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German Pages 644 Year 2000
Wirtschaftswissenschaft im Dienste der Verteilungs-, Geld- und Finanzpolitik Festschrift für Alois Oberhauser zum 70. Geburtstag
Wirtschaftswissenschaft im Dienste der Verteilungs-, Geld- und Finanzpolitik Festschrift für Alois Oberhauser zum 70. Geburtstag
Herausgegeben von
Reinar Lüdeke Wolfgang Scherf Wemer Steden
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme
Wirtschaftswissenschaft im Dienste der Verteilungs·, Geld- und Finanzpolitik :
Festschrift für Alois Oberhauser zum 70. Geburtstag I Hrsg.: Lüdeke, Reinar ... Berlin : Duncker und Humblot, 2000 ISBN 3-428-09949-4
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISBN 3-428-09949-4
Vorwort Am 20. Januar 2000 vollendet Prof. Dr. Alois Oberhauser sein siebzigstes Lebensjahr. Freunde, Schüler und Kollegen widmen dem Jubilar aus diesem Anlaß die längst verdiente Festschrift. Sie ehren damit einen Ökonomen, der sich in seiner breit gefächerten wissenschaftlichen Arbeit stets darum bemüht hat, bei der theoretischen Analyse ökonomischer Fragen die Realität nicht aus dem Auge zu verlieren. Seine Forschungsschwerpunkte liegen daher auch keineswegs zufällig in einigen besonders kontrovers diskutierten Bereichen der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Alois Oberhauser begann seine wissenschaftliche Lautbahn mit dem Studium der Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Freiburg und Münster. Nach dem Diplomexamen im Jahr 1953 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut fiir allgemeine und textile Marktforschung in Münster. Zwei Jahre später erfolgte die Promotion bei Horst Jecht mit einer Arbeit zum Thema "Einkommen und Textilverbrauch". Ab 1958 arbeitete Alois Oberhauser am Institut filr Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Münster, doch schon 1959 wechselte er als Assistent von Horst Jecht an das Institut fiir Finanzwissenschaft der Universität München. Dort habilitierte sich Alois Oberhauser 1962 mit einer Arbeit über "Finanzpolitik und private Vermögensbildung". Die in der Habilitationsschrift analysierten Zusammenhänge zwischen der staatlichen Aktivität und der privaten Vermögensbildung bzw. dem privaten Sparen haben ihn in unterschiedlichen Zusammenhängen bis heute beschäftigt. Nach einer Lehrstuhlvertretung in Kiel übernahm Alois Oberhauser zum Wintersemester 1963/64 den Lehrstuhl fiir Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, den er, nach drei zwischenzeitlich abgelehnten Rufen an andere Universitäten, bis zu seiner Emeritierung innehatte. Neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit war Alois Oberhauser in verschiedenen Gremien aktiv. Hervorzuheben ist seine Mitgliedschaft im Wissenschaftlichen Beirat des Bundesministeriums der Finanzen. Seit 1968 konnte er in dieser Funktion die Steuer- und Finanzpolitik unterschiedlicher Bundesregierungen wissenschaftlich begleiten, was ihm allerdings, angesichts der oftmals nur geringen Resonanz der Beiratsgutachten im politischen Entscheidungsprozeß, ebenso wie den anderen Mitgliedern nicht nur Freude bereitet haben dürfte. Eine weitere wichtige Beratungsfunktion übernahm Alois Oberhauser als Mitglied der Transfer-Enquete-Kommission der Bundesregierung von 1977 bis
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Vorwort
1981. Bis heute ist er Mitglied im Ausschuß fur Finanzwissenschaft- von 1994 bis 1997 als Vorsitzender- sowie im Ausschuß fur Geldtheorie und Geldpolitik des Vereins ftlr Socialpolitik. Die Hauptforschungsgebiete von Alois Oberhauser liegen in den Bereichen Finanzwissenschaft, Geldpolitik, Sozialpolitik und Verteilungspolitik. Auf allen diesen Gebieten fanden stets die Verteilungszusammenhänge, und diese vor allem aus der gesamtwirtschaftlichen Perspektive, seine Aufmerksamkeit. Alois Oberhauser gehört zweifellos zu den leider seltener werdenden Ökonomen, die das Wirtschaften nicht allein als ein Allokationsproblem betrachten, sondern der Verteilungsfrage, aber auch der Stabilitätspolitik einen ebenbürtigen Stellenwert einräumen. Dabei ist er immer wieder mit bewundernswerter Geduld um die Vennittlung ökonomischer Grundeinsichten an die (verteilungs-)politischen Entscheidungsträger in Staat, Wirtschaft und Gewerkschaften bemüht. Aber auch die Fachkollegen können sich seiner in der Sache kritischen, im persönlichen Umgang jedoch nie verletzenden Intervention sicher sein, wenn sie den ökonomischen Aspekten nicht genügend Aufmerksamkeit schenken, denen Alois Oberhauser zentrale Bedeutung beimißt Zu den Eckpfeilern seines ökonomischen Denkens gehört die von Kaldor geprägte Kreislauftheorie der Verteilung. Sie liefert den methodischen Ansatzpunkt zur Erklärung gesamtwirtschaftlicher Anpassungsvorgänge zwischen Sparen und Investieren (unter Einschluß der Staatsverschuldung und des Leistungsbilanzsaldos), die sich mit den traditionellen makroökonomischen Theorien, seien sie keynesianischer oder neoklassischer Provenienz, nicht hinreichend erfassen lassen. Alois Oberhauser sieht in den kaldorianischen Überlegungen ein Bindeglied zwischen den beiden Hauptrichtungen der Wirtschaftstheorie und -politik, dessen stärkere Beachtung zu erheblichen Modifikationen der jeweils einseitigen Aussagen der Nachfrage- und Angebotstheoretiker fUhren würde. Ein weiteres Charakteristikum der ökonomischen Analyse ist bei Alois Oberhauser das Denken in Gütern. Gerade als ausgewiesener Kenner der Geldtheorie und Geldpolitik wußte er seine Zuhörer häufig mit der Aufforderung zu verblüffen, erst einmal das Geld zu vergessen, um die entscheidenden Detenninanten des wirtschaftlichen Geschehens zu erkennen. Daß Geld eine wichtige Rolle spielt, wenn auch nicht im Sinne der Übertreibungen der monetaristischen Theorie, hat Alois Oberhauser dabei nie bestritten, doch insistiert er mit Nachdruck auf einer Verknüpfung der monetären mit den realen Bestimmungsfaktoren der (gesamt-)wirtschaftlichen Entwicklung. Als Herausgeber haben wir uns bei der Gestaltung der Festschrift an den Interessenschwerpunkten des Jubilars orientiert. Da sich Alois Oberhauser stets engagiert und in unmißverständlicher Weise an der Diskussion ökonomischer Grundpositionen beteiligt hat, waren wir sicher, daß in seiner Festschrift unter-
Vorwort
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schiedliche Beiträge Platz finden sollten, auch solche, die seinen Auffassungen kritisch gegenüberstehen. Wir hoffen, daß es uns gelungen ist, die Breite seines wissenschaftlichen Werkes und der dazugehörigen kontroversen Standpunkte aus Wissenschaft und Politik einzufangen. Allen Autoren wollen wir an dieser Stelle herzlich filr ihre Unterstützung der Festschrift danken. Wir wünschen dem Freund, dem Lehrer und dem Kollegen Alois Oberhauser im Namen aller, die an dieser Festschrift mitgewirkt haben, Glück filr seinen weiteren Lebensweg, darüber hinaus aber genügend Zeit und Muße filr die Lektüre der ihm gewidmeten Beiträge, denen er sich, so ist unsere Erwartung, in gewohnt kritischer Sympathie nähern wird. Passau, Giessen, Berlin im Januar 2000
Reinar Lüde/ce, Wolfgang Scherf, Werner Steden
Inhaltsverzeichnis A. Einkommens-, Güter- und Vermögensverteilung Norm oder ökonomisches Gesetz? Eine grundsätzliche Frage, diskutiert am Vergleich der Einkommensverteilung in Deutschland und Frankreich Gerold Blümle ... .. .... .. .... .... .. .. .... .. ..... .. .. ... .. ..... .. .... .... .. ....... .. ......... ......... ..... .... ......... 13 Einkommensumverteilung und Wirtschaftswachstum Alfred Greinerund Horst Hanusch ......................................................................... 39 Über den Einfluß der Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer auf die Bildung und Verteilung des Vermögens Wolfgang J Mücld ........................................................................ .......................... 59 Vermögenspolitik aus der Sicht wirtschaftlicher Entwicklung Heinz Lampert ......................................................................................................... 83 Globalisierung und Vermögensverteilung. Gilt der "U-turn" auch fiir Deutschland? Karl-Dieter Grüske ............................................................................................... 101 Ausgewählte Verteilungswirkungen der Finanztransfers zwischen West- und Ostdeutschland nach der deutschen Vereinigung Arm in Bohnet und Stephan Heck .......................................................................... 131 Die Rolle güterspezifischer Gerechtigkeit in der Finanzwissenschaft Werner Steden ............................................... ;....................................................... 163
B. Familienpolitik und Soziale Sicherung Vom Familienlastenausgleich zum Elternleistungsausgleich: Von der interpersonellen Bedarfsgerechtigkeit zur intergenerativen Leistungsgerechtigkeit Reinar Lüdeke ....................................................................................................... 193 Neu- und Höherbewertung der familiären Erziehungsarbeit als familienpolitische Aufgabe in der EU Max Wingen .......................................................................................................... 219 Grundlegende Aspekte einer Sozialpolitik unter theorietechnischen Aspekten und im Kontext der Globalisierung Siegfried Hauser und Cornelius Paulus ................................................................ 235 Die Zukunft der Alterssicherung Willi Albers ........................................................................................................... 253 Sozialtransfers und Bildungsausgaben in der demographischen Zwickmühle Holger Bonin und Bernd Raffelhüschen ............................................................... 271
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Inhaltsverzeichnis
Arbeitsmarkt, Soziale Sicherung und Vermögensbildung: Ein grundlegender Zusammenhang filr die Zukunftsflihigkeit des deutschen Ordnungsmodells der Sozialen Marktwirtschaft Gerhard Kleinhenz und Gerhard Kühlewind ........................................................ 293 Objekt- oder Subjektförderung? Versuch einer Klärung des umstrittenen wohnungspolitischen Instrumentariums Helmut Jenkis ........................................................................................................ 311 C. Staatsdefizit, Steuern und Finanzausgleich
Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Zur Kritik der Vertreter des Generational Accounting am Konzept des Staatsdefizits Otto Gandenberger ............................................................................................... 353 Die unterlassene Besteuerung der Nutzungswerte selbstgenutzten Wohnungseigentums: Vergebene Reformpotentiale Johannes Hackmann ......................................................... .................................... 387 Ehegattensplitting und Verfassungsrecht Hartmut Söhn ........................................................................................................ 413 Fiscal Separation, Decentralisation and Federation in Queensland (1859-1949) Tomas J. F. Riha ................................................................................................... 439 Gesamtwirtschaftliche Wirkungen einer Wertschöpfungsteuer (und einiger Alternativen) HansFehrund Wolfgang Wiegard ....................................................................... 477 Die Bedeutung der Nivellierungshebesätze im kommunalen Finanzausgleich Wolfgang Scherf .................................................................................................... 499 D. Beiträge zur Geld- und Finanzpolitik
Wirksame Verbesserung der Beschäftigung durch konjunkturgerechte und mit der Geldpolitik koordinierte Wirtschafts- und Finanzpolitik Herbert Ehrenberg ................................................................................................ 527 Deutschland im europäischen Konjunkturverbund Paul Klemmer ....................................................................................................... 545 Negative Angebotsschocks, Lokomotivthese und internationale Politikkoordination Friedrich L. Se// .................................................................................................... 565 Das neuseeländische "Notenbank-Modell": Hintergründe, Konzept, Erfahrungen RolfCaesar ........................................................................................................... 587 Geld- und fiskalpolitische Probleme öffentlicher Kreditnahme in der EWU Hans-Hermann Francke ........................................................................................ 617 Schriftenverzeichnis Alois Oberhauser ................................................................... 633
A.
Einkommens~,
Güter- und Vermögensverteilung
Norm oder ökonomisches Gesetz? Eine grundsätzliche Frage, diskutiert am Vergleich der Einkommensverteilung in Deutschland und Frankreich Gerold Blümle
I. Ein Phantom der Verteilungstheorie? "1 am not sure where ,marginal productivity' comes in all this" 1, schreibt Nicholas Kaldor in seinem berühmten Aufsatz "Alternative Theories of Distribution" und Alois Oberhauser stimmt ihm zweifelsohne zu. Dabei entsteht das Erstaunen Kaldors lediglich aus einer unterschiedlichen Definition des Gewinneinkommens. Während bei Kaldor der Gewinn entsprechend der 2. Keynesschen Gleichung als kurzfristiges Residualeinkommen definiert ist, versteht die Grenzproduktivitätstheorie darunter das Zinseinkommen im Sinne eines langfristig sich ergebenden durchschnittlichen kontraktbestimmten Einkommens. Führt man Gewinn als Residuum und Zinseinkommen im Sinne von Faktorentgelt als unterschiedliche Einkommenskategorien ein, so läßt sich dieses Staunen erklären 2• Die Frage, der hier nachgegangen werden soll, entspringt einer Deutung des Kaidorschen Satzes, die Kaidar selbst nicht vorgenommen hat. Es geht um die Frage, ob sich die Ableitungen der makroökonomischen Produktionsfunktion als Grenzproduktivitäten in Analogie zu mikroökonomischen Produktionsfunktionen deuten lassen. Obwohl es inzwischen allgemein anerkannt ist, daß die makroökonomische Produktionsfunktion nur als holistisches Konzept zu verstehen ist3, eine reduk4 tionistische Begründung dagegen unmöglich bleibt , sind beachtliche Teile der ökonomischen Theorie, z. B. die reale Außenwirtschaftstheorie, ohne dieses Konzept kaum vorstellbar. Dieser Sachverhalt erscheint jedoch insofern ver-
Kaldor, 1955, S. 100. Vgl. Blümle, 1975, S. 164-165. 3 V gl. Blümle/Patzig, 1993, S. 616--618 4 Vgl. Kammerer, 1965. 1
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Gerold Blümle
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ständlich, als im Gegensatz zur theoretischen Begründung die empirische Bestätigung dieses Konzepts vergleichsweise überzeugend ausflillt. Es wird hier nun ein weiterer5 und ergänzender Versuch unternommen, diesen Widerspruch zwischen theoretisch fehlender Erklärung und empirisch guter Sicherung zu erklären, wobei in dieser Untersuchung das Beispiel der Einkommensverteilung gewählt wird. So soll im folgenden zunächst darauf eingegangen werden, welche Realitätsnähe man der mikroökonomischen Grenzproduktivitätstheorie des Lohnes zubilligen kann. Am Beispiel eines Vergleichs empirischer Befunde bezUglieh der Streuung der Lohneinkommen in Deutschland und Frankreich wird diese Frage anschließend vertieft, bevor die Suche nach anderen Bestimmungsgründen der Lohndifferenzierung aufgenommen wird. Der Zusammenhang zwischen Leistungsentlohnung und Arbeitsmotivation, die Bedeutung der Lohndifferenzierung filr externe Effekte und filr die soziale Mobilität werden im weiteren erörtert. Unter Bezug auf die unabhängig voneinander entwickelten und hier nur kurz vorgestellten Hierarchiemodelle der personellen Einkommensverteilung von Lyda/1 und Beckmann soll anschließend eine Deutung der Verteilungsunterschiede zwischen Frankreich und Deutschland am Beispiel eines einfachen Modells vorgenommen werden. Auf diese Weise wird die Grundlage ftir eine Aggregation geliefert, die filr den empirischen Erfolg des Konzepts der makroökonomischen Produktionsfunktion eine Erklärung zu liefern vermag. In einem abschließenden Kapitel sollen dann die Unterschiede des deutschen und französischen Wirtschaftsstils als Bestimmungsgründe der Verteilungsunterschiede herausgearbeitet werden.
II. "Macht oder ökonomisches Gesetz" Im Jahr 1914 erschien Böhm-Bawerks Beitrag "Macht oder ökonomisches Gesetz"6 • Selten ist das Thema eines wissenschaftlichen Artikels dermaßen oft und kontrovers diskutiert worden, so beispielsweise als Hauptthema der Tagung des Vereins für Socialpolitik 1972. Dies erscheint in Anbetracht des ideologischen Gehaltes der zentralen These verständlich. Die Entlohnung mit der Grenzproduktivität erklärt den Preis für die Nutzung der Produktionsfaktoren und so auch des Faktors Arbeit angeblich ideologiefrei, gewissermaßen "natürlich". Zum einen sind es nämlich die Preise, die die Endnachfrager letztlich entsprechend ihren "natürlichen" Präferenzen filr Güter zu zahlen bereit sind, und zum anderen die technischen Gegebenheiten einer Produktionsfunk5
Vgl. Blümle, 1998, S. 225-244.
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Vgl. Böhm-Bawerk, 1914, S. 205-271.
Norm oder ökonomisches Gesetz?
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tion, die zumindest langfristig den Lohn bestimmen. Vor diesem Hintergrund ist es plausibel, wenn das Entstehen der Neoklassik vor und nach der Jahrhundertwende als Antwort der "bürgerlichen" Ökonomie auf den Marxismus gedeutet wird,' da die Klassik wie Marx die Einkommensverteilung als Klassenphänomen gedeutet hat. "Theorien, die die Aufmerksamkeit vom Antagonismus der sozialen Klassen ablenkten, waren hoch willkommen.'' 8 Die Realitätsfeme der Deutung der Produktionsfunktion nach der Grenzproduktivitätstheorie steht in einem seltsamen Gegensatz zu ihrer scheinbaren empirischen Bewährung und ihrer anhaltenden Dominanz in der ökonomischen Theorie. So erscheint die Annahme der vollkommenen Konkurrenz in Anbetracht des tatsächlichen Zustandekoromens von Lohneinkommen in Tarifverhandlungen nicht gerechtfertigt, da "die Preisbildung auf dem Faktormarkt sich immer weiter von den klassischen und neoklassischen Marktmodellen entfemt"9. Darüber hinaus ist zwar die Lösung des Zurechnungsproblems durch diese Theorie sehr elegant, aber gleichermaßen wirklichkeitsfremd. In modernen Industriegesellschaften erfolgt die Produktion zunehmend in einer Weise, daß Arbeitskräfte in einer komplementären Beschäftigung Kontroll- und Regelungsaufgaben wahrnehmen, daß eigenverantwortliches Handeln bei extremer Spezialisierung abgestimmt werden muß und damit Selbstorganisation und Kommunikation eine zentrale Bedeutung erhalten. "Wer arbeitet, kommuniziert."'" Die Zurechnung eines bestimmten Grenzprodukts zu einer bestimmten Tätigkeit erscheint somit nicht nur für die ca. 20 % der Unselbständigen, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sind", unmöglich. Auch besteht weitgehend Übereinstimmung in dem Urteil, daß die Kosten der Leistungsermittlung die möglichen Vorteile einer leistungsorientierten Entlohnung übertreffen 12 • Norbert Berthold verweist darüber hinaus auf Gründe, "weshalb weder die Unternehmungen noch die Arbeitnehmer an einer permanenten produktivitätsorientierten Entlohnung interessiert sind"u. Dies kann zum einen darin begründet sein, daß Arbeitnehmer wenig risikofreudig sind und ein festes standardisiertes Einkommen vorziehen, zum anderen läßt sich dies auch polit-ökonomisch durch das Verhalten der Gewerkschaften deuten. Liegt nämlich das arithmetische Mittel der Produktivität über dem Median, wie sich dies bei oft unterstellten rechtsschiefen Verteilungen erwarten läßt, so werden sich demokratisch strukturierte Gewerkschaften für eine an der DurchVgl. Dobb, 1977, S. 40-44. Robinson/Eatwe/1, 1977, S. 68. 9 Krupp, 1968, S. 99. 10 Baecker, 1994, Nr. 24, S. 22. 11 Vgl. Institut der Deutschen Wirtschaft, 1998a, Tabelle 84. 12 Vgl. z. B. Ma/colmson, 1981, S. 848-866. 13 Bertho/d, 1987, S. 125. 7 1
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Schnittsproduktivität ausgerichteten Entlohnung orientieren. Die Unternehmer müßten dagegen, insbesondere in Konfliktfiillen, hohe Informationskosten aufwenden, um die Entlohnungsunterschiede im Einzelfall rechtfertigen zu können. So wird verständlich, daß soziale Konventionen auf Arbeitnehmerund Arbeitgeberseite die Lohndifferenzierung bestimmen und zu Lohnstarrheit führen'~.
Interpretiert man jedoch die Einstellungsentscheidung in einer Unternehmung, die natürlich keinem Zwang zur Einstellung unterliegt, wirklichkeitsnah, so erweist sich der Erklärungsansatz der Grenzproduktivitätstheorie geradezu als banal. Es geht nur um die Frage: Erbringt die Einstellung einer zusätzlichen Arbeitskraft mindestens das, was sie kostet? Ist also der Lohnsatz gegeben, so scheint die Einstellungsentscheidung tatsächlich näherungsweise dem Ansatz der Grenzproduktivitätstheorie zu entsprechen.
111. Empirischer Befund: Deutschland und Frankreich Eine grenzproduktivitätstheoretische Erklärung des Lohnes sollte eigentlich bei relativ gleichen Arbeitszeiten in einer Gesellschaft auch die Streuung der Lohneinkommen begründen können. Als Erklärung müßte folglich der qualifikationsbedingte Produktivitätsunterschied entsprechend der Human-CapitalTheorie die Verteilung erklären. Eines der oft wiederholten Ergebnisse der Human-Capital-Theorie lautet: "nur durch mehr oder weniger weitgehende Ausschaltung des Bildungssystems wird Gleichheit erzielt" 15 • Den ein Ausbau des Bildungssystems 16 wird zwar u. U. die Chancengleichheit erhöhen, aber die Einkommensverteilung ungleichmäßiger machen. Neoklassisch läßt sich dies recht einfach erläutern. Ergibt sich die Lohnstreuung gemäß einer Produktionsfunktion mit den Faktoren Begabung und Ausbildung, läßt eine Erhöhung des allgemeinen Ausbildungsniveaus die Grenzerträge des Humankapitals sinken und die der Begabung zunehmen. Streut die Begabung stark, so müßte auf diese Weise die Einkommensverteilung ungleichmäßiger werden. Dies steht allerdings in Gegensatz zu verschiedenen empirischen Untersuchungen. "There was a significant inverse correlation between educational attainment ... and the concentration ratio" 17, stellen Ahmad Al-Samarrie und Herman Miller in einer Untersuchung für die Staaten der USA fest.
Vgl. Bertho/d, 1987, S. 136-137. Ramser, 1987, S. 39. "' Vgl. 8/ümle, 1975, S. 60--62; Has/inger/Stönner-Venkatarame 1998, S. 23-24. 17 AI-Sammarrie/Mi/ler, 1967, S. 71. 1~
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Interessant ist in diesem Zusammenhang ferner, daß unter den Einflußgrößen, mit denen in einer Querschnittsanalye Jiri Slama 11 die Einkommensungleichheit in 41 Ländern zu erklären versucht, lediglich die endogene Variable, mit der die Qualität der Ausbildung gemessen wird, bei den verschiedenen Simultanschätzungen (neben den Dummys für die sozialistischen und die unterentwickelten Länder) signifikant ist, und - wenn auch quantitativ wenig - den Gini-Koeffizienten senkt 19 • Das Ausbildungsniveau differiert in der Statistik dieser Untersuchung zwischen Deutschland und Frankreich deutlich zugunsten des ersteren, während die anderen Variablen sehr ähnliche Werte haben 20 • Die exogenen Variablen "Wachstumsrate", "Investitionsquote", "Bevölkerungsanteil über 65 Jahre", "Anteil der unselbständig Beschäftigten", "Bruttosozialprodukt pro Kopf' 21 und die endogenen Variablen "Lebenserwartung" und "Anteil des Sozialbudgets"22 unterscheiden sich im Vergleich zu den Verteilungsunterschieden, dargestellt durch den Gini-Koeffizienten, wenig. Auch der Unterschied in der allgemeinen Bildungsqualität, deren Einfluß sich als quantitativ gering erweist, bietet keinen hinreichenden Begründungsansatz, zumal dieses Faktum der Aussage der Human-Capital-Theorie widerspricht. Eine Erklärung der massiven Verteilungsunterschiede zwischen beiden Ländern scheint auf diese Weise nicht möglich. Vergleicht man nämlich die Verteilung der Einkommen in Deutschland und Frankreich, so zeigen verschiedene Quellen, daß die Verteilung der Primäreinkommen in der Bundesrepublik deutlich gleichmäßiger ist als in Frankreich23 • Wichtig sind dabei zwei Gesichtspunkte: "They are: first, income inequality is relativly stable within countries; and second, it varies significantly across countries."H Ferner wird betont, daß die Unterschiede für die verschiedenen Einkommensdefinitionen, ob Haushalts- oder Individualeinkommen, ob Bruttooder Nettoeinkommen nicht signifikant sind23 • In der Zusammenstellung verschiedener Messungen liegt in der Veröffentlichung von Hongyi Li, Lyn Squire und Heng-fu Zou sogar die maximale Angabe eines Giniwertes für Deutschland
Vgl. S/ama, 1978, S. 306--323. Vgl. Slama, 1978, S. 311. 2" Vgl. Slama, 1978,S. 315. 21 V gl. Slama, 1978, S. 316. 22 Vgl. Slama, 1978, S. 315. B Vgl. z. B. Atkinson/Rainwater/Smeeding, 1996, S. 66--67. 24 Li!Squire/Zou, 1998, S. 26. 23 Vgl. Li, S. 28. 10
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mit 33,57 deutlich unter dem minimalen Wert von 43,11 für Frankreich, allerdings für die Einkommensverteilung der Einkommen insgesamt26 • In der Analyse von Atkinson et. al. unterscheiden sich die Gini-Koeffizienten von 29,9 für Deutschland im Jahr 1984 und 37,6 für Frankreich im gleichen Jahr27 fiir Primäreinkommen der Haushalte, ohne Einkommen aus Eigentum 28 , deutlich. Ebenso kommen die klaren Unterschiede in der Verteilung auch in den Dezilen29 und einer Graphik3" zum Ausdruck, die einen differenzierteren Vergleich der Verteilungen ermöglichen. Wird ferner berücksichtigt, daß sich die fraglichen Angaben auf Haushalte beziehen, die Frauenerwerbsquote in Frankreich im Vergleich zu Deutschland jedoch etwas höher ist31 und zusätzliche Familienangehörige vor allem dann einer Erwerbstätigkeit nachgehen, wenn das Einkommen des Haushaltsvorstandes gering ist, dann dürften die Verteilungsunterschiede auf einzelne Erwerbstätige bezogen in Wirklichkeit noch ausgeprägter sein, denn zunehmende Frauenerwerbsquoten bedingen eine Abnahme der Einkommensungleichheit32 • Eine weiterer Grund für die fraglichen Verteilungsunterschiede könnte im Steuersystem liegen. Wenn sich Tarifverhandlungen letztlich auf die verbleibenden Nettoeinkommen ausrichten, wären die Primäreinkommen durch das Steuersystem beeinflußt. In diesem Zusammenhang betont Ramser, es dürfte "unstrittig die Tatsache sein, daß die (Sekundär-)Verteilungen der Einkommen in sämtlichen westlichen Ländern im Laufe der letzten fünfzig Jahre im wesentlichen unverändert geblieben sind" 33 und bezeichnet diesen Sachverhalt als stilisiertes Faktum der Einkommensverteilung. Bedenkt man diesbezüglich, daß in Frankreich der Anteil der indirekten Steuern am Steueraufkommen wesentlich höher ist und in der Bundesrepublik dagegen eine progressive Einkommensteuer größere Bedeutung hat, dann müßte die Primärverteilung in der Bundesrepublik bei vergleichbarer Verteilung der Nettoeinkommen ungleicher als in Frankreich sein. Also kann auch so der Unterschied nicht begründet werden. Da in der verwendeten Definition der Primäreinkommen auch die Einkommen aus selbständiger Tätigkeit enthalten sind und Einkommen aus selbständiger Tätigkeit stärker streuen, 34 könnte der angesprochene Unterschied auch Vgl. Li, 1998, S. 30. Vgl. Atkinson, 1995, S. 87. 21 Vgl. Atkinson, 1995, S. 81. 29 Vgl. Atkinson, 1995, S. 87. 30 Vgl. Atkinson, 1995, S. 89. 31 Vgl. Institut der deutschen Wirtschaft, 1998, Tabelle 5.5. 32 Vgl. Gustafsson/Johansson, 1997, S. 14. 33 Ramser, 1987, S. 6. 34 Vgl. z. B. Haslinger, 1998, S. 20. 26 27
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Folge eines größeren Anteils von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit in Frankreich sein. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß einmal die Selbständigenquote in beiden Ländern nicht nur tendenziell abnimmt und sich die Werte fiir Frankreich und die Bundesrepublik einander annähern 35, sondern auch, daß der Unterschied zwischen 10,6% in der Bundesrepublik und 11,4% in Frankreich im Jahr 199636 mit 0,8 Prozentpunkten sehr gering ist. In der zugrunde gelegten OECD-Studie ist der maximale Wert filr den Anteil der Einkommen aus selbständiger Tätigkeit der Wert filr Australien mit 14 %. Der Durchschnitt fiir alle Länder liegt bei 7,7 %37 • Die Einkommen aus selbständiger Tätigkeit beeinflussen das Verteilungsmaß empirisch somit nicht maßgeblich, was sich auch theoretisch begründen läßt. Die größere Streuung der Einkommen aus selbständiger Tätigkeit stellt das Risiko dar, welches ein höheres Durchschnittseinkommen entsprechend einer Risikoprämie filr selbständige Tätigkeit (außerhalb der Landwirtschaft) 38 bei risikoscheuem Verhalten begründee9 • Es ist demzufolge davon auszugehen, daß die Einkommensstreuungen und Durchschnittseinkommen beider Arten von Erwerbstätigkeit sich nicht unabhängig voneinander entwickeln können, weil der Marktzugang filr verschiedene Tätigkeiten als Selbständiger auch für Unselbständige möglich ist. Es ist folglich anzunehmen, daß die festgestellten Verteilungsunterschiede im wesentlichen auf Einkommensungleichheiten der Lohneinkommen unselbständig Beschäftigter zurückzufUhren sind. Im Hinblick auf den Erklärungsansatz der Grenzproduktivitätstheorie, kann man ferner erwarten, daß zwischen zwei benachbarten und wirtschaftlich so eng verflochtenen Ländern wie Frankreich und Deutschland die Struktur der Güterpreise und die Möglichkeiten der Produktionstechnik nicht so unterschiedlich sind, daß diese Fakten entsprechend der sich auf die Erklärung der Arbeitsnachfrage stützenden Theorie die unterschiedliche Streuung der Primäreinkommen zu erklären vermögen. Folglich ist nach Unterschieden im Arbeitsangebot zu suchen, die in der Grenzproduktivitätstheorie nur mittelbar Berücksichtigung finden. Betrachtet man die Bestimmungsgründe des Arbeitsangebots, so wäre nach dem neoklassischen Konzept die unterschiedliche Bedeutung der Freizeit in den Präferenzen der Arbeitsanbieter eine Erklärungsmöglichkeit Danach wären wegen vermeintlich größerer Präferenz nach dem Gut Freizeit in Frankreich größere Einkommensdifferentiale erforderlich, um ein entsprechendes Ar-
Vgl. Vgl. 37 Vgl. 3" Vgl. w Vgl.
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Institut der deutschen Wirtschaft, 1982, Tabelle 8. Institut der deutschen Wirtschaft, 1998b, Tabelle 5.6. Atkinson, 1995, S. 96. DIW-Wochenbericht 57, 1990, S. 312. Friedman, 1953, S. 288.
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beitsangebot zu erwirken. Eine solche Erklärung würde zwar deutschen Vorurteilen gegenüber der Einstellung der Franzosen zur Arbeit entsprechen, erscheint indessen empirisch sehr fragwürdig. Bei etwas höherem Pro-KopfEinkommen 1995 in Frankreich4 ist dort nämlich die tarifliche Jahressollarbeitszeit filr Arbeiter in der Verarbeitenden Industrie 1995~ 1 (aber auch in den Jahren 1989 und 1996) deutlich höher, wobei der Unterschied zugenommen hat~ 2 • Wenn sich, was anzunehmen ist, die Gewerkschaften bei den Verhandlungen über Arbeitszeiten und Löhne langfristig auch an den Präferenzen der Arbeitnehmer ausrichten müssen, und - wie allgemein angenommen - Freizeit ein superiores Gut darstellt, dürften die Präferenzen zwischen Lebensstandard und Freizeit eher in Deutschland als in Frankreich zugunsten von mehr Freizeit ausfallen. Eine Erklärung größerer Einkommensdifferentiale durch eine höhere Freizeitpräferenz in Frankreich ist demzufolge ebenfalls nicht möglich. Hingegen scheinen m. E. Begründungen in Verbindung mit Fukuyamas Überlegungen zum Vertrauen als Sozialkapital~ 3 fiir die Erklärung die~s Unterschiedes tragfähiger. Die von Fukuyama vorgenommene Klassifikation Deutschlands als eine Gesellschaft, die im Vergleich zu Frankreich mit einem hohen Bestand an Vertrauen ausgestattet ist, wird auch durch Indikatoren in einer Nachfolgestudie bestätigt. Es stellt sich demgemäß die Frage, ob auf diese Weise angebotsseitig durch soziale Konventionen eine Erklärung unterschiedlicher Lohndifferentiale erfolgen kann.
IV. Leistungsbezogene Entlohnung und Motivation Im Bemühen, Arbeitslosigkeit durch Lohnstarrheilen oder durch Löhne, die den markträumenden Gleichgewichtslohn überschreiten, zu erklären, sind in diesem Zusammenhang zwei Ansätze interessant, die in die Lehrbücher der Arbeitsmarkttheorie Eingang gefunden haben ~s. Es ist einmal der sogenannte Shirking oder Drückebergeransatz46, der zunächst im Vordergrund stehen soll, und zum anderen die Fair-Wage-Hypothese~'. Der Drückebergeransatz begründet Lohnunterschiede dadurch, daß die Kosten fiir die Leistungskontrolle von Arbeitnehmern sehr hoch sind. Anstelle 40
Vgl. Institut der deutschen Wirtschaft, 1998b, Tabelle 2.3.
~~ Vgl. Institut der Deutschen Wirtschaft, 1996, Tabelle 149.
~ 2 Vgl. Institut der deutschen Wirtschaft, 1998b, Tabelle 4.9.
Vgl. Fukayama, 1997, S. 46. Vgl. La Porta/Lopez de Silanes!Schleifer/Vishny, 1997, S. 333-338. 4 s Vgl. z. B. Franz, 1996 und Wagner/lahn, 1997. 46 Vgl. Shapiro/Stiglitz, 1984, S. 433-444. 47 Vgl. Adams, 1963, S. 422-436. 43
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umfassender Kontrolle wird dann durch Lohndifferentiale, auch "for essentially identical employers"'8, die Risikoprämie erhöht, die man im Fall von offensichtlich zu geringer Leistung durch Entlassung oder Abstufung verliert. Die Höhe der Lohndifferentiale dürfte demzufolge vom Ausmaß des Vertrauens abhängig sein, welches sich die Mitglieder einer Gesellschaft entgegenbringen. Bei geringerem Vertrauen sind folglich als Ersatz für größeren Kontrollbedarf stärkere Sanktionen und damit größere Lohndifferentiale erforderlich. Auf diese Weise könnte, in Anlehnung an Fukuyamas Argumentation, ein Erklärungsgrund für die ungleiche Einkommensverteilung zwischen Frankreich und Deutschland im unterschiedlichen Grad an gesellschaftlichem Vertrauen liegen. Wenn Leistungskontrolle und Leistungsentlohnung kaum möglich sind und zugleich eigenverantwortliches Handeln wichtiger wird, kommt dem Verhalten aus eigenem Antrieb und damit der intrinsischen Motivation entscheidende Bedeutung zu. Bruno Frey widmet in diesem Zusammenhang dem Wechselspiel von Arbeitsmotivation und Entlohnung in seinem Buch "Markt und Motivation" ein eigenes Kapitel'9 • Er verweist dabei auf eine Studie, die zwar einerseits entsprechend den Erwartungen von Ökonomen zum Ergebnis kommt, daß Anreizlöhne im Durchschnitt die Produktivität steigern, die aber andererseits belegt, daß die Varianz dermaßen hoch ist, daß die Ergebnisse nicht signifikant sind3('. Allerdings haben finanzielle Anreize bei Arbeitern mit einfacher Tätigkeit und bei Managern besondere Bedeutungs 1• Bezüglich der Arbeiter, die mit einfachen Tätigkeiten befaßt sind, läßt sich dieser Sachverhalt zum einen dadurch erklären, daß bei diesen Leistungskontrollen vergleichsweise leichter möglich sind. Zum anderen ist, sowohl hinsichtlich der Art der Tätigkeit, als auch in bezug auf die Bedeutung von Eigenverantwortung und Qualifikation, keine oder nur geringe intrinsische Motivation zu erwarten. Die Arbeit selbst motiviert nicht und wird allein aufgrund der Notwendigkeit des Einkommenserwerbs verrichtet. Daher erfolgt hierbei Motivation im wesentlichen extrinsisch in Form finanzieller Anreize. Dagegen ist bei Managern anzunehmen, daß sie. überwiegend durch besonderen Ehrgeiz und hohe Leistungsbereitschaft gekennzeichnet sind. Da ihre Leistung zumeist quantitativ am wirtschaftlichen Erfolg ihrer Unternehmen gemessen wird, dürfte dies bei ihnen zu einer Werteskala führen, "an deren Spitze der persönliche und geschäftliche Erfolg steht" 52 • In einem quasi sportlichen Wettkampf der Manager wird so das Bruttoeinkommen zum Erfolgsmaßn Calvo/Wellisz, 1978, S. 943. •• Vgl. Frey, 1997, S. 87-100. 3 Vgl. Frey, 1997, S. 88. SI Vgl. Frey, 1997, S. 88. s2 Lundberg, 1971, S. 469.
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stab. Diesem Verhalten entspricht es auch, wenn in der Öffentlichkeit bei der Diskussion um Einkommen von Höchstverdienern unter den Unselbständigen immer auf die Bruttoeinkommen Bezug genommen wird. Das verfiigbare Einkommen und die damit verbundenen Konsummöglichkeiten stellen aus dieser Sicht nicht die entscheidende finanzielle Motivation fiir Manager dar, insbesondere, wenn ein großer Teil des Konsumbedarfs ohnehin durch geschäftliche Sachleistungen abgedeckt wird. Manager stufen ihre Leistungen demzufolge danach ein, was die Unternehmen ausgeben, um sie sich zu leisten, wobei allerdings auch darauf hinzuweisen ist, daß die Manager selbst unmittelbar beachtlichen Einfluß auf die Festsetzung der Höhe ihrer Gehälter haben. In der folgenden Argumentation soll indessen der größte Teil der Einkommensbezieher im Blickpunkt stehen, die in der Einkommensskala zwischen den erwähnten beiden Extremen anzusiedeln sind. Die Abnahme von Kontrollmöglichkeiten einerseits und die gleichzeitige Zunahme der Bedeutung von Eigenverantwortlichkeit und Kommunikationsbereitschaft andererseits fUhren zu einem steigenden Stellenwert von Handeln aus eigenem Antrieb und erfordern damit eine höhere intrinsische Motivation. Zugleich wird die Arbeitsmoral durch die damit interessanter werdenden Tätigkeiten gesteigertl 3• Diese Erhöhung der Arbeitsmoral kann durch eine partnerschaftliche - persönliche Beziehung zum Prinzipal und durch Mitwirkungsbzw. Mitbestimmungsmöglichkeiten erhöht werden. Der Aufbau von Vertrauen, die Pflege der Beziehungen zwischen Firmenleitung und Untergebenen sowie auch nicht-monetäre Anerkennungen, spielen fiir die Motivation eine ganz entscheidende Rolle. Entlohnungsentscheidungen können dagegen vor allem auf zweifache Weise schädliche Wirkungen auf die Arbeitsmoral entwikkeln: 1. Wenn eine Lohnerhöhung einer ganz bestimmten von außen vorgegebenen Leistung zugeordnet wird, kann beim Beschäftigten der Eindruck entstehen, es käme nur auf diese fremdbestimmte Anforderung an; so wird er die intrinsische Motivation durch extrinsische ersetzen. 2. Einheitliche Eingriffe, also auch einheitliche Lohnerhöhungen, fUhren dazu, daß Beschäftigte mit überdurchschnittlicher Arbeitsmoral ihren Einsatz verringern. Offensichtlich sind also auch die zwischenmenschlichen Einschätzungen zwischen den Beschäftigten von entscheidender Bedeutung. Abschließend ist festzuhalten, daß eine größere Bedeutung intrinsischer Motivation und damit ein geringeres Gewicht von Lohndifferentialen dann zustande kommt, wenn durch ein Vertrauensverhältnis weniger Kontrolle und mehr Selbstbestimmung und Mitwirkungsmöglichkeiten im Betrieb erreichbar werden. Ferner ist dies der Fall, wenn fremdbestimmte Anforderungen und ll Vgl. zum folgenden Frey, 1997, S. 91-94.
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hierarchisch zentralistisches Denken in den Hintergrund treten sowie dann, wenn keine vereinheitlichende Lohnpolitik angestrebt wird.
V. Externe Effekte der Lohndifferenzierung Der zweite Gesichtspunkt, den die neuere Arbeitsmarkttheorie berücksichtigt, ist die Fair-Wage-Hypothese 5~. Diese betont die Bedeutung des Gefilhls gerechter Entlohnung filr die Motivation und damit filr die Produktivität, ein Zusammenhang auf den schon John Hicksss hingewiesen hat. So belegen auch Mitarbeiterbefragungen im öffentlichen Dienst die Einstellung, daß die Beschäftigten "nicht vorrangig an die absolute, sondern an die relative Bezahlungshöhe denken. Wie verbale Äußerungen zu diesem Punkt belegen, lieht es primär um subjektiv als belastend empfundene Gerechtigkeitsprobleme." Hier kommt dem "Verbreitungs"- oder "Übertragungseffekt" von Motivation entscheidende Bedeutung ZU 57 • Auch dieser Effekt erfllhrt insbesondere durch die zunehmende Wichtigkeit von Kommunikation steigende Bedeutung. Je stärker Personen in ähnlichen Tätigkeiten miteinander interagieren und je stärker die Identifikation bezüglich gesellschaftlicher Konventionen ist, desto eher werden Verhaltensweisen und damit Motivation übertragen. In diesem Zusammenhang muß man auf die Rolle des Neides eingehen. Im allgemeinen wird davon ausgegangen, daß insbesondere solche Personen beneidet werden, denen es weitaus besser geht. Bereits Mandeville schrieb jedoch: "Neid ist also ein Gemisch von Ärger und Unwillen, und die Grade dieses Gefühls hängen je nach Umständen hauptsächlich von der Nähe oder Entferntheit der betreffenden Objekte ab. Wenn einer, der zu Fuß gehen muß, einen großen Mann beneidet, weil er sich einen Wagen mit sechs Pferden hält, so wird dies nie mit der Heftigkeit geschehen oder ihm den Verdruß bereiten wie einem Manne, der selbst einen Wagen hat, aber sich bloß vier Pferde leisten kann." 58 So kann man mit Schoeck folgern: "Der Neid ist vor allem eine Erscheinung der sozialen Nähe; im Englischen spricht man sogar von invidious proximity, also neiderregender Nähe." 59 Neid wird demzufolge dann ein besonderes Problem im unmittelbaren beruflichen Umfeld spielen, wenn eine ursprünglich gleichmäßige Einkommensverteilung im Entwicklungsprozeß ungleicher wird und dabei klassenkämpferische Parolen und der Hinweis auf die s~ Vgl. Adams, 1963, S. 422-436. ss Vgl. Hicks, 1963, S. 57.
Sb K/ages/Gensicke, 1997, S. 32 :: Vgl. Frey, 1997, S. 41-45. Mandevil/e, 1957, S. 122. 59 Schoeck, 1987, S. 30.
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angebliche Ellbogengesellschaft aus politischen Gründen darauf abzielen, Neidgefühle auch auf große soziale oder regionale Distanz zu verstärken. Auf diese Weise kann es zu einer "Herrschaft des Neides" 60 kommen, wie sie sich historisch verschiedentlich in bäuerlichen Gesellschaften zeigt. Neid kann dann in Gesellschaften Wettbewerb und Entwicklung unmöglich machen, weil sich die Mitglieder vor dem durch wirtschaftlichen Erfolg ausgelösten Neid ängstigen 6\ sie also letztlich Furcht vor dem Erfolg haben63 • Eine Gesellschaft kann sich dann gewissermaßen in einer "Neidfalle"64 befinden. In diesem Zusammenhang ist die empirische Beobachtung interessant, daß in allen Einkommensquintilen die Unzufriedenheit mit der eigenen Einkommenssituation in den neuen Bundesländern höher ist als in den alten. Dies gilt selbst im obersten Einkommensquintil, in welchem keine Einkommensunzufriedenheit in den alten Bundesländern festzustellen war, in den neuen jedoch 15% mit ihrem Einkommen unzufrieden sind65 • Bezüglich des Zusammenhangs zwischen Neid und Einkommensdifferenzierung dürfte eine stärkere Einkommensdifferenzierung um so größere Probleme aufwerfen, je stärker in einer auf Konsens ausgerichteten Gesellschaft individuell verglichen wird und je weniger in Gefühlen der Schicht- bzw. Klassenzugehörigkeit eine gesellschaftliche Identität mit dem eigenen Status hergestellt wird. Wird wirtschaftlicher Erfolg eher individuell erlebt, so kommt den Aufstiegsmöglichkeiten besondere Bedeutung zu, während in Gesellschaften mit ausgeprägter schichtenspezifischer Identität Aufstiegsmöglichkeiten eine geringere Rolle spielen, u. U. auch gar nicht als erwünscht empfunden werden. In Gesellschaften, die eher individualistisch ausgerichtet sind und in denen damit Neid ein besonderes Problem darstellt, wirkt im Zusammenhang mit Lohndifferenzierung aber noch ein anderer Effekt. Als Folge des sogenannten Tunneleffekts66 kann eine Einkommensdifferenzierung auch von Personen günstig eingeschätzt werden, die nicht unmittelbar von ihr profitieren. Albert 0. Hirschman hat dieses Konzept entwickelt, um zu diskutieren, inwieweit zunehmende Einkommensungleichheit im Prozeß der wirtschaftlichen Entwicklung akzeptiert wird. Er formuliert dazu eine Analogie zu einem Stau auf einer zweispurigen Straße in einem AutobahntunneL Ohne die Ursache des Staus zu
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Vgl. Hirschman, 1989, S. 86
:~ Vgl. Schoeck, S. 81 ffsowie S. 209.
Vgl. Schoeck, S. 91. Vgl. Schoeck, S. 109. 64 Blümle/Se/1 1998, S. 331-352. 65 Vgl. z. B. Statistisches Bundesamt, 1994, S. 461. 66 Vgl. Hirschman, 1973, S. 544-565. 63
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kennen, werden auch die Fahrer der rechten Spur es als wohltuend empfinden, wenn es auf der linken Spur vorwärts geht, in der Hoffnung früher oder später selbst auch weiterzukommen. Erst dann, wenn dies nicht geschieht und es alleine auf der anderen Spur immer weiter vorangeht, kommt es zu Frustrationen. Ähnlich stellen in einer Unternehmung Stufen der Einkommenshierarchie Aufstiegschancen filr die Individuen dar. Wenn also diese Hierarchiestufen nicht zu groß sind und damit ihre Erreichbarkeit filr die jeweils untere Stufe als realistisch erscheint, werden diese Differenzierungen nicht nur toleriert, sondern stellen auch eine extrinsische Motivation dar. Die große Bedeutung, die einer mit dem Alter korrelierten Einkommensentwicklung zukommt, ist wohl darin zu sehen, daß der Tunneleffekt der Hoffnung auf eine Verbesserung mit einer vergleichsweise sicheren Erwartung verbunden ist und andererseits Neidgefilhle, die durch individuelle- u. U. kontrovers eingeschätzte - Gehaltserhöhungskriterien entstehen könnten, entfallen. Die filr das Betriebsklima und die Motivation optimale Einkommensdifferenzierung liegt also auf einem Niveau, bei welchem der Neid nicht zu groß wird und man einen Aufstieg filr sich oder seine Kinder filr möglich hält. Eine solche Einkommensstreuung wird dann wohl als gerecht empfunden. Analog geht der Sachverständigenrat davon aus, daß die Lohnrelationen "zumindest teilweise auch Gerechtigkeitsvorstellungen folgen" 67 • Der Tunneleffekt erklärt auch, weshalb Wirtschaftswachstum Verteilungskonflikte dämpft. Selbst wenn die Einkommen aller mit der gleichen Rate wachsen, wenn - um beim Bild zu bleiben - es im Tunnel filr alle vorangeht, entsteht beim Einzelnen doch wohl der Eindruck, daß er sich mit der Zeit relativ besser stellt. Wichtig bleibt dabei jedoch, daß die mit dem Wachstum verbundenen Einkommensverbesserungen langfristig streuen. Kommt es zu anhaltender Begünstigung immer derselben sozialen Schichten, so besteht die Gefahr eines ,Umkippens' "von der Zufriedenheit zur Empörung"68 • Dies bedeutet natürlich umgekehrt, daß in Zeiten stagnierenden Wachstums die Verteilungskonflikte zunehmen. Wenn es nun also aus den angesprochenen Gründen zu sozialen Konventionen kommt, die eine bestimmte hierarchische Struktur erzeugen, stellt sich zunächst folgende Frage: Mit welchen Lohnunterschieden verbindet sich diese Hierarchie? Auf das Problem, welche Rolle in diesem Zusammenhang der Wettbewerb spielt, soll später eingegangen werden.
67 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1976177, Ziffer 281. 68 Hirschman, 1989, S. 79.
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Im Hinblick auf den Maßstab der Einkommensdifferenzierung scheint eine Nutzenfunktion des Einkommens entsprechend dem Weber-Fechnerschen Konzept einer logarithmischen Nutzenfunktion U = a ·In y naheliegend. Es besteht weitgehend Konsens, daß es bei der Verteilungsmessung lediglich auf die Einkommensverhältnisse ankommt und die absolute Einkommenshöhe nicht entscheidend ist. Entsprechend weisen auch fast alle Verteilungsmaße Eigenschaften wie Strahleninvarianz bzw. Income scale independence aur. Selbst bei der Armutsmessung, bei der die Ausrichtung an absoluten Standards von Warenkörben sinnvoll erscheint, dominieren Konzepte, bei denen Armut in Relation zu bestimmten Durchschnittseinkommen als ,strenge Armut' (40 %), ,Armut' (50%) und ,relative Armut' (60 %) definiert wird 70 • So verweisen auch Bemd Fitzenherger und Wolfgang Franz auf "deutliche Tendenzen zu einer Orientierung der Lohnbildung an relativen Lohnstrukturen (vor allem im Verarbeitenden Gewerbe), die einen Anstieg der Lohndispersion entgegengewirkt haben können." 71 In diesem Sinne verweist Martin Reckmann auf das Arteshastra, in welchem den indischen Königen empfohlen wird, "das Verhältnis der Einkommen von Stufe zu Stufe konstant zu wählen." 72 Harold Lydall gibt fUr denselben Zusammenhang in der Unternehmung eine andere Begründung. Er geht davon aus, daß in einer Hierarchie mit geometrisch abnehmenden Klassenbesetzungen eine Bezahlung proportional zur Verantwortung erfolgt, die durch die Einkommenssumme der Untergebenen gemessen wird73 , und sieht sich in diesem Ansatz dadurch bestätigt, daß dies auch durch empirische Unter. d74 . suchungen gestützt wir Eine solche Skala bewirkt eine Tendenz zu einer rechtsschiefen (linkssteilen) Verteilung, die hinsichtlich der Wahrnehmung im sozialen Umfeld eine besondere Eigenschaft aufweist. Bei solchen Verteilungen liegt der Modus als häufigster Wert bei einem niedrigeren Einkommen als der Median, der die Gesamtheit in zwei gleiche Hälften teilt. Es ist überraschend, daß eine solche Schiefe der Verteilung sich filr die verschiedensten Teilverteilungen feststellen läße5 • Entscheidend ist nun, wie die Einkommensverteilung wahrgenommen wird. Orientiert sich die individuelle Wahrnehmung am häufigst auftretenden, sichtbaren Lebensstandard der Bezugsgruppe, so richtet sie sich am Modus als häufigstem Wert aus. Dies bedeutet jedoch, da bei dieser Schiefe der Verteilung der Median bei einem höheren Einkommen liegt, daß sich mehr als 50 % 69
Vgl. Blamle, 1976, Heft I, S. 45-65. V gl. z. B. Statistisches Bundesamt, 1994, S. 600-602. 71 Fitzenberger/Franz, 1998, S. 64-65. 72 Beckmann, 1974, S. 138. 73 Vgl. ofEarnings, London 1968, S. 263. ;~V gl. Lydall, 1968, S. 276. Vgl. z. B. DIW-Wochenbericht, 1990, S. 304-313, insb. S. 312. 70
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der Einkommensempflinger in die Gruppe mit überdurchschnittlichem Lebensstandard einstufen und persönlich mit ihrem Einkommen zufrieden sind. Wird also die Einkommensverteilung individuell wahrgenommen und nicht politisch oder durch Gruppeninteressen übergeordnet thematisiert, so wird die diesbezügliche Zufriedenheit ausgeprägt sein. Bei einem Vergleich des eigenen Einkommens mit dem des Bundesbürgers schätzten für das Jahr 1978 52,1 % ihr Einkommen weit höher und etwas höher ein, und zählt man diejenigen hinzu, die ihr Einkommen als gleich einschätzten so kommt man auf 73,4 %. Selbst im untersten Einkommensquintil waren 42,9 % überzeugt ein gleiches oder höheres Einkommen zu haben'". Es wird entsprechend in empirischen Untersuchungen bezüglich der Bundesrepublik" und den USA'" deutlich, daß die Individuen mit der eigenen Einkommensposition im allgemeinen zufriedener sind als mit der Einkommensverteilung als ganzer. Dies mag teilweise darauf zurückzuführen sein, daß Politiker die Bedeutung des Ziels einer gerechten Einkommensverteilung bei den Wählern überschätzen und so dieses erst zum Problem machen. Die Rolle des Vertrauens für die Einkommensverteilung besteht in diesem Zusammenhang in der Vertiefung von Motivation durch Identifikation mit dem Unternehmen und durch die Kommunikation zwischen Unternehmensleitung und Untergebenen sowie ferner im subjektiven Eindruck der Beschäftigten, wohlwollend und gerecht entlohnt zu werden, in der Hoffnung auf realistische Aufstiegsaussichten und dem persönlichen Eindruck, in der Einkommenspyramide gut positioniert zu sein.
VI. Paretoverteilung und Hierarchiemodell Martin Reckmann hat in seinem Hierarchiemodeli'" zur Einkommensverteilung in Unternehmen keine starre Hierarchie unterstellt, sondern eine variable Kontrollspanne mit einer entsprechenden Beziehung zur Gehaltsspanne. Ferner hat er die Bedeutung verschiedener Beförderungsregeln untersucht11". Für die Einkommensverteilung in Unternehmen kann im Modell unter der zusätzlichen Annahme einer Weber-Fechnerschen Nutzenfunktion eine Paretoverteilung hergeleitet werden, die bezüglich der Aggregation sehr allgemeine Eigenschaften aufweist"'. Die Kontrollspanne drückt das Zahlenverhältnis zwischen Vgl. Vgl. '" Vgl. 79 Vgl. "" Vgl. •• Vgl. 76
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Glatzer, 1988, S. 175 Glatzer, 1988, S. 174-177 Strümpel, 1975, S. 290 f. Beckmann, 1974, S. 135-151. Beckmann, 1974, S. 142-150. hierzu Blümle, 1975, S. 72.
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unmittelbar Untergebenen und Vorgesetzen aus. Bei höherer Kontrollintensität -geringerem Vertrauen also- sind im Vergleich zur Untergebenenzahl mehr Kontrolleure erforderlich und die Kontrollspanne ist kleiner. Es ergibt sich aus der Herleitung Beckmanns, daß Paretas a kleiner und somit die Einkommensverteilung ungleichmäßiger ist. Vertrauen und damit eine geringere Kontrollintensität ermöglichen also eine gleichmäßigere Einkommensverteilung. Da die Paretoverteilung bezüglich der Aggregation besondere Eigenschaften aufweist82, ist eine Aggregation über alle Firmen einer Volkswirtschaft möglich, wenn das a, welches sich aus Kontrollspanne und Entlohnungsrelation ergibt, in allen Unternehmungen übereinstimmt. Wenn also diesbezüglich in einer Gesellschaft einheitliche Konventionen bestehen, kann auf diese Weise die personelle Einkommensverteilung als ganzes erklärt werden. Damit wäre allerdings zugleich ein Zusammenhang zwischen dem gesamten Lohneinkommen und der Zahl der Lohnempfiinger bestimmt. Es läßt sich zeigen, daß im Hierarchiemodell Lohneinkommen und Zahl der Lohnempfiinger direkt proportional sind. Für jede neoklassische Produktionsfunktion mit konstanter Produktionselastizität der Arbeit folgt aus der Entlohnung mit dem Grenzprodukt eine positive Korrelation zwischen Lohnsumme und Beschäftigung. Diese liegt um so näher an der direkten Proportionalität, je näher die Produktionselastizität bei l liegt. Meist werden für diese Produktionselastizität Werte zwischen 0,6 und 0,7 als realistisch angenommen. Eine beachtliche Zahl von Schätzungen weist jedoch, wenn nicht a priori beim Ansatz lineare Homogenität vorausgesetzt wird, Produktionselastizitäten aus, die um oder sogar über I liegen83 . Der oben dargelegte Sachverhalt könnte wie folgt erklärt werden: Selbst wenn die einfachen Annahmen über eine geometrisch abnehmende Besetzung von Klassen in der Hierarchie einer Volkswirtschaft nicht erfüllt sind und damit der Sachverhalt verständlich wird, daß die Paretoverteilung eher für den Bereich höherer Einkommen gilt, kann über eine angebotsseitig bestimmte Lohnstruktur und eine andere Hierarchie das langfristige Gleichbleiben der personellen Einkommensverteilung unselbständig Beschäftigter begründet werden. Dabei wird für den unteren Einkommensbereich zumeist eine Lognormalverteilung unterstellt...
82 Vgl. Blümle, 1975, S. 72. 13 84
Vgl. Labini, 1995, S. 485-504, dabei insbesondere die ÜbersichtS. 490-491. Vgl. z. B. Haslinger, 1998, S. 14.
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VII. Wettbewerb, Ausbildung, soziale Mobilität und Lohndifferenzierung
Welche Rolle kommt nun in diesem Zusammenhang in einer Marktwirtschaft dem Wettbewerb zu? Arbeitnehmer treten in einen Wettbewerb um gleiche Arbeitsplätze. Dabei verhalten sich die Unternehmen bei einer durch Konvention bestimmten Lohnstruktur, die sich im Zeitablauf z. B. in der Bundesrepublik nur wenig geändr;rt Sie betrachten sogar, gemäß dem Ansatz der hat, 85 jeweils. als Mengenanpasser. 86 "adverse selection" , u. V. besonders hohe Lohnforderungen als Ausdruck besonderer Motivation und Fähigkeit. Unternehmen stehen sowohl auf dem Gütermarkt filr konkurrierende Produkte als auch auf dem Kapitalmarkt im Wettbewerb. Die Tarifverhandlungen stellen im wesentlichen Verhandlungen über Durchschnittslöhne dar und lassen die Lohnstruktur relativ starr. Die Arbeitsnachfrage in Form der Mengenanpassung filhrt bei starrer Lohnstruktur zu Beschäftigungsproblemen, weshalb auch immer wieder eine zu Beringe Lohnspreizung als Ursache von Arbeitslosigkeit hervorgehoben wird . Hier kommt in der Bundesrepublik dem Bildungssystem entscheidende Bedeutung zu. "Eine komprimierte Lohnstruktur wie in Deutschland filhrt dazu, daß geringer qualifizierte Arbeitnehmer teurer sind, während Firmen von besser qualifizierten Arbeitnehmern Renten erhalten. Das macht unqualifizierte Arbeit in Deutschland relativ unrentabel und gibt Anreize, daß die Firmen filr diese Arbeitskräfte selbst Ausbildungsanstrengungen unternehmen. Die bessere schulische Vorbereitung der Arbeitnehmer ist dabei eine zusätzliche Hilfe. " 88 Die "Konstanz der Lohnstruktur, filhrt ... dazu, daß sich die Ausbildungsanreize filr Firmen noch weiter erhöht haben." 89 In diesem Zusammenhang wird insbesondere auch auf die Vorteilhaftigkeit der breiten und im internationalen Ve~leich guten formalen Schulung des deutschen Bildungssystems verwiesen . Die durch die starre Lohnstruktur erzwungene Anpassung filhrt also dazu, daß durch betriebliche Schulung die Produktivität angepaßt wird. Die durch "natürliche" Gegebenheiten bestimmte Grenzproduktivität bestimmt also nicht Lohn und Lohnstruktur, sondern die Produktivität wird an eine weitgehend durch gesellschaftliche Konvention bestimmte Lohnstruktur angepaßt.
Vgl. Pischke, 1998, S. 98. V gl. z. B. den Überblick bei Berthold, 1987, S. 117-124. 87 Vgl. z. B. Fitzenberger!Franz, 1998, S. 47-48. 88 Pischke, 1998, S. 114. 89 Pischke, 1998, S. 114. 90 Vgl. Pischke, 1998, S. 114. 85
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Daß umgekehrt trotz gleichmäßiger Verteilung die individuellen Bildungsanstrengungen nicht entsprechend zurückgehen, liegt sicherlich nicht nur an einem guten und finanziell günstigen Ausbildungsangebot, sondern auch an den Hoffnungen, durch bessere Ausbildung größere Aufstiegsmöglichkeiten und befriedigendere Tätigkeiten in einer Gesellschaft zu erlangen, in der das Sozialkapital des Vertrauens und damit intrinsische Motivation von besonderer Bedeutung sind. Der Wettbewerb zwischen Unternehmen ist nach diesem Verständnis ein Wettbewerb zwischen Unternehmen, in denen der Faktor Arbeit als Bündel in einer Hierarchie beschäftigt wird. Im Kostenwettbewerb kann durch Variationen des Stellenkegels eine Optimierung erfolgen, die dem einfachsten Grundgedanken der Grenzproduktivitätstheorie entspricht, aber die die durch Normen und gesellschaftliche Konventionen bestimmte Lohnstruktur nicht beeinträchtigen muß. Der Wettbewerb zwischen den Unternehmen fiihrt bei gegebener Lohnstruktur und unter Berücksichtigung der nicht-monetären Entlohnungsaspekte, die abzielen auf die Schaffung intrinsischer Motivation, und externer Effekte zu einer bestimmten hierarchischen Struktur. Diese wird durch die mikroökonomischen Produktionsfunktionen mitbestimmt, die durch den Wettbewerb bei gegebenen Löhnen den Arbeitseinsatz regeln, so daß es zur "Ähnlichkeit" 91 der mikroökonomischen Produktionsfunktionen kommt, was wiederum eine Aggregationsmöglichkeit begünstigt. Die hierarchische Struktur entwickelt sich im Wettbewerb und durch Lernen über den Informationsfluß zwischen den Unternehmen. Dies führt nur langfristig zu einem Optimum, welches indessen je nach Zielsetzungen der Unternehmensleitungen auch von gesellschaftlichen Konventionen geprägt sein kann. Bertil Näslund hat diesbezüglich ein Konzept entwickelt, wie man die Einkommensverteilung in Unternehmen mit der zwischen Unternehmen verbinden kann, so daß sich auf diese Weise eine Paretoverteilung ergibt92 • Das ganze Faktorbündel Arbeit, welches entsprechend einem Hierarchieansatz aggregiert werden kann, mag in substitutiver Konkurrenz zum Faktor Kapital stehen und auf diese Weise so etwas wie eine makroökonomische Produktionsfunktion empirisch begründen, aber eine produktionstheoretische Deutung der Parameter erscheint nicht möglich. Der Zusammenhang zwischen Reallohn und Beschäftigung entsprechend der Neoklassik mag bei offenen Volkswirtschaften und mehr oder weniger festen Wechselkursen über den internationalen Wettbewerb eher begründbar sein als über eine substitutionale Beziehung des Faktors Arbeit zum Faktor Kapital. Der Einsatz der Technik scheint zumindest in Deutschland m. E. wenigstens kurz91 92
Vgl. hierzuBlümle, 1998, S. 225-244 Vgl. Näslund, 1977, S. 65-Q7.
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und mittelfristig eher durch ingenieurwissenschaftlich-technisches Arbeitskräftesparen gekennzeichnet zu sein, als durch vom Faktorpreisverhältnis abhängige Substitutionsprozesse.
Vßl. Einkommensverteilung in Deutschland und Frankreich: Die Interpretation
Wie könnten nun vor dem Hintergrund der bisherigen Argumentation die Verteilungsunterschiede zwischen Frankreich und Deutschland erklärt werden? Hierbei soll getrennt nach dem Aspekt der Motivation und dem der externen Effekte argumentiert werden. Es wurde betont, daß eine größere intrinsische Motivation zustande kommt, die zu geringeren Lohndifferentialen fUhrt, wenn durch ein Vertrauensverhältnis wenig Kontrolle und mehr Selbstbestimmung und Mitwirkung im Betrieb möglich werden. Wichtig ist ferner, daß fremdbestimmte Anforderungen und hierarchisch zentralistisches Denken in den Hintergrund treten, sowie daß keine vereinheitlichende Lohnpolitik angestrebt wird. Diesbezüglich unterscheiden sich die französische und die deutsche Unternehmenskultur und Unternehmerkultur grundlegend. "Weder der ,patron' von einst noch der heutige ,President Directeur General' pflegt seine Entscheidungen mit Untergebenen zu diskutieren." 93 Dagegen ziehen deutsche Manager mit Hang zu Harmonie, Integration und Sicherheit "eine konsensorientierte Teamarbeit"94 vor. Ist Cogestion (Mitbestimmung) fiir den französischen Patron ein extremes Reizwort und lehnen auch alle französischen Gewerkschaften Mitbestimmung ab95 , wird sie gerade von den deutschen Einheitsgewerkschaften als wichtiges Ziel angestrebt. Dies unterschiedliche Selbstverständnis der Gewerkschaften in ihrem Verhältnis zu den Unternehmen belegt auch die Zahl der Streiktage, die, trotz des geringen gewerkschaftlichen Organisationsgrades in Frankreich96 , im Jahresdurchschnitt 1986-1995 je 1000 Beschäftigte 105 Tage in Frankreich und 13 Tage in Deutschland beträgt97 • Daß in der Untersuchung von Björn Gustafsson und Mats Johansson die Variable "union density" mit einem deutlich geringeren Ginikoeffizienten also einer geringeren Einkommensspreizung verbunden ist98 , läßt sich in diesem ZusamBerger, 1993, S. 69. Berger, 1993, S. 70. 95 Vgl. Nauschütz, 1992, S. 137-138. 96 Vgl. Dohse/Krieger-Boden, 1998, S. 68. 97 Institut der deutschen Wirtschaft, 1998, Tabelle 5.11. 98 Vgl. Gustafsson, 1997, S. 14.
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menhang auch durch einen höheren Grad an Vertrauen deuten. So, wie "Civic Participation" 99 als Ausdruck von Vertrauen in einer Gesellschaft aufgefaßt wird, kann der höhere gewerkschaftliche Organisationsgrad in Deutschland ebenfalls als ausgeprägteres Vertrauen in die Funktionsfähigkeit von großen Organisationen in diesem Argumentationszusammenhang interpretiert werden. Dies führt auf der anderen Seite zu einem geringer ausgeprägten Trittbrettfahrerverhalten. Das Streben nach einheitlichen Tarifen für die eigene Klientel und die fortwährende Erfolgskontrolle fuhren zu einer Zentrierung der Interessen auf materielle, extrinsische Verbesserungen. Generell läßt sich das Gewerkschaftsverständnis auch als Ausdruck eines wesentlich ausgeprägteren Klassenverständnisses in Frankreich verstehen. Dieses Denken, das auch das Kreislaufmodell der Physiokratie offenbart, hat zweifelsohne historische Wurzeln. Während in der erfolgreichen französischen Revolution die Frage der Menschenrechte, des Konstitutionalismus im Mittelpunkt stand und die Revolutionen aus der sozialen Frage im 19. Jahrhundert blutig niedergeschlagen wurden, standen in den Ländern des noch nicht existierenden Deutschen Reiches Bürger, Arbeiter und Studenten auf gleicher Seite, geeint im Kampf durch die offene nationale Frage und für konstitutionelle und soziale Ziele fechtend. Diesem Klassenverständnis in Frankreich kommt noch heute auch seitens der französischen Managerkultur die zentralisierte Unternehmensleitung entgegen. "Französische Unternehmen haben aus diesem Grund fast identische Organisationsstrukturen. Deren Hauptmerkmale sind einmal die dominierende Rolle der Firmenzentralen, zum anderen ein genauso herausragender Einfluß des ,President directeur generat' ."•oo Geringeres Vertrauen und damit erhöhter Kontrollbedarf führen aber auch dazu, daß sich die Unternehmen in Frankreich eher familialistisch und dirigistisch orientiert zeigen und eine kleinere Unternehmensgröße aufweisen'"'. Großbetriebe sind demgegenüber in Frankreich sehr oft in Staatsbesitz. In einer Gesellschaft, in welcher somit extrinsische Motivation im Verhältnis zu intrinsischer wichtiger ist, wird eine ungleichere Einkommensverteilung zur Schaffung von Leistungsanreizen demzufolge wichtiger. Im Hinblick auf die externen Effekte, die durch ein gleichgewichtiges Zusammenwirken von Neid und Tunneleffekt erläutert wurden, bestehen hier zwischen Deutschland und Frankreich ebenfalls entscheidende Unterschiede.
•• La Porta, 1997, S. 335. ""' Berger, 1993, S. 152. "" Vgl. Fukuyama, 1997, S. 47--48.
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Das Klassenverständnis in Frankreich bedingt eine klassenspezifische Identität auch bezüglich des Lebensstandards. Größere Einkommensabstände innerhalb der Hierarchie führen über größere soziale Distanz zu einer Verringerung des Neides und stützen zugleich diese Klassenidentität während in Deutschland, auch wegen des größeren Harmoniebedürfnisses Gerechtigkeitsaspekte wichtiger sind. Der Tunneleffekt spielt in Frankreich ebenfalls eine geringere Rolle. Zum einen, wohl auch gestützt durch das Klassenbewußtsein, ist der Wille zur Karriere in Frankreich konzentriert auf die Elite. Die Kultur des Elitecampus äußert sich in diesem Land darin, daß neben dem Besuch der richtigen Universität auch "gute gesellschaftliche Kontakte" 102 von entscheidender Bedeutung sind. Nicht nur der Wille zur Karriere sondern auch die gesellschaftliche Mobilität dürften für weite Kreise der Unselbständigen in Frankreich deutlich weniger ausgeprägt sein als in Deutschland. Die Einkommensstruktur muß daher nicht realistische Aufstiegschancen eröffnen. Während deutsche Manager "nach wie vor durch die Instanzen" 103 gehen, in Frankreich als Modell "des ,montagnard' (ceux qui commencent leur carriere a un niveau d'ingenieur ou en dessous)"u" bezeichnet, charakterisieren die Franzosen ihr eigenes Karrieremodell als Modell "des ,catapultes' (ceux qui arrivent immediatment sur le fauteuil presidentiel)"105. Quereinsteiger, die in Deutschland abgelehnt werden, 106 und Karrieren, die aus der Politik in die oberen Etagen der Unternehmen führen, sind in Frankreich selbstverständlich. Die soziale Mobilität, die dem Klassendenken entgegenwirkt, ist in Deutschland wesentlich höher. Die Rolle des Vertrauens für die Möglichkeit einer gleichmäßigen Einkommensverteilung besteht in diesem Zusammenhang in der Hebung von Motivation durch Identifikation mit dem Unternehmen, verstärkt durch Kommunikation zwischen Unternehmensleitung und Untergebenen und ferner im subjektiven Eindruck der Beschäftigten, wohlwollend und gerecht entlohnt zu werden, sowie in der Hoffnung aufrealistische Aufstiegsaussichten.
IX. Ergebnisse Die mikroökonomische Grenzproduktivitätstheorie kann die Höhe und Verteilung individueller Lohneinkommen nicht erklären. Die Lohnstruktur ist langfristig durch Normen und soziale Konventionen bestimmt. 102 Berger, 1993, S. 37.
Berger, 1993, S. 40. Bauer!Bertin-Mourot, 1993, S. 16. 105 Bauer/Bertin-Mourot, 1993, S. 16. 11 ~' V gl. Berger, 1993, S. 41.
1" 3
10 ~
3 FS Oberhauser
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Die mikroökonomische Grenzproduktivitätstheorie vermag - bei Berücksichtigung nicht-monetärer Aspekte der Entlohnung - über das Verhalten der Unternehmer als Mengenanpasser die langfristige Herausbildung einer durch Wettbewerb optimierten hierachischen Beschäftigungsstruktur zu begründen. Diese Struktur ermöglicht eine Zusammenfassung der Arbeitseinkommen zu einem makroökonomischen Aggregat und läßt damit so etwas wie eine makroökonomische Produktionsfunktion entstehen. Der Zusammenhang zwischen Reallohn und Beschäftigung ist eher durch den internationalen Wettbewerb bei festen Wechselkursen begründet, als durch Substitutionseffekte zwischen Arbeit und Kapital einer weitgehend durch die Paradigmen der Techniker bestimmten Entwicklung der Technik. Mit der zunehmenden Bedeutung der Globalisierung und den damit wichtiger werdenden internationalen Vergleichen wird die Nationalökonomie ihren Glauben an erfolgreiches "Theoretisieren" ohne Berücksichtigung des Datenkranzes zunehmend aufgeben und sich auf die Traditionen der Historischen Schule und der Verstehenden Nationalökonomie rückbesinnen müssen: Der Datenkranz selbst muß im Mittelpunkt des Interesses zukünftiger Ökonomen stehen!
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Einkommensumverteilung und Wirtschaftswachstum Alfred Greiner und Horst Hanusch
I. Einleitung Seit Mitte der achtziger Jahre entwickelt sich wirtschaftliches Wachsturn wieder zu einem Forschungsschwerpunkt in der Makroökonomik Dies hängt eng mit dem Aufkommen der sogenannten ,,neuen" oder "endogenen" Wachstumstheorie zusammen. In ihr ist andauerndes Wachsturn einer Volkswirtschaft nicht mehr das Ergebnis exogener Einflußgrößen, sondern das Resultat endogener Mechanismen und es muß daher nicht länger als ein von außerhalb des eigentlichen ökonomischen Geschehens determiniertes Phänomen betrachtet werden. In der Literatur dazu diskutiert man nun verschiedene Möglichkeiten, die Wachsturnsrate als eine endogene Größe aufzufassen. Man kann etwa davon ausgehen, daß von Investitionen in Realkapital externe Effekte ausgehen, die einen positiven Einfluß auf das Marginalprodukt von privatem Kapital ausüben. Dieser erhöht den Anreiz zu investieren und führt so zu andauerndem Wachsturn 1• Eine andere Möglichkeit, die Wachsturnsrate als eine endogene Größe zu behandeln, hat Barro (1990) vorgeschlagen. Er geht in seinem Beitrag davon aus, daß der Staat produktive öffentliche Ausgaben tätigt, etwa Infrastrukturinvestitionen, die sich positiv auf die Investitionsquote einer Volkswirtschaft auswirken. Dadurch wird in seinem Modell die Wachsturnsrate ebenfalls zu einer endogenen Variable. Eine beliebte Variante besteht auch darin zu unterstellen, daß sich das Humankapital in einer Volkswirtschaft stimulierend auf das Marginalprodukt von privatem Kapital auswirkt. Dies wiederum hat positive Effekte auf die Investitionsquote eines Landes und somit auch fil.r die Wachstumsrate. Letztendlich führt dieser Ansatz dann dazu, daß die Grenzproduktivität eines breit defmierten Kapitalstocks, der sich aus Real- und Humankapital zusammensetzt, über die Zeit hinweg unverändert bleibt, was auch die Investitionsquote zu einer Konstanten werden läßt. Im Ergebnis erhält man auch hier andauerndes Wachsturn mit einer Rate, die als endogene Variable auftritt.
1
S. etwa Romer, 1986.
40
Alfred Greiner und Horst Hanusch
Mit dem wieder erwachten Interesse an der Wachstumstheorie rückt erneut auch die Frage in den Vordergrund, wie sich die Einkommensverteilung in einer Ökonomie auf das Volkseinkommen auswirkt- eine Forschungsrichtung, die bereits in den fiinfziger und sechziger Jahren große Aufmerksamkeit gefunden hatte. Ein wichtiger Beitrag aus jener Zeit, der den Zusammenhang zwischen Einkommensverteilung und dem Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft untersucht, gemessen an der Höhe des Sozialprodukts, ist der Ansatz von Kuznets (1955). Er kommt darin zu dem Ergebnis, daß die Einkommensverteilung mit steigendem Einkommen zunächst ungleicher wird und dieser Zusammenhang sich erst ab einem bestimmten Niveau umkehrt. Es ergibt sich die sogenannte Kuznets-Kurve, ausgedrückt als inverse U-förmige Relation zwischen der Ungleichheit in der Einkommensverteilung und der Höhe des Volkseinkommens. Der Grund filr diesen Verlauf liegt nach Kuznets in dem Umstand begründet, daß die reicheren Bevölkerungsschichten zu Beginn eines Wachstumsprozesses überproportional viel Vermögen und Einkommen anhäufen, was die Einkommensverteilung ungleicher macht. Einen weiteren Grund fiir diesen Entwicklungstrend sieht er in der zunehmenden Verstädterung, denn in den Städten weist das Einkommen eine größere Streuung auf als auf dem Land. Erst dann, wenn das Einkommensniveau einen bestimmten Wert übersteigt, kehrt sich die Entwicklung um. Dann wird die Einkommensverteilung mit zunehmendem Volkseinkommen gleicher. Begründet wird diese Umkehr mit dem Argument, daß Gruppen mit niedrigerem Einkommen zunehmend an politischem Einfluß gewinnen und diesen in einer Demokratie auch dazu nutzen, Parteien zu unterstützen, die eine Politik der Einkommensumverteilung verfolgen. Diese Kuznets-Hypothese blieb allerdings bis heute umstritten, da die empirischen Studien hierzu zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen2 • Demgegenüber vertritt Reder (1969) die Ansicht, daß die Einkommensverteilung in sehr armen Ländern gleich sein müßte. Der Grund hierfiir bestehe einfach darin, daß es in Volkswirtschaften, deren Einkommen nur knapp über dem Subsistenzniveau liegen, nichts Übriges gäbe, was es zu verteilen lohne. Folglich sei es auch nicht möglich, daß sich Vermögen und Einkommen auf eine bestimmte Gruppe konzentriert. Erst wenn das Einkommen über die Zeit hinweg ansteigt, können manche Gruppen mehr Einkommen und Vermögen anhäufen und die Einkommensverteilung wird ungleicher werden. Diese Entwicklung kann sich noch durch die zunehmende Arbeitsteilung verstärken, die mit einem wachsenden Volkseinkommen einhergeht. So unterstellt etwa Kravis (1960), daß bei einem relativ geringen Einkommensniveau das Arbeitsangebot homogen sei. Folglich ist auch die Entlohnung fiir alle 2
S. etwaAnand!Kanbur, 1993.
Einkommensumverteilung und Wirtschaftswachstum
41
gleich. Mit wachsendem Einkommen aber kommt es zu einer zunehmenden Arbeitsteilung und der Faktor Arbeit entwickelt sich zu einem heterogenen Gut, das auch unterschiedlich entlohnt wird. Dies wiederum fUhrt dazu, daß die Einkommensverteilung in einer Volkswirtschaft sich ungleicher gestaltet. Genausowenig wie die Kuznets-Hypothese empirisch gestützt ist, läßt sich auch die Vorstellung empirisch untermauern, daß die Verteilung der Einkommen mit wachsendem Einkommensniveau ungleicher werde 3 • Zusammenfassend läßt sich demnach festhalten, daß diese frühen Studien zwar zu interessanten Hypothesen gelangen, was den Zusammenhang zwischen dem Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft und der damit einhergehenden Einkommensverteilung anlangt, diese aber sich empirisch nicht bestätigen lassen. Möglicherweise war das Auseinanderklaffen von analytisch deduziertem Resultat und empirischen Ergebnissen auch die Veranlassung dafiit, daß man heute, im Rahmen der endogenen Wachstumstheorie, nicht mehr auf die Wechselwirkung zwischen der Verteilung und dem Niveau des Sozialprodukts abstellt, sondern sich primär auf die Auswirkungen konzentriert, die von der Einkommensverteilungauf die (endogene) Wachstumsrate des Volkseinkommens ausgehen. Diese neueren theoretischen Beiträge, die den Zusammenhang zwischen Einkommensverteilung, Umverteilung und Wachstum untersuchen, lassen sich im wesentlichen in zwei Klassen einteilen. Eine erste Klasse von Modellen untersucht das (Um-)Verteilungsproblem in einem polit-ökonomischen Kontext. Die Beiträge hierzu konzentrieren sich vorwiegend auf die Konflikte, die zwischen Gruppen mit unterschiedlichem Einkommen in wachsenden Volkswirtschaften entstehen können. Als Lösungsmechanismus filr solche Auseinandersetzungen werden demokratische Wahlen angesehen. In diesem institutionalen Rahmen setzt sich dann jene Gruppe politisch durch, die die Vorstellungen des Median-Wählers repräsentiert. Damit geht zugleich eine ganz bestimmte Steuerpolitik einher, die wiederum entscheidenden Einfluß auf die Investitionsquote und über diese auch auf die Wachstumsrate in einer Volkswirtschaft ausübt4 • In der zweiten Modellklasse geht man unmittelbar der Frage nach, wie sich die Einkommensverteilung auf die Effizienz der eingesetzten Ressourcen auswirkt und über diese auf das gesamtwirtschaftliche Wachstum. In diesem Ansatz spielen auch intergenerative Aspekte eine bedeutende Rolle, die dann im Rahmen von Modellen mit Kreditrationierung abgehandelt werden. Wenn ökonomische Akteure, die gerne investieren möchten, zu einem gegebenen Zinssatz sich auf dem Kreditmarkt nicht in der Höhe verschulden können, wie sie 3
S. etwa Ogwang, 1995.
~ S. etwa Alesina/Rodrik, 1994, oder Perssonffabellini, 1994.
42
Alfred Greiner und Horst Hanusch
dies gerne täten, kommt das geerbte Vermögen ins Spiel und erhält eine entscheidende Rolle in der Bestimmung der Höhe der gesamtwirtschaftlichen Investitionen. Auf diese Weise wird die Vermögensverteilung zu einer zentralen Größe, die die Investitionsquote determiniert und auf die durch Umverteilungsmaßnahmen politisch Einfluß genommen werden kann, was wiederum die Wachstumsrate in einer Volkswirtschaft maßgeblich tangiert5 • Der theoretische Zusammenhang der ersten Modellklasse, in der Wahlen den Konflikt zwischen unterschiedlichen Einkommensbeziehern lösen, läßt sich auch durch empirische Studien stützen. So fanden beispielsweise Alesina und Rodrik (1994) sowie Perssan und Tabellini (1994) in Querschnittsstudien heraus, daß ihre theoretischen Ergebnisse durch empirische Untersuchungen bestätigt werden. Darüber hinaus zeigt eine Studie von Clarke (1995) auch, daß die erzielten Resultate robust sind, das heißt der gefundene Zusammenhang ist statistisch signifikant, unabhängig davon, welche anderen erklärenden Variablen in die Schätzgleichung aufgenommen werden. Eine andere Vorgehensweise in der Empirie besteht darin, sich nicht an einem theoretischen Modell zu orientieren, sondern aus Regressionsgleichungen herauszufinden, welcher Zusammenhang zwischen Einkommensverteilung und Wirtschaftswachstum besteht und wie dieser Zusammenhang von anderen ökonomischen Variablen beeinflußt wird. Eine umfangreiche Arbeit hierzu hat Perotti (1996) angefertigt. Er findet in einer empirischen Studie eindeutige Ergebnisse, die sich auch als robust herausstellen. Wir halten die eben grob beschriebenen Modellansätze für eine interessante Forschungsrichtung, die das ewigjunge Thema "Wachstum und Verteilung" in einem neuen Lichte zu analysieren versucht. Daher möchten wir gerne in unserem Aufsatz zu Ehren des 70. Geburtstages von Alois Oberhauser diesen Fragenkreis etwas eingehender betrachten. Alois Oberhauser zählt ohne Frage zu jenen herausragenden Ökonomen, die stets ihr makroökonomisches Interesse an Wachstum und Entwicklung von Volkswirtschaften in ein wirtschafts-und sozialpolitisches Engagement für Verteilung und Umverteilung von Einkommen und Vermögen einzubetten wußten. In den nächsten Abschnitten dieses Beitrags werden wir also zunächst der Frage nachgehen wie sich in der neueren Literatur der Zusammenhang zwischen Umverteilung von Einkommen sowie Vermögen und der Wachstumsrate einer Volkswirtschaft darstellt. Zu diesem Zwecke stützen wir unsere Ausführungen auf die Modelle von Alesina und Rodrik (1994) sowie von Benabou (1996), die als beispielgebend für die angesprochenen zwei Modellklassen innerhalb der endogenen Wachstumstheorie gelten können. Anschließend widmen wir uns der empirischen Seite des Problems, indem wir die Studie von ~ S. hierzu Benabou, 1995, Saint-Paul/Verdier, 1993, oder Aghion/Bolton, 1997.
Einkommensumverteilung und Wirtschaftswachstum
43
Perssan und Tabellini (1994) präsentieren, die die empirische Relevanz der ersten Modellklasse überprüft. Darüber hinaus erörtern wir etwas ausfUhrlieber auch eine Studie von Peratti (1996), die im Gegensatz zu Perssan und Tabe/lini kein theoretisches Modell überprüfen will, sondern mit Hilfe von Regressionsgleichungen versucht, den Zusammenhang von Wachstum und Einkommensverteilung empirisch aufzudecken. In einem letzten Abschnitt schließlich versuchen wir in einem kritischen Überblick die wesentlichen Ergebnisse des Beitrags zusammenzufassen.
II. Der Einfluß von Umverteilung auf die Investitionsquote In diesem Abschnitt sehen wir uns ein endogenes Wachstumsmodell an, in dem Wahlen die Wachstumsrate entscheidend beeinflussen können. Ausgangspunkt unserer Betrachtung ist das Modell von Alesina und Radrik (1994). In diesem Ansatz ist die Produktionsfunktion gegeben durch: y = AK aa l-aLI-a, a
(I)
E
(0,1).
Y ist der Output6, A ein exogen gegebener Technologieparameter und K steht fUr den privaten Kapitalstock, der breit definiert ist. Das heißt privates Kapital umfaßt sowohl Realkapital als auch HumankapitaL G sind produktive Staatsausgaben und L steht fUr den volkswirtschaftlichen Arbeitseinsatz, der als unelastisch und konstant unterstellt ist, so daß wir Arbeit auf 1 normieren können. Der Staat beeinflußt also in diesem Modell die aggregierte Produktion, indem er produktive öffentliche Ausgaben tätigt. Dadurch wird ein Zusammenhang geschaffen zwischen Umverteilungspolitiken und dem Wachstumsprozeß. Die Staatsausgaben werden finanziert durch eine Kapitaleinkommensteuer mit dem Steuersatz t . Des weiteren wird ein ausgeglichener Staatshaushalt unterstellt. Es gilt also (2)
G=tK.
Auf den Faktormärkten herrscht vollkommene Konkurrenz, was bedeutet, daß der Zins- und Lohnsatz gleich dem Marginalprodukt von privatem Kapital beziehungsweise der Arbeit sind. Unter Verwendung von (2) ergibt sich somit:
6
Aus Gründen der Übersichtlichkeit lassen wir den Zeitindex t weg.
44
Alfred Greiner und Horst Hanusch
(3) (4)
r = aA'tl-a
= r('t),
w =(l-a)A't 1-aK = w('t)K.
Man beachte, daß das Marginalprodukt von Kapital r unabhängig vom Kapitalstock K ist. Dies verhindert, daß als Folge eines steigenden Kapitalstocks r abnimmt, was wiederum zu andauerndem Wachstum filhrt. Das Kapitaleinkommen nach Steuer und das Arbeitseinkommen sind dann gegeben durch (5)
yK = (r('t)- 't)K,
(6)
yL =W('t)K.
Damit die Volkseinkommensentstehung gleich der Verwendung ist, muß gelten yK + yL + G = Y, was hier auch zutrifft. Die Haushalte in dieser Volkswirtschaft sind identisch und unterscheiden sich nur in ihren Ausstattungen mit Kapital. Jeder Haushalt wird gemäß seinem relativen Kapitalanteil ai indexiert:
(7)
i
Li
a = - . - , ai e[O,oo). K 1 /K
Ein Haushalt mit einem hohen a ist relativ arm an Kapital, ein Haushalt mit einem kleinen a ist relativ reich. Der Wert von ai könnte sich prinzipiell über die Zeit hinweg ändern, wir wollen in diesem Beitrag allerdings davon ausgehen, daß ai konstant ist. Das Einkommen des i-ten Haushalt ergibt sich dann als (8)
Man beachte, daß das Haushaltseinkommen sowohl vom individuellen Kapitalstock als auch vom volkswirtschaftlichen abhängt. Alle Haushalte haben eine identische logarithmische Nutzenfunktion. Die Entscheidung, wieviel ein Haushalt konsumiert und wieviel er spart, ergibt sich als Lösung des folgenden Optimierungsproblems:
Einkommensumverteilung und Wirtschaftswachstum
45
CO
ml!X Je-pt lnCi dt,
(9)
C'
0
mit p der Zeitpräferenzrate und C; dem Konsum. Die Nebenbedingung, die der Haushalt zu beachten hat, Iautee:
Die Lösung dieses Problems liefert die Wachstumsrate des Konsums als (II)
Bei einem konstanten Steuersatz, was in diesem Modell im Gleichgewicht zutrifft, wächst der Kapitalstock von jedem Haushalt gemäß (12)
Dies zeigt, daß alle Haushalte mit der gleichen Rate sparen, was wiederum impliziert, daß eine gesamtwirtschaftliche gleichgewichtige Wachstumsrate y(t) existiert, die unabhängig von der Verteilung ist. Des weiteren bleiben die relativen Faktorausstattungen ui konstant und die Verteilung ist somit zeitunabhängig. Es läßt sich auch leicht zeigen, daß flir dieses Modell ein wachstumsmaximierender Einkommensteuersatz existiert, der gegeben ist durch: (13)
Man erhält hier eine Art Laffer-Kurve, die einen inversen U-förmigen Zusammenhang zwischen dem Steuersatz als der unabhängigen und der Wachstumsrate als der abhängigen Größe postuliert.
7
Der Punkt über einer Variablen gibt die Ableitung nach der Zeit an.
46
A1fred Greiner und Horst Hanusch
Die Wahl des Steuersatzes • beeinflußt also entscheidend die Wachstumsrate in der betrachteten Volkswirtschaft. Wie sieht nun der Steuersatz aus, den Haushalt i wählt und wie hängt dieser von seiner relativen Ausstattung ai ab? Um diese Frage zu beantworten, wird zunächst das Optimierungsproblem des Staates formuliert, der jenen Steuersatz wählt, der den Nutzen des i-ten Haushalts maximiert. Das Optimierungsproblem fUr den Staat lautet:
(14)
"'
m:" Je-pt 1ncidt, 0
unter Beachtung der Nebenbedingungen (15)
(16) (17)
K/K = y('t).
Die erste Gleichung gibt das Niveau des Konsums auf dem gleichgewichtigen Wachstumspfad an und die beiden anderen Gleichungen besagen, daß sowohl der individuelle Kapitalstock als auch der gesamtwirtschaftliche von der Wachstumsrate abhängen. Die Lösung dieses Optimierungsproblems ergibt den optimalen Steuersatz fUr Haushalt i in impliziter Form: (18)
wobei ei (•i) gegeben ist durch: (19)
ei ist also das Verhältnis des Arbeitseinkommens zu den Konsumausgaben und hängt positiv von ai ab. Da die Zeit nicht in diesem Ausdruck vorkommt, ist der optimale Steuersatz eine Konstante.
Einkommensumverteilung und Wirtschaftswachstum
47
Man kann auch zeigen, daß die Gleichungen (18) und (19) einen eindeutigen Wert fUr ti liefern, der um so größer ausflUlt, je größer cri ist. Das bedeutet, daß der optimale Steuersatz um so höher ist, je ärmer der Haushalt ist in bezug auf seine Kapitalausstattung. Dieser Zusammenhang gilt, weil das Lohneinkommen mit zunehmendem Einkommensteuersatz ansteigt, was man unmittelbar der Gleichung (6) entnehmen kann. Ein interessanter Fall ist dann gegeben, wenn ein Haushalt kein Arbeitseinkommen erhält, sondern lediglich Einkommen aus seinem Vermögen bezieht. Dann ist cri = 0 und der optimale Einkommensteuersatz fiir diesen Haushalt stimmt mit dem wachstumsmaximierenden Satz t* überein. Da ti um so größer ist, je größer cri ist, wird offensichtlich, daß ein Haushalt mit Arbeitseinkommen, das heißt mit einem cri > 0, einen Einkommensteuersatz ti wählen wird, der t • übersteigt. Ein hoher Steuersatz aber wirkt sich negativ auf die Wachstumsrate aus, weil er das Marginalprodukt von privatem Kapital reduziert, was wiederum negative Folgen fUr die Investitionsquote hat. Nun wollen wir annehmen, daß in unserer Volkswirtschaft die Entscheidung über den Steuersatz durch eine einfache Mehrheitswahl gefällt wird. In dem beschriebenen Modell läßt sich dann das Median-Wähler-Theorem anwenden. In dieser neuen Konstellation wird nur über eine Alternative abgestimmt, wobei die Präferenzen des Wählers eingipfelig sind und ein monotoner Zusammenhang zwischen der idealen Politik und der Faktorausstattung eines Wählers besteht. Darüber hinaus soll die ideale Politik über die Zeit hinweg als konstant gelten, genauso wie die Faktorausstattung. In dem festgelegten Modellrahmen wird unmittelbar klar, daß der Steuersatz
tm, der sich als Ergebnis der Wahl einstellt, implizit durch die folgende Be-
ziehung gegeben ist: (20)
tm (1-aA(l-a)(tm )-a) = p(l-a)em (tm ),
(21)
crm bezeichnet hierbei die relative Faktorausstattung des Medianwählers. Man sieht also, daß eine Mehrheitswahl den Steuersatz hervorbringt, der fiir den Medianwähler optimal ist, und der in entscheidender Weise von dessen relativer Faktorausstattung abhängt.
In einer Volkswirtschaft mit gleicher Verteilung gilt cri =crm =I, fUr alle i. In der Realität ist das Arbeit-/Kapital-Verhältnis des Medianwählers jedoch größer als das durchschnittliche Verhältnis, das heißt es gilt cr m -1 > 0 . Des
48
A1fred Greiner und Horst Hanusch
weiteren fiillt die Differenz zwischen dem Median und dem Durchschnitt um so größer aus je ungleicher die Verteilung ist. Deshalb kann man den Ausdruck crm -1 als einen Indikator fiir Ungleichheit in diesem Modell verwenden. Dieses Maß gibt an, in welchem Umfang die Kapitalausstattung des Medianwählers unterhalb des Durchschnitts liegt. Auch sollten wir noch erwähnen, daß in diesem Modell die Faktorausstattung in direktem Zusammenhang zum Einkommen steht, so daß die Ergebnisse auch gelten, wenn Ungleichheit in bezug auf das individuelle Einkommen gegeben ist. Um dies zu sehen, halten wir zunächst fest, daß das Einkommen des i-ten Haushalts gegeben ist durch:
Da Arbeit im betrachteten Modell als homogen unterstellt ist, kann man davon ausgehen, daß alle Haushalte, die gleiche Menge an Arbeit zur VerfUgung haben. Dies impliziert, daß yi in inverser Beziehung zu cri steht. Hieraus folgt, daß der Einkommensunterschied zwischen dem Median und dem Durchschnitt um so größer ist, je größer die Lücke zwischen crm und I ist. Somit können wir das Ergebnis ableiten, daß die Wachstumsrate der Volkswirtschaft um so geringer ausfiillt, je größer die Differenz crm -1 ist. Oder anders ausgedrückt: Je ungleicher sich die Verteilung des Einkommens und des Vermögens in einer Volkswirtschaft darstellt, um so geringer wird dann die Wachstumsrate sein. Dieses Modell zeigt also, wie eine ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung über den Wahlprozeß die Wachstumsrate einer Volkswirtschaft beeinflussen kann. Es muß aber auch deutlich gemacht werden, daß sich die Umverteilung über die Einkommensteuer negativ auf die Wachstumsrate auswirkt, weil dadurch die Investitionsquote verringert wird. Dieses Ergebnis kommt zustande, weil in diesem Fall der Einkommensteuersatz größer ist als der wachstumsmaximierende Satz, so daß der Anreiz zu investieren fiir Kapitaleigentümer in der betrachteten Volkswirtschaft abnimmt.
111. Effiziente Nutzung von Ressourcen durch Umverteilung Als nächstes wollen wir uns ein Modell ansehen, in dem Ungleichheit und eine damit einhergehende Umverteilung von Einkommen die Wachstumsrate ansteigen läßt. Ausgangspunkt dieses Ansatzes ist die Überlegung, daß eine ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen, kombiniert mit unvollkommenen Kapitalmärkten, eine ineffiziente Verwendung der Ressourcen impliziert und dadurch geringeres Wachstum hervorbringt. Zur Darlegung der
Einkommensumverteilung und Wirtschaftswachstum
49
darauf fundierenden Argumentationskette greifen wir auf einen Aufsatz von Benabou ( 1996) zurück. Benabou unterstellt in seinem Ansatz eine Volkswirtschaft, in der 1 Gut produziert wird, das entweder verkonsumiert oder investiert werden kann. Des weiteren gibt es in dieser Ökonomie ein Kontinuum von überlappenden Generationen, die mit i e [0,1] indiziert werden. Jedes Individuum lebt zwei Perioden und die intertemporale Nutzenfunktion eines Individuums, das in t geboren wird, lautet: (22)
U\ = lnC\ + plnD\,
mit C\ als heutigem und D\ als morgigem Konsum sowie p als Diskontierungsfaktor. Die Produktion des zukünftigen Konsums, das heißt des Konsumgutes in Periode t + 1, erfolgt gemäß der Produktionsfunktion (23)
wobei A1 den durchschnittlichen Humankapitalstock in dieser Volkswirtschaft bezeichnet und K\ die Investitionen des i-ten Individuums in Periode t angibt. Der Humankapitalstock in Periode t entspricht den gesamten Investitionen der Vorperiode, das heißt, es gilt: I
(24)
A, =
JYLtdi = yt-1·
0
In diesem Modell ist also unterstellt, daß Humankapital sich als Nebenprodukt der Investitionen einstellt. Jede neue Investition erhöht nicht nur den Realkapitalstock, sondern läßt auch die Effizienz des eingesetzten Faktors ansteigen. Die Individuen in der betrachteten Volkswirtschaft unterscheiden sich in ihrer Anfangsausstattung bezüglich des Humankapitals. Die Erstausstattung von Individuum i ist beispielsweise gegeben durch (25) 4 FS Oberhauser
Alfred Greiner und Horst Hanusch
50
wobei 11: normalverteilt ist und angibt auf wieviel Humankapital dieses Individuum zugreifen kann. Diese Anfangsausstattung kann entweder verkonsumiert oder aber investiert werden. Darüber hinaus ist das Mittel von 11: auf eins normiert, so daß gilt, w:di = A 1 •
n
Ein weiterer wesentlicher Bestandteil dieses Modells ist die Annahme, daß Haushalte auf dem Kapitalmarkt Geld aufnehmen können, wobei dieser Markt allerdings unvollkommen sein kann. Das heißt nicht jedes Individuum hat die Möglichkeit, einen Kredit auch zu erhalten. Kapitalmarktunvollkommenheiten lassen sich nun in dieses Modell auf einfache Weise integrieren, indem man anp.immt, daß ein Individuum mit Anfangsausstattung8 wi nicht mehr als K' = v. wi, v > 0, investieren kann. Wenn v =+ oo gilt, sind die Kapitalmärkte vollkommen, im entgegengesetzten Fall, das heißt bei v = 0, besteht keine Möglichkeit einen Kredit aufzunehmen. Betrachten wir als nächstes, wie sich eine ex-ante Umverteilung von Humankapital auf die Wachstumsrate auswirkt. Die Umverteilung wird dadurch erreicht, daß Individuen mit höherer Anfangsausstattung besteuert werden und das Aufkommen dann an jene verteilt wird, die Uber weniger Humankapital verfUgen. Die Humankapitalausstattung nach Steuer sei folgendennaßen definiert:
(26)
mit ß der Umverteilungsrate. Das Optimierungsproblem des Individuums, das die Umverteilungsrate ß als gegeben betrachtet, lautet dann (27)
Bi steht hierbei ftlr die Nettokreditaufnahme (oder Nettokreditvergabe, wenn Bi < 0 ist) und r bezeichnet den Marktzins, der durch die Bedingung Bidi = 0 endogen bestimmt wird. Ist es nicht möglich, einen Kredit aufzunehmen, gilt Bi= 0.
n
1
Von nun an lassen wir den Zeitindex t wieder weg.
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Als erstes sehen wir uns den Fall an, bei dem der Kreditmarkt als unvollkommen definiert ist, wo es also armen Individuen nicht möglich ist, einen Kredit aufzunehmen. Dann gilt B; = 0 für alle i, und das Optimierungsproblem des Individuums ist gegeben durch: (28)
Aus den Bedingungen erster Ordnung läßt sich die folgende Gleichung ableiten: (29)
Ki =s·((l-ß)wi +ßA).
Mit diesem Ausdruck ergibt sich die Wachstumsrate als I
(30)
y=a(ln s-ln A+(l/a)ln J((l-ß)wi +ßA)adi). 0
Aus den beiden letzten Gleichungen erkennt man unmittelbar, daß sich die Investitionen zwischen den einzelnen Individuen unterscheiden und daß die Wachstumsrate von der Umverteilungspolitik abhängt. Allgemein gilt, daß um so mehr investiert wird, je größer die Anfangsausstattung an Humankapital ist. Darüber hinaus sieht man auch, daß ärmere Individuen um so mehr investieren, je größer ß ist, das heißt je mehr umverteilt wird. Reiche Individuen allerdings investieren um so weniger, je mehr umverteilt wird. Da aber die Produktionsfunktion (23) abnehmende Erträge aufweist, ist der zusätzliche Output bei ärmeren Individuen größer als der Verlust bei den reicheren. Deshalb führt Umverteilung insgesamt zu mehr Investitionen und höherem Wachstum. Als nächstes wollen wir uns dieses Modell ansehen, unter der Annahme, daß die Kapitalmärkte vollkommen sind. Dann gilt B; > 0 und das Optimierungsproblem ist nun durch (27) gegeben. Die Bedingungen erster Ordnung9 führen zu
9
Für eine explizite Herleitung s. Benabou, 1996 oder AghionlHowitt, 1998.
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Aifred Greiner und Horst Hanusch
K=~=s·A l+pa
mit s der Sparquote. Hieraus ergibt sich die gleichgewichtige Wachstumsrate y als (32)
y = In -
y
1-
yt-1
=
a Ins.
Man erkennt, daß bei vollkommenen Kreditmärkten jedes Individuum denselben Betrag investiert, unabhängig von seiner Anfangsausstattung. Dies impliziert, daß auch die Wachstumsrate unabhängig von der Verteilung des Einkommens ist. Somit läßt sich festhalten, daß Umverteilung keine Auswirkungen auf das Wachstum hat, wenn die Kreditmärkte vollkommen sind. Der Grund hierfUr liegt darin, daß Individuen dann durch Kreditaufnahme die ungleiche Verteilung der Ressourcen kompensieren können. Wir können also zusammenfassend festhalten, daß Umverteilung zugunsten ärmerer Individuen wachstumsilirdemd wirkt, wenn Kreditmärkte nicht vollkommen sind. Sie sind der Grund dafllr, daß sich Ungleichheit negativ auf die Wachstumsrate auswirkt. Sehen wir uns schließlich noch an, inwieweit sich das in Abschnitt 2 geschilderte Modell vom zuletzt vorgestellten unterscheidet. Ein wesentlicher Unterschied ist darin zu sehen, daß das zweite Modell neben dem Realkapital auch auf Humankapital als Wachstumsfaktor zurückgreift, welches den ärmeren Bevölkerungsschichten zugeteilt wird. Im ersten Modell ist diese Überlegung nicht enthalten. Dort bildet sich der volkswirtschaftliche Kapitalstock allein aus dem Realkapital. Ein höherer Einkommensteuersatz, der um so größer ist je ungleicher die Kapitalausstattung ist, fUhrt demzufolge dazu, daß das Lohneinkommen ansteigt und auf diese Weise zu einer Umverteilung des Einkommens ftlhrt. Ein Anstieg des Einkommensteuersatzes aber reduziert die Investitionsquote und somit auch die Wachstumsrate. Die Umverteilung von Einkommen wirkt sich somit in diesem Modell negativ auf die Wachstumsrate aus. Allerdings gilt, genau wie ftlr das Modell in diesem Abschnitt, daß Volkswirtschaften mit einer gleicheren Einkommens- und Vermögensverteilung schneller wachsen. Bisher haben wir uns mit dem Zusammenhang zwischen Ungleichheit und Wachstum aus theoretischer Sicht auseinandergesetzt. Im nächsten Abschnitt wollen wir uns mit empirischen Studien zu diesem Problembereich befassen.
Einkommensumverteilung und Wirtschaftswachstum
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IV. Empirische Studien Wie eingangs bereits erwähnt unterscheidet man in der empirischen Forschung zwei Arten von Studien. Auf der einen Seite gibt es Arbeiten, deren Ziel darin besteht, die Relevanz theoretischer Modelle anband realer Daten zu überprüfen. Auf der anderen Seite existieren Untersuchungen, die sich nicht an einem theoretischen Modell orientieren, sondern mit Hilfe von Regressionsgleichungen versuchen, herauszufinden, welcher Zusammenhang zwischen Einkommensverteilung und Wirtschaftswachstum besteht. Im folgenden wollen wir zunächst kurz eine Arbeit darstellen, die die theoretischen Ergebnisse des Modells von Alesina und Rodrik aus Abschnitt 2 überprüft. Anschließend gehen wir etwas ausfilhrlicher auf eine Untersuchung ein, die sich dem Problem Einkommensverteilung und Wirtschaftswachstum von der statistischempirischen Seite her nähert. Eine Studie, die die Relevanz der ersten Modellklasse überprüft, wurde von Persson und Tabel/ini (1994) angefertigt. Diese Autoren verwenden Daten von 56 Ländern über den Zeitraum 1960-1985. Als abhängige Variable verwenden sie die pro Kopf Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts. Diese wird erklärt zum einen über den Einkommensanteil des dritten Quintils in der Verteilung nach Einkommensklassen, das die Mittelschicht repräsentiert und das auch den Median enthält, zum anderen über das Niveau des Bruttosozialprodukts im Jahr 1960 und über das Ausbildungsniveau, gemessen als Anteil der Beschäftigten, die eine weiterruhrende Schule besucht haben. Des weiteren filhren Persson und Tabel/ini eine Dummy-Variable ein filr Länder mit einer demokratischen Struktur. Als Ergebnis läßt sich festhalten, daß das dritte Quintil einen signifikanten Einfluß auf die Wachstumsrate in der Volkswirtschaft ausübt. Sie sehen dies als Bestätigung des Modells an, das ja behauptet, die Wachstumsrate sei um so größer je gleicher das Einkommen verteilt ist. Des weiteren gilt dieser Zusammenhang nur filr demokratische Länder, was sie als zusätzliches Argument filr die Gültigkeit des theoretischen Modells ansehen, da sich nur dort der MedianWähler durchsetzen kann. Was die empirische Relevanz des zweiten Modells von Benabou anbelangt, so liegen nach unserem Wissen keine Studien vor, die dessen Ergebnisse empirisch untersucht hätten. Der Grund hierfilr liegt wahrscheinlich darin, daß es schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist, Daten zu finden, die angeben, wie groß die Zahl von Haushalten ist, die auf dem Kreditmarkt rationiert werden. Als nächstes wollen wir uns der empirischen Studie von Perotti (1996) zuwenden. Als Ausgangspunkt dient dieser, wie auch anderen empirischen Untersuchungen, die nicht darauf abstellen ein theoretisches Modell zu überprüfen, eine Regressionsgleichung mit der Wachstumsrate des Sozialprodukts als der
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Alfred Greiner und Horst Hanusch
abhängigen Größe, die von einem Indikator ftlr Gleichheit (oder Ungleichheit) und anderen ökonomischen Variablen erklärt wird. Perotti verwendet als Datenbasis Variablen aus 67 Ländern im Jahr 1960. Ein Problem, das sich in diesem Zusammenhang stellt, ist, welcher Indikator ftlr Gleichheit verwendet werden soll. Prinzipiell stehen hierfiir mehrere Alternativen zur Verfllgung, etwa der Gini-Koeffizient, Einkommensquintile oder das Verhältnis des ersten Quintiles zum letzten. Perotti entscheidet sich fiir eine Kombination aus dem dritten und vierten Quintil. Er begründet dies damit, daß diese beiden Einkommensklassen üblicherweise die Mittelklasse in einer Volkswirtschaft abbilden. In einem ersten Schritt schätzt er dann eine Regressionsgleichung, wobei die durchschnittliche Wachstumsrate des Pro-Kopf-Einkommens von 1960 bis 1985 die abhängige Größe darstellt. Diese wird erklärt durch den Gleichheitsindikator und vier weitere Variablen, die in der empirischen Wachstumsliteratur als Standardregressaren betrachtet werden. Es handelt sich hierbei um das ProKopf-Bruttosozialprodukt im Jahr 1960, die durchschnittlichen Schuljahre der weiblichen und männlichen Bevölkerung und die Kautkraftparität des Preisindizes ftlr Investitionsgüter relativ zu den Vereinigten Staaten im Jahr 1960. Das Bruttosozialprodukt wird in die zu schätzende Gleichung mitaufgenommen, weil unterstellt ist, daß Länder mit niedrigerem Einkommen Konvergenz aufweisen. Die Zahl der durchschnittlichen Schuljahre dient als Näherung ftlr die Variable HumankapitaL Die Kautkraft des Preisindizes ftlr Investitionsgüter relativ zu den Vereinigten Staaten schließlich wird als Näherungsgröße filr Marktverzerrungen herangezogen. Die Schätzung dieser Gleichung zeigt, daß die Variable ,Gleichheit' einen starken und statistisch signifikanten Einfluß auf die Wachstumsrate ausübt. Das heißt je stärker die Mittelklasse in einer Volkswirtschaft ausgeprägt ist, desto größer ist das Wirtschaftswachstum. In dieser Regression geht eine Zunahme der Mittelklasse um eine Standardabweichung mit einem Anstieg um etwa 0,6 Prozent, oder einem Drittel der Standardabweichung einher. Dieser Effekt liegt in der Größenordnung, die auch Alesina und Rodrik (1994), Perssan und Tabellini (1994) und Clarke (1995) ermitteln. Bemerkenswert ist auch, daß die Wachstumsrate positiv mit der Ausbildungszeit männlicher Jugendlicher aber negativ mit der Zeit zusammenhängt, die weibliche Jugendliche ftlr Ausbildung verwenden. Perotti interpretiert dies, Barro und Sala-i-Martin (1995) folgend, daß eine geringere Ausbildungszeit bei Mädchen, ceteris paribus, auf eine gewisse Rückständigkeit in einer Gesellschaft hindeute. Je weiter aber eine Volkswirtschaft in ihrer Entwicklung zurückliege, desto größer sind die Wachstumsraten, weil sich diese Ökonomie noch in einem frühen Stadium des Aufholprozesses beftnde.
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An dieser Vorgehensweise könnte man nun kritisieren, daß in der Variable ,Gleichheit' auch Effekte enthalten sind, die von Variablen ausgehen, die sowohl mit der Einkommensverteilung als auch der Wachsturnsrate korreliert sind, die aber nicht in der Gleichung als unabhängige Variable erscheinen. Aus diesem Grund nimmt Perotti in einem nächsten Schritt sukzessive vier weitere Variablen in die Gleichung aufund schätzt diese erneut. Als zusätzliche Variablen verwendet er ein Regionaldummy, einen Indikator ftlr den Entwicklungsstand, etwa den Grad der Verstädterung, demographische Variablen und weitere Indikatoren fUr Humankapital, die er noch nicht berücksichtigt hatte, etwa die durchschnittliche Lebenserwartung. Zunächst wird dann die Gleichung geschätzt mit je einer Dummy-Variable fUr die Länder Südost-Asiens, fUr lateinamerikanische Länder und fUr die Länder südlich der Sahara. Der fUr den Dummy ermittelte Koeffizient hat das erwartete Vorzeichen: ftir die lateinamerikanischen Länder und die Staaten südlich der Sahara ist er negativ, fUr die Länder Südost-Asiens hingegen ist er positiv. Dies spiegelt die Tatsache wider, daß erstere ein geringeres Wachstum als der Durchschnitt aller Länder aufweisen, wohingegen letztere überdurchschnittlich gewachsen sind. Auch stellt sich heraus, daß der Koeffizient der Variablen ,Gleichheit' um 30 Prozent sinkt. Dies war zu erwarten, weil südost-asiatische Länder nicht nur hohe Wachstumsraten aufweisen, sondern auch eine verhältnismäßig gleiche Einkommensverteilung haben. Als nächstes wird die Ausgangsgleichung wieder geschätzt, wobei nun aber der Grad der Verstädterung als zusätzliche erklärende Variable erscheint. Man könnte nämlich vermuten, daß Städte eine Voraussetzung fUr Wachstum darstellen, weil etwa moderne Produktionsmethoden nur in Städten mit entsprechender Infrastruktur möglich sind. Die empirische Überprüfung dieses Gedankens zeigt aber, daß dies nicht zutriffi. Die Variable "Verstädterung" hat keinen signifikanten Einfluß auf das Wirtschaftswachstum. Der Koeffizient der Variable ,Gleichheit' verändert sich durch die Hinzunahme dieser neuen Variable kaum. Die Integration der Variablen ,Anteil der über 65jährigen' zeigt, daß diese einen statistisch signifikanten Einfluß auf die Wachstumsrate ausübt. Gleichzeitig sinkt der Koeffizient der Variablen ,Gleichheit' und ist auch nicht länger statistisch signifikant. Eine Erklärung fUr dieses Ergebnis kann sein, daß über den ,Anteil der über 65jährigen' zugleich die Reproduktionsrate einer Gesellschaft erfaßt wird. Je größer deren Anteil ist, desto kleiner wird das Bevölkerungswachstum ausfallen. Da aber Länder mit einer hohen Reproduktionsrate geringe pro Kopf Wachstumsraten und eine relative ungleiche Einkommensverteilung aufweisen, ist das erzielte Ergebnis nicht allzu überraschend. In einem letzten Schritt nimmt Perotti die Variable ,Lebenserwartung' in die zu schätzende Gleichung auf. Es zeigt sich, daß diese Variable schwach mit der
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Wachstumsrate korreliert ist, wobei allerdings der Zusammenhang statistisch signifikant ist. Die Erklärung hierfilr lautet, daß eine höhere Lebenserwartung darauf hindeutet, daß Beschäftigte bessere Arbeitsbedingungen vorfinden und daß die Gesundheitsversorgung einen höheren Standard aufweist, was sich stimulierend auf Produktivität und Wachstum auswirkt. Die Integration dieser Variable läßt den Wert des Koeffizienten filr die Variable Gleichheit absinken. Auch die Variablen ,Gleichheit' und ,Lebenserwartung' sind stark positiv miteinander korreliert, so daß die Integration der Variablen ,Lebenserwartung' den Einfluß der Variablen ,Gleichheit' verringert. Zusammenfassend läßt sich somit feststellen, daß ein positiver statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der Wachstumsrate und einer gleichen Einkommensverteilung besteht. Die Korrelation ist dabei abhängig von den erklärenden Variablen: Werden Größen in die Gleichung integriert, die mit der Variablen Gleichheit stark korreliert sind, so verliert letztere an Bedeutung. Zusätzlich zu der soeben dargestellten Sensitivitätsanalyse untersucht Perotti auch noch die Robustheit seiner Ergebnisse. Hierzu schätzt er die Ausgangsgleichung noch einmal, verwendet dabei aber einen robusten Schätzer, wie er von Krasker, Kuh und Welsch (1983) vorgeschlagen wird. Er kommt zu dem Ergebnis, daß seine ursprünglich erzielten Resultate robust sind, so daß der gefundene Zusammenhang nicht durch Ausreißer oder Heteroskedastizität verursacht ist.
V. Schlußbemerkungen In diesem Beitrag haben wir versucht einen knappen Überblick darüber zu geben, wie in der neueren Wachstumsliteratur der Zusammenhang zwischen Ungleichheit, Umverteilung und Wirtschaftswachstum abgehandelt wird. Wir haben gesehen, daß eine ungleichere Verteilung mit geringeren Wachstumsraten einhergeht, eine Umverteilung von Einkommen aber nicht unbedingt zu mehr Wachstum filhren muß. Der Grund hierfilr liegt darin, daß bei einer ungleichen Verteilung ärmere Individuen bestimmte Maßnahmen ergreifen, entweder legale oder auch illegale, die zwar das Arbeitseinkommen erhöhen, die aber gleichzeitig den Kapitalertrag verringern, was sich negativ auf das Wachstum auswirkt. Als weiterer Grund, weshalb sich eine ungleiche Einkommensverteilung ungünstig auf die Wachstumsrate auswirkt, läßt sich das Argument anfilhren, daß eine ungleiche Einkommensverteilung eine ineffiziente Verwendung der Ressourcen impliziert. Wenn es ärmeren Haushalten nicht möglich ist, Teile ihres Einkommens filr Investitionen zu verwenden, dann stimuliert eine Umverteilung von reicheren zu ärmeren Haushalten das Wirtschaftswachstum. Dieses Ergebnis gilt, weil der Einkommenszuwachs bei den Armen einen Anstieg der Investitionen bewirkt, der größer ist als der
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Rückgang der Investitionen bei den Reichen, die Einkommenseinbußen hinzunehmen haben. Der Grund hierfilr wiederum liegt in abnehmenden Grenzerträgen. So wird eine Umverteilungspolitik, die lediglich Einkommen von reicheren Haushalten zu ärmeren umschichtet nicht automatisch die Wachstumsrate ansteigen lassen, sondern sie kann auch kontraproduktiv wirken, wie das Modell von Alesina und Rodrik gezeigt hat. Wenn nämlich das zusätzliche Einkommen bei den Armen lediglich filr konsumtive Zwecke verwendet wird, und nicht dazu, zusätzliches Einkommen zu erwirtschaften, dann wird Umverteilungspolitik keinesfalls zu mehr Wachstum filhren. Nur wenn staatliche Politik dafilr Sorge trägt, daß die umverteilten Mittel bei den Armen produktiv verwendet werden, wie dies filr das Modell von Benabou gilt, darf man erwarten, daß ein Rückgang der Ungleichheit zugleich wachstumsllirdemd wirkt.
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Über den Einfluß der Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer auf die Bildung und Verteilung des Vermögens Wolfgang J. Mückl
I. Einleitung In der Sozialen Marktwirtschaft kommt einer möglichst breiten Streuung des Vermögens - und dabei besonders des Eigentums am Produktivkapital - eine kaum zu überschätzende Bedeutung zu. Denn mit der Vermögensverteilung entscheidet sich nicht nur im wesentlichen die Verteilung der Einkommen und damit der Beteiligung der verschiedenen sozialen Schichten an der Entwicklung des Wohlstands, sondern auch die Verteilung von individuellen Startchancen und Entwicklungsmöglichkeiten sowie die Teilhabe an wirtschaftlicher und letztlich auch an politischer Einwirkungsmacht 1• Eine breite Streuung des Vermögens ist deshalb eine unabdingbare materielle Bedingung filr den Konsens innerhalb der Gesellschaft und filr deren Zustimmungsbereitschaft zur Ordnung der Sozialen Marktwirtschaft. Sie kann durch eine noch so umfassend ausgestaltete Sozialpolitik ebensowenig ersetzt werden, wie durch ständig fortentwickelte formelle Mitwirkungs-, Sicherungsund Verfilgungsrechte. Dies gilt im besonderen filr eine Volkswirtschaft, die dem globalen Wettbewerb ausgesetzt ist. Die Bundesrepublik Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten eine enorme Wohlstandsentwicklung erlebt, die filr sehr viele Schichten der Bevölkerung eine kaum filr möglich gehaltene Entwicklung des Lebensstandards und der Konsummöglichkeiten mit sich brachte. Dessen ungeachtet ist die Verteilung der Vermögen - sowohl in personeller als auch in institutioneller Hinsicht immer noch sehr ungleichmäßig2 • Nach allem, was wir wissen, ist die Konzentration des Eigentums am Produktivkapital besonders stark ausgeprägt. Offensichtlich hat die Vermögensbildung gerade bei den unteren Einkommens1 Näheres hierzu s. z. B. bei von Neli-Breuning, 1970, S. 61 ff.; Krauter, 1985, S. 9 ff.; Oberhauser, 1994, S. 3 und bei Lampert, 1998, S. 367 ff. 2 Ein knapper Überblick über den statistisch verifizierbaren Stand der Vennögensverteilung in der Bundesrepublik Deutschland findet sich bei Althammer, 1997, S. 596 ff. sowie bei Lampert, 1998, S. 377 ff.
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Wolfgang J. Mückl
schichten der Bevölkerung mit dem Wachstum ihres Lebensstandards nicht Schritt gehalten. Die Ursachen fUr diese Entwicklung, die im Interesse der inneren Stabilität unserer Gesellschaftsordnung zu beklagen ist, sind vielfältig und in ihrem Gewicht schwer abschätzbar. Aber die Entwicklung selbst war zu keiner Zeit überraschend; zeigte sich doch die Tendenz zu einer ungleichmäßigen Verteilung der Vermögen bereits in den Anfangsjahren der Bundesrepublik. Bereits sehr früh wurden deshalb, auch von wissenschaftlicher Seite, Vorschläge und Pläne entwickelt, die zu einer verstärkten Vermögensbildung bei den unteren Einkommensschichten der Bevölkerung, namentlich bei den Arbeitnehmern, ftlhren sollten3 • Die staatliche Wirtschaftspolitik hat diese Anregungen nur zum geringen Teil aufgegriffen4 • So blieb eine kohärente und langfristig angelegte Vermögenspolitik ein jahrzehntelang nur unvollkommen erfülltes Desiderat einer modernen Gesellschaftspolitik Die Folgen dieser Versäumnisse sind nicht erst heute, gegenwärtig aber besonders zu beklagen.
II. Die investive Gewinnbeteiligung Im Rahmen der Vermögenspolitik werden im wesentlichen drei verschiedene Methoden unterschieden: Sparförderung, Investivlohn und Gewinnbeteiligungs. Bevor wir auf die Gewinnbeteiligung näher eingehen, sollen die beiden zuerst genannten Ansätze kurz behandelt werden6 • 1. Vermögenspolitische Alternativen
Mit der Sparförderung soll die freiwillige Ersparnisbildung angeregt und damit Einfluß auf die Einkommensverwendung zugunsten einer verstärkten Vermögensbildung genommen werden. Als Anreize hierzu dienen Steuerbegünstigungen, Prämienzahlungen und das Angebot von attraktiven Vermö3 Neben den Schriften von von Neli-Breuning, Schreiber und Häuss/er sei hier insbesondere auf die Monographie von Oberhauser, 1959, hingewiesen. 4 Knapp gehaltene Übersichten über die Entwicklungslinien der staatlichen Vermögenspolitik in der Bundesrepublik Deutschland sind z. B. bei Mückl, 1975a, S. 31 ff. und bei Lampert, 1998, S. 389 ff. enthalten. s Abgesehen wird dabei von Instrumenten, die unmittelbar auf die Verteilung der Vermögensbestände Einfluß nehmen können. Dazu zählen besonders die Vermögensteuer und die Erbschaftsbesteuerung. 6 V gl. zum folgenden etwa Bohlen, 1969, S. 63 ff., Wil/gerodt/Bartel/Schillert, 1971, S. 113 ff.; Mückl, 1975a, S. 4 ff.; Schillert, 1976, S. 30 ff. und Oberhauser, 1994, s. 9 ff.
Über den Einfluß der Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer
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gensanlagen7 • Durch bestimmte Förderungsmodalitäten und Begünstigungsgrenzen (Familienstand, Kinderzahl, Einkommenshöhe) kann die Sparförderung so ausgestaltet werden, daß dadurch einkommensschwache Bevölkerungsschichten besonders geilirdert werden. Die Wirksamkeit der Sparilirderung wird z. T. skeptisch beurteilt. Verwiesen wird darauf, daß Sparwille und Sparfiihigkeit bei den unteren Einkommensschichten schwach ausgeprägt seien, so daß die eigentlichen Zielgruppen oft gar nicht erfaßt würden. Stärker begünstigt würden mittlere Einkommertsschichten. Bei diesen sei aber bereits mit Mitnahmeeffekten zu rechnen. Beim Investivlohn soll ein Teil der- meist tarifbedingten- Lohnerhöhungen der Vermögensbildung der Arbeitnehmer zugefUhrt werden8 • Da diese Lohnerhöhungen über die am Produktivitätsfortschritt orientierten und als unumgänglich angesehenen Barlohnsteigerungen hinausgehen sollen, wird insoweit auf die Primärverteilung der Einkommen Einfluß genommen. Der investive Teil der Lohnerhöhung wird i. d. R. durch eine Zwangssparregelung der Vermögensbildung zugefiihrt. Insofern wird die Einwirkung auf die Primärverteilung kombiniert mit einem Eingriff in die Einkommensverwendung. Der Investivlohn stellt ebenso wie eine entsprechende Barlohnerhöhung eine Kostensteigerung dar. Die Wirksamkeit des Investivlohns steht und fällt deshalb mit der Frage der Überwälzung. Einzelwirtschaftlich betrachtet hängen die Ergebnisse des Überwälzungsprozesses auf Preise, Produktion, Beschäftigung und Einkommensverteilung von den betrieblichen Absatz- und Produktionsverhältnissen ab (wobei arbeitsintensive (Grenz-)Betriebe besonders betroffen sind), in gesamtwirtschaftlicher Sicht im wesentlichen davon, ob die Investitionsneigung der Firmenunbeeinträchtigt bleibt oder nicht. Die Idee des Investivlohnes spielte lange Zeit in der vermögenspolitischen Diskussion eine herausgehobene Rolle. Den Tarifvertragsparteien sollte damit auch eine neue gesellschaftspolitische Aufgabe zugewiesen werden, was bei diesen freilich auf geringes Entgegenkommen stieß. Die Frage, ob es in voraussehbarer Zukunft leichter fallen wird, die Lohnpolitik mit zusätzlichen Anforderungen zu befrachten, muß angesichts der anhaltenden Arbeitslosigkeit, der hieraus resultierenden geringen Lohnsteigerungen und der offensichtlichen Funktionsschwächen des tarifpolitischen Lohnfindungssystems eher verneint als bejaht werden.
7 In einem weiteren Sinne kann zur Sparförderung auch die erzwungene Ersparnisbildung durch bindende Spar- und Anlagevorschriften gerechnet werden (ebenso die Verhinderung des Entsparens bzw. des Kapitalverzehrs, wie es z. B. durch Sperrfristen und Wiederanlagegebote zum Ausdruck kommt). 8 Vgl. hierzu Oberhauser, 1959 und 1969, S. 273 ff.
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2. Funktionsweise der Gewinnbeteiligung Auch die investive Gewinnbeteiligung9 ist ein Umverteilungsvorgang, der sich allerdings von jenem des Investivlohns in einem wichtigen Punkt unterscheidet: Die Entstehung der Gewinne (und mit dieser die funktionelle Einkommensverteilung) bleibt bei der Gewinnbeteiligung unbehindert. Sie verringert allerdings die GewinnansprUche der (bisherigen) Kapitaleigner und erweist sich insofern als ein Eingriff in die Sekundärverteilung der Einkommen, der in seinem Ansatz und in der Wirkungsweise ähnlich zu beurteilen ist wie eine reine Gewinnsteuer. Im Unterschied zu dieser werden allerdings bei der investiven Gewinnbeteiligung keine Gewinnbestandteile in bar abgefilhrt. Die Begünstigten erlangen vielmehr einen Vermögensanspruch, der sie zu Kapitaleignern macht und sie am künftigen Gewinnwachstum teilhaben läßt. Auch hier kann es durch die Kombination mit Sperrfristenregelungen u.ä. zu Zwangsersparnissen kommen. In einzelwirtschaftlicher Sicht ist die Gewinnbeteiligung prinzipiell kostenneutral; die Überwälzungsproblematik mit ihren Auswirkungen auf Preise, Güterproduktion, Beschäftigung und Einkommensverteilung stellt sich insofern nicht. Da aber durch die Gewinnbeteiligung die Rendite der bestehenden Kapitalanlagen reduziert wird (und das Risiko gleich bleibt), besteht die Gefahr, daß die Investitionsneigung der betroffenen Firmen beeinträchtigt wird. Je mehr dies der Fall ist, desto mehr muß dann doch mit - auch gesamtwirtschaftlich meßbaren - Auswirkungen auf Preise, Produktion etc. gerechnet werden. Diese Gefahren sind .allerdings bei betrieblichen Gewinnbeteiligungen auf freiwilliger Grundlage kaum zu beiDrehten. Gegenüber dem Investivlohn wird es als Vorteil angesehen, daß vorübergehend oder längerfristig gewinntose Grenzbetriebe durch die Gewinnbeteiligung verschont bleiben. Dieser Vorteil wird durch den verteilungspolitischen Mangel erkauft, daß die Arbeitnehmer dieser Betriebe von einer Teilhabe an der gesamtwirtschaftlichen Gewinnentwicklung ausgeschlossen sind. Überbetriebliche Gewinnbeteiligungsmodelle auf tarifrechtlicher oder gesetzlicher Grundlage könnten hier einen Ausgleich schaffen, sind jedoch ihrerseits meist mit nicht unerheblichen Nachteilen behaftet.
