s = 4.52 Die Korrelation von Extraversion und Neurotizismus war r = — 0.12. Die Neurotizismusverteilung wies eine leichte Linksgipfligkeit auf; der Anteil an Hochneurotikern war in dieser Studentenpopulation im Vergleich zur Gesamtbevölkerung möglicherweise etwas reduziert. Standardisierungsdaten zur deutschsprachigen Fassung des EPI, die einen genauen Vergleich zuließen, fehlen allerdings noch. Alle Fragebogenwerte wurden in einem Diagramm eingetragen. Da noch keine Normen vorliegen, wurde das Diagramm nach den Medianwerten dieser Stichprobe in der Extraversions- bzw. der Neurotizismusskala in vier Quadranten aufgeteilt. In jedem dieser Quadranten wurde ein Bereich für die Stichprobenselektion festgelegt, der sowohl die für beide Persönlichkeits1 Die möglichen Werte der Extraversions- wie der Neurotizismusskala des EPI reichen von 0 bis 24.
H . F . L . MEYEK-BAHLBTJRG/H. STKOBACH,
Katecholaminausscheidung
337
skalen extremsten Werte umfassen als auch eine genügende Zahl möglicher Untersuchungsteilnehmer enthalten sollte. Alle Pbn aus den vier Selektionsbereichen wurden angeschrieben. Etwa 75% von ihnen sagten ihre Teilnahme zu; von diesen Pbn wurden nach dem Losverfahren die experimentellen Stichproben bis zur geplanten Größe aufgefüllt. Alle 24 teilnehmenden Pbn waren nach ihren eigenen Angaben endokrinologisch gesund und keiner farbenblind oder schwerhörig. Die Verteilung der Extraversions- und Neurotizismuswerte der endgültigen Stichproben gibt Abb. 1 wieder. Tabelle I enthält die Mittelwerte. T CM E'N+
E+N+ Md„ E o
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Md., N
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E+N~
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o Extraversion
24
Abb. 1. EPI-Skalen Extraversion (E) und Neurotizismus (N): Verteilung der vier experimentellen Stichproben auf den vier Quadranten des bivariaten Merkmalsschemas. Selektionsbereiche, Md Median Tabelle I. Extraversionsskala und Neurotizismusskala des E P I : Mittelwerte der Gruppen
Gruppe
EPI-Skala Extraversión Neurotizismus
Stabile Introvertierte (E"N") Neurotische Introvertierte (E~N + ) Stabile Extravertierte (E+N") Neurotische Extravertierte (E+N+)
6.7 5.5 17.8 18.2
2.7 14.0 2.3 14.3
338
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Um die Zuverlässigkeit der Selektion zu überprüfen, wurden den Pbn im Verlauf der Untersuchung die deutschen Fassungen des MPI (EYSENCK, 1959) und des MMQ (EYSENCK, 1964) gegeben. Es zeigte sich, daß die nach dem E P I gewonnenen Stichproben auch auf verwandten, aber nicht streng parallelisierten Testskalen noch die Quadranten des EYSENCKschen Persönlichkeitsschemas im Rahmen dieser Geschlechts-,Alters- und Ausbildungsgruppe repräsentieren.
2.2. Allgemeine Experimentelle Bedingungen Jeder Pb nahm gegen ein Entgelt von 70,— DM an einer zweistündigen Trainingssitzung und drei fünfstündigen Hauptsitzungen teil, die sich über mindestens vier, höchstens vierzehn Tage verteilten. Die Sitzungen fanden als Einzelversuche statt. Die Reihenfolge der drei Leistungssituationen wurde über die Pbn einer Gruppe permutiert. Alle Experimente wurden in den Monaten Juli bis Oktober durchgeführt. Die Trainingssitzungen fanden meistens abends statt, die Hauptsitzungen waren von 8 bis 13 Uhr oder 14 bis 19 Uhr angesetzt. Alle Hauptsitzungen eines Pb lagen auf der gleichen Tageszeit. Die Hälfte der Pbn in jeder Gruppe hatte ihre Hauptsitzungen vormittags, die andere Hälfte nachmittags. Sämtliche Sitzungen fanden im gleichen Experimentalraum statt, dessen Temperatur annähernd konstant gehalten wurde. Soweit der Yersuchsleiter nicht mit dem Pb sprechen mußte, saß er in einem angrenzenden Raum und konnte den Pb durch ein Einweg-Fenster beobachten. Die Trainingssitzung vor den Hauptexperimenten diente mehreren Zwecken. Zunächst sollten dem Pb noch einmal mündlich die allgemeinen Instruktionen für die Teilnahme am Experiment gegeben werden, die ihm schon im Vorweg brieflich zugegangen waren. Dem Pb wurde mitgeteilt, daß in dieser Studie die Zusammenhänge von experimentalpsychologischen Leistungen untereinander und ihre Beziehungen zu einigen Hormonen untersucht würden. Um den Pb für die Mitarbeit zu motivieren, wurde ihm ein Bericht über die Hauptergebnisse der Untersuchung nach Abschluß der Auswertung zugesagt. Außerdem wurden die Teilnahmebedingungen wiederholt: Nach normalem Schlaf ohne Frühstück bzw. Mittagessen zum Experiment zu kommen, für bestimmte Zeiten vor dem Experiment keine alkohol- oder koffeinhaltigen Getränke, keine Pharmaka, Rauchwaren oder Vitamintabletten, keine Vanille in irgendeiner Form zu konsumieren und keine besondere physische oder psychische Anstrengung auf sich zu nehmen. Der wichtigste Zweck der Trainingssitzung war, den Pb mit dem Gesamtexperiment und den Leistungssituationen (mit Ausnahme der Fingerschock-
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339
Situation) vertraut zu machen. In einer neuen ungewohnten Umgebung, wie sie ein psychologisches Labor für eine naive Versuchsperson darstellt, kommt es nämlich im allgemeinen zu einer Erhöhung der Ausscheidung von Katecholaminen, besonders von Adrenalin, die mit zunehmender Gewöhnung wieder zurückgeht (vgl. MASON, 1968). Mit der Vor Schaltung einer Trainingssitzung sollte dieser Fremdheitseffekt (novelty effect) als rivalisierende Variable aus den Hauptexperimenten herausgehalten werden. Nur die Fingerschocksituation wurde nicht in der Trainingssitzung eingeführt, um den Aktivierungseffekt der unangenehmen Reizklasse mit dem Fremdheitseffekt zusätzlich zu verstärken. Bei Beginn der Trainingssitzung hatte der Pb seine Blase zu leeren und 150 ml Wasser zu trinken. Dann wurde er mit dem Experimentalraum vertraut gemacht und erhielt die allgemeinen Instruktionen. In einem kurzen Tabelle II. Ablauf einer experimentelle Hauptsitzung Phase
Zeit (min)
Vorgang
Einnahme
Blase leeren
00 —03 Interview Vorentspannung (90 min)
Harnabgabe
Standardimbiß + 200 ml Wasser
Zeitschriften lesen (Fragebogen ausfüllen 87 EWL Graphische Skalen —93
Probe 1
-95 Leistung (110 min)
103 198
Zeitschriften lesen Leistungsexperiment
150 ml Wasser
EWL Graphische Skalen -205 -207 N a chentspannung (90 min) 291
Probe 2 Zeitschriften lesen (Fragebogen ausfüllen) EWL Graphische Skalen
—297 300
150 ml Wasser
Probe 3 Entlassung
340
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Interview wurden persönliche Daten (Alter, Gewicht, Rauchgewohnheiten usw.) erhoben. Danach wurde der Pb in die Vigilanzaufgabe, in die Serielle Wahlreaktion und — anstelle der Fingerschocksituation — in psychomotorische Aufgaben auf dem Yerfolgungsrotor (pursuit tracker) eingeübt. Zuletzt lernte er die im Hauptexperiment verwendeten subjektiven Beurteilungsverfahren kennen, indem er seinen gegenwärtigen Zustand bzw. die Trainingssituation auf ihnen beschrieb. Am Ende der zweistündigen Trainingssitzung gab der Pb eine Harnprobe ab. Eine experimentelle H a u p t s i t z u n g umfaßte die drei Phasen (1) Vorentspannung, (2) Leistung, (3) Nachentspannung und lief nach dem Schema der Tabelle II ab. Bei Beginn der Hauptsitzung leerte der Pb seine Blase, und am Ende jeder Phase gab er eine Harnprobe ab, je Hauptsitzung also drei Harnproben. Die Phase der Vorentspannung begann mit einem Standardimbiß (zwei Butterbrötchen und ein gekochtes Ei) und einem kurzen halbstrukturierten Interview, in dem die Einhaltung der Versuchsbedingungen kontrolliert wurde. Außerdem hatte der Pb, wie zu Anfang jeder folgenden Phase, eine bestimmte Wassermenge zu trinken (vgl. Tabelle II). Abgesehen von zwei kurzen Unterbrechungen für die Harnabgabe saß der Pb für die Gesamtdauer der Sitzung, und zwar während der Entspannungsphasen in einem bequemen Sessel und während der Leistungsphasen auf einem Stuhl. In den Entspannungsphasen sollte sich der Pb mit ausgewählten, emotional neutralen Zeitschriften ('Haus und Garten', 'Schöner Wohnen', 'Bild der Wissenschaft', 'Umschau in Wissenschaft und Technik') beschäftigen und zwischendurch gelegentlich einen Fragebogen ausfüllen (nicht mehr als einen je Entspannungsphase) ; Schlafen war nicht erlaubt.
2.3. Leistungssituationen und Leistungsmasse 2.3.1. V i g i l a n z Es handelte sich um einen akustischen Vigilanzversuch. Der Pb saß an einem Tisch und hörte über Kopfhöhrer regelmäßig alle 2 Sekunden einen Zischlaut (weißes Rauschen der Bandbreite 20 bis 20000 Hz, Lautstärke etwa 15 db) von 0.4 Sekunden Länge oder stattdessen in unregelmäßigen Abständen mit einer mittleren Häufigkeit von 1 per Minute einen etwas leiseren Zischlaut gleicher Qualität und Dauer; die Differenz zwischen beiden Tonintensitäten betrug etwa 1 Sigma, in Einheiten der Unterschiedswelle gemessen. Nach einiger Übung während der Trainingssitzung (s. u.) konnte der Pb diese Differenz gut hören. Die relativ lauteren Töne waren für den Pb irrelevante Reize; der leisere und seltenere der beiden Zischlaute war das kritische Signal, auf das
H. F. L. MEYER-BAHLBURG/H. STROBACH, Katecholaminausscheidung
341
h i n der P b schnellstmöglich eine R e a k t i o n s t a s t e zu d r ü c k e n h a t t e . D e r G e s a m t v e r s u c h d a u e r t e IV2 S t u n d e n u n d u m f a ß t e drei h a l b s t ü n d i g e A b s c h n i t t e m i t j e 2 9 S i g n a l e n u n t e r 9 0 0 Reizen. Die Steuerung des Reizprogramms erfolgte mit Hilfe von Filmbändern über ein Programmgerät, dem ein Rauschgenerator sowie eine elektrische Stoppuhr angeschlossen waren. Die ganze Versuchsanordnung wurde ursprünglich von WINNEKE entwickelt (WLNNEKE und FODOR, im Druck; WLNNEKE und KASTKA, 1970) und für das vorliegende Experiment leicht modifiziert, um ihre Empfindlichkeit weiter zu verschärfen. A n L e i s t u n g s d a t e n w u r d e n je h a l b s t ü n d i g e m A b s c h n i t t e r h o b e n : Die m i t t lere R e a k t i o n s z e i t j e b e a n t w o r t e t e m k r i t i s c h e n S i g n a l , die F e h l e r z a h l , d. h. die A n z a h l der ü b e r h ö r t e n S i g n a l e , u n d die A n z a h l der f a l s c h e n R e a k t i o n e n , d. h. R e a k t i o n e n auf n i c h t - k r i t i s c h e Reize. In der Trainingssitzung vor dem Hauptversuch wurde der Pb u. a. für den Vigilanzversuch trainiert. Zunächst wurde seine Diskriminationsfähigkeit im fraglichen Reizbereich abgeschätzt. Verwendet wurde die Grenzmethode im ab- und aufsteigenden Verfahren mit acht Durchgängen, von denen die letzten vier in die Schätzung eines Schwellenwerts eingingen. Aus technischen und zeitlichen Gründen war die Darbietung der variablen Reize auf eine Seite des Intensitätsbereichs (physikalisch gleiche oder geringere L a u t s t ä r k e als die des konstanten Reizes) beschränkt. Dementsprechend wurde die Unterschiedsschwelle („Vigilanzschwelle") hier definiert als der Punkt auf der Reizskala, auf den 5 0 % „gleich"und 5 0 % „leiser"-Urteile fallen. Diese verkürzte Methode lieferte für dieses Experiment ausreichende Information über mögliche Diskriminationsunterschiede zwischen den Gruppen. Nach der Schwellenbestimmung wurden dem Pb achtmal im Wechsel beide im Hauptexperiment verwendeten Zischlaute vorgespielt. Danach lernte der Pb die eigentliche Vigilanzsituation kennen, indem ihm — mit und ohne visuelle Rückkopplung seiner Leistung — mehrere kurze Reizprogramme dargeboten wurden, deren Charakteristik sich zunehmend den Programmen des Hauptversuchs annäherten. Direkt vor Beginn des eigentlichen Vigilanzversuchs im Hauptexperiment bekam der Pb wieder achtmal im Wechsel beide Zischlaute vorgespielt.
2.3.2. S e r i e l l e W a h l r e a k t i o n ( K i e l e r
Determinationsgerät)
V e r w e n d e t w u r d e das K i e l e r D e t e r m i n a t i o n s g e r ä t v o n MIERKE, das ein festes
Reizprogramm
mit
variabler
Ablaufgeschwindigkeit
liefert
(vgl.
MIERKE, 1 9 5 9 ) . D e r P b saß an e i n e m Tisch v o r d e m G e r ä t u n d ließ seine H ä n d e auf den R e a k t i o n s t a s t e n r u h e n . Zwei G r u p p e n v o n R e a k t i o n e n w u r d e n v e r l a n g t : 1 . U n t e r h a l b einer Milchglasscheibe b e f a n d sich eine G r u p p e v o n f ü n f f a r b i g e n T a s t e n . D e r P b h a t t e die e n t s p r e c h e n d e n F a r b t a s t e n zu d r ü c k e n , w e n n ein f a r b i g e s L i c h t auf d e r Milchglasscheibe erschien. 2. A u f j e d e r S e i t e der F a r b t a s t e n g r u p p e w a r ein kleiner Hebel. D e r P b h ö r t e ü b e r K o p f h ö r e r einen h o h e n oder einen t i e f e n Ton u n d h a t t e jeweils einen d e r b e i d e n f e s t zug e o r d n e t e n Hebel zu b e d i e n e n . Die sieben v e r s c h i e d e n e n R e i z e w u r d e n i m g l e i c h m ä ß i g e n T a k t n a c h e i n a n d e r ohne I n t e r v a l l d a r g e b o t e n ; ein v o l l s t ä n d i g e r
342
Z. Psycliol. Brl. 179 (1971) II. 3
Ablauf bestand aus 180 Reizen. Die irreguläre Reizabfolge wird vom Pb auch bei häufiger Darbietung nicht gelernt. Für den Hauptversuch wurde eine Ablaufzeit von 165 Sekunden für 180 Reize gewählt (etwa 0.92 Sekunden per Reiz). Diese Geschwindigkeit erwies sich in Vorversuchen als die bestgeeignete für die gegebene Pbn-Population, wenn möglichst wenige Pbn zur Beherrschung der Aufgabe kommen oder stark frustriert werden sollten. Im Hauptexperiment wurden dem Pb insgesamt 8 Durchgänge dargeboten, wobei ein Durchgang definiert war als eine Folge von zwei vollständigen Programmabläufen, die durch ein technisch bedingtes Intervall von etwa 20 Sekunden getrennt sind. Zwischen je zwei Durchgängen lag eine 6-MinutenPause, in der der Pb im Größenschätzungsverfahren (magnitude scaling: EKMAN und Mitarb., 1966) seine Leistung, Anspannung, Anstrengung und Gereiztheit im letzten Durchgang einzuschätzen sowie die Leistung im nächsten Durchgang vorzuschützen hatte. Im übrigen hatten die Pbn Anweisung, in allen Pausen, auch zwischen beiden Teilen eines Durchgangs, ihre Arme und Hände zu entspannen, da das verwendete Gerät relativ träge Tasten hatte und kräftige Bedienung verlangte. Die Gesamtzeit des Hauptexperiments einschließlich Pausen betrug 90 Minuten, wovon etwa 44 Minuten auf experimentelle Durchgänge entfielen. Als Leistungswerte wurde die Anzahl richtiger Reaktionen ('Treffer') je Durchgangsteil (180 Reize) erhoben. In der Trainingssitzung wurde der P b mit dem Gerät v e r t r a u t gemacht, indem unter folgenden Bedingungen getestet w u r d e : 1. E i n halber Ablauf mit 90 Reizen in einer Geschwindigkeit von 1.5 sec per R e i z ; 2. ein Ablauf mit 180 Reizen bei 0.92 sec per R e i z ; 3. ein Ablauf mit 180 Reizen bei 0.75 sec per R e i z ; 4. ein weiterer Ablauf mit 180 Reizen bei 0.75 sec per Reiz, in dem die Reizbelastung durch Ausschaltung der akustischen Reize vermindert wurde. Außerdem übte sich der P b beim subjektiven Vergleich der Schwierigkeiten der verschiedenen Durchgänge im Größenschätzungsverfahren.
2.3.3. E l e k t r i s c h e r
Fingerschock
Der Pb saß an einem Tisch. Sein linker Unterarm lag auf einer Schaumgummi-Unterlage auf dem Tisch, und Zeigefinger und Ringfinger der linken Hand trugen das Elektrodenpaar (Fläche einer Elektrode etwa 7cm2) an den Kuppen. Die rechte Hand bediente eine Reaktionstaste. Für Linkshänder wurde die Versuchsanordnung entsprechend umgestellt. Für die Reizdarbietung wurde ein Gerät gebaut, das bei annähernd konstanter Spannung (100 Volt) Stromstöße verschiedener Stärke und Dauer geben kann. Das Experiment begann mit der Schätzung der Absolutschwellen des Pb für elektrischen Strom mithilfe der Grenzmethode. J e viermal wurden die Reize im auf- und absteigenden Verfahren dargeboten. Aus der zweiten Hälfte wurde die Absolutschwelle geschätzt. Danach wurde mit dem gleichen Ver-
H . F . L . M E Y E R - B A H L B U R G / H . STROBACH. K a t e c h o l a m m a u s s c h e i d i m g
343
fahren in zwei Durchgängen vorgeblich die 'Schlagschwelle' ermittelt, definiert als die Intensität, bei der der Pb das subjektive Erlebnis eines 'richtigen Schlages' hat, und gleich anschließend im Größenschätzungsverfahren von E K M A N die Schlagstärken skaliert im Bereich zwischen der Schlagschwelle und einer Stromstärke, die etwa 0.1 bis 0.2 Milliampere (ma) über der sechsfachen Absolutschwellen-Intensität lag. Dieser Teil des Experiments diente im wesentlichen dazu, den Pb mit dem relativ starken Schockbereich vertraut zu machen, dem er im Zentralteil des Experiments ausgesetzt wurde; nach den Vorexperimenten war zu befürchten, daß sonst ein Teil der Pbn das Experiment abbrechen könnte. Der zentrale Teil des Hauptexperiments bestand aus drei Reaktionszeitversuchen von je 15 Minuten Dauer 2 . In jedem Versuch wurden dem Pb ohne Vorwarnung 20 elektrische Reize sechsfacher Absolut schwellen-Intensität und von je 400 msec Dauer dargeboten, auf die er schnellstmöglich mit der Reaktionstaste zu reagieren hatte. Die Reizfolge war irregulär: die Zeitintervalle zwischen den Reizen streuten von 6 bis 90 Sekunden. Nach jeder 15-Minuten-Periode wurden wiederum die Absolutschwellen bestimmt und die Schockintensitäten der folgenden Periode entsprechend adjustiert. Der Aufbau des Experiments lehnt sich an die Studie von F R A N K E N H A E U S E R und Mitarb. (1965—1966) an. Die sechsfache Schwellenintensität wurde gewählt, weil diese Intensität nach der schwedischen S t u d i e zur Erzielung starker psychologischer und psychophysiologischer Effekte ausreicht, während nach den negativem Reaktionen einiger Pbn in Vorexperimenten eine weitere Intensitätssteigerung als unzweckmäßig erschien. Als Leistungswert wurde die mittlere Reaktionszeit je Versuchsabschnitt von 20 Reizen erhoben.
2.4. Subjektive Beurteilungen und Fragebogen A m Ende jeder Sitzungsphase beurteilte der Pb seine augenblickliche Befindlichkeit auf der Eigenschaftswörterliste (EWL) von J A N K E (1961), die die folgenden, faktorenanalytisch gewonnenen, orthogonalen Dimensionen enth ä l t : A Kontaktfreude; B Emotionale S t a b i l i t ä t ; C Dominanz; D S t i m m u n g ; E A k t i v i t ä t . Außerdem wurde die Summe der Antworten erhoben, u m systematische Beurteilungsunterschiede zwischen Pbn-Gruppen gegebenenfalls von systematischen Unterschieden in der Antworthäufigkeit abheben zu können. Wenn der Pb mit der E W L fertig war, beurteilte er die gerade zu Ende gehende Sitzungsphase auf neun graphischen Skalen. Diese Skalen bestehen in vertikalen Linien von 15 cm Länge, die in der Mitte durch einen Querstrich 2 Bei einigen Pbn, denen in der Schlag- oder Absolutschwellenskalierung sehr viele Reize dargeboten werden mußten, wurde der dritte Reaktionszeitversuch verkürzt oder ausgelassen.
344
Z. Psychol. Bd. 179 (1971) H. 3
markiert und am Ende verbal verankert waren. Die Skalenauswahl richtete sich z. T. nach den in der FRANKENHAETTSER-Gruppc gebräuchlichen Variablen. Folgende Skalen wurden verwendet: Anstrengend/Nicht anstrengend; Frisch/Müde; Langweilig/Interessant; Angespannt/Entspannt; Vergnügt/Mißmutig; Friedfertig/Aggressiv; Vertraut/Fremd; Gehen/Liegen; Unangenehm/ Angenehm. Während der Entspannungsphasen wurden dem Pb gelegentlich Fragebogen vorgelegt, neben den genannten deutschen Fassungen des MPI und des MMQ v o n EYSENCK die S k a l a der L e i s t u n g s m o t i v a t i o n v o n EHLERS (1965) u n d der
Fragebogen der F-Aggression von SELG (1969, 1968), außerdem drei weitere Persönlichkeitsfragebogen, die sich noch in der Entwicklung befinden und im folgenden nicht behandelt werden.
2.5. Biochemische Analyse Unmittelbar nach der Probeabgabe wurde das Harnvolumen gemessen und der Harn mit IN H2SO4 auf etwa 3 pH eingestellt. Die Probe wurde in einem Eisschrank gelagert und, falls sie nicht am folgenden Tag analysiert wurde, auf - 20 °C gefroren. Die Katecholaminanalyse wurde nach der fluorimetris c h e n T e c h n i k v o n EITLER u n d L I S H A J K O ( 1 9 6 1 ) i n d e r M o d i f i k a t i o n
von
STROBACH (in Vorbereitung) durchgeführt. Wie allgemein üblich, werden die absoluten Werte der Katecholaminausscheidung auf die Zeit bezogen und in Nanogramm per Minute (ng/min) angegeben.
2.6. Zur statistischen Auswertung Die Fragestellung einer Persönlichkeits- und Situationsspezifität der Katecholaminausscheidung entspricht einem varianzanalytischen Ansatz mit zwei zweistufigen Persönlichkeitsfaktoren (extravertiert/introvertiert und neurotisch/non-neurotisch) und einem dreistufigen Situationsfaktor mit Meßwiederholungen (die drei experimentellen Hauptsituationen) in der Form eines SplitPlot-Designs (Typ SPF-pr. q nach KIRK, 1968, S. 283ff.). Eine strikte Anwendung des Analysenplans mit Meßwiederholungen auf einem Faktor erfordert die Permutation der Meßzeitpunkte über die Pbn. Bei der Erhebung von Vorstreß-, Streß-, und Nachstreßwerten bei den gleichen Pbn liegt eine Permutation der Meßzeitpunkte nicht vor. Deshalb wurden nach einem Vorschlag von SHAFFER und Mitarb. (1967) für psychopharmakologische Experimente die drei Meßwerte einer Variablen je Hauptsitzung und Pb in drei Kombinationsformen untersucht (eine Varianzanalyse je Form): 1. Als
H . F . L . M E Y E R - B A H L B U R G / H . STROBACH,
Katecholaminausscheidung
345
Niveauwert, d. i. der Mittelwert des Pb in den drei Phasen einer Hauptsitzung; 2. als lineare Komponente, analog der Differenz der Ausscheidungswerte aus der Vorentspannungs- und der Nachentspannungsphase; 3. als quadratische Komponente, analog der Differenz zwischen dem Wert der Leistungsphase und dem Mittelwert aus den beiden Entspannungsphasen. Die linearen und quadratischen Komponenten beschreiben den Ausscheidungsverlauf je Pb und Hauptsitzung. Die lineare Komponente ist zum Nachweis systematischer linearer Veränderungen von der Vorentspannungs- zur Nachentspannungsphase einer Hauptsitzung geeignet, wie sie sich aus Tagesrhythmus-Schwankungen oder bei Nacheffekten der Leistungssituationen ergeben können. In der quadratischen Komponente wird die Ausscheidung in der Leistungssituation mit der Ausscheidung in der Vor- und der Nachentspannungsphase verglichen. Die Einbeziehung des Werts der Nachentspannung dient der Absicherung gegen Tagesrhythmus-Schwankungen. Die quadratische Komponente kann unter bestimmten Bedingungen als Maß der endokrinen Reaktion auf den Leistungsstreß verwendet werden, im vorliegenden Experiment vor allem dann, wenn sich Vor- und Nachentspannungswerte nicht stark unterscheiden. Die Katecholaminwerte aus der Trainingssitzung wurden gesondert analysiert, und zwar nach einem zweifaktoriellen varianzanalytischen Plan mit den beiden zweistufigen Faktoren Extraversion und Neurotizismus. Zur Analyse von Leistungswerten wurden analoge varianzanalytische und nonparametrische Verfahren verwendet. Da es sich um ein Erkundungsexperiment mit relativ kleinen Stichproben handelt, erschien die Festsetzung des Signifikanzniveaus für experimentelle Befunde auf alpha = .10 als angemessen. Damit sollte der beta-Fehler klein gehalten und die Gefahr vermindert werden, daß bestehende Unterschiede unentdeckt bleiben. Das Signifikanzniveau für Tests der parametrischen Voraussetzungen (Homogenität der Prüfvarianzen in der Varianzanalyse) wurde auf alpha = .01 festgelegt.
3. Ergebnisse 3 3.1. Katecholaminausscheidung in der Trainingssitzung Wie Tabelle III zeigt, haben beide Introvertiertengruppen in der Trainingssitzung eine im Mittel höhere Noradrenalinausscheidung als die Extravertierten; der Unterschied ist in der Varianzanalyse schwach signifikant 3
24
Sämtliche Einzeldaten sind in Z. Psychologie 179/3
MEYEB-BAHLBUBG
(1970)
tabelliert.
