Wirtschaftskulturen in der erweiterten EU: Die Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger im europäischen Vergleich 3531147919, 9783531147918

Die Wirtschaftssoziologie hat in den letzten Jahren immer deutlicher zeigen können, dass Werte und Kultur die Entwicklun

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German Pages 288 [275] Year 2006

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Wirtschaftskulturen in der erweiterten EU: Die Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger im europäischen Vergleich
 3531147919, 9783531147918

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Michael Hölscher Wirtschaftskulturen in der erweiterten EU

Michael Hölscher

Wirtschaftskulturen in der erweiterten EU Die Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger im europäischen Vergleich

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D 188

. . 1. Auflage April 2006 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Monika Mülhausen / Bettina Endres Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-531-14791-9 ISBN-13 978-3-531-14791-8

Danksagung

Die vorliegende Studie entstand im Rahmen eines von der VolkswagenStiftung geförderten Projekts zu „Kulturellen Gemeinsamkeiten und Unterschieden in den Mitgliedsländern und Beitrittskandidaten der EU und der Türkei“ unter der Leitung von Jürgen Gerhards. Ich danke ihm, Georg Vobruba und meinen Kolleginnen und Kollegen von der Kultursoziologie in Leipzig, allen voran Jörg Rössel, für die inspirierende und schöne gemeinsame Zeit. Ich habe viel gelernt! Besonderer Dank gebührt meiner Frau Editha Marquardt, sie weiß am besten für was alles.

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung. ......................................................................................................................11 1.1 Einführung in das Thema. ...........................................................................................11 1.2 Fragestellung und Vorgehen....................................................................................... 17 2. Der Einfluss von Kultur auf die Wirtschaft ......................................................... 23 2.1 Der gesellschaftliche Kontext der Wirtschaft.......................................................... 23 2.2 Wie beeinflusst der kulturelle Kontext die Wirtschaft?......................................... 28 2.2.1 Institutionelle Ansätze..................................................................................... 30 2.2.2 Werteorientierte Ansätze ................................................................................ 34 2.2.3 Fazit....................................................................................................................42 2.3 Befunde wirtschaftskultureller Forschungen in Europa ........................................ 43 2.3.1 Strukturelle Merkmale der europäischen Wirtschaft .................................. 43 2.3.2 Werteorientierte Grundlagen eines europäischen Wirtschaftsmodells............................................................................ 47 2.4. Zusammenfassung ...................................................................................................... 53 3. Wirtschaft und Kultur: Ein theoretischer Rahmen ........................................... 55 3.1 Der Kulturbegriff ......................................................................................................... 55 3.1.1 Ein soziologisches Kulturkonzept ................................................................ 56 3.2 Wirtschaftskultur.......................................................................................................... 62 3.2.1 Der Wirtschaftsbegriff .................................................................................... 62 3.2.2 Das Verhältnis von Wirtschaft und Kultur.................................................. 64 3.2.3 Ist eine gemeinsame europäische Wirtschaftskultur sinnvoll?.................. 76 3.3 Zusammenfassung ....................................................................................................... 78 4. Das Wirtschaftsskript der Europäischen Union ................................................ 81 4.1 Die Relevanz der Wirtschaft im EU-Recht.............................................................. 82 4.2 Die Notwendigkeit einer dimensionalen Analyse ................................................... 87 4.3 Dimensionale Analyse der Wirtschaftskultur der EU ............................................ 88 4.3.1 Zentrale Subdimensionen der europäischen Wirtschaftsordnung ........... 89 4.3.1.1 Offenheit der Märkte ................................................................................... 90

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Inhaltsverzeichnis 4.3.1.2 Wettbewerbsorientierung ............................................................................ 92 4.3.1.3 Rolle des Staates............................................................................................ 94 4.3.2 Individuelle Handlungsorientierungen ......................................................... 99 4.3.2.1 Leistungsorientierung................................................................................... 99 4.3.2.2 Vertrauen...................................................................................................... 100 4.3.3 Eine nominale Definition von Wirtschaftskultur ..................................... 102

5. Operationalisierung von Wirtschaftskultur ....................................................... 105 5.1 Die verwendeten Daten: Die European Values Study ......................................... 105 5.2 Einstellungen zur Wirtschaftsordnung ................................................................... 106 5.2.1 Offenheit des Marktes................................................................................... 106 5.2.2 Wettbewerbsorientierung.............................................................................. 108 5.2.3 Rolle des Staates ............................................................................................. 109 5.2.4 Faktorenanalyse für die „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“ ............................................................ 109 5.3 Individuelle Handlungsorientierungen.................................................................... 112 5.3.1 Leistungsorientierung .................................................................................... 112 5.3.2 Vertrauen......................................................................................................... 114 5.3.3 Faktorenanalyse für die „Individuellen Handlungsorientierungen“ .......................................................... 115 5.4 Transformation der Daten........................................................................................ 116 5.5 Zusammenfassung ..................................................................................................... 117 5.6 Vorteile und Probleme eines quantitativen Kulturvergleichs.............................. 119 5.6.1 Vorteile ............................................................................................................ 119 5.6.2 Probleme ......................................................................................................... 120 5.6.3 Fazit.................................................................................................................. 123 6. Deskription der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Ländern der erweiterten EU................................................................................. 125 6.1 Einstellungen zur Wirtschaftsordnung ................................................................... 125 6.1.1 Offenheit der Märkte .................................................................................... 126 6.1.2 Wettbewerb..................................................................................................... 130 6.1.3 Rolle des Staates ............................................................................................. 134 6.2 Individuelle Handlungsorientierungen.................................................................... 138 6.2.1 Leistungsorientierung .................................................................................... 138 6.2.2 Vertrauen......................................................................................................... 141 6.3 Zusammenfassung ..................................................................................................... 144

Inhaltsverzeichnis

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7. Integration der Ergebnisse..................................................................................... 145 7.1 Methodische Vorarbeiten ......................................................................................... 146 7.1.1 Agglomerationsverfahren und Distanz- bzw. Ähnlichkeitsmaße........................................................................... 146 7.1.2 Vorbereiten der Daten .................................................................................. 149 7.2 Einstellungen zur Wirtschaftsordnung ................................................................... 150 7.2.1 Die Ergebnisse der Clusterung .................................................................... 151 7.2.2 Stabilitätsprüfung ........................................................................................... 155 7.3 Individuelle Handlungsorientierungen.................................................................... 157 7.3.1 Die Ergebnisse der Clusterung .................................................................... 158 7.3.2 Stabilitätsprüfung ........................................................................................... 161 7.4 Europäische Wirtschaftskulturen ............................................................................ 163 7.4.1 Die Ergebnisse der Clusterung .................................................................... 163 7.4.2 Stabilitätsprüfung ........................................................................................... 166 7.5 Regionale Differenzen? ............................................................................................. 168 7.6 Beschreibung der Wirtschaftskulturen in Europa................................................. 171 7.6.1 Einstellungen zur Wirtschaftsordnung....................................................... 172 7.6.2 Individuelle Handlungsorientierungen ....................................................... 175 7.6.3 Zusammenfassung ......................................................................................... 177 8. Übereinstimmung der Länder mit den EU-Positionen................................. 183 9. Erklärung der Unterschiede................................................................................... 195 9.1 Zum Verfahren der Mehrebenenanalyse................................................................ 196 9.2 Welche Einflussfaktoren bestimmen die Einstellungen zur Ökonomie?.................................................................................. 199 9.2.1 Modernisierungstheoretische Ansätze ........................................................ 200 9.2.2 Kulturelle Ansätze ......................................................................................... 203 9.2.3 Institutionelles-politisches Umfeld.............................................................. 206 9.2.4 Individualmerkmale ....................................................................................... 211 9.3 Empirische Prüfung der Hypothesen ..................................................................... 216 10. Zusammenfassung und Ausblick ....................................................................... 227 11. Anhang........................................................................................................................ 239 11.1 Literatur ..................................................................................................................... 239 11.2 Ergänzende Tabellen ............................................................................................... 275 11.3 Abbildungsverzeichnis ............................................................................................ 284

1. Einleitung

„L’Europe sera culturelle ou elle ne sera pas.“ (André Glucksmann)1 1.1 Einführung in das Thema Die Europäische Union befindet sich in einer der wichtigsten Phasen ihrer bisherigen Geschichte. Mit der bereits erfolgten Erweiterung um zehn Mitglieder im Mai 2004 und der geplanten Aufnahme von weiteren zwei Ländern 2007 sowie einer eventuellen Aufnahme der Türkei wird sich die Anzahl der EU-Länder fast verdoppeln, die Bevölkerungszahl wächst um insgesamt ca. 105 Millionen Einwohner, bei Aufnahme der Türkei sogar deutlich mehr.2 Dies stellt somit die bisher größte Erweiterungsrunde der EU dar. Die dabei entstehenden Probleme werden vor allem unter wirtschaftlichen Aspekten diskutiert. Die Wirtschaftskraft praktisch aller Beitrittskandidaten liegt weit unter dem EU-Durchschnitt, entsprechend gibt es ein enormes Wohlstandsgefälle.3 Zudem handelt es sich bei den meisten Ländern um ehemalige sozialistische Planwirtschaften, die erst in einem schwierigen und größtenteils immer noch nicht abgeschlossenen Transformationsprozess marktwirtschaftliche und demokratische Strukturen installiert haben. Erst seit der Diskussion um einen Beitritt der Türkei geraten auch kulturelle Fragen verstärkt ins Zentrum der Aufmerksamkeit (Wehler 2002; Winkler 2002; Gerhards 2004). Gleichzeitig befindet sich die Europäische Union vor allem seit den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts bzw. mit dem Vertrag von Maastricht in einem Stadium der intensivierten Vertiefung.4 Auch diese war zunächst auf der wirtschaft1

Aus einem Vortrag auf einem Madrider Kongress über den Kulturraum Europa 1986 (zitiert nach Thadden 1991: 508, FN 39). 2 Bei den 2004 aufgenommenen Ländern handelt es sich um Estland (1,4 Mio. Einwohner), Lettland (2,4 Mio.), Litauen (3,7 Mio.), Malta (0,4 Mio.), Polen (38,7 Mio.), Slowakei (5,4 Mio.), Slowenien (2 Mio.), Tschechische Republik (10,3 Mio.), Ungarn (10,1 Mio.) und Zypern (griechischer Teil, 0,7 Mio.). 2007 folgen vermutlich Bulgarien (8,3 Mio) und Rumänien (22,5 Mio.). Die Türkei hat aktuell 67,6 Mio. Einwohner. Kroatien wird hier nicht berücksichtigt, da die Aufnahme von Verhandlungen erst nach Fertigstellung des Manuskriptes beschlossen wurden. 3 Siehe hierzu etwa Heidenreich (2003). Zum Problem des Wohlstandsgefälles als solches siehe Vobruba (1995). 4 Zum Problem der Dialektik von Integration und Erweiterung Vobruba (2001; 2003; 2005) und die dazugehörige Debatte im Journal of European Social Policy.

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1. Einleitung

lichen Ebene erfolgreich. So trat der europäische Binnenmarkt mit den vier Freiheiten für Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital Anfang 1993 in Kraft, 1999 wurde mit der Einführung des Euro als gemeinsamer Währung begonnen. Darüber hinaus wurden in Maastricht aber die bisher bestehenden und praktisch allein auf die ökonomische Zusammenarbeit und Koordination ausgerichteten Europäischen Gemeinschaften um zwei weitere Säulen zur EU ergänzt. Dabei handelt es sich um eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Zusammenarbeit in der Innen- und Rechtspolitik. Daraus ergibt sich eine Erweiterung im inhaltlichen Sinne auf Bereiche jenseits der Wirtschaft, was nicht ohne Folgen bleibt. In den nun ebenfalls zum Aufgabenbereich der EU zählenden Themengebieten spielen verstärkt auch Werte eine Rolle. Entsprechend bezeichnet sich die EU in der neuen Verfassung, die den Länderparlamenten zur Ratifizierung vorliegt, mittlerweile als „Wertegemeinschaft“.5 So heißt es in Artikel I-1 (2): „ Die Union steht allen europäischen Staaten offen, die ihre Werte achten und sich verpflichten, sie gemeinsam zu fördern“ (Europäische Union 2004). Spätestens damit ist explizit geworden, dass die Europäische Integration in mindestens zwei Bereichen eine kulturelle Komponente hat.6 Erstens sind die nationalen kulturellen Traditionen eine wichtige Grundlage für Kompromisse auf europäischer Ebene. Zentrale Entscheidungen werden innerhalb der EU immer noch einstimmig von den Staatschefs beschlossen. Diese sind aber im „dynamischen Mehrebenensystem“ der EU (Jachtenfuchs und Kohler-Koch 1996b) vor allem an ihre nationalen Politiken gebunden, über die sie sich legitimieren. Insofern sind sie nicht nur selbst kulturell durch den nationalen Horizont geprägt, sondern müssen auch dezidiert Rücksicht auf diesen nehmen, wollen sie nicht ihre Wiederwahl bzw. die der eigenen Partei gefährden (Caplan 2003; Schuster und Vaubel 1996: 187).7 Vor allem aber sind die Beschlüsse und Organisationen der EU darauf angewiesen, dass sie von den Bevölkerungen der Mitgliedsländer akzeptiert werden, da ihre Umsetzung ansonsten nicht effektiv gelingen kann. Zweitens wird die Herausbildung einer europäischen Identität als zentrale Voraussetzung für das Gelingen der Integration angesehen.8 „Many feel the EU can 5

Insgesamt ist die Einrichtung eines Verfassungskonvents und die Verabschiedung einer Verfassung durch die Regierungschefs selbst ein Indiz für die enormen Fortschritte, die die europäische Integration in den letzten Jahren gemacht hat. 6 Ein dritter Bereich, die gemeinsame Kulturpolitik der EU, ist bisher noch wenig entwickelt und sieht selbst dort, wo sie aktiv wird, die nationalen Kulturen als vorrangig an, auch wenn ein „kulturelles Erbe Europas“ erwähnt wird (vgl. Art. I-3 (3) des Verfassungsvertrages (Europäische Union 2004)). 7 Es gibt zwar eine ganze Reihe von Ansätzen, die von der zentralen Rolle der Eliten ausgehen, generell ist bei zunehmenden Kompetenzen der EU aber mit verstärktem Interesse auch von Seiten der ‚gemeinen’ Bürger und erhöhter Notwendigkeit der Legitimierung durch diese zu rechnen. Eine ähnliche Verschiebung der Perspektive beschreibt Schmitt-Beck (2000: 387). 8 Die Frage nach einer kulturellen Identität Europas wurde prominent vor allem von Lepsius gestellt (1997; 1999). Er ist allerdings eher skeptisch, was die Herausbildung einer solchen angeht. Gerhards

1. Einleitung

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attain democratic legitimacy only if a European demos with a collective identity takes shape” (Fuchs und Klingemann 2002: 2; mit Verweis auf Kielmansegg 1996; Scharpf 1999). Eine solche Identität ist aber nach Ansicht der meisten Autoren auf eine gemeinsame kulturelle Basis angewiesen: „Mit dem ökonomischen Zusammenwachsen Europas stellt sich in zunehmendem Maße das Problem, gemeinsame europäische Entscheidungen zu treffen, eine europäische Solidarität zu entwickeln und dabei aus einer kulturellen Identität mit gemeinsamen Werthaltungen und Weltsichten schöpfen zu können“ (Münch 1993: 12).9 Gespeist wird diese Basis nach Ansicht vieler Autoren durch ein einheitliches europäisches Erbe, welches meist als bestehend aus griechischer Antike, römischem Recht, Christentum (inklusive Reformation), Renaissance und Aufklärung beschrieben wird (Schwanitz 2000; Seibt 2002; Immerfall 1995). Wieweit dieses Erbe aber jeweils reicht, sowohl in zeitlicher und inhaltlicher als auch in geographischer Hinsicht, bleibt meist empirisch unbestimmt. Wie weit eine europäische Kultur eventuell reicht, wurde besonders seit dem Zusammenbruch des Ostblocks relevant. Die Europäische Union hat mit den Veränderungen in Osteuropa ihre bisherige östliche Grenze verloren, ohne dass eine neue, „natürlichere“ Grenze in Sicht wäre.10 „Zu Zeiten der Montanunion in den fünfziger Jahren und noch zu Zeiten des gemeinsamen Marktes bis ans Ende der achtziger Jahre hat sich niemand die Frage stellen müssen, wo denn die Grenzen Europas im Osten liegen; heute dagegen wird ernsthaft debattiert, ob nicht auch Teile des Balkans, ob eines Tages die Türkei oder gar Rußland, die Ukraine und Belarus zur EU gehören sollen“ (Schmidt 2000: 195). Vor dem Hintergrund der bereits durchgeführten und noch geplanten Erweiterung stellt sich also die Frage nach kulturellen Gemeinsamkeiten und Unterschieden in den beiden oben erwähnten Bereichen der europäischen Institutionen und der Identität in verschärfter Form. Während die europäischen Institutionen von den westeuropäischen Ländern in einem historischen Prozess innerhalb der letzten fünfzig Jahre langsam erst etabliert und mehr oder weniger in das Selbstbild integriert wurden, musste dies in den Beitrittsländern innerhalb sehr kurzer Zeit geschehen. Zwar sind in allen Ländern

empfiehlt, statt von „Identität“ zu sprechen, besser den Begriff der „Identifikation“ zu verwenden (2003). 9 Ähnlich Stefan Immerfall: „Ohne einen gesicherten gesellschaftlichen Unterbau, ein Mindestmaß an gemeinsamen Wertvorstellungen und Lebenswirklichkeiten, ist ein Zusammenwachsen Europas, gar eine gemeinsame europäische Identität, kaum denkbar“ (1997: 139). 10 Es gibt eine Vielzahl von Bezeichnungen und Unterscheidungen für die hier unter „Osteuropa“ subsumierten Länder, etwa Mittel-Ost-Europa (MOE), dazu die südosteuropäischen Staaten etc. Zusätzlich ist darauf hinzuweisen, dass es sich nicht bei allen Beitrittskandidaten (Malta, Zypern und die Türkei) um ehemals sozialistische Länder handelt. Der Einfachheit halber wird aber meist der Begriff „Osteuropa“ bzw. „osteuropäisch“ verwendet (vgl. Reiter 2000).

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der ersten Beitrittsrunde11 Demokratie und Marktwirtschaft mittlerweile installiert, was nach den Kopenhagener Kriterien überhaupt zu den zentralen Aufnahmebedingungen zählt.12 Doch die alleinige Übernahme der entsprechenden Strukturen genügt nicht. So weist Rüdiger Schmitt-Beck für die Demokratie im Anschluss an die Politische Kultur-Forschung darauf hin, dass „auch in den Orientierungen der breiten Bevölkerung gegenüber ihrem politischen System eine wichtige Dimension der demokratischen Konsolidierung zu sehen“ ist (2000: 387). Inwieweit sich hier in Osteuropa bisher noch sozialistische Vorstellungen erhalten haben, ist eine vieldiskutierte Frage (vgl. z.B. Fuchs und Klingemann 2002; Delhey 2001). So kommen etwa Fuchs und Roller zu dem Ergebnis, dass „the consolidation of liberal democracy in Central and Eastern Europe is still far from complete, and the outcome of the process is still open“ (1998: 64). Auch der Aspekt einer gemeinsamen Identität wird vor dem Hintergrund der Osterweiterung wichtiger denn je, sieht man sie als Grundlage einer europäischen Solidarität (Scharpf 1999). Das enorme Wohlstandsgefälle zwischen den bisherigen Mitgliedern und den Beitrittskandidaten wird zu weitreichenden Verschiebungen im ökonomischen Gefüge beider Gruppen führen (vgl. Heidenreich 2003; Vobruba 1995). Für die westeuropäischen Länder ergibt sich eine stärkere finanzielle Belastung, vor allem wenn man das Ziel der EU, innerhalb ihrer Mitglieder annähernd gleiche Lebensstandards zu gewährleisten, ernst nimmt.13 So werden in Zukunft z.B. viele EU-Fördergelder nunmehr nach Osteuropa fließen, bisherige Nettoempfänger werden zu Nettozahlern.14 Schon im Vorfeld wurden im Rahmen einer Heranführungsstrategie verschiedene Programme (Phare, ISPA, SAPARD) aufgelegt, die finanzielle Mittel der EU zur Unterstützung der Transformationsstaaten umlenkten. Auch die Öffnung des Arbeitsmarktes wird, vor allem von den Anrainerstaaten, als mögliches Problemfeld für die einheimischen Arbeitskräfte gesehen. Die Anpassungskosten für die Beitrittskandidaten dürften nicht unbedingt geringer ausfallen. Die Übernahme des Acquis Communautaire, des Regelwerks der EU, innerhalb kürzester Zeit hat ihnen enorme Kraftakte abverlangt. Eine soziale Abfederung mit Hilfe eines verzögerten Übergangs zur Marktwirtschaft war somit 11

Dies sind Estland, Lettland, Litauen, Polen, die Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn sowie die beiden südeuropäischen Länder Malta und Zypern (griechischer Teil). 12 „Nach den Bestimmungen von Kopenhagen erfordert die Mitgliedschaft, dass das beitrittswillige Land folgende Voraussetzungen erfüllt: - Stabilität der Institutionen, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte sowie Achtung und Schutz von Minderheiten; - Die Existenz einer funktionierenden Marktwirtschaft, die dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften standhält; - Fähigkeit zur Übernahme der Pflichten der Mitgliedschaft, einschließlich dem Einverständnis mit den Zielen der Politischen Union sowie der Wirtschafts- und Währungsunion“ (Kommission 2002b: 8). 13 Dieses Ziel findet sich z.B. in der Präambel des EG-Vertrages (Läufer 1999: 54). 14 Vgl. Heidenreich (2003, FN 2). Vor allem ostdeutsche, nordspanische sowie englische, finnische, italienische und griechische Regionen sind betroffen. In den Erweiterungsrunden haben sich allerdings einige Länder ihre Zustimmung erkaufen lassen, indem die regionalen Förderungen für eine bestimmte Zeit auch nach dem Beitritt festgeschrieben wurden.

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nicht möglich, wollte man die Chancen eines möglichst zügigen Beitritts nicht verpassen. Da die Produktivität in fast allen Bereichen der Industrie immer noch weit unterhalb des EU-Durchschnitts liegt, droht mit der Freigabe der Märkte ein ähnlicher Verdrängungsprozess, wie er stellenweise bereits in Ostdeutschland zu beobachten war.15 Damit vor dem Hintergrund der skizzierten Entwicklungen die Europäische Integration weiterhin erfolgreich verlaufen kann, wäre das Vorhandensein einer „umverteilungsfesten europäischen Identität“ (Vobruba 2001: 116) ausgesprochen hilfreich. Das Argument hierfür läuft dabei wie folgt: Vor allem in den Transformationsländern ist zwar für die Mehrheit der Bevölkerung langfristig ein Nutzen durch den Beitritt zu erwarten, kurzfristig gibt es aber eine ganze Reihe von Verlierern.16 Die auftretenden „sichtbaren Kosten“ (ebd.: 123) sind relativ leicht der EU zuzuschreiben, was zu einer wachsenden Ablehnung ihrer Institutionen führt.17 Besonders problematisch wird dies, wenn sich die Unzufriedenheit regional, vor allem auf Länderebene, konzentriert (Heidenreich 2003). Ein möglicher Puffer ist die oben bereits beschriebene finanzielle Abfederung des Transformationsprozesses, vor allem durch sozialpolitische Maßnahmen auf nationaler und europäischer Ebene. Dabei ist die gemeinsame Identität ein entscheidender Faktor: „Wenn es um die Zustimmung zu transnationaler sozialpolitischer Umverteilung geht, kommt es auf das Zusammengehörigkeitsgefühl der Leute selbst an“ (Vobruba 2001: 131). Eine gemeinsame Identität wird dabei als Grundlage einer europaweiten Solidarität gesehen: „Die bislang auf den Nationalstaat beschränkte staatsbürgerliche Solidarität muß sich auf die Bürger der Union derart ausdehnen, dass beispielsweise Schweden und Portugiesen bereit sind, füreinander einzustehen“ (Habermas 1998: 150). Diese Sichtweise schließt an klassische Positionen an. So sah Durkheim in den modernen Gesellschaften aufgrund zunehmender Arbeitsteilung die mechanische Solidarität der vormodernen Stammesgesellschaften zunehmend durch eine organische Solida15

Die Situation ist hier allerdings anders zu bewerten, da mit der alten Bundesrepublik ein Partner zur Seite stand, der zumindest einen Großteil der sozialen Kosten auffangen konnte. 16 Vobruba unterscheidet, allerdings mit Bezug auf die Globalisierung, insgesamt vier Typen: Kurz- und langfristige Gewinner; kurzfristige Gewinner, die aber langfristig verlieren; kurzfristige Verlierer, die langfristig gewinnen und schließlich kurz- und langfristige Verlierer (2001: 58 ff.). Sie alle verlangen bestimmte Strategien (vgl. ebd.). 17 Ob dies immer gerechtfertigt ist, oder ob es sich nicht evtl. um notwendige Anpassungen nach den Versäumnissen des realen Sozialismus handelt, spielt dabei keine Rolle. Aber auch in Westeuropa besteht eine ähnliche Tendenz: „Es ist zur Zeit in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union üblich, Kürzungen von Sozialleistungen mit dem Hinweis auf die Maastricht-Kriterien zu rechtfertigen“, und gleichzeitig ist die EU aufgrund ihrer geringen Kompetenzen nicht in der Lage, „auf die Sparpolitik so Einfluß zu nehmen, daß die Akzeptanz der weiteren europäischen Integration so wenig Schaden wie möglich nimmt“ (Vobruba 2001: 106 f.). In den Transformationsländern mit einem bisher wenig etablierten Parteiensystem und der gleichzeitigen Erfahrung bisher großer sozialer Sicherheit haben populistische Politiker natürlich eine zusätzlich erhöhte Chance, durch die Thematisierung dieser Probleme Wähler zu mobilisieren.

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1. Einleitung

rität der Menschen ersetzt (Durkheim 1999; vgl. auch Münch 1997; Münch 2002). Diese Solidarität gründet auf gemeinsam geteilten Werten: „Bei Durkheim wird wie bei Weber die soziale Einheit durch den Individuen inkulkierte und schließlich von ihnen geteilte und assimilierte Werte gewährleistet“ (Boudon und Bourricaud 1992: 658). Ob eine solche gemeinsame Identität und Solidarität aber vorhanden ist, wird für Europa eher skeptisch gesehen. Die meisten Autoren gehen davon aus, dass sie sich in einem langfristigen Prozess auf der Grundlage vorhandener struktureller und kultureller Gemeinsamkeiten erst entwickeln wird. Demnach spielen kulturelle Aspekte für den europäischen Integrationsprozess eine wichtige Rolle. Kulturelle Homogenitäten und Heterogenitäten zwischen und innerhalb der Länder Europas werden dabei Chancen bieten, aber auch Probleme bereiten. Ohne die Kenntnis und Berücksichtigung derselben werden sich die Integrationsbemühungen zusätzlich erschweren. „A (…) highly important reason for surveying values in Europe was the knowledge that diverging or even contrasting values in the various European countries could hamper the further unification of Europe” (Halman 2001: 2). Die Analyse europäischer Kultur und ihrer Gemeinsamkeiten und Differenzen ist daher nicht nur ein ausgesprochen interessantes, sondern auch ein gesellschaftlich relevantes Forschungsfeld.18 Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutsamkeit von Kultur (vgl. etwa Huntington 1997). Daran schließt sich folgende plausible Vermutung an: Kulturelle Heterogenität erschwert die europäische Integration, während kulturelle Homogenität sie erleichtert. Sicherlich ist Kultur nicht der einzige, vermutlich nicht einmal der wichtigste Faktor (z.B. Heidenreich 2003: 4). Dennoch liegt Mickel nicht ganz falsch, wenn er behauptet: „Die zentrale Bedeutung von gemeinsamen Normen für die Vertiefung und Ausweitung der europäischen Einigung ist unbestritten. Die Akzeptanz gemeinsamer Werte ist die Voraussetzung für einverständiges Handeln und bildet die Basis für europäisches Verstehen und Entscheiden. Werte sind Bestandteile von Kulturen und Grundlagen für das Entstehen von Loyalitäten und nationalen wie internationalen (Gruppen)-Zugehörigkeiten.“ (Mickel 1997: 14, Hervorhebungen im Original). Ausgehend von diesen Überlegungen analysiert die vorliegende Studie kulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede im europäischen Vergleich. Es wird der Frage nachgegangen, ob und in welchem Maße die neuen Mitgliedsländer und die Beitrittskandidaten der EU im Bereich der Wirtschaft kulturell zu den Kernmitgliedern passen. Die Frage der kulturellen Passung setzt die Definition eines normativen Bezugspunktes voraus. Dazu wird in einem ersten Schritt das kulturelle Selbst18

So schreibt Höhmann mit Blick auf die Transformationsländer: „Gerade in einer Phase, die von verbreiteter Rechtsunsicherheit und der Dominanz informeller Strukturen geprägt ist, sind fundierte Informationen über die verhaltensmäßigen und motivationellen Grundlagen der im Osten Europas entstehenden Marktwirtschaften für alle westlichen Akteure in Politik und Wirtschaft von großem Nutzen“ (1999b: 23).

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verständnis der EU aus dem Primär- und Sekundärrecht rekonstruiert.19 Es wird inhaltlich bestimmt, welche Vorstellungen die EU im Hinblick auf die Ökonomie entwickelt hat. Dieses „Skript“ der EU (vgl. Jachtenfuchs 2002) wird in einem zweiten Schritt anhand international erhobener, repräsentativer Bevölkerungsumfragen operationalisiert. Dies ermöglicht den Vergleich der Vorstellungen der EU zur Gestaltung der ökonomischen Sphäre mit den Werten und Einstellungen in den Mitgliedsländern, den Beitrittskandidaten und der Türkei. Die vorliegende Arbeit geht also der Frage nach, wie stark die von der EU präferierte Wirtschaftsordnung von den Bürgerinnen und Bürgern der Mitgliedsländer und der Beitrittskandidaten unterstützt wird und ob es signifikante Unterschiede zwischen den Ländern gibt. Ihr Hauptaugenmerk liegt dabei auf einer sinnvollen Klassifikation der Länder anhand ihrer Wirtschaftskulturen. In einem dritten Schritt werden die gefundenen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erklären versucht. 1.2 Fragestellung und Vorgehen Die Ökonomie ist eines der wichtigsten und am weitesten integrierten Bereiche der Europäischen Vereinigung (Lepsius 1999). Auch wenn die Gründung der Vorläufer der EU, etwa die Montanunion oder Euratom, aus den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges heraus vor allem politisch motiviert war, handelte es sich im Grunde doch um wirtschaftliche Zusammenschlüsse. Versuche einer darüber hinausgehenden Zusammenarbeit schlugen dagegen zunächst fehl.20 Bis heute sind die Europäischen Gemeinschaften als wirtschaftliche Säule der Europäischen Union der zentrale Bestandteil des europäischen Regelwerks (Lane 2002). Der europäische Wirtschaftsraum ist nicht nur politisch und rechtlich, sondern auch was die im engeren Sinne ökonomische Dimension angeht, wesentlich stärker integriert als etwa die ebenfalls wirtschaftlich ausgerichteten Zusammenschlüsse NAFTA oder ASEAN.21 Auch die Erweiterung der EU wurde vor allem unter wirtschaftlichen Aspekten diskutiert. Die wirtschaftliche Kompetenzfähigkeit und das Vorhandensein einer funktionstüchtigen Marktwirtschaft gehörten zu den zentralen Themen der Beitrittsverhandlungen und sind Voraussetzung für die Aufnahme in die EU (Kommission 2002a). Aufgrund der Wichtigkeit der Ökonomie gibt es bereits entsprechend viele Forschungen zum Thema. 19

Da der Ratifizierungsprozess ins Stocken geraten ist, wird der Verfassungsvertrag der EU nur illustrierend herangezogen. 20 Die sogenannte Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) wurde z.B. 1954 von der französischen Nationalversammlung gekippt. 21 Vgl. hierzu etwa den Globalisierungsatlas der Le Monde diplomatique (2003). Gerhards und Rössel (1999) weisen ebenfalls darauf hin, dass Globalisierung der Ökonomie in Europa vor allem eine Europäisierung bedeutet.

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1. Einleitung

Während aber im allgemeinen davon ausgegangen wird, dass die Wirtschaft praktisch ausschließlich interessengeleitet und durch rationales Verhalten der Akteure bestimmt ist und daher praktisch alle Studien kulturelle Aspekte nicht berücksichtigen, wird hier im Anschluss an die Ergebnisse der Wirtschaftssoziologie und neuerer Ansätze in den Wirtschaftswissenschaften argumentiert, dass auch im Bereich der Wirtschaft kulturelle Aspekte eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen (Blümle et al. 2004; Harrison und Huntington 2000; Dorner 2000; Höhmann 2002; DiMaggio 1994). „Der vielleicht wichtigste Bereich des modernen Lebens, in dem die Kultur einen direkten Einfluss auf die nationale Wohlfahrt und die internationale Ordnung hat, ist die Wirtschaft“ (Fukuyama 1995: 20). Dieses Wissen ist in der Soziologie im Prinzip seit ihren Anfängen bekannt. Der Klassiker ist hier sicherlich Max Webers (1988) Analyse zum Zusammenhang von „Protestantischer Ethik“ und dem „Geist des Kapitalismus“. In der Folgezeit entwickelten sich die Soziologie und die Wirtschaftswissenschaften jedoch aufgrund unterschiedlicher wissenschaftlicher Paradigmen auseinander (Smelser und Swedberg 1994b; Swedberg und Granovetter 2001). Vor allem seit den 1980er Jahren gibt es allerdings ein neu erwachtes Interesse an der Frage nach dem Zusammenhang von Wirtschaft und Kultur. Gründe hierfür waren vor allem drei Entwicklungen (Klump 1996a). Erstens entstand in den Wirtschaftswissenschaften im Zuge einer zunehmenden Transnationalisierung der Ökonomie eine neue Sensibilität für kulturelle Unterschiede. Bisher war man hier von einer gewissen Allgemeingültigkeit wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse ausgegangen. Es zeigte sich aber nun in den international agierenden Unternehmen, dass in verschiedenen Ländern z.B. unterschiedliche Managementstile erfolgreich waren oder Produktanpassungen notwendig wurden. Die berühmteste Studie in diesem Zusammenhang ist bis heute sicherlich Geert Hofstedes „Culture’s Consequences“ (2001). Ein zweiter Grund für das neue Interesse an kulturellen Fragen war der enorme Erfolg Japans und der „Tigerstaaten“ in Ostasien. Vor allem letztere entwickelten sich innerhalb kürzester Zeit von Entwicklungsländern hin zu modernen Industriestaaten, während dies anderen Ländern nicht gelang (Harrison 2000). Als Erklärung wurden schnell angeblich spezifisch konfuzianische Werte ausgemacht: Eine hohe Arbeitsmotivation bei gleichzeitiger Gemeinschaftsorientierung.22 Verbunden wurden die Befunde meist mit der Klage über den Verfall genau dieser Werte in der westlichen Welt. Ein dritter und aus Sicht der Soziologie vielleicht der wichtigste Grund für die Beschäftigung mit dem Thema „Kultur und Wirtschaft“ ist der gesellschaftliche Umbruch im Osten Europas. War man zu Beginn noch ausgespro22

Vorsicht bei der Interpretation des Einflusses von Kultur auf die Ökonomie gebietet die Tatsache, dass Max Weber den Konfuzianismus als gerade wirtschaftshinderlich angesehen hat. Es kann zwar durchaus sein, dass beide Seiten Recht hatten, dann müsste man aber zeigen, wie sich der Kontext so gewandelt hat, dass dieselben Werte entgegengesetzte Wirkungen entfalten können. Der Übergang von einer Agrar- zu einer Industriegesellschaft könnte z.B. ein solcher Kontextwandel sein.

1. Einleitung

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chen optimistisch, dass die Transformationsländer lediglich marktwirtschaftliche und demokratische Institutionen übernehmen müssten, um zu Wohlstand und politischer Stabilität zu gelangen, so machte sich schnell Ernüchterung breit. Der Anpassungsprozess ist mit einem einfachen Institutionentransfer nicht abgeschlossen. Vielmehr zeigte sich auch hier die zentrale Rolle von Kultur. Neben der politischen Kulturforschung, die einen wahren Boom erlebte (Pollack et al. 2003b; Fuchs und Klingemann 2002; Fuchs und Roller 1998; Mishler und Rose 1999; Schmitt-Beck 2000; Garsztecki 2001), widmete man sich auch wirtschaftskulturellen Fragen (Arts et al. 2003a; Höhmann 2002; Höhmann 2001; Höhmann 1999a; Franzen 1999; Lang 2001; Schefold 2000). Ausgangshypothese war dabei: „Das Gelingen von Wirtschaftstransformationen im Sinne eines politisch stabilen und ökonomisch effizienten Systemwechsels hängt von unterstützenden wirtschaftskulturellen Faktoren ab“ (Höhmann 1999b: 20). Auch wenn die Kultur sicherlich nicht der wichtigste Einflussfaktor im Bereich der Ökonomie ist, so haben Forschungen zur Wirtschaftskultur doch mittlerweile eine Vielzahl von Belegen für einen Einfluss auf der individuellen Ebene (z.B. Dorner 2000), in den Organisationen/Unternehmen (Erez und Earley 1993) und im Ländervergleich geliefert (Dieckmann 1996; Granato et al. 1996). Zudem sehen verschiedene Autoren die Bedeutung der Kultur für die Wirtschaft gerade wegen der Globalisierung weiter zunehmen. „Der internationale Wettbewerb, sei es auf politischer oder auf wirtschaftlicher Ebene, wird in Zukunft (...) zunehmend von kulturellen Faktoren bestimmt“ (Fukuyama 1995: 20; vgl. auch Flörkemeier 2004; Godley 2000: 139). Die vorliegende Arbeit vergleicht die Mitgliedsländer und Beitrittskandidaten der Europäischen Union im Hinblick auf ihre Wirtschaftskultur(en). Damit werden verschiedene Ziele verfolgt. Erstens macht ein Vergleich aus deskriptiver Perspektive Sinn, weil sich die Besonderheiten der einzelnen Wirtschaftskulturen nur durch die komparative Herangehensweise identifizieren lassen. Zweitens lassen sich durch den europäischen Vergleich Fragen der Europäischen Integration und Erweiterung angehen. Wie oben ausgeführt, gibt die Europäische Union inzwischen eine verbindliche gemeinsame Wirtschaftsordnung, hier als Wirtschaftsskript bezeichnet (vgl. Jachtenfuchs 2002), für die Ökonomien der Mitgliedsländer vor und gestaltet so das Wirtschaftsleben intensiv mit. Da Kultur sowohl direkt das Wirtschaftshandeln als auch das Funktionieren der entsprechenden europäischen Institutionen beeinflusst, kann eine Analyse der Wirtschaftskulturen Chancen und Probleme der Integration aufzeigen helfen. Eine solche Analyse fehlt meines Wissens bisher. Die Arbeit gliedert sich folgendermaßen: In Kap. 2 werden relevante Ergebnisse der Forschungen zu kulturellen Aspekten der wirtschaftlichen Integration Europas aus den verschiedensten Bereichen in einer Zusammenschau skizziert, um bei den eigenen Analysen auf sie zurückgreifen zu können. In einem zweiten Schritt (Kap. 3) werden die theoretischen Grundlagen für eine solche Analyse gelegt. Der Kulturbegriff wird meist sehr schwammig verwendet

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1. Einleitung

und bedarf, soll er empirisch fruchtbar gemacht werden, der genaueren Definition (DiMaggio 1994: 27). Aus der Diskussion des allgemeinen Kulturkonzepts in den Sozialwissenschaften lässt sich ein präzisiertes Verständnis von Kultur als „relativ stabile Werte, Normen und Deutungsmuster, die von einer Gesellschaft geteilt werden“ entwickeln (vgl. Gerhards 2000a). Da die Definition, und damit letztlich das Untersuchungsfeld, von der Fragestellung abhängig ist, ist die Auswahl eines bestimmten Kulturbegriffs begründungsbedürftig. Die Angemessenheit wird durch seine Einbettung in einen breiteren theoretischen Rahmen und die Anbindung an bestehende Konzepte von Wirtschaftskultur deutlich gemacht. Anschließend an die Theorie widmet sich der erste Teil der empirischen Analyse einer Rekonstruktion des Wirtschaftsskripts der Europäischen Union. „Für kulturvergleichende Analysen ist die Kenntnis der institutionenspezifischen Sinnund Leitkriterien und der kulturspezifischen Orientierungen gefragt, um vor- oder nachteilige, sich wechselseitig hemmende oder fördernde Beziehungen zwischen sozialintegrativen Formen und institutionellen Differenzierungen einschätzen zu können“ (Schwinn 2001: 218). Die Analyse europäischer Wirtschaftskultur geschieht in dieser Studie aus einer ganz spezifischen Perspektive vor dem Hintergrund der europäischen Integration und Erweiterung. Ausgangspunkt sind daher nicht die nationalstaatlichen Regelungen, sondern die Wirtschaftsvorstellungen der Europäischen Union und ihrer Organe. „Mit der Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft (...) ist ein Objekt entstanden, das einen normativen Gehalt besitzt und Verhalten in den Mitgliedsländern unmittelbar strukturiert“ (Lepsius 1999: 202). Dieser normative Gehalt stellt den Kompromiss der Werte und Deutungsmuster, aber auch der Interessen dar, auf den sich die bisherigen Mitglieder der Europäischen Union geeinigt haben. Mit Hilfe einer Analyse zentraler Dokumente und Beschlüsse der europäischen Institutionen sowie anhand von Sekundärliteratur lassen sich die Vorstellungen der EU, wie die Wirtschaft organisiert sein soll, herauspräparieren (Kap. 4). Auf der Grundlage der theoretischen Vorüberlegungen und der Position der EU lässt sich anschließend eine dimensionale Analyse für das Konzept „Wirtschaftskultur“ durchführen. Dabei zeigen sich zwei Hauptdimensionen, erstens die „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“ und zweitens „Individuelle Handlungsorientierungen“. Auf der Grundlage dieser Vorarbeiten ist es möglich, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Ländern der erweiterten EU im Hinblick auf ihre Wirtschaftsorientierungen empirisch zu bestimmen. Kapitel 5 zeigt auf, wie die verschiedenen Aspekte von Wirtschaftskultur operationalisiert werden. Datengrundlage ist die „European Values Study“ (EVS) aus den Jahren 1999/2000. Ein wichtiges Ziel dieser Studie ist zu untersuchen, „whether the emerging concept of one common European cultural identity has an empirical basis“ (Halman 2001: 1). Diese quantitative Bevölkerungsumfrage umfasst repräsentative Ländersamples aus

1. Einleitung

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allen Mitgliedsländern und Beitrittskandidaten der EU mit Ausnahme von Zypern.23 Die EVS bietet damit für die Analyse der Wirtschaftskultur in Europa eine ideale und aktuelle Datenbasis. Das Ziel der folgenden empirischen Analysen ist die Beantwortung von vier Fragen. Kapitel 6 beschreibt anhand von Mittelwertvergleichen, ob und wie sich die Mitgliedsländer der zukünftigen erweiterten Europäischen Union im Hinblick auf ihre Werte und Einstellungen zur Wirtschaft voneinander unterscheiden. Entlang der in der dimensionalen Analyse herausgearbeiteten Teilbereiche von Wirtschaftskultur werden zunächst alle Länder miteinander verglichen und mit der EUPosition in Beziehung gesetzt. An diese deskriptiven Befunde schließt sich die zweite Frage an (Kap. 7): Lassen sich die Länder auf der Grundlage der Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Einzeldimensionen zu intern homogenen, aber extern heterogenen Wirtschaftskulturen zusammenfassen? Es geht also um die Integration der, zum Teil heterogenen, Einzelbefunde zu einem Gesamtbild. Tatsächlich zeigen sich relativ klare Ländergruppen, die sich als Wirtschaftskulturen bezeichnen lassen. Gleichzeitig wird bei der Zusammenschau der Ergebnisse klar, inwieweit sich in einigen Bereichen auch europaweite Gemeinsamkeiten zeigen. Wirtschaftskultur wird in der vorliegenden Arbeit vor allem auf der nationalstaatlichen Ebene verortet. Um zu testen, inwieweit dies angemessen ist, wird auf die Ebene der Regionen gewechselt. Darüber hinaus lassen sich die gefundenen Wirtschaftskulturen anhand verschiedener Merkmale beschreiben. Als Merkmale werden neben einer breiteren Auswahl an wirtschaftsbezogenen Werten, Normen und Deutungsmustern auch strukturelle Wirtschaftsdaten wie Arbeitslosenzahlen oder Wirtschaftswachstum herangezogen. Ausgangs- und Referenzpunkt für die Analysen ist die Position der EU. Daher wird in Kapitel 8 der Frage nachgegangen, inwieweit die Länder und die gefundenen Wirtschaftskulturen die Vorstellungen der EU im Bereich der Wirtschaft unterstützen. Es wird also die Nähe bzw. Ferne der Befragten zum EU-Skript bestimmt. Wie gesagt ist dabei eine Grundannahme der Arbeit, dass eine große Übereinstimmung die Integration erleichtert, während sie durch eine geringe Übereinstimmung erschwert wird. Zwar stellt die Deskription der Wirtschaftskulturen den Schwerpunkt der Arbeit dar, dennoch soll auf den Versuch einer Erklärung gefundener Gemeinsamkeiten und Differenzen nicht verzichtet werden. In dem zugrundeliegenden Projekt haben sich dabei vor allem drei große Einflussfaktoren herausgeschält (Gerhards 2005): Der Modernisierungsgrad der Gesellschaften, kulturell-religiöse Traditions23

Obwohl noch weitere Länder enthalten sind (Belarus, Island, Kroatien, Russland und die Ukraine), beschränkt sich die Untersuchung aufgrund der EU-Perspektive auf die Mitglieder und Beitrittskandidaten. Die Türkei wird, da ihr mittlerweile Beitrittsverhandlungen in Aussicht gestellt wurden, ebenfalls analysiert. Da bei Fertigstellung der Arbeit noch nicht absehbar war, dass Kroatien so bald den Kandidatenstatus erhalten würde, konnte das Land nicht mehr berücksichtigt werden.

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1. Einleitung

linien und das politisch-institutionelle Umfeld. Es wird daher untersucht, inwieweit die Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger zur Wirtschaft über diese drei Faktoren sowie über individuelle Merkmale erklärbar sind (Kap. 9). Das Schlusskapitel dient der Einordnung der Ergebnisse der empirischen Analyse in den theoretischen Rahmen (Kap. 10). Der Ertrag der Arbeit für die Forschung in den Bereichen Europa und Wirtschaftskultur wird bilanziert, aber auch Grenzen und Reichweite der Ergebnisse problematisiert.

2. Der Einfluss von Kultur auf die Wirtschaft

„Trotz der Bedeutung, die kulturellen und politisch-institutionellen Faktoren für die wirtschaftliche Entwicklung häufig zugeschrieben wird, ist über den empirischen Zusammenhang wenig bekannt.“ (Kunz 2000: 196)

Fragen zur europäischen Wirtschaft und Kultur haben in den letzten Jahren Konjunktur gehabt. Die Forschungslage ist zwar immer noch nicht sehr gut, dennoch liegen mittlerweile eine ganze Reihe von Studien vor, die das hier behandelte Thema berühren. Es soll daher im folgenden Kapitel zunächst der aktuelle Kenntnisstand zur Rolle von Kultur im Bereich der Wirtschaft bilanziert werden. Die Struktur des folgenden Kapitels ist dabei in gewisser Weise dreigeteilt. Der erste Abschnitt skizziert kurz ganz generell die Abhängigkeit der Wirtschaft von ihrem Kontext. In einem zweiten Abschnitt wird genauer expliziert, wie sich dieser Zusammenhang aus verschiedenen Perspektiven konstruieren lässt und insbesondere, welche Rolle hierbei die Kultur spielt. Grob lassen sich institutionelle/strukturelle und wertorientierte Sichtweisen unterscheiden, wobei gerade in wirtschaftskulturellen Ansätzen Kombinationen dieser beiden vorkommen. Den dritten Abschnitt bildet eine Übersicht über entsprechende Forschungen im europäischen Kontext. 2.1 Der gesellschaftliche Kontext der Wirtschaft Ein Vorwurf der Wirtschaftssoziologie an die aktuelle Wirtschaftswissenschaft ist die fehlende Analyse des Verhältnisses von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur (Granovetter und Swedberg 2001). Die Wirtschaft wird in der MainstreamÖkonomie immer noch häufig als ein autonomes, von gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen praktisch unabhängiges System gesehen, welches allein Rationalitätskalkülen folgt. Dass dies nicht der Fall ist, werden die nächsten Abschnitte zeigen. Die Debatte um den Zusammenhang von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur datiert zurück auf die Anfänge der Soziologie und der Wirtschaftswissenschaften. Aufgrund verschiedener Entwicklungen haben sich aber sowohl die Wirtschaftswissenschaften als auch die Soziologie von dieser gemeinsamen Bearbeitung der Frage-

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2. Der Einfluss von Kultur auf die Wirtschaft

stellung wieder entfernt.24 Vor allem das Paradigma des homo oeconomicus in ersteren und seine verkürzenden Annahmen in der Mainstream-Ökonomie führten lange zu einer Vernachlässigung der Kontexte wirtschaftlichen Handelns (Panther und Nutzinger 2004). Wie Swedberg und Granovetter schreiben, war es dann ironischerweise der Übergriff der Wirtschaftswissenschaften auf die Gebiete der anderen Sozialwissenschaften, die als Herausforderung der verstärkten Zusammenarbeit interpretiert wurden (Granovetter und Swedberg 2001: 6 f.). Teilweise wurden die an Gary Becker anschließenden Versuche, auch Handeln außerhalb der klassischen ökonomischen Fragestellungen mit Hilfe des Rational-Choice-Ansatzes zu erklären, als „economic imperialism“ aufgefasst.25 Unter anderem als Gegenreaktion dazu entstand Anfang der 1980er ein Revival der Wirtschaftssoziologie unter dem Titel der „New Economic Sociology“ und generell eine stärkere Beachtung der Ansätze des jeweils anderen Fachs.26 Wie der Einfluss von Kultur auf die Ökonomie konzeptionalisiert wird, hängt eng mit dem Verständnis des Verhältnisses von Wirtschaft und Gesellschaft zusammen. Wirtschaft kann erstens als ein integraler Bestandteil der Gesellschaft angesehen werden, der sich auch analytisch kaum von ihr trennen lässt. Diese Sichtweise wird häufig für vormoderne Gesellschaften eingenommen (Granovetter 2001: 51 f.). Viele Autoren gehen aber davon aus, dass es im Zuge der Modernisierung zu einer funktionalen Ausdifferenzierung der Wirtschaft aus der Gesellschaft gekommen ist (z.B. Berger 1991: 19). Zweitens kann Wirtschaft deshalb als ein eigenständiger Teilbereich der Gesellschaft angesehen werden (Parsons 1996; Luhmann 1999b). Daran schließt sich die Frage an, wie stark und auf welche Art und Weise dieser Teilbereich als Subsystem ausdifferenziert ist. Denn mit der analytischen Trennung ist noch nichts weiter über die Beziehungen zwischen Ökonomie und Gesellschaft gesagt. Es stellt sich daher auch die (empirische) Frage, wie stark der Einfluss der Gesellschaft bzw. der anderen gesellschaftlichen Teilbereiche auf diesen ausdifferenzierten Wirtschaftsbereich ist.27 Wenn man die möglichen Antworten auf diese beiden Fragen zuspitzt, erhält man folgende Vierfeldertafel:

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Vgl. dazu etwa die Einleitung in Granovetter und Swedberg (2001) oder Heinemann (1987a). Wobei der Begriff von den Ökonomen selbst verwendet wurde (siehe auch Weise 2004: 427 f.). 26 Natürlich gab es auch hier Vorläufer (vgl. etwa Heinemann 1987a: 10 ff. zu den Ansätzen seit den 50ern und ihren Problemen). 27 Häufig werden diese beiden Dimensionen der Fragestellung zusammengeworfen und ein enger Zusammenhang einfach postuliert. Es ist aber durchaus denkbar, dass der politische Gesetzgeber heute mit einem Gesetz stärker in die (ausdifferenzierte) Wirtschaft eingreifen kann, als es ein Herrscher früher konnte. 25

2.1 Der gesellschaftliche Kontext der Wirtschaft

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Tabelle 1: Verhältnis von Wirtschaft und Gesellschaft Wirtschaft als ausdifferenziertes Subsystem Geringer Einfluss von Gesellschaft auf Wirtschaft Großer Einfluss von Gesellschaft auf Wirtschaft

Verquickung von Wirtschaft und Gesellschaft

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***

Beide Dimensionen sind allerdings nicht ganz unabhängig voneinander. Die meisten Positionen finden sich daher in der markierten Hauptdiagonalen. So geht etwa die neoklassische Wirtschaftswissenschaft von einer sehr starken Trennung der beiden Sphären aus. Die Ökonomie wird als ein Subsystem mit einer eigenen Handlungslogik, die durch universell geltende und invariable Gesetze vorgegeben wird, interpretiert. Dieser Handlungslogik müssen sich alle Wirtschaftssubjekte unterwerfen, da sie ansonsten innerhalb der Wirtschaft nicht konkurrenzfähig sind und vom Markt verdrängt werden. Priorität hat die ökonomische Logik deshalb, weil sie über die Zuteilung überlebenswichtiger Ressourcen entscheidet. Diese analytische Sichtweise verbindet sich häufig mit dem normativen Anspruch, dass die Gesellschaft in Form des Staates möglichst wenig in die Wirtschaft intervenieren solle. Eingriffe des Staates können in dieser Perspektive nur störend wirken und „die Wirtschaft“ behindern. Die Position der Wirtschaft als eigenständigem Bereich findet auch in der Soziologie Unterstützung. „Those moving toward general theory (...) [genannt werden Parsons, Smelser und Eisenstadt, M.H.] maintain that societies, as they develop greater complexity, go through a process of functional differentiation by which the economic sphere becomes increasingly independent from other institutional spheres, including the religious and cultural sphere” (Hamilton 1994: 192). Am deutlichsten ist sie vielleicht bei Niklas Luhmann formuliert (Luhmann 1999b). Auch Weber sieht die Wirtschaft als eigenen Teilbereich ausdifferenziert (vgl. hierzu gut Schwinn 2001). Er konstruiert die Ökonomie als eigene Wertsphäre, in der bereichsspezifische Werte Geltung beanspruchen. Weber geht davon aus, dass sich im Laufe der Modernisierung und der damit einhergehenden Ausdifferenzierung von Gesellschaften verschiedene Wertsphären entwickelt haben, die gesellschaftlichen Teilbereichen entsprechen. Diese Wertsphären sind neben der Wirtschaft etwa

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2. Der Einfluss von Kultur auf die Wirtschaft

Kunst, Politik oder Religion.28 Die Werte innerhalb dieser Sphären hängen zusammen und entwickeln eine gewisse Eigenlogik. Daher kann man die Teilbereiche auch unabhängig voneinander untersuchen. Gleichzeitig interessiert sich Weber aber für die vielfältigen Wechselbeziehungen zwischen diesen Sphären, was seine Studien zum Einfluss des Protestantismus auf die Genese des modernen Kapitalismus belegen (1988). Fred Block (1994) ordnet alle Positionen, die von einer relativ starken Ausdifferenzierung der beiden Bereiche ausgehen, dem „old paradigm“ der Wirtschaftssoziologie zu. Block stellt diesem alten Paradigma ein neues entgegen. „The new paradigm begins by rejecting the idea of state intervention in the economy. It insists instead that state action always plays a major role in constituting economies, so that it is not useful to posit states as lying outside of economic activity” (Block 1994: 696).29 Einer der wichtigsten Ansätze dieser neuen Wirtschaftssoziologie ist das von Mark Granovetter populärgemachte und auf die von Harrison White entwickelte „social network perspective“ zurückgehende Konzept der „Embeddedness“ (Granovetter 2001).30 Er legt großen Wert auf das Eingebundensein des wirtschaftlichen Handelns (und entsprechend des wirtschaftlich handelnden Akteurs) in gesellschaftliche Kontexte. Dies kann dazu führen, dass sich wirtschaftliches Handeln nicht allein an Effizienz-Kriterien orientiert.31 Entsprechend müssen bei der Analyse ökonomischer Aktivitäten auch immer gesellschaftliche Strukturen und die Netzwerke der Akteure, aus denen „wirtschaftsfremde“ Anforderungen entstehen, mitberücksichtigt werden. Eines der zentralen Ergebnisse dieser Perspektive ist, dass es nicht die effektivste Wirtschaftsform gibt, wie es die klassische wirtschaftswissenschaftliche Sichtweise nahe legt. „Two things suggest that common sense may be wrong-headed here. First, radical differences in national economic institutions persist. Second, several very different systems appear to be about equally effective” (Dobbin 2001: 401). Stattdessen prägt die umgebende Gesellschaft Form und Effektivität des Wirtschaftssystems entscheidend mit. „What we witness with the development of a global economy is not increasing uniformity, in the form of a universalization of 28 Dabei ist allerdings unklar, „welche Kriterien eigentlich erfüllt sein müssen, damit ein Ausschnitt des Handelns als Ausdruck einer Wertsphäre mit Eigenrecht und Eigengesetzlichkeit bezeichnet werden kann“ (Schwinn 2001: 153). 29 Auch Block unterscheidet die beiden Dimensionen von Ausdifferenzierung und Beeinflussung nicht und bezieht sich vor allem auf den Zusammenhang von Wirtschaft und Staat. 30 Der Begriff wurde in systematischer Weise zuerst von Polanyi verwendet (vgl. Granovetter und Swedberg 2001: 12): „Die Wirtschaft ist also in Einrichtungen gebettet und verstrickt, mögen diese nun wirtschaftlicher oder nichtwirtschaftlicher Natur sein. Auf die letzteren kommt es nicht weniger an“ (Polanyi 1979: 218). 31 Wobei er ausdrücklich betont, dass der rational handelnde Akteur als Ausgangspunkt durchaus sinnvoll sein kann: „While the assumption of rational action must always be problematic, it is a good working hypothesis that should not easily be abandoned” (Granovetter 2001: 70).

2.1 Der gesellschaftliche Kontext der Wirtschaft

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Western culture, but rather the continuation of civilizational diversity through the active reinvention and reincorporation of non-Western civilizational patterns” (Hamilton 1994: 184). Wie sich das Zusammenspiel von gesellschaftlichen Vorstellungen und Ökonomie historisch entwickelt, zeigt z.B. Frank Dobbin (Dobbin 2001). Bestimmte Ordnungsvorstellungen schlagen sich in entsprechenden politischen Konzepten nieder, die wiederum die Wirtschaft beeinflussen. „Thus the economy came to reflect the polity“ (Dobbin 2001: 403).32 Die Erkenntnis, dass die Ökonomie nicht überall denselben Gesetzen gehorcht, sondern kontextabhängig ist, wurde prominent bereits von den Vertretern der historischen Schule seit etwa Anfang des vorigen Jahrhunderts vor allem in Deutschland vertreten. Diese gingen „von der Annahme aus, nationalökonomische Lehrsätze seien nicht immer und überall gültig, sondern in ihrer Geltung auf konkrete, raum-zeitliche Wirtschaftsgebilde beschränkt“ (Kaufhold 1996: 22). In der Folge wurden Wirtschaftsstufentheorien (z.B. Friedrich List, Gustav Schmoller, aktueller Walt W. Rostow), Wirtschaftsstillehren (Werner Sombart, Arthur Spiethoff, Alfred Müller-Armack) und Wirtschaftsordnungsanalysen (Walter Eucken) entwickelt.33 In allen spielt der Kontext der Wirtschaft eine zentrale Rolle für die Konstitution und die Ausgestaltung derselben. Was lässt sich nun aus der Literatur zum Verhältnis von Gesellschaft und Ökonomie für die hier verfolgte Fragestellung lernen? Erstens herrscht eine gewisse Uneinigkeit darüber, ob es überhaupt angebracht ist, Wirtschaft als eigenen Teilbereich der Gesellschaft anzusehen. In der hier vorliegenden Arbeit wird aber eine zumindest analytische Trennung im Anschluss an die Klassiker der Soziologie als sinnvoll erachtet. Über die Vorstellung einer ausdifferenzierten Wirtschaft lässt sich der Untersuchungsbereich deutlich besser eingrenzen und werden die Beziehungen zu anderen Teilbereichen klarer konzeptionalisierbar.34 Gleichzeitig, und dies wird im nächsten Abschnitt für den Kulturbereich noch genauer ausgeführt, wird aber davon ausgegangen, dass die Beziehungen zur Gesamt-Gesellschaft eine ausgesprochen wichtige Rolle für die Ökonomie spielen. Daraus folgend kann man festhalten, dass es nicht ein einziges Modell einer effizienten Ökonomie gibt. Vielmehr hängt der Erfolg eines ökonomischen Modells von seinem Zusammenspiel mit dem gesellschaftlichen Kontext ab. 32 Dobbin weist aber ausdrücklich darauf hin, dass er damit keinen Determinismus unterstellt. „Rather, I argue that by designating certain social processes as constitutive of order, political institutions shaped the kind of industrial systems nations could imagine“(2001: 419). Damit schließt er an Webers Vorstellung von Ideen als „Weichenstellern“ an (1988: 252). 33 Ausführlichere Darstellungen der „Klassiker“ der Wirtschaftskulturforschung finden sich in verschiedenen Zusammenhängen, weshalb hier darauf verzichtet werden kann (vgl. z.B. Dorner 2000; Kaufhold 1996; Leipold 2000: 1-11). 34 Für die Analyse historischer Prozesse, wie etwa der Genese bestimmter Wirtschaftsinstitutionen, ist diese Vorstellung eventuell zu einfach. Bei der Analyse eines Ist-Zustandes, wie es hier der Fall ist, wiegt aber die gewonnene Klarheit die Nachteile auf.

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2. Der Einfluss von Kultur auf die Wirtschaft

2.2 Wie beeinflusst der kulturelle Kontext die Wirtschaft? Lange Zeit wurden kulturelle Fragen im Zusammenhang mit der Ökonomie vernachlässigt, da letztere als allein nach rationalen Gesichtspunkten organisiert angesehen wurde.35 Abgesehen von der sich durchsetzenden wissenschaftlichen Erkenntnis, dass diese spezifische Rationalitätsvorstellung selbst ein kulturelles Produkt ist (vgl. z.B. Smelser und Swedberg 1994b: 5; aber auch schon Weber 1988), gab es verschiedene außerwissenschaftliche Gründe, die zu einer verstärkten Beschäftigung mit dem Einfluss von Kultur auf Wirtschaft geführt haben. Der erste Grund war seit den siebziger Jahren der anscheinend überwältigende Erfolg der japanischen und kurz darauf anderer asiatischer Wirtschaften sowie der gleichzeitige Einbruch der amerikanischen. Als eine prominente Erklärung schälte sich schnell die dahinterstehende Kultur heraus. „Gerade im ökonomischen Bereich ist die Beschäftigung mit Kultur im vergangenen Jahrzehnt angestoßen worden durch die ökonomischen Erfolge ostasiatischer Volkswirtschaften. (...) Lee Kuan Yew36, der Motor dieser Entwicklung, ist nicht müde geworden, spezifische ostasiatische kulturelle Werte als maßgebliche Gründe des Erfolges aufzuführen und ihren Erhalt, gegenüber den Herausforderung [sic, M.H.] der westlich-europäischnordamerikanischen Welt, vehement zu verteidigen“ (Klump 1996a: 9). Während die Amerikaner faul und dekadent geworden seien, herrschten in den asiatischen Unternehmen noch Pflichtgefühl, Verantwortung gegenüber der Firma und Gemeinschaftssinn (kritisch hierzu Rüland 2000). Als Ursache für die amerikanische Misere wurde meist ein als übertrieben angesehener Individualismus angeführt.37 Ein zweiter Grund war die seit den 80er Jahren zunehmend thematisierte Globalisierung der Wirtschaft. Vor allem bei grenzüberschreitenden Unternehmungen zeigten sich Probleme. Diese traten einerseits auf der Seite der Konsumenten auf, die bestimmte Produkte nicht wie erwartet annahmen, andererseits aber auch in den Firmen selbst. Erprobte Managementstile zeigten in anderen Ländern nicht ihre gewünschte Wirkung, häufig traten sogar negative Effekte auf. Dies führte zu einer zunehmenden Sensibilität gegenüber den kulturellen Gewohnheiten und Sitten anderer Länder und Kulturkreise.38 Zugespitzt formuliert: „Auf der ganzen Welt 35 Jones (1995) nennt diese Position „Cultural Nullity“. Er setzt ihr zwei andere Sichtweisen gegenüber. Erstens die ebenfalls verabsolutierende „Cultural Fixity“, die davon ausgeht, dass die Ökonomie Teil der Kultur ist und von ihr determiniert wird, und zweitens „Cultural Reciprocity“, die ein Wechselspiel zwischen beiden Bereichen annimmt und damit die realistischste Perspektive ist. 36 Der damalige Senior Minister von Singapur, M.H. 37 Japanische Arbeitnehmer zeigen tatsächlich ein höheres Commitment zum Arbeitgeber, sind allerdings nicht zufriedener mit ihrer Arbeit (Lincoln et al. 1978; Lincoln et al. 1981; Lincoln und McBride 1987). 38 Mittlerweile gibt es im Bereich des internationalen Managements eine Fülle an Literatur zu kulturübergreifender Kommunikation, interkulturellen Kompetenzen usw. Der Großteil dieser Arbeiten beschäftigt sich allerdings ausgesprochen wenig mit den wirklichen Wirtschaftskulturen. Vielmehr scheint es sich in der Mehrzahl um gutgemeinte Ratgeber zu handeln, die sogenannten „Expatriots“, also von ihren Hei-

2.2 Wie beeinflusst der kulturelle Kontext die Wirtschaft?

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werden viele Bemühungen um regionale Wirtschaftsintegration unternommen: Der relative Erfolg dieser Bemühungen ist direkt abhängig davon, inwieweit die beteiligten Länder eine gemeinsame Kultur haben“ (Dorner 2000: 2).39 Drittens schließlich ließ auch der Zusammenbruch des Ostblocks Anfang der Neunziger die Wirtschaftswissenschaften und die Soziologie wieder näher zusammenrücken. Die ehemaligen Planwirtschaften sollten genauso schnell in kapitalistische Marktwirtschaften überführt werden wie die sozialistischen Regime in freie Demokratien. Für beide Bereiche zeigte sich aber bald, dass es mit einem reinen Institutionentransfer allein nicht getan sein würde. „Mit dem Zusammenbruch des sowjetisch-sozialistischen Herrschafts- und Wirtschaftssystems ist Kultur zu einem entscheidenden, vielleicht sogar dem bedeutendsten Ordnungsfaktor einer zunehmend unübersichtlich werdenden Weltordnung geworden“ (Klump 1996a: 9 f.). Sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik schien sich so etwas wie ein sozialistisches Erbe in den osteuropäischen Kulturen zu zeigen. Diese drei Punkte führten dazu, dass sich die Wirtschaftswissenschaften langsam gegenüber sozialen und kulturellen Aspekten der Ökonomie öffneten.40 „Die erneute Beschäftigung mit dem Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Kultur scheint aus den genannten Gründen heute notwendig und wünschenswert“ (Klump 1996a: 16). Die Ansätze von Wirtschaftskultur, an die die vorliegende Arbeit primär anknüpft, stellen in der Regel die „Einordnung des Wirtschaftslebens in das historisch-kulturelle Gemeinschaftsgefüge“ (Dorner 2000: 26) in den Mittelpunkt. Den Ausgangspunkt bildet die Auffassung, dass die Wirtschaft nicht unabhängig von der sie umgebenden Gesellschaft funktioniert, sondern auch von kulturellen Einflüssen abhängt. Diese können an verschiedenen Stellen ansetzen. So ist einerseits der Kontext, in dem Wirtschaft funktioniert und welcher bestimmte Restriktionen und Anreize für das Individuum setzt, vor allem durch bestimmte Institutionen kulturell geformt. Andererseits wirken kulturelle Faktoren auf der Ebene des Individuums selbst. Um wirtschaftliches Handeln tatsächlich erklären und verstehen zu können, matfirmen ins Ausland versetzten Geschäftsleuten, Mut machen sollen und einige allgemeine Regeln an die Hand geben. Vgl. z.B. Schroll-Machl und Lyskow-Strewe (1999), Harris und Moran (1991) oder Simons (2002) und die Kritik bei Immerfall (1995: 74). Zwar wird der Kulturbegriff häufig und in vielfältigen Zusammensetzungen benutzt, die verwendeten Konzepte sind aber meist recht einfach gestrickt. Relativ eklektizistisch werden Ergebnisse aus der Psychologie, der Betriebswirtschaftslehre, der Soziologie etc. miteinander kombiniert, ohne wirklich ineinander zu greifen. Worin die kulturellen Unterschiede zwischen bestimmten Ländern tatsächlich bestehen, wird kaum erklärt und so gut wie nie empirisch untermauert. 39 Das Zitat stammt im Original aus Seebacher-Brandt, Brigitte/Walter, Norbert (Hg.)(1997): Kampf der Kulturen oder Weltkultur? Diskussion mit Samuel P. Huntington. Frankfurt: Alfred Herrhausen Gesellschaft für internationalen Dialog. 40 Ergänzt wurden diese außerwissenschaftlichen Entwicklungen aber auch durch innerwissenschaftliche, so etwa der entstehende systemtheoretische Ansatz, demzufolge „die Unternehmung ein offenes System [ist, M.H.], das sich in der Interaktion mit seinem Umfeld entwickelt. Die Kultur wird dabei als ein bedeutender Bestandteil dieser Umwelt interpretiert“ (Dorner 2000: 3).

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2. Der Einfluss von Kultur auf die Wirtschaft

muss daher die verkürzte Sichtweise der Mainstream-Wirtschaftswissenschaften aufgegeben und Kultur berücksichtigt werden (vgl. für eine Vielzahl von Perspektiven DiMaggio 1994; sowie die Aufsätze in Blümle et al. 2004). 2.2.1 Institutionelle Ansätze Der prominenteste Ansatz, wenn es um die Rolle von Institutionen für das Wirtschaftshandeln geht, sind wohl die „New Institutional Economics“. Diese Forschungsrichtung in den Wirtschaftswissenschaften wurde vor allem von Douglass C. North vorangetrieben (North 1998). „‚Neue’ Institutionenökonomik und ‚neue’ Wachstumstheorie haben methodisch das Feld dafür bereitet, daß Kultur und die durch kulturelle Besonderheiten geprägten Institutionen als Determinanten wirtschaftlicher Entwicklung verstanden werden können. Dabei wird kein Gegenmodell zur traditionellen Wirtschaftstheorie mit ihrem zentralen Axiom der individuellen Eigennutzenmaximierung entworfen, sondern es wird das ‚Eingebettetsein’ des Individuums in eine Vielzahl sozialer Gruppen – Familie, Nachbarschaft, Nation, Kirche – angemessen berücksichtigt, um auf die kulturspezifischen Restriktionen für das individuell-autonome Handeln aufmerksam zu machen“ (Klump 1996b: 15 f.). Entsprechend sehen eine Vielzahl an Autoren die Neue Institutionen-Ökonomik (NIÖ) als den besten Anknüpfungspunkt für die Einbeziehung von Kultur in wirtschaftswissenschaftliche Analysen (z.B. Voigt 2004; Hegmann 2004). Die NIÖ gründet sich vor allem auf zwei Erkenntnisse (vgl. Voigt 2004; Dorner 2000). Erstens konnte Herbert Simon zeigen, dass die Annahme vollständiger Rationalität nicht der Wirklichkeit entspricht, sondern vielmehr von einer „bounded rationality“ ausgegangen werden muss (Simon 1955).41 Zweitens, und eng damit verbunden, zeigte Ronald Coase die Kostspieligkeit der Marktteilnahme auf. Bei der Informationsbeschaffung, aber auch bei der Ausarbeitung und Kontrolle von Verträgen etc. fallen sogenannte Transaktionskosten an (Coase 1937; Williamson 1994). Um diese Transaktionskosten niedrig zu halten und um Handeln unter der Unsicherheit der begrenzten Rationalität überhaupt zu ermöglichen, bedarf es bestimmter Institutionen, die einen wichtigen Einfluss auf die Gestaltung des Wirtschaftslebens haben (z.B. Nitin und Gulati 1994).42 Institutionen werden definiert als „die von den Menschen erdachten Beschränkungen des Verhaltens zur Ordnung des Zusammenle41 Beckert (1996) sieht in der damit verbundenen Unsicherheit des Handelns einen der wichtigsten Ansatzpunkte für die Wirtschaftssoziologie. 42 North führt aus: „Der Hauptzweck der Institutionen in einer Gesellschaft besteht darin, durch die Schaffung einer stabilen (aber nicht notwendigerweise effizienten) Ordnung die Unsicherheit menschlicher Interaktion zu vermindern“ (North 1998: 6). Er berichtet Forschungsergebnisse, nach denen die Transaktionskosten in modernen Industriestaaten teilweise bereits um die 45 % der Produktionskosten betragen, Tendenz steigend (North 1998: 33).

2.2 Wie beeinflusst der kulturelle Kontext die Wirtschaft?

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bens. Sie setzen sich aus formalen Beschränkungen (Verfassungen, Gesetze u.a. verbindliche Regeln), informalen Beschränkungen (ungeschriebene, aber sozial kontrollierte Verhaltensnormen, Konventionen, selbstauferlegte Normen) und den Regeln und Einrichtungen zur Durchsetzung der formalen Beschränkungen zusammen“ (Leipold 2000: 8). Es gibt eine ganze Reihe von Autoren, die sich mit der Rolle von Institutionen für das Wirtschaftshandeln auseinander gesetzt haben. Wirtschaftskulturelle Fragen kommen hierbei vor allem unter zwei Aspekten vor. Erstens wurden verschiedene Taxonomien entwickelt, die Länder nach ihren vorherrschenden institutionellen Arrangements im Bereich der Wirtschaft in bestimmte Kategorien einteilen. Auch wenn man sich hier eher auf wirtschaftsbezogene Strukturen stützt, wird häufig im weiteren Sinne von unterschiedlichen „Kulturen“ gesprochen. Eine wichtige Differenzierung ist z.B. die zwischen angelsächsischem und rheinischem Kapitalismus (Albert 1992). Eine feinere Differenzierung nimmt der Ansatz zu den „Spielarten des Kapitalismus“ (Hall und Soskice 2001b; Hall und Gingerich 2004) vor. Er geht davon aus, „dass sich die Länder in unterscheidbare Gruppen einteilen lassen, je nach dem Ausmaß, in dem sich die Unternehmen auf marktvermittelte oder strategisch geplante Formen der Koordination stützen“ (Hall und Gingerich 2004: 6). Der Clou bei diesem Ansatz ist aber, dass er von institutionellen Komplementaritäten ausgeht. „Institutionen sind dann komplementär, wenn das Vorhandensein der einen die Erträge steigert, die von den anderen Institutionen zu erhalten sind“ (Hall und Gingerich 2004: 6). Diese Komplementaritäten bestehen auch über die verschiedenen Teilsphären der politischen Ökonomie (z.B. Produktmarktregulierung, Ausbildungssysteme, Formen der sozialen Sicherung, Corporate Governance und Unternehmensstrategien) hinweg. Tatsächlich lässt sich empirisch zeigen, dass „Volkswirtschaften systematisch entsprechend dem relativen Verhältnis von strategischer und marktförmiger Koordination variieren“ (Hall und Gingerich 2004: 10).43 Gleiche Koordinationsformen in verschiedenen Sektoren führen dabei zu einem höheren Wirtschaftswachstum (Hall und Gingerich 2004: 15 ff.). In eine ähnliche Richtung gehen Ansätze von Streeck (Streeck 1992; Streeck 2001) oder Scharpf (Scharpf 1999; Scharpf 1996), die sich z.B. mit Fragen des Korporatismus auseinandersetzen. Zweitens spielen Institutionen aber auch bei einem engeren Verständnis von Kultur bei einer wirtschaftskulturellen Betrachtung eine wichtige Rolle. Ein Grund dafür ist, dass sich Kultur in formalen und informellen Institutionen niederschlägt (Parsons 1996: 11; North 1998). Dabei handelt es sich etwa um das kodifizierte Recht, welches einerseits Ausdruck bestimmter Werte und Normen ist, andererseits aber diese auch stabilisiert (Häberle 2004; Nerré 2004). „Die durch den Staat konsti43 Unter „strategischer Koordination“ wird eine eher auf den Staat und institutionelle Arrangements abgestellte Koordination verstanden.

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2. Der Einfluss von Kultur auf die Wirtschaft

tuierte Wirtschaftsordnung schwebt aber nicht im luftleeren Raum, sondern ruht auf einem sozial-kulturellen Fundament. (...) Kultur definiert also nicht nur direkt über die von ihr determinierten Normen und die damit einhergehenden Anreize und Restriktionen den Handlungsspielraum für ökonomische Akteure, sondern insbesondere auch indirekt über die Struktur der Gesellschaftsordnung, vermittelt über die wirtschaftspolitische Konzeption“ (Dorner 2000: 95 ff.). Institutioneller Wandel zur Anpassung an veränderte Umgebungen geschieht daher nicht allein aufgrund ökonomischer Effizienzkriterien, sondern ist, anschließend an ein Modell der beschränkten und adaptiven Rationalität, kulturell beeinflusst. „Insofern sieht North in der Kultur den Schlüssel für die Erklärung der Pfadabhängigkeit des institutionellen Wandels und damit auch der wirtschaftlichen Entwicklung“ (Leipold 2000: 10). Der Mechanismus sieht dabei folgendermaßen aus: Vor allem die informellen Institutionen sind durch kulturelle Faktoren beeinflusst bzw. sind Teil der Kultur und, u.a. aus diesem Grund, relativ zählebig (North 1998: 7 und 43 ff.). Der Wandel der formalen Institutionen muss aber Rücksicht auf die informellen Institutionen nehmen, da ansonsten die Unterstützung und Befolgung der formalen Regeln gefährdet ist. Damit ist das Verhältnis dieser Institutionen zur Kultur einer Gesellschaft generell ein reziprokes. „Neither the received institutional order nor the prevailing set of values and beliefs are accidental. In fact, their mutual interdependence makes it ever more difficult to modify one without taking the other into account” (Rosenbaum 1999: 93). Aufgrund der Verfestigung der Kultur in Institutionen wird manchmal auch von einer kulturellen Pfadabhängigkeit gesprochen (z.B. Leipold 2000: 12 ff.; Panther 1999: 36). „Mit Pfadabhängigkeit ist die Tatsache gemeint, daß historische und oft beiläufige Geschehnisse aktuelle Entscheidungen und über diese den zukünftigen Verlauf präformieren. Pfadabhängigkeit engt die Menge an potentiellen Alternativen ein und verbindet Entscheidungen über die Zeit miteinander. Methodisch wird damit also ein Mittelweg zwischen einem rein zufälligen und einem determinierten Verlauf von Ereignissen modelliert“ (Leipold 2000: 11). Im wirtschaftlichen Bereich kann dies z.B. die starke Prägung einer Nationalökonomie durch einen spezifischen Wirtschaftsbereich sein:44 Hat ein Land in der Vergangenheit intensiv auf die Fortentwicklung der Landwirtschaft gesetzt, so gibt es in diesem Land viele Arbeitsplätze in diesem Bereich, die Infrastruktur ist entsprechend auf landwirtschaftliche Produkte ausgerichtet etc. Gleichzeitig fehlen deshalb etwa die Ausweisung von touristischen Gebieten oder aber die Entwicklung einer Schwerindustrie. Auf der kulturellen Seite könnte diesem Szenario entsprechen, dass die Landwirt44 Schon Weber: „Nicht nur der Gütervorrat selbst ist jeweils beschränkt, sondern auch seine jeweils möglichen Verwendungsarten sind begrenzt durch die eingeübten Arten der Verwendung und des Verkehrs der Wirtschaften untereinander, welche sich heteronomen Ordnungen, wenn überhaupt, dann nur nach schwierigen Neuorientierungen aller ökonomischen Dispositionen und meist mit Verlusten, jedenfalls also unter Reibungen fügen können“ (1985: 197).

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schaft als guter Arbeitsmarkt gesehen wird, dass es eine ganze Reihe von Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen gibt, die sich auf Landwirtschaft spezialisiert haben, dass die Qualifikationen der Bewohner des Landes vor allem im Bereich der Landwirtschaft liegen etc. Für ein solches Land bringt die Umstellung auf eine Schwerindustrie oder eine Dienstleistungsgesellschaft ganz andersartige Kosten mit sich als für ein industriell geprägtes Land.45 Neben der langfristigen kulturellen Prägung der Institutionen gibt es aber einen weiteren wichtigen Aspekt in Bezug auf Kultur und Institutionen zu berücksichtigen. „Das Verhältnis zwischen formalen und informalen Institutionen kann komplementärer, aber auch konfligierender Natur sein“ (Leipold 2000: 8). Gerade in Zeiten rapiden Wandels kann es zu einem Auseinanderklaffen zwischen den formalen Institutionen, „die infolge von politischen oder gerichtlichen Entscheidungen über Nacht geändert werden können“ (North 1998: 7), und den kulturell gebundenen informellen Institutionen kommen. Die Übereinstimmung der beiden Ebenen ist aber für den Wirtschaftserfolg von entscheidender Bedeutung: „The matching of preferences to institutions is a determinant of institutional outcomes and viability“ (Ben-Ner und Putterman 1998b: 39). Es kommt deshalb vor allem darauf an, eine zum kulturellen Umfeld passende wirtschaftspolitische Konzeption zu verwirklichen (Dorner 2000: 97).46 Diesen Punkt greift auch Svetozar Pejovich (2003) in seiner Analyse des Transformationserfolgs der osteuropäischen Länder auf. Im Hinblick auf das Zusammenspiel von formellen und informellen Regeln bzw. Institutionen formuliert er eine „Interaction thesis“: „When changes in formal rules are in harmony with the prevailing informal rules, the incentives they create will tend to reduce transaction costs and free some resources for the production of wealth. When new formal rules conflict with the prevailing informal rules, the incentives they create will raise transaction costs and reduce the production of wealth in the community” (Pejovich 2003: 5). Er geht davon aus, dass die Interaktion zwischen formalen Regeln, vor allem der rechtlichen Struktur, und informellen Regeln, nämlich den Werten und Einstellungen der Bürger, zu unterschiedlichem Transformationserfolg in den Ländern Osteuropas geführt hat.47

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Diese Kosten müssen nicht unbedingt höher sein, sind aber anderer Natur. Strümpel und Peter sehen z.B. den wirtschaftlichen Aufschwung in Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg auch in dem bestehenden Konsens zwischen Politik und Bürgern über die wirtschaftlichen Ziele begründet (Strümpel und Peter 1987: 422 f.). 47 Jang-Sup Shin unterscheidet zwischen „Transaktionskosten“ und „Transformationskosten“. Aus dem Vergleich der beiden lässt sich dann ableiten, ob ein Institutionenwandel gerechtfertig ist: „An institutional transition can be justified only if the reduction in transaction cost more than compensates for transition cost involved“ (2002: 1). 46

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2.2.2 Werteorientierte Ansätze Neben der institutionenorientierten Sichtweise gibt es eine zweite, die stärker auf die Werte, Normen und Deutungsmuster der einzelnen Wirtschaftsakteure fokussiert. Dem Modell eines rein rational handelnden „homo oeconomicus“ wird hier ein sozial eingebundener und kulturell geprägter „homo culturalis“ entgegengesetzt (Panther und Nutzinger 2004). Ausgangspunkte sind meist einerseits Webers klassische Studie zur „Protestantischen Ethik“ und andererseits die empirische Erkenntnis, dass die klassischen Annahmen zum rationalen Akteur die Realität nicht hinreichend erklären können (Henrich et al. 2001). Weber führt die Entstehung des Kapitalismus moderner Prägung neben anderen Faktoren vor allem auf eine ganz bestimmte Geisteshaltung der Menschen zurück.48 Der „Geist des Kapitalismus“, so Webers These, konnte vor allem vor dem Hintergrund einer „Protestantischen Ethik“ entstehen (Weber 1988; zu einer empirischen Prüfung siehe Gerhards 1996). Letztere zeichnet sich durch „eine hohe Priorität für die Berufsarbeit und berufliche Leistung, die aktive und dauerhafte Gestaltung der Welt durch die Berufsarbeit, eine systematische Selbstkontrolle der Lebensführung, innerweltliche Askese im Sinne des Konsumverzichts“ (Gerhards 1996: 543) aus. Auf Weber soll an dieser Stelle nicht weiter ausführlich eingegangen werden, da seine Arbeiten hinlänglich bekannt sind. Wichtig ist aber festzuhalten, dass sich hieran eine Vielzahl von Arbeiten angeschlossen hat, die von der zentralen Rolle bestimmter Werte für die Wirtschaft ausgehen (z.B. McClelland 1967). Die berühmteste und mittlerweile sicherlich als Klassiker zählende Studie wurde von Hofstede Anfang der 80er Jahre veröffentlicht, mittlerweile liegt eine zweite, erweiterte Auflage vor (2001). Hofstede hat in seiner Studie Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Einstellungen von IBM-Mitarbeitern in den verschiedensten Ländern herausgearbeitet. Seine Ergebnisse dienen der Erklärung und Entwicklung unterschiedlicher Unternehmenskulturen in den jeweiligen Ländern, die den typischen Wertvorstellungen gerecht werden. Kultur ist für Hofstede „die kollektive Programmierung des Geistes, die die Mitglieder einer Gruppe oder Kategorie von Menschen von einer anderen unterscheidet“ (Hofstede 1993: 19).49 Diese Verschiedenheit der Kultur wird aber nicht absolut gesetzt, es kann durchaus Überschneidungen geben. Hofstede geht von vier Ebenen der Manifestation von Kultur aus, wobei „Werte die tiefgehendsten Manifestationen von Kultur sind“ (Hofstede 1993: 22). Um diesen Kern der Werte legen sich in konzentrischen Kreisen bei ihm zunächst die Rituale, die Helden und schließlich die Symbole einer Kultur. Geschnit48

Vgl. zu einer sehr guten Darstellung von Webers Argumenten Lepsius (1986). Webers Argumente werden abgewandelt bzw. kritisch diskutiert von Eisenstadt (1970), Greenfeld (2001) und Delacroix und Nielsen (2001). 49 Genauer gesagt unterscheidet er verschiedene Kulturbegriffe. Der hier vorgestellte ist bei Hofstede Kultur II und auch für seine Studien der entscheidende, weite Kulturbegriff.

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ten werden alle diese Ebenen durch die kulturellen Praktiken. Neben diesen Manifestationsebenen von Kultur unterscheidet er noch zwischen verschiedenen Trägern50, z.B. Nation, Generation, Geschlecht, Klasse oder Firma, welche durchaus auch zu gegensätzlichen Programmierungen führen können. Er weist dabei darauf hin, dass „das Konzept einer gemeinsamen Kultur (...) genaugenommen eher für Gesellschaften als für Staaten“ (Hofstede 1993: 26) gilt. Dennoch bilden Staaten „die Quelle für ein beträchtliches Maß an gemeinsamer mentaler Programmierung ihrer Bürger“ (Hofstede 1993: 27). Bei seinem Vergleich der IBM-Stichproben aus den verschiedenen Ländern knüpft er an die Arbeiten von Alex Inkeles und Daniel Levinson an (Inkeles und Levinson 1969). Die beiden hatten in einer Sekundäranalyse von über 150 Studien zu Fragen des Kulturvergleichs insgesamt vier Dimensionen herausgearbeitet, welche mit Grundfragen zusammenhingen, die jede Kultur lösen muss. Hofstede konnte diese vier Dimensionen um eine fünfte ergänzen.51 All diese Dimensionen beziehen sich auf Grundprobleme, die integrierte soziale Systeme lösen müssen, sind also als Charakterisierungen nicht von Individuen, sondern von ganzen Gesellschaften zu interpretieren und insofern auch primär für den Kulturvergleich zu nutzen. „Die hauptsächlichen kulturellen Unterschiede zwischen den Völkern liegen in den Werten. Es gibt systematische Unterschiede im Hinblick auf die Werte bezüglich Macht und Ungleichheit, auf das Verhältnis zwischen Individuum und Gruppe, auf erwartetes soziales Rollenverhalten von Mann und Frau, im Hinblick darauf, wie man mit Ungewißheit im Leben umgeht und darauf, ob jemand sich überwiegend über die Zukunft, Vergangenheit oder Gegenwart Gedanken macht“ (Hofstede 1993: 266). Insbesondere an die Dimension „Individualismus/Kollektivismus“ wird in der kulturvergleichenden Psychologie immer wieder angeknüpft (z.B. Kim et al. 1994; Bhawuk und Triandis 1996; Jacobs 2000; Lang 2001). Mittlerweile hat sich, oft unter Bezug auf Hofstede, eine breite Forschungslandschaft zu der Frage entwickelt, wie sich die kulturell geprägten individuellen Handlungsorientierungen der Wirtschaftsakteure auf ihr Wirtschaftshandeln auswirken. Für den Bereich der Arbeit haben z.B. Miriam Erez et al. ausgesprochen elaborierte Modelle entwickelt (Erez et al. 2001; Erez und Earley 1993). Für die vorliegende Untersuchung interessiert aber weniger, wie der Zusammenhang genau zu modellieren ist, sondern zunächst allein die Tatsache, dass die Werte der Individuen überhaupt eine wichtige Rolle für ihr Wirtschaftshandeln spielen (z.B. Klamer 1998). Hierzu gibt es mittlerweile eine Vielzahl an empirischen Belegen (z.B. Granato et al. 1996; Kunz 2000; Dieckmann 1996; Grünewald 1994; Casson und Godley 2000a; LaPorta et al. 1997; Wennekers und Thurik 1999). 50

Von ihm ebenfalls als Kulturebenen bezeichnet. Diese fünfte Dimension war vor allem in der chinesischen Stichprobe, aber auch in anderen asiatischen Ländern besonders ausgeprägt zu finden. Inkeles und Levinson stützten sich dagegen fast ausschließlich auf Studien, die sich mit westlichen Industrienationen beschäftigten. 51

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Im Anschluss an diesen Befund gibt es eine ganze Reihe an Studien, die sich explizit mit der Frage auseinandersetzen, welche spezifischen Werte und Einstellungen der Individuen das Wirtschaftswachstum besonders positiv oder negativ beeinflussen (z.B. Lynn 1991).52 Dorner modelliert anhand verschiedener ökonomischer Modelle den Einfluss von Kultur auf das Wirtschaftswachstum und zeigt, wie sich Werte in die Präferenzstruktur des klassischen Modells einbauen lassen, ohne dies allerdings empirisch zu überprüfen (Dorner 2000).53 Er kommt zu dem Schluss, dass sich vor allem eine ausgeprägte Arbeitsneigung, eine gewisse Statusrivalität, niedrige Mindestansprüche an den Konsum bei gleichzeitig hohen Konsumzielen, Flexibilität und Vertrauen positiv auswirken. „Insgesamt deutet dies darauf hin, dass für maximales Wachstum eine Kultur mit einer ausgewogenen Mischung von individualistischen und kollektivistischen Elementen das Optimum darstellt“ (ebd.: 210 f.). Volker Kunz (2000) kommt aus soziologischer Perspektive aufgrund einer Durchsicht der Literatur zu einer ähnlichen Liste. Bisherige (theoretische) Arbeiten legten nahe, „dass eine erfolgreiche ökonomische Entwicklung auf einer ‚Entwicklungs- und Innovationskultur’ beruht, die sich durch eine hohe Wertschätzung für Kapitalbildung, Erziehung zu Leistung und Ausdauer, Innovationen und technischen Fortschritt, Offenheit gegenüber Wettbewerb sowie ein dichtes Geflecht von organisatorischen Netzwerken auszeichnet“ (ebd.: 197). Anders als die meisten Autoren versucht er, die Frage empirisch zu beantworten. Die abhängige Variable ist das mittelfristige Wirtschaftswachstum, gemessen über die Zuwachsrate des Bruttoinlandsproduktes pro Kopf in den Jahren 1979 bis 1989 und zwischen 1985 und 1995. Die Ergebnisse sind allerdings uneinheitlich bis enttäuschend. Für den ersten Zeitraum lassen sich keine substantiellen Einflüsse der untersuchten Faktoren nachweisen. In der zweiten Dekade gehen aber „jeweils mehr als zehn Prozent der Abweichungen von der durchschnittlichen Wachstumsrate (...) auf die Verbreitung postmaterialistischer Wertorientierungen, die Mitgliedschaft in Gewerkschaften und Berufsverbänden und die Ausprägung konkordanzdemokratischer Struktu52

Es gibt eine breite Literatur zur Frage, welche Werthaltungen erfolgreiche Unternehmer auszeichnen (z.B. Wennekers und Thurik 1999; Beugelsdijk und Noorderhaven 2003). Allerdings geht es in der vorliegenden Arbeit nicht um die Einstellungen und Werte bestimmter Eliten, sondern um die Gesamtbevölkerungen. „Entrepreneurial activity is a necessary ingredient, but not a sufficient one. It is the human vitality of a whole society which, given the opportunity, comes into play and sets loose the ‘creative responses of history’” (Cipolla 1993: 98 f.). Die z.B. von Schumpeter dem Unternehmer zugeschriebene Rolle des „kreativen Destrukteurs“ ist sicherlich nicht wirtschaftsförderlich, wenn sie von allen Wirtschaftsakteuren eingenommen wird. Die EU sieht allerdings ebenfalls unternehmerisches Handeln als wichtig an: “Die Förderung der unternehmerischen Initiative ist einer der Schlüssel zu Beschäftigungswachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum in Europa“ (Kommission 2001: 7), und erkennt dabei auch die kulturelle Komponente an: „Obwohl das Ausmaß unternehmerischer Initiative (tatsächliche oder potenzielle unternehmerische Initiative) durch eine Reihe verschiedener Faktoren beeinflusst werden kann, muss hier sicher auch ein kultureller Aspekt berücksichtigt werden“ (ebd.: 27). 53 Er führt allerdings eine Vielzahl an empirischen Studien zum Beleg an.

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ren zurück. Diese Faktoren reduzieren deutlich das Wirtschaftswachstum in demokratischen Industriestaaten“ (ebd.: 213). Die meisten der untersuchten Faktoren (z.B. die Leistungs- und Wettbewerbsorientierungen) haben dagegen in Kunz’ Analysen keinen signifikanten Einfluss.54 Er kommt daher zu dem Schluss, dass zwar „’harte’ ökonomische Faktoren (...) für die wirtschaftliche Entwicklung offensichtlich bedeutsamer als wirtschaftsbezogene Einstellungsmuster“ sind (ebd.: 216), gleichzeitig aber derjenige „die beste Erklärung des Wirtschaftswachstums erhält (...), wer ökonomische, kulturelle und politisch-institutionelle Faktoren berücksichtigt“ (ebd.: 218). Zu einem etwas anderen Ergebnis kommt Ronald Inglehart. Auch er sieht die Notwendigkeit, ökonomische und kulturelle Faktoren zu berücksichtigen (1997: 216), schreibt den letzteren aber eine deutlich wichtigere Rolle zu als Kunz. So sieht er „strong evidence that cultural differences are an important part of the story“ (Inglehart 1997: 216). Ingleharts Thesen sind eingebettet in eine breitere Analyse des Wertewandels vor allem in modernen Industriestaaten.55 Inglehart geht von zwei zentralen Hypothesen aus, der Mangel- und der Sozialisationshypothese. Aus ersterer leitet er ab, dass sich bei Personen, die in einer physisch und materiell sicheren Umgebung aufgewachsen sind, vor allem sogenannte postmaterialistische Werte finden. Die modernen Industrienationen haben seiner Meinung nach in den Jahren seit dem Zweiten Weltkrieg eine solche Umgebung gebildet. Die zweite Hypothese geht davon aus, dass diese Werteinstellungen in der Kindheit und Jugend erworben werden und anschließend über die Jahre relativ stabil erhalten bleiben. Auch auf gesellschaftlicher Ebene führt diese Entwicklung der individuellen Werte in einem langsamen Prozess zu einer Präferenz postmaterialistischer Werte. Während materialistische Werte auf die „Gewährleistung der Selbsterhaltung und der physischen Versorgung und Sicherheit“ (Schmitt-Beck 1993: 527) abzielen, geht es bei postmaterialistischen Werten um „Zugehörigkeit, Anerkennung, Selbstverwirklichung sowie intellektueller und ästhetischer Befriedigung“ (ebd.). Inglehart ist aber kein Anhänger eines vereinfachten Basis-Überbau-Schemas, welches von der wirtschaftlichen Determination der Werteinstellungen der Menschen ausgeht. „Do cultural

54 Der Begriff der Signifikanz wird hier nicht im statistischen Sinne verwendet. Kunz weist explizit darauf hin: „Da die Untersuchungseinheiten eine definierte Grundgesamtheit darstellen, eignen sich Signifikanztests zur Interpretation der Schätzungen nur sehr bedingt. Von substantiellen positiven oder negativen Effekten spreche ich daher, wenn sich die Schätzungen der standardisierten Regressionskoeffizienten im Wertebereich über +0,30 oder unter –0,30 bewegen. Diese Grenzwerte dürften in Anbetracht der geringen Fallzahl als Mindestwerte für verlässliche und bedeutsame Effekte zu betrachten sein“ (Kunz 2000: 213). 55 Inglehart vertritt diese These bereits seit über dreißig Jahren, entsprechend hat sich mittlerweile auch eine recht große Menge an Literatur zum Thema angesammelt. Z .B.: Inglehart (1971; 1979; 1989; 1997), Inglehart und Abramson (1994), Inglehart und Baker (2000). Zur ebenfalls umfangreichen Kritik sei verwiesen auf Rössel (2006), Thome (1985), Klages (1998; 1992) und Lehner (1981).

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factors lead to economic growth, or does economic growth lead to cultural change? We believe that the causal flow can work in both directions” (Inglehart 1997: 222). In seinen neueren Arbeiten (vor allem 1997) hat Inglehart diese eindimensionale Wertestruktur auf der Grundlage einer erweiterten Datenbasis ergänzt. Er geht nunmehr von zwei großen Entwicklungslinien aus: Modernisierung und Postmodernisierung. Beide lassen sich durch spezifische Wandlungen in den Einstellungen und Werten der Menschen charakterisieren. Modernisierung ist auf der Basis von Säkularisierung und Bürokratisierung gekennzeichnet durch den Wandel von traditionaler zu rational-legitimer Autorität. Merkmal der Postmodernisierung ist dagegen die generell abnehmende Wertschätzung von Autorität. Während es den Menschen im Laufe der Modernisierung immer mehr um wirtschaftlichen Erfolg geht, geht es in der Postmoderne um die Maximierung von Wohlbefinden. „The core project of Modernization is economic growth. (…) In Postmodernization, the core project is to maximize individual well-being, which is increasingly dependent on subjective factors” (Inglehart 1997: 75 f.). Dies hat natürlich direkte Auswirkungen auf die Wirtschaftskultur. Inglehart geht davon aus, dass sich die Verbreitung materialistischer Werte positiv, diejenige postmaterialistischer Einstellungen negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirkt (Granato et al. 1996).56 Der Grund dafür ist, dass die materialistischen Werte sehr viel stärker auf persönlichen wirtschaftlichen Erfolg zielen und ähnlich wie die protestantische Ethik den einzelnen zu verstärkter wirtschaftlicher Leistung animieren, während einige der postmaterialistischen Werte sogar die wirtschaftliche Aktivität bremsen, wenn z.B. der Umweltschutzgedanke zu einem sparsamen Verbrauch natürlicher Ressourcen auffordert (vgl. Inglehart 1997: 235). Inglehart und andere überprüfen diese Folgerungen empirisch, indem sie einen Index für „Achievement Motivation“ bilden und mit dem Wirtschaftswachstum in mehreren Ländern korrelieren, wobei sich ein ausgesprochen starker positiver Zusammenhang zeigt (Granato et al. 1996; Inglehart 1997: 220 ff.). Die Leistungsorientierung scheint sogar einen größeren Einfluss zu haben als Investitionen in Humankapital und das wirtschaftliche Ausgangsniveau (Inglehart 1997: 233). „The present findings suggest that one specific component – Achievement Motivation – plays a key role in economic growth“ (Inglehart 1997: 235). Die Postmaterialismus-Dimension hat dagegen einen geringen negativen Effekt auf das Wirtschaftswachstum, der sich in multivariaten Analysen aber als nicht signifikant herausstellt.57 56

Um die Begriffe nicht mit der früheren Eindimensionalität Ingleharts zu verwechseln, sei explizit darauf hingewiesen, dass materialistische Werte quasi den Endpunkt der Modernisierung darstellen, postmaterialistische Werte mit der Postmodernisierung verbunden sind. Das Konzept der materialistischen Werte ist nun etwas breiter angelegt als früher. Entsprechend werden die beiden Dimensionen auch getrennt operationalisiert: Einmal über „Achievement Motivation“ und einmal über den Postmaterialismus-Index. 57 Mehlkop (2000) zeigt allerdings methodische Probleme der Analysen auf und kann bei eigenen Berechnungen keinen positiven Effekt der Leistungsorientierung auf das Wirtschaftswachstum nachweisen.

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Der Begriff der „Achievement Motivation“ bzw. Leistungsorientierung geht zurück auf Forschungen um die Mitte des 20. Jahrhunderts, in denen aus psychologischer und soziologischer Perspektive die Ursachen für unterschiedliches Wirtschaftswachstum untersucht wurden. McClelland geht in seiner klassischen Studie „The Achieving Society“ aus dem Jahr 1961 davon aus, dass „the ultimate forces underlying economic development lie, strictly speaking, outside the economic system“ (McClelland 1967: 11) und dass „Achievement Motivation is in part responsible for economic growth“ (McClelland 1967: 36). Tatsächlich lässt sich diese Annahme im Ländervergleich bestätigen. Während sich verschiedene mögliche Einflussfaktoren als unwichtig herausgestellt haben, ist eine hohe „Achievement Motivation“ ein wichtiger Prädiktor für hohes Wirtschaftswachstum. Leistungsorientierung ist also eine der zentralen Dimensionen im Bereich der Wirtschaftskultur (vgl. auch Erez und Earley 1993; Erez et al. 2001). Ein zweiter Faktor hat sich bei McClelland als ebenfalls sehr wichtig herausgestellt. „’Other-directedness’ is an essential feature of rapid economic development” (1967: 192). Das Aufbrechen traditionaler Beziehungen zugunsten einer Loyalität mit dem „generalized other” ist für die volle Entfaltung der Wirtschaft notwendig (McClelland 1967: 195). Für eine Begründung stützt sich McClelland auf Parsons und seine “pattern variables” (Parsons und Shils 1962). Moderne Wirtschaften sind sowohl auf einen relativ großen Universalismus als auch Spezifität der Beziehungen ihrer Akteure angewiesen. Universalismus meint dabei, dass sich Wirtschaftsbeziehungen nicht auf einen mehr oder weniger kleinen Kern von Leuten, etwa die Sippe oder Freunde, beschränkt, sondern potentiell auf alle anderen Akteure. Spezifität bedeutet, dass die Beziehung sich allein auf den einzelnen wirtschaftlichen Akt bezieht und nicht weitere Handlungsbereiche umfasst. Für das Wirtschaftshandeln ist also im Prinzip unbedeutend, ob der Wirtschaftspartner in anderen Lebensbereichen sympathisch ist oder nicht. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Studien, die sich daran anschließend mit der Rolle von sozialem Kapital auf die Wirtschaft auseinandergesetzt haben (Klump 1996a: 13 f.).58 Angeknüpft wird dabei häufig an die Arbeiten von Putnam (Putnam et al. 1994) und Fukuyama (1995). Soziales Kapital wird allerdings in diesem Zusammenhang etwas enger definiert: „Im engeren Sinne soll unter ‚sozialem Kapital’ das (...) generalisierte Vertrauen der Marktakteure in die Verläßlichkeit der Transaktionspartner und die Wirksamkeit der formellen Institutionen verstanden werden“ (Lagemann 2001: 76 f.). Das generelle Argument lautet dabei, dass ein großes Ausmaß an Vertrauen in Mitmenschen und Organisationen die Transaktionskosten reduziere, somit also zu einer besseren wirtschaftli58 Siehe dazu auch Raiser (2003; 1997), Nooteboom (2000), Höhmann und Welter (2002), Lagemann (2001) oder Seligmann (1994). Coleman (1991) etwa hat einen wesentlich weitergefassten Begriff von sozialem Kapital, und auch Bourdieu (2001) fasst hierunter vor allem Verbindungen zu anderen, möglichst statushöheren, Personen. Mit Vertrauen als Voraussetzung einer europäischen Sozialintegration, allerdings ohne einen wirtschaftlichen Bezug, setzt sich Delhey auseinander (2004a).

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2. Der Einfluss von Kultur auf die Wirtschaft

chen Performanz beitrage (z.B. Raiser 1997: 22 ff.). „Das reibungslose Funktionieren anonymer Märkte setzt voraus, daß unter den Marktteilnehmern, ganz unabhängig davon, ob diese einander kennen oder nicht, ein Mindestmaß an Vertrauen in die Vertragstreue des Partners besteht. (...) Im Übrigen setzen nicht nur Markttransaktionen Vertrauen voraus, sondern ebenso die Zusammenarbeit von Menschen in Organisationen, wie z.B. in Unternehmen“ (Lagemann 2001: 77). Daher scheinen auch Großunternehmen in „High-Trust-Gesellschaften“ eher eine wichtige Rolle zu spielen als in „Low-Trust-Gesellschaften“ (ebd., vgl. auch LaPorta et al. 1997; Fukuyama 1995). Auch hier wird als theoretischer Rahmen oft die Neue Institutionen-Ökonomik herangezogen. Dabei scheint Vertrauen aus einer „common history and the sharing of a common set of values and norms” (Ottati 2002: 28) zu erwachsen. Uslaner (2004) und LaPorta et al. (1997) können anhand empirischer Studien belegen, dass sich generalisiertes Vertrauen positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirkt.59 Uslaner interessiert sich vor allem für das Verhältnis von Korruption und Vertrauen. Über einen Zeitvergleich kommt er zu dem Ergebnis, dass Vertrauen das Grundlegendere ist. „Trusting societies have less corruption“ (Uslaner 2004: 1). Vertrauen lässt sich allerdings nicht einfach generieren, sondern ist in der Kultur eines Landes verwurzelt.60 Und diese wandelt sich, wenn überhaupt, nur langsam (Uslaner 2004: 22). Duane Swank kommt aufgrund einer Reanalyse der Daten von Inglehart und Granato (Granato et al. 1996) sogar zu dem Ergebnis, dass Vertrauen und verschiedene andere Indikatoren einer „Civic Culture“ für das Wirtschaftswachstum entscheidender sind als die Leistungsorientierung (Swank 1996: 665 ff.). Verschiedene Autoren weisen allerdings darauf hin, dass Vertrauen sich nicht in allen Fällen positiv auf die Wirtschaft auswirken muss. So ist eine wichtige Frage, wer der Bezugspunkt desselben ist. Mummert (1999; 2001) merkt an, dass sich Vertrauen, welches sich allein auf die Familie bzw. eine engere „Wir-Gruppe“ bezieht, sogar schädlich auswirken kann.61 Auch Kunz (2000) kann in seiner empirischen Überprüfung verschiedener kultureller Einflüsse auf das Wirtschaftswachstum negative Effekte eines zu großen Vertrauens nachweisen, wenn es sich auf 59 Uslaner unterscheidet zwischen moralischem und strategischem Vertrauen und generalisiertem und partikularem Vertrauen. In seinen Analysen bezieht er sich allein auf moralisches, generalisiertes Vertrauen (Uslaner 2004: 3). Strategisches Vertrauen in Bezug auf die Wirtschaft analysieren etwa Galassi (2000) oder Noteboom (2000). 60 Während Uslaner zu dem Ergebnis kommt, dass sich Vertrauen nicht durch eine weniger korrupte Elite produzieren lässt, sind Raiser et al. anderer Auffassung: „Far from destroying social capital, reforms may help to build it. The state can lead by example if its officials act in honest way“ (Raiser et al. 2003: 17). Auch Rössel kann in einer kritischen Überprüfung von Putnams Thesen zeigen, dass ein aktiver Staat soziales Kapital produzieren kann (Rössel 2002). 61 Ähnliches findet sich schon bei Max Weber und seinen Studien zu China, wo er eine Ursache für die fehlende kapitalistische Entwicklung darin sah, dass „niemals die Bande der Sippe abgestreift wurde“ (Weber 1988: 276-573, hier 292).

2.2 Wie beeinflusst der kulturelle Kontext die Wirtschaft?

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korporatistische Strukturen gründet. Zumindest für einen breiteren Begriff von sozialem Kapital, der sich vor allem auf die freiwillige Mitgliedschaft in Vereinen, Verbänden und Organisationen bezieht, konstatiert auch Inglehart, im Anschluss an Olson (1991), dass sich ein Übermaß an sozialem Kapital unter bestimmten Umständen negativ auswirken kann (Inglehart 1997: 228). Der positive Einfluss von Vertrauen hängt also stark von den jeweiligen Umständen und dem verwendeten Konzept ab. Führt es zu einer zu starken Position korporatistischer Strukturen, so kann es durchaus negative Effekte besitzen. Für generalisiertes Vertrauen in die Mitmenschen und in Institutionen ist die Forschergemeinde allerdings der Meinung, dass es sich positiv auf die Wirtschaft aufwirkt. Natürlich gibt es eine ganze Reihe an Querverbindungen zwischen den Perspektiven der Institutionen und der individuellen Werte. Es wurde bereits auf den bei North und Pejovich zu findenden Zusammenhang von formalen und informellen Institutionen eingegangen, wobei letztere eng mit dem Wertebegriff verbunden sind. Auch Martin Raiser sieht diesen Zusammenhang insbesondere vor dem Hintergrund der Systemtransformation als zentral (Raiser 1997). Andere Autoren bauen ihr Konzept von Wirtschaftskultur ebenfalls auf ein ähnliches Wechselspiel auf (z.B. Hofstede 2001). Das vor allem auf Peter L. Berger zurückgehende Konzept der „Economic Culture“ verbindet die institutionelle und die individuelle Herangehensweise. „Economic institutions do not exist in a vacuum but rather in a context of social and political structures, cultural patterns, and, indeed, structures of consciousness (values, ideas, belief systems). An economic culture then contains a number of elements linked together in an empirical totality” (Berger 1991: 24). Berger knüpft an Weber an und fragt nach den gesellschaftlichen Voraussetzungen der Entwicklung des Kapitalismus. Mit Bezug auf das in den 80er Jahren so populäre Beispiel Japans und der Tigerstaaten kommt er zu dem Schluss, dass Kapitalismus und Individualismus nicht unbedingt so eng verknüpft sind, wie es in der Modernisierungstheorie häufig anklingt. „Die Verbindung ModernitätKapitalismus-Individualismus wäre dann das Ergebnis konkreter historischer Umstände“ (Dorner 2000: 27), die es zu beschreiben gilt. Für Berger spielen hierbei vor allem die Familie und die Religion als Vermittlungsstrukturen eine zentrale Rolle. Sie dienen z.B. dem Aufbau von Vertrauen oder dem Vermeiden von zu starker kollektiver Kontrolle. „Mit der Sichtweise der Economic Culture als ‚the social and cultural context of economic behavior’ wird ein Mittelweg zwischen einseitig kulturellen und einseitig ökonomischen Erklärungsmustern beschritten, indem versucht wird aufzuzeigen, dass der soziale Kontext des Menschen sein ökonomisches Verhalten beeinflusst und dieses wiederum auf diesen Kontext einwirkt” (Dorner 2000: 28).62 Sehr ähnlich konzipieren auch die Arbeiten im Umfeld der „Wirtschaftskultu62 Das Zitat ist bei Dorner ohne Literaturangabe. Es findet sich in Berger, Peter L. (1994): The Gross National Product and the Gods. Mc Kinsey Quarterly 1: 97-110. Das Konzept scheint also auch in der Unternehmensberatung angekommen zu sein.

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2. Der Einfluss von Kultur auf die Wirtschaft

rellen Transformationsforschung“ an der Universität Bremen ihren Begriff von Wirtschaftskultur (Höhmann 1999a; Höhmann 2001; Höhmann 2002). 2.2.3 Fazit Insgesamt kann man für den Forschungsstand folgendes festhalten. Kultur spielt eine zentrale Rolle für das ökonomische Handeln. Dabei lassen sich zwei, allerdings meist eng verbundene, Perspektiven ausmachen. Die erste nimmt vor allem die Institutionen und ihre kulturelle Abhängigkeit in den Blick, die zweite interessiert sich vor allem auf der Ebene der individuellen Wirtschaftsakteure für besonders wirtschaftsförderliche Handlungsorientierungen. Während die Neue InstitutionenÖkonomik vor allem von Vertretern der Wirtschaftswissenschaften vorangetrieben wird, sind es in erster Linie soziologische Ansätze, die auf die real vorzufindenden und kulturell bedingten Abweichungen vom Modell des „homo oeconomicus“ hinweisen. Die Neue Institutionen-Ökonomik liefert wichtige Einsichten in das Zusammenspiel von Wirtschaft und Kultur. Sie unterscheidet zwischen formalen und informellen Institutionen. Während erstere der geplanten Steuerung relativ zugänglich sind, lassen sich letztere nur schwer ändern und sind zeitlich langlebiger. Die Wirtschaft hängt aber stark von der Akzeptanz der Institutionen durch die einzelnen Wirtschaftssubjekte ab, da nur sie ein relativ reibungsloses Funktionieren garantiert. Besonders virulent wird dies im Zusammenhang mit den Staaten Ost- und Mitteleuropas, in denen ein abrupter Systemwechsel die formalen Institutionen praktisch über Nacht verändert hat. Die zweite Perspektive kann zeigen, dass die Werteorientierungen der Individuen ihr Wirtschaftshandeln nachhaltig beeinflussen. Im Rahmen einer Marktwirtschaft scheinen vor allem eine hohe Leistungsorientierung und ein großes Vertrauen einen positiven Einfluss auf die Wirtschaft zu haben. Beide Ansätze entfalten allerdings ihre größte Erklärungskraft, wenn sie konvergieren und zusammengedacht werden, wie es etwa im Konzept der formalen und informellen Institutionen bei Douglass C. North geschieht. In den folgenden Kapiteln wird an diese Erkenntnisse angeknüpft. In Kapitel 3 wird erstens das Zusammenspiel von Werten und Institutionen und zweitens die Rolle von Leistungsorientierung und Vertrauen noch genauer geklärt. Kapitel 4 widmet sich dann der Frage, wie die formalen Institutionen der Europäischen Union in Form ihrer Wirtschaftsordnung aussehen. Erst auf dieser Folie lässt sich klären, ob die Werte der Bürgerinnen und Bürger in der erweiterten EU und in den Beitrittskandidaten mit den formalen Institutionen übereinstimmen.

2.3 Befunde wirtschaftskultureller Forschungen in Europa

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2.3 Befunde wirtschaftskultureller Forschungen in Europa Bisher wurde der allgemeine Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Kultur auf verschiedenen Ebenen erläutert. Der folgende Abschnitt stellt nun Forschungen vor, die sich mit wirtschaftskulturellen Fragen im europäischen Kontext auseinandersetzen. Der obigen Zweiteilung folgend lassen sich auch hier eher strukturenorientierte Forschungen auf der einen und wertebezogene Studien auf der anderen Seite unterscheiden. Darstellungen zu den Institutionen der EU finden sich erst in Kapitel 4, wenn es um die Wirtschaftordnung der Europäischen Union geht. 2.3.1 Strukturelle Merkmale der europäischen Wirtschaft Lange Zeit herrschte in den Wirtschaftswissenschaften die Ansicht vor, dass es im Grunde nur einen Pfad der industriellen Modernisierung gebe, dem auch eine bestimmte gesellschaftliche Ordnung und gewisse kulturelle Grundeinstellungen entsprächen. Diese Auffassung entwickelte sich vor allem aus der Verabsolutierung des Weberschen Rationalitätsbegriffs. Besonders deutlich findet sich diese Vorstellung in Kerrs „Einheitlichem industriellen Modell“ wieder (Kerr 1966). Auch Goldthorpe argumentiert, dass im Zuge der Industrialisierung „the range of viable institutional structures and of a viable system of value and belief is necessarily reduced. All societies, whatever the path by which they entered the industrial world, will tend to approximate, even if asymptotically, the pure industrial form” (Goldthorpe 1971; zitiert nach Eisenstadt 1987: 14). Mittlerweile wird aber davon ausgegangen, dass es viele Wege in die und in der Moderne gibt (Eisenstadt 1987).63 Gibt es einen spezifisch europäischen Weg? Aus historischer Perspektive führt Hartmut Kaelble verschiedene europäische Gemeinsamkeiten an, die sich auf die Ökonomie beziehen, so etwa der hohe Industrialisierungsgrad, die spezifische Rolle der Gewerkschaften oder, zumindest indirekt, auch die relativ geringen Einkommensunterschiede und die Ausprägung des Wohlfahrtsstaates (1987; 1997; 1999). Er sieht diese Kennzeichen nicht alleine als Gemeinsamkeiten innerhalb Europas, sondern geht davon aus, dass zumindest ein Großteil davon europäische Besonderheiten sind. Während Kaelble über den Wirtschaftsbereich hinausgreift und die Gesamtgesellschaften vergleicht, beschäftigt 63 Zumindest was die Wirtschaftskraft angeht, könnte es aber prinzipiell eine Annäherung geben (Konvergenztheorie). Plausibel wäre sie aufgrund kompetitiver Vorteile weniger entwickelter Länder (z.B. geringer Lohnkosten, fortschrittliche Technologien können übernommen und müssen nicht erst kostenintensiv entwickelt werden, aus Fehlern der Vorreiter kann gelernt werden). Inglehart kann daher auch zeigen, dass, unter Kontrolle bestimmter Investitionsparameter, die Wirtschaftskraft armer Länder schneller wächst als die reicher Länder (Inglehart 1997: 229). Die Dependenztheorie geht allerdings davon aus, dass die reichen Industrienationen, u.a. durch die Beeinflussung dieser Investitionsparameter, arme Länder in Abhängigkeit von sich halten.

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2. Der Einfluss von Kultur auf die Wirtschaft

sich eine Vielzahl an Studien im engeren Sinne mit der Struktur der Wirtschaft in der EU. Während das Vorhandensein kapitalistischer Strukturen und freier Marktwirtschaft noch bis Ende der 80er Jahre die zentralen Distinktionskriterien im gespaltenen Europa waren und damit die Grenze zwischen West- und Osteuropa markierten, findet man sie mittlerweile praktisch durchgängig auch in allen Beitrittskandidaten. „The clearest form of systemic integration at the European level are the convergence of the Central and Eastern European societies to the model of political democracy and market economy found in the West” (Boje et al. 1999b: 1). Dabei unterscheiden sich die Länder aber immer noch deutlich.64 Martin Heidenreich, der auf der Grundlage verschiedener Wirtschaftsdaten „Territoriale Ungleichheiten in der erweiterten EU“ analysiert, konstatiert zunächst die erfolgreiche Bewältigung der wirtschaftlichen Transformation (2003: 2). Gleichzeitig weist er auf weiterhin bestehende deutliche Unterschiede hin, etwa in Bezug auf das Wohlstandsniveau oder die Größe des landwirtschaftlichen Sektors. Trotz eines „raschen, nachholenden Tertiarisierungsprozess[es, M.H.]“ in den osteuropäischen Ländern spricht sich Heidenreich aufgrund der „dauerhaften Unterschiede der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit“ gegen die Konvergenzthese aus (Heidenreich 2003: 13). Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede analysiert er empirisch auf der Regionenebene anhand der Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Arbeitsmarktstrukturdaten. Auf der Grundlage einer Clusteranalyse kommt er zu einer Einteilung der europäischen Regionen in insgesamt 5 Kategorien. Ein Großteil der westeuropäischen Bevölkerung lebt danach in metropolitanen, industriellen oder tertiären Kernregionen. Mittel- und Osteuropa ist dagegen, mit Ausnahme einiger Hauptstadtregionen, vor allem durch unterschiedlich leistungsfähige Industrieregionen und landwirtschaftliche Regionen geprägt (Heidenreich 2003: 13-17). Heidenreich sieht daher „eine Renaissance der Zentrum-Peripherie-Strukturen, die Europa schon seit Jahrhunderten prägen“ (Heidenreich 2003: 17).65 Diese sind in „regionalen Institutionen, Kompetenzen und Identitätskonstruktionen, die auch die Entwicklung des erweiterten Europa vorstrukturieren werden, relativ dauerhaft verankert“ (Heidenreich 2003: 24). Hanno Beck untersucht in diesem Zusammenhang auf der Grundlage wirtschaftsstruktureller Daten wie sektoraler Struktur oder Inflationsraten mit Hilfe ökonomischer Theorien (u.a. spieltheoretischen Ansätzen) die „Stabilität von Integrationsgemeinschaften“ (1998a). Seine Studie ist der in weiten Teilen gelungene 64 Besonders deutlich wird dies im Bereich der Landwirtschaft. In den Beitrittskandidaten, die nicht in der ersten Welle beitreten werden, arbeiten immer noch große Anteile der Bevölkerung in diesem Sektor (in Rumänien 44,4%, in der Türkei 35,4% und in Bulgarien 26,7%). In der erweiterten EU liegen Polen (19,2%), Litauen (16,5%) und Lettland (15,1%) über zehn Prozent (Gemeinschaften 2002, Anhang 7, Daten für 2001). 65 Vgl. hierzu die sehr guten Analysen von Stein Rokkan (Rokkan 2000).

2.3 Befunde wirtschaftskultureller Forschungen in Europa

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Versuch, erstens zu bestimmen, welche Voraussetzungen zu einer stabilen wirtschaftlichen Integrationsgemeinschaft führen, und zweitens zu analysieren, welche mittel- und osteuropäischen Länder diese Voraussetzungen in welchem Maße erfüllen. Zum ersten Punkt stellt er fest, dass die Integrationsformen Zollunion und Binnenmarkt aus ökonomischer Sicht stabil sind. Gründe für Instabilität bei einer darüber hinausgehenden Integration sind vor allem darin zu sehen, dass negative Folgen der Integration über-, und positive von der Politik unterbewertet werden. Mit steigenden Anpassungslasten wächst daher die Instabilität. Die Anpassungslasten sind wiederum von der Heterogenität der Integrationsgemeinschaft abhängig: „Homogenen Integrationsgemeinschaften entstehen weniger Anpassungskosten, was den Anreiz zur Anwendung protektionistischer Instrumente senkt, den Bestand der Integration sichert und ihre Vertiefung erleichtert“ (ebd.: 141). Inwieweit potentielle Beitrittskandidaten zu einer größeren Heterogenität führen würden, untersucht er im zweiten Schritt anhand einer Vielzahl von Wirtschaftsdaten aus insgesamt 22 Transformationsstaaten.66 Anhand einer Clusteranalyse kann er vier Ländergruppen unterscheiden. Eine erste Gruppe der zentralasiatischen Länder und Staaten des Kaukasus „erweisen sich in fast jeglicher Hinsicht als Schlußlichter“ (ebd.: 234).67 Auch für die zweite Gruppe (Weißrussland, Ukraine und Mazedonien) spricht er sich, trotz etwas besserer Wirtschaftsdaten, gegen eine Aufnahme in die EU aus. In einer dritten Gruppe haben zwar die meisten der beteiligten Länder (Litauen, Rumänien, Bulgarien, Lettland und Russland) mit Schattenwirtschaft und Korruption zu kämpfen, die Wirtschaftsdaten und auch die politische Lage sind aber deutlich positiver einzuschätzen als in den ersten beiden Gruppen. Der Autor kommt daher zu dem Schluss, dass zumindest „eine Ausweitung der Assoziationsabkommen hier durchaus angebracht scheint“ (ebd.: 239). Ob eine langfristige Integrationsstrategie hingegen sinnvoll ist, kann nicht ohne weiteres entschieden werden. Die letzte Gruppe (Tschechische Republik, Polen, Ungarn, Slowenien, Slowakei, Estland und Kroatien) schließlich kommt „durchaus für weitere Schritte in Richtung einer Vertiefung der Integration mit der EU in Frage“ (ebd.: 242). Sie zeichnen sich im Vergleich zu den anderen drei Gruppen sowohl durch bessere Wirtschaftsdaten als auch größere politische Stabilität (evtl. Ausnahme: Kroatien) aus. Für eine Aufnahme in die EU kommen vor allem diese Länder in Frage. Becks Vorgehen ist innovativ und informativ und verfolgt anhand harter Wirtschaftsfakten eine sehr ähnliche Fragestellung wie die vorliegende Arbeit. Allerdings beschränkt er sich auf einen etwas anderen Länderkreis, da die aktuellen EU-Mitgliedsstaaten leider nicht mit in die Analysen einbezogen werden. 66 Insgesamt verwendet er 14 Indikatoren, vom Anteil der Privatwirtschaft am BSP über die Lohnstückkosten bis zu den durchschnittlich absolvierten Schuljahren. Zwei weitere, die die Art und den Umfang der bereits erfolgten Integration messen, werden als Ergänzung herangezogen. 67 Zu dieser Gruppe gehören Aserbaidschan, Turkmenistan, Usbekistan, Armenien, Kasachstan, Georgien, Tadschikistan, Albanien, Moldawien und Kirgisistan.

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2. Der Einfluss von Kultur auf die Wirtschaft

Auch aus dem Umfeld der vergleichenden politischen Ökonomie kommen viele Studien zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den Ländern Europas (z.B. Kitschelt et al. 1999; Lane und Ersson 1990; Rhodes und Apeldoorn 1997). Peter A. Hall unterscheidet hierbei vier verschiedene Ansätze, die sich aber alle unter den Oberpunkt der Strukturen subsumieren lassen: Nationale Politikstile, Neokorporatismus, Neoinstitutionalismus und Produktionsorganisation (1999: 136). Die meisten Analysen stützen sich allerdings auf mehrere dieser Ansätze. Insbesondere der Ansatz zu den „Varieties of Capitalism“ versucht eine Synthese (Hall und Soskice 2001b; Soskice 1999). Die Idee ist, dass man Volkswirtschaften auf einem Kontinuum je nach Typ der Koordination des Wirtschaftsgeschehens verorten kann: „An dem einen Ende des Spektrums stehen die liberalen Marktwirtschaften, in denen die Beziehungen zwischen den Firmen hauptsächlich in und durch Konkurrenzmärkte koordiniert werden. Am anderen Ende stehen die koordinierten Marktwirtschaften, in denen die Unternehmer typischerweise eher strategische Interaktionen mit den Gewerkschaften, Kapitalgebern und anderen Akteuren pflegen“ (Hall und Gingerich 2004: 7). Wendet man diesen Ansatz auf die OECDLänder an, so erhält man vier unterscheidbare Cluster. Die europäischen Länder werden dabei folgendermaßen zugeordnet: Großbritannien bildet eine reine liberale Marktwirtschaft. Irland tendiert zwar ebenfalls zum liberalen Pol, dies aber nicht ganz so klar wie Großbritannien. Eine dritte Gruppe spiegelt die eher koordinierten Marktwirtschaften wider: Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark, die Niederlande, aber auch Deutschland und Österreich (wobei die letzten beiden besonders ausgeprägt sind). Frankreich, Portugal, Italien, Spanien und evtl. auch Belgien gehören zwar ebenfalls zum koordinierten Pol, „ihre Fähigkeiten zur strategischen Koordination in den Arbeitsbeziehungen sind jedoch tendenziell niedriger als die in Nordeuropa“ (Hall und Gingerich 2004: 12). Ohne sich alleine auf die Frage der Marktkoordination zu beschränken, nimmt Bernhard Ebbinghaus (1999) eine sehr ähnliche Einteilung vor. Allerdings fasst er Großbritannien und Irland zu einer Gruppe zusammen, trennt dafür aber in ein nordisches (Schweden, Dänemark, Finnland, Norwegen) und ein zentraleuropäisches Cluster (Deutschland, Österreich, Belgien, Niederlande). Auch der von Francis G. Castels vertretene Ansatz der „Families of Nations“ kommt zu sehr ähnlichen Einteilungen (2000; 1998). Herbert Obinger und Uwe Wagschal können diese Systematisierung weitgehend anhand einer Clusteranalyse methodisch absichern (2001). Berücksichtigt werden sozio-ökonomische Variablen, politischinstitutionelles Umfeld und Outcome-Merkmale. Die Nationengruppen ergeben sich sehr deutlich für die Bereiche Soziales und Wirtschaft, mit einer Trennung in ein peripheres und drei zentrale Cluster (Skandinavien, Angelsächsiche Länder, Kontinentaleuropa). Ihrer Meinung nach lassen sich die Länder vor allem anhand der im Parlament vertretenen Parteien (konservativ, christdemokratisch, sozialde-

2.3 Befunde wirtschaftskultureller Forschungen in Europa

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mokratisch) und der vorherrschenden Religion (protestantisch oder katholisch) unterscheiden.68 Als Fazit lässt sich für die Strukturen der europäischen Ökonomien festhalten, dass die Rede von einem gemeinsamen „Europäischen Modell“ relativiert werden muss. Es gibt verschiedene Länder-Subgruppen, je nachdem, welche Bereiche der Wirtschaft analysiert und welche Perspektiven angelegt werden. Giuliano Amato und Judy Batt weisen darauf hin, dass neben einer Ost-West-Trennungslinie auch Nord-Süd-Unterschiede bestehen. Und für erstere stellen sie fest: „While there may be good historical reasons to expect divergence between „West“ and “East” in Europe, where precisely the line should be drawn remains as elusive as ever” (Amato und Batt 1999: 31). Vor allem im Vergleich mit außereuropäischen Ländern stellt sich aber die Frage, ob die innereuropäischen Unterschiede nicht zusammenschrumpfen (vgl. Wentzel und Wentzel 2000b). 2.3.2 Werteorientierte Grundlagen eines europäischen Wirtschaftsmodells Die Forschungslage zur Frage, inwieweit sich ein gemeinsames europäisches Wirtschaftsmodell auf eine gemeinsame kulturelle Basis, im Sinne geteilter Werte und Einstellungen, stützen kann, ist weit weniger gut. Der Fokus der meisten Studien zu Einstellungen und Werten in Europa liegt im Bereich der Politik.69 Wirtschaftskulturelle Fragestellungen werden dagegen nicht systematisch, sondern allenfalls in Einzelaspekten verfolgt. Eine der populärsten Einteilungen von Kulturen anhand ihrer Werte nimmt sicherlich Samuel Huntington (1997) mit seiner These vom „Clash of Civilizations“ vor. Für ihn bildet die kulturelle Grenze (West-)Europas im Osten die „große historische Scheidelinie, die seit Jahrhunderten westlich-christliche Völker von muslimischen und orthodoxen Völkern trennt. (...) Im Norden verläuft sie entlang der heutigen Grenze zwischen Finnland und Russland und den baltischen Staaten (Estland, Lettland, Litauen) und Russland, durch das westliche Weißrussland, durch die Ukraine, wo sie den unierten Westen vom orthodoxen Osten trennt, durch Rumänien 68 Obinger und Wagschal weisen selbst auf die große Übereinstimmung ihrer Einteilung mit den Wohlfahrtsregimen von Esping-Andersen (1993) hin. Die Diskussion um verschiedene Wohlfahrtsmodelle, ihre theoretische Abgrenzung und ihre empirische Messung ist allerdings mittlerweile ein so breites Forschungsfeld, dass darauf hier nicht genauer eingegangen werden kann. Vgl. aber z.B. die Literaturhinweise in Gerhards (2005) oder Kaufmann (2003) sowie die Ausführungen weiter unten. Das Bestehen großer europäischer Gemeinsamkeiten belegt z.B. Vobruba (2001). 69 Um nur einige der wichtigsten zu nennen: Fuchs und Roller (1998), Fuchs und Klingemann (2002), Mishler und Rose (1999), Pollack et al. (2003b), Schmitt-Beck (2000) und Gabriel (1994). Grund ist u.a. die relativ komfortable Datenlage (u.a. Eurobarometer und Central- & Easteuropean Eurobarometer sowie ISSP-Module zu „Role of Government“ 1985, 1990 und 1995), die selbst wieder aus der guten Institutionalisierung der Politischen-Kultur-Forschung resultiert.

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2. Der Einfluss von Kultur auf die Wirtschaft

zwischen Transsylvanien mit seiner katholisch-ungarischen Bevölkerung und dem Rest des Landes, und durch das frühere Jugoslawien entlang der Grenze, die Slowenien und Kroatien von den anderen Republiken trennt. (...) Diese Linie ist die kulturelle Grenze Europas, und in der Welt nach dem Kalten Krieg ist sie auch die politische und wirtschaftliche Grenze Europas und des Westens“ (Huntington 1997: 251 f.).70 Sein einziges Abgrenzungskriterium ist allerdings die religiöse Prägung der entsprechenden Länder, aus der eine auch heute noch aktuelle kulturelle und wertemäßige Prägung abgeleitet wird.71 Auch andere Autoren nehmen entsprechende monokausale Abgrenzungen vor, z.B. aufgrund von Familienstrukturen (Todd 1985; Oesterdiekhoff 2000) oder eines historischen römischen Einflusses (Sowell 1998: xi).72 An all diesen Ansätzen lässt sich aber kritisieren, dass die unterstellten Wertegemeinsamkeiten und Unterschiede nicht empirisch getestet werden. Entsprechend sollen bei der folgenden Literatursicht solche Arbeiten vorgestellt werden, die auch tatsächlich Werte empirisch analysiert haben. Am bekanntesten sind hier sicherlich die Arbeiten von Ronald Inglehart et al. (Inglehart 1997; Inglehart 1989; Inglehart 1971; Inglehart und Abramson 1994; Inglehart und Baker 2000; Inglehart und Norris 2003; Granato et al. 1996; Norris und Inglehart 2002b). Inglehart und seine Co-Autoren können zeigen, dass es im Zuge der Modernisierung zu zwei Prozessen gekommen ist: „We suggest that economic development gives rise to not just one, but two main dimensions of crosscultural differentiation: a first dimension is linked with early industrialization and the rise of the working class; a second dimension that reflects the changes linked with the affluent conditions of advanced industrial society and with the rise of the service and knowledge sector” (Inglehart und Baker 2000: 21). Auf der Grundlage dieser beiden Dimensionen, von Inglehart als Modernisierung und Postmodernisierung bezeichnet (vgl. auch oben, Seite 37 ff.), unterscheiden Inglehart et al. dann mit Hilfe der Daten aus dem World-Values-Survey verschiedene Ländergruppen. Für Europa ergeben sich vor allem das protestantische (Schweden, Norwegen, Dänemark, Finnland, Niederlande, Westdeutschland, die Schweiz und Island), das katholische (Belgien, Frankreich, Österreich, Italien, Spanien, Portugal, Slowenien, Kroatien, die Slowakei und Ungarn) und das orthodoxe Europa (Bulgarien, Jugoslawien, Bosnien, Mazedonien, Rumänien, Georgien, Moldawien, Weißrussland, Armenien, Russland und die Ukraine). England und Irland fallen zu den englischsprachigen Ländern, die Türkei zu Südasien. Estland, Litauen, Lettland und Tschechien fallen, gemeinsam mit einigen der bereits genannten Länder, in das exkom70

Eine sehr ähnliche Grenze zieht Schmidt (2000: 211 ff.). Die Thesen Huntingtons werden ausgesprochen kontrovers diskutiert (z.B. Díez-Nicolás 2003; Meyer 1997; Müller 1998; Norris und Inglehart 2002b). 72 Deutlich differenzierter sind hier z.B. die Analysen von Stein Rokkan (2000) oder Immerfall (1995), die eine multiple Cleavage-Struktur innerhalb Europas nachzeichnen. 71

2.3 Befunde wirtschaftskultureller Forschungen in Europa

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munistische Cluster (Inglehart und Baker 2000: 29; vgl. sehr ähnlich Inglehart 1997: 98 bzw. 335).73 Inglehart geht dabei davon aus, dass die beiden Dimensionen mit dem wirtschaftlichen Erfolg der Länder verbunden sind, allerdings in einem reziproken Verhältnis. Erstens führt der Reichtum in einem Land zunächst zu höheren Werten in der ersten Dimension, ab einem bestimmten Entwicklungsniveau dann zu höheren Werten in der zweiten (Inglehart 1997).74 Gleichzeitig haben die damit einhergehenden kulturellen Veränderungen einen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum. Während die Modernisierungsdimension Wirtschaftswachstum zu ihrem „Kernprojekt“ macht, geht es in der zweiten Dimension vor allem um das subjektive Wohlbefinden mit eventuell negativen Folgen für das Wirtschaftswachstum (Inglehart 1997: 75 ff. und 216 ff.). Eine ähnlich breite Einteilung der europäischen Länder, ebenfalls auf der Grundlage von zwei Dimensionen, findet sich bei Jacques Hagenaars et al. (2003). Datengrundlage ist hier die European Values Study. Die erste Dimension wird bezeichnet als „autonomy/socio-liberalism“. Kennzeichen sind vor allem eine starke Betonung der individuellen Freiheit und persönlicher Autonomie, verbunden mit postmaterialistischen und prodemokratischen Einstellungen (Hagenaars et al. 2003: 30 f.). Die zweite Dimension wird „normative/religious“ benannt. „Individuals and countries that score high on this dimension maintain strict moral standards, they highly value societal norms and institutions and stress solidarity” (Hagenaars et al. 2003: 31). Ohne eine eindeutige Zuordnung zu Ländergruppen auf der Grundlage der Verortung in diesen beiden Dimensionen vorzunehmen, unterscheiden sie vier Typen. Als typische Länder für eine hohe Ausprägung in beiden Dimensionen werden Irland, Nordirland und Italien genannt. Ebenfalls hohe Werte für die normative Dimension bei gleichzeitig niedrigen Werten in der Autonomie-Dimension finden sich in Polen und Rumänien.75 Russland und die drei baltischen Staaten bilden die dritte Gruppe besonders gut ab. Sie sind sowohl durch eine geringe Autonomie-Betonung als auch durch niedrige Werte auf der normativen Dimension gekennzeichnet. Schweden und Dänemark weisen schließlich besonders hohe Werte auf der Autonomie-Dimension bei gleichzeitig geringen Werten bei den normativen Fragen auf. Insgesamt trennt die Autonomie-Dimension sehr deutlich zwischen ostund westeuropäischen Ländern, während die zweite Dimension zumindest teilweise

73 Diese Ländergruppen sind allerdings nicht empirisch anhand eines Clusterverfahrens generiert, sondern aufgrund theoretischer Überlegungen. Entgegen ihrer Behauptung folgen Inglehart und Baker (2000: 28) aber hierbei nicht genau Huntingtons Einteilung. Vgl. auch die Kritik bei Haller (2002: 19-22). 74 Duch und Taylor (1993) kommen allerdings, was den letzten Punkt angeht, zu einem etwas anderen Ergebnis. In ihren Analysen zeigt sich vor allem ein Einfluss der aktuellen Situation und des Bildungsniveaus zur Zeit der Umfrage auf die Wahl postmaterialistischer Ziele, während die ökonomische Situation in der Kindheit praktisch keinen Einfluss aufweist. 75 Zumindest schreiben die Autoren dies auf S. 33. Nach der Grafik auf S. 32 sind aber Portugal und Rumänien die typischen Fälle.

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2. Der Einfluss von Kultur auf die Wirtschaft

über die religiösen Traditionen, und hier vor allem über den Katholizismus, der Länder erklärt werden kann. Während sich die bisher vorgestellten Einteilungen auf generelle Wertemuster beziehen, deren Zusammenhang mit der Wirtschaft zumindest nicht eindeutig geklärt ist, sollen im folgenden stärker auf Wirtschaftskultur konzentrierte Ergebnisse vorgestellt werden.76 Trotz der noch nicht gut ausgebauten Forschungslage in diesem Bereich lassen sich einige Befunde finden. Eine besonders zentrale Rolle als Analysefolie spielt meist Russland (z.B. Shiller et al. 1991). So kann etwa Eckehard F. Rosenbaum (1999) zeigen, dass sich in Russland im Vergleich zu Polen, der Tschechischen Republik und Ungarn eine wesentlich kritischere Einstellung gegenüber der freien Marktwirtschaft findet. Wolfgang Franzen et al. sehen auf der Grundlage des „Transformationsbarometer Osteuropa (TBO)“, welches seit 1997 Umfragen in mehreren osteuropäischen Ländern durchführt, deutliche Unterschiede in den Einstellungen zur Marktwirtschaft zwischen den Beitrittsländern auf der einen und Russland und der Ukraine auf der anderen Seite (2001; Franzen 1999). Obwohl der Transformationsprozess für die ehemaligen Višegrád-Staaten77 als praktisch abgeschlossen interpretiert wird, gibt es einen zentralen Unterschied zu Westeuropa: „Die hinter der Marktwirtschaft stehende Motivation resultiert hier also nicht primär aus dem Interesse des Individuums an seinem Eigentum, sondern aus dem Interesse der gesamten Gesellschaft an einem effizienten Wirtschaftssystem“ (Franzen et al. 2001: 14). Die Akzeptanz der Marktwirtschaft ist dabei generell in den Višegrád-Staaten deutlich höher als in Russland. Die Unterschiede zwischen den Ländern lassen sich aber nicht monokausal erklären: „Historische Erfahrungen und Traditionen, Mentalität, religiöser Hintergrund, politisches System und die praktizierte Reformpolitik sind nicht alle, aber vielleicht einige der wichtigsten Faktoren, die die Wirtschaftskultur in den Reformstaaten beeinflussen“ (Franzen 1999: 111).78 Verschiedene, häufig etwas oberflächliche, Länderstudien z.B. zu Frankreich (Ammon 1996), Italien (Stemmermann 1996), Polen (Skapska 1999), Tschechien (Pauer 1999; Bohata 2001), der Slowakei (Ondrcka 2001; Remisová 2001) und der Türkei (Nienhaus 1996) ergänzen dieses Bild. Bettina Westle schließlich analysiert die Einstellungen zur Marktwirtschaft in den baltischen Staaten (1999). Sie kommt zu dem Ergebnis, dass sich nach anfänglich starker Unterstützung mittlerweile Zweifel breit machen. Dabei ist erstaunlicherweise „die Abnahme in der Akzeptanz der Marktwirtschaft (...) kaum durch Unzufriedenheit mit der persönlichen Situation zu erklären“ (Westle 1999: 295). 76 Jim Granato et al. (1996) zeigen z.B. für die Postmoderne-Dimension von Inglehart einen, wenn überhaupt, nur sehr geringen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum. Siehe hierzu auch die Kritik bei Mehlkop (2000). 77 Bei den Višegrád-Staaten handelt es sich um Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn. 78 Leider vermisst man eine wirkliche Überprüfung dieser Einflussfaktoren bei Franzen mit dem Hinweis: „Diese Determinanten näher zu betrachten, würde hier jedoch zu weit führen“ (110).

2.3 Befunde wirtschaftskultureller Forschungen in Europa

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Natürlich finden sich in der bereits erwähnten Studie von Hofstede (2001) ebenfalls Ergebnisse zu Europa. Allerdings fasst er seine Ergebnisse für die fünf Dimensionen nicht zusammen, so dass eine Darstellung für alle europäischen Länder hier den Rahmen sprengen würde. Zudem fehlen Daten für die osteuropäischen Länder. Insgesamt korrelieren Hofstedes Ergebnisse aber relativ gut mit vielen anderen Erhebungen (Hofstede 2001: Appendix 6). Eine interessante Studie von Holger Flörkemeier (2004) kann darüber hinaus zeigen, dass die kulturelle Distanz, gemessen über die Hofstede-Dimensionen, einen deutlichen Einfluss auf das Außenhandelsvolumen der Länder hat. Je größer die kulturelle Distanz, umso geringer ist, auch unter Kontrolle von Drittvariablen wie geografischer Entfernung und Wohlstandsniveau, der gemeinsame Handel. Auch der oben vorgestellte Ansatz der „Spielarten des Kapitalismus“ wurde mit der Werteperspektive verbunden. Carl Hult und Stefan Svallfors (2002) gehen davon aus, dass den Wirtschaftsstrukturen auch entsprechende Werte korrespondieren. Sie überprüfen deshalb, ob sich unterschiedliche Produktionsregime auch aufgrund der Werthaltungen der Arbeitnehmer differenzieren lassen. Die Ergebnisse sind allerdings nicht ganz eindeutig. Zwar finden sich durchaus Unterschiede, diese sind allerdings nicht sehr ausgeprägt und in einzelnen Fällen sogar kontraintuitiv. Insgesamt kommen die beiden aber zu dem Schluss: „It nevertheless seems to be a fruitful line of inquiry to pursue questions about how the wider institutional framework affects orientations to work” (Hult und Svallfors 2002: 327). Zudem zeigt sich, dass England, im Unterschied zu der Einteilung anhand struktureller Daten, bei den Werten deutlich näher an den anderen europäischen Ländern liegt als an den USA und Neuseeland (Hult 2003). Ein zentrales Kennzeichen Europas, welches auch einen Unterschied zu vielen außereuropäischen Ländern darstellt, ist der relativ stark entwickelte Wohlfahrtsstaat. Zwar kann hier die kaum noch zu überblickende Literatur zum Wohlfahrtsstaat in Europa nicht aufgeführt werden. Dennoch sollen wenigstens einige wichtige Befunde auf der Werteebene kurz skizziert werden.79 Fragen der sozialen Gerechtigkeit betreffen direkt die Wirtschaftskultur, da die jeweilige Organisationsform der Wirtschaft zentral über die Verteilung der Güter mit entscheidet. Insofern werden bestimmte wirtschaftliche Arrangements nur dann als legitim angesehen, solange vorherrschende Gerechtigkeitsauffassungen nicht massiv verletzt werden. Jan Delhey (1998; 1999; 2001) kann auf der Grundlage der Daten des International Social Survey Programme (ISSP) von 1992 zeigen, dass in den postkommunistischen Staaten zumindest damals noch sehr viel egalitärere Einstellungen bestanden, vor allem, was die Rolle des Staates angeht. Insgesamt kann er vier Dimensionen der Einstellungen zur Ungleichheit identifizieren: Egalitarismus, Funktionalismus, Meritokrati79 Der Themenbereich wird zusätzlich im Rahmen desselben Projektes bearbeitet, in dem auch diese Arbeit entstand (vgl. Gerhards 2005: Kap. 5).

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2. Der Einfluss von Kultur auf die Wirtschaft

sche Einstellungen und „Ascription“ (Status-Zuschreibung). Mit Hilfe einer Clusteranalyse teilt er die untersuchten Länder in fünf Cluster mit je spezifischen Einstellungen gegenüber Ungleichheit ein. Ein erstes Cluster umfasst die angelsächsischen Länder Neuseeland, Kanada, die USA, Australien sowie Großbritannien, welche größtenteils durch Puritanismus bzw. Calvinismus geprägt wurden. Die Einkommensungleichheiten sind relativ hoch, die politische Kultur durch Liberalismus und Individualismus geprägt. Cluster 2 beinhaltet die skandinavischen Länder Norwegen und Schweden, lutheranisch-protestantisch geprägt, mit geringen Einkommensdifferenzen und sozialdemokratischen Wohlfahrtsmodellen. Slowenien, die Slowakei, Ungarn und die Tschechische Republik bilden ein drittes Cluster, katholisch geprägt. „All have made a clear break with communist regimes and are rather similar in terms of economic development“ (Delhey 1999: 11). Ein viertes Cluster (Italien, Österreich, Ost- und Westdeutschland, Polen) umfasst die konservativen Wohlfahrtsstaaten. In den meisten dieser Länder findet sich ein relativ starker Einfluss sowohl der katholischen Kirche als auch des Staates. Die Einkommensunterschiede liegen für Europa relativ hoch. Bulgarien schließlich bildet ein eigenes Cluster.80 Geprägt durch die orthodoxe Religion und einer an sich egalitären Tradition sind die Einkommensunterschiede seit 1989 rasant gestiegen. Auf der Grundlage dieser Befunde schließt sich Delhey der Meinung von Mason (1995) an, dass „values and attitudes in East European Countries are much closer to those in West Europe (...) than to those in the United States“ (Delhey 1999: 12). Insgesamt kann man festhalten, dass es eine große Menge an Einzelbefunden im Zusammenhang mit einer europäischen Wirtschaftskultur gibt, allerdings bisher weder im Zusammenhang mit entsprechenden Institutionen noch auf der Ebene der Werte ein gesamteuropäischer Vergleich vorliegt. Die zu findenden Ländereinteilungen sind stark vom gewählten Blickwinkel abhängig, auch wenn es durchaus immer wieder Ähnlichkeiten in den Gruppierungen gibt. Die in der vorliegenden Arbeit eingenommene Perspektive ist die der Wirtschaftskultur. Zwar gibt es mittlerweile ein relativ breit geteiltes Verständnis von Wirtschaftskultur als die auf den Wirtschaftsbereich bezogenen Werte und Normen der Menschen (vgl. z.B. Höhmann 1999b), eine umfassende Operationalisierung oder gar theoretische Fundierung fehlt aber bislang weitgehend. Aus diesem Grunde soll im nächsten Kapitel ein theoretischer Rahmen für die Analyse von Wirtschaftskulturen skizziert werden, der dann zur Anwendung kommt.

80

Diese Einteilung auf der Einstellungsebene ähnelt erstaunlich gut den Ergebnissen, zu denen Ebbinghaus aufgrund wirtschaftsstruktureller und -politischer Daten kommt (Ebbinghaus 1999). Allerdings sind hier zusätzlich osteuropäische Länder berücksichtigt.

2.4 Zusammenfassung

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2.4 Zusammenfassung In den vorangegangen Abschnitten wurde der Forschungsstand zum Thema Wirtschaft und Kultur anhand der für die weitere Untersuchung zentralen Punkte skizziert. Kulturelle Aspekte spielen demnach für die Wirtschaft eine wichtige Rolle. Die Annahme eines allein rational kalkulierenden, nutzenmaximierenden Akteurs scheint aus dieser Perspektive eine nicht zulässige Vereinfachung, will man wirtschaftliches Handeln in seiner Komplexität angemessen erklären. Ein kultureller Einfluss macht sich auf zwei Ebenen bemerkbar. Erstens sind die formalen Institutionen, die strukturelle Rahmbedingungen für wirtschaftliches Handeln setzen, darauf angewiesen, dass sie von den kulturell geprägten informellen Institutionen gestützt werden. Zweitens macht sich der kulturelle Faktor auf der Basis individuellen Wirtschaftshandelns bemerkbar. Auf der ländervergleichenden Ebene gibt es vor allem Studien anhand „harter“ Wirtschaftsstrukturen. Neben verschiedenen europäischen Gemeinsamkeiten zeigen sich hier immer noch deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern und verschiedenen Regionen. Die Umfrageforschung selbst bietet bisher nur Ergebnisse zu einigen Teilaspekten von Wirtschaftskultur. Einerseits wird die generelle Akzeptanz der Marktwirtschaft, andererseits werden Einstellungen zu Ungleichheit und sozialer Gerechtigkeit analysiert. Es zeigt sich dabei, dass es in den Transformationsstaaten zwar mittlerweile eine gestiegene Akzeptanz gibt, diese aber bei weitem noch nicht die breite Zustimmung in den westeuropäischen Ländern erreicht hat. Dies gilt in besonderem Maße für die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion. Auch im Bereich der Gerechtigkeitsvorstellungen zeigen sich Unterschiede zwischen Ost- und Westeuropa, vor allem im Hinblick auf egalitäre Einstellungen, welche im Osten deutlich stärker vertreten sind.

3. Wirtschaft und Kultur: Ein theoretischer Rahmen

„Economic processes have an irreducible ‚cultural’ component.“ (DiMaggio 1994: 27)

Bevor man sich der empirischen Beschreibung europäischer Wirtschaftskulturen zuwenden kann, sind zunächst einige theoretische Vorarbeiten vonnöten. Dies ist aus mehreren Gründen für das hier untersuchte Phänomen besonders wichtig. Erstens ist der Kulturbegriff einer der schillerndsten und unschärfsten Begriffe in den Sozialwissenschaften überhaupt. Es bedarf also einer genauen Abgrenzung des verwendeten Kulturkonzepts gegenüber anderen Verwendungen des Begriffs, um Unklarheiten zu vermeiden. Unter Kultur werden dabei die von den Mitgliedern einer Gesellschaft geteilten Werte verstanden. Zweitens ist nur vor einem theoretischen Hintergrund eine vernünftige Datenauswahl möglich und lassen sich die gefundenen Ergebnisse später auch sinnvoll interpretieren. Daher muss zusätzlich geklärt werden, was im Folgenden unter Wirtschaft verstanden werden soll. Drittens liegen, quasi als Kombination der beiden ersten Punkte, unter dem Begriff der „Wirtschaftskultur“ bereits diverse Konzepte vor, die sich in ihrer Herangehensweise z.T. deutlich unterscheiden. Viele dieser Konzepte sind zusätzlich in ihrer empirischen Aussagekraft relativ begrenzt. Eine theoretische Grundlegung und Klärung des hier verwendeten Begriffs von „Wirtschaftskultur“ ist daher unerlässlich. In einem kurzen Abschnitt soll zudem der Bezug auf die erweiterte Europäische Union begründet werden. 3.1 Der Kulturbegriff Der Kulturbegriff hat in den letzten Jahren in den Sozialwissenschaften einen enormen Boom erfahren.81 Diese Mode hat allerdings wenig zu einer befriedigen-

81 Die absolute Anzahl von in den Sociological Abstracts verzeichneten Arbeiten, die das Wort „culture“ im Titel aufführen, hat sich von 256 (1960-64) auf 4385 (1995-99) erhöht. Relevant ist aber natürlich der relative Anteil, da im gleichen Zeitraum auch die absolute Anzahl der Veröffentlichungen um etwa den Faktor 10 zugenommen haben:

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3. Wirtschaft und Kultur: Ein theoretischer Rahmen

den oder gar einheitlichen Definition des Begriffs geführt. Kroeber und Kluckhohn haben bereits Anfang der fünfziger Jahre annähernd dreihundert Definitionen gesammelt (1952). Es ist aber für die eigene empirische Arbeit unerlässlich, sich für eine bestimmte Definition zu entscheiden. „If we are to take advantage of the potential of cultural analysis, we must define our terms carefully“ (DiMaggio 1994: 27). Diese Festlegung hat natürlich Auswirkungen auf die Methoden- und Datenauswahl und damit die möglichen Ergebnisse der Forschung. Insofern ist sie begründungspflichtig. Im folgenden Abschnitt soll daher erstens das gewählte Kulturkonzept genauer vorgestellt, und zweitens seine Sinnhaftigkeit dargelegt werden.82 Die folgende Definition stützt sich dabei auf eine breite Akzeptanz in den Sozialwissenschaften. „Culture conceived as the shared assumptions of a group is a conception that has acquired widespread acceptance” (Barnes 1994: 46; vgl. auch Klamer 2003). 3.1.1 Ein soziologisches Kulturkonzept In der Soziologie findet weder ein ganz breiter noch ein ganz enger Kulturbegriff große Verwendung. Stattdessen ist ein auf mittlerer Ebene angesiedeltes Kulturkonzept am verbreitetsten, welches Kultur vor allem als aus den Werten, den Ideen und den Vorstellungen der Menschen bestehend ansieht, die von einer Gesellschaft oder Gruppe geteilt werden (Gerhards 2000a). Als Kern jeder Kultur werden die immateriellen Aspekte angesehen, die materiellen Artefakte und Symbole meist nur als Ausdruck derselben. So kommen Kroeber und Kluckhohn in der Zusammenschau

Zeitraum 1960-64 1965-69 1970-74 1975-79 1980-84 1985-89 1990-94 1995-99 2000-aktuell

Absolute Zahl von Titeln mit „culture“ 256 353 391 583 1262 1701 2849 4385 1523

Anteil von Titeln mit „culture“ (in %) 1,5 1,3 1,2 1,1 1,6 1,8 2,3 2,7 2,4

(Analyse vom 17. Sep. 2003 in der CD-Rom-Datenbank der Universitätsbibliothek Leipzig.) Wie man sieht, gab es in den 70ern einen Rückgang des Kulturbegriffs, vor allem Ende der 90er war er dagegen am häufigsten anzutreffen. Wie es scheint, ist der Boom allerdings wieder am abflachen. Der Begriff ist damit wesentlich populärer als z.B. der Begriff „Globalisierung“ (vgl. Gerhards und Rössel 1999: 325 f., dort wurde sogar breiter nach Stich- und Schlagwort gesucht, dennoch kommt der Begriff trotz eines enormen Anstiegs in den 90ern nicht wesentlich über die 1,5% hinaus.). 82 Eine sehr gute Darstellung dessen, was im Folgenden unter Kultur verstanden werden soll, findet sich bei Gerhards (2005). Die hier gemachten Ausführungen werden sich daher auf diejenigen Punkte beschränken, die für das Konzept von Wirtschaftskultur und die empirischen Analysen zentral sind.

3.1 Der Kulturbegriff

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ihrer gesammelten Definitionen zu dem Ergebnis: „The essential core of culture consists of traditional (= historically derived and selected) ideas and especially their attached values“ (Kroeber und Kluckhohn 1952: 34).83 Wenn man Werte als den zentralen Bestandteil des Kulturkonzeptes nimmt, ist, was die Klarheit des Begriffs angeht, noch nicht viel gewonnen, denn der Wertbegriff ist fast genauso unscharf wie der Kulturbegriff.84 Allerdings gibt es einige Definitionen und Forschungen, an die man sinnvoll anknüpfen kann. Eine klassische Definition (Thome 2003: 6; vgl. auch Immerfall 1995: 72), auf die sich oft in der Wertewandelsforschung bezogen wird, liegt von Clyde Kluckhohn vor. Ein Wert ist danach „eine Auffassung vom Wünschenswerten, die explizit oder implizit sowie für ein Individuum oder für eine Gruppe kennzeichnend ist und welche die Auswahl der zugänglichen Weisen, Mittel und Ziele des Handelns beeinflußt“ (deutsche Übersetzung zitiert nach Klages 1998: 698; Original in Parsons und Shils 1962). Diese Definition beinhaltet zwei Aspekte, die es genauer zu erläutern gilt. Kluckhohn geht erstens davon aus, dass Werte sowohl für ein Individuum als auch für eine ganze Gruppe kennzeichnend sein können. Man kann mit Jan van Deth und Elinor Scarbrough (1995) argumentieren, dass Werte zwar individuell angeeignet, aber gleichzeitig sozial vermittelt und daher Kennzeichen einer übergelagerten Ebene sind: „It is from participation in a group, or membership of a community, that individuals come to their distinctive values“ (Boudon und Bourricaud 1992: 659; vgl. auch Krewer und Eckensberger 1991; Liegle 1991). Helmut Thome (2003) spricht in diesem Zusammenhang von sozialer Generalisierung. Die hier verwendete Definition von Kultur bezieht sich vor allem auf im nationalen Rahmen geteilte Werte. Die Verankerung der Werte im Individuum erlaubt es dabei allerdings überhaupt erst, auf der Grundlage von Umfragen Rückschlüsse über die Kultur zu ziehen (z.B. Kaase 1982: 155). Ein zweiter Punkt der Kluckhohnschen Definition ist der Einfluss der Werte auf das Handeln. „Culture as conceptualized in this manner thus excludes behavior but includes perceptions of behavior” (Barnes 1994: 46). Auch wenn die Werte das Handeln der Individuen nicht determinieren, so nehmen sie doch einen wichtigen Einfluss darauf. „In den Werten müssen die allgemeinsten Grundprinzipien der Handlungsorientierung und der Ausführung bestimmter Handlungen gesehen werden“ (Schäfers 1995: 31; Klages 1989). Dieser Zusammenhang lässt sich empirisch nachweisen. So kann Stephen J. Kraus in einer Meta-Analyse zeigen, dass „attitudes significantly and substantially predict future behavior” (1995: 58).85 83 Ähnlich Schäfers (1995: 31), Erez und Earley (1993), Wiswede (1991), Casson und Godley (2000b) oder Hillmann (1988). 84 Zu einer Kritik an einem wertebasierten Kulturbegriff und einem alternativen Konzept siehe z.B. Swidler (1986). 85 Der Einfluss der Werte auf das Handeln ist also selbst eine empirische Frage. Die sehr heterogenen Befunde, die Kraus berichtet (1995: 70), werden z.B. in der Diskussion um die High- und Low-Cost-

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3. Wirtschaft und Kultur: Ein theoretischer Rahmen

Dass der Mensch auf Werte als Handlungsorientierung angewiesen ist, lässt sich u.a. mit seiner Instinktreduktion erklären. So beschreibt Arnold Gehlen (1961: 44-54), unter Rückgriff auf Herder, den Menschen als ein „Mängelwesen“, welches nicht mehr allein triebgesteuert ist, sondern darüber hinaus als Sozial- und Kulturwesen einer „zweiten Natur“ bedarf, die notwendige Selektionsprozesse steuert.86 Diese Selektionsprozesse enthalten neben anderem immer auch eine Wertkomponente (Deth und Scarbrough 1995b: 30).87 Den Zusammenhang zwischen Handeln und Werten stellt van Deth (1995: 5 ff.) über ein relativ einfaches Modell her, in dem die Werte der Individuen ihre Einstellungen und Verhaltensintentionen beeinflussen, welche wiederum im Rahmen der Handlungsmöglichkeiten das realisierte Handeln mit bestimmen. Verschiedene Autoren knüpfen an die Kluckhohnsche Definition an und nehmen sinnvolle Ergänzungen vor. Für van Deth und Scarbrough sind Werte „non-empirical – that is, not directly observable” (Deth und Scarbrough 1995b: 22). Werte werden also als nicht direkt beobachtbar angesehen, sondern als heuristisches Konzept eingeführt. Werte werden als Orientierungen interpretiert, die konkretere Einstellungen prägen.88 Einstellungen sind demnach nicht unabhängig voneinander, sondern werden durch die dahinterliegenden Werte „beschränkt“ und zu Mustern verbunden. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Begriff der „value orientations“ zu, der eine Analyse von Werten über die empirische Betrachtung von Einstellungen ermöglicht.89 „The summary measure for patterned attitudes is what we term ‘value orientations’“ (Deth und Scarbrough 1995b: 41). Um von Einstellungen auf Werte rückschließen zu können, bedarf es allerdings zweier Voraussetzungen. Erstens müssen die fraglichen Einstellungen tatsächlich einem einheitlichen Muster folgen, zweitens muss dieses Muster auch theoretisch interpretierbar sein. Im Sinne eines deduktiven Vorgehens in der vorliegenden Arbeit wird die theoretische Dimensionierung in den nächsten Abschnitten erfolgen. Die Frage nach einem einheitlichen Muster wird dann im empirischen Teil der Arbeit behandelt. Gerhards knüpft an die Ausführungen von Deth und Scarbrough an und spezifiziert sie in einigen Punkten (Gerhards 2000a; Gerhards 2005). Insbesondere Hypothese thematisiert (vgl. Dieckmann und Preisendörfer 1992). Es ist daher sinnvoll, diesen Einfluss nicht als Teil der Definition zu verwenden. 86 Parsons formuliert es positiv, wenn er vom Menschen spricht, „der sich von anderen Lebewesen durch seine Fähigkeit unterscheidet, schöpferisch zu sein, zu lernen und Symbolsysteme (Kultur) in der Form von Sprache und anderen Mitteln zu gebrauchen. So gesehen sind alle menschlichen Gesellschaften ‚kulturell’“ (Parsons 1996: 10). 87 Auch Bürklin et al. verstehen unter einem Wert eine „Konzeption des Wünschenswerten (...), die bei der Auswahl zwischen Alternativen als Selektionsstandard dient“ (Bürklin et al. 1994: 581). Vgl. auch Esser (1999) oder, mit Verweis auf Luhmann, Thome (2003). 88 Wobei Deth und Scarbrough ausdrücklich darauf hinweisen, dass es sich um eine reziproke Beziehung handelt (1995: 33). 89 Vgl. hierzu auch die Anmerkungen bei Thome (2003: 12).

3.1 Der Kulturbegriff

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konkretisiert er die bei van Deth und Scarbrough nur angerissene Frage nach dem relationalen Charakter von Werten. Werte stellen danach eine Beziehung zwischen Subjekten (den „Trägern“ der Werte) und Objekten (dem „Wünschenswerten“) her. Die Objekte werden von den Subjekten „bewertet“. Entsprechend lassen sich auch verschiedene kulturelle Sphären unterscheiden, je nachdem, auf welches Objekt sich diese Bewertungen beziehen. Zudem weist Gerhards im Anschluss an verschiedene andere Autoren auf die zeitliche Stabilität von Werten hin. Thome (2003) spricht hier von zeitlicher Generalisierung. William Mishler und Detlef Pollack (2003) weisen richtigerweise darauf hin, dass die Beurteilung der Stabilität von Kultur stark vom verwendeten Kulturbegriff abhängt. Sie spannen ein Kontinuum zwischen einem „dicken“ und einem „dünnen“ Verständnis von Kultur auf. Die hier verwendete Definition von Kultur als Werte und Deutungsmuster, die von einer Gesellschaft oder relevanten Subgruppen geteilt werden, liegt dabei auf einer mittleren Ebene und weist eine relative Stabilität auf (Inglehart 1997: 15; Inglehart 1989: 14; Kroeber und Kluckhohn 1952). Die Stabilität wird z.B. durch die Inkorporation der Kultur in Symbole, Artefakte und Rituale, aber auch Institutionen gewährleistet. Aus soziologischer Perspektive wird vor allem der Sozialisationseffekt betont.90 „Cultures do not change overnight. Once they have matured, people tend to retain whatever worldview they have learned” (Inglehart 1997). Dies führt Inglehart zu der Annahme, dass kultureller bzw. Wertewandel vor allem durch das Nachwachsen von Generationen stattfindet.91 Kultur wird zwar „mittels Lehre und Nachahmung von einer Generation auf die nächste“ (North 1998: 44) übertragen. Diese Übertragung geschieht allerdings nicht vollständig. Mannheim hat schon 1928 darauf hingewiesen, dass sich durch das „stete Neueinsetzen der Kulturträger“ (Mannheim 1964: 530) kultureller Wandel vollziehen kann. Da zu einem bestimmten Zeitpunkt verschiedene Generationen gleichzeitig leben, geht ein solcher Wandel allerdings nur sehr langsam vor sich. Mit Blick auf die Ökonomie heißt das: „Die Veränderungen im Bereich des ökonomischen Systems sind relativ schnell durchzuführen. Die Veränderungen im Rahmen der Wirtschaftskultur vollziehen sich schrittweise und viel langsamer“ (Ondrcka 2001: 299). Diese Annahmen werden durch aktuelle empirische Studien gestützt. So kommt Inglehart aufgrund umfangreicher empirischer Belege zu dem Schluss, dass Kulturen relativ stabil sind, sich im Zeitverlauf aber doch ändern (Inglehart 1997; Inglehart und Baker 2000; vgl. auch Meulemann und Birkelbach 2001; Neurauter 1998; eher skeptisch Klages 1988; Deth 1983; Jagodzinski 1985; Kohler 1998). Seine 90

Pollack et al. sprechen von der „hypothesis of socialization” (2003a: xv). Obwohl seine These im Prinzip auf der Individualebene angesiedelt ist, testet Inglehart sie nur auf der Makroebene. Zudem mangelt es ihm an einer dezidierten Bestimmung der Prägephase (vgl. Dalton 1977). Allerdings wird es an der Art der prägenden Ereignisse liegen, wann die menschliche Natur dafür am empfänglichsten ist (vgl. Rintala 1963: 513; Fogt 1982: 57 ff.; Hölscher 1999). 91

60

3. Wirtschaft und Kultur: Ein theoretischer Rahmen

Daten belegen die These von einem intergenerationellen Wertewandel. Seit den Studien von Philip E. Converse (1970) wird in der Literatur allerdings immer wieder das Phänomen diskutiert, dass sich zwar auf der aggregierten Länderebene eine gewisse kulturelle Stabilität zeigt, auf der individuellen Ebene jedoch diese Stabilität scheinbar deutlich geringer ist. Das Problem konnte lange Zeit aufgrund fehlender Panelerhebungen nicht wirklich gelöst werden (Kaase 1986). Neuere Untersuchungen von Längsschnittdaten mit Hilfe von fortgeschrittenen Datenanalysemethoden (Strukturgleichungsmodelle, Mehrebenenanalysen) zeigen aber, dass grundlegende Wertorientierungen sowohl auf der Aggregat- als auch auf der Individualebene relativ stabil sind (Inglehart 1989: 138-168; Klein und Pötschke 2004; Kohn und Schooler 1982; Maag 1992). Mit Gisela Maag kann man daher festhalten: „Werte sind also (...) tatsächlich relativ stabil verankert, insbesondere soweit sie auf allgemeinen Überzeugungen beruhen“ (1992: 639). Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass bestimmte Werte zeitlich deutlich stabiler sind als andere, ohne dass dies bisher empirisch ausführlicher analysiert worden wäre (Bürklin et al. 1994; Conradt 1980). Neurauter liefert aber immerhin eine nutzentheoretische Begründung, warum einige Werte stabiler sind als andere. Sie argumentiert, dass Werte, die große Investitionen nach sich ziehen (etwa „Kinder haben“) eine größere Stabilität aufweisen als solche, die nur geringe direkte Folgen haben (Neurauter 1998: 21 f.). Ein weiterer Grund für die Stabilität von Werten auf der individuellen Ebene ist sicherlich ihre Funktion als handlungsanleitende Orientierung (Deth und Scarbrough 1995b: 29 ff.). Die zeitliche Generalisierung (Thome 2003) führt zu einer Reduktion von Komplexität und Unsicherheit. „Gäbe es keine solchen Prinzipien langfristiger Gültigkeit für das Individuum, müßte es immer wieder neue Bewertungen seiner eigenen Handlungen, seiner Umwelt und möglicher Handlungsalternativen gewinnen“ (Neurauter 1998). Festzuhalten ist für das hier verwendete Konzept von Kultur, dass es zwar nicht von einer absoluten, aber doch relativen Stabilität der Kultur ausgeht.92 Diese Stabilität findet sich einerseits innerhalb der Individuen selbst, deren Werte und Deutungsmuster vor allem durch die Sozialisation in Kindheit und Jugend geprägt wurden, andererseits auf der gesellschaftlichen Ebene, wo vor allem verschiedene Institutionen dafür sorgen, dass das „shared system of ultimate values as an element in any society“ (Aberle 1950: 495) sich nicht radikal wandelt.

92 Die Stabilität der Kultur ist selbst eine empirische Frage und vermutlich abhängig von äußeren Gegebenheiten. Der Begriff der „traditionalen Gesellschaften“ verweist darauf, dass im allgemeinen davon ausgegangen wird, dass die Kultur in solchen Gesellschaften stabiler ist als in modernen „individualisierten“ Industriegesellschaften. Als „Motor sozialen Wandels“ (und in dessen Folge auch kulturellen Wandels) wird dabei häufig die technische Entwicklung angesehen (Ryder 1965: 851). Aber, wie Ergebnisse der Wirtschaftskulturforschung ergeben, ist technologische Innovationskraft selbst auch wieder von kulturellen Faktoren abhängig (z.B. Dorner 2000: 194 ff.).

3.1 Der Kulturbegriff

61

Neben einer zeitlichen Stabilität lassen sich Werte aber auch als situationsübergreifend stabil bzw. als sachlich generalisiert begreifen (Thome 2003). Während Einstellungen sich auf konkrete Objekte oder Handlungen beziehen, sind abstrakte Werte für eine Vielzahl von Situationen handlungsorientierend. Es ist allerdings sinnvoll, bestimmte Wertebereiche zu differenzieren (z.B. Panther 2001; Deth und Scarbrough 1995b: 35 ff.).93 Folgt man Weber, so lassen sich unterschiedliche Wertsphären identifizieren, in denen je bereichsspezifische Werte Geltung beanspruchen (Weber 1988: 536 ff.). Er geht davon aus, dass sich im Laufe der Modernisierung und der damit einhergehenden Ausdifferenzierung von Gesellschaften verschiedene Wertsphären entwickelt haben, die gesellschaftlichen Teilbereichen entsprechen. Diese Wertsphären sind etwa Kunst, Politik, Religion oder auch Wirtschaft. Die Werte innerhalb dieser Sphären hängen zusammen und entwickeln eine Eigenlogik, während die einzelnen Bereiche relativ unabhängig voneinander sind. Die Werte erfahren also im Zuge der Modernisierung ebenfalls eine Ausdifferenzierung, so dass man die Teilbereiche auch unabhängig voneinander untersuchen kann.94 Das klassische Beispiel dafür ist die Religion bzw. die Säkularisierung: Die religiösen Werte können zwar für den Einzelnen weiterhin wichtig sein, aber sie haben immer weniger Anspruch auf die Sinnstrukturierung in anderen Lebensbereichen, etwa der Politik.95 Neben diesen eher theoretischen Ansätzen hat sich in der Empirie bestätigt, dass es sinnvoll ist, die Analyse in bestimmte Teilbereiche aufzugliedern. Die Dimensionierung des Werteraumes ist dabei eine nicht ganz einfache Angelegenheit.96 Im allgemeinen wird die Einteilung nicht explizit thematisiert, sondern orientiert sich an der Reichweite der Fragestellung. Häufig findet sich allein eine Aufzählung verschiedener Bereiche, ohne dass auf Vollständigkeit oder theoretische Konsistenz geachtet wird (z.B. die Auflistung in Halman 2001: 3). Eine umfassende Einteilung und saubere Trennung der Bereiche ist allerdings auch weder theoretisch noch empirisch tatsächlich machbar. Einige Autoren helfen sich daher mit der Identifikation besonders zentraler Wertebereiche (z.B. Immerfall 1997). Die meisten Versuche einer Dimensionierung des Werteraumes identifizieren dabei die Wirtschaft als eine zentrale Wertsphäre, die sich besonders trennscharf abgrenzen lässt. 93

Je abstrakter die Werte sind, umso eher dürften sie auch bereichsübergreifend sein. Sehr viel weiter geführt wurde diese Idee unterschiedlicher gesellschaftlicher Sphären durch den Strukturfunktionalismus bei Parsons (Parsons 1996; Parsons und Shils 1962) und später durch die Systemtheorie, vor allem von Niklas Luhmann (1994; 1999a). Zumindest bei Parsons findet man auch einen starken Bezug auf Werte (1935; 1996). 95 Genau daraus resultiert z.B. der Vorwurf an den religiösen Fundamentalismus: Er begnügt sich nicht damit, Religion als solche als wichtig zu propagieren, sondern versucht gleichzeitig den Einfluss der Religion auf andere Sphären (Familie und Partnerschaft, Politik etc.) auszuweiten. 96 Dabei sind auch Dimensionen quer zu den gesellschaftlichen Teilbereichen, wie sie hier dargestellt wurden, möglich. Eine empirische Einteilung hat Hofstede (1993; 2001) vorgelegt. Ebenfalls einen empirisch sehr interessanten Ansatz vertreten die Studien von Schwartz et. al. (1992; 1994; 1995). 94

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3. Wirtschaft und Kultur: Ein theoretischer Rahmen

Der hier verwendete Kulturbegriff stützt sich stark auf zeitlich stabile Werte als „Vorstellungen des gesellschaftlich Wünschenswerten“, die als Handlungsorientierungen für die Akteure dienen. Es ist theoretisch und empirisch sinnvoll, Kultur als bereichsspezifisch zu begreifen. Die Wirtschaft wird als ein zentraler Wertebereich moderner Industriegesellschaften begriffen. Im Folgenden wird daher genauer erklärt, was hier unter Wirtschaftskultur verstanden werden soll. 3.2 Wirtschaftskultur Nachdem nun die wichtigsten Merkmale des allgemeinen Kulturbegriff eingeführt wurden, kann man auf dieser Folie ein Konzept von Wirtschaftskultur entwickeln. In dieser Arbeit wird der Begriff der Wirtschaftskultur aus mehreren Gründen verwendet. Einerseits wird die Untersuchung damit in eine bestimmte Tradition der Wirtschaftssoziologie gestellt, die sich auf eine gegenseitige Befruchtung wirtschaftswissenschaftlicher und soziologischer Ansätze stützt und bisher eine ganze Reihe interessanter Ansätze und Ergebnisse hervorgebracht hat (Granovetter und Swedberg 2001; Smelser und Swedberg 1994a; Blümle et al. 2004). Die Ökonomie wird dabei als Teil des gesellschaftlichen Systems gesehen. Zweitens ist der in ähnlichen Zusammenhängen manchmal auftauchende Begriff der Wirtschaftsethik häufig normativ aufgeladen. Außerdem ist der Ethik-Begriff meist wesentlich enger angelegt als der der Kultur.97 Drittens schließlich erlaubt der Kulturbegriff in der hier verwendeten Fassung eine relativ saubere empirische Operationalisierung, gleichzeitig besitzt er aber eine gewisse Offenheit, die die Analysen in verschiedenen Richtungen hin anschlussfähig machen. Wirtschaftskultur lässt sich „durch die Zuordnung zu einem abgrenzbaren Subsystem (Wirtschaftsordnung) von der Landeskultur oder der Unternehmenskultur abgrenzen“ (Petzold 2002: 77). Gleichzeitig ist sie aber „Bestandteil der Landeskultur“ (ebd.). Der erste Schritt zur Definition von Wirtschaftskultur ist daher zunächst die Definition dieses Subsystems bzw. eines Begriffs von Wirtschaft. 3.2.1 Der Wirtschaftsbegriff Oben wurde darauf hingewiesen, dass Werte eine relationale Beziehung zwischen den (wirtschaftlichen) Akteuren und einem Objekt, in diesem Falle der Wirtschaft, herstellen. Im Folgenden soll nun dieses Objekt genauer spezifiziert werden.

97

Webers „Protestantische Ethik“ ist hier die große Ausnahme.

3.2 Wirtschaftskultur

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Im alltäglichen Umgang hat man zunächst den Eindruck, dass relativ eindeutig ist, was unter Wirtschaft bzw. Wirtschaftssystem verstanden werden kann.98 Bei genauerer Betrachtung ist eine klare Begriffsdefinition allerdings gar nicht so einfach. Häufig findet sich eine an Weber anknüpfende Vorstellung von Wirtschaft als „Inbegriff der Maßnahmen und Einrichtungen eines Einzelnen, einer Gruppe oder aller zur Bereitstellung und (oder) Verwaltung knapper ‚Güter’“ (Weisser 1956; vgl. auch Klein 2003; Weber 1985: 199). Günter Ropohl weist auf Probleme dieser Definition von Wirtschaft hin, die ihm zu sehr auf den Aspekt der Knappheit abhebt (1987: 138).99 Er kommt schließlich, im Anschluss an Schumpeter, zu folgender Definition: „Wirtschaftliches Handeln soll eine friedliche Ausübung von Verfügungsgewalt heißen, welche den Tausch begehrter Sachgüter, Dienstleistungen und Rechte (vor allem auch: Zahlungsmittel) vorbereitet und ausführt“ (ebd.: 139).100 Folgt man dieser Definition von wirtschaftlichem Handeln und den Annahmen der Wirtschaftssoziologie, dass Wirtschaft ein Teilsystem der Gesellschaft ist, so ergibt sich Wirtschaft als derjenige gesellschaftliche Bereich, in dem wirtschaftliches Handeln stattfindet. Die Ökonomie ist also „als ein gesellschaftliches Subsystem zu sehen, in dem Interaktionen zum Zwecke der Produktion, des Tauschs und des Konsums von Gütern stattfinden, stabilisiert von den relevanten kulturellen Schemata der Akteure, diese aber auch ihrerseits wiederum stabilisierend“ (Panther 1999: 26). Die Wirtschaftswissenschaften bzw. die Politische Ökonomie haben zur Klärung des Begriffs der Wirtschaft weitere Konzepte eingeführt, die auch für die vorliegende Arbeit von Nutzen sind: Wirtschaftssystem, Wirtschaftsordnung und Wirtschaftsverfassung (Eucken 1949; Ritter 1999; Rupp 1982; Weber 1997b; Thieme 1999; 1987; Arentzen 1991; Hensel 1992). „Das Wirtschaftssystem umfaßt erstens die wirtschaftlichen Elemente, d.h. die natürlichen und sachlichen Ressourcen sowie die Menschen in ihrer Rolle als Produzenten und Konsumenten, zweitens die wirtschaftlichen Beziehungen, d.h. die Produktions-, Verteilungs- und Konsumprozesse in und zwischen den Wirtschaftseinheiten, und drittens die wirtschaftliche Ordnung oder Organisation, die sich aus der Summe der für den Wirtschaftsprozeß verbind98 Der Begriff des Wirtschaftssystems ist vor allem seit Sombart in Deutschland fest etabliert (Ritter 1999: 123) und umfasst denjenigen Teilbereich der Gesellschaft, in dem die Wirtschaft verortet ist. Wirtschaft und Wirtschaftssystem werden in dieser Arbeit synonym verwandt. Der Begriff des Wirtschaftssystems konnotiert allerdings stärker eine gewisse Abgeschlossenheit bei gleichzeitigem Bezug auf die gesellschaftliche Umwelt (Luhmann 1999b). 99 Tuchtfeldt ist hingegen der Meinung, dass die Knappheit der Güter zentral ist: „Gäbe es nämlich eine ‚Gesellschaft im Überfluss’, dann bedürfte es keiner ökonomischen Überlegungen mehr“ (1982: 329). Es ist allerdings fraglich, was man in diesem Zusammenhang unter „Überfluss“ zu verstehen hat. Zum Knappheitsproblem finden sich weitere Ausführungen bei Hahn (1987). 100 Die Begriffe „Verfügungsgewalt“ und „begehrt“ werden dabei von Weber übernommen. Polanyi kritisiert allerdings diese Gleichsetzung von Wirtschaft und Tausch, da es in der Geschichte unzählige Beispiele für die Ressourcenansammlung etwa über Reziprozität oder Umverteilung gibt (Polanyi 1979: 211).

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3. Wirtschaft und Kultur: Ein theoretischer Rahmen

lichen rechtlichen und institutionellen Regelungen konstituiert. Derjenige Teil dieser Regelungen, der in der Verfassung, in Rechtswerken oder Verordnungen in Form geschriebener und verbindlicher Regelungen normiert ist, etabliert die Wirtschaftsverfassung“ (Dichtl und Issing 1987: 2095). Wie in den nächsten Abschnitten gezeigt wird, ist vor allem der Begriff der Wirtschaftsordnung im vorliegenden Zusammenhang zentral, da sie einerseits strukturbestimmend für das Wirtschaftssystem (Cassel 1984b: 9) und andererseits anknüpfungsfähig für kulturelle Erklärungen ist.101 Die Wirtschaftsordnung ist der durch die Politik vorgegebene formale institutionelle Rahmen für das Wirtschaftshandeln. Wie oben gezeigt wurde, sind diese formalen Institutionen einerseits selbst langfristig kulturell mit geprägt, andererseits, und dies ist für die vorliegende Arbeit zentraler, gibt es ein Wechselspiel mit den informellen Institutionen und den kulturellen Orientierungen der Wirtschaftsakteure (vgl. auch Wentzel und Wentzel 2000a). Die formalen Institutionen funktionieren erstens nur dann gut, wenn sie von den informellen Institutionen unterstützt werden, zweitens honorieren die formalen Institutionen ganz bestimmte individuelle Handlungsorientierungen und bestrafen andere. Diese beiden Zusammenhänge sollen im Folgenden genauer expliziert werden. 3.2.2 Das Verhältnis von Wirtschaft und Kultur Die verschiedenen Wechselverhältnisse von Kultur und Wirtschaft in einem breiten Verständnis sind so umfangreich, dass sie natürlich nicht in einer einzigen Studie analysiert werden können, erst recht nicht im internationalen Vergleich. Daher ist eine gewisse Engführung der Fragestellung notwendig. Sie ergibt sich aus den beiden Definitionen des allgemeinen Kultur- und des Wirtschaftsbegriffs. Kultur wird hier, wie weiter oben ausgeführt wurde, vor allem als die Gesamtheit der zeitlich relativ stabilen, gemeinsam geteilten Werte der Individuen verstanden.102 In der Wirtschaftskultur stellen diese Werte eine relationale Beziehung zwischen den Wirtschaftsakteuren als den Trägern der Kultur und dem Bereich der Wirtschaft als Objekt der „Bewertung“ her. Die Wirtschaftskultur umfasst damit die Vorstellungen der Bürgerinnen und Bürger von einer wünschenswerten Gestaltung des Wirtschaftslebens.103 Als Handlungsorientierungen beeinflussen diese Vorstel101

Einige der wichtigsten frühen Ansätze zur Wirtschaftskultur entstanden daher auch im Umfeld des Ordoliberalismus, der die zentrale Rolle der Wirtschaftsordnung betont. 102 Zur Rolle kulturell geprägter Deutungsmuster in der Wirtschaft, die hier ausgespart bleibt, siehe Rössel und Hölscher (2005). 103 Eine sehr ähnliche Verwendung des Begriffs findet sich bei den meisten Autoren im Bereich der Wirtschaftskulturforschung (z.B. Hofstede 2001; Höhmann 1999b; Granato et al. 1996; Grünewald 1994; Klamer 2003; Kunz 2000).

3.2 Wirtschaftskultur

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lungen einerseits die Akzeptanz der Wirtschaftsordnung, andererseits aber auch das individuelle Verhalten innerhalb des Wirtschaftsprozesses. Die folgende Grafik veranschaulicht die Zusammenhänge zwischen Kultur und Wirtschaft auf der europäischen Ebene stark vereinfacht. Abbildung 1:

Das Verhältnis von Kultur und Wirtschaft

Kultur Werte, Normen, Deutungsmuster Wirtschaftskultur gemessen über Einstellungen

hat geprägt; Randbedingung für Vertiefung

Wirtschaftsordnung (der EU) gibt Rahmen ab für:

beeinflusst Akzeptanz

Wirtschaftsprozess

ermöglicht erfolgreiches Handeln

Der linke Kasten enthält die kulturellen Einflüsse. Als ein ausdifferenzierbarer Teil der Kultur lässt sich die Wirtschaftskultur identifizieren. Im Anschluss an Deth und Scarbrough (1995) werden die Wertorientierungen über die Messung von Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger operationalisiert. Auf der rechten Seite findet sich die Engführung des Wirtschaftssystems auf die Wirtschaftsordnung und den Wirtschaftsprozess. Kernstück der europäischen Wirtschaftsordnung ist die Wirtschaftsverfassung. Sie findet sich vor allem in den Gesetzestexten der Verfassung und der Verträge der EU.104 Da es sich bei der nationalen Gesetzgebung mittlerweile vor allem um die Umsetzung europäischen Rechts handelt, wird ökonomisches Handeln in Europa stark durch diese Wirtschaftsverfassung der EU geprägt (Lepsius 1999; Lane 2002). „Der Prozeß der europäischen Vergemeinschaftung hat eine neue ökonomisch-politische Ordnung mit normativem Gehalt und unmittelbarer Wirkung auf die Lebensbedingungen der Menschen, die innerhalb ihres Geltungsund Kompetenzbereichs wohnen, ins Leben gerufen. Damit ist ‚Europa’ zu einem konkreten Bezugsobjekt für einen Prozeß der Identitätsbildung und Selbstbeschreibung geworden“ (Lepsius 1997: 949). Die Kultur beeinflusst die Wirtschaft dabei auf mindestens drei Ebenen: a) Die europäische Gesamtkultur hat die Wirtschaftsordnung der EU mit geformt. „Wirtschaftsordnungen sind sittliche, rechtliche und morphologische Gebil104

Siehe dazu die Ausführungen in Kap. 4.3.1.

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3. Wirtschaft und Kultur: Ein theoretischer Rahmen

de. – Jede konkrete Ordnung ist charakterisiert durch herrschende Sitten und Gebräuche“ (Hensel 1977: 3). Historische Erfahrungen, nationalstaatliche Traditionen, Regelungen im Sozial- und Familienbereich, all dieses hat die Gestaltung der europäischen Wirtschaftsordnung beeinflusst und mit zu dem gemacht, was sie heute ist. Auch für die Zukunft gilt, dass eine Vertiefung der europäischen Integration im Bereich der Wirtschaft Rücksicht auf die kulturellen Traditionen in Europa nehmen muss. Diese Zusammenhänge sind allerdings aufgrund ihrer großen Komplexität ausgesprochen schwierig zu bestimmen, noch schwieriger zu quantifizieren (vgl. aber Fligstein und Mara-Drita 1996; Fligstein 2001; Stone Sweet 2002). Der Einfluss kultureller Faktoren auf die Genese der Wirtschaftsordnung wird daher hier nicht weiter verfolgt, wodurch sich auf einen engeren Begriff von Wirtschaftskultur beschränkt werden kann.105 b) Kultur in einem engeren Sinne beeinflusst direkt die Akzeptanz der Wirtschaftsordnung. Es wird davon ausgegangen, dass das Funktionieren und die Stabilität einer Wirtschaft maßgeblich von der Kongruenz zwischen der durch die Wirtschaftsordnung implementierten Struktur und der in einer Gesellschaft vorherrschenden Wirtschaftskultur abhängt.106 „Organisation und kulturelles Umfeld müssen kompatibel sein“ (Dorner 2000: 136; vgl. auch Fukuyama 1995: 27 ff.; Putnam et al. 1994: 83 ff.). c) Auf einer dritten Ebene ermöglicht eine bestimmte Kultur erst erfolgreiches Handeln im Wirtschaftsprozess. Welche kulturellen Elemente in einem bestimmten System zum Erfolg führen, hängt dabei u.a. wieder von der Wirtschaftsordnung ab. Inglehart etwa weist darauf hin, dass eine hohe Leistungs- und Wettbewerbsorientierung in vorindustriellen Gesellschaften ohne ein ausgeprägtes Wirtschaftswachstum nicht akzeptiert wurde, da Gewinne des Einen immer zu Lasten anderer gingen (Inglehart 1997: 219). Wenn man Wirtschaftskultur im Sinne von Werten als Vorstellungen des Wünschenswerten konzipiert, die eine Relation zwischen den Individuen als Trägern dieser Werte und der Wirtschaft als Objekt der Bewertung herstellt, dann sind vor allem die letzten beiden Ebenen von Bedeutung. Wirtschaftskultur bezieht sich dann einerseits auf die Bewertung der Wirtschaftsordnung bzw. Verfassung, die den 105

Die Individuen, nicht die Institutionen, werden als Träger von Kultur interpretiert. Die Wirtschaftsordnung als Institution wird hingegen als gegeben, sei es nun historisch langsam gewachsen, sei es in einem Transformationsprozess relativ schnell übernommen, angenommen. Auch Panther sieht formale Institutionen nicht als kulturelle Faktoren: „Es soll hier daher nur dann von kulturellen Faktoren die Rede sein, wenn diese nicht zu formellen, von zentralen Instanzen durchgesetzten Regeln geronnen sind“ (1999: 24). Er begründet dies folgendermaßen: „Natürlich ist es richtig, daß formelle Institutionen, insbesondere wenn man sie in bezug auf ein bestimmtes Land betrachtet, auch Produkte einer bestimmten Kultur sind. Nur fügt die Bezeichnung ‚Kultur’ hier den bereits bestehenden Erklärungsansätzen nichts außer terminologischer Verwirrung hinzu, da formelle Institutionen nur Wirkungen haben, die durch ihre formellen Aspekte ausreichend beschrieben sind“ (ebd.: FN 7). 106 Der zweite Teilsatz wandelt ein Zitat von Fuchs zur politischen Kultur ab (vgl. Fuchs 2000: 33).

3.2 Wirtschaftskultur

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Rahmen für wirtschaftliches Handeln abgibt. Andererseits bezieht sich Wirtschaftskultur auf die Bewertung des eigenen wirtschaftlichen Handelns innerhalb dieses Rahmens. Eine solche Zweiteilung findet sich bei vielen Autoren. Gerhards unterscheidet bei seiner Analyse zum „Geist des Kapitalismus“ die zwei Dimensionen „normative Vorstellungen im Hinblick auf die Wirtschaftsordnung“ und „persönliche Berufsethik“ (1996: 545 f.), Burkhard Strümpel und Michael Peter stellen die „Werte, Kognitionen und Handlungen des Staatsbürgers in bezug auf die Gesamtwirtschaft“ den „persönlichen wirtschaftlichen Präferenzen und Handlungen des Privatbürgers“ gegenüber (1987: 417). Auch Rosenbaum unterscheidet, allerdings mit einem stärkeren Bezug auf Deutungsmuster, zwischen „agents’ representation of their environment“ und „agents’ self-understanding as economic actors“ (1999: 84). Dorner differenziert ähnlich zwischen Umweltfaktoren und Persönlichkeitsfaktoren (2000: 31). Gabriel A. Almond und Sidney Verba bemerken im Zusammenhang mit ‚Politischer Kultur’:„The term ‚political culture’ thus refers to the specifically political orientations – attitudes toward the political system and its various parts, and attitudes toward the role of the self in the system“ (1989: 12). Beide Aspekte werden im Folgenden genauer expliziert. Wirtschaftskultur und Wirtschaftsordnung Es gibt verschiedene Ansätze, die klären helfen, weshalb Kultur einen wichtigen Einfluss auf die Wirtschaftsordnung hat. So kann theoretisch an die Argumentation der Politischen Kultur-Forschung angeschlossen werden (Herrmann-Pillath 1999). Schon Almond und Verba haben für den Bereich der Politik darauf hingewiesen, dass eine politische Struktur wie die Demokratie nur dann stabil und von Bestand sein kann, wenn sie auch durch eine entsprechende Kultur der Bürger getragen wird (Almond und Verba 1989). Kultur bezieht sich dabei auf die Bindungen der Bürger an zentrale Werte (Fuchs 2000: 34). Bestehen Widersprüche zwischen den Werten der Bürger und der politischen Struktur, so verliert letztere ihre Legitimationsgrundlage. Die Bürger werden dann, wenn sie nicht massiv unterdrückt werden, entweder Kanäle finden, um die politischen Strukturen und Institutionen ihren Vorstellungen und Wünschen gemäß umzugestalten („voice“), oder die Bürger werden dem System ihre Unterstützung entziehen („exit“) (Hirschmann 1977). Ähnlich lässt sich auch für den Wirtschaftsbereich argumentieren. Die das Wirtschaftshandeln bestimmende Struktur ist die bestehende Wirtschaftsordnung. Sie wird nur dann von Bestand sein, wenn sie durch eine entsprechende Wirtschaftskultur getragen wird (Höhmann 1999a). Nun könnte man argumentieren, dass sich die Wirtschaftsordnung nicht nach den Werten der Wirtschaftssubjekte

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3. Wirtschaft und Kultur: Ein theoretischer Rahmen

richtet, sondern allein den objektiven Notwendigkeiten der harten wirtschaftlichen Realität gehorcht.107 Mehrere Gründe sprechen aber dagegen: a) Der erste ist der empirische Befund, dass es trotz einer relativ globalen Wirtschaft sehr unterschiedliche, und zum Teil durchaus als ineffizient erkennbare, Wirtschaftsordnungen gibt (Dobbin 2001: 401). Wirtschaftsprozesse sind derart komplex, dass eine ideale Wirtschaftsordnung nicht einfach am Reißbrett entworfen werden kann. Ihre Gestaltung basiert daher auf ebenfalls kulturell beeinflussten Deutungsmustern, die nicht immer realitätsadäquat sein müssen (Caplan 2002). Zudem werden Wirtschaftsordnungen durch „wirtschaftsfremde“ Interessen und Werte (etwa dem Wunsch nach sozialem Ausgleich) mit beeinflusst. b) Der zweite Grund für die Annahme einer nicht allein ökonomischen Notwendigkeiten gehorchenden Wirtschaftsordnung stellt gleichzeitig wieder den Bezug zur Politischen Kultur-Forschung her. Wirtschaftsordnungen sind zeitlich nicht konstant, sondern werden vor allem durch die Wirtschaftspolitik gestaltet (Block 1994; Dobbin 2001). Wirtschaftspolitische Entscheidungen orientieren sich, zumindest in Demokratien, stark an den Wünschen der Bevölkerung. „Je nachdem, wie das konkrete Ergebnis der Wirtschaftspolitik von den Betroffenen bewertet wird und welche politischen Sanktionsmöglichkeiten sie haben, unterliegen die staatlichen Entscheidungsträger einem mehr oder weniger starken Anpassungsdruck hinsichtlich der von ihnen verfolgten wirtschaftspolitischen Konzeption“ (Cassel 1984b: 13). Die Bewertung der Wirtschaftspolitik orientiert sich nicht allein am objektiven wirtschaftlichen Erfolg, wie dies der Ansatz des „Pocket-book voting“ häufig suggeriert, sondern vor allem an den eigenen Werten.108 Dabei ist es für Politiker im Hinblick auf ihre Wirtschaftspolitik rational, auch gegen besseres Wissen dem Willen der Wähler zu folgen. „Whether voters’ beliefs are rational or irrational, electoral competition pressures politicians to do what voters want. (…) It is costly for politicians to have biased estimates of voters’ reactions to their decisions, but cheap to have biased estimates of policies’ actual effects” (Caplan 2003: 219, Hervorhebungen im Original).109 107

Der Zusammenbruch der osteuropäischen Planwirtschaften lässt sich übrigens als Argument für beide Positionen anführen. Sowohl die Unzufriedenheit mit der Wirtschafts- (und der politischen) Ordnung, als auch die real existierende ökonomische Ineffizienz können der Grund für die Revolutionen gewesen sein, wobei sich vermutlich beide Aspekte gegenseitig beeinflusst und überlagert haben. 108 Die Forschungsrichtung des „Economic-“ oder „Pocketbook-Voting“ beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit die wirtschaftliche Situation, sowohl des Einzelnen, vor allem aber der gesamten Volkswirtschaft, einen Einfluss auf das Wahlverhalten hat. Tatsächlich konnten verschiedenste Analysen zeigen, dass wirtschaftlicher Erfolg der regierenden Partei, teilweise aber auch dem System als Ganzem, attribuiert wird (Lewis-Beck 1988). Dorussen und Taylor weisen allerdings darauf hin, dass die empirische Bestimmung des genauen Verhältnisses ausgesprochen schwierig ist (Dorussen und Taylor 2002: xx). Wong kann nachweisen, dass die Annahme eines einfachen „Pocketbook-Voting“ eindeutig zu kurz greift (Wong 2001). 109 Es kann hier allerdings ein gewisser Zirkel entstehen: Wird die Wirtschaftslage durch „objektiv“ falsche politische Entscheidungen schlechter, und wird dies in den Wahrnehmungen der Leute nach

3.2 Wirtschaftskultur

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Ein weiterer theoretischer Anknüpfungspunkt ergibt sich mit der Neuen Institutionen-Ökonomik. „Institutionen sind die Spielregeln einer Gesellschaft oder, förmlicher ausgedrückt, die von Menschen erdachten Beschränkungen menschlicher Interaktion. Dementsprechend gestalten sie Anreize im zwischenmenschlichen Tausch“ (North 1998). Ausgangspunkt ist der „Ansatz der rationalen Wahl“ bzw. „Rational-Choice“. Dieser wird allerdings um zwei wichtige Annahmen ergänzt (Voigt 2004: 412): Erstens geht die Neue Institutionen-Ökonomik, im Anschluss an Herbert Simon, von einer beschränkten Rationalität aus (Simon 1955). Zweitens, im Anschluss an Ronald Coase, wird von positiven Transaktionskosten ausgegangen (Coase 1937; North 1998: 32 ff.). Ohne diese beiden Annahmen würden Institutionen gar keinen Sinn machen (Voigt 2004: 412). Institutionen haben nun die Aufgabe, diese Unsicherheit und damit Transaktionskosten zu reduzieren: „Der Hauptzweck der Institutionen in einer Gesellschaft besteht darin, durch die Schaffung einer stabilen (aber nicht notwendigerweise effizienten) Ordnung die Unsicherheit menschlicher Interaktion zu vermindern“ (North 1998: 6, ähnlich S. 30). North unterscheidet zwischen zwei Arten von Institutionen. Formale Institutionen sind rechtlich fixierte Handlungsbeschränkungen, wie sie sich in Verfassungen, aber auch in einfachen Gesetzen oder sogar individuellen Verträgen finden (North 1998: 56 f.). Sie bedürfen zu ihrer Durchsetzung einer externen Autorität.110 Informelle Institutionen sind dagegen „Teil jenes Erbes, das wir Kultur nennen“ (North 1998: 44) und bestehen aus gemeinsam geteilten Sitten und Gebräuchen, Werten und Deutungsmustern, sind also selbstbindend. Diese kulturelle Basis garantiert eine relative Stabilität der Institutionen, führt aber auch dazu, dass sich die informellen Institutionen deutlich langsamer verändern als die formalen: „Im Unterschied zu formgebundenen Regeln, die infolge von politischen oder gerichtlichen Entscheidungen über Nacht geändert werden können, sind formlose Beschränkungen (...) durch eine vorsätzliche Politik viel weniger leicht zu beeinflussen“ (North 1998: 7).111 Zwischen den Annahmen der beiden theoretischen Richtungen kann man deutliche Parallelen ziehen. Die Konzepte „Struktur“ der Politischen KulturForschung und „formale Institutionen“ der Neuen Institutionen-Ökonomik einereiner gewissen Zeit auch der Politik attribuiert (d.h. sind die Leute lernfähig), so können solche Entscheidungen aufgrund des Pocketbook-Votings doch wieder teuer werden. Eine solche Lernfähigkeit bezweifelt Caplan aber und begründet dies in drei Schritten: 1.) „Irrationality increases as its private costs decreases“, 2.) “Individual voters can cheaply indulge their systematically biased beliefs at the ballot box knowing that they are extraordinarily unlikely to alter the outcome”, d.h. die persönlichen Kosten sind sehr gering, und 3.) werden auch diese geringen Kosten noch aufgewogen: “You may be willing to forego some wealth in order to retain cherished – though irrational – beliefs” (Caplan 2003: 219-221). Zur verzerrten Wahrnehmung von Zusammenhängen in der Ökonomie durch die Mehrheit der Bürger vgl. Caplan (2002). 110 Vgl. zur Frage unterschiedlicher Sanktionsmechanismen genauer Voigt (2004: 413 ff.). 111 Die „formgebundenen Regeln“ bilden die formalen Institutionen, die „formlosen Regeln“ die informellen Institutionen.

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3. Wirtschaft und Kultur: Ein theoretischer Rahmen

seits, „Kultur“ und „informelle Institutionen“ andererseits weisen große Gemeinsamkeiten auf. Struktur und formale Institutionen sind beide rechtlich fixiert, und zwar vor allem in den Verfassungen (Fuchs 1997: 84; North 1998: 56 f.). Kultur bzw. informelle Institutionen basieren beide in erster Linie auf zeitlich relativ stabilen Werten, die von einer Gesellschaft oder Gruppe gemeinsam geteilt werden (Fuchs 1997: 84; North 1998: 44 ff. und 164). Und schließlich ist auch das Verhältnis zwischen den beiden Ebenen in ähnlicher Weise konstruiert: Die Strukturen bzw. formalen Institutionen können nur dann befriedigend arbeiten, wenn sie mit der kulturellen Ebene der Werte mehr oder weniger übereinstimmen (Fuchs 1997: 85 f.; North 1998: 167). Diskrepanzen zwischen beiden Ebenen können auf zwei Arten gelöst werden: Es kommt entweder zu einer, wie oben beschriebenen, sehr langsamen Anpassung der Werte an die Struktur oder aber die Struktur wird instabil und passt sich an die Werte an. Bleiben aber die Spannungen bestehen, so kommt es zu Problemen, die Svetozar Pejovich im ökonomischen Zusammenhang mit seiner „Interaction thesis“ beschreibt: „When changes in formal rules are in harmony with the prevailing informal rules, the incentives they create will tend to reduce transaction costs and free some resources for the production of wealth. When new formal rules conflict with the prevailing informal rules, the incentives they create will raise transaction costs and reduce the production of wealth in the community” (Pejovich 2003: 5). Überträgt man nun die theoretischen Ansätze auf den hier interessierenden Zusammenhang der Europäischen Integration, so ergibt sich folgendes: Die Europäische Union ist vor allem eine Wirtschaftsgemeinschaft, und „EU law is in its substance chiefly public regulation of economic life, i.e. economic legislation“ (Lane 2002: 1). Die formalen Institutionen bzw. die Struktur der Wirtschaftsvorstellungen der EU, ihr Wirtschaftsskript (vgl. Gerhards 2005), prägen mittlerweile die nationalen Wirtschaftsordnungen maßgeblich. Vor allem die osteuropäischen Transformationsländer mussten aufgrund des Systemwechsels und des Screening-Prozesses im Beitrittsprozess ihre Wirtschaftsordnungen an der EU ausrichten.112 Wie in den vorigen Abschnitten gezeigt wurde, ist die Performanz und Ausgestaltung der Wirtschaft sowohl von dieser Strukturebene als auch von der Kulturebene abhängig. Im Hinblick auf die osteuropäischen Transformationsstaaten hält Höhmann entsprechend fest: „Kulturelle Faktoren (...) beeinflussen Akzeptanz, Steuerungskraft sowie Effizienz formeller Institutionen“ (Höhmann 1999b: 21). Im Folgenden wird die Strukturebene als gegeben angenommen. Kapitel 4 rekonstruiert deshalb die EU-Wirtschaftsordnung aus zentralen Dokumenten, vor 112

Daten zur Systemtransformation finden sich z.B. in den „Transition Reports“ der EBRD, in den regelmäßigen Berichten der Europäischen Kommission oder in Quidde (1997). Im sogenannten Screening-Prozess werden die nationalen Rechtsgrundlagen der Beitrittskandidaten auf ihre Übereinstimmung mit dem Acquis communautaire, dem Rechtsbestand der EU, geprüft und notfalls angepasst (Europäische Kommission ohne Jahr).

3.2 Wirtschaftskultur

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allem aus dem neuen Verfassungsentwurf und den Verträgen. Im empirischen Teil wird dann überprüft, inwieweit die Vorstellungen der EU-Institutionen über die Gestaltung der Wirtschaft von den Bürgerinnen und Bürgern geteilt werden, ob sich also die EU-Strukturen auf eine entsprechende Wirtschaftskultur in den Ländern der erweiterten EU stützen können. Wirtschaftskultur und individuelles Wirtschaftshandeln Neben der Akzeptanz der herrschenden Wirtschaftsordnung sind aber auch die Wertorientierungen im Hinblick auf das eigene Wirtschaftshandeln für die Entwicklung der Ökonomie von zentraler Bedeutung. „Unterschiedliche Kulturen legitimieren individuelle Wirtschaftsaktivitäten in unterschiedlicher Weise“ (Klump 1996a: 17). Sie bilden daher eine zweite Komponente dessen, was hier unter Wirtschaftskultur verstanden wird. Allerdings kann man leider für die Analyse der „individuellen Handlungsorientierungen“ auf kein ähnlich elaboriertes Theoriegerüst wie bei den „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“ zurückgreifen. Insofern lassen sich die wichtigsten Aspekte lediglich aus dem oben skizzierten Forschungsstand ableiten. Verschiedenste Autoren haben eine ganze Reihe von Merkmalen identifiziert, die einen erfolgreichen individuellen Wirtschaftsakteur in modernen Industrienationen auszeichnen. Sowohl die (Wirtschafts-) Soziologie als auch einige Ansätze in der Ökonomie versuchen z.B. mittlerweile, kulturelle Aspekte in die Kalkulation der Nutzenfunktion einzubauen (Dorner 2000; Dieckmann 1996). Einerseits geschieht dies über die oben erwähnten Institutionen und die Berücksichtigung der „Embeddedness“, andererseits über die Berücksichtigung kulturell bedingter Kosten und Nutzen.113 So verändert etwa der Glaube an Gott und das Hoffen auf eine Belohnung im Jenseits die Berechnung der Kosten und des Nutzens einer Handlung (Weber 1985: 184). Es kann also gezeigt werden, „dass von kulturell bedingten heterogenen Präferenzen ausgegangen werden muss“ (Dorner 2000: 135). Auch die Situationsdefinition ist kulturell geprägt und nimmt gleichzeitig Einfluss auf die Kalkulation. So lassen sich etwa unterschiedliche Wahrscheinlichkeitseinschätzungen häufig kulturell erklären: „Fehleinschätzungen von Wahrscheinlichkeiten wie beispielsweise kulturell erklärbarer Konservatismus und Anspruchsniveauorientierung sind für die Analyse die wichtigsten Erscheinungen“ (Dorner 2000: 137). Darüber hinaus wird aber auch die Nutzenfunktion als solche kulturell hinterfragt. „Instrumentelle Rationalität ist ein Element des Axiomensystems, das der traditionellen Neoklassik zugrunde liegt“ (Dorner 2000: 30), während in der Soziologie nicht nur über Webers Studien sehr wohl ihre historische Genese bekannt ist. 113

Für Bereiche auch jenseits der Wirtschaft ist in Deutschland dabei vermutlich der Framing-Ansatz von Lindenberg in der Weiterentwicklung von Hartmut Esser am populärsten (vgl. z.B. Esser 1991; zu aktuellen Erweiterungen etwa auch Esser 2002).

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3. Wirtschaft und Kultur: Ein theoretischer Rahmen

„Trust, norms, and power all influence economic actions and thereby offset pure self-interest in ways that analysts must approach with an open mind“ (Granovetter und Swedberg 2001:9). Es stellt sich daher die Frage, welche Einstellungen und Werte im Rahmen der Wirtschaft als zentral angesehen werden, damit die Individuen möglichst erfolgreich sind. Als ein erster Punkt ist festzuhalten, dass individuelle Handlungsorientierungen der Wirtschaftsakteure dann erfolgreich sind, wenn ihre Werte und Einstellungen den umgebenden Strukturen entsprechen (Hofstede 2001; 1993). Diese Übereinstimmung geht über die oben bereits beschriebene Unterstützung der Wirtschaftsordnung hinaus. So sind innerhalb einer modernen Marktwirtschaft andere Handlungsorientierungen erfolgreich als in einer vorindustriellen Gesellschaft. Während in letzteren eine hohe Leistungsorientierung häufig skeptisch gesehen wurde, da Gewinne des Einen immer zu Lasten anderer gehen, ist sie gerade eine Grundvoraussetzung für den Erfolg in ersterer (Inglehart 1997: 219; vgl. auch Lynn 1991: 103). Bei allen EU-Mitgliedsländern und allen Beitrittskandidaten handelt es sich mittlerweile um mehr oder weniger kapitalistisch geprägte Marktwirtschaften. Auch die Vorstellungen der EU, wie unten noch zu zeigen sein wird, orientieren sich an einem entsprechenden Wirtschaftsmodell. Im Rahmen einer modernen Marktwirtschaft werden eine ganze Reihe an Werten und Einstellungen als wirtschaftsförderlich angesehen. Genannt werden z.B. eine ‚Entwicklungs- und Innovationskultur’, eine hohe Wertschätzung für Kapitalbildung, Erziehung zu Leistung, Innovationen und technischen Fortschritt, Offenheit gegenüber Wettbewerb, Vertrauen oder bestimmte Konsumansprüche (Kunz 2000: 197; vgl. auch Grondona 2000; Porter 2000). Diese Liste ließe sich fast beliebig ausbauen. Eine empirische Überprüfung findet allerdings nur selten statt. Dorner (2000) kommt zu dem Schluss, dass sich vor allem eine ausgeprägte Arbeitsneigung, aber auch eine gewisse Statusrivalität und Vertrauen positiv auswirken. Richard Lynn sieht auf der Grundlage einer international vergleichenden Studie vor allem den „level of competitiveness“ (1991: 103) als zentral an. Im Zusammenhang mit breiter angelegten Wertewandelsthesen haben auch Inglehart und andere überprüft, welchen Einfluss bestimmte Werteinstellungen auf die Wirtschaft haben (Granato et al. 1996; Inglehart 1997: 220 ff.). Sie kommen zu dem Ergebnis, dass Leistungsorientierung sogar einen größeren Einfluss hat als Investitionen in Humankapital und das wirtschaftliche Ausgangsniveaus (Inglehart 1997: 233). „The present findings suggest that one specific component – Achievement Motivation – plays a key role in economic growth.“ (Inglehart 1997: 235). Diese zentrale Rolle der Leistungsorientierung ist in der Wirtschaftssoziologie seit den Studien von McClelland (McClelland 1967) bekannt und wenig umstritten (vgl. auch Erez und Earley 1993; Erez et al. 2001). Gerade in einer Marktwirtschaft führt eine hohe Leistungsorientierung

3.2 Wirtschaftskultur

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erstens auf der individuellen Ebene tendenziell zu wirtschaftlichem Erfolg.114 Auf einem freien Markt ist eine überdurchschnittliche Leistungsbereitschaft ein Wettbewerbsvorteil. Zweitens kann der individuelle Erfolg auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene zu einer positiven Entwicklung der Wirtschaft kumulieren. Im Forschungsstand hatte sich das Vertrauen als zweiter wichtiger Faktor herausgestellt. In Marktwirtschaften wird ein Großteil des Wirtschaftshandelns über anonyme Märkte abgewickelt, Wirtschaftspartner kennen sich häufig nicht. Vertrauen in die anderen Wirtschaftsakteure ist daher eine grundlegende „Bedingung des Markthandelns“ (Elwert 1987: 301; ähnlich Lagemann 2001: 76 ff.). Wirtschaftsförderlich ist Vertrauen deshalb, weil es Transaktionskosten reduzieren hilft. Dabei lassen sich zwei Aspekte unterscheiden (Lagemann 2001: 76 f.; Smallbone und Lyon 2002: 22). Der erste ist ein generalisiertes Vertrauen in die Mitmenschen, der zweite Vertrauen in wirtschaftsrelevante Institutionen. Generalisiertes Vertrauen kann sich in den unterschiedlichsten Situationen positiv auswirken. Auf der individuellen Ebene kann z.B., wenn zwischen Handelspartnern ein gewisses Vertrauen herrscht, auf eine aufwändige Absicherung eines Tausches durch Verträge verzichtet werden. Auf der Ebene der Unternehmen scheint großes Vertrauen die Entstehung großer Unternehmen zu erleichtern (LaPorta et al. 1997; Fukuyama 1995). Uslaner (2004: 3) weist allerdings darauf hin, dass man erstens zwischen moralischem und strategischem Vertrauen und zweitens zwischen generalisiertem und partikularem Vertrauen unterscheiden muss. Die erste Unterscheidung betrifft die Grundlagen des Vertrauens. Strategisches Vertrauen orientiert sich allein an rationalen Nutzenkalkülen, ist also von der Langfristigkeit der Austauschbeziehungen, den Sanktionsmöglichkeiten etc. abhängig (vgl. auch Höhmann und Welter 2002). Moralisches Vertrauen ist hingegen wertebasiert und tendenziell situationsunabhängig. Die zweite Unterscheidung differenziert zwischen den Personenkreisen, denen vertraut wird. Partikulares Vertrauen bezieht sich allein auf Personen im persönlichen Umfeld, also Familie, Freunde u.ä. Diese Form des Vertrauens findet sich vor allem in traditionalen Gemeinschaften und kann im Übermaß in modernen Gesellschaften sogar wirtschaftshinderlich sein. Der Modernisierungsprozess verlangt hingegen eine gewisse Wertverallgemeinerung und Universalisierung der Beziehungen (Parsons 1996). Generalisiertes Vertrauen, welches auch unbekannte Personen mit einbezieht, ist somit Grundlage des gemeinsamen Handelns. Insofern wird hier unter Wirtschaftskultur vor allem moralisches, generalisiertes Vertrauen analysiert.

114

Es wird damit nicht behauptet, dass Leistungsorientierung auf der individuellen Ebene das entscheidende Moment für wirtschaftlichen Erfolg sei. Andere Faktoren spielen sicherlich eine mindestens ebenso wichtige Rolle. In einer ceteris paribus-Situation führt aber eine höhere Leistungsorientierung zu größerem Erfolg.

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3. Wirtschaft und Kultur: Ein theoretischer Rahmen

Ein zweiter Aspekt von Vertrauen ist das Vertrauen in wirtschaftsrelevante Institutionen.115 Institutionen wie das Justizsystem oder die Verwaltung strukturieren das Umfeld für wirtschaftliches Handeln mit. Insbesondere drohen sie mit Sanktionen bei Verhalten, welches andere Wirtschaftsakteure unzulässig schädigt. Vertrauen die Menschen z.B. darauf, dass im Falle eines Vertragsbruches ein Gericht gerecht entscheidet, so werden sie bereit sein, wesentlich weitergehende Verträge abzuschließen als wenn sie dieses Vertrauen nicht haben. Umgekehrt führt der Glaube an die Effizienz der Institutionen auch dazu, dass Verträge und Gesetze besser eingehalten werden. „Trust in government institutions will increase the reliability of formal institutional arrangements such as property rights and a given set of laws” (Raiser 1997: 25). Man kann also auch hier festhalten: „Extended trust is essential for an efficient market economy” (Höhmann et al. 2002: 6). Insgesamt stellen sich also auf der individuellen Ebene zwei Bereiche für die Analyse als zentral heraus: „Vertrauen“ und „Leistungsorientierung“. Die Forschung geht davon aus, dass, zumindest in modernen Marktwirtschaften, vor allem ein hohes Vertrauen und eine hohe Leistungsorientierung einen positiven Einfluss auf das Wirtschaftswachstum haben. Nationale Wirtschaftskultur Träger der beschriebenen Wertorientierungen sind die individuellen Wirtschaftsakteure. Oben wurde allerdings darauf hingewiesen, dass der Begriff der Kultur eine soziale Komponente beinhaltet und daher nur in Bezug auf ein Kollektiv von Akteuren Sinn macht. „Individuals have beliefs, values, and attitudes but they do not have cultures“ (Elkins und Simeon 1979: 129). Wirtschaftskultur sind also die von einer Gruppe von Individuen geteilten Wertorientierungen im Hinblick auf die ökonomische Sphäre. Diese Gruppen können natürlich auf sehr unterschiedlichen Ebenen gelagert sein und von der Familie über kleinere soziale Einheiten, Regionen und Nationen bis hin zu Ländergruppen reichen. Die vorliegende Studie setzt Wirtschaftskultur primär auf der Ebene des Nationalstaates an. Wirtschaftskultur stellt, wie bereits mehrfach erwähnt, eine Beziehung zwischen den Wirtschaftsakteuren und dem Wirtschaftssystem her. Auf beiden Ebenen gibt es gute Gründe für die Verortung der Wirtschaftskultur auf der nationalen Ebene (Haller 2002: 31). Das Wirtschaftssystem ist, trotz der Diskussion um eine globale Ökonomie, immer noch primär nationalstaatlich geprägte „Volkswirtschaft“. Der überwiegende Teil der Wertschöpfung bezieht sich auf den heimischen Markt, der Anteil ausländischer Arbeitnehmer ist gering (Gerhards und Rössel 1999), der Staat setzt über die 115

Der hier verwendete Institutionenbegriff ist deutlich enger angelegt als der oben vorgestellte der NIÖ. In der Terminologie der NIÖ würde man besser von „Organisationen“ sprechen.

3.2 Wirtschaftskultur

75

Wirtschaftsordnung und die politische Ordnung einen national einheitlichen Rahmen für das Wirtschaftshandeln (Hall und Soskice 2001a: 4), entsprechende rechtliche Regelungen (Wirtschaftsverfassung) gelten praktisch immer innerhalb der Grenzen eines Landes (Klein 2003: 440) etc.116 Auch auf der Ebene der individuellen Wirtschaftsakteure ist der nationale Kontext für die Herausbildung einer Kultur zentral (Münch 1997; Münch 1993; Deutsch 1972; Deflem und Pampel 1996; Salazar 1998; Gebhardt 1989).117 Oben wurde ausgeführt, dass es sich bei Kultur um gemeinsam geteilte Wertorientierungen handelt. Natürlich kann sich dieses „gemeinsam“ auf sehr unterschiedliche Ebenen beziehen, etwa die Familie, einen Berufsstand, etc. (vgl. Hofstede 1993: 23 ff.). Es hat sich allerdings, vor allem in der Soziologie, eingebürgert, den Nationalstaat als Rahmen einer gemeinsamen Kultur anzunehmen. Dies ist deshalb sinnvoll, weil der moderne Staat wichtige Rahmenbedingungen für die Sozialisation der Individuen setzt, z.B. eine gemeinsame Sprache, ein einheitliches Ausbildungssystem (Gellner 1992) und häufig eine Nationalgeschichte, die sich im kollektiven Gedächtnis niederschlägt (Assmann und Hölscher 1988). Gleichzeitig schafft der Nationalstaat mit dem kodifizierten Recht und anderen Institutionen Handlungsmöglichkeiten und -restriktionen, die wiederum einen Einfluss auf die Werteinstellungen haben dürften (Gerhards 2005; vgl. auch den Überblick in Skocpol und Amenta 1986; Thelen 1999). Staaten bilden mithin „die Quelle für ein beträchtliches Maß an gemeinsamer mentaler Programmierung ihrer Bürger“ (Hofstede 1993: 27).118 Dass der Nationalstaat tatsächlich einen homogenisierenden Einfluss hat, lässt sich auch empirisch nachweisen. So kommen Ashford und Timms aufgrund eines Vergleichs mehrerer westeuropäischer Länder zu dem Schluss: „The biggest differences on most questions are national ones; indeed the gap between highest and lowest scoring countries could be as much as three or four times bigger than the differences between other major correlates of values such as age, social class, or religious denomination. Of all the most likely sources of variation in values, it is quite clearly national identity which is the principal source of dissimilarity in the Values Study” (Ashford und Timms 1992: 109). Auch andere Autoren kommen zu einem ähnlichen Ergebnis (z.B. Díez-Nicolás 2003; Deflem und Pampel 1996; Immerfall 1995; Ashford und Halman 1994). 116

Die Wirtschaftsordnung der Nationalstaaten in Europa wird allerdings zunehmend und mittlerweile überwiegend durch EU-Vorgaben bestimmt. Die Nationalstaaten haben hier einen sehr geringen Spielraum bei der Umsetzung in nationales Recht. 117 Dies zeigt sich unter anderem auch darin, dass sich ziemlich genau 60 % der Befragten in der European Values Study dem Nationalstaat als geographischer Einheit zugehörig fühlen (wichtigste oder zweitwichtigste Kategorie von fünfen). Auffällig ist, dass sich die mit Abstand geringsten Werte aller Länder in West- und Ostdeutschland finden (27,5 bzw. 31,6 %). 118 Damit wird allerdings nicht unterstellt, dass tatsächlich alle Bürger eines Nationalstaates die gleichen Werte teilen (vgl. z.B. Wallerstein 1992; Inkeles und Levinson 1969). Das Problem der Aggregation der Individualdaten auf nationaler Ebene wird weiter unten noch genauer diskutiert.

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3. Wirtschaft und Kultur: Ein theoretischer Rahmen

Mit der folgenden Studie wird sich daher der gängigen Praxis angeschlossen und Kultur primär auf der Nationalstaatsebene verortet (z.B. Elkins und Simeon 1979; Fukuyama 1992; Immerfall 1995: 31). Es sei aber nicht verschwiegen, dass dieser „methodologische Nationalismus“119 auch aus forschungstechnischen Gründen geschieht: „Die Verwendung der Staatsangehörigkeit als Kriterium ist eine Sache der Zweckmäßigkeit, denn es ist bedeutend einfacher, Daten für Staaten zu erhalten als für organische, homogene Gesellschaften“ (Hofstede 1993: 27). Um allerdings zu prüfen, inwieweit die Position einer national verfassten gemeinsamen Kultur zu halten ist, werden in Kapitel 7.5 auch Analysen auf der Regionenebene durchgeführt. 3.2.3 Ist eine gemeinsame europäische Wirtschaftskultur sinnvoll? Der Arbeit liegt die These zugrunde, dass eine gemeinsame europäische Wirtschaftskultur aus verschiedenen Gründen sinnvoll ist. Diese Auffassung wird allerdings nicht von allen Forschern geteilt. Daher soll im folgenden Abschnitt kurz diskutiert werden, welche Vorteile eine gemeinsame Wirtschaftskultur haben kann. Die EU verfügt mittlerweile über einen weitgehend integrierten Wirtschaftsraum. Unter dem Prozess der Wirtschaftsintegration „kann ganz allgemein das Zusammenfügen bisher unabhängiger und gegeneinander abgeschotteter (nationaler) Wirtschaftsräume zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum verstanden werden. (...) Als wirtschaftliches Endziel des Integrationsprozesses – so auch in der EU – gilt die Verschmelzung zu einer einheitlichen Volkswirtschaft“ (Dorner 2001: 4). Lipsey geht dabei davon aus, dass „complete economic integration implies a single economic policy over all the participating countries“ (zitiert nach Dorner 2001: EN 3). Auch wenn man nicht ganz so weit gehen will, so ist doch klar, dass die Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion in Europa durch politische und rechtliche Vorgaben flankiert werden muss, die einen gemeinsamen wirtschaftspolitischen Rahmen setzen. Diese Rahmenbedingungen können sich einerseits aus Notwendigkeiten für das optimale Funktionieren des europaweiten Marktes ergeben, andererseits aber auch politische oder soziale Ziele jenseits der Ökonomie verfolgen, wie es etwa das „Soziale Modell Europa“ (Leibfried und Pierson 2000; Aust et al. 2002) nahe legt.120 Es lässt sich daher zunächst festhalten, dass sich neben der nationalen auch auf der EU-Ebene ein Rahmenwerk, eine Struktur, aus Institutionen wie Organisationen, rechtlichen Regelungen etc. für wirtschaftliches Handeln etabliert hat, welches 119

Der Begriff findet sich bei z.B. bei Schudson (1994: 21). Verschiedene Autoren weisen darauf hin, dass die wirtschaftliche Integration Europas kein Selbstzweck sei, sondern die Umsetzung politischer und sozialer Ziele voranbringen soll (z.B. Mussler und Streit 1996).

120

3.2 Wirtschaftskultur

77

in einem ständigen Prozess weiter ausgebaut wird (vgl. Lepsius 1999). Die Kultur kommt hier, wie oben dargestellt, in einem zweifachen Sinne ins Spiel. Erstens ist eine solche Struktur, soll sie effizient funktionieren, auch auf entsprechende Werte, Normen und Deutungsmuster der wirtschaftlichen Akteure angewiesen ist. Fehlt diese Kongruenz zwischen Struktur und Kultur, so kommt es zu einer Delegitimierung der ersteren. Zweitens schließt daran die Tatsache an, dass die Fortentwicklung des europäischen Rahmens umso einfacher gelingen wird, je homogener die Vorstellungen der beteiligten Länder sind. So gilt bei zentralen Entscheidungen der EU immer noch das Prinzip der Einstimmigkeit der Beschlüsse. Und selbst wenn ein Mehrheitsbeschluss möglich wäre, wirft das Überstimmen einzelner Länder aufgrund der Gesamtstruktur der Europäischen Union Probleme auf. Dies liegt vor allem an ihrer Konzeption als dynamischem Mehrebenensystem (vgl. Jachtenfuchs und Kohler-Koch 1996b). „Die wesentliche Ursache für Instabilität von Integrationsgemeinschaften ist darin zu sehen, dass aufgrund von Funktionsproblemen der nationalen politischen Märkte für die jeweiligen Regierungen Anreize entstehen, den negativen Folgen der Integration eine größere Aufmerksamkeit zu schenken als deren positiven Folgen. Aus diesem Grunde ist bei steigenden Anpassungsleistungen, welche aus der Integration resultieren, mit einer Zunahme der Instabilität der jeweiligen Integrationsgemeinschaft zu rechnen. Die Höhe der Anpassungslasten ist vor allem durch die Zusammensetzung der Gemeinschaft bedingt: Je heterogener diese ist, umso höher werden die Anpassungsleistungen aus der Integration sein, was die politischen Anreize zu Ausweichreaktionen erhöht“ (Beck 1998a: 141). Ein Resultat ist, dass es in der EU vor allem zu einer „negativen“ Integration kommt, während Elemente einer „positiven“ Integration nur sehr sporadisch zu finden sind (Tinbergen 1965; Scharpf 1996; Scherpenberg 1996: 361). So kommt es zwar zu einer Deregulierung und Öffnung der Märkte, flankierende Maßnahmen zur politischen Einbindung der Wirtschaft, etwa für sozialpolitische Ziele, lassen sich aber nur schwierig durchsetzen. Da gleichzeitig den Nationalstaaten die Ressourcen und Kompetenzen für diese Aufgaben entzogen werden, kann diese mögliche Blockade zu negativen Konsequenzen führen (Dorner 2001; Streeck 2001; Streeck 1999).121 Eine besondere Herausforderung stellt die Situation in den Transformationsstaaten dar. Während das europäische Regelwerk von den westeuropäischen Ländern innerhalb eines relativ langen Zeitraumes im Anschluss an ihre eigenen Interessen und Ideen entwickelt wurde, haben es die Beitrittskandidaten innerhalb kürzester Zeit übernommen, ohne entsprechende Anpassungsprozesse auf der kulturellen Ebene nachvollziehen zu können. Für die Einführung der Demokratie hat sich in der Transformationsforschung eine Einteilung in drei Phasen als sinnvoll erwiesen: 1.) Die Phase der Liberalisierung des alten Regimes, 2.) die Phase der Demokratisierung und 3.) die Phase der Konsolidierung. „Während in der Demo121

Wobei Streeck durchaus die positiven Seiten einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit betont.

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3. Wirtschaft und Kultur: Ein theoretischer Rahmen

kratisierungsphase die formalen Kriterien des demokratischen Regimes etabliert werden, geht es in der Konsolidierungsphase darum, die verhaltens- und einstellungsmäßigen Grundlagen der Demokratie zu stabilisieren“ (Schmitt-Beck 2000: 386). Auch für die gelingende Einführung einer Marktwirtschaft wird die doppelte Transformation von struktureller und kultureller Ebene als wichtig erachtet (vgl. z.B. Höhmann 1999b), ohne dass sich bisher eine solche Phaseneinteilung eingebürgert hat. Die formale Übernahme der Marktwirtschaft dürfte in den meisten Beitrittskandidaten mittlerweile als abgeschlossen gelten, wieweit sie allerdings als konsolidiert gelten kann, wird sich in den empirischen Analysen der folgenden Kapitel zeigen müssen. Doch auch jenseits des Bezugs auf eine europäische Wirtschaftsordnung gibt es Vorteile einer gemeinsamen Wirtschaftskultur. Der zweite Aspekt des hier vorgestellten Begriffs bezieht sich auf Handlungsorientierungen, vor allem Leistungsorientierung und generalisiertes Vertrauen, die sich allgemein als positiv in modernen Wirtschaften herausgestellt haben. Natürlich ist es auch für die europäische Wirtschaft gut, wenn diese Werte eine möglichst große Verbreitung aufweisen.122 Auch auf der Ebene der Unternehmen können unterschiedliche Wirtschaftskulturen Probleme bereiten (Hofstede 2001; Hofstede 1993; Schroll-Machl und LyskowStrewe 1999). Die Lehrbücher zu internationalem Management sind mittlerweile gefüllt mit Problemen, die sich durch unterschiedliche, als national geprägt angenommene, Unternehmenskulturen ergeben. „Cultural effects can be ignored as long as research takes place within the same cultural system. However, the process of globalization has created opportunities for transferring managerial techniques across cultures, and such attempts have not always been successful” (Erez und Earley 1993: 4). Dies gilt in umgekehrter Hinsicht natürlich auch für Arbeitsmigranten. Je ähnlicher sich die Unternehmenskulturen in den europäischen Ländern sind, umso einfacher ist es für ausländische Arbeitnehmer, sich in der neuen Umgebung zu orientieren. Insgesamt kann man davon ausgehen, dass kulturelle Unterschiede zwischen Wirtschaftspartnern die Transaktionskosten erhöhen. So kann Flörkemeier (2004) in einer empirischen Studie zeigen, dass sich kulturelle Distanzen negativ auf den Außenhandel auswirken.123 3.3 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurde zunächst ein Konzept von Kultur vorgestellt, das sich auf relativ stabile, geteilte Werte beschränkt. Wie gezeigt werden konnte, ist es dabei 122

Wobei der Homogenitätsaspekt natürlich in den Hintergrund tritt. Positiv können Metze und Schroeckh (2004) zeigen, dass sich eine gemeinsame regionale Identität, die sich sicherlich auch auf kulturelle Gemeinsamkeiten bezieht, positiv auf Wirtschaftsbeziehungen auswirkt.

123

3.3 Zusammenfassung

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sinnvoll, von bereichsspezifischen Wertsphären auszugehen. Auch der Wirtschaftsbegriff wurde erläutert. Bei aller Rationalität, die die Ökonomie für sich in Anspruch nimmt, kann die neuere Wirtschaftssoziologie zeigen, dass wirtschaftliches Handeln dennoch nicht losgelöst von seinem sozialen Umfeld betrachtet werden kann. Dabei ist die Diskussion über die „Embeddedness“ (Granovetter 2001) schon länger im Gange, zunehmend wird aber auch die Wichtigkeit kultureller Faktoren betont. Im Anschluss an die Politische Kultur-Forschung und die Neue InstitutionenÖkonomik wurde daher ein Begriff von Wirtschaftskultur entwickelt, der als einen ersten Aspekt die „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“ enthält. Da die europäische Integration den Hintergrund für die hier verfolgte Forschungsfrage darstellt, ergibt sich entsprechend diese Wirtschaftsordnung aus den Vorgaben und Institutionen der Europäischen Union. Darüber hinaus werden bei dem verwendeten Wirtschaftskulturbegriff als zweiter Aspekt aber auch „Individuelle Handlungsorientierungen“ berücksichtigt, die sich in verschiedenen Studien als zentral für wirtschaftliches Handeln herausgeschält haben. Insbesondere Leistungsorientierung und Vertrauen spielen hierbei eine wichtige Rolle.

4. Das Wirtschaftsskript der Europäischen Union

„Freier Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitskräften sind das unbestrittene Fundament der Europäischen Gemeinschaft. Politiken, die sie absichern, haben einen guten, Politiken, die sie beschränken, einen eher schweren Stand.“ (Däubler 2002: 477) Das folgende Kapitel nimmt eine gewisse Zwischenstellung zwischen dem theoretischen und dem empirischen Teil ein. Es knüpft an den theoretischen Teil an, indem es die beiden Dimensionen des hier verwendeten Konzepts von Wirtschaftskultur für den europäischen Kontext genauer spezifiziert. Dies geschieht aber nicht allein auf einer theoretischen Basis, sondern die zentralen Subdimensionen sollen empirisch gewonnen werden, um so eine Angemessenheit des Konzepts für den Kontext der europäischen Integration zu gewährleisten. In einem ersten Abschnitt des Kapitels wird dargestellt, welchen Stellenwert die Ökonomie im EU-Regelwerk hat. Es zeigt sich, dass die Wirtschaft bis heute den zentralen Bereich der EU darstellt und damit auch wichtigstes Kriterium für die Beitrittsverhandlungen war. Zur Vorbereitung der späteren Analysen werden daran anschließend die zentralen Subdimensionen der Wirtschaftsordnung aus dem Regelwerk der Europäischen Union bestimmt. Deshalb soll zunächst kurz das Vorgehen und die Sinnhaftigkeit einer dimensionalen Analyse erklärt werden. Den größten Teil des Kapitels nimmt eine Darstellung der von den EU-Institutionen implizit und explizit vertretenen Positionen ein, die auf der Grundlage der wichtigsten Veröffentlichungen und ergänzender Sekundärliteratur herausgearbeitet werden. Als die zentralen drei Subdimensionen der ersten Hauptdimension ergeben sich die „Offenheit der Märkte“, der „Wettbewerb“ und die „Rolle des Staates“, wobei die EU aktuell eine marktliberale Perspektive mit einer gewissen sozialen Note vertritt. Diese Positionen stellen die Wirtschaftsordnungsvorstellungen der EU dar, auf die sich die „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“ als erster Dimension der Wirtschaftskultur bezieht. Die zweite Hauptdimension „Individuelle Handlungsorientierungen“ teilt sich in die Subdimensionen „Leistungsorientierung“ und „Vertrauen“, wobei die EU sowohl eine hohe Leistungsorientierung als auch ein großes Vertrauen befürwortet. Die EU-Position in diesen fünf Subdimensionen wird bei der späteren empirischen Analyse der Wirtschaftskulturen in den verschiedenen Ländern quasi als tertium comparationis dienen.

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4. Das Wirtschaftsskript der Europäischen Union

4.1 Die Relevanz der Wirtschaft im EU-Recht Die Gründungen der Europäischen Gemeinschaften werden zwar in den Präambeln und Vorworten der entsprechenden Verträge mit dem klaren Bekenntnis, dem Frieden dienen zu wollen, verbunden. Dieses politische Ziel wurde aber vor allem wirtschaftlich verfolgt (Mussler und Streit 1996: 266; Kleinmann 2002: vii f.). Die wirtschaftlichen Verbindungen Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, auch Montanunion genannt), die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) wurden alle in den frühen 50er Jahren des letzten Jahrhunderts erfolgreich eingeführt, während Versuche einer politischen Einigung (im Rahmen einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft oder auch einer Europäischen Politischen Gemeinschaft) fehlschlugen.124 Dabei war der Integrationsprozess „von Anfang an auf die Errichtung einer Wirtschaftsunion, also auf eine sehr weitgehende Integration gerichtet“ (Smeets 1996: 61). Vor allem in den 80er und 90er Jahren wurde deshalb auf sogenannte Spill-over-Effekte125 der wirtschaftlichen Integration gesetzt.126 Die Einigung in Wirtschaftsfragen sollte demzufolge langfristig auch zu einer politischen und sozialen Integration führen. Einer der wichtigsten Schritte auf diesem Weg war sicherlich die Einführung einer gemeinsamen Währung. Zumindest institutionell scheint diese Strategie aufzugehen, da mittlerweile der EG-Vertrag um die zwei Säulen „Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“ und „Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres“ zur Europäischen Union ergänzt wurden.127 Trotzdem bleibt der wirtschaftliche Aspekt mit Abstand der wichtigste Bestandteil der europäischen Zusammenarbeit und das Fundament für jede weitere Integration. Der britische Premier Tony Blair fasst es folgendermaßen: „Europa ist in erster Linie eine Wirt-

124

Auf einen wichtigen Grund weisen Hödl und Weida hin: Ökonomische Einigungsschritte können, im Gegensatz zu politischem Souveränitätsverlust, als Positivsummenspiel oder zumindest als Sachzwang verkauft werden (Hödl und Weida 2001: 17; vgl. auch Lepsius 1999). 125 „Spill-over (engl.), Überlauf, bezeichnet einen Prozeß der Übernahme der Zielsetzungen eines Subsystems, die über seinen eigenen Rahmen hinausweisen, durch andere Subsysteme. Auf der Ebene des sozialen Systems bedeutet der s.-o. somit eine Vereinheitlichung von Zielsetzungen“ (Fuchs et al. 1988: 730). Der Begriff wurde systematisch vor allem von Haas eingeführt (1968: 283 ff.). Bilger spricht in diesem Zusammenhang auch vom „Schuman-Monnet-Konzept der wirtschaftlichen Integration als Motor der politischen Union“ (1996: 181). 126 Vgl. zur historischen Entwicklung der Wirtschaftsordnungsvorstellungen in der EU z.B. Scherpenberg (1996) oder Neal und Barbezat (1998). 127 Die Einschränkung auf die Institutionen ist motiviert aus den Erfahrungen im Zusammenhang etwa mit dem Kosovo-Konflikt oder dem Irak-Krieg, wo in beiden Fällen keine gemeinsame Position der EU zu erkennen gewesen wäre. Noch skeptischer Mickel: „... aber der erhoffte (synergetische) Transfer- oder Spill-over-Effekt ist weder im Hinblick auf zufriedenstellend funktionierende politische Strukturen noch auf gemeinsame Werte eingetreten“ (Mickel 1997: 19).

4.1 Die Relevanz der Wirtschaft im EU-Recht

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schaftsgemeinschaft. Voreilig auf politischer Basis zu kooperieren, ohne dass die wirtschaftlichen Bedingungen dafür erfüllt sind, wäre ein Fehler.“128 Das entsprechende Regelwerk der EU ist ständig in Veränderung begriffen und daher etwas unübersichtlich. Dabei gelten allerdings die alten Abkommen meist weiterhin und werden durch neue Regelungen lediglich ergänzt bzw. präzisiert.129 Die zentrale Rolle der Ökonomie für die EU spiegelt sich in den Gesetzes- und Vertragstexten schon in den mengenmäßigen Anteilen an Artikeln, die sich ausschließlich mit wirtschaftlichen Fragen beschäftigen. So enthält etwa der EGVertrag in seinem dritten Teil „Die Politiken der Gemeinschaft“ insgesamt zwanzig Titel, von denen sich maximal sieben nicht ausschließlich der Wirtschaft zuordnen lassen, die aber meist trotzdem noch wirtschaftliche Aspekte beinhalten (vgl. Läufer 1999; Amtsblatt 2001).130 Die Europäische Union wird auf zwei Ebenen realisiert: Einerseits durch die nach eigenen Regeln funktionierenden Gemeinschaften, andererseits durch die europaweite Zusammenarbeit der beteiligten Länder (vgl. Weidenfeld und Wessels 1997).131 Sie besteht aus den drei Säulen a) Europäische Gemeinschaft, b) Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und c) Zusammenarbeit in der Innen- und Rechtspolitik. Die erste Säule umfasst den Vertrag über eine Europäische Gemeinschaft, die Ergänzungen der Wirtschafts- und Währungsunion und weitere Materien (u.a. Sozialpolitik, Beschäftigung, Berufliche Bildung), also praktisch alle wirtschaftlichen Aspekte. Die aktuellste Fassung des geltenden Rechts bildet der Vertrag von Nizza, veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften und damit offiziell gültig seit dem 10. 03. 2001, der die Verträge von Maastricht (1992) und Amsterdam (1999) ergänzt. Dabei geht es mehrheitlich um Änderungen in den Säulen 2 und 3 sowie um veränderte Formalia vor allem im Bereich der Wirtschaftsund Währungspolitik (Titel VII des Vertrags von Amsterdam), die allerdings eine wichtige Rolle spielen können. So wurde etwa das Einstimmigkeitsprinzip in einigen Bereichen durch das Mehrheitsprinzip ersetzt (z.B. Artikel 100 und 111), was im Endeffekt zu einem Anpassungsdruck auf die unterlegenen Minderheiten führt. Auch in den Inhalten der Vertragstexte zeigt sich wieder die Wichtigkeit der Öko128

Das Zitat stammt aus einer Rede vor der polnischen Börse vom 6. Oktober 2001 in Warschau und wurde entnommen aus Volkmann-Schluck (2001). Hierin drückt sich allerdings auch die spezifisch britische Vorstellung der europäischen Integration aus. 129 Es wird in der vorliegenden Arbeit vom Stand Frühjahr 2003 ausgegangen, ergänzt allerdings um den neuen Verfassungsvertrag (Europäische Union 2004). 130 Dies sind Titel IV: Visa, Asyl, Einwanderung und andere Politiken betreffend den freien Personenverkehr; Titel XI: Sozialpolitik, allgemeine und berufliche Bildung und Jugendliche; Titel XII: Kultur; Titel XIII: Gesundheitswesen; Titel XVII: Forschung und technologische Entwicklung; Titel XIX: Umwelt und Titel XX: Entwicklungszusammenarbeit. 131 Dabei sind die Zuständigkeiten nicht immer klar geregelt, auch wenn prinzipiell das Subsidiaritätsprinzip gilt. Zu einem Vorschlag der besseren Ordnung der Zuständigkeiten vgl. (Friedrich 2002) oder auch die Ansätze in dem neuen Verfassungsvertrag (Europäische Union 2004).

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4. Das Wirtschaftsskript der Europäischen Union

nomie. Zwar findet sich in der Präambel des EU-Vertrages außer der Erwähnung des Binnenmarktes und der Forderung nach wirtschaftlichem und sozialem Fortschritt recht wenig an direkten wirtschaftlichen Statements, doch als erstes Unionsziel wird gleich „die Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts und eines hohen Beschäftigungsniveaus sowie die Herbeiführung einer ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung, insbesondere durch Schaffung eines Raumes ohne Binnengrenzen, durch Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts und durch Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion“ (Läufer 1999: 18 ff.) definiert. Entsprechend der oben gemachten Ausführungen findet sich der Wirtschaftsaspekt im EG-Vertrag noch wesentlich stärker, hier ist bereits die Präambel ökonomisch ausgerichtet (Läufer 1999: 54 ff.). Die Aufgabe der Europäischen Gemeinschaft ist praktisch allein wirtschaftlicher Natur (vgl. etwa Artikel 2, der die Aufgaben der EG definiert). Mit der Verabschiedung einer Verfassung für die Europäische Union durch die Staatsoberhäupter im Sommer 2004 werden die meisten der bisherigen Regelungen in einem einzigen Vertragswerk zusammengefasst und bekommen darüber hinaus eine zusätzliche Verbindlichkeit.132 Für den wirtschaftlichen Bereich ergeben sich dadurch kaum Neuerungen, allerdings eine teilweise klarere Struktur der Zuständigkeiten. Wiederum nehmen wirtschaftsbezogene Regelungen einen wichtigen Teil der Titel und Artikel ein. Die wirtschaftliche Integration ist allerdings kein Selbstzweck, sondern wird rückgebunden an einen über sie hinausweisenden Sinn. Oberstes Ziel der EU ist es danach, „den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern“ (Konferenz 2004: Art. I-3 (1)). Hierzu wird allerdings eine ganz bestimmte Wirtschaftsordnung, wie sie weiter unten noch ausführlicher dargestellt werden wird, als zielführend angesehen. Die zentrale Rolle der Europäischen Union im Bereich der Wirtschaft zeigt sich vor allem an ihren Zuständigkeiten in diesem Bereich. Wie oben erwähnt, wird die EU auf den beiden Ebenen „Gemeinschaften“ und „Koordination der Länderpolitiken“ realisiert. Ausschließliche Zuständigkeit hat die EU u.a. in den Bereichen I. Zollunion, II. der für das Funktionieren des Binnenmarktes erforderlichen Wettbewerbsregeln, III. der Währungspolitik für die Euro-Staaten und der gemeinsamen Handelspolitik (Konferenz 2004: Art. I-13). Geteilte Zuständigkeit findet sich z.B. in den Bereichen I. Binnenmarkt, II. Sozialpolitik oder III. des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts (Konferenz 2004: Art. I-14). Ein wichtiger Bestandteil der Koordination der Länder ist schließlich die Festlegung der

132

Allerdings hat es mit der Ablehnung der EU-Verfassung durch entsprechende Referenden in diversen Ländern im ersten Halbjahr 2005 hier einen empfindlichen Rückschlag gegeben. Die Zukunft der Verfassung ist damit ungewiss. Da die Verfassung für den Wirtschaftsbereich allerdings keine gravierenden Veränderungen im Gegensatz zu den bisher gültigen Verträgen vorsieht, ist dies für die vorliegende Analyse auch irrelevant.

4.1 Die Relevanz der Wirtschaft im EU-Recht

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Grundzüge der Wirtschaftspolitik durch den Ministerrat (Konferenz 2004: Art. I-15). Neben den Verträgen und der Verfassung gibt es eine Vielzahl weiterer Dokumente, die Empfehlungen für die Wirtschaftspolitik innerhalb der EU enthalten, allerdings mit sehr unterschiedlichem Verbindlichkeitscharakter. Die wichtigsten Texte sind durch die Verträge vorgeschrieben und binden die Mitgliedsstaaten. So verlangen etwa Artikel 99 bzw. 128 des EG-Vertrages sogenannte „Grundzüge der Wirtschaftspolitik“ und „Leitlinien (und Empfehlungen) für beschäftigungspolitische Massnahmen der Mitgliedstaaten“. Sie werden durch die Kommission vorgeschlagen, vom Rat beschlossen und wiederum von der Kommission überwacht. Dabei „geben die Grundzüge der Wirtschaftspolitik den Rahmen für die wirtschaftspolitische Koordinierung in der Europäischen Union vor, während im Wesentlichen die beschäftigungspolitischen Leitlinien und die an die Mitgliedsstaaten gerichteten Empfehlungen die Funktion der beschäftigungspolitischen Koordinierung erfüllen“ (Kommission 2003: 4). Diese jährlich zu erstellenden Berichte und Empfehlungen stützen sich dabei auf die mittelfristigen Vorgaben, die in Lissabon im März 2000 als strategische Ziele mit einem Zeithorizont bis 2010 formuliert wurden. Weicht ein Mitgliedsland von den Vorgaben ab, so kann der Rat gegensteuernde Empfehlungen an das entsprechende Land aussprechen und diese auch veröffentlichen. Über die im engeren Sinne wirtschaftspolitischen Dokumente hinaus finden sich eine ganze Reihe an Veröffentlichungen zu sozialen Fragen, die eng mit der Ökonomie verknüpft sind, so etwa die Europäische Sozialcharta (1961), die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer (1989) und die Charta der Grundrechte.133 Dort wird die Achtung eines gewissen Minimums sozialer Sicherheit propagiert. „Damit es im europäischen Binnenmarkt nicht zu einem ‚ruinösen Wettbewerb’ auf Kosten der sozialen Errungenschaften kommt, legt die EU soziale Mindeststandards in Form von Richtlinien fest, die von den Mitgliedstaaten in Gesetze umgesetzt werden müssen. Diese sind selbstverständlich Ergebnis einer langen politischen Diskussion, in der alle Beteiligten Kompromisse machen müssen. (...) An eine völlige Harmonisierung der Sozialstandards ist langfristig nicht gedacht“ (Kommission 1996: 5). Die zweite große Gruppe an Dokumenten, die ebenfalls entscheidende Weichenstellungen für die Wirtschaft in Europa vornehmen, entstehen im Zusammenhang mit Beschlüssen zur Erweiterung der EU. Hierzu zählen bisher vor allem die Agenda 2000 aus dem Jahr 1997 mit den entsprechenden Reformen von 1999 sowie 133

Die Charta der Grundrechte wurde anlässlich des Europäischen Rates von Nizza am 7. Dezember 2000 unterzeichnet und wurde in leicht anderer Aufteilung in die Verfassung integriert. Die Sozialpolitik findet sich darüber hinaus in der Verfassung, z.B. im Artikel I-15 unter der Überschrift „Die Koordinierung der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik“ und damit in enger Verbindung mit zentralen ökonomischen Belangen.

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4. Das Wirtschaftsskript der Europäischen Union

die Beitrittsverhandlungen (Europäische Kommission 2000: 4). Während allerdings in der Agenda 2000 nur bestimmte Wirtschaftsaspekte betroffen sind (vor allem die Landwirtschaft), wird im Rahmen des Beitrittsprozesses ein genereller Schwerpunkt auf die Ökonomie gelegt. Entsprechend orientierte sich die Debatte über die Erweiterung an Wirtschaftsfragen. Die Vorgaben für die Erweiterung der Europäischen Union sind für die hier verfolgte Fragestellung von zentraler Bedeutung. Grundlegende Voraussetzung für den Beitritt eines Landes ist die Erfüllung der sogenannten Kopenhagener Kriterien: a) Stabilität der Institutionen, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte sowie Achtung und Schutz von Minderheiten garantieren; b) Die Existenz einer funktionierenden Marktwirtschaft, die dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften in der Union standhält; c) Fähigkeit zur Übernahme der Pflichten der Mitgliedschaft, einschließlich Einverständnis mit den Zielen der Politischen Union sowie der Wirtschafts- und Währungsunion (vgl. Kommission 2002b: 9). Auch hier liegt mit zwei von drei Kriterien die Schwerpunktsetzung im Bereich der Ökonomie. Die in Punkt c) angesprochenen Pflichten sind im sogenannten Acquis Communautaire zusammengefasst. Er umfasst insgesamt 31 Bereiche bzw. Kapitel, die im Rahmen der Beitrittsverhandlungen besprochen werden (das sogenannte „Screening“) und in denen die Rechtssprechung und institutionelle Ausstattung der Beitrittskandidaten den EU-Standards angepasst werden. Von diesen 31 Bereichen sind lediglich 8 eher nicht direkt dem wirtschaftlichen Bereich zuzuordnen (etwa Wissenschaft und Forschung, Statistik oder Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik), acht teilweise (Telekommunikation, Umwelt etc.) und 15 praktisch ausschließlich.134 Damit erweist sich die Ökonomie als der mit Abstand wichtigste Aspekt der bisherigen und wohl auch zukünftigen europäischen Integration. Sowohl im EU- als auch im EG-Vertrag und in der Verfassung finden sich an zentraler Stelle Hinweise auf die von der EU vertretenen Vorstellungen in diesem Bereich. Darüber hinaus finden sich konkretere verbindliche Angaben in den „Grundzügen der Wirtschaftspolitik“, den „Leitlinien/Empfehlungen für beschäftigungspolitische Massnahmen“ sowie den Vorgaben für die Beitrittskandidaten. Die in diesen Papieren manifestierten Vorstellungen zur Wirtschaftsordnung sollen im Folgenden in einer dimensionalen Analyse genauer herausgearbeitet werden. Zunächst wird jedoch kurz erläutert, welche Aufgabe und welchen Sinn eine solche dimensionale Analyse hat.

134

Die kompletten 31 Themenblöcke finden sich in Europäische Kommission (2002). In einigen Dokumenten werden nur 29 Themenblöcke erwähnt (Kommission 2002b: 11).

4.2 Die Notwendigkeit einer dimensionalen Analyse

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4.2 Die Notwendigkeit einer dimensionalen Analyse Es wurde bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass der Kulturbegriff ausgesprochen schwammig ist. Dies gilt für den Begriff der Wirtschaftskultur nicht weniger. Um diese „catch all“-Kategorie daher empirisch greifbar zu machen, ist eine genaue Definition notwendig. Bevor allerdings eine solche Definition erfolgt, muss erstens der theoretische Rahmen, in den das Definiendum eingeordnet werden soll, skizziert werden. Schließlich ist eines der Kriterien einer guten Definition die „Zweckmäßigkeit“ innerhalb einer Fragestellung. Dieser theoretische Rahmen wurde oben in Kapitel 3 dargestellt. Ein zweites Gütekriterium für Definitionen ist die Präzision derselben. Ein Verfahren, das als Wegweiser dazu fungieren kann, ist eine dimensionale Analyse. „Der Definition hat (...) eine dimensionale Analyse des Gegenstandsbereiches voranzugehen (...); d.h. die für die Diagnose relevanten Aspekte der zu untersuchenden Situation werden herausgearbeitet und mit Begriffen (mit sprachlichen Symbolen) bezeichnet“ (Kromrey 1998: 112). Aus diesem Grund soll in den folgenden Absätzen mit Hilfe einer dimensionalen Analyse geklärt werden, welche Facetten sich sinnvollerweise unter den Begriff der Wirtschaftskultur im EU-Rahmen subsumieren lassen. Der empiristische Weg der Dimensionsreduktion der Datenvielfalt mit Hilfe einer Faktorenanalyse ist in diesem Falle aus mehreren Gründen nicht sehr hilfreich. Das erste Problem wäre die Auswahl der Daten selbst. Solange man nicht weiß, was man unter Wirtschaftskultur versteht, kann man auch nicht entscheiden, welche Daten zu ihrer Messung herangezogen werden sollten. Ein weiteres Problem könnte sein, dass man gar nicht zu allen Aspekten der Wirtschaftskultur Daten vorliegen hat, diese sich also in einer Faktorenanalyse auch nicht abbilden lassen würden. Ein drittes Problem ist die Anlage der Daten. Durch den Vergleich sehr vieler Länder und die Annahme, dass in diesen unterschiedliche Wirtschaftskulturen zu finden sind, könnte die Bildung von sinnvollen Faktoren erschwert sein. Es bleibt also, wie bei der empirischen Analyse eines im Vorfeld so unklaren Begriffes wie der Kultur praktisch immer, nichts anderes übrig, als die verschiedenen Dimensionen theoriegeleitet zu bestimmen. Die dimensionale Analyse hat dabei nach Helmut Kromrey drei Aufgaben. Erstens geht es um eine systematische Erfassung aller relevanten Aspekte des zu erforschenden Gegenstandes, und zwar, wie er mehrfach betont, nicht des Begriffs, sondern der entsprechenden „Situation im Untersuchungsfeld“ (1998: 117, FN 12) bzw. des „gemeinten realen Sachverhalt[es, M.H.]“ (ebd.: 114). Es ist also in dem durch die Forschungsfrage gegebenen Rahmen zu klären, was alles unter Wirtschaftskultur in Europa fällt. Dabei kann es notwendig sein, in mehreren Schritten vorzugehen, indem man Hauptdimensionen in mehrere Teildimensionen zerlegt.

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Die zweite Aufgabe besteht in der Auswahl der untersuchungsrelevanten Aspekte. Häufig wird es nicht möglich sein, die gesamte gefundene Bandbreite eines Begriffes zu erforschen, so dass für die konkrete Studie eine Auswahl getroffen werden muss, welche aber begründungsbedürftig ist. Selektionskriterium für eine Bevorzugung bestimmter Aspekte sollte ihre Relevanz sein. Diese Relevanz kann sich aus der Forschungsfrage/dem Erkenntnisinteresse, dem Verwendungszusammenhang für die Ergebnisse (etwa bei Auftragsforschung) oder aber, und dies ist sicherlich das wichtigste Kriterium, aus theoretischen Überlegungen ergeben. Die Auswahl und ihre Begründung müssen dokumentiert werden und sollten intersubjektiv nachvollziehbar sein. Als dritte Aufgabe der dimensionalen Analyse sieht Kromrey schließlich die Entwicklung eines deskriptiven Begriffsschemas, wobei er auf die hier schon erwähnten bzw. noch zu erwähnenden Gütekriterien von Begriffsdefinitionen (Zweckmäßigkeit, Präzision, Allgemeinverständlichkeit, Operationalisierbarkeit) rekurriert. Zusätzlich erwähnt er die theoretische Relevanz der Begriffe des deskriptiven Schemas, „so daß die Daten auch zur Weiterentwicklung bereits bestehender oder zur Formulierung neuer Theorien/Hypothesen über den Untersuchungsgegenstand beitragen können“ (Kromrey 1998: 128). Insgesamt kommt Kromrey zu dem Schluss: „Präzisierung der Fragestellung, dimensionale bzw. semantische Analyse sind (wie die gesamte Konzeptualisierung des Forschungsvorhabens) wichtige und für den erfolgreichen Verlauf eines Forschungsprojekts kritische Punkte“ (1998: 115 f.). Erst wenn alle drei Aufgaben erfüllt werden, kann die Umsetzung der Fragestellung unter Berücksichtigung des theoretischen Rahmens in eine empirisch Messung mittels Operationalisierung in adäquater Weise gelingen. 4.3 Dimensionale Analyse der Wirtschaftskultur der EU Oben wurde dargestellt, dass man im Konzept der Wirtschaftskultur sinnvollerweise zwischen den zwei Hauptdimensionen „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“ und „Individuelle Handlungsorientierungen“ trennen kann. Die erste Dimension orientiert sich an der Wirtschaftsordnung der EU. Daher verfolgt dieser Abschnitt ein doppeltes Ziel. Erstens werden die wichtigsten Dimensionen der EUWirtschaftsordnung identifiziert. Sie bilden die Subdimensionen, die in der vorliegenden Arbeit sinnvollerweise unter den „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“ analysiert werden.135 Zweitens wird die Position der EU innerhalb dieser Subdimensi135

Den Zusammenhang zwischen ihrer Wirtschaftsordnung und Kultur stellen die EU-Institutionen selbst her: So forderte der Rat von Lissabon, dass die Regelungen einer europäischen Wirtschaftsordnung explizit „ihren [der Europäischen Union, M.H.] Wertvorstellungen und ihrem Gesellschaftsmodell entsprechen“ (Rat 2000b: 1) sollen.

4.3 Dimensionale Analyse der Wirtschaftskultur der EU

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onen analysiert, um später einen Vergleich der Wirtschaftskulturen mit der EUPosition, die als „tertium comparationis“ dient, zu ermöglichen. Aus diesem Grund wird zusätzlich auch noch einmal kurz darauf eingegangen, wie die EUVorstellungen im Bereich der „Individuellen Handlungsorientierungen“ als zweiter Dimension von Wirtschaftskultur aussehen. 4.3.1 Zentrale Subdimensionen der europäischen Wirtschaftsordnung Die Vorstellungen der EU-Institutionen zum Bereich der Ökonomie sind nicht ganz einfach aus den Verträgen, der Verfassung und dem verbindlichen Rechtskorpus der EU herauszupräparieren. Ein wichtiger Grund ist, dass sich die EURegelungen über einen Zeitraum von über 50 Jahren entwickelt haben und dabei über die Zeit unterschiedliche wirtschaftstheoretische Ansätze einen dominanten Einfluss hatten. Ein zweiter Grund ist der Kompromisscharakter der Dokumente. In den Mitgliedsländern der EU findet sich ein breites Spektrum verschiedener Wirtschaftsordnungsvorstellungen.136 Häufig wird zwischen den Extrempolen eines „diskretionär-interventionistischen, ‚voluntaristischen’ französischen Modells und eines regulierungsfeindlichen, strikt deregulierungsorientierten neoliberalen wirtschaftspolitischen Konzepts der britischen Regierung unter Margret Thatcher“ (Scherpenberg 1996: 370) unterschieden, wobei die deutsche soziale Marktwirtschaft dazwischen verortet wird.137 Entsprechend enthalten die EU-Regelungen keine am Reißbrett entworfene Konzeption einer Wirtschaftsordnung, sondern vielmehr ein Nebeneinander verschiedener Ansätze und teilweise Widersprüchlichkeiten (Friedrich 2002: 4; Berthold und Hilpert 1996: 77). Damit ist die Zielrichtung der Wirtschaftspolitik nicht immer eindeutig (Mummert 2001: 40). Aber auch wenn man für die Anfänge der EU von keiner konsistenten wirtschaftlichen Ordnungspolitik reden kann (Scherpenberg 1996: 353; Weidenfeld 2002b: 14 ff.), so hat sich mit der Zeit doch so etwas wie ein Europäisches Wirtschaftsmodell auf EU-Ebene herausgebildet: „While there is still considerable diversity among the national ‚capitalisms’ in western Europe, both globalization and [European, M.H.] integration are eroding national particularities, if not – as yet – pitching them towards full convergence“ (Rhodes und Apeldoorn 1997: 171). So kann man in den letzten Jahren für die meisten Bereiche durchaus von einer Konvergenz wirtschaftspolitischer Konzepte in der EU

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Hasse weist darauf hin, dass bisher einer Diskussion über die Kompatibilität und mögliche Formen der Koordinierung der Wirtschaftspolitiken auf europäischer Ebene ausgewichen wird (2003: 247). 137 Zu einem Vergleich der in den Verfassungen der EU-15-Länder niedergelegten wirtschaftspolitischen Konzeptionen Hagedorn und Maruhn (2003).

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sprechen (Bilger 1996: 188; Scherpenberg 1996: 369; eher kritisch Schmidt 2001; Tömmel 2001b).138 Glücklicherweise gibt es bereits verschiedene Strukturierungsvorschläge, an die man anknüpfen kann und die sich in Bezug auf die zentralen Aspekte sehr ähneln. Holger Friedrich (2002) hat im Anschluss an Claus Giering (2001) eine Einteilung der Grundzüge der Europäischen Wirtschaftsverfassung, die die zentralen Regelungen zur Wirtschaftsordnung enthält, in fünf Bereiche vorgeschlagen: I. „Verbindliche Ordnungspolitische Zielsetzungen“, II. „Ausschließliche Politiken“, III. „Gemeinsame Politiken“, IV. „Ergänzende Politiken“ sowie V. „Koordinierte Bereiche“. Für die hier verfolgte Fragestellung ist dabei die erste Kategorie die zentrale. Sie enthält „alle Bestimmungen, welche die europäische Wirtschaftsordnung mitsamt ihrer ordnungspolitischen Zielrichtung betreffen“ (Friedrich 2002: 5). Vertraglich festgelegt findet sich das europäische Leitbild vor allem in den Artikeln 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) sowie in den Artikeln 2, 3 und 4 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EGV). In der neuen Verfassung sind diese Regelungen u.a. in die Art. I-3 (2), I-3 (3) und I-4 (1) eingegangen. Geprägt ist das ordnungspolitische Leitbild der EU danach durch eine offene, dem Wettbewerb sowie in gewissem Rahmen der Sozialstaatlichkeit verpflichteten Marktwirtschaft (z.B. EGV 3j und 4, vgl. auch Friedrich 2002; Donges et al. 1997). Allgemein wird der Markt als der zentrale Koordinationsmechanismus für wirtschaftliches Handeln angesehen (Scherpenberg 1996: 361). Damit weisen die EUVorstellungen starke Ähnlichkeiten mit dem deutschen Modell der sozialen Marktwirtschaft auf (Hödl und Weida 2001: 13; Bilger 1996; Scherpenberg 1996: 370). Die zentralen Subdimensionen sind hierbei „Offenheit der Märkte“, „Wettbewerb“ und die „Rolle des Staates“ (Hödl und Weida 2001). Der EG-Vertrag verpflichtet die Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft denn auch explizit dem „Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ (EGV Art. 4, Absatz 1). 4.3.1.1

Offenheit der Märkte

Eine der Grundvoraussetzungen einer funktionierenden Marktwirtschaft ist die Offenheit der Märkte, auf denen die Waren, aber auch die Arbeitskraft getauscht werden. So stellt sich die Frage, wer als Marktteilnehmer überhaupt zugelassen wird.139 „Mit wachsender Zahl der Konkurrenten im Verhältnis zum Erwerbsspiel138

Ausnahmen sind vor allem der Agrarbereich, evtl. auch Verkehr (Smeets 1996: 63). Dies kann vom absolut freien Pol des Zugangs für alle bis hin zu kleinen und kleinsten Märkten gehen, etwa wenn man sich allein der eigenen Familie gegenüber zu Rechtschaffenheit verpflichtet fühlt. „Was traditionelle Gesellschaften von entwickelten unterscheidet, ist nicht das Nichtvorhandensein von

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4.3 Dimensionale Analyse der Wirtschaftskultur der EU

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raum wächst hier das Interesse der an der Konkurrenz Beteiligten, diese irgendwie einzuschränken. Die Form, in der dies zu geschehen pflegt, ist die: daß irgendein äußerlich feststellbares Merkmal eines Teils der (aktuell oder potentiell) Mitkonkurrierenden: Rasse, Sprache, Konfession, örtliche oder soziale Herkunft, Abstammung, Wohnsitz usw. von den anderen zum Anlaß genommen wird, ihren Ausschluß vom Mitbewerb zu erstreben“ (Weber 1985: 201). Die EU vertritt hier eine eindeutige Position. Zumindest was den Binnenmarkt angeht, setzen die EU-Institutionen voll auf die Öffnung aller Märkte, um so einen europaweiten Binnenmarkt zu schaffen. „The key organising idea is free movement for similar goods, services or persons” (Lane 2002: 10). Wie in der Einheitlichen Europäischen Akte von 1987 vorgesehen, begann zur Jahreswende 1992/93 der gemeinsame europäische Binnenmarkt mit den sogenannten vier Freiheiten des Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs. Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital sollten sich in der EU genauso frei bewegen können, wie es bisher innerhalb der nationalen Volkswirtschaften der Fall war. Hinweise auf die definierte Offenheit des Binnenmarktes finden sich im Vertragswerk an mehreren Stellen, u.a. in den Präambeln des EUV und des EGV, in der Verfassung in Art. I-4 (1), im Art. 3 c) des EGV oder im Weißbuch „Vollendung des Binnenmarktes“ (Kommission 1985). Die erfolgreiche Einführung des Binnenmarktes wurde durch ein wirtschaftspolitisches Umdenken in den 80er Jahren ermöglicht, welches auf Stärkung der Wirtschaftskraft durch Marktliberalisierung setzte (vgl. etwa Schäfer 2002; Thiel 1996: 125 ff.). Die EU hat dabei die notwendigen Voraussetzungen für die Öffnung der Märkte, z.B. ein „Verbot von Zöllen und mengenmäßigen Beschränkungen bei der Ein- und Ausfuhr von Waren“ (EGV Art. 3 Abs. 1, a) geschaffen. Die Offenheit des Marktes ist ein Prinzip, welches in den Volkswirtschaften aller Mitgliedstaaten mehr oder weniger gut verankert ist. Neu ist allerdings die Ausweitung auf einen supranationalen Raum.140 Entsprechend finden sich immer wieder Versuche von staatlicher oder ökonomischer Seite, unliebsame ausländische Konkurrenz zu behindern. Richtungsweisend geworden ist in diesem Zusammenhang das „Cassis de Dijon“-Urteil von 1979, das also bereits vor der eigentlichen Einführung des Binnenmarktes entschieden wurde. Die Richter des Europäischen Gerichtshofs votierten damals gegen den deutschen Gesetzgeber, dem die 20 % Alkoholgehalt des Likörs nicht mit den vorgeschriebenen minimal 32 % des deutschen Rechts vereinbar erschien, und hielten fest: Was in einem Staat der Gemein-

Normen, die Verfügungsrechte schützen. Der zentrale Unterschied besteht vielmehr darin, daß durch sie häufig nur ein wesentlich kleinerer Adressatenkreis geschützt wird“ (Mummert 2001: 40). 140 Im Rahmen der GATT-Verhandlungen gibt es natürlich ebenfalls Versuche der weltweiten Marktliberalisierung, die allerdings in vielen Bereichen noch nicht so weit reichen wie in der EU (vgl. zum Verhältnis der EU zum GATT die Aufsätze in Müller-Graff 2000).

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schaft erlaubt ist, darf auch in allen anderen verkauft werden (Fritzler und Unser 1998: 62).141 Vorstellungen über die Offenheit können sich sowohl auf innen als auch auf außen beziehen. Während sich die vier Grundfreiheiten vor allem auf die Frage nach einer Offenheit über die Ländergrenzen hinweg konzentrieren, gibt es mit der Gleichstellungspolitik einen wichtigen Kernbereich der europäischen Regelungen, der auch innerhalb der Länder eine Öffnung der Arbeitsmärkte für bisher benachteiligte Gruppen regelt. Die Gleichstellungspolitik nimmt eine zentrale Stellung in den Vertragswerken ein. Da diese Gleichstellung vor allem wirtschaftsbezogen gesehen wird (z.B. Art. II-83 der Verfassung), wird sie hier im Bereich der Wirtschaftskultur unter die „Offenheit der Märkte“ subsumiert. Zur Frage der Gleichberechtigung von Mann und Frau in der EU gibt es eine breite Literatur (Bergmann 1999; Ostner 1993; Watson 2000; Wobbe 2001; Ögüt 2003). Da dieses Thema bereits an anderer Stelle ausführlich behandelt wurde (Gerhards und Hölscher 2003; Gerhards 2005), soll hier nur auf die Kernpunkte eingegangen werden. Die Forderung nach einer Gleichstellung der Geschlechter findet sich im EURecht an prominenten Stellen, etwa in der Verfassung unter den Zielen der Union (Art. I-3 (3)) und in der Grundrechtecharta (Art. II-81). Schon der EWG-Vertrag von 1957 enthält den Grundsatz im Hinblick auf gleiche Bezahlung. Insgesamt setzt sich die EU für einen gleichen Zugang zur Beschäftigung, zur Berufsberatung und -ausbildung, für gleiche Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen und die Mitgliedschaft in Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen ein. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist damit ein wichtiger Aspekt der wirtschaftspolitischen Vorstellungen der EU. 4.3.1.2

Wettbewerbsorientierung

Marktwirtschaften sind, neben der Offenheit der Märkte und als Folge derselben, als zweites durch eine explizite Wettbewerbsorientierung geprägt. „Die zwei zentralen Elemente von Marktprozessen sind Tausch und Wettbewerb“ (Mummert 2001: 39). Ein wichtiger Teilbereich der Wirtschaftsordnung ist deshalb die Gewährleistung von Wettbewerb (schon Eucken 1949).142 Erst über den Wettbewerb kann der Markt seine spezifischen Vorteile entfalten (Schmidt und Binder 1998: 1235). „Nur bei Marktoffenheit und Wettbewerb lassen sich die Erwartungen der Bürger über die Vermehrung von Wohlstand erfüllen“ (Donges et al. 1997: 271). Ohne eine 141

Gleichzeitig bleiben aber bestimmte Bereiche vor der Öffnung geschützt (vgl. Artikel 30 EGV und Thiel 1996: 128). 142 Lynn konnte in einer vergleichenden Studie nachweisen, dass insbesondere die Wettbewerbsorientierung einen signifikanten positiven Effekt auf das Wirtschaftswachstum hat (Lynn 1991).

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gewisse Wettbewerbsorientierung, so die gängige Auffassung, würde die Marktwirtschaft nicht funktionieren. Insofern ist die Stabilität und Effizienz des Marktes u.a. auf die Akzeptanz des Wettbewerbs als zentralem Verteilungsmechanismus angewiesen. Aber die Ausprägung der Wettbewerbsorientierung ist selbst kulturell geprägt. Wie sehr akzeptieren die Befragten in den verschiedenen Ländern, dass sie sich als Marktteilnehmer auf einem Markt gegeneinander behaupten müssen? Wie sehr wird akzeptiert, dass ein besseres „Produkt“ auch einen besseren Preis verlangen kann? Verschiedene Wirtschaftsordnungen haben unterschiedliche Regelungen, welche Bereiche etwa dem Wettbewerb unterliegen, wie sehr dieser Wettbewerb „zivilisiert“ wird etc. (Berthold und Hilpert 1996: 79). Die Europäische Union nimmt eine eindeutige Position ein. Sie spricht sich dezidiert für einen freien Wettbewerb innerhalb des europäischen Binnenmarktes aus (Schmidt und Binder 1998). Die dabei verwendeten Attribute reichen über „redlich“ (Präambel EGV), „unverzerrt“ bzw. „unverfälscht“ (Artikel 3 Abs. 1 g) bis zu „frei“ (Artikel 4 Abs. 1 und 2). Ziel eines freien Wettbewerbs ist die Gestaltung optimaler Marktprozesse. Als Instrumente stehen der EU etwa Kartellverbote, das Verbot des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen oder die Kontrolle staatlicher Beihilfen zur Verfügung. Die Herstellung von Wettbewerb und die Liberalisierung wettbewerbsbehindernder Reglementierungen verbindet die EU mit der wirtschaftspolitischen Hoffnung der Erzeugung von Wachstum, Fortschritt und Prosperität (Kommission 2000). Die Philosophie der Wettbewerbserzeugung durch Deregulierung bezieht sich aber in erster Linie auf das Innenverhältnis der EU. Wettbewerb des europäischen Wirtschaftsraums im Verhältnis zu den außereuropäischen Volkswirtschaften meint häufig staatliche Unterstützung und Förderung von europäischen Wirtschaftszweigen, um diese für den internationalen Wettbewerb zu rüsten. Die Lissabon-Strategie aus dem Jahr 2000 will Europa zur dynamischsten und wettbewerbfähigsten Region weltweit machen (Rat 2000b). Um dieses Ziel zu erreichen, sollen bestimmte Sektoren besonders unterstützt werden, z.B. durch eine gezielte staatliche Förderung von Forschung und Entwicklung oder durch institutionelle Hilfen bei der grenzübergreifenden Zusammenarbeit, im Einzelfall aber auch durch die Zulassung europäischer Oligopole, um so „einem verschärften internationalen Wettbewerb standhalten zu können“ (Turek 1997: 346).143 Werkzeuge zur Erreichung dieser Ziele sind insbesondere die Industrie-, z.T. auch die Handelspolitik. Entsprechend konstatieren 143

Begründet wird dies folgendermaßen: „Im Binnenmarkt verfügt die Gemeinschaft über ein justitiables Regime, um wettbewerbsverzerrendes Verhalten wirksam zu sanktionieren. Im globalen Maßstab greifen diese Maßnahmen jedoch nicht. Somit können in der Konsequenz wettbewerbswirksame Maßnahmen innerhalb des Binnenmarktes den Wettbewerb zwar stärken, die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen gegenüber der internationalen Konkurrenz aber schwächen. Die Europäische Kommission hat dieses Dilemma insofern erkannt, als dass sie sich um die Gewährleistung eines effizienten Wettbewerbes in Europa bemüht und dabei Unternehmenszusammenschlüsse im Rahmen weltweiter Strategien auf weltweiten, europäischen oder nationalen Märkten untersucht“ (Turek 1997: 348).

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Norbert Berthold und Jörg Hilpert: „Wettbewerbs-, Industrie- und Handelspolitik geraten leicht in Konflikt zueinander. Die in der EU geltenden Vertragsbestimmungen programmieren Konflikte dieser drei Politikfelder vor, weil sie je nach Interessenlage widersprüchlich interpretiert werden können“ (Berthold und Hilpert 1996: 106). Die Herstellung von Wettbewerbsfähigkeit ist allerdings für die EU kein reiner Selbstzweck (Schmidt und Binder 1998: 1236). So wird immer wieder darauf hingewiesen, dass damit die Verbesserung des Lebensstandards der Menschen angestrebt wird. Gedämpft wird der Wettbewerb zusätzlich durch eine relativ stark ausgeprägte Gleichheitsvorstellung. Sie drückt sich nicht nur, wie oben bereits erwähnt, in der Gleichstellung von Mann und Frau und die Integration benachteiligter Gruppen in den Arbeitsmarkt aus, sondern auch in Politiken mit dem Ziel einer harmonischen Entwicklung, „indem sie den Abstand zwischen einzelnen Gebieten und den Rückstand weniger begünstigter Gebiete verringern“ (EGV, Präambel). Es lässt sich daher für die EU ein instrumenteller Begriff von Wettbewerb (Hödl und Weida 2001: 50 ff.) konstatieren. Dieser instrumentelle Begriff bedarf einer Ausgestaltung durch die Politik, womit die dritte Subdimension „Rolle des Staates“ angesprochen ist. 4.3.1.3

Rolle des Staates

Dieser Bereich besitzt insofern besondere Brisanz, als die westeuropäischen Länder traditionell eher durch eine gewisse Zurückhaltung des Staates geprägt sind, während in Osteuropa mit dem Staatssozialismus ein System herrschte, welches die politische Lenkung der Wirtschaft praktizierte. Aber auch in Westeuropa unterscheiden sich z.B. die skandinavischen Länder oder Frankreich extrem von Großbritannien. Es herrscht zwar mittlerweile ein breiter Konsens darüber, dass eine Marktwirtschaft der Steuerung durch die Politik bedarf, gleichzeitig gehen aber die Meinungen über das notwendige Ausmaß dieses Eingriffes auseinander. Dem Staat kommen dabei zwei Aufgaben zu, eine ordnungspolitische und eine sozialpolitische. Der ordnungspolitische Aspekt des Verhältnisses von Staat und Ökonomie ergibt sich aus der Feststellung, dass der Markt entgegen radikalliberaler Annahmen nicht stabil ist, wenn er sich selbst überlassen wird (Turek 2002: 158). Um einen freien Wettbewerb für alle zu gewährleisten, muss der Staat daher gewisse Vorkehrungen treffen (Kartellamt, Wettbewerbsregelungen, Verbot von Preisabsprachen etc.), da es ansonsten z.B. zur Bildung von oligopolistischen Strukturen kommt. Auch hier ist es aber u.a. eine Frage der Kultur, welche Rolle dem Staat von seinen Bürgern zugewiesen wird. „In allen Staaten erwarten die Menschen, daß der Staat bestimmte Aufgaben erfüllt. (...) Der Umfang der solchermaßen erfüllten Aufgaben und die

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Art, wie sie erfüllt werden, sind von Land zu Land verschieden – ganz im Einklang mit den unterschiedlichen Traditionen und Werthaltungen der Bürger“ (Donges et al. 1997: 270 f.). Eine klare Festlegung der EU-Position im Hinblick auf die Rolle des Staates in ordnungspolitischer Hinsicht ist nicht ganz einfach. Einerseits spricht sich die EU weitgehend gegen einen Eingriff des Staates in die Wirtschaftsbelange aus, so dass die EU insgesamt als „Motor der Deregulierung“ (Donges et al. 1997: 280; ähnlich Schneider 1998) interpretiert werden kann.144 Diese wirtschaftspolitische Orientierung schlägt sich in verschiedenen Beschlüssen nieder. In den Verträgen werden konkret „staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die (...) den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen“ (EGV Art. 87, Abs. 1) abgelehnt.145 Darüber hinaus haben sich die Mitgliedstaaten auf dem Europäischen Rat in Stockholm verpflichtet, generell staatliche Beihilfen zu reduzieren (Rat 2002: 22). Die verstärkte liberale Ausrichtung hat einen ihrer sichtbarsten Niederschläge in der schon erwähnten „Lissaboner Strategie“ gefunden. Ziel ist es, ein ordnungspolitisches Klima zu schaffen, welches „den Investitionen, der Innovation und der unternehmerischen Initiative förderlich ist“ und „unnötigen bürokratischen Aufwand“ beseitigt (Rat 2000a: Punkt 14). All dies weist auf eine eher zurückhaltende Rolle des Staates im Bereich der Ökonomie hin. So scheint z.B. das Subventionsverbot mittlerweile nicht nur konsequent von der EU durchgesetzt zu werden, sondern auch in den Mitgliedsstaaten weitgehend anerkannt zu sein (Scherpenberg 1996: 364). Gleichzeitig gibt es aber einige Bereiche, in denen die EU staatliche Eingriffe zulässt und sogar forciert. Diese Eingriffe werden aus EU-Sicht durch drei Gründe gerechtfertigt. Die beiden ersten sind innerökonomischer Natur. Das optimale Funktionieren des Binnenmarktes ist auf gewisse Rahmenbedingungen, z.B. gemeinsame rechtliche Regelungen, angewiesen. Diese versucht die EU entweder selbst oder durch die Koordination der Länderpolitiken zu gewährleisten. Der zweite Grund ist die Schaffung einer wettbewerbsfähigen Position auf dem Weltmarkt. Durch gezielte Investitionen in wirtschaftsrelevante Rahmenbedingungen (z.B. Bildung), aber auch durch die direkte Förderung bestimmter Branchen soll die europäische Wirtschaft global konkurrenzfähig gemacht werden. Ein dritter Grund für politische Eingriffe in das Wirtschaftsleben ist außerökonomisch begründet. Die Europäischen Wirtschaftsvorstellungen sind neben den bisher genannten Aspekten durch eine dezidiert soziale Komponente gekennzeichnet.

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Teilweise machen die nationalen Regierungen in einer „Politik der Schuldvermeidung“ die EU dabei für unpopuläre Entscheidungen verantwortlich, die sie auch sonst hätten treffen müssen (Weaver 1986). 145 Staatliche Beihilfen können dann zugelassen werden, wenn sie „strukturell wirksam sein sollen, einen endgültigen Charakter haben und dem gesamten Industriezweig zugute kommen“ (Turek 1997: 347; vgl. auch Art. 92-94 EGV).

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Damit kommt man zum zweiten Aspekt der Subdimension „Rolle des Staates“, der Sozialpolitik.146 Die wirtschaftliche Entwicklung soll laut EU kein Selbstzweck sein, sondern den Menschen zugute kommen. Die Art der Verteilung des bestehenden Reichtums entscheidet mit über die Partizipationschancen des Einzelnen. Dies gilt für moderne Industriestaaten umso mehr, da mit fortschreitender Modernisierung immer größere Teile des alltäglichen Leben marktvermittelt sind, und nur der Besitz von (handel- bzw. tauschbaren) Werten eine Marktteilnahme erlaubt (und sei es die eigene Arbeitskraft). Daher werden häufig politische Eingriffe in das Marktgeschehen als notwendig erachtet, die einen Ausgleich auf zwei Ebenen gewährleisten: Erstens geht es um die Inklusion der auf den Märkten nicht Konkurrenzfähigen, also um soziale Sicherung, zweitens um die Verminderung sozialer Ungleichheit. „In allen modernen Gesellschaften subventionieren massive ‚transfer payments’ (wie Wirtschaftler sagen) den Lebensstandard der unteren Einkommensgruppen (...). Eine unterste Grenze – unter die nach allgemeinem Ermessen keine Personengruppe fallen sollte – definiert den Mindestgehalt der ‚sozialen’ Komponente der modernen Staatsbürgerschaft. Das Muster ist ungleich (...). Dennoch ist die Festlegung einer solchen unteren Grenze ein Merkmal der Industriegesellschaften des 20. Jahrhunderts“ (Parsons 1996: 141, siehe auch 107 f.). Inwieweit dieser Ausgleich allerdings stattfindet, auf welcher Höhe die Mindestgrenze angesetzt wird, hängt wiederum unter anderem von kulturellen Faktoren ab (Alesina und Angeletos 2003; Corneo und Grüner 2002). Verschiedene Mechanismen kommen zu sehr unterschiedlichen Resultaten bei der Verteilung der Ressourcen. Während etwa die Planwirtschaft auf eine relativ homogene Verteilung setzt, versucht der Kapitalismus gerade durch Unterschiede die Leistungsbereitschaft der Menschen zu fördern. Theoretisch wäre es in einer freien Marktwirtschaft möglich, dass einige Menschen gar nichts besitzen, während sich der Reichtum nur bei sehr wenigen anderen konzentriert. Praktisch gibt es aber in allen Marktwirtschaften gewisse ausgleichende Prozeduren, die zumindest das Überleben jedes Einzelnen garantieren sollen. Diese Umverteilungsmechanismen sind sehr unterschiedlich gestaltbar147 und differieren auch in der Menge der Umverteilung. Es stellt sich daher die Frage, wie große (Einkommens-) Unterschiede von den Menschen akzeptiert (oder auch gefordert) werden. Je stärker die Einkommensdifferenzen von dieser Akzeptanzschwelle abweichen, um so stärker kommt es zu einem Legitimitätsverlust des ökonomischen und in dessen Folge auch des politischen Systems. Da die Ökonomie diesen Gerechtigkeitsaspekt nicht selber bearbeiten kann, ist der Staat gefordert, ihn durch Rahmensetzungen für die Wirtschaft und Umverteilung zu berücksichtigen.

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Dieser Aspekt wurde im Projektrahmen wesentlich ausführlicher unter dem Begriff „Wohlfahrt“ analysiert (Gerhards 2005: Kap. 5). 147 Z.B. staatlicherseits steuerfinanziert, über Versicherungssysteme oder über freiwillige Wohltätigkeit.

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Neben der Frage der Gerechtigkeit, aber eng mit ihr verbunden, hat der sozialpolitische Aspekt eine weitere Seite, die Selbstverantwortung. Die Organisation des Wirtschaftssystems über den Markt verlangt vom Einzelnen, sich selbst mit allem Notwendigen genau über diesen Markt zu versorgen. Zwar gibt es in den unterschiedlichen Ländern verschiedene Ausprägungen, wie sehr dies auf alle Lebensbereiche ausgedehnt wird, doch gilt in Marktwirtschaften im Prinzip die Selbstverantwortung des Individuums. Die Akzeptanz bzw. Nichtakzeptanz des Marktes hängt also auch stark von der Übernahme dieser Selbstverantwortung bzw. von dem Setzen auf vor allem staatliche Intervention ab. Diese beiden eher normativen Aspekte kann man dahingehend ergänzen, dass die Ökonomie von einem funktionierenden Wohlfahrtsstaat durchaus profitiert (z.B. Vobruba 2001). Die sozialpolitische Funktion des Staates ist daher ebenfalls eine wichtige Dimension von Wirtschaftskultur.148 Die EU begründet die politische Lenkung der Ökonomie sozialpolitisch damit, dass die Gemeinschaft nicht alleine wirtschaftliche Ziele verfolgt, sondern vor allem die Steigerung des Lebensstandards ihrer Bewohner und deren sozialen Zusammenhalt im Auge hat. Die EU sieht die Berücksichtigung der Sozialpolitik im Rahmen einer integrierten Strategie als notwendig an und beschreibt Sozialpolitik als „productive factor“ (Commission of the European Communities 2000: 5; vgl. auch Meinhardt und Seidel 2002: 138 ff.). Sehr allgemein enthält der EU-Vertrag bereits in der Präambel den Hinweis auf „sozialen Fortschritt“. Dies wird im Artikel 2, der die Ziele der EU definiert, wieder aufgenommen. Hier geht es um die „Förderung des sozialen Fortschritts“ und den „sozialen Zusammenhalt“. Wirtschaftliches Wachstum soll immer auch den Bewohnern Europas zugute kommen. Die Gerechtigkeits- und Solidaritätsdimension149 wird dabei groß geschrieben.150 All diese Punkte werden unter dem Label eines „Europäischen Sozialmodells“ diskutiert (Aust et al. 2000). Verschiedene Autoren sehen dabei die Vorstellungen der EU am ehesten mit dem Modell der bundesdeutschen sozialen Marktwirtschaft vergleichbar (Bilger 1996; Hödl und Weida 2001; Scherpenberg 1996). Dies legt zunächst auch Artikel I-3 (3) der neuen Verfassung nahe, in dem es heißt: „Die Union wirkt auf (...) eine im hohen Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, (...) hin“ (Konferenz 2004). Allerdings sind die im engeren Sinne verbindlichen sozialpolitischen Regelungen in der EU nicht sehr weit ausgebaut (Majone 1996). An anderer Stelle wurde 148

Häufig wird ein ausgebauter Wohlfahrtsstaat gerade als ein spezifisches Kennzeichen (kontinental-) europäischer Gesellschaften angesehen (z.B. Aust et al. 2002: 279). 149 Bezeichnenderweise handelt die Grundrechtecharta die meisten Wirtschaftsfragen unter dem Titel „Solidarität“ ab. 150 Dies gilt sowohl für die Ebene der Individuen als auch für ganze Regionen (z.B. Präambel EGV, Abschnitt c)). Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe an Forschungen, die sich empirisch mit der Frage nach der Konvergenz innerhalb der EU auseinandersetzt (Caesar et al. 2003; Bornschier 2000; Boje et al. 1999a; Weise et al. 2001).

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4. Das Wirtschaftsskript der Europäischen Union

daher argumentiert, dass die Sozialpolitik der EU dem Modell eines liberalen Wohlfahrtsstaats (Roller 2000) am nächsten kommt (Gerhards 2005). Vor allem wird der soziale Schutz bei fehlender Erwerbsfähigkeit sichergestellt. „Die Union anerkennt und achtet das Recht auf Zugang zu den Leistungen der sozialen Sicherheit und zu den sozialen Diensten, die in Fällen wie Mutterschutz, Krankheit, Arbeitsunfall, Pflegebedürftigkeit oder im Alter sowie bei Verlust des Arbeitsplatzes Schutz gewährleisten“ und ein „menschenwürdiges Dasein sicherstellen“ sollen (Europäische Union 2000: 22). Darüber hinausgehend wird aber Sozialpolitik dem „Ziel der Marktverträglichkeit“ (Schäfer 2002: 13) untergeordnet, wie dies in dem Verfassungsartikel durch den Zusatz „im hohen Maße wettbewerbsfähig“ bereits anklingt.151 Gerade in den letzten Jahren wird daher von einer neoliberalen Wende in der EU-Politik gesprochen. Wirtschaftliche Belange haben eindeutig Priorität, während Sozialpolitik vor allem flankierend wirken soll (Bosco 1998). Daher fordert die EU eine Modernisierung, meist verbunden mit einem Abbau, des Wohlfahrtsstaates: „Failure to adapt and modernize social protection systems would increase the risk of more unemployment, poverty and social exclusion“ (Commission of the European Communities 2000: 11) Wie sich das jeweilige Mischungsverhältnis aus sozialen und wirtschaftlichen Ansprüchen im Einzelfall gestaltet, bleibt allerdings zunächst Verhandlungssache, obwohl ein deutliches Übergewicht der ökonomischen Aspekte zu erwarten ist. Natürlich sind die Wirtschaftsordnungsvorstellungen der EU neben den drei skizzierten Subdimensionen durch weitere Merkmale gekennzeichnet. Zwei Elemente, die von der Wirtschaftsordnungsanalyse manchmal als ähnlich wichtige Bestandteile angesehen werden, sind Eigentumsregelungen und Fragen der Preisstabilität (z.B. Eucken 1990). Die EU macht sich sowohl für privates Eigentum als auch für eine stabile Währung bzw. geringe Inflation stark.152 Beide Punkte werden aber aus zwei Gründen hier nicht weiter behandelt. Erstens lässt sich argumentieren, dass diese beiden Punkte nicht als Eckpfeiler eines europäischen Modells taugen (Hödl und Weida 2001: 47 ff. und 62 ff.). Insbesondere die Preisstabilität ist zwar relativ prominent im Regelwerk vertreten, aber dennoch ausgesprochen umstritten (Scherpenberg 1996: 365).153 Daher werden sie nicht zu den Kernmerkmalen gezählt. Der zweite Grund ist pragmatischer Natur, denn beide Dimensionen lassen sich mit den später noch vorzustellenden Daten nicht operationalisieren.

151

Huffschmid spricht sogar davon, dass sich in der „wirtschaftspolitischen Konzeption der europäischen Integration ein marktradikaler Fundamentalismus“ (1999: 364) durchgesetzt habe. 152 „Geld ist nicht nur ein ökonomisches Gut, sondern, worauf bereits Joseph Schumpeter hinwies, auch ein zentrales kulturelles Symbol, und die Sicherung eines stabilen Geldes verlangt eine ‚Stabilitätskultur’, wie sie möglicherweise nicht in allen Ländern der Europäischen Union aufgebaut werden kann“ (Klump 1996a: 18). Vgl. auch schon die Ausführungen hierzu bei Simmel (2000). 153 Dies legen auch die anscheinend erfolgreichen aktuellen Versuche von Frankreich und Deutschland im März 2005 nahe, den Euro-Stabilitätspakt deutlich aufzuweichen.

4.3 Dimensionale Analyse der Wirtschaftskultur der EU

99

Fazit Die vorhandenen Ansätze einer Wirtschaftsordnung der EU sind einem klaren Ziel verpflichtet:„Die Hauptaufgabe für die Wirtschaftspolitik in der EU besteht darin, die Wohlfahrt ihrer derzeitigen und künftigen Bürger zu steigern“ (Rat 2002: 11). Um dieses Ziel zu erreichen, hat die EU vor allem in drei zentralen Subdimensionen Regelungen erlassen: Marktoffenheit, Wettbewerb und Rolle des Staates in den Bereichen Ordnungs- und Sozialpolitik. In den letzten Jahren kann man für die Wirtschaftsordnungsvorstellungen von einer zunehmenden Konvergenz innerhalb der EU ausgehen. „Im Gesamtzusammenhang liegt der europäischen Wirtschaftsintegration das ordnungspolitische Leitbild einer marktliberalen Wirtschaftsordnung zugrunde“ (Friedrich 2002: 4; vgl. auch Scherpenberg 1996: 361). So setzt sich die EU mittlerweile relativ eindeutig für einen freien und unverzerrten Wettbewerb, für die Öffnung der Märkte und für eine eher passive Rolle des Staates ein. 4.3.2 Individuelle Handlungsorientierungen Die zweite Dimension von Wirtschaftskultur neben den „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“ bilden die „Individuellen Handlungsorientierungen“. Sie beziehen sich, wie oben dargestellt wurde, weniger auf direkte Forderungen bzw. Regelungen der europäischen Institutionen, sondern leiten sich eher aus bisherigen Forschungen zu kulturellen Randbedingungen positiver Wirtschaftsentwicklung ab. Zwei Subdimensionen werden dabei immer wieder genannt, die auch in das hier verwendete Konzept von Wirtschaftskultur aufgenommen werden (vgl. Kap. 3.2.2). Diese zwei Punkte sind Leistungsorientierung und Vertrauen. Beide Subdimensionen sind in dem ordnungspolitischen Rahmen, den die EU für die Ökonomie vorgibt, im Hinblick auf die EU-Vorstellungen zielführend, da sie eine erfolgreiche Wirtschaft, wie sie die EU anstrebt, unterstützen. Im folgenden wird noch einmal kurz rekapituliert, was diese beiden Aspekte so zentral macht und welche Position die EU im Hinblick auf sie einnimmt. 4.3.2.1

Leistungsorientierung

Die zentrale Subdimension ist unter marktwirtschaftlichen Bedingungen die Leistungsorientierung. Sie betrifft vor allem die Arbeitswelt, denn sie stellt einen der Hauptschnittpunkte zwischen den Individuen und der Wirtschaft dar. Arbeit und Arbeitskräfte bilden die zentralen Grundlagen eines jeden Wirtschaftssystems. Gleichzeitig ist die Arbeit auch für die meisten Individuen einer der zentralen Lebensbereiche. Für moderne Industriestaaten ist dabei die lohnabhängige Erwerbsar-

100

4. Das Wirtschaftsskript der Europäischen Union

beit vorherrschend. Trotz der relativ hohen Arbeitslosenzahlen war, ist oder wird doch der überwiegende Teil der Bevölkerung mit der Arbeitswelt in direkten Kontakt kommen, praktisch der gesamte Rest immerhin indirekt über den Partner/die Partnerin. Über die Arbeit werden auch in aller Regel die hauptsächlichen Einkünfte der Privathaushalte bestritten. Insofern bildet die Arbeit für das Individuum die wichtigste Basis für die wirtschaftliche Reproduktion. Gleichzeitig bildet die Arbeit nicht nur eine Einkommensquelle, sondern ist für viele auch Bestandteil der eigenen Identität, bietet sie doch Raum sowohl für produktive Tätigkeit als auch für soziale Kontakte. Die Arbeit kann aber für die Menschen einen sehr unterschiedlichen Stellenwert besitzen. Es stellt sich demnach vor allem für den Arbeitsbereich, aber auch generell die Frage, wie leistungsbereit bzw. -orientiert die Menschen in den einzelnen Ländern sind. Eine hohe Leistungsbereitschaft wirkt sich dabei positiv auf das Wirtschaftswachstum aus. Der kulturelle Aspekt der Leistungsorientierung erweist sich, wie oben gezeigt, sogar als einflussreicher als harte wirtschaftliche Daten. Zudem bildet die Leistungsorientierung quasi die individuelle Entsprechung zu einer hohen Wettbewerbsorientierung in der ersten Dimension. Im Regelwerk der EU finden sich keine direkten Verweise auf die Forderung nach einer starken Leistungsorientierung. Dennoch kann man davon ausgehen, dass die EU eine hohe Leistungsorientierung fordert. Zum einen ergibt sich dies direkt aus dem präferierten Wirtschaftsmodell der freien Marktwirtschaft mit Betonung des Wettbewerbs. Ohne eine gewisse Leistungsbereitschaft können die Wirtschaftssubjekte unter den Bedingungen der Konkurrenz auf offenen Märkten nicht bestehen.154 Eine Betonung der Leistung findet sich darüber hinaus explizit in bestimmten Politiken der EU, so etwa in der Umstellung der Arbeitsmarktpolitik von der Nachfrage- auf eine Angebotspolitik (Schäfer 2002) oder in der bereits erwähnten Lissabon-Strategie. Die in Lissabon beschlossene Strategie hat sich zum Ziel gesetzt, die EU mittelfristig zu einer der wirtschaftlich dynamischsten Regionen der Welt zu machen (Rat 2000b). Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn es auch durch eine entsprechende Leistungsorientierung der Bürgerinnen und Bürger der EU mit getragen wird. 4.3.2.2

Vertrauen

Die zweite Subdimension ist Vertrauen, welches als „Bedingung des Markthandelns“ (Elwert 1987: 301) auf anonymen Märkten, wie sie kennzeichnend für Industriegesellschaften sind, anzusehen ist. Dabei lassen sich im wesentlichen zwei Aspekte unterscheiden. 154

Dieses Argument findet sich bereits bei Max Weber: „Wer sich in seiner Lebensführung den Bedingungen kapitalistischen Erfolges nicht anpaßt, geht unter oder kommt nicht hoch“ (1988: 56).

4.3 Dimensionale Analyse der Wirtschaftskultur der EU

101

Der erste bildet eine Art abstraktes Vertrauen in die Mitmenschen. Wie oben ausgeführt, wird es von vielen Autoren als eine der wichtigsten Voraussetzungen im Rahmen von Wirtschaftskultur genannt.155 Vertrauen stärkt die Kooperationsbereitschaft und wirkt sich deshalb, so die Ergebnisse, positiv auf die Wirtschaft aus, indem es Transaktionskosten senkt. Der zweite Aspekt von Vertrauen bezieht sich auf ein Vertrauen in die Institutionen der Marktwirtschaft und des Staates. Je stärker man darauf vertrauen kann, dass z.B. regelwidriges Verhalten durch eine unabhängige Überwachungsinstanz, bei einem Vertragsbruch etwa das Recht bzw. die Gerichte, geahndet wird, umso größere Vorleistungen ist man zu leisten bereit. „Die universelle Herrschaft der Marktvergesellschaftung verlangt (...) ein nach rationalen Regeln kalkulierbares Funktionieren des Rechts“ (Weber 1985: 198). Überwiegt dagegen das Misstrauen, so ist eine anderweitige Absicherung, die zusätzliche Transaktionskosten erfordert, vonnöten. Aber auch das Vertrauen in die sozialen Sicherungssysteme wirkt sich positiv für die Wirtschaft aus, indem es Risikobereitschaft fördert (z.B. Vobruba 2001). Schwaches Institutionenvertrauen kann also Ausdruck eines Zustands sein, den die Weltbank als „schwache institutionelle Leistungsfähigkeit“ bezeichnet und der z.B. „Korruptionsmöglichkeiten aufgrund von zu lockeren Verordnungen, unzulänglicher Kontrolle oder begrenzten verfahrensrechtlichen Bedingungen“ (Warner 2000: 227 f.) eröffnet. Für den Aspekt der generalisierten Vertrauensdimension finden sich kaum direkte Hinweise in den EU-Dokumenten.156 Man kann aber die Betonung des sozialen Zusammenhalts in diesem Sinne interpretieren. Wesentlich mehr Äußerungen finden sich zum Vertrauen in die Institutionen. Gerade bei den Verhandlungen mit den osteuropäischen Beitrittskandidaten wurde und wird immer wieder auf die Notwendigkeit hingewiesen, eine effiziente und effektive Verwaltungs- und Institutionen-Struktur aufzubauen, die die Umsetzung und Überwachung des acquis communautaire zu gewährleisten imstande ist. „Die Kommission legt größten Wert darauf, dass die Bewerberländer ihre Kapazitäten im Verwaltungs- und Justizbereich weiter ausbauen. Dies ist eine unabdingbare Voraussetzung für gegenseitiges Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten, das für die Mitgliedschaft unverzichtbar ist“ (Kommission 2002a: 12). Gleichzeitig hat die EU selbst verschiedene Institutionen (so etwa den Europäischen Gerichtshof oder das Kartellamt) ausgebildet, die stabile Rahmenbedingungen garantieren sollen. Insgesamt kann man also davon ausgehen,

155

Vertrauen weist weit über den wirtschaftlichen Bereich hinaus. So wird es z.B. auch in Analysen zur Politischen Kultur herangezogen. Es wird hier aber unter Wirtschaftskultur subsumiert, weil verschiedenste Studien die wichtige Rolle von Vertrauen für die wirtschaftliche Entwicklung zeigen konnten (Fukuyama 1995; Dorner 2000). 156 Vgl. aber zum mittlerweile doch einige Popularität erlangten Konzept der Zivilgesellschaft Gerhards (2005: Kap. 6.2.1).

102

4. Das Wirtschaftsskript der Europäischen Union

dass die EU Vertrauen als wichtigen Bestandteil einer erfolgreichen Wirtschaftskultur ansieht (vgl. Beugelsdijk und Schaik 2003: 120). Fazit Die Dimension der „Individuellen Handlungsorientierungen“ lässt sich also in die zwei Subdimensionen „Leistungsorientierung“ und „Vertrauen“ aufteilen, wobei letzteres nochmals in „generalisiertes Vertrauen in die Mitmenschen“ und „Institutionenvertrauen“ aufgeteilt werden kann. Zu beiden Bereichen sind die Aussagen der EU sicherlich deutlich weniger ausgeprägt in den entsprechenden Texten zu finden als in der ersten Dimension. Man kann aber dennoch plausibel davon ausgehen, dass die EU sowohl eine hohe Leistungsorientierung als auch ein großes Vertrauen wünscht. 4.3.3 Eine nominale Definition von Wirtschaftskultur Ausgehend von aktuellen Forschungsergebnissen zum individuellen Wirtschaftshandeln und anschließend an Erkenntnisse der Neuen Institutionen-Ökonomik und der Politischen Kultur-Forschung ist damit ein Begriff von Wirtschaftskultur vorhanden, der als eine Spezifikation des oben eingeführten allgemeinen Kulturbegriffs formulierbar ist und an die Wirtschaftsvorstellungen der EU anknüpft. Er besteht aus den beiden Dimensionen a) der Einstellungen zur Wirtschaftsordnung, die den strukturellen Rahmen für das Wirtschaftshandeln setzt, und b) den individuellen Handlungsorientierungen in Bezug auf das eigene Wirtschaftshandeln. In der vorliegenden Arbeit stellt die Wirtschaftsverfassung der Europäischen Union die herrschende Wirtschaftsordnung dar. Als zentrale Handlungsorientierungen werden das Vertrauen und die Leistungsorientierung analysiert.157 Ein so konzipierter Begriff von Wirtschaftskultur ist anschlussfähig an die bisherigen Forschungen in diesem Bereich und gleichzeitig empirisch umsetzbar. Es liegt damit ein Konzept von Wirtschaftskultur vor, welches die wichtigsten Dimensionen wirtschaftlichen Handelns sowohl auf der individuellen als auch auf der kollektiven Ebene beinhaltet. Das Konzept ist flexibel genug, um sowohl den Vergleich kleinerer Gruppen oder sozialer Strata zu erlauben als auch den Ländervergleich.158 Auf der Grundlage der gemachten Ausführungen wird das Konzept von Wirtschaftskultur folgendermaßen für die empirische Analyse spezifiziert: 157

Dieser Ansatz ließe sich aber leicht um weitere Aspekte ergänzen und in anderem Rahmen auf eine andere Wirtschaftsordnung hin ausrichten. 158 Es wird hier in Bezug auf die Länderebene formuliert, ist aber mit leichten Modifikationen auch auf kleinere Einheiten anwendbar.

4.3 Dimensionale Analyse der Wirtschaftskultur der EU

103

Definition Wirtschaftskultur Unter Wirtschaftskultur wird die, von einer oder mehreren nationalen Gesellschaften geteilte, Summe der zeitlich relativ stabilen Werte in den beiden Dimensionen a) der „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“ mit den Subdimensionen Wettbewerb, Marktoffenheit und Rolle des Staates und b) der „Individuellen Handlungsorientierungen“ in den Subdimensionen Leistungsorientierung und Vertrauen verstanden. Die folgende Grafik zeigt noch einmal die Dimensionen und Subdimensionen des hier analysierten Wirtschaftskulturkonzeptes, wie es in den folgenden Kapiteln empirisch umgesetzt werden soll:

104

4. Das Wirtschaftsskript der Europäischen Union

Abbildung 1:

(Sub-) Dimensionen von Wirtschaftskultur

Wirtschaftskultur

Einstellungen zur Wirtschaftsordnung

Offenheit der Märkte

Wettbewerb

Sozialpolitischer Aspekt

Individuelle Handlungsorientierungen

Rolle des Staates

Ordnungspolitischer Aspekt

Leistungsorientierung

generalisiert

Vertrauen

in Institutionen

Am Anfang dieses Kapitels wurde auf drei Gütekriterien einer Begriffsdefinition (Präzision, passend zur Fragestellung, sprachliche Anschlussfähigkeit) hingewiesen. Ein viertes Gütekriterium, zumindest für den empirisch arbeitenden Sozialwissenschaftler, ist die Operationalisierbarkeit. Diese Verbindung des theoretischen Begriffs mit empirisch überprüfbaren Sachverhalten soll im nächsten Kapitel geleistet werden.

5. Operationalisierung von Wirtschaftskultur

„Auch die besten Methoden können die theoretische Phantasie, das Nachdenken über soziale Zusammenhänge und Prozesse, nicht ersetzen. Das theoretische Räsonieren wird aber häufig durch Ergebnisse empirischer Forschung angeregt. Und vor allem bedarf die theoretische Phantasie einer Kontrolle durch die empirische Forschung.“ (Andreas Dieckmann 1995: 14)

Es stellt sich nun die Frage der empirischen Umsetzbarkeit des im vorigen Abschnitt definierten Konzepts von Wirtschaftskultur. Im Folgenden soll daher untersucht werden, für welche der beiden Dimensionen mit ihren Subdimensionen sich überhaupt Indikatoren finden lassen, die sie einer Messung zugänglich machen. Im Sinne eines deduktiven Vorgehens werden die Items den jeweiligen Aspekten von Wirtschaftskultur zunächst theoretisch zugeordnet. In einem zweiten Schritt wird mit Hilfe einer Faktorenanalyse geprüft, ob diese Zuordnung auch empirisch sinnvoll ist. Abgeschlossen wird das Kapitel mit einer kurzen Erörterung von Problemen und Vorteilen eines quantitativ orientierten Kulturvergleichs. 5.1 Die verwendeten Daten: Die European Values Study Um die Frage nach europäischer Wirtschaftskultur empirisch analysieren zu können, bedarf es ländervergleichender Daten. Vor allem, wenn es um den Vergleich mehrerer Werte über sehr viele Länder hinweg geht, ist die Umfrageforschung sicherlich die beste Methode (Halman 2001: 1). Die Datenlage hat sich für die komparative Sozialforschung in den letzten Jahren deutlich gebessert. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe an Studien, die mehrere Länder umfassen. Für Europa sind die wichtigsten dabei das Eurobarometer und das New Democracy Barometer, die sich aber vor allem auf politische Fragen beschränken, die jährlich zu verschiedenen Themen stattfindenden Umfragen des International Social Survey Programme (ISSP), der European Social Survey (ESS) und natürlich die European Values Study (EVS), welche im Rahmen des World Values Survey um zusätzliche Länder erweitert wurde. Die EVS bietet für das hier verfolgte Ziel die beste Datengrundlage. „The European Values Study (EVS) is the most comprehensive data source on basic

106

5. Operationalisierung von Wirtschaftskultur

values held by Europeans” (Hagenaars et al. 2003: 23). Sie wurde 1999/2000 zum dritten Mal durchgeführt und enthält, bis auf Zypern, alle Länder der Europäischen Union und Beitrittskandidaten. Bei den behandelten Themengebieten weist sie weit über den ökonomischen Bereich hinaus, obwohl dieser eine zentrale Rolle spielt (vgl. Arts et al. 2003b). Die Fragen wurden von einem internationalen Forscherteam in Zusammenarbeit mit professionellen Umfrageorganisationen in fast allen beteiligten Ländern zusammengestellt. Befragt wurden repräsentative Bevölkerungssamples erwachsener Bürger über 15 Jahre per face-to-face-Interview, insgesamt in den hier analysierten 28 Ländern 33 460 Personen. Um die Qualität der Daten zu gewährleisten und überprüfbar zu machen, mussten die durchführenden Organisationen einen eigenen Methodenbogen ausfüllen.159 Die EVS 1999/2000 ist damit die ideale Datenquelle, da sie erstens für alle analysierten Länder Daten enthält, zweitens ausgesprochen aktuell ist, drittens eine breite Anzahl an guten Indikatoren enthält und viertens methodisch den „state of the art“ repräsentiert. Bei der hier vorgenommenen Analyse handelt es sich um eine Sekundäranalyse von Daten, d.h. es wird bereits vorhandenes Datenmaterial verwendet, anstatt eine eigene Erhebung durchzuführen. Der Grund sind die enormen Kosten für eine eigene Umfrage, vor allem in ländervergleichender Perspektive. Die Verwendung von Sekundärdaten hat allerdings gewisse Probleme zur Folge: Man muss sich auf die vorgegebenen Fragen und Frageformulierungen beschränken, die evtl. unter einer etwas anderen als der eigenen Forschungsfrage formuliert wurden. Insofern kann es passieren, dass zu bestimmten Aspekten keine oder nur suboptimale Indikatoren vorliegen. Wie sich zeigen wird, bietet die European Values Study aber in fast allen Fällen sehr gute, in den übrigen ausreichend gute Indikatoren. 5.2 Einstellungen zur Wirtschaftsordnung Für diese erste Dimension wurden oben drei Teildimensionen identifiziert: Offenheit des Marktes, Wettbewerbsorientierung und Rolle des Staates. In der European Values Study finden sich zu allen diesen Bereichen mehrere Items, die eine Operationalisierung erlauben. 5.2.1 Offenheit des Marktes Für die Marktwirtschaft wurde als erster zentraler Aspekt die Marktoffenheit herausgearbeitet und als eine der wichtigsten Zielsetzungen der Europäischen Union 159

Die Ergebnisse finden sich in Halman (2001: 335 ff.).

5.2 Einstellungen zur Wirtschaftsordnung

107

im Rahmen des Binnenmarktes beschrieben. Unterschieden wurde dabei zwischen dem Aspekt des Binnenmarktes als Offenheit nach außen und der Geschlechtergleichheit, quasi als Offenheit nach innen. In der EVS stehen zwei Indikatoren zur Verfügung, die sich allerdings beide auf den Arbeitsmarkt beziehen. Dieser stellt für die Einstellungen der Befragten zur Marktöffnung einen guten Testfall insofern dar, als hier die Betroffenheit durch Konkurrenz am unmittelbarsten erlebt wird. Der europäische Binnenmarkt umfasst als eine der vier Freiheiten auch die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Hierauf bezieht sich der erste Indikator:160 „Do you agree or disagree with the following statement: When jobs are scarce, employers should give priority to … (own nation) over immigrants“. Geantwortet werden konnte auf einer dreistufigen Antwortskala mit den folgenden Ausprägungen: „agree (1)“, „disagree (2)“, „neither (3)“. Das Statement fragt direkt nach der Bevorzugung der eigenen Bürger bzw. der Benachteiligung von Arbeitnehmern aus anderen Ländern. Die Zustimmung zu dem Item drückt eine Ablehnung der EU-Position aus. Wer der Meinung ist, dass eigene Arbeitnehmer bevorzugt werden sollten, spricht sich damit gegen die Marktoffenheit aus. Nun bezieht sich der verwendete Indikator auf Ausländer insgesamt, die Marktoffenheit der EU-Position aber auf den europäischen Binnenmarkt. Es könnte sein, dass die Befragten mit dem Begriff „Ausländer“ eher Personen von außerhalb der EU assoziieren, sich aber bei entsprechender Frageformulierung nicht gegen eine innereuropäische Öffnung des Arbeitsmarktes aussprechen würden. Glücklicherweise lässt sich dies anhand einer Frage aus einem anderen Datensatz, nämlich dem Eurobarometer Nr. 53 aus dem Jahr 2000, zumindest tendenziell überprüfen.161 Dort wurde gefragt, ob man verschiedene Personengruppen, die im jeweiligen Befragungsland arbeiten wollen, zulassen sollte oder nicht. Als Gruppen wurden Moslems, Personen aus Osteuropa, aus Krisengebieten, politisches Asyl Suchende sowie Personen aus anderen EU-Ländern genannt. Eine Zustimmung zur EU-Position würde lediglich die letzte Gruppe umfassen. Es zeigt sich aber, dass Personen, die die Marktoffenheit unterstützen, dies für alle abgefragten Gruppen in relativ gleicher Weise tun. Bildet man einen additiven Index aus den verschiedenen Fragen, so ergibt sich ein erstaunlich hohes Cronbach’s Alpha von 0,89. Man kann also davon ausgehen, dass unser Indikator eine zuverlässige Messung für die EUPosition der Offenheit des Binnenmarktes ist. Der zweite unter die Marktoffenheit subsumierte Aspekt ist die Gleichberechtigung der Geschlechter. Zur Frage der gleichberechtigten Teilhabe am Arbeitsmarkt liegen verschiedene Indikatoren vor.162 Ein Item repräsentiert allerdings den Problembereich besonders gut, weshalb dieses ausgewählt wurde: „Do you agree or 160

Die Fragen werden hier nach dem englischen Master-Questionnaire zitiert. Leider umfasst der Datensatz nicht alle hier analysierten Länder, so dass auf eine ausführlichere Präsentation der Daten verzichtet wird. 162 Vgl. dazu Gerhards und Hölscher (2003; 2005: Kap. 3). 161

108

5. Operationalisierung von Wirtschaftskultur

disagree with the following statement: When jobs are scarce, men have more right to a job than women“. Die Antwortmöglichkeiten sind dieselben wie beim Item oben. Auch hier bedeutet die Zustimmung eine Ablehnung des EU-Ideals. Die Auffassung, dass Männer größere Rechte auf einen Arbeitsplatz haben als Frauen, steht der Gleichberechtigung diametral entgegen. Beide Indikatoren weisen mit „neither“ eine dritte Antwortmöglichkeit, die sich nicht genau interpretieren lässt. Die Kodierung mit dem Wert „3“ deutet an, dass es sich nicht um eine Mittelkategorie, sondern eher um eine Residualkategorie im Sinne von „weiß nicht“ handelt. Daher wird diese Kategorie für beide Indikatoren aus der Analyse ausgeschlossen, so dass man eine dichotome Kodierung mit „agree (0)“ und „disagree (1)“ erhält.163 5.2.2 Wettbewerbsorientierung Neben der Marktoffenheit ist die Wettbewerbsorientierung eine zweite Subdimension. Dieser theoretisch ausdifferenzierbare Bereich überlappt sich vermutlich in der Praxis relativ stark mit dem Leistungsaspekt bei den „Individuellen Handlungsorientierungen“, was in der empirischen Analyse später zu berücksichtigen ist. Insgesamt liegen zwei Indikatoren vor. Der erste lautet: „Now I’d like you to tell me your views on various issues. How would you place your views on this scale: Competition is harmful, it brings out the worst in people (1) versus Competition is good. It stimulates people to work hard and develop new ideas (10)“. Er misst perfekt die Einstellungen der Befragten zum Wettbewerb, und zwar nicht die persönliche Leistungsorientierung, sondern die Einschätzung, ob man ein Wirtschaftssystem, welches großen Wert auf Wettbewerb legt, eher positiv oder eher negativ sieht. Zweitens wurde gefragt: „Imagine two secretaries, of the same age, doing practically the same job. One finds out that the other earns Ȯ 30 a week more than she does. The better paid secretary, however, is quicker, more efficient and more reliable at her job. In your opinion is it fair or not fair that one secretary is paid more than the other?“ (Antworten: fair (1), unfair (0)). Es geht also darum, ob man damit einverstanden ist, dass sich „Leistung lohnen soll“. Denn Einkommen sind eines der Kernstücke des Wettbewerbs: „With their double function of signals and rewards, differences in prices and earnings become the core of the competitive market model“ (Korpi 1985: 97). Man kann also davon ausgehen, dass Personen, die eine leistungsbezogene Bezahlung befürworten, auch generell eine Wettbewerbsorientierung und damit die EU-Position unterstützen.

163

Die Ergebnisse der späteren Analysen verändern sich dadurch nicht substantiell. Zusätzlich hat eine dichotome Kodierung gewisse Vorteile in der Datenanalyse, da eine einfache Dummy-Kodierung möglich wird.

5.2 Einstellungen zur Wirtschaftsordnung

109

5.2.3 Rolle des Staates Die dritte Subdimension betrifft schließlich das Verhältnis von Staat und Wirtschaft, wobei wiederum zwei Aspekte unterschieden wurden. Erstens die Einflussnahme des Staates im ökonomischen System generell (ordnungspolitischer Aspekt) und zweitens der soziale Ausgleich (sozialpolitischer Aspekt). Beide Aspekte lassen sich über die EVS-Daten operationalisieren. Die ordnungspolitische Funktion des Staates umfasst die Regelungen der Politik hinsichtlich der Unternehmensfreiheiten auf den Märkten. Der vorliegende Indikator misst, ob eher auf eine relative Unabhängigkeit der Ökonomie oder stärker auf staatliche Eingriffe gesetzt wird. Die Einstellungen zum Einfluss des Staates werden auf einer zehnstufigen Skala abgetragen: „The state should control firms more effectively (1) versus The state should give more freedom to firms (10)“.164 Die erste Aussage setzt dabei eher auf einen dirigistischen Staat, die letzte auf einen möglichst geringen Einfluss.165 Auch für den sozialpolitischen Aspekt liegt ein Indikator vor. Ein zentrales Element ist die Selbstverantwortung des Individuums, die eigenständige Versorgung über den Markt statt staatlicher Fürsorge. Wiederum konnte auf einer zehnstufigen Skala zwischen „The state should take more responsibility to ensure that everyone is provided for (1) versus Individuals should take more responsibility for providing for themselves (10)“ gewählt werden. Relativ generalisiert spiegelt die letztere Position Selbstverantwortung wieder, die erste weist dagegen dem Staat die Verantwortung zu. Auch wenn die Position der EU in Bezug auf die Rolle des Staates, wie weiter oben gezeigt, teilweise ambivalent ist, tendiert sie doch in beiden Aspekten in Richtung eines passiven Staates. 5.2.4 Faktorenanalyse für die „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“ Zum Abschluss soll geprüft werden, ob sich die theoretische Dimensionierung auch in den Daten wiederfinden lässt. Dazu werden alle Indikatoren einer gemeinsamen Faktorenanalyse unterzogen. Die Faktorenanalyse ist ein statistisches Verfahren zur Datenreduktion, welches versucht, hinter Einzelindikatoren gemeinsame Dimensionen, sogenannte Faktoren, zu finden.166 Gibt es solche Faktoren, dann führen sie zu einer Korrelation der jeweiligen Items (Backhaus et al. 2003: 264). Die Annahme ist im vorliegenden Fall z.B., dass die Beantwortung der beiden Fragen „Giving own 164

Der Einleitungstext entspricht dem schon vorher beim ersten Wettbewerbsindikator verwendeten. Allerdings besteht ein gewisses Problem darin, dass hier der Bezug zur aktuellen Situation im jeweiligen Land über die relative Formulierung („more freedom“ bzw. „control more effectively“) zum Tragen kommen könnte. 166 In der folgenden Tabelle werden sie auch als Komponenten angegeben. 165

110

5. Operationalisierung von Wirtschaftskultur

nation priority?“ und „Giving men priority?“ durch die Einstellungen der Befragten zur Marktoffenheit beeinflusst wird.167 Entsprechendes gilt für die beiden anderen Teildimensionen. So lässt sich eine Vielzahl an einzelnen Fragen auf eine geringe Zahl von besser interpretierbaren Faktoren reduzieren. Wenn die sechs Indikatoren tatsächlich die drei theoretischen Dimensionen gut abbilden, so sollten sich drei distinkte Faktoren ergeben.168 Tabelle 2 präsentiert in Spalte 4-6, der untere Teil insgesamt die Ergebnisse für die rotierte Ladung. Eine Rotation ist deshalb sinnvoll, weil die Faktoren zunächst so bestimmt werden, dass der erste Faktor einen möglichst großen Anteil der insgesamt vorhandenen Varianz aller Variablen erklärt. Die folgenden Faktoren werden dann jeweils so gebildet, dass sie möglichst viel der verbleibenden Varianz auffangen. So ergeben sich bei n Items maximal n Komponenten, um die gesamte Varianz aufzuklären.169 Durch eine Rotation werden die Faktoren so in den Merkmalsraum gelegt, dass die einzelnen Items möglichst gut durch einen bestimmten Faktor erklärt werden, man also eine sogenannte „Einfachstruktur“ (Wittenberg 1991: 86) erhält.170 Dies erleichtert die Interpretation der Daten. Der erste Teil der Tabelle gibt an, wie sich die Erklärungskraft auf die Komponenten verteilt. Nach der Rotation der drei Faktoren ergibt sich für alle drei eine praktisch gleich große Erklärungskraft von etwas mehr als 25 %. Zusammen können die drei Faktoren über 80 % der Ausgangsvarianz der sechs Items erfassen.

167

Deth und Scarbrough (1995) argumentieren auch aus theoretischer Sicht für eine solche Vorgehensweise, die einzelne Einstellungen zu „value dimensions“ zusammenfasst. 168 Es ergeben sich allerdings nur dann drei trennscharfe Faktoren, wenn die drei Dimensionen (relativ) unabhängig voneinander sind. Im Idealfall stehen die Faktoren orthogonal zueinander. 169 Mit der Verwendung von weniger Faktoren als Variablen ist natürlich ein Informationsverlust verbunden. Daher ist zunächst die Anzahl der Faktoren zu bestimmen. Wenn man keine theoretische Orientierung besitzt, wird häufig ein Eigenwert von > 1 als Kriterium verwendet. Hier wird aber nach drei Dimensionen gesucht, weshalb drei Faktoren gebildet werden, die in der rotierten Lösung auch alle einen Eigenwert über 1 besitzen (Tab. 2, oben, Spalte 4). 170 Hierzu gibt es verschiedene Verfahren. Standard ist die auch hier verwendete Varimax-Rotation mit Kaiser-Normalisierung. Dabei werden die Faktoren so rotiert, dass die Varianz der quadrierten Ladungen pro Faktor maximiert wird (Wittenberg 1991: 88).

5.2 Einstellungen zur Wirtschaftsordnung

111

Tabelle 1: Ergebnisse der Faktoranalyse für die Dimension „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“ Erklärte Gesamtvarianz Rotierte Summe der quadrierten Ladungen

Anfängliche Eigenwerte

Komponente

Gesamt

% der Varianz

Gesamt

% der Varianz

Kumulierte %

1

2,88

47,93

1,77

29,43

29,43

2

1,27

21,17

1,59

26,53

55,97

3

,77

12,77

1,55

25,91

81,87

4

,52

8,67

5

,41

6,74

6

,16

2,72

Rotierte Komponentenmatrix Komponente 1 Responsible for providing: State or individual

,901

State control firms or give more freedom

,874

2

Competition: Harmful or good

,844

Quicker secretary paid more: Fair

,827

3

When jobs scarce: Men priority (no)

,936

When jobs scarce: Priority of own nation (no)

,724

Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse. Rotationsmethode: Varimax mit Kaiser-Normalisierung. Koeffizienten < 0,4 wurden in der Ausgabe unterdrückt.

112

5. Operationalisierung von Wirtschaftskultur

Der zweite Teil der Tabelle zeigt, wie die verschiedenen Items auf den drei Faktoren laden.171 Wie man sieht, ergeben sich insgesamt drei Faktoren, die inhaltlich genau den von uns postulierten Subdimensionen „Rolle des Staates“, „Wettbewerb“ und „Marktoffenheit“ entsprechen. Die Trennschärfe ist ausgesprochen gut. Bildet man für jede Subdimension einen eigenen Faktor, so ergibt sich eine durchschnittliche Varianzaufklärung von 80,4%.172 Die Daten entsprechen also den theoretisch abgeleiteten Dimensionen in ziemlich guter Weise und sind reliabel. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die European Values Study gute Indikatoren enthält, die die Operationalisierung der Dimension „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“ mit ihren Subdimensionen „Offenheit der Märkte“, „Wettbewerbsorientierung“ und „Rolle des Staates“ unter Berücksichtigung der EUPositionen erlauben. Für jeden der drei Aspekte liegen dabei mehrere Items vor, die sich in allen Fällen in der Faktorenanalyse als hoch korreliert erwiesen haben. 5.3 Individuelle Handlungsorientierungen Wie oben ausgeführt lassen sich unter diesen Punkt zwei Teildimensionen subsumieren: Leistungsorientierung und Vertrauen. Auch hierfür sollen die entsprechenden Indikatoren kurz vorgestellt werden. 5.3.1 Leistungsorientierung Im Vergleich zur allgemeineren, auf die Wirtschaft als Ganzes bezogenen Wettbewerbsorientierung zielt die konkrete Leistungsorientierung direkter auf das Individuum. Die European Values Study enthält einige Fragen, die man als Indikatoren für eine solche Leistungsorientierung interpretieren kann. Sie beziehen sich alle auf die Leistungsbereitschaft im Bereich der Arbeit. Dies ist aber unproblematisch, da die Arbeit ein zentraler Bereich der Ökonomie ist. Ausgewählt wurden die zwei Indikatoren, die den Bereich am besten operationalisieren. Der erste ist folgendermaßen formuliert: „Do you agree or disagree with the following statement: Work should always come first, even if it means less spare time“. Antwortmöglichkeiten waren „disagree strongly (1)“, „disagree (2)“, „agree nor disagree (3)“, „agree (4)“

171

Die Ladungen geben die Korrelation der Indikatoren mit dem Faktor an. Faktorladungen unter 0,4 werden, um die Interpretation zu vereinfachen, nicht angezeigt. Die Zuordnung der Items zu den Faktoren, und damit deren Interpretation, geschieht aufgrund „hoher“ Faktorladungen. Konvention ist ein Wert von über 0,5 (Backhaus et al. 2003: 299). 172 Für die Dimension Offenheit der Märkte sind es 81,9%, für die Wettbewerbs-Dimension 76% und für die Rolle des Staates 83,3%.

5.3 Individuelle Handlungsorientierungen

113

und „agree strongly (5)“. Gerade mit dem Vergleich zur Freizeit erlaubt dieses Item eine gute Operationalisierung der EU-Position. Als guter Indikator für Werteinstellungen werden häufig propagierte Erziehungsziele angesehen (Häder 1998; Reuband 1997; Inglehart 1997; Feldkircher 1996). Der Vorteil ist, „daß Wertorientierungen in einen konkreten personalen, jedoch relativ abstrakten bzw. situationsunspezifischen Bezug gesetzt werden“ (Feldkircher 1996: 213). Auch wenn die Erziehung im Prinzip auf die nächste Generation der Kinder abzielt, spiegeln sich in den Präferenzen für bestimmte Erziehungsziele doch die Einstellungen der Eltern. „There is every reason to believe that parents’ values for children reflect their more general values, not only for children, but also for themselves“ (Kohn und Slomczynski 1990: 56). Den Befragten der EVS wurde eine Liste mit insgesamt elf Erziehungszielen vorgelegt, aus denen sie bis zu fünf auswählen durften.173 Der entsprechende Text lautet: „Here is a list of qualities which children can be encouraged to learn at home. Which, if any, do you consider to be especially important?” Als Indikator für Leistungsorientierung wird das Erziehungsziel „Hard work“ herangezogen.174 „The stress on hard work (...) appears clearly to belong in the achievement syndrome“ (McClelland 1967: 191). Wer seine Kinder zu „harter Arbeit“ erziehen will, drückt damit seine Leistungsbereitschaft und die Unterstützung der EU-Position aus. Ebenfalls als Leistungsindikatoren werden in anderen Studien gerne direkt Statements zur Arbeit verwendet, etwa die Frage, ob einem „good opportunities for promotion“ wichtig sind (vgl. etwa Gerhards 1996). Im hier vorliegenden Datensatz wurden insgesamt 15 solcher Einstellungen abgefragt. Dabei fehlte allerdings eine Beschränkung der maximal zu wählenden Einstellungen. Die Anzahl der durchschnittlich in den Ländern gewählten Statements reicht von 4,6 (Lettland) bis 13 (Türkei). Dadurch ist allerdings die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes Item von einem Befragten gewählt wurde, nicht für alle Länder gleich. Die Daten sind

173

In einigen Ländern wurde diese Kodieranweisung anscheinend nicht von allen Interviewern berücksichtigt, so dass einige Befragte mehr als diese fünf Ziele ausgewählt haben. Auf Empfehlung des Zentralarchivs in Köln (vielen Dank an Hermann Dülmer!) werden diese 962 Fälle für die Analyse dieser Variablen ausgeschlossen. Auf der Homepage des Autors http://www.hof.uni-halle.de/index, www,1,id,5,person,29.html findet sich die Verteilung der Fälle auf die Länder. Insgesamt wurden in den Ländern durchschnittlich zwischen 4,4 (Rumänien) und 5,4 (Großbritannien) bzw. 5,0 (Türkei; nach Ausschluss der Fälle) Ziele gewählt, die Unterschiede zwischen den Ländern sind also marginal. 174 Ein zweites Ziel weist ebenfalls einen gewissen Bezug zur Leistung auf: „Determination, Perseverance“. Allerdings zeigt sich in einer Reliabilitätsanalyse, dass es keine gemeinsame Skala mit „Hard work“ bildet. Auch die Faktorenanalyse kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Da „Hard Work“ sich eindeutiger auf die Leistungsbereitschaft bezieht und zusätzlich deutlich stärker mit dem ersten Indikator in diesem Bereich korreliert, wird auf das zweite Erziehungsziel verzichtet. Vgl. zu den Ergebnissen unter Berücksichtigung dieses Erziehungsziels (Gerhards 2005: Kap. 4).

114

5. Operationalisierung von Wirtschaftskultur

daher nicht international vergleichbar und werden hier nicht weiter berücksichtigt.175 5.3.2 Vertrauen Für die Subdimension Vertrauen wurden oben die beiden Aspekte „generalisiertes Vertrauen“ und „Vertrauen in Institutionen“ als relevant erachtet, weshalb auch beide operationalisiert werden sollen. Das generalisierte Vertrauen wird direkt durch ein einzelnes Item erhoben: „Generally speaking, would you say that most people can be trusted or that you can’t be too careful in dealing with people?“ Die Antwortmöglichkeiten waren dichotom: „Most people can be trusted (1)“ und „Cannot be too careful (0)“. Diese Messung ist relativ verbreitet und allgemein akzeptiert (z.B. Beugelsdijk und Schaik 2003).176 Die Formulierung „most people“ verhindert dabei den Bezug allein auf die Familie und den engeren Freundeskreis, es wird also tatsächlich generalisiertes Vertrauen gemessen. Für die Messung des Vertrauens in Institutionen gibt es in der European Values Study eine ganze Reihe von Indikatoren. Eine Fragebatterie, welche das Vertrauen in verschiedene Organisationen (von der Kirche bis zu den Vereinten Nationen) erhebt, kann in dieser Hinsicht als Likert-Skala interpretiert werden. Für die hier angestrebte Operationalisierung werden aber nur die im engeren Sinne wirtschaftsbezogenen gesellschaftlichen Institutionen berücksichtigt. Dies sind einerseits der öffentliche Dienst/Verwaltung, andererseits das Rechtssystem. Diese beiden Institutionen sind für die Wirtschaft deshalb zentral, da sie die Einhaltung und Durchsetzung des gültigen Regelwerks und geschlossener Verträge garantieren sollen. Das Vertrauen wurde auf einer vierstufigen Skala erhoben: „Please look at this card and tell me, for each item listed, how much confidence you have in them, is it a great deal (4), quite a lot (3), not very much (2) or none at all (1)?“. Für das Vertrauen in die zwei Institutionen wurde ein Summenindex gebildet, der von 7 „hohes Vertrauen“ bis 1 „überhaupt kein Vertrauen“ reichen konnte.177

175

Man könnte versuchen, das Problem zu umgehen, indem man einen Summenindex aus negativen und positiven Items erstellt, so dass sich die unterschiedliche Wahrscheinlichkeit der Itemauswahl in den Ländern sowohl auf der negativen wie auf der positiven Seite niederschlägt und damit tendenziell aufhebt. Das Verfahren bleibt aber problematisch. 176 Uslaner (2004: 11) bezeichnet die Formulierung entsprechend als „Standardfrage“. Siehe allerdings die bei Höhmann und Welter (2002) geäußerten Vorbehalte. 177 Die Reliabilität des Indexes ist mit einem Cronbachs Alpha von 0,6 ausreichend.

5.3 Individuelle Handlungsorientierungen

115

5.3.3 Faktorenanalyse für die „Individuellen Handlungsorientierungen“ Auch hier wurde die theoriegeleitete Dimensionierung anhand der vorliegenden Daten mit der Empirie konfrontiert und eine Faktorenanalyse mit den vier Indikatoren gerechnet. Tabelle 2: Ergebnisse der Faktoranalyse für die Dimension „Individuelle Handlungsorientierungen“ Erklärte Gesamtvarianz Anfängliche Eigenwerte

Rotierte Summe der quadrierten Ladungen

Komponente

Gesamt

% der Varianz

Gesamt

% der Varianz

Kumulierte %

1

2,603

65,069

1,876

46,899

46,899

2

,668

16,693

1,395

34,863

81,762

3

,517

12,933

4

,212

5,305

Rotierte Komponentenmatrix Komponente 1

2

Educational goal: Hard work (yes)

,732

-,546

Work comes always first (Mean)

,889

Trust: Most people can be trusted (yes)

-,723

Confidence in institutions (Index) Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse. Rotationsmethode: Varimax mit Kaiser-Normalisierung. Koeffizienten < 0,3 wurden in der Ausgabe unterdrückt.

,467 ,936

116

5. Operationalisierung von Wirtschaftskultur

Da zwei Subdimensionen vorliegen, wurden zwei Faktoren gebildet. Die Trennung in die beiden Aspekte gelingt allerdings nicht ideal. Zwar bildet die erste Komponente den Leistungsaspekt ab, die zweite das Vertrauen. Gleichzeitig lädt aber das Erziehungsziel, eigentlich Indikator für die Leistungsdimension, zusätzlich negativ auf der Vertrauensdimension. Und der Indikator für das generalisierte Vertrauen hat ebenfalls einen negativen Einfluss auf die Leistungsdimension. Insgesamt ergibt sich, bildet man für jede Einzeldimension einen eigenen Faktor, eine durchschnittliche Varianzaufklärung von gut 75%.178 Damit ist sie geringfügig schlechter als bei den Einstellungen zur Wirtschaftsordnung. Auch die Trennung in die beiden Subdimensionen gelingt nicht eindeutig. Da die Zuordnungen aber tendenziell doch richtig und die Vorzeichen plausibel zu erklären sind, werden die ausgewählten Indikatoren beibehalten. Auch die Dimension „Individuelle Handlungsorientierungen“, wie sie oben in der dimensionalen Analyse entwickelt wurde, lässt sich also anhand der vorliegenden Daten angemessen operationalisieren. 5.4 Transformation der Daten Schon an dieser Stelle sei erwähnt, dass für die späteren Analysen weitere Datentransformationen vorzunehmen sind, um sie vergleichbar zu machen. Dies geschieht in dreierlei Hinsicht. Die erste Veränderung ist unproblematisch. Aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit wurden alle Variablen so rekodiert, dass hohe Werte tendenziell eine Übereinstimmung mit der EU-Position, niedrige Werte dagegen eine Ablehnung signalisieren. Die weiteren Anpassungen sind dagegen etwas komplizierter. Die unten durchgeführte Clusteranalyse reagiert ausgesprochen sensibel auf die Skalenweite bzw. den Range der eingehenden Variablen (vgl. unten, S.151f). Daher ist eine Standardisierung der Antwortkategorien notwendig, damit unterschiedliche Skalengrößen nicht den Einfluss einzelner Variablen auf die Clustergenerierung verzerren. Werden die Skalen nicht angeglichen, führt eine Variable mit einem großen Range zu sehr viel größeren Differenzen zwischen den Objekten als eine Variable mit geringem Range.179 Bei der Standardisierung der hier verwendeten Variablen wurde sich explizit gegen eine z-Standardisierung entschieden, da sie zwar (technisch leichter umsetzbar ist und) standardmäßig verwendet wird, aber den Nachteil aufweist, dass dann alle Variablen auf dieselbe Varianz der Ländermittelwerte (=1) gebracht werden. 178

Der Faktor für die Leistungsorientierung erklärt 78,5%, der für das Vertrauen 72,3%. Auch dummy-kodierte Variablen können in der Clusteranalyse wie quantitative Variablen verwendet werden (vgl. Bacher 1994: 186).

179

5.5 Zusammenfassung

117

Dies würde dazu führen, dass bei Fragen, in denen sich alle analysierten Länder sehr ähnlich sind, die Unterschiede übertrieben, bei Fragen hingegen, in denen die Länder stark differieren, die Unterschiede unterschätzt würden.180 Will man statt dessen eine Gleichgewichtung der Länderunterschiede, nicht der Fragen, so ist es sinnvoll, alle Skalen auf den möglichen Bereich 0 bis 1 zu stauchen, unabhängig von den Ländermittelwerten. Das rechnerische Verfahren dazu ist einfach. Wenn x und y den niedrigsten bzw. höchsten möglichen Wert der Skala bezeichnen, dann zieht man zunächst von jedem Ländermittel x ab und teilt anschließend durch (y-x).181 Auf diese Weise wurden alle in die Analyse eingehenden Variablen auf eine vergleichbare Skala geeicht. Eine zweite Umformung der Daten wird notwendig, da die Skala des Indikators „Work comes always first“ nicht in allen Ländern gleich ist. Österreich hat hier nur eine Viererskala, die Mittelkategorie fehlt. Nun gibt es zwei Möglichkeiten, um mit dieser Inkonsistenz umzugehen. Entweder man schließt Österreich bei der entsprechenden Frage aus,182 oder aber man transformiert die Daten. Letzteres wurde hier folgendermaßen gemacht: In den folgenden Analysen wird relativ häufig der aggregierte Ländermittelwert verwendet. Dabei wurde der Wert Österreichs um den Faktor 1,2 gedehnt, so dass der österreichische Mittelwert mit dem der anderen Länder vergleichbar wird.183 Allerdings sind die Ergebnisse bei dieser Frage für Österreich vorsichtig zu interpretieren.184 5.5 Zusammenfassung Nachdem im vorhergehenden Kapitel mittels einer dimensionalen Analyse die zentralen Wertebereiche von Wirtschaftskultur identifiziert wurden und die Position der europäischen Institutionen zu diesen Fragen herausgearbeitet wurde, lieferte dieses Kapitel den wichtigen Zwischenschritt, quasi das Verbindungsglied, zwischen der theoretischen Ableitung und der empirischen Analyse, indem die Wertebereiche

180

So sind, wie sich weiter unten zeigen wird, die Länderunterschiede im Institutionenvertrauen z.B. deutlich geringer als im generalisierten Vertrauen. 181 Macht man es umgekehrt, teilt also zunächst durch y und zieht anschließend x/y ab, kommt man zu einem etwas anderen Ergebnis: Ist Z das entsprechende Ländermittel, so gilt: (Z-x)/(y-x) z Z/y – x/y, da sich letzteres auch als (Z-x)/y schreiben lässt. Die erste Berechnung ist dabei die unverzerrte Transformation. 182 Dies würde Österreich aber auch bei komplexeren Analysen ausschließen, in die alle Variablen eingehen (Kap. 7). 183 Die genaue Transformation sieht folgendermaßen aus: (Wert Österreich –1) * 1,2 + 1. Damit weist die neue Variable denselben Range von 1 bis 5 wie in den anderen Ländern auf. 184 Rolf Porst vom ZUMA hat, darauf sei der Sorgfalt halber hingewiesen, in einem persönlichen Gespräch generell davon abgeraten, die beiden Skalen zu vergleichen.

118

5. Operationalisierung von Wirtschaftskultur

anhand konkreter Indikatoren aus der European Values Study (EVS) operationalisiert wurden. Es hat sich gezeigt, dass für die Messung der beiden Dimensionen „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“ und „Individuelle Handlungsorientierungen“ sowie ihrer Subdimensionen eine ganze Reihe guter Items zur Verfügung stehen. Tabelle 4 enthält für alle verwendeten Variablen noch einmal den Mittelwert, die Standardabweichung sowie die Anzahl der Fälle. Tabelle 3: Statistische Kennziffern der Indikatoren Variablenname

*

Mittelwert

Standardabw.

When jobs scarce: Priority of own nation

0,27

0,45

Anzahl Fälle 29796

When jobs scarce: Men priority

0,72

0,45

28826

Competition: Harmful or good

7,09

2,45

31997

Quicker secretary paid more: Fair

0,82

0,39

31767

Responsible for providing: State or individual

5,89

2,74

32645

State control firms or give more freedom

5,5

2,86

31489

Educational goal: Hard work

0,47

0,5

32195

Work comes always first*

3,26

1,21

31305

Trust: Most people can be trusted

0,29

0,46

32178

Confidence in institutions (Index)

3,69

1,37

30969

Österreich wurde hier nicht berücksichtigt, da die Anpassung der Skalen nur auf der Länderebene Sinn macht.

Das Vorliegen mehrerer Indikatoren pro Subdimension erlaubt eine genauere Messung. Die Überprüfung der Qualität der Messung über Faktorenanalysen ergibt gute Resultate, die Indikatoren scheinen eine reliable Messung für die theoretischen Dimensionen zu sein. Die Analyse der Wirtschaftskulturen im erweiterten Europa ist also empirisch mit den Daten der EVS umsetzbar.

5.6 Vorteile und Probleme eines quantitativen Kulturvergleichs

119

5.6 Vorteile und Probleme eines quantitativen Kulturvergleichs „Comparison is the engine of knowledge“ (Dogan und Pelassy 1990:8)

Die empirischen Kapitel der vorliegenden Studie präsentieren die Ergebnisse eines quantitativ orientierten Kulturvergleichs.185 Ein solcher Vergleich ist aber nicht ganz unproblematisch. Bevor die Ergebnisse der eigentlichen Datenanalyse vorgestellt werden, sollen daher wenigstens noch kurz Probleme, aber auch Vorteile eines solchen Vorgehens angerissen werden. Für eine ausführlichere Behandlung des Themas wird auf die mittlerweile breite Literatur zum Thema verwiesen.186 5.6.1 Vorteile „Der Vergleich erfreut sich seit geraumer Zeit nicht zuletzt deswegen eines beträchtlichen Zuspruchs, weil er einen besonders effektiven Zuwachs an Wissen verspricht“ (Triebel 1999: 89). Wieso kann er das? Bei der Analyse nur eines Landes kann dieses zwar als makrosoziale Einheit anhand verschiedener Maßzahlen beschrieben werden; was ein einzelner absoluter Wert, z.B. eine Wahlbeteiligung von 72,8%, allerdings besagt, ob er hoch oder niedrig ist, kann erst durch den Vergleich mit anderen Ländern bestimmt werden. Der Zwei-Länder-Vergleich eignet sich dabei vor allem zur Kontrastierung der Untersuchungseinheiten. Als Ergebnis erhält man zwei Profile, die sich in einigen Punkten ähneln, in anderen dagegen zeigen sich die Besonderheiten des jeweiligen Landes anhand der Unterschiede. Der Vorteil des Vergleichs von mehreren Ländern ergibt sich daraus, dass diese Unterschiede zusätzlich gewichtet werden können. Wenn sich Länder um einige Prozentpunkte unterscheiden, so ist damit noch nicht viel gesagt. Erst wenn man mehrere Länder berücksichtigt, kann man entscheiden, welche Unterschiede größer und welche kleiner sind. So zeigt sich, dass Studien aus den USA, die also von außerhalb der EU kommen und mehrere Länder berücksichtigen, meist das Gemeinsame der europäischen Länder betonen, während etwa Zwei-Länder-Vergleiche innerhalb Europas (z.B. Köcher und Schild 1998) oft gerade das Trennende herausstellen.

185

Häufig wird zwischen Kultur-, Zivilisations- und Gesellschaftsvergleich unterschieden. Hier wird methodisch ein Gesellschaftsvergleich durchgeführt, der sich an Nationalstaats-Grenzen orientiert. Da der Gegenstandsbereich des Vergleichs aber Werteorientierungen sind, wird trotzdem der Begriff des Kulturvergleichs verwandt. Zudem wurde oben dargelegt, weshalb es durchaus sinnvoll ist, Kulturen als nationalstaatlich gebunden zu konzeptionalisieren (vgl. 3.2.2). 186 Um nur einige der wichtigsten Autoren zu nennen: Przeworski und Teune (1970), Bollen et al. (1993), Inkeles und Sasaki (1996), Immerfall (1995), Haller (2002), Øyen (1990), Kuechler (1987) und Matthes (1992).

120

5. Operationalisierung von Wirtschaftskultur

Insofern ist die Identifizierung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden oft eine Frage der Distanz des Betrachters (vgl. Dogan und Pelassy 1990: 133, FN 25). Ein wichtiger Vorteil des Vergleichs für die soziologische Forschung liegt darin, dass er Grundlage von Erklärungsmodellen werden kann. Die Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten zwischen den Ländern sind erklärungsbedürftig und können auch selbst zur Erklärung herangezogen werden (dies ist das eigentliche Anliegen der Comparative Method der Soziologie im engeren Sinne). Im Gegensatz zu reinen internen Plausibilitätserklärungen von Zusammenhängen innerhalb eines Landes ermöglicht die durch die Unterschiede erzeugte Varianz die methodische Hypothesentestung. Hierbei ist allerdings „Galton’s problem“ zu beachten: Gemeinsamkeiten zwischen Ländern können einerseits auf gemeinsame Ursachen zurückgehen, sie können aber auch einfach das Ergebnis von Diffusionsprozessen zwischen den Ländern sein (Scheuch 1996: 61 ff.; Rokkan 1996; Ebbinghaus 1998: 303 f.). Die Analyse quantitativer Daten, wie sie in der vorliegenden Arbeit geschieht, hat den großen Vorteil, dass sie den Vergleich einer großen Anzahl von Ländern ermöglicht und sich erklärende Aussagen quantifizieren lassen. Es lässt sich nicht nur feststellen, dass Modernisierung einen Einfluss auf die Wirtschaftseinstellungen hat, sondern auch, wie groß dieser Einfluss im Vergleich mit anderen Faktoren ist. Die vorliegende Arbeit verfolgt in erster Linie ein deskriptives Ziel. So werden vor allem Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Mitgliedsländern und den Beitrittskandidaten der erweiterten Europäischen Union analysiert. Hierzu werden erstens die Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger auf der nationalen Ebene aggregiert.187 Das gewählte Vorgehen lässt sich am besten als eine „Makrokomparative Querschnitts-Studie“ im Sinne von Bollen et al. (1993) im „mostsimilar-cases Design“ bezeichnen. Auf der Grundlage dieser Befunde kann zweitens eine Gruppierung der Länder mit Hilfe einer Clusteranalyse vorgenommen werden. In einem dritten Schritt soll allerdings auch versucht werden, diese Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Werteorientierungen der Bürgerinnen und Bürger über verschiedene Einflussfaktoren zu erklären. Hierzu wird die Aggregat-Ebene verlassen und auf die individuelle Ebene zurückgegriffen. 5.6.2 Probleme Eine der wichtigsten Fragen ist die der Vergleichbarkeit der Ergebnisse über die Länder hinweg (z.B. Deth 1998b; Davis und Jowell 1989). Dabei eröffnen sich drei Problemfelder. So lautet ein Vorwurf, dass die Reize, die von den Fragen in den 187

Dieses Vorgehen ist z.B. in der Politischen Kultur-Forschung weit verbreitet und akzeptiert. „Most of the writing on political culture focuses on national cultures” (Elkins und Simeon 1979: 129; theoretisch hierzu z.B. Kaase 1982: 153 ff.; Teune 1990; in der Anwendung z.B. Almond und Verba 1989; Fuchs und Roller 1998; Fuchs und Klingemann 2002; Mishler und Rose 1999; 1993).

5.6 Vorteile und Probleme eines quantitativen Kulturvergleichs

121

Fragebögen ausgehen, durch Übersetzung in den jeweiligen Ländern sehr unterschiedlich seien und die Antworten daher verzerrt würden.188 Dieses Problem des Item-Bias (Jacobs 2000: 127) besteht natürlich, es gibt aber verschiedene Maßnahmen, um diesen Effekt zumindest zu reduzieren. So wird heute allgemein (zumindest in den hier verwendeten Surveys) mit der Technik der sogenannten Rückübersetzung gearbeitet (Kuechler 1987). Dabei werden die Fragebögen von jeweils anderen Personen übersetzt und rückübersetzt und die Ergebnisse verglichen. Ergeben sich dabei zwischen Original und Rückübersetzung größere Verzerrungen, so wird sowohl am Original als auch an der Übersetzung so lange gefeilt, bis das Verfahren zu einem unverzerrten Ergebnis kommt. Ein weiterer Vorwurf, der sogenannte Konstrukt-Bias (Jacobs 2000: 126), betrifft die Übertragbarkeit von theoretischen Modellen und dazugehörigen Datenerhebungsinstrumenten von einer Kultur auf eine andere (z.B. Moors und Wennekers 2003). Dieser Vorwurf wurde etwa gegenüber Ingleharts Materialismus-Postmaterialismus-Index geltend gemacht (Haller 2002). Diesem Problem wird begegnet, indem internationale Fragebögen von einem entsprechend internationalen Forscherteam entwickelt werden. Zudem empfiehlt Smelser, eher abstrakte Konzepte, die nicht allzu direkt mit einer bestimmten Kultur verbunden sind, für den Vergleich heranzuziehen (Smelser 1996: 92). Ein drittes Problem stellt schließlich der Methoden-Bias dar, die unterschiedliche Reaktivität der Befragten unterschiedlicher Kulturen auf die Messinstrumente (Jacobs 2000: 127).189 Alle drei Vorwürfe lassen sich aber gegen quantitative Erhebungen überhaupt vorbringen (Kuechler 1987: 233). In kaum einem Fall dürften alle Befragten unter den verwendeten Begriffen dasselbe verstehen, und viele theoretische Modelle gelten nur für bestimmte Gesellschaftsgruppen oder berücksichtigen z.B. keine Geschlechtsunterschiede. Alle drei Probleme stellen mithin keine Besonderheiten der vergleichenden Forschung dar, sondern nehmen lediglich mit zunehmenden kulturellen Unterschieden zwischen den Befragten ebenfalls zu. Es ist daher sinnvoll, für den Vergleich nicht allzu unterschiedliche Länder heranzuziehen. „It is more fruitful to compare economic variations in societies that are much closer to one another in many respects“ (Smelser 1996: 95; vgl. auch Dogan und Pelassy 1990: 115). Dieses Vorgehen wird allgemein als „most-similarcases Design“ bezeichnet (vgl. auch Lijphart 1975; Kuechler 1987). Diesen Vorgaben wird die hier analysierte Länderauswahl gerecht, da es sich bei den europäischen Staaten allesamt um Industrienationen mit durchaus gemeinsamen Traditionen handelt (vgl. Immerfall 1995: 30). Insgesamt kann man festhalten, dass man bei international vergleichender Forschung sowohl bei der Datenerhebung als auch der 188

Zum Problem der Übersetzbarkeit des kulturell Fremden siehe etwa (Zingerle und Cappai 2003). Dieses Problem scheint z.B. in der Türkei vorzuliegen, wo die Befragten sowohl bei den Erziehungszielen als auch bei den vorgestellten, aber hier nicht verwendeten Arbeitszielen praktisch immer die gesamte Anzahl der Wahlmöglichkeiten ausgeschöpft haben (durchschnittlich 5 von 5 Erziehungszielen und 13 von 15 Arbeitszielen).

189

122

5. Operationalisierung von Wirtschaftskultur

-interpretation besondere Vorsicht walten lassen muss und die theoretische Fundierung der Forschungsfragen besondere Bedeutung erlangt. Zumindest was die Datenerhebung angeht, stellt die EVS eine der besten zur Zeit verfügbaren Datenquellen dar. Ein weiteres Problem, mit dem der Kulturvergleich zu kämpfen hat, ist die Auswahl der Untersuchungseinheiten, der „unit of comparison“. Stein Rokkan weist darauf hin, dass man zwischen „cross-national“, „cross-cultural“ und „crosssocietal“ differenzieren muss (Rokkan 1996), da die drei nicht automatisch kongruent sind. Dieser Frage der Deckungsgleichheit von Kultur und Nation wird im empirischen Teil in zwei Richtungen nachgegangen. Bei dem in dieser Arbeit durchgeführten Vergleich handelt es sich in erster Linie um einen reinen Ländervergleich.190 Kultur wird hier zunächst als nationale Kultur verstanden (vgl. die Begründung in Kap. 3.2.2). Dies ist insofern sinnvoll, als der EU nur ganze Länder beitreten können. Zweitens soll auf der supranationalen Ebene untersucht werden, ob sich nicht bestimmte Ländergruppen mit einer einheitlichen Kultur bestimmen lassen. Anhand einer Feindifferenzierung nach Regionen innerhalb der Länder soll aber drittens auf der subnationalen Ebene geprüft werden, ob eventuelle Kulturgrenzen quer durch bestimmte Länder verlaufen. Der Unterschied zwischen Nation, Kultur und Gesellschaft wird also als empirisches Problem behandelt. Ragin unterscheidet daneben die zwei Ebenen „observational unit“ und „explanatory unit“. Die verwendete „Erklärungseinheit“ ist zunächst das Land, die „Erhebungseinheiten“ sind dagegen die Individuen der nationalen Stichproben. Häufig wird mit der hier verwendeten „Aggregationsregel“ (Kaase 1982: 154) einer einfachen Durchschnittsbildung auf Länderebene die Gefahr eines „individualistischen Fehlschlusses“ (z.B. Scheuch 1996: 60 ff.) oder eines „ökologischen Fehlschlusses“ verbunden.191 Beides ist im vorliegenden Fall kein Problem, da sich nur der reine Ländervergleich auf die nationalen Aggregate bezieht. Für die Erklärung der Unterschiede und Gemeinsamkeiten wird hingegen im Rahmen eines Mehrebenenmodells auch auf die Individualebene zurückgegriffen. Verschiedene Autoren weisen aber darauf hin, dass man eine Einheit wie den Nationalstaat nicht hinreichend durch die Summe seiner Teile (Ragin spricht von „collections of parts“ (Ragin 1987: X)) beschreiben kann, erst recht nicht allein durch den Bezug auf die Bewohner. Natürlich ist dies richtig in dem Sinne, dass ein Nationalstaat mehr ist als der Durchschnitt der Einstellungen seiner Bürger. Hinzu kommen z.B. Institutionen, Strukturen, auch historische Erfahrungen und aktuelle 190

Kritisch hierzu z.B. (Scheuch 2000). Trotz aller Vorbehalte wird dort der Ländervergleich aber als „the major avenue for macrosociological generalizations“ gesehen (ebd.: 74). 191 Kaase begründet dieses Aggregationsverfahren folgendermaßen: „Der Aggregationsmechanismus des one man one vote ist die konsequente Anerkennung des Egalitätsprinzips; insofern ist verständlich, daß gerade die repräsentative Umfrageforschung vielen als das einer kompetitiven Demokratie angemessene Verfahren erscheint“ (1982: 155).

5.6 Vorteile und Probleme eines quantitativen Kulturvergleichs

123

Prozesse. Trotzdem ist die bisher dargestellte Vorgehensweise für die Fragestellung die angemessene, da die Länder in der hier verfolgten Perspektive nicht für sich, sondern gerade als Aggregate der Übereinstimmung bzw. Nicht-Übereinstimmung mit bestimmten Werten und Normen analysiert werden sollen. Und die besten Maßzahlen für eine solche „nationale Kultur“ sind die aggregierten Mittelwerte (vgl. auch Hofstede 2001). Auch in einem anderen Sinne wird argumentiert, dass Kultur mehr sei als die Summe ihrer Teile. So könne man nicht einzelne Werteinstellungen separat analysieren, sondern müsse das System der Werte als Ganzes berücksichtigen, da sich nur so die „Gestalt“ bzw. der „national character“ (Inkeles und Lewinson 1969) zeige. Dieser Vorwurf ergibt sich aus einer, nach Auffassung des Autors aber größtenteils falschen, Auffassung von Kulturen als abgeschlossenen, binnenhomogenen Gebilden mit eigener Entwicklungslogik. Hier wird in gewisser Weise ein Zwischenweg gegangen, indem die Einzelergebnisse der Ländervergleiche mit Hilfe einer Clusteranalyse zu einem Gesamtbild integriert werden. 5.6.3 Fazit Das Konzept des Kulturvergleichs wird in der vorliegenden Arbeit nicht als Dogma von abgeschlossenen, binnenhomogenen Kulturen mit je eigener Entwicklungslogik verstanden, sondern der Begriff wird pragmatisch aufgrund der Analyse von Kultur als Dimension des Vergleichs verwendet. Das Ziel des Vergleichs ist dabei nicht primär das Testen verschiedener Theorien, wie es ein enggefasster Begriff der „Comparative Method“ (Ragin 1987) nahe legen würde, sondern zunächst allein die Deskription von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den Ländern und ein erster Versuch ihrer Erklärung. Aufgrund der verbesserten Datenlage (international entwickelte, getestete und durchgeführte Surveys) ist es heute möglich, verstärkt quantitative Methoden für den internationalen Kulturvergleich heranzuziehen. Dabei auftauchende Probleme sind kein absolutes Hindernis, sondern finden sich in ähnlicher Form bei jeder quantitativen Analyse. Trotz aller Vorbehalte sind Umfragedaten daher die beste Methode zum Vergleich von Werteorientierungen im Ländervergleich (Deth 1995: 12). Die Auswahl der Länder aus einem europäischen Kontext sorgt dabei für eine relativ gute Vergleichbarkeit. Eine genaue Kenntnis der einbezogenen Länder und eine reflektierte Methodenanwendung bleiben allerdings unerlässlich. Zudem wäre es sinnvoll, die gefundenen Ergebnisse mit eher qualitativen Befunden zu kontrastieren bzw. zu ergänzen. Insgesamt lässt sich festhalten, dass der quantitative Vergleich zwar mit Schwierigkeiten behaftet, aber dennoch aufgrund seiner spezifischen Erkenntniskraft sinnvoll und notwendig ist.

6. Deskription der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Ländern der erweiterten EU Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Ländern

Im Folgenden sollen die Länder im Hinblick auf die einzelnen Dimensionen verglichen werden. Dabei geht es zunächst allein um die Deskription der auf Länderebene aggregierten Daten für die Mitgliedsländer und die Beitrittskandidaten der Europäischen Union.192 Das hieran anschließende Kapitel wird diese Einzelergebnisse zu einem Gesamtbild verschiedener Wirtschaftskulturen in Europa integrieren und daraus eine Klassifikation unterschiedlicher Wirtschaftskulturen ableiten. Diese Wirtschaftskulturen können dann interpretiert werden. Die in dieser Arbeit relevanten Aspekte von Wirtschaftskultur wurden oben unter zwei Hauptdimensionen subsumiert: a) Einstellungen zur Wirtschaftsordnung und b) Individuelle Handlungsorientierungen. Entsprechend werden zunächst auch die Daten präsentiert. 6.1 Einstellungen zur Wirtschaftsordnung Weiter oben wurde gezeigt, dass es sinnvoll ist, die Europäische Union und ihre Wirtschaftsvorstellungen als Folie für die empirische Analyse heranzuziehen. Es wurde herausgearbeitet, dass sich auf der Grundlage zentraler Beschlüsse und Dokumente (vor allem der Verträge) die Wirtschaftsordnung bzw. das dahinterliegende Wirtschaftsskript der Europäischen Institutionen am besten als „Marktwirtschaft“ mit den drei Subdimensionen Offenheit der Märkte, Wettbewerb und Rolle des Staates bezeichnen lässt. Für alle Bereiche liegen jeweils zwei brauchbare Indikatoren vor, die oben bereits eingeführt wurden.

192

Elkins und Simeon (1979) weisen darauf hin, dass neben den Mittelwerten auch die Berücksichtigung des Range und der Streuung sinnvoll sein kann. Deshalb finden sich im Anhang (Tabelle 1) für alle analysierten Daten auch die Verteilungen innerhalb der Länder.

126

6. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Ländern

6.1.1 Offenheit der Märkte Die Offenheit der Märkte ist für eine Marktwirtschaft eine der zentralen Bedingungen, und sie wird von der Europäischen Union u.a. im Rahmen des gemeinsamen Binnenmarktes und seiner vier Freiheiten (Güterverkehr, Personenverkehr, Dienstleistungsverkehr und Kapitalverkehr) umgesetzt (vgl. 4.3.1). Beide Indikatoren für diesen Bereich beziehen sich auf den Arbeitsmarkt. Dieser steht insofern als pars pro toto für die Marktoffenheit, was aber aufgrund seiner zentralen Bedeutung für den Einzelnen und das Wirtschaftssystem durchaus Sinn macht. Das erste Item misst die Zustimmung zu der Aussage „When jobs are scarce, employers should give priority to (own) people over immigrants“. In der folgenden Grafik sind die Prozentanteile der Befragten, die das Statement ablehnen, für alle Mitgliedsländer und Beitrittskandidaten abgetragen.193

193

Im Anhang finden sich in Tabelle 1 die genauen Prozentsätze für alle Länder und Indikatoren.

6.1 Einstellungen zur Wirtschaftsordnung Abbildung 1:

127

Offenheit des Marktes, Item 1 When jobs are scarce: Giving... (nation) priority?

Lithuania Poland Malta Slovakia Bulgaria Hungary Czech Republic Slovenia Greece Romania Austria Germany_East Latvia Ireland Spain Italy Portugal Finland Turkey Germany_West Great Britain France Belgium Estonia Luxembourg Denmark Netherlands Sw eden 0

20

40

60

80

100

% "no"

Der Zustimmung zur Marktoffenheit und damit zur EU-Position entspricht ein möglichst hoher Wert, d.h. eine überwiegende Ablehnung des Statements in der Bevölkerung. Nur in vier Ländern findet sich eine Mehrheit, die sich für die Offenheit des Arbeitsmarktes für Arbeitnehmer aus dem Ausland ausspricht. Mit Abstand am stärksten in Schweden, aber auch in den Niederlanden und Dänemark, sowie ganz knapp in Luxemburg wird die EU-Position mehrheitlich unterstützt. In allen anderen Ländern setzt die Mehrheit der Bevölkerung auf eine nationale Schließung des Arbeitsmarktes und spricht sich damit implizit gegen eine der vier Freiheiten des

128

6. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Ländern

gemeinsamen Binnenmarktes, die Freizügigkeit von Personen und Arbeitskräften, aus. Dies gilt für die jeweiligen Länder aber in sehr unterschiedlichem Maße. Während in Estland über 40% der Befragten die EU-Position unterstützen, sind es in Litauen nicht einmal 4%, beides übrigens baltische Staaten.194 Relativ deutlich wird, dass sich die alten EU-Mitgliedsstaaten wesentlich deutlicher für eine Marktöffnung aussprechen als die neuen Mitglieder und die Beitrittskandidaten. Differenziert man die Beitrittsländer nach dem (voraussichtlichen) Beitrittstermin, so finden sich praktisch keine Unterschiede zwischen der ersten (2004) und der zweiten (2007 geplant: Bulgarien und Rumänien) Beitrittsrunde. Der Beitrittskandidat Türkei liegt dagegen sogar im Feld der alten Mitgliedsländer. Ein zweites Item misst ebenfalls die Einstellungen zur Offenheit des Arbeitsmarktes, diesmal allerdings nicht nach außen, sondern nach innen, nämlich für Frauen. Wie oben ausgeführt, ist die Gleichberechtigung der Geschlechter ein zusätzlicher wichtiger Aspekt des EU-Ideals. Der Indikator lautete parallel zu dem ersten „When jobs are scarce, men have more right to a job than women“. Die folgende Grafik gibt wiederum die Prozentanteile der Ablehnung wieder.

194

Lettland als drittes Land des Baltikum liegt mit 20% ziemlich genau dazwischen.

6.1 Einstellungen zur Wirtschaftsordnung Abbildung 2:

129

Offenheit des Marktes, Item 2 When jobs are scarce: Men have priority

Turkey Malta Poland Romania Bulgaria Austria Germany_W Italy Slovakia Portugal Germany_E Luxembourg Belgium Lithuania Spain Hungary France Great Britain Czech Latvia Greece Slovenia Ireland Estonia Netherlands Finland Denmark Sweden 0

20

40

60

80

100

% "no"

Hier zeigt sich ein etwas anderes Bild. In praktisch allen Ländern überwiegt die Ablehnung des Statements, d.h. die Mehrheit der Bevölkerung spricht sich in diesem Fall für eine Marktöffnung und die Gleichberechtigung der Geschlechter, also für die EU-Position aus. Nur in zwei Ländern gilt dies nicht: in Malta und der Türkei. Während sich Malta auch schon beim ersten Item gegen die Marktöffnung ausgesprochen hat, spiegelt sich in der Position der Türkei vermutlich ein spezifisches Bild der Rolle der Frau wieder (vgl. Norris und Inglehart 2002). Drei weitere Länder haben nur ein leichtes Übergewicht der Befürworter der Gleichberechtigung der Frauen: Polen, Rumänien und Bulgarien. Zwei davon waren auch schon beim

130

6. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Ländern

ersten Item in der Gruppe der „Marktschließer“, Rumänien lag bei der ersten Frage im Mittelfeld. Die größte Marktoffenheit auch für Frauen findet sich schließlich wieder in den skandinavischen Ländern Schweden, Dänemark und Finnland sowie in den Niederlanden, Estland, Irland und Griechenland, wobei die letzten beiden beim ersten Item eher mittlere Werte aufwiesen. Die Trennung zwischen den Beitrittskandidaten, den neuen und den alten Mitgliedsländern fällt bei diesem Indikator nicht so stark aus wie oben. Allerdings zeigt sich diesmal ein deutlicher Unterschied, wenn man zwischen den Beitrittsländern differenziert. Die Türkei als jüngster Kandidat spricht sich am stärksten gegen die gleichberechtigte Teilhabe der Frauen am Arbeitsmarkt aus, aber auch die zweite Beitrittsgruppe von Rumänien und Bulgarien schneidet hier nicht sehr gut ab (vgl. auch Gerhards und Hölscher 2003; Gerhards 2005: Kap.3). Insgesamt zeigt sich für den Bereich der Marktoffenheit, dass die Bevölkerungen der Länder in sehr unterschiedlichem Maße dazu bereit sind, ihre Arbeitsmärkte, wie von der EU gefordert und beschlossen, zu öffnen. Während sich vor allem die skandinavischen Länder, aber auch die Niederlande und Estland, für die Marktoffenheit aussprechen, finden sich vor allem unter den Beitrittskandidaten (Malta, Polen, Bulgarien) stark protektionistische Einstellungen. 6.1.2 Wettbewerb Marktwirtschaftliche Systeme sind neben der Offenheit der Märkte vor allem durch den Wettbewerb verschiedener Teilnehmer auf diesen Märkten gekennzeichnet. Oben wurde dargestellt, dass auch die Europäische Union für Wettbewerb eintritt, sie dabei aber einen instrumentellen Wettbewerbsbegriff hat. Wettbewerb ist kein Selbstzweck, sondern wird als Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg gesehen, der wiederum der Verbesserung der Lebensverhältnisse dienen soll. Insofern ist die Wettbewerbsorientierung abgeschwächt, was sich auch in der Kennzeichnung der europäischen Wirtschaftsordnung als freier Marktwirtschaft mit gleichzeitig sozialen Ambitionen ausdrückt. Auch hier liegen zwei Items vor. Das erste erfragt direkt die Einstellungen der Bürger zum Wettbewerb. Auf einer zehnstufigen Skala konnten die Befragten angeben, inwieweit sie zu einer der beiden Antwortalternativen tendieren: „Competition is harmful, it brings out the worst in people (1)“ bis „Competition is good. It stimulates people to work hard and develop new ideas (10)“.195

195

Die unterschiedliche Schreibweise der beiden Items (einmal Komma, einmal mit Punkt) findet sich im Master-Questionnaire.

6.1 Einstellungen zur Wirtschaftsordnung Abbildung 3:

131

Wettbewerbsorientierung, Item 1 Competition harmful or good?

Belgium France Netherlands Luxembourg Portugal Estonia Greece Spain Finland Italy Great Britain Denmark Poland Lithuania Turkey Ireland Germany_East Germany_West Hungary Slovakia Sweden Bulgaria Latvia Slovenia Austria Czech Republic Malta Romania 1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

MEAN

Die Unterschiede zwischen den Ländern sind insgesamt nicht sehr ausgeprägt. Alle Länder sprechen sich mehrheitlich für den Wettbewerb aus. Am stärksten tut dies Rumänien, gefolgt von Malta, der Tschechischen Republik, Österreich und Slowenien. Am wenigsten stark findet man die Wettbewerbsorientierung in den BeNeLux-Ländern und Frankreich. Aber auch Portugal, Griechenland, Spanien und Italien sind weniger optimistisch bei der Einschätzung von Wettbewerb als die meisten Ländern. Es scheint, als ob in den südwesteuropäischen Ländern Wettbewerb ein wenig skeptischer gesehen wird. Insgesamt ergibt sich aber kein sehr klares Bild. Die Beitrittskandidaten sehen den Wettbewerb allerdings mehrheitlich etwas

132

6. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Ländern

positiver, vor allem gilt dies für die zweite Beitrittsrunde. Die Türkei liegt wiederum ziemlich genau im Mittelfeld. Das zweite Item erfragt die Einstellungen etwas indirekter. Zunächst wurde eine Situation geschildert, die dann von den Befragten beurteilt werden sollte. „Imagine two secretaries, of the same age, doing practically the same job. One finds out that the other earns Ȯ 30 a week more than she does. The better paid secretary, however, is quicker, more efficient and more reliable at her job. In your opinion is it fair or not fair that one secretary is paid more than the other?“. Wettbewerb impliziert, dass das beste Produkt am Markt auch den besten Preis erzielt. Insofern bedeutet eine hohe Zustimmung, dass die ungleiche Bezahlung fair sei, auch eine hohe Zustimmung zum Wettbewerb.

6.1 Einstellungen zur Wirtschaftsordnung Abbildung 4:

133

Wettbewerbsorientierung, Item 2

Quicker secretary earns more: Fair? Ireland Spain Belgium Great Britain Portugal Netherlands Sweden Finland Malta France Italy Turkey Latvia Luxembourg Denmark Lithuania Estonia Hungary Germany_West Poland Greece Germany_East Austria Slovenia Romania Bulgaria Slovakia Czech Republic 0

20

40

60

80

100

% "yes"

Alle Länder stimmen mehrheitlich zu, dass die bessere Sekretärin auch mehr Geld verdienen soll. Auch hier sind Unterschiede zwischen Ländern vorhanden, allerdings ebenfalls nicht sehr ausgeprägt. Die meisten Länder, die sich oben verstärkt für den Wettbewerb ausgesprochen haben, finden sich auch hier in der Spitzengruppe: Tschechien, die Slowakei, Bulgarien, Rumänien, Slowenien und Österreich. Auch auf der eher wettbewerbsskeptischen Seite gibt es Übereinstimmungen: Belgien und die Niederlande, Spanien und Portugal. Daneben gibt es aber einige Verschiebungen, die das unklare Bild von oben bestätigen. Allerdings lässt sich auch hier eine leichte Tendenz der Beitrittskandidaten für mehr Wettbewerb erkennen, vor allem wieder für die zweite Runde.

134

6. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Ländern

Insgesamt ist das Bild für den Bereich des Wettbewerbs etwas unschärfer als bei der Marktoffenheit, da sich in allen Ländern eine breite Mehrheit für die EU-Position findet. Dennoch weisen die Beitrittskandidaten tendenziell eine höhere Wettbewerbsorientierung auf, vor allem die BeNeLux-Staaten und die südwesteuropäischen Länder dagegen eine geringere. 6.1.3 Rolle des Staates Die Rolle des Staates im Bereich der Wirtschaft wird aktuell heiß diskutiert. Generell sieht die Marktwirtschaft die Politik eher in einer passiven Rolle. Dies wird auch von der Europäischen Union unterstützt, die die Liberalisierung, und damit Entlassung aus staatlicher Bevormundung, verschiedenster Teilmärkte aktiv betreibt. Allerdings wird die Ausrichtung der EU manchmal als „soziale Marktwirtschaft“ (z.B. Hödl und Weida 2001) bezeichnet, was darauf hindeutet, dass gewisse korrigierende bzw. umverteilende Einflussnahmen der Politik durchaus vorgesehen sind. Dabei wird deutlich, dass sich die Rolle des Staates auf zweierlei bezieht: Einerseits die Versorgung der Bürger bzw. die Frage nach der Selbstverantwortung der Individuen, hier als sozialpolitischer Aspekt bezeichnet. Andererseits die Rolle gegenüber der Ökonomie im engeren Sinne, d.h. Eingriffe in den Wirtschaftsprozess und Reglementierungen der Unternehmen. Dieses wird als ordnungspolitischer Aspekt bezeichnet. Für beides liegen Indikatoren vor. Sozialpolitischer Aspekt Zunächst zur Selbstverantwortung des Individuums. Die entsprechende Frage lautet „Now I’d like you to tell me your views on various issues. How would you place your views on this scale?“ Die zehnstufige Skala reichte dabei von „The state should take more responsibility to ensure that everyone is provided for (1)“ bis „ Individuals should take more responsibility for providing for themselves (10)“. Die Verteilung der Ländermittelwerte sieht folgendermaßen aus:

6.1 Einstellungen zur Wirtschaftsordnung Abbildung 5:

135

Rolle des Staates (sozialpolitischer Aspekt) State or individual responsible for providing?

Latvia Slovenia Slovakia Hungary Estonia Poland Spain Italy Greece Germany_East Lithuania Turkey Malta Bulgaria Belgium Czech Republic Portugal Romania Netherlands Finland Ireland Luxembourg Great Britain Denmark Sweden Austria France Germany_West 1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

MEAN

Es gibt kein Land, welches eine Extremposition in einer der beiden Richtungen vertritt. Die Werte schwanken allerdings zwischen 7,1 (Westdeutschland) und 4,3 (Lettland) doch deutlich. Westdeutschland, Frankreich und Österreich, aber auch die skandinavischen Länder, Großbritannien, Irland und Luxemburg vertreten dabei am ehesten die EU-Position einer gemäßigten Selbstverantwortung des Individuums. Lettland, Slowenien, die Slowakei, Ungarn, Estland und Polen sprechen sich dagegen eher für die Verantwortung des Staates aus. Aber auch Spanien, Italien, Griechenland und Ostdeutschland setzen mehrheitlich auf die Versorgung durch den Staat. Es lässt sich somit zwar in den Extremgruppen eine Trennung in Bei-

136

6. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Ländern

trittsländer (eher für den Staat) und alte Mitglieder (eher für das Individuum) erkennen, wie sie auch aufgrund der sozialistischen Vergangenheit der osteuropäischen Beitrittsländer zu erwarten gewesen ist. Dieses Bild verliert sich aber im breiten Mittelfeld. Vor allem einige südeuropäische Länder, ergänzt um Ostdeutschland, sprechen sich überdurchschnittlich stark für die Staatsverantwortung aus.196 Die Beitrittskandidaten der zweiten Runde und auch die Türkei finden sich dagegen eher im Mittelfeld. Ordnungspolitischer Aspekt Als zweiter Aspekt für den Bereich der Rolle des Staates wurde oben die Einflussnahme der Politik auf die Wirtschaftsunternehmen herausgearbeitet. Hier spricht sich die Europäische Union recht deutlich für eine Liberalisierung aus. Der Indikator für die Einstellungen in diesem Bereich wurde mit derselben Formulierung wie oben (S. 134) eingeleitet. Die Skala reichte hier von „The state should control firms more effectively (1)“ bis „The state should give more freedom to firms (10)“.

196

Während West- und Ostdeutschland in anderen Wertebereichen häufig erstaunlich nahe beieinander liegen (vgl. Gerhards 2005), sind die Abstände im Wirtschaftsbereich relativ groß. Evtl. schlägt sich hier das sozialistische Erbe der ehemaligen DDR besonders deutlich nieder.

6.1 Einstellungen zur Wirtschaftsordnung Abbildung 6:

137

Rolle des Staates (ordnungspolitischer Aspekt) State: Control firms or give freedom?

Latvia Slovakia Turkey Poland Hungary Luxembourg Romania Estonia Czech Greece Belgium Slovenia Germany_E Portugal Netherlands Spain Bulgaria Ireland Malta Italy France Great Britain Finland Lithuania Germany_W Denmark Austria Sweden 1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

MEAN

Die Spreizung der Ländermittel fällt hier geringfügig größer aus als beim ersten Aspekt. Schweden spricht sich mit einem Mittelwert von 7,1 am stärksten für die Liberalisierung aus, Lettland mit 3,6 am deutlichsten für die staatliche Kontrolle. Die Trennung in bisherige Mitglieder und Beitrittsländer spiegelt sich deutlicher wieder als beim ersten Indikator. Immerhin zwölf Länder sprechen sich durchschnittlich für eine stärkere Kontrolle der Unternehmen aus, darunter nur die drei EU-Mitglieder Luxemburg, Griechenland und Belgien. Auffällig ist dabei die tendenziell antiliberale Haltung in den BeNeLux-Staaten, während sich die skandinavischen Länder sowie Österreich und Deutschland, aber auch Litauen als neues EU-

138

6. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Ländern

Mitglied, eher für staatliche Zurückhaltung aussprechen. Bulgarien und Rumänien liegen im Mittelfeld, die Türkei dagegen setzt in diesem Aspekt eher auf den Staat. Für die Rolle des Staates lässt sich somit zeigen, dass die beiden Aspekte „Sozialpolitik“ und „Ordnungspolitik“ zwar von einigen Ländern etwas unterschiedlich beurteilt werden, insgesamt sich aber doch ein relativ deutliches Bild ergibt. Die meisten osteuropäischen Beitrittsländer sprechen sich für eine stärkere Rolle des Staates aus. Die EU-Position einer Liberalisierung und relativ großer Selbstverantwortung des Einzelnen findet sich dagegen bei den bisherigen EU-Mitgliedern, vor allem in den skandinavischen Ländern, aber auch in Westdeutschland, Österreich und Frankreich. Die südeuropäischen Länder setzen im Bereich der Selbstverantwortung, die BeNeLux-Staaten im Bereich der Unternehmen dabei tendenziell etwas stärker auf den Staat als die meisten Alt-Mitglieder. Inwieweit die Unterschiede zwischen Beitrittskandidaten und Mitgliedsländern vor allem ein Resultat des sozialistischen Erbes ist, wie es sich als Interpretationsmuster gerade in diesem Bereich sehr leicht aufdrängt, wird weiter unten noch zu klären sein. 6.2 Individuelle Handlungsorientierungen Oben wurden zwei Subdimensionen abgeleitet. Die Leistungsorientierung bezieht sich vor allem auf den Stellenwert, der der Arbeit zugewiesen wird und bildet die individuelle Entsprechung zur Wettbewerbsorientierung auf der Ebene der Wirtschaftsordnung. Die zweite Subdimension bezieht sich auf das Vertrauen, unterschieden in generalisiertes und institutionenbezogenes Vertrauen ist eine der zentralen Variablen in der Wirtschaftskulturforschung und wird von dieser vor allem als Kostenreduktionsfaktor thematisiert. Für beide Bereiche liegen mehrere Indikatoren vor, die eine relativ sichere Operationalisierung der Dimensionen erlauben. 6.2.1 Leistungsorientierung Die Marktwirtschaft mit ihrer, auch von der EU geforderten, Betonung des Wettbewerbs bedarf auf der Seite der Individuen als Entsprechung einer gewissen Leistungsorientierung. Die Leistungsorientierung geht natürlich weit über den Arbeitsbereich hinaus, soll aber hier in einem engeren Sinne analysiert werden.197 Insgesamt liegen zwei Indikatoren für den Bereich vor. Das erste Item fragt nach dem Stellenwert der Arbeit. „Do you agree or disagree with the following statement: Work should always come first, even if it means 197

Die Argumentation läuft dabei parallel zu der Frage nach der Marktoffenheit, die ebenfalls nur den Arbeitsmarkt als pars pro toto berücksichtigte.

6.2 Individuelle Handlungsorientierungen

139

less spare time.“ Die fünfstufige Antwortskala reichte von „disagree strongly“ über „disagree“, „agree nor disagree“ und „agree“ bis „agree strongly“. Grafik 9 enthält die Mittelwerte der Länder.198 Abbildung 7:

Leistungsorientierung, Item 1

Work comes always first, even if it means less spare time Netherlands Great Britain Sweden France Belgium Ireland Finland Luxembourg Greece Portugal Malta Estonia Denmark Latvia Germany_West Italy Spain Austria Slovenia Czech Republic Lithuania Slovakia Germany_East Bulgaria Poland Turkey Romania Hungary 1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

4,0

4,5

5,0

MEAN

Insgesamt zeigen sich deutliche Länderunterschiede. Besonders stark für den Primat der Arbeit sprechen sich dabei Ungarn und Rumänien, aber auch die Türkei, Polen und Bulgarien aus. Es zeigt sich eine recht deutliche Trennung in alte Mitgliedsstaaten und Beitrittsländer der Europäischen Union. Ausnahmen sind Malta (als nicht198

Wie oben erwähnt, ist der Ländermittelwert für Österreich angepasst (vgl. S. 117).

140

6. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Ländern

exsozialistischer Kandidat) und die beiden baltischen Länder Estland und Lettland. Ostdeutschland betont den Stellenwert der Arbeit wesentlich stärker als Westdeutschland und liegt damit bei den Beitrittsländern. Als zweites Item wird ein leistungsorientiertes Erziehungsziel verwendet. Die Befragten konnten aus einer Liste mit insgesamt elf Zielen, die sie für die Erziehung der Kinder als wichtig erachten, maximal fünf auswählen. Unter diesen stand auch „Hart arbeiten“ zur Auswahl. Die folgende Grafik enthält die Prozentanteile in den jeweiligen Ländern, die sich für dieses Erziehungsziel entschieden haben. Abbildung 8:

Leistungsorientierung, Item 2 Educational goal: Hard work

Denmark Sweden Austria Finland Netherlands Spain Germany_East Germany_West Slovenia Great Britain Greece Ireland Italy Belgium Malta France Luxembourg Portugal Hungary Turkey Czech Slovakia Estonia Romania Latvia Poland Bulgaria Lithuania 0

20

40

60

% mentioned

80

100

6.2 Individuelle Handlungsorientierungen

141

Die Länderunterschiede sind gravierend. Praktisch die gesamte Bandbreite der Skala wird ausgenutzt. In Bulgarien, Polen, Rumänien sowie den drei baltischen Staaten sehen über 80% der Befragten „Hart arbeiten“ als eines der wichtigsten Erziehungsziele für ihre Kinder. In den skandinavischen Ländern und Österreich sind es dagegen durchschnittlich unter 10%. Auch hier wiederholt sich die Trennung in EU-15 und Beitrittsländer recht deutlich. Malta und Slowenien bilden diesmal die Ausnahme. Portugal ist das einzige Mitgliedsland, welches wenigstens annähernd die Werte der Beitrittsländer erreicht. Es lässt sich somit für die Leistungsorientierung festhalten, dass sich anhand der beiden Indikatoren ein ziemlich eindeutiges Bild ergibt. Vor allem in den exsozialistischen Beitrittsländern, und hier vor allem von den Ländern der zweiten Beitrittsrunde, wird der Stellenwert der Arbeit hoch eingeschätzt. In den alten Mitgliedsländern der Europäischen Union wird Arbeit dagegen nicht absolut gesetzt, sondern relativiert. 6.2.2 Vertrauen Wie oben ausgeführt, wird Vertrauen in der wirtschaftskulturellen Literatur als einer der zentralen Faktoren für wirtschaftliche Prosperität angesehen. Argumentiert wird dabei häufig mit der Senkung der Transaktionskosten, da aufwendige Rückversicherungen (z.B. bei Verträgen) entfallen. „Ein effizienter Tauschakt jeglicher Art ist nicht nur auf die eigentliche Gesetzesdurchsetzung, sondern in beträchtlichem Maße auch auf Vertrauen angewiesen“ (Warner 2000: 232). Es lässt sich dabei zwischen generalisiertem Vertrauen und Vertrauen in Institutionen unterscheiden. Für beides liegen Indikatoren vor. Das generalisierte Vertrauen bezieht sich auf die Einstellung gegenüber den Mitmenschen allgemein. Das entsprechende Item lautet: „Generally speaking, would you say that most people can be trusted or that you can’t be too careful in dealing with people?“ Die Antwort ist dichotom kodiert. Die folgende Tabelle enthält die Prozentangaben der Zustimmung zur ersten Alternative (Vertrauen) in den Ländern.

142 Abbildung 9:

6. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Ländern Generalisiertes Vertrauen People can be trusted

Turkey Romania Portugal Slovakia Latvia Poland Malta France Slovenia Hungary Estonia Greece Czech Luxembourg Lithuania Bulgaria Great Britain Belgium Germany_Wes Italy Austria Ireland Spain Germany_East Finland Netherlands Sweden Denmark 0

20

40

60

80

100

% "yes"

Wie man deutlich sieht, lassen sich „high-trust“- und „low-trust“-Gesellschaften unterscheiden (Fukuyama 1995). Die Differenzen zwischen den Ländern sind enorm groß, die Ländermittel reichen von 6,8% (Türkei) bis 66,5% (Dänemark). Relativ klar ist das hohe Vertrauen in den skandinavischen Ländern und den Niederlanden zu erkennen, wo jeweils über 50% der Befragten ihren Mitmenschen vertrauen, und die sich damit deutlich von allen anderen Ländern absetzen. Dagegen ist das Vertrauen in den Beitrittsländern und einigen südeuropäischen Ländern (Portugal, Frankreich und Griechenland) eher gering ausgeprägt. Die restlichen Mitgliedsstaaten nehmen eine Zwischenstellung ein. Insgesamt lässt sich aber fest-

6.2 Individuelle Handlungsorientierungen

143

halten, dass das generalisierte Vertrauen im Vergleich zu den oben erwähnten nordwesteuropäischen Ländern ein eher niedriges Niveau aufweist. Der zweite Aspekt ist das Vertrauen in Institutionen. In der vorliegenden Arbeit geht es dabei vor allem um wirtschaftsrelevante Institutionen, die das ökonomische Handeln der Akteure flankieren oder Hilfe bei Marktversagen des Individuums leisten. Aus den Antworten zu den verschiedenen Institutionen wurde ein Index gebildet. Dieser reicht von 1 „überhaupt kein Vertrauen“ bis 7 „sehr hohes Vertrauen“. Die darüber abgetragenen Ländermittelwerte finden sich in der folgenden Grafik: Abbildung 10: Vertrauen in Institutionen Confidence in Institutions (Index) Lithuania Bulgaria Greece Czech Republic Romania Italy Slovakia Slovenia Belgium Estonia Poland France Germany_East Spain Hungary Malta Netherlands Portugal Latvia Great Britain Turkey Germany_West Finland Sw eden Austria Luxembourg Ireland Denmark 1

2

3

4 MEAN

5

6

7

144

6. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Ländern

Insgesamt zeigen sich bei dem Index keine so großen Unterschiede wie bei der vorherigen Frage nach dem generalisierten Vertrauen. Dies liegt allerdings an der Indexbildung, welche Differenzen teilweise nivelliert.199 Ein besonders großes Institutionen-Vertrauen findet sich dabei wiederum in den skandinavischen Ländern, aber auch in Irland, Luxemburg, und Österreich. Die exsozialistischen Beitrittsländer (Ausnahme: Lettland), sowie Italien und vor allem Griechenland, weisen dagegen ein eher geringes Vertrauen auf.200 Dies gilt in besonderem Maße auch für die Länder der zweiten Beitrittsrunde (Rumänien und Bulgarien). Für die Vertrauenssubdimension kann man zusammenfassend festhalten, dass vor allem die skandinavischen Länder hohe Werte beim Vertrauen aufweisen. Die meisten exsozialistischen Beitrittsländer sind dagegen eher als „low-trust“Gesellschaften zu bezeichnen. Für die Türkei und Malta ergibt sich ein etwas zwiespältiges Bild. Während sich in beiden Ländern ein relativ hohes InstitutionenVertrauen findet, weist vor allem die Türkei, aber auch Malta, ein eher geringes generalisiertes Vertrauen auf. 6.3 Zusammenfassung Vergleicht man die europäischen Länder im Hinblick auf ihre Einstellungen zur Ökonomie, so zeigen sich bei den meisten Fragen deutliche Unterschiede. Von einer allgemeinen Akzeptanz der europäischen Vorstellungen in ganz Europa kann nicht gesprochen werden. Zwar findet sich in allen Ländern eine, wenigstens gemäßigte, Wettbewerbsorientierung, und die Einstellungen der Bürger zur Rolle des Staates sind in den meisten Ländern ähnlich ambivalent wie die Vorstellungen der EU, dies sind aber auch die größten Gemeinsamkeiten. Dagegen fällt die Zustimmung zur Marktoffenheit sehr viel geringer aus, in mehreren Ländern gibt es sogar deutliche Tendenzen der Marktschließung. Auch bei den „Individuellen Handlungsorientierungen“ überwiegen vor allem die Unterschiede. Die Leistungsorientierung ist in den Ländern sehr unterschiedlich ausgeprägt, ebenso das Vertrauen. In beiden Bereichen kann man also weder von europäischen Gemeinsamkeiten noch von einer breiten Akzeptanz der EU-Vorstellungen sprechen. Insgesamt deuten sich über verschiedene Fragen hinweg aber immer wieder Gemeinsamkeiten bestimmter Ländergruppen an. Es soll daher in einem nächsten Schritt analysiert werden, inwieweit dahinter bestimmte Muster stehen, die sich zu gemeinsamen Wirtschaftskulturen verdichten lassen.

199

Das Vertrauen für die Einzelinstitutionen findet sich auf der Homepage des Autors unter http://www.hof.uni-halle.de/index,www,1,id,5,person,29.html. 200 Zu sehr ähnlichen Ergebnissen kommt Dogan (2001).

7. Integration der Ergebnisse

„In science any classification is better than no classification provided you don’t take it too seriously“ L.J. Henderson (zitiert nach Kroeber/ Kluckhohn 1952: 41)

Wie sich bei der Deskription der Länderunterschiede gezeigt hat, sind die Ergebnisse in den einzelnen Subdimensionen zwar häufig durchaus sinnvoll interpretierbar. Allerdings gibt es bei den einzelnen Indikatoren immer wieder Verschiebungen einzelner Länder bzw. ganzer Ländergruppen. Insofern ist es aus empirischer Sicht wünschenswert, die Einzelergebnisse mit Hilfe eines statistischen Verfahrens zu integrieren. Auch aus theoretischer Sicht macht dies Sinn, da Kultur allgemein nicht als Akkumulation einzelner Einstellungen, sondern als ein „shared system of ultimate values“ (Aberle 1950: 495) gesehen wird. Insofern stellt sich die Frage, ob sich auf der Grundlage der oben dargestellten Subdimensionen bestimmte wirtschaftskulturelle Muster bestimmen lassen. Das Verfahren der Wahl ist hier die Clusteranalyse.201 „Bei allen Problemstellungen, die mit Hilfe der Clusteranalyse gelöst werden können, geht es immer um die Analyse einer heterogenen Gesamtheit von Objekten (z.B. Personen, Unternehmen), mit dem Ziel, homogene Teilmengen von Objekten aus der Objektgesamtheit zu identifizieren“ (Backhaus et al. 2003: 261), also um das „Auffinden einer empirischen Klassifikation“ (Bacher 1994).202 Sie erlaubt somit als strukturengenerierendes Verfahren die Zusammenfassung der Länder zu bestimmten Gruppen. „Ein wesentliches Charakteristikum der Clusteranalyse ist die gleichzeitige Heranziehung aller vorliegenden Eigenschaften zur Gruppenbildung“ (Backhaus et al. 2003: 261). Das Ziel ist, die Länder aufgrund der herangezogenen Merkmale, im vorliegenden Fall also der oben eingeführten Indikatoren, zu intern möglichst ho201

Es gibt daneben eine Vielzahl an weiteren möglichen Verfahren, um kulturelle Unterschiede zu analysieren. Vgl. z.B. die Aufsätze in Chikio Hayashi und Erwin K. Scheuch (1996; insbesondere Hayashi 1996; Yoshino 1996; Arminger 1996) oder Moors und Wennekers (2003), die sich vor allem auf Korrespondenzanalysen oder Strukturgleichungsmodelle stützen. 202 Die Clusteranalyse kann neben der Klassifikation von Objekten auch zur Einteilung von Variablen herangezogen werden. Im ersten Fall spricht man von objektorientierter, im zweiten entsprechend von variablenorientierter Datenanalyse. Letzteres ist allerdings nicht weit verbreitet, da es deutlich potentere Analysemethoden für die Zusammenhänge von Variablen gibt. Siehe aber zu einigen Gegenbeispielen (Bacher 1994: 6-16).

146

7. Integration der Ergebnisse

mogenen Gruppen, die sich untereinander möglichst stark unterscheiden, zusammenzufassen. Diese beiden erwähnten Grundvorstellungen „Homogenität innerhalb der Cluster“ und „Heterogenität zwischen den Clustern“ werden in der Literatur unterschiedlich bezeichnet (vgl. dazu Bacher 1994: 2). Ihre jeweilige Gewichtung hat Einfluss auf die Wahl des Agglomerationsverfahrens und des Ähnlichkeits- bzw. Distanzmaßes (s.u.). Bevor die Ergebnisse der Clusteranalysen für die beiden Dimensionen sowie die Wirtschaftskultur insgesamt präsentiert werden können, soll daher noch etwas ausführlicher auf methodische Feinheiten eingegangen werden. 7.1 Methodische Vorarbeiten Der Begriff der Clusteranalyse umfasst im Einzelnen eine Vielzahl von verschiedenen Verfahren, die alle dem oben erwähnten Ziel einer empirischen Klassifikation von Objekten dienen. Es wird sich im Folgenden allein auf objektorientierte, deterministische, überlappungsfreie Verfahren beschränkt.203 Bei der Wahl des Clusterverfahrens sind zwei Aspekte zu berücksichtigen. Erstens die Wahl des Agglomerationsverfahrens, also der Prozedur, wie ähnliche Objekte zusammengefasst bzw. unähnliche getrennt werden. Darüber hinaus können die meisten Verfahren verschiedene Ähnlichkeits- bzw. Distanzmaße verwenden. Da die verwendeten Methoden und Maße Einfluss auf die Ergebnisse nehmen können, sollen sie im Folgenden mit ihren Vor- und Nachteilen kurz vorgestellt werden. Zusätzlich wird auf die Vorbereitung der Daten eingegangen. 7.1.1 Agglomerationsverfahren und Distanz- bzw. Ähnlichkeitsmaße Eine Hauptunterscheidung bei den Verfahren der Clusteranalyse ist die zwischen hierarchischen und nicht-hierarchischen Verfahren. Die hierarchischen Clusterverfahren gehen zunächst davon aus, dass jedes Objekt ein eigenes Cluster bildet und fassen in jedem Schritt jeweils solange die beiden ähnlichsten Objekte zu einem gemeinsamen Cluster zusammen, bis alle Objekte in einem gemeinsamen Cluster liegen.204 Dadurch ergibt sich eine Hierarchie von Ähnlichkeiten bzw. Unterschieden, die sich sehr gut in einer Baumstruktur graphisch darstellen lässt. Diejenigen Cluster, die als letztes zusammengefasst werden, sind sich am unähnlichsten.

203„Deterministisch

bedeutet, daß jedes Klassifikationsobjekt mit einer Wahrscheinlichkeit von 0 oder 1 einem oder mehreren Cluster(n) angehört“ (Bacher 1994: 141). Überlappungsfrei heißt, dass jedes Objekt nur genau einem Cluster zugeordnet wird. 204 Oder umgekehrt gehen sie von einem einzigen Cluster aus und teilen dies solange auf, bis jedes Objekt ein eigenes Cluster bildet (bei Unähnlichkeitsmaßen).

7.1 Methodische Vorarbeiten

147

Nicht-hierarchische Verfahren versuchen dagegen, auf der Grundlage von Startwerten, also hypothetischen Clusterzentren, die Objekte einer fest vorzugebenden Anzahl an Clustern möglichst gut zuzuordnen.205 Dabei werden in einem iterativen Prozess erstens die Objekte denjenigen Clustern zugewiesen, deren Mittelpunkten sie am nächsten sind, in einem zweiten Schritt die Mittelwerte neu berechnet.206 Dies wiederholt sich solange, bis bestimmte Parameter sich nicht oder nur noch marginal verändern.207 Vergleicht man die Verfahren, so haben beide ihre Vor- und Nachteile. Während bei den hierarchischen Verfahren eine einmal getroffene Zuordnung zu einem Cluster nicht mehr aufgehoben werden kann, wenn sich durch die Hinzunahme weiterer Objekte evtl. der Mittelpunkt des Clusters so verschiebt, dass ein Objekt nun eher einem anderen Cluster angehören würde, ist dies bei den nichthierarchischen Verfahren möglich. Insofern sind letztere flexibler in der Zuordnung. Die hierarchischen Verfahren haben dagegen den Vorteil, dass sie nicht nur eine einzelne Clusterlösung präsentieren, sondern eine ganze Clusterstruktur zur Interpretation zur Verfügung stellen. Dies ermöglicht erstens das Auffinden der besten Clusteranzahl, zweitens aber auch genauere Vergleiche zwischen den einzelnen Objekten. Aussagen über Differenzen zwischen drei Objekten aus drei unterschiedlichen Clustern lassen sich z.B. bei einer nicht-hierarchischen Clusteranalyse höchstens implizit über die Mittelwerte der Cluster, denen sie angehören, treffen. Bei einer hierarchischen Analyse kann man dagegen genau bestimmen, welche Objekte sich ähnlicher sind. Ein zusätzlicher, für die Interpretation nicht zu vernachlässigender Vorteil dieser Verfahren liegt in der graphischen Darstellbarkeit, die bei nicht-hierarchischen Verfahren maximal in einem dreidimensionalen Raum (bei drei verwendeten Merkmalen) möglich ist. Das populärste, und das einzige in SPSS implementierte, nicht-hierarchische Clusterverfahren ist das sogenannte K-Means-Verfahren. Dabei stützt sich die Clusterbildung auf die Berechnung von Clusterzentren für eine fest vorzugebende Anzahl an Clustern. Diese Zentren werden in einem iterativen Prozess derart bestimmt, dass die Streuungsquadratsumme in den Clustern minimal wird (vgl. Bacher 205

Die Anzahl der Cluster ist deshalb vorzugeben, da die Prozedur wissen muss, mit wie vielen Startwerten sie beginnen soll. Auf die Feinheiten der Generierung dieser Startwerte soll hier nicht weiter eingegangen werden. 206 Die Funktion der gleitenden Mittelwerte lässt sich allerdings in den meisten Statistikprogrammen auch unterdrücken. Dies macht Sinn, wenn man über ein hierarchisches Verfahren bereits die Clusterzentren ermittelt hat und nun die Objekte diesen Clustern zuordnen will. Hierarchische Verfahren benötigen wesentlich größere Rechenkapazitäten und sind daher für große Fallzahlen meist nicht geeignet. Mit einer geringeren Fallzahl lassen sich aber die Clusterzentren auf der Grundlage einer Teilstichprobe berechnen, ein nicht-hierarchisches Verfahren kann dann die Zuordnung der Gesamt-Stichprobe vornehmen. 207 Diese Parameter können etwa Veränderungen der Clusterzentren oder auch der Zuordnung der Objekte sein.

148

7. Integration der Ergebnisse

1994: 308 ff.). Das Distanzmaß zu den Clusterzentren ist also die quadrierte euklidische Distanz. Das Verfahren ist an sich für die Analyse größerer Fallzahlen geeignet, bei kleineren Fallzahlen bereitet es vor allem dann Probleme, wenn die Cluster nicht überlappungsfrei sind.208 Die hierarchischen Verfahren sind für die hier auftretenden Fallzahlen zunächst einmal wesentlich besser geeignet. Hier liegen allerdings verschiedene Agglomerationsmechanismen und Distanzmaße vor. Zu unterscheiden sind auf der einen Seite Verfahren, die, ähnlich dem gerade besprochene K-Means-Verfahren, die Cluster über Nähe zu bzw. Distanz von Clusterzentren generieren, auf der anderen Seite Verfahren, die die Cluster direkt über die Nähe der einzelnen Objekte zueinander bilden.209 Zu ersteren zählt das sogenannte Ward-Verfahren. Die Clusterzentren werden dabei so gebildet, dass die Streuung zwischen den Zentren maximiert wird. Bacher (Bacher 1994: 54 f.) empfiehlt dieses Verfahren zur Clusterung von Objekten, wenn die entsprechenden Voraussetzungen in den Daten (Intervallskalierung, Vorliegen einer Datenmatrix) erfüllt sind.210 Auch Backhaus u.a. weisen auf eine Untersuchung hin, „die gezeigt hat, daß das Ward-Verfahren im Vergleich zu anderen Algorithmen in den meisten Fällen sehr gute Partitionen findet und die Elemente ‚richtig’ den Gruppen zuordnet“ (Backhaus et al. 2003: 298). Aufgrund dieser Empfehlungen wurde das Ward-Verfahren auch bei den unten präsentierten Clusteranalysen eingesetzt. Ein Vorteil ist, dass das Verfahren mit der Berücksichtigung von Mittelwerten kein zu strenges Kriterium für die Bildung der Cluster berücksichtigt und somit weder Tendenzen zur Dilatation noch zur Kontraktion aufweist.211 Ersteres ist ein Problem des Complete-Verfahrens, welches das strengste Kriterium an die Homogenität innerhalb der Cluster legt. Das CompleteVerfahren stützt sich nämlich nicht auf Mittelwerte, sondern analysiert direkt die Beziehungen der Objekte untereinander. Die Entfernungen aller Objekte zu allen anderen innerhalb eines Clusters dürfen dabei einen bestimmten Grenzwert nicht überschreiten. Dies führt dazu, dass das Complete-Verfahren zur Bildung vieler, relativ kleiner Gruppen tendiert. Trotzdem wird es in den hier durchgeführten Ana208 Bacher spricht von guten Ergebnissen bei n > 500, wenn die „wahre“ Clusterstruktur weitgehend überlappungsfrei ist. „Ist die zugrundeliegende Clusterstruktur überlappungsfrei, ist auch eine kleinere Stichprobengröße ausreichend“, allerdings geht er immer noch von mindestens 50 Objekten aus (Bacher 1994: 312). 209 Beide Arten verwenden einen, hier allein behandelten, hierarchisch agglomerativen Algorithmus. Bei letzterem lassen sich wiederum Nächste-Nachbarn-Verfahren und Mittelwertmodelle unterscheiden (Bacher 1994: 142 ff.). 210 Beides ist in den vorliegenden Daten der Fall. 211 Dilatation bezeichnet das Phänomen, dass ein Verfahren zu sehr vielen, sehr kleinen Gruppen führt, die erst sehr spät zu größeren Gruppen zusammengefasst werden. Kontraktion bedeutet entsprechend die frühe Zusammenfassung von eher heterogenen Einheiten, wodurch sich relativ früh große Cluster ergeben (das Single-Linkage-Verfahren führt z.B. häufig zu einem solchen Ergebnis und eignet sich daher zur Identifikation von Ausreißern, welche nicht bzw. erst sehr spät in die Cluster aufgenommen werden).

7.1 Methodische Vorarbeiten

149

lysen als ein Kontrollverfahren herangezogen, da gerade diese Strenge des Kriterium der Homogenität innerhalb der Cluster als Strenge des Tests interpretiert werden kann. Das Ziel ist schließlich, die Länder so zu Gruppen zusammenzufassen, dass sie eine möglichst homogene Wirtschaftskultur aufweisen. Besonders gute Ergebnisse lassen sich durch eine Kombination der Verfahren erzielen. Es wurden daher über das Ward-Verfahren die ideale Clusterzahl und die Mittelpunkte der Cluster bestimmt. Die Ergebnisse wurden über weitere hierarchische Verfahren kontrolliert. Anschließend wurden die so gefundenen Mittelwerte der Cluster als Startwerte für das partitionierende K-Means-Verfahren verwendet, welches eine flexiblere Zuordnung der Objekte erlaubt. Fehlzuordnungen einzelner Elemente können dadurch minimiert werden. Es wurde oben erwähnt, dass neben dem Agglomerationsmechanismus auch noch die Distanz- bzw. Ähnlichkeitsmaße zu bestimmen sind. Das Ward-Verfahren verlangt, genauso wie das K-Means-Verfahren, die Verwendung der quadrierten euklidischen Distanz. Das Complete-Verfahren erlaubt die Verwendung unterschiedlicher Distanzmaße. Auch hier wurde zunächst die quadrierte euklidische Distanz verwendet. Dieses Distanzmaß macht insofern theoretisch Sinn, als dadurch wenige große Unterschiede im Vergleich zu vielen kleinen Unterschieden besonders stark berücksichtigt werden.212 Darüber hinaus wurde aber die Stabilität der Lösung auch noch durch Verwendung der einfachen euklidischen Distanz überprüft. 7.1.2 Vorbereiten der Daten Die Clusteranalyse stellt an die verwendeten Daten bestimmte Ansprüche. Je nach verwendetem Verfahren und Distanzmaß müssen die Variablen metrisches Messniveau besitzen. Dies ist für alle hier vorliegenden Items der Fall, da es sich jeweils um Länderaggregate handelt.213 Auch das Problem von Missings liegt bei den hier verwendeten Daten nicht vor, da für alle Fälle und Items Daten vorhanden sind. Die Clusteranalyse ist allerdings relativ sensibel im Hinblick auf die Anzahl der verwendeten Variablen. So werden etwa Differenzen zwischen zwei Objekten dann mehrfach gewertet, wenn mehrere Items zur Messung dieser Differenz zur Verfügung stehen und in die Analyse eingehen. So kann z.B. das Geschlecht nur über eine einzige Variable gemessen sein, die Schicht aber evtl. über das Einkommen, den höchsten Bildungsabschluss und die subjektive Selbsteinstufung. In diesem 212

Vor dem Hintergrund der europäischen Integration ließe sich dabei das Argument entfalten, dass Kompromisse für europaweite Regelungen sehr viel einfacher zu finden sind, wenn die Differenzen ein bestimmtes Maß nicht überschreiten. Daher ist es sinnvoll, größere Differenzen auch stärker zu gewichten. 213 Das Messniveau der Ausgangsvariablen ist daher nicht ausschlaggebend.

150

7. Integration der Ergebnisse

Falle würden Unterschiede in der Schichteinstufung mit einem dreifachen Gewicht im Vergleich zum Geschlecht in die Analyse eingehen.214 Es gibt mindestens zwei Möglichkeiten, dies zu umgehen. Erstens über eine Faktor- oder Indexbildung. Jede relevant erscheinende Ungleichheitsdimension, die in die Clusteranalyse eingehen soll, wird über einen Faktor oder Index, der die entsprechenden Indikatoren zusammenfasst, repräsentiert. Eine zweite Möglichkeit ist die Gewichtung der eingehenden Variablen.215 Eine solche Gewichtung muss allerdings theoretisch gut begründet werden. Glücklicherweise liegen für alle hier analysierten Subdimensionen die gleiche Anzahl, nämlich zwei, Indikatoren vor. Eine Gewichtung ist daher im vorliegenden Fall nicht nötig. Für die Gesamtclusteranalyse gilt dann allerdings, dass die erste Dimension, „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“, mit insgesamt sechs Variablen eingeht, die zweite, „Individuelle Handlungsorientierungen“, dagegen nur mit vieren. Letztere hat somit ein geringeres Gewicht. Dies ist aber aus theoretischen Gründen vertretbar. Schließlich ist die Position der EU für den ersten Bereich sehr viel eindeutiger formuliert und zum Teil rechtlich kodifiziert, die „Individuellen Handlungsorientierungen“ sind dagegen nur relativ indirekt ableitbar. Die Clusteranalyse reagiert allerdings neben der Anzahl der eingehenden Variablen auch ausgesprochen sensibel auf deren Skalenweite bzw. Range. Daher wurde die oben in Kapitel 5 beschriebene Standardisierung der Antwortkategorien durchgeführt. Damit gehen alle Variablen mit demselben Range in die Analyse ein. 7.2 Einstellungen zur Wirtschaftsordnung Die erste oben untersuchte Dimension waren die Einstellungen der Befragten zu verschiedenen Aspekten der Wirtschaftsordnung. Hier sollen diese Einzelergebnisse nun zu einem interpretierbaren Gesamtbild zusammengefasst werden. Analysiert wurden insgesamt die drei Subdimensionen „Offenheit der Märkte“, „Wettbewerb“ und „Rolle des Staates“. Für jede Subdimension lagen zwei Items vor, so dass insgesamt sechs Indikatoren für die Einstellungen zur Wirtschaftsordnung berücksichtigt werden können.

214

Dies kann natürlich durchaus gewollt sein, sollte aber theoretisch gut begründet sein. Diese muss allerdings abhängig vom gewählten Distanzmaß vorgenommen werden (euklidische oder quadrierte euklidische Distanz).

215

7.2 Einstellungen zur Wirtschaftsordnung

151

7.2.1 Die Ergebnisse der Clusterung Auf der Grundlage der bisher gemachten Überlegungen wurde nun eine Clusteranalyse mit den angeführten Variablen und dem Ward-Verfahren gerechnet. Sie kommt zu folgendem Ergebnis: Abbildung 1:

Clusterlösung „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“

France Great Britain Finland Ireland Italy Spain Portugal Belgium Luxembourg Estonia Netherlands Denmark Sweden Germany_East Slovenia Hungary Greece Czech Republic Lithuania Poland Slovakia Latvia Germany_West Austria Bulgaria Malta Romania Turkey

«± «­«± «³ ¬ «° ²«± «± ¬ ¬ «­«° ²«««««««««««««± «°

¬

«±

¬

¬ ¬

«­«««°

²«««««««««««««««««««±

«°

¬

¬

«´«±

¬

¬

«° ²«««««««««««««««°

¬

«««°

¬

«±

¬

«³

¬

«³

¬

«­«««±

¬

«³

¬

¬

«°

²«««±

¬

«´«± ¬

¬

¬

«° ²«°

¬

¬

«««°²«««««««««««««««««««««««««««««° «´«««±

¬

«°

¬

¬

«±

²«««°

«­«± ¬ «° ²«° «««°

152

7. Integration der Ergebnisse

Da das Ward-Verfahren ein hierarchisches Verfahren ist, besteht zunächst die Aufgabe, die ideale Anzahl an Clustern zu bestimmen. Dabei gibt es verschiedene Kriterien. Das erste ist die Zunahme der Fehlerquadratsumme innerhalb der Cluster. Die ideale Clusterlösung bestimmt sich nach einer möglichst geringen Heterogenität innerhalb der Cluster. Nimmt die Fehlerquadratsumme nun durch eine Fusionierung zweier Cluster (wodurch sich die Anzahl der Cluster von n auf n-1 reduziert) deutlich zu, so ist die Lösung genau vor dieser Fusionierung zu wählen (also wäre die gefundene Lösung n Cluster).216 Die entsprechenden Sprünge in der Zunahme der Fehlerquadratsumme kann man einerseits über das Dendrogramm ablesen,217 oder aber aus der Tabelle der Agglomerationsschritte direkt ablesen. Noch einfacher wird die Interpretation mit dem sogenannten Scree-Plot, die ideale Clusteranzahl lässt sich dann anhand des „elbow“-Kriteriums bestimmen (Backhaus et al. 2003: 522).218

216

Bei den meisten Verfahren nimmt die Fehlersumme natürlich bei jedem Agglomerationsschritt kontinuierlich zu (dies gilt nicht bei den Verfahren Centroid und Median), gesucht werden aber die Stellen, an denen diese Zunahme sprunghaft ansteigt. 217 Die Länge der waagerechten Linien repräsentiert in etwa die Zunahme der clusterinternen Heterogenität. 218 Das Problem in SPSS ist allerdings, dass diese Funktion nicht zum Standardrepertoire des Statistikpaketes zählt und daher individuell zu programmieren ist. Die hier durchgeführten Berechnungen stützen sich auf die von Bacher während des Frühjahrseminars zu Clusteranalysen 2002 am Zentralarchiv Köln vorgestellte Syntax.

7.2 Einstellungen zur Wirtschaftsordnung Abbildung 2:

153

Scree-Plot zur Bestimmung der idealen Clusterzahl für den Bereich „Einstellungen zur Organisationsform der Wirtschaft“

2.5

2.0

1.5

Wert LEVEL

1.0

.5

0.0 10.00

9.00

8.00

7.00

6.00

5.00

4.00

3.00

2.00

1.00

NCLUSTER Relativ deutliche Knicke lassen sich bei der Zwei- und der Drei-Cluster-Lösung ausmachen, ein kleiner „Ellbogen“ zeigt sich auch schon bei vier Clustern.219 Während sich die bisherigen Analysen eher auf den optischen Eindruck stützen, wurde von Mojena auch ein statistischer Test zur Bestimmung der besten Clusterlösung eingeführt. Die Annahme, die ihm zugrunde liegt, ist, dass die Fehlerquadratsummen normalverteilt sind. Die Statistik testet nun, inwieweit ein bestimmter Zuwachs dieser Normalverteilung angehört oder nicht. Ergibt sich ein plötzlicher starker Zuwachs, so nimmt der Mojena-Wert ebenfalls hohe Werte an. Nach Mojena sollte die Teststatistik mindestens einen Wert zwischen 2,75 bis 3,5 annehmen.220 Aller219 Backhaus u.a. weisen darauf hin, dass zu beachten ist, „daß beim Übergang von der Zwei- zur EinCluster-Lösung immer der größte Heterogenitätssprung zu verzeichnen ist“ (Backhaus et al. 2003: 307). Dies muss aber nicht gegen die Zweier-Lösung sprechen. 220 Was einem Signifikanzniveau von mindestens 99,7% entspricht (vgl. Bacher 1994: 249 f.). Gewählt wird jeweils die Lösung vor dem Erreichen des Wertes.

154

7. Integration der Ergebnisse

dings ist dies nur eine Faustregel. Gerade bei kleinen Fallzahlen, wie sie auch hier vorliegen, kann es passieren, dass kein signifikant von der Normalverteilungskurve abweichender Zuwachs erreicht wird. Tabelle 1: Bestimmung der optimalen Clusterzahl (Mojena) Anzahl der Cluster

Teststatistik nach Mojena

Anzahl der Cluster

Teststatistik nach Mojena

10

-0,24

5

0,02

9

-0,20

4

0,13

8

-0,12

3

0,71

7

-0,07

2

1,64

6

-0,04

1

4,39

(Angegeben sind nur die letzten zehn Agglomerationsschritte.)

Wie man sieht, ergibt sich zwischen dem vierten und dem dritten Cluster bereits ein deutlicher Sprung von mehr als 0,5 (was auf eine 4-Cluster-Lösung hindeuten würde), der Wert ist aber noch weit von Mojenas Grenzwert entfernt. Erst bei der 3Cluster-Lösung kommt die Statistik in die Nähe, bei der Zweiteilung der Länder schließlich wird er überschritten. Neben diesen formalen gibt es aber auch noch ein inhaltliches Kriterium zur Bestimmung der Clusterzahl. Sie sollte so gewählt sein, dass die Cluster möglichst gut interpretierbar sind. Dies ist für die vorliegende Analyse auf mehreren Ebenen der Fall. Geht man von einer Zwei-Cluster-Lösung aus, so findet man bei den „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“ eine recht deutliche Trennung in die alten Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die Beitrittsländer. Lediglich Estland, welches unter den baltischen Staaten generell als Vorzeige-Kandidat gehandelt wird, liegt im Cluster der Alt-Mitglieder. Bei den Beitrittsländern finden sich außerdem einige EU-15-Mitglieder: Westdeutschland, Österreich, Griechenland und Ostdeutschland. Relativ deutlich wird allerdings, was auch die formalen Kriterien nahegelegt haben, ein drittes Cluster ausgegliedert. Die skandinavischen Länder Schweden und Dänemark, ergänzt um die Niederlande, bilden bei den Mitgliedsländern eine eigenständige Gruppe. Die Drei-Cluster-Lösung scheint daher die angemessene zu sein.221 221

Es fällt aber auf, dass auch die Subcluster zum Teil wenigstens intuitiv zu interpretieren sind. Österreich und Westdeutschland fallen zusammen, Italien, Spanien und Portugal ebenfalls. Vor allem fällt auf,

7.2 Einstellungen zur Wirtschaftsordnung

155

7.2.2 Stabilitätsprüfung Wie oben dargestellt, ist die Clusteranalyse zwar ein ausgesprochen flexibles Verfahren, das verschiedenste Anwendungen erlaubt, dadurch bestehen aber auch zwei Gefahren. Erstens ist es für den Anwender möglich, die Daten und Methoden derart zu manipulieren, dass die gewünschten Ergebnisse herauskommen (vgl. Backhaus et al. 2003: 315). Dieser Gefahr wurde begegnet, indem die Auswahl der Variablen theoretisch begründet und auf umfangreiche Gewichtungen verzichtet wurde. Auch die Wahl der Methode wurde nach externen Kriterien entschieden. Trotzdem ist es unerlässlich, bestimmte Stabilitätsprüfungen für die Ergebnisse vorzunehmen. Ein solcher Test kann auf zwei Ebenen ansetzen: Erstens bei der Methode, d.h. beim Agglomerationsalgorithmus und/oder dem Distanzmaß, zweitens bei den Daten über die Auswahl bzw. Gewichtung der Variablen und Veränderungen an den Ausgangsdaten. Vergleicht man zunächst die Methoden, so wurden oben als besonders strenge Vergleichsalgorithmen die K-Means-Methode als nicht-hierarchisches Verfahren und das Complete-Verfahren mit seiner besonders starken Homogenitätsforderung angeführt. Für den Vergleich verschiedener Clusterlösungen wurde von Rand ein Index eingeführt, der sich auch für eine Stabilitätsprüfung eignet. „Motivation of this measure follows three basic considerations. First, clustering is discrete in the sense that every point is unequivocably assigned to a specific cluster. Second, clusters are defined just as much by those points which they do not contain as by those points which they contain. Third, all points are of equal importance in the determination of clustering. (…) From them it follows that a basic unit of comparison between two clusterings is how pairs of points are clustered” (Rand 1971: 847). Der Rand-Index vergleicht also für alle Paare von Objekten, ob sie in beiden Clusterlösungen im gleichen, beidesmal in unterschiedlichen, oder einmal in einem gemeinsamen und einmal in unterschiedlichen Clustern liegen und berechnet daraus eine Maßzahl. Sie reicht von 0, wenn zwei Clusterlösungen überhaupt keine Übereinstimmung aufweisen, bis 1, wenn eine komplette Übereinstimmung vorliegt. Ein Wert ab 0,7 wird allgemein als hinreichend angesehen, um von stabilen Ergebnissen auszugehen (Bacher 2002: 82; Bacher 1994: 278 mit weiteren Literaturangaben). Vergleicht man die oben präsentierten Ergebnisse zunächst mit den Ergebnissen der Complete-Methode, so zeigt sich eine sehr gute Übereinstimmung der Zuordnungen. Lediglich Italien, Spanien und Portugal wandern in das Cluster, in dem auch die meisten Beitrittsländer enthalten sind. Die K-Means-Methode unterstützt die gefundenen Ergebnisse und nimmt gewissermaßen eine Mittelstellung ein. Portugal wird, wie bei Ward, zusammen mit Westdeutschland dem Mitgliedscluster dass sich die Länder der beiden Beitrittsrunden auf zwei Untergruppen aufteilen, wobei die Türkei (und Malta) zur zweiten Runde fällt.

156

7. Integration der Ergebnisse

zugeordnet. Dagegen wandern Spanien und Italien zu den Beitrittsländern, was der Complete-Lösung entspricht. Insgesamt erweisen sich die Ergebnisse aber über alle verwendeten Verfahren als stabil. Eine zweite Möglichkeit der Methodenmanipulation ist die Veränderung des Distanzmaßes. Allerdings verlangen sowohl Ward als auch K-Means die quadrierte euklidische Distanz, so dass sich hier kein Test vornehmen lässt. Allein das Complete-Verfahren bietet die Verwendung unterschiedlicher Distanzen. Doch ergibt sich bei Verwendung der einfachen euklidischen Distanz keine einzige Verschiebung in der Clusterzuordnung. Die Ergebnisse des Methodenvergleichs werden in der folgenden Tabelle zusammengefasst. Die größte Stabilität besitzt dabei das K-MeansVerfahren. Tabelle 2: Stabilitätstest der Clusterlösung (Rand-Indizes) WARD WARD

COMPLETE

K-MEANS

-

COMPLETE

0,83

-

K-MEANS

0,83

0,88

-

Bei den Daten kann man Veränderungen auf zwei Ebenen vornehmen. Erstens kann man die Auswahl der Variablen verändern. Dies wurde für alle Variablen getestet, indem jeweils eine Variable aus der Analyse ausgeschlossen wurde. Die sich dadurch, wenn überhaupt, ergebenden Veränderungen in den Ergebnissen sind marginal.222 Eine zweite Manipulation zur Stabilitätstestung ist die Herausnahme von Ländern. Über das Single-Linkage-Verfahren, auf welches hier nicht weiter eingegangen werden soll, kann man „Ausreißer“ bzw. Daten mit extremen Werten identifizieren (Backhaus et al. 2003: 290 ff. und 313). Auch wenn man, wie in den deskriptiven Grafiken oben gezeigt, bei der Türkei nicht von einem Ausreißer im klassischen Sinne sprechen kann,223 so wird sie doch durch das Verfahren als Extremposition identifiziert. Daher wurden die Analysen ohne die Türkei wiederholt. Es ergibt sich aber keine einzige Verschiebung in den Zuordnungen.

222 Die Ergebnisse finden sich auf der Homepage des Autors unter http://www.hof.unihalle.de/index,www,1,id,5,person,29.html. 223 „Ausreißer sind Objekte, die im Vergleich zu den übrigen Objekten eine vollkommen anders gelagerte Kombination von Merkmalsausprägungen aufweisen und dadurch von allen anderen Objekten weit entfernt liegen. Sie führen dazu, daß der Fusionierungsprozeß der übrigen Objekte stark beeinflußt wird“ (Backhaus et al. 2003: 313).

7.3 Individuelle Handlungsorientierungen

157

Man kann also insgesamt festhalten, dass sich die gefundene DreiClusterlösung als ausgesprochen stabil gegenüber den verschiedenen Tests erwiesen hat. In einer abschließenden Tabelle sollen noch einmal die Ländergruppen dargestellt und zur einfacheren Bezeichnung mit einem Namen versehen werden. Da die Cluster eindeutige geographische Schwerpunkte haben, wurde eine räumliche Bezeichnung gewählt.224 Tabelle 3: Cluster „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“ Cluster

Name

Enthaltene Länder

1

Westeuropäische Länder

Belgien, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Luxemburg, Portugal und Westdeutschland

2

Nordwesteuropäische Länder Dänemark, die Niederlande und Schweden

3

Süd- und osteuropäische Länder

Bulgarien, Griechenland, Italien, Lettland, Litauen, Malta, Österreich, Ostdeutschland, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Türkei und Ungarn

7.3 Individuelle Handlungsorientierungen Auch die zweite Dimension der Wirtschaftskultur soll nun einer zusammenfassenden Analyse unterzogen werden. Oben waren als zentrale Subdimensionen „Leistungsorientierung“ und „Vertrauen“ identifiziert worden, wobei das „Vertrauen“ nochmals unterteilt wurde in generalisiertes und Institutionen-Vertrauen. Für den ersten Bereich, der „Leistungsorientierung“, liegen insgesamt zwei Indikatoren vor. Erstens die Zustimmung oder Ablehnung des Statements, dass Arbeit immer an erster Stelle steht, auch wenn die Freizeit darunter leidet, und zweitens die Wahl des Erziehungsziels „Hart arbeiten“. Das abstrakte Vertrauen wurde gemessen über die direkte Frage, ob man den meisten Menschen vertrauen kann. Für das Vertrauen in 224

Die zugewiesenen Namen für die Cluster sind nicht immer hundertprozentig „richtig“ in dem Sinne, dass tatsächlich alle zugehörigen Länder unter die Bezeichnung fallen. Insofern handelt es sich um eine „Vereinfachung“, die aber die Aufzählung aller einzelnen Länder bei der späteren Beschreibung vermeiden hilft.

158

7. Integration der Ergebnisse

Institutionen wurde ein Index gebildet, der das Vertrauen in unterschiedliche wirtschaftsbezogene Institutionen und Organisationen zusammenfasst. Insgesamt liegen damit auch für diesen Bereich vier Variablen vor, die die Basis für eine Clusteranalyse bilden können.

7.3.1 Die Ergebnisse der Clusterung Parallel zum Vorgehen bei der ersten Dimension wurde auch hier zunächst eine Clusteranalyse mit dem Ward-Verfahren unter Berücksichtigung aller Variablen gerechnet (Abb. 3). Im Vergleich zur ersten Dimension fällt die größere Klarheit der Clusterung auf. Inhaltlich zeigt sich eine deutliche Übereinstimmung mit der Einteilung in der ersten Dimension. Wieder fallen zunächst die meisten der Beitrittsländer zusammen, ebenso lässt sich das nordwesteuropäische Cluster (hier inklusive Finnlands) erkennen. Allerdings gibt es auch einige Länderverschiebungen. Bei den osteuropäischen Beitrittsländern findet sich als einziges altes Mitgliedsland Portugal. Umgekehrt werden Malta und Slowenien bei den südwesteuropäischen EU-15-Mitgliedern eingeordnet.

7.3 Individuelle Handlungsorientierungen Abbildung 3:

159

Clusterergebnis für den Bereich „Individuelle Handlungsorientierungen“

Lithuania

«±

Bulgaria

«³

Estonia

«³

Latvia

«³

Czech Republic

«³

Slovakia

«­«««««««««««««««««««««««««««««««««««««±

Portugal

«³

¬

Poland

«³

¬

Romania

«³

¬

Hungary

«³

¬

Turkey

«°

¬

Sweden

«±

¬

Finland

«³

¬

Netherlands

«­««««««««±

¬

Denmark

«°

¬

¬ ¬

Germany-East

«±

¬

Spain

«³

²««««««««««««««««««««««««««««°

Germany-West

«­«±

¬

Austria

«° ¬

¬

France

«± ²««««««°

Luxembourg

«³ ¬

Malta

«³ ¬

Italy

«­«°

Greece

«³

Slovenia

«³

Great Britain

«³

Belgium

«³

Ireland

«°

160

7. Integration der Ergebnisse

Die Aufgabe besteht zunächst wieder in der Bestimmung der günstigsten Clusteranzahl. Relativ deutlich zeichnen sich auch hier größere Sprünge bei einer Zwei- oder Drei-Cluster-Lösung ab. Der Scree-Plot und die Statistik nach Mojena können weitere Anhaltspunkte liefern. Abbildung 4:

Scree-Plot zur Bestimmung der idealen Clusteranzahl für den Bereich „Individuelle Handlungsorientierungen“

4

3

Wert LEVEL

2

1

0 10.00

9.00

8.00

7.00

6.00

5.00

4.00

3.00

2.00

1.00

NCLUSTER Zwei deutliche Knicke zeigen sich bei der Drei- und der Zwei-Cluster-Lösung, unterstützen also die Interpretation des Dendrogramms. Eine höhere Clusteranzahl lässt sich hingegen nicht bestätigen. Auch die Statistik nach Mojena deutet wiederum auf eine Zwei- oder Drei-Cluster-Lösung hin.225 Es wird sich für eine DreiCluster-Lösung entschieden, da sie auch inhaltlich Sinn macht.

225

Auch wenn der Grenzwert nicht erreicht wird, so findet sich doch schon für die Dreierlösung ein deutlicher Sprung.

7.3 Individuelle Handlungsorientierungen

161

Tabelle 4: Bestimmung der optimalen Clusterzahl (Mojena) Anzahl der Cluster

Teststatistik nach Mojena

Anzahl der Cluster

Teststatistik nach Mojena

10

-0,25

5

-0,17

9

-0,24

4

-0,14

8

-0,24

3

0,06

7

-0,21

2

0,89

6

-0,19

1

4,77

(Angegeben sind nur die letzten zehn Agglomerationsschritte.)

Insgesamt kann man festhalten, dass sich auch für die Dimension „Individuelle Handlungsorientierungen“ ein klar interpretierbares Bild ergibt. Dieses ähnelt in seiner Struktur relativ stark dem bereits von den „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“ bekannten.226 Wiederum findet sich ein Cluster mit den nordwesteuropäischen, vor allem skandinavischen Ländern, eines mit den meisten restlichen EU-15Mitgliedern in Südwesteuropa, und eines mit den osteuropäischen Beitrittsländern. Daneben gibt es aber einige Verschiebungen. So finden sich hier einerseits Malta, Österreich, Slowenien und Westdeutschland bei den alten EU-Mitgliedern, andererseits Estland und Portugal bei den Beitrittsländern. 7.3.2 Stabilitätsprüfung Auch für die „Individuellen Handlungsorientierungen“ soll geprüft werden, ob die gefundene Lösung durch andere Verfahren reproduziert werden kann, oder ob es sich um ein statistisches Artefakt handelt. Zum Vergleich wurden wiederum die beiden Verfahren K-Means und Complete herangezogen. Es zeigt sich, dass alle drei Verfahren zu exakt demselben Ergebnis kommen.227 Diese Ergebnisse bleiben auch bei Veränderung des Distanzmaßes stabil, bei der Verwendung der einfachen euklidischen Distanz beträgt die Übereinstimmung ebenfalls 100%. Selbst auf die Herausnahme einzelner Variablen reagieren die Ergebnisse des Bereiches „Individuelle Handlungsorientierungen“ sehr robust. Die etwas andere Messung der Frage,

226

Eine etwas unorthodoxe, aber dennoch sinnvolle Anwendung des Rand-Indexes zeigt hier keine Stabilität einer Clusterlösung, wohl aber einer Länderstruktur auf der Basis unterschiedlicher Daten. Er beträgt hier 0,65. 227 Der Rand-Index beträgt also in allen Fällen 1.

162

7. Integration der Ergebnisse

ob Arbeit immer zuerst kommt, scheint für die Einteilung Österreichs keinen verzerrenden Einfluss zu haben.228 Die zweite mögliche Veränderung bei den Daten war die Herausnahme einzelner Länder. Versucht man wiederum über Single-Linkage einen Ausreißer zu identifizieren, so wird allerdings kein einzelnes Land als Extremposition ausdifferenziert. Als Fazit kann man festhalten, dass sich auch für den Bereich der „Individuellen Handlungsorientierungen“ eine interpretierbare und sehr stabile Drei-ClusterLösung finden lässt. Sie trennt zwischen einem Cluster, welches die meisten EUMitglieder sowie Malta und Slowenien enthält, einem Cluster, welches neben allen skandinavischen Ländern auch die Niederlande enthält, und einer dritten Ländergruppe, welche außer Malta und Slowenien alle Beitrittsländer sowie Portugal beinhaltet.229 Tabelle 5: Cluster „Individuelle Handlungsorientierungen“ Cluster

Name

Enthaltene Länder

1

Süd- und westeuropäische Länder

Belgien, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, Österreich, Ostdeutschland, Slowenien, Spanien und Westdeutschland

2

Nordwesteuropäische Länder Dänemark, Finnland, die Niederlande und Schweden

3

Osteuropäische Länder

Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Tschechische Republik, Türkei und Ungarn

Es zeigt sich dabei eine relativ starke Übereinstimmung zwischen den beiden Dimensionen „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“ und „Individuelle Handlungsorientierungen“. Trotz der bei der Operationalisierung geäußerten Bedenken gegenüber einzelnen Items zeigt sich bei der Stabilitätsprüfung eine recht hohe Übereinstimmung verschiedenster Verfahren. Es konnte nachgewiesen werden, dass die

228

Die Ergebnisse finden sich wieder auf der Homepage des Autors unter http://www.hof.unihalle.de/index,www,1,id,5,person,29.html. 229 Auch hier gilt der Hinweis auf die Ungenauigkeit der Clusterbezeichnungen.

7.4 Europäische Wirtschaftskulturen

163

kritischen Indikatoren keinen verzerrenden Einfluss auf die Analyse haben, weshalb sie auch in weiteren Berechnungen Verwendung finden können. 7.4 Europäische Wirtschaftskulturen Nachdem bisher die beiden Dimensionen getrennt betrachtet wurden, sollen sie im Folgenden zu einem Gesamtbild der Wirtschaftskultur integriert werden. Auf der Grundlage dieses Kapitels lassen sich dann die Ländergruppen als spezifische Wirtschaftskulturen mit bestimmten Merkmalen beschreiben. 7.4.1 Die Ergebnisse der Clusterung Auf der Grundlage aller oben beschriebenen Variablen, wiederum mit dem schon bekannten Ward-Verfahren, ergibt sich für die Wirtschaftskulturen in einer erweiterten Europäischen Union folgendes Bild:

164 Abbildung 5:

7. Integration der Ergebnisse Clusteranalyse für die europäischen Wirtschaftskulturen

Poland

«±

Slovakia

«³

Romania

«³

Czech Republic

«­«±

Hungary

«³ ¬

Lithuania

«³ ²«««««±

Bulgaria

«° ¬

¬

Turkey

«««°

²«««««««««««««««««««««««««««««±

France

«±

¬

¬

Luxembourg

«­«±

¬

¬

Portugal

«° ²«««««°

¬

Estonia

«´«°

¬

Latvia

«°

¬

Denmark

«±

¬

Sweden

«­«««««««««««««««««±

¬

Netherlands

«°

¬

¬

Great Britain

«±

¬

¬

Belgium

«³

²«««««««««««««««««««°

Ireland

«­«««±

¬

Finland

«°

¬

Germany-West

«´«± ²«««««««««««««°

Austria

«° ¬ ¬

Greece

«± ²«°

Slovenia

«³ ¬

Italy

«³ ¬

Spain

«­«°

Germany-East

«³

Malta

«°

¬

7.4 Europäische Wirtschaftskulturen

165

Relativ klar zeichnet sich eine Zwei-Cluster-Lösung ab, aber auch eine Dreier- oder Vierer-Lösung scheint möglich. Schaut man sich die Subcluster genauer an, so ergibt sich ein größtenteils schon bekanntes Bild. Wie schon in den beiden Einzeldimensionen findet sich ein Cluster mit Dänemark, den Niederlanden und Schweden. Auch die relativ deutliche Trennung in alte Mitglieder und Beitrittsländer ist erkennbar. Einige Verschiebungen hat es aber gegeben. So sind Frankreich und Luxemburg mit Portugal zu den Beitrittsländern gewandert und bilden dort mit den beiden baltischen Staaten Estland und Lettland ein eigenes Subcluster. Auch hier sollen zusätzlich formale Kriterien herangezogen werden, um die optimale Clusterzahl zu bestimmen. Der Scree-Plot ergibt folgendes Bild: Abbildung 6:

Scree-Plot zur Bestimmung der idealen Clusteranzahl für die europäischen Wirtschaftskulturen

6

5

4

3

Wert LEVEL

2

1

0 10.00

9.00

8.00

7.00

6.00

5.00

4.00

3.00

2.00

1.00

NCLUSTER Ziemlich deutlich zeigt sich ein Knick bei der Zweiteilung der Länder. Doch auch bei der Drei-Cluster-Lösung ist ein Knick zu erkennen, etwas weniger deutlich auch bei der Vierer-Lösung. Bestätigt wird dieser optische Eindruck durch die Mojena-

166

7. Integration der Ergebnisse

Statistik. Der Grenzwert von Mojena wird erst bei der Zwei-Cluster-Lösung überschritten. Allerdings zeigt sich schon bei der Drei-Cluster-Lösung eine deutliche Zunahme der standardisierten Fehlerquadratsumme. Tabelle 6: Bestimmung der optimalen Clusterzahl (Mojena) Anzahl der Cluster

Teststatistik nach Mojena

Anzahl der Cluster

Teststatistik nach Mojena

10

-0,25

5

-0,07

9

-0,23

4

0,04

8

-0,21

3

0,41

7

-0,15

2

1,47

6

-0,13

1

4,54

(Angegeben sind nur die letzten zehn Agglomerationsschritte.)

Berücksichtigt man die geringe Fallzahl und die inhaltliche Plausibilität, so scheint die Annahme der Drei-Cluster-Lösung als optimal wiederum durchaus angebracht. 7.4.2 Stabilitätsprüfung Bevor diese drei Cluster genauer beschrieben werden, ist aber auch hier wieder eine Prüfung notwendig, wie stabil das Ergebnis gegenüber Methoden- und Datentransformationen ist. Die Übereinstimmung mit dem Complete-Verfahren fällt wiederum sehr gut aus. Einziger Unterschied zur Ward-Lösung ist, dass das nordwesteuropäische Cluster als erstes ausgegliedert wird. Die Einteilung der Länder bleibt aber bei der Dreierlösung zu 100% erhalten. Berechnet man die Abstände über die einfache statt der quadierten euklidischen Distanz, so ergibt sich ebenfalls eine hundertprozentige Übereinstimmung. Zieht man zum Vergleich noch das nicht-hierarchische Verfahren K-Means hinzu, so ergibt sich ein leicht anderes Bild. Insgesamt drei Länder verändern ihre Clusterzugehörigkeit. Finnland wandert zum skandinavischen Cluster, Frankreich und Luxemburg fallen in die Gruppe der südwesteuropäischen Länder. Sowohl theoretische Gründe (die flexiblere Zuordnung der Länder beim partitionierenden Verfahren) als auch inhaltliche Gründe (größere Plausibilität der Ländergruppen) sprechen dafür, das Ergebnis des K-Means-Verfahrens zu bevorzugen, auch wenn die beiden anderen Verfahren zu einer etwas anderen Einteilung kommen.

7.4 Europäische Wirtschaftskulturen

167

Die Ergebnisse sind formal getestet noch einmal in der folgenden Tabelle zusammengefasst. Tabelle 7: Stabilitätstest der Clusterlösung (Rand-Indizes) WARD

COMPLETE

WARD

-

COMPLETE

1

-

0,85

0,85

K-MEANS

K-MEANS

-

Der zweite Schritt der Stabilitätsprüfung besteht in der Veränderung der Datenstruktur. Auch hier zeigt sich eine gute Stabilität der Lösung, wenn man einzelne Variablen aus der Clusteranalyse ausschließt. Einzig der Ausschluss eines Leistungsindikators, dem Erziehungsziel, führt zu einer gewissen Veränderung in der Zuordnung der Länder.230 Oben wurde jeweils neben Veränderungen an den Variablen auch noch ein Test durch Ausschluss eines „Ausreißers“ durchgeführt. Allerdings kann in diesem Fall von Single-Linkage kein Ausreißer identifiziert werden. Das zuletzt hinzugezogene, d.h. fernste Subcluster, umfasst bereits zwei Länder (Schweden und die Niederlande), die zudem nicht besonders weit von den restlichen Clustern entfernt liegen. Insofern erübrigt sich der entsprechende Test hier. Insgesamt lässt sich festhalten, dass sich auch für die Wirtschaftskulturen als Ganzes eine inhaltlich sinnvolle und statistisch relativ stabile Aufteilung ergibt. Sowohl die formalen Tests als auch inhaltliche Plausibilitäten legen folgende DreiCluster-Lösung nahe:231

230

Dies überrascht insofern etwas, als sein Ausschluss bei der Dimension „Individuelle Handlungsorientierungen“, wo er aufgrund der geringeren Anzahl eingehender Variablen einen potentiell größeren Einfluss hat, keine größeren Verschiebungen zur Folge hatte. Auch hier finden sich die Ergebnisse wieder auf der Homepage http://www.hof.uni-halle.de/index,www,1,id,5,person,29.html. 231 Die Namen ergeben sich aus der inhaltlichen Ausrichtung der Cluster, wie sie in den nächsten Abschnitten (insbesondere Kapitel 8) noch genauer erläutert wird.

168

7. Integration der Ergebnisse

Tabelle 8: Cluster „Europäische Wirtschaftskulturen“ Cluster

Name

Enthaltene Länder

1

Gering leistungs- und öffnungsorientierte Länder

Belgien, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, Österreich, Ostdeutschland, Slowenien, Spanien und Westdeutschland

2

Öffnungsorientierte Länder

Dänemark, Finnland, die Niederlande und Schweden

3

Leistungsorientierte Länder

Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Tschechische Republik, Türkei und Ungarn

Es lassen sich also in der erweiterten Europäischen Union drei distinkte Wirtschaftskulturen identifizieren. Sieht man sich die geographische Verteilung der Länder innerhalb der Cluster an, so fällt sofort die räumliche Konzentration derselben auf. Das erste Cluster umfasst dabei praktisch alle süd- und westeuropäischen EU-Mitglieder, es fehlt als einziges Land Portugal. In einem zweiten Cluster finden sich die skandinavischen Länder Dänemark, Finnland und Schweden, ergänzt um die Niederlande. Das letzte Cluster bilden praktisch alle Beitrittsländer, mit der interessanten Ergänzung Portugal. Lediglich Malta und Slowenien fehlen hier und werden dem ersten Cluster zugeordnet. 7.5 Regionale Differenzen? Die bisher dargestellten Analysen haben sich auf die einzelnen Länder als Untersuchungseinheiten gestützt. Nun hat Heidenreich aber für Europa gravierende regionale Unterschiede in den Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Arbeitsmarktstrukturen nachgewiesen, die sich evtl. auch in den Werten und Einstellungen niederschlagen (Heidenreich 2003). Gerhards geht davon aus, dass „die Identifikation von Menschen mit territorialen und/oder sozialen Einheiten (...) dazu [führt, M.H.], daß sich die Menschen den Normen der Gemeinschaft, mit der sie sich identifizieren, verpflichtet fühlen“ (2000b: 115). Große ökonomische Differenzen innerhalb der Länder können zu regionalen Identifikationsprozessen führen (ebd.: 133 f.), wo-

7.5 Regionale Differenzen?

169

durch regional geprägte Wirtschaftskulturen entstehen könnten. Auch die national ausgerichtete Wirtschaftskulturforschung geht von Differenzen zwischen den Regionen aus (z.B. Stemmermann 1996; Grünewald 1994). Und in der komparativen Forschung wird immer wieder darauf hingewiesen, dass man nicht ohne weiteres davon ausgehen kann, dass Kulturen länderbasiert sind (vgl. auch oben, Kap. 3.2.2). Auch die EU hat mittlerweile die Regionen als Wirtschaftseinheiten entdeckt (Cooke et al. 1997). Deshalb analysieren etwa Beugelsdijk et al. den Einfluss von Einstellungen auf das Wirtschaftswachstum auf der Regionenebene (Beugelsdijk und Schaik 2003; Beugelsdijk und Noorderhaven 2003; Beugelsdijk und Smulders 2003). Auf der anderen Seite gibt es gute Gründe davon auszugehen, dass Kulturen immer noch stark national geprägt sind. So argumentiert Gellner, dass das im Zuge der Industrialisierung veränderte Wesen der Arbeit und die immer geringere Kontextgebundenheit der Kommunikation in der Moderne eine homogene Kultur verlangt. Voraussetzung für die Entstehung einer solchen homogenen Kultur ist der Nationalstaat, vor allem über sein einheitliches Bildungssystem (Gellner 1992). Auch verschiedene andere Autoren haben analysiert, wie die Kultur des Zentrums die Peripherie im Zuge der Nationalstaatsbildung langsam aber sicher dominiert hat. Während Gellner den Nationalstaat als Mittel sieht, um eine kulturelle Homogenisierung zu erreichen, ist bei Münch die Kultur das Mittel, um den Nationalstaat zu stabilisieren. Er geht davon aus, dass es im Zuge der Staatenbildung einen starken Druck in Richtung auf eine Homogenisierung der Kultur gab, indem „die Kultur des Zentrums zur systemweit herrschenden Kultur wird“ (Münch 1993; vgl. auch Weber 1997a).232 Es wäre also sinnvoll zu überprüfen, inwieweit die gefundene Einteilung der Länder in distinkte Wirtschaftskulturen auch auf der regionalen Ebene gilt, oder ob es sich lediglich um ein Artefakt durch die Aggregation auf Länderebene handelt. Glücklicherweise enthält die European Values Study auch Angaben zur Region, in der die Interviews durchgeführt wurden.233 Dies ermöglicht die Überprüfung der Frage, inwieweit sich innerhalb der Länder regionale Unterschiede beobachten lassen. Dazu wurden alle oben aufgeführten Indikatoren zusätzlich auf der Regionenebene aggregiert. Insgesamt gibt es 323 Regionen. Die Anzahl der Regionen pro Land ist dabei sehr unterschiedlich. Einige Länder (z.B. Portugal oder Estland) haben 5 Regionen, Rumänien hat dagegen 40 Regionen. Entsprechend sind auch die 232

Im Rahmen der Globalisierungsdebatte wird daran anknüpfend allerdings diskutiert, ob die Hybridisierung von Kultur nicht zum Verschwinden der Nationalstaaten führen wird (Beck 1998b; Featherstone 1995; Hall 1992). 233 Methodisch ist darauf hinzuweisen, dass dies nicht unbedingt immer bedeutet, dass die Befragten auch aus der Region kommen bzw. schon seit längerem dort wohnen. Es ist aber plausibel anzunehmen, dass sich die Mobilität in Grenzen hält. Wanderungen über Ländergrenzen hinweg dürften sogar die Länderdifferenzen reduzieren, Wanderungen innerhalb eines Landes aber die nationale Homogenität stärken.

170

7. Integration der Ergebnisse

Fallzahlen innerhalb der Regionen sehr unterschiedlich und liegen z.T. unter zehn. Immerhin knapp 42% haben unter 50 Befragte. Irland und Griechenland besitzen keine Einteilung in Regionen und werden deshalb nicht berücksichtigt. Auf der Grundlage der Regionenmittel wurde eine Clusteranalyse mit dem oben bereits dargestellten K-Means-Verfahren gerechnet.234 Die Mittelwerte wurden anhand der oben gefundenen Clusterergebnisse vorgegeben. Um die Regionen den oben gefundenen Clustern zuzuordnen, wurden die Clusterzentren dabei stabil gehalten, d.h. es wurden nicht wie oben gleitende Mittelwerte verwendet. Die Analyse ergibt folgendes Bild: Tabelle 9: Einteilung der Regionen in die Wirtschaftskulturen Länderbasierte Cluster Öffnungsorientierte Länder 1

Leistungsorientierte Länder 3

Gesamt

1

Gering leistungsund öffnungsorientierte Länder 113

2

3

50

-

53

3

2

-

151

153

Gesamt

118

51

154

323

Regionenbezogene Cluster

117

Das Ergebnis überrascht in seiner Eindeutigkeit: 97% der Regionen werden in dasselbe Cluster eingeordnet, in welchem auch das entsprechende Land liegt. Für alle Länder gilt gleichzeitig, dass eine absolute Mehrheit ihrer Regionen in das eigene Cluster fällt. Insgesamt werden nur neun Regionen falsch zugeordnet.235 Schaut man sich genauer an, welche Regionen dies sind, so lassen sich in vielen Fällen plausible Erklärungen bzw. Muster finden. Häufig werden die Regionen dem räumlich nächstgelegenen Cluster zugeordnet. Es fallen „Scotland“ (Großbritannien, 84 Befragte), „Brandenburg“ (Deutschland-Ost, 170 Befragte) und „SchleswigHolstein“ (Deutschland-West, 23 Befragte) zu den skandinavischen Ländern in das nordwesteuropäische Cluster, in Portugal fällt die „Algarve“ (40 Befragte) zu den südwesteuropäischen EU-15-Mitgliedern und in Italien das „Aosta-Tal“ (10 Befragte) zu Osteuropa. In Rumänien fallen „Arad“ und „Covasna“ (25 bzw. 15 Befragte)

234

Aufgrund der hohen Fallzahl sind hierarchische Verfahren hier nicht angebracht. Auf der Homepage des Autors unter http://www.hof.uni-halle.de/index,www,1,id,5,person,29.html findet sich die genaue Einteilung der Regionen.

235

7.6 Beschreibung der Wirtschaftskulturen in Europa

171

zur Gruppe der südwesteuropäischen Länder, ebenso wie „Etelä-Savo“ (33 Befragte) in Finnland, in Slowenien fällt „spodnje posavska“ (44 Befragte) zu den Beitrittsländern. Schaut man sich die Einstellungen in den abweichenden Regionen an, so scheint es keine Variablen zu geben, die besonders stark für die Abweichungen verantwortlich sind. In den meisten Fällen werden die Regionen relativ homogen in das „neue“ Cluster eingeordnet. Ausnahmen sind „Covasna“ und „Brandenburg“. Letzteres wird vor allem aufgrund sehr hoher Werte beim Vertrauen und dem gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt dem skandinavischen Cluster zugeordnet. In den restlichen Variablen fällt es dagegen in dasselbe Cluster, in dem auch Ostdeutschland zu finden ist. In „Covasna“ ist das Muster noch ausgeprägter. In den meisten Variablen fällt die Region, und zwar zum Teil sehr deutlich, zusammen mit Rumänien in Cluster 3. In einer Fragen, und zwar bei der Marktoffenheit, fällt sie dagegen zu den skandinavischen Ländern. Aufgrund dieser großen Heterogenität landet „Covasna“ schließlich in der Einteilung bei dem „mittleren“ Cluster 1. Eine Erklärung für die Abweichungen einiger Regionen kann hier nicht geliefert werden. Vor allem aber überrascht die ausgesprochen hohe interne Homogenität der Länder. Eine tiefergehende Analyse wäre hier für die Zukunft sinnvoll. Es lässt sich also festhalten, dass erstens die Clusterlösung auf der Grundlage der einzelnen Länder stabil bleibt, wenn man auf die regionale Ebene wechselt. Zweitens zeigt dies, dass sich Kultur durchaus immer noch auf der nationalen Ebene verorten lässt. Drittens schließlich weist das Ergebnis darauf hin, dass sich gravierende wirtschaftsstrukturelle Differenzen nicht unbedingt in wirtschaftskulturellen Differenzen niederschlagen.236 Nachdem mehrere Tests die Stabilität der Einteilung bestätigt haben, können im nächsten Abschnitt nun die Wirtschaftskulturen noch einmal überblicksmäßig beschrieben werden. 7.6 Beschreibung der Wirtschaftskulturen in Europa In den vorangegangenen Abschnitten konnte gezeigt werden, dass sich in der erweiterten Europäischen Union drei distinkte Wirtschaftskulturen identifizieren lassen. Diese sollen im folgenden nun genauer beschrieben werden. Dabei wird sich zunächst wiederum an den beiden theoretisch vorgegebenen Dimensionen orientiert.

236

Die von Heidenreich stark gemachte Unterscheidung von Disparitäten und sozialen Ungleichheiten und die Betonung, dass letztere die politisch relevanteren seien (Heidenreich 2003: 4 f.), wird dadurch zumindest hinterfragt.

172

7. Integration der Ergebnisse

7.6.1 Einstellungen zur Wirtschaftsordnung Die drei Wirtschaftskulturen unterscheiden sich deutlich in ihren Einstellungen gegenüber der Offenheit der Märkte. Lediglich im zweiten Cluster findet man eine uneingeschränkte Befürwortung der Marktoffenheit. Schon deutlich geringer spricht sich Cluster 1 gegen eine Marktschließung aus. Dies gilt vor allem für ausländische Arbeitnehmer. Nochmals wesentlich stärkere Wünsche nach Marktbeschränkung finden sich in Cluster 3 mit den meisten osteuropäischen Beitrittsländern. Bei diesen kann man nicht mehr von einer Unterstützung der offenen Marktwirtschaft reden.237 Zwar finden sich in allen Clustern Mehrheiten, die sich für den freien Zugang von Frauen auf den Arbeitsmarkt aussprechen, doch Arbeitsmigranten werden von den Befragten der Cluster 1 und 3 sehr deutlich abgelehnt. Die Mittelwerte der Cluster finden sich in Tabelle 14:238 Tabelle 10: Wirtschaftskulturen „Marktoffenheit“ Cluster

Gering öffnungs& leistungsorientierte Länder Öffnungsorient. Länder Leistungsorient. Länder Eta²

“Jobs are scarce: Giving own nation priority”

“Jobs are scarce: Men have more right to a job than women”

% disagree

STDDEV

% disagree

STDDEV

23,8%

12,4

62,6%

9,3

56,2%

20,8

87,7%

4,6

15,1%

13,1

57,6%

12,7

0,505

0,501

Ziemlich genau die Hälfte der Differenzen zwischen den Ländermittelwerten wird allein über die Zugehörigkeit zu einem der drei Cluster „erklärt“. Bei der ersten Frage ergibt sich ein sehr gutes Eta² von 0,505, bei der zweiten Frage ein ähnlich gutes mit 0,501. 237

Die Clusterdifferenzen sind hier und in allen restlichen Fällen, wenn es nicht explizit anders erwähnt wird, auf dem 5%-Niveau, die meisten sogar auf dem 1%-Niveau signifikant. 238 Mittelwerte der Cluster wurden aus den Ländermittelwerten berechnet und sind daher gleich gewichtet. Wird von Anteilen der Befragten gesprochen, die sich zustimmend oder ablehnend äußern, bezieht sich dies allein auf diese Ländermittelwerte, nicht auf die absoluten Ausgangszahlen in der European Values Study oder gar die Bevölkerungszahl.

7.6 Beschreibung der Wirtschaftskulturen in Europa

173

Die Wettbewerbsorientierung ist der zweite zu analysierende Bereich. Hier zeigt sich ein fast entgegengesetztes Bild. Während das dritte Cluster oben eine EUferne Position innehatte, weist es bei der Wettbewerbsorientierung eine größere Nähe zur EU auf als die beiden anderen Cluster. Tabelle 11: Wirtschaftskulturen „Wettbewerb“ Cluster

Gering öffnungs& leistungsorientierte Länder Öffnungsorient. Länder Leistungsorient. Länder Eta²

“Competition: Harmful or good?”

“Quicker secretary earns more money: Fair”

MEAN

STDDEV

% fair

STDDEV

7,02

,54

79,5%

8,1

6,89

,51

77,5%

3,1

7,31

,49

85,9%

5,9

,098

,223

Die zweitstärkste Wettbewerbsorientierung findet sich bei Cluster 1, gefolgt von den skandinavischen Ländern und den Niederlanden in Cluster 2. Festzuhalten bleibt allerdings für alle Cluster, dass sie sich mehrheitlich für den Wettbewerb aussprechen und die Unterschiede generell nicht sehr groß sind.239 Die weniger starke Betonung des Wettbewerbs durch die Cluster 1 und 2 könnte man daher auch als durchaus übereinstimmend mit dem „instrumentellen Begriff“ des Wettbewerbs, wie er in der EU vorherrscht, ansehen (vgl. Kap. 4.3.1). Die geringen Clusterunterschiede zeigen sich auch an den im Vergleich doch eher geringen Eta²Werten. Lediglich zehn respektive 22% der Länderunterschiede werden über die Cluster aufgefangen. Der letzte Aspekt der Dimension ist die Rolle des Staates. Die beiden Indikatoren zeigen dabei ein einheitliches Bild für die jeweiligen Cluster. Die skandinavischen Länder und die Niederlande sprechen sich in beiden Fragen deutlich für eine passive Rolle des Staates aus. Sie sind der Meinung, dass sowohl eher das Individuum für seine Versorgung zuständig ist, als auch der Staat die Freiheit der Märkte respektieren soll.

239

Die Clusterunterschiede sind daher hier auch nur im Falle des zweiten Items auf dem 5%-Niveau signifikant.

174

7. Integration der Ergebnisse

Tabelle 12: Wirtschaftskulturen „Rolle des Staates“ Cluster

Gering öffnungs& leistungsorientierte Länder Öffnungsorient. Länder Leistungsorient. Länder Eta²

Sozialpolitischer Aspekt: “Responsible for providing: State or individual”

Ordnungspolitischer Aspekt: “State control firms or give more freedom”

MEAN

STDDEV

MEAN

STDDEV

6,04

,81

5,82

,61

6,53

,20

6,40

,64

5,43

,66

4,79

,86

,255

,436

Auch bei Cluster 1 findet sich im Durchschnitt eine knappe Mehrheit für weniger staatliche Kontrolle der Wirtschaft und für die Selbstverantwortung der Individuen. Anders sieht es bei Cluster 3 aus. Dieses Ländergruppe setzt in beiden Aspekten auf den Staat. Erstens wird, wenn auch sehr knapp, beim sozialpolitischen Aspekt die Verantwortung eher beim Staat gesehen. Zweitens, und dies recht deutlich, wird auch die staatliche Kontrolle der Wirtschaft gefordert. Man kann daher festhalten, dass bei der Rolle des Staates wieder Cluster 2 am deutlichsten die EU-Position vertritt. Leichte Abstriche sind dagegen bei Mitgliedsländern des ersten Clusters zu machen. Die Bürger des dritten Clusters, welches die meisten Beitrittsländer enthält, teilen dagegen die Auffassungen der Europäischen Institutionen, wie die Rolle des Staates in der Wirtschaft ausgestaltet sein soll, nicht. Als Fazit für die gesamte Dimension der „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“ lässt sich feststellen, dass sich die drei Wirtschaftskulturen deutlich voneinander unterscheiden lassen.240 Die skandinavischen Länder und die Niederlande (Cluster 2) sind dabei der EU-Position, wie sie oben skizziert wurde, am nächsten.

240

Ein weiteres Gütekriterium für die Trennschärfe der Cluster ist die Frage, ob die interne Varianz nicht größer ist als die Gesamtvarianz. In 14 Fällen ist die Homogenität innerhalb der Cluster deutlich höher. Lediglich in vier Fällen liegt die Standardabweichung eines einzelnen Clusters über dem Gesamtwert: a. das nordwesteuropäische Cluster weist beim ersten Indikator für die Marktoffenheit aufgrund der geringen Fallzahl und einer Abweichung Finnlands einen erhöhten Wert auf und b. sind die südwesteuropäischen Länder etwas heterogener im Hinblick auf beide Wettbewerbsindikatoren sowie bei der Sozialpolitik (aufgrund einer Abweichung Sloweniens). Insgesamt bestätigt sich damit die Güte der Clustereinteilung von oben.

7.6 Beschreibung der Wirtschaftskulturen in Europa

175

Sie sprechen sich sowohl für die Marktoffenheit als auch für geringe staatliche Eingriffe in die Wirtschaft aus. Allerdings sehen sie den Wettbewerb deutlich skeptischer als die anderen beiden Cluster. Deutliche Abstriche an der EU-Position finden sich dagegen bei Cluster 1. Es zeigt zwar eine leicht höhere Wettbewerbsorientierung und vertritt eine gemäßigt liberale Position in Bezug auf die Rolle des Staates. Allerdings finden sich doch deutliche Defizite bei der Befürwortung der Marktoffenheit, insbesondere für Arbeitnehmer aus dem Ausland. Es kann also keine uneingeschränkte Unterstützung der EU-Positionen konstatiert werden. Noch ambivalenter fällt dieses Fazit für das dritte Cluster aus. Zwar ist es ausgesprochen wettbewerbsorientiert, doch sprechen sich die Bürger hier in einem noch stärkeren Ausmaß als bei Cluster 1 für eine Schließung der Arbeitsmärkte aus. Zusätzlich ist dieses Cluster das einzige, welches sowohl im sozialpolitischen als auch im ordnungspolitischen Aspekt auf einen starken Staat setzt. 7.6.2 Individuelle Handlungsorientierungen Wodurch zeichnen sich die drei Wirtschaftskulturen in der Dimension der „Individuellen Handlungsorientierungen“ aus? Finden sich hier ähnlich starke Unterschiede, die sich plausibel interpretieren lassen? Für den Bereich der „Leistungsorientierung“, der ersten Subdimension, lagen zwei Indikatoren vor. Die folgende Tabelle listet die Werte für die drei Cluster auf. Tabelle 13: Wirtschaftskulturen „Leistungsorientierung“ Cluster

Gering öffnungs& leistungsorientierte Länder Öffnungsorient. Länder Leistungsorient. Länder Eta²

“Work comes always first”

“Educational goal: Hard work”

MEAN

STDDEV

% mentioned

STDDEV

3,1

,31

31,4%

7,11

2,8

,33

7,5%

4,56

3,6

,32

79%

7,23

,467

,896

176

7. Integration der Ergebnisse

Die Leistungsorientierung in den drei Clustern ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Die geringste Leistungsorientierung findet man bei den skandinavischen Ländern und den Niederlanden im Cluster 2. Die vor allem osteuropäischen Mitgliedsländer des dritten Clusters zeigen dagegen die höchste Leistungsorientierung, während Cluster 1 ziemlich genau in der Mitte liegen. Besonders dramatisch ist der Unterschied bei dem zweiten Indikator. Hier reicht die Spanne von 79%, die das Ziel in Cluster 3 gewählt haben, bis zu lediglich 7,5% im zweiten Cluster. Die Länderdifferenzen lassen sich für den Bereich entsprechend gut durch die Cluster „erklären“. Fast die Hälfte der Unterschiede beim ersten Indikator, sogar fast 90% bei Indikator 2 gehen auf die Cluster zurück. Die individuelle Leistungsorientierung scheint also für die Trennung der Wirtschaