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German Pages 194 [208] Year 1971
Band 177 (1970) Heft 3/1
Zeitschrift für mit Zeits chrift für angewandte Psychologie Herausgegeben von
WERNER FISCHEL, Leipzig und
FRIEDHART KLIX, Berlin Redaktion
JÜRGEN MEIIL, Berlin Unter Mitarbeit von
®
B. G. ANANJEW, Leningrad; H. D Ü K E R , Marburg; H.-J. E Y S E N C K , London; P. F R A I S S E , Paris; J . J . GIBSON, Ithaca, N. Y.; H. HIEBSCH, Jena; A. KOSSAKOWSKI, Leipzig; D. KOVÄC, Bratislava; A. N. LEONTJEW, Moskau; B. F. LOMOW, Leningrad; L. A. L U R I J A , Moskau; D. A. OSCHANIN, Moskau; J . PIAGET, Genf; G. R O S E N F E L D , Berlin; K. SATO, Kyoto; W. STRAUB, Dresden
JOHANN AMBROSIUS BARTH • LEIPZIG
Zeitschrift für Psychologie, Band 177 (1970) H e f t 3/4 m i t Zeitschrift f ü r a n g e w a n d t e Psychologie, B a n d 87, H e f t 3/4
Inhalt SYDOW, H . ,
Berlin, Zur metrischen E r f a s s u n g von subjektiven P r o b l e m z u s t ä n d e n u n d
zu deren V e r ä n d e r u n g im Denkprozeß. Mit 4 Abbildungen
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KRAUSE, W., Berlin, U n t e r s u c h u n g e n zur K o m p o n e n t e n a n a l y s e in einfachen Problemlösungsprozessen. Der E i n f l u ß v o n H y p o t h e s e n , Strategien u n d Gedächtniskomponenten auf die Lösungsfindung in nichtkomplexen P r o b l e m s i t u a t i o n e n . Mit 19 Abbildungen
199
SCHUBRING, M., Berlin, Zur Konditionalanalyse des kindlichen Entscheidungsverhaltens. Mit 2 Abbildungen
250
MARPFUHL, B., und A. METZ, Berlin, Veränderungen im E l e k t r o m y o g r a m m bei der Beurteilung perzeptiver Muster unterschiedlicher Schwierigkeit. Mit 7 Abbildungen
286
BREDENKAMP, J . , Heidelberg, Über Maße der p r a k t i s c h e n Signifikanz
310
Buchbesprechungen
319
Bandtitelei und Namenregister
Manuskripte
für
Originalabhandlungen
Sektion Psychologie der Humboldt-Universität,
I—VI
und
Referate
werden
102 Berlin, Oranienburger
an Dr. J.
Mehl,
Straße 18, erbeten.
F ü r diese Zeitschrift werden grundsätzlich n u r Arbeiten a n g e n o m m e n , die vorher weder im Inland noch im Ausland veröffentlicht worden sind.
Das Manuskript ist satzfertig einzu-
senden, d a m i t das Lesen der K o r r e k t u r bei Zeitmangel von der Redaktion v e r a n l a ß t werden k a n n . J e d e A b h a n d l u n g ist mit einer kurzen Zusammenfassung abzuschließen. Mit der Ann a h m e des Manuskriptes u n d seiner Veröffentlichung geht das alleinige Recht der Vervielfältigung, Verbreitung u n d Übersetzung auf den Verlag über. Originalabhandlungen werden mit 40,— M f ü r den 16seitigen Druckbogen v e r g ü t e t . Von Originalabhandlungen liefert der Verlag 25, Sonderabzüge kostenlos. Bezugspreis je Band 25,— M u n d P o r t o . Die Zustellung erfolgt bis zur Abbestellung, die n u r für das E n d e eines Bandes ausgesprochen werden k a n n . Anzeigen f ü r die Zeitschrift bitte an die D E W A G - W e r b u n g Leipzig, 701 Leipzig, Brühl 34—40, Ruf 79 740> einsenden. Zur Zeit gilt die AnzeigenpreisJislc Nr. 3.
Z E I T S C H R I F T FÜR P S Y C H O L O G I E Band 177, 1970
Heft 3/4
(zugleich Zeitschrift für angewandte Psychologie
Band 87)
Aus der Sektion Psychologie der Humboldt-Universität Berlin Bereich: Psychophysik und kybernetische Psychologie (Allgemeine Psychologie)
Zur metrischen Erfassung von subjektiven Problemzuständen und zu deren Veränderung im Denkprozeß 1 (I) V o n H . SYDOW
Mit 4 Abbildungen
I. Einleitung Wenn die in dieser Arbeit vorgelegten Ergebnisse in bezug zu den in der Literatur vorzufindenden theoretischen Überlegungen und empirischen Fakten gebracht werden sollen, kann das unter verschiedenen Gesichtspunkten geschehen. Zum ersten kann man sich auf diejenigen Arbeiten beziehen, in denen dieselbe Aufgabe verwendet wurde. Zweitens kann ein Bezug hinsichtlich der verwendeten Methoden der Datengewinnung hergestellt werden. Schließlich könnte eine Einordnung der Ergebnisse in vorliegende Theorien versucht werden. Zu der von uns verwendeten Aufgabe, dem „ T u r m von Hanoi", wurden umfangreiche denkpsychologische Ergebnisse durch eine Reihe von Arbeiten geliefert, die im Institut für Psychologie der Humboldt-Universität zu Berlin entstanden. Durch diese Arbeiten wurde die Problemstellung der vorliegenden Arbeit angeregt, ihre Ergebnisse konnten bei der Planung der Versuche ausgenutzt werden und können zum Teil im Rahmen dieser Untersuchung neu interpretiert werden. Diese Arbeiten werden im zweiten Teil ausführlich diskutiert. 1 Herrn Prof. Dr. F. K u x danke ich für seine zahlreichen Anregungen im Verlauf der Untersuchung und bei der Abfassung dieser Arbeit. Den Studenten der Sektion Psychologie, die an der Durchführung der Versuche als Versuchsleiter maßgeblich beteiligt waren, danke ich hiermit sehr herzlich.
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Z. Psychol. Bd. 177 (1970) H. 3/4
Ein Vergleich der Methoden ist schwer durchzuführen. Die hier angewendeten haben zwar eine lange Tradition in der Skalentheorie und damit in vielen Bereichen der Psychologie, sind aber für denkpsychologische Untersuchungen bisher nicht genutzt worden. Obwohl die Forderungen, die RAY (1955) an eine Methode in der Denkpsychologie stellt, erfüllt sind, scheint es in Anbetracht der vielen vorhandenen Methoden doch erforderlich, den Vorteil einer zusätzlichen Methode nachzuweisen. Das soll zwar hauptsächlich durch die mit dieser Methode gewonnenen Ergebnisse geschehen, außerdem läßt sich aber auch deren Berechtigung in einer allgemeinen methodologischen Ebene formulieren. Auch die Einordnung unserer Ergebnisse in vorliegende Theorien führt uns zu Überlegungen, die recht allgemeinen Charakter besitzen. Diese Arbeit schließt an zwei Gruppen von Arbeiten an. Die erste wäre etwa mit der Angabe der Autoren KÖHLER, SELZ, DUNCKER und WERTHEIMER und die zweite durch die Aufzählung der Autoren NEWELL, SHAW, SIMON, MESAROVIC, WINDEKNECHT und B A N E R J I gekennzeichnet. Der Vergleich mit den Ergebnissen der ersten Gruppe wird dadurch erschwert, daß in unseren Überlegungen ein hoher Grad an Formalisierung angestrebt wird. In dieser Hinsicht kommen wir den Arbeiten der zweiten Gruppe nahe, müssen aber bei diesen wiederum feststellen, daß, bedingt durch die Zielsetzung, Programme zur Schaffung künstlicher Intelligenz aufzustellen, wesentliche psychologische Sachverhalte nur wenig oder gar nicht berücksichtigt werden, obgleich diese Arbeiten in vieler Hinsicht an die Ergebnisse der ersten Gruppe anschließen. Auch hier lassen sich die entstandenen Schwierigkeiten nur überwinden, indem wir eine geeignet abstrakte Ebene wählen, in der sich die engen Beziehungen zwischen den Aussagen beider Gruppen von Arbeiten leichter erkennen lassen. Im Rahmen der Explikation dieser allgemeinen Überlegungen sollen die Wurzeln unserer Arbeit aufgezeigt und Begriffe für spätere Abschnitte bereitgestellt werden Welcher Art ist nun die allgemeine Ebene, die unserem Anliegen dienlich ist? Der Antwort nähern wir uns, indem wir den ersten Schritt bei der Erfassung von Prozessen, und damit von Denkprozessen, betrachten. Jede experimentelle Methode ist mit der Existenz eines Bereichs von Beschreibungsmitteln verbunden, der die Beschreibung des Gegenstandes ermöglicht, den die Methode tangieren soll. Eine Menge solcher Beschreibungsmittel soll Beschreibungsbereich genannt werden. Eine mit einem Beschreibungsbereich verknüpfte Methode liefert für jeden Zeitpunkt eines Prozesses ein Element aus diesem Beschreibungsbereich. Für eine Klasse irgendwie zusammengehöriger Prozesse wird durch die Methode also eine Menge von Folgen von Beschreibungselementen über dem Beschreibungsbereich geliefert. Diese Menge von Beschreibungsfolgen kann im Anschluß an entsprechende Defi-
H . SYDOW, Metrische E r f a s s u n g von s u b j e k t i v e n P r o b l e m z u s t ä n d e n
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nitionen von C H O M S K Y ( 1 9 5 9 ) und S C H Ü T Z E N B E K G E R ( 1 9 6 3 ) eine Sprache genannt werden. In Hinsicht auf bestimmte Beziehungen zwischen solchen Sprachen können manche Methoden zusammen mit den zugehörigen Beschreibungsbereichen vor anderen ausgezeichnet werdemj Verschiedene Aspekte eines Denkprozesses können mit Elementen unterschiedlicher Beschreibungsbereiche beschrieben werden. Jeder der folgenden Mengen können Beschreibungsbereiche zugeordnet werden: den äußeren und inneren Bedingungen, den inneren Zuständen eines problemlösenden Systems, den Ubergängen zwischen Zuständen und den Verhaltenselementen. Die formale Analyse eines Denkprozesses würde voraussetzen, daß diesen Mengen Sprachen zugeordnet werden, und daß Beziehungen zwischen diesen definiert werden. Für unsere Zwecke ist die Beschäftigung mit Sprachen zur Beschreibung der objektiven Problemsituation, der subjektiv repräsentierten Problemsituation, d. h. der Zustände eines problemlösenden Systems, der Beziehungen zwischen Zuständen und Verhaltenselementen und der Ubergänge zwischen Zuständen erforderlich. Über alle diese Aspekte eines Denkprozesses werden mehr oder weniger formalisierte und differenzierte Aussagen im Rahmen von Theorien der Denkpsychologie gemacht. Die für unsere späteren Überlegungen wesentlichen Auffassungen der Gestaltpsychologie und die Formulierungen der frühen und neueren Theorien der Informationsverarbeitung, die zu Simulationsprogrammen führten, sollen kurz dargelegt werden. Damit ist auch eine erste, sehr allgemeine Formulierung der Problemstellung dieser Arbeit angedeutet, die aus folgenden Fragen besteht: 1. Wie ist der subjektive Zustand eines problemlösenden Systems erfaßbar. 2. Wie können der subjektive Zustand und seine Veränderung strukturell angegeben werden. 3. Welche Beziehungen bestehen zwischen dem subjektiven Zustand eines problemlösenden Systems und Komponenten der objektiven Problemstruktur. 4. Welche Beziehungen bestehen zwischen dem subjektiven Zustand und dem beobachtbaren Verhalten in der Problemsituation. Die Behandlung dieser Fragen wird für eine spezielle Aufgabe durchgeführt. Daß die Ergebnisse nur auf eine beschränkte Aufgabenklasse verallgemeinert werden können, ergibt sich aus dem gegenwärtigen Zustand der denkpsychologischen Forschung und braucht nicht gesondert betont zu werden. 1. A l l g e m e i n e P r o b l e m e d e r A b b i l d u n g v o n P r o z e s s e n Wenn wir uns das Begriffsrepertoire'denkpsychologischer Berichte und die in diesem Begriffsrepertoire formulierten Aussagen ansehen, bietet sich eine Einteilung der Begriffe nach folgenden Aspekten an. Die Begriffe entstammen 10*
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zum Teil der Logik oder der Erkenntnistheorie oder sind in der Denkpsychologie entstanden. Sie können auf das Verhalten oder auf das Erleben bezogen sein. Sie können Zustände von Prozessen, Veränderungen in Prozessen, Faktoren, die die Veränderungen innerhalb von Prozessen hervorrufen, Prozeßausschnitte und Beziehungen zwischen gleichzeitig oder zu verschiedenen Zeitintervallen ablaufenden Prozessen bezeichnen. Schließlich können sie mehr erklärenden oder mehr beschreibenden Charakter besitzen. Meist sind die Begriffe mit bestimmten theoretischen Annahmen verbunden, die bestimmte Relationen zwischen den Begriffen erzeugen. Weiter sind sie immer an bestimmte Methoden der Datengewinnung gebunden. Das Begriffsrepertoire einer jeden Theorie kann jedoch in folgender Hinsicht losgelöst von theoretischen Annahmen betrachtet werden. Die Erfassung eines Prozesses und damit eines Denkprozesses setzt Methoden voraus, die dem ablaufenden Prozeß in Abhängigkeit von der Zeit Beschreibungselemente aus einem Beschreibungsbereich zuordnen. Auf die Schwierigkeiten, die dieser Aufgabe in der Psychologie gegenüber anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen und dem Erfassen des Erlebens gegenüber dem Verhalten erwachsen, soll hier nicht eingegangen werden. Mit der Vorgabe einer Methode und eines Beschreibungsbereiches M = {a t , a 2 • • •} ist uns für die Zeitpunkte t¡_, t2 • • • eines Prozesses eine Folge von Beschreibungselementen a(t¡), a(í 2 ), . . . gegeben. Es sei erst einmal davon abgesehen, daß jede Methode und das Ergebnis der Anwendung einer Methode der Interpretation bedürfen und jeder Beschreibungsbereich selbst mit einem Relationsgefüge verbunden ist. Dann ergibt sich die Frage, welche Aussagen allein in dieser Ebene der Abbildung eines Prozesses mit einer Methode gewonnen werden können. Meist werden im Rahmen einer Fragestellung mehrere Beschreibungsfolgen für einen ablaufenden Prozeß oder mehrere Prozesse gewonnen. Außerdem können diese Prozesse noch für ein sich im Prozeß veränderndes System oder für mehrere Systeme betrachtet werden. Dementsprechend werden Aussagen für eine oder mehrere Beschreibungsfolgen und über Beziehungen zwischen Beschreibungsfolgen getroffen. Weiter ist dabei zu beachten, daß die Beschreibungsfolgen über einem Beschreibungsbereich oder über unterschiedlichen Beschreibungsbereichen definiert sein können. Daraus folgt, daß manche Beschreibungsbereiche unabhängige, andere wieder abhängige Variable angeben. Schließlich können Beschreibungsbereiche existieren, die hypothetisch definiert und nur indirekt über bestimmte Relationen durch Methoden erfaßbar sind. Gewöhnlich werden dann für Beschreibungsfolgen, f ü r Mengen oder Teile von Beschreibungsfolgen Statistiken definiert, an denen die Interpretation ansetzt. Ein großer Teil von Aussagen wird über solche Statistiken gewonnen, ohne daß direkt theoretische Annahmen verwendet werden.
H. SYDOW, Metrische E r f a s s u n g von subjektiven Problemzuständen
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Bezüglich der von uns verwendeten Methoden interessieren uns Beziehungen zwischen Beschreibungsfolgen der folgenden Art. Seien M i = {a{, a\, . . .} und M 2 = { a j , . . .} zwei Beschreibungsbereiche und f eine eindeutige Abbildung von M1 in M 2. Sei weiterhin durch die mit M 1 verbundene Methode für einen Prozeß die Beschreibungsfolge a 1 (i 1 ), a 1 (i 2 ), . . . erhalten worden. Wir bilden dann die Bildfolge /'[a1( A, Ä) . .. M"> , •) •) _
B)(k•'
^
wobei links die zielnäheren Teilmengen angegeben wurden und übereinanderstehende Teilmengen nicht vergleichbar sind. Ahnliche Quasihalbordnungen lassen sich für alle Graphen Gk für k = 1, 2> . . ., 6 angeben. Da die Anzahl der Knoten für Gk gleich 3k ist, ist diese Quasihalbordnung für k = 6 eine Quasiordnung, denn hier sind die Knoten gerade die 3 6 Zustände. Durch die Quasihalbordnung der Knoten von Gk werden Zustände des Materials ausgezeichnet, die als objektive Teilziele bezeichnet werden. Ein Zustand 2 heißt objektives Teilziel bezüglich Gk, wenn es einen Zustand z und zwei Knoten Kt und K2 von Gk gibt, so daß gilt: 1. z gehört zu K z ' gehört zu K2\ 2. es gibt eine Operation r mit r(z) = z'; 3 . Ki und Ki werden durch die Quasihalbordnung über Gk angeordnet; 4. f(z) = f(z') + 1. Die Knoten Gk, aufgefaßt als Mengen von Zuständen, enthalten immer einen Zustand mit minimalem objektivem Zielabstand, der ein Teilziel bezüglich Gk ist. Für GQ ist jeder Knoten, der hier durch genau einen Zustand gebildet wird, ein Teilziel. Die Menge der Teilziele für Gk ist echt in der Menge der Teilziele für Gk+l enthalten. Wir bezeichnen die Menge der Teilziele für Gk mit Mk. Für jeden Zustand z läßt sich ein k so bestimmen, daß z zwar zu Mk, aber nicht zu Mk __ 4 gehört (M 0 werde durch die Einermenge (ze) gebildet). Die Zahl k gibt die Ordnung des Zustandes als Teilziel an. Damit bilden die Mengen der Teilziele 0. bis 6. Ordnung eine Zerlegung der Zustandsmenge Z. 12 Z. Psychologie 177
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2. B e s c h r e i b u n g d e r o p t i m a l e n L ö s u n g d u r c h
Algorithmen
Eine spezielle Ordnung von Teilmengen von Z führt zum Begriff der optimalen Strategie und damit zu den optimalen Algorithmen für den Turm von Hanoi. Wenn f über R identisch 1 ist, nimmt f(z) für endliche Graphen alle natürlichen Zahlen von 0 bis zu einem maximalen Zielabstand N an. E s sei T¡ die Menge aller der Zustände aus Z, für die f(z) = i gilt. Die Mengen 1\ mit i = 0, 1, . . ., N bilden eine Zerlegung von Z. Von der durch f erzeugten Ordnung dieser Teilmengen gehen wir aus, u m eine optimale Strategie zu definieren. E s sei g eine Abbildung von Z in R und g(z) das Bild von s in R. Die Anwendung der Operation g(z) auf einen Zustand z t wird durch g(z) (z t ) bezeichnet. Die Abbildung g(z) ist eine optimale Strategie, wenn gilt: 1. g(z) ist enthalten in (z) S ; 2. für jedes z aus Tt für i = 1, . . ., N gilt, daß g(z) (z) zu Ti_i gehört. Eine optimale Strategie ordnet jedem Zustand z eine auf ihn anwendbare Operation zu, die den objektiven Zielabstand von z um den Wert 1 verringert. Für verschiedene Aufgaben untersucht BANERJI (1967) die Eigenschaften solcher optimalen Strategien. Die Abbildung g(z) heißt eine optimale Strategie für eine Teilmenge M von Z, wenn die Bedingung (2) nur für Zustände von M gilt. F ü r den Turm von Hanoi existieren mehrere Algorithmen, die optimale .Strategien bezüglich der Teilmenge derjenigen Zustände sind, die auf dem optimalen Weg von za nach ze liegen. Ein Algorithmus in LjAPFNOWscher F o r m wurde von KLIX, NEUMANN, SEEBER und SYDOW (1963) angegeben. Auf diesen Algorithmus stützt sich die logische Analyse des Problemlösungsprozesses von K L I X (1967). Folgende Bezeichnungen werden eingeführt: >
S2
> •
. ., Sn
bezeichnen die Scheiben mit zunehmendem Durchmesser
Sb
n) ist die nächst Sb größere Scheibe (für b = n ist Sb+
k
ist der größte Index, für den ab =
ist die zu bewegende Scheibe (b = 1, 2,
gilt (k = 1 , 2 ,
=
• • •
£
=
= Feld C) %•
...,n)
ist die Scheibe mit dem Index k
Sk
w
ab+1
1
ist die nächst Sk größere Scheibe (für k = n ist Sk+ i = Feld C ) Wähle eine Scheibe, die im nächsten Zug bewegt werden darf
G X
Lege Sb auf
Sb+1
Zi
Lege Sb auf das Feld, auf dem nicht Sk.+ i liegt
Bestimme k
H. SYDOW, Metrische Erfassung von subjektiven Problemzuständen
Lege Sb auf Sk+1 Stop |0 falls Sb+i nicht frei liegt P ~ | 1 falls Sb+1 frei liegt jO falls k gerade ist ^ \ l falls k ungerade ist 0 ze ist nicht erreicht 1 zc ist erreicht Der Algorithmus hat die folgende Form: 1 2 1 2 3
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Z2 S
(
1 3
1
Die Ausführung der Operationen G, Z1} Z2 hängt von zwei logischen Bedingungen (p und q) ab. Der Operator W setzt für jeden Zustand die Kenntnis der Kante voraus, durch die der Zustand erreicht wurde. Eine Reduktion auf einen Algorithmus, der nur noch eine der beiden logischen Bedingungen enthält, ergibt folgendes Resultat: 1 2 1 2 1 S^Z^r] S. XqiZ^I Eine weitere optimale Strategie für dieselbe Menge M gibt BANERJI ( 1 9 6 7 ) an. In verbaler Form läßt sich ein Algorithmus bezogen auf eine Anordnung der drei Felder in einem Dreieck formulieren. Er trifft eine Aussage für alle Entscheidungszüge und setzt voraus, daß die Zwangszüge entsprechend den Regeln der Aufgabe ausgeführt werden. Bei gerader Anzahl n der Scheiben ist die kleinste Scheibe immer im Uhrzeigersinn zu bewegen, d. h. von A nach B, von B nach C und von C nach A. Bei ungeradem n erfolgt die Bewegung der kleinsten Scheibe entgegen der Uhrzeigerrichtung. Von KIRCHNER ( 1 9 6 4 ) wurde ein Algorithmus in verbaler Form als Hilfe verwendet. Dieser Algorithmus stellt eine optimale Strategie für M = Z dar. Sei (ai, . . ., an) der momentane Zustand. Das Ziel ist (C, C, . . ., C). Es wird der größte Index k gesucht, für den gilt ak =1= ak+i = • • • =an= C. Ist die Operation, die Sk nach C transportiert, zulässig, so wird sie ausgeführt und ein neues k bestimmt. Andernfalls wird ein Teilziel aufgestellt, das darin besteht, die Scheiben Si bis Sk_l auf das Feld zu bringen, auf dem nicht Sk und nicht liegen. Dann wird wieder der größte Index k' bestimmt, für den ak, nicht diesem Teilziel entspricht und der Zyklus läuft von neuem ab. Immer, wenn eine Operation ausgeführt wurde, beginnt dieselbe Überlegung ausgehend vom Zielzustand ze. Eine Formalisierung dieses Algorithmus und die Anwendung des Algorithmus auf den Anfangszustand für n — 3 werden in den Abbildungen 3 und 4 dargestellt. 12'
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Z. Psychol. B d . 177 (1970) H. 3/4
Dieser Algorithmus läßt sich noch dahingehend verbessern, daß die Anzahl der Operationen bei der Abarbeitung des Algorithmus verringert werden kann. Der Algorithmus überführt nicht nur einen beliebigen Zustand in minimaler Zuganzahl in z„. Auch bei Vorgabe eines beliebigen Zielzustandes ze wird jeder Zustand mit minimaler Zuganzahl in z'e überführt, denn durch den Vergleich mit dem Ziel z'e wird jeweils für die Menge der Knoten von Gk bezüglich des Zielzustandes z'e eine Quasihalbordnung erzeugt, was zur Ausbildung spezieller Teilziele im Algorithmus führt.
Abb. 3. F l u ß d i a g r a m m des vierten Algorithmus zur optimalen Überführung eines beliebigen Zustandes za in einen beliebig vorgebbaren Zustand ze
H. SYDOW, Metrische E r f a s s u n g von subjektiven Problem zuständen z = (A, A, A) W0 = (C, C, C) k= 3
r nicht anwendbar Wt = (B, B, A) /c = 2 T nicht anwendbar W2 = (C, A, A) k=
1
r anwendbar r(z) = (C, A, A) r (z) =» z Jc = 0 = 3 a 3 f « § ( A ^ C ) r nicht anwendbar Wt = ( B , B, A) ic = 2 Operation r anwendbar r(z) = (C, B,A) r (z) z fc= 1 k^O r anwendbar r(a) = ( B , B , i l ) fc = 0 k —3
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r anwendbar r ( * ) = (B, B , C ) r (z) z k= 2 =0 r nicht anwendbar PF. = 5 , C) /c = 1
r anwendbar r{z) = {A,B, C) r{z)^z k = 0 /c = 3 «3 = «ü /c = 2 ¿4=0 r anwendbar r(z) = ( ^ , C, C) r(z)=$z k= 1
r anwendbar r(z) = ( C , C , C ) r (z) z k —0 STOP
A b b . 4. Arbeitsweise des vierten Algorithmus für z 4 = (A, A, A) und z 2 = (C, C, C)
Die Arbeitsweise des formalen Algorithmus läßt sich folgendermaßen beschreiben. Jeder momentan erreichte Zustand z wird nacheinander als Zustand eines Knotens der Graphen GI,G2, . • •,GN betrachtet, wodurch die Ordnung dieses Zustandes als Teilziel bestimmt wird. Aus der Definition des Teilzieles z folgt, daß jeweils ein Zustand z' existiert und eine Operation existiert, für die gilt: r(z) = z' und f(z) = f(z') + 1. Die Operation r überführt also z in z' und verringert dabei den objektiven Zielabstand. Derselbe Vorgang wird dann für z' durchgeführt usw. Daß der momentan erreichte Zustand als Element eines Knotens der GK aufgefaßt wird, bedeutet, daß die Lage der kleinsten n — k Scheiben vernachlässigt, der Zustand also in verschiedenen Abstraktionsebenen betrachtet wird.
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Z. Psyehol. Bd. 177 (1970) H. 3 / 4
Der angegebene Algorithmus hat eine dem GPS-Programm analoge Struktur. E r verwendet eine angeordnete Menge von Unterschieden, die den n Koordinaten der Zustände entsprechen. Ein Unterschied zweier Zustände in der Lage der rc-ten Scheibe wird am stärksten gewertet. Der Algorithmus arbeitet in verschiedenen Abstraktionsebenen, verwendet also das Planungsprinzip. Die Frage nach Operationen, die bestimmte Unterschiede beseitigen, entspricht der Ziel-Mittel-Analyse. Der Ubergang von einem Graphen Gk zu einem Graphen Gk+1 bedeutet die Konkretisierung einer Kante in Gk durch eine Kantenfolge in Gk+l (bzw. in Gk+l für l größer oder gleich Eins). 3. Q u a n t i t a t i v e A n a l y s e n des
Lösungsprozesses
Grundlegende methodologische Überlegungen zur quantitativen Analyse eines Denkvorganges wurden von Ray (1955) dargelegt. Eine quantitative Analyse setzt die Existenz einer Statistik über einer Menge von Beschreibungsfolgen im Sinne des Abschnittes 1.1 voraus. Eine Statistik soll möglichst viel Kenntnis über einen Denkprozeß liefern. Sie soll so gewählt werden, daß sich wesentliche Elemente des Denkprozesses in ihr widerspiegeln, wie der Zustand eines problemlösenden Systems zu verschiedenen Zeitpunkten und der Übergang zwischen Zuständen. Eine Statistik muß den Unterschied zwischen Versuchspersonen und zwischen experimentellen Bedingungen wiedergeben. Die testtheoretischen Forderungen der Reliabilität und der Validität müssen von einer Statistik erfüllt werden. Da jede Statistik im allgemeinen eine Zufallsgröße ist, trägt sie stochastischen Charakter bzw. besitzt eine positive Varianz. Diese Varianz muß Unterschiede zwischen Versuchspersonen und zwischen experimentellen Bedingungen wiedergeben und darf nicht allein durch zufällige Fehler verursacht werden. Im faklorenanalytischen Sinne soll eine Statistik hoch mit den Fähigkeiten korrelieren, von denen angenommen wird, daß sie für den Denkprozeß wesentlich sind. Für den Turm von Hanoi wird von den Versuchspersonen im allgemeinen nicht im ersten Versuch die optimale Lösung realisiert. Für eine feste Anzahl von Scheiben benötigt eine Versuchsperson also mehrere Einzelversuche, bis erstmals die optimale Lösung gefunden wird. In den hier zu diskutierenden Experimenten wurde der Anfangszustand den Probanden daher mehrmals vorgelegt und ein Einzelversuch war beendet, wenn der Endzustand vorlag. Eine erste Statistik kann durch die Angabe der Zuganzahl je Einzelversuch gewonnen werden. Die Summe der Zuganzahlen für mehrere Einzelversuche gestattet eine Unterscheidung zwischen Probanden. Das arithmetische Mittel dieser Summen oder der Zuganzahlen im /c-ten Einzelversuch liefert Populationscharakteristika.
H . SYDOW, Metrische E r f a s s u n g v o n s u b j e k t i v e n P r o b l e m z u s t ä n d e n
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KRÄMER (1966) erhielt einen signifikanten Unterschied zwischen Studenten des ersten Studienjahres der Fachrichtung Psychologie und Oberschülern der 12. K l a s s e mit mathematischer Spezialbegabung. Der Verlauf der mittleren Zuganzahl j e Einzelversuch in Abhängigkeit von der Nummer des Einzelversuches wurde für die beiden Gruppen von Probanden von KRAMER von GOEDE (KLIX, GOEDE, 1968) durch eine Exponentialfunktion approximiert. Mit x als Nummer des Einzelversuches und y als mittlere Zuganzahl wurden für die Funktion
die K o n s t a n t e n A und a geschätzt. Sowohl für A als auch für a wurden für die Gruppe der Psychologiestudenten größere Werte erhalten. Die mit ( — 1 ) multiplizierte Ableitung der Funktion wurde als Lernanstieg im Denkprozeß interpretiert. Das Maximum des Lernanstieges liegt bei
a • 2 2 . Dieser Wert bestimmte sich für die beiden Populationen etwa zu 1 bzw. 2,5. KLIX und GOEDE geben eine Interpretation dieser ausgezeichneten Werte im Rahmen einer später zu betrachtenden heuristischen Analyse an. Ein informationstheoretisches Maß wurde in Anlehnung an NEUMANN und SEEBER (1963) von RICHTER (1965) verwendet. Die Teilmengen die jeweils alle Zustände s mit f(z) = i enthalten, werden als Zustände einer Markoffkette aufgefaßt. Ausgehend von Versuchsprotokollen können relative Häufigkeiten für den Verbleib in einer Menge Tt und den Übergang zwischen Mengen Tt und T i + 1 abgeschätzt werden. Für jedes j ergibt sich damit eine bedingte Verteilung über der Menge der T i , für die ein Entropiewert berechnet werden kann. Die Menge der Tt wurde von RICHTER in acht Klassen eingeteilt und die Entropiewerte wurden in jeder K l a s s e addiert. Diese S u m m e n wurden über die verschiedenen Einzelversuche gemittelt und in Abhängigkeit von der Nummer der Klassen betrachtet, wobei 1 die am weitesten vom Ziel entfernten T t und 8 die dem Ziel nächsten Ti repräsentiert. Dabei ergibt sich für die Klassen die Ordnung 8, 4, 6, 2, 5, 7, 1, 3. Durch die geringen Entropiewerte der Klassen 8 und 4 im Verhältnis zu den anderen Klassen wird die Wirkung des Ziels und der Teilziele erster Ordnung widergespiegelt. Die Klassen 6 und 2 zeigen entsprechend die Wirkung der Teilziele zweiter Ordnung an. D a die Entropiewerte durch eine Mittelung über alle Einzelversuche der Versuchspersonen gewonnen wurden, ist zu vermuten, daß die relativen Häufigkeiten für den Ubergang von Tt zu Ti_i in den verschiedenen Bereichen des Graphen der Aufgabe, die durch die Klassen 1 bis 8 dargestellt werden, unterschiedlich schnell gegen den Wert 1 gehen. Daraus würde folgen, daß die Teilziele in einer bestimmten Reihenfolge im Denkprozeß wirksam werden.
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Z. Psycliol. Bd. 177 (1970) H. 3/4
4. E i n e l o g i s c h e A n a l y s e d e s
Lösungsprozesses
In einer Reihe von Einzelversuchen gelangen die Versuchspersonen zur Kenntnis des optimalen Weges von za nach ze. Sobald der optimale Weg von Versuchspersonen realisiert werden kann, zeigen die Personen strukturell dasselbe Verhalten (hinsichtlich der Anzahl von Operationen) wie optimale Algorithmen, die von einer Rechenmaschine auf za angewendet werden. Für diesen Zeitpunkt eines Lösungsprozesses stellt sich daher die Frage, ob Operatoren und logische Bedingungen, die in die optimalen Algorithmen eingehen, auch im realen Denkprozeß eine Rolle spielen. Mit anderen Worten: Werden in dieser Phase durch die Elemente eines optimalen Algorithmus und durch ihre Verknüpfungen informationsverarbeitende Prozesse des Menschen abgebildet? Bei einer positiven Beantwortung dieser Frage bezüglich des Zustandes des problemlösenden Systems nach Abschluß des eigentlichen Denkvorganges würde sich eine zweite von der ersten zu unterscheidende Frage danach ergeben, ob die Elemente optimaler Algorithmen bei der Lösungsfindung selbst identifizierbar sind. In diesem und dem nächsten Abschnitt soll untersucht werden, ob in den bisherigen Arbeiten zum „Turm von Hanoi" Beiträge zur Klärung dieser Fragen geliefert wurden. Ausgehend von einer Klassifikation optimaler (und auch nichtoptimaler) Algorithmen soll dabei in zwei getrennten Schritten vorgegangen werden. Wird ein optimaler Algorithmus auf den Ausgangszustand oder einen momentanen, schon durch Umformungen erhaltenen, Zustand angewendet, so werden die Merkmale des Zustandes geprüft und eine Operation wird in Abhängigkeit von dieser Merkmalsprüfung bestimmt, die den Zustand in einen neuen Zustand überführt, der objektiv zielnäher ist. Für die angegebenen optimalen Algorithmen läßt sich dabei ein wesentlicher Unterschied feststellen. Die ersten drei Algorithmen führen die Merkmalsprüfung so durch, daß kein Bezug auf das zu erreichende Ziel hergestellt wird. Sie prüfen in jedem Schritt dieselben Merkmale der Zustände und bestimmen die nächste Operation in Abhängigkeit vom Erfülltsein der logischen Bedingungen, ohne daß dieser Vorgang in irgendeiner Weise explizit durch das Ziel beeinflußt wird. Damit unterscheiden sich diese Algorithmen vom vierten angegebenen Algorithmus, was in der Konsequenz darin zum Ausdruck kommt, daß die ersteren nur für die Zustände des optimalen Weges die beste Operation bestimmen, der vierte Algorithmus dagegen dasselbe für beliebige Zustände unter Vorgabe eines beliebigen Zieles leistet. Wir können bei den optimalen Algorithmen daher erstens von einer rein zustandsabhängigen und zweitens von einer zielgebundenen Vorgehensweise sprechen. Die Untersuchung der aufgeworfenen Fragen für die erste Klasse
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von Algorithmen sei logische Analyse genannt. Entsprechend wird sich der nächste Abschnitt mit der heuristischen Analyse beschäftigen. Die Entscheidung darüber, welche Klasse von Algorithmen mehr für den Denkvorgang relevante Elemente enthält, läßt sich durch die unterschiedliche Vorgabe von Hilfen (Algorithmen oder Teilprozeduren von Algorithmen) fällen. KIRCHNER (1964) gab zwei Gruppen von Versuchspersonen wesentliche Teile des ersten bzw. des vierten der angegebenen Algorithmen in verbaler Form als Hilfe. Die Personen der ersten Gruppe (Vorgabe von Teilen des ersten Algorithmus) benötigten danach im Mittel noch vier Einzelversuche, bis sie die optimale Lösung realisieren konnten. Die Personen der zweiten Gruppe beherrschten schon im zweiten Einzelversuch die optimale Lösung. Das deutet darauf hin, daß der vierte Algorithmus mit seinen heuristischen Elementen zumindest für die Mehrzahl der Versuchspersonen dem Denkvorgang adäquater ist als der erste Algorithmus mit seinen rein logischen Elementen. Die logische Analyse sieht sich als erstes vor das Problem gestellt, daß mehrere optimale Algorithmen der ersten Klasse existieren. Sie unterscheiden sich stark in ihren logischen Bedingungen und Operatoren. E s muß also geklärt werden, warum verschiedene optimale Algorithmen existieren können und welche optimalen Algorithmen, wenn das überhaupt möglich ist, in ihren Elementen in Denkprozessen identifizierbar sind. Die Bestimmung der jeweils besten Operation für einen gegebenen Zustand erfolgt auf der Grundlage der Merkmale des Zustandes. Im allgemeinen wird es verschiedene Mengen von Merkmalen geben, die einander im Sinne des konstitutiven und nichtkonstitutiven Mitenthaltenseins von DTTNCKER bedingen und eindeutig die beste Operation bestimmen. Daher werden auch verschiedene Regeln zur Bestimmung der jeweils besten Operation existieren, die sich auf verschiedene Merkmale und Merkmalskombinationen der Zustände beziehen. Damit ist die Existenz verschiedener optimaler Algorithmen erklärt. Ob ein optimaler Algorithmus wesentliche Aspekte eines Denkvorganges enthält, wird folglich davon abhängen, ob die Merkmale, auf die sich der Algorithmus bezieht, im Denkvorgang vom Hintergrund der jeweiligen Problemsituation abgehoben werden. Gleichzeitig ergibt sich, daß verschiedene Algorithmen wesentliche Aspekte der individuellen Denkprozesse bezüglich eines Problems abbilden können. Mit der Beantwortung der oben aufgeworfenen Frage hinsichtlich des ersten Algorithmus beschäftigen sich zwei Arbeiten (RICHTER, 1965; KLIX, 1967). Sie schließen an NETTMANN und SEEBER (1963) an, die berichten, daß einzelne Versuchspersonen die logische Bedingung q (gerade — ungerade) formulieren. E s wurden die relativen Häufigkeiten bestimmt, mit denen die logischen Bedingungen p und q richtig entschieden wurden (Definition von p und q gemäß
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S. 179). Da diese relativen Häufigkeiten im Denkverlauf gegen 1 gehen, wird darauf geschlossen, daß die logischen Bedingungen erworben werden. Eine Klassifikation der Zustände des Materials, der Knoten im Graphen der Aufgabe, in solche Klassen, in denen p und q in gleicher Weise den Entscheidungszug bedingen, wurde folgendermaßen erhalten. Es wurde der Graph G3 betrachtet, der 27 Knoten enthält. Jeder Knoten entspricht dabei einem Graphen für die Scheibenanzahl n = 3. Diese Tcilgraphen können mit einer Minimalanzahl von 7 Zügen durchlaufen werden, wodurch die übereinanderliegenden Scheiben S^, S2, von einem Feld auf ein anderes Feld transportiert werden. Wir betrachten die beiden Wege der Länge 7 durch diese Teilgraphen, die zu dem in diesem Teilgraphen befindlichen Teilziel dritter Ordnung führen. Diese zwei Wege enthalten vier Entscheidungszüge. Im zweiten und vierten Entscheidungszug wird S t auf S 2 gelegt, die Entscheidung wird also durch die Bedingung p bestimmt. Im ersten und dritten Entscheidungszug muß nach der Negation der Bedingung p die Bedingung q geprüft werden, die die auszuführende Operation festlegt. Es wurden die vier relativen Häufigkeiten dafür bestimmt, daß die einzelnen Entscheidungen falsch ausgeführt wurden. Durch Pi, P2, P3, P^ wurden die relativen Häufigkeiten bezeichnet, mit denen die Entscheidung richtig ausgeführt, der kürzeste Weg durch die Teilgraphen nicht verlassen wurde. Die Werte wurden für die verschiedenen Einzelversuche bestimmt und ihre Veränderung wurde in Abhängigkeit von der Nummer des Einzelversuches betrachtet. Für den ersten Einzelversuch wurden die Werte pi = 0,45 P2 = 0,80 P3 = 0,79 P 4 = 0,91 erhalten. Alle Pi nähern sich mit wachsender Anzahl von Einzelversuchen dem Wert 1, den sie etwa im achten Einzelversuch erreichen. Dabei verläuft Pi von unten konvex und P2, P3, Pi sind von unten konkav. Da P i und P 4 im Mittel für alle Einzelversuche größer sind als P± und P 3 , wird von KLIX (1967) gefolgert, daß die Bedingung p leichter erworben wird als die Bedingung q. Über diesen Vergleich der logischen Bedingungen hinaus kann für jeden Einzelversuch geschätzt werden, wie groß der Anteil der \ersuchspcrsonen ist, die die Bedingungen p bzw. q erworben haben. Die Tatsache, daß im zweiten von uns angegebenen Algorithmus die logische Bedingung p eliminiert werden konnte, wirft die Frage auf, ob clie angegebene Interpretation der Veränderung der Werte der P( als Erwerb der zwei unterschiedlichen logischen Bedingungen unzulässig ist oder ob umgekehrt die Eliminierung der logischen Bedingung p in Hinsicht auf den Denkprozeß falsch ist.
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D a sich P2, Pz und P4 für alle Einzelvcrsuche wenig untereinander unterscheiden, aber Pl wesentlich kleiner als , , P^ für alle Einzelversuche ist, ergibt sich noch eine andere Interpretationsmöglichkeit, auf die bei der heuristischen Analyse des Denkprozesses eingegangen werden soll. E s sollen dazu nur noch einige Werte der Pi bereitgestellt werden. Für den dritten Einzelversuch i s t : = 0,50
P2 = 0,88
P3 = 0,88
5. E i n e h e u r i s t i s c h e A n a l y s e d e s
P 4 = 0,94.
Lösungsprozesses
Mit der heuristischen Methode hatten wir uns bei der Analyse des Uberganges zwischen Zuständen eines problemlösenden S y s t e m s bei D T J N C K E P beschäftigt. Sie bestand aus der Situationsanalyse und der Zielanalyse, die zur Anregung von unten und zum Finden eines allgemeinen Lösungsprinzips führen. D a eine heuristische ¡Methode zur Veränderung des Zustandes eines problemlösenden S y s t e m s führen kann, wird sie nur über diese Veränderung, also über ihre Wirkung identifizierbar. Zusätzliche Hinweise über die heuristische Methode selbst, als nicht auf das Problem konkret bezogene Methode, lassen sich durch verbale Angaben der Versuchspersonen erhalten. Die wesentlichen Grundzüge der Situationsanalvse und der Zielanalyse hatten wir bei den Simulationsprogrammen wieder angetroffen. Im R a h m e n der heuristischen Programmierung wurde eine Formalisierung heuristischer Prinzipien angestrebt, die zum Begriff des heuristischen Programms mit seinen unterschiedlichen Definitionen führte. Dabei ist zu beachten, daß von manchen Autoren die Schaffung künstlicher Intelligenz mit in die heuristische Programmierung einbezogen wird ( N A P A L K O W , 1967). Das bedeutet, daß die heuristischen Programme nicht immer als Theorien des Problemlösens angesehen werden können und daß manche Autoren auch gar nicht diesen Anspruch erheben. I m Rahmen der heuristischen Programmierung wird der Begriff des heuristischen Programms von dem des Algorithmus abgegrenzt. Während ein Algorithmus eindeutig definiert, auf eine Menge von Ausgangssituationen anwendbar sein und immer zu einer Zielsituation führen muß, wird einem heuristischen Programm zugestanden, daß es nicht immer ein gefordertes Resultat liefert. In diesem Sinne ist das O P S - P r o g r a m m ein heuristisches Programm. Die Bedingungen, unler denen das G P S - P r o g r a m m immer zu einer Zielsituation führt, wurden von B A N E R J I (1967) untersucht. Von manchen Autoren wird auch zugelassen, daß in einem heuristischen Programm an manchen Stellen darauf verzichtet wird, die Arbeitsweise eindeutig festzulegen. E s werden also probabilistische Entscheidungen verwendet.