346
Z. Psychol. B d . 179 (1971) H. 3
(p < . 0 9 ) . I n
den Mittelwerten
der Adrenalinausscheidung
zeigt sich
eine
analoge T e n d e n z ; die G r u p p e n u n t e r s c h i e d e sind aber v a r i a n z a n a l y t i s c h n i c h t zu sichern. Tabelle I I I . Noradrenalin- und A d r e n a l i n a u s s c h e i d u n g in der T r a i n i n g s s i t z u n g : M i t t e l w e r t e der Gruppen (ng/min) Gruppe
Noradrenalin
Adrenalin
S t a b i l e I n t r o v e r t i e r t e (E~N~) Neurotische I n t r o v e r t i e r t e (E~N + ) S t a b i l e E x t r a v e r t i e r t e (E+N") Neurotische E x t r a v e r t i e r t e (E+N+)
31.83 31.11 20.03 23/J3
13.63 13.11 12.37 8.01
3.2. Katecholaminausscheidung in den Hauptsitzungen D i e G r u p p e d e r s t a b i l e n I n t r o v e r t i e r t e n (E~ N") h a t in s i e b e n v o n Phasen
der
( A b b . 2),
drei
und
Hauptsitzungen
die
höchste
z w a r in allen drei V o r e n t s p a n n u n g s p h a s e n u n d je zwei
Noradrenalin ng/min
A — A
E~N
J k — • E N+
t
*
Trai
Ev
Vi£
En
Ev
Kiel
En
neun
Noradrenalinausscheidung
^v
Ep
Abb. 2. N o r a d r e n a l i n a u s s c h e i d u n g in der T r a i n i n g s s i t z u n g und den I l a u p t s i l z u n g e n : M i t t e l w e r t e der Gruppen. Trai Trainingssitzung, Vig Vigilanz, Kiel Serielle W a h l r e a k t i o n (Kieler D e t e r m i n a t i o n s g e r ä t ) , El Elektrischer Fingerschock, E v V o r e n t s p a n n u n g , En Nachentspannung
der
H . F . L . M E Y E R - B A H L B T J R G / H . STROBACH, K a t e c h o l a m i n a u s s c h e i d u n g
347
Leistungs- und der Nachentspannungsphasen. Die drei anderen Gruppen überschneiden sich dagegen stark. Wenn man über alle drei Hauptsitzungen mittelt, bestätigt sich, daß die Gruppe der stabilen Introvertierten das insgesamt höchste Ausscheidungsniveau hat (vgl. Tabelle IV). Dementsprechend Tabelle IV. Noradrenalin- und Adrenalinausscheidung in den drei Hauptsitzungen: Gesamtmittelwerte der Gruppen (ng/min) Gruppe
Noradrenalin
Adrenalin
Stabile Introvertierte (E~N~) Neurotische Introvertierte ( E ~ N + ) Stabile Extravertierte (E+N~) Neurotische Extravertierte (E+N+)
27.69 20.38 21.74 23.72
8.69 6.55 6.33 7.37
beigt die Varianzanalyse der Niveauwerte eine signifikante Interaktion der aeiden Persönlichkeitsfaktoren Extraversion und Neurotizismus (p < .07), aber keinen signifikanten Haupteffekt (Tabelle V). Die Mittelwertsverläufe Tabelle V. Noradrenalin- und Adrenalinausscheidung in den drei Hauptsitzungen: Gesamtanalysen der Kombinationswerte. Zusammenfassung der Ergebnisse auf den Persönlichkeitsfaktoren Extraversion (E) und Neurotizismus (N) und dem Sitzungsfaktor (S).
Noradrenalin
Adrenalin
Varianzquelle
Niveauwerte
lineare Komponenten
quadratische Komponenten
E N E x N
n. s. n. s. p < .07
n. s. n. s. p < .08
n. s. n. s. n. s.
S E x S N x S E x N x S
n. s. 11. s. n. s. n. s.
n. s. P < .01 P < .10 p < .05
n. s. 11. s. n. s. 11. s.
E N E x N
n. s. n. s. n. s.
n. s. n. s. n. s.
n. s. n. s. n. s.
S E x S N x S E x N x S
11. s. n. s. n. s. 11. s.
n. s. p < .05 n. s. 11. s.
p < .06 11. s. 11. s. 11. s.
sind heterogen und zeigen komplexe Effekte von Persönlichkeitsgruppen und Situationen, wie sich aus den Tripel- und Dupel-Interaktionen der linearen Komponenten ergibt (Tabelle V). Die Noradrenalinaussscheidung in der Nachentspannung wird anscheinend von den Leistungsphasen selbst beeinflußt, und zwar bei den verschiedenen Persönlichkeitsgruppen in unterschiedlicher Weise. Wie aus Einzelanalysen der Hauptsitzungen (hier nicht 24'
348
Z. Psychol. Bd. 179 (1971) H. 3
tabelliert) hervorgeht, zeigen alle Gruppen einen einheitlichen signifikanten Abfall der Noradrenalinwerte während der Vigilanzsitzung, während die Gruppenverläufe in den beiden anderen Sitzungen signifikant heterogen sind. Auch in der Adrenalinausscheidung hat die Gruppe der stabilen Introvertierten (E~ N") die höchsten Werte, und zwar in den drei Leistungsphasen und in zwei der drei Nachentspannungsphasen (Abb. 3). Die Gruppen-
Abb. 3. Adrenalinausscheidung in der Trainingssitzung und den Hauptsitzungen: Mittelwerte der Gruppen. Trai Trainingssitzung, Vig Vigilanz, Kiel Serielle Wahlreaktion (Kieler Determinationsgerät), El Elektrischer Fingerschock, Ev Vorentspannung, En Nachentspannung
unterschiede in den Gesamtniveaus der Adrenalinausscheidung (Mittelung über alle Hauptsitzungen) gehen in die gleiche Richtung wie bei Noradrenalin (Tabelle IV). Auch hier liegt die E~ N~-Gruppe am höchsten; diese Tendenzen können jedoch statistisch nicht gesichert werden (Tabelle V). Hinsichtlich der Mittelwertsverläufe während der Hauptsitzungen scheinen die PbnGruppen in der Adrenalinausscheidung homogener zu sein als in der Noradrenalinausscheidung; die Analyse der linearen und quadratischen Komponenten ergibt keine signifikanten Effekte auf den Persönlichkeitsfaktoren (Tabelle V). Die Analyse der linearen Komponenten ergibt eine signifikante
H. F. L. Meyek-Bahlbttbg/H. Steobach, Katecholaminausscheidung
349
Interaktion des Extraversions- und des Situationsfaktors (p < .05). Situations- und gruppenspezifische Nacheffekte der Leistungssituationen gibt es also auch in der Adrenalinausscheidung, allerdings anscheinend in geringerem Ausmaß als in der Noradrenalinausscheidung. Aus den Abb. 2 und 3 ist zu ersehen, daß die Reaktion auf Leistungsstreß bei Adrenalin im allgemeinen stärker ist als bei Noradrenalin; prüft man die quadratischen Komponenten für die Gesamtgruppe von 24 Pbn je Hauptsitzung auf Signifikanz (mit dem Binomialtest), so finden sich signifikante Adrenalinreaktionen auf den Streß der Seriellen Wahlreaktion (p = .003, einseitig) und des Elektroschocks (p = .032, einseitig), jedoch keine signifikanten Noradrenalinreaktionen. Die Reaktion der Adrenalinausscheidung auf die monotone Yigilanzsituation fällt, wie erwartet, bei allen Gruppen geringer aus als in den anderen Leistungssituationen; dementsprechend bringt die Varianzanalyse der quadratischen Komponenten einen signifikanten Haupteffekt auf dem Situationsfaktor (p < .06, konservativer F-Test nach Geisser und Greenhottse ; vgl. Tabelle V). Der Unterschied zwischen der Vigilanzsituation und den beiden anderen ist auch im gezielten a-priori-Vergleich zu sichern (i = 2.82, p < .01; einseitig). ng/rnin 28 26
O
O— Noradrenalin
24 22 20 18
16 14 12
10 Adrenalin
8
- 6 Trai
Ev
En —I
Ev I—
En L_
III
En I
Abb. 4. Noradrenalin- und Adrenalinausscheidung bei Anordnung der Sitzungen nach der zeitlichen Abfolge: Gesamtmittel aller Pbn. Trai Trainingssitzung, I erste Hauptsitzung, II zweite Hauptsitzung, III dritte Hauptsitzung, E v Vorentspannung, E n Nachentspannung
350
Z. Psychol. Bd. 179 (1971) H. 3
Ordnet man die Katecholaminwerte der Pbn nicht nacn den drei Leistungssituationen, sondern nach der zeitlichen Reihenfolge der Hauptsitzungen an, so zeigt sich ein unterschiedlicher Verlauf über die Sitzungsfolge (Abb. 4). Die Adrenalinausscheidung fällt von der Trainingssitzung zu den Hauptsitzungen ab und bleibt dann im Mittel unverändert. Die Noradrenalinausscheidung dagegen fällt über die drei Hauptsitzungen stark ab: Im FERGUSON-Test für monotonen Trend bei korrelierten Daten (FERGUSON 1965, S. 19—22) ist sowohl der Abfall der Niveauwerte signifikant (z = 1.81, p < .04, einseitig) als auch besonders der Abfall der Yorentspannungswerte allein (z = 2.66, p < .004, einseitig). Während sich die Gruppe der stabilen Introvertierten in den ersten beiden Sitzungen durch höhere Noradrenalinausscheidung von den anderen Gruppen abhebt, ist sie in der dritten Sitzung auf das schon früher gesunkene Niveau der anderen Gruppen abgefallen und von den anderen Gruppen auch der Tendenz nach nicht mehr unterscheidbar.
3.3. Katecholaminausscheidung und Leistung 3.3.1. Vigilanz Im Vigilanzexperiment zeigt die Mehrzahl aller Pbn den erwarteten Leistungsabfall (Abb. 5). Im Verlauf des Experiments werden die Reaktionszeiten länger, und die Fehler nehmen zu. Die Unterschiede zwischen dem ersten und dem dritten Versuchsabschnitt sind im Vorzeichentest (LLENERT, 1962, S. 69) hochsignifikant (Reaktionszeit: p < .006, einseitig; Fehler: p < .001, einseitig). Die falschen Reaktionen sind für eine statistische Analyse zu selten. Die Unterschiede zwischen den Pbn-Gruppen gehen ebenfalls in die erwartete Richtung. Beide Introvertierten-Gruppen ( E - N - und N + ) zeigen — entsprechend den Befunden anderer Autoren — eine bessere Vigilanzleistung als die Extravertierten ( E + N - und E + N + ) ; allerdings sind die Unterschiede hier statistisch nicht zu sichern. Die Gruppe der stabilen Introvertierten, die die höchste Katecholaminausscheidung hat, macht insgesamt die wenigsten Fehler; ihre Fehlerzahl steigt im Unterschied zu den anderen Gruppen nicht schon im zweiten, sondern erst im dritten Versuchsabschnitt, und sie verbessert ihre Reaktionszeit im Lauf des Experiments. Die bessere Leistung der Introvertierten in der Vigilanzsituation könnte möglicherweise auf eine unterschiedliche Diskriminationsfähigkeit im hier gewählten akustischen Reizbereich zurückgeführt werden. Deshalb wurden in der Trainingssitzung akustische Unterschiedsschwellen ('Vigilanzschwellen') bestimmt und über alle Pbn mit den Leistungsvariablen korreliert. Die Korrelationen sind nahe Null: Schwelle und Fehlersumme: r = — 0.11;
H. F. L. M e y e r - B a h l b t j b g / H . S t e o b a c h , Katecholaminaussclieidung
Reaktionszeit
351
(1/10 sec)
(-8.0
-7.5
"7.0
6.5
_1_ A b b . 5. L e i s t u n g s v a r i a b l e n der V i g i l a n z : R e a k t i o n s z e i t - u n d Fehler-Mittelwerte der G r u p p e n je h a l b s t ü n d i g e m V e r s u c h s a b s c h n i t t . 1 erster V e r s u c h s a b s c h n i t t , 2 zweiter V e r s u c h s a b s c h n i t t , 3 dritter V e r s u c h s a b s c h n i t t T a b e l l e V I . L e i s t u n g s v a r i a b l e n der V i g i l a n z : Vergleich v o n P b n m i t hoher bzw. niedriger Ausscheidung von Noradrenalin und Adrenalin im i-Test für unabhängige Stichproben. Leistungsmaß
Probanden mit hoher niedriger Ausscheidung Ausscheidung M s M s
t
P ( F g = 22, 1-seitig)
0.48 2.10 9.52
2.68 1.82 0.95
< .01 < .04 n. s.
0.59 2.49
1.46 0.05 1.36
< .07 11. s.
Medianhalbierung nach Noradrenalin
Reaktionszeitanstieg Fehleranstieg Fehlersumme
9. 97 10. 46 7. 50
0.68 1.63 6.65
10.64 11.92
Medianhalbierung nach Adrenalin
Reaktionszeitanstieg Fehleranstieg
10. 10 11. 17
0.71 1.42 7.92
10.51 11.21 11.50
Felllersumme
6. 83
10.83
8.15
< .09
Schwelle und Fehleranstieg, d. i. die Differenz von drittem und erstem Versuchsabschnitt: r = 0.13; Schwelle und Reaktionszeitanstieg: r — 0.19» E s ist also nicht anzunehmen, daß Unterschiede in den Vigilanzschwellen für die Leistungsunterschiede zwischen den Pbn-Gruppen verantwortlich sind.
352
Z. Psychol. Bd. 179 (1971) H. 3
Um direkt zu prüfen, ob die Katecholaminausscheidung mit der Vigilanzleistung zusammenhängt, wurden die Werte der Katecholaminausscheidung in der Leistungsphase der Yigilanzsitzung für alle Gruppen zusammengelegt. Mittels Medianhalbierung wurden neue Gruppen mit hoher bzw. niedriger Katecholaminausscheidung gebildet und hinsichtlich der wichtigsten Leistungsmaße miteinander verglichen. Das Ergebnis zeigt Tabelle VI und Abb. 6. Alle Leistungsunterschiede weisen in die gleiche Richtung: Pbn mit hoher Katecholaminausscheidung in der Vigilanzsituation zeigen auch die bessere Vigilanzleistung. Bei Pbn mit hoher Noradrenalinausscheidung steigen Reaktionszeiten und Fehler im Laufe des Versuchs signifikant weniger stark an als bei Pbn mit niedriger Noradrenalinausscheidung. Bei Pbn mit hoher Adrenalinausscheidung steigen ebenfalls die Reaktionszeiten signifikant weniger, und außerdem ist ihre Fehlersumme geringer. Die
Abb. 6. Leistungsvariablen der Vigilanz: Reaktionszeit- und FehlerMittelwerte der Pbn mit hoher bzw. niedriger Ausscheidung von Noradrenalin (NA -f bzw. NA —) und Adrenalin (A + bzw. A —) je halbstündigem Versuchsabschnitt. 1 erster Versuchsabschnitt, 2 zweiter Versuchsabschnitt, 3 dritter Versuchsabschnitt
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Vigilanzleistung scheint hier deutlicher mit Noradrenalin als mit Adrenalin zusammenzuhängen. 3.3.2. Serielle Wahlreaktion (Kieler Determinationsgerät) Wie Abb. 7 zeigt, nimmt bei allen Gruppen die Trefferzahl im Verlauf des Versuchs zu; die Mittelwerte folgen einer Lernkurve. Die beiden stabilen Pbn-Gruppen (E~ N~ und E + N~) zeigen durchgehend eine höhere Leistung als die beiden neurotischen Gruppen (E~ N + und E + N + ). In Tabelle VII sind die Gesamtmittelwerte der Gruppen dargestellt. Der Leistungsunterschied
Abb. 7. Anzahl der Treffer auf dem Kieler Determinationsgerät je Durchgangsteil: Mittelwerte der Gruppen
zwischen Stabilen und Neurotikern ist in der Varianzanalyse der Gesamtmittelwerte der Treffer signifikant (p < .04). Das Ergebnis stimmt mit der allgemeinen Erfahrung überein, daß Neurotiker in psychomotorischen Testaufgaben sowohl hinsichtlich Geschwindigkeit als auch hinsichtlich Genauigkeit schlechtere Leistungen zeigen als stabile Pbn (YATES, 1960). In der Leistung auf dem Kieler Determinationsgerät finden sich keine Gruppenunterschiede, die den Unterschieden in der Katecholaminaus-
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Scheidung entsprächen. Um direkt zu prüfen, ob die Leistung auf dem Kieler Determinationsgerät mit der Katecholaminausscheidung zusammenhängen kann, wurden die Katecholaminwerte der Leistungsphase dieser Hauptsitzung aus allen Gruppen zusammengelegt. Mittels Medianhalbierung wurden neue Gruppen mit hoher bzw. niedriger Katecholaminausscheidung gebildet und hinsichtlich der Trefferzahl (Gesamtmittelwerte) im i-Test miteinander verglichen. Es ergaben sich keine signifikanten Unterschiede. Tabelle VII. Anzahl der Treffer auf dem Kieler Determinationsgerät je Durchgangsteil: Gesamtmittelwerte der Gruppen Gruppe
Anzahl der Treffer
Stabile Introvertierte (E~N") Neurotische Introvertierte (E~N+) Stabile Extravertierte (E+N") Neurotische Extravertierte (E + N + )
163.7 143.7 165.9 143.1
3.3.3. Elektrischer
Fingerschock
Die Reaktionszeitdaten lassen keine zeitabhängigen Trends erkennen; ein Monotonie-Effekt wie in der Vigilanzsituation ist in der abwechslungsreichen Fingerschocksituation auch nicht zu erwarten. Wie Tabelle VIII zeigt, finden Tabelle VIII. Reaktionszeit in der Fingerschocksituation: Gesamtmittelwerte der Gruppen Gruppe
Reaktionszeit
Stabile Introvertierte (E~N~) Neurotische Introvertierte (E~N+) Stabile Extravertierte (E+N") Neurotische Extravertierte (E + N + )
4.48 4.92 4.30 4.90
sich deutliche Unterschiede zwischen Neurotikern und Stabilen im Gesamtmittel der Reaktionszeiten. Die Neurotiker reagierten langsamer. Der Unterschied ist in der zweifaktoriellen Varianzanalyse nach Persönlichkeitsdimensionen signifikant (p < .04). Das Ergebnis kann nicht auf Gruppenunterschiede in der Diskriminationsfähigkeit für elektrische Reize zurückgeführt werden: Die Gruppenunterschiede in den Wahrnehmungsschwellen für elektrischen Strom korrespondieren nicht mit den Reaktionszeitunterschieden, und eine Varianzanalyse der Schwellen nach den Persönlichkeitsdimensionen bringt keine signifikanten Effekte. Befunde zur Abhängigkeit einfacher Reaktionszeiten von Persönlichkeitsmerkmalen sind sehr
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uneinheitlich (vgl. E Y S E N C K , 1967), so daß sich von daher kein Interpretationsansatz für das vorliegende Resultat ergibt. Eine plausible Interpretation ist, daß die Neurotiker durch die unangenehmen Fingerschocks stärker in ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wurden, da sie im allgemeinen eher zu Angst neigen als stabile Personen. Die Gruppenunterschiede in der Reaktionszeit entsprechen nicht den Unterschieden in der Katecholaminausscheidung während der Leistungsphase. Um direkt zu prüfen, ob die Reaktionszeit in dieser Situation mit der Katecholaminausscheidung zusammenhängen kann, wurden die Katecholaminwerte der Leistungsphase aller Gruppen zusammengelegt. Mittels Medianhalbierung wurden neue Gruppen mit hoher bzw. niedriger Katecholaminauscheidung gebildet und hinsichtlich der mittleren Reaktionszeit (Gesamtmittel) im i-Test miteinander verglichen. Es ergaben sich keine signifikanten Unterschiede.
3.4. Zum Einfluß weiterer Faktoren aui die Katecholaminausscheidung Um die aufgefundenen persönlichkeitsgebundenen Unterschiede in der Katecholaminausscheidung abzusichern, wurden verschiedene Kontrollfaktoren überprüft, die die Katecholaminausscheidung beeinflussen können (vgl. L E V I , 1967b) A l t e r . Eine zweifaktorielle Varianzanalyse der Altersdaten zeigt eine schwach signifikante Interaktion der beiden Persönlichkeitsfaktoren Extraversion und Neurotizismus (p < .07), wobei die Gruppe der stabilen Introvertierten den zweitniedrigsten Altersmittelwert hat. Da auch Alter und mittlere Noradrenalin- bzw. mittlere Adrenalinausscheidung nicht korreliert sind (r = — 0.17 bzw. r = — 0.06), können die Altersunterschiede zwischen den hier gegebenen Stichproben nicht zur Erklärung ihrer Unterschiede in der Katecholaminausscheidung herangezogen werden. G e w i c h t . Eine zweifaktorielle Yarianzanalyse bringt keine Gewichtsunterschiede zwischen den Persönlichkeitsgruppen; zudem liegt bei der Gesamtgruppe von 24 Pbn die Korrelation von Gewicht und Noradrenalin um Null, von Gewicht und Adrenalin — gegen die Regel — schwach signifikant negativ (r = - 0.034, p < .10). H a r n v o l u m e n . Die Zusammenhänge von Katecholamin- und Harnausscheidung sind noch nicht vollständig aufgeklärt ( H A T H A W A Y und Mitarb., 1969). Nach neueren Tierversuchen ist nicht anzunehmen, daß erhöhte 4 F ü r die A n a l y s e möglicher w e i t e r e r E i n f l u ß f a k t o r e n w u r d e eine Zusammenfassung d e r K a t e c h o l a m i n a u s s c h e i d u n g s w e r t e in den drei H a u p t s i t z u n g e n angestrebt. U m ein K r i t e r i u m d a f ü r zu gewinnen, ob die N i v e a u w e r t e , die linearen oder die q u a d r a t i s c h e n
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Z. Psychol. Bd. 179 (1971) H. 3
Harnabgabe erhöhte Katecholaminausscheidung per Zeiteinheit induziert (OVERY und Mitarb., 1 9 6 7 ) . Obwohl im vorliegenden Experiment die Gesamt Noradrenalinausscheidung mit dem Gesamtharnvolumen signifikant korreliert (.r =-- 0.55, p < .01), zeigt eine Analyse der Ausscheidungsverläufe weitgehende Unabhängigkeit. Diese Daten werden an anderer Stelle im Detail behandelt werden. Aufgrund dieser Ergebnisse können auch im vorliegenden Experiment die Gruppenunterschiede in der Katecholaminausscheidung nicht durch unterschiedliches Harnvolumen erklärt werden. R a u c h g e w o h n h e i t e n . Rauchen erhöht die Katecholaminausscheidung, und zwar insbesondere die Adrenalinausscheidung (FRANKENHAEUSER und Mitarb., 1 9 6 8 ) . Dieser Zusammenhang dürfte dazu beigetragen haben, daß SCHÜXJZ und STROBACH in ihrer Untersuchung eine Korrelation von Extraversion und Noradrenalinkonzentration im Harn nur bei Nichtrauchern fanden; das Rauchen war in der Zeit vor der Harnprobe nicht kontrolliert worden. Unter den 24 Pbn der vorliegenden Studie gab es in jeder Gruppe mehrere Raucher. Weder die Noradrenalin- noch die Adrenalinwerte zeigen Unterschiede zwischen starken Rauchern oder allen Rauchern und Nichtrauchern. T a g e s r h y t h m i k . Um systematische Effekte der Tagesrhythmik auszuschalten, nahm im vorliegenden Experiment die Hälfte jeder Gruppe vormittags, die andere Hälfte nachmittags an der Untersuchung teil. Aus der Refragung nach Arbeitsgewohnheiten ergab sich, daß die überwiegende Mehrheit der Pbn Abendarbeit bevorzugte. Die je zwei Vormittagsarbeiter der Gruppen E _ N+ und E + N~ nahmen vormittags am Experiment teil. Eine Sonderstellung der Gruppe der stabilen Introvertierten (E~ N~) oder beider Introvertierten-Gruppen ist aus diesen Daten nicht abzuleiten. A g g r e s s i v i t ä t . In mehreren Studien wurde ein Zusammenhang von Noradreiialinausscheidung und Aggressivität gefunden (z. B. SLLVERMAN und COHEN, 1 9 6 0 ) . Zur Kontrolle dieser möglicherweise rivalisierenden Variable wurde der Fragebogen der F-Aggression in der Auswertung von SELG ( 1 9 6 9 ) Komponenten für eine solche Zusammenfassung geeignet wären, wurde die Konsistenz der Ausscheidungsmaße über die drei Hauptsitzungen überprüft. Dafür wurden die vier Pbn-Gruppen zusammengelegt, W-Koeffizienten nach KENDALL errechnet und über FRIEDMANS Chi 2 auf Signifikanz getestet, ferner die entsprechenden Schätzungen der durchschnittlichen Rangkorrelationen Ts nach SPEARMAN zwischen den drei Rangreihen je Katecholaminmaß ermittelt (vgl. KIRK, 1968, S. 498—500). Nur die Niveauwerte der Noradrenalin- und der Adrenalinausscheidung sowie die linearen Komponenten der Adrenalinausscheidung zeigen eine (mäßige) Konsistenz über die drei Hauptsitzungen. Daher werden im Abschnitt 3.4. nur die Gesamtniveaus der Katecholaminausscheidung — d. h. die mittleren Ausscheidungswerte aus allen drei Hauptsitzungen — zu Kontrollvariablen in Beziehung gesetzt.
H . F . L . M E Y E R - B A H L B U R G / H . STROBACH, K a t e c h o l a m i n a u s s c h e i d u n g
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verwendet; analysiert wurde für die vorliegende Fragestellung die Summe der Faktoren 1 (Spontane Aggression), 2 (Reaktive Formen aggressiven Verhaltens) und 3 (Erregbarkeit). In der zweifaktoriellen Varianzanalyse nach den Persönlichkeitsdimensionen zeigen die Neurotiker mehr Aggression als die Nicht-Neurotiker (p < .03); der Aggressionswert korreliert nicht mit dem Gesamtmittel der Noradrenalin- oder der Adrenalinausscheidung. Bei den subjektiven Beurteilungen auf den graphischen Skalen zeigt die Skala Friedfertig/Aggressiv ebenfalls keine allgemein verstärkte Aggressivität der E~ N~-Gruppe während der experimentellen Sitzungen. Damit dürfte die Aggressivität weder als Persönlichkeitsmerkmal noch als Zustand eine Interpretationsmöglichkeit für die hier gefundenen Gruppendifferenzen in der Katecholaminausscheidung darstellen. L e i s t u n g s m o t i v a t i o n . In einer Leistungssituation ist im allgemeinen mit zunehmender Gesamtmotivation auch eine höhere Aktivierung zu erwarten (HECKHAUSEN, 1965) und damit eine erhöhte Katecholaminausscheidung. Unter Verwendung der Skala der Leistungsmotivation (als Persönlichkeitsmerkmal) von EHLERS (1965) zeigen sich in der zweifaktoriellen Varianzanalyse nach den Persönlichkeitsdimensionen die Neurotiker im Vergleich zu den Nicht-Neurotikern als signifikant mehr leistungsmotiviert, und die Korrelationen mit der Katecholaminausscheidung liegen um Null. Graphische Skalen wie Interessant/Langweilig, Angespannt/Entspannt liefern keine Anhaltspunkte für Gruppenunterschiede in der Motivation während der Untersuchung, die mit den Katecholamindifferenzen übereinstimmen. Es lassen sich also weder Gruppenunterschiede in der allgemeinen Leistungsmotivation noch in der Motivation während der experimentellen Situationen zeigen, die sich zur Erklärung der Unterschiede in der Katecholaminausscheidung eignen. Auch die übrigen graphischen Skalen und die EWL-Ergebnisse tragen nichts zur Aufklärung der Gruppenunterschiede in der Katecholaminausscheidung bei.
4. Diskussion 4.1. Katecholaminausscheidung in Beziehung zu Extraversion/Introversion und Neurotizismus Hinsichtlich persönlichkeitsspezifischer Unterschiede in der Katecholaminausscheidung ist das Hauptergebnis die Sonderstellung der Gruppe der stabilen Introvertierten (E~ N~). Diese Gruppe zeigt durchgehend in Entspannungs- und Leistungsphasen eine hohe Noradrenalinausscheidung und
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daneben eine Tendenz zu erhöhter Adrenalinausscheidung in allen drei Leistungssituationen. In den Gesamtvarianzanalysen ist der Befund nur für die Noradrenalinausscheidung signifikant. Daß es sich bei der Adrenalinausscheidung ebenfalls nicht um einen Zufallsbefund handelt, wird unterstützt durch das Ergebnis der Vigilanzsituation: Dort zeigen die stabilen Introvertierten als einzige Gruppe eine signifikante Reaktion der Adrenalinausscheidung auf den Leistungsstreß und damit, wie in den anderen Leistungssituationen, den höchsten Adrenalinwert. Sie haben — entsprechend der Korrelation von Adrenalinausscheidung und Vigilanzleistung — auch die höchste Vigilanzleistung. Wenn man den Befund einer besonders hohen Katecholaminausscheidung von stabilen Introvertierten über die vorliegende Extremgruppenstudie hinaus verallgemeinert, könnte man annehmen, daß es bei Untersuchungen unausgelesener Stichproben von der Verteilung der Pbn auf den Persönlichkeitsdimensionen Extraversion und Neurotizismus abhängt, ob man eher eine Korrelation der Katecholaminausscheidung mit der Extraversions- oder der Neurotizismusdimension bekommt oder eine Nullkorrelation. Mehrere Ergebnisse der vorliegenden Arbeit lassen jedoch darauf schließen, daß die Katecholaminausscheidung eher mit der Extraversions- als mit der Neurotizismusdimension korreliert. Während in keiner Situation von der Extraversionsdimension unabhängige Unterschiede zwischen Neurotikern und Stabilen im Katecholaminausscheidungsniveau nachweisbar sind, ergibt sich in der Trainingssitzung eine signifikante Beziehung zwischen der Persönlichkeitsdimension Extraversion und Noradrenalin: Beide Introvertiertengruppen (stabile und neurotische) haben eine höhere Noradrenalinausscheidung als die Extravertierten. Darüberhinaus ist die Katecholaminausscheidung positiv korreliert mit Leistungen, in denen Introvertierte den Extravertierten überlegen sind (Vigilanz), jedoch nicht mit solchen, die zwischen Neurotikern und Stabilen differenzieren (Kieler Determinationsgerät, Reaktionszeit mit Fingerschock), auch nicht mit Fragebogenergebnissen, die mit dem Neurotizismusfaktor korrelieren (F-Aggression, Leistungsmotivation). Die Einflußfaktoren Alter, Gewicht, Harnvolumen, Rauchgewohnheiten, Tagesrhythmik, Aggressivität und Leistungsmotivation können die vorgefundenen Unterschiede in der Katecholaminausscheidung nicht erklären. Auch viele äußere Bedingungen, die sich auf die Katecholaminausscheidung auswirken, wie die Einnahme von Wasser, Nahrung und Pharmaka, die Temperatur, die Körperhaltung usw. waren durch die experimentelle Methodik weitgehend standardisiert. Somit ist es wahrscheinlich, daß die vorgefundenen Gruppenunterschiede in der Katecholaminausscheidung persönlichkeitsspezifische Unterschiede in der Katecholaminfreisetzung durch das sympathische Nervensystem einschließlich des Nebennierenmarks widergeben.
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Katecholaminausscheidung
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Das Ergebnis von SCHULZ und STROBACH (1970) über die Korrelation von Extraversion mit der Noradrenalinkonzentration im Harn findet hier also eine Neuinterpretation. Nicht nur die Noradrenalinkonzentration im H a r n , sondern auch die Noradrenalinausscheidung per Zeiteinheit scheint mit der Extraversionsdimension zu korrelieren. Allerdings sind es nicht Introvertierte schlechthin, sondern vor allem nicht-neurotische Introvertierte, die unter den Bedingungen dieses Experiments eine höhere Noradrenalinausscheidung aufweisen als die anderen Gruppen. Der Neurotizismus hat die Rolle einer Moderatorvariablen (SATJNDBBS, 1956), die den Zusammenhang von Katecholaminausscheidung und Extraversionsdimension differenziert.
4.2. Zur Situationsspezjfität von Persönlichkeitsunterschieden in der Katecholaminausscheidung Die Gruppe der stabilen Introvertierten zeigt in allen Hauptsitzungen d a s höchste Katecholaminausscheidungsniveau. Analysiert man die Ausscheidungsverläufe von der Vorentspannungs- über die Leistungs- zur Nachentspannungsphase je Hauptsitzung, so ergibt sich, daß die drei experimentellen Leistungsphasen unterschiedlich auf die Noradrenalinausscheidung einwirken, und zwar bei den verschiedenen Persönlichkeitsgruppen in unterschiedlichem Maß. Die drei Leistungsphasen wirken sich auch auf die Adrenalinausscheidung unterschiedlich aus — vor allem ist die Ausscheidung unter Vigilanz sehr viel schwächer als in den beiden anderen Streßphasen —, aber bei allen Persönlichkeitsgruppen in ähnlicher Weise. Aus Abb. 3 geht hervor, daß sich in der Adrenalinausscheidung die Unterschiede zwischen den Pbn-Gruppen auf die Leistungsstreßphasen beschränken und in der Nachentspannungsphase geringer sind, während die Ausscheidungsmittelwerte der Gruppen in der Vorentspannungsphase eng beieinander liegen. Daß persönlichkeitsspezifische Unterschiede der Katecholaminausscheidung in Ruhesituationen oder während der Nacht schwinden, wurde wiederholt festgestellt, so z. B . von BIRKE und Mitarb. (1957) für Hypertoniker, von BYERS und Mitarb. (1962) für Pbn mit dem Verhaltensmuster
bestimmter
Herzpatienten-Gruppen
und
von
MATHE
und
KNAPP
(1969) für Asthmatiker, alle bei Vergleichen mit normalen Kontrollgruppen. Diese Regel dürfte in der vorliegenden Untersuchung — etwas eingeschränkt — auch für Noradrenalin gelten. D a s zeigt sich, wenn man die Noradrenalinwerte nach der zeitlichen Abfolge der Hauptsitzungen anordnet. Während sich die Gruppe der stabilen Introvertierten in den ersten beiden Sitzungen durch höhere Noradrenalinausscheidung von den anderen Gruppen abhebt, ist sie in der dritten Sitzung auf das schon früher gesunkene Niveau der
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Z. Psychol. Bd. 179 (1971) H. 3
anderen Gruppen abgefallen und von den anderen Gruppen auch der Tendenz nach nicht mehr unterscheidbar. Offensichtlich gelang es, mit der Vorschaltung einer Trainingssitzung den üblichen Fremdheitseffekt, der meist mit einem psychologischen Experiment verbunden ist und zu verstärkter Adrenalinausscheidung führt, sehr weitgehend zu kontrollieren, so daß es nach dem Abfall von dem hohen Wert der Trainingssitzung auf das Niveau der ersten Hauptsitzung zu keiner weiteren systematischen Niveauveränderung im Lauf der Hauptsitzungen k a m . Demgegenüber zeigt die Noradrenalinausscheidung eine langsame Niveausenkung, die offenbar vom Abfall der Adrenalinausscheidung unabhängig ist. Habituationseffekte in der Katecholaminausscheidung wurden bisher für Zentrifugentests (FRANKENHAETJSER und Mitarb., 1962) und für einen audiovisuellen Wahrnehmungskonflikt-Test (FEANKENHAEUSER und Mitarb., 1967) beschrieben. In beiden Fällen t r a t ein Habituationseffekt nur bei Adrenalin a u f ; er ging den Veränderungen in der subjektiven Situationsbeurteilung parallel. Jedoch wurden in beiden Experimenten keine Sitzungen von solcher Dauer und mit so langen Entspannungszeiten verwendet wie in der vorliegenden Untersuchung. In dem Abfall der Noradrenalinausscheidung zeigte sich also möglicherweise eine langsame Habituation an die auf die Dauer recht monotone experimentelle Gesamtsituation. Für diese Interpretation spricht auch, daß die Noradrenalinausscheidung innerhalb der monotonsten Hauptsitzung, nämlich dem Vigilanz-Experiment, im Unterschied zu den anderen Sitzungen bei allen Gruppen zur Nachstreßphase hin signifikant abfällt (das Gesamtmittel der linearen Komponenten aller 24 Pbn unterscheidet sich in der Vigilanzsitzung signifikant von Null (t = 2.16, p < .05, zweiseitig.) Mit dem unerwarteten Befund eines Habituationseffekts in der Noradrenalinausscheidung komplizieren sich die bisherigen Ergebnisse. Das hohe Noradrenalin-Ausscheidungsniveau der stabilen Introvertierten besteht — unabhängig von der speziellen Leistungsituation — nur, solange keine Habit u a t i o n eingetreten ist. Die Habituation der Noradrenalinausscheidung scheint bei stabilen Introvertierten langsamer vonstatten zu gehen als bei den anderen Pbn-Gruppen. Ähnliche Befunde einer relativ langsamen H a b i t u a tion von Introvertierten in verschiedenen psychophysiologischen Variablen wie G S R und EEG werden von EYSENCK (1967) zitiert. Es ist zu vermuten, daß sich persönlichkeitsspezifische Unterschiede in der Katecholaminausscheidung in der vorliegenden Studie noch stärker gezeigt hätten, wenn jeder Pb nur an ein oder zwei Hauptsitzungen teilgenommen hätte, da dann der Habituationseffekt, der sich hier bei der Gruppe der stabilen Introvertierten erst in der dritten Hauptsitzung gezeigt hat, wahrscheinlich nicht aufgetreten wäre und die Unterschiede zwischen den Gruppen nicht verringert h ä t t e .
H . F . L . M E Y E R - B A H L B T J R G / H . STROBACH, K a t e c h o l a m i n a u s s c h e i d u n g
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4.3. Beziehung zwischen Katecholaminausscheidung und Leistung Nicht nur das Plasmaniveau von Adrenalin, wie O ' H A N L O N (1965) zeigte, sondern auch die Ausscheidung von Adrenalin im Harn ist positiv mit Leistungsmaßen der Vigilanz korreliert. Darüberhinaus wurde in der vorliegenden Untersuchung zum ersten Mal ein Zusammenhang von Noradrenalin und Vigilanzleistung demonstriert; die Noradrenalinausscheidung steht hier sogar in einer engeren Beziehung zur Vigilanzleistung als die Adrenalinausscheidung. Weiterhin findet sich im vorliegenden Experiment auch der bekannte Zusammenhang zwischen der Vigilanzleistung und der Extraversionsdimension, wenn auch nur als Tendenz: Die Introvertierten zeigen die bessere Leistung. Die Katecholaminausscheidung ist im vorliegenden Experiment ein engeres Korrelat der Vigilanzleistung als die Extraversionsdimension. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Kovariation von Extraversion und Vigilanzleistung durch den unerwarteten Habituationseffekt konfundiert sein kann. Wenn für jeden Pbn die Vigilanzsituation in der ersten Hauptsitzung gelegen hätte, wäre der Zusammenhang der Extraversionsdimension mit der Vigilanzleistung wahrscheinlich enger ausgefallen. Die Leistung auf dem Kieler Determinationsgerät korreliert nicht signifikant mit der Katecholaminausscheidung, ergibt jedoch signifikante Unterschiede zwischen Neurotikern und Stabilen. Dagegen zeigte C O R C O K A N (1965) einen Zusammenhang der Extraversion mit Leistungsmaßen einer anderen Situation der Seriellen Wahlreaktion ( L E O N A R D S five-choice reaction task), und F R A N K E N H A E T J S E R . und Mitarb. (1968) fanden eine deutliche Beziehung der Katecholaminausscheidung zur Leistung in einem Wahrnehmungskonflikttest. In allen drei experimentellen Bedingungen wird der Pb vor die Aufgabe gestellt, schnelle Entscheidungen in einer reizreichen Situation zu treffen, wobei das Kieler Determinationsgerät die weitaus größten Anforderungen an die Psychomotorik und die visuomotorische Koordination stellt. Man kann also als vorläufige Hypothese formulieren, daß die Katecholaminausscheidung eher zu kognitiven Leistungen (vielleicht Entscheidungsprozessen) in Beziehung steht als zu psychomotorischen Funktionen. Wenn diese Hypothese gilt, folgt daraus, daß sehr einfache psychomotorische Leistungen, wie die einfache Reaktionszeit, nicht mit der Katecholaminausscheidung korrelieren, was sich in der Fingerschocksituation bestätigt. Da die Leistungsmaße des Kieler Determinationsgeräts und der Fingerschocksituation im Unterschied zur Vigilanzleistung nicht mit der Katecholaminausscheidung zusammenhängen und zur Neurotizismus- statt zur Extraversionsdimension in Beziehung stehen, ist der vorläufige Schluß gerecht25
Z. Psychologie, 179/3
362
Z. Psychol. B d . 179 (1971) H. 3
fertigt, daß nur Leistungen, in denen sich Extravertierte und Introvertierte unterscheiden, mit der Katecholaminausscheidung korrelieren.
4A. Zur neuroendokrinologischen Interpretation der Ergebnisse Nach der psychophysiologischen Aktivierungstheorie führt eine Verminderung des Angebots sensorischer Reize zu einer erniedrigten retikulären und kortikalen Aktivität (JANKE, 1969). Daher ist aus dem Befund einer positiven Korrelation von Vigilanzleistung und Katecholaminausscheidung der Schluß zu ziehen, daß die Ausscheidung sowohl von Noradrenalin wie von Adrenalin zur kortikalen Aktivierung in Beziehung steht. Wie eingangs zitiert, kommt den peripheren Katecholaminen eine aktive Rolle bei der Förderung sowohl von kortikaler wie von Verhaltensaktivierung zu. Dabei dürfte es sich nicht um eine direkte zentralnervöse Katecholaminwirkung handeln: Periphere Katecholamine überschreiten nämlich nur in sehr geringen Mengen und sehr langsam die Bluthirnschranke (WEH-MALHERBE und Mitarb., 1959, 1961), und wenn exogene Katecholamine direkt in die Hirnventrikel gegeben werden, rufen sie Benommenheit, Schlaf und kortikale Desaktivierung hervor (MAHLEY, 1966). Zum Teil wird der kortikale Aktivierungseffekt der peripheren Katecholamine über das blutdruckempfindliche mesenzephale Aszendierende Retikuläre Aktivierungssystem vermittelt (BAUST und Mitarb., 1963; BEYER und Mitarb., 1967). E s müssen jedoch auch andere, noch nicht bekannte Wirkungswege beteiligt sein, da das kortikale Aktivierungsgeschehen bei Katecholamininfusion nicht vollständig auf den Blutdruckeffekt der Katecholamine zurückgeführt werden kann. Da die peripheren Katecholamine den Blutzuckerspiegel heben, wäre ein Einfluß über die zentralnervöse Glukoseversorgung in Betracht zu ziehen (vgl. SOKOLOEE, 1969). Ein Modell für die Funktion der peripheren Katecholamine im Aktivierungsgeschehen wurde bereits von B O N V A L L E T und Mitarb. (1954) aufgestellt: Eine Aktivierung des Kortex über das Aszendierende Retikuläre Aktivierüngssystem, eingeleitet z. B. durch sensorische Reize, wird begleitet durch eine Erhöhung der Katecholaminfreisetzung. Ein erhöhter Katecholaminblutspiegel trägt — wiederum durch Vermittlung des Aszendierenden Retikulären Aktivierungssystems — zur Aufrechterhaltung der kortikalen Aktivierung bei. Das Modell von B O N V A L L E T und Mitarb. kann zur Interpretation der Befunde der vorliegenden Arbeit herangezogen werden. Wie eingangs schon erwähnt, fallen extravertierte Pbn in monotonen Leistungssituationen wie der Vigilanz stärker in ihrer Leistungsfähigkeit ab als introvertierte Pbn. Die Vigilanzleistungsunterschiede der vier Stichproben in der vorliegenden Untersuchung stimmen damit überein. Weiterhin ist bekannt, daß Extravertierte von zu-
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sätzlicher Stimulation — z. B. weißem Rauschen hoher Intensität, das selbst aktivierend wirkt — hinsichtlich ihrer Vigilanzleistung mehr profitieren als Introvertierte ( D A V I E S und Mitarb., 1969, 1966). In der vorliegenden Arbeit wurde gezeigt, daß zumindest eine Gruppe der Introvertierten, die stabilen Introvertierten, unter den geprüften Bedingungen im allgemeinen und in der Vigilanzsituation im besonderen stärker Katecholamine ausscheiden und damit höhere Katecholaminspiegel im Blut haben als die anderen Gruppen aus dem Extraversion/Neurotizismus-Schema von E Y S E N C I K . Außerdem wurde gezeigt, daß die Katecholaminausscheidung m>t der Vigilanzleistung positiv korreliert ist. Daher ist denkbar, daß die Zusatzaktivierung durch sensorische Afferenzen die extravertierte Pbn zur Aufrechterhaltung ihrer Vigilanzleistung benötigen, bei Introvertierten, oder zumindest stabilen Introvertierten, schon durch den hohen Katecholaminspiegel im Blut und seine Auswirkung auf das Aszendierende Retikuläre Aktivierungssystem gewährleistet wird. Man kann also als Hypothese formulieren, daß die von E Y S E N C K angenommene stärkere kortikale Aktivierung der Introvertierten im Vergleich zu den Extravertierten z. T. auf die Wirkung unterschiedlicher Katecholaminspiegel im Blut zurückzuführen ist. Entsprechend dieser Hypothese wäre E Y S E N C K S Persönlichkeitstheorie durch Einbeziehung des peripheren Sympatho-adrenomedullären Systems, insbesondere seines endokrinen Anteils, zu modifizieren. Die vorgeschlagene Interpretation bedeutet zugleich eine Abkehr von der einfachen Zuordnung des kortikalen Aktivierungsgeschehens zur Extraversionsdimension und des Autonomen Nervensystems zur Neurotizismusdimension, wie sie von E Y S E N C K vorgeschlagen war. Denn die vermehrte Ausscheidung von Katecholaminen bei introvertierten Pbn impliziert eine zumindest partiell stärkere Sympathikus-Aktivität. Zusammenfassung A u s g e h e n d v o n B e f u n d e n einer I n d u k t i o n kortikaler A k t i v i e r u n g d u r c h periphere K a t e c h o l a m i n e wird in einer e x p e r i m e n t e l l e n E r k u n d u n g s s t u d i e die F r a g e g e p r ü f t , ob P e r s ö n l i c h k e i t s g r u p p e n , die sich hinsichtlich ihres L e i s t u n g s V e r h a l t e n s unterscheiden, a u c h in der K a t e c h o l a m i n a u s s c h e i d u n g differieren. J e sechs P r o b a n d e n in vier S t i c h p r o b e n , e x t r e m s e l e g i e r t n a c h den beiden P e r s ö n l i c h k e i t s d i m e n s i o n e n E x t r a v e r s i o n und N e u r o l i z i s m u s s e n s u EYSENCK, n a h m e n an einer E x p e r i m e n t a l s e r i e teil, die eine T r a i n i n g s s i t z u n g u n d drei L e i s t u n g s s t r e s s i t u a t i o n e n u m f a ß t e . Die w i c h t i g s t e n E r g e b n i s s e s i n d : 1. Nicht-neur o t i s c h e I n t r o v e r t i e r t e schieden in n a h e z u allen E n t s p a n n u n g s - und L e i s t u n g s s i t u a t i o n e n m e h r K a t e c h o l a m i n e aus als die a n d e r e n drei P e r s ö n l i c h k e i t s g r u p p e n . 2. I m L a u f e der e x p e r i m e n t e l l e n S i t z u n g e n k a m es bei allen P r o b a n d e n zu einem A b f a l l der jN'oradrenalina u s s c h e i d u n g , der als H a b i t u a t i o n s e f f e k t a u f g e f a ß t wird. 3. L e i s t u n g s m a ß e der Vigilanz, die zur E x t r a v e r s i o n s d i m e n s i o n in B e z i e h u n g stehen, w a r e n m i t der K a t e c h o l a m i n a u s s c h e i d u n g p o s i t i v korreliert, nicht j e d o c h p s y c h o m o t o r i s c h e L e i s t u n g e n , die m i t d e r N e u r o t i z i s m u s d i m e n s i o n korrelieren.
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Z. Psychol. B d . 179 (1971) H. 3
Summary On the basis of research findings that circulating catecholamines produce cortical and behavioral arousal, an experimental pilot s t u d y has been carried out on the question if personality groups which differ in test performance also differ in catecholamine excretion. Four samples of six subjects each were selected from the extremes of the personality dimensions extraversión and neuroticism sensu EYSENCK. The subjects participated in an experimental series consisting of a training session and three performance stress sessions. The main results are: 1. In almost all relaxing and stress situations, non-neurotic introverts excreted more catecholamines t h a n the other three groups. 2. Over the sequence of experimental sessions, the excretion of noradrenalin decreased; the decrease is interpreted as a habituation effect. 3. Performance measures in vigilance tests which correlate with extraversión were positively correlated with catecholamine excretion, but not measures of psychomotor performance which correlate with neuroticism.
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