Zeitschrift für Slawistik: Band 34, Heft 3 [Reprint 2021 ed.]
 9783112597323, 9783112597316

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SLAWISTIK

Französische Revolution und slawische Kulturen

X u LO h uü N

Band 34 • 1989

3

Akademie-V erlag • Berlin

ISSN 0 0 1 4 - 3 5 0 6

Z. Slaw., Berlin 34 (1989) 3, 3 2 7 - 4 7 8

Gestaltungshinweise für die Autoren Die Manuskripte sind in e i n e m Original mit z w e i Durchschlägen einzureichen und sollten einen Umfang von 25 Seiten nicht überschreiten. Die Manuskripte sind zu schreiben — auf Sclireibmaschinenpapier Format A 4, — einseitig und zweizeilig, 30 Zeilen pro Seite, - mit kräftigem Farbband, deutlich leabar (saubere Typen), — Absätze sind durch das Absatzzeichen kenntlich zu machen, nicht durch Einrücken. Zitate und Quellenangaben im Text müssen wortwörtlich mit dem Original übereinstimmen. Buch- oder Aufsatztitel, Zitate im laufenden Text werden in doppelte, Bedeutungsangaben in einfache Anführungsstriche gesetzt, z. B. Iit. nngn ,Huf'. Zitate sind in der Origitialspraehe zu bringen. Zitate aus kyrillischen Quellen sowie kyrillische Buchtitel sind unbedingt mit der kyrillischen Maschine (nicht mit der Hand) zu schreiben. Diakritische Zeichen müssen deutlich lesbar sein und sind notfalls mit der H a n d einzutragen. Personennamen werden im Normaldruck (nicht in Versalien) gebracht, kyrillisch geschriebene transkribiert (außer bei den Fußnoten). Hervorhebungen erfolgen nur durch Sperrung (gekennzeichnet durch unterbrochene Linie unter dem Text: ) oder durch Kursivdruck (Wellenlinie unter dem T e x t : )•

Die Fußnoten sind fortlaufend zu numerieren und auf gesonderten Seiten — ebenfalls zweizeilig geschrieben — am Schluß des .Manuskripts anzufügen. Sie müssen im Text und im Anmerkungsteil hinsichtlich ihrer Zahl und ihres Inhalts übereinstimmen. Die hochgestellten Fußnotenziffern im Text erhalten keine Klammern. Die Angaben in der Fußnote sind in dieser Reihenfolge zu bringen: Vorname des Verfassers (abgekürzt), Familienname (gesperrt), Titel des Werkes bzw. des Artikels, ggf. Reihe, Hand, Zeitschrift, Erscheinungsort und -jähr, Seite. Beispiele: P. B o e r n e r , Erinnerungen eines Revolutionärs. Skizzen aus dem J a h r e 1848, Bd. 2, Lpz. 1920, S. 83. 1 J I . H . T O J I C T O A , Co6p. co !. B 3BA;WATII T O M a x , T . 1, M . 1 9 6 0 , S. 3 8 3 . L. U d o l p h , Stepan Petroviö Scvyrev 1 8 2 0 — 1 8 3 6 (== Bausteine zur Geschichte der Literatur bei den Slaven, Bd. 26), Köln —Wien 1986. Bei Zeit schriftenaufsätzen: D. R a d t k e , Zur Gebrauchsweise der Konjunktionen a und HO im Russischen, in: Wiss. Zs. der Ernst-Moritz-Arndt-Univ. Greifswald (GSR) 10 (1961), S. 5 1 - 5 0 . U. L e h m a n n , Werk und Leser im Wandel, in: ZfSl .33 (1988), S. 1 5 - 1 9 . Für häufig zitierte Werke ist ein Signum zu geben, das in einer Fußnote oder (bei mehreren Werken) in einem speziellen Abkürzungsverzeichnis zu erläutern ist. Abkürzungen dürfen nur nach Duden (Abkürzungsverzeichnis) verwendet werden. Bei uns (in den Fußnoten) ständig abgekürzt: Berlin — Bln.; Leipzig = Lpz.; MoCKBa = M.; .ileiumrpa;; = JI.; Mocnna—Jlenimrpas = M.-JI.; CaHKT—IleTepßypr — CIIC.; herausgegeben — hg. Korrekturen im Manuskript sind auf ein Mindestmaß zu beschränken und nur über der Zeile in Druckbuchstaben (nicht auf dem Rand) einzutragen. Manuskripte, die den genannten technischen Anforderungen nicht entsprechen, werden uns von der Druckerei nicht abgenommen. Solche Manuskripte gehen an den Autor zurück. In der Redaktion besteht keine Möglichkeit für eine Abschrift von Manuskripten.

ZEITSCHRIFT FUR

SLAWISTIK B A N D 34

1989

HEFT 3

Herausgeber: Zentralinstitute für Literaturgeschichte und für Sprachwissenschaft der Akademie der Wissenschaften der DDR REDAKTIONSBEIRAT R. Rüzicka (Vorsitzender), W. Smolik (Sekretär), W. Beitz, E. Dieckmann, G. Dudek, E. Eichler, D. Freydank, K. Gabka, W. Gladrow, E. Hexelschneider, A. Hiersche, G. Jäger, M. Jähnichen, K. Kasper, E. Kowalski, R. Lötzsch, P. Nowotny, G. Schaumann, H. Schuster-Sewc, I. Seehase, M. Wegner, H. Zikmund

REDAKTIONSKOLLEGIUM G. Ziegengeist (Chefredakteur), R. Eckert (Stellv. Chefredakteur), E. Donnert, K. Gutschmidt, H. Jünger, P. Kirchner (Wiss. Leiter d. Red.), U. Lehmann, L. Richter, R. Rüzicka, G. Schlimpert

Französische Revolution und slawische Kulturen

AKADEMIE-VERLAG BERLIN

Die „Zeitschrift für Slawistik" ist das zentrale Fachorgan der Slawistik in der DDR. In ihr werden Sprachen und Literaturen, Folklore, Kulturgeschichte und Geschichte der slawischen Völker in Vergangenheit und Gegenwart untersucht. Spezialgebiete sind insbesondere die Sorabistik, die deutsch-slawischen Wechselbeziehungen auf den Gebieten der Sprache und der Literatur, die Namenforschung, die Geschichte der Slawistik und die Baltistik. — Tagungsberichte informieren über wichtige wissenschaftliche Konferenzen des In- und Auslandes. Rezensionen vermitteln einen Überblick über aktuelle Tendenzen und Entwicklungen in der internationalen slawistischen Forschung.

BEZUGSMÖGLICHKEITEN DER ZEITSCHRIFT Bestellungen sind zu richten — in der DDR an den Postzeitungsvertrieb unter Angabe der Kundennummer des Bestellenden oder an den Akademie-Verlag Berlin, Leipziger Str. 3—4, DDR-1086 Berlin; — im sozialistischen Ausland an eine Buchhandlung für fremdsprachige Literatur oder an den zuständigen Postzeitungsvertrieb; — in der BRD und Berlin (West) an eine Buchhandlung oder an die Auslieferungsstelle KUNST UND WISSEN, Erich Bieber oHG, Postfach 102844, D-7000 Stuttgart 10; — - in den übrigen westeuropäischen Ländern an eine Buchhandlung oder an die Auslieferungsstelle KUNST UND WISSEN, Erich Bieber GmbH, General Wille-Str. 4, CH-8002 Zürich; — im übrigen Ausland an den Internationalen Buch- und Zeitschriftenhandel; den Buchexport, Volkseigener Außenhandelsbetrieb der DDR, Postfach 160, DDR-7010 Leipzig; oder an dep Akademie-Verlag Berlin, leipziger Str. 3—4, DDR-1086 Berlin.

ZEITSCHRIFT FÜR

SLAWISTIK

Herausgeber: Zentralinstitute für Literaturgeschichte und für Sprachwissenschaft der Akademie der Wissenschaften der DDR. Verlag: Akademie-Verlag Berlin, Leipziger Str. 3—4, DDR-1086 Berlin; Fernruf: 2236221 und 2236229; Telex-Nr. 114420; Bank: Staatsbank der DDR, Berlin, Kto.-Nr. 6836-26-20712. Chefredakteur: Prof. Dr. O. Ziegengeist. Redaktion: Dr. P. Kirchner (Wiss. Leiter der Redaktion), W. Smolik (Stellv. wiss. Leiter), A.-O. Bartel, A. Richter, I. Smolik. Anschrift der Redaktion: Prenzlauer Promenade 149—152, DDR-1100 Berlin; Fernruf: 4797195. Veröffentlicht unter der Lizenznummer 1298 des Presseamtes beim Vorsitzenden des Ministerrates der Deutschen Demokratischen Republik. Gesamtherstellung: VEB Druckhaus „Maxim Gorki", DDR-7400 Altenburg. Erscheinungsweise: Die Zeitschrift für Slawistik erscheint jährlich in einem Band mit 6 Heften, Bezugspreis je Band 162,— DM zuzüglich Versandspesen. Preis je Heft 27,— DM. Der gültige Jahresbezugspreis für die DDR ist der Postzeitungsliste zu entnehmen. Bestellnummer dieses Heftes: 1044/34/3. Urheberrecht: Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die der Übersetzungen. Kein Teil dieser Zeitschrift darf in irgendeiner Form — durch Fotokopie, Mikrofilm oder irgendein anderes Verfahren — ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsanlagen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. All rights reserved (including those of translation into foreign languages). No part of this issue may be reproduced in any form, by photoprint, microfilm, or any other means, nor transmitted or translated into a machine language, without written permissions from the publisher. © 1989 by Akademie-Verlag Berlin. Printed in the German Democratic Republic. AN (EDV) 17421. 00900

Z. Slaw. 84 (1989) 3, 329-344 G. M. F r i e d l ä n d e r

Freiheit und Gesetz PuSkin und die Große Französische Revolution 1 Die Französische Revolution von 1789—1794 gehört zu den herausragenden Ereignissen der Weltgeschichte. Sie versetzte dem Absolutismus einen vernichtenden Schlag. Darüber hinaus war sie im Unterschied zu anderen, früheren bürgerlichen Revolutionen die erste bürgerliche Revolution, die nicht unter religiösem Vorzeichen (wie die englische Revolution des 17. Jahrhunderts) und nicht unter der Flagge des Kampfes um nationale Befreiung (wie der amerikanische Unabhängigkeitskrieg), sondern unter dem Banner der Ideen staatsbürgerlicher Gleichheit und politischer Freisinnigkeit geführt wurde. Sie, die von den atheistisch und materialistisch eingestellten Aufklärern des 18. J a h r hunderts vorbereitet worden war, schrieb „Freiheit", „Gleichheit" und „Brüderlichk e i t " auf ihre Fahnen. Indes: Bei all ihrer historischen Bedeutung hatte die Große Französische Revolution auch ihre tragische Seite. Einem Bündnis zwischen den Bauern und dem bürgerlichen „dritten Stand" entsprungen, bereitete sie objektiv dem Sieg der bürgerlichen Gesellschaft den Boden. Neben den Ideen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verkündete sie als oberstes und unantastbares Prinzip das Prinzip des Privateigentums. Dadurch, daß die Französische Revolution das Privateigentum als „ewige", unantastbare Grundlage der Gesellschaft proklamierte, verstrickte sie sich unausweichlich in unüberwindbare Antinomien. Denn sie, die einerseits die Volksmassen in deren Kampf um die eigene Befreiung zu größtem Heldentum und höchster Selbstaufopferung stimulierte, brachte nicht nur die Klasse der Großeigentümer und Spekulanten hervor, die sich durch den Aufkauf von Nationalgütern bereicherten, sondern auch die noch zahlreichere Klasse des Kleinbauerntums. Diese Klasse der Kleinbauern wurde durch •die Revolution der Feudallasten ledig und war, nachdem sie selbst über kleine Bodenanteile verfügte, zeitweilig mit dem von ihr errungenen Parzelleneigentum völlig zufrieden und daher nicht an einer weiteren Vertiefung der Revolution interessiert. Daher mußte die Große Französische Revolution, um an den Kriegsfronten die antirevolutionäre Koalition der europäischen Monarchen zu besiegen und um den Widerstand der Aristokraten und der neu hinzugekommenen Bourgeois zu unterdrücken, in den Jahren 1793/94 bei der Verteidigung ihrer Errungenschaften zum Terror greifen. Und nur dank dem Terror und dank der Einmischung breiter Massen von Stadtplebejern in den Gang der revolutionären Ereignisse vermochte es die Revolution, an den äußeren Fronten den Sieg zu erringen sowie den Widerstand der Aristokraten und Neureichen im Landesinnern niederzuhalten. Doch der revolutionäre Terror der Jakobiner hatte notwendigerweise seine Kehrseite. E r zog einen Kampf innerhalb der herrschenden Partei nach sich, der ihre Kräfte untergrub. Als Robespierre Danton, Camille Desmoulins ebenso wie Jacques Roux, die Hébertisten und weitere „Enragés" auf die Guillotine geschickt hatte, verlor er die Mehrheit im Konvent und den Halt in den breiten Volksmassen. So erklärt sich, weshalb es seinen politischen Gegnern so vergleichsweise leicht gelang, den Sieg über ihn davonzutragen. Die Diktatur des revolutionären Volkes wurde 1*

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schrittweise abgelöst von der persönlichen Diktatur Robespierres, Saint-Justs und ihrer wenigen Mitstreiter, dann — nach dem 9. Thermidor — von den Orgien der Thermidorianer und durch die Einrichtung des Regimes des Direktoriums, das der Macht Napoleons als „erstem Konsul" und dann als Kaiser den Weg bahnte. Die revolutionäre Macht der Pariser Kommune und des Wohlfahrtsausschusses wich dem Regime des Imperiums, anstelle der Befreiungskriege der Revolution gab es nun die Eroberungskriege Napoleons I. Lange Zeit herrschte in der fortschrittlichen (darunter auch in der marxistischen) Geschichtsschreibung die Auffassung vor, daß eine negative Einstellung zum jakobinischen Regime dort, wo sie Ende des 18. bis Anfang des 19. Jahrhunderts anzutreffen ist, s t e t s und ü b e r a l l von Schwächen im revolutionären Denken oder von direkt reaktionären Tendenzen zeuge. Daß Goethe, Schiller, Hegel mit der ersten Etappe der Französischen Revolution sympathisierten, daß sie die allgemeinen Resultate der Revolution (die Goethe am Tage der Schlacht bei Yalmy scharfblickend als die Geburtsstunde einer neuen Epoche der Weltgeschichte charakterisierte) akzeptierten, doch die Zeit des „Schreckens" (d. h. des jakobinischen Terrors) ablehnten, wurde in den meisten literaturwissenschaftlichen Arbeiten in der erwähnten Weise eingeschätzt. Indessen ist dieses Problem, wie wir heute sehen können, weitaus komplizierter. Ist es doch kein Zweifel; daß nicht nur Goethe und Schiller, sondern auch Radiäöev, Karamzin, Babeuf, Saint-Simon, Balzac, Tolstoj und Dostoevskij, ja nahezu alle großen Schriftsteller und Denker des 18. und 19. Jahrhunderts zwar zutiefst mit dem Emanzipationspathos der Großen Französischen Revolution sympathisierten und deren allgemeine Resultate billigten, sich jedoch zur Periode des revolutionären Terrors äußerst reserviert (oder direkt ablehnend) verhielten. Bei den Menschen des 18. und 19. Jahrhunderts war das reservierte (oder negative) Verhältnis zur Epoche des Terrors d u r c h a u s n i c h t immer e i n e F o l g e k o n s e r v a t i v e r Ü b e r z e u g u n g e n . Nicht selten resultierte ein solches Verhältnis aus anderen, tieferliegenden Motivationen: nämlich aus dem Bewußtsein der Inhumanität des Terrorregimes und seiner verhängnisvollen Folgen für die Sache der wahren Emanzipation der Menschheit, mitunter aber auch aus tragischen Vorahnungen. Diese Vorahnungen entsprangen der mehr oder weniger deutlichen Vorstellung, daß der Terror der Jakobiner dahin geführt habe, daß eine abstrakte und gesichtslose Staatsmaschine noch mehr Macht über den Menschen gewann, eine Staatsmaschine, die von ihm entfremdet ist und sich in eine selbständige, ihm feindliche Kraft zu verwandeln droht und die fähig ist, den Schuldlosen wie den Schuldigen gleichermaßen erbarmungslos zu treffen. Eben daher rührt die negative Einstellung, die der größte Teil der ersten russischen Revolutionäre des 19. Jahrhunderts — die Dekabristen — wie auch der ihnen in seinem politischen Denken eng verbundene Puskin zum Regime des jakobinischen Terrors hatten. Puäkin, der große Dichter und Humanist, schätzte, seit er das Alter der geistigen Reife erlangt hatte, die Französische Revolution und ihre historische Bedeutung stets hoch ein. Er begeisterte sich für Mirabeau, den „Revolutionslöwen"1, und hob ihn gleichzeitig entschieden von Robespierre (und Marat) ab. Letztere waren für Puäkin hervorragende Revolutionäre und Despoten in einem, die er mit anderen Tyrannen der Antike und Neuzeit — von Tiberius und Caligula bis zu Paul I. und Napoleon — verglich. 1

K.Marx/F.Engels, Werke. Bd. 23. 17. Aufl. Bln. 1988, S. 774 ( = K. Marx, Das Kapital. Erster Band).

G. M. FRIEDLÄNDER, Puâkin und die Französische Revolution

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In der negativen Einstellung der Dekabristen und Puskins gegenüber den Jakobinern sahen viele Historiker und Literaturhistoriker (zum Teil ist das heute noch der Fall) eine Nachwirkung der Ideen Madame de Staëls, Benjamin Constants und anderer liberaler französischer Schriftsteller und Historiker des frühen 19. Jahrhunderts. 2 Doch obgleich sowohl die Dekabristen als auch Puskin die „Considérations sur les principaux événements de la Révolution française" (1818) von Madame de Staël und die Arbeiten Benjamin Constants gut kannten (und Puskin in den 30er J a h r e n die Darstellungen der Geschichte der Französischen Revolution von A. Thiers und F. Mignet wie auch die „Histoire de la civilisation en France" und andere Arbeiten von F. Guizot aufmerksam studierte), f ü h r t uns in Wirklichkeit diese traditionelle Erklärung von einem richtigen Verständnis des Sachverhalts weg. Denn der Ausgangspunkt f ü r die Kritik an der Herrschaft der Jakobiner war f ü r Madame de Staël und andere liberale französische Historiker die Verteidigung der Unantastbarkeit des Eigentums. Als Ideologen der nachrevolutionären Bourgeoisie sahen sie, worauf Larisa Vol'pert und ihre Vorgänger zutreffend hingewiesen haben, im Privateigentum das „Allerheiligste", den Eckstein des Gesellschaftsgebäudes. 3 Puskin und die russischen Adelsrevolutionäre jener Epoche hingegen kritisierten den Terror der Jakobiner in erster Linie unter anderen — politischen und sittlich-humanistischen — Aspekten. Die Verteidigung des bürgerlichen. Eigentums war ihnen im höchsten Grade f r e m d : Davon zeugén allein schon Puskins „IlyTemecTBHe H 3 M O C K B H B üeTepöypr" (1834/35) und sein Aufsatz „fl.'KOH TeHHep" (1836). Diesen prinzipiellen Unterschied zwischen der Ideologie der russischen Adelsrevolutionäre und Puskins und der der liberalen französischen Publizisten vom Anfang des 19. Jahrhunderts hat erstmals Michail Lifsic 1936 in seiner Polemik gegen Andrej Sebunin und Boris Tomasevskij zu Recht hervorgehoben. 4 2 Während seines gesamten Lebens brachte PuSkin der Epoche der Großen Französischen Revolution immenses Interesse entgegen. Ihren Ereignissen wandte er sich in seinem dichterischen Schaffen immer wieder zu : von der Ode „BOJIBHOCTI." (1817) bis zu dem Gedicht „K BejiBMOHïe" (1830). I n „Apan IleTpa BejiHKoro" (1827) wird die französische Gesellschaft der vorrevolutionären Epoche knapp, aber markant charakterisiert. I n den Aufsätzen f ü r die „JIiiTepaTypHan raaeTa" und den „CoBpeMeHHHK" kehrt der Dichter in den 30er J a h r e n mehrmals zu verschiedenen Aspekten dieses Themas zurück. 1831 plant er eine spezielle historische Studie über die Revolution, sammelt d a f ü t Material, verwirklicht diese Absicht aber dann doch nicht und hinterläßt lediglich einige E n t würfe, Exzerpte und Skizzen. Anzumerken wäre noch, daß Puäkins Bibliothek eine große Sammlung der verschiedenartigsten Bücher und Quellen zur Revolutionsgeschichte enthält. Man findet hier sowohl die gegen die Französische Revolution gerichteten Pamphlete 2

3 4

vgl.: E. ToMamencKHit, IlyraKHH n OpampiH, JI. 1960, S. 179, 194, 208; JI. H. B o n b n e p ' r , A. C. IlyrnKHH H r-ma «e GraJib, in: K BMpmii HA CMEPTB ero npeBocxo^MTejibCTBa" ( X I I I , 99). Das Versprechen, „ein paar Reime" auf den Tod Byrons zu schreiben, erfüllte Puskin nach seiner Ankunft in Michajlovskoe. Das ist das berühmte Gedicht ,,K M o p r o " (1824), in dem das Bild des „stolzen" und ungehorsamen Meereselements zu den Gestalten zweier stolzer und ungestümer „Beherrscher unserer Gedanken" — Napoleon und der „von der Freiheit beweinte" Byron — in Beziehung gesetzt ist:

MHe o r a f l H J i a

MHJIBTHA.ua H T H 6M CO MHOÄ

o6pa3

TBOA

6HJI HA HEM 0 3 H A I E H ,

O H CO3«AH NYXOM 6 H J I TBOHM:

Kau

TH, M o r y m ,

rjiyöon

H MPAIEH,

K a n T H , HHqeM H e y K p o r a M .

(II,

332)

— heißt es hier über den englischen Dichter. Statt eines fünften Gesanges des „Childe Harold", den ihm Vjazemskij dem Andenken Byrons zu widmen geraten hatte, verfaßt Puskin 1826 indes eine historische Elegie, deren erste Zeilen unmittelbar mit dem Inhalt des zitierten Briefes an Vjazemskij zusammenhängen: Me?K TeM, KaK H3yMJieHHHÜ Map Ha ypHy BaiipoHa B 3 H p a e T , M xopy e B p o n e f t c K H X jiwp

3oBeT MeHH «pyran TeHb, JlaBHO 6e3 neceH, 6e3 pH«aHHH C KPOBABOII n j i a x H B AHH C T p a ^ a H H ü

CoineflniaH

B J I H 3 ^ A H T E TEHB e r o BHTAET,

B M o r m i b H y TeHb

(...)

(11,397)

André Chénier (1762—1794) wurde bereits vor 1819, d. h. dem Jahr, in dem die postume Sammlung seiner Verse erschien, zu einem Lieblingsdichter Puäkins. 8 Davon zeugt die Anrufung des Schattens des „erhabenen Galliers" (mit dem, wie wir meinen, A. Chénier, und nicht Ecouchard Lebrun gemeint ist) in der Ode „BojibriocTb", der inmitten der „ruhmreichen Unglückseligkeiten" der Revolution die Freiheit pries. 9 Am 5. Juli 1824 8

Ü b e r P u s k i n u n d A . C h e n i e r v g l . : ü y T e B o j i H T e J i h n o IlyiiiKHHy, i n : A . C . I l y i i i K H H , c o o p . com. B 6-TII TOMax, M . — J L

1 9 3 1 , T. 6 , S . 3 8 1 — 3 8 2 ; B .

KH. I I ( 1 8 2 4 - 1 8 3 7 ) , M . - J I . 1 9 6 1 , S. 6 5 - 7 1 ;

B. ToiwaiiieBCKHii,

ÜOJIH.

ÜyuiKHH.

B . B . C a H H O M H p c K a H , IlepBwft n e p e B o a ü y m -

KHiia H3 AHHpe ETeHbe, i n : A . C . Ü y u i K H H . H c c n e « o n a H H H H M a T e p H a n u , J I . 1 9 7 4 , T. 7 , S . 1 6 7 bis

184;

B.

B.

Can^oMHpcKaH,

nepeBOflbi H l i e p e j i o m e H H H ü y u i K H H a H3 A .

A . G. I l y i u K H H . MCCJI;eHOBaHHH H M a T e p n a r a i , J I . 1 9 7 8 ,

S. 9 0 — 1 9 6 ;

A n A p e ö IIIeHbe, i n : CTHXOTBOPGHHH Ü y u i K H H a 1 8 2 0 — 1 8 3 0 - x

B.

B.

roaoB, JI.

IUeHbe,

in:

CaHROMHpcKan,

1974,

S. 8 — 3 4

(hier

findet m a n a u c h die ausführlichsten L i t e r a t u r a n g a b e n zu dieser F r a g e ) . 9

vgl.

die

P o l e m i k u m den P r o t o t y p e n des „ e r h a b e n e n Galliers": B .

B. ToMameBCKHü,

M6TKH o IlyiiiKHHe. I V . O „B03BHiiieHH0M r a j i j i e " , i n : IlyiiiKHH H e r o coBpeMeHHHKH, ü r . Bun. X X X V I I I ,

3a1917,

S . 7 0 — 7 2 ; B . B . T o i w a i u e B C K H ä , ÜYUIKHH H (J>PAHUY3CKAH peB0JiK)i;H0HHaH

ORa ( 9 K y m a p J l e Ö p e H ) , i n : B . B . T o M a m e B C K H ü , Ü y u i K H H H 6HT npejiecTHoro André Chénier — HO OH H3 KJiaccHKOB KJiaccHK — OT Hero TaK H HeceT apeBHeß rpenecKoft

no33Heß" (II, 963, X I I I , 102). Ein Jahr später, 1825, schrieb der Dichter in einer Bemerkung über Chénier (die er offenbar bei der Drucklegung seinem eigenen Gedicht über Chénier als Anmerkung hinzufügen wollte) : „André Chénier nornö jKepTBOK) OP(AHIIYACKOFT) P{eBOJiioL(IIN) Ha 3 1 roay OT POHIFLEMIH. ^ojiro cjiaBy ero cocTaBjiHJio HecK(oJii.Ko) CJI(OB), cKa3aH(HHx) o H ( 6 M ) IIIaToSpuaHOM, «Ba HJIH TpH O T p u B K a , H oßmee coHtajieHHe 06 y T p a i e Beerò npoiero. — H A K O H E Q T B o p e HHH ero, 6HJIH oTHCKaHH H BHINJIH B cböt 1819 ro^a. — H E J I B S « B03flepH«aTi.CH OT ropeCTHoro q y B C T B a " ( X I ,

35).

In* dieser Zeit entsteht auch — als eine Art Antwort auf Vladimir Raevskijs Gedicht „IleBeij B T E M H I M E " (1822), auf den Streit um Ryleevs „ ^ Y M A " und den erwähnten Brief Vjazemskijs — die historische Elegie „AH«peit LLIeHte" (April—Juli 1825), deren Anfangsstück in Puskins Gedichtsammlung von 1826 erschien (die übrigen Verse, die den Ereignissen der Revolution gewidmet waren, wurden von der Zensur verboten). Byron starb für die Freiheit Griechenlands. Jedoch obgleich Puäkin weiterhin für den Kampf um die Freiheit Griechenlands tiefe Sympathie empfand, konnte er 1825 nicht mehr den Irrtümern Byrons zustimmen, der sich den Unterschied zwischen den Helden der Antike und den heutigen „Krämern", die „nicht einmal den ersten Salven der miserablen türkischen Schützen standhalten konnten" (XIII, 104—105, 529), nicht vergegenwärtigt hatte. Das Beispiel der Griechen ließ Puäkin die Sache der Freiheit in neuem Lichte sehen. Denn der Gedanke an die griechischen „Krämer" mußte sein Sinnen auf die französischen „Krämer" lenken, deren Psychologie den Ereignissen der Großen Französischen Revolution ihren Stempel aufgedrückt hatte. Das ist der Grund, weshalb Puäkin seine historische Elegie nicht Byron, sondern Chénier widmete, dessen Schicksal — im Zusammenhang mit Puskins Überlegungen über die „Krämer" seiner Gegenwart, die sich als Nachkommen der antiken Kämpfer und Helden ausgeben — für den Dichter einen beunruhigenden und prophetischen Sinn erhält. Byron starb, erfüllt vom Ideal der Freiheit. Doch in Wirklichkeit war das Volk, für dessen Freiheit er kämpfte, ein Volk von „Krämern". Die Tragödie Chéniers (und der anderen, die seiner Generation angehörten) war furchtbarer. Sie, die von den Idealen der Freiheit erfüllt und diesen Idealen aufrichtig ergeben waren, wurden nicht von der Hand der „äußeren", sondern der „inneren" Türken gefällt — von der blutigen Gewalt und vom Despotismus, den die Revolution selbst in ihrem spontanen, undirigierten Verlauf hervorgebracht hatte; und dieser spontane Verlauf der Revolution hatte eine Epoche herbeigeführt, in der die neuen Herren des Lebens zur Macht drängten : die „Räuber" und „Krämer", die im 19. Jahrhundert ihre Herrschaft antraten, mit anderen Worten : die zeitgenössischen Bourgeois. Das ist der tiefere geschichtliche Sinn, den Puäkin in seine historische Elegie legte. In der Ode „ B o j i b H O C T h " wurde die Französische Revolution ungegliedert betrachtet: Von der Hinrichtung Ludwigs X V I . ging der Dichter unmittelbar zu Napoleon über. In „AHflpeü IIIeHBe" finden wir etwas anderes. Gemeinsam mit seinem Helden begrüßt und preist der Dichter leidenschaftlich die erste Periode der Revolution : die Erstürmung

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der Bastille, die „furchtlose Antwort" der Deputierten der Konstituierenden Versammlung an den König, ihr „Schwur" im Saal des Ballhauses, Mirabeaus flammende Rede zur Verteidigung der Freiheit, die Überführung der Asche der „ruhmreichen Verbannten" Voltaire und Rousseau in das Panthéon, die Befreiung der Gefangenen, die von Ludwig X V I . und seinen Vorgängern ins Gefängnis geworfen worden waren, „die feierliche Verkündung der Gleichheit", „den Sturz der Könige". Diese erste Periode der Revolution — die Periode des „Zerspringens der Ketten" des Feudalismus und der absoluten Monarchie — charakterisiert der Dichter als die Ära, in der das Gesetz, das mit der Freiheit ein Bündnis einging, „die Gleichheit verkündete". Doch dann bricht die für Chénier und Puäkin unannehmbare Periode des jakobinischen Terrors an, eine Periode, die nach Auffassung beider für die Freiheit (und zwar, wie betont werden muß, nicht nur für die Freiheit des Dichters, sondern auch für die Freiheit des Volkes) verderbenbringend ist. Den Platz des gestürzten Königs nimmt „der Mörder mit den Henkern" (Robespierre und seine Umgebung) ein, und die Herrschaft von Gesetz und Freiheit wird durch die Herrschaft des „Beils", d. h. der Guillotine, abgelöst. Es geschieht das, was Radiäöev bereits im 18. Jahrhundert befürchtete, als er einen Vorgang aus der Zeit der englischen Revolution des 17. Jahrhunderts beschrieb: Ein „großer Mann" und „Verbrecher" in einem — nämlich Cromwell, den Radiäöev als einen „Heuchler, Speichellecker und Frevler" einschätzte — habe, „als er die Macht in den Händen hielt", nach der Hinrichtung Karls I. die „Feste der Freiheit" geschleift; so sei in England aus der „Freiheit" eine neue „Knechtschaft" erwachsen.10 Jedoch die Einsicht, daß sich die von den Aufklärern des 18. Jahrhunderts und von Chénier erhoffte Freiheit im Zuge der Revolution in einen „Narrentraum" verwandelte, veranlaßt weder Puskin noch seinen Helden, sich vom Ideal der Freiheit loszusagen : Ho TM, CBHmeHHaa CBOÖOfla, EorHHH HHCTan, HeT He BHHOBHa TU, B nopuBax Gytaoft cjienoTH, B npe3peHHOM SemeHCTBe Hapojja, CoKpHJiacb T H OT H a c ; i j e j i e Ö H H f t TBOÜ cocyn 3aBeuieH nejieHoft KpoBaBoft; Ho TU npHflenib onHTb co MmeHHeM H CJiaBoft M BHOBL TBOH Bpam naflyT. Hapon, BKyCHBIHHft pa3 TBOÄ HeKTap OCBHiqeHHHft, Bce HmeT BHOBb ynHTbCH HM ; Kau 6y«TO BaKxoM paainpeHHuft OH ßPE^HT jKaHtRoio TOMHM; Tan — OH HaäjjeT Teßn. N O N ceHHio PABEHCTBA B OÖLHTHHX TBOHX OH CJia«KO OTflOXHeT;

Tau ßypn MpaiHaH mhhgt! ( I I , 398—399) Die den zum Tode verurteilten Dichter befallenden Zweifel werden durch berechtigten Stolz unterdrückt und besiegt : Er hatte es vermocht, seine Menschenwürde zu bewahren 10

A. H. PAAIIMEB,

M36paHHwe

COHHH6HHH, M . — JI. 1949, S. 272. V g l . h i e r z u :

E.

FLIHMAK,

TpaHHUHH SopbÖH H HCKaHHÄ (PaflHmeB, HepHblUieBCKHÖ, JleHHH), i n : BonpOCM JIHTepaTVpH 11/1987, S. 1 3 6 - 1 3 8 .

"

G. M. FBIEDLÄNDEE, Puäkin und die Französische Revolution

341

und angesichts des ihn umgebenden öffentlichen Kleinmuts dem Banner der Freiheit treu zu bleiben; und er hatte nicht abgelassen, den neuen blutrünstigen Tyrannen mit derselben zornigen Unversöhnlichkeit zu entlarven, mit der er schon den „altersschwachen Thron" der früheren Herrscher über Frankreich, die verhängnisvollen „Vorurteile" und „ K e t t e n " der alten Ordnung bloßgestellt hatte. Chenier, der seine stolze Unabhängigkeit bis ans Ende seiner Tage zu bewahren vermochte und mit seinem Dichterwort Freiheit, Schönheit, Humanität und die Fülle des menschlichen Lebens in all seinen Erscheinungsformen — auf dem Schauplatz der Geschichte wie in der „kleinen W e l t " der Liebe, Freundschaft und poetischen Muße, unter „Liedern", auf „Gelagen" und in „flammenden Nächten" — pries, blieb während eines der Katastrophenmomente in der Geschichte seines Landes und der ganzen Menschheit ein wahrer Dichter und ein wahrer Mensch. Und darin besteht, wie Puskin meint, Cheniers enormes historisches Verdienst.11 3 Nach Vollendung des Gedichts „AH^peft IIIeHbe" ändert sich Puskins allgemeines Verhältnis zur Französischen Revolution bis zum Ende seines Lebens nicht mehr. Der Gedanke, daß der Sturz des Absolutismus in Frankreich unvermeidlich war, findet im ersten Kapitel von „Apan üeTpa BeJiHKoro" (1827) seinen Ausdruck : „ n o CBHfleTejibCTBy Bcex HCTopjiHecKHX BanncoK", so wird hier die Zeit der Regentschaft Philipps von Orléans (1715—1723) charakterisiert, „HHHTO He Morjio cpaBHHTbcn c BOJibHHM JierKOMfcicjineM, 6e3yMCTBOM H pocKoinbio (f>paHny30B Toro BpeMeHH. üocjieaHHe roflw ijapcTBOBaHHH JIioAOBHKa X I V , osHaineHOBaHHue CTporoö HaöoHtHocTbio HBopa, BajKHocTbio h npHJiHHHeM, He ocTaBHJiH HHKaKHx cjieflOB. T e p u o r OpjieaHCKHii, coeflHHHH MHorne 6jiecTHmiie KaiecTBa c nopoKaMH BCHKoro po^a, K HeciacTbio, He HMeji H T e n « jiimeMepiiH. O p r i i n üajie-POHJIH He 6HJIH TaöHoio jyiH ü a p H J K a ;

npHMep

aapaaHTejieH. Ha Ty nopy HBHJICH L a w ; ajiHHocTb K AeHtraM coeflHHHJiacb c »aHtfloio HacjiaHiaeHHfi H pacceHHHOCTH ; HMGHHH HCieaajin; HpaBCTBeHHOCTb ra6jia; $paHqy3H CMenjiHCb H pacciHTUBajiH, h rocy«apcTBO pacna«ajioci> noa HrpHBtie npaneBH caTHpHqecKHx BOfleBHJieft" ( V I I I , 3). 6HJI

Als der gestrige (und nicht der heutige) Tag der Menschheit werden die Epoche der Aufklärung und die Große Französische Revolution in dem Gedicht „ K BejibMOJKe" (1830) bezeichnet. Während im Anfangsteil der Elegie „ÄH^peft IIIeHbe" die Worte über Byrons Tod als Ausgangspunkt für den Übergang zu dem — damit kontrastierenden — tragischen Bild des Todes von Chénier dienen, der zugleich Sänger und Opfer der sich im Zuge der Revolution in ihr Gegenteil verkehrenden Freiheit war, wird in „ K BejibMOJKe" die nachrevolutionäre Epoche als eine Epoche des Sittenverfalls eingeschätzt, die das zwar blutige und grausame, doch gleichzeitig große und heroische Jahrhundert des „Bündnisses der Vernunft mit den Furien" abgelöst hat. Aber an Puäkins Einschätzung der Revolution fällt hier noch ein weiterer neuer Zug auf: Der Dichter betrachtet das „schreckliche Gesetz" der Revolution hier nicht als Verstoß gegen die 11

Eine gründliche und feinsinnige Analyse des Gedichts „AHnpeft IIIeHbe" findet man in: B. B. „AHApeö IIIeHbe", a.a.O., S. 8—34. Vgl.: H. fl. 9 ü j i ; e j i b M a H , IlymKHH 1979, S. 306—335; H. fl. 9 i i A e n t M a H , IlyuiKHH. H3 Cnorpa^HH H TBopMecTBa. 1826-1837, M. 1987, S. 37-41. CaHßOMHpcKaH, H meKaopHCTH, M.

Z. Slaw. 34 (1989) 3

342

ideale staatsbürgerliche und sittliche Norm, f ü r die in „BojibHOCTt" und anderen Gedichten vom E n d e des zweiten und Beginn des dritten Jahrzehnts des 19. Jahrhunderts der Terminus „Gesetz" stand, sondern als ein Gesetz, d a s d i e „ F r e i h e i t " s e l b s t „aufstellte": Bce H3MeHHJiocH. T h BH^eji BHXopb 6ypn, üaAeHHe Bcero, cok>3 yMa h HH Y B E P H T C H , HTO JIJIH coöcTBeimoro H X macran NOÖPOFLETEJIB HeoßxoflHMa, Tor^A HacTaHeT Ben 3JiaToö, H BO BCHKOM iipaBJieHHii nejiOBeK HACJIAßHTCH MHpHHM ÖJiarOnOJiyMHeM J K H 3 H H . B C H K H H ?Ke H a C H J I b C T B e H H H H n O T p n e e H H H rllßeJIbHH, 38 H KAJKNBIII GyHTüBmHK TOTOBHT ce6e 3iua$0T." Die aus den revolutionären Ereignissen gewonnenen Erfahrungen veranlaßten somit Karamzin, eine zwar konservative, doch von utopischen Vorstellungen freie, sich auf authentische Quellen stützende, wissenschaftlich begründete Geschichtsschreibung in Rußland zu initiieren. Der moderne Historiker Karamzin wurde u. E . bereits im revolutionären Paris geboren. Davon kündet folgende rückschauende Reflexion über die Lektüre von Mablys „Observations sur l'histoire de France", die wir in den „ Ü H C b M a pyccKoro nyTemecTBeHHHKa" unter J u n i 1790 f i n d e n : „C KaKHM yflOBOJibCTBHeM, ch^h BO M P A K E EyjioHCKoro Jieca, CHOBA P A 3 B E P H Y N 6 H nepe« co6oio CBHTOK H C T O P H H , HTO6H HafiTH B Heft npeacKaaaHHe ßynymero! MowteT Ö H T B Torjja Bce TEMHOE HJIH MEHH H3T>HCHHTC H ; MoweT 6biTb Torna eme ßojiee nojuoöjiio HEJIOBENECTBO; HJIH, 3 A K P B I B JIETONHCH, HepecTaHy 3aHHMaTbCH ero cynböoio .. ," 39 Aus dem von der Französischen Revolution empfangenen Impuls erwuchs sowohl Karamzins Bestreben, den Gesetzen der Menschheitsgeschichte auf die Spur zu kommen, als auch sein Sendungsbewußtsein als Historiker, das er im J a h r e 1800*— drei J a h r e vor der Berufung zum offiziellen Historiographen — in seinen „ M H C J I H 0 6 H C T O P H H " in die Worte kleidete: „ H T O E H Ö J I H H HJIH XpHCTHaH, TO H C T O P H H HJIH HaponoB." 40 38

37 38 38 10

H. M. KapaM3HH, Haßp. CTaTbH H nHCbiaa, M. 1982, S. 45—46.

ders., ÜHCbMa pyccKoro nyTemecTBeHHHKa, JI. 1984, S. 227. ebd. ebd., S. 231. H. M. KapaMBHH, Ha6p. cTaTbH H nacbMa, M. 1982, S. 159.

Z. Slaw. 84 (1989) 3, 3 5 2 - 3 6 1

M.Schippan

Die Französische Revolution von 1789 und Friedensvorstellungen in Bußland bis 1825 Die Französische Revolution von 1789 und die ihr folgenden Interventions- und Koalitionskriege beeinflußten in hohem Maße das gesellschaftliche Denken über Krieg und Frieden in Europa. Von 1792 bis 1814 waren große Teile des Kontinents, abgesehen von kurzen Unterbrechungen, von Waffenlärm erfüllt. Die französische Revolution mobilisierte zu ihrer Verteidigung eine große Zahl waffenfähiger Männer. Die Armeen Napoleons, die Europa mit Krieg überzogen, zählten Hunderttausende von Soldaten. Die in den Revolutionskriegen entwickelte Kolonnentaktik und der massierte Einsatz von Artillerie, die gefürchteten Kavallerieattacken Murats und das gezielte Feuer der „tiraillierenden" Scharfschützen ließen die napoleonischen Kriege überaus blutig werden. Die Volkskriege gegen die französischen Interventen in Spanien und Rußland, die vor allem auf deutschem Boden ausgetragenen Befreiungskämpfe von 1813 waren mit großen Verlusten auf beiden Seiten verbunden. Der Krieg hatte in den Augen der Zeitgenossen durch seine erweiterten Dimensionen, durch die hohen Menschenverluste und Zerstörungen eine besonders schreckenerregende Gestalt angenommen. Es war kein Zufall, daß unmittelbar nach der Beendigung der napoleonischen Kriege 1815 die erste Gesellschaft der Friedensfreunde in New York, weitere Gesellschaften zur Herstellung eines allgemeinen und dauerhaften Friedens 1816 in London und in Paris gegründet wurden.1 Eine derartige Leidenszeit in Europa hatten die Akteure der Revolution von 1789, die doch die Herstellung eines allgemeinen und ewigen Friedens zu ihrer Losung gemacht hatten, nicht voraussehen können. In der französischen Verfassung von 1791 war der Verzicht auf jeden Eroberungskrieg verkündet und erklärt worden, daß das französische Volk niemals seine Kräfte zur Unterdrückung der Freiheit anderer Völker gebrauchen werde. Als der Girondist Brissot und der eine gewaltsame „Völkerbefreiung" erträumende Anarchasis Cloots den Krieg gegen die europäischen Monarchien propagierten, entgegnete ihnen Robespierre in einer Rede am 2. Januar 1792: „Schaffen Sie erst Ordnung bei sich zu Hause, bevor Sie die Freiheit anderswohin tragen." 2 Doch der Friedenswunsch jener französischen Revolutionäre, die zu der Einsicht gelangt waren, daß zunächst die Revolution im Landesinneren fortgeführt werden müsse (Robespierre: „Habt Ihr eine Revolution ohne Revolution gewollt?", 1794), erfüllte sich nicht. Die bewaffnete Intervention europäischer Feudalstaaten, die im Bunde mit dem bürgerlichen England standen, begann 1792. Sie löste eine ganze Kette antifranzösischer Koalitionskriege aus. Die am Bremsen revolutionärer Aktivitäten der Volksmassen interessierten gemäßigten Kräfte in Frankreich wiederum, politisch repräsentiert durch die Kreisen des Handelskapitals verbundenen Girondisten, versuchten zugleich durch eine abenteuerliche Außenpolitik und einen bewaffneten „Export" der Revolution die Energien der in Bewegung geratenen Massen nach außen abzulenken. 1

2

vgl. J . T e r Meulen, Der Gedanke der Internationalen Organisation in seiner Entwicklung. Zweiter Bd.: 1 7 8 9 - 1 8 8 9 . Erstes Stück: 1 7 8 9 - 1 8 7 0 , Haag 1929, S. 237. zit. nach W. M a r k o v , Revolution im Zeugenstand. Frankreich 1789—1799. Bd. 2: Gesprochenes und Geschriebenes, Lpz. 1982, S. 215.

M.

SCHIPP AN,

Die Französische Revolution und Bußland

353

Es war nicht die „kriegspolitische Vergangenheit von acht Jahrhunderten", die sich J . Ter Meulen zufolge unbemerkt in die Pläne der Revplutionäre gedrängt 3 und eine expansionistische Außenpolitik bewirkt habe. Die Interessen der französischen Großbourgeoisie, die nach der Verdrängung der jakobinischen und demokratischen Kräfte unverhüllt die Macht auszuüben begann, waren maßgebend für eine zunehmend expansive, räuberische Politik. Aus Abwehrkämpfen gegen konterrevolutionäre Interventen wurden Eroberungskriege. Wie die französischen Revolutionsereignisse in Rußland aufgenommen wurden, ist bereits in mehreren Publikationen dargestellt worden. 4 Da die Friedensrufe französischer Revolutionäre bald verhallt waren, ist es nicht verwunderlich, daß die französische Kriegspolitik bei fortschrittlichen russischen Publizisten auf Ablehnung stieß. Die wohl bedeutendsten Äußerungen zur Krieg-Frieden-Problematik aus jener überaus bewegten Zeit von 1789 bis 1825s stammen von V. F. Malinovskij (1765—1814), der entschieden die napoleonischen Eroberungspläne verurteilte. Der hier charakterisierte Wandel in der französischen Außen- und Kriegspolitik während und nach der Revolution ist zu berücksichtigen, wenn man sich den Ansichten jener russischen Publizisten zuwenden will, die über Krieg und Frieden nachsannen und Projekte für einen allgemeinen und „ewigen" Frieden vorlegten. A. 0 . Cubar'jan ist gewiß zuzustimmen, wenn er in seiner 1987 erschienenen Monographie über die „Europaidee" und Probleme von Krieg und Frieden meint, daß in den Arbeiten der „westeuropäischen Historiker und Politologen" — gemeint sind hier nichtmarxistische Publizisten — wohl viele Hinweise auf die Werke von Aufklärern wie Saint-Pierre, Rousseau, Kant und Herder im Zusammenhang mit der Friedensthematik zu finden sind, daß aber das russische Gesellschaftsdenken in ihren Arbeiten für gewöhnlich ausgespart bleibt. 4 Allerdings wäre hinzuzufügen, daß auch in der marxistischen Literatur der DDR Stimmen zur Friedensfrage aus Rußland v o r L. N. Tolstoj kaum zu vernehmen sind. Die Nachrichten darüber sind sehr verstreut. 1986 fand in Eisenach eine Konferenz der Fachkommission Stadtgeschichte der Historikergesellschaft der DDR zum Thema „Friedensinteresse und Friedensvorstellungen des Bürgertums in Mittelalter und Neuzeit bis zum Ende des 18. Jährhunderts" statt, auf der auch Ansichten russischer Autoren vorgestellt wurden. 7 3 1

5

6 7

J. Ter M e u l e n , Der Gedanke der Internationalen Organisation in seiner Entwicklung, S. 12. vgl. M. M. UlTpaHre, Pyccnoe oßmecTBO H (j>paHijy3CKaH peBOJiK>mtH 1789—1794rr., M. 1956; K . E. /l,)KeA!Kyjia, POCCHH H BeJiHKan (J>paimy3CKaH 6yp>Kya3HaH peBOJiioijHH K O H q a X V I I I B . , KiieB 1972; M. A. A n n a T o n , PyccKa« HcropmiecKan Mtic.ib H 3ananHan Eßpona (XVIII — nepBa« nojioBHHa X I X B.), M. 1985. Das Jahr 1825 (Dekabristenaufstand) wurde hier als Endzäsur für die Darstellung gewählt, weil es das Ende einer Etappe der revolutionären Bewegung in Bußland und zugleich den Ausgangspunkt für eine neue Etappe darstellte. Die Adelsrevolutionäre von 1825 waren in hohem Maße von der Revolution 1 7 8 9 beeinflußt. Vgl. O. B . OpjiHK, Ilepe^OBan POCCHH H peBOJHOmiOHHaa (DpamjHH (1-H nonoBHHa X I X B.), M. 1973. A. O. H y ß a p b H H , EBponeitcKan Hflea B iicropHH. IIpoßjieMti BOÖHH H MHpa, M. 1987, S. 125. vgl. W. S c h m i d t , Krieg und Frieden und gesellschaftlicher Fortschritt in der Geschichte. Zur Vorbereitung des VIII. Historikerkongresses der DDR, in: ZfG, 1988, H. 9; den Bericht über die Eisenacher Konferenz von M. S c h i p p a n , in: ZfG, 1987, H. 9. Der Band „Vom Gottesfrieden zum Ewigen Frieden. Friedensvorstellungen und Friedenspläne in Mittelalter und früher Neuzeit" (Bln. 1989, im Druck) wird Auszüge aus Werken von Ja. P. Kozel'skij bringen. M. Komarov, A. Radiscev sowie die Dekabristen P. Pestel' und N. Murav'ev werden zitiert in: Tausendmal Frieden. Zitate — Gedanken — Impulse aus 27 Jahrhunderten. Hrsg. U. E i c h e l b e r g e r , Bln. 1987. Internationale Zusammenhänge verdeutlichen — ohne Einbeziehung Ruß-

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Z. Slaw. 34 (1989) 3

Wertvolle G e d a n k e n zur T h e m a t i k Krieg und Frieden i m russischen Gesellschaftsd e n k e n d e s hier interessierenden Zeitraums sind in S a m m e l b ä n d e n m i t Ü b e r s e t z u n g e n a u s Arbeiten sowjetischer Literaturwissenschaftler enthalten. 8 D i e Übersicht v o n W . Bahner über die Friedensvorstellungen der französischen Aufklärung i m 18. Jh.® regt dazu an, einen ähnlichen Überblick auch für R u ß l a n d zusammenzustellen. D a s wäre eine Forschungsaufgabe, die verlangt, d a s N a c h d e n k e n über Krieg und Frieden in R u ß land als B e s t a n d t e i l d e s gesamteuropäischen gesellschaftlichen D e n k e n s z u betrachten. E s b e s t a n d e n vielfältige literarische u n d wissenschaftliche Wechselbeziehungen m i t d e n anderen europäischen Ländern. „ R e z e p t i o n s s t r ä n g e " reichten nach R u ß l a n d . V o n d e n russischen Ü b e r s e t z u n g s l e i s t u n g e n a u s d e m 18. J h . seien hier nur einige erwähnt, die für die Verbreitung d e s west- u n d mitteleuropäischen F r i e d e n s d e n k e n s B e d e u t u n g erlangten. 1 0 R u s s i s c h e Publizisten, wie Malinovskij oder der A u t o r d e s sozialutopischen P r o g r a m m s „ E j i a r o B e c T t " 1 1 , d a s u n t e r d e m Eindruck der französischen R e v o l u t i o n

8

8

10

11

lands: Philosophie und Frieden. Beiträge zum Friedensgedanken in der deutschen Klassik, Weimar 1985; Friedensgedanke und Friedenswahrung am Beginn der Neuzeit. Hrsg. S. H o y e r / W . H e l d , Lpz. 1987; R./W. W i m m e r , Friedenszeugnisse aus vier Jahrtausenden, Lpz./ Jena/Bin. 1987. L. S. G o r d o n , Ange Goudars „ P r o j e t de Pacification Générale" und sein russischer Übersetzer, in: ders., Studien zur plebejisch-demokratischen Tradition in der französischen Aufklärung, Berlin 1972; M. P. A l e k s e e v , Puäkin und der „ewige Frieden", in: M. P. A l e k s e e v , Zur Geschichte der russisch-europäischen Literaturtraditionen, Bln. 1974. W. B a h n e r , Die Friedensideen der französischen Aufklärung, in: Aufklärung — Gesellschaft — Kritik. Studien zur Philosophie der Aufklärung. Hrsg. M. B u h r / W . F ö r s t e r . Bd. I, Bln. 1985 (zuerst in: Grundpositionen der französischen Aufklärung, 1955; erweitert in: W . B a h n e r , Formen, Ideen, Prozesse in den Literaturen der romanischen Völker. Bd. 2: Positionen und Themen der Aufklärung, Bln. 1977). Nur handschriftlich überliefert sind eine von Kochanovskij 1721 angefertigte Übersetzung von Auszügen aus Werken des Staatsrechtlers J u s t u s Lipsius unter dem Titel „YBemamiH n npwKJiaflu nojiHTHnecKHe" und die in der Kiever Geistlichen Akademie angefertigte Übertragung des Werkes von Hugo Grotius „De jure belli et pacis" (1625) : TyroHa TpoTa o 3aK0Hax6paim H MHpa TpH KHHrH. 1726 erschien die von Peter I. befohlene und von dem Geistlichen G. Buiinskij verwirklichte Übersetzung des Werkes von Samuel Pufendorf über die Pflichten des Menschen „De officio hominis et civis iuxta legem naturalem" (1673), dessen Kapitel X V I und X V I I von Krieg und Frieden handelten: „O AOJBKHOCTH HeJiOBena H rpawp;aHHHa". 1755 waren in den „EjKeMecHHHbie coHHHeHHH" zwei „Gespräche im Reiche derer Toten" zwischen Herostrat und Alexander von Makedonien bzw. zwischen Cortex und Montezuma zu lesen. Der Übersetzer dieser in Deutschland beliebten Dialoge wurde nicht genannt; es sind nur die Initialen „A. S." überliefert. K. Pigarev macht wahrscheinlich, daß sich dahinter nicht „Aleksandr Sumarokov" verbirgt, wie angenommen wurde, sondern „Aleksandr Suvorov" ! Der später berühmte Feldherr gestand seine Autorschaft an der Übersetzung von Dialogen für die EmeMecniHbie c o m HeHHH ein (Abdruck in: K. Ü H r a p e B , CojiaaT — noJiKOBonei;. AjieKcaHAp CyßopoB, M. 1943, Beilage). Aus dem Werk „De l'Esprit des lois" (1748) von Ch. de Montesquieu erschien nur der 1. Teil in der Übertragung von V. Kramarenkov (SPb. 1775); die „Lettres persanes" (1721) übersetzte E . Roznotovskij (SPb. 1792). I. F. Bogdanoviö legte die verkürzte Ausgabe des Projekts eines ewigen Friedens des Abbé*€h.-[. Castel de Saint-Pierre (1713) vor, die J . J . Rousseau 1761 besorgt h a t t e : CoKpanjeHHe, c;ieJiaHHoe JKaH JKaKOM Pycco, ïKeHGBCKHM rpaiKflaHHHOM, H3 üpoeKTa o BeiHOM Miipe coiHiieHHoro rocnoßiraoM AßaTOM CeHT-ÜHepoM, CII6. 1771. Vgl. B. 3. T p a ß a p b , MaTepHaJiH K HCTOPHH JiHTepaTypti Mew^yHapofliioro npana B P O C C H H (1647-1917), M. 1958, S. 41. 43. 101, 106f., 113f. A. I. Klibanov zeigte, daß der polnische Adlige I. Elenskij Autor des vom Denken des Raskol geprägten Dokuments war, in dem eine dauerhafte Friedensordnung gefordert wurde. Ein Volksheer sollte das Land gegen ausländische Interventen schützen. A. H. KnHÖaHOB, Ha-

M. SCHIPPAN, Die Französische Revolution und Bußland

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entstanden war, leisteten einen durchaus eigenständigen Beitrag zum Schatz an europäischen Friedensideen, der bisher noch keineswegs ausreichend gewürdigt worden ist. Ein weiterer Gesichtspunkt bei der Betrachtung der Ansichten über Krieg und Frieden ist die enge Verknüpfung dieser Problematik mit den anderen zentralen Themen des gesellschaftlichen Denkens. Unterschiedliche Ansichten über Armut und Reichtum, soziale und rechtliche Stellung in der Gesellschaft, Bildung und Unwissenheit, Unterdrückung von anderen Nationalitäten und Religionen sowie nationales Erwachen und Toleranz waren mit der Zugehörigkeit ihrer Vertreter zu unterschiedlichen Klassen und Schichten verbunden. Entsprechend verschieden war auch die Haltung der sich gegenüberstehenden Lager zu Krieg und Frieden. Die Friedenssehnsucht des Volkes, das am meisten unter den Kriegsfolgen zu leiden hatte, wirkte auf das Schaffen russischer Schriftsteller ein. Zum anderen traten in der der Revolution von 1789 unmittelbar vorausgehenden Zeit der Durchsetzung der Aufklärung in Rußland kaum offene Apologeten des Angriffskrieges auf. Als die Nachrichten von den französischen Ereignissen 1789 Rußland erreichten, gab es im Zarenreich bereits bemerkenswerte Zeugnisse der Friedenssehnsucht des Volkes wie auch eine ganze Literatur über die Krieg-Frieden-Problematik, die bisher ungenügend zusammenhängend aufgearbeitet worden ist. Der äußere Anstoß fand bereits einen vorbereiteten Boden. Jahrhundertelang hatte das russische Volk unter den Einfällen von nomadisierenden Steppenvölkern, unter inneren Fürstenfehden des Mittelalters12, den Kriegen gegen andere europäische Feudalmächte, unter dem Rekrutendasein besonders seit dem 18. Jh. und den apokalyptischen Begleitern des Krieges — Hungersnöten, Seuchen, Teuerung und Verrohung der Sitten — zu leiden. Russische Frauen brachten in Klageliedern ihren Schmerz über die Trennung von Söhnen, Ehemännern, Brüdern zum Ausdruck, die in den Krieg ziehen mußten, und diese erhielten einen Abschied als Todgeweihte, die in den seltensten Fällen ihre Heimat heil wiedersahen. Soldatenlieder13, Sprichwörter*4, Märchen und Legenden zeugen sowohl von patriotischen Gefühlen der russischen Menschen angesichts der Abwehr von Einfällen äußerer Feinde als auch von der Abscheu vor Eroberungskriegen und „peKpynHHa". Eine Volkslegende sozialutopischen Charakters, die gerade am Ausgang des 18. und zu Beginn des 19. Jh. weite Verbreitung fand, war die Legende von „EejiOBOAte", einem Land im Fernen Osten, in dem alle Menschen gleich seien, alle Menschen arbeiteten, in dem es keine Krieger und keine Waffen mehr gäbe und ewiger Frieden herrsche. Russische Bauern brachen auf, um dieses Land zu suchen. Oft als geschlossene Trupps, mit Frauen und Kindern, überpoRHaH COIJHAJILHAH YTONHH B POCCHH. üepHOfl eoRa;iH3Ma, M . 1977, S. 285ff. A b g e d r u c k t ist

12

13

das Dokument in: C. EaÖKHH, Pyccua« noTaeimaH coijHajihHaH yroniiH X V I I I B . , in: PyccKaa jiHTepaTypa, 4/1968. Von 1228 bis 1462 wurden in Nordostrußland 90 Fürstenfehden und 133 Kriege gegen äußere Feinde geführt. In diesem Zeitraum fanden 48 Tatareneinfälle statt. Vgl. die Angaben in: F. v. L i l i e n f e l d , Nil Sorskij und seine Schriften. Die Krise der Tradition im Rußland Ivans III., Bln. 1963, S. 52. vgl. JI. H . I l y i i i K a p e B , CoJiaaTCKan necHH — HCTOHHHK no HCTopnii B o e i r a o r o 6irra pyccKoii peryjiapHofl apMHH X V I I I — nepBoft IIOJIOBHHH X I X BCKOB, M . 1969.

14

vgl. ders., Soziales Gedankengut im russischen Sprichwort. Quellenkundliche Probleme, demonstriert an Materialien des 17. Jahrhunderts, in: Jahrbuch für Volkskunde und Kulturgeschichte, 24. Bd., Neue Folge, Bd. 9, Bln. 1982.

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wanden sie tausende Kilometer, folgten den von prophetischen Geistern verfaßten „Reiseführern" und gelangten doch nicht in das Land „BejiOBOflbe". Sie gründeten Siedlungen im Altai und an der chinesischen Grenze, versuchten in ihren Gemeinden den Traum von einem Leben in Freiheit und Frieden zu verwirklichen, bis sie der lange Arm der Zarenmacht wieder erreichte, bis Soldaten und Steuereinnehmer in ihren Siedlungen erschienen. 15 Diese Legende zeigt, wie eng das Streben nach sozialer Gleichheit und Gerechtigkeit mit der Friedenssehnsucht des russischen Volkes verbunden war, wie russische Bauern versuchten, utopische Vorstellungen Wirklichkeit werden zu lassen. Derartige Legenden und Vorstellungen beeinflußten die Werke russischer Aufklärer wie Malinovskij, der zu den russischen Utopisten und zu den Vorläufern agrarsozialistischer Ideologen gezählt wird. In einem dritten Teil seines Traktats über Frieden und Krieg, der von I. S. Dostjan ausgewertet wurde, bis jetzt aber noch nicht veröffentlicht ist 16 , entwarf Malinovskij eine europäische Friedensordnung der Zukunft, in der die Völker freundschaftliche Beziehungen unterhielten und ein ganzes Netz freier Bauerngemeinden in Rußland als gesellschaftliche Grundlage diente. Malinovskij befaßte sich selbst — auch hierin ein Vorläufer von L. N. Tolstoj — mit der Gründung einer Gemeinschaft freier Bauern südlich des Ural. Die Bauern wünschten einen „Friedenszaren" herbei, einen Herrscher über ein Reich, in dem entsprechend dem Bibelwort „Schwerter zu Pflugscharen" würden. Dieses biblische Motiv war in der im Volke verbreiteten Apokryphenliteratur, z. B . in dem ,,/KnTne AiinpcH lOpoflHBoro", zu finden. 17 Demokratische Schriftsteller, wie M. V. Lomonosov, griffen das Gleichnis auf. In seiner Ode anläßlich der Krönung der Zarin Elizaveta Petrovna forderte Lomonosov 1742, daß aus Schwertern Pflugschare 'und Sicheln, aus Kanonen Standbilder geschaffen werden sollten. 18 Im russischen Volke war das Streben verwurzelt, vor dem Druck der zaristischen Behörden und dem drohenden Kriegsdienst in entfernte Gebiete auszuweichen. Das führte zu einer Kolonisierung weiter Teile Sibiriens und der russischen Steppengebiete im Süden und wäre am ehesten mit der Auswanderung europäischer Siedler nach Nordamerika zu vergleichen. Oft waren diese Übersiedlungsbewegungen religiös motiviert. Die von William Penn geführten Quäker wollten sich in dem nordamerikanischen Siedlungsgebiet, das „Pennsylvania" genannt wurde, eine Zone schaffen, in der sie ihr Ideal von einer Gesellschaft ohne Kriegsdienste zu verwirklichen hofften. Ähnliches traf für Teile der russischen Altgläubigen und für jene ausländischen religiösen Gemeinschaften, wie die Hutterer und die Herrnhuter, zu, die sich an der Wolga und in Südrußland ansiedelten. 15

16

K. B .

H H C T O B , PyccKHe HAPO^HHE C0L(iiajibH0-yT0nniecKne Jiereiijiti X V I I — X I X B B . , M. 1967, S . 239, 2 5 7 ; KjiHÖaHOB, S . 2 1 9 . vgl. M. C. . I J O C T H H , „EnponeftcKan y T O i r n n " B . KaeB) BH, cjiynaeM, He KOHCTpyKTop 9Toro oci^uuiorpacfra? (rpaHHH) A BH, nacoM, HE ycTajin, peÖHTa? (ropßaTOB) He . . . (jin)-Fragen ohne diese MW implizieren, daß der Sprecher He-p für wahrscheinlicher hält als p. Die Fragesätze mit den genannten MW bringen zum Ausdruck, daß irgend etwas den Sprecher vermuten läßt, daß doch p zutreffen könnte. Die epistemischen MW sind des weiteren nicht negierbar und nicht kontrastierbar 2 : *OH, He HaBepHoe, ono3flaeT. *OH, BEPOHTHO, NPH^ET.3

Die MW HABEPHHKA, JJOJIJKHO ÖLITB usw. sind als Antwortrepliken auf Entscheidungsfragen verwendbar. — OH npnfleT? — HaBepHoe. (BepoHTHo.) nowajiyÄ. Die MW geben eine positive Antwort, schränken aber die subjektive Gewißheit wiederum ein. Die in den Wörterbüchern und Grammatiken z. T. als Adverbien, z. T. als VS eingestuften Lexeme fleiicTBHTejibHo, B AeiteTBMTejibHocTH, B caMOM «ejie, NPAB^a, deren deutsche Entsprechungen ,wirklich, in Wirklichkeit, tatsächlich, in der Tat' von Doherty 1985 ebenfalls als epistemische Satzadverbien angesehen werden, können nicht als Antwortrepliken verwendet werden. — OH npimeT? — *fleÄCTBHTejibHo. (B caMOM flejie./IIpaBAa.) BnpaBfly. Diese MW zeigen aber bis auf die Nichtnegierbarkeit 4 auch in all den anderen oben illustrierten Eigenschaften Abweichungen vom Verhalten der epistemischen MW: Sie sind erfragbar, kontrastierbar und mit dem Imperativ verträglich. Vgl.: OHFLEÄCTBHTEJIBHONPHFLET ?

OH HEFTCTBHTEJIBHO ßojieH. Hfl» HeftcTBHTeJibHO flOMOö! Lang MS hat bereits Zweifel geäußert, daß die von Doherty als transparente epistemische Satzadverbien interpretierten sprachlichen Ausdrücke wirklich eine epistemische Bedeutung haben. Die NichtVerwendbarkeit als Antwortreplik könnte ein weiteres Indiz sein. Ich nehme an, daß die genannten MW dazu dienen, die im Satz ausgedrückte Urteilseinstellung zu unterstreichen mit dem Ziel, beim Hörer eine entsprechende Reaktion auf A T T zu bewirken; daß sie eine Art Appellfunktion haben. Für ihre Verwendung in Deklarativsätzen heißt das, daß der Sprecher unterstreicht, daß der Adressat seinerseits das Urteil übernehmen soll, daß er davon überzeugt sein kann, daß PC wahr ist. In Imperativsätzen unterstreicht der Sprecher, daß der Adressat der Aufforderung unbedingt nachkommen soll, und in Fragesätzen, daß der Adressat dem Sprecher unbedingt die richtige Antwort geben soll.

Die Nichtquantifizierbarkeit der deutschen Satzadverbien (vgl. Lang 1979, S. 207) ist durch die freiere Wortstellung im Russischen nicht gut nachweisbar, vgl.: *Hans schläft immer leider hier, vs. IleTp cnHT Bcer^a, K comaJieHHio, 3«ECB. * Die Sätze sind zulässig, wenn sie die Korrektur einer anderen Äußerung darstellen. 4 Doherty 1985, S. 43, hält den deutschen Satz „Konrad ist nicht wirklich verreist" für sprach gerecht. „KoHpa« He jjeüCTBHTejibHO yexan" wird von russischen Informanten abgelehnt.

2

7

Z. Slawistik, Bd. 34, H. 3

424

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2.2. Zu den emotiven MW zählen z. B . K cnacTtio, K cowaJieHHro, K ^oca^e, Ha 6efly, no HecHacTbio, rpeiiiHHM flejioM.

Die emotiven MW zeigen weitgehend die gleichen syntaktischen Eigenschaften wie die epistemischen MW. Sie sind ebenfalls nur mit dem Deklarativmodus verträglich, nicht negierbar und nicht kontrastierbar. Die emotiven MW enthalten kraft ihrer lexikalischen Bedeutung eine Faktivitätspräsupposition, die epistemischen MW HaBepHHKa tun dies nicht. Das ist z. B . der Grund dafür, weshalb die emotiven MW im Unterschied zu den epistemischen nicht in Konditionalsätzen verwendbar sind. * E C J I H OH MATEMÄTHK, TO OH, K ciacrbio, peuiHJi 3Ty aa^a^y. E C J I H OH

MaTeMaTHK,

TO OH,

HaßepHHKa/BOBMOJKHO, peniHJi 3Ty SA^aiy.

2.3. MW der Redewiedergabe Die MW der Redewiedergabe zeigen an, daß der durch den Satz S identifizierte Sachverhalt der Äußerung eines anderen Individuums entstammt. 2.3.1. Die MW MOJI, JJECKATB kennzeichnen dabei ein direktes Zitat; sie geben die ursprüngliche Äußerungsbedeutung wieder, identifizieren aber den Einstellungsträger als Nicht-Sprecher. Der Sprecher gibt damit zu verstehen, daß er nicht in die Rechtfertigungssituation kommen möchte. O H , MOJI, aToro He 3Haji. H e nycKaioT H nocMaTpHBaioT Ha Hac: Hy Kau, MOJI? (IIojieBoii) fl x o i y no TejieBH3opy

KHHO

CMOTpeTb, a nen MHe roBopHT:

H ^ H , MOJI,

cnaTb,

TH,

ßecitaTb,

eine MajieHbKHH.

In diesen Sätzen wird (vorausgesetzt es ist ein faires Zitat 8 ) SEM(S) der Originaläußerung wörtlich wiedergegeben und durch MOJI und JJECKATB das Zitat als Zitat verdeutlicht. Die MW sind folglich mit allen Satzmodi verträglich. 2.3.2. Die MW roBopHT, KaK CJIHUIHO, no cjiyxaM, Kau yKa3HBajiocb u. a., die ein indirektes Zitat anzeigen, sind nur mit dem Deklarativmodus verträglich. Sie beziehen sich, nur auf PC der Originaläußerung und drücken aus, daß der in dem Satz enthaltene Gedanke nicht vom Sprecher stammt. 3. Schaltwörter Im Unterschied zu den unter 2. behandelten MW, die angeben, als Objekte welcher Art von Einstellung die p entsprechende konzeptuelle Konfiguration aufgebaut wurde und die als Teil von ATT kompositionell in die Satzbedeutung eingebracht werden, befinden sich die Schaltwörter (SW) nicht auf derselben Ebene der semantischen Struktur des Satzes. Sie sind im Unterschied zu den MW partnerbezogen und kommentieren die gesamte Satzbedeutung mit unterschiedlichen kommunikativen Zielstellungen. 3 . 1 . S W wie KOHeiHo, pa3yMeeTCH, caMO coöoft pa3yMeeTCH, caMo coöoft, ecTecTBeHHo

dienen dazu, Zweifel des Partners an der durch SEM(S) erfaßten Bedeutung auszuräumen. Sie sind im Unterschied zu den unter 2.1. behandelten epistemischen MW, mit denen sie nach den üblichen VS-Klassifizierungen in eine Gruppe gehören, mit allen Satzmodi verträglich, verändern aber den kommunikativen Status der Satzmodi. OH, KOHe^Ho, 3Haji 06 3TOM. KOHeiHO, 6

HFLH FLOMOFT!

vgl. Lang 1983, S. 318.

G. Zybatow, BBO^Hue CJioBa im Russischen

425

CaMo coßoft paayMeeTCH, bosbmh !

Bli, KOHeiHo, k MoeMy ctray no KaKOMy-HHÖyAb AöJiy ? (JlepMOHTOB) Kyfla oh ecTecTBeHHo noiueji? Ein Deklarativsatz mit KOHeiHO, paayMeeTCH usw. ist keine bloße Mitteilung, sondern eine nachdrückliche Bestätigung eines vom Gesprächspartner angezweifelten Sachverhaltes. Imperativsätze mit diesen SW sind immer als Erlaubnis oder Ratschlag zu interpretieren und setzen einen Kontext voraus, in dem der Sprecher gefragt wurde, ob der Hörer die entsprechende Handlung tun oder lassen soll. Und die Fragesätze mit diesen SW sind immer rhetorisch zu interpretieren. 3.2. SW, die sich auf Aspekte der lexikalischen Form des Satzes beziehen Mit SW wie TaK CKaaaTb, cTporo roßopn, i t o Ha3HBaeTCH, ö y K B a j i b H o , n o - H a i n e M y TOBOpH, HHHMH CJIOBaMH, MOJKHO CKa3aTb, npOIIje CKa3aTb, Kopoie TOBOp«, B CymHOCTH, no cymecTBy, rpyöo roBopH kommentiert der Sprecher seine eigene sprachliche Bezeichnungsleistung, indem er auf Konnotationen, Regularität oder Okkasionalität der gewählten Worte verweist. Hakanen, no-HameMy roBopa, 6aji. B MHcapoBe, CTporo roBopH, HeT HHiero Hpe3BuiaÜHoro. (floßpojiioßoB) OHa, MOJKHO cKa3aTb, HacTonman BnpTyo3Ka. Die angeführten SW können sich auf einzelne Wörter oder auf die Äußerung insgesamt beziehen. Die SW, die sich auf einzelne Wörter beziehen können, unterscheiden sich von denen, die nur auf die gesamte Äußerung Bezug nehmen können, dadurch, daß sie in einer definiten Nominalphrase gebraucht werden können (vgl. EapaHOB/KoßoseBa 1984, S. 87): 3tot, iio-HaineMy CKa3aTb, 6aJi moh, TaK cKa3aTb, My3a *3TOT, OflHHM CJIOBOM, 6aJI Da sich der durch diese SW ausgedrückte Kommentar auf die Verbalisierung von P C (oder Teilen davon) bezieht, ist für sie der syntaktische Modus des Satzes irrelevant. Sie können in Sätzen aller Modi verwendet werden. 3.3. SW, die die Einstellung des Sprechers zur Funktion der Äußerung im Text spezifizieren 3.3.1. SW, die Topikwechsel anzeigen Der Hintergrund für den Gebrauch von SW wie KCTaTH, Mewßy npoHHM, BnpoieM ist die Textkohärenz. Durch diese SW wird zum Ausdruck gebracht, daß die folgende Äußerung nicht die Fortsetzung der bisher dargelegten Gedanken ist, sondern daß in der Themaprogression jetzt ein neuer Texttopik kommt. KcTaTH, tm Cepren TaM He BHaeji ? A h, MejKfly npoHHM, yme leTBepTtift roß KBaprapy JK,ny. BnponeM, n03B0HH b 6 nacoB, MOH«eT, h yme ocBoöoJKycb.

KCTaTH, H n03«paBJIHK) TeÖH c «HeM pOHtfleHHH. Wie die Beispiele zeigen, sind diese SW mit allen Satzmodi und mit explizit performativen Formeln verträglich. 3.3.2. Im Gegensatz zu den SW unter 3.3.1. stellen SW wie HTaK, 3HanHT, cjie^OBaTejibHo, cTajio Glitl, cTajio die so eingeleitete Äußerung als von vorangegangenen Äußerungen ableitbar dar. 7*

Z. Slaw. 34 (1989) 3

426 B

i a c OHa caejiaeT neTupe, HeT, nowajiyü, RBa KHJiOMeTpa, 3HaiHT,

iepe3 qeTHpe-nHTB qacoB 6yji,eT Ha MecTe. (HaKOBCKiiii) T a K , cTaJio, einy Haao oTBeT flaTb? (CyxoBo-KoßbiJiHH) T u x o i e m b nocTynHTb B HHCTMTyT? 3Ha*MT, ROTOBBCN K BCTynnTejibHUM 3K3aMeHaM! D i e s e S W h a b e n eine V e r w a n d t s c h a f t zu d e n K a u s a l k o n j u n k t i o n e n , j e d o c h w i r d durch sie d i e sequentielle U n t e r o r d n u n g auf g r ö ß e r e A b s c h n i t t e v e r t e i l t . A u c h sie z e i g e n in b e z u g auf d e n S a t z m o d u s k e i n e Einschränkungen.

Literatur M. Bierwisch 1979, Satztyp und kognitive Einstellung, in: Slovo a Slovesnost, X L , 3, S. 194 bis 199. — 1980, Semantic Structure and Illocutionary Force, in: J. R . S e a r l e , F . K i e f e r , M. B i e r w i s c h (Hg.), Speech Act Theory, Dordrecht 1980, S. 1 - 3 5 . A . H . EapaHOß/M. M. Ko6o3eBa 1984, BßOflHbie cnoBa B ceiwaHTHiecKoft CTpyKType npefljioweHHH, B: CHHTaKciiqecKHe CTpyKTypu, KpacHonpcK 1984. M. Doherty 1985, Epidemische Bedeutung, studia grammatica X X I I I , 1985. TpaMMaTHKa 1980, Pyccuan rpaMMaraKa/IIo« pe«. H . K). IIlBeHOBOft, T. I I , M. 1980. E. Lang 1979, Zum Status der Satzadverbiale, in: Slovo a Slovesnost, X L , 3, S. 200—213. — 1983, Einstellungsausdrücke und ausgedrückte Einstellung, in: R . R ü £ i 5 k a , W . M ö t s c h (Hg.), Untersuchungen zur Semantik, studia grammatica X X I I , 1982, S. 305—341. — MS, Grammatische und kommunikative Aspekte des Satzmodus (Unveröffentlichtes Manuskript) 9. Po3eHTaiib/M. A . TeJiOHKOBa 1985, CjiOBapb-cnpaßOHHHK jMHrBHCTHqecKtix TepMHHOB, M. ' 1985. B. B. BHHorpa«oß 1972, PyccKHö H3HK (rpaMMaTHiecKoe yqemie o cjiOBe)2, M. 1972.

Z. Slaw. 84 (1989) 3, 4 2 7 - 4 3 5

Forschungsbericht 3.

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3 . flbËPKE — H . OËJib«Em, HccjieffOBaHHe pa3eoJTorHH pyccKoro « a t m a B BeHrpHH 2. H a y q e H H e T e o p e T H i e c K H X

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429

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4. M e T O f f H K a n p e n o f l a B a H H H BeHrpHH

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OflHaKO b oSjiacTH MeTOflHKH npeno«aBaHHH pyccKOil $pa3eoJiorHH b uiKOJiax h By3ax BeHrpHH eme npe«cTOHT peuiHTb p n » cymecTBeHHMx 3a«aw : HeoSxoAHMo pa3pa6oTaTb ochobhhc mctoahqecKHe npHHijHnbi oSyneHHH pyccKoü (JipaaeoJiorHH b BeiirepcKoñ ay«HTopHH, C0CTaBHTb b BH^e «ByH3braHHX yqeÓHbix $pa3eojiornqecKHx cJioBapeft $pa3eojiorHHecKHe MHHHMyMU, c TaKwe pa3JiHHHbie npaKTHHeCKHe nocoSna no $pa3eojiorHH ajih hikoji h By30B CTpaHbi.

3 . JJbKPKE — H . ®BJH>ÄEIII, HccjieaoBaHHe $pa3eoJiornn pyccKoro esuKa B BeHrpira MaöpaHHaii 6u6MiozpaK3;eHHH Me>Kjiy (|>pa3eoiiorHHecKHMH oSopoTaMH pyccKoro H BeHrepcKoro H3HKOB]. — „ M o d e m nyelv-oktatàs" 4 (1966) 1—2, c. 32—48. Pete (1968) = M. IleTe, rjiaronbHHe cjiOBoeoieTaHHH c HasBaHHHMH nacTeit Tejia B pyccKOM H3UKe. — B c6.: V I . Mezinàrodn! Sjezd Slavisti v Praze 1968. Rezumé prednààek, pripévkù a sdéleni. Praha, 1968, c. 470. Pete (1981) = H. IleTe, YNOTPESJIEMIE MHCJIOBUX (|>opM HMEH cymecTBHTejibHbix, o6o3HaiaioUimecKHtt yuaäaTejib juwepaTypu no BonpocaM $paaeoJiorHH. B u n . IV—V, CaMapKaHfl 1976, 1979. — „Studia Russica" 2 (1979), c. 3 6 6 - 3 7 4 . Kovács (1962) = Z. K o v á c s : E. K e s z t h e l y i , Russzicizmusok. 5000 orosz szólás és kifejezés. Budapest, 1961. — „Studia Slavica" 8 (1962), c. 195—201. R o t (1983) = III. P O T : O. B. TKaieHKO, CONOCTABHTEJIBHO-HCTOPHIECKAH pa3eoJiorMH cjiaBHHCKHX H Himo-yropcKHx H3UKOB. K H E B , 1979. — Annales Universitatis Scientiarum Budapestinensis de Rolando Eötvös nominatae Sectio Linguistica Tomus XIV (1983), c. 2 7 5 - 2 7 7 . Szálai (1984) = K. G a n a n : O HOBOM cnoaape cjioBocoieTaHHtt (peí;. Ha cnoBapb P. II. P o r o m H H K O B O M , CNOBAPB COHETAHHÖ, 3KBHBAJIEHTHHX cJiOBy. M., 1983) — „Studia Russica" 7 (1984), c. 3 3 9 - 3 4 3 . Tatár (1972) = B. T a T a p : A. M. BaÖKHH, Pyccnan pa3eojiornn, ee paaBHrae H HCTOHHHKH. JI., 1970. - „Studia Slavica H u n g . " X V I I I (1972), c. 3 0 0 - 3 0 2 . Tatár (1983a) = B. TaTap: P. H. flpanijeB, CnoBapb-cnpaBOHHHK no pyccKOit pa3eojiorjin, M. 1981. - „Studia Russica" 6 (1983), c. 3 4 3 - 3 4 7 . Tatár (1984a) = B. T a T a p : B. II. )KyKOB. IÜKOJibHuit (J>pa3eojiorimecKHií cnoBapb pyccKoro H3biKa. IIocoÔHe HJiH ynamHXCH. M., 1980. — „Studia Russica" 7 (1984), c. 343— 346. Tatár (1984b) = B. TaTap: A. T. XpoJieHKO, IIo.3THHecKaa K, 1981. — Annales Universitatis Scientiarum Budapestinensis de Rolando Eötvös nominatae. Sectio Linguistica. Tomus XV (1984), c. 1 5 5 - 1 5 8 .

Z. Slaw. 34 (1989) 3, 4 3 6 - 4 5 4

Tagungsberichte R.Eckert

Der X. Internationale Slawistenkongreß in Sofia Vom 14. bis zum 22. September 1988 tagte in Sofia der X. Internationale Slawistenkongreß. Die Hauptstadt der VR Bulgarien war schon einmal Austragungsort des größten internationalen Forums der Slawisten gewesen — im Jahre 1963 fand hier der V. Internationale Slawistenkongreß statt. Aus 28 Ländern (Neuseeland war nun in Sofia erstmalig vertreten) waren etwa anderthalb Tausend Slawisten zusammengekommen, darunter über 700 Kongreßteilnehmer aus der. gastgebenden VR Bulgarien. Etwa 500 Personen waren Gastteilnehmer, so daß der Kongreß insgesamt von rund 2000 Menschen besucht wurde. Der X. Internationale Slawistenkongreß fand in einer Zeit statt, die geprägt ist durch die Politik des Dialogs und der wachsenden Erfolge der Abrüstungsinitiativen der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Länder. -Die Bedeutung des Weltforums der Slawisten für die internationale Verständigung und die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Ländern wurde in der Grußadresse des Generalsekretärs des ZK der B K P und Vorsitzenden des Staatsrates der VR Bulgarien T o d o r 2 i v k o v besonders zum Ausdruck gebracht. Gleichzeitig fanden die großen Anstrengungen des Gastgeberlandes auf allen Gebieten der Slawistik und bei der Ausrichtung des Kongresses die ungeteilte Anerkennung seitens der internationalen Öffentlichkeit. Der Kongreß verlief in einer aufgeschlossenen und konstruktiven Atmosphäre. Die Arbeitsbedingungen im prächtigen Gebäude des Kulturpalastes waren optimal. Die überaus herzliche Aufnahme und Gastfreundschaft sowie die umfangreiche Vorbereitungsarbeit der bulgarischen Slawisten (das Bulgarische Nationalkomitee der Slawisten führte in Vorbereitung auf den Kongreß 1985 in Pravec eine Plenarsitzung des Internationalen Slawistenkomitees und 1986 in Sofia eine Sitzung des erweiterten Präsidiums des I S K zusätzlich durch) trugen wesentlich zum Gelingen des Kongresses bei. In seinen wissenschaftlichen Ergebnissen vermittelte der X. Internationale Slawistenkongreß ein repräsentatives Bild über die slawistischen Forschungen in der Welt. Es wurden 750 Vorträge auf 94 Fachsitzungen gehalten. Vier Hauptvorträge auf der Plenarsitzung zur Eröffnung des Kongresses galten wichtigen Schwerpunktbereichen der Kongreßarbeit: AM Prof. D. L. L i c h a ö e v (UdSSR) sprach über Besonderheiten des Christentums in der Kiever Rus', AM Prof. W. H e n s e l (VR Polen) referierte über die alten Wohnsitze der Slawen, Prof. R. 01 e s c h (BRD) hielt einen Vortrag zur Frage phonetischer und lexikalisch-akzentologischer Gemeinsamkeiten in slawischsprachlichen Randzonen und AM Prof. P. Z a r e v (VR Bulgarien) behandelte das Thema „Die schöpferische Persönlichkeit in den slawischen Literaturen". Wie auf dem Kiever Kongreß 1983 bewegte sich die gesamte Arbeit in 5 Sektionen: 1) Sprachwissenschaft (mit 5 Subsektionen) 2) Literaturwissenschaft (mit 6 Subsektionen) 3) literaturwissenschaftlich-linguistische Probleme (mit 5 Subsektionen) 4) Folkloristik (mit 6 Subsektionen) und 5) historische Problematik (mit 6 Subsektionen). Zur Sprach- und Literaturwissenschaft fanden am ersten Konferenztag je eine Plenarsitzung statt, auf denen als Vertreter der DDR Prof. K. G u t s c h m i d t über Prinzipien der Periodisierung der slawischen Literatursprachen und Prof. E. B a y e r (beide Humboldt-Universität Berlin) über das literarisch-theoretische Werk von Dimitär Blagoev im europäischen Kontext referierten. Im Rahmen der literaturwissenschaftlichen Sektion fanden spezielle Fachsitzungen statt, die den Jubiläen von Christo Botev, Francisk Skaryna und Taras 5 evienko gewidmet waren. Die Sektion Geschichte würdigte den 100. Gründungstag der Universität Sofia und Vuk Karadiic' Beitrag zur Weltslawistik. Aus der Arbeit des Kongresses lassen sich wichtige Schwerpunkte und Tendenzen der internationalen Slawistik erkennen: In der S p r a c h w i s s e n s c h a f t war charakteristisch, daß besonders zum Urslawischen und zu den balto-slawischen Beziehungen intensiv geforscht wird, wobei als Tendenz festzustellen ist, daß das Urslawische als funktionierendes (dynamisches) System betrachtet wird; Erkenntnisse der Etymologie, historischen Dialektologie, diachronischen Akzentforschung und Onomastik synthetisch verarbeitet werden und besonders die Lexik und Phraseologie zur Rekonstruktion der

R . ECKERT, Der X . Internationale Slawistenkongreß in Sofia

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materiellen u n d geistigen K u l t u r der Sprachträger in frühen Entwicklungsperioden eingesetzt werden. Ein weiterer Schwerpunkt waren die Forschungen zum Altslawischen (Altbulgarischen) u n d die Bedeutung dieser Sprache f ü r die K u l t u r der slawischen Völker und viele ihrer Schriftsprachen. Was die breit auf dem Kongreß repräsentierten slawischen Gegenwartssprachen betrifft, so standen vor allem grammatische u n d lexikologische Forschungen im Mittelpunkt (z. T. m i t veränderten Schwerpunktsbildungen): funktional-semantische Betrachtungsweisen; Untersuchungen mit stärker integrierenden Momenten (z. B. bei der Behandlung des Verbalaspekts die Einbeziehung anderer Kategorien sowie der lexikalischen Bedeutung des Verbs); vergleichende Studien zur slawischen Dialektologie u n d Areallinguistik; eine größere Anzahl von Untersuchungen zu Intonations- und Akzentproblemen. Die Phonetik/Phonologie war relativ schwach vertreten. Moderne allgemeinlinguistische Verfahren und Errungenschaften setzen sich in der slawistischen Sprachwissenschaft n u r langsam durch (Textlinguistik, Soziolinguistik, Einsatz von Computern). I n der L i t e r a t u r w i s s e n s c h a f t standen folgende Themenkomplexe im Zentrum der D e b a t t e n : Entwicklungsprobleme der Literatur Bulgariens von den Anfängen bis ins 20. J h . ; Wechselbeziehungen innerhalb der slawischen Literaturen sowie ihre Stellung im K o n t e x t der europäischen Literaturen und der Weltliteratur; die Spezifik literarischer Richtungen, Strömungen und Schulen sowie der Gattungen u n d Genres in den slawischen Literaturen; Fragen der Entwicklung der Realismustheorie, insbesondere der Theorie des sozialistischen Realismus; die historische Poetik der slawischen Literaturen vom Mittelalter bis zur Avantgarde des 20. J h . u n d methodologische sowie theoretische Aspekte der Allgemeinen Literaturwissenschaft, vor allem der Analysetheorie, der Rezeptionstheorie und der Theorie der vergleichenden Literaturbetrachtung. Erstmals t a g t e auf dem Kongreß eine Subsektion zu Fragen der Literaturtheorie. I n der l i t e r a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h - l i n g u i s t i s c h e n S e k t i o n war eine Dreiteilung in literaturwissenschaftlich, übersetzungswissenschaftlich u n d linguistisch orientierte Beiträge unverkennbar, d. h. zu der angestrebten stärkeren Integration kam es n u r vereinzelt. Gute A u f n a h m e fanden die Arbeiten, die a m Text die Untersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse demonstrierten bzw. die ein klares übersetzungswissenschaftliches Konzept aufwiesen. I n der Sektion F o l k l o r i s t i k wurde im Vergleich zum vorangegangenen Kongreß ein höheres theoretisches und methodologisches Niveau der Beiträge festgestellt, woran einen besonderen Anteil die Referate der Delegationen aus der U d S S R , der VR Bulgarien und der ÖSSR h a t t e n . Thematisch standen vielfach Gegenwartsprozesse (Adaption der Folklore in der Gegenwartsliteratur) u n d Untersuchungen zur Einwirkung der slawischen Folklore auf die K u l t u r e n in den nichtslawischen Ländern im Mittelpunkt. I n der Sektion G e s c h i c h t e spielten die Fragen der Ethnogenese der Slawen, der altbulgarischen K u l t u r , des gesellschaftlichen Denkens in den slawischen Ländern Mitte des 19. bis Anfang des 20. J h . sowie die vielfältigen Untersuchungen zur Geschichte der Slawistik eine bestimmende Rolle. Die D D R n a h m mit einer repräsentativen Delegation von 50 Wissenschaftlern, darunter 6 sorbischen Slawisten, am X . Internationalen Slawistenkongreß teil. Die DDR-Delegation leistete m i t 47 Vorträgen, mit einer Anzahl von Diskussionsbeiträgen sowie durch die Mitarbeit in den Kommissionen beim I S K einen beachteten Beitrag zum Gelingen des Kongresses. Die Vorträge zeigten ein gutes wissenschaftliches Niveau und fanden interessierte Aufnahme. Auch eine Anzahl jüngerer Delegationsmitglieder t r a t erfolgreich auf dem Kongreß auf. Außer den bereits erwähnten Plenarvorträgen der sprachwissenschaftlichen u n d der literaturwissenschaftlichen Sektion erstattete Prof. M. W e g n e r (Friedrich-Schiller Univ. J e n a ) im A u f t r a g des Veranstalters den resümierenden Bericht über die Arbeit der Sektion Literaturwissenschaft auf der Abschlußsitzung des Kongresses am 21. 9. 1988 in der Volksoper Sofia. Vier DDR-Slawisten (Prof. R . E c k e r t , Prof. H . J ü n g e r , Prof. K.-H. K a s p e r , AM R . R ü i i ö k a u n d Dr. sc. H . S a l e v s k y ) waren mit der Leitung von Sitzungen von Subsektionen b e t r a u t worden. Zwei DDR-Wissenschaftler leiteten Sitzungen der internationalen Kommissionen beim I S K : Prof. H . S c h u s t e r - S e w c — dip Kommission f ü r Lexikologie und Lexikographie, Prof. R . E c k e r t (als Stellvertreter von AM V. M a i i u l i s ) — die Kommission zum Studium der balto-slawischen Beziehungen. Traditionsgemäß war während des Kongresses eine Ausstellung slawistischer Fachliteratur der beteiligten Länder — darunter auch der D D R — veranstaltet worden. Am 16. 9. 1988 stellten führende Slawisten unseres Landes im Kultur- und Informationszentrum der D D R in der VR Bulgarien auf einem Treffen mit Mitgliedern des Bulgarischen National-

Z. Slaw. 34 (1989) 3

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komitees, mit Slawisten und Vertretern der hauptstädtischen wissenschaftliehen Einrichtungen sowie mit bulgarischen Pressemitarbeitern die Slawistik der DDR, ihre Geschichte, den Forschungsstand sowie ihre Perspektiven vor. Die Assoziation der Russisten der V R Bulgarien lud verdiente Russisten aus den verschiedenen Ländern zu einem Empfang ein und überreichte ihnen Diplome über die Ehrenmitgliedschaft dieser Vereinigung. Unter ihnen waren aus der DDR Prof. D. F r e y d a n k (Martin-Luther-Univ. Halle) und Prof. R . E c k e r t (ZISW der AdW der DDR). Auf dem Kongreß tagten am 21. 9. 1988 von den 23 Kommissionen beim I S K 22. An den Beratungen der Kommissionen nahmen jeweils Vertreter der DDR-Delegation teil. Am 19. 9. 1988 fand in Blagoevgrad unter der Leitung des Stellvertreters des Vorsitzenden des I S K AM Prof. P. D i n e k o v (VR Bulgarien) die Sitzung des Internationalen Slawistenkomitees statt. Auf dieser Plenarsitzung wurde AM N. I. T o l s t o j (UdSSR) für das ausscheidende Mitglied AM P. T. T r o n k o (UdSSR) zum Vizepräsidenten des I S K gewählt. Als neue Mitglieder des I S K (für ausscheidende Mitglieder) wurden bestätigt: J . K a ö a la (ÖSSR), M. H o l m a n (Großbritannien), I. N y o m a r k a y (VR Ungarn), A. K. M a u r y a (Indien), P. G a r d e (Frankreich), M. T a u b e (Israel), W. V e d e r (Niederlande), H. P. S t o f f e l (Neuseeland) und T. P r i e s t l y (Kanada). Ferner wurden Fragen über die Arbeit der Kommissionen beim I S K beraten. Es wurde beschlossen, den X I . Internationalen Slawistenkongreß im Jahre 1993 in Bratislava in der ÖSSR durchzuführen. Im Zusammenhang damit wurden für die bevorstehende fünfjährige Amtszeit Prof. S. W o l l m a n (CSSR) als Vorsitzender des I S K und Prof. V. M a t u l a (ÖSSR) als Stellvertreter des Vorsitzenden des I S K gewählt. Als Sekretäre des I S K wurden Dr. J . B o s ä k (Jazykovedny üstav L. Stiira SAV Bratislava), Dr. T. I v a n t y S y n o v a (Üstav historickych vied SAV Bratislava) und Dr. J . V l a ä k a (Üstav pro öeskou a svetovou literaturu ÖSAV Praha) gewählt. Dem Bulgarischen Nationalkomitee der Slawisten und seinem Vorsitzenden AM Prof. P. D i n e kov, dem Organisationskomitee des X . Internationalen Slawistenkongresses und allen unseren bulgarischen Fachkollegen und Freunden möchten wir unseren aufrichtigen Dank für die gastliche Aufnahme, für die vortreffliche Organisation und nicht zuletzt für die bleibenden Eindrücke, die wir von Sofia, von Blagoevgrad und von der Exkursion nach Melnik mitnehmen konnten, zum Ausdruck bringen. Im folgenden schließen sich Berichte zu einzelnen Sektionen und Subsektionen an, die die Sicht der jeweiligen Autoren widerspiegeln und die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Diese Berichterstattung wird im nächsten Heft der ZfSl fortgesetzt.

R. E c k e r t

Die Phraseologie auf dem X. Internationalen Slawistenkongreß* Die Vorträge zur phraseologischen Thematik waren leider im Programm des X . Internationalen Slawistenkongresses nicht in einer Subsektionssitzung zusammengefaßt worden, sondern auf thematisch sehr verschiedenartige Subsektionen der Sektion Sprachwissenschaft verteilt, obwohl es in Vorbereitung des Kongresses Vorschläge für eine Konzentrierung dieser aktuellen linguistischen Problematik gegeben hatte. Dies hatte vor allem Auswirkungen auf die Diskussion, die nicht so geschlossen und gründlich geführt werden konnte. Einige bekannte Phraseologen wie z. B. V. N. T e l i j a (Moskau), L. J a . K o s t j u ö u k (Pskov) und A. S. A k s a m i t o v (Minsk) waren angereist und hielten z. T. auch Vorträge, diese waren aber nicht im Programm oder im Resümee-Band 1 * Zur phraseologischen Problematik auf den beiden vorausgegangenen Internationalen Slawistenkongressen vgl. R . E c k e r t , Die Phraseologie auf dem V I I I . Internationalen Slawistenkongreß in Zagreb, in: ZfSl 24 (1979), S. 258—262 und d e r s . , Die Phraseologie auf dem I X . Internationalen Slawistenkongreß in Kiev, in: ZfSl 29 (1984), S. 761 — 767. 1

X . M e H t a y H a p o A e H K O H r p e c Ha « i a B H C T H T e . Pe3K>MeTa Ha

flOKJiaairre.

CO$HH, 1 4 — 2 2

ceirreM-

B p « 1 9 8 8 R . ( B t J i r a p c K a AKa^eMMH Ha HayKHTe. B t J i r a p c K H H a i j i i o H a j i e i i KOMHTCT Ha cJiaBMCTHTe), CO$HH 1 9 8 8 , 7 6 7 S . ( w e i t e r h i n : Pe3K>MeTa).

Z. Slaw. 34 (1989) 3

438

komitees, mit Slawisten und Vertretern der hauptstädtischen wissenschaftliehen Einrichtungen sowie mit bulgarischen Pressemitarbeitern die Slawistik der DDR, ihre Geschichte, den Forschungsstand sowie ihre Perspektiven vor. Die Assoziation der Russisten der V R Bulgarien lud verdiente Russisten aus den verschiedenen Ländern zu einem Empfang ein und überreichte ihnen Diplome über die Ehrenmitgliedschaft dieser Vereinigung. Unter ihnen waren aus der DDR Prof. D. F r e y d a n k (Martin-Luther-Univ. Halle) und Prof. R . E c k e r t (ZISW der AdW der DDR). Auf dem Kongreß tagten am 21. 9. 1988 von den 23 Kommissionen beim I S K 22. An den Beratungen der Kommissionen nahmen jeweils Vertreter der DDR-Delegation teil. Am 19. 9. 1988 fand in Blagoevgrad unter der Leitung des Stellvertreters des Vorsitzenden des I S K AM Prof. P. D i n e k o v (VR Bulgarien) die Sitzung des Internationalen Slawistenkomitees statt. Auf dieser Plenarsitzung wurde AM N. I. T o l s t o j (UdSSR) für das ausscheidende Mitglied AM P. T. T r o n k o (UdSSR) zum Vizepräsidenten des I S K gewählt. Als neue Mitglieder des I S K (für ausscheidende Mitglieder) wurden bestätigt: J . K a ö a la (ÖSSR), M. H o l m a n (Großbritannien), I. N y o m a r k a y (VR Ungarn), A. K. M a u r y a (Indien), P. G a r d e (Frankreich), M. T a u b e (Israel), W. V e d e r (Niederlande), H. P. S t o f f e l (Neuseeland) und T. P r i e s t l y (Kanada). Ferner wurden Fragen über die Arbeit der Kommissionen beim I S K beraten. Es wurde beschlossen, den X I . Internationalen Slawistenkongreß im Jahre 1993 in Bratislava in der ÖSSR durchzuführen. Im Zusammenhang damit wurden für die bevorstehende fünfjährige Amtszeit Prof. S. W o l l m a n (CSSR) als Vorsitzender des I S K und Prof. V. M a t u l a (ÖSSR) als Stellvertreter des Vorsitzenden des I S K gewählt. Als Sekretäre des I S K wurden Dr. J . B o s ä k (Jazykovedny üstav L. Stiira SAV Bratislava), Dr. T. I v a n t y S y n o v a (Üstav historickych vied SAV Bratislava) und Dr. J . V l a ä k a (Üstav pro öeskou a svetovou literaturu ÖSAV Praha) gewählt. Dem Bulgarischen Nationalkomitee der Slawisten und seinem Vorsitzenden AM Prof. P. D i n e kov, dem Organisationskomitee des X . Internationalen Slawistenkongresses und allen unseren bulgarischen Fachkollegen und Freunden möchten wir unseren aufrichtigen Dank für die gastliche Aufnahme, für die vortreffliche Organisation und nicht zuletzt für die bleibenden Eindrücke, die wir von Sofia, von Blagoevgrad und von der Exkursion nach Melnik mitnehmen konnten, zum Ausdruck bringen. Im folgenden schließen sich Berichte zu einzelnen Sektionen und Subsektionen an, die die Sicht der jeweiligen Autoren widerspiegeln und die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Diese Berichterstattung wird im nächsten Heft der ZfSl fortgesetzt.

R. E c k e r t

Die Phraseologie auf dem X. Internationalen Slawistenkongreß* Die Vorträge zur phraseologischen Thematik waren leider im Programm des X . Internationalen Slawistenkongresses nicht in einer Subsektionssitzung zusammengefaßt worden, sondern auf thematisch sehr verschiedenartige Subsektionen der Sektion Sprachwissenschaft verteilt, obwohl es in Vorbereitung des Kongresses Vorschläge für eine Konzentrierung dieser aktuellen linguistischen Problematik gegeben hatte. Dies hatte vor allem Auswirkungen auf die Diskussion, die nicht so geschlossen und gründlich geführt werden konnte. Einige bekannte Phraseologen wie z. B. V. N. T e l i j a (Moskau), L. J a . K o s t j u ö u k (Pskov) und A. S. A k s a m i t o v (Minsk) waren angereist und hielten z. T. auch Vorträge, diese waren aber nicht im Programm oder im Resümee-Band 1 * Zur phraseologischen Problematik auf den beiden vorausgegangenen Internationalen Slawistenkongressen vgl. R . E c k e r t , Die Phraseologie auf dem V I I I . Internationalen Slawistenkongreß in Zagreb, in: ZfSl 24 (1979), S. 258—262 und d e r s . , Die Phraseologie auf dem I X . Internationalen Slawistenkongreß in Kiev, in: ZfSl 29 (1984), S. 761 — 767. 1

X . M e H t a y H a p o A e H K O H r p e c Ha « i a B H C T H T e . Pe3K>MeTa Ha

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R. E c k e r t , Die Phraseologie auf dem X. Slawistenkongreß

439

ausgewiesen. Wir können aber feststellen, daß die Phraseologie nach wie vor eine aktuelle u n d sich rasch weiterentwickelnde Disziplin innerhalb der slawistischen Sprachwissenschaft ist. In diesem Zusammenhang sollte wohl auch darauf verwiesen werden, d a ß der slawistischen Phraseologieforschung in den vergangenen Jahrzehnten eine gewisse Pionierrolle bei der Herausbildung u n d Entwicklung dieser linguistischen Disziplin zukam. Wir wollen uns in der folgenden Darstellung an den im Programm ausgedruckten und gehaltenen Vorträgen orientieren und diese in alphabetischer Folge k n a p p charakterisieren. M. B a s a j (VR Polen) hielt einen Vortrag „Über das semantische Feld der phraseologischen Internationalismen" 2 , in dem er als internationale Phraseologismen solche auffaßt, die in zwei oder mehreren verwandten oder nichtverwandten Sprachen vorkommen u n d auf der Inhalts- und Ausdrucksebene übereinstimmen sowie die ihrem Ursprung nach auf ein Muster zurückgehen oder eigenständig entstanden. Die verschiedenen Typen internationaler Phraseme reichen danach von solchen, die eine Übereinstimmung in ihrem Inhalt, ihrer Lautgestalt, Schreibung u n d ihrer Motivation aufweisen, bis zu solchen, in denen nur zwei dieser Merkmale vorhanden sind, wobei die inhaltliche Übereinstimmung immer obligatorisch ist. Es werden also sowohl Phraseme, die durch Lehnübersetzung (Kalkierung) entstanden, als auch solche, die unabhängig voneinander auf der Grundlage der gleichen bildhaften Übertragung zustandegekommen sind (z. B. somatische Phraseologismen), einbezogen. Innerhalb der großen Gruppe der Kalkierungen unterscheidet B. als erste die phraseologischen Internationalismen, die als kulturelles Erbe durch Einfluß der Bibel, der Mythologie der klassischen Sprachen, geflügelter Ausdrücke entstanden sind, wobei diese nicht immer auf bestimmte Textfragmente zurückgehen, sondern einfach bestimmte Situationen widerspiegeln (vgl. z. B. russ. 6jiy hhhö chh, engl, the prodigal son, dtsch. der verlorene Sohn oder russ. TpoflHCKHÜ KOHb, engl, the Trojan horse, frz. cheval de Troie, dtsch. das Trojanische Pferd). Eine zweite Gruppe bilden phraseologische Internationalismen, die mit der modernen Entwicklung von Wissenschaft u n d Technik, Sport und gesellschaftspolitischen Prozessen zusammenhängen (man vgl. z. B. dtsch. die dritte Welt, russ. TpeTwii MHp oder engl, brain washing, poln. pranie mözgow, russ. npoMHBäHne M03r0B). R. E c k e r t (DDR) hislt ein Referat, das der „HistorischenPhraseologie der slawischen Sprachen" 3 gewidmet war. E r ging dabei auf die Schwierigkeiten ein, die bei der historischen Untersuchung der Phraseologismen auftreten: die spärliche Bezeugtheit phraseologischer F a k t e n in alten Schriftdenkmälern und ihre aufwendige u n d schwierige Herauslösung; das Fehlen eines Sprachgefühls für frühere Epochen der Entwicklung der Sprachen; die UnVollkommenheit der Methoden der diachronischen Phraseologieforschung etc. Gleichzeitig verwies er auf einige Momente, die die historischen Untersuchungen zur Phraseologie begünstigen: die Präsentation von Ausgangsstrukturen im Formativ des Phraseologismus, das Textfragmente darstellt, u n d die Tendenz zur Bewahrung archaischer Elemente (Wörter, Wortformen, Konstruktionen) im Verband der Phraseologismen, die allerdings auch dem Systemzwang der Gegenwartssprachen ausgesetzt sind. Es k o m m t daher auch zu einer Erneuerung archaischer Elemente (vgl. russ. H3HK npHJibne k ropTaHH

-> H3bIK

npHJIHn

K

ropTaHH).

Im Unterschied zu einer oberflächlichen (und häufig dilettantischen) Etymologisierung der Phraseologismen auf der Grundlage der isoliert betrachteten Formative und der sogen, „inneren F o r m " der Einheiten hält E . folgende Prinzipien für eine erfolgreiche diachronische Beschreibung der Phraseologie für unerläßlich: 1) ein systemhaftes Herangehen, das nicht nur die Heranziehung des phraseologischen Materials, sondern auch der nichtidiomatischen stabilen Wendungen, der Komposita und relativ freien Lexemverknüpfungen beinhaltet, 2) die Nutzung der Systembeziehungen in der Phraseologie und Lexik (Varianten, Synonyme, polysemantische Einheiten etc.), 3) die Auswertung der F a k t e n aus den alten Schriftdenkmälern u n d in Ergänzung oder manchmal in Kom2

Im folgenden werden wir, soweit wir das können, zuerst auf den gedruckten Beitrag verweisen und sodann auf die entsprechende Kurzfassung im Resümee-Band. Der Beitrag von M. B a s a j erschien unter dem Titel „O polu semantycznym internacjonalizmöw frazeologicznych", in: Z polskich studiöw slawistycznych, Seria 7, J^zykoznawstwo. Prace na X Mi^dzynarodowy kongres slawistöw w Sofii 1988, Warszawa 1988, S. 29 — 35. — Kurzfassung in deutscher Spra-

3

R. E c k e r t , Historische Phraseologie der slawischen Sprachen (unter Berücksichtigung des Baltischen) — Prinzipien, Methoden u n d Resultate, in: ZfSl 32 (1987), S. 801—807. Kurzfassung in russischer Sprache in: Pe3K)MeTa, S. 84.

8

c h e i n : Pe3i0MeTa, S. 91.

Z. Slawistik, Bd. 34, H . 3

Z. Slaw. 34 (1989) 3

440

pensation dazu der Materialien aus den Mundarten, aus der Sprache der Folklore, aus verschiedenen Berufssprachen und aus den verwandten Sprachen und ihren Dialekten, 4) die Berücksichtigung der semantischen Evolution, 5) die Berücksichtigung der extralinguistischen Fakten (frühe materielle und geistige Kultur, Mythologie etc.). Die Anwendung dieser Prinzipien demonstrierte B. am Beispiel der Geschichte der russ. Phraseme p o ß h (fla) nJieMH und b&jihtii nepea neHb K o j i o f l y , wobei für letzteres baltische Entsprechungen angeführt wurden. M. L e o n i d o v a (VR Bulgarien) behandelte in ihrem Vortrag „Probleme der Stilistik in den zweisprachigen Wörterbüchern" 4 vorrangig Fragen der stilistischen Charakterisierung von Phraseologismen im Bulgarischen und Russischen und den damit verbundenen Unterschieden in diesen Sprachen. Sie ging auf die bedeutenden Schwankungen, die hinsichtlich der stilistischen Markierung bereits in den einzelnen Sprachen zu beobachten sind, ein, z. B. auf die Problematik der Zuordnung bestimmter Phraseme zur neutralen bzw. umgangssprachlichen oder zur umgangssprachlichen bzw. lässig umgangssprachlichen Stilschicht im Russischen. Ferner verwies sie auf Fälle recht unterschiedlicher Stilzuweisungen in den Beispielen: russ. CJiOJKHTb r o j i o ß y ( r o J i O B t i ) : umgspr. (nach Molotkov), gehoben (nach 2ukov, Ozegov); conb 3eMJiH: umgspr. (nach Molotkov) und buchspr. (nach 2ukov, Oiegov). Noch größere Probleme tauchen nach Meinung von L. in stilistischer Hinsicht in zweisprachigen phraseologischen Wörterbüchern auf. Am Beispiel des Russisch-bulgarischen phraseologischen Wörterbuches unter Red. von S. Vlachov 5 demonstrierte sie eine Reihe von stilistischen Nichtübereinstimmungen bei den bulgarischen Äquivalenten für russische Phraseme. Gleichzeitig machte sie auf die großen Schwierigkeiten aufmerksam, die die Forderung nach stilistischer Äquivalenz in der zweisprachigen Phraseographie beinhaltet. J . M a t e s i c (BRD) sprach „Zur Bildhaftigkeit des Phrasems" 6 und äußerte sich in diesem Zusammenhang ebenfalls zu dem komplizierten Problem der stilistischen Wertigkeit der Phraseme. Er ging davon aus, daß Phraseme im Vergleich zu den Einwortlexemen im allgemeinen einen höheren Grad an Expressivität aufweisen, wobei nach seiner Meinung Expressivität und Bildhaftigkeit zwar eng zusammenhängen, aber nicht identische Begriffe sind. Im weiteren unterschied er zwischen einer primären (inneren) Bildhaftigkeit (hier geht es um die Bildvorstellung, die dem jeweiligen Phrasem zu Grunde liegt und auf die die Bedeutung des Phrasems rekurriert werden kann) und einer sekundären Bildhaftigkeit, die den stilistischen Wert des Phrasems ausmacht. Anhand des skr. Phrasems na vrbi svirala (von etw. das noch unsicher ist, in den Sternen geschrieben steht) demonstrierte er, wie das der Wendung zu Grunde liegende Bild („Flöten auf dem Weidenbaum") zu der Assoziation über etwas Unmögliches, Unausführbares — und wir fügen hinzu auch Unsicheres — führte in Konfrontation zu der Tatsache, daß in früheren Zeiten tatsächlich Flöten aus Weidenzweigen gemacht wurden, aber das natürlich nicht auf der Weide selbst geschah. In seinen weiteren Darlegungen gelangte M. zu der sehr weitreichenden Schlußfolgerung, daß es nicht angeht, Phraseme einer Sprache bestimmten Stilschichten zuordnen zu wollen, z. B. der Umgangssprache oder einer salopp-umgangssprachlichen Stilschicht. Seiner Meinung nach kann lediglich die Verwendung des Phrasems in einem bestimmten Kommunikationskontext stilistisch gewertet werden, nicht aber das Phrasem an sich. „Daher ist bei phraseologischen Einheiten nicht die Registrierung der stilistischen Markierung in einem Wörterbuch ausschlaggebend, sondern die Übereinstimmung oder Nicht-Übereinstimmung des realisierten Stilwertes mit der Stilerwar. tung." 7 Dieses Herangehen entspricht einer in jüngster Zeit immer deutlicher werdenden Auf. * M

in: C j i a B H H C K a $HJioJiorHH komhtct H a a i a B H C T H T e ) , tom 19, E 3 H K 0 3 H a HHe, Co(j)HH 1988, S. 216—226 (besonders 222—226). — Kurzfassung in bulgarischer Sprache, U e o H H f l O B a , ripoßjieMti

cthjihcthkh b

HBynabmHbix cjioBapnx,

( E t j i r a p c K a AnafleMiiH Ha HayKHTe. B t J i r a p c K H

i n : Pe3K>MeTa, S . 5 2 0 . 5

6

7

K . A H f l p e f i i H H a , C. B j i a x o B , C t . ^ H M H T p o B a ,

K j i . 3 a n p H H 0 B a , P y c K 0 - 6 i > j i r a p c K H pa-

pchhhk. Hoa p e s - H a C . B n a x o B , Cohh—Mocma 1 9 8 0 . K. M a t e s i c , Zur Bildhaftigkeit des Phrasems, in: Slavistische Studien zum X. Internationalen Slavistenkongress in Sofia 1988. Herausgegeben von R. O l e s c h und H. R o t h e , Köln—Wien 1988. S. 113 — 119. — Deutsche Kurzfassung in: Pe3K>MeTa, S. 557. vgl. die erste in Anm. 6 zitierte Arbeit, S. 119. aeoJiormieH

R. ECKERT, Die Phraseologie auf dem X. Slawistenkongreß

441

fassung, die die Stilistik im Kontext funktional-kommunikativer Aufgabenstellung und -bewältigung sieht, und ist in diesem Sinne nicht phraseologiespezifisch. D. V e l i ö k o v i c ( S F R J ) war mit einem Beitrag zum Thema „Fragen der Übersetzung russischer und serbokroatischer Sprichwörter, die onomastische Lexik enthalten" 8 vertreten. E s wurden theoretische Fragen der Übertragung von Sprichwörtern (Parömien) als linguistischer und literarischer Erscheinungen in beiden verwandten slawischen Sprachen beleuchtet und Möglichkeiten ihrer Übersetzung in beiden Richtungen erörtert. Die Sprichwörter, die onomastische Komponenten enthalten, weisen in der Regel Nulläquivalenz auf. An H a n d einer Reihe von Beispielen demonstrierte V. Möglichkeiten der Übertragung dieser besonderen Gruppe von Sprichwörtern entgegen der allgemein angenommenen Hypothese ihrer Unübersetzbarkeit. E. E h e g ö t z (DDR) war im Programm unter den Skripta (iiHCMeHH CT>o6meHHH) mit einem Beitrag „ 0 rozwoju polskej frazeologii idiomatycznej w drugiej polowie X I X wieku"' ausgewiesen, den sie dann auch als Vortrag halten konnte. Auf der Grundlage des Vergleiches einer Anzahl repräsentativer Wörterbücher seit der Mitte des vergangenen J h . bis in unsere Gegenwart ermittelte E., daß an der Schwelle des 20. J h . eine bedeutende Zahl von idiomatischen Wendungen des Polnischen im Veralten begriffen ist bzw. bald darauf schwindet. Gründe dafür erblickt sie in der Verstärkung der Idiomatizität und im Verlust der Motiviertheit bei einer Reihe von Phrasemen bzw. in der Veraltung von Wörtern, die dann auch Auswirkung auf die Archaisierung von Phrasemen hat. Zu den beständigsten Typen von Phrasemen gehören nach Meinung von E . die somatischen, deren Motivation ja immer wieder nachvollziehbar ist. Einen hohen Anteil unter den archaischen Phrasemen bestreiten die sogen. Minimalphraseme, deren Bedeutung ziemlich amorph und undurchsichtig ist. Mit der fortschreitenden Normierung der Schriftsprache setzt sich schließlich häufig eine der Phrasemvarianten durch. Veränderungen lassen sich auch auf anderen Gebieten, z. B. hinsichtlich der Verbindbarkeit der Phraseme, feststellen. Als zur phraseologischen Problematik gehörig sind im Programm unter den Skripta noch die Beiträge von Dr. M r s e v i c ( S F R J ) „Beitrag zur Rekonstruktion der mythologischen Grundlage einer Schicht von adjektivischen komparativischen Phraseologismen (im Serbokroatischen u n d in der benachbarten slowenischen Sprache)" 10 und von S. L u b e n s k y (USA) „Über Kriterien der Idiomatizität" 1 1 fixiert, diese Beiträge sind jedoch, soweit wir informiert sind, nicht vorgetragen worden. Sie fanden auch keine Aufnahme in dem Resümee-Band. Schließlich kann noch darauf hingewiesen werden, daß in den Publikationen der Nationalkomitees der Slawisten in den einzelnen Ländern eine Reihe von Beiträgen zur slawischen Phraseologie zur Veröffentlichung gelangte. 12 Während des Kongresses fand am 21. 9. 1988 die Sitzung der Kommission für slawische Phraseologie beim Internationalen Slawistenkomitee unter der Leitung ihres Vorsitzenden J . M a t e ä i ö statt, an der die Mitglieder der Kommission A. St. A k s a m i t o v (UdSSR), M. B a s a j , R . E c k e r t und M. L e o n i d o v a und als Gäste Kr. Col a k o v a , V. K j u v l i e v a - M i S a j k o v a , K . N i ö e v a , S. S p a s o v a - M i c h a j l o v a , S. V l a c h o v (alle VR Bulgarien), L. J a . K o s t j u ß u k , V. N. T e l i j a (beide UdSSR) und E . E h e g ö t z teilnahmen. 8

vgl. die Kurzfassung „ P i t a n j a prevodjenja ruskih i srpskohrvatskih paremija koje sadrie onomastiöku leksiku", in: Pe3K>MeTa, S. 570. • vgl. E. E h e g ö t z , Zur Entwicklung der polnischen idiomatischen Phraseologie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: ZfSl 32 (1987), S. 8 2 4 - 8 3 0 . 10 vgl. X. MemayHapoßeH KOHrpec Ha CJiaBHCTHTe COIJIHH 14—22 ceirreMBpn 1988r. IIporpaMa (BtJirapcKa AKajieMHH Ha HayKHTe. EtJirapcKH HaijiioHaJieH KOMHTÖT Ha CJiaBHCTHTe), COIJIHH 1988, S. 74: MpuieBHh flp. (Yh) — n p m i o r ycnocTaBJbaay MHTCKe 0CH0Be y je^HOM CJiojy npHji;eBCKHX nopeflöeHHX pa3eojiorH3aMa (y cpncKOxpBaTCKOM H cycejjHHM cnoBeHCKHM jeaiiijHMa). 11 Ibidem, S. 75: L u b e n s k y S. (USA) — On Criteria of Idiomaticity. 12 Wir möchten in diesem Zusammenhang auf folgende Beiträge im polnischen Sammelband zum 10. Internationalen Slawistenkongreß (s. Anm. 2) aufmerksam machen: 1) A. B e d n a r e k , Reprezentacja semantyczna wyraznia jednym slowem, op. cit., S. 57 — 66; 2) H. flamHHCKa, PyccKO-iTOJibCKHe jicmome (^pasecuiornHecKHe 3KBiiBaJieHTbi, op. cit., S. 95—104; 3) A. P a j d z i n s k a , Przydatnosc koncepcji pola znaczeniowego w badaniach frazeologicznych, op. cit., S. 303—312; 4) B. R e j a k o w a , Negacja a zwi^zki frazeologiczne (na materiale j^zyka slowackiego i polskiego) und 5) CT. CTaiueBCKH, pa3eoJiorimecKne eftHHimu, 0ßpa30BaHHue Ha 6nßjieöCKOM MaTepnane, op. cit., S. 419—427. 8*

442

Z. Slaw. 34 (1989) 3

In Auswertung des 10. Internationalen Slawistenkongresses wurde beschlossen, daß in Vorbereitung des 11. Internationalen Slawistenkongresses spätestens 1990 von der Kommission Aufforderungen an die Phraseologen zur Vorbereitung der Thesen ergehen sollen und der Kommissionsvorsitzende die Einrichtung einer phraseologischen Subsektion beim I S K beantragen wird. Es wurde darüber beraten, daß die nächsten Symposien und Sitzungen der Internationalen Kommission für slawische Phraseologie voraussichtlich 1989 in Zagreb ( S F R J ) zum Thema „Probleme der Synonymie und Varianz in der Phraseologie slawischer Sprachen" und 1990 in Berlin (DDR) zum Thema „Satzgliedwertige und satzwertige Phraseologismen in den slawischen Sprachen" stattfinden werden. Gleichzeitig wurde eine Erörterung der Probleme der phraseologischen Terminologie und der Bestätigung neuer Kommissionsmitglieder auf den nächsten Sitzungen vorgesehen. Es fand ein Meinungsaustausch über die Gründung einer Zeitschrift mit dem Titel „Slawische und allgemeine Phraseologie" statt. M. B a s a j teilte mit, daß er die Herausgabe der Materialien des Internationalen Symposiums „HH cnaBHHCKHX (JiaMHJiHii", deren Herausbildung — es handelt sich dabei zunächst um Zunamen — im Zusammenhang mit der zusätzlichen Identifizierung von Personen im 15. —18. J h . erfolgte. Die neuen „Identifikatoren" sind durch unterschiedliche Merkmale motiviert, wobei jedes über bestimmte Wortbildungsmittel verfügt, z. B. durch Geburts- und Wohnort mit Hilfe der Suffixe -ski(j)l-cki(j), -cik, -anin u. a. Die erblichen Familiennamen bildeten sich in den slawischen Sprachen auf der Grundlage der entstandenen Zunamen im wesentlichen im 18. —19. Jh. heraus. In der Gegenwart unterscheidet man folgende Typen: 1. Suffixlose, 2. Familiennamen mit patronymischen Suffixen und 3. Familiennamen mit Ortssuffixen, wobei sich bestimmte Areale feststellen lassen: gesamtslawische Areale (z. B. -ski(j)/-cki(j)), Areale, an denen nur zwei Sprachen beteiligt sind (z. B. -ukj-juk im Belorussischen und Ukrainischen) und Areale, an denen mehrere Sprachen teilhaben (-ii, -ovi£/-eviS im Russischen, Belorussischen, Ukrainischen, Polnischen und Serbokroatischen, Suffix -ov/-ev im Russischen, Ukrainischen, Belorussischen und Bulgarischen). Anthroponyme waren auch Gegenstand der Vorträge von 0 . J a s a r - N a s t e v a (SFRJ) über die „Integration von türkischen Elementen im makedonischen patronymischen System" und von T. S t a m a t o s k i (SFRJ) über „Neue Tendenzen bei Vornamen einiger südslawischer Völker".

P . KIRCHNER

U. a., Die Literaturwissenschaft auf dem X . Slawistenkongreß

447

In den letzten Jahrzehnten kommen unter dem Einfluß moderner Kommunikationsmittel in zunehmendem Maße „moderne", aus anderen europäischen Sprachen übernommene Namen auf (z. B. ¿an, Majkl, Briiita), die unter allen sozialen Schichten verbreitet sind. Dabei lassen sich folgende charakteristische Tendenzen beobachten: Indeklinabilität, wesentliche Einschränkung von Ableitungen und damit verbunden Schwund vieler hypokoristischer Suffixe bei gleichzeitigem Entstehen neuer Suffixe — hier insbesondere -i, vgl. Viki, Goki, Mimi —, Einschränkung der Bildung possessiver Adjektive sowie Nichtunterscheidung des Geschlechts. Diese Tendenzen veranlaßten St. zu der Frage, ob angesichts dieser Tatsachen — Nichtbeachten der ästhetischen Seite der Namen, Verletzung der Besonderheiten des Benennungssystems wie auch der morphologischen und akzentologischen Normen der Literatursprache — das praktizierte hohe Maß von Toleranz bei der Wahl von Vornamen gerechtfertigt ist. M. G r k o v i c (SPRJ) hielt einen Vortrag über „Charakteristika von Anthroponymen der Südslawen im Mittelalter", in dem sie Ergebnisse von jahrelangen Untersuchungen von Personennamen bei den Südslawen seit deren Besiedlung der Balkanhalbinsel vortrug 3 . Die ältesten, in Griechisch und Latein geschriebenen Quellen zeigen, daß die Slawen nach ihrer Besiedlung des Balkans den aus urslawischer Zeit ererbten Namenschatz bewahrt hatten. J e nach Zeit und Ort dringen dann Fremdnamen ein, die ebenso wie die autochthon slawischen beleuchtet wurden. 3

vgl. auch M. G r k o v i c , Refinik imena Banjskog, Deöanskog i Prizrenskog vlastelnistva u XIV veku, Beograd 1986.

P. K i r c h n e r — E. K o w a l s k i — B. Mai

Fragen der Literaturwissenschalt auf dem X. Internationalen Slawistenkongreß Wiewohl Fragen der Literaturwissenschaft auf dem X. Internationalen Slawistenkongreß praktisch im Rahmen dreier Sektionen (Literaturwissenschaft, Literaturwissenschaftlich-linguistische Probleme, Folkloristik) behandelt wurden, konzentrieren wir unsere Aufmerksamkeit ausschließlich auf einige in Untersektionen der Sektion 2 („Literaturwissenschaft") erörterte Probleme, die uns bemerkenswert erscheinen. Eine dieser Untersektionen, welche die slawischen Literaturen im Kontext der weltliterarischen Entwicklung im 19. und 20. Jh., ihre Richtungen und Genres, zum Gegenstand hatte, wurde erstmals erfreulicherweise durch drei Foren eröffnet, die anstehenden Jubiläen bedeutender slawischer Dichter bzw. Kulturschaffender gewidmet waren: dem 140. Geburtstag Christo Botevs, dem 500. Geburtstag Francisk Skarynas und dem 175. Geburtstag Taras Sevöenkos. Verständlicherweise wurde das erste der genannten Foren fast ausnahmslos von bulgarischen Kollegen selbst bestritten. Während M. C a n e v a in ihrem Beitrag „Christo Botev im Schaffen Ivan Vazovs" nachwies, daß Vazov sein Leben lang nicht das Interesse an der Gestalt Botevs verloren habe, was in den mannigfaltigsten Genres seines literarischen Schaffens und seiner Publizistik vom Vorabend der Befreiung bis zum Ende des vergangenen J h . zum Ausdruck gekommen sei, spürten P. T r o e v dem Verhältnis Botevs zur russischen Literatur im allgemeinen und St. T a r i n s k a dessen Beziehung zur russischen revolutionären Lyrik der 60er und 70er Jahre des 19. J h . im besonderen nach. Auf neue Aspekte machten A. K ' o s e v („Die Metaphorik der Lyrik Christo Botevs") sowie Cv. U n d i i e v a / K l . P r o t o c h r i s t o v a („Probleme der Poetik des Schaffens von Botev") aufmerksam, zu denen in der Diskussion M. G u r g u l o v a , V. N. K l i m ö u k ( U d S S R ) u. a. wertvolle Ergänzungen (z. B. in der Konfrontation mit der Poetik Lermontovs, in der Zusammenschau Botevs als Lyriker und Publizist) lieferten. Interesse fanden auch N. K o s u t i c B r o z o v i c ' (SFRJ) Ausführungen über „Christo Botev in Kroatien. Probleme der Rezeption und der Übersetzung". Richtete auf dem zweiten Forum A. I. M a l ' d z i s (UdSSR) zunächst die Aufmerksamkeit auf Skarynas Rolle für die Herausbildung eines kulturellen Selbstbewußtseins des belorussischen Volkes und informierten A. 1 . 2 u r a u s k i / U . V. A n i ö e n k a (UdSSR) über einen geplanten Reprintdruck der Skaryna-Bibel in Minsk (wobei andere seiner Werke folgen sollen), so galt das lebhafte Interesse vor allem zwei Vorträgen, die jeweils am konkreten Material Gemeinsames und

P . KIRCHNER

U. a., Die Literaturwissenschaft auf dem X . Slawistenkongreß

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In den letzten Jahrzehnten kommen unter dem Einfluß moderner Kommunikationsmittel in zunehmendem Maße „moderne", aus anderen europäischen Sprachen übernommene Namen auf (z. B. ¿an, Majkl, Briiita), die unter allen sozialen Schichten verbreitet sind. Dabei lassen sich folgende charakteristische Tendenzen beobachten: Indeklinabilität, wesentliche Einschränkung von Ableitungen und damit verbunden Schwund vieler hypokoristischer Suffixe bei gleichzeitigem Entstehen neuer Suffixe — hier insbesondere -i, vgl. Viki, Goki, Mimi —, Einschränkung der Bildung possessiver Adjektive sowie Nichtunterscheidung des Geschlechts. Diese Tendenzen veranlaßten St. zu der Frage, ob angesichts dieser Tatsachen — Nichtbeachten der ästhetischen Seite der Namen, Verletzung der Besonderheiten des Benennungssystems wie auch der morphologischen und akzentologischen Normen der Literatursprache — das praktizierte hohe Maß von Toleranz bei der Wahl von Vornamen gerechtfertigt ist. M. G r k o v i c (SPRJ) hielt einen Vortrag über „Charakteristika von Anthroponymen der Südslawen im Mittelalter", in dem sie Ergebnisse von jahrelangen Untersuchungen von Personennamen bei den Südslawen seit deren Besiedlung der Balkanhalbinsel vortrug 3 . Die ältesten, in Griechisch und Latein geschriebenen Quellen zeigen, daß die Slawen nach ihrer Besiedlung des Balkans den aus urslawischer Zeit ererbten Namenschatz bewahrt hatten. J e nach Zeit und Ort dringen dann Fremdnamen ein, die ebenso wie die autochthon slawischen beleuchtet wurden. 3

vgl. auch M. G r k o v i c , Refinik imena Banjskog, Deöanskog i Prizrenskog vlastelnistva u XIV veku, Beograd 1986.

P. K i r c h n e r — E. K o w a l s k i — B. Mai

Fragen der Literaturwissenschalt auf dem X. Internationalen Slawistenkongreß Wiewohl Fragen der Literaturwissenschaft auf dem X. Internationalen Slawistenkongreß praktisch im Rahmen dreier Sektionen (Literaturwissenschaft, Literaturwissenschaftlich-linguistische Probleme, Folkloristik) behandelt wurden, konzentrieren wir unsere Aufmerksamkeit ausschließlich auf einige in Untersektionen der Sektion 2 („Literaturwissenschaft") erörterte Probleme, die uns bemerkenswert erscheinen. Eine dieser Untersektionen, welche die slawischen Literaturen im Kontext der weltliterarischen Entwicklung im 19. und 20. Jh., ihre Richtungen und Genres, zum Gegenstand hatte, wurde erstmals erfreulicherweise durch drei Foren eröffnet, die anstehenden Jubiläen bedeutender slawischer Dichter bzw. Kulturschaffender gewidmet waren: dem 140. Geburtstag Christo Botevs, dem 500. Geburtstag Francisk Skarynas und dem 175. Geburtstag Taras Sevöenkos. Verständlicherweise wurde das erste der genannten Foren fast ausnahmslos von bulgarischen Kollegen selbst bestritten. Während M. C a n e v a in ihrem Beitrag „Christo Botev im Schaffen Ivan Vazovs" nachwies, daß Vazov sein Leben lang nicht das Interesse an der Gestalt Botevs verloren habe, was in den mannigfaltigsten Genres seines literarischen Schaffens und seiner Publizistik vom Vorabend der Befreiung bis zum Ende des vergangenen J h . zum Ausdruck gekommen sei, spürten P. T r o e v dem Verhältnis Botevs zur russischen Literatur im allgemeinen und St. T a r i n s k a dessen Beziehung zur russischen revolutionären Lyrik der 60er und 70er Jahre des 19. J h . im besonderen nach. Auf neue Aspekte machten A. K ' o s e v („Die Metaphorik der Lyrik Christo Botevs") sowie Cv. U n d i i e v a / K l . P r o t o c h r i s t o v a („Probleme der Poetik des Schaffens von Botev") aufmerksam, zu denen in der Diskussion M. G u r g u l o v a , V. N. K l i m ö u k ( U d S S R ) u. a. wertvolle Ergänzungen (z. B. in der Konfrontation mit der Poetik Lermontovs, in der Zusammenschau Botevs als Lyriker und Publizist) lieferten. Interesse fanden auch N. K o s u t i c B r o z o v i c ' (SFRJ) Ausführungen über „Christo Botev in Kroatien. Probleme der Rezeption und der Übersetzung". Richtete auf dem zweiten Forum A. I. M a l ' d z i s (UdSSR) zunächst die Aufmerksamkeit auf Skarynas Rolle für die Herausbildung eines kulturellen Selbstbewußtseins des belorussischen Volkes und informierten A. 1 . 2 u r a u s k i / U . V. A n i ö e n k a (UdSSR) über einen geplanten Reprintdruck der Skaryna-Bibel in Minsk (wobei andere seiner Werke folgen sollen), so galt das lebhafte Interesse vor allem zwei Vorträgen, die jeweils am konkreten Material Gemeinsames und

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Spezifisches genau analysierten. Da war einmal M. A l t b a u e r (Israel), der — selbst „Polonus, gente Belorossiae" — in seinem Beitrag „Orientalismen in Skarynas Bibelübersetzungen", gestützt auf eigene Bibelfunde in Leningrad und in Kopenhagen, anschaulich und überzeugend zwei Traditionen dieser Übersetzungen — eine kirchenslawische und eine westslawische — herausarbeitete, die jener „große Individualist mit seinen großen Sympathien für die Orthodoxie" erkennen lasse. A. B. M c M i l l i n (Großbritannien) machte in seinem Beitrag „Die Metaphorik in den Nach- und Vorworten F. Skarynas" u. a. auf ein Desiderat, nämlich auf den Einfluß der Bibelübersetzungen Skarynas auf die belorussische Literatur, aufmerksam. Was schließlich das dritte Forum dieser Art betrifft, so wurde dieses durch drei Vorträge ausgefüllt, an die sich eine rege Diskussion anschloß. Am konkreten Material der Lyrik Sevßenkos analysierten zunächst V. S. B o r o d i n , V. K. 2 y t n y k und M. M. P a v l j u k (UdSSR) Besonderheiten der Genesis poetischer Texte Sevöenkos, wie sie sich in der z. Z. vom T. H. SevfienkoInstitut für Literatur der AdW der Ukrainischen SSR besorgten Gesamtausgabe der literarischen und bildkünstlerischen Werke Sevöenkos in 12 Bänden niederschlagen. Die sodann demonstrierte Konzentration auf den verstärkten Autobiographismus als ein Charakteristikum romantischen Selbstbewußtseins — und diese wiederum unter vergleichendem Aspekt — war wohl gewiß nicht zufällig: Während G. G. G r a b o w i c z (USA) „Zur Frage der romantischen Autobiographie: die Projektion des Autoren-,Ich' in Mickiewicz' und Sevßenkos Lyrik" referierte, ging P. K i r c h n e r (DDR) erstmals dem Thema „T. H. Sevßenkos , } K y p H a J i ' und die Tradition des Journal intime" nach. Die Produktivität des methodischen Neuansatzes in beiden Vorträgen wurde in der Diskussion nicht bestritten. Anlaß zur Fortsetzung dieses Dialogs bot gleichsam der Beitrag „Die ukrainische Literatur im gesamtslawischen und weltliterarischen Kontext: Periodisierung, Bezugssystem, Typologie" von H. D. V e r v e s (UdSSR), der — basierend auf nunmehr drei Bänden der auf insgesamt fünf Bände kalkulierten gleichlautenden Edition — den Versuch erläuterte, die Dynamik des Eintritts einer Nationalliteratur in regionale künstlerische Systeme" und in das der Weltliteratur aufzuhellen sowie neben literarhistorischen Problemen dabei zugleich auch theoretische Fragen moderner Komparatistik zu lösen. Bei allem Respekt, der diesem mutigen Unterfangen (dem sich allerdings auch schon andere sowjetische Literaturwissenschaftler wie z. B. V. Kubilius mit seiner bemerkenswerten Arbeit „Lietuviij literatüra ir pasaulines literatüros procesas", Vilnius 1983, gestellt haben) von D. D'urisin, S. V. Nikol'skij u. a. mit Recht gezollt wurde, gab dennoch St. K o z a k (VR Polen) zu bedenken, ob Kriterien nach literarischen Richtungen (Barock, Positivismus u. ä.) nicht praktikabler gewesen wären, warf G. G. Grabowicz die Frage auf, ob „das bloße Konstatieren zweier unabhängig voneinander existierender ukrainischer Literaturen, zweier unabhängiger literarischer Prozesse, zweier unterschiedlicher Interpretationen (z. B. Sevöenkos) tatsächlich auf ewig fortbestehen" solle und kritisierte unter diesem Aspekt Auswahlkriterien, methodische Verfahren und konkrete Defizite, wie sie seiner Ansicht nach besonders im 2. Kap. („Ukraine und USA: Literarische Kontakte") des 2. Teils des 3. Bandes zutage treten. Wie instruktiv sich ein auf größere Konkretheit des Materials orientierter Beitrag ausnimmt, bewiesen ansatzweise dagegen wiederum V. A. Z a c h a r i e v s ' k a s , V. N. K l i m ö u k s und V. A. M o s k a l e n k o s (UdSSR) Ausführungen über „Ukrainisch-bulgarische literarische Wechselbeziehungen am Ende des 19. und im 20. Jh.", in denen solchen Kontakt- und typologischen Beziehungen wie dem ukrainischen Interesse an der bulgarischen kulturhistorischen Schule (I. Franko/I. Siämanov), im Rahmen einzelner Strömungen der Moderne sowie unter revolutionären Autoren (z. B. P. Työyna/L. Stojanov) nachgegangen wird. Konstatierte M. G u r ö i n o v (SFRJ) — „dogmatischem ästhetischem Denken" ein „pluralistisches gesellschaftliches Denken" in Jugoslawien betont gegenüberstellend — in seinem Beitrag „Mazedonische Gegenwartsliteratur im Kontext weltliterarischer Entwicklung" einen mazedonischen Surrealismus, der — bislang ungewohnt — in der mazedonischen Gegenwartslyrik dominiere und in Th. S. Eliot, W. S. Yeats und E. L. Pound seine Vorbilder sehe, so bot J . M a r u s k o v a D e m a r t i s (Italien) in ihrem Vortrag „Zu einigen Genreformen der russischen Prosa der 20er Jahre" eine subtile Analyse der autobiographischen Prosa von Majakovskij über Mandel'ätam, Pasternak, Gor'kij bis zu Sklovskij. Paradoxerweise wurde jedoch nicht darüber debattiert, sondern über „Grin und die angelsächsische Abenteuerliteratur (Cooper, Stevenson, Conrad, Poe)" der Dostoevskij-Forscherin S. O l l i v i e r (Frankreich), der zumindest von A. K o v a c s (SR Rumänien) in puncto „Konkretisierung der Welt des Phantastischen" Perspektivreichtum bescheinigt wurde. Produktive Denkanstöße und Debatten provozierte schließlich eine Reihe von Beiträgen, welche das „unabgeschlossene Kapitel" der künstlerischen Avantgarde, das Verhältnis von Avantgarde

P . K i r c h n e b u. a., Die Literaturwissenschaft auf d e m X . Slawistenkongreß

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u n d Moderne zum Gegenstand h a t t e . Wies gleich zu Beginn T. D ^ b e k - W i r g o w a (VR Polen) in ihrem mit viel Beifall quittierten Vortrag „ D a s bulgarische neoromantische Modell vor dem H i n t e r g r u n d der europäischen Moderne" recht überzeugend nach, d a ß u n g e a c h t e t der originellen Manifestation nahezu aller Tendenzen der europäischen Moderne in der bulgarischen Geschichte dieser Strömung die Revolte der u m „ M h c b j i " gescharten „ J u n g e n " die p r o d u k t i v s t e E p o c h e konstituiert habe, so blieb ein solcher Applaus ihrer L a n d s m ä n n i n H . J a n a s z e k - I v a n i ö k o v ä leider allein schon deshalb versagt, weil sie die Geduld ihrer Zuhörerschaft, die der „Literarischen A v a n t g a r d e in den westslawischen L ä n d e r n " d u r c h a u s aufgeschlossen gegenüberstand, zeitlich überstrapazierte — auf eine abflachende E r ö r t e r u n g ihrer P r o b l e m a t i k f ü r die Zeit nach 1945 h ä t t e sie besser verzichten sollen. A u f m e r k s a m k e i t demgegenüber f a n d e n die A u s f ü h r u n g e n über den „ N o r d e n als Chronotopos avantgardistischer russischer P r o s a " von J . J . v a n B a a k (Niederlande). Festgemacht vor allem a n der Prosa Zamjatins, m u ß t e diese Betrachtungsweise allein schon von ihrem Ansatz her (Zuordnung Z a m j a t i n s zur A v a n t g a r d e ü b e r h a u p t u. a. m.) Widerspruch hervorrufen, den B. jedoch entschieden zurückwies. Einen abschließenden H ö h e p u n k t erreichte diese D e b a t t e allerdings vor allem d a n k der Beiträge zweier Autoren, die sowohl v o m konkreten Material als auch vom theoretischen N e u a n s a t z her genügend Stoff zur Diskussion boten. Den A u f t a k t gaben J . M a g n u s z e w s k i s (VR Polen) Reflexionen „Von der R o m a n t i k über den P a r n a ß z u m Symbolismus. Transformationen der polnischen u n d der tschechischen Lyrik im letzten Drittel des 19. J h . " , ergänzt durch den anregenden Beitrag „ Z u r N a t u r der dramatischen Genres im W e r k der russischen Symbolisten" von M. C y m b o r s k a - L e b o d a (VR Polen). L e b h a f t e Zustimmung f a n d e n schließlich L. S z i l ä r d s (VR U n g a r n ) Bemerkungen über „Genreprobleme symbolistischer Prosa ( R o m a n u n d M e t a m a t h e m a t i k ) " , in denen u. W. zum erstenmal sachkundig dem K o n z e p t symbolistischer Geometrie in A. Belyjs „Chmbojihbm" (1910) als A n t w o r t auf N . Bugaevs Arythmologie u n d P . Florenskijs „ i m a g i n ä r e Geometrie als Bindeglied zwischen Topologie u n d K u n s t " , der Reflexion der neuen R a u m k o n z e p t e u n d Bedeutungsembleme in der S t r u k t u r von Sologubs u n d Belyjs R o m a n e n sowie der P r o j e k t i o n von Elementen von Florenskijs u n d Belyjs Vorstellungen von der R a u m s t r u k t u r in der russischen L i t e r a t u r der 20er u n d 30er J a h r e nachgespürt wird. E i n treffendes Beispiel f ü r genaue Analyse lieferte auch Gy. Cs. K i s s (VR Ungarn), der in seinem Beitrag „ D e r ,Generationenroman' in den slawischen u n d nichtslawischen L i t e r a t u r e n v o n Ostm i t t e l e u r o p a " zeigte, wie die u n t e r dem Einfluß westeuropäischer Vorbilder e n t s t a n d e n e n „Gener a t i o n e n r o m a n e " traditionelle nationale Bedingungen widerspiegeln. Kiss stellte die These auf, der ostmitteleuropäische „ G e n e r a t i o n e n r o m a n " unterscheide sich von seinen Vorläufern vor allem durch drei Besonderheiten des Chronotopos: 1. im Wechsel der N a t i o n a l i t ä t d u r c h einen Helden, 2. im Verhältnis v o n S t a d t u n d L a n d u n d 3. in der Realismustradition, die naturalistische u n d didaktische Züge trage. Ein ähnliches Herangehen — die Analyse der u n t e r konkreten historischen u n d nationalen Bedingungen erfolgten Transformationen u n d Neubewertungen von gesamteuropäischem E r b e — zeichnete auch eine Reihe von Beiträgen aus der D D R (G. D u d e k , L. R i c h t e r , I. S e e h a s e , B. M a i u. a.) aus. Der Vortrag von A. K n i g g e (BRD), der — a n k n ü p f e n d an den erreichten F o r s c h u n g s s t a n d — ein K o n z e p t zur U n t e r s u c h u n g von Gor'kijs „ / K i m h l KnHMa CaMrHHa" im K o n t e x t des zeitgenössischen europäischen Romans, besonders von M. P r o u s t s „Ä la recherche d u t e m p s p e r d u " , T h . Manns „ D e r Z a u b e r b e r g " u n d R . Musils „ D e r Mann ohne Eigens c h a f i e n " , entwickelte, gehört ebenso in diesen Z u s a m m e n h a n g , wie auch die Beiträge von C. W r i g h t ( K a n a d a ) u n d M. R é v (VR Ungarn). W r i g h t verglich den T y p des „überflüssigen Menschen" im russischen u n d sowjetischen D r a m a der 20er J a h r e m i t d e m des „ A n t i h e l d e n " im europäischen T h e a t e r jener J a h r e . R é v b e t r a c h t e t e öechovs D r a m e n im K o n t e x t der europäischen Entwicklung. Auf den N u t z e n vergleichender Untersuchungen von L i t e r a t u r , welche die komplizierten Wechselwirkungen zwischen den europäischen Literaturen erhellen, wurde in den Diskussionen vielfach hingewiesen. Beachtliches Interesse f a n d e n Beiträge zur sowjetischen Gegenwartsliteratur (C. A j t m a t o v , V. R a s p u t i n u. a.) sowie solche zu satirischen u n d utopischen Werken in den slawischen Literaturen. G e n a n n t seien hier die Beiträge von J . - U . P e t e r s ( B R D ) zu Z a m j a t i n s „ M h " , von J . K l e i n über K . Capeks „ K r i e g m i t den Molchen" u n d von K . K a s p e r (DDR) zum russischsowjetischen R o m a n der 20er J a h r e u n t e r dem spezifischen Aspekt der Ironie, der eine l e b h a f t e Diskussion auslöste. Neueste literarische Ereignisse in der Sowjetunion wie auch die Publikation zahlreicher Werke aus vergangenen J a h r z e h n t e n w u r d e n in den Vorträgen u n d Diskussionen k a u m b e r ü h r t . D e r bevorstehende X I . Internationale Slawistenkongreß in Bratislava (1993) wird sicher bereits R e s u l t a t e

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der jetzt notwendigen Analyse und Bewertung vorstellen, um so auch zur Erarbeitung einer vollständigen Geschichte der sowjetischen Literatur des 20. J . beizutragen, die von sowjetischen Forschern in Angriff genommen wird. U n d eine weitere Erfahrung, die wir gewonnen haben: Dem Problemkreis „ H u m a n i s m u s in den slawischen Literaturen" sollten die Teilnehmer aus den sozialistischen Ländern künftig noch größere Aufmerksamkeit widmen. Eine stärkere Beteiligung an dieser Untersektion h ä t t e die Diskussion zu diesem gerade in unserer Zeit wichtigen Thema befruchten können. Auf diesem Slawistenkongreß nahm im R a h m e n der 2. Sektion erstmalig auch eine Untersektion „Literaturtheorie" (in den slawischen Ländern) u n t e r der Leitung der Professoren B. NiCev, M. Klimowicz und A. N a t e v ihre Arbeit auf. Die Skala allein der gehaltenen Vorträge war breit gefächert. Sie u m f a ß t e folgende Themen u n d Referenten: „Methodologische Probleme des vergleichenden Studiums slawischer Literaturen" von B. N i ö e v (VR Bulgarien), „Kriterien des Realismus u n d Erfahrungen der Literaturentwicklung in slawischen L ä n d e r n " von L. N. B u d a g o v a (UdSSR), „Entwicklungstendenzen der sowjetischen Literaturtheorie und des ästhetischen Denkens in den 20er u n d 30er J a h r e n " von E . K o w a l s k i (DDR), „Neue Richtungen in der (russischen und polnischen) Literaturtheorie" von E. C z a p l e j e w i c z (VR Polen), „Zur T a t sachenliteratur heute. Gattungs- und Rezeptionsfragen" von J . R o h o z i n s k i (VR Polen), „ E . M. de Vogue. Der russische R o m a n und die russische Tradition der Literaturkritik" von L. C. O ' B e l l (USA), „Russische Deklamationsprobleme in soziolinguistischer Sicht" von P. B r a n g (Schweiz), „Polnische und französische Aufklärung. Einige vergleichende Aspekte" von M. K l i m o w i c z (VR Polen), „Der ästhetische Gegenstand in Husserls Phänomenologie und in Mukarovskys Strukturalismus" von J . F i z e r (USA) und „Disput über den R o m a n . G. Lukäcs' u n d M. Bachtins Konzepte im internationalen K o n t e x t (30er J a h r e ) " von M. W e g n e r (DDR). Bei aller Disparatheit der vorgestellten Themen schloß sich dennoch an einige Referate eine lebhafte, bisweilen auch kontroverse D e b a t t e an, an der sich u. a. so m a r k a n t e Zeitzeugen wie G. M. Friedländer (UdSSR) beteiligten. I m Mittelpunkt des Meinungsstreits standen dabei Fragen der sowjetischen Theorieentwicklung, insbesondere die romantheoretischen Auffassungen von Bachtin u n d Lukäcs. Innerhalb der sowjetischen Literatur und Literaturtheorie erwiesen sich die 20er u n d 30er J a h r e als ein Schwerpunkt der Diskussion. Eindeutig schwächer als auf vorangegangenen Kongressen war indes auch hier die Gegenwartsliteratur und deren theoretische Reflexion repräsentiert. Dennoch h a t t e die Einführung einer Untersektion „Literaturtheorie" trotz ihrer thematischen Heterogenität zweifellos einen produktiven Charakter. Durch eine straffere Profilierung könnte ihre wissenschaftliche Ausstrahlung sicher noch erhöht werden. Die Erörterung theoretischer Fragestellungen blieb freilich nicht auf diese Untersektion beschränkt.

M. K a s p e r — P . K u n z e

Die Sorabistik auf dem X. Internationalen Slawistenkongreß Schon seit langem ist die Sorabistik als immanenter Bestandteil der Slawistik auf den Slawistenkongressen vertreten. Bereits im Vorfeld des X . Kongresses h a t die sorbische Volksforschung in ihren vier Reihen der Jahresschrift „Letopis" (Reihe A: Sprachwissenschaft, Reihe B : Geschichte, Reihe C: Volkskunde, Reihe D : Kultur und Kunst) eine Vielzahl von Beiträgen vorgelegt, die einen Einblick in das breite Forschungsspektrum der am I n s t i t u t f ü r sorbische Volksforschung vertretenen sorabistischen Teildisziplinen vermitteln. Am Kongreß selbst beteiligten sich sechs Sorabisten aus der D D R , von denen fünf Referate hielten. Die Sprachwissenschaftler H . S c h u s t e r - S e w c (Leipzig) und F. M i c h a l k (wie die folgenden Bautzen) referierten über „Die späturslawischen Grundlagen des Lechischen mit besonderer Berücksichtigung des Polabischen und Pomoranischen" sowie über „ J . X . Ticin u n d die Durchsetzung seiner grammatischen N o r m " . M. V ö l k e l beschäftigte sich in seinem Beitrag mit der Übersetzung der bulgarischen Literatur ins Sorbische. I n der folkloristischen Sektion war die Sorabistik zum wiederholten Male nicht vertreten, ein U m s t a n d , der zum Nachdenken Anlaß geben sollte. Drei Vorträge waren der historischen Problematik gewidmet. M. K a s p e r sprach über den Einfluß der slawischen kulturellen Wechselseitigkeit auf die nationalen Wertvorstellungen der Lausitzer Sorben. P. K u n z e analysierte die preußische Nationalitätenpolitik in den 50er und 60er J a h r e n des 19. Jahrhunderts. L. E l l e , dessen Vortrag aus Zeitgründen nicht ge-

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der jetzt notwendigen Analyse und Bewertung vorstellen, um so auch zur Erarbeitung einer vollständigen Geschichte der sowjetischen Literatur des 20. J . beizutragen, die von sowjetischen Forschern in Angriff genommen wird. U n d eine weitere Erfahrung, die wir gewonnen haben: Dem Problemkreis „ H u m a n i s m u s in den slawischen Literaturen" sollten die Teilnehmer aus den sozialistischen Ländern künftig noch größere Aufmerksamkeit widmen. Eine stärkere Beteiligung an dieser Untersektion h ä t t e die Diskussion zu diesem gerade in unserer Zeit wichtigen Thema befruchten können. Auf diesem Slawistenkongreß nahm im R a h m e n der 2. Sektion erstmalig auch eine Untersektion „Literaturtheorie" (in den slawischen Ländern) u n t e r der Leitung der Professoren B. NiCev, M. Klimowicz und A. N a t e v ihre Arbeit auf. Die Skala allein der gehaltenen Vorträge war breit gefächert. Sie u m f a ß t e folgende Themen u n d Referenten: „Methodologische Probleme des vergleichenden Studiums slawischer Literaturen" von B. N i ö e v (VR Bulgarien), „Kriterien des Realismus u n d Erfahrungen der Literaturentwicklung in slawischen L ä n d e r n " von L. N. B u d a g o v a (UdSSR), „Entwicklungstendenzen der sowjetischen Literaturtheorie und des ästhetischen Denkens in den 20er u n d 30er J a h r e n " von E . K o w a l s k i (DDR), „Neue Richtungen in der (russischen und polnischen) Literaturtheorie" von E. C z a p l e j e w i c z (VR Polen), „Zur T a t sachenliteratur heute. Gattungs- und Rezeptionsfragen" von J . R o h o z i n s k i (VR Polen), „ E . M. de Vogue. Der russische R o m a n und die russische Tradition der Literaturkritik" von L. C. O ' B e l l (USA), „Russische Deklamationsprobleme in soziolinguistischer Sicht" von P. B r a n g (Schweiz), „Polnische und französische Aufklärung. Einige vergleichende Aspekte" von M. K l i m o w i c z (VR Polen), „Der ästhetische Gegenstand in Husserls Phänomenologie und in Mukarovskys Strukturalismus" von J . F i z e r (USA) und „Disput über den R o m a n . G. Lukäcs' u n d M. Bachtins Konzepte im internationalen K o n t e x t (30er J a h r e ) " von M. W e g n e r (DDR). Bei aller Disparatheit der vorgestellten Themen schloß sich dennoch an einige Referate eine lebhafte, bisweilen auch kontroverse D e b a t t e an, an der sich u. a. so m a r k a n t e Zeitzeugen wie G. M. Friedländer (UdSSR) beteiligten. I m Mittelpunkt des Meinungsstreits standen dabei Fragen der sowjetischen Theorieentwicklung, insbesondere die romantheoretischen Auffassungen von Bachtin u n d Lukäcs. Innerhalb der sowjetischen Literatur und Literaturtheorie erwiesen sich die 20er u n d 30er J a h r e als ein Schwerpunkt der Diskussion. Eindeutig schwächer als auf vorangegangenen Kongressen war indes auch hier die Gegenwartsliteratur und deren theoretische Reflexion repräsentiert. Dennoch h a t t e die Einführung einer Untersektion „Literaturtheorie" trotz ihrer thematischen Heterogenität zweifellos einen produktiven Charakter. Durch eine straffere Profilierung könnte ihre wissenschaftliche Ausstrahlung sicher noch erhöht werden. Die Erörterung theoretischer Fragestellungen blieb freilich nicht auf diese Untersektion beschränkt.

M. K a s p e r — P . K u n z e

Die Sorabistik auf dem X. Internationalen Slawistenkongreß Schon seit langem ist die Sorabistik als immanenter Bestandteil der Slawistik auf den Slawistenkongressen vertreten. Bereits im Vorfeld des X . Kongresses h a t die sorbische Volksforschung in ihren vier Reihen der Jahresschrift „Letopis" (Reihe A: Sprachwissenschaft, Reihe B : Geschichte, Reihe C: Volkskunde, Reihe D : Kultur und Kunst) eine Vielzahl von Beiträgen vorgelegt, die einen Einblick in das breite Forschungsspektrum der am I n s t i t u t f ü r sorbische Volksforschung vertretenen sorabistischen Teildisziplinen vermitteln. Am Kongreß selbst beteiligten sich sechs Sorabisten aus der D D R , von denen fünf Referate hielten. Die Sprachwissenschaftler H . S c h u s t e r - S e w c (Leipzig) und F. M i c h a l k (wie die folgenden Bautzen) referierten über „Die späturslawischen Grundlagen des Lechischen mit besonderer Berücksichtigung des Polabischen und Pomoranischen" sowie über „ J . X . Ticin u n d die Durchsetzung seiner grammatischen N o r m " . M. V ö l k e l beschäftigte sich in seinem Beitrag mit der Übersetzung der bulgarischen Literatur ins Sorbische. I n der folkloristischen Sektion war die Sorabistik zum wiederholten Male nicht vertreten, ein U m s t a n d , der zum Nachdenken Anlaß geben sollte. Drei Vorträge waren der historischen Problematik gewidmet. M. K a s p e r sprach über den Einfluß der slawischen kulturellen Wechselseitigkeit auf die nationalen Wertvorstellungen der Lausitzer Sorben. P. K u n z e analysierte die preußische Nationalitätenpolitik in den 50er und 60er J a h r e n des 19. Jahrhunderts. L. E l l e , dessen Vortrag aus Zeitgründen nicht ge-

W . ' Z E I L , Die Geschichte der Slawistik auf dem X. Slawistenkongreß

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halten werden konnte, hat ausgewählte Aspekte der Rezeption der sorbischen Kultur durch deutsche Bewohner in einem deutsch-sorbischen Dorf untersucht. Diese Vorträge, die in der Regel breit angelegt waren und durch die Anwendung der historischvergleichenden Methode über den engen sorbischen Rahmen hinausgingen, fanden ein breites Echo und waren oftmals Grundlage für weiterführende Diskussionen. Das zeigte sich besonders deutlich in der sprachwissenschaftlichen und der historischen Sektion. Doch damit war die sorbische Problematik keinesfalls erschöpft. In Beiträgen aus der D D R (M. J ä h n i c h e n , R. L ö t z s c h , G. Z i e g e n g e i s t , alle Berlin), der U d S S R (K. T r o f i m o v i ö , T . P a n k , beide Lwow), der ÖSSR (T. I v a n t y s y n o v a , V. G a s p a r i k o v a , beide Bratislava) und der VR Polen (B. B i a l o k o z o w i c z , Warschau) wurde wiederholt auf sorabistische Fragen Bezug genommen bzw. die Notwendigkeit einer engen wissenschaftlichen Zusammenarbeit unterstrichen. Auffallend war, daß sich auch Länder mit einer weniger ausgeprägten sorabistischen Tradition verstärkt der Sorabistik widmen. So hat G. S c h a a r s c h m i d t aus Kanada phonologische Fragen einiger urslawischer Konsonantengruppen in den sorbischen Dialekten und in anderen westslawischen Sprachen untersucht, und H. B. B r i j n e n aus Holland stellte ihren Beitrag unter das Thema „Das Sorbische in der DDR — eine Standardsprache und eine Umgangssprache". Der X. Internationale Slawistenkongreß gab der Sorabistik viele Impulse für weiterführende Forschungen auf allen Gebieten. Es hat sich erneut bestätigt, daß die Sorabistik fester Bestandteil der Slawistik in der D D R ist und auf Grund ihrer vielfältigen beachtenswerten Forschungsergebnisse international über einen guten Ruf verfügt, den es auch zukünftig zu bestätigen gilt.

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Fakten und Probleme der Geschichte der Slawistik auf dem X. Internationalen Slawistenkongreß Die 6. Untersektion der sich mit historischen Problemen befassenden 5. Sektion war der Geschichte der Slawistik, der Slawistik an der Universität Sofia, Vuk Stefanovic Karadzic und seinem Beitrag zur internationalen Slawistik und der Bedeutung der internationalen Slawistenkongresse für die Entwicklung der Slawistik gewidmet. Sie war quantitativ die stärkste Untersektion der 5. Sektion auf dem X . Internationalen Slawistenkongreß. Breit war das Spektrum der behandelten Themen. Es reichte von Überblicken über Byzantinistik und Slawistik, die KyrillMethod-Forschung, die ethnographische Slawistik in der VR Bulgarien, die Erforschung der westund südslawischen Literaturen durch russische Slawisten in der ersten Hälfte des 19. Jh., die deutsche sprachwissenschaftliche Bulgaristik in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, die historische Problematik auf den internationalen Slawistenkongressen, den Anteil rumänischer Philologen an den internationalen Slawistenkongressen und die Entwicklung der Slawistik in der VR China bis hin zur Würdigung des wissenschaftlichen Wirkens einzelner Persönlichkeiten, wie R. Kosutic, J f i . A. Janczuk, V. St. Karadiic und M. Drinov sowie des Verhältnisses von V. Jagic und Th. Mommsen. Etwas außerhalb der eigentlichen Thematik der Untersektion standen die interessanten Vorträge von G. F r e i d h o f (BRD) über „Urteil" und „Satz" in der russischen Universalgrammatik zu Beginn des 19. Jh., von S. S i g n o r i n i (Italien) über die Begriffe „Gebrauch" und „Norm" in der linguistischen Theorie M. V. Lomonosovs und von U. B i r g e g ä r d (Schweden) über Mitteilungen in Tagebüchern J. G. Sparvenfelds über das Rußland der 80er Jahre des 17. Jh. Freidhof stellte die Definitionen zu den Begriffen „Urteil" und „Satz" in den russischen Universalgrammatiken zu Beginn des 19. Jh. gegenüber und wies auf mögliche west- und mitteleuropäische Einflüsse hin. Des weiteren ging er auf die Struktur des Urteils, insbesondere auf seine sog. Zweigliedrigkeit, sowie auf die Darstellung der Frage bei Lomonosov ein. Signorini arbeitete in ihrem Referat heraus, daß „yriOTpeÖJieHHe" und „HopMa" als Gesamtheit der Gesetze und Regeln die beiden Hauptbestandteile der linguistischen Theorie Lomonosovs sind, denen man in seinen Werken ständig begegne. In Lomonosovs Entwurf der Kodifizierung einer einheitlichen Literatursprache, die den Bilinguismus überwand, seien diese beiden Konzeptionen durch eine Interdependenz verbunden, die man mit „ynoTpeöJiemie — npaBHJia — ynoTpeßjieHHe" charakterisiert. Birgegärd

W . ' Z E I L , Die Geschichte der Slawistik auf dem X. Slawistenkongreß

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halten werden konnte, hat ausgewählte Aspekte der Rezeption der sorbischen Kultur durch deutsche Bewohner in einem deutsch-sorbischen Dorf untersucht. Diese Vorträge, die in der Regel breit angelegt waren und durch die Anwendung der historischvergleichenden Methode über den engen sorbischen Rahmen hinausgingen, fanden ein breites Echo und waren oftmals Grundlage für weiterführende Diskussionen. Das zeigte sich besonders deutlich in der sprachwissenschaftlichen und der historischen Sektion. Doch damit war die sorbische Problematik keinesfalls erschöpft. In Beiträgen aus der D D R (M. J ä h n i c h e n , R. L ö t z s c h , G. Z i e g e n g e i s t , alle Berlin), der U d S S R (K. T r o f i m o v i ö , T . P a n k , beide Lwow), der ÖSSR (T. I v a n t y s y n o v a , V. G a s p a r i k o v a , beide Bratislava) und der VR Polen (B. B i a l o k o z o w i c z , Warschau) wurde wiederholt auf sorabistische Fragen Bezug genommen bzw. die Notwendigkeit einer engen wissenschaftlichen Zusammenarbeit unterstrichen. Auffallend war, daß sich auch Länder mit einer weniger ausgeprägten sorabistischen Tradition verstärkt der Sorabistik widmen. So hat G. S c h a a r s c h m i d t aus Kanada phonologische Fragen einiger urslawischer Konsonantengruppen in den sorbischen Dialekten und in anderen westslawischen Sprachen untersucht, und H. B. B r i j n e n aus Holland stellte ihren Beitrag unter das Thema „Das Sorbische in der DDR — eine Standardsprache und eine Umgangssprache". Der X. Internationale Slawistenkongreß gab der Sorabistik viele Impulse für weiterführende Forschungen auf allen Gebieten. Es hat sich erneut bestätigt, daß die Sorabistik fester Bestandteil der Slawistik in der D D R ist und auf Grund ihrer vielfältigen beachtenswerten Forschungsergebnisse international über einen guten Ruf verfügt, den es auch zukünftig zu bestätigen gilt.

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Fakten und Probleme der Geschichte der Slawistik auf dem X. Internationalen Slawistenkongreß Die 6. Untersektion der sich mit historischen Problemen befassenden 5. Sektion war der Geschichte der Slawistik, der Slawistik an der Universität Sofia, Vuk Stefanovic Karadzic und seinem Beitrag zur internationalen Slawistik und der Bedeutung der internationalen Slawistenkongresse für die Entwicklung der Slawistik gewidmet. Sie war quantitativ die stärkste Untersektion der 5. Sektion auf dem X . Internationalen Slawistenkongreß. Breit war das Spektrum der behandelten Themen. Es reichte von Überblicken über Byzantinistik und Slawistik, die KyrillMethod-Forschung, die ethnographische Slawistik in der VR Bulgarien, die Erforschung der westund südslawischen Literaturen durch russische Slawisten in der ersten Hälfte des 19. Jh., die deutsche sprachwissenschaftliche Bulgaristik in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, die historische Problematik auf den internationalen Slawistenkongressen, den Anteil rumänischer Philologen an den internationalen Slawistenkongressen und die Entwicklung der Slawistik in der VR China bis hin zur Würdigung des wissenschaftlichen Wirkens einzelner Persönlichkeiten, wie R. Kosutic, J f i . A. Janczuk, V. St. Karadiic und M. Drinov sowie des Verhältnisses von V. Jagic und Th. Mommsen. Etwas außerhalb der eigentlichen Thematik der Untersektion standen die interessanten Vorträge von G. F r e i d h o f (BRD) über „Urteil" und „Satz" in der russischen Universalgrammatik zu Beginn des 19. Jh., von S. S i g n o r i n i (Italien) über die Begriffe „Gebrauch" und „Norm" in der linguistischen Theorie M. V. Lomonosovs und von U. B i r g e g ä r d (Schweden) über Mitteilungen in Tagebüchern J. G. Sparvenfelds über das Rußland der 80er Jahre des 17. Jh. Freidhof stellte die Definitionen zu den Begriffen „Urteil" und „Satz" in den russischen Universalgrammatiken zu Beginn des 19. Jh. gegenüber und wies auf mögliche west- und mitteleuropäische Einflüsse hin. Des weiteren ging er auf die Struktur des Urteils, insbesondere auf seine sog. Zweigliedrigkeit, sowie auf die Darstellung der Frage bei Lomonosov ein. Signorini arbeitete in ihrem Referat heraus, daß „yriOTpeÖJieHHe" und „HopMa" als Gesamtheit der Gesetze und Regeln die beiden Hauptbestandteile der linguistischen Theorie Lomonosovs sind, denen man in seinen Werken ständig begegne. In Lomonosovs Entwurf der Kodifizierung einer einheitlichen Literatursprache, die den Bilinguismus überwand, seien diese beiden Konzeptionen durch eine Interdependenz verbunden, die man mit „ynoTpeöJiemie — npaBHJia — ynoTpeßjieHHe" charakterisiert. Birgegärd

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stellte das hauptsächlich in schwedischer, aber teilweise auch in französischer und italienischer Sprache abgefaßte Tagebuch des schwedischen Slawisten und Reisenden Sparvenfeld, dessen wissenschaftliche Ausgabe sie vorbereitet, als Quelle für die Kenntnis der Geschichte Bußlands im 17. J h . vor. Sparvenfeld zeichnete in seinem Tagebuch, das sicher auch wertvolle Hinweise auf seine slawistischen Interessen und Aktivitäten enthält, u. a. ein lebendiges Bild von Bußland, von der Lebensweise und dem Brauchtum der Bussen im 17. J h . E r erweist sich als ein zuverlässiger Augenzeuge der Entwicklung des Zarenreiches in den 80er J a h r e n des 17. J h . Eingeleitet wurde die Arbeit der 6. Untersektion der 5. Sektion durch das Beferat von V. T ä p k o v a - Z a i m o v a (VB Bulgarien) über Byzantinistik und Slawistik. E s enthielt anregende Gedanken über Wesen und Aufgaben dieser beiden Wissenschaften und über die typologischen Beziehungen zwischen ihnen sowie über methodologische Aspekte der Perspektiven, die sich der weiteren einschlägigen Forschung eröffnen. N. D r a g o v a (VR Bulgarien) beleuchtete in ihrem Vortrag über das erste Jahrtausend der Kyrill-Method-Forschung die Hauptrichtungen der Wertung des Werkes der beiden Slawenapostel bis zur Feier des Milleniums und wies auf künftige Forschungsaufgaben hin. Der ethnographischen Slawistik in der VB Bulgarien war das Beferat V. C h a d i i n i k o l o v s (VBBulgarien) gewidmet. Er stellte u. a. fest, daß sich die bulgarische Ethnographie vor allem als nationale Ethnographie entwickelt habe. Probleme der ethnographischen Slawistik seien hauptsächlich in den Lehrveranstaltungen der Universitäten sowie im Zusammenhang mit der vergleichenden Erforschung der Volkskultur der Bulgaren und anderer slawischer Völker behandelt worden. Das Fazit des Referats von E. K u c h a r s k a (VR Polen) über die Erforschung der west- und südslawischen Literaturen durch russische Slawisten in der ersten Hälfte des 19. J h . war die Feststellung, daß diese Zeit eine Periode vergleichender Studien über die Entwicklung der bulgarischen, tschechischen, slowakischen, serbischen, kroatischen und polnischen Literatur war, was die Referentin an reichem Faktenmaterial demonstrierte. Besondere Bedeutung maß sie V. Grigorovic' „OntiT H3Jio?KeHHH jiHTepaTypu GjicLbhh b rnanHeiiiiiHX ee anoxax" und seinem „KpaTKoe o6o3peHHe cjisibhhckhx JiHTepaTyp" bei. Die Verdienste bedeutender deutscher Gelehrter wie E. Bemeker, M. Vasmer, K. H. Meyer, P. Diels, B. von Arnim, A. Margulies und G. Weigand um die Erforschung des Alt-, Mittel- und Neubulgarischen sowie um die Organisation der Bulgaristik in Deutschland würdigte W. Z e i l (DDR) in seinem Referat über den Beitrag deutscher Gelehrter zur Entwicklung der sprachwissenschaftlichen Bulgaristik in Deutschland in den J a h r e n zwischen den beiden Weltkriegen. V. M a t u l a (CSSR) wies in seinem reich dokumentierten Vortrag „Historickä. problematika na mezinärodnych kongresäch slavistov — prinosy a perspektivy" den wachsenden Anteil der Geschichte der slawischen Völker an diesen wissenschaftlichen Veranstaltungen nach. Die Vertretung der Geschichte in der Slawistik und auf den Slawistenkongressen sei ein Ergebnis der Präzisierung des Begriffes der Slawistik zwischen dem vierten und dem sechsten Slawistenkongreß als eines Komplexes wissenschaftlicher Disziplinen gewesen, deren Gegenstand das Studium der Vergangenheit und der Gegenwart der slawischen Völker sei. Die von Matula aufgeworfenen theoretisch-methodologischen Fragen und ihre praktische Lösung werden die Slawisten aller Länder noch lange beschäftigen. Das haben auch die interessanten Diskussionsbeiträge zu diesem Vortrag gezeigt. G. M i h ä i l ä und M. Mi tu (SB Rumänien) stellten in ihrem Beitrag über den Anteil rumänischer Philologen an den internationalen Slawistenkongressen anhand reichen Materials fest, daß die Zusammenarbeit zwischen rumänischen Slawisten und ihren Fachkollegen in slawischen und anderen nichtslawischen Ländern seit den ersten Slawistenkongressen in Prag und Warschau 1929 bzw. 1934 eine höhere Stufe erreicht habe. Die rumänischen Slawisten haben sich dabei insbesondere auf die Erforschung der rumänisch-slawischen Sprachbeziehungen, der alten rumänischen Literatur in slawischer Sprache und der slawisch-rumänischen Literaturbeziehungen sowie der Geschichte der slawistischen Studien in Rumänien und ihrer Verbindungen zu den slawistischen Studien in anderen Ländern Europas konzentriert. Mit großem Interesse wurde auch der Vortrag von J e n g T z e J a n (VR China) über die Entwicklung der Slawistik in der VR China aufgenommen, der einen Überblick über die beachtlichen Leistungen chinesischer Gelehrter v. a. auf dem Gebiet der Erarbeitung von Wörterbüchern, Grammatiken und Lehrmitteln slawischer Sprachen bot. Mehrere Vorträge waren einzelnen Persönlichkeiten gewidmet. F. K r a u s e (DDR) sprach über V. Jagic u n d Th. Mommsen, die sich in den J a h r e n 1874—1880 in Berlin kennenlernten, Jagic habe Mommsen als Gelehrten sehr geschätzt. E r selbst sei f ü r diesen ein zuverlässiger Experte in slavicis gewesen. Anhand von neun Briefen Jagics an Mommsen und sechs Briefen Mommsens an Jagic aus den J a h r e n 1877 — 1897 ging K . auf beide Gelehrte interessierende Fragen und

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Unternehmen ein, vor allem auch auf die Unterstützung des „Archivs f ü r slavische Philologie" durch Mommsen. Die von der Referentin beleuchteten Meinungsverschiedenheiten zwischen Jagic und Mommsen über die Rolle der Slawen in der Habsburger Monarchie, die zum Zerwürfnis der beiden Gelehrten führte, war auch Gegenstand der anschließenden Diskussion. D. 2 i v a n o v i c ( S F R J ) untersuchte in seinem Referat die Bedeutung des Wirkens R. Koäutics f ü r die Entwicklung der Slawistik bei den Serben. M. Janczuk und die slawischen Literaturen waren Gegenstand des Vortrages B. B i a l o k o z o w i c z ' (VR Polen), in dem die Aussagen Janczuks über ethnographische und volkstümliche Elemente in der polnischen, obersorbischen, tschechischen, russischen und ukrainischen Literatur analysiert wurden. B. ging des weiteren auf die Beschäftigung J a n czuks mit südslawischer Folklore unter dem Aspekt der Rezeption historischer Ereignisse, auf sein Interesse f ü r das belorussische Schrifttum, besonders f ü r die neuere belorussische Literatur, speziell f ü r die Poesie von J a n k a Kupala und J a k u b Kolas, ein. VI. M u r d a r o v (VR Bulgarien) stellte in seinem Referat über M. Drinov und die bulgarische Sprache das Wirken dieses bulgarischen Gelehrten (1838 — 1906) in größere Zusammenhänge u n d würdigte seine Verdienste um die Erforschung der bulgarischen Sprache und Kultur 1 . Einen besonderen Schwerpunkt der Vorträge der 6. Untersektion der 5. Sektion bildete das Werk V. St. Karadzic' aus Anlaß des 200. Geburtstages des Gelehrten. Dieser Thematik waren laut Programm 7 Referate gewidmet, von denen aber nur vier gehalten wurden. Die Idee V. St. Karadzic' in der serbischen Literatur der ersten Hälfte des 20. J h . war Gegenstand des Referates von S. Markovi y/i; zwischen Vokalen ro, lo, le > ry, ly, Ii; die Affrikate /di/; das frikative g [h]; die Dopplung von Konsonanten; die Verhärtung der Zischlaute, des [r], des etymologischen /c/; der Übergang von /«/, ¡1/ in unsilbisches ¡ü/ u. a.; in der Morphologie: die Endung -iL im Gen. Sg. Mask., die Endung -y im PI. der Mask./Neutr., die Superlativbildung mit dem Suffix -ejs- nach Zischlauten, Formen der 1. Konjugation der Verben vom Typ nja-se u. a.; in der Syntax: die Verwendung der Langform der Adjektive in prädikativischer Funktion, die Verwendung der Numeralia dva, try, iatyry mit Substantiven im Nom. PI., bestimmte Verbalrektionen, die Verwendung eigener Konjunktionen in verschiedenen Typen von Satzgefügen. Die Ausführungen werden durch Beispielmaterial aus Originaltexten (amtlichen und juristischen Schriftstücken, Chroniken, religiösen, wissenschaftlichen, polemischen und literarischen Werken veranschaulicht (S. 80 — 148). Ausführlich werden die ersten Fibeln, Grammatiken und Wörterbücher (I. Fedorov, M. Smotrickij, R. Berynda) betrachtet und die Rolle des belorussischen Buchdrucks im 16. —17. J h . (F. Skaryna u. a.) für die Entwicklung der altbelorussischen Literatursprache gewürdigt (S. 148 — 161). Die Entwicklung der Sprache wird immer im Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Bedingungen gesehen, so z. B. gegen Ende des 16./zu Beginn des 17. Jh., als im polnischen Staat keine günstigen Voraussetzungen für die Entwicklung des Belorussischen bestanden und die Polonisierung des Schulwesens und die offizielle Verwendung der lateinischen Sprache in der Wissenschaft, der Rechtssprechung und im amtlichen Schriftverkehr zum Polylinguismus führten. Als spezifische Erscheinung der Verwendung der belorussischen Schriftsprache des 17. J h . untersucht Verf. die sog. Intermedien (Interludien) zu Schuldramen, die zur Belustigung des Publikums in der Sprache des Volkes abgefaßt wurden, während die eigentlichen Stücke in polnischer oder lateinischer Sprache verfaßt waren (S. 161 — 167). Zwischen der altbelorussischen und der neuen belorussischen Literatursprache wird gewöhnlich eine Zäsur von fast zwei Jahrhunderten gemacht, in der das Belorussische offiziell nicht zugelassen war, somit seine Ausdrucksmittel nicht vervollkommnen konnte u n d nur in der mündlichen Form der Sprache des Volkes weiterexistierte. Diese Etappe läßt sich auf Grund fehlender Aufzeichnungen bis auf einzelne folkloristische Untersuchungen aus späterer Zeit schwer rekonstruieren. Erst nach den Teilungen Polens und der Angliederung Belorußlands an das zaristische Rußland entstanden durch das Erstarken der nationalen Befreiungsbestrebungen und der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse, besonders nach der Revolution 1905, günstigere Bedingungen f ü r die Entwicklung auch der nationalen Sprache der Belorussen. I m Kapitel zur neuen belorussischen Literatursprache beschreibt Verf. die historischen Bedingungen für die Herausbildung einer einheitlichen Literatursprache der Belorussen im engen Zusammenhang mit der Entwicklung des Kapitalismus und der Konsolidierung der Nation, die sich jedoch durch die soziale und nationale Unterdrückung des Zarismus nur langsam vollzog. Verf. zeichnet ein anschauliches Bild von der komplizierten sprachlichen Situation im Belorußland des 19. J h . und der Bedingungen, unter denen sich z. B. das belorussische Verlagswesen und mit ihm die junge belorussische Literatur entwickelten (S. 175—249). Der Sprache der anonymen Dichtung der 1. Hälfte des 19. Jh., insbesondere der Poeme „9Heina HaBHBapaT" und „Tapac Ha IlapHace", sowie den Schriftstellern und Dichtern P. Bahrym, J a . Caöot,, J a . Baräöeüski und A. Rypinski wurden neben der bedeutenden Rolle von V. Dunin-Marcinkeviö bei der Herausbildung der neuen belorussischen Literatursprache einzelne Abschnitte des

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Kapitels gewidmet. An Textauszügen werden graphische, phonetische, lexikalische und grammatische Besonderheiten ihrer Sprachverwendung demonstriert. In der 2. Hälfte des 19. J h . verschärft sich nach der Zerschlagung des Aufstandes von 1863 zunächst die Russifizierungspolitik des Zaren, Ende des 19. J h . erscheinen jedoch wieder einzelne Schriften in belorussischer Sprache (z. T. im Ausland). Verf. zeigt an Beispielen aus Werken von F. B a h u ä ö v i ö , wie dieser Dichter versucht, die Sprache seines Volkes schöpferisch anzuwenden und dialektale Besonderheiten allmählich zu überwinden. Neben Lyrik und Dramatik entstehen in der 2. Hälfte des 19. J h . publizistische Werke, die sich wesentlich auf die Entwicklung des belorussischen Wortschatzes und die Vervollkommnung der belorussischen Syntax auswirken und die Grundlagen f ü r die Herausbildung eines publizistischen Stils legen. Nach dem Gesetz über die Pressefreiheit von 1905 konnten viele Werke in bellorussischer Sprache von J a . Kupala, J a . Kolas, Cjotka, M. Bahdanoviö, Z. Bjadulja, C. H a r t n y und M. Harecki zum ersten Mal gedruckt werden. Der z. T. widersprüchlichen und uneinheitlichen Entwicklung der sprachlichen Mittel dieser Zeit geht Verf. anhand der Zeitungen „Haina H i ß a " und „Haina A O J I H " nach. Instruktiv ist der Überblick über die Bemühungen und Ergebnisse von Sprachwissenschaftlern des 19,/Anfang des 20. Jh., z. B. I. I. Nosoviö und E. F. Karskij, bei der Erforschung der Sprache der Belorussen (S. 2 5 0 - 2 5 8 ) . Mit dem Sieg der Oktoberrevolution und der Verwirklichung der Leninschen Sprach- und Nationalitätenpolitik veränderten sich die gesellschaftlichen Bedingungen f ü r die Entfaltung der Ausdrucksmittel auch der belorussischen Sprache. I m Kapitel „Die belorussische Literatursprache der Sowjetepoche" werden die Wechselbeziehungen zwischen der neuen Literatursprache u n d den Dialekten sowie die Rolle des Russischen bei der Entwicklung der Lexik und Phraseologie, die Stabilisierung der graphischen, orthographischen und orthoepischen Norm sowie Veränderungen im stilistischen System der belorussischen Literatursprache behandelt (S. 259—286). Verf. untersucht außerdem die Wirkung der belorussischen Sowjetliteratur und Publizistik auf die Vervollkommnung der Literatursprache, wobei der Rolle J a n k a Kupalas und J a k u b Kolas' ein gesonderter Abschnitt gewidmet ist. Die belorussische Literatursprache der Gegenwart hat sich trotz ihrer verhältnismäßig jungen Geschichte zu einer hochentwickelten, alle Bedürfnisse der gesellschaftlichen Kommunikation befriedigenden Literatursprache mit stabilen orthographischen und grammatischen Normen vervollkommnet, in der u. a. auch literarische Kunstwerke mit großer ästhetischer Wirkung entstehen. Bei der Darstellung der Entwicklungstendenzen der belorussischen Literatursprache der Gegenwart geht Verf. nur kurz auf den funktionale Bilinguismus in der Belorussischen SSR ein. Das Spezifische in der Entwicklung der belorussischen Literatursprache besteht im Vergleich zur Mehrzahl der anderen slawischen Sprachen darin, daß sie nicht die Traditionen der alten Literatursprache fortsetzt, sondern sich auf der Grundlage der vom Volk verwendeten Sprache entwickelt, deren Ausdrucksmittel vervollkommnet und unifiziert. Bei der Stabilisierung der literatursprachlichen Normen erfolgte im wesentlichen eine Orientierung an den zentralen (mittel-) belorussischen Dialekten. Das vorliegende Buch kann zweifellos als ein Standardwerk zur Geschichte der belorussischen Literatursprache empfohlen werden, da es methodologisch und faktologisch hohen Ansprüchen gerecht wird und die Erkenntnisse zur allgemeinen Theorie der Literatursprache durch das spezifische Material bereichert. Die wissenschaftliche Leistung wurde 1986 mit dem Staatspreis f ü r Wissenschaft der Belorussischen SSR gewürdigt. S. Heyl

A. M. L E W I C K I - A. P A J D Z I N S K A - B. R E J A K O W A , Z zagadnien frazeologii. Problemy leksykograficzne. Paristwowe wydawnictwo naukowe, Warszawa 1987, 102 S. In der unvermindert lebhaften lexikographischen Diskussion der letzten Jahre fehlt es nicht an Überlegungen zu einer verbesserten lexikographischen Fixierung von Phrasemen. In der polnischen Linguistik hat A. M. Lewicki bereits 1976, ausgehend von der Erkenntnis der Mängel in der bisherigen Praxis, Überlegungen zu einer adäquateren lexikographischen Darstellung von Phra-

E.

EHEGÖTZ — K . MORVAY, Z

zagadnien frazeologii

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semen angestellt und exemplarisch an sechs ausgewählten Wörterbuchartikeln demonstriert 1 . Das hier zur Besprechung anstehende Bändchen k n ü p f t an diese Überlegungen an und entwickelt sie weiter. Es gliedert sich in zwei Abschnitte. Der erste, „Problemy opracowania slownika frazeologicznego", dessen Autor A. M. Lewicki ist, umreißt die wichtigsten theoretischen Probleme bei der Erarbeitung eines phraseologischen Wörterbuchs, im zweiten Abschnitt werden in einem 99 Artikel umfassenden Wörterbuchteil Beispiele f ü r die praktische Umsetzung der gebotenen Lösungsvorschläge präsentiert. Als eines der zentralen theoretischen lexikographischen Probleme sieht Lewicki die Definition des Phrasems an. Sie hat seiner Meinung nach zu berücksichtigen, daß das Phrasem als Mehrwortverbindung in den meisten Fällen kein Wortäquivalent aufweist. Sie muß die semantische und syntaktische Struktur des Phrasems widerspiegeln und pragmatische Informationen sowie Hinweise zur syntaktisch-semantischen Verknüpfbarkeit enthalten. Lewicki unterscheidet für die phraseologische Lexikographie (auch: Phraseographie) vier grundlegende Definitionsarten: a) autonome analytische Definitionen (im Sinne der o. g. Postulate), b) verweisende analytische Definitionen, die nur bei zueinander in Derivationsbeziehungen stehenden Phrasemen in Frage kommen und auf das „Basisphrasem" mit der unkomplizierteren, einfacheren Bedeutung verweisen, vgl. ktoS zdejmuje coi z ajisza ,ktos powoduje, ze cos schodzi z afisza', c) situative Definition, die die Gebrauchssphäre des Phrasems beschreibt und ein obligatorisches metasprachliches Element (Formel z u . . . , Ausdruck z u r . . . , Fluchformel usw.) enthält. Sie ist die grundlegende Definitionsform f ü r kommunikative Formeln wie Szcz$ic Boze\ ,formula wyrazaj^ca zyczenie owocnej pracy', d) synonymische Definition, deren Eignung für Definitionszwecke allgemein zu Recht bestritten wird, da sie in den meisten Fällen die Bedeutung eines Phrasems nicht durchsichtiger macht, eine nicht vorhandene Gleichwertigkeit von Phrasemen suggeriert bzw. zu Zirkeldefinitionen führt. Lewicki r ä u m t ihr allerdings eine gewisse Daseinsberechtigung bei der Beschreibung idiomatisierter Termini ein, vgl. boza kriwlca ,biedronka'. Das in jüngster Zeit stark diskutierte Problem der Einführung pragmatischer Informationen versucht Lewicki zum einen durch die traditionellen, von der Einwortlexikographie übernommenen Diversifikatoren zu lösen, die er auf funktionalstilistischer und expressiver Ebene ansetzt, zum anderen durch individuell ausgeformte verbale Charakteristika zum Verhältnis des Sprechers/Schreibers zu dem vom Phrasem bezeichneten Sachverhalt. Während die Expressivitätsskala nur einige wenige P u n k t e markiert, ist die Stilskala mit je sieben Haupt- und Hilfs-Diversifikatoren sehr weit aufgefächert. Das ermöglicht erstmals eine nahezu durchgängige, sehr differenzierte stilistische Charakteristik der aufgeführten Phraseme. Es fällt dabei ins Auge, daß die stilistischen Bewertungen der vorliegenden Sammlung in der Regel um eine Ebene höher liegen als in den bekannten Wörterbüchern des Polnischen, was durchaus als allgemeine Entwicklungstendenz im Phrasembestand angesehen werden kann. I n der Frage der Ansatzform des Phrasems spricht sich Lewicki nachdrücklich für eine Notation in der 3. P. Sg. bzw. in einer anderen, f ü r das Phrasem typischen Personalform aus, wie sie in letzter Zeit vielfach von den Lexikographen postuliert wird (Burger, Petermann, Mateäic u. a.). Neben dem Vorzug, den realen Sprachgebrauch adäquater abzubilden, erfüllt diese Form mit der Setzung des unbestimmten Pronomens kto6/coä zugleich den Zweck, grundlegende semantische Informationen (Person/Nichtperson) über die Verknüpfungspartner zu geben. In der auf die theoretischen Ausführungen folgenden Sammlung von Phrasemen fällt auf, daß neben bereits in früheren Lexika notierten Phrasemen viele erscheinen, die zwar seit längerer Zeit bereits im Umlauf sind, jedoch zum ersten Mal lexikographisch fixiert werden, z. B. ktoi wpuszcza lcogoi w maliny, ktoi je (t$) zab$, ktoi strzela z grubej rury, ktoi przejmuje paleczkg, ktoi rozmienia coi na drobne u. a. Hier wird endlich eine spürbare Lücke in der polnischen Lexikographie geschlossen, denn alle einschlägigen modernen Wörterbücher t u n sich sehr schwer mit der Aufnahme neuer Phraseme. Grundlage f ü r dieses offene Herangehen der Autoren der vorliegenden Sammlung ist eine Phraseologie-Auffassung, die in der Phraseologie den dynamischsten Teilbereich der Lexik sieht. Es werden auch alle belegten Varianten verzeichnet, die dem Leser den Mechanismus des Entstehens und der Entwicklung der Phraseme anschaulich vor Augen führen. Dabei erhebt sich u. E . aber auch zugleich die Frage, ob man so weit gehen sollte, auch Phraseme zu fixieren, die als „Individualismen" gekennzeichnet sind (vgl. ktoi/coi dodaje komui wiatru w zagle, odbiera komui 1

A. M. L e w i c k i , Wprowadzenie do frazeologii syntaktycznej. Teoria zwrotu frazeologicznego, Katowice 1976. (Lewicki 1976).

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Z. Slaw. 34 (1989) 3

wiatr z iaglif bzw. als „neue Entlehnung", wie im Falle von ktoi ma maslo na glowie ,swieza pozyczka z czeskiego'. Im folgenden sei auf einige Aspekte der lexikographischen Umsetzung der im ersten Teil aufgestellten Postulate eingegangen. Zunächst einige Bemerkungen zum Aufbau des Wörterbuchartikels. Nach dem „Identifikator", dem Phrasemwort, unter dem das Lemma angeordnet ist, folgt das Phrasemiemma in der o. g. Ansatzform. Verben werden durchgängig aspektuell charakterisiert, desgleichen wird auf paradigmatische Einschränkungen bzw. Gebrauchspräferenzen y«rwiesen, wie z. B. ktoi owija coi w bawelnq — najcz^sciej uzywa si§ z przeczeniem. Bei der Beschreibung der Valenzbeziehungen folgen die Autoren dem Lösungsvorschlag aus Lewicki 1976, verzichten dabei jedoch auf eine allzu starke Formalisierung, wie sie dort noch angestrebt wurde, zugunsten einer weitgehend verbalisierten — benutzerfreundlicheren — Darstellungsform. Beibehalten werden die u. E. nicht immer aussagekräftigen, eher verwirrenden Zahlensubskriptoren bei den Pronomen, die der besseren Identifizierung der Kontextelemente des Phrasems mit den entsprechenden Elementen der Definition dienen sollen, vgl. ktoi3 przerzuca coi1 na czyjeii barki ,ktos3, bgd^c do czegoS zobowi^zany, powoduje, ze coäj zaczyna spoczywaö na czyichä2 barkach', was wiederum einen besseren Vergleich mit dem „Basisphrasem" coi1 spoczywa na czyichi2 barkach ermöglicht. Die weitere semantische Auffächerung von coS1 wird verbalisiert gegeben: „cz^sto w pozycji coäj wyst^pujq. wyrazy: ci^zar, obowi^zek, koszt i in., ktörych dalsze okreälenia wyjasniaj^ zakres zobowiq,zania." Diese Art von Kommentar ist zwar für den Benutzer sehr bequem, hat jedoch eine Aufblähung des Wörterbuchartikels zur Folge, und das ökonomische Element entscheidet oftmals über das zu wählende Darstellungsverfahren. Innerhalb eines Artikels werden mehrere verwandte Phraseme zusammengefaßt, dennoch wird jedes Phrasem als selbständige, voneinander abgehobene Einheit bearbeitet, wie ktoi/coi pracuje a. idzie na pelnych obrotach, coi ruszy na pelnych obrotach, coi zwalnia obroty, ktoi a. coi pracuje na pölobrotach. Am Ende eines jeden Artikels sind die bisherigen lexikographischen Notationen des Phrasems verzeichnet, jedes Phrasem und jede Phrasembedeutung wird durch ein Beispiel aus der Literatur der Jahre 1970 bis 1983 illustriert. Ein Index von Hilfsstichwörtern verweist auf das Hauptstichwort, unter dem der vollständige Artikel zu finden ist. Die lexikographische Darstellung des phraseologischen Materials in der vorliegenden Sammlung ist gegenüber den traditionellen polnischen Wörterbüchern ein großer Fortschritt, sie registriert erstmals — sieht man von der nach anderen Kriterien zusammengestellten Sammlung von A. Boguslawski und T. Garnysz-Kozlowska 3 ab — den lebendigen polnischen Sprachgebrauch und bietet eine Fülle grammatischer und semantisch-pragmatischer Zusatzinformationen, die dem Wörterbuchbenutzer eine sowohl grammatisch und semantisch korrekte als auch kommunikativ angemessene Verwendung von Phrasemen ermöglichen. In der Frage des „Wie" der lexikographischen Umsetzung solcher Informationen ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, die hier unterbreiteten Vorschläge sind jedoch zweifellos ein ernstzunehmendes Angebot. Wünsche offen läßt dagegen die typographische Umsetzung, die u. E. einer optisch durchsichtigeren Gestaltung bedarf. Auch die innere Gliederung des Wörterbuchartikels ist nicht sehr übersichtlich, so daß leicht wichtige Informationen erst beim zweiten Lesen erfaßt werden. Zwischen dem theoretischen und dem Wörterbuchteil sind einige Abstimmungsschwierigkeiten erkennbar. Dies sei zugleich als Indiz gedeutet, welcher Konsequenz und filigraner Kleinarbeit es bedarf, um selbst die eindeutigsten Darstellungsprinzipien im Einzelfall durchzusetzen. E. Ehegötz — K. Morvay 2

3

Hier ist zugleich zu fragen, wo die Grenze für eine Bestimmung als „Individualismus" zu ziehen ist, zumal den Autoren der vorliegenden Besprechung für ktoi/coi odbiera komui wiatr z iagli sechs Belege aus unterschiedlichen Quellen vorliegen. A. B o g u s l a w s k i — T. G a r n y s z - K o z l o w s k a , Addenda do frazeologii polskiej, Edmonton 1978.

K . ONASCH,

L'iconographie russe de l'apocalypse

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R . B A R T H É L E M Y - V O G E L S - CH. H Y A R T , L'iconographie russe de l'apocalypse. La „Mise à J o u r " des Livres Saints d'après le manuscrit n° 6 de la Collection W i t t e r t a p p a r t e n a n t à la Bibliothèque Générale de l'Université de Liège ( = Bibliothèque de la F a c u l t é de Philosophie et L e t t r e s de l'Université de Liège. Fascicule CCXLI). Société d ' É d i t i o n „Les Belles L e t t r e s " , P a r i s 1985. Die Veranlassung zu dieser Arbeit bestand darin, „ d e faire connaître a u x érudits d ' O c c i d e n t " m i t einem literatur- u n d kunstgeschichtlich gleich bedeutsamen Denkmal, das in der Geschichte der russischen Apokalypsehandschriften eine Schlüsselstellung e i n n i m m t : der Hs. W i t t e r t JV» 6 der Universitätsbibliothek in Liège (Lüttich) mit dem Sigel „ W " . Zugleich will sie sie verstanden wissen als Studie zum T h e m a „ L a ,mise à jour' des Livres Saints", wie sein U n t e r t i t e l sagt. Diesem Titel ist der 2. Teil „ L e c a d r e h i s t o r i q u e " vor allem mit Abschn. 3 „Mise à jour des Livres Saints" gewidmet. Wird m a n im i . Teil „ L e m a n u s c r i t W i t t e r t N? 6 " über die Qualität u n d H e r k u n f t des Papiers (niederländischer I m p o r t aus dem 17./18. J h . , restauriert wahrscheinlich in Jaroslavl' Anfang/Mitte des 18. J h . , E n t s t e h u n g zur Zeit Peters I.), des Einbandes, der A r t der Anlage der Miniaturen u. a. unterrichtet, so erfolgt in Teil 3 „ L e t e x t e " eine detaillierte Textanalyse. I h r ist eine historische Übersicht des slavischen Apokalypsetextes vorangestellt, die von den bosnischen Übersetzungen über die Apokalypse der Gennadij-Bibel bis zur ersten Druckausgabe Kopystenskij' 1625 reicht sowie die Ostrog-Bibel von 1581 u n d die „Moskauer Bibel" von 1663 miteinbezieht. Dabei sind „ d e u x sources bien distinctes" zu unterscheiden: 1. der Text der soeben genannten Vollbibeln u n d 2. der T e x t des wichtigsten u n d verbreitetsten K o m m e n t a t o r s der Apokalypse, Andreas von Kaisareia (563—637), von dem es heißt: „ L e chercheur qui sui mot à m o t le t e x t e de l ' A p o c a l y p s e s'aperçoit que c'est encore t o u j o u r s celui d ' A n d r é de Césarée qui est à la base de la dernière mise à j o u r " (S. 21), also auch f ü r die Vollbibeln. Der Scopus der Untersuchung besteht in einer vergleichenden Analyse von „ W " m i t „ Y " ( = „ m o n Yous", Bycjiaeß, PyccKHft jiHijeBoft AnoKaJiHncHC, M. 1884). Zu diesem Zweck werden ferner herangezogen: „ R " = Sammlung R u m j a n c e v n° 8 (Lenin-Bibliothek, Moskau), 13. oder 14. J h . „ A " = Übersetzung des Metropoliten Aleksej (Mitte 14. Jh.), nach der Ausgabe Leontij's, Moskau 1892, sowie die Druckausgaben „ 0 " = Ostrog. Bibel von 1581, „ G " = Bibel aus der Epoche Peters I., NiederländischSlavisch, wichtig f ü r die Datierung von „ W " , sowie „ S " = Synodalausgabe, die „ c o u r a m m e n t en usage dans l'Église orthodoxe", leider ohne Angabe der Ausgabe. Das Ergebnis dieser paläographischen, linguistischen, orthographischen u n d lexikalischen Vergleiche einschließlich sehr interessanter Glossen in „ Y " (S. 43 —50) wird so formuliert: „ . . . le t e x t e de l'Apocalypse qui figure dans W est la copie de celui qu'on trouve dans un manuscrit du X V I e siècle que Bouslaev n o m m e c o n s t a m m e n t : ,Mon Yous' . . . La principale particularité orthographique de ce manuscrit est l'utilisation de la lettre slave ,yous' « là où les autres emploient le ou grec, écrit» ou Y en slavon. La différence capitale d'avec W est que Y contient les commentaires d ' A n d r é de Césarée que W ne recopie pas. Des concordances orthographiques, morphologiques, syntaxiques et stylistiques avec ce manuscrit apparaissent à toutes les lignes de notre W " (S. 35). Oder noch deutlicher: „II y a donc de fortes présomptions pour croire que le manuscrit que nous appelons Yous . . . est le modèle qui a été utilisé pour établir le texte de notre W i t t e r t 6 " (S. 77). Der 4., umfänglichere Teil beschäftigt sich m i t der Illustration der Hs „ W " . Auch er holt zunächst m i t einer „ I n t r o duction historique" weit aus, indem in einer kurzen Skizze die russische Malerei bis zum 18. J h . behandelt wird, der Ausführungen über die „manuscrits historiques" (Harmatolos, RadziwillChronik) folgen, die Bedeutung des Metropoliten Makarij (1482 — 1563) f ü r den „CBOA", d. h. den „JIimeBOä JleTOiMCHuM CBOH", u n d seine Miniaturistik u n d schließlich über die Apokalypse in der russischen K u n s t , in deren Mittelpunkt die Arbeit von M. B. AjinaTOB, naMHTHHK RpeBHepyccKoft HiHBonHCH KOHija X V BeKa: ÜKOHa AnoKaJiHncHC YcneHCKoro Coôopa MOCKOBCKOTO KpeMjiH, M. 1964, steht. Wie der T e x t werden n u n die Miniaturen von „ W " einer detaillierten Vergleichsanalyse unterzogen, wobei „ P " ( = Soloveckij-Filaret) aus dem 16. J h . u n d „ B " ( = CudovKloster-Manuskript) aus der ersten H ä l f t e des 18. J h . eine wichtige Rolle spielen. E s zeigt sich, „que la miniature de W a été faite au d é b u t du X V I I I e , qu'elle représente donc u n e copie au d é p a r t d'une tradition r e m o n t a n t a u X V I e siècle" (S. 100). Auf dieser Grundlage folgt in der „ D e s c r i p t i o n d e s m i n i a t u r e s " eine m i t Akribie durchgeführte Darstellung u n d Analyse der einzelnen Bilder unter Hinweis auf die abfolgenden Verse der Apokalypse, die durch jene eine o f t interessante I n t e r p r e t a t i o n erfahren. Dem entspricht eine Numerierung der Miniaturen von „ W " im Abbildungsteil, deren Schwarz-Weiß-Wiedergabe leider nicht die im K o n t e x t behan-

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delten ästhetischen Qualitäten vermitteln können. Die z. T. erstaunliche Vielfalt der Motivvariationen wird übersichtlich behandelt und bleibt im übrigen nicht selten diskutabel (so ist z. B. die Darstellung des reitenden Erzengels Michael auf „W" 34 [S. 125] gerade in der Entstehungszeit von „W" vor allem in Nordrußland gar nicht so selten. Zu fragen wäre, ob die Darstellung des Zebaoth mit dem Emmanuel im Schoß, wiederum im Zusammenhang mit der Entstehungszeit von „W", nicht unter dem Einfluß des westlichen „Gnadenstuhles" stehen könnte [ebenfalls „W" 34]). Erwähnt werden sollte die detaillierte Analyse der „Realia" (Himmel, Meer, Vegetation, Architektur, Gebäude, Kirchen, Städte u. a.). Teil 5 beschäftigt sich mit dem „ R é c i t é d i f i a n t " , d. h. den dem Apokalypsetext oft beigegebenen erbaulichen Texten und deren Illuminationen. Das entsprechende Bildmaterial im Anhang wurde den Miniaturen ( = M) von „R" entnommen. Rezensent hält diesen Teil für eine Bereicherung der Arbeit und unseres Wissens um den vollständigen Umfang der russischen Apokalypse, insofern auch das deutsche „erbaulich" hier in Bild und Text eine semantische Interpretation erfährt, die dem griechischen „olxoSojiétù" entspricht. Das dort entfaltete Thema, das man auch mit „vanitas vanitatis" umschreiben kann, findet sich auch im „AyxoBHHtt cthx" (z. B. „O C M e p T H " und „CiaepTb Ahhkh BoHHa") und in der Ikonenmalerei (Dreiteilige Ikone „HcTopMH >KH3HH HejioßeKa", IIpeoßpajKeHCKaH qepKOBb auf Kiïi [C.FLMMHKOB/H.rypBiM, Kh?kh.FLPESHHH>KHB0imcb KapejiHH, ITETPOAABOACK 1979, Nr. 26 bis 27, S. 82] und das „^BoecnoBHe >KHBOTa H CMepra" im Museum von Petrozavodsk, erstere 18., zweite 17. Jh.). Dazu ergänzend zwei Titel: P. II. ^MHTpweBa, üobgcth o cnope jkhbhh h CMepra, M.— JL 1964, und Th. Lewandowski, Das mittelniederdeutsche Zwiegespräch zwischen dem Leben und dem Tode und seine altrussische Übersetzung, Wien—Köln—Graz 1972. Übrigens hätte die S. 185 genannte Arbeit von I. Nowikowa S. 207 noch einmal erwähnt werden sollen. Die „Conclusions" der Arbeit lassen sich wie folgt kurz so formulieren: 1. Die Bedeutung der Apokalypse ergibt sich aus der eschatologischen bis chiliastischen Situation in Rußland vom 16. bis 18. Jh. 2. Damit steht im Zusammenhang die Benutzung in der Auseinandersetzung mit den Altritualisten und 3. die Form von „W" als Manuskript, weil sich die Altritualisten gegenüber den gedruckten Büchern sehr kritisch verhielten. „ . . . on peut dire que notre manuscrit a le souci constant d'être strictement dans la ligne orthodoxe, de présenter un témoignage sûr s'appuyant sur la tradition, partant, plus sûr que le texte imprimé" (S. 212). 4. Das kommt u. a. darin zum Ausdruck, daß mit der Modernisierung der alten Orthographie sehr zurückhaltend verfahren wird. „Le travail est finalement superficiel tant reste grand le respect pour la Parole. Il se situe en plein évolution du mouvement qui aboutira à l'établissement du texte définitif en 1751" (S. 214). 5. Es wird nicht ausgeschlossen, „que le papier des feuilles de garde provient d'une fabrique de Jaroslavl" (S. 213) mit seiner reichen Kaufmannschaft und deren Handelsverbindungen nach Westeuropa. Die Apokalypse-Fresken in den Kirchen Jaroslav's (vgl. auch S. 97f.) zeigen „une certaine similitude dans la technique de la miniature". Die Verf. halten es für möglich, daß sich „W" in der berühmten Bibliothek des Verklärungsklosters befunden hat, von dem aus eine intensive Mission unter den nördlichen Altritualisten betrieben wurde. In eine solche Hypothese würde sich die Nähe des „récit édifiant" mit dem „Sinodik" von Koljasnikovo um 1640 in der Provinz Jaroslav' gut einfügen mit seinen 32 Miniaturen, „qui accompagnent de courts récits relatifs à de saints personnages, à la mort de l'homme et à l'utilité de l'aumône" (S. 205). 6. Schließlich bleibt noch hinsichtlich der Ikonographie festzuhalten, bei allgemeiner Bindung an byzantinische Prototypen, „l'originalité consiste à rapprocher les mortels et les bâtiments d'une réalité russe plus tangible" (S. 210). Stilistisch und ästhetisch ist eine deutliche Nähe zur Miniaturistik historischer Hss. des 16. Jh. festzustellen. Auffällig bleibt „une plus grande rigueur dans la représentation des personnes de la Trinité", wobei Christus „la seule forme de Dieu visible pour les hommes" bleibt, während „Sabaoth et l'Esprit Saint ne sont dessinées que lorsque la nécessité d'interprétation s'en fait absolument sentir" (ebd.), wobei allerdings zu bemerken ist, daß der barocke Sabaoth in der russischen Malerei immer noch etwas als „Alter der Tage", d. h. „als die präexistente zweite Person der Trinität" verstanden wurde, „die mit Gottvater eins ist" (Lexikon der christl. Ikonographie 1, 395). Die Untersuchungen von Barthélémy-Vogels und Hyart stellen ohne Zweifel eine wertvolle Bereicherung und Vertiefung unserer Kenntnisse der russischen Apokalypse, ihres Textes, ihrer Ikonographie und ihres soziokulturellen Umfeldes dar, auch wenn man in der Sekundärliteratur vielleicht diesen oder jenen Titel gerne gesehen hätte 1 . K. Onasch 1

Ch. H a n n i c k hat in: Die alten Übersetzungen des Neuen Testaments, die Kirchenväterzitate und Lektionare. Hg. von K. A l a n d , Bln. (West) 1972, sowie unter dem Lemma „Bibelüber-

K. MÜLLER, Der Holzbau bei den Nordwestslawen

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E. SCHULDT, Der Holzbau bei den nordwestslawischen Stämmen vom 8. bis 12. Jahrhundert (Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte der Bezirke Rostock, Schwerin und Neubrandenburg, 21. Hg. vom Museum für Ur- und Frühgeschichte Schwerin durch H. K e i l i n g). VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1988, 166 S. sowie 131 Textabbildungen und 38 Tafeln. Ewald Schuldt 1 , Autor zahlreicher einschlägiger Publikationen 2 , ist auf Grund vieler Ausgrabungen, so beispielsweise in Teterow, Neu Nieköhr/Walkendorf, Sukow, Behren-Lübchin, Sternberger Burg, Groß Görnow und Groß Raden, seit langem einer der maßgebenden Sachverständigen für den nordwestslawischen Burgenbau. In Verbindung mit dem beabsichtigten originalgetreuen Wiederaufbau des slawischen Tempelortes des 9./10. Jh. von Groß Raden (Krs. Sternberg/Bez. Schwerin) als archäologisches Freilichtmuseum am Sternberger See — 1986 wurde das Museumsgebäude fertiggestellt, und 1990 soll das gesamte Projekt verwirklicht sein — ergab sich die Möglichkeit, den Holzbau der Nordwestslawen umfassend zu erforschen, denn Ausgrabungen förderten bereits seit 1950 im ehem. nordwestslawischen Siedlungsgebiet im kultischen Zentrum im Stammesgebiet der Warnower — teilweise bedingt durch die Lage in Niederungen und in Seen — einstmals verarbeitetes Bauholz in noch sehr gut erhaltenem Zustande zutage. Die eingehende Untersuchung der in den letzten 35 Jahren in den mecklenburgischen Bezirken gewonnenen umfangreichen Ausgrabungsfunde von mehreren tausend Bauhölzern in slawischen Siedlungszentren des 8. —12. J h . — berücksichtigt werden auch Forschungen in Vipperow, Ralswiek, Neubrandenburg, Feldberg, Dorf Mecklenburg, in der Lieps sowie in Wagrien —, deren Details damals in ihrer Bedeutung noch nicht immer erkannt wurden, führte nunmehr zu den Aussagen des zu würdigenden Werkes. Die mannigfaltige Gestalt der Bauhölzer sowie ihre vielerlei Verbindungen miteinander, spezielle bauliche Konstruktionen wie die Anwendung von gemeinsamen Grundelementen für unterschiedliche Baugeschehen, Handwerkszeuge sowie Techniken der Holzbearbeitung, Zeugnisse eines hochentwickelten Zimmermannhandwerkes, sind Gegenstand der Darstellung dieses Buches. Durch gänzlich unversehrte Bauabschnitte insbesondere in Sukow (Krs. Teterow/Bez. Neubrandenburg) sowie in Teterow wird die beste Untersuchungsausbeute zum Wege-, Straßen- und Brükkenbau erzielt. Die in Teterow anzutreffende Brückenkonstruktion mit dem aus vier Pfählen sowie einem Träger gebildeten Joch wird für den Brückenbau der Nordwestslawen als typisch erwiesen. Auch für das bei den obodritischen Stämmen im 9. Jh. beobachtete Flechtwandhaus mit einem Sattel- oder Walmdach aus einem Gemisch von Rohr und Ried sowie mit lehmbeworfenen Wänden — aus dem 7. und 8. Jh. lassen sich für den Hausbau keine Befunde beibringen —

Setzungen" in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 6, eine Übersicht der slawischen Übersetzungen gegeben. Erinnert werden sollte an R. A. K l o s t e r m a n n , Probleme der Ostkirche, Göteborg 1955, Kap. 8: Die Bibel in Rußland. — Die ältere und neuere Literatur zur Bücherrevision in Rußland hat s. Z. H. N e u b a u e r , Car und Selbstherrscher. Beiträge zur Autokratie in Rußland, Wiesbaden 1964, aufgearbeitet. — Zu Avvakum: P. H a u p t m a n n , Altrussischer Glaube. Der Kampf des Protopopen Avvakum gegen die Kirchenreform des 17. Jahrhunderts, Göttingen 1963: (Reg. Apokalyptik); A . H. PO6HHCOH, Eopb6a Hflett B pyccKoö JiHTepaType XVII Bena, M. 1974 (Per.: AnoKajmnCHC). — Neben Milosevic (S. 189) sollte B. B r e n k , Tradition und Neuerung in der christlichen Kunst des ersten Jahrtausends. Studien zur Geschichte des Weltge"richtsbildes, Wien 1966, erwähnt werden, neben Rozov (S. 34 u. ö.) ^peBHepyccKoe HCKyccTBO. PyKonHCHa« KHHra, T. 1, M. 1972, T. 2, M. 1974. — Von V. N. L a z a r e v sollte seine „Storia della pittura bizantina", Turin 1967, neben dem zweibändigen Werk von 1947 (Moskau) genannt werden. 1 2

Ewald Schuldt verstarb am 1. Juni 1987 im Alter von 73 Jahren; vgl. Ausgrabungen und Funde. Archäologische Berichte und Informationen 33 (1988), H. 1, S. 1, und H. 3, S. 109f. vgl. Die slawischen Burgen von Neu-Nieköhr/Walkendorf, Kreis Teterow, Schwerin 1967; Die mecklenburgischen Megalithgräber, Bln. 1972; Perdöhl. Ein Urnenfriedhof der späten Kaiserzeit. ynd der Völkerwanderungszeit in Mecklenburg, Bln. 1976; Groß Raden. Die Keramik einer slawischen Siedlung des 9./10. Jhs., Bln. 1981; zahlreiche weitere Veröffentlichungen finden sich im Literaturverzeichnis des vorlieg. Buches, S. 126.

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konnten aus Groß Raden zahlreiche Einzelheiten gewonnen werden. (Für das bei den Slawen allenthalben anzutreffende Blockhaus indes sind zwar viele Grundrisse erhalten, aber wenig aufgehendes Bauholz überliefert.) Die sehr genauen Angaben zu diesen erwähnten Baugeschehnissen imponieren besonders. Die bei weitem aussagefähigsten Ergebnisse zum Burgenbau — nachweisbar sind im Untersuchungsgebiet mehr als 300 Burgplätze in sehr unterschiedlichem Erhaltungszustand — bringen die Ausgrabungen in der obodritischen Fürstenburg des 11./12. J h . von Behren-Lübchin (Krs. Teterow) bei, wo von 1957 bis 1961 eine auf einer Insel in einem verlandeten See befindliche Anlage sehr detailliert studiert werden konnte. Auch die Untersuchungsergebnisse zu der auf einer acht Hektar großen langgestreckten Insel im Teterower See angelegten Burg, die im Zuge gesellschaftlicher Umschichtung um die Mitte des 9. J h . errichtet wurde, erlauben eine oftmals bis in Einzelheiten reichende Nachbildung der Anlage, die den Mittelpunkt eines größeren Territoriums im Stammesgebiet der Zirzipanen bildete. Die einstige Architektur des Siedlungskomplexes im vor 1000 Jahren für einen Tempelort gewählten und genutzten Niederungsgebiet in Schutzlage auf einer Halbinsel wie Insel am bzw. im Stemberger Binnensee wurde bisher am besten nachvollzogen. Lediglich eben in Groß Raden gab es für einen Kultbau noch so viele Bauhölzer, daß die Nachbildung eines solchen Bauwerks möglich wurde — und es konnte hier erstmals einer der oft erwähnten Tempel der nordwestslawischen Stämme an seinem einstigen Standort im Siedlungsgelände vorgestellt werden. Die Holzbauten vermitteln einen umfassenden Einblick in das große Können slawischer Zimmerleute des 9./10. J h . Das Werk von Schuldt gestattet aufschlußreiche Einsicht in die Holzbaukultur der damaligen Nordwestslawen, die auf Grund größerer Ausgrabungen in den letzten Jahrzehnten in einstigen Zentren des ehem. nordwestslawischen Siedlungsgebietes in zahlreichen Funden von gut erhaltenen Bauhölzern zutage kam. Viele eindrucksvolle Abbildungen sowie Tafeln veranschaulichen die lehrreiche Darstellung des unumstrittenen Fachmannes. Unbestreitbar ist der Wert der Publikation als ein wichtiger Anteil zum Wissen über das Siedlungswesen, das Straßen- und Brückenbaugeschehen sowie den Burgenbau der einstigen Nordwestslawen auf dem Gebiete der D D R . K. Müller

CH. L Ü B K E , Regesten zur Geschichte der Slaven an Elbe und Oder (vom Jahr 900 an). Teil I : Verzeichnis der Literatur und der Quellensigel mit einem Vorwort von H. L u d a t , 1984, 303 S.; Teil II: Regesten 9 0 0 - 9 8 3 , 1985, 315 S.; Teil III: Regesten 9 8 3 - 1 0 1 3 , 1986, 317 S.; Teil IV: Regesten 1013 — 1057, 1987, 303 S. ( = Osteuropastudien der Hochschulen des Landes Hessen, Reihe I : Gießener Abhandlungen zur Agrar- und Wirtschaftsforschung des europäischen Ostens, Bde. 131, 133, 134 und 152). Zentrum für kontinentale Agrar- und Wirtschaftsforschung, Gießen. In Kommission bei Duncker & Humblot, Berlin (West). In rascher Folge sind bisher vier Bände der „Regesten zur Geschichte der Slaven an Elbe und Oder" erschienen. Sie sind ein Teilergebnis langjähriger Arbeiten unter der Leitung von Herbert Ludat. Diese hatten zum Ziel, für das slawisch-deutsche Kontaktgebiet zwischen Saale/Elbe im Westen, Oder im Osten, der Ostsee im Norden und dem Erzgebirge im Süden in der Zeit zwischen Einwanderung der Slawen in diesen Raum (6. Jh.) und dem Beginn der Kolonisation (12. J h . ) sowohl die Quellen in Regestenform als auch die wissenschaftlichen Forschungsergebnisse der Historiker, Archäologen und Sprachwissenschftler zugänglich zu machen. Dies ist in bemerkenswerter Weise gelungen. Teil I bietet ein umfangreiches Literatur- und Quellenverzeichnis, das sich auf den gesamten Zeitraum des Regestenwerkes vom 6. —12. J h . bezieht. Die Fülle des erfaßten Materials ist beeindruckend. Neben den deutschsprachigen Arbeiten sind auch die Ergebnisse der tschechischen und polnischen Forschungen berücksichtigt. In dem in Teil I enthaltenen Vorwort verweist H. Ludat auf die vielen unterschiedlichen Publikationen und Diskussionen in den letzten 30 Jahren, die das große Interesse an der Frühgeschichte des slawisch-deutschen Kontaktgebietes zwischen Elbe und Oder zeigen, so daß es erforderlich wurde, die Quellen in der gewählten Form der Regesten zugänglich zu machen und die sich darauf beziehende Literatur aufzuarbeiten. Begonnen wird in Teil I I mit der Veröffentlichung der Regesten vom J a h r 900 bis 983. (Die

E.

HEXELSCHNEIDER,

Russische Volksdichtung

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Regesten f ü r die Zeit bis 900 sollen zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht werden.) Jedes Regest ist in vier Abschnitte eingeteilt. In Abschnitt I steht der Regesttext, in I I folgen die Quellenangaben. Der Abschnitt I I I bietet weiterführende Literatur und vor allem die Anmerkungen zu den im Regesttext enthaltenen Eigennamen und besonderen Termini. Hierbei sind f ü r den Namenforscher die erfolgten Identifizierungen, besonders der urkundlichen Erwähnungen der Ortsnamen mit den heutigen bzw. vergangenen örtlichkeiten, die Zusammenstellung der jeweiligen Literatur, worunter auch die namenkundliche enthalten ist, von besonderem Interesse. Auf kontroverse Meinungen wird öfters hingewiesen, so daß der interessierte Forscher in die Lage versetzt wird, den unterschiedlichen Meinungen nachzugehen. In Abschnitt IV erfolgt dann eine zusammenfassende Darlegung des neuesten Forschungsstandes. Nachdem in Teil III der Zeitraum von 985 — 1013 erfaßt ist, wird mit Teil IV der Regesten, die sich auf die Zeit von 1013 — 1057 erstrecken, ein vorläufiger Abschluß erreicht. Wie aus dem Vorwort zu diesem Band zu erfahren ist, sollen die Arbeiten zwar bis ins 12. Jh., den Beginn der mittelalterlichen Kolonisation, förtgeführt werden, doch ist als nächster Teil erst einmal ein Namenregister zu erwarten, das dem Benutzer den Zugang zu den bisher publizierten Quellen u n d Literaturangaben erleichtern wird. Bereits die erschienenen vier Bände der Regesten bringen ein reichhaltiges u n d wertvolles Material f ü r die Siedlungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte der zwischen Elbe und Oder siedelnden slawischen Stämme und ihre Beziehungen zu den Nachbarmächten, das von Vertretern verschiedener Disziplinen dankbar genutzt werden wird. Auch der Namenforschung, die zur Erhellung der Sprach- und Siedlungsgeschichte dieses Raumes beitragen will und kann, bieten die Regesten in der vorliegenden Form eine große Hilfe. S. Wauer

Beiträge zur russischen der Abteilung für Slav. der Freien Universität Berlin [West] 1987, 175

Volksdichtung. Herausgegeben von K.-D. S e e m a n n ( = Veröffentl. Sprachen und Literaturen des Osteuropa-Instituts [Slav. Seminar] an Berlin, Bd. 63). In Kommission bei Otto Harrassowitz, Wiesbaden; S.

Klaus-Dieter Seemann als Herausgeber dieser — sagen wir es vorab — sehr verdienstvollen Edition vornehmlich f ü r die deutschsprachigen Länder beschreibt eingangs die Situation, wie sie sich in der Forschung wohl der meisten Länder herausgebildet h a t : „Die Trennung von Literaturwissenschaft und Volkskunde nach ihren Forschungsgegenständen Literatur und Volksdichtung resp. Folklore ist inzwischen perfekt geworden." (S. 7) Seemann führt Adolf Stender-Petersen an, der sich 1957 in seiner „Geschichte der russischen Literatur" quasi dafür entschuldigte, daß die russische Volksdichtung nicht mehr mit dargestellt wurde. Nun, ganz so bescheiden und zurückhaltend muß man es im nichtslawischen Ausland heute wohl nicht halten. Und deshalb setzt die von DDR-Wissenschaftlern jüngst herausgegebene „Geschichte der russischen Literatur von den Anfängen bis 1917" in ihrem ersten Band (Berlin—Weimar 1986) in einer breiten kulturhistorischen Sicht sehr wohl die russische Folklore mit an den Beginn der altrussischen Kultur überhaupt, ohne selbstverständlich ein Gleichheitszeichen zwischen Volksdichtung und Literatur zu setzen. Die deutschsprachigen Zusammenfassungen zur russischen Folklore-Geschichte und -Entwicklung lassen sich (sieht man von Untersuchungen einzelner Gattungen ab) an weniger als an fünf Fingern abzählen. Im Grunde sind es drei Schriften: K. D. Zelenins grundlegende „Russische (ostslavische) Volkskunde" (1927), W. Köppes kurzer, kaum bekannter Lehrbrief „Russische Volksdichtung" (1958) und V. I. Öiöerovs Vorlesungszyklus von 1954 — 1956 „PyccKoe HapoHHoe TßopqecTBo" in der gekürzten und bearbeiteten Fassung unter dem Titel „Russische Volksdichtung" (1968) (Die kritische Bemerkung von Barbara Krader, S. 150, Anm. 48, über angeblich im Text nicht vermerkte Bearbeitungskriterien ist unzutreffend, vgl. die Vorbemerkung des Redakteurs, S. 9/10). Um so wichtiger wird vorliegendes Kompendium, zumal die russische Volksdichtung im akademischen Lehrbetrieb offensichtlich fast völlig verschwunden oder bestenfalls in den fakultativen Bereich verbannt ist. Wer hat z. B. bei uns im wissenschaftlichen Nachwuchs noch fundierte Kenntnisse über russische Folklore? Ohne sie aber kann — wie auch Seemann S. 8 deutlich macht — russische Literatur bis in die Gegenwart hinein einfach nicht ausreichend begriffen werden. Die Edition ist aus einem Vortragszyklus über russische Volksdichtung an der Freien Universität Berlin (West) hervorgegangen, der vornehmlich Einführungscharakter getragen hatte. I n acht

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Beiträgen werden wichtige Gattungen der russischen Folklore behandelt, wie Sprichwörter^1 Rätsel, Märchen, Bylinen, Volksballaden und Brauchtumslieder. Vieles wurde ausgeklammert, so bedauerlicherweise das lyrische Lied („Brauchtumslieder im weiteren Sinne" bei Seemann, S. 9), das Volksdrama, die öastuäka, geistliche Lieder und leider auch das historische Lied. Das Ergebnis ist trotz dieser Desiderata beeindruckend. Mit der vorliegenden Schrift ist zwar kein neuer, etwa gar systematischer Kurs über russische Volksdichtung, dennoch aber ein für Lehrzwecke sehr wohl nutzbares Material entstanden. Das zeigen besonders der strukturalistisch orientierte Beitrag von Friedrich S c h o l z „Methoden der Analyse des Volksmärchens" (S. 75ff.) sowie die Aufsätze von Barbara K r a d e r „Russische dörfliche Hochzeitslieder und die Gattung der Klagen" (S. 136ff.) und Susanne Z i e g l e r „Russische Brauchtumslieder im Zyklus des Jahres" (S. 155, stärk an Ciöerov angelehnt), die Volksdichtung als synkretistische und synthetische Kunst mit ihren Bezügen zum musikalischen Vortrag bzw. zum Brauchtum untersuchen. Alle Autoren sind — wenn auch durchaus nicht nach einem einheitlichen Schema — bemüht, den jeweiligen Stand der Forschung in seiner historischen Genesis und aktuellen Situation zu charakterisieren und eigene Positionen zu entwickeln. Einzig Georg M a y e r begnügt sich in seinem Aufsatz „Die russischen Bylinen im Spiegel der Forschungsgeschichte" (S. 112ff.) mit einer Darstellung der verschiedenen Konzeptionen. Sehr gut gearbeitete, auf die wesentlichen Texteditionen und andere Publikationen konzentrierte Bibliographien ergänzen die jeweiligen Kapitel. Ein Vorzug aller Darstellungen ist, daß die Verfasser oft weit über den Rahmen der russischen Folklore hinausgehen und diese nicht nur oft in einen slawischen Rahmen, sondern auch in den gesamteuropäischen Kontext stellen. Vor allem wird nach der Eigenständigkeit der einzelnen Folkloregattungen und der Folklore schlechthin gefragt, ohne daß ihr synkretischer Charakter etwa dabei verlorenginge oder notwendige Bezüge und Verbindungslinien übersehen würden. Charakteristisch gerade in dieser Beziehung ist Karl E i m e r m a c h e r s sehr diffizile Analyse über „Aspekte des literarischen Märchens in Rußland" (S. 92ff.), die ihn nach einem sehr detaillierten und scharfsinnigen Vergleich von A. S. Puskins Märchen vom Zaren Saltan mit den entsprechenden Volksmärchen, wie sie A. N. Afanas'ev verzeichnet, zu dem Ergebnis bringt, dieser liege u. a. in dem „Unterschied zwischen dem Prinzip der einfachen Variation mit Tendenz zur Reduktion und Stereotypisierung im Volksmärchen und dem von PuSkin extensiv genutzten Variationsprinzip" (S. 102). Ausführlicher untersucht Eimermacher auch die Märchen von P. P. Ersov, VI. Dal' und V. A. 2ukovskij; vor allem fragt er dabei nach dem Verhältnis von „narodnost'" und „literaturnost'" und zieht den Schluß im Vergleich zu Schriftstellern des 18. Jh., wie N. M. Karamzin u. a., „daß es seit 1825/30 um eine Literarisierung von Volksmärchen, im 18. Jahrhundert jedoch um eine Folklorisierung der Literatur geht und daß ... eine klare Tendenz zur Gattungsreinheit (z. B. durch das Merkmal der „skazoönost'") gibt, während für das 18. Jahrhundert gerade die Gattungsmischung, die Verwischung von Gattungsgrenzen charakteristisch ist." (S. 110) Eimermacher folgert daraus: „ E r s t an seinen (2ukovskijs — E. H.) Werken läßt sich nachweisen, daß die Volksdichtung nicht mehr nur als Materialreservoir für Motive usw. betrachtet wurde, sondern auch jede Gattung für sich als ein eigenständiges normatives System fungiert, das bei jeder Art von Literarisierung wert war, nach Möglichkeit in seinen Grundcharakteristika erhalten zu werden. In diesem Sinne stellen seine an der Volksdichtung orientierten Werke einen radikalen Bruch mit der Praxis des 18. Jahrhunderts dar und bildet sein Schaffen in diesem Bereich eine der wesentlichsten Voraussetzungen für die Symbiose von Volksdichtung und Literatur bei P U S K I N . " (S. 110) Derartige neuartige Forschungsansätze finden sich öfter, vor allem wenn — aufbauend auf den Leistungen sowjetischer Forscher, besonders von V. Ja. Propp — mit Hilfe struktureller Methoden oder der Semiotik vorgegangen wird. Dagmar B u r k h a r t z . B. befaßt sich in zwei Aufsätzen mit den epischen Kleinformen des Sprichworts und des Rätsels („Die semiotischen Dimensionen des russischen Sprichwortes", S. 13ff. und „ H E P h h ü KOHb npbiPAeT b oroHb — Zur Geschichte und Struktur des russischen Volksrätsels", S. 30ff.) und formuliert als ein Resultat: „Untersucht man beide (Sprichwörter und Rätsel — E. H.) nach Kriterien der funktionalen Satzperspektive — nach topic und comment oder Thema-/Rhema-Kategorien —, stellt sich heraus, daß Rätsel(frage) und Sprichwort strukturell nicht unterschiedlich sind: Beide bestehen aus einem oder mehreren topics und einem oder mehreren comments . . . Beiden gemeinsam ist die metaphorische Verhüllung einer Bedeutung. Während das Rätsel aber in der Regel einen Gegenstand beschreibt, drückt das Sprichwort ein Urteil aus, bringt eine (soziale) Situation oder Beziehung auf den Nenner." (S. 63) Zwei entgegengesetzte Sprachhandlungen, nämlich die Spezifizierung im Rätsel und die Generalisierung im Sprichwort sind das Resultat (vgl. S. 64).

E . HEXELSCHNEIDER,

CoBeTCKan JiHTepaTypa

B

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c0BpeMeHH0M MHpe

Am deutlichsten ist die ursprüngliche Vortragsform noch in Wolfgang G e s e m a n n s Beitrag „Zur Motivik der russischen Volksballade als Gattungskonstituente" (S. 124ff.) bewahrt. Mit einer Reihe von Beispielen sucht der Autor deutlich zu machen, daß offenbar das „Patiensprinzip" ein Universalprinzip der Balladen sein könnte: „Die Balladenfiguren sind Leidende, an denen sich das Schicksal stellvertretend f ü r uns alle vollzieht. Der Mensch, auch wenn er aktiv die Hybris heraufbeschwört, ist und bleibt Spielball der Natur, der Triebe, vorgegebener Normen und des Zufalls." (S. 128) Inwieweit das für den Gesamtbereich der russischen Ballade stimmt, läßt G. fragend offen, weil dazu eine vergleichende Balladenforschung unabdingbar ist. E.

Hexelschneider

JI. r. OE^OCEEBA,

CoBBTCKftH JiHTepaTypa B coBpeineHHOM MHpe. IIpoßjieMH BocnpuHTHH 3apy6e>KHLiMH iHTaTejiHMH. MaflaTejibCTBO „ H a y n a " , MocKBa 1987, 268 S.

Zu den vielen Arbeiten über die Aufnahme und die Wirkungen der Sowjetliteratur in der Welt gesellt sich die vorliegende Monographie, mit der Vfn. sowohl im Umfang des erfaßten Materials als auch in der Art des Herangehens Neuland beschritten hat. Sie geht weltweit vor und rückt das Echo in den Vordergrund, das die Sowjetliteratur bei den Lesern des Auslandes findet, während gleichartige Schriften vor ihr nach Ländern oder regional vorgingen und sich dabei vornehmlich auf Äußerungen von Schriftstellern, Kritikern und Wissenschaftlern beschränkten. Vfn. stellt sich damit ein sehr anspruchsvolles Ziel. Sie möchte (S. 17) die Besonderheiten der Rezeption wesentlicher ideologischer, kulturwissenschaftlicher und ethisch-ästhetischer Aspekte der Sowjetliteratur in sozialistischen, kapitalistischen und in Entwicklungsländern herausfinden sowie die verschiedenen Leserkategorien im Ausland bestimmen. Als Materialbasis dienen ihr außer Meinungen von Ausländern in der sowjetischen Presse schriftliche Befragungen von 5000 Kursteilnehmern, die sich in russischer Sprache und Literatur in einjährigen Weiterbildungskursen am Moskauer Puäkin-Institut in den Jahren 1974—1980 weitergebildet haben. Ihnen wurden (S. 17) mehr als 30 Fragen vorgelegt, von denen Vfn. allerdings nur vier publiziert. Genauere statistische Angaben oder Tabellen über die nationale Herkunft oder die Berufs- und Altersstruktur der Befragten werden freilich nirgends angeführt. Vfn. begnügt sich damit, die Materialien im laufenden Text zumeist ohne Zitatbeleg und mit äußerst dürftigen Angaben zur Person — bestenfalls Beruf und Land — anzuführen. Das aber schränkt den Wert der Untersuchung leider ein, denn es wird nicht deutlich, wie repräsentativ die im Text angeführten Meinungen sind, da nur selten erkennbar wird, daß es auch vom Konzept der Vfn. abweichende Meinungen gibt (was ja nichts Negatives sein muß). Materialbasis waren im Einjahreskurs des genannten Zeitraums auch die Ergebnisse von jeweils zwei Kontrollarbeiten pro Kurs, wobei Vfn. offenläßt (S. 17/18), welche Themen gestellt wurden. Weiterhin nutzt Vfn. Erlebnisse und Beobachtungen während vieler Gastvorlesungen und -Vorträge im Ausland sowie Diplomarbeiten von Ausländern aus Entwicklungsländern zur sowjetischen Literatur an der Lumumba-Universität Moskau. Zeithorizont ihrer Analyse sind die 70er Jahre, wobei auch auf die vorhergehenden anderthalb Jahrzehnte zurückgegriffen wird. Methodologisch stützt sich Vfn. vornehmlich auf N. A. Rubakin, wenngleich auch rezeptionsästhetische Arbeiten der D D R und der B R D genannt werden. Das 1. Kapitel ist dem „Historismus" der Aufnahme der Sowjetliteratur gewidmet, wobei Vfn. hier — wie auch sonst im Verlauf ihrer Darstellung — zwischen wissenschaftlicher Analyse und Erzählton schwankt. Eine Historisierung der Etappen der Aufnahme von Sowjetliteratur bleibt im Bekannten stecken; die Liste der aufgeführten Schriftstellernamen ist traditionell, was natürlich mit der Entstehungszeit der Arbeit vor dem Erneuerungsprozeß ab 1985 in der UdSSR zusammenhängt. I m 2. Kapitel, das sich mit der Struktur und Spezifik der Aufnahme sowjetischer Literatur im Ausland befaßt, geht Vfn. von der richtigen These aus, daß gerade die Rezeption der Sowjetliteratur, der Griff des Lesers zu ihren Werken in entscheidendem Maße bestimmt wird durch ihr Verhältnis zur dargestellten sowjetischen Wirklichkeit, die beim Leser entsprechende soziale und emotionale Vorstellungen über die Lebensweise in der Sowjetunion hervorruft. Vfn. macht dabei zu Recht auf den außerordentlich komplizierten und widersprüchlichen ideellen und ästhetischen Aneignungsprozeß aufmerksam (S. 50). Sie äußert die durchaus richtige Idee, daß der Leser im Ausland die Literatur oft auch als Informationsträger über das Leben in der Sowjetunion ansieht, weil er es aus unmittelbarer Anschauung nicht kennt, und zugleich häufig im Banne einer Kritik steht, die den Aneignungsprozeß fördern oder hemmen kann.

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I n den Kapiteln 3—5 beschäftigt sich Vfn. ausführlich mit der Verbreitung der Sowjetliteratur in den sozialistischen Ländern, in den kapitalistischen Industriestaaten und in den Entwicklungsländern. Hier stößt sie aber trotz ihrer großen Befragungsmaterialien auf Grenzen einer solchen individuellen Untersuchung, da die Rezeptionsforschung zu einzelnen Ländern und Regionen noch sehr unterschiedlich entwickelt ist und die von der Vfn. angestrebten größeren Verallgemeinerungen derzeit offenbar k a u m möglich sind. Vfn. greift deshalb auch oft zu illustrierenden Zitaten, die über diese Klippen hinweghelfen sollen, zumal die drei Kapitel in sich weder zeitlich noch regional gegliedert sind. Daneben aber bringt sie beachtliche Materialien über die Rezeption in Asien, vor allem in China, J a p a n und der K D V R , behandelt erstmalig — soweit ich es jedenfalls überschaue — ausführlich die Literaturrezeption in Entwicklungsländern (vornehmlich in Afrika und Asien), wobei sie die Rolle der in der Sowjetunion ausgebildeten Studenten f ü r diesen Prozeß hervorhebt und besonders die Rolle Gor'kijs f ü r die Rezeption in diesen Ländern würdigt. Bei den kapitalistischen Staaten entwickelt sie ausführlich ein Modell, mit dem sie die Kontrolle durch den reaktionären Flügel der Sowjetologie (S. 121 ff.) nachweisen will, die — bei aller Differenziertheit im einzelnen — über die wissenschaftlichen Zentren, die Verlage, die lernende J u g e n d ausgeübt wird. Hier werden zweifellos zutreffende Tendenzen und der Mechanismus der geistigen Manipulierung erfaßt und auch positive Ansätze gesehen, die in der bürgerlichen Wissenschaft u n d der öffentlichen Meinung vorhanden sind und sich heute immer deutlicher abzeichnen. Ob sich das alles freilich in der vorgenommenen Weise wirklich universal und weltweit modellieren läßt, m ü ß t e anhand von Einzelanalysen gründlicher ü b e r p r ü f t werden. Das 6. Kapitel befaßt sich mit der Klassifikation der Leser. Vfn. geht sehr zu Rächt von dem hohen Wirkungspotential aus, das den besten Werken sowjetischer Literatur innewohnt, und bet o n t auch jene Fernwirkungen, die die russische klassische Literatur (S. 203) auf Leserinteresse und Leserurteile ausübt. Aufgrund ihres Materials hebt sie folgende Gruppen hervor: Russisten, Schriftsteller, Übersetzer, Kritiker und (hier eben wird es sehr allgemein) den sogenannten breiten Kreis der Leser (S. 191). Dieses entscheidende Kapitel bleibt leider sehr traditionell. Das abschließende 7. Kapitel untersucht dann noch die Aufnahme des positiven Helden durch den ausländischen Rezipienten. Der Wert der vorliegenden Monographie liegt m. E. in der großen Materialfülle. Vfn. f ü h r t die Äußerungen herausragender Persönlichkeiten der internationalen Arbeiterbewegung, die sie zumeist selbst interviewt hat, ebenso an wie die positiven Meinungen von Schriftstellern, Kritikern und an sowjetischer Literatur interessierten Laien (wobei andere Auffassungen bei den befragten Personen k a u m angeführt werden). E s überwiegen die zustimmenden Äußerungen aus vieler Herren Länder. Das ist sicher durchaus gerechtfertigt, wenngleich Vfn. auch deutlich macht, wo in größeren Teilen der Welt Barrieren errichtet werden, etwa in den kapitalistischen Ländern durch das erwähnte System der Manipulierung, aber auch in Entwicklungsländern durch die noch weitgehende Begrenzung auf die Leserschicht der Intelligenz. Insgesamt wird das Werk zu einer Fundgrube f ü r positive Stimmen zur Sowjetliteratur in der heutigen Welt. Weitergehende Befunde müssen freilich weiterführenden Untersuchungen vorbehalten bleiben. E.

S. VUKOMANOVIÖ, 164 S.

Jezik,

Hexelschneider

druätvo, n a c i j a ( = Jugoslovenska revija 1987). Beograd 1987,

Die Beziehungen zwischen Sprache, Nation und Gesellschaft sind f ü r die jugoslawische Gesellschaft von besonderem Interesse, da sie hier schon über mehrere J a h r e hinweg Gegenstand von Diskussionen sind, in denen mitunter durchaus Meinungsverschiedenheiten wissenschaftlicher und anderer Art auftreten. Dies alles ist nichts Ungewöhnliches, da es sich doch um einen S t a a t handelt, in dem neben Serbokroatisch, Makedonisch u n d Slowenisch weitere 14 Sprachen anderer Nationalitäten gesprochen werden. Wir haben es also mit einer sehr differenzierten Sprachsituation zu tun, die das Zusammenleben verschiedener Völker auf der Grundlage der jugoslawischen Konzeption widerspiegelt. V. untersucht diese Sprachsituation, wobei er von der Bestimmung des Wesens der Sprache und ihrer gesellschaftlichen Wirkung sowie von der Definition der Begriffe „Volk", „ N a t i o n " und „ S p r a c h e " unter jugoslawischen Bedingungen ausgeht und im letzten Abschnitt auch auf Schwierigkeiten bei der Normierung der serbokroatischen Literatursprache hinweist.

B.

CIGOJA,

Jezik, druätvo, nacija

471

In der Einleitung gibt Verf. einen Überblick über die Entwicklung von Sprache und Sprachtheorie, von sehr früher Zeit bis zur Gegenwart (Veda-Texte, antike Sprachtheorien, Auffassungen von Marx und Engels über die Sprache, Strukturalismus sowie neueste Sprachtheorien). V. aktualisiert einzelne wissenschaftliche Prämissen und konfrontiert diese mit der gegenwärtigen Sprachsituation, wobei er die treffendsten Beispiele findet, wenn Sprache in unmittelbarer Beziehung zu Gesellschaft und Nation steht. Er vertritt die These von A. Belic, wonach das wirklich Beständige in der Sprache die Veränderungen sind, und führt gesellschaftliche Situationen an, die dies deutlich illustrieren. Meinungsunterschiede bezüglich der Definition der Termini „Nation" und „Volk" gehen mitunter auf Differenzen in der Beurteilung sprachlicher Fragen zurück. V. spricht von der begrifflich-terminologischen Dichotomie Volk — Nation. Diese beiden Begriffe würden häufig wegen „der unzureichenden semantischen Explizierung der Termini" vermischt. Er nimmt eine Analyse ihrer Verwendung in den einzelnen Zeitabschnitten der Entwicklung Jugoslawiens vor. V. sieht im Wirken religiöser und politischer Faktoren in den einzelnen geschichtlichen Zeitabschnitten den Grund dafür, daß sich keine einheitliche jugoslawische Nation formieren konnte. Weiterhin beschäftigt sich V. mit der aktuellen Situation des Serbokroatischen in den letzten 40 Jahren. Auch in diesem Zeitabschnitt war die Sprache Gegenstand politischer Manipulationen seitens einzelner Personen oder auch ganzer Gruppen. Eine solche „falsche" Verwendung ist für multinationale Staaten außerordentlich gefährlich. In diesen Sprachkonflikten gerät die Sprache häufig über die Grenzen ihrer kommunikativen Funktion hinaus und wird sowohl „Mythos als auch Realität". Verf. analysiert die jugoslawischen vertraglichen Regelungen zur Verwendung des Serbokroatischen, besonders den in der Nachkriegszeit getroffenen Vertrag von Novi Sad (1954). Im abschließenden Abschnitt wird die gegenwärtige Sprachsituation in Jugoslawien behandelt, wobei V. auf die verschiedenen Bezeichnungen für das Serbokroatische eingeht. Verf. setzt sich für eine Regelung ein, die beide sprachliche Varianten berücksichtigt, wobei er davon ausgeht, daß in der SR Kroatien als Schriftsprache Kroatoserbisch und in der SR Serbien Serbokroatisch verwendet wird. In den übrigen beiden Republiken, Bosnien und Herzegowina und Montenegro, sollte entweder eine dieser beiden Bezeichnungen übernommen oder aber beide Bezeichnungen synonym verwendet werden. Auf diese Weise würde die Dominanz einer dieser Varianten ausgeschlossen. Dieser Standpunkt weist Verf. als hervorragenden Kenner der Sprachsituation in Jugoslawien und der diesbezüglichen aktuellen Meinungsverschiedenheiten aus. Eine präzise terminologische Abgrenzung ist unumgänglich, will man den Differenzen in der Sprache den Boden entziehen. V. greift zahlreiche grundsätzliche sprachliche Probleme und Probleme der Sprachpolitik im Kontext der Situation in Jugoslawien auf und vergleicht diese mit der Situation in anderen Ländern. Das Buch ist ein bemerkenswerter Beitrag zu der an größeren Publikationen immer noch recht armen slawistischen Soziolinguistik. B. Cigoja

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Z. Slawistik, Bd 34, H l 8

Z. Slaw. 34 (1989) 3, 4 7 2 - 4 7 3

Gedenktage Kurt Gabka 65 Jahre Am 18. August 1989 begeht Prof. Dr. sc. phil. K u r t Gabka seinen 65. Geburtstag. Nach dem Studium der Slawistik (vor allem bei W. Freymann, H . H . Bielfeldt, W. Steinitz) u n d der Germanistik (u. a. bei F. Tschirch) an den Universitäten Greifswald und Berlin (1948 — 1952) galt sein wissenschaftliches Interesse vor allem der russischen Sprache in Gegenwart und Vergangenheit. K . Gabka h a t sich stets mit Erfolg neben aller gebotenen Spezialisierung um die Zusammenführung von Erkenntnissen aus linguistischen Teildisziplinen bemüht. Dies dokumentierte er in seiner über dreieinhalb J a h r z e h n t e währenden umfangreichen Lehrtätigkeit, in der er Vorlesungen und Seminare zum Altkirchenslawischen, zur Geschichte der russischen Sprache und der russischen Literatursprache, zur altrussischen Literatur, zur Einführung in die Sprachwissenschaft und zu allen Teildisziplinen der russischen Sprache der Gegenwart hielt. Seine Forschungstätigkeit (vgl. die 1990 in der Wissenschaftlichen Zeitschrift der Ernst-Morit,zArndt-Universität Greifswald erscheinende Bibliographie seiner über 220 Publikationen) wie auch zahlreiche von ihm inspirierte wissenschaftliche Arbeiten sowohl zu speziellen Problemen der sprachlichen Teilsysteme als auch zu verbindenden u n d übergreifenden Fragen legen hierfür beredtes Zeugnis ab. So beschäftigte er sich mit der Phonetik, der Morphologie, der Lexikologie u n d der Funktionalstilistik, während die Syntax der russischen Sprache der Gegenwart sein bevorzugter Forschungsgegenstand wurde. Dabei verband K . Gabka neue, meist einzelsprachlich gewonnene Erkenntnisse mit methodologischen und metatheoretischen Fragestellungen sowie m i t kritischen Auseinandersetzungen. Das verdeutlichen besonders seine 1956 als Dissertation verteidigten „Untersuchungen zur H y p o t a x e im Altrussischen", seine 1960 abgeschlossene Habilitationsschrift zum Wortgebrauch I v a n Groznyjs im Bereich des Psychischen sowie seine Monographie „Theorien zur Darstellung eines Wortschatzes. Mit einer Kritik der Wortfeldtheorie" (Halle 1967). Seit seiner Berufung zum Professor f ü r Slawistik an der Greifswalder Universität (1. 9. 1963) sowie der erfolgten Ernennung zum Direktor des dortigen Instituts f ü r Slawistik (1. 1. 1964) widmete sich K . Gabka mit der ihm eigenen Energie und Umsicht verstärkt auch der Lehre, Wissenschaftsleitung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, u. a. auch in seiner Funktion als Prorektor f ü r den wissenschaftlichen Nachwuchs. I n dieser Funktion initiierte er die Hochschulpädagogischen Tage und zeichnete f ü r die ersten beiden H e f t e mit Ergebnissen dieser inzwischen traditionsreichen Weiterbildungsveranstaltungen des wissenschaftlichen Nachwuchses der ErnstMoritz-Arndt-Universität verantwortlich. Mit Übernahme des Direktorats der 1968 gegründeten Sektion Sprach- und Literaturwissenschaft, in der neben dem ehemaligen I n s t i t u t f ü r Slawistik auch jene f ü r Anglistik, Romanistik und vergleichende Sprachwissenschaft sowie die damalige Abteilung Fremdsprachen aufgingen, wuchsen für K . Gabka die Aufgaben in Wissenschaftsleitung u n d -Organisation beträchtlich. Seine 1967 erfolgte Berufung zum Vizepräsidenten der M A P R J a L und Vorsitzenden des Nationalkomitees dieser Assoziation in der D D R war einerseits Würdigung u n d Anerkennung der internationalen Bedeutung der DDR-Russistik u n d der Leistungen des Jubilars, brachte andererseits f ü r ihn aber auch erhöhte internationale Aufgaben im Leitungsgremium dieser Assoziation. K . Gabka vermochte es in seinem 19jährigen Wirken als Vizepräsident, Arbeit und Wirkungsweise der M A P R J a L mitzugestalten u n d die Russistik der D D R aktiv zu vertreten. I n seinem Vortrag auf der I. Internationalen Konferenz der Lehrkräfte f ü r russische Sprache u n d Literatur 1969 in Moskau griff K . Gabka bereits so wichtige Fragestellungen wie die Verbindung v o n sprachpraktischen u n d theoretischen Kenntnissen über die Sprache und die Berücksichtigung der Muttersprache der Lernenden bei der Konzipierung eines Lehrbuchs f ü r die Russischlehrerstudenten der D D R auf. Diese Überlegungen wurden auf dem I I . Internationalen Kongreß der M A P R J a L 1973 weitergeführt. Auf dem I I I . Kongreß 1976 konkretisierte K . Gabka seine lehrmethodischen Positionen am Beispiel der Beschreibung des Satzgefüges aus der Sicht der Valenztheorie. Der IV. Kongreß 1979 in Berlin, dessen Vorbereitung und Durchführung K . Gabka die Pflichten eines stellvertretenden Vorsitzenden des Internationalen u n d des Nationalen Organisationskomitees auferlegte, sah ihn als Mitautor u n d Referenten eines Hauptvortrages, in dem von ihm

H.

BARTEN

— M.

NIEMEYER,

Kurt Gabka 65 Jahre

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insbesondere die Rolle des Lehrers bei der Vermittlung der russischen Sprache herausgearbeitet wurde. Die Bedeutung theoretischer Kenntnisse über die Muttersprache bei der Erlernung des Russischen wurde von ihm auf dem V. Kongreß 1982 in Prag betont, während er auf dem VI. MAPRJaLKongreß 1986 in Budapest die Federführung bei der Erarbeitung des sprachwissenschaftlichen Sektionsvortrages hatte. Vom Jubilar, der zahlreiche internationale Konferenzen initiierte und mitgestaltete, so u. a. die Konferenzen der Redakteure der Zeitschriften für russische Sprache und Literatur, gingen vielfältige Impulse für die wissenschaftsorganisatorische und völkerverbindende Tätigkeit der MAPR J a L aus. Wesentlichen Anteil hatte K. Gabka auch an der Vorbereitung und wissenschaftlichen Gestaltung der Konferenz zum 150. Geburtstag von F. Engels unter dem Thema „Der Beitrag von Friedrich Engels zur Entwicklung der wissenschaftlichen Sprachtheorie und aktuelle Probleme der marxistisch-leninistischen Sprachwissenschaft" im Jahre 1970 in Sellin, auf der er einen der Hauptvorträge hielt. In jener Zeit entwarf ein Redaktionsrat unter der Leitung von K. Gabka ein auf vier Bände angelegtes Hochschullehrbuch zur russischen Sprache der Gegenwart, das mehrere Auflagen erlebte (außerdem erschien eine Lizenzausgabe für zwei Bände in der BRD) und nunmehr — ebenfalls unter der Federführung von K. Gabka — durch eine Neubearbeitung und vier ergänzende Übungsbände mit Kommentaren abgelöst wird. Neben der Gesamtredaktion machte sich K. Gabka vor allem als Mitautor der Bände I (Einführung, Phonetik/Phonologie) und I I I (Syntax) verdient. Dabei wird ein Aspekt der Tätigkeit K. Gabkas besonders deutlich — die Ausrichtung der wissenschaftlichen Arbeit auf die Lehre, auf die Bedürfnisse der gesellschaftlichen Praxis der Russischlehrerausbildung. Diesem Ziel diente auch die von K. Gabka geleitete Fortsetzung der unter F. Liewehr 1961 begonnenen Reihe „Beiträge zu einem Handbuch für den Russischlehrer" bzw. die Neukonzipierung der „Beiträge zu einem Handbuch für den Fremdsprachenlehrer" (von 1975 — 1986 fünf Lieferungen unter Leitung und mit spezifischen Beiträgen von K. Gabka), in denen Russisten, Anglisten und Romanisten neue sprach- und literaturwissenschaftliche, methodische und landeskundliche Erkenntnisse und Erfahrungen aus der sprachpraktischen Arbeit für den Fremdsprachenlehrer aufbereiteten. 1984 wurde unter K. Gabkas Leitung eine internationale wissenschaftliche Konferenz aus Anlaß des 50. Gründungstages des Greifswalder Instituts für Slawistik durchgeführt, auf der von einem breiten Teilnehmerkreis neueste Erkenntnisse der Sprachwissenschaft, der Methodik, der Landeskunde sowie der fachsprachlichen Lehre und Forschung vorgetragen wurden. Neben seiner umfangreichen Tätigkeit als Direktor der o. g. Sektion (bis 1985) und als Vizepräsident der MAPR J a L (bis 1986) wirkte K. Gabka auch in verschiedenen anderen zentralen Gremien, so u. a. im Rat für Sprachwissenschaft der DDR, im Beirat für Kunst-, Kultur- und Sprachwissenschaft beim MHF, in der Zentralen Fachkommission für die Russischlehrerausbildung und im Beirat für Fremdsprachen der APW. Aufmerksamkeit verdient auch seine zielstrebige Arbeit mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs unterschiedlicher Philologien und philologischer Disziplinen (Russistik, Polonistik, Bohemistik, Literaturwissenschaft und Methodik). Als Ergebnis dieser wissenschaftspolitisch wichtigen Aufgabe wurden über 50 von ihm betreute und begutachtete Dissertationen A und B verteidigt, wobei 18 dieser Wissenschaftler inzwischen selbst als Hochschullehrer tätig sind. Für seine wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Leistungen wurde K. Gabka hohe Ehre zuteil. So erhielt er im Jahre 1974 den Vaterländischen Verdienstorden in Bronze, 1979 (im Kollektiv) die Auszeichnung mit dem Orden „Banner der Arbeit" (Stufe III), 1967 die Verdienstmedaille der DDR, 1972 die Dr.-Theodor-Neubauer-Medaille in Silber sowie 1979 die Puschkin-Medaille der MAPR JaL. Ohne hier eine vollständige Würdigung des bisherigen Wirkens des Jubilars vornehmen zu können, sei zum Schluß gesagt, daß K. Gabka in seinem gesamten Wirken als Hochschullehrer seine ganze Kraft für den Fortschritt in Wissenschaft und Gesellschaft und für die Festigung der deutschsowjetischen Freundschaft einsetzte. Wir sind davon überzeugt, daß er auch nach dem Ausscheiden aus der Lehrtätigkeit ein von seinen Kollegen stets geschätzter Ratgeber bleiben wird. H. Barten — M.

10*

Niemeyer

Z. Slaw. 3 4 (1989) 3, 4 7 4 - 4 7 8 H. 3 .

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Z. Slaw. 84 (1989) 3

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Autoren und Mitarbeiter dieses Heftes: HERBERT BARTEN, Dr. sc. phil., o. Professor; Wiecker Wende 1a, Greifswald, 2200. BRANKICA CIGOJA, Magister; Gerberstr. 16/724, Leipzig, 7010. MICHAEL DEWEY, Dipl.-Phil.; Liebigstr. 3, Berlin, 1034. ERICH DONNERT, Dr. sc. phil., o. Professor; Eschenweg 4, Halle, 4073. GERHARD D U D E K , Dr. sc. phil., Professor em.; o. Mitglied der Sächsischen AdW zu Leipzig; George-Bähr-Str. 15, Leipzig, 7050. RAINER ECKERT, Dr. sc. phil., Professor; Murtzaner Ring 16, 2/3, Berlin, 1140. ERIKA E H E G Ö T Z , Dr. phil.; Kollwitzstr. 87, Berlin, 1058. CSABA FÖLDES, Dr. phil.; Szivarväny u. 25, H-6725 Szeged. GEORGIJ MICHAJLOVICt FRIEDLÄNDER, Doktor der philolog. Wiss.; 2-ja linija 29/5, SU-199053 Leningrad. ULRIKE GRUBE, Dr. phil.; Karl-Marx-Platz 9, Leipzig, 7010. Z O L T A N G Y Ö R K E , Dr. phil.; Csongrädi sgt. 67/A, I.8., H-6723 Szeged. ERHARD HEXELSCHNEIDER, Dr. sc. phil., o. Professor; Paul-Gruner-Str. 21a, Leipzig, 7010. S O N J A HEYL, Dr. phil.; Riastr. 6, Berlin, 1157. PETER HOFFMANN, Dr. sc. phil.; Florastr. 78, Berlin, 1100. IOSIF Z E L I K O V I C JARNEVSKIJ, Kand. der philolog. Wiss.; Ryleeva N? 1, kv. 12, SU-670034 Ulan-Ude. DETLEF JENA, Dr. sc. phil., Professor; Friedrich-Engels-Str. 50, Jena, 6900. MARTIN KASPER, Dr. sc. phil., Professor; Bolestaw-Bierut-Str. 30c, Bautzen, 8600. PETER KIRCHNER, Dr. phil.; Köpenzeile 144, Berlin, 1170. EDWARD KOWALSKI, Dr. phil.; Dolomitenstr. 44, Berlin, 1100. PETER K U N Z E , Dr. phil.; Preuschwitzer Str. 14, Bautzen, 8600. BIRGIT MAI, Dr. phil.; Zur Nachtheide 129, Berlin, 1170. K Ä R O L Y MORVAY, Dr. phil.; Üllöi üt 124/a II, 33, H-1101 Budapest X . KLAUS MÜLLER, Dr. phil. habil.; Achtermannstr. 51, Berlin, 1100. MANFRED NIEMEYER, Dr. sc. phil., R.-Blum-Str. 5, Greifswald, 2200. K O N R A D O N A S C H , Dr. theol. habil., Dr. h. c., Professor em.; Schleiermacherstr. 44, Halle, 4020. FRANK ORTMANN, Dr. phil.; Rudolf-Breitscheid-Str. 42, Jena-Lobeda, 6902. MICHAEL SCHIPPAN, Dr. phil.; Brückenstr. 1 c, Berlin, 1020. GERHARD SCHLIMPERT, Dr. sc. phil., Professor; Hänselstr. 63, Berlin, 1195. HORST SCHMIDT, Dr. phil. habil., o. Professor; Mozartstr. 25, Halle, 4020. BIRGIT SEIDEL-DREFFKE, Dipl.-Phil.; Warnitzer Str. 7, Berlin, 1090. SOPHIE WAUER, Dr. phil.; Leipziger Str. 56/1001, Berlin, 1080. WILHELM ZEIL, Dr. sc. phil.; Hänselstr. 49, Berlin, 1195. GERHILD Z Y B A T O W , Dr. phil.; Essener Str. 79, Leipzig, 7025.

ZEITSCHRIFT FÜR SLAWISTIK BAND 34

1989

HEFT 3

Inhalt F R I E D L Ä N D E R , G. M., Freiheit und Gesetz. Puskin und die Große Französische Revolution D U D E K , G., Die Französische Revolution im Urteil N. M. Karamzins S C H I P P A N , M., Die Französische Revolution von 1789 und Friedensvorstellungen in Rußland bis 1825 J E N A , D., Die Französische Revolution in den Anschauungen Alexander Herzens D O N N E R T , E., Die Aufstandsbewegung in Kurland vom Jahre 1794 im Wirkungsbereich der Französischen Revolution und des Kosciuszko-Aufstands K U N Z E , P., Die Französische Revolution von 1789 bis 1794 und ihr Widerhall in der Lausitz H O F F M A N N , P., A. N. Radiscev: Neue Materialien — neue Probleme D O N N E R T , E., Johann Christoph Petri (1762 — 1851) als gesellschaftspolitischer Denker S C H M I D T , H., „Geistiges und literarisches Leben in Rußland 1789—1825 und die Französische Revolution" Z Y B A T O W , G., Z u m Status der BBOAHbie cnoßa im Russischen

329 345 352 362 373 389 402 410 416 420

FORSCHUNGSBERICHT flbÉPKE, 3. — H. OÉJIbiQELlJ, OcHOBHbie HanpaBneHna M nepcneKTMBbi MccneAOBaHHfl 4)pa3eonornM pyccKoro «bina B BeHrpHH 427

TAGUNGSBERICHTE E C K E R T , R., Der X . Internationale Slawistenkongreß in Sofia E C K E R T , R., Die Phraseologie auf dem X . Internationalen Slawistenkongreß GRUBE, U., Die ukrainische Sprachwissenschaft auf dem X . Internationalen Slawistenkongreß SCHLIMPERT, G., Die Onomastik auf dem X . Internationalen Slawistenkongreß K I R C H N E R , P. - E. K O W A L S K I - B. MAI, Fragen der Literaturwissenschaft auf dem X . Internationalen Slawistenkongreß KASPER, M. — P. K U N Z E , Die Sorabistik auf dem X . Internationalen Slawistenkongreß Z E I L , W., Fakten und Probleme der Geschichte der Slawistik auf dem X . Internationalen Slawistenkongreß

436 438 442 445 447 450 451

BUCHBESPRECHUNGEN D A W Y D O W , J „ Z w e i Bündel Briefe 455 HcTopiui pyccKoä nMTepaTypbi X I X BeKa 456 LLIAKyH, JÍ. M., ricTopbi« ¿eíiapycKañ niTapaTypHaíí MOBbi 458 L E W I C K I , A. M. - A. P A J D Z I Ñ S K A - B. R E J A K O W A , Z zagadnieñ frazeologii. Problemy leksykograficzne 460 B A R T H É L E M Y - V O G E L S , R. - C H . H Y A R T , L'iconographie russe de l'apocalypse 463 S C H U L D T , E., Der Holzbau bei den nordwestslawischen Stämmen vom 8. bis 12. Jahrhundert 465 L Ü B K E , C H . , Regesten zur Geschichte der Slaven an Elbe und Oder. T . I — IV 466 Beiträge zur russischen Volksdichtung 467 O E f l O C E E B A , J1. T., CoBeTCKafl xiMTepaTypa B coßpeneHHOM MMpe 469 V U K O M A N O V I C , S „ Jezik, drustvo, nacija 470

GEDENKTAGE BARTEN, H._— M. NIEMEYER, Kurt Gabka 65 Jahre 472 flPHEBCKMÍI, M. 3., BbiAaroujHüoi coBeTCKMii yneHbiii. K 100-neTMK) co AHB poKfleHM« M. K. A3aflQBCKoro 474 Zeitschrift für Slawistik is indexed in Current Contents/Arts & Humanities.