• Zur Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer liegen von A. Oberhauser ebenfalls mehrere Publikationen vor. S. dazu Oberhauser, 1977, S. 358 ff., 1978, S. 60 ff. und 1982, s. 337 ff.
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3. Institutionalisierungsgrad und Reichweite
Damit ist bereits angesprochen, daß die Wirksamkeit und die Nebenwirkungen der Gewinnbeteiligung (ebenso des Investivlohns und der Sparförderung) auch vom Grad der Institutionalisierung und von der jeweils erreichten Reichweite abhängen. Der /nstitutiona/isierungsgrad bewegt sich von freiwilligen Gewinnbeteiligungen über tarifvertragliche Lösungen bis zu gesetzlich verankerten Zwangsregelungen. Dies betriffi nicht nur den Charakter der rechtlich gefaßten Beteiligungsverpflichtungen der Firmen, sondern auch die eigentumsrechtlichen Verfügungsmöglichkeiten des begünstigten Personenkreises, die (mehr oder minder stark) eingeschränkt sein können oder nicht. Bei der Reichweite ist zwischen betrieblichen und überbetrieblichen Lösungen zu unterscheiden. Hier geht es einerseits um das Ausmaß der Beteiligungsverpflichtungen der Firmen und andererseits darum, ob die Begünstigten Forderungs- bzw. Beteiligungsrechte gegenüber ihrem Betrieb oder gegenüber einem zentralisierten Fondsvermögen erlangen. 4. Theoretische Analyse der Gewinnbeteiligung
Die Literatur über die Gewinn- bzw. Erfolgsbeteiligung von Arbeitnehmern ist äußerst umfangreich. Überschaubar ist demgegenüber die Zahl der Publikationen, die sich auf der Grundlage von modelltheoretischen Analysen mit den langfristigen Auswirkungen einer Gewinnbeteiligung auf die Vermögensverteilung befassen. Diese Modelle sind entweder der postkeynesianischen oder der neoklassischen Verteilungstheorie verhaftet oder sie arbeiten mit speziellen Sparannahmen oder sie gehen von vomherein von einer überbetrieblichen Gewinnbeteiligung mit zentralen Fonds aus 10 • Solche Einschränkungen werden, wie gleich deutlich wird, mit dem im folgenden dargestellten Modellansatz vermieden. Ausdrücklich soll bereits hier darauf hingewiesen werden, daß in diesem Ansatz auch keine speziellen Annahmen über den Institutionalisierungsgrad und die Reichweite der Gewinnbeteiligung gemacht werden. Wir unterstellen lediglich, daß Gewinnbeteiligungen zugunsten von Arbeitnehmern in einem nennenswerten Umfang und regelmäßig stattfinden, und sei es "nur" auf betrieblicher Ebene und auf freiwilliger Grundlage. Ist dies der Fall 11 , dann ist auch die betriebliche Gewinnbeteiligung
Exemplarisch dafür ist das Modell von Krelle, 1983, S. 225 ff. Einen Überblick über die Verhältnisse in der (alten) Bundesrepublik liefern Guski/Schneider, 1986. 10
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ein gesamtwirtschaftlich belangvoller Vorgang. Eine makroökonomisch angelegte Analyse, die damit in Frage kommt, kann allerdings aufgrund ihres hohen Aggregationsgrades auch hier nur eine Durchschnittsbetrachtung vornehmen und deshalb keine Aussagen darüber treffen, ob alle Arbeitnehmer(-gruppen) durch die Gewinnbeteiligung gleichermaßen begünstigt werden oder nicht.
111. Das Modell Mit dem hier vorgestellten Modell werden die langfristigen Konsequenzen untersucht, die sich aus einer investiven Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer sowie aus dem gleichzeitig stattfindenden Sparprozeß der verschiedenen sozialökonomischen Gruppen fiir die Verteilung der Vermögen ergeben. Da die langfristige Dynamik der Vermögensbildung und -verteilung im Vordergrund unseres Interesses steht, beschränken wir uns auf die hierfiir relevanten Annahmen und lassen andere- etwa produktionstheoretische- Aspekte unberücksichtigt. Aus diesem Grund läßt sich das Modell keiner verteilungstheoretischen Denkrichtung, also weder der postkeynesianischen noch der neoklassischen Observanz zuordnen. 1. Annahmen
Wie vielfach üblich, unterscheiden wir im vorliegenden Modell zwischen zwei Gruppen von Einkommensbeziehern: Arbeitnehmer und Kapitaleigner i. e. S. ("Kapitalisten"). Die Arbeitnehmer beziehen Löhne und Gehälter, aber auch Kapitaleinkünfte aus ihrem (ersparten oder durch die Gewinnbeteiligung vermehrten) Vermögen. Demgegenüber besteht das Einkommen der Kapitalisten ausschließlich aus Kapitaleinkünften 12 • Wir gehen davon aus, daß der Vermögenszuwachs der Arbeitnehmer aus drei Quellen gespeist wird, nämlich aus den Ersparnissen aus ihrem Arbeitseikommen und aus ihren Vermögenseinkünften sowie aus der (investiven) Gewinnbeteiligung, die ihnen allen oder zu wesentlichen Teilen zugute kommen soll. Der Vermögenszuwachs der Kapitalisten ergibt sich aus den Ersparnissen, die diese Gruppe aus ihren Kapitaleinkünften tätigt. Sowohl bei den Arbeitnehmern als auch bei den Kapitalisten unterstellen wir allerdings auch einen
12 Insofern unterscheiden sich "Kapitalisten" von "Unternehmern" (bzw. "Selbständigen"), die außer ihren Kapitaleinkünften auch Arbeitseinkommen, nämlich Unternehmerlöhne, beziehen.
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gewissen Vermögensverzehr, der sich mit einer bestimmten Rate vollzieht und der den Vermögenszuwachs bei beiden Gruppen insoweit wieder reduziert 13 • Die Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer soll in Abhängigkeit von einer bestimmten Beteiligungsquote aus dem Gesamtgewinn bestritten werden. Wie bereits erwähnt, bleibt es hier offen, ob es sich um eine betriebliche oder um eine überbetriebliche Gewinnbeteiligung handelt. Fallweise kann deshalb die Gewinnbeteiligungsquote entweder als (unternehmerischer) Verhaltensparameter oder als institutioneller Parameter interpretiert werden. In jedem Fall wird der nach der Gewinnbeteiligung verbleibende Restgewinn auf die Kapitaleigner, nämlich auf die (bereits mit Vermögen ausgestatteten) Arbeitnehmer und die Kapitalisten entsprechend den jeweiligen Vermögensbeständen aufgeteilt. Die Gewinnbeteiligung geht also zu Lasten aller bisherigen Kapitaleigner, deren (Netto-)Kapitalrendite niedriger ausfällt als die Rendite vor Gewinnbeteiligung 14 • Konkrete Annahmen, die unserem Modell zugrunde liegen, werden im Zusammenhang mit den unten dargestellten Gleichungen beschrieben. Auf der Grundlage dieser Gleichungen soll die langfristige Entwicklung der Vermögensverteilung zwischen den Arbeitnehmern und den Kapitalisten analysiert werden. Da es sich um einen genuin dynamischen Modellzusammenhang handelt, läßt sich der Entwicklungsprozeß der Vermögensverteilung zwischen den beiden Gruppen sowohl im langfristigen Ungleichgewicht als auch im entsprechenden Gleichgewicht darstellen. Im ersten Fall weichen die Wachstumsraten der Vermögensbestände der beiden Gruppen (noch) voneinander ab, so daß sich die Vermögensverteilung ändert. Im zweiten Fall wachsen die Vermögensbestände der Arbeitnehmer und der Kapitalisten mit der gleichen Rate; dies hat zur Folge, daß das Verhältnis zwischen diesen Beständen einen konstanten (Gleichgewichts-)Wert erreicht hat. In diesem Zusammenhang lassen sich dann auch Erwägungen über die Stabilität oder Instabilität der langfristigen Gleichgewichtslösungen anstellen.
"Mit dem Vermögensverzehr ("Entsparen") wird in unserem Modell der offenkundige Sachverhalt berücksichtigt, daß nicht nur aus dem jeweiligen Einkommen gespart, sondern ständig auch ein Teil des vorhandenen Vermögens wieder aufgelöst und damit konsumiert wird. Infolgedessen wird auch nur ein Teil des in einer Generation einmal gebildeten Vermögens an die nächste Generation weitergegeben. Eine langfristige Theorie der Bildung und Verteilung des Vermögens sollte auch diesen Aspekt zumindest ansatzweise berücksichtigen. Dabei spricht viel dafür, daß nicht nur das Sparverhalten der verschiedenen sozialökonomischen Gruppen unterschiedlich ist, sondern auch ihre Neigung, einen Teil des angesammelten Vermögens wieder aufzulösen (näheres dazu s. Fußnote 16). Im Zusammenhang mit der Gewinnbeteiligung ist auch auf institutionelle Faktoren (wie z. B. Sperrfristen) hinzuweisen, die den Vermögensverzehr zusätzlich beeinflussen können. •• S. dazu etwa Mück/, 1975a, S. 10. 5 FS Ot>erhauscr
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Wolfgang J. Mückl
2. Modellgleichungen
Ausgangspunkt unserer Analyse sind die Gleichungen für die Vermögensbildung der beiden Gruppen, wobei jeweils Vermögenszuwachs und Vermögensverzehr zu berücksichtigen sind. Bei der Vermögensbildung der Arbeitnehmer KA sind somit die Ersparnisse dieser Gruppe aus ihrem Arbeitseinkommen SL und ihren Vermögenseinkünften SR sowie die Gewinnbeteiligung Q zu berücksichtigen, aber auch -mit negativem Vorzeichen - der Vermögensverzehr, der mit einer bestimmten Rate vA aus dem bereits bestehenden Vermögensbestand KA vollzogen wird. Insgesamt ergibt sich somit (1) Aus dem Arbeitseinkommen L wird im Ausmaß der Sparquote sL, aus den Vermögenseinkünften der Arbeitnehmer GA in Höhe der Sparquote sR gespart15. Die Gewinnbeteiligung erfolgt in Abhängigkeit von einer Beteiligungsquote q aus dem Gesamtgewinn G als Bemessungsgrundlage. Anstelle von (1) erhalten wir deshalb (2) Auch bei der Vermögensbildung der Kapitalisten
KK sind die Ersparnisse
SK und der- analog modellierte- Vermögensverzehr zu berücksichtigen:
(3) Die Kapitalisten sparen mit der Sparquote sK aus ihren Vermögenseinkünften GK; ihr Vermögensverzehr soll sich mit der Rate vK .vollziehen, so daß sich (4)
15 Wir gehen also davon aus, daß die Arbeitnehmer über ihr Arbeitseinkommen mit einer anderen Sparquote disponieren als über ihre Vermögenseinkünfte; vgl. dazu Mückl, l975b, S. 58 ff. Diese Annahme läßt sich mit dem unterschiedlichen Charakter der beiden Einkommensarten begründen. Sie hat aber auch den Vorteil, daß mit ihrer Hilfe die langfristigen Wirkungen, die vom Sparen der Arbeitnehmer ausgehen, differenzierter analysiert werden können. Näheres dazu s. Abschnitt IV.
Über den Einfluß der Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer
67
ergibt. Die Verhaltensparameter der beiden Gruppen, also die Sparquoten sL sR und sK, aber auch die Vermögensverzehrraten v A und vK sollen jewe'ils voneinander abweichen 16 • Um die Gleichungen (2) und (4) näher spezifizieren zu können, sind zwei weitere Gleichungen erforderlich. Zunächst gilt die Verteilungsgleichung
(5)
L+G=Y,
wobei mit Y das Volkseinkommen(= Sozialprodukt) bezeichnet ist. Außerdem wird der Gesamtgewinn im vorliegenden Modell entsprechend der Gleichung
(6)
G =GA + GK + Q
aufgeteilt, aus der sich wiederum
(7) bzw.
(8) ergibt. Anband der letzten Gleichung läßt sich der Unterschied zwischen den Kapitalrenditen vor und nach Gewinnbeteiligung, von dem oben bereits die Rede war, deutlich machen. Dividiert man zu diesem Zweck diese Gleichung durchgehend durch den gesamten Vermögensbestand K, dann führt eine einfache Erweiterung auf der linken Seite zunächst zu:
16 Grundsätzlich soll fllr die Sparquoten 0 < sL < sR < sK Qualifikotion)
Quelle: Ring (1999), S. 128 in Anlehnung an Atkinson (1996), S. 7.
Abb. 2: Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage
Ausmaß und Form der Verschiebung der Nachfrage hängen von der Art der Produktionsfunktion55 und der Natur des technischen Fortschritts ab, der wiederum die Nachfrage nach höherer Qualifikation -beeinflußt. Ist die Substitutionselastizität zwischen qualifizierter und unqualifizierter Arbeit gleich Eins, verändern sich die Kostenanteile (a.) ftlr die Graduierten im Vergleich zu den Kostenanteilen (ß) ftlr die Highschool-Absolventen nicht, d. h., der relative Lohnabstand bleibt bei unverändertem Angebot konstant. Wenn aber der technische Fortschritt in der Realität a. gegenüber ß erhöht56, kommt es ceteris paribus zu wachsenden Lohndifferentialen. In internationaler Sicht löst der technische Fortschritt allerdings vergleichbare Entwicklungen in den einzelnen Län-
55 Das Beispiel geht von einer Cobb-Douglas Produktionsfunktion mit konstanten Skalenerträgen aus. Vgl. Neumann, 1995, S. 71 f. 56 Empirische Studien zeigen dies filr die Vereinigten Staaten und Großbritannien. V gl. Atkinson, 1996, S. 6.
Globalisierung und Vennögensverteilung
119
dem aus 57 so daß die Nachfrageseite fUr Unterschiede im Verlauf der Lohndifferentiale nur einen geringen Erklärungsbeitrag liefert. Allerdings zeigen sich beim Arbeitsangebot insbesondere in der jüngeren Zeit deutlich divergierende Entwicklungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland. Noch in den 70er Jahren stieg das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften in allen OECD-Ländem so stark an, daß eine zunehmende Nachfrage nach höheren Qualifikationen überkompensiert wurde, d. h., die Lohndifferentiale in sämtlichen Ländern gingen zurück 58 • In den 80er Jahren sank allerdings der Anteil an Berufsanfllngem mit einem College-Abschluß in den USA 59, während die Bildungsexpansion in der Bundesrepublik anhielt. Damit erhöhte sich der angebotsinduzierte Druck auf bestehende Lohndifferentiale in den Vereinigten Staaten im Gegensatz zu Deutschland. So belegen empirische Studien fiir die Bundesrepublik eine tendenzielle Verringerung der Einkommensabstände bei Berufsanfllngem unterschiedlicher Qualifikationen. Indes können solche Nivellierungstendenzen fUr die Gesamtheit der Erwerbstätigen mit dem vorliegenden Datenmaterial bislang noch nicht abgeschätzt werden 60 •
V. Zwischenergebnis und Erweiterungen Die bisherige Analyse zu den einkommensdeterminierten Ursachen der Entwicklung der Vermögensverteilung führte in Verbindung mit der Globalisierung zu zahlreichen Faktoren, die erklären können, warum es in den USA im Gegensatz zu Deutschland zu einem "U-tum" gekommen ist. Danach haben in der Bundesrepublik insbesondere angebotsinduzierte Komponenten sowie die mangelnde Flexibilität der Arbeitsmarktbedingungen eine vergleichbare Entwicklung verhindert. Nachfragebedingte Elemente dürften demgegenüber eine
s7 Unterschiedliche Rahmenbedingungen können diese Entwicklung in einzelnen Ländern beschleunigen aber auch hemmen. ss Vgl. hierzu die Angaben für verschiedene OECD-Länder in Freeman/Katz, 1994, s. 38.
s9 Vgl. Freeman/Katz, 1994, S. 50. Zu abweichenden Ergebnissen fllr die USA kommen Bellmann/Reinbergtressaring, 1994, S. 14 mit der dort angegebenen Literatur. Unabhängig von den Berufsanflingem hat sich der Anteil aller Erwerbstätigen mit Collegeabschluß an der Erwerbsbevölkerung in den USA wie in allen OECD-Ländem in den 80er Jahren in der Tat erhöht. Allerdings hat gleichzeitig auch der Lohnabstand von Collegeabsolventen zu Geringerqualifizierten in den USA am stärksten zugenommen; s. dazu Fiele/ce, 1994, S. 7 f. 60 Vgl. Bellmann/Reinbergtressaring, 1994, S. 55.
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geringere Rolle gespielt haben, da sie in beiden Ländern in ähnlicher Weise wirkten. Möglicherweise könnte in diesem Kontext noch die unterschiedliche Beschäftigtenlage in beiden Ländern eine Rolle spielen. Unabhängig davon, inwiefern die Entwicklung zu einer höheren Arbeitslosigkeit in Deutschland gegenüber den USA durch die Globalisierung mitverursacht wurde, dürfte der Anteil der Arbeitslosen ftir die Vermögensverteilung aber vergleichsweise wenig bedeutsam sein. Nach den Ergebnissen der Ring-Studie weisen die Arbeitslosenhaushalte zwar nach wie vor deutlich geringere Vermögensbestände auf als Haushalte von Erwerbstätigen, indes gelang es ihnen, ihre relative Position vor allem im Verhältnis zur Gruppe der Selbständigen bis Anfang der 90er Jahre deutlich zu verbessern 61 • Obwohl wir uns auf die Entwicklung der Lohndifferentiale konzentriert haben, sind mit deren verursachenden Faktoren auch andere Einkommenselemente betroffen, die die Basis ftir Vermögensbildungsprozesse bilden. In erster Linie handelt es sich um die Selbständigeneinkommen, d. h. Gewinne, aber auch Dividenden. Wie zahlreiche empirische Untersuchungen belegen62 , liegen diese durchschnittlich weit höher als die Lohneinkommen und tragen damit wesentlich zur erheblichen Konzentration der Vermögen bei. Im Vergleich sind die Unternehmensrenditen in den USA indes signifikant größer als in Deutschland. 63 Einer der Gründe dürfte neben der geringeren Steuerbelastung in dem flexibleren und deutlich weniger regulierten Arbeitsmarkt in den Vereinigten Staaten liegen, der ja auch bei der Erklärung der unterschiedlichen Entwicklung der Lohndifferentiale in Verbindung mit der Globalisierung eine entscheidende Rolle gespielt hat. Die geringeren Arbeitskosten in den USA 64 erhöhen aber gleichzeitig die Spielräume ftir Gewinne. 61 So sank die Relation der Vermögenshöhe der Gruppe der Arbeitslosen im Vergleich zu den Selbständigen. 1988 betrug dieses Verhältnis noch 1 : 7,2, während es sich bis 1993 deutlich auf 1: 4,8 reduzierte. Vgl. Ring, 1999, S. 283 f. 62 Belege finden sich z. B. in allen EVS-Daten. 63 So haben sich die Umsatzrenditen in Deutschland von 1960 bis 1991 von 14% auf 3,6% verringert, im Vergleich zu den 70er Jahren in den 80er Jahren halbiert (Jahresgutachten 1991/92 des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung). Nach Untersuchungen des Instituts der deutschen Wirtschaft erzielte die US-Industrie im Zeitraum zwischen 1989 und 1996 eine durchschnittlich dreimal so hohe Nettoumsatzrendite wie die westdeutschen Kapitalgesellschaften. So lag der Anteil des Jahresüberschusses nach Steuern gemessen am Umsatz 1996 in den USA bei 6,0 %, in Westdeutschland bei 1,8% (iwd-Nachrichten Nr. 23, 1998, S. 5). 64 In Preisen und Wechselkursen von 1992 auf DM-Basis haben etwa die LohnstUckkosten im Verarbeitenden Gewerbe von 1985 bis 1992 in Deutschland um 30,2 % zugenommen, während sie in den USA um 45,1 % gesunken sind (iwd-Nachrichten Nr. 39,
Globalisierung und Vermögensverteilung
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Zieht man als zusätzlichen Erklärungsfaktor noch die Entwicklung des Selbständigenanteils heran, so zeigt sich von 1980 bis 1997 in Deutschland ein zunehmender Anteil von 8,5 auf9,6 %, während er in den USA im gleichen Zeitraum von 8, 7 auf 8,1 % abgenommen hat65 • Dadurch kommen die vergleichsweise höheren Gewinne in den USA einer immer kleineren Gruppe zu, während in Deutschland gleichzeitig ein größerer Anteil an den im Vergleich zu den Löhnen durchschnittlich höheren Gewinneinkommen partizipiert. Als Pendant zu den Lohndifferentialen erklären damit auch die Gewinneinkommen den unterschiedlichen Verlauf der Vermögensverteilung in den beiden Ländern. Im übrigen verstärken die Zinseinkünfte aus dem gebildeten Kapitalstock über die Zinseszinsen kumulativ die beobachteten Effekte. Die bisherigen Ausfilhrungen haben Ursachen im Zusammenhang mit der Globalisierung aufgedeckt, die in den Vereinigten Staaten unmittelbar zu einer Polarisierung der Einkommensverteilung und damit indirekt auch zu einer größeren Konzentration der Vermögen beigetragen haben. Vergleicht man nun den historischen Verlauf der Einkommensdisparität mit der Entwicklung der Vermögensdisparität in den USA, so ist filr den relevanten Zeitraum seit Beginn der 70er Jahre zu konstatieren, daß die Vermögensungleichheit früher begann und insgesamt deutlich ausgeprägter verlief als der entsprechende Trend der Einkommensverteilung66 • Offensichtlich sind die erläuterten Erklärungsansätze über die Lohn- und Einkommensdifferentiale alleine nicht in der Lage, die vergleichsweise stärker zunehmende Vermögenskonzentration hinreichend zu erklären. Insbesondere gilt dies für die wachsende Vermögensdisparität im oberen Segment. Das fUhrt uns zur Suche nach unmittelbaren Determinanten für die zunehmende Ungleichverteilung der Vermögensverteilung in den USA im Vergleich zu Deutschland.
VI. Globalisierung und Wertrelationen einzelner Vermögensarten Wir haben bislang die Entwicklung der Vermögensverteilung nur insgesamt betrachtet und dabei die Zusammensetzung des Vermögens vernachlässigt. Möglicherweise lassen sich die unterschiedlichen Verteilungstrends aber auch 1993, S. 5). 1991 lagen die Lohnstückkosten in der Bundesrepublik um etwa 24% höher als in den USA (iwd-Nachrichten Nr. 15, 1992, S. 6 f.). 6 s OECD, 1998, S. 94 ff. und S. 274 ff. Im übrigen lagen in den 70er Jahren die Selbständigenanteile in Deutschland weit über denen der USA (z. B. 1977 bei 13,0 % gegenüber 8,4 % in den USA- Quelle s. ebenda). (>6 Wolfflegt einen solchen Vergleich für die Jahre 1920 bis 1990 anhand des Anteils der jeweils reichsten Haushalte vor. Vgl. zu den Angaben im einzelnen Wolf!, 1995, S. 28 f.
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unmittelbar auf Verschiebungen der Wertrelationen zwischen einzelnen Vermögensarten zurückfUhren, und möglicherweise spielen auch in diesem Zusammenhang Globalisierungseffekte eine gewisse Rolle. Bewertungen von Vermögensteilen sind vor allem filr Aktien sowie das Haus- und Grundvermögen bedeutsam67 • Während Aktien als Anlageinstrument insbesondere filr die oberen Vermögensschichten einen hohen Stellenwert einnehmen, partizipieren auch mittlere Vermögensschichten erheblich am Haus- und Grundvermögen. Wenn nun Aktienkurse im Verhältnis zu den Preisen filr Haus- und Grundvermögen rascher steigen, so fUhrt die Verschiebung dieser Wertrelation ceteris paribus zu einem wachsenden Vermögensanteil der reichsten Vermögensbesitzer und umgekehrt. Wolff ermittelt in der Tat filr den gesamten Verlauf des "U-turn" in den USA eine enge Korrelation zwischen der Entwicklung dieses Verhältnisses und der Vermögenskonzentration68 • So wurde auch die dort zunehmende Vermögensdisparität seit Anfang der 70er Jahre von einem gleichzeitigen Anstieg der Relation zwischen Aktienkursen und Immobilienpreisen um mehr als einem Drittel begleitet. Darin spiegelt sich zum einen das Bemühen um einen zunehmenden "share-holder-value" multinationaler Unternehmen im internationalen Wettbewerb, zum anderen wohl aber auch der wachsende Druck der Anteilseigner bzw. Anlagegesellschaften mit einer erheblichen Bedeutung der Anlage in Aktien. Eine Untersuchung der Entwicklung der Aktienkurse und der Preise filr den Neubau von Wohngebäuden in der Bundesrepublik fUhrt zu einer Entwicklung des entsprechenden Verhältnisses, wie sie in Abbildung 3 dokumentiert ist. Sie zeigt zunächst eine Halbierung der Wertrelation bis zum Jahr 1981. Danach stieg die Relation unter starken Schwankungen69 bis zum Jahr 1993 wieder an und lag am Ende um 20 % über der Ausgangsbasis von 1970.
67 Auch das Produktivvermögen als wichtige Vermögenskomponente unterliegt Bewertungen, die wir hier aber nicht berücksichtigen können. Sie dürften im übrigen eng mit der Entwicklung der Aktienkurse zusammenhängen. 68 Vgl. Woljf, 1995, S. 30 Figur 6-2. Das Verhältnis beruht auf Berechnungen, die die Entwicklung des S&P-Indexes zur Entwicklung der Baupreise zugrunde legen. Es wurde für 1922 auf einen Wert von 15 indexiert. Danach halbierte sich dieses Verhältnis zwischen dem Ende der 50er Jahre bis Anfang der 70er Jahre, während gleichzeitig der Vermögensanteil der I % reichsten Haushalte um mehr als ein Drittel zurückging. 69 Der ausgeprägte Rückgang 1987 ist auf den sogenannten "Aktien-Crash" im Oktober desselben Jahres zurückzuführen, der Rückgang 1989 auf die als "Mini-Crash" bezeichnete Kurskorrektur.
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Vergleicht man die deutsche mit der amerikanischen Entwicklung, so zeigen sich einerseits Abweichungen, andererseits aber auch deutliche Parallelen. Die Abweichungen betreffen zum einen die Gesamtentwicklung, die in der Bundesrepublik zu einem moderateren Ansteigen der Relation im Vergleich zu den USA filhrte. Zum anderen verlief die erste Dekade in Deutschland insofern gänzlich anders, als es hier zu einem Absinken der Wertrelation kam, während in den USA das Wertverhältnis in diesem Zeitraum stieg. Parallelen ergeben sich filr die 80er und 90er Jahre, die in beiden Ländern eine deutlich zunehmende Wertrelation aufweisen. Erst seit diesem Zeitraum spielen auch in Deutschland international geprägte und beachtete "share-holder-values" in Verbindung mit der wachsenden Bedeutung der Aktien als Kapitalanlage eine zunehmende Rolle. Damit setzte in den USA der Anstieg dieser Wertrelation im Gegensatz zu Deutschland bereits in den frühen 70er Jahren ein und war gleichzeitig nachhaltiger als in der Bundesrepublik. Aufgrund dieser Entwicklung kam es in Deutschland erst später zu einem entsprechenden Druck auf die Konzentration der Vermögen. Zudem ist dieser Druck in der Bundesrepublik grundsätzlich
"' Die Entwicklung der Aktienkurse wurde errechnet aus den Kursnotierungen der Stammaktien von rund 300 ausgewählten Gesellschaften; zur Berechnungsmethode vgl. Lützel/Jung, 1984, S. 43 ff., die Angaben gelten für das frühere Bundesgebiet; 1970 = 100. Die Entwicklung der Baupreise beruht auf dem Preisindex für den Neubau von Wohngebäuden insgesamt; einseht. Umsatz-(Mehrwert-)Steuer; früheres Bundesgebiet, 1970 = 100.
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schwächer, da Aktien im generellen Anlageverhalten in dem betrachteten Zeitraum eine weit geringere Rolle spielen als in den USA 71 • Für Deutschland bestätigt dies auch eine differenzierte Untersuchung von Heni (1998), die sich mit Vermögenswertänderungen und deren Verteilungswirkungen im Zeitraum von 1984 bis 1993 befaßt. Er belegt dabei die Erkenntnis, wonach das Immobilienvermögen auch filr die privaten Haushalte im oberen Verteilungssegment eine wichtige Bedeutung einnimmf 2, daß aber die wohlhabenden Haushalte hier und beim Aktienvermögen die vergleichsweise höchsten Wertsteigerungen verzeichnen konnten, während weniger reiche Haushalte zu einem größeren Teil solche Vermögensarten besitzen, deren Wertsteigerungen sich eher negativ entwickelt haben 73 •
VII. "U-turn" und Globalisierung- Eine Zusammenfassung Die eingangs gestellte Frage nach dem "U-turn" der Vermögensverteilung filhrte zu dem Nachweis einer stabilen Entwicklung der Vermögenskonzentration in Deutschland im Gegensatz zu anderen westlichen Industrieländern, insbesondere den USA, die seit den 70er Jahren eine deutlich zunehmende Ungleichverteilung zu verzeichnen haben. Aus den vielfältigen Ansätzen zur Erklärung dieses abweichenden Verlaufs kristallisierte sich die Globalisierung als ein Faktor heraus, der die wichtigsten Ursachen gleichsam übergeordnet beeinflußt und damit überlagert. Entscheidend ist, wie die Vereinigten Staaten und die Bundesrepublik den internationalen Herausforderungen begegnen. Dabei zeigen sich einige Parallelen, aber auch wesentliche Unterschiede. Grundsätzlich fUhren weltweite Verflechtungen im Handel sowie die grenzüberschreitende Mobilität der Faktoren Kapital und Arbeit zu einem vergleichbaren Druck auf die Lohndifferentiale als einer der Ursachen filr die Vermögenskonzentration. Allerdings wirkt sich dieser Druck in den USA durch die Handelsbilanzdefizite und die Immigration stärker aus als in Deutschland. Auf den nationalen Arbeitsmärkten werden die Lohndifferentiale generell durch die Nachfrage- und Angebotsbedingungen geprägt. Der Einfluß der Globalisierung äußert sich hier vor allem auf der Nachfrageseite: International induzierter sektoraler Strukturwandel und technischer Fortschritt, Deregulierung 71 Die zunehmende Bedeutung dieser Anlage in jüngster Zeit könnte allerdings auch in Deutschland zu vergleichbaren Effekten filhren. 72 Vgl. Heni, 1998, S. 97. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangten auch Schlomann, 1992 oder Ring, 1999. 73 Dazu gehören insbesondere festverzinsliche Wertpapiere und sonstige Geldvermögen. Vgl. Heni, 1998, S. 100 f.
Globalisierung und Vermögensverteilung
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und Rationalisierung erscheinen in den USA bei gleichzeitig deutlich abnehmendem Gewerkschaftseinfluß bedeutsamer und üben dadurch einen nachfragebedingt stärkeren Druck in Richtung einer größeren Spannweite der Arbeitsentgelte aus als in Deutschland. Noch differenzierter wirken indes die unterschiedlichen Angebotsbedingungen, die in Deutschland ftlr eine gleichmäßigere Einkommensverteilung sorgen. Während ein Nachlassen des angebotsinduzierten Einflusses in der Bundesrepublik nicht absehbar ist, bleibt abzuwarten, inwieweit eine Verstärkung des nachfrageinduzierten Drucks in Zukunft möglicherweise zu steigenden Lohndifferentialen beim "race between technological development and education"74 ftlhren könnte. Eine übergeordnete Erklärung liegt in den unterschiedlichen institutionellen Rahmenbedingungen, die in Deutschland zu einer geringeren Flexibilität am Arbeitsmarkt, zu faktischen Mindestlöhnen und zu einem größeren sozialen Ausgleich beitragen. Hinzu kommt, daß die Effekte auf der Lohn- und Transferseite durch die anderen Einkommenskomponenten, insbesondere die Gewinne und Zinseinkommen verstärkt werden. Dies ftlhrt in den USA zu einer größeren Einkommensdisparität, die wiederum ftlr eine zunehmende Vermögenskonzentration sorgt. Darüber hinaus beeinflußt die Globalisierung die Werterelation einzelner Vermögensbestandteile in den Vereinigten Staaten stärker zugunsten der hohen Vermögenssegmente als in der Bundesrepublik Insgesamt bestätigen alle Erklärungsansätze tendenziell die empirischen Befunde, die sich auf den aufsteigenden Ast des "U-tum" in den USA im Vergleich zu der stabilen Entwicklung der Vermögensverteilung in Deutschland beziehen75 • Ungeklärt bleibt die quantitative Gewichtung einzelner Faktoren76, die nur über ein ökonometrisches Modell zu erfassen wäre, indes angesichts der schwierigen Datenlage derzeit wohl kaum zu gesicherten Erkenntnissen kommen dürfte. Hier besteht erheblicher Forschungsbedarf.
7~
Atkinson, 1996, S. 6.
s Darüber hinaus bietet Wilterdink, 1995, S. 8 ff. auf der Grundlage des soziologischen Ansatzes der wechselseitigen Abhängigkeit von Elias, 1970 in Verbindung mit der Globalisierung eine stringente Erklärung des gesamten Verlaufs des "U-turn" in den USA seit Beginn des Jahrhunderts. 76 Zu einem solchen Versuchs. Freeman/Katz, 1994, der sich allerdings nur auf die Lohndifferentiale männlicher Beschäftigter unterschiedlicher Qualifikationen bezieht. 7
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Globalisierung und Vermögensverteilung
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9 FS Oberhauser
Ausgewählte Verteilungswirkungen der Finanztransfers zwischen West- und Ostdeutschland nach der deutschen Vereinigung Armin Bohnet und Stephan Heck
I. Fragestellung dieses Beitrags Mit der politischen Vereinigung der Bundesrepublik Deutschland und der DDR am 3.10.1990 und dem ordnungspolitischen Übergang der DDR zur Sozialen Marktwirtschaft zum 1. 7.1990 wurde in Ostdeutschland ein Transformationsprozeß mit gravierenden strukturellen, beschäftigungspolitischen und sozialen Problemen in Gang gesetzt. Um mittel- und langfristig die Einkommens- und Lebensverhältnisse im vereinten Deutschland einander anzupassen, wurde der Transformationsprozeß durch eine Reihe von Stabilisierungs, struktur- und sozialpolitisch motivierten Maßnahmen flankiert, die zu massiven Transferströmen von West- nach Ostdeutschland filhrten. Die Transferströme zwischen West- und Ostdeutschland haben neben Allokations- und Beschäftigungswirkungen auch vielfältige Verteilungswirkungen ausgelöst. Im Rahmen dieses Beitrags sollen die Verteilungswirkungen aus der Finanzmittelaujbringung in den alten Bundesländern im Mittelpunkt stehen, während die Verteilungswirkungen aus der Finanzmittelverwendung in den neuen Bundesländern nicht explizit betrachtet werden. Unberücksichtigt bleiben auch Wirkungen, die durch die Abordnung von westdeutschen Beamten nach Ostdeutschland, durch die Inanspruchnahme steuerlicher Vergünstigungen filr Investitionen in Ostdeutschland durch westdeutsche Zensiten und durch vereinigungsbedingte Ausgabenkürzungen in Westdeutschland entstanden sind. Der Beitrag beginnt mit einer Darstellung der Finanzströme zwischen Westund Ostdeutschland. Im Mittelpunkt steht eine Analyse der Verteilungswirkungen, die durch die Finanzierung der Bruttotransfers nach Ostdeutschland in Westdeutschland entstanden sind. Ein kurzes Fazit beendet den Beitrag.
Armin Bohnet und Stephan Heck
132
II. Transferströme zwischen Westdeutschland und Ostdeutschland seit 1991 1. Berechnung der Nettogesamttransfers seit 1991
Als Indikator für die vereinigungsbedingte interregionale Umverteilung von Finanzmitteln zwischen dem alten Bundesgebiet und den neuen Bundesländern gelten die seit dem Vereinigungszeitpunkt zwischen West- und Ostdeutschland geflossenen Nettotransferströme. Allerdings wird die Quantifizierung der interregionalen Transfers durch statistische Probleme erschwert, so z. B. bei der Erfassung des ost- und westdeutschen Beitragsaufkommens der einzelnen Sozialversicherungsträger und bei der Aufteilung bestimmter Bundeszuschüsse auf die ost- und westdeutschen Bundesländer•. Trotz dieser statistischen Mängel einer interregionalen Transferrechnung wurden seit 1991 von mehreren Institutionen jährliche Nettotransferrechnungen aufgestelle. Übereinstimmung besteht darin, daß für eine methodisch genaue Berechnung der Nettotransferhöhe die Bruttoleistungen, also die direkten Ausgaben und förderbedingten Steuermindereinnahmen in Ost- und Westdeutschland, um verschiedene Positionen korrigiert werden müssen. Diese sind: Einigungsbedingte Steuer- und Verwaltungsmehreinnahmen des Bundes in Ostdeutschland; wachstumsbedingte Steuer- und Sozialbeitragsmehreinnahmen der öffentlichen Haushalte in Westdeutschland; in westdeutschen öffentlichen Haushalten wegfallende teilungsbedingte Ausgaben (z. B. die Transitpauschale) und Steuervergünstigungen (z. B. die Berlin- und Zonenrandförderung) sowie einigungsbedingte Minderausgaben in Westdeutschland (z. B. im Verteidigungshaushalt). Die verschiedenen Berechnungsergebnisse in Tabelle 1 zeigen trotz der grundsätzlich gleichen methodischen Vorgehensweise sehr unterschiedliche jährliche Nettotransferbeträge und Verlaufsprofile. Gründe hierfür sind v.a. unterschiedlich weite Definitionen des Bruttotransferbegriffs und unterschiedliche Berechnungskonzepte der Nettoleistungen: Das Bundesministerium für Finanzen und die Bundesbank ordnen die Treuhandanstalt dem privatwirtschaftliehen Bereich zu und klammem deshalb deren Leistungen aus der Berechnung aus. Dies gilt auch ftlr die Steuerausfälle in Westdeutschland aufgrund der Investitionsförderung ftlr Ostdeutschland sowie ftlr den vereinigungsbedingten Schuldendienst des Bundes. In der Transferstatistik des Sachverständigenrates sind dagegen die Zins- und Tilgungszahlungen auf Altschulden der DDR enthalten. Das Institut der deutschen Wirtschaft und das Institut für Wirtschaftsforschung Halle beziehen zusätzlich die Steuerausfälle in Westdeutschland und die Leistungen der Treuhandanstalt (in Höhe ihres Defizits ab1 Vgl. 2
Deutsche Bundesbank, 1996, S. 25. Vgl. Deutsche Bundesbank, 1998, S. 52 ff.; Boss/Rosenschon, 1995, S. 15 ff.
Verteilungswirkungen der Finanztransfers nach der deutschen Vereinigung
133
zUglieh ihrer Zinsausgaben) in die Transferrechnung ein. Deshalb berechnen sie durchweg höhere jährliche Nettotransferbeträge mit einem Spitzenwert im Jahr 1993 und einem Rückgang seit Ende 1993 aufgrund der nachlassenden Geschäftstätigkeit der Treuhandanstalt. Die umfassendste Berechnung erfolgt durch das Institut für Weltwirtschaft, das zusätzlich die Übernahme der vereinigungsbedingten Altschulden in die Transferrechnung einbezieht. Tabelle 1
Nettotransferrechnung verschiedener Institutionen für Ostdeutschland zwischen 1991 und 1997 (in Mrd. DM)
Institution
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
l:
136
890
Bundesbank
106
114
128
126
140
140
Itw
129
253
198
165
143
I
I
888
SVR
106
131
136
131
161
I
I
665
IdW
131
148
169
162
152
137
I
899
IWH
129
152
175
169
154
140
140
1 059
I= die Werte waren zu Redaktionsschluß noch nicht bekannt. Quelle: Ragnitz, J.: Transferleistungen in den neuen Bundesländern bleiben auf hohem Niveau, in: Wirtschaft im Wandel, Heft 3, 1998, S. 2; Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Zur Wirtschaftslage in Ostdeutschland, in: Monatsbericht Nr. 4/1998, Frankfurt a. M., S. 53.
Nach der Transferstatistik der Bundesbank wurden zwischen 1991 und 1997 jährlich im Durchschnitt ca. 127 Mrd. DM und damit ca. 4,4% des westdeutschen nominalen Bruttoinlandsproduktes dieses Zeitraums nach Ostdeutschland transferiert. Der Spitzenwert dieser Quote lag im Jahr 1995 bei ca. 4,55 %, um danach wieder leicht abzunehmen. Das Institut filr Wirtschaftsforschung Halle berechnet sogar einen durchschnittlichen jährlichen Nettotransfer von ca. 151 Mrd. DM bzw. 5,1% des durchschnittlichen westdeutschen nominalen Bruttoinlandsproduktes dieses Zeitraumes.
2. Die Bruttotransfergeberstruktur Als Transfergeber fungierten die in Tabelle 2 aufgefilhrten staatlichen und halbstaatlichen Geberhaushalte sowie diverse parafiskalische Organisationen (Deutsche Ausgleichsbank, Kreditanstalt filr Wiederaufbau). Nach der relativ eng abgegrenzten Transferstatistik der Bundesbank waren bis Ende 1994 der Bund, die westdeutsche Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) und die Bundesanstalt filr Arbeit bzw. die westdeutsche Arbeitslosenversicherung zusammen die Hauptträger der nach Ostdeutschland geleisteten Bruttotransfers. In 1994 betrug ihr Anteil ca. 85 %; der Anteil der westdeutschen Länder und Ge-
Armin Bohnet und Stephan Heck
134
meinden lag dagegen nur bei 8,3 %. Ab 1995 lag der Bruttotransferanteil des Bundes und der westdeutschen Sozialversicherung sogar noch höher. Tabelle 2
Bruttotransfers nach Ostdeutschland nach Trägerna 1991 Bruttoleistungen in
1992
1993
1994
1995
1996
1997 183
139
151
167
169
185
187
Mrd. DM, davon in %: Bund
54,0
58,3
68,2
67,5
73,0
73,8
71,6
Länder/Gemeinden
3,6
3,3
6,0
8,3
5,4
5,9
6,0
Fonds Deutsche
22,3
15,9
9,0
3,0
-
-
-
EG-Haushalt
2,9
3,3
3,0
3,5
3,8
3,7
3,8
Bundesanstalt f. Arbeit
17,2
15,9
8,4
10,6
8,6
6,4
8,7
-
3,3
5,4
7,1
9,2
10,2
9,8
Einheit
GRV
a Die Beitragseinnahmen der Sozialversicherung wurden implizit von deren Bruttoleistungen subtrahiert. Quelle: Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Zur Wirtschaftslage in Ostdeutschland, in: Monatsbericht Nr. 4/1998, Frankfurt a. M., S. 53.
111. Finanzierungsquellen der Bruttotransfers nach Ostdeutschland und ihre Verteilungswirkungen Die Finanzierung der Transfers nach Ostdeutschland stellt filr die westdeutschen öffentlichen Haushalte eine hohe finanzielle Belastung dar. Zunächst vertraute die Finanzpolitik auf das Instrument der Kreditfinanzierung, da eine "Anschubfinanzierung" durch westdeutsche Transfers und durch die einsetzende Privatinitiative zur Ingangsetzung eines selbsttragenden Aufschwungs als ausreichend erachtet wurde. Aber bereits Anfang 1991 traten finanzielle Engpässe bei den westdeutschen Gebietskörperschaften in einem Maße auf, das eine Kreditfinanzierung der Transfers überforderte. Deshalb mußte die Finanzpolitik nun auch auf die Instrumente der Steuer- und Beitragsfinanzierung zurückgreifen: Neben der Einfilhrung des Solidaritätszuschlags wurden die Sätze der Mehrwertsteuer und einiger spezieller Verbrauchsteuern angehoben. Angesichts der hohen Defizite im sozialen Sicherungssystem Ostdeutschlands wurden zudem Erhöhungen der Sozialbeiträge in Gesamtdeutschland festgesetzt. Des weiteren erfolgte eine Konsolidierung durch den forcierten Verkaufstaatlichen Finanz- und Sachvermögens und durch die Kürzung staatlicher Ausgaben in Westdeutschland im Bereich der sozialen Sicherung, im unternehmens-und
Verteilungswirkungen der Finanztransfers nach der deutschen Vereinigung
135
haushaltsbezogenen Infrastrukturbereich sowie bei der Wirtschaftsilirderung und Subventionierung des Untemehmenssektors. Finanziell entlastend wirkte auch der Wegfall teilungsbedingter Ausgaben und die Reduktion des Verteidigungshaushalts. Bis Ende 1992 konnten die gesamten Ausgabeneinsparungen allerdings durchschnittlich nur ca. 6 % p.a. zur Finanzierung des jährlichen Bruttotransfers beitragen. Ende 1993 betrug der Finanzierungsbeitrag allerdings bereits ca. 28 %, Anfang 1995 aber nur noch sogar ca. 24 % (vgl. Abbildung 1): 100 90 80 I!! ~ "' 70 60
I . 2
CD
...,u ~
.5
50
D Kreditaufnahmc O Ausgabcnkurzungcn DSteuem DSozialbeitragc
40 30 20 10 0 1991
1992
1993
1994
1995
Jahr
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an: Heilemann, U./Rappen, H.: Sieben Jahre deutsche Einheit: Rückblick und Perspektiven in fiskalischer Sicht, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. B 40-41/1997, S. 42.
Abbildung I: Bruttotransfers von Westdeutschland nach Ostdeutschland zwischen 1991 und 1995 und ihre Finanzierung
Im folgenden sollen die Finanzierungsinstrumente der Kreditfinanzierung, der Steuerfinanzierung und der Sozialbeitragsfinanzierung auf ihre personellen Verteilungswirkungen hin untersucht werden. Auf eine gesonderte personelle Verteilungsanalyse der Ausgabenkürzungen wird aufgrund von Zurechnungsund Bewertungsproblemen verzichtet. Dafilr sollen die Verteilungswirkungen der Inflationsimpulse untersucht werden, die aus der Währungsumstellung zum l. 7.1990 sowie aus der schuldenfinanzierten und nachfragewirksamen Bereitstellung von Kaufkraft in den Folgejahren bis 1992 entstanden sind.
136
Armin Bohnet und Stephan Heck
1. Finanzierung durch öffentliche Kreditaufnahme
a) Finanzierungsbeitrag, Entwicklung und Struktur der Verschuldung seit der deutschen Vereinigung
Aufgrund des hohen veremigungsbedingten Finanzbedarfs mußten die westdeutschen (und später auch die ostdeutschen) Gebietskörperschaften schon ab 1990 ihre Nettokreditaufnahme gegenüber 1989 deutlich ausweiten. Dabei konzentrierte sich die vereinigungsbedingte öffentliche Nettoneuverschuldung v.a. auf den Bund und auf die mit den Verträgen zur Deutschen Einheit neu errichteten öffentlichen Nebenhaushalte 3 : -
Der "Fonds Deutsche Einheit" leistete zwischen dem 1.7.1990 und dem 31.12.1994 allgemeine Finanzzuweisungen an die neuen Bundesländer als Ersatz fiir den regulären Länderfinanzausgleich. Mit der nachträglichen Aufstockung in 1992 und 1993 konnten insgesamt 160,7 Mrd. DM (ca. 35 Mrd. DM jährlich) ausgezahlt werden.
-
Am 3.10.1990 wurde der Kreditabwicklungsfonds als ein Sondervermögen des Bundes errichtet: Er übernahm die aufgelaufenen Altschulden des DDR-Haushalts (ca. 28 Mrd. DM), die Verbindlichkeiten bei der Zuweisung von Ausgleichsforderungen an ostdeutsche Kreditinstitute und Außenhandelsbetriebe im Zusammenhang mit der Währungsumstellung gegenüber dem "Ausgleichsfonds Währungsumstellung" (ca. 75 Mrd. DM) sowie die Verbindlichkeiten aus der Gewährsträgerhaftung des Bundes fiir die Staatsbank Berlin.
-
Die Treuhandanstalt wurde zum Zweck der Privatisierung bzw. Sanierung der volkseigenen Betriebe der ehemaligen DDR in 1990 errichtet. Sie war seit 1990 ebenfalls zur Kreditaufnahme am Kapitalmarkt gezwungen, da die Ausgabensumme die Privatisierungserlöse deutlich überstieg. Bis zum Ende ihrer Geschäftstätigkeit am 31.12.1994 summierte sich der Schuldenstand insgesamt auf 256,4 Mrd. DM, in denen auch die Altschulden sanierungsfähiger Treuhandunternehmen in Höhe von 51,8 Mrd. DM enthalten waren.
-
Zum 1.1.1995 wurde der Erblastentilgungsfonds errichtet, der die aufgelaufenen, bisher aus dem öffentlichen Gesamthaushalt ausgegliederten Schulden der Treuhandanstalt von ca. 205 Mrd. DM, die Schulden des Kreditabwicklungsfonds von ca. 103 Mrd. DM und im Verlauf des Jahres 1995 die Wohnungsbaualtschulden der auf die Ostkommunen übertragenen ehemaligen volkseigenen Wohnungskombinate von ca. 31 Mrd. DM übernahm. Damit entstand insgesamt ein Schuldenvolumen von ca. 339 Mrd. DM.
3 Vgl. im folgenden Boss/Rosenschon, 1995, S. 3 ff.; Deutsche Bundesbank, 1993, S. 43 ff.; Deutsche Bundesbank, 1997, S. 17 ff.
Verteilungswirkungen der Finanztransfers nach der deutschen Vereinigung
137
-
Das ERP-Sondervermögen gewährt seit 1990 zum Zweck der Investitionsförderung zinsverbilligte und langlaufende Darlehen an die ostdeutsche Wirtschaft, die weitgehend durch Verschuldung am Kapitalmarkt (re-) finanziert werden. Die Abwicklung der Programme erfolgt v. a. über die Kreditanstalt filr Wiederaufbau, die Erstattung der Zinsverbilligung durch Bundeszuschüsse.
-
Der Fonds Bundeseisenbahnvermögen enthält seit 1994 die im Zuge der Privatisierung vom Bund übernommenen akkumulierten Schulden der Bundesbahn und DDR-Reichsbahn von ca. 71 Mrd. DM sowie die seither am Kapitalmarkt aufgenommenen Kredite.
Eine genaue Ermittlung der vereinigungsbedingten Nettoneuverschuldung des Bundes sowie der westdeutschen Länder und Gemeinden ist nicht möglich, da bei diesen Trägem weder eine genaue Abgrenzung der vereinigungsbedingten Ausgaben noch eine genaue Zuordnung der Neuverschuldung zu den einzelnen Ausgabenkategorien möglich ist. Lediglich die Verschuldung der ostdeutschen Länder und Gemeinden, der neu geschaffenen Nebenhaushalte sowie des ERP-Sondervermögens läßt sich zweifelsfrei der Vereinigung zurechnen und quantifizieren. Nach Schätzungen der Bundesbank ist von der absoluten Zunahme des Gesamtschuldenstandes im Zeitraum 1989-1996 von ca. 1200 Mrd. DM mehr als die Hälfte als vereinigungsbedingt einzustufen 4 • Hinzu kommen die zinsvergünstigten Kredite der Kreditanstalt filr Wiederaufbau und der Deutschen Ausgleichsbank an Unternehmen in den neuen Bundesländern. Nach Schätzungen des Rheinisch-Westflilischen Instituts filr Wirtschaftsforschung betrug die Kreditfinanzierungsquote der Bruttotransfers bis Ende 1992 durchschnittlich ca. 58 %; Anfang 1991 lag sie sogar bei fast zwei Drittel. In 1993 kam es zu einer Halbierung auf ca. 30 %, Anfang 1995 lag sie schließlich nur noch bei ca. 19 %. Im gesamten Zeitraum wurden durchschnittlich ca. 43 % der Bruttotransfers durch Kredite finanziert (vgl. Abbildung 1). Die vereinigungsbedingte sprunghafte Ausweitung der Nettoneuverschuldung der Gebietskörperschaften und Nebenhaushalte erfolgte über den Erwerb staatlicher Schuldtitel durch inländische Anleger und das Ausland. Sie wurde durch Offenmarktoperationen der Bundesbank wesentlich gestützt. Tabelle 3 verdeutlicht die Bedeutung der verschiedenen Gläubigergruppen in bezug auf die Staatsverschuldung: Zunächst fällt auf, daß der Anteil der inländischen Geschäftsbanken an der Gesamtschuld des Staates seit der Vereinigung zwar leicht abgenommen hat, aber in jedem Jahr deutlich am größten ·war. Die privaten Nichtbanken traten nur kurz nach der Vereinigung sowie in 1994 als Nettokreditgeber auf. Dementsprechend ist ihr Anteil an der öffentlichen Gesamtschuld seit 1992 rückläufig. Der Anteil des Auslands an der öffentlichen 4
Vgl. Deutsche Bundesbank, 1996, S. 17 ff.
138
Annin Bohnet und Stephan Heck
Gesamtschuld ist dagegen seit 1990 (mit Ausnahme des Nettokredittilgungsjahres 1994) kontinuierlich angestiegen. Der ausländische Anteil an der jährlichen Nettokreditaufnahme erreichte in 1993 einen Spitzenwert von 70,6 %. Insgesamt absorbierten die ausländischen Gläubiger zwischen 1990 und 1997 mit ca. 424 Mrd. DM ca. 48 % der staatlichen Neuverschuldung dieses Zeitraumes. Tabelle 3 Entwicklung der Gläubigerstruktur der öffentlichen Gesamtschuld (in Mrd. DM) und Nettokreditaufnahme (in Mrd. DM)
1989
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
928
I 053
I 173
I 345
I 509
1662
I 995
2 129 2 219
57 5
55 3
52 3
55 2
52 7
53 2
Nichtbanken
18 9
22 5
23 5
19 5
16 7
18,2
18 6
17 I
15 0
Ausland
22 2
20 9
23 I
25 6
292
25 9
28 2
29 3
31 8
Bundesbank
I4
I3
I I
1,4
0,9
07
05
0,4
0,4
Nettokredit-
25,8
111,9
106,3
106,8
154,6
85,8
97,7
123,3
95,8
Schulden-
1997
stand Anteile der Gläubiger in % Banken
53 5
53 2
52 8
aufuahme Anteile der Gläubiger in % Banken
66
31 7
24 I
39 6
48 5
83 9
47 6
58 8
45 8
Nichtbanken
22 2
55 0
31 0
-13 9
-15 3
42 2
-9 0
-4 6
-30 I
Ausland
72,8
135
44 7
68 7
70 6
-24 4
63 6
46 5
84 3
Bundesbank
-1 6
-0 2
02
56
-3 8
-I 7
-2 2
-0 7
00
Quelle: Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Laufende Monatsberichte, Jahrgange Nr. 12/1990 bis 10/1998, Frankfurt a. M., Tabelle Vlll.9.
b) Interpersonelle Einkommensverteilungswirkungen der Kreditfinanzierung Eine interpersonelle Umverteilung der Einkommen als Folge der Staatsverschuldung tritt dann ein, wenn den Staatsgläubigem die entsprechenden Zinsmehreinnahmen nach einem anderen Muster zufließen als die zu ihrer Finanzierung notwendigen zusätzlichen Steuereinnahmen. Begünstigt sind diejenigen, deren Zinsmehreinnahmen größer sind als die von ihnen zu entrichtende Zinszahlungssteuer. In einer unterbeschäftigten Wirtschaft entstehen diese Zinsmehreinnahmen dadurch, daß die zusätzliche Kreditnachfrage des Staates ohne eine nennenswerte Steigerung des Kreditzinses und damit auch ohne eine
Verteilungswirkungen der Finanztransfers nach der deutschen Vereinigung
139
Verdrängung privater Kreditnachfrage befriedigt werden kann. In einer vollbeschäftigten Wirtschaft steigt das Kreditvolumen dagegen deutlich geringer an, da auf dem bereits angespannten Kapitalmarkt ein Zinsanstieg und damit eine Verdrängung privater Kreditnachfrager eintreten wird. Dieser Zinsanstieg induziert aber zusätzliche Zinsmehreinnahmen sowohl bei den Nachfragern nach Staatspapieren als auch bei allen in dieser Situation auf dem Kapitalmarkt zum Zuge kommenden Kapitalanbietern, deren Zinsforderungen nicht fixiert sind. Diesen Zinsmehreinnahmen stehen andererseits nominelle Vermögensverluste der Wertpapierhalter durch einen Rückgang der Wertpapierkurse sowie Zinsmehrausgaben bei den aktuellen Kapitalnachfragern gegenüber. Wie Tabelle 3 zeigt, erfolgte die Nettokreditaufnahme in 1990 und 1991 zu einem erheblichen Teil im Ausland. Ein großer Teil der Zinsmehreinnahmen ist also in das Ausland geflossen und wurde daher im Inland nicht einkommenswirksam. Da der Kapitalmarktzins nach der Vereinigungtrotz der zusätzlichen staatlichen Kreditnachfrage kaum angestiegen ist, scheinen im Inland Zinsmehreinnahmen als Folge des Zinseffektes kaum entstanden zu sein. Folgt man allerdings der Hypothese, daß dieser Zinsanstieg schon zwischen dem 3. Quartal von 1989 und Mitte 1990 (um ca. 2 %) stattgefunden hat, so wären die Zinsmehreinnahmen bereits vor der Vereinigung vorweggenommen worden. Es ist sodann zu überprüfen, ob ohne die erhöhte staatliche Nettokreditaufnahme der Kapitalmarktzins ab 1990 niedriger gewesen wäre, so daß private Kapitalanbieter keine vergleichbaren Renditen hätten erzielen können. Diese Annahme erscheint deshalb plausibel, weil der Vereinigungsboom und damit die starke Anspannung des Kapitalmarktes durch die private Kapitalnachfrage vor allem auf die kreditfinanzierten Transfers nach Ostdeutschland und die kreditfinanzierte Währungsumstellung zurückzufilhren waren. Zudem wäre die Geldpolitik der Bundesbank iwischen dem 2. Halbjahr 1989 und Ende 1990 vermutlich expansiver gewesen, was ebenfalls den Kapitalmarkt entspannt und daher wohl zinsdämpfend gewirkt hätte. Folgt man der These fehlender vergleichbarer Anlage- und Renditemöglichkeiten, so lassen sich auch filr die Kreditmengenausweitung nach der Vereinigung Zinsmehreinnahmen ableiten. Mit dem konjunkturellen Abschwung und dem Rückgang des Kapitalmarktzinses ab 1992 hätten die privaten Anleger vermutlich noch stärkere Renditeverluste hinnehmen müssen, hätte der Staat nicht weiterhin das private Kapitalangebot partiell absorbiert und damit den privaten Anlegern Renditemöglichkeiten gegeben. Insofern konnten zumindest Zinsmindereinnahmen verhindert werden. Zugleich ist es zu Zinsmehreinnahmen aus der Kreditmengenausweitung des Staates gekommen, die ansonsten nicht geflossen wären. Die personelle Verteilung der Zinsmehreinnahmen nach Einkommensklassen läßt sich anband der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes abschätzen, die Angaben über die Verteilung der Staatsschuldtitel auf Haushalte nach Einkommensschichten enthält. Dazu wird vereinfachend unterstellt, daß die personelle Verteilung der indirekten Zinszah-
140
Armin Bohnet und Stephan Heck
Iungen (an die Inhaber von Bankaktien) progressiver als die der direkten Zinszahlungen (an Staatsschuldgläubiger im Nichtbankenbereich) ausflillt, da die Anteilseigner der Banken noch stärker in den oberen Einkommensschichten vertreten sind als die direkten privaten Staatsschuldgläubiger. Wie Tabelle 4 verdeutlicht, ist im Jahr 1993 in den alten Bundesländern eine deutliche Konzentration der Verteilung der Staatsschuldtitel auf höhere Einkommensklassen festzustellen, so daß die oberen Einkommensschichten seit 1990 vermutlich relativ stärker von den Zinsmehreinnahmen profitiert haben als die unteren Einkommensschichten. Gegenzurechnen ist allerdings der Nominalzinsanstieg bei den Kreditnachfragern aus dem Unternehmenssektor und damit aus dem oberen Einkommensbereich. Tabelle 4
Verteilung von Staatsschuldpapieren auf westdeutsche Haushalte nach dem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen in 1993 Haushalte
Halter von
Durchschnittliches
haltsnettoeinkommen
insgesamt
Staatspapieren
Guthaben in Staats-
in DM
(in I 000)
(in I 000)
Monatliches Haus-
schuldpapieren je Haushalt (in DM)
unter I 000
I 474
55
553,13
1 000-1 600
2 752
153
I 107,30
I 600-2 000
2 529
198
I 512,68
2 000-2 500
4 075
347
2 112,23
2 500-3 000
3 190
298
2 466,30
3 000-4 000
5 201
601
2 945,95
4 000-5 000
3 757
533
3 813,57
5 000-7 500
4 178
701
5 138,71
7 500-35 000
I 491
330
10 571,29
Quelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Fachserie 15: Wirtschaftsrechnungen; Einkommens- und Verbrauchstichprobe 1993, Heft 2, Wiesbaden 1997, Tabelle 1.12 und 2.12.
Dieser personelle Umverteilungseffekt aus den Zinszahlungen ist nun mit dem der Steuern zu vergleichen, die zur Finanzierung der staatlichen Zinsmehrausgaben erhöht bzw. neu erhoben wurden. Hier wird Abschnitt III.2.c dieses Beitrags zeigen, daß die oberen Einkommensschichten durch das gesamte Bündel an vereinigungsbedingten Steuererhöhungen insgesamt kaum stärker als die übrigen Einkommensgruppen belastet wurden, so daß aus der vereinigungsbedingten Staatsverschuldung und ihrer Finanzierung insgesamt auf einen einkommensdifferenzierenden Effekt geschlossen werden kann.
Verteilungswirkungen der Finanztransfers nach der deutschen Vereinigung
141
2. Finanzierung durch Steuereinnahmen der Gebietskörperschaften a) Finanzierungsquellen und Finanzierungsbeitrag Die Finanzierung der von West- nach Ostdeutschland geleisteten Bruttotransfers über diskretionäre Steuererhöhungen und einen Abbau von Steuervergünstigungen begann bereits 1991 im Bereich der speziellen Verbrauchsteuern und wurde im Verlauf des Transformationsprozesses immer bedeutsamer. Allerdings war der Finanzierungsbeitrag der Steuererhöhungen insgesamt bis Ende 1992 noch relativ gering: So wurden zwischen 1991 und 1992 durchschnittlich nur ca. 17 % der Bruttotransfers durch Steuererhöhungen finanziert. Erst mit der Mehrwertsteuererhöhung zum 1.1.1993 ist der Finanzierungsbeitrag deutlich angestiegen. Er betrug Ende 1993 etwa 22 % und Ende 1994 ca. 39 % (vgl. Abbildung 1). Die Wiedereinfilhrung des Solidaritätszuschlags zum 1.1.1995 bewirkte noch einmal einen deutlichen Anstieg des Steuerfinanzierungsbeitrages. Im folgenden soll auf die wichtigsten steuerpolitischen Maßnahmen und ihre personellen Verteilungswirkungen eingegangen werden. b) Diskretionöre Steuererhöhungen und ihre Verteilungswirkungen aa) Einführung des Solidaritätszuschlags Die Erhebung des Solidaritätszuschlages als Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer zum 1.7.1991 bis zum 30.6.1992 war die erste vereinigungsrelevante steuerpolitische Maßnahme. Bemessungsgrundlage war die Steuerschuld, also das Produkt aus zu versteuerndem Einkommen und Steuertarif, auf die ein für alle Zensiten prozentual gleicher Zuschlag von 7,5 % 5 erhoben wurde. Damit·wurde in 1991 ein Gesamtaufkommen von ca. 10,5 Mrd. DM und in 1992 von ca. 13 Mrd. DM erzielt. Die unbefristete Wiedereinfilhrung zum 1.1.1995 belastete wiederum vor allem die westdeutschen privaten Haushalte. Das jährliche Gesamtaufkommen betrug ca. 26 Mrd. DM. Im Hinblick auf die formale lnzidenz kann dem Solidaritätszuschlag, weil er auf der mit Hilfe des progressiven Einkommensteuertarifs ermittelten Steuerschuld basiert, eine nivellierende Wirkung zugerechnet werden: Die Einführung des Solidaritätszuschlags trifft zwar alle Einkommensteuerpflichtigen proportional zu ihrer Steuerschuld, wirkt aber progressiv in bezog auf das zu verAus Sicht der materiellen lnzidenz fühsteuernde Einkommen (vgl. Tabelle ren alle legalen und illegalen Maßnahmen, die das zu versteuernde Einkommen
5t
Vgl. Bundesministerium für Finanzen, 1998, Tabelle 12. Die deutlich geringere absolute Belastung in 1992 gegenüber 1991 ist anhand der vorliegenden Daten nicht plausibel erklärbar. 5
6
Armin Bohnet und Stephan Heck
142
Tabelle 5
Auswirkungen des Solidaritätszuschlags auf die personelle Einkommensverteilung in Westdeutschland in 1991 und 1992 1991
1992
1991
1992
Haushalte
Einkorn-
Einkorn-
absolute (relative)
absolute (relative)
nach der Höhe
menb
menb
monatliche Bela-
monatliche Belastung
stung in DM (in%)
in DM(in %)
ihres Einkommensa l. Quartil
2 200
2 300
0 (0)
0 (0)
2. Quartil
4 100
4 300
30 (0,73)
10 (0,23)
3. Quartil
6600
6 800
70 (1,06)
30 (0,44)
4. Quartil
13 100
13 400
180 (1,37)
100 (0,75)
75 bis 95%
10 300
10 600
130 (1,26)
60 (0,57)
95 bis 100%
23 900
24 500
370 (1,55)
280 (I, 14)
Insgesamt
6 500
6 700
70 (1,08)
40 (0,6)
davon:
a Die durchschnittlichen Einkommen und Belastungen werden ftlr Einkommensschichten ausgewiesen, die jeweils ein Viertel bzw. im obersten Viertel zusätzlich ein Fünftel und das oberste Zwanzigstel der Haushalte umfassen. b Durchschnittliches Haushaltsbruttoeinkommen im Sinne der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (in DM pro Monat). Quelle: Heilemann, U.: Konsolidierungs- und Wachstumserfordermisse: Fiskalperspektiven der Bundesrepublik in den neunziger Jahren, Untersuchungen des RWI Essen, Heft 14, 1994, S. 6; Rheinisch-Westfltlisches Institut ftlr Wirtschaftsforschung (Hrsg.): Wer finanziert die deutsche Einheit? Zur Diskussion um die GerechtigkeitsiUcke, RWI-Konjunkturbrief
Nr. 3/1992.
verringern, zu einer Verminderung der steuerlichen Belastung durch den Solidaritätszuschlag. Dabei werden diese Vergünstigungen v. a. von Unternehmen und Beziehern höherer Einkommen beansprucht, denen sich ohnehin schon bessere Steuerverkürzungsmöglichkeiten bieten, da der Großteil ihrer Einkünfte veranlagungspflichtig und deshalb gestaltbar ist. Demgegenüber werden die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit im Quellenabzugsverfahren besteuert, bei dem nur wenig Gestaltungsspielraum besteht. Insgesamt erscheint also eine Abschwächung der progressiven Wirkung des Solidaritätszuschlags plausibel, die relative Mehrbelastung der oberen Einkommensschichten dürfte jedoch tendenziell bestehen bleiben.
Verteilungswirkungen der Finanztransfers nach der deutschen Vereinigung
143
bb) Erhöhung der Mehrwertsteuer Die bedeutendste Steuererhöhung im Bereich der indirekten Steuern war die Erhöhung des Normalsatzes der Mehrwertsteuer zum 1.1.1993 von 14% auf 15 %, was in 1993 ca. 11 Mrd. DM an Steuermehreinnahmen brachte. In den folgenden Jahren betrugen die Mehreinnahmen im Durchschnitt 12,5 Mrd. DM. Da eine Mehrwertsteuererhöhung unter der Annahme einer (vollständigen) Überwälzung neben Markteinkommensbezieher auch Transfereinkommensbezieher wie z. B. Rentner, Sozialhilfeempfänger und Arbeitslose trifft, wird die relative Mehrwertsteuerbelastung der privaten Haushalte mit steigendem Nettoeinkommen aufgrund einer rückläufigen durchschnittlichen Konsumquote vermutlich sinken (Regression). Progressive Belastungswirkungen dürften dagegen durch die steuerliche Differenzierung der Konsumgüter entstehen, da mit steigendem Nettoeinkommen der Anteil steuerbefreiter und- ermäßigter Güter am Gesamtkonsum sinkt. Nach früheren Berechnungen von Tofaute 7 und Berechnungen des Deutschen Instituts ftlr Wirtschaftsforschung für 1997 wirkt die Mehrwertsteuer bzw. ihre Erhöhung in bezugauf das monatliche Nettoeinkommen der westdeutschen privaten Haushalte nicht durchgängig regressiv. Tendenziell nimmt die relative steuerliche Mehrbelastung des monatlichen Nettoeinkommens zunächst mit steigendem Einkommen zu und erst ab einem monatlichen Durchschnittseinkommen von 2 750 DM in Westdeutschland und 3 100 DM in Ostdeutschland kontinuierlich ab 8 :
Vgl. Tofaute, 1994, S. 644 ff. Vgl. Deutsches Institut fllr Wirtschaftsforschung, 1998, S. 249 ff.; die Berechnungen erfolgen auf Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1993 und beziehen sich auf die Erhöhung des Normalsatzes von 15% auf 16% in 1997. 7
8
Armin Bohnet und Stephan Heck
144
'if.
.5
0,7
~---·-
0,1
-
0
-i
-·
---~~-----------·-----
-Ostdeutschland
:·------~----
~---'===---=-:-=-=--:----===-==-----------~--
0
5000
10000
15000
durchschnittliches verfügbares Einkommen in DM
Quelle: Deutsches Institut ftlr Wirtschaftsforschung (Hrsg.): Wie belastet die Mehrwertsteuererhöhung private Haushalte mit unterschiedlich hohen Einkommen, in: DIW-Wochenbericht Nr. 14/1998, S. 254.
Abbildung 2: Monatliche relative Mehrbelastung aus einer einprozentigen Mehrwertsteuererhöhung in West- und Ostdeutschland in 1997
cc) Erhöhung der Versicherungsteuer Die Erhöhung der Versicherungsteuer erfolgte zunächst zum 1. 7.1991 um 3 Prozentpunkte auf I 0 % des versicherungspflichtigen Entgelts bei Schadensversicherungen und Reiseversicherungen (erst ab dem 1.1.1992). Da in Ostdeutschland die Zahl der abgeschlossenen privaten Versicherungsverträge und die Höhe der Versicherungssumme nach der Vereinigung noch sehr niedrig waren, mußten die westdeutschen Haushalte den größten Teil des Mehraufkommens von 0,7 Mrd. DM tragen. Zum 1.7.1993 wurde der Regelsteuersatz auf 12% (Mehreinnahmen: 0,7 Mrd. DM) und zum 1.1.1995 auf 15% (Mehreinnahmen: 2,4 Mrd. DM) angehoben 9 • Die personellen Verteilungswirkungen der diskretionären Erhöhungen der Versicherungsteuer werden unter der Annahme vollständiger Überwälzung von der relativen Bedeutung privater Versicherungen (mit Ausnahme der steuerbefreiten privaten Lebens- und Krankenversicherungen) in den unteren, mittleren
9
Vgl. Fritzsche, 1995, S. 5
Verteilungswirkungen der Finanztransfers nach der deutschen Vereinigung
145
und oberen Einkommensklassen bestimmt. Geht man davon aus, daß das relative Gewicht der privaten Ausgaben filr Versicherungsprämien und -beiträge i. d. R. mit steigendem verfilgbaren Einkommen ansteigt, so läßt sich eine leicht progressive Wirkung der Versicherungsteuer ableiten 10 • Die Ergebnisse der EVS 1988 sprechen aber eher fiir eine proportionale Belastung aus der Versicherungsteuer. Sie liegt in bezug auf das durchschnittliche Nettoeinkommen im gesamten Einkommensbereich (und bei allen sozialen Gruppen) konstant bei 0, I %. Dieses Ergebnis könnte darauf zurückzufilhren sein, daß die KFZSteuer als wesentlicher Bestandteil der Versicherungsteuer eher einen proportionalen als progressiven Belastungsverlaufaufweist (vgl. Abbildung 3) 11 • dd) Erhöhung der Tabaksteuer Die Erhöhung der Tabaksteuer um durchschnittlich I Pf je Zigarette erfolgte zum 1.3.1992 und brachte dem Bund in 1992 ca. 0,7 Mrd. DM an Mehreinnahmen, die zum großen Teil von den privaten Haushalten in Westdeutschland aufgebracht wurden. 12 Die personellen Verteilungswirkungen der Tabaksteuer werden bei Annahme vollständiger Überwälzung durch die Abhängigkeit der Tabakausgaben vom verftlgbaren Einkommen bestimmt: Im allgemeinen wird unterstellt, daß die Ausgaben fiir Tabakwaren mit steigendem Einkommen zwar absolut zunehmen, daß aber ihr Anteil am Haushaltsnettoeinkommen mit steigendem Einkommen zunächst ansteigt und ab dem mittleren Einkommensbereich wieder sinkt. Diese Hypothese wird durch die Ergebnisse der EVS 1988 in Abbildung 3 allerdings nicht bestätigt. Danach ist die relative Steuerbelastung des monatlichen Nettoeinkommens mit steigendem Nettoeinkommen durchgehend rückläufig. Dabei wurden die ostdeutschen Haushalte von der vereinigungsbedingten Erhöhung gegenüber den westdeutschen Haushalten überproportional betroffen, da sie einen relativ größeren Anteil ihres verfilgbaren Einkommens filr den Tabakkonsum verwendeten 13 •
10 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, 1992/1993, S. 157. 11 Vgl. Tofaute, 1996, S. 619 ff.; Teichmann/Meinhardt, 1993, S. 140. 12 Vgl. Heilemann, 1994, S. 56; Fritzsche, 1995, S. 5. 13 Vgl. Heilemann, 1994, S. 62 f.; Teichmann/Meinhardt, 1993, S. 139.
I0 FS Oberhauser
Armin Bohnet und Stephan Heck
146
~
.5
Oll
c:
= ;
ü
CQ
u
>
"i
"E
-+- Tabaksteuer
1,8 1,6 1,4 1,2 I 0,8 0,6 0,4 0,2 0
-
0
2000
4000
6000
8000
10000
Mineralölsteuer
12000
14000
durchschnittliches verftlgbares Einkommen in DM
Quelle: Tofaute, H.: Die Belastung der privaten Haushaltseinkommen mit speziellen Verbrauchsteuern, in: WS!- Mitteilungen, Heft 10, 1996, S. 619.
Abbildung 3: Relative Belastung westdeutscher Haushalte mit ausgewählten speziellen Verbrauchsteuern in 1988 nach Einkommensklassen
ee) Erhöhung der Mineralölsteuer und Erdgassteuer Die Erhöhung der Mineralölsteuer erfolgte erstmals zum 1. 7.1991. Die daraus resultierenden Mehreinnahmen betrugen in 1991 ca. 5,2 Mrd. DM. Eine nochmalige Erhöhung erfolgte zum 1.1.1994 ftlr bleifreies Benzin, was ca. 8 Mrd. DM an Steuermehreinnahmen erbrachte 14 • Bei der Ermittlung der personellen Verteilungswirkungen wird im allgemeinen unterstellt, daß mit steigendem verftlgbaren Einkommen die absoluten Ausgaben ftlr Kraftstoffe zwar ansteigen, daß aber ihr Anteil an den gesamten Konsumausgaben zunächst ansteigt und ab dem mittleren Einkommensbereich wieder rückläufig ist. Dies wird durch die Ergebnisse der EVS 1988 bestätigt: Wie Abbildung 3 zeigt, steigt die relative Steuerbelastung nur bis zu einem Durchschnittseinkommen von 4 470 DM an. Für darüber hinausgehende Nettoeinkommen sinkt der Belastungskoeffizient wieder kontinuierlich, die progressive Wirkung der Mineratölsteuer geht in eine regressive über. Damit läßt sich auch ftlr die diskretionären Mineralölsteuererhöhungen seit 1991, ähnlich wie ftlr die Mehrwertsteuererhöhung, ein bogenflirmiger Mehrbelastungsverlauf ableiten.
14
Vgl. Fritzsche, 1995, S. 5.
Verteilungswirkungen der Finanztransfers nach der deutschen Vereinigung
147
c) Gesamtverteilungswirkung der vereinigungsbedingten Steuerbelastung
Die vorausgehende Analyse der personellen Verteilungswirkungen aus der Erhöhung verschiedener indirekter Steuern seit der deutschen Vereinigung und aus der Einfilhrung des Solidaritätszuschlags hat gezeigt, daß die Verteilung der jeweiligen steuerlichen Mehrbelastung recht unterschiedlich war: Während der Solidaritätszuschlag die personelle Einkommensverteilung tendenziell nivelliert hat, ist filr die Erhöhung der verschiedenen indirekten Steuern insgesamt eine regressive Wirkung zu konstatieren. Das Rheinisch-Westfiilische Institut filr Wirtschaftsforschung hat eine Aggregation der verschiedenen Lasten in einer Quartilsrechnung filr Westdeutschland vorgenommen (vgl. Tabelle 6) und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß im Jahr 1992 die Belastungskoeffizienten bei dem ersten, zweiten und vierten Quartil in etwa dem Durchschnitt von 1,34 % entsprachen. Dies läßt den Schluß zu, daß bei ihnen der regressive Effekt der speziellen Verbrauchsteuererhöhungen in etwa durch den progressiven Effekt der Einfilhrung des Solidaritätszuschlags kompensiert wurde. Beim dritten Quartil lag die relative Gesamtbelastung des durchschnittlichen Haushaltsbruttoeinkommens durch die Steuererhöhungen bis Ende 1992 mit 1, 17 % unter dem Durchschnitt, bei den oberen 5 % der Einkommensbezieher mit 1,59 % deutlich darüber, d. h., sie wurden relativ am stärksten belastet. In 1995 lag die absolute und relative Belastung durch das Gesamtsteuerpaket mit 3,36% deutlich höher als in 1992. Die Verteilung der vereinigungsbedingten Steuerbelastung nach Einkommensschichten war im Vergleich zu 1992 ungleichmäßiger. So lag der Belastungskoeffizient des untersten Quartils mit 2,86 % deutlich unter dem Durchschnittswert, der des obersten Quartils dagegen darüber. Die oberen 5% der Einkommensbezieher wurden mit 4,14 % besonders stark belastet. Dies läßt den Schluß zu, daß der progressive Effekt aus der (Wieder-)einfilhrung des Solidaritätszuschlags den regressiven Gesamteffekt der indirekten Steuererhöhungen überkompensiert hat. Damit wird deutlich, daß durch die vereinigungsbedingten Steuererhöhungen allein auf alle Fälle keine nennenswerte "Gerechtigkeitslücke" bei der Finanzierung der deutschen Einheit aufgetreten ist.
Annin Bohnet und Stephan Heck
148
Tabelle 6
Gesamtbelastung der westdeutschen Haushalte durch vereinigungsbedingte Steuererhöhungen in 1992 und 1995 1992 (1995b)
Haushalte nach Stellung in der Einkommens-
Einkommena
absolute Belastunl!;
relative Belastunl!;
in DM pro Monat
in%
schichtunl!: 1. Ouartil
2 300 (2 450)
30 (70)
1,30 (2,86)
2. Ouartil
4 300 (4 580)
60 (150)
1,40 (3,28)
3. Ouartil
6 800 (7 242)
80 (230)
1,17 (3,18)
4. Ouartil
13 400 (14 271)
180 (510)
1,34 (3,57)
75 bis 95%
10 600 (II 289)
130 (380)
1,23 (3,37)
95 bis 100%
24 500 (26 093)
390(1 080)
1,59 (4,14)
Insl!;esamt
6 700 (7 136)
90 (240)
1,34 (3,36)
davon:
a Durchschnittliches Haushaltsbruttoeinkommen im Sinne der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. b Für 1995 wurde pauschal ein um 6,5 % höheres Einkommen als fiir 1992 unterstellt. Quelle: Heilemann, U.: Konsolidierungs- und Wachstumserfordemisse: Fiskalperspektiven der Bundesrepublik in den neunziger Jahren, Untersuchungen des RWI Essen, Heft 14, 1994, S. 57
3. Finanzierung durch Beitragseinnahmen der Sozialversicherung a) Finanzierungsbeitrag der Gesetzlichen Arbeitslosenversicherung
Mit dem Vertrag zur Sozialunion am 1.7.1990. wurde die westdeutsche Gesetzliche Arbeitslosenversicherung und damit die Arbeitsmarktpolitik der Bundesanstalt filr Arbeit auf der Grundlage westdeutschen Leistungsrechts auf das Beitrittsgebiet übertragen. Da dort die Arbeitslosenzahl und damit das Volumen der Lohnersatzleistungen bei gleichzeitigem Rückgang der Beitragseinnahmen sprunghaft anstiegen, kam es sofort zu einer starken finanziellen Belastung. Zudem stiegen mit den raschen Tariflohnsteigerungen die jährlich dynamisierten Ausgaben pro Anspruchsberechtigtem deutlich an, da die Lohnersatzleistungen prinzipiell an die Höhe der Nettoarbeitsentgelte gebunden sind 15 • Wie Tabelle 7 verdeutlicht, erwirtschaftete der ostdeutschen Haushalt der Bundesanstalt filr Arbeit zwischen 1990 und 1997 ein Gesamtdefizit von 243 Mrd. DM. Da dieses nur zu einem Teil, nämlich in Höhe von 15
Vgl. hierzu Mackscheidl, 1993, S. 113 ff.; Deutsche Bundesbank, 1994, S. 33 ff.
Verteilungswirkungen der Finanztransfers nach der deuschen Vereinigung
149
81,5 Mrd. DM, durch steuerfinanzierte Bundeszuschüsse (BZ) finanziert wurde, mußte die verbleibende Lücke in Höhe von 161,5 Mrd. DM aus Einnahmen der westdeutschen Arbeitslosenversicherung aufgefilllt werden. Dies erfolgte im wesentlichen durch die Belastung der westdeutschen versicherungspflichtigen Arbeitnehmerhaushalte und Arbeitgeber über die I ,5 %ige Beitragserhöhung von 1991 und die Belastung der anspruchsberechtigten Haushalte über Leistungseinschränkungen nach Art und Umfang seit 1992. Bei isolierter Betrachtung filr Westdeutschland hätten die hohen westdeutschen Haushaltsüberschüsse sogar eine Beitragssenkung und damit eine Reduktion der Abgabenbelastung filr sozialversicherungspflichtige Unternehmen und Haushalte erlaubt. Damit lag die effektive Belastung noch deutlich höher als oben quantifiziert. Tabelle 7
Entwicklung der Ausgaben, der Einnahmen und des Defizits der Bundesanstalt für Arbeit in West- und Ostdeutschland seit 1990 (in Mrd. DM) 1990•
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
I:
50,6
41,6
35,8
38,2
38,3
282,9
Aus-
0
2,5
29,9
46,0
gaben
w
41,4
42,0
47,5
59,0
58,2
61,3
67,4
64,4
441,2
Ein-
0
1,3
4,6
7,5b
ll, lb
3,8
4,0
3,9
3,7
39,9
nah-
w
40,7
65,6
72,2
n, so daß (i - n) D1 > 0, muß das Defizit entweder schneller wachsen, um die laufende Zinslast zu finanzieren, oder die öffentlichen Ausgaben müssen eingeschränkt bzw. die Steuern erhöht werden. Die Differenz (5)
(i-n) D1 = Zinszahlungen- Budgetdefizit
'' Vgl. Blanchard, 1990; Blanchard/Chouraqui/Hagemann/Sartor, 1990.
624
Hans-Hermann Francke
wird als Primärüberschuß bezeichnet. Er entspricht dem Überschuß der Steuern über die allgemeinen Staatsausgaben (ohne Zinszahlungen). Er muß laufend erwirtschaftet werden, d. h., er ist aus dem Steueraufkommen zu finanzieren, wenn die Schuldenquote stabilisiert, d. h. das Budget konsolidiert werden soll. Zur Beurteilung der Nachhaltigkeit der Finanzpolitik liefert die Ermittlung der Tragbarkeit eines Primärüberschusses des längerfristigen Budgets erste Anhaltspunkte. Allerdings ist dieses Konzept ohne weiterfUhrende Überlegungen unbefriedigend, denn sein Erfolg ist davon abhängig, ob es gelingt, das Wachstum und den Zinssatz des ökonomischen Systems längerfristig zutreffend zu prognostizieren. Angesichts der damit verbundenen Schwierigkeiten sollte diese längerfristige formale Prognose der Tragbarkeit des Primärdefizits durch zwei zusätzliche Analysemethoden ergänzt oder gar ersetzt werden. So erscheint es zum einen wichtig, die Ursachen des Entstehens und die Art der Verwendung des Defizits näher zu betrachten und zu bewerten. Zum anderen stellt sich die Frage, ob die Konsolidierungsanalyse überhaupt auf die längerfristige Prognose des Schuldenstandes zielen sollte, oder sich eher an kürzerfristigen Betrachtungen der signifikanten Stromgrößen der öffentlichen Haushalte orientieren sollte7 • Zu beiden alternativen Ansätzen hat Oberhauser wichtige Beiträge geleistet8 • Die Analyse der Ursachen und der Verwendung des Defizits gibt Hinweise darauf, inwieweit erstens Konsolidierungsanstrengungen der Budgetpolitik längerfristig notwendig und (politisch) möglich erscheinen sowie zweitens, ob daraus Rückwirkungen auf das Wachstum des Sozialprodukts zu erwarten sind. So ist zunächst zu prüfen, ob ein Defizit entweder durch zusätzliche Ausgaben (ohne Zinszahlungen) oder durch verminderte Einnahmen entsteht. Im Ausgabenbereich ist dabei zwischen den großen Ausgabearten Investitionen, Transfers, Staatsverbrauch und Subventionen zu unterscheiden. Es ist unmittelbar plausibel, daß ein Defizit umso geringere Konsolidierungsprobleme aufwirft, wenn es auf zusätzlichen Investitionen beruht. Dagegen sind die Konsolidierungsprobleme größer, wenn die das Defizit begründenden zusätzlichen Ausgaben von den Transfers oder dem Staatsverbrauch ausgehen. Im Einnahmenbereich kann zwischen Einkommens-, Unternehmens- und indirekten Steuern unterschieden werden. Hier sind Rückgänge der Einkommens- und Unternehmenssteuern als ernstere Konsolidierungsprobleme zu bewerten. Die empirische Evidenz einer solchen Strukturanalyse verdeutlicht eine Untersuchung von Strauch9 über den Erfolg bzw. Mißerfolg, den 20 OECDStaaten bei der Konsolidierung ihrer Budgets in dem Sinne hatten, daß sie ihr
7
8 9
Vgl Strauch, 1998; Perotti/Strauch/von Hagen, 1998. Vgl. Oberhauser, 1963, 1985. Vgl. Strauch, 1998, S. 7 f.
625
Geld- und fiskalpolitische Probleme öffentlicher Kreditnahme
strukturelles Defizit (gemessen als Anteil des Defizits am BIP) in einem Haushaltsjahr um mehr als 1,5 v. H. zurückfUhrten. Die Konsolidierung wurde dabei als erfolgreich defmiert, wenn das Defizit in den zwei darauffolgenden Jahren nicht erneut anstieg oder der Schuldenstand nach zwei Jahren um mindestens drei Prozent gefallen war (siehe Tabelle 2). Tabelle 2 Struktur erfolgreicher und erfolgloser Konsolidierungsphasen Erfolgreiche Konsolidierung vorher während
Ausgaben
Investitionen Transferleistungen Regierungsverbrauch Personal Sachleistungen Subventionen Einnahmen
Einkommenssteuern Unternehmenssteuern indirekte Steuern
0.3 (0.7) -0.3 (- 1.7) 0.6 (3.2) 0.1 (0.5) 0.1 (0.5) 0.0 (0.4) -0.2 (- 1.3) 0.7 (1.9) 0.6 (2.4) 0.0 (0.2) 0.1 (0.4)
-1.2 (- 6.9) -0.3 (- 4.5) -0.2 (- 3.5) -0.5 (- 3.8) -0.3 (-4.1) -0.1 (- 2.4) -0.2 (- 2.6) 1.2 (6.5) 0.5 (3.1) 0.3 (2.9) 0.4 (3.6)
Erfolglose Konsolidierung vorher während
1.2 (2.5) -0.1 (- 1.4) 1.0 (3.6) 0.2 ( 1.0) 0.0 (0.3) 0.1 (2.4) 0.2 (1.4) 1.0 (2.7) 0.8 (2.4) 0.0 (0.0) 0.3 (1.6)
-0.4 (- 2.0) -0.3 (4.4) 0.1 (0.9) -0.1 - (1.4) -0.0 (- 0.4) 0.1 (- 3.1) -0.0 (- 0.7) 1.9 (9.3) 1.1
(5.2) 0.3 (3.2) 0.6 (6.8)
Anmerkung: Der Wert der t-Statistik ist in Klammem angegeben.
Zusätzliche Erkenntnisse über die Konsolidierungsqualität der Budgetpolitik sind zu gewinnen, wenn anstelle längerfristig zu erwartender Schuldenstände die kürzemistig besser zu prognostizierenden Kreislaufeffekte der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben analysiert werden. Dabei sollten, wie es Oberhauser wiederholt vorgeschlagen hat, die Wirkungen auf die funktionale Einkorn-
40 FS Oberhauser
Hans-Hermann Francke
626
mensverteilung besonderes Gewicht haben, weil damit wichtige Finanzierungsund Steueraufkommenseffekte verbunden sind. So fUhren zusätzliche öffentliche Ausgaben, welche die Einnahmen des Unternehmenssektors erhöhen, wegen der damit verbundenen Multiplikatorprozesse zu völlig anderen Steueraufkommenswirkungen als z. B. Senkungen der indirekten Steuern. Folglich ist die Bewertung eines Budgetdefizits und vice versa die Konsolidierungsanstrengung, es zu beseitigen, hinsichtlich ihres nachhaltigen Erfolges wesentlich davon abhängig, welche Verteilungs- und Steueraufkommenseffekte damit verbunden sind. Für die zukünftige Prüfung der Finanzpolitik der EWU-Mitgliedstaaten, wie sie der Stabilitätspakt vorsieht, sollten die o. a. Analysemethoden - Einhaltung der längerfristigen Budgetrestriktion im Lichte des Primärüberschußkonzepts, Strukturanalyse der das Defizit verursachenden Haushaltspositionen sowie verteilungsorientierte Finanzierungsrechnung - zugleich angewendet werden, weil sie einander ergänzen und so zusätzliche Erkenntnisse gewonnen werden. Die bisher vorliegenden Konvergenzberichte der EU-Kommission und des EWI zum Eintritt in die Währungsunion sind aus dieser Sicht unvollständig.
2. Konsolidierungspfade in der EWU Werden diese theoretischen Überlegungen auf den gegenwärtigen Stand der Konsolidierungsbemühungen und deren zukünftige Erfordernisse angewendet, so resultiert eine - gemessen an den offiziellen Erfolgsmeldungen bei Eintritt in die Währungsunion - unbefriedigende Diagnose. Dabei ist zunächst, um das Erreichen des Konvergenzziels zu relativieren, darauf hinzuweisen, daß die fiir die einzelnen Mitgliedstaaten in Zukunft erforderlichen Konsolidierungsanstrengungen sehr unterschiedlich sind. Zu unterscheiden sind nach dem Kriterium des aktuellen Überschreitens des 60-v.H.-Schuldenstands-Kriteriums drei Gruppen von Staaten: Erstens die "soliden" Staaten mit Finnland, Frankreich, Luxemburg zweitens die "moderat gefährdeten" Staaten mit Deutschland, Irland, den Niederlanden, Österreich, Portugal, Spanien, - drittens die Hochschuldenstaaten Belgien, (Griechenland), Italien. Während die erforderlichen Konsolidierungsanstrengungen ftlr die "soliden" Staaten durchaus bewältigbar erscheinen, wird es filr die Hochschuldenstaaten noch sehr lange dauern, ehe sie die geforderte 60-v.H.-Marke erreichen. Diesbezügliche Schätzungen von Kitterer/Wiese 10 ergeben z. B. fur Belgien das Jahr 2016 und fur Italien das Jahr 2015 als Zieldatum. Dabei unterstellen die Autoren in ihrer Primärüberschußanalyse, daß das Wachstum des Bruttoinlandspro10
Vgl. Kitterer/Wiese, 1998, S. 45 ff.
Geld- und fiskalpolitische Probleme öffentlicher Kreditnahme
627
dukts von 1998 bis dahin ebenso fortgeschrieben wird wie die durchschnittliche Zinslast des Jahres 1997 pro Schuldeneinheit (i D91/D97), wobei die durchschnittliche Konsolidierungsanstrengung - 0,31 v. H. (Belgien) bzw. - 0,38 v. H. (Italien) RückfUhrung des Budgetdefizits pro Jahr beträgt. Tabelle 3 Bewertung der Konsolidierungsbemühungen in europäischen Staaten 11 Land (Konsolidierungszeitraum Dänemark ( 1994-1997) Finnland (1993-1997) Irland (1993-1997) Schweden _(I 993-1997) Vereinigtes Königreich ( 1993-1997) Österreich (1995-1997) Belgien ( 1993-1997) Deutschland ( 1996-1997) Frankreich (1994-1997) Italien ( 1990-1997) Niederlande (1995-1997) Portugal ( 1993-1997) Spanien (1995-1997)
Entwicklung des Defizites
wichtigste Ursache des Defizitanstiegs
40•
Ausmaß der Konsolidierungsbemühun~en
fallend
Ausgaben, Transfers Ausgaben, Transfers Ausgaben
Ausgaben
ausreichend
Ausgaben
ausreichend
Ausgaben
ausreichend
Ausgaben und Einnahmen Ausgaben und Einnahmen
Ausgaben und Einnahmen Ausgaben und Einnahmen
ausreichend
Ausgaben Transfers Ausgaben, Transfers und Löhne Einnahmen
Einnahmen und Ausgaben Ausgaben und Einnahmen
unzureichend
Ausgaben
unzureichend
fallend
Einnahmen
fallend
Ausgaben und Einnahmen Einnahmen
Einnahmen und Ausgaben Einnahmen und Ausgaben Einnahmen und Ausgaben Einnahmen
unzureichend
fallend
Ausgaben, Transfers Ausgaben
Einnahmen und Aus~gaben
unzureichend
fallend fallend fallend fallend fallend fallend fallend fallend
fallend
Statistische Quelle: Europäische Kommission (1998)
11
Konsolidierungsbemühung
Vgl. Strauch, 1998, S. 16.
ausreichend
unzureichend
unzureichend unzureichend unzureichend
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Hans-Hennann Francke
Die o. a. Strukturanalyse des Defizits zeigt jedoch darüber hinaus, daß auch vermeintlich "solide" bzw. "moderat" gefährdete Staaten, wie Frankreich und Deutschland, vor weiter schwierigen Konsolidierungsanstrengungen stehen, wenn die Kriterien dauerhaft erreicht werden sollen. So beruht im Falle Frankreichs die Konsolidierung in den vergangeneo drei Jahren zu ca. 60 v. H. auf Einnahmensteigerungen und nur zu 40 v. H. auf Ausgabenkürzungen. Außerdem vergrößerte sich weiter der Transferanteil der Ausgaben. In Deutschland liegen die Verhältnisse ähnlich. Nur 1997 wurden Konsolidierungserfolge durch Ausgabenkürzungen erreicht. In beiden Ländern wird es also in Zukunft größerer Strukturreformen bedürfen, um den Konsolidierungsweg fortzusetzen, weil wegen des o. a. internationalen S~euerwettbewerbs die Konsolidierung über Steuererhöhungen kaum praktikabel und wachstumsschädlich erscheint. Folgt man der diesbezüglichen Strukturanalyse von Strauch, so lassen nur die Konsolidierungsbemühungen in Dänemark, Finnland, Irland, Schweden und Großbritannien einen nachhaltigen Erfolg erwarten. In allen anderen Staaten ist die Nachhaltigkeit fragwürdig 12 •
IV. Geld- und kreditpolitische Probleme 1. Zins- und Geldmengeneffekte der öffentlichen Verschuldung
Im Rahmen der wissenschaftlichen Diskussion zur Begründung der fiskalischen Konvergenzkriterien des Maastricht-Vertrages bzw. des Stabilitätspaktes ist wiederholt die Frage gestellt worden, ob denn ihre Erfüllung filr die erfolgreiche Durchführung der Geldpolitik wirklich erforderlich sei, oder ob die Situation der öffentlichen Haushalte aus geldpolitischer Sicht von geringer Bedeutung ist. Der theoretische Hintergrund dieser Fragestellung bestand meist in einer eher monetaristischen Sicht der Inflationsursachen und geldpolitischen Strategie. Der empirische Grund lag oft in den deutschen Erfahrungen, die das Erreichen von Geldwertstabilität trotz teilweise hoher Defizite der öffentlichen Haushalte beinhalten. So wurde in den Begründungen der Fiskalkriterien meist auf die unerwünschten allokativen und distributiven Effekte hingewiesen, die von einer übermäßigen Kreditnahme einzelner "unsolider" Mitgliedstaaten auf die "soliden" übertragen werden könnten. Im Vordergrund standen dabei Befilrchtungen, daß die extensive Kreditnachfrage eines Staates (z. B. Italiens) das in der Währungsunion einheitliche Zinsniveau so erhöhen könnte, daß dadurch in der gesamten Währungsunion unerwünschte "Crowding-out"-Effekte ausgelöst würden. Damit könnten sich einzelne Mitglieder bereichern, indem sie die Last 12
Vgl. Strauch, 1998, S. 12 ff.
Geld- und fiskalpolitische Probleme öffentlicher Kreditnahme
629
der Staatsverschuldung teilweise auf andere abwälzten. Zwar wurde für dieses Szenario auf die sogenannte "Non-bail-out"-Klausel des Maastricht-Vertrages hingewiesen, welche die gemeinschaftliche Bonitätshaftung der Mitgliedstaaten ausschließt und so zur Zinsdifferenzierung beiträgt, doch erschien dieser marktwirtschaftliche Sanktionsmechanismus den meisten Kommentatoren als unzureichend, die übermäßige Staatsverschuldung einzelner Mitgliedstaaten zu begrenzen. Für die Geldpolitik sind die Fiskalkriterien dann bedeutsam, wenn man eine eher nachfragetheoretische Sicht von Inflationsprozessen hat und/oder (als Monetarist) die Geldmengeneffekte unterschiedlicher Formen der Staatsverschuldung problematisiert. Aus nachfragetheoretischer Perspektive können defizitfinanzierte öffentliche Ausgaben direkt die Inflationsrate beschleunigen. Die Notenbank könnte diese Preiseffekte zwar mittelfristig durch eine restriktive Politik unterbinden, doch könnte sie dabei leicht unter politischen Druck geraten, weil die Stabilisierung wahrscheinlich mit Beschäftigungseinbußen verbunden wäre. Die aktuellen Versuche der Politik, die Geldpolitik stärker an Beschäftigungszielen auszurichten, um die hohe Arbeitslosigkeit in den EWUMitgliedstaaten zu bekämpfen, zeigen die Relevanz der Befürchtungen eines solchen Szenarios. Allerdings gilt auch umgekehrt, daß gerade weil die Fiskalkriterien strikt einzuhalten sind, der politische Druck auf die Geldpolitik stärker geworden ist. Sollten in Zukunft einzelne Mitgliedstaaten von asymmetrischen Schocks getroffen werden, welche ihre Beschäftigungsprobleme unerträglich vergrößern, dann erscheint es jedenfalls sinnvoller, sie vorübergehend von der Erfilllung der Fiskalkriterien zu befreien, als die Europäische Notenbank übermäßigem politischen Druck auszusetzen. Zu geldpolitischen Schwierigkeiten können jedoch auch die Geldmengeneffekte unterschiedlicher Formen der öffentlichen Kreditnahme in der EWU führen. Grundsätzlich ist dabei zwischen der Kreditaufuahme in Form des Buchkredits, der direkten sowie der indirekten Verbriefung zu unterscheiden. Erfolgt die Verschuldung als Buchkredit, so wird der Kreditbetrag als Bankdeposite gutgeschrieben, d. h., der Kreditschöpfungsakt ist mit aktiver Geldschöpfung verbunden. Bei direkter Verbriefung, also dem Verkauf von Wertpapieren öffentlicher Schuldner, entsteht anstelle von Giralgeld zusätzliches Geldvermögen. Bei indirekter Verbriefung entsteht mit der öffentlichen Verschuldung im Bankensystem zunächst in gleicher Höhe Giralgeld, welches dann in einem zweiten Schritt dadurch absorbiert wird, daß die kreditgebenden Banken zur Refinanzierung eigene Wertpapiere emittieren, die sie an Nichtbanken verkaufen und damit die ursprünglich geschöpfte Geldmenge vernichten. Je mehr die öffentliche Verschuldung als Buchkredit erfolgt, desto mehr geht sie mit Bankengeldschöpfung einher, je mehr sie direkt verbrieft wird, desto neutraler wirkt sie auf das Geldangebot.
630
Hans-Hennann Francke
Die Zentralbank hat daher eine natürliche Präferenz filr den verbrieften öffentlichen Kredit. Der Wandel der öffentlichen Kreditnahme in Deutschland von der Dominanz des Buchkredits hin zu verbrieften Formen ist deshalb vom geldpolitischen Standpunkt der Bundesbank eindeutig zu begrüßen gewesen. In der EWU sind die Verhältnisse jedoch umgekehrt. In vielen Staaten dominieren noch, insbesondere wegen des Verschuldungsverhaltens der nachgeordneten Gebietskörperschaften, Buchkredite. Damit sind auch die über öffentliche Kreditnahme initiierten Geldangebotsprozesse schwerer zu kontrollieren bzw. erzeugen sie Steuerungsprobleme filr die EZB. Die Ursachen filr diesen Zustand liegen vor allem in den sehr unterschiedlichen Bonitäts- und Kostenproblemen, die den Europäischen Markt filr öffentliche Kreditnahme noch längere Zeit segmentieren werden, so daß die Zinsdifferenzen filr die öffentliche Kreditnahme in Euroland zunächst noch erheblich sein werden. Dieser Zinsspread wirkt im Sinne der Probleme der Primärüberschußanalyse auf den Erfolg nachhaltiger Budgetkonsolidierung zurück.
2. Strukturprobleme des europäischen Marktes für öffentliche Kreditnahme Wie schnell dieser Zinsspread abgebaut werden wird, ist zum einen eine Frage der Konkurrenzsituation auf der Kreditgeber- bzw. Gläubigerseite der Staatsverschuldung. Der Sektor der Banken und Finanzintermediäre steht zur Zeit noch am Anfang eines Konzentrations- und Spezialisierungsprozesses, welcher die unterschiedlichen nationalen Strukturen nur langsam angleichen wird. Für diese gilt gegenwärtig tendenziell, daß der Konzentrationsgrad in den größeren Mitgliedstaaten geringer ist, während in den kleineren die Konzentration bereits weiter fortgeschritten ist 13 • Bezüglich der Effizienz und Spezialisierung sind jedoch keine eindeutigen Muster in Abhängigkeit von der Staatsgröße feststellbar. So ist z. B. der Konzentrationsgrad in Deutschland ähnlich gering wie in Italien, Effizienz und Spezialisierung sind in Deutschland jedoch vergleichsweise größer. Hingegen ist in Frankreich wegen des traditionell großen Staatseinflusses der Konzentrationsgrad vergleichsweise hoch, die Effizienztrotz stärkerer Spezialisierung jedoch gering 14 • Zu erwarten ist daher, daß die Fusions- und Kooperationsbemühungen zur Effizienz- und Marktanteilsteigerung noch längere Zeit anhalten werden. Für die öffentlichen Kreditnachfrager resultieren daraus sehr unterschiedliche Wettbewerbspositionen und -optionen. Grundsätzlich wird der Schuldnerwettbewerb dabei von drei Bestimmungsfaktoren bestimmt: der Bonität, der 13
14
Vgl. Groeneve/d, 1999. Vgl. Francke/Ketzei/Kotz, 1994.
Geld- und fiskalpolitische Probleme öffentlicher Kreditnahme
631
Größe und der Lage im Sinne unterschiedlicher Nationalstaatlichkeit. Der Bonitätseinfluß auf die erreichbare Zinskondition hängt dabei entscheidend von den in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlichen Haftungsverpflichtungen der Gebietskörperschaften untereinander ab. Zwar gilt nach dem Vertrag von Maastricht formal die o. a. "Non-bail-out"-Klausel unter den Mitgliedstaaten der EWU, doch sind die diesbezüglichen Verpflichtungen innerhalb der Staaten sehr differenziert. Je durchgängiger auf der Ebene des Nationalstaates die bail-out-Verpflichtung ist (so z. B. in Deutschland), desto einheitlicher und günstiger sind die Zinskonditionen der so verbundenen Gebietskörperschaften et vice versa. Die Größe des Kreditnehmers spielt eine ähnliche, aber nicht durchgängige Rolle und wird vom Bonitätsstatus eindeutig dominiert werden. Die Staatszugehörigkeit ist - neben den "Bail-out"-Problemen - ftlr den öffentlichen Kreditnehmer vor allem in den Staaten wichtig, in denen noch relativ rückständige Banken- und Finanzierungssysteme existieren, weil informelle Beziehungen zu den potentiellen Kreditgebern eine größere Bedeutung im Wettbewerb haben. Die Struktur der Bestimmungsgründe des Schuldnerwettbewerbs definiert zugleich die Möglichkeiten, Kredit in unterschiedlicher Form aufzunehmen. Im Prinzip ist ftlr bonitätsstarke, größere Schuldner in Staaten mit stärker spezialisierten effizienteren Systemen der Zugang zum verbrieften Kredit leichter und günstiger. In den umgekehrten Fällen erscheint er kaum möglich. Aber damit sind zugleich Wettbewerbsnischen denkbar, die angesichts des wachsenden Wettbewerbdrucks auf der Gläubigerseite bei noch bestehendem großen Zinsspread genutzt werden können. Sie bestehen m. E. ftlr manche Schuldner mit relativ überlegener Bonität darin, wieder stärkeres Interesse ftlr eventuell zinsgünstige Buchkreditformen zu entwickeln, um die sich verändernde Konkurrenzsituation der Gläubiger auf dem größeren europäischen Markt auszunutzen. Dies gilt auch, weil sie bei verbrieften Krediten auf den stärkeren Konkurrenzdruck der großen privaten Schuldner stoßen werden, die gegenwärtig in wachsendem Maße durch Wertpapieremissionen von der verbrieften Fremdfinanzierung Gebrauch machen.
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Entwicklung der Staatsfinanzierung durch die Notenbank in Deutschland - Nachkriegszeit, in: Socher, Karl!Smekal, Christian (Hrsg.), Staatsfinanzierung und Notenbank, Österreichisches Forschungsinstitut für Sparkassenwesen, Dr. Stigleitner-Schriftenreihe, Band 24, 1984. Die Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland, in: Centro Studi EUROGEST, Forme Collettive di Risparmio e Gestione Degli Investimenti, Milano 1984, S. 79-89 [italienische ÜbersetzungS. 92-104). Kumulationsabbau bei den Sozialleistungen (mit Weyers, Gerd), Sozialpolitische Schriften, Heft 45, Berlin 1984. Lohnsteigerungen und Beschäftigung. Zur Absicherung wachstums- und beschäftigungspolitischer Strategien durch Lohn- und Vermögenspolitik, in: Langkau, Jochen/Köhler, Claus (Hrsg.), Wirtschaftspolitik und wirtschaftliche Entwicklung, Bonn 1985, S. 201-216. Die Ungereimtheiten des dualen Systems, in: Sozialer Fortschritt, 34/1985, Heft 1, S. 14-20 [Auszug in: Familienpolitische Informationen, Evangelische Aktionsgemeinschaft ftlr Familienfragen, Nr. 1 Januar/Februar 1985, S. 8-1 0). Die gesetzlichen Initiativen zum Ausbau der Arbeitnehmerbeteiligung - Podiumsgespräch, in: Laßmann, Gert/Schwark, Eberhard (Hrsg.), Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen, zfbf Sonderheft 19, DUsseldorf/Frankfurt 1985, S. 38-42 und in: Zeitschrift ftlr Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, Sonderheft 5, Berlin 1985, s. 38-42. Das Schuldenparadox, in: Jahrbücher ftlr Nationalökonomie und Statistik, Band 200, 1985, s. 333-348. Herausforderung Arbeitslosigkeit, in: Der Monat, Schweizerischer Bankverein, November 1985, S. 12-15. Soziale Sicherung in der Finanzierungsklemme, in: Eildienst Landkreistag NordrheinWestfalen, 10. Oktober 1985, Nr. 18, S. 337-344. Finanzpolitischer Entscheidungsprozeß und Wirksamkeit antizyklischer Finanzpolitik, in: Dams, Theodor/Mizuno, Masaichi (Hrsg.), Entscheidungsprozesse auf mikround makroökonomischer Ebene, Schriften zu Regional- und Verkehrsproblemen in Industrie- und Entwicklungsländern, Band 41, Berlin 1985, S. 35-58. Staatsverschuldung als Hilfe zur Überwindung der Arbeitslosigkeit, in: Gemeinsam aus der Beschäftigungskrise?, Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke in der Bundesrepublik Deutschland, AKSB Dokumente - Manuskripte - Protokolle, Heft 13, Bonn 1985, S. 10-21. Umrisse eines Stabilitätspakts zwischen den Tarifpartnern, dem Staat und der Zentralbank, in: Gemeinsam aus der Beschäftigungskrise?, Arbeitsgemeinschaft katholischsozialer Bildungswerke in der Bundesrepublik Deutschland, AKSB Dokumente Manuskripte- Protokolle, Heft 13, Bonn 1985, S. 54-65. Zur Neuregelung der steuerlichen Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums, in: Der langfristige Kredit, 37. Jg., Heft 4, 1986, S. 115-117. Overcoming Unemployment- Three Papers, in: Institut ftlr Entwicklungspolitik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, Discussion Papers No. 10 (April 1986). Globalsteuerung erfordert lohnpolitische Absicherung, in: Körner, Heiko/Uhlig, Christian (Hrsg.), Die Zukunft der Globalsteuerung, Bern 1986, S. 149-175 [Auszug:
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Wenn die Globalsteuerung gelingen soll. Ohne lohnpolitische Absicherung keine Chance, in: Das neue Unternehmen, 3/86, 33. Jg., 3. Quartal, Nr. 253, 15. August, S. 21]. Ein Verstoß gegen die Gerechtigkeit. Die Neuregelung der Besteuerung selbstgenutzten, Wohneigentums, in: Wohnungswirtschaft und Mietrecht, 1986, Heft 6, S. 163-165. Wie nachfragewirksam sind Änderungen der Staatsausgaben?, in: Der Monat, Schweizerischer Bankverein, 9/1986, S. 17-18. Kritische Thesen zu einer strikt potentialorientierten Geldmengenpolitik, in: Gutowski, Armin (Hrsg.), Geldpolitische Regelbindung: theoretische Entwicklungen und empirische Befunde, Berlin 1987, S. 123-132. Familie und Haushalt als Objekt staatlicher Transferpolitik, in: Der private Haushalt Materialien zur Diskussion. "Stiftung Der private Haushalt", Diskussion, Dokumentation Mai 1987. Haushalt und Familie als Gegenstand staatlicher Transferpolitik, in: Rapin, Hildegard (Hrsg.), Der private Haushalt zwischen Individualinteresse und sozialer Ordnung, Campus Forschung, Band 544, Reihe "Stiftung Der private Haushalt", Band I, Frankfurt (Main)/New York 1987, S. 42-57. Bildungsdarlehen (unter Mitwirkung von Jäckle, Joachim und von Kleist, Rüdiger), hrsg. vom Bundesminister fllr Bildung und Wissenschaft, Schriftenreihe Studien zu Bildung und Wissenschaft, Band 53, Bad Honnef 1987. Employment Policy by Shortening Working Hours (mit Joß, Stephan), in: Dams, Theodor/Mizuno, Masaichi: Employment Problems under the Conditions of Rapid Technological Change, Berlin 1988, S. 1-9. Änderungen in der Einkommensverteilung und Zinsbildung. Eine notwendige Ergänzung, der Zinstheorie, in: File, Wolfgang!Hübl, Lothar/Pohl, Rüdiger (Hrsg.), Herausforderungen der Wirtschaftspolitik, Berlin 1988, S. 98-111. Der Bund müßte sich noch deutlich mehr verschulden. Plädoyer fllr eine aktivere Konjunkturpolitik [BZ-Gespräch mit Finanzwissenschaftler Alois Oberhauser], in: Badische Zeitung, Donnerstag, 14. Januar 1988. Ungereimtheiten des Ausbildungsfilrderungssystems - Ansätze einer zielgerichteten Weiterentwicklung, in: Klaus, Joachim/Kiemmer, Paul (Hrsg.), Wirtschaftliche Strukturprobleme und soziale Fragen- Analyse und Gestaltungsaufgaben- J. Heinz Müller zum 70. Geburtstag, Berlin 1988, S. 217-227. Öffentliche Finanzwirtschaft, in: Staatslexikon, hrsg. von der Görres-Gesellschaft, 7. Auflage, Band 4/1988, Freiburg/Basel/Wien 1988, S. 92-97. Vermögensbeteiligung der Arbeitnehmer, in: von Maydell, Bemd/Kannengießer, Walter (Hrsg.), Handbuch der Sozialpolitik, Pfullingen 1988, S. 222-231 [Wiederabdruck in: trend Zeitschrift fllr soziale Marktwirtschaft, Nr. 44, September 1990, S. 2{}--25]. Verstöße gegen die Saldenmechanik. Bemerkungen zum Gutachten "Gewinn, Investition und Beschäftigung" des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium fllr Wirtschaft, in: Finanzarchiv, NF, Band 46, 1988, Heft 2, S. 344-350. Familie und Haushalt als Transferempfänger - Situation, Mängel und Reformansätze (unter Mitwirkung von Burger, Andreas, Jäckle, Joachim und von Kleist, Rüdiger), Campus Forschung Band 600 - Reihe "Stiftung Der private Haushalt", Band 5, Frankfurt/Main 1989.
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Interactions between the External Economy and, the Fiscal and Monetary Policy of the Federal Republic of Germany, in View of Stabilization Policy (mit Scherf, Wolfgang), in: Dams, Theodor/Matsugi, Takashi (Eds.): Adjustment Problems in Advanced Open Economies: Japan and Germany, Schriften zu Regional- und Verkehrsproblemen in Industrie- und Entwicklungsländern, Band 49, Berlin 1989, S. 275-297. Zielerreichung und Zielverfehlungen haushalts- und familienbezogener Transferpolitik, in: Rapin, Hildegard (Hrsg.), Familiengerechte Steuer- und Transferpolitik, Reihe "Stiftung Der private Haushalt", Band 7, Frankfurt/Main 1989, S. 11-23. Sozialleistungen, Kreislaufzusammenhänge und Beschäftigung, in: Buttler, Friedrich/Kühlewind, Gerhard (Hrsg. ), Erwerbstätigkeit und Generationenvertrag - Perspektiven bis 2030. Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, BeitrAB 130, Nürnberg 1989, S. 27-34. Ein Vorschlag zur Reform der einheitswertabhängigen Steuern, in: Wirtschaftsdienst, 1989/X, S. 512-514. Internationale Kapitalbewegungen, Änderungen der Leistungsbilanzsalden und Einkommensverteilung, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Band 206/4-5, 1989, s. 457-467. Kreditmodelle zur Minderung der Finanzierungsschwierigkeiten von Auszubildenden aus mittleren Einkommensschichten, in: von Mutius, Albert (Hrsg.), AusbildungsfOrderung und Familienlastenausgleich, Dokumentation der Fachtagung des Deutschen Studentenwerkesam 25. und 26. Mai 1988, Heidelberg 1989, S. 143-146. Wie soll die Einheit finanziert werden?, in: Wirtschaftsdienst, 1990/III, S. 119-121. Durch Stabilitätspakt zur Vollbeschäftigung, Referat in: Sozialinstitute der KAB (Hrsg.), Dokumentation einer Akademietagung zur Weidener Erklärung der KAB Süddeutschlands, I. Autl, Köln 1990, Referat Teil I, S. 52-67 (Diskussion zum Referat I, S. 68-77), Referat Teil II, S. 78-88 (Diskussion zum Referat II, S. 89-93). International Capital Movements and Distribution of lncome, in: Dams, Theodor/ Matsugi, Takashi (Eds.), Protectionism or Liberalism in International Economic Relations?, Schriften zu Regional- und Verkehrsproblemen in Industrie- und Entwicklungsländern, Band 50, Berlin 1991, S. 89-106. Privatisierung des Staatsvermögens, in: Probleme der Transformation von Wirtschaftssystemen, in: Schlüter, Rolf (Hrsg.), Studienhaus Wiesneck, Symposionsvorträge, November 1990, S. 81-85. The Errors ofNominal Wage Policy, Discussion Papers 4/91, Institut für Finanzwissenschaft der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau. The Debt Paradox, Discussion Papers 5/91, Institut für Finanzwissenschaft der AlbertLudwigs-Universität Freiburg im Breisgau. Anti-cyclical Fiscal Policy Depends on Safeguarding by Wage-Policy, Discussion Papers 6/91, Institut für Finanzwissenschaft der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau. The Influence of Changes in the Distribution of Income on the Formation of Interest, Discussion Papers 7/91, Institut für Finanzwissenschaft der Albert-LudwigsUniversität Freiburg im Breisgau. Was ist uns die Einheit wert? Gleichheit und Gerechtigkeit in Deutschland, Discussion Papers 9/91, Institut für Finanzwissenschaft der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau.
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Probleme des Aufbaus der Infrastruktur in der Bundesrepublik Deutschland, Discussion Papers 16/92, Institut filr Finanzwissenschaft der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau. Vermögenspolitische Aspekte des Privatisierungsprozesses, in: Mäding, Heinrich/Seil, Friedrich L./Zohlnhöfer, Werner (Hrsg.), Die Wirtschaftswissenschaft im Dienste der Politikberatung. Grundsatzfragen und Anwendungsbereiche, Theodor Dams zum 70. Geburtstag, Berlin 1992, S. 249-259. Wohneigentumsf'örderung an den Familien vorbei (mit Rüsch, Christian), in: Wirtschaftsdienst, 1992, Heft 6, S. 315-319. Wohnungspolitik fllr Familien, Familienorientierte Förderung des Erwerbs selbstgenutzten Wohneigentums unter besonderer Berücksichtigung der Situation in den neuen Bundesländern (mit Rüsch, Christian), Familienbund der Deutschen Katholiken (Hrsg.), Grafschaft 1992 [2., überarbeitete und ergänzte Auflage, Grafschaft 1994]. Mehr selbstverantwortliche Finanzpolitik in den neuen Bundesländern durch eine Neuregelung des Finanzausgleichs, in: Langkau, Jochen (Hrsg.), Finanzierung der Deutschen Einheit. Eine Fachkonferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung am 3. und 4.11.1992 in Bonn, Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 1993, S. 78-83. Das Verschuldungstrauma-ZehnThesen zur Wirtschafts- und Finanzpolitik, in: Badische Zeitung vom 17. März 1993. Public Finances and the Transformation Process to Market Economies in the Countries of Eastern Europe, in: Matsugi, Takashi/Oberhauser, Alois (Hrsg.), Adjustments of Economics and Enterprises in aChanging World. Schriften zu Regional- und Verkehrsproblernen in Industrie- und Entwicklungsländern, Band 56. Berlin 1993, s. 33-44 0
Finanzpolitik, in: Enderle, Georges/Homann, Kari/Honecker, Martin/Kerber, Walter/ Steinmann, Horst (Hrsg.), Lexikon der Wirtschaftsethik, Freiburg im Breisgau 1993, s. 286--294. Steuern, in: Enderle, Georges/Homann, Kari/Honecker, Martin/Kerber, Walter/Steinmann, Horst (Hrsg.), Lexikon der Wirtschaftsethik, Freiburg im Breisgau 1993, s. 1032-1039. The German Debt Problem: A Sustainable Solution, in: Schweizerischer Bankverein, prospects, No.3/1993, S. 1-4. Das Problem der Staatsverschuldung, in: Schweizerischer Bankverein, Der Monat, 6/93, S. 9-10 und S. 26. Unterschiedliche Ziele und Gestaltungsmöglichkeiten des Familienlastenausgleichs, in: Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Familienorganisationen (Hrsg.), Familienlastenausgleich. Grundlagen- Ziele- Konzepte. Grafschaft 1993, S. 61-72. Gerechtigkeit und Effizienz im sozialen Wohnungsbau, Vortrag auf dem Hearing der F.D.P.-Fraktion im Bayerischen Landtag am 3. Mai 1993 in München, Wortprotokoll, S. 2-9. Familienorientierte Förderung des Erwerbs selbstgenutzten Wohneigentums, in: Beteiligung am Produktiveigentum, herausgegeben vom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland und vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Hannover/Bann 1993, S. 275-304.
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Vermögensverteilung als gesamtwirtschaftliche Aufgabe, in: Kirche und Gesellschaft, herausgegeben von der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle Mönchengladbach. Nr. 206, Köln 1994 . Zurück in die 30er Jahre? Zur Haushaltskonsolidierungsstrategie des SVR, in: Wirtschaftsdienst 1994111, S. 101-104. Warum zurück? Eine Erwiderung auf die Replik von HUther und Wolff in: Wirtschaftsdienst 1994/IV, S. 206-207. Ungereimtheiten und Defizite in der finanziellen Förderung der Familien, in: Bottke, Wilfried (Hrsg.), Familie als zentraler Grundwert demokratischer Gesellschaften, Interdisziplinäre gesellschaftspolitische Gespräche an der Universität Augsburg, Band 3, St. Ottilien 1994, S. 161-185. Familienlastenausgleich und Familienbesteuerung, in: Die familienpolitische Strukturreform des Sozialstaats: Verfassungsauftrag ohne Folgen?, Schriftenreihe der Deutschen Liga ftir das Kind in Familie und Gesellschaft, Nr. 28, Bonn 1994, S. 57-65. Familienorientierte Wohneigentumsförderung, in: Salzmann, Bruno u. a. (Hrsg.), Demographie und familiale Aspekte von Arbeitsmarkt und Wohnungsbau, Materialien zum 5. Familienbericht, Band 1, Deutsches Jugendinstitut München, Weinheim/ München 1994, S. 221-242. Privatisierung, Vermögenspolitik und vorübergehende staatliche Kapitalbeteiligungen in den osteuropäischen Reformstaaten (mit Neugebauer, Ann-Kathrin), in: Friedmann, Bernhard (Hrsg.), Der Europäische Rechnungshof und die Wirtschafts- und Finanzhilfen der EU ftir Mittel- und Osteuropa, Köln 1994, S. 135-145. Modelle und Finanzierbarkeit des Familienlastenausgleichs, in: Ministerium ftir Familie, Frauen, Weiterbildung und Kunst Baden-Württemberg (Hrsg.), Familie heuteausgewählte Aufsätze zur Situation der Familien in Baden-Württemberg, Stuttgart 1994, s. 226-235. Familienlastenausgleich und Familienbesteuerung, in: Kleinhenz, Gerhard (Hrsg.), Soziale Ausgestaltung der Marktwirtschaft, Festschrift zum 65. Geburtstag flir Prof. Dr. Heinz Lampert, Sozialpolitische Schriften, Heft 65, Berlin 1995, S. 185-194. Familienlastenausgleich und Familienbesteuerung, in: Politik fllr oder gegen die Familie, Tagung vom 15. bis 17.4.1994 in der Bildungsstätte Schloß Schneyl!Lichtenfels, Stiftung flir Ökologie und Demokratie e. V. Bonn, S. 19-29. Die Last der Staatsverschu1dung, in: Kredit und Kapital, 28. Jg., Heft 3, 1995, s. 346-367. Finanzwesen, in: Lexikon ftir Theologie und Kirche, Freiburg, 1995, Sp. 1291-1292. Deutsches Steuersystem und Steuergerechtigkeit, in: Rauscher, Anton (Hrsg.), Steuergerechtigkeit, Mönchengladbacher Gespräche 16, Köln 1995, S. 11-35. Die Bedeutung der Kreislauftheorie der Verteilung fllr Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, in: Jahrbücher ftir Nationalökonomie und Statistik, Band 215, Heft 2, 1996, S. 129-142. Familienorientierte Wohneigentumsförderung-Modell einer zielgerichteten Förderung des Erwerbs selbstgenutzten Wohneigentums, in: Jenkis, Helmut W. (Hrsg.), Kompendium der Wohnungswirtschaft, 3. Oberarbeitete und erweiterte Auflage, München/Wien 1996, S. 419-438. Geknebelte Beschäftigungspolitik - eine Folge der Maastricht-Kriterien, in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (MittAB) 2/96, 29. Jg., S. 228-236.
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The Problems of the Debt Criteria in the Treaty of the European Union (Treaty of Maastricht), in: Matsugi, Takashi/Oberhauser, Alois/Schober, Franz (Hrsg.), Integration and Adjustment of Global Economies - Direct Investment, Financial Institutions, and International Business Policies. Schriften zu Regional- und Verkehrsproblemen in Industrie- und Entwicklungsländern, Band 62, Berlin 1996, S. 87-95. Mehr Arbeitslosigkeit durch Parallelpolitik: eine Folge einzelwirtschaftlichen Denkens, in: Wirtschaftsdienst 1996/XI, S. 566-573. Wirtschafts- und finanzpolitische Strategien zur Verbesserung der Beschäftigungslage (Mitverfasser), in: WSI-Mitteilungen l/1997, S. 65-68. Wege aus der Arbeitslosigkeit, Tagung der Wirtschaftlergilde, Bonifatiushaus Fulda, 8.-10. November 1996, in: Hirschberg, Monatsschrift des Bundes Neudeutschland, Jg. 50, Nr. 3, März 1997, S. 199-207. Arbeitslosigkeit - Schicksal oder Politikversagen?, in: Industriegewerkschaft BauenArgar-Umwelt (Hrsg.), Dokumentation der Fachtagung: "Wirtschafts- und finanzpolitische Strategien zur Verbesserung der Beschäftigungslage" am 21./22. November 1996 in Königswinter, Frankfurt am Main 1997. Sozialpolitik in der sozialen Marktwirtschaft. Zu einigen grundlegenden Beziehungszusammenhängen, in: Deutscher Caritasverband (Hrsg.), Mehr Markt in der Sozialen Arbeit?, Freiburg im Breisgau 1997, S. ll-18. Nachfrageorientierte Beschäftigungspolitik statt Sparprogramme und Steuerreform, in: WSI Mitteilungen 6/1997, S. 357-364. Zielgerichtete Wohnungspolitik bei staatlichen Haushaltsrestriktionen, in: Jahrbücher filr Nationalökonomie und Statistik, Band 216, 1997, S. 57~594. Verkennung gesamtwirtschaftlicher Zusammenhänge als Ursache filr die hohe Arbeitslosigkeit, in: Utz, Artbur F. (Hrsg.), Die massive Arbeitslosigkeit und die Wirtschaftsordnung, Sozialpolitische Schriften, Heft 74, Berlin 1998, S. 129-133. A Pro-cyclical Fiscal Policy which Increases Unemployment: A Consequence of an Individual Economic Orientation, in: Schober, Franz!Matsugi, Takashi (Hrsg.), Labor Market Issues in Japan and Germany, Schriften zu Regional- und Verkehrsproblemen in Industrie- und Entwicklungsländern, Band 63, Berlin 1998, S. 89-99. Die Bedeutung der Verteilungszusammenhänge filr die Makropolitik- Einige Thesen, in: Heise, Arne (Hrsg.), Renaissance der Makroökonomik, Marburg 1998, S. 115- 124 [Wiederabdruck in: WSI-Mitteilungen, ll/1998, S. 758-761]. Leistungsfilhigkeitsprinzip und Steuerreform, in: Hamburger Jahrbuch ftlr Wirtschaftsund Gesellschaftspolitik, 43. Jahr, Tübingen 1998, S. 113-127. Die Sozialleistungen im volkswirtschaftlichen Verteilungszusammenhang, in: Hirschberg, Monatsschrift des Bundes Neudeutschland, Jg. 51, Nr. 3, 1998, S. 157-159. Die Last der Staatsverschuldung, in: Hirschberg, Monatsschrift des Bundes Neudeutschland, Jg. 52, Nr. 1, 1999, S. 53-57.
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