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Wird ein heuristisches Programm für Aufgaben über einem Graphen betrachtet, so kann man es auch dadurch charakterisieren, daß es eine Suchraumeinschränkung (MLNSKY, 1961) erzeugt. Das sind alles Eigenschaften, die für einen Programmierer wesentlich sind. Für die Denkpsychologie sind die Definitionen von SIMON (1967) und NAPAL-
KOW (1967) interessant. Danach soll ein heuristisches Programm Prozeduren enthalten, die als elementare informationsverarbeitende Prozesse beim Menschen identifizierbar sind. Die heuristische Programmierung kann daher dahingehend für unsere Überlegungen nützlich sein, daß wir heuristische Programme oder Algorithmen, die dasselbe wie der Mensch bezogen auf eine spezielle Aufgabe leisten, analysieren und deren Elemente im Denkprozeß zu identifizieren versuchen. Der vierte Algorithmus könnte in diesem Sinne als Ausgangspunkt einer heuristischen Analyse des Lösungsprozesses verwendet werden. Er trägt hierarchischen Charakter dadurch, daß er in verschiedenen Abstraktionsebenen arbeitet und zeichnet sich damit vor den anderen Algorithmen aus. Die Versuchsergebnisse von KIRCHNER, die wir anführten, begründen auch die Auswahl dieses Algorithmus. Auch andere Yersuchsergebnisse, die hier diskutiert werden sollen, weisen darauf hin, daß dieser Algorithmus den denkpsychologischen Ergebnissen besser gerecht wird als die ersten drei Algorithmen. So erlaubt er als einziger die optimale Überführung eines beliebigen Zustandes in den Zielzustand, während die restlichen Algorithmen nur bezüglich einer Teilmenge M der Zustandsmenge Z optimal sind. Versuchspersonen, die den optimalen Weg realisieren konnten, waren aber auch in der Lage, aus beliebigen Zuständen in minimaler Zuganzahl das Ziel zu erreichen. Unser Vorgehen wird darin bestehen, die heuristischen Elemente des vierten Algorithmus zu suchen und nach ihrer Identifizierbarkeit im Denkprozeß zu fragen. Sind diese heuristischen Elemente (im Gegensatz zu den logischen Elementen, wie wir sie im Rahmen der logischen Analyse betrachtet haben) im Denkprozeß zu identifizieren, so kann gefragt werden, in welcher Reihenfolge sie zeitlich gesehen im Denkprozeß vorzufinden sind. Die Ergebnisse von KBAMEE. zeigen, daß die Versuchspersonen in unterschiedlicher Anzahl von Einzelversuchen zur optimalen Lösung gelangen. Es ist also nicht zu erwarten, daß den heuristischen Elementen des vierten Algorithmus absolute Zeitpunkte im Denkprozeß zugeordnet werden können. Weiter ist nicht zu erwarten, daß alle Elemente im Denkprozeß identifizierbar sind, und daß die Elemente, die identifiziert werden können, in derselben Weise im Denkprozeß verknüpft sind, wie sie es im vierten Algorithmus sind. Im vierten Algorithmus sind für jeweils zwei beliebige Zustände Unterschiede definiert, die sich auf die Lage der einzelnen Scheiben beziehen. Daß diese
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Unterschiede in der Reihenfolge von der größten Scheibe anfangend geprüft werden, bedeutet eine Anordnung der Unterschiede. Für je zwei Zustände (den momentanen Zustand und den Zielzustand) wird in jedem Schritt der größte Unterschied bestimmt. Es wird dann gefragt, ob dieser Unterschied behoben werden kann, d. h. ob die entsprechende Operation anwendbar ist. Wenn das möglich ist, wird der Unterschied beseitigt und der nächstgrößte Unterschied gesucht. Im Alternativfall wird der nächste Zustand „vorwegnehmend" erzeugt, in dem dieser Unterschied beseitigt werden kann. Dieser Zustand wird als Teilziel verwendet. Das heißt, daß wieder der größte Unterschied des momentanen Zustandes zu diesem Teilziel gesucht wird. Im weiteren wiederholt sich der Zyklus solange, bis das Ziel erreicht ist. Die wesentlichen heuristischen Elemente sind also: Aufsuchen des größten Unterschiedes zwischen momentanem und Zielzustand; Versuch der Beseitigung des Unterschiedes; Erzeugung des nächsten Zustandes, in dem der Unterschied beseitigt werden kann; Ersetzung des Zieles durch den erzeugten Zustand, das Teilziel. Als nächstes soll versucht werden, eine Verbindung zu den heuristischen Methoden von D U N C K E R herzustellen. Die Bestimmung des größten Unterschiedes erinnert an die Bestimmung des (wesentlichsten) Materialmoments bei D T J N C K E R . Die Suche und das Finden einer Operation, die sofort diesen Unterschied behebt, entspricht der Anregung von unten. Die interne Erzeugung eines Teilzieles entspricht der Konfliktanalyse, in der die Konfliktmomente bestimmt werden. In den Arbeiten, auf die wir uns hier beziehen, wurden heuristische Elemente vor allem an Hand verbaler Angaben der Versuchspersonen identifiziert. Aussagen wie „man muß immer von unten her bestimmen", also von der größten Scheibe ausgehen, zeigen, daß die Unterschiede zwischen Zuständen angeordnet werden. In Zuständen des Materials, die die Form ak = a^^j = • • • = an = C und a i — a2 = ' ' ' = ak~ 1 4= C haben, werden Aussagen protokolliert wie „der Haufen % bis ak_ 1 muß jetzt nach C" oder „der Haufen der Scheiben a^ bis ak_2 muß auf das freie Feld, damit Sk_1 von ak_i nach ak gelegt werden kann". Damit wird ein Teilziel des Graphen Gn_k explizit genannt. Durch verbale Angaben, besonders bei Beginn eines neuen Einzelversuches, wo wieder alle Scheiben auf Feld A liegen, wird angezeigt, bis zu welcher Ordnung Teilziele ausgebildet werden. Dabei zeigt sich, daß erst die Teilziele erster Ordnung genannt werden und dann die zweiter und dritter Ordnung zu Beginn späterer Einzelversuche. Übereinstimmend berichten alle Autoren nur die Angabe von Teilzielen bis zur dritten Ordnung. Die Elemente des vierten Algorithmus, die oben zusammengestellt wurden, zeigen sich also in den verbalen Angaben der Versuchspersonen. Dabei ist
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aber festzustellen, daß nur Teilziele bis zur dritten Ordnung angegeben werden. Das bedeutet, daß innerhalb der Knoten von nicht nach dem Algorithmus vorgegangen wird. Bevor wir auf dieses Problem eingehen, sollen die Aussagen über die Zeitpunkte, zu denen Teilziele angegeben werden, referiert werden. RICHTER ( 1 9 6 5 ) berichtet, daß nach dem dritten Einzelversuch das Teilziel erster Ordnung angegeben wird. K L I X und GOEDE ( 1 9 6 8 ) versuchen, von daher über den erwähnten Ansatz mit einer Exponentialfunktion eine allgemeine Aussage abzuleiten, indem sie vermuten, daß bis zum Wendepunkt das Teilziel erster Ordnung im Denkprozeß wirksam wird. Sie stützen diese Aussage damit, daß der Graph, als Suchraum im Sinne von MlNSKY ( 1 9 6 1 ) aufgefaßt, durch die Wirkung der Teilziele erster Ordnung am stärksten eingeschränkt wird, und daß daher dieser Zeitpunkt mit dem Zeitpunkt des maximalen Lernanstieges, der Ableitung der Exponentialfunktion, zusammenfallen müßte. Eine weitere allgemeine Aussage darüber, ob die Teilziele erster bis dritter Ordnung sukzessiv oder auch simultan wirksam werden, geben K L I X und GOEDE ( 1 9 6 8 ) an. Aus den Wegen, die in den Einzelversuchen realisiert wurden, schätzten sie die Häufigkeiten ab, mit der die Teilziele wirksam waren. Den Teilzielen erster bis dritter Ordnung wurden dann Zustände einer Markoffkette zugeordnet, für die die Ubergangswahrscheinlichkeiten durch relative Häufigkeiten abgeschätzt wurden. Von daher weisen sie nach, daß die Teilziele zweiter und dritter Ordnung nach dem vierten Einzelversuch sowohl simultan als auch sukzessiv wirksam werden. Die Überlegungen wurden von K L I X und GOEDE in Anlehnung an die Mehrstufenmodelle der Begriffsbildung durchgeführt. Es wird angenommen, daß der Realisierung der Teilziele in den Einzelversuchen Bekräftigungscharakter zukommt, so daß diese mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten im nächsten Einzelversuch wirksam werden. Die Entscheidung darüber, ob die Teilziele wirksam sind, wird operational durchgeführt, indem gesagt wird, daß sich die Wirkung von Teilzielen darin zeigen muß, daß sie perzeptiven Gruppierungstendenzen entgegenwirken. Dieses Vorgehen erinnert an den Versuch WERTHEIMERS (1945), die Einsicht durch die Verwendung von A- und B-Aufgaben operational zu definieren. Daß innerhalb der Knoten von G3, vorsichtig formuliert, andere Prozesse ablaufen, zeigt sich darin, daß schon vor dem Zeitpunkt, zu dem die Teilziele zweiter und dritter Ordnung wirksam werden, in den Knoten, die einem Graphen für n = 3 entsprechen, die Operationen nicht regellos von den Versuchspersonen ausgewählt werden. Das zeigen die Werte der an, die unter Abschnitt 4 angegeben wurden. Wie sind die großen Werte von P2, P3 und P4 im Gegensatz zu zu interpretieren? Die Pt geben die relativen Häufigkeiten an, mit denen die kürzesten Wege durch die Knoten von G3 nicht verlassen werden. Diese Wege entsprechen dem Transport der übereinander-
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liegenden Scheiben SL, S2, S3 von einem Feld auf ein anderes Feld. Dabei werden die Scheiben ¿ 1 , S2 zweimal von einem Feld auf ein anderes Feld gebracht. Die Entscheidungen 2 und 4 bedeuten auf den kürzesten Wegen jeweils den Abschluß des Transports von Si, S2. Dabei wird Si auf S2 gelegt. Die großen Werte von P2 und P4 zeigen also, daß die Entscheidungen 2 und 4 auf den kürzesten Wegen in wahrscheinlichkeitstheoretischem Sinne von den letzten voraufgegangenen Entscheidungen abhängig sind. Das bedeutet, daß die drei Züge, die den Transport von S i und S 2 ergeben, in einer festen Sukzession gelernt werden, es kann von einer Strategie der Zweischeibenregel gesprochen werden. Die Entscheidung 3 innerhalb der Knoten von G3 bedingt, wohin-die Scheiben JSX , S2 im zweiten Transport gelangen. Bei einem Verbleiben auf dem kürzesten Weg muß dazu dahin gelegt werden, wo nicht £3 liegt. Dieser Ausgang der dritten Entscheidung zusammen mit den Ausgängen der Entscheidungen 2 und 4 (»Si wird auf S2 gelegt) realisieren einen kürzesten Weg in den Knoten von G 3 . Das Produkt der Häufigkeiten P2 und P3 und P 4 ergibt somit die relative Häufigkeit, mit der sieben Züge in einer festen Sukzession ausgeführt, also die kürzesten Wege realisiert werden. Dieses Produkt ergibt für den dritten Einzelversuch den Wert 0,73, d. h. 7 3 % der Versuchspersonen haben im dritten Einzelversuch innerhalb der Knoten von G3 Zugfolgen erlernt, sie beherrschen die Dreischeibenregel. Die relative Häufigkeit von U,73 zeigt, daß dieser Lernprozeß im dritten Einzelversuch noch nicht abgeschlossen ist, im Gegensatz zu entsprechenden Aussagen von RICHTER (1965). Auch KLIX und GOEDE (1968) geben die Ausbildung der Dreischeibenregel für dieselbe Population vor dem Wendepunkt der Exponentialfunktion, also vor x = 2,4 an. Die Ausbildung der Zwei- und Dreischeibenregel zeigt das Ablaufen von Lernprozessen an, die das Ergebnis haben, daß nicht mehr einzelne Operationen ausgewählt werden, sondern daß drei bzw. sieben Operationen zu einer neuen Operation zusammengefaßt werden. Das läßt sich strukturell in Abgrenzung zur Arbeitsweise des vierten Algorithmus wie folgt formulieren: Der angegebene Algorithmus beruht darauf, daß jeder Zustand nur in bezug zu Teilzielen gesehen wird. D a s heißt, daß jeweils die L a g e der kleinsten n — k Scheiben vernachlässigt wird. Das führte zur Konstruktion der Graphen Gk, in denen die heuristischen Elemente des Algorithmus enthalten sind. Die Knoten der Graphen Gk entstanden dadurch, daß Zustände mit gleicher L a g e der k größten Scheiben zusammengefaßt wurden. Zu ganz anderen Graphen führen die Lernprozesse, die innerhalb der Knoten der Gk ablaufen. Wenn nur solche Wege im Graphen für n Scheiben betrachtet werden, bei denen jeweils die zwei kleinsten Scheiben in fester Sukzession bewegt werden, so erhält man einen Graphen G\, der nur Knoten enthält, denen Zustände
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mit at = a2 entsprechen. Die Kanten in diesem Graphen entsprechen entweder einer Veränderung von aL und a2 zugleich oder der Veränderung eines der a 3 , a5 oder aß. Die Anzahl der Knoten in diesem neuen Graphen ist gleich 3 5 . Entsprechend läßt sich der Erwerb der Dreischeibenregel als Ausbildung eines Graphen G'2 mit 3 4 Knoten beschreiben, für die = a2 = a3 gilt. Die Kanten bedeuten entweder die Veränderung von ai und a2 und a 3 zugleich oder die Veränderung von a 4 oder a5 oder a6. Die entstehenden Graphen haben die Struktur des Graphen der Aufgabe für n = 5 bzw. n = 4. Mit den Lernprozessen in den Knoten der Gk ist also eine Reduktion des Graphen für n = 6 auf die Graphen mit n = 5 bzw. n = 4 verbunden. Da diese Reduktion auch als Suchraumeinschränkung wirksam wird (GOEDE, 1966; KLIX, GOEDE, 1968), kann auch hierbei von einem heuristischen Vorgehen gesprochen werden. Da dieses Vorgehen lokal auf die Knoten von Gk beschränkt ist, wird es als lokale Strategie bezeichnet, während die Rildung der Teilziele und der Graphen Gk globale Strategie genannt wird (KLIX, SYDOW, 1967).
Die heuristische Analyse des Lösungsprozesses zeigt, daß der Denkprozeß mit zwei Klassen von Graphen Gk und G'k, die aus dem Graphen der Aufgabe abgeleitet werden können, eng verbunden ist. Die Konstruktion der Graphen Gk und G'k ist für beliebige Graphen durchführbar, die aus Teilgraphen bestehen, welche untereinander durch genau eine Kante verbunden sind. Es ist zu vermuten, daß Denkprozesse, in denen Probleme über solchen Graphen gelöst werden, Gemeinsamkeiten zeigen, die durch die Struktur der Graphen bedingt sind. Hinsichtlich der Strenge der Aussagen, die in der quantitativen, logischen und heuristischen Analyse erhalten wurden, sind Bedenken zu äußern. Alle Aussagen, die durch eine Mittelung von Statistiken für Einzelversuche mit gleicher Nummer gewonnen wurden, gehen von der Annahme aus, daß sich alle Versuchspersonen im A:-ten Einzelversuch (k = 1, 2, 3, . . .) als problemlösende Systeme im gleichen Zustand befinden. Diese Annahme ist eine besonders starke Voraussetzung, wenn man bedenkt, daß die Wege, die in den Einzelversuchen von den Versuchspersonen realisiert wurden, im Graphen unterschiedlich lokalisiert sind. Von daher ist auch zu erklären, daß in den diskutierten Arbeiten nicht die Abhängigkeit von den durch die Versuchspersonen realisierten Operationsfolgen untersucht wurde. 6. E i n a l l g e m e i n e s M o d e l l d e r
Informationsverarbeitung
In den bisherigen Abschnitten wurde über Analysen des Lösungsprozesses berichtet, die eng-an die Aufgabe, den „Turm von Hanoi", gebunden sind. Im letzten Abschnitt wurde schon eine Vermutung dahingehend ausgesprochen,
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daß Verallgemeinerungen der Ergebnisse auf eine größere Klasse von Aufgaben möglich sind. Eine andere allgemeine Blickweise entwickelt KLIX (1968), indem er sagt, daß sich gerade bei der Analyse der Lösungsprozesse bezüglich des Turms von Hanoi eine geschlossene Darstellung des Zusammenwirkens der Wahrnehmung, von Komponenten der Begriflsbildung und von komplexen kognitiven Prozessen durchführen läßt. In einer Arbeit von KLIX und SYDOW (1967) wurde ein allgemeines Modell entwickelt, das die Beziehungen zwischen verschiedenen kognitiven Leistungen herstellt und sich dabei in den Aussagen zu einem gewissen Grad von der speziellen Aufgabe löst. Der Allgemeinheitsgrad dieses Modells führt dazu, daß manche Aussagen hypothetischen Charakter besitzen. Die vorliegende Arbeit wird aber zeigen, daß diese allgemeinen Aussagen eine gute Arbeitsgrundlage darstellen, indem sie Fragestellungen anregen, die experimentell geprüft werden können. Eine weitere Folgerung des Allgemeinheitsgrades des Modells ist, daß die Begriffe Zustand eines problemlösenden Systems, Übergänge zwischen Zuständen und Beziehung zwischen Zustand und Verhalten eines problemlösenden Systems nur in ihren wesentlichen Grundzügen analysiert werden und daß keine konkreten Vorhersagen für einzelne Lösungsprozesse abgeleitet werden. Das kann aber als generelle Folgeerscheinving allgemeinerer Theoriebildungen angesehen werden. In diesem Modell wird ein Zustandsbegriff entwickelt, der die Forderungen von Abschnitt 1.6 erfüllt. Es werden Aussagen darüber gemacht, in welcher Richtung sich der Zustand eines problemlösenden Systems verändert. Für die Beziehungen zwischen Zustand und Verhalten wird ein allgemeines Entscheidungsmodell entworfen. Im Anschluß an die unter Abschnitt II.5 entwickelten Begriffe wird der Zustand eines problemlösenden Systems durch die Graphen Gk und G'k definiert, die zu den einzelnen Zeitpunkten des Lösungsprozesses die intern repräsentierte subjektive Problemstruktur als Gegenstück zu der unter Abschnitt I I . l entwickelten objektiven Problemstruktur darstellen. Da die Knoten der Graphen Gk durch die Kombinationen der Werte bestimmter Merkmale ak definiert sind, ist damit die Wirkung begriffsanaloger Klassifizierungen der Zustände des Materials nachgewiesen. Der Zustand eines problemlösenden Systems wird also durch den Grad der Ausbildung der lokalen und globalen Strategien bestimmt. Das führt zur Angabe der Richtung, in der sich der Zustand eines problemlösenden Systems verändert. Sukzessiv oder simultan erfolgt im Rahmen der globalen Strategie die Ausbildung der Graphen Gk und im Rahmen der lokalen Strategie die Erzeugung der Graphen G'k. Daß die Ausbildung der Graphen Gk und G'k zur Lösung der Aufgabe führt, läßt sich wie folgt zeigen. Dazu bezeichnen wir die nicht reduzierten Graphen der Aufgabe für n Scheiben mit Hn. 13 Z. Psychologie 177
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Z. Psychol. B d . 177 ( 1 9 7 0 ) H . 3 / 4
Die Ausbildung von Gt bedeutet, daß die Knoten a6 = A, a6 = B, ag = C gebildet werden. Zusammen mit den unter Abschnitt I I . l definierten Kanten KAB, KAC und KBC wird dadurch ein Graph vom Typ HY gebildet, dessen Knoten Graphen vom Typ H§ darstellen. (Wir sagen, daß ein Graph A vom Typ B ist, wenn die Graphen A und B im Sinne der Graphentheorie äquivalent sind.) Entsprechend führt die Ausbildung von C2 zur Betrachtung der neun Knoten, bei denen die Kombinationen der Merkmale a5 und a 6 festgehalten sind. Zusammen mit entsprechenden Kanten entsteht dadurch ein Graph vom Typ i / 2 , dessen Knoten vom Typ // 4 sind. Allgemein ist also Gk ein Graph vom Typ Hk, dessen Knoten vom Typ
trachtet werden. Die Kanten zwischen diesen Knoten werden entweder durch eine Sukzession von drei Zügen (Transport von Si und £2) als neue Operation oder durch eine einzelne Operation (Transport einer der vier größten Scheiben) gebildet. Es entsteht ein neuer Graph G[, der vom Typ i/5 ist. Mit der Ausbildung von G2 werden Knoten mit a^ = a2 = betrachtet. Die Kanten entsprechen entweder einer Sukzession von sieben Zügen (Transport von Si bis ¿'3) oder einer Operation des Graphen H 6 (Transport einer der größten drei Scheiben). Der Graph G"2 ist also vom Typ H$. Allgemein ist G'k ein Graph vom Typ Hn_k, dessen Knoten Zustände mit ai = a2 = ' - ' = ak+i sind. Die globale Strategie, die Ausbildung der Graphen Gk, führt dazu, daß für jeden momentanen Zustand die beste Operation innerhalb der Knoten von Gk, also in Graphen vom Typ Hn_k gesucht wird. Diese Knoten werden aber durch die lokale Strategie, durch die Ausbildung der Graphen G'k, ebenfalls, in neue Graphen überführt, indem Operationen höherer Stufen gebildet werden, sie bleiben aber dabei vom Typ Hl mit einem bestimmten l. Die simultane Wirkung von globaler und lokaler Strategie kann dadurch dargestellt werden, daß wir jeweils den Typ Hk bestimmen, den die Knoten der Gk besitzen. Dazu legen wir fest, daß G0 den Zustand vor Ausbildung von G\ bezeichnet. Entsprechend ist G'0 definiert. Tabelle I
Tabelle II
H. SYDOW, Metrische Erfassung von subjektiven Problemzuständen
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Die Tabellen geben erstens den Typ der Knoten an, wenn eine Kombination Ck, G[ vorliegt, und zweitens geben sie für jeden Graphen Gk den Typ an, der von der lokalen Strategie, also von den G[ nicht beeinflußt wird. Allgemein sind die Knoten der Graphen Gk bei Vorliegen einer lokalen Strategie G[ vom Typ Hn_k_l. In diesen Knoten wird jeweils für einen momentanen Zustand die beste Operation gesucht. Da die Knoten bis zum Typ H2 reduziert werden (Dreischeibenregel und Teilziele zweiter Ordnung), kann die jeweils beste Operation leicht bestimmt werden. Damit ist von KLIX und SYDOW ein allgemeines algebraisches Modell für den Lösungsprozeß entwickelt worden. Es werden aber dabei Voraussetzungen gemacht, die näher betrachtet werden müssen. Wenn angenommen wird, daß nacheinander die Graphen Gk ausgebildet werden, dann heißt das, daß jeweils nacheinander in einem Schritt alle Teilziele erster, zweiter bzw. dritter Ordnung wirksam werden. Es kann aber durchaus sein, daß ein Teilziel Ar-ter Ordnung schon im Entscheidungsprozeß wirksam ist, daß aber manche Teilziele (k — l)-ter Ordnung noch nicht ausgebildet wurden. Entsprechend können in manchen Bereichen schon jeweils sieben Züge zu einer Operation höherer Ordnung zusammengefaßt werden, während in anderen Teilen des Graphen der Aufgabe noch nicht die Zweischeibenregel erworben wurde. Darüber hinaus werden über die Auswahl von Operationen in den Knoten, die Graphen vom Typ Hn_k_l sind, keine Aussagen gemacht, während die Versuchsergebnisse anzeigen, daß keine rein zufällige Operationsauswahl in den Graphen Hn_k_l stattfindet. Außerdem müssen Datenerhebungsmethoden aufgezeigt werden, die den Nachweis der erwähnten algebraischen Strukturen in der subjektiven Problemstruktur zu erbringen gestatten. Die subjektive Problemstruktur, die entsteht, wenn die Gk und G't nicht systematisch einheitlich ausgebildet werden, ist nun algebraisch nicht mehr übersichtlich formulierbar. Es muß daher eine andere mathematische Beschreibungsebene gesucht werden, in denen Strukturen beschrieben werden können, die als Spezialfälle die angegebenen algebraischen Strukturen enthalten. Auch die Suche nach einer Datenerhebungsmethode erfordert den Ubergang zu einer allgemeineren mathematischen Beschreibungsebene, damit nicht eine spezielle Methode gewählt wird, die keine Alternative zu den angegebenen algebraischen Strukturen als Versuchsausgänge zuläßt. Diese mathematische Beschreibungsebene kann auch nicht mehr rein algebraischen Charakter besitzen, da angenommen werden muß, daß die Versuchsergebnisse probabilistischen Charakter besitzen. Zugleich ist es wünschenswert, daß die gesuchte mathematische Beschreibungsebene metrischen Charakter besitzt, damit quantitative Aussagen gewonnen werden können. Die algebraische Betrachtung verallgemeinernd könnte versucht werden, im Bereich der Quasihalbordnungen, die unter Abschnitt I I . l für Teilmengen 13*
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von Zuständen definiert wurden, eine Beschreibung zu suchen. Diese neue Betrachtungsweise wird auch dadurch erfolgversprechend, daß der vierte Algorithmus zumindest in seinen Elementen im Denkprozeß identifiziert werden konnte. Dieser Algorithmus bestimmte aber für jeden momentanen Zustand seine Ordnung als Teilziel, damit seine Zugehörigkeit zu einer Menge Tt und zugleich die beste Operation, die die Überführung des momentanen Zustandes in einen Zustand von Ti_1 ermöglichte. Die Mengen Tt bilden aber eine wohlgeordnete Menge. Um auch die probabilistische Natur der Versuchsergebnisse zu berücksichtigen, wird folgende Festlegung getroffen ( S Y D O W , 1968): Jedem Zustand des Materials wird eine reelle Zufallsgröße mit endlichem Erwartungswert und endlicher Varianz zugeordnet. Diese Zufallsgröße repräsentiert für jeden Zustand z das subjektive Abbild des objektiven Zielabstandes f(z). Die Abbildung der Zustände in eine Menge von Zufallsgrößen wird als subjektiver Zielabstand bezeichnet. Der zeitlich veränderliche subjektive Zielabstand wird zur Definition des Zustandes eines problemlösenden Systems verwendet. Er hat die Bedeutung einer stochastischen Bewertungsfunktion, für die im Abschnitt 1.6 durch Beispiele nachgewiesen wurde, daß sie zur Abbildung von Ergebnissen der denkpsychologischen Analyse geeignet ist, und daß sie im Sinne der Überlegungen des Abschnittes 1.1 als sehr differenziert zu bezeichnen ist. Ahnlich wie die Funktion f über Z eine Quasihalbordnung über Z erzeugte, definiert der subjektive Zielabstand eine Quasihalbordnung über Z. Für zwei Zustände Zy und z2 aus Z seien und f 2 die zugeordneten Zufallsgrößen. Wir definieren: zi
i i z2 (bzw.
f 2 ) genau dann, wenn für jedes reelle a gilt:
Man kann fordern, daß für jedes Paar zt, z2 wenigstens eine der Relationen zl ;> z2 oder z2 Zi gilt, daß der subjektive Zielabstand über Z eine Quasiordnung erzeugt. Das ist z. B. erfüllt, wenn alle Zufallsgrößen, die den Zuständen zugeordnet werden, normalverteilt sind und dieselbe Varianz besitzen. Ausgehend von dieser Quasihalbordnung über Z kann eine Quasihalbordnung über der Potenzmenge von Z definiert werden: Zt Z2 genau dann, wenn für alle Zy, z2 mit Zy £ Zy und z2 £ Z2 gilt Zy ;> z 2 . Die Bewertungsfunktion, der subjektive Zielabstand, kann auch als Spezialfall eine nichtprobabilistische Quasihalbordnung über Z und über der Potenzmenge von Z erzeugen. Wir definieren: z i Q z2 genau dann, wenn P {l-y < f 2 } = 1 giltEntsprechend soll für Teilmengen Zy, Z2 die Beziehung Zy Q Z2 gelten genau dann, wenn für alle z t , z2 mit zi £ Zy und z2 £ Z2 gilt ZyQ z 2 .
H. SYDOW, Metrische Erfassung v o n subjektiven Problemzuständen
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Speziell können wir annehmen, daß der subjektive Zielabstand einer einzelnen Versuchsperson durch eine Zerlegung (Z t , Z 2 , • . ., Zm) von Z gegeben ist mit 1. Z i Q Z
i + i
für alle i = 1, 2, . . ., m — 1 und
2. J P{|(z 1 )>i(2 2 )} = p 1 2 ;
0t.4 b) Aus der im n-ten Schritt bekräftigten Hypothese H0 6 möge nach folgendem Prinzip (wir haben es Minimalprinzip genannt) die Hypothese H' G im (n + l)-ten Schritt gebildet werden: Ist (2)
a n = 6t und gibt es irgendein k und ein Zmax derart, daß gilt:
(3)
ak, afc+i>
• • •> ak+imSiX = h-;max,
bi-i
max+i>
• • •> bi,
dann ist die neue Hypothese: Dabei ist 1 2 sinnvoll. E s ist sofort einleuchtend, daß nun die Bekräftigung für den Wechsel dieser Strategie keine Rolle mehr spielt. Das setzt voraus, daß die dargebotene periodische Folge in der Instruktion nicht als Fiktivziel angegeben wurde. Ist in der dargebotenen Folge tatsächlich keine Periode enthalten dann wird die ständige Nichtbekräftigung der Hypothesen schließlich doch einmal zum Wechsel der B-Strategie führen. Nehmen wir den Fall an, daß in der dargebotenen Folge eine Periodizität enthalten ist, dann führt die Nichtbekräftigung einer Hypothese nicht zum Wechsel der Strategie, sondern zum Wechsel der der Hypothese zugrunde gelegten und aus der Eingangsinformation bestimmten Periode. Wie die neue Hypothese dann zu bilden ist, wird durch die ß-Strategie genau vorgeschrieben. Wir betrachten dazu das Beispiel auf S. 209: Im Schritt n = 3 ist die Hypothese 0101 (Periode 01) prädiktiert worden. Das jetzt darzubietende Symbol a3 = 1 bekräftigt die Hypothese nicht. Unter Anwendung der B-Strategie wird im 4. Schritt als neue Hypothese 0110 (Periode 011) gewählt, da a 1 ; . . ., 2 ; g = 3, n> 3; q = i, n > 4)
der von den Versuchspersonen gewählten Hypothesen richtig" ist. Danach wäre zu erwarten, daß z. B . die Auftrittswahrscheinlichkeit der /^-Strategie mit steigender Zahl q absinkt. Es wird zu prüfen sein, ob sich auch die Übergangswahrscheinlichkeiten der Matrix 9Ji ändern. Wir haben die Folgen C bis F verwendet. Es wurde den Versuchspersonen mitgeteilt, welche Symbole auftreten werden. Bei der Darstellung der Versuchsergebnisse beschränken wir uns auf die theoretischen Verläufe (Abb. 8, 9 und 10). Die Bestimmung der Ubergangswahrscheinlichkeiten a bis 8 erfolgte wiederum durch iterative Anpassung. Die Iteration wurde nach E r reichen einer hinreichend guten Approximation abgebrochen. Die Güte der
W. KRAUSE, Komponentenanalyse in einfachen Problemlösungsprozessen
219
Anpassung wurde mit Hilfe des K u l l b a c h - 2 J - T e s t e s geprüft. F ü r die vier Folgen geben wir die Übergangswahrscheinlichkeiten und die I r r t u m s w a h r scheinlichkciten in nachfolgender Tabelle wieder.
Abb. 9. Theoretische Auftrittswahrscheinlichkeit der .B-Strategie als Funktion der Schrittzahl n mit der Zahl der unterschiedlichen Symbole q als Parameter (Gleichung (23), q = 2, / i > 2 ; g = 3, n > 3 ; g = 4, n > 4 )
Abb. 10. Theoretische Auftrittswahrscheinlichkeit der ¿'-Strategie als Funktion der Schrittzahl n mit der Zahl der unterschiedlichen Symbole q als Parameter (Gleichung (24Ì, q = 2, n > 2; q — 3, n > 3 ; g = 4, rc > 4)
220
Z. Psychol. Bd. 177 (1970) H. 3/4
Die in K l a m m e r n stehenden Werte bezeichnen die Freiheitsgrade. Tabelle I. Übergangswahrscheinlichkeiten und Irrtumswahrscheinlichkeiten der Folgen C bis F Übergangswahrscheinlichkeiten Folge
a
ß
y
S
C D
0,05
0,65
0,15
0,60
E F
0
0,65
0
a* 0,15
0,70
0,15
Irrtumswahrscheinlichkeilen der Strategien
F
B
« % (5)
90% (5)
9 9 % (10) 97,5% (10)
2 0 % (4) 10% (4)
8 7 % (10) > 9 5 % (10)
S > 9 9 % (10) 9 0 % (10) 60 (10) 8 7 % (10)
Die geringen Irrtumswahrscheinlichkeiten der Folgen E und F für die ^ - S t r a t e g i e sind evtl. durch die geringe Anzahl der Iterationsschritte bedingt. Sie beeinflussen die endgültige Aussage jedoch k a u m , da die Auftrittswahrscheinlichkeiten der F-Strategie, wie eingangs erwartet, klein sind. Wir haben in den A b b . 8, 9 und 10 die theoretischen Verläufe der Auftrittswahrscheinlichkeiten der drei Strategien für die Folgen A bis F noch einmal zusammengestellt. Die Zahl der unterschiedlichen Symbole q geht dabei als Parameter ein. Mit wachsender Zahl q sinkt die Auftrittswahrscheinlichkeit der /''-Strategie ab. Dagegen wird die Steilheit für die Funktionen der S- und der BStrategie größer. Wenn man bedenkt, daß die Gleichungen (22), (23) und (24) bei q = 3 für n > 3 und bei q = 4 für n > 4 gelten, wird diese Aussage auch verständlich. Wir wollen das am Beispiel der ^ - S t r a t e g i e verdeutlichen. Die Versuchspersonen beginnen erst dann mit der Bildung der kürzest möglichen Periode, die sie zur Prädiktion weiter verwenden, wenn alle oder f a s t alle unterschiedlichen Symbole wenigstens einmal aufgetreten sind. I m Prinzip ließen sich die Auftrittswahrscheinlichkeiten der Strategien auch für q > 2 so formalisieren, daß nicht für jedes q die Parameter a bis 0 1. Symbol der Periode o 0010 -* 1 J? » Q 01 0 )) M » 4 1010 0 f; 1 00 55 55 55 Um z. B. das 1. Symbol der Folge richtig zu prädiktieren, muß eine Kette von 3 Symbolen im Gedächtnis behalten werden. Dagegen ist zur Prädiktion des 2. Symbols eine Kette von 5 Symbolen notwendig. Auf Grund dieser Eigenschaft, daß zur richtigen Prädiktion eines Ereignisses an der entsprechenden Stelle unterschiedlich lange „Kettchen" im Gedächtnis behalten werden müssen, können wir erwarten, daß die Prädiktionswahrscheinlichkeit des 1., 3. und 5. Symbols einer Periode größer ist als die des 2. und 4. Symbols.
Abb. 18. Auftrittswahrscheinlichkeit der ersten der vier prädiktierten Symbole, das auch gleichzeitig bekräftigt wurde, als Funktion der Schrittzahl n Folge G : 0 1 0 0 1 : gedächtnisabhängiger Fall theor.: theoretischer Verlauf nach (47)
In Abb. 18 ist die Prädiktionswahrscheinlichkeit des ersten richtigen Symbols als Funktion der Schrittzahl n für die Folge G dargestellt, unabhängigdavon, welche Strategie zur Prädiktion benutzt wurde. Bis zum Schritt w = l + 3 werden unter Anwendung der .B-Strategie 2 Fehler prädiktiert, und zwar an den Stellen n = 4 und n = 7: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 dargebotene Ereignisse 0 1 0 0 1 0 1 0 0 1 0 1 - - prädiktierte Ereignisse 0 1 1 0 0 0 0 1 0 1 - - -
240
Z. Psycliol. Bd. 177 (1970) H. 3/4
Die Schritte n = 4 und n = 7 treten auch in Abb. 18 deutlich hervor. Nach dem Schritt n = l + 3 kann durch Anwendung der .B-Strategie kein Fehler mehr prädiktiert werden, so daß das Profil der K u r v e in Abb. 18 einzig und allein durch Anwendung der S- oder /^-Strategie bestimmt wird. Ist folglich das kettchenweise Behalten der Ereignisse bei der Anwendung der S- oder /^-Strategie charakteristisch, dann müßte an den Stellen n = 8. 10, 11, 13, 15, 16 und 18 die Prädiktionswahrscheinlichkeit des ersten richtig vorhergesagten Symbols deutlich größer, an den Stellen n = 9, 12, 14, 17 dagegen deutlich kleiner sein. Das ist tatsächlich der Fall. Wir haben in einer anderen Versuchssituation versucht, unterschiedliche Behaltensvorgänge dadurch zu bestimmen, daß die Versuchspersonen in jedem Schritt nach den zuletzt aufgetretenen Symbolen befragt wurden. Diese Art des Vorgehens hat sich als unbrauchbar erwiesen, vermutlich dadurch, daß durch die Befragung das Gedächtnisrepertoire zumindest beeinflußt, wenn nicht gar zerstört wird. Wir haben in Abb. 18 die Wahrscheinlichkeit des ersten der vier prädiktierten Symbole, das auch gleichzeitig bekräftigt wurde, dargestellt. Läge ein reines Wahrscheinlichkeitslernen zugrunde, dann müßte die Prädiktionswahrscheinlichkeit Pn des ersten der vier Symbole als Funktion der Schrittzahl n mit Hilfe der Gleichung (47) Pn = 1 - (1 - P,) (1 - f f entsprechend der ESTEschen Lerntheorie, beschrieben werden können. Dabei bedeuten: P i = 0,5 Anfangswahrscheinlichkeit des bekräftigten Symbols f = Lernrate die Wahrscheinlichkeit dafür, daß irgendein Reizelement ausgewählt, d. h. assoziiert wurde. Der Parameter f kann durch Anpassung mit Hilfe der Mittelwertmethodc bestimmt werden: f = 0,067. Nach Prüfung der Anpassungsgüte mit Hilfe des X 2 -Testes erhalten wir eine Irrtumswahrscheinlichkeit von Q = 9 9 % (FG = 14), d. h., der Ansatz nach E S T E S beschreibt die Änderung der Prädiktionswahrscheinlichkeit des ersten der vier prädiktierten Symbole als Funktion der Schrittzahl n. E s wäre weit gefehlt, daraus den Schluß ziehen zu wollen, daß wir es im vorliegenden Fall mit einem Wahrscheinlichkeitslernen nach E S T E S Z U tun haben, denn wir haben gerade zu zeigen versucht, daß in diesem einfachen Problemlösungsprozeß deterministische Strategien auftreten. Man sieht an diesem Beispiel sehr deutlich, daß die Prüfung der Ubereinstimmung zwischen Modell und Experiment mit Hilfe der Statistik allein noch kein hinreichendes Kriterium ist, ein Modell zu verifizieren. Zusammenfassend halten wir fest: Die Anwendung unterschiedlicher Strategien bedingt unterschiedliche Behaltensvorgänge. Wird versucht, nach der
W. K R A U S E , K o m p o n e n t e n a n a l y s e in e i n f a c h e n P r o b l e m l ö s u n g s p r o z e s s e n
241
/^-Strategie vorzugehen, dann müssen alle Ereignisse entsprechend ihrer Stellung im Gedächtnis behalten werden. Gelingt die vollständige Behaltensleistung nicht, sei es durch zu kleine Gedächtniskapazität oder durch zu großes Informationsangebot, dann werden die Ereignisse kettchenweise im Gedächtnis behalten. Dann ist aber nur noch die S- oder F - S t r a t e g i e anwendbar. E s ist theoretisch der Fall denkbar, daß die ß-Strategie bei falsch behaltener Information angewendet wird und damit zu falschen Hypothesen führt. Wir können experimentell solche Fälle von der ¿"-Strategie nicht unterscheiden.
VII. Simulation Unter Simulation verstehen wir die Nachbildung eines Prozesses — hier speziell eines einfachen Problemlösungsprozesses — gegebenenfalls auf einem Automaten. Eine Simulation ist u. E . nur unter zwei Aspekten sinnvoll: 1. nämlich dann, wenn die A u f g a b e in ihrer Lösungsstruktur so komplex ist, daß sie analytisch nicht mehr darstellbar ist und 2. dann, wenn der gesamte Prozeß bereits in Teilprozesse zerlegt worden ist, einzelne Parameter aber aus dem Experiment nicht bestimmbar sind. E s wird dabei immer vorausgesetzt, daß für die Teilprozesse zumindest teilweise analytische Beziehungen — aus dem Experiment bestimmt — angebbar sind. Wir wollen jetzt mit Hilfe der Simulation der Prädiktion von Binärsymbolen unter Berücksichtigung des Gedächtniseinflusses zeigen, daß es ohne weiteres möglich ist, bei willkürlicher Wahl der Prozeßcharakteristik der Teilprozesse, d a s Simulationsergebnis dem experimentellen Ergebnis beliebig genau anzupassen. Anschließend wird das Simulationsprogramm entsprechend Forderung 2 korrigiert. Wir gehen von folgender Situation a u s : Als Eingangsereignis steht eine periodische Binärfolge zur Verfügung. Der Versuchsperson wird in jedem Schritt ein Symbol dargeboten und sie hat das nächste möglichst richtig zu prädiktieren. E s dürfen keine Symbole notiert werden. Für die Simulation machen wir folgende A n n a h m e : 1. Die einzelnen Ereignisse, die der Versuchsperson dargeboten werden, werden unabhängig voneinander mit der Wahrscheinlichkeit p (p = 0; 0 , 5 ; 0,8) im Langzeitspeicher gespeichert. 2. Alle diese Ereignisse im Langzeitspeicher werden nicht vergessen, d. h „ die Speicherzeit ist unendlich. 16 Z. Psychologie 177
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Z. Psychol. B d . 177 (1970) H . 3/4
3. Die letzten Ereignisse werden mit der Wahrscheinlichkeit p — 1 im Kurzzeitspeicher gespeichert. Die maximale Kettenlänge, die im Kurzzeitspeicher festgehalten werden kann, ist l + 2 (l = Periodenlänge). 4. Diese maximale Kettenlänge ist stets konstant und unabhängig vom Lernprozeß. Die Verfahrensweise ist folgende: 1. Wir bezeichnen mit
an, an_lf
(48)
. . ., an_x
(0 33 oÄ _c e d Z iñ J ¿í
E H co
M. SCHTJBBINQ, K o n d i t i o n a l a n a l y s e des kindlichen E n t s c h e i d u n g s v e r h a l t e n s
271
272
Z. Psychol. Bd. 177 (1970) H. 3/4
7. Der Zeitpunkt der Differenzierung ist innerhalb des Versuchsverlaufs von einer relativen Glcichverteilung am Versuchsausgang für alle Untergruppen (p > 0,25, d. h. im Ausgangsversuch sind Gruppenunterschiede nicht statistisch signifikant) mit zunehmendem Alter und mit zunehmender Intelligenz g l e i c h s i n n i g weiter nach vorn verlegt, was für ein Ansprechen auf die Versuchsbedingungen in Abhängigkeit von den kognitiven Bedingungen spricht. 8. Die Prägnanz des Wahlverhaltens, d. h. die Abweichung von der Gleichverteilung der Strategieanteile und die Hierarchie (Rangreihe) der Strategien — ist eindeutig von den kognitiven Bedingungen abhängig. Der Vergleich der Verhältnisse im Schokoladenversuch, der schon durch die Analyse der Effektivität als optimales Versuchsstadium ausgewiesen wurde, zeigt besonders charakteristische Beziehungen zwischen kognitiven Bedingungen und der Hierarchie der Strategieformen sowie deren Ausprägungen. Während 6 ; 3 J ä h r i g e unterdurchschnittlich Intelligente noch ein Wahlmuster erkennen lassen, wie es bei SCHMIDT bei 4 ; 8 J ä h r i g e n vorgefunden wurde (Dominanz der Nutzenstrategie), ist schon bei den durchschnittlich Intelligenten dieser Altersgruppe das Wahlmuster zu erkennen, das den Ergebnissen von SCHMIDT zufolge der Tendenz der 6Jährigen entspricht (Dominanz der „Sicherheitsstrategie"). Das Wahlmuster der überdurchschnittlich intelligenten 6Jährigen zeigt dagegen schon eine leichte Bevorzugung der „Lagestrategie" und insgesamt die Hierarchie, die dem optimalen Vorgehen entspricht. Wir finden also innerhalb einer Altersgruppe in Abhängigkeit vom Intelligenzgrad genau die Unterschiede wieder, die SCHMIDT zwischen den verschiedenen Altersgruppen vorgefunden hat (Grundhypothese). Die unterdurchschnittlich intelligenten 8 ; 4 J ä h r i g e n zeigen demgegenüber ein knappes Vorherrschen der „Sicherheitsstrategie", die durchschnittlich intelligenten 8 ; 4 J ä h r i g e n haben ein weiterentwickeltes Wahlmuster mit einer Dominanz der „Lagestrategie" und der Unterschied zu den überdurchschnittlich intelligenten 8 ; 4 J ä h r i g e n besteht in der geringeren Ausprägung der optimalen Strategieform. Bei den 8 ; 4jährigen überdurchschnittlich Intelligenten ist das Vorgehen in der E n t scheidungssituation offensichtlich dem von SCHMIDT für das Alter von 11 J a h ren vorgefundenen vergleichbar. Damit scheint uns die Gleichsinnigkeit der Wirkung der kognitiven Variablen in der Entwicklung der Optimalstrategie zur Maximierung des Nutzens belegt zu sein. 3. Reaktionen auf die
Versuchsbedingungen
Bisher wurde auf die Ergebnisse aus einem optimalen Versuchsstadium Bezug genommen. Die Untersuchung der Versuchsbedingung „Schokoladenbelohnung" hatte einen signifikanten Anstieg der Effektivität durch Verstärkung der Optimalstrategie in dieser Versuchsphase ergeben.
M. SCHUBRING, Konditionalanalyse des kindlichen Entscheidungsverhaltens
273
I m Steigerungsversuch h a t t e sich bereits bei der Analyse der E f f e k t i v i t ä t eine U m k e h r u n g der Verhältnisse ergeben. Unter der Voraussetzung, daß in den gefundenen Strategierelationen in Abhängigkeit von den kognitiven Bedingungen eine Entwicklung zur Optimalstrategie zum Ausdruck k o m m t , h a b e n wir n u n zu fragen, ob der Eflektivitätsverlust im ,Steigerungsversuch' mit einem „Strategieverfall" verbunden ist. 1 0 Sowohl aus der graphischen Darstellung als auch aus der statistischen Analyse ergibt sich, d a ß die Bevorzugung der Nutzenalternative in der provozierenden Situation durch Anreizerhöhung der Alternative mit der geringsten Realisierungswahrscheinlichkeit mit dem Alter von sechs zu acht J a h r e n u n d mit steigender Intelligenz zun i m m t und d a ß diese Reaktion auf Kosten der Lagestrategie z u s t a n d e k o m m t , d. h. Anstieg der Nutzenstrategie, Abfall der Sicherheits- und Abfall der Lagestrategie korrelieren positiv u n d gleichsinnig mit den Variablen der U n t e r suchung. Da besonders die überdurchschnittlich Intelligenten der älteren Versuchsg r u p p e mit einer Vernachlässigung der optimalen Strategie u n t e r dieser Bedingung reagierte, k o m m e n wir zusammenfassend zu der Aussage, d a ß es u n t e r Anreizerhöhung der Alternative mit h o h e m Risiko z u einem Anstieg der W a h l dieser Alternative k o m m t , obwohl sie noch immer den niedrigsten Gesamterwartungswert unter den zur Verfügung stehenden Alternativen h a t und d a ß das Ausmaß, in dem dieser Anstieg erfolgt und die besseren Strategien in dieser Situation d a f ü r aufgegeben werden, eindeutig positiv mit den kognitiven Bedingungen korreliert, so d a ß wir u n t e r der Hypothese der Nutzenmaximierung u n d der E n t w i c k l u n g einer Optimalstrategie formal von einem „Strategieverfall" sprechen m ü ß t e n . Da dieses P h ä n o m e n jedoch u m so stärker ausgeprägt ist, je günstiger die kognitiven Bedingungen sind u n d je ausgeprägter die Lagestrategie in einer Reihe vorangegangener Entscheidungen ist, erscheint diese D e u t u n g paradox, u n d wir werden nach einer geeigneteren E i n b e t t u n g des P h ä n o m e n s zu suchen h a b e n .
4. Einschätzung
der objektiven
Wahrscheinlichkeit
Entsprechend unserer E r w a r t u n g wählten Ältere und Intelligentere im Wahrscheinlichkeitstest signifikant seltener fehlerhaft, u n d in gleicher Weise war die Erfassung der Trefferwahrscheinlichkeit bei Älteren u n d Intelligenteren rationaler und differenzierter. Besonders die verbale Einschätzung der Realisierungswahrscheinlichkeit zeigt eine weit höhere Korrelation zur Intelligenzals zur Altersvariablen. Dabei bleibt jedoch unklar, ob es sich tatsächlich allein 10
Diese Wendung ist im Sinne statischer Modelle zu verstehen, d. h. im Sinne der Nutzenmaximierung in jeder Einzelentscheidung. 18
Z. Psychologie 177
274
Z. Psychol. Bd. 177 (1970) H . 3 / 4
um Unterschiede der kognitiv-rationalen Erfassung des \ \ ahrseheinlichkeitsbegriffs handelt (Abhängigkeit der Realisierungschance von der relativen Anzahl der „Gewinnmurmeln") oder ob hier die bessere Verbalisierungsfähigkeit der Intelligenteren als Versuchsfehler eingeht.
2. E r g e b n i s s e v o m d i f f e r e n t i a l p s y c h o l o g i s c h e n 1.
Aspekt
Risikokalkulation
Dieses Ergebnis resultiert aus einer differenzierteren Analyse des gefundenen Anstiegs der Nutzenstrategie im ,Steigerungsversuch'. Die dort gefundenen Aussagen der recht hohen positiven Korrelation zwischen dem Niveau der kognitiven Voraussetzungen und dem „Eingehen eines Risikos" entsprechen ja weder den (konventionellen) Erwartungen noch stimmen sie mit den Ergebnissen von SCHMIDT (a. a. 0 . ) überein, noch sind sie mit den Modellvorstellungen der Nutzenmaximierung zur Deckung zu bringen. Einen Hinweis darauf, daß das Verhalten der Versuchspopulationen nicht mit einer reinen „Nutzenstrategie" zu vergleichen ist, entnehmen wir der Bezugsetzung der Risikoerhöhung zu den Entscheidungszeiten unter der Bedingung „Steigerung". Es ließ sich sichern (siehe Tabelle III),daß die Intelligenteren und Alteren ihr Risiko im Steigerungsversuch bei signifikant längeren Entscheidungszeiten erhöhen (gegenüber den Entscheidungszeiten in den vorhergehenden Versuchsphasen und gegenüber den Versuchspopulationen mit den schlechteren kognitiven Bedingungen), sich also in der Art ihres Risikoverhaltens von diesen unterscheiden. 2. Rationale
Erfassung Konsistenz,
der Versuchssituation, Flexibilität
Hinsichtlich der genannten übrigen differentiellen Parameter des Entscheidungsverhaltens ergab sich, wie aus der Ubersichtstabelle ersichtlich, die erwartete gleichsinnige positive Korrelation mit den kognitiven Bedingungen. 1 1 11 E s sei noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Ergebnisse e n g a n den K o n t e x t der vorliegenden Untersuchung g e b u n d e n sind — das betrifft sowohl die Gegenüberstellung der Variablen Altersposition und Intelligenzgrad (der Unterschied v o n zwei Jahren ist zwar nicht willkürlich gewählt worden, gewonnene Aussagen sind aber selbstverständlich speziell auf diese beiden Altersstufen bezogen). Weiterhin sind sämtliche Ergebnisse eng an die spezielle Versuclisanordnung gebunden, w e n n wir auch eine allgemeine Tendenz v e r m u t e n . Die abgeleiteten Parameter des Entscheidungsverhaltens schließlich h a b e n vor allem hinweisenden Charakter und dürfen zunächst nicht losgelöst v o n ihrer Definition gewertet.
M. SCHUBRING, Konditionalanalyse des kindlichen Entscheidungsverhaltens
275
Y. Diskussion 1. D i s k u s s i o n d e r E r g e b n i s s e u n t e r g e n e t i s c h e m
Aspekt
Anliegen der vorliegenden Arbeit war es, die kognitiven Voraussetzungen der Genese des Entscheidungsverhaltens aufzuhellen. Entsprechend unserer Grundhypothese haben wir in allen abgeleiteten Aspekten des Entscheidungsverhaltens die angenommene gleichsinnige Wirkung der Bedingungsvariablen (Altersunterschied von 6 ; 3 Jahren zu 8 ; 4 Jahren und Intelligenzunterschiede) sichern können. Das trifft für die aus dem entscheidungstheoretischen Rahmen abgeleiteten Parameter des Entscheidungsverhaltens (Effektivität, Strategieentwicklung, Verständnis der Realisierungswahrscheinlichkeit) ebenso zu wie für die aus differentialpsychologischen Überlegungen resultierenden Parameter (Einsicht in die Versuchssituation, Konsistenz und Flexibilität des Wahlverhaltens und Risikokalkulation). Durch zusätzlichen Nachweis der Wechselwirkung zwischen den kognitiven Variablen hinsichtlich des Entscheidungsverhaltens können wir in erster grober Beantwortung unserer Fragestellung aus den Versuchsbefunden schließen, daß das Entscheidungsverhalten von Kindern in einer materiell belohnten Situation wesentlich kognitiv bedingt ist. Zwar haben wir die Wirkung von Motivationsfaktoren in unsere Untersuchung nicht mit einbeziehen können (und wir halten eine Untersuchung in dieser Richtung auch für unerläßlich), doch schließen wir in vorläufiger Annäherung aus der Deutlichkeit unserer Befunde auf die Gewichtigkeit der kognitiven Grundlage in der Genese des Entscheidungsverhaltens. Als spezifischer Befund der Untersuchung (und unsere Hypothesen noch weiter stützend) hat sich ergeben, daß in fast allen Einzelergebnissen die Korrelation zwischen Intelligenz und dem jeweiligen Kriterium des Entscheidungsverhaltens höher ist als die zwischen Altersposition und Entscheidungskriterium. Damit hat sich die von uns angenommene Relativität „alterstypischer Denkstile" als gültig erwiesen: Wir haben in allen wesentlichen Ergebnissen die speziell angenommene Nivellierung von Altersunterschieden des Entscheidungsverhaltens innerhalb verschiedener Grade der Intelligenz vorgefunden. Diese Befunde stellen das Vorherrschen bestimmter Alterscharakteristika in einer Altersstufe selbstverständlich nicht in Frage, da die Intelligenz als ein normal-verteiltes Merkmal nur zu geringeren Anteilen als die Stichprobenauswahl obere und untere Abweichungen hat, so daß die normale werden. Eine Verallgemeinerung der Ergebnisse bedarf demnach sowohl einer Überprüfung in anderem Situationskontext als auch einer differenzierteren Variation der Bedingungsvariablen und schließlich der Sicherung (Validierung) der abgeleiteten Entscheidungsparameter. 18*
276
Z. Psychol. Bd. 177 (1970) H. 3/4
Intelligcnzverteilung dieser Altersgruppen realiter nur mit geringer Wahrscheinlichkeit Überlappungen aufweist. Nur scheint die Veränderung des Entscheidungsverhaltens nicht unbedingt an altersspezifisch wirksame Umweltkomponenten, z. B . den Schuleinfluß, insbesondere den Umgang mit Mengen im Mathematikunterricht gebunden zu sein. Da die Ergebnisse unsere Hypothese von der kognitiven Bedingtheit der Entscheidungsgenese bestätigen, halten wir auch eine Verallgemeinerung des kognitiven Aspektes auf die Entscheidungsentwicklung, wie SCHMIDT (1966) sie vornimmt, für berechtigt. Der Autor kommt auf der Basis zahlreicher entwicklungspsychologischer Befunde und der Herausfilterung wesentlicher Grundgedanken zu einer Überschau der parallelen genetischen Linien der Verhaltensentwicklung in den verschiedenen Motivationsbereichen und auf verschiedenen kognitiven Ebenen (siehe SCHMIDT, 1966).
Unsere zweite Frage galt der Sukzession der Strategieentwicklung. Mit SCHMIDT und auf dem Hintergrund entwicklungspsychologischer Befunde hatten wir eine zunehmend adäquater werdende Einbeziehung der Wahrscheinlichkeitsaspekte der Zielalternativen in die Entscheidung angenommen. E s war ein Übergangsstadium — bestehend in der Überbetonung bzw. in einer rigorosen und undifferenzierten Einbeziehung der Realisierungschance — angenommen worden. Hinsichtlich der Sukzession des Wahrscheinlichkeitsaspektes in der Entscheidungsgenese hatten wir einen Gegensatz zur Annahme HELMS herausgestellt, in dessen Untersuchungen des Zielsetzungsverhaltens sich keine Anhaltspunkte für ein Übergangsstadium in Richtung einer „Sicherheitsstrategie" ergaben. Unsere Befunde aus dem optimalen Versuchsstadium legen die Entwicklung über eine Tendenz zur Uberbetonung des Sicherheitsaspektes nahe. Zwar hat sich die Korrelation zwischen Intelligenz in den untersuchten Altersstufen und dem Abnehmen der ,Sicherheitsstrategie' als nur knapp signifikant erwiesen, und die Gesamtgruppe der 6 ; 3 Jährigen wählte sogar kaum der Tendenz nach häufiger die „Sicherheitsalternative" als die 8 ; 4 J ä h r i g e n — wir sehen unsere Erwartungen aus folgendem Grund aber dennoch als bestätigt a n : E s ist zu bedenken, daß bei einer willkürlichen Altersauswahl das gesuchte kritische Stadium nicht unbedingt erfaßt wird. Außerdem zeigt sich in unseren Befunden eine deutliche Dominanz der Sicherheitsstrategie bei der Untergruppe der 8 ; 4jährigen unterdurchschnittlich Intelligenten. Weiterhin konnte in keinem der Ergebnisse eine gleichermaßen ausgeprägte Bevorzugung von Nutzenstrategien und Sicherheitsstrategie — weder bei den 6jährigen als Gesamtgruppe noch bei einer der Untergruppen — festgestellt werden. Wir fanden im Gegenteil eine recht deutliche Aufeinanderfolge charakteristischer Strategiehierarchien (Wahlmuster) in Abhängigkeit von Altersposition und Intelligenzgrad : vom nutzenbestimmten Entscheidungstyp über den sicherheitsbestimmten Entscheidungstyp zum lagebestimmten Entscheidungstyp. E s han-
M. SCHUBRING, K o n d i t i o n a l a n a l y s e des kindlichen Entselieidungsverhaltens
277
delt sich dabei strenggenommen nur um relative Unterschiede. In diesen Altersgruppen war weder der genetische Primärtypus noch eine vollkommene Optimalstrategie ausgeprägt vorhanden, was in Zusammenhang mit dem Ausschnittcharakter der Untersuchung innerhalb der Ontogenese zu begreifen ist. Zusammenfassend läßt sich zu diesem Aspekt sagen (2. Hypothese), daß unsere Ergebnisse hinsichtlich der Entwicklung zur Optimalstrategie eine Bestätigung der Ergebnisse S C H M I D T S darstellen und somit gegen die Verallgemeinerung H E L M S sprechen. Wie ist diese Diskrepanz zu erklären? 1 2 Eine mögliche Erklärung geht daraus hervor, daß im Bereich der fähigkeitsabhängigen Zielsetzung (deren Merkmale wegen des vorausgesetzten Erwerbs von Gütestandards zwar später in Erscheinung treten) der Ubergang zur angemessenen Entscheidung schneller vollzogen wird, da in diesem Bereich, ungleich dem chanceabhängigen, häufiger und für das Individuum erkennbarer und wirksamer Erfahrungen gesammelt werden. Die im chanceabhängigen Bereich vorgefundene Sukzession wäre dann für den fähigkeitsabhängigen Bereich entweder in Längsschnittuntersuchungen oder in einer ähnlichen Variation der Bedingungen, wie wir sie vorgenommen haben, zu finden. In unserer Untersuchung ging es weiterhin darum (3. Hypothese) festzustellen, ob das Niveau der Wahrscheinlichkeitserfassung mit den kognitiven Variablen korreliert. Gleichzeitig interessierte die damit zusammenhängende Frage, ob (im Sinne der Vorstellung EDWAEDS', 1955) die subjektive Wahrscheinlichkeit hinsichtlich der Realisierung der Alternativen eine geeignete Variable bei der Vorhersage des Verhaltens in der Entscheidung ist. Unsere Versuchsanordnung war zur Untersuchung dieser Frage so gestaltet, daß hinsichtlich des Nutzenaspektes gleiche Bedingungen für die Vpn aller Untergruppen angenommen werden können. Entsprechend unserer Erwartung zeigte sich — gemessen an den vorläufigen Merkmalen: „Fehler im Wahrscheinlichkeitstest" und „Einschätzung der Trefferwahrscheinlichkeit" — eine signifikante Korrelation zwischen dem Niveau der Leistungen in diesen Aufgaben und den kognitiven Bedingungen, und weiterhin lassen unsere Untersuchungen die indirekte Schlußfolgerung zu, daß zwischen subjektiver Wahrscheinlichkeit und dem Grad der Angepaßtheit des Entscheidungsverhaltens eine positive Beziehung besteht. Wir schließen diese Aussage daraus, daß sich einerseits eine enge Beziehung zwischen dem Optimalitätsgrad des Entscheidungsverhaltens und den kognitiven Bedingungen, andererseits eine enge Beziehung zwischen der Annäherung der subjektiven an die objektive Wahrscheinlichkeit B e i der S u c h e nach E r k l ä r u n g sehen wir v o n den unterschiedlichen Alterszuordnungen zu dem S t a d i u m der E n t w i c k l u n g des E n t s c h e i d u n g s v e r h a l t e n s a b — d a f ü r gilt trotz der I d e n t i t ä t der entscheidungsdeterminierenden Mechanismen in chance- und fähigkeitsa b h ä n g i g e n S i t u a t i o n e n (SIEGEL, 1957) der unterschiedliche E r f a h r u n g s b e r e i c h als Erklärung. 12
278
Z. Psychol. Bd. 177 (1970) H. 3/4
u n d d e n k o g n i t i v e n B e d i n g u n g e n erwiesen h a t , w a s e i n e B e s t ä t i g u n g i m S i n n e EDWARDS' (1962) n a h e l e g t (aber n i c h t z w i n g e n d erscheinen l ä ß t ; i n s b e s o n d e r e w e i s e n die E r g e b n i s s e aus d e m
Steigerungsversuch
darauf h i n ,
daß
der
N u t z e n a s p e k t die R i s i k o k a l k u l a t i o n s t i m u l i e r t ) . Leider ist w e n i g G r u n d s ä t z liches über die E r f a s s u n g des W a h r s c h e i n l i c h k e i t s b e g r i f f s aus u n s e r e n U n t e r s u c h u n g e n z u erschließen, u n d die E r g e b n i s s e h a b e n d a h e r nur h i n w e i s e n d e n Charakter. 1 3 E i n e n H i n w e i s in R i c h t u n g der R i s i k o k a l k u l a t i o n e n t n e h m e n wir d e n Erg e b n i s s e n aus d e m S t e i g e r u n g s v e r s u c h . D i e m a r k a n t e n R e s u l t a t e aus dieser V e r s u c h s p h a s e , b e s o n d e r s d i e T a t s a c h e , d a ß es u n t e r einer p r o v o z i e r e n d e n A n r e i z e r h ö h u n g der a m w e n i g s t e n a u s s i c h t s r e i c h e n A l t e r n a t i v e generell z u einer R i s i k o e r h ö h u n g k o m m t , die aber a m s t ä r k s t e n bei d e n „ g ü n s t i g e r e n " k o g n i t i v e n V o r a u s s e t z u n g e n (Altere, Intelligentere) a u s g e p r ä g t ist, v e r a n l a ß t u n s z u einigen Ü b e r l e g u n g e n . D a z u sollen zuerst U n t e r s u c h u n g e n aus der Literatur dargestellt w e r d e n , die in b e z u g z u d e n E r g e b n i s s e n aus d e m S t e i g e r u n g s v e r s u c h g e s e t z t w e r d e n k ö n n e n u n d m i t d e n e n w i r z u einer g ü l t i g e r e n I n t e r p r e t a t i o n z u
kommen
glauben. In diesem Zusammenhang scheint uns erstens eine Arbeit von C O H E N und H A N S E L sehr wesentlich zu sein. Die Autoren untersuchten den Zusammenhang zwischen Alter, Intelligenz und Entscheidungsverhalten auf folgende Weise: Die Versuchspopulation, bestehend aus Probanden dreier Altersstufen (9, 12 und 15 Jahre), waren nach der Intelligenz (wenig intelligent — gut intelligent) untergliedert. Die Entscheidungssituation bestand aus drei Alternativen, die sich nur hinsichtlich des Risikos unterschieden, d. h. den gleichen objektiven Erwartungswert repräsentierten; gegeben waren die Alternativen: A 1 Päckchen Süßigkeiten zu gewinnen, Wahrscheinlichkeit p = 1 B 5 „ „ „ „ „ p — 1/5 C 25 „ „ „ „ „ P — V25 Wie oft die Vpn in die Entscheidung eintraten, wird nicht berichtet. Unter diesen Voraussetzungen fanden die Autoren folgende Verhältnisse: 81°/0 aller Vpn bevorzugten eine der riskanten Alternativen gegenüber der mit 100% Realisierungswahrscheinlichkeit und geringem Belohnungswert. Diese Tendenz nahm mit zunehmendem Alter ab, nicht (1958)
13
Es muß an dieser Stelle nachgetragen werden, daß wir gänzlich auf die Auswertungen eines ursprünglich geplanten, aber nur teilweise durchgeführten „Mengentests" verzichten mußten (da nicht gleichmäßig durchführbar), mit dem wir den Grad der Anschauungsgebundenheit des Wahrscheinlichkeitsbegriffs zu erschließen suchten. Außerdem haben wir im Laufe der Versuche auf die Protokollierung spontaner Äußerungen über den Zufallsbegriff verzichtet, obwohl uns die Erfassung von Erfahrungen, die nicht aus dem Versuch selbst stammen, als sehr wichtig erscheint; wir denken an Irrationalismen, wie sie M E H L ( 1 9 6 2 ) in einer Untersuchung vorfand und speziell an Auffassungen wie: „Wer wagt, gewinnt", „Ich habe immer Glück", „Ich muß für meinen Vati immer die Losscheine ziehen, weil er nie Glück h a t " u. ä. — es wäre recht interessant, festzustellen, ob derartige Einstellungen sich auf das Wahlverhalten auswirken und ob sie mit den kognitiven Bedingungen korrelieren oder ob sie zufällig verteilt sind.
M. SCHUBBING, Konditionalanalyse des kindlichen Entscheidungsverhaltens
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aber mit zunehmender Intelligenz, d. h. Intelligentere wählten signifikant häufiger risikohaft. Bei einer differenzierten Analyse der Entscheidung für eine der beiden risikohaften Alternativen (Wahrscheinlichkeit entweder '/s oder Y25) zeigt sich, daß die weniger Intelligenten, wenn überhaupt, sehr viel häufiger die extreme Alternative (Y25) bevorzugten, während die Intelligenten unter den Risikowahlen mehr die mittlere Alternative mit Realisierungswahrscheinlichkeit i/5 bevorzugten. Trotzdem gab es unter den Intelligenten noch genauso viele Probanden wie unter den wenig Intelligenten, die die extrem riskante Alternative bevorzugten. Das Abnehmen der Risikowahlen mit dem Alter erklären die Autoren mit dem Adäquaterwerden der subjektiven Wahrscheinlichkeit, der Abnahme der Diskrepanz zwischen subjektiver und objektiver Wahrscheinlichkeit. Die Frage nach der Ursache der Unterschiede der Intelligenzgruppen in der Risikobevorzugung zwischen den Intelligenzgruppen aller drei Altersstufen bleibt offen. An anderer Stelle (1958) debattieren die Autoren gegen die mögliche Feststellung, daß Intelligentere „mehr für Süßigkeiten übrig haben". W i r meinen, in diesen Ergebnissen eine gewisse Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t unseren Ergebnissen zu finden u n d — wegen der A u s s a g e ü b e r A l t e r s s t u f e n , die h ö h e r als die v o n uns u n t e r s u c h t e n liegen (gewissermaßen als F o r t s e t z u n g unserer A u s w a h l zu b e t r a c h t e n sind) u n d a u ß e r d e m wegen der spezifischen, n a c h dem Risiko diskriminierenden A l t e r n a t i v e n — wichtige Hinweise gew i n n e n zu k ö n n e n . Diese hier sichtbar w e r d e n d e n Tendenzen glauben w i r a u ß e r d e m noch aus e i n e m a n d e r e n Versuchsergebnis erschließen zu k ö n n e n : STEVENSON u n d WEIB (1959) u n t e r s u c h t e n in e i n e r W a h r s c h e i n l i c h k e i t s l e r n a u f g a b e die
Wirkung der Variablen: chronologisches Alter, Anreizbedingung und Verschiebung der Wahrscheinlichkeit der Bekräftigung. Sie beziehen sich dabei auf eine Untersuchung von STEVENSON und ZIGLER (1958), die normal Intelligente und Schwachsinnige in einer Wahrscheinlichkeitslernaufgabe gegenübergestellt hatten. Folgender interessanter Befund, der hier zusammengefaßt für beide Untersuchungen referiert wird, ergab sich: Die Hypothese der Autoren, daß Jüngere ebenso wie weniger Intelligente durch geringere Erfolgserwartung ausgezeichnet seien als Intelligentere und Altere und daher besser imstande seien, sich an geringe Wahrscheinlichkeiten anzupassen, bestätigte sich. Die Autoren erklären einerseits, Ältere sowie Intelligentere würden geringe Reizwahrscheinlichkeiten nicht akzeptabel finden und stärker dazu neigen, die selten bekräftigte Alternative zu maximieren, andererseits deuten sie die Möglichkeit an, daß die Vpn mit den günstigeren kognitiven Voraussetzungen (Ältere, Intelligentere) die Aufgabe eher als ein P r o b l e m auffassen und um eine Lösung bemüht sind, wodurch sie zu einer Überbetonung der bekräftigten Seite gelangen. W e l c h e allgemeinen Tendenzen e n t h a l t e n alle g e n a n n t e n B e f u n d e u n d , w e l c h e I n t e r p r e t a t i o n legen sie n a h e ? In unseren u n d in den berichteten Ergebnissen h a n d e l t es sich u m U n t e r schiede i m E n t s c h e i d u n g s v e r h a l t e n , die auf unterschiedliche k o g n i t i v e Bedingungen zurückgehen (es h a n d e l t sich in allen drei herangezogenen U n t e r suchungen u m A l t e r s - u n d Intelligenzunterschiede). Zur E r k l ä r u n g ist es erst einmal v e r n ü n f t i g a n z u n e h m e n , d a ß in den g e f u n d e n e n Unterschieden N i v e a u unterschiede k o g n i t i v e r Leistungen zum A u s d r u c k k o m m e n und d a ß in den
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Entscheidungen der Älteren und der Intelligenteren die höheren kognitiven Leistungen zu sehen sind, obwohl das im Sinne der Effektivität der Wahl zunächst nicht so zu sein scheint. Und in dieser Annahme ist unser Erklärungsansatz bereits implizit enthalten. Wir meinen, daß die gefundenen Unterschiede (hinsichtlich der eigenen Ergebnisse beziehen wir uns besonders auf den im Steigerungsversuch deutlich werdenden Risikoaspekt) in den berichteten Ergebnissen auf ein unterschiedliches Niveau der Situationsverarbeitung zurückgehen oder, genauer gesagt, wir halten es für möglich, daß Jüngere und weniger Intelligente eher über die Bekräftigung zu einer Verhaltensanpassung kommen (so wäre die bessere Anpassung in den Wahrscheinlichkeitslernaufgaben in den Untersuchungen von STEVENSON und W E I R und von STEVENSON und ZLGLER und die Bevorzugung der sicheren Alternative bei COHEN und HANSEL sowie das geringere Reagieren der Jüngeren und weniger Intelligenten auf die Versuchsbedingung „Steigerung" in unseren Versuchen zu erklären) — und daß im Gegensatz dazu die Älteren und Intelligenteren eher dazu neigen, die Versuchssituation kognitiv-rational zu verarbeiten und bewußt über eine längere Folge von Entscheidungen im voraus zu kalkulieren, wodurch sie in Grenzsituationen (als solche wollen wir die hier beschriebenen Situationen vorläufig bezeichnen — gerade weil sich in unserem Versuch unter anderen Bedingungen umgekehrte Verhältnisse ergeben haben) zu schlechteren Ergebnissen kommen mögen. Einem neueren Ergebnis zufolge ist der Aspekt der vorausschauenden Planung tatsächlich für die Entscheidung, insbesondere für die Risikokalkulation, von Belang: In einer Untersuchung persönlichkeitsspezifischer Komponenten des Entscheidungsverhaltens (GOLDSMITH, 1968) fand sich bei Erwachsenen eine Beziehung zwischen Interferenzneigung und Entscheidungsverhalten. Die Interferenzneigung stellt eine Variable dar, die zwar in einer Wahrnehmungssituation ermittelt wird, jedoch mit mehreren Persönlichkeitsbereichen Zusammenhänge zeigt. Der Autor bringt die Interferenzneigung mit der individuellen Reizaufnahme und Reizverarbeitung in Zusammenhang. „Hohe Interferenzler", die im Wahrnehmungstest längere Entscheidungszeiten haben, neigen i. a. mehr zur Wahl der niedrigen Erfolgswahrscheinlichkeiten, „niedrige Interferenzler" mehr zur Wahl des hohen Erfolgswahrscheinlichkeiten. Der Autor deutet das Ergebnis in dem Sinne, daß hohe Interferenzler „long samplers" und niedrige Interferenzler „short samplers" sind, wobei „long sampling" definiert wird als die Neigung, Information aus einem räumlich, zeitlich oder inhaltlich großen Bereich zu berücksichtigen (im Gegensatz zum „short sampling").
Diese Ergebnisse sind zwar mit unseren nicht direkt in Zusammenhang zu bringen; sie wurden an Erwachsenen erhoben, und Intelligenzunterschiede werden nicht als ursächlich in Frage kommen, sondern die persönlichkeitsspezifische Art der Informationsaufnahme und -Verarbeitung, die sich in der Bevorzugung bestimmter Wahrscheinlichkeits- bzw. Risikoniveaus zeigt:
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dennoch wird u. E. in diesen Befunden ein identisches Moment mit den zuvor herangezogenen Befunden deutlich: der Zusammenhang zwischen vorausschauender Planung — der Länge der vorgestellten Entscheidungsseric — und der Bevorzugung geringer Erfolgswahrscheinlichkeiten. Unterstellen wir zunächst einmal spekulativ bei den besseren kognitiven Voraussetzungen (Altere, Intelligentere innerhalb unserer Versuchsgruppen) „long sampling" gegenüber „short sampling" bei Jüngeren und weniger Intelligenten, dann können wir bei der für alle Vpn gleichermaßen begehrten und wenig wahrscheinlichen (p = 0,l) Alternative annehmen, daß der „long sampler" die Entscheidungssituation, wenn nicht lOOmal, so doch sehr viel häufiger als der „short sampler"erwartet, so daß ihm schon objektiv unter lOmal das Ereignis einmal begegnet, während der „short sampler" sich nur wenige (vielleicht nur eine) Situationen vorstellt, in denen auch objektiv die Erfolgswahrscheinlichkeit nahe Null ist. So gesehen, würden die bei uns auftretenden Unterschiede im Steigerungsversuch eine vernünftige Erklärung finden. Es ist nun zu erwägen, ob das Konzept des „long sampling" und „short sampling", aufgefunden als persönlichkeitsspezifische Komponente, die nicht unbedingt abhängig von der allgemeinen Intelligenz ist, in unseren Befunden überhaupt unterstellt werden darf. Wir meinen, daß die Einbeziehung von Informationen aus einem größeren Bereich bei der Entscheidung (Handlung) unabhängig von der interindividuellen Variation von Persönlichkeitsmerkmalen als Ausdruck kognitiver Voraussetzungen plausibel ist. Diese Ansicht ist entwicklungspsychologischem Denken ohnehin immanent, sie entspricht der Assimilationshypothese von PIAGET, nach der die logischen Schemata des Individuums eine Entwicklung in Richtung einer räumlichen und zeitlichen Ausdehnung durchmachen. Diese Ausführungen sind als Ergänzung zu unserer Frage nach dem Zusammenhang zwischen Wahrscheinlichkeitsauffassung und den kognitiven Bedingungen zu betrachten. Da eine genauere Klärung dieser Befunde im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht vorgenommen werden konnte, bleibt die Interpretation noch vorläufig und spekulativ, eine Untersuchung dieser Frage halten wir für unbedingt notwendig.
2. Ü b e r l e g u n g e n z u r A n w e n d b a r k e i t von Entscheidungsmodellen Unsere Untersuchungen haben gezeigt, daß eine Beschreibung des E n t scheidungsverhaltens entsprechend der modelltheoretischen Annahme der Nutzenmaximierung in den optimalen Versuchsstadien gut möglich ist.
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Optimal sind diejenigen Versuchsstadien zu nennen, in denen die Alternativen entsprechend der Forderung des EW-Modells am besten diskriminieren. Es mußten sich also die objektiven Erwartungswerte der Alternativen unterscheiden. In der Situation jedoch, in der die Distanz der Erwartungswerte vermindert wird (Steigerungsversuch), ist das Entscheidungsverhalten nicht mehr im Sinne der Hypothese dieses statischen Modells zu erklären: Obwohl die Hierarchie der Erwartungswerte in der Reihe der Alternativen wie in den vorangegangenen Versuchssituationen erhalten bleibt, kam es in der Steigerungssituation zu einer Umkehrung des vorher gezeigten, im Sinne des statischen Modells zu verstehenden Verhaltens. Bei allen Versuchsgruppen stieg unter dieser Bedingung (Steigerung des Wertes der Alternative ^4) die Bevorzugung dieser Alternative an, deren Erwartungswert (Produkt aus Wahrscheinlichkeit und Wert bei zwei möglichen Wahlausgängen) mit der Erhöhung des Wertes anstieg, die aber noch immer den deutlich geringsten Gesamterwartungswert hatte. Da dieses Phänomen am deutlichsten bei den Untergruppen zu beobachten ist, deren definierte kognitive Voraussetzungen am günstigsten sind, ist es vernünftig, für diesen Effekt Vorgänge zu postulieren, denen die Beschreibung mit dem verwendeten Modell nicht gerecht wird. Es wurde bereits diskutiert, daß wir hinter diesen Befunden einen Faktor der Risikokalkulation annehmen. Mit den statischen Modellen wird das Risiko jedoch nicht explizit erfaßt, und es entsteht daher die Frage, ob das Risiko nicht als eine wesentliche Entscheidungsvariable eingeführt werden muß. Das wäre z. B. schon möglich durch eine Versuchsanordnung, in der alle Alternativen den gleichen Erwartungswert haben, sich also nur durch das Verhältnis von Nutzen und Wahrscheinlichkeit unterscheiden. Ein Modell, das das Risiko speziell berücksichtigt, ist das von P b t j i t t ( P r u i t t , 1962; R e s t l e , 1961) eingeführte „Pattern and Level of Risk Model", mit dem nach R e s t l e schon in wenigen Entscheidungsoperationen eine wesentlich präzisere Bestimmung des Entscheidungsverhaltens und individueller Risikobevorzugungen zu erreichen ist als mit den statischen Modellen. Auf welchem Modell eine künftige Untersuchung beruhen sollte, was auch abhängig von der Fragestellung ist, sei zunächst dahingestellt; auf jeden Fall ist unseren Untersuchungen zufolge in der Erfassung des Risikos eine Befruchtung für weitere Untersuchungsvorhaben zu sehen. Zusammenfassung In Erweiterung der Untersuchungen von SCHMIDT (1966) über das Verhalten von Kindern in Entscheidungssituationen wurde das Entscheidungsverhalten in Abhängigkeit von den kognitiven Variablen Altersposition
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(6;3 und 8 ; 4 Jahre) und Intelligenzgrad (3 Kategorien: unterdurchschnittlich, durchschnittlich, überdurchschnittlich) untersucht, um die Entscheidungsgenese in ihrer Abhängigkeit von den kognitiven Voraussetzungen zu bestimmen. Wir wählten ein Experiment, dessen Gültigkeit zur Erfassung des Entscheidungsverhaltens auf dem EW-Modell beruht. Die Situation war chanceabhängig. Der Nutzen der Alternativen bestand in materiellem Gewinn (Schokolade, Murmeln). In diesem Experiment verhielten sich die zur Verfügung stehenden Alternativen hinsichtlich Nutzen und Realisierungswahrscheinlichkeit gegenläufig, und die objektiven Erwartungswerte waren unterschiedlich, so daß ein objektiver Gütemaßstab zur Beurteilung der Entscheidungen vorlag. Die Wirkung der kognitiven Variablen auf das Entscheidungsverhalten wurde mit der Variation der kognitiven Variablen einerseits und abgeleiteten Parametern des Entscheidungsverhaltens andererseits erfaßt. E r g e b n i s s e : 1. Es konnte die angenommene gleichsinnige Wirkung der Bedingungsvariablen Altersposition und Intelligenzgrad auf das Entscheidungsverhalten in allen abgeleiteten Parametern gesichert werden, womit die kognitiveGrundlagedes Entscheidungsverhaltens als wesentliche Determinante der Entscheidungsgenese ausgewiesen ist. 2. Die Sukzession der Entscheidungsstrategien über eine Überbetonung des Wahrscheinlichkeitsaspektes (verstanden als „Sicherheit") wurde als Tendenz aufgefunden, so daß die Genese des Entscheidungsverhaltens von einer unreflektiert „nutzenbestimmten" Entscheidung über ein vorwiegend sicherheitsbestimmtes Entscheidungsverhalten hin zum optimalen Entscheidungsverhalten durch Kombination der Variablen Nutzen und Wahrscheinlichkeit verläuft. 3. Den Untersuchungen zufolge ist die Entwicklung des Entscheidungsverhaltens wesentlich durch die Ausbildung des Wahrscheinlichkeitsbegriffs und seine zunehmende Wirksamkeit in der Entscheidung begründet (Unterschiede der Optimalität der Entscheidung in Abhängigkeit von den kognitiven Bedingungen gingen bei Konstanthaltung des Nutzens auf eine unterschiedliche Verarbeitung der Realisierungswahrscheinlichkeit zurück). 4. Aus den Untersuchungen ergaben sich Hinweise darauf, daß die kognitiven Bedingungen in der Ontogenese mit der Risikokalkulation über eine längere Serie von Einzelentscheidungen korrelieren, was sich bei wenigen Entscheidungsschritten in einer Bevorzugung von Alternativen mit geringer Realisierungswahrscheinlichkeit und hohem Wert manifestierte, deren Ausprägung sich als direkt abhängig von den kognitiven Voraussetzungen erwies. Da gültige Aussagen über die Risikokalkulation aus unserer Versuchsanordnung nicht zu entnehmen waren und der Befund der Risikoerhöhung
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bei provozierender Anreizerhöhung eindeutig mit den kognitiven Bedingungen korreliert, was sogar einer der markantesten Befunde der Untersuchung ist, halten wir im weiteren eine differenzierte Untersuchung des Risikoproblems für notwendig. Auch wäre die Forcierung der Risikokalkulation durch Erhöhung des Nutzens, wie sie in unseren Untersuchungen zum Ausdruck kommt, noch strenger zu prüfen. Literatur Der Begriff der Entropie in der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Berlin 1962. COHEN, J., The psychology of decisions among bets. J. exp. Psychol. 50 (1955). COHEN, J., and P. COOPER, Patterns of preference in equiprobable situations. Nature (Lond.) 190 (1961). COHEN, J . , E . J . DEARNALEY and C. E . M . HANSEL, The risk taken in crossing a road. Operat. Rev. Quart. (1955 a) —, Training on the performance of busdrivers. Operat. Rev. Quart. 6 (1955b) —, Preferences for different combinations of chance and skill in gambling. Nature (Lond.) 183 (1959). —, Skill and judgement of footballers in attempting to score goals. Brit. J. Psychol. 53 (1962). COHEN, J . , and C. E . M . HANSEL, Subjective probability, gambling and intelligence. Nature (Lond.) 181 (1958). —, The nature of decisions in gambling. 13 (1958). zit. in: Nature (Lond.) 181 (1958) COHEN, J . , C. E . M . HANSEL and D . B . WALKER, The time taken to decide as a measure of subjective probability. Acta psychol. (Amst.) 17 (1960). EDWARDS, W., The prediction of decisions among bets. J . exp. Psychol. 50 (1955). FEATHER, N. T., Subjective probability and decision under uncertainty. Psychol. Rev. 66 (1969). FEGER, H., Beiträge zur experimentellen Analyse des Konflikts. Hrsg. H. THOMAE, Göttingen 1965. Hdb. d. Psychol. in 12 Bd., Bd. 2. GOLDSMITH, R. W., Persönlichkeitsspezifische Komponenten des Entscheidungsverhaltens. Psychol. Forsch. 32 (1968). HECKHATTSEN, H . , und I . RÖLOFSEN, Anfänge und Entwicklung der Leistungsmotivation: I. Im Wetteifer des Kindes. Psychol. Forsch. 26 (1962). HECKHATJSEN, H . , und I . WAGNER, Anfänge und Entwicklung der Leistungsmotivation: II. In der Zielsetzung des Kleinkindes. Psychol. Forsch. 28 (1965). HELM, J . , Kognitive und motivierende Bedingungen in der Entwicklung des Zielsetzungsverhaltens. Z. Psychol. 175 (1968). HOFSTÄTTER, P., und D. WENDT, Quantitative Methoden der Psychologie. München 1966. KESSEN, W . , Research design in the study of developmental problems. In: Handbook of Research methods in child development, Hrsg. P. H. MÜSSEN, New York and London 1960. KOGAN, N., and M. A. WALLACH, Risk taking. A study in cognition and personality. New York and London 1964. —, Modes of thinking in young children. New York and London 1965. LIENERT, G., Verteilungsfreie Methoden in der Biostatistik. Meisenheim 1962. CHINTSCHIN, A . J . ,
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Aus dem Institut für Psychologie der Humboldt-Universität zu Berlin (Direktor: Prof. Dr. F. KLIX)
Veränderungen im Elektromyogramm bei der Beurteilung perzeptiver Muster unterschiedlicher Schwierigkeit V o n B . MASPFUHL u n d A . METZ
Mit 7 Abbildungen
I. Einleitung Die Arbeit, über die hier zu berichten ist, gehört zu den Bemühungen, das psychophysische Aktivitätsniveau zu bestimmen. Es ist anzunehmen und zum Teil auch nachgewiesen, daß Schwankungen des Aktivierungszustandes wesentlich die Prozesse menschlicher Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung sowie die Güte sensomotorischer Koordinationen beeinflussen (vgl. SCHMIDTKE, 1965), wobei über den Wirkungsgrad dieser Einflußnahme bisher wenig experimentell gesicherte Aussagen vorliegen. Veränderungen des Wachheitsgrades können u. a. als Folge biorhythmischer Schwankungen, als Folge körperlicher Ermüdung, als Folge affektiver Spannungen, aber auch als Folge psychisch beanspruchender Tätigkeit auftreten. Diese vielfältige Beeinflussung des Aktivierungszustandes verursacht erhebliche Schwierigkeiten bei der Deutung der Befunde. Hinzu kommt, daß das Aktivitätsniveau nicht direkt gemessen, sondern nur indirekt aus Leistungsveränderungen, aus kovariierenden physiologischen Reaktionen oder aus subjektiven Beurteilungen erschlossen werden kann. Ungeachtet dieser Schwierigkeiten besteht die Notwendigkeit, Aktivitätszustände zu messen, ist doch die Kenntnis dieser Größen wesentlich für die Lösung zahlreicher Probleme der angewandten Psychologie, insbesondere der Arbeitspsychologie. Die zunehmende Technisierung und Automatisierung der industriellen Produktion führen von vorwiegend körperlichen zu erhöhten geistigen Anforderungen. Das Fehlen von wissenschaftlichen Feststellungsverfahren für das Ausmaß psychischer Beanspruchung und von Normen für optimale Beanspruchungsgrade begründet die Dringlichkeit, mit der nach verläßlichen Indikatoren gesucht wird, zumal unser Organismus nur un-
B . M A S F F U H L / A . METZ, V e r ä n d e r u n g e n i m E l e k t r o m y o g r a m m
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genügend gegen geistige IJberbeanspruchung geschützt ist (vgl. die Paradoxien des Ermüdungsgefühls, die von BRACKEN 1956 zusammengestellt hat).
II. Problemlage E s ist seit langem bekannt, daß eine Reihe psychischer Prozesse, insbesondere solche affektiven bzw. emotionalen Charakters, indirekt über physiologische Reaktionsverläufe zu erfassen sind. Gerade auf dem Gebiet der Beanspruchungsforschung 1 ist eine Vielzahl physiologischer Reaktionen auf ihre Brauchbarkeit als Indikatoren des psychophysischen Aktivitätszustandes geprüft worden. Es gibt eine fast unübersehbare Fülle von experimentellen Einzelarbeiten; mit unterschiedlichen Methoden wurden relativ beziehungslos nebeneinanderstehende, z. T. sogar widersprüchliche Befunde erhoben. Wesentliche Ursachen für die Uneinheitlichkeit der Ergebnisse nannte HACKER (1961). Neben den a. a. O. besprochenen methodischen Unzulänglichkeiten sollte u. E . auch an ein methodologisches Grundprinzip mit seinen Konsequenzen für die Methodik psychophysiologischer Arbeiten erinnert werden. Wir meinen den Sachverhalt, daß psychische Prozesse einerseits an bestimmte zentralnervöse Strukturen und Prozesse gebunden sind, andererseits eine „Widerspiegelungsfunktion" haben, d. h. in einem bestimmten Abhängigkeitsverhältnis von den objektiven Reizgegebenheiten stehen. Obwohl dieses Postulat allgemein anerkannt wird, verstoßen gerade psychophysiologische Arbeiten besonders häufig gegen die Konsequenzen, die sich aus dieser doppelten Bedingtheit ergeben. Wir meinen, daß eine komplexe Untersuchung der drei Variablen — objektiver Reiz oder Reizkomplex, physiologische Reaktion und (psychisches) Erleben — unbedingt für psychophysiologische Untersuchungen zu fordern ist. Die vorliegende Arbeit will die Realisierung dieser Grundforderung am Beispiel einer experimentellen Untersuchung demonstrieren.
E i n i g e B e f u n d e zu V e r ä n d e r u n g e n d e r M u s k e l a k t i v i t ä t infolge psychischer Aktivität Die Registrierung der bioelektrischen Aktivität des Muskels, die bei jeder Willkür- oder Reflexkontraktion auftritt, geschieht mit Hilfe der Elektromyographie (EMG). Die Veränderung der Muskelaktivität bei psychischer Tätigkeit wird seit etwa 80 Jahren erörtert. 1886 konstatierte LOEB ein Nachlassen der Muskelspannung bei geistiger Arbeit — gemessen als Dynamometerdruck durch die Hand. Entsprechendes h a t t e n LEHMANN ( 1 9 0 0 ) u n d MCDOUGAXL ( 1 8 9 6 ) b e h a u p t e t . LOMBARD ( 1 8 8 7 ) , TTTTTLE ( 1 9 2 4 ) , D R E S S L E E ( 1 8 9 1 ) , F E R E ( 1 8 8 9 ) u n d M o s s o
(1894)
stellten
1 Die unterschiedlichen Auffassungen zu den Phänomenen, die hinweisend als psychische Beanspruchung, psychische Belastung bzw. Ermüdung bezeichnet werden, wollen wir hier nicht diskutieren. Es sei auf die Arbeiten von BARTENWERFER, SCHMIDTKE, HAIDER U. a. verwiesen, die sich mit diesen Problemen auseinandersetzen.
288
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dagegen eine Steigerung der Muskelspannung bei geistiger Tätigkeit fest. So fand auch OSERETZKOWSKY ( 1 9 0 1 ) nach anstrengendem Auswendiglernen eine Zunahme der Muskelspannung, und JASTROW ( 1 8 9 2 ) registrierte ausgeprägte Spannungsspitzen, wenn Schwierigkeiten in der Durchführung einer Aufgabe auftraten. Eine positive Korrelation zwischen Schwierigkeit und Muskelaktivität wies ebenso JACOBSON ( 1 9 4 0 ) nach. Zur gleichen Zeit ( 1 9 3 9 ) registrierte auch DAVIS eine Zunahme der Aktionsströme bei geistiger Arbeit, wobei die Art der geistigen Leistung die Stärke der Potentiale beeinflußt haben soll. Auch K L E I N und COHEN ( 1 9 6 5 ) fanden, daß sowohl physischer als auch psychischer Streß mit Muskelspannungszunahme assoziiert sind. KENNEDY verwandte die Muskelaktionspotentiale (MAP) als Wachheitsindikator und fand eine Korrelation zwischen der Fluktuation der Muskelspitzen und dem Wechsel in der Antwortbereitschaft, die durch die Reaktionszeit gemessen wurde. Ein bestimmtes Schwellenniveau in der Aktivität erlaubt seiner Meinung nach die Voraussage über eine verlängerte Reaktionszeit (1953).
Unter einem anderen Aspekt betrachtete B I L L S ( 1 9 2 7 ) das Problem, indem er einen Geschwindigkeitsanstieg im Lernen auf einen erhöhten Muskeltonus zurückführte. Diese Umkehr der Ursache/Wirkung-Beziehung finden wir auch bei COURTS ( 1 9 3 9 ) , der ebenfalls eine Rückwirkung der Muskelspannung auf die geistige Betätigung annahm. Um zu genaueren Aussagen über die Art der Beeinflussung zu gelangen, wurde die Muskelspannung experimentell induziert. FREEMAN hatte gefunden, daß sich extreme Spannungsgrade störend auf die Leistung auswirken; das gleiche hatte JACOBSON bei völliger Entspannung festgestellt. STAUFFACHER zeigte, daß es ein optimales Spannungsniveau gibt, welches das Lernen sinnloser Silben erleichtert. MALMO ( 1 9 5 6 ) glaubt, daß mit Hilfe der induzierten Spannung das Aktivitätsniveau selbst verändert werden kann. Hier knüpft PINNEO ( 1 9 6 1 ) an und meint, wenn die induzierte Spannung tatsächlich eine zuverlässige Methode zur Variation des Aktivitätsniveaus sei, dann müßte zusammen mit Verhaltenseffekten die induzierte Spannung regelhafte und übereinstimmende Änderungen verschiedener physiologischer Indikatoren der Aktivität hervorbringen. Er fand, daß induzierte Muskelspannung die Leistung beeinträchtigt und deutet seine Befunde im Sinne einer peripheren Theorie: Propriozeptive Signalisation induzierter Spannung bewirke über das retikuläre Aktivationssystem umfassende physiologische Effekte. Hier wird die Wirkungsrichtung einseitig betrachtet; solche Komponenten wie Motivation, Erfahrung usw. werden methodisch ausgeschaltet, und auf diese Weise wird die Wechselwirkung außer acht gelassen. Die Reduktion der realen Wechselwirkungsbeziehung auf eine einlinige Ursache-Wirkungs-Relation, die hier vorgenommen wird, führt zu einer Verabsolutierung der „auslösenden Afferentation" (AiroCHlisr, 1967). Natürlich wirken die
B. MASPFUHL/A. METZ, Veränderungen im Elektromyogramm propriozeptiven Signalisierungen wieder rückläufig auf kortikale Strukturen; diese Wechselwirkung aber zeitlich und anteilmäßig relativieren.
289 man muß
V. EIFF und GÖPFERT (1952) glaubten bewiesen zu haben, daß nicht die gei-
stige Tätigkeit an sich die Steigerung des Muskeltonus bewirkt, sondern daß dafür Intelligenz- und emotionale Faktoren verantwortlich wären. In einem diesbezüglichen Experiment zeigten Vpn ohne suggestive Beeinflussung einen Anstieg der Muskelaktivität bei geistiger Arbeit, jedoch keine Veränderung des Ruhetonus, wenn über einen posthypnotischen Befehl die emotional-affektive Beeinflussung des Denkens blockiert war. Damit verwarf man die Ansicht, daß die Muskeltonuserhöhungen Ausdruck gesteigerter Leistung seien. Auch STROTHER (1949) betonte die Bedeutung affektiv-emotionaler Anteilnahme bezüglich der Muskeltonussteigerungen. 1952 ermittelten V. EIFF und Mitarbeiter, daß die durchschnittliche Muskeltonussteigerung bei Beschäftigung mit projektiven Tests geringer war als bei der Lösung natur- und geisteswissenschaftlicher Aufgaben. Dieser Befund scheint im Gegensatz zu der Annahme zu stehen, daß vorwiegend emotionale Reaktionen das Verhalten des Muskeltonus bei geistiger Tätigkeit bestimmen. Die Autoren meinen jedoch, daß es sich im Projektivtest hauptsächlich um rationale Deutungen handelte und nur bei solchen Vpn eine Muskeltonuserhöhung zu verzeichnen war, die tatsächlich affektiv von dem Material angesprochen wurden, wobei die Muskeltonussteigerung nicht von der Art, sondern von der Stärke des Affekts abhängen soll. 1957 bestätigt V. EIFF im wesentlichen noch einmal die schon früher gefundenen Ergebnisse. Er fand bei einer Gruppe von Vpn mit starker Leistungsmotivation und emotional-affektiver Beteiligung im Gegensatz zu einer anderen gleichgültigeren Gruppe eine erhebliche Steigerung des reflektorischen Muskeltonus. Er schlußfolgerte, daß die aktive Muskelspannung nur steigt, wenn die geistige Arbeit von einem Affekt begleitet ist. V. EIFF (1965) fand ferner, daß emotionale Belastung durch Lärm oder Schmerz zur Steigerung des kontraktilen Muskeltonus führt — damit gewann die EMG an Bedeutung für die Objektivierung analgetischer Effekte — und daß man darüber hinaus aus dem Verhalten des Muskeltonus Rückschlüsse auf die Schlaftiefe ziehen kann. MALMO, SHAGASS (1949) und SMITH (1953) stellten übereinstimmend eine
Erhöhung der Muskelaktivität bei Angst oder Erwartungsspannung fest. Neurotische oder ängstliche Personen sollen eine abnorm verlängerte Nachdauer der muskulären Reaktion auf Streß zeigen (MALMO 1950, DAVIDOWITZ 1955), so daß in diesem Sinne die EMG auch zur Persönlichkeitsdiagnostik herangezogen werden kann (n. FAHRENBERG, 1963).
Eine das Niveau der MAP beeinflussende Variable anderer Art fanden DIGGORY, KLEIN und COHEN (1964). Die Autoren konnten eine Beziehung 19
Z. Psychologie 177
290
Z. Psychol. Bd. 177 (1970) H. 3/4
zwischen der Muskelspannung und der Erfolgswahrscheinlichkeit finden: J e ungewisser es ist, ob eine bestimmte Aufgabe gelöst werden kann, desto niedriger ist das Niveau der MAP. Den Befund, daß Leistungsbedingungen, die ein hohes myoelektrisches Aktivitätsniveau sowohl während der Arbeitsphasen als auch während der Pausen verursachen, deuteten die Autoren als Fortbestehen einer Spannung im Sinne des Quasibedürfnisses (LEWIS). Diese Interpretation wurde auch von SMITH (1953) und BARTOSHFK (1955) nahegelegt, die fanden, daß die MAP langsamer sinken, wenn die Aufgaben unterbrochen wurden. Wenn die Aufgaben beendet werden konnten, war ein rascheres Absinken der MAP zu beobachten. Ähnlich ist der Befund von FREEMAN (1930) zu interpretieren; er hatte festgestellt, daß Unterbrechungen der geistigen Arbeit Tonussteigerungen zur Folge hatten. Die Widersprüchlichkeit der referierten Befunde erklärt sich vermutlich auch hier durch die Nichtbeachtung der oben genannten methodischen Grundforderungen. In Übereinstimmung mit HACKER (1962) seien die wichtigsten genannt: 1. Konstanthalten der äußeren Bedingungen; 2. Konstanthalten der inneren Bedingungen bzw. Kalkulation ihrer Variabilität und deren Auswirkungen; a) Beachtung der individuellen Ausgangslage (WiLDERsche Regel);
b) Berücksichtigung der subjektiven Bedingungen (z. B. Einstellungs-, Motivations-, emotionale und andere Faktoren). Problematisch bleibt die Registrier- und Datenverarbeitungsmethodik bezüglich der Vergleichbarkeit der Ergebnisse. Elektrophysiologisch gewonnene Daten sind oft schwer reproduzierbar. Deshalb ist es methodisch sicherlich günstiger, Relationen und nicht die Absolutwerte zu betrachten, auch wegen der mitunter beträchtlichen inter- und intraindividuellen Differenzen. Es bleibt offen, ob die geringe Reliabilität, d. h. zeitliche Stabilität, physiologischer Phänomene auf einer funktionellen Fluktuation oder auf ungeeigneten Auswertungskriterien beruht. Auch in bezug auf Validitätskriterien ergibt sich kein besseres Bild, vielleicht weil die Herauslösung einer Variablen aus dem komplexen Prozeßgeschehen infolge der zentralnervösen Integration nur schwer möglich ist.
2. Z e n t r a l n e r v ö s e B e e i n f l u s s u n g d e s M u s k e l t o n u s Es ist nun zu fragen, wie sich diese physiologischen Begleiterscheinungen psychischer Prozesse erklären. Die theoretischen Vorstellungen über eine zentralnervöse Regulation beschränken sich entsprechend der Konzeption
B . M A S P F U H L / A . METZ, V e r ä n d e r u n g e n i m E l e k t r o m y o g r a m m
291
dieser Arbeit auf Erklärungsansätze, die sich auf den Zusammenhang zwischen psychischer Aktivität und Muskeltonusveränderungen beziehen. Im folgenden wird stets nur vom kontraktilen Tonus die Rede sein; entsprechend der Frequenz der einlaufenden Impulse am kontraktilen Substrat kann sich dieser
CORTEX
^Ausarbeitung, Projektion Oesamtintegration
Abb. 1. Schematische Darstellung der wichtigsten Verbindungen, über die der motorischen VHGZ des Rückenmarks Erregungen zugeleitet werden können 19*
292
Z. Psychol. Bd. 177 (1970) H. 3/4
Tonus verändern. Grundsätzlich können die Impulse, die dem Muskel über das periphere motorische Neuron der Rückenmarksvorderhörner zufließen, unterschiedlichen Ursprungsgebieten entstammen (s. Abb. 1). Die Skelettmuskeln erhalten ihre Impulse von motorischen Nervenfasern über die motorische Endplatte der Vorderhornganglienzellen (YHGZ) des Rückenmarks, und zwar einmal über die dickeren und schnell leitenden a-Fasern und zum anderen über die efferenten dünneren y-Fasern. Wesentlich an der Tonusverteilung der Muskulatur ist die Formatio reticularis beteiligt, und zwar einmal auf Grund ihrer Koordinationsfunktion und zum anderen durch die unspezifische Weckwirkung auf die Großhirnrinde. Im aufsteigenden Retikulärsystem erfolgt eine durch periphere Reizung ausgelöste Impulsleitung über die unspezifischen afferenten Projektionssysteme. Für unsere Fragestellung sind vor allem die bahnenden Einflüsse von Interesse. Von einem Bahnungsgebiet unterhalb der Vierhügelplatte werden Impulse zu den y-Motoneuronen des Rückenmarks ausgesendet. Die Frequenz der Muskelspindelimpulse richtet sich mit nach der Erregung der Formatio reticularis. „Das heißt, das retikuläre System vermag den Rückkopplungskreis zwischen Muskelspindel als Spannungsfühler und Muskelspindel als motorischer Effektor zu verstimmen und so die reflektorisch gesteuerten Kontraktionen des Gesamtmuskels zu modifizieren" (RÜDIGER, 1965). Neben ihren motorischen Funktionen übt die Formatio reticularis eine unspezifische Weckwirkung auf den Kortex aus — wieder in Abhängigkeit von peripheren und kortikalen Einflüssen. Die Aktivierung der Großhirnrinde durch das unspezifische aszendierende Retikulärsystem (ARAS) erfolgt über kortiko-retikuläre Rückkopplung, genauer: Die durch Reizung der Rezeptoren entstehenden Impulse laufen über direkte Bahnen zum spezifischen Projektionsfeld im Kortex — von den Projektionsbahnen zweigen vorher afferente Fasern zur Formatio reticularis ab, wodurch diese aktiviert wird. Weiterhin wird sie über kortiko-retikuläre Fasern aktiviert, d. h. es erfolgt rückläufig von den Projektionsfeldern eine Verbindung zur Formatio reticularis, die ihrerseits infolge der einlaufenden Impulse aktivierend auf den Kortex wirkt — sowohl direkt als auch indirekt über den Thalamus. Man faßt dieses System als kortiko-retikulo-kortikales Aktivierungsphänomen zusammen. Zusammenfassend kann man sagen, daß je nach Charakter der spezifischen Afferenz eine Weckwirkung auf den Kortex sowie eine Bahnung der VHGZ erfolgen kann. In ähnlicher Weise wird durch das unspezifische thalamische System eine diffuse Weckwirkung hervorgerufen, die sich aber auf Grund der Bahnverbindungen mit den hypothalamischen Kernen und dem limbischen Kortex weiter ausbreiten kann. Durch diese Verbindung gewinnen die retikulären Kerne des Thalamus Bedeutung für die affektive Färbung von Sinneseindrücken.
B . MASPFUHL/A. METZ, Veränderungen im E l e k t r o m y o g r a m m
293
Innerhalb des extrapyramidalen Systems wird das Pallidum von einigen Autoren ( H A S S L E R , 1 9 6 3 ) als wesentlichste Kontaktstelle zwischen Wachheit, emotionaler Spannung und Aufmerksamkeitszuwendung einerseits und Muskeltonus andererseits angesehen, da ein großer Teil der kortikalen Bahnverbindungen über das Pallidum verläuft. Darüber hinaus beeinflußt das pallidäre System auch die Aktivität der übrigen Großhirnsysteme, der Sinnessysteme ebenso wie der sinnesunabhängigen Systeme. Das Pallidum ist in den Mechanismus der Aktivierung des gesamten Großhirns durch die Formatio reticularis eingeschaltet ( H A S S L E R , 1 9 6 3 ) . Die synthetische Verarbeitung der ins Gehirn einlaufenden Information kann nur vollzogen werden, wenn Informationen ständig durch den aktiven Vorgang der Orientierungsreaktion ( P A W L O W , 1 9 1 0 ) ergänzt werden. Nur dann, wenn eine ununterbrochene Tonisierung des Kortex von Seiten der Formatio reticularis und des Hypothalamus statthat, wird die Vereinigung von Erregungen und die Entscheidung über angepaßtes Verhalten möglich (ANOCHIN,
1967).
Die Orientierungsreaktion erfolgt auf der Grundlage und mit Hilfe der aufsteigenden aktivierenden Einflüsse seitens der Formatio reticularis, die über die Aktivierung des Kortex die Diskriminationsfähigkeit erhöht. Somit wird der Organismus befähigt, äußere Reize zu unterscheiden, und zwar entsteht die Orientierungsreaktion immer dann, wenn der im gegebenen Augenblick applizierte Reiz nicht mit dem während der vorangegangenen Applikationen gebildeten Modell übereinstimmt (vgl. A N O C H I N S Modell des Verhaltensaktes). E s ist anzunehmen, daß wiederholt dargebotene Reize gespeichert werden können und ein Muster bilden, mit dem neue Reize verglichen werden. Nach W O R O N I N und S O K O L O W ( 1 9 6 1 ) bezeichnet man ein solches System als neurodynamisches Reizmodell. Nach der kortikalen Reizanalyse, also nach dem Vergleich zwischen Modell und einwirkendem Reiz, wird bei Nichtübereinstimmung die Formatio reticularis über kortiko-retikuläre Verbindungen aktiviert und die Orientierungsreaktion ausgelöst; das spiegelt sich in der Sensibilisierung der Analysatoren wider. Als Zeichen des Orientierungsreflexes — d. h. das Nervensystem hat eine Veränderung im Stimulus festgestellt — treten a-Depression im E E G , Atemveränderungen, vermehrte Augenbewegungen, aber auch Muskeltonuserhöhungen u. a. physiologische Reaktionen auf. 3. A r b e i t s h y p o t h e s e Die dargelegten Ergebnisse bisheriger Untersuchungen und die Vorstellungen über zentralnervöse Regulation und Integration lassen den Schluß zu, daß geistige Tätigkeit über eine Aktivierung der Formatio reticularis rückwirkend
294
Z. Psychol. Bd. 177 (1970) H. 3 / 4
die motorische VHGZ bahnt. Dabei muß die Reizdarbietung eine Orientierungsreaktion auslösen, die dann eine Steigerung der Sensibilität der ySchleifensysteme bewirkt. Es liegt die Vermutung nahe, daß bei bestimmter mentaler Tätigkeit in einem einfachen Reiz-Reaktions-Experiment die Zeit der Informationsverarbeitung in Abhängigkeit von der Schwierigkeit der Aufgabe variiert, und zwar: je schwieriger die Anforderung, desto länger die zur Informationsverarbeitung notwendige Zeit. Diese Zeiteinheit wollen wir elektromyographisch erfassen, da mit Beginn des kognitiven Prozesses — bewußte Wahrnehmung und Verarbeitung des Reizangebotes entsprechend der Instruktion — die Aktivierung der kortikalen Strukturen Einfluß auf den Muskeltonus nehmen kann.
III. Methodik 1. V e r s u c h s a n o r d n u n g u n d - d u r c h f ü h r u n g Die Ableitung der Muskelaktionsströme erfolgte von der Hautoberfläche mit Silberpilzelektroden, die einen Durchmesser von 10 mm hatten. Für die Ableitmethodik war die Erwägung maßgebend, daß mittels Oberflächenelektroden die Gesamtaktivität einer Muskelregion erfaßt werden kann, während intramuskuläre Ableitungen nur Aussagen über das Verhalten weniger motorischer Einheiten zulassen. Bipolare Ableitungen wurden wegen höherer Störfreiheit gewählt. Die hierbei auftretenden interindividuellen Niveauunterschiede (z. B. durch unterschiedliche Plazierung der Elektroden, durch verschieden dickes Unterhautfettgewebe u. ä. Bedingungen) sind auswertungstechnisch zu berücksichtigen. Die Aufzeichnung der Muskelaktivität erfolgte an einem direkt schreibenden Acht-Kanal-WTGB-Enzephalographen, der mit 10 6 facher Verstärkung der biologischen Eingangspotentiale, mit einer Frequenzblende von 2000 Hz und einer Zeitkonstanten von 0,03 s arbeitete. Der Leitwiderstand zwischen Haut und Elektrode wurde mit Hilfe einer Elektrolytpaste auf 10 bis 15 k ß herabgesetzt. Es wurden fortlaufend die Aktionspotentiale der Musculi brachioradialis des rechten und linken Armes aufgenommen. Die Vpn wurden instruiert, sich möglichst bequem in den Sessel zu setzen, die Arme auf die Lehnen zu legen und in dieser Haltung völlig zu entspannen. Der Grad der muskulären Entspannung wurde elektromyographisch überprüft. Die Aufgabe der Vp bestand darin, Schätzurteile über bestimmte perzeptive sinnfreie Muster abzugeben. Es handelte sich um schachbrettartige Muster ( 8 x 8 Felder), deren Schwarz-Weiß-Verteilung zufällig variiert wurde, einmal
B . MASPFTJHL/A. METZ, V e r ä n d e r u n g e n im E l e k t r o m y o g r a m m
295
hinsichtlich der Anordnung und zum anderen in bezug auf das Verhältnis zwischen schwarzen und weißen Feldern. Es mußte die geschätzte Anzahl der weißen Felder genannt werden. Das Versuchsmaterial ist sinnfrei, der Schwierigkeitsgrad ist abstufbar, und es kann quantitativ erfaßt werden. Um bezüglich der kognitiven Anforderungen einigermaßen gleichartige Versuchsbedingungen zu schaffen, sollten die Aufgaben so gewählt werden, daß sie von allen Vpn unabhängig von Intelligenz und Ausbildungsgrad in ungefähr gleicher Weise gelöst werden konnten. Dieser Forderung schienen uns Schätzurteile zu genügen, zumal es bei derartigen Aufgaben ein „Richtig" oder „Falsch" nicht gab. Dadurch fehlte der Vp die Rückmeldung über ihre Leistung, an der sie Erfolg oder Mißerfolg hätte ablesen können. Somit glaubten wir, motivationale oder affektive Einflüsse weitgehend ausgeschlossen zu haben. Zur Schwierigkeitsstaffelung wurden 20 Variationsmöglichkeiten eingeführt. Die Verteilung der weißen Kästchen auf dem schwarzen Untergrund erfolgte jeweils zufällig, und es wurden für jede dieser 20 Möglichkeiten verschiedene zufällige Konstellationen geboten, die wiederum in eine Zufallsfolge gebracht wurden (die Folge wurde für alle Vpn beibehalten) (s. Abb. 2).
Abb. 2. Reizangebot (Auswahl)
Die Vbn hatten die Aufgabe, jeweils die Anzahl der hellen Felder abzuschätzen, die geschätzte Zahl zu benennen und gleichzeitig eine Taste mit der rechten Hand zu betätigen. Auf diese Weise wurde die Zeit zwischen Beginn der Exposition der Reizalternative und der Abgabe des Urteils — wir wollen sie Erkennungszeit nennen — registriert.
296
Z. Psycho!. Bd. 177 (1970) H. 3/4
zu A b b i l d u n g 2
Ein Hinweis auf die maximal mögliche Kästchenanzahl wurde nicht gegeben. Die Reizalternativen wurden mit einem automatischen Diawechselgerät unter herabgesetzter Beleuchtungsstärke (Polarisationsfilter) auf eine etwa 5 m entfernte Leinwand projiziert, so daß die Vp ein etwa 1,20x1,20 m großes Bild vor sich hatte. Die Versuche fanden in einem abgedunkelten R a u m statt. J e nach dem individuellen Arbeitstempo wurden die zu beurteilenden Alternativen vorgegeben. Insgesamt h a t t e jede Vp etwa 100 Bildvorlagen zu beurteilen. Vom Arbeitsplatz am EEG-Gerät aus konnte der \ 1 mittels eines
B . M A S P F U H L / A . METZ, V e r ä n d e r u n g e n im E l e k t r o m y o g r a m m
297
zu Abbildung 2
Diatransportgerätes den Bildwechsel vornehmen. Dabei wurde darauf geachtet, daß zwischen den einzelnen Reizen die Ausgangslage bezüglich der Muskelspannung wieder erreicht wurde (Ruhelage). Die Schätzurteile wurden vom VI protokolliert. Im EMG wurden die Aktionspotentiale der Musculi brachioradialis am rechten und linken Unterarm registriert. Gleichzeitig erfolgte eine Zeitschreibung. Durch einen Rechteckimpuls wurden ferner der Zeitpunkt der automatischen Exposition des Bildes und dessen Schätzung durch die Vp — angezeigt durch den Tastendruck — markiert. Im Anschluß an jeden Versuch wurden den Vpn die 20 möglichen Reizalternativen zur Beurteilung vorgegeben (es wurde jeweils nur eine der verschiedenen Zufallskonstellationen ausgewählt). Im Paarvergleich sollten jeweils zwei Alternativen miteinander verglichen werden hinsichtlich der unterschiedlich schwierigen Erfassung der Anzahl der weißen Felder. Auf einer entsprechenden Liste mußte jeweils die leichter zu erfassende Reizvorlage angekreuzt werden. 2. A u s w e r t u n g s m e t h o d i k Die Auswertung bezieht sich 1. auf die Erfassung der Dauer der Muskelaktivitätssteigerung vor dem Tastendruck und 2. auf die Messung der Gesamterkennungszeit, also die Zeit von Bildexposition bis Tastendruck. Der Wahl des myoelektrischen Parameters „Aktivitätsdauer vor dem Tastendruck" (bzw. vor der Benennung) lag die Überlegung zugrunde, daß sich die Dauer der definierten Erkennungszeit in drei Stadien einteilen läßt (n. NASAKOW, 1964): 1. Die Phase A — sie entspricht der Reizleitungszeit vom Rezeptor zum Z N S ;
293
Z. Psychol. Bd. 177 (1970) H. 3/4
2. die Phase 0 — sie entspricht der Zeit der Informationsverarbeitung oder wie es NASAKOW nennt, die Organisation der Antwortreaktion und 3. die Phase D — sie entspricht der Zeit zur Bewegungsausführung (s. Abb. 3).
Zeit Abb. 3. Zeitdiagramm der Bewegung (n. NASAROW) Die Phasen A und 0 zusammengenommen ergeben die Reaktionszeit, welche von der effektorischen Reizleitungszeit, der Zeit der Organisation der Antwortreaktion und der affektorischen Leitungszeit abhängt. Die Reizleitungszeit wiederum wird modifiziert a) durch die physikalischen Eigenschaften des Signals, b) durch die Geschwindigkeit der Entstehung nervöser Impulse im Rezeptor, c) durch die Leitungsgeschwindigkeit der Impulse in den einzelnen Nervenfasern und d) durch die Umschaltgeschwindigkeit der Impulse in den Synapsen. Die Veränderlichen b) bis d) werden dabei vom Aktivitätsniveau des ZNS beeinflußt, so daß z. B. eine Erregung der Formatio reticularis sensibilitätsverändernd wirken kann. Psychische Prozesse könnten demzufolge über die Erfassung der Zeitspanne der Informationsverarbeitung abschätzbar sein.
Als erstes wurden Erkennungszeit und Aktivitätsdauer vor Tastendruck für jede einzelne Exposition ausgemessen und tabelliert. Die Tabelle wurde so angelegt, daß die Zeiten sowohl auf die geschätzten als auch auf die realen Mengen bezogen werden können. Reaktions- und Aktivitätszeiten wurden dabei im Längenmaß mm angegeben, wobei 30 mm einer Sekunde entsprechen. Obwohl diese Art der Bezeichnung einer Zeit unüblich ist, wurde sie auch im weiteren aus Gründen der Ökonomie der Auswertung beibehalten, zumal durch diese Maßeinheit nicht die Relationen betroffen wurden, um die es hier geht. Der 2. Auswertungsschritt bezog sich auf die Klassenbildung, die erforderlich wurde, da jede Vp eine individuelle Schätzskala entwickelte, die jeweils unterschiedlich fein differenziert war. Dabei wurde so vorgegangen, daß die Einteilung entsprechend der höchsten Schätzung vorgenommen wurde. Die Dezimale der Höchstzahl diente als Maß für die Klassenbreite, weil die gewünschte Klassenanzahl vorher willkürlich auf 10 festgelegt worden war. Im Anschluß daran wurden über jede Klasse für jede Yp die entsprechenden myoelektrischen Daten gemittelt. Um diese Klassendurchschnittswerte aller Vpn miteinander vergleichen und aufeinander beziehen zu können, wurden die Klassenmittelwerte auf die Durchschnittsaktivitäten bezogen. Vom individuellen Gesamtdurchschnitt konnte dann jeweils der prozentuale Anteil der einzelnen Klassenmittelwerte errechnet werden, der als Maßstab diente. Die Prozentwerte jeder einzelnen Klasse, gemittelt über alle Vpn, ergaben dann den Skalenwert für die Kurve.
B . M A S P S U H L / A . METZ, V e r ä n d e r u n g e n i m E l e k t r o m y o g r a m m
299
Nach diesem Schema wurden die Aktivitäts- und Erkennungszeiten berechnet — einmal bezogen auf die Schätzurteile über die Kästchenanzahl und zum anderen bezogen auf die objektiv dargebotenen Mengen weißer Felder. (Da die tatsächlichen Mengen für alle Vpn gleich waren, sind hier die Muskelaktivitäten sowohl für alle 20 Möglichkeiten betrachtet worden als auch für die wegen des Vergleichs herangezogenen 10 reduzierten Klassenintervalle.) Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß in die Erkennungszeiten ein konstanter Faktor einging, nämlich die Zeit, die zum automatischen Diawechsel benötigt wurde. Das Ergebnis wird aber dadurch in seinen Relationen nicht beeinflußt. Die Auswertung des Paarvergleichs erfolgte entsprechend dem Law of Comparativ Judgement nach T H T J K S T O N E ( 1 9 3 7 ) . Diesem Gesetz liegt die Überlegung zugrunde, daß es möglich ist, aus der Verteilung von Alternativurteilen auf den subjektiven Größenunterschied zu schließen, den Paare von Objekten bezüglich eines gemeinsamen Merkmals für eine Vp haben. Die häufigste Bevorzugung eines Indikators wird als modaler Unterscheidungsprozeß gekennzeichnet, und der mit dem Indikator verbundene modale Unterscheidungsprozeß wird als Skalenwert des Indikators verwendet. (Bearbeitung nach S I X T L , 1 9 6 3 ) . Die Daten aus dem Paarvergleich wurden nach verschiedenen Transformationen in eine Intervallskala überführt. Der Zusammenhang aller in eben dargestellter Weise ermittelten Daten wurde mit Hilfe korrelationsstatistischer Verfahren berechnet. Weiterhin sollte die Variable „Aktivitätsdauer bezogen auf die Schätzeinheiten" verglichen werden mit der „Aktivitätsdauer bezogen auf die Realmengen"; gleiches gilt für die Erkennungszeit. Um zu einer Aussage über die Zeitkonstanz von Aktivitäts- und Erkennungszeit zu gelangen, wird die Reliabilität nach der split-half-Methode überprüft. Die Auswertung stützt sich jeweils auf etwa 3000 Meßdaten, die an 30 Vpn (Psychologie-Studenten) gewonnen wurden.
YI. Ergebnisse 1. S u b j e k t i v e S k a l i e r u n g d e r S c h w i e r i g k e i t
(Paarvergleich)
Wir sind davon ausgegangen, daß zunehmende subjektive Schwierigkeit eine Verlängerung der Informationsverarbeitung bedingt und im EMG in Form einer Aktivitätssteigerung kenntlich wird. Es ist jetzt zunächst zu fragen, ob die Mengenstaffelung in den Reizalternativen eine subjektive Schwierigkeitsskala formt und wie sich die Differenzierung auf einem Kontinuum verteilt.
300
Z. Psychol. B d . 177 (1970) H. 3/4
Wie die graphische Darstellung (s. Abb. 4) veranschaulicht, handelt es sich nicht um einen streng linearen Zusammenhang; soviel ist jedoch sichergestellt, daß der Mengenzunahme ein subjektiv empfundener Schwierigkeitsanstieg entspricht, der sich beim Vergleich kleinerer Mengen schärfer herauskristallisiert als beim Vergleich größerer Mengen. Auf zwei Urteilsunsicherheiten ist hinzuwei-
T
M
12
f
I
1-1
TS
1
12
l-l
1617
M
1970
t-M
232425
1 I I I I I II 7728293031323) Menge
A b b . 4. Graphische Darstellung der Schwierigkeitsskalierung
sen, und zwar zwischen den Mengen 24 und 25 und 27 und 28, hier haben jeweils die größeren Mengen den — wenn auch minimal — geringeren Skalenwert. Urteilsinkonsistenzen sind als Folge schwer unterscheidbarer Merkmalsausprägung (hier Menge) anzusehen und bedingen das Auftreten zirkulärer Triaden, d. h. Urteile folgender Art: a > b > c, aber a < c. Daß die Schwierigkeitsskalierung ihr Maximum bei der objektiv maximalen Merkmalsausprägung hat, mag daran liegen, daß die Schwarz-Weiß-Verteilung nur bis zum Verhältnis 1 : 1 getrieben wurde.
2. V e r ä n d e r u n g e n d e r m y o e l e k t r i s c h e n
Aktivitätsdauer
Im folgenden sollen die Beziehungen zwischen dem modalen Ausmaß der Mengenschätzung und der Aktivitätsdauer vor Tastendruck gezeigt werden. (Es ist zu beachten, daß die Skalenwerte für den subjektiven Schwierigkeitsgrad auf 10 reduziert wurden, um den Vergleich zu den 10 Schätzeinheiten anstellen zu können.) Es ergibt sich, daß mit steigender geschätzter Menge die Dauer der Tonuserhöhung vor Tastendruck zunimmt.
B . M A S P F U H L / A . METZ, V e r ä n d e r u n g e n i m E l e k t r o m y o g r a m m
301
Tabelle I. Aktivitätsdauer in °/0 bezogen auf die Schätzklassen Klasse Akt. o/Q
1 32
2
3
59
82
4
5
6
7
8
9
114
118
122
133
127
140
10 150
Bemerkenswert ist dabei, daß die relativen Veränderungen in der Dauer der präaktiven Phasen bezogen auf den physiologischen Parameter offensichtlich von der Lage der Schätzeinheit auf dem Kontinuum abhängen. So grenzen sich beispielsweise die Klassen 1 und 2 wesentlich schärfer voneinander ab hinsichtlich der Dauer der Muskeltonuserhöhung als etwa die Klassen 6 und 7. Es liegt nahe, diese Erscheinung auf eine geringere subjektive Unterscheidbarkeit im mittleren Bereich zurückzuführen. Summarisch betrachtet ergibt sich folgendes: J e größer die Menge weißer Felder subjektiv
Abb. 5. Originalkurven 1. Zeile: Brachioradialis (rechts) 2. Zeile: Brachioradialis (links) 3. Zeile: Bildexposition Tastendruck 4. Zeile: Zeitschreibung 27/32, d. h. 27 = objektive Anzahl heller Felder 32 = Schätzmenge
302
Z. Psycho!. Bd. 177 (1970) H. 3/4
erseheint, desto länger ist die Zeit der muskulären Aktivität. Andererseits Wurde gezeigt, daß die Schwierigkeit eines Schätzurteils abhängt von der Anzahl der zu erfassenden Einzelelemente. Daraus folgern wir, daß die Tonussteigerung eine Funktion der subjektiven Schwierigkeit ist. Der Pearson-Bravaissche Maßkorrelationskoeffizient zwischen den Meßwerten für die Aktivitätsdauer bezogen auf die Schätzeinheiten und den Schwierigkeitsskalenwerten beträgt r = 0,98. Dies zeigt, daß zwischen den beiden Variablen — der subjektiven Schwierigkeit einerseits, dem physiologischen Parameter der Erhöhung des Muskeltonus vor dem Tastendruck andererseits — ein enger annähernd linearer Zusammenhang besteht. Im weiteren sollen die Ergebnisse in Verbindung gebracht werden mit den Resultaten, die sich aus der Beziehung zwischen der Dauer der Muskelaktivitätssteigerung vor Tastendruck und den objektiv dargebotenen Mengen ergaben. Wie wir gesehen haben, kovariieren Schwierigkeit und Kästchenmenge, so daß es gerechtfertigt erscheint, die Größen als abhängige Variable zu kennzeichnen. Ein Vergleich der Kurvenverläufe der Schwierigkeitsskalierung und der mengenbezogenen Aktivitätsdauer ergibt den ebenfalls in Abb. 6 dargestellten Zusammenhang. Der Rangkorrelationskoeffizient wurde bestimmt und liegt bei r = 0,86.
/
/
y*
•/ -—
5
°
—- Schwierigkeit Aktivität „ (Schätzmengt)
y '9
^
_.
Aktivität (Realmenge)
10 Mengen Massen
Abb. 6. Beziehung zwischen der Dauer der myoelektrischen Aktivität und der geschätzten bzw. objektiv angebotenen Anzahl erleuchteter Felder. (Es ist zu beachten, daß sowohl die Skalenwerte, die sich aus der Bearbeitung des Paarvergleichs ergeben, als auch die der Aktivitätsdauer — bezogen auf die objektiven Mengen — auf 10 Einheiten reduziert wurden, um mit den Schätzskalen vergleichen zu können.) A°/ 0 = Dauer der myoelektrischen Aktivität vor dem Tastendruck (in % ) SW = Skalenwert der subjektiven Schwierigkeit
B . M A S P F U H L / A . METZ, V e r ä n d e r u n g e n im E l e k t r o m y o g r a m m
303
3. V e r ä n d e r u n g e n der E r k e n n u n g s z e i t e n Allgemein ist festzustellen, daß die Variation der Erkennungszeiten der des physiologischen Parameters weitgehend ähnelt: Die Erkennungszeit steigt entsprechend der Schwierigkeit der zu beurteilenden Muster an. Es ist dabei unwesentlich, ob die Erkennungszeit auf die objektiv dargebotenen Mengen bezogen wird oder auf die Schätzeinheiten. Tabelle I I . Erkennungszeit bezogen auf die Schätzwerte Klasse
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
73
84
94
100
106
111
113
112
114
115
Tabelle I I I . Erkennungszeit bezogen auf die objektiven Mengen Klasse
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
73
76
90
100
104
109
108
110
110
113
Der Pearson-Bravaissche Korrelationskoeffizient für den Grad des Zusammenhangs zwischen subjektiver Schwierigkeit und Erkennungszeit bezogen auf die Schätzeinheiten lag bei r = 0,99. Entsprechend hoch lagen auch die Koeffizienten für den Zusammenhang zwischen Erkennungs- und Aktivitätszeit — bezogen auf die Klasseneinheiten im Schätzurteil und bezogen auf die objektiven Mengen (in beiden Fällen = 0,98). Es besteht also ein sehr enger Zusammenhang zwischen den einzelnen Variablen. Interessant ist das Ergebnis, wenn man Erkennungs- und Aktivitätszeit miteinander in Beziehung setzt (Abb. 7). Die graphische Darstellung verdeutlicht, daß die Variabilität im physiologischen Parameter wesentlich größer ist als die der Erkennungszeit. Zur Prüfung dieses Ergebnisses berechneten wir den Variabilitätskoeffizienten (n. PEAHSON) für die Ausprägungsgrade beider Parameter. Für die Erkennungszeiten ermittelten wir einen Koeffizienten Vm = 8,44, für die Dauer der myoelektrichen Aktivität einen Koeffizienten VAkt = 36,08. Dieses Ergebnis bestätigt, daß die Variabilität in der Erkennungszeit wesentlich auf die Variabilität der Zeit der Informationsverarbeitung zurückzuführen ist, die wir mit unserem physiologischen Parameter zu erfassen suchen. 4. R e l i a b i l i t ä t d e s p h y s i o l o g i s c h e n
Indikators
Es bleibt zu prüfen, ob die Veränderungen der myoelektrischen Aktivitätsdauer ausschließlich von der Schwierigkeit der Anforderung abhängig sind oder ob Inkonsistenzen im zeitlichen Verlauf der physiologischen Reaktionen das Ergebnis verfälschen. Wir konnten zur Prüfung der Zuverlässigkeit unserer
304
Z. Psychol. Bd. 177 (1970) H. 3/4
Messungen das split-half-Verfahren anwenden, da die Schwierigkeitsgrade zufällig über den Versuch verteilt waren. Der Koeffizient der Produkt-Momentkorrelation zwischen erster und zweiter Versuchshälfte von r = 0,79 weist eine hohe Zeitkonstanz des gewählten physiologischen Indikators aus, so daß wir unsere Ergebnisse in dem obengenannten Sinne deuten dürfen. Z% 150$
—
120--
o. H
t0
100
705030 1
5
10 Mengenklassen
Abb. 7. Beziehung zwischen Erkennungszeit unrl Dauer der myoelektrischen Aktivität As = Dauer der myoelektrischen Aktivität vor Tastendruck bezogen auf die geschätzten Mengen A0 = Dauer der myoelektrischen Aktivität vor Tastendruck bezogen auf die objektiv dargebotenen Mengen Rts = Erkennungszeit bezogen auf die geschätzten Mengen Ht0 = Erkennungszeit bezogen auf die objektiv dargebotenen Mengen
Y. Besprechung der Ergebnisse Unsere Hauptbefunde gestatten folgende Aussagen: Zwischen der subjektiv empfundenen Schwierigkeit einer Anforderung und den Veränderungen des kontraktilen Muskeltonus besteht eine strenge Beziehung derart, daß die unwillkürliche Muskelaktivität in ihrem zeitlichen Ausmaß mit der Schwierigkeit kovariiert. J e schwieriger die Aufgabe empfunden wird, desto länger ist die präaktive Phase. Die subjektive Schwierigkeit der Beurteilung, die direkt von der psychischen Widerspiegelung der physikalischen Reizgegebenheiten unterschiedlicher Komplexität abhängt, ist als die bestimmende Variable für die elektromyographisch registrierten Veränderungen anzusehen. Da wir gemäß unserer Arbeitshypothese annehmen, daß die Dauer der Informationsverarbeitung von der Schwierigkeit abhängt und daß über die subjektive Schwierigkeitsskalierung der Grad der psychischen
B. MASPFUHL/A. METZ, Veränderungen im Elektromyogramm
305
Aktivität reflektiert wird, ist zu folgern, daß die Dauer der Muskeltonuserhöhung die Zeit der Informationsverarbeitung — oder nach NASAROW die Zeit, die zur Organisation der Antwortreaktion erforderlich ist — repräsentiert. Da, wie wir nachgewiesen haben, die Erkennungszeit weniger fein zwischen den Schwierigkeitsabstufungen differenziert, meinen wir, daß. die Veränderungen im physiologischen Parameter einen sehr empfindlichen Indikator psychischer Aktivierung darstellen. Daß wir am inaktiven linken Arm keine Muskelaktionsströme ableiten konnten, berechtigt noch nicht zu dem Schluß, daß dort keine Aktivitätsänderungen auftreten. Da die Verstärkung eventuell zu gering war, um diese Potentiale zu registrieren, können wir hier keine sicheren Aussagen machen. Am rechten Arm dagegen konnten wir in Ruhe eine völlig gleichförmige Linie ableiten, so daß angenommen werden kann, daß die nach Applizierung eines Reizes auftretenden Aktionsströme durch die zentripetale Impulsaussendung von kortikalen und subkortikalen Gebieten hervorgerufen werden. Die mittlere Dauer der unwillkürlichen Innervationserhöhung bei mentaler Aktivität betrug in unseren Versuchen 2,35 s, die kürzeste 0,33 s. Bei Willkürbewegungen stellte HATHAWAY jedoch nur 0,058 s vor Bewegungsbeginn eine myoelektrische Aktivitätserhöhung fest, so daß unsere um ein vielfaches länger dauernden Voraktivierungen auf die kognitive Verarbeitungsleistung zurückgeführt werden müssen. Das Phänomen der physiologischen Repräsentanz geistiger Aktivität läßt sich in der oben besprochenen Weise durch die zentrale Integration aller einlaufenden Impulse erklären. Über die sensorischen Bahnen gelangen die Erregungen zu den primären Projektionsfeldern im Großhirn. Die mit Applizierung eines neuen Reizes verbundene Orientierungsreaktion führt zu einer Erhöhung der Sensibilität der Propriozeptoren in den Muskelspindeln, die durch afferente Fasern mit dem ZNS in Verbindung stehen. Durch die sensorische Afferentation wird gleichzeitig mit den kortikalen Hirnstrukturen die Formatio reticularis aktiviert, und zwar einmal direkt über Kollateralen der sensorischen Bahnverbindungen und zum anderen indirekt über die kortikoretikuläre Rückkopplung sowie über die Verbindungen zu den thalamischen und pallidären Systemen. Durch die Aktivierung der Formatio reticularis kann nun die Bahnung der motorischen VHGZ erfolgen, wobei die Aussendung erregender Impulse vermutlich solange anhält, wie der kognitive Prozeß dauert. So wird verständlich, wieso die an die Großhirnstrukturen gebundene Reizverarbeitung sich in peripheren Körperbereichen in so eindeutiger Weise niederschlägt. Auf Grund der starken gegenseitigen Beeinflussung der einzelnen Hirnstrukturen kann bei den bisherigen elektromyographischen Untersuchungen nicht immer eindeutig abgeschätzt werden, ob der Anteil der Muskeltonussteigerung tatsächlich in jedem Fall nur von der einen unter20 Z. Psychologie 177
306
Z. Psycho], Bd. 177 (1970) H. 3/4
suchten Variablen abhängig ist. Wenn V. E i f f beispielsweise in seinen Untersuchungen höhere Muskelaktivitäten bei emotional ansprechenden Anforderungen fand als bei solchen Aufgaben, die eine vorwiegend rationale Verarbeitung verlangten, so mag das daran liegen, daß die zusätzliche affektive Erregung eine verstärkte Erregung der Formatio reticulis bewirkt, wodurch infolge einer verstärkten Bahnung der VHGZ der Innervationstonus erhöht wird. Die Ansicht aber, daß geistige Tätigkeit für sich keine Tonuserhöhung bewirkt, halten wir für ungerechtfertigt und glauben in unserer Untersuchung den Gegenbeweis erbracht zu haben — wenn auch mit Hilfe eines anderen Parameters — (Dauer). Ebenso ist es denkbar, daß das individuelle Erregungsniveau oder z. B. Komponenten der Leistungsmotivation gleiche verstärkende Effekte haben. Die interessanten Befunde über den Einfluß der subjektiven Erfolgswahrscheinlichkeit können vielleicht so gedeutet werden, daß die Aufmerksamkeitszuwendung nachläßt, wenn die Vp eine bestimmte Aufgabe als unlösbar empfindet. Neurophysiologisch könnte das als Hemmung gedeutet werden. Unterzieht man unsere Untersuchung einer kritischen Betrachtung bezüglich der Frage, ob tatsächlich die subjektiv empfundene Schwierigkeit der einzige Faktor ist, auf den die untersuchten Indikatorveränderungen zurückzuführen sind, so spricht die strenge Ubereinstimmung zwischen der Bedingungsvariablen und dem physiologischen Parameter insgesamt dafür. Sollten dennoch Komponenten wie emotionale Spannung u. ä. eingegangen sein — was allerdings auf Grund der Versuchsanordnung keine wesentliche Rolle gespielt haben kann — so sind derartige intervenierende Variable durch die interindividuell relativierte Auswertungsmethodik berücksichtigt. Im Hinblick auf die Auswertungsobjektivität ist zu erwähnen, daß einige Vpn zwischen den einzelnen Reizdarbietungen ihre Ruhelage nicht immer erreichten. Das erschwerte die Auswertung, da in diesen Fällen die sichtbare Muskeltonusveränderung nur gegen den vorangehenden Zustand abgeschätzt werden konnte. (Damit die Vp ihre Schätzung nicht durch Auszählen der Kästchen überprüfen konnte, sollte der Diawechsel gleich nach jedem Schätzurteil erfolgen.) Unsere unter eingeschränkten Laborbedingungen nachgewiesene Beziehung darf vorerst nur bezüglich dieses einen untersuchten Parameters für eine relativ leichte Anforderungssituation gelten. Ob die dargelegten Beziehungen allgemein übertragbar sind, muß erst noch überprüft werden. Als Beitrag zur Aufdeckung theoretischer Zusammenhänge zwischen physiologischen und psychischen Prozessen sind kaum unmittelbare praktische Konsequenzen zu nennen, die aus dieser Arbeit erwachsen könnten, zumal schon oft darauf verwiesen wurde, daß die Erfassung so komplexer Sachverhalte wie Ermüdung oder Beanspruchung monosymptomatisch kaum möglich sein wird.
B . M A S P F U H L / A . METZ, V e r ä n d e r u n g e n i m E l e k t r o m y o g r a m m
307
Zusammenfassung Die durch die zunehmende Automatisierung und Technisierung bedingten Veränderungen im Produktionsprozeß führen zu veränderten Arbeitsanforderungen an den Menschen. Der Anteil überwachender und kontrollierender Tätigkeit nimmt auf Kosten rein körperlicher Anforderung zu. Das Fehlen von wissenschaftlichen Feststellungsverfahren für das Ausmaß geistiger Belastung und von Normen für optimale Beanspruchungsgrade begründet die Dringlichkeit, mit der nach objektiven Indikatoren psychischer Aktivität geforscht wird. Daß derartige psychische Prozesse indirekt über physiologische Erscheinungen erfaßbar sind, ist empirisch nachgewiesen, wobei die Uneinheitlichkeit der Ergebnisse noch keine Rückschlüsse auf die Art der Beziehung zuläßt. Derartige grundlegende Fragen gilt es in systematischer Forschung zu klären. Ausgehend von den empirisch ermittelten Beziehungen sollte unsere Untersuchung auf die Analyse des Zusammenhangs zwischen kognitiver Anforderung in Form von Schätzurteilen über perzeptive Muster unterschiedlicher Schwierigkeit und der Dauer der Muskeltonuserhöhung während der zentralnervösen Reizverarbeitung spezifiziert werden. Die Muskelaktionspotentiale wurden mit einem direkt schreibenden Registriergerät erfaßt. Die Oberflächenableitungen erfolgten bipolar mit Silberelektroden vom rechten und linken Musculus brachioradialis. Die Vpn wurden instruiert, die Anzahl der hellen Felder auf schachbrettartigen Mustern zu schätzen. Die Anzahl und die Verteilung der weißen Flächenelemente wurde nach dem Zufall variiert. Gleichzeitig wurde die Erkennungszeit — zwischen Bildexposition und Schätzung — gemessen. Aus einem Paarvergleich wurde die subjektive Schwierigkeit der Beurteilung ermittelt. Als Auswertungsparameter wurde die Zeitspanne vom Beginn der Muskeltonuserhöhung bis zur Antwort, die durch den Tastendruck angezeigt wurde, herangezogen und mit der subjektiv empfundenen Schwierigkeit in Beziehung gesetzt. Die Auswertung ergab, daß die Dauer der Aktivitätssteigerung bis zum Tastendruck bei der Beurteilung der Reizvorlagen mit der subjektiven Schwierigkeit anstieg, wobei die subjektive Schwierigkeitsskalierung direkt von der Menge heller Felder abhing. Die subjektive Mengenstaffelung war über entsprechende Klassenbildung vergleichbar gemacht worden, ebenso die Unterschiede in den individuellen Aktivitätsniveaus durch die Berechnung der Relation durchschnittlicher Aktivitätsdauer/Aktivitätsdauer bezogen auf die jeweilige Mengenklasse. Nach Einbeziehung der Erkennungszeit in die Auswertung hat sich gezeigt, daß die Variabilität im physiologischen Parameter wesentlich größer ist als die der Erkennungszeit, in die der physiologische Parameter eingeht. E s wird demzufolge angenommen, daß die Variabilität 20*
308
Z. Psychol. Bd. 177 (1970) H. 3/4
in der Erkennungszeit auf die Variabilität der Aktivitätszeit zurückgeführt werden kann. Die Prüfung der Reliabilität ergab, daß die physiologischen Daten zeitkonstant waren. Die Veränderungen des Muskeltonus werden folgendermaßen erklärt: Mit der Applizierung eines Reizes erfolgt eine Orientierungsreaktion, die zur Bahnung der VHGZ führt. Die sensorische Afferentation bewirkt über eine Aktivierung der retikulären und kortikalen Strukturen und der daraus resultierenden Rückwirkung auf die dienzephalen Systeme eine Erregung des Großhirns, die über die Formatio reticularis in Form der vermehrten Impulsaussendung auf die motorische VHGZ des Rückenmarks wirkt. Es wird angenommen, daß je nach Schwierigkeit, d. h. je nach der Dauer der kognitiven Verarbeitung des wahrgenommenen Reizes die Impulsaussendung anhält, so daß sich damit die unterschiedlich lange Tonuserhöhung vor der Antwort erklärt.
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B . MASPFUHL/A. METZ,
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Anschrift des Verfasser: D i p l . - P s y c h . B E R G I T MASPFUHL
Sektion Rehabilitationspädagogik und Kommunikationswissenschaft — Bereich Kommunikationswissenschaft — 108 Berlin, Unter den Linden 9—11 D r . A . METZ
Deutsches Zentralinstitut für Arbeitsmedizin, 1134 Berlin, Nöldnerstr. 40—42
Aus dem Psychologischen Institut der Universität Heidelberg
Über Maße der praktischen Signifikanz V o n J. BREDENKAMP
I. Einleitung Im Anschluß an einen statistischen Signifikanztest hat der Experimentator die Möglichkeit, die praktische Signifikanz seiner Ergebnisse zu ermitteln. Ein statistisch signifikantes Ergebnis besagt noch nichts über die relative Größe des gefundenen Effektes. So ist es durchaus möglich, daß, obwohl die Mittelwerte statistisch signifikant verschieden groß sind, nur 1% der gesamten Datenvarianz durch die Variation der experimentellen Bedingungen determiniert ist, während in einem anderen Experiment trotz der statistischen Insignifikanz 20% der gesamten Variation durch die Manipulation der experimentellen Bedingungen erklärbar sind. Auf jeden Fall sollte sich ein Experimentator deshalb nicht mit der Berechnung eines Signifikanztests begnügen, sondern zusätzlich die praktische Bedeutsamkeit seiner Ergebnisse abschätzen. Dafür gibt es verschiedene Verfahren, die z. T. zu gleichen, z. T. zu verschiedenen Ergebnissen führen. Im folgenden sollen verschiedene Verfahren dargestellt und miteinander verglichen werden; außerdem soll angegeben werden, wann die Verwendung welchen Maßes relevant ist.
II. Einige Grundgleichungen In einer Varianzanalyse mit einem Faktor gelten folgende Beziehungen: Quadratsumme (total) = Quadratsumme (zwischen) + Quadratsumme (1) (innerhalb) QSt = QSZ + QSe. Wenn der Faktor k Modalitäten hat und der Stichprobenumfang N beträgt, gilt: sl = QSt/(N - 1) (2 a) s, = QS./(N - k) (2b) = QSz/(k - 1) (2c) F = sl/sl d f = ( k - 1 )/(N - k). (2d)
J . BREDENKAMP, Über Maße der praktischen Signifikanz
311
Wenn k = 2, gilt:
F = f2
df für i-Wert: N - k = N -
2.
(3)
Weiterhin gelten folgende Definitionen für die Stichprobenvarianzen:
S 2t = QSJN S 2e = QSJN.
(4 a) (4b)
I m folgenden wird zwischen zwei Modellen der Varianzanalyse unterschieden. A. Modell I der Varianzanalyse: fixierter F a k t o r
1
Aus der Basisgleichung des relevanten Strukturmodells
ij = H + eij ( 5 a) Meßwert der Vp i in der treatment-Population j genereller Populationsmittelwert treatment-Effekt in der Population j Zufallsfehler der Vp i folgende weitere Gleichungen ableiten (vgl. HAYS, 1963, S . 365 ff.): Y
Ytj = [JL = Oj = etj- = lassen sich
E(sl) E(sl)
=
Jetzt wenden wir uns a> zu. Dieses Maß gibt die praktische Signifikanz in der Population an, wenn diese durch (a'j — a2e)/a2 definiert wird. E s fragt sich nun, wie auf Grund der Stichprobeninformation co 2 geschätzt werden kann. Zunächst wird (5d) in Gleichung (III) eingesetzt: 2
r,\2
—
^
+ {Zn}cj)/N
- oj
314
Z. Psychol. Bd. 177 ( 1 9 7 0 ) H . 3 / 4
Werden Zähler und Nenner der rechten Seite dieser Gleichung mit N/(k — 1) multipliziert, so erhält man: 0>2
}
=
iya|/(/c-l) + (2> ? .a?)/(/c-l)-
Nach (5 c) ist der Zähler dieses Ausdrucks E(sz) — ae. (
l
=
Eft)-oj . Nay(k - 1 ) + E (s|) - oj
Multipliziert man Zähler und Nenner dieses Ausdrucks mit (k — 1) und setzt die verschiedenen Schätzwerte ein, so ergibt sich: geschätztes « 2 =
(k-l)sj-(k-l)sl
Dieser Ausdruck läßt sich, wenn man die Gleichungen (2b), (2c) und (1) benutzt, folgendermaßen umformen: QSz-(k-l)sl geschätztes a>2 = co2 = —" n v QS, + sl
i
—
(
H
l
)
3
Dieser Wert gibt eine Schätzung der praktischen Signifikanz in der Population an. 1 Wie ein Vergleich der Formeln (II) und ( l i l a ) zeigt, ist das geschätzte tu2 immer kleiner als t]2, sofern sl 4= 0 . Das letzte in diesem Abschnitt zu diskutierende Maß ist e2. Der Vergleich der Formeln (IV) und (IIb) zeigt, daß s 2 immer kleiner als rj2 ist, sofern $1 4= 0. Durch Umformung kann für (IV) auch folgende Gleichung geschrieben werden :
- -
CV-)
Dieser Ausdruck ist identisch mit: P2
=
(IVb)
Der Vergleich der Formeln ( l i l a ) und (IVa) zeigt, daß e2 immer größer als das geschätzte CD2 ist, sofern s2e =J= 0. Wenn man s 2 als eine Schätzung des Parameters (af — cr^)/of ansieht, so weicht sie vom geschätzten cu2 deshalb ab, weil als Schätzwert für o'f die nicht erwartungstreue Schätzung s'j verwendet wird (vgl. Gleichung 5f). I m Gegensatz zum geschätzten co2 ist s2 also nicht der Bruch zweier erwartungstreuer Varianzschätzungen. Cohen (1965) bezeichnet s2 als erwartungstreue Schätzung der Populationskorrelation 7]£ . 1
E s handelt sich nicht um eine erwartungstreue Schätzung, da der B r u c h erwartungs-
t r e u e r Varianzschätzungen keine erwartungstreue Schätzung ist (vgl. CURETON 1966).
J . BEEDENKAMP, Über Maße der praktischen Signifikanz
Tatsächlich ist diese Ansicht nicht richtig (vgl. folgende Beziehung zwischen rp- und e2: S
2=l-(1- V
2
CTTBETON 1 9 6 6 ) .
) ^ .
315 Es besteht (8a)
Da 1)2, wie noch gezeigt werden soll, gleich der quadrierten multiplen Korrelation zwischen einer die unabhängige Variable repräsentierenden Menge von alternativ verteilten Variablen und der abhängigen Variablen ist, entspricht e2 genau der üblichen Korrektur des quadrierten multiplen Korrelationskoeffizienten (vgl. Gleichung VII). Der so korrigierte quadrierte multiple Korrelationskoeffizient ist, wie O L K I I N und P R A T T ( 1 9 5 8 ) für den Fall einer multivariaten Normalverteilung nachgewiesen haben, keine erwartungstreue Schätzung der quadrierten Populationskorrelation. Für den Fall eines qualitativen fixierten Faktors sind bisher keine erwartungstreuen Schätzungen abgeleitet worden ( C T J K E T O N 1 9 6 6 ) , so daß s 2 in keinem Fall als erwartungstreue Schätzung des Parameters (af — a'e)/a't angesehen werden kann. Zwischen den (nicht erwartungstreuen) Schätzungen dieses Parameters bestehen folgende Beziehungen: £2 / N \ ¿¿2 1 — e2
\N -
_
1/ T ^ ä j i
^
'
iVe2 _ £2 =
2
316
Z. Psychol. Bd. 177 (1970) H. 3/4
Die unabhängige Variable kann durch (k — 1) kodierte „unabhängige Variablen" folgendermaßen repräsentiert werden (vgl. C O H E N , 1 9 6 8 ) :
Xt
*2
A2 A3
1 0 0
0 1 0
A k _i
• 0
0
0
• 1
Ak
0
0
0
0
A
•
0 0 0
0 0 1
X j = kodierte „ U V " Aj = Modalitäten des fixierten Faktors
Zwischen jeder alternativ verteilten kodierten „ U V " und der abhängigen Variablen y kann eine punkt-biseriale Korrelation berechnet werden. Ferner kann zwischen Y und den Variablen Xi} X2, . . ., Xk_l eine multiple Korrelation R Y . Xj, x2, xk_i berechnet werden. Es läßt sich zeigen, daß folgende Beziehung gilt (vgl. COHEN, 1968): =
U
z
r j * R
=
Y
.
(VI)
X i < X 2
Die quadrierte multiple Korrelation ist also ein Maß der praktischen Signifikanz des Stich proben ergebnisses und läßt sich auf die Gleichung (Sf — Sf] ¡S'j zurückführen. Nun ist bekannt, daß die multiple Korrelation um so größer wird, je größer das Verhältnis k/N ist. Deshalb wird R 2 oftmals folgendermaßen korrigiert (vgl. MCNEMAB,
1962,
S.
184):
korrigiertes R 2Y.xi,x2 =
Wird rj 2 für R 2Y.x1,x2 (IIa) (1 — r j
2
) =
SljS'l
1 -
(1 -
x k_
t
R
x k_ i 2
y .
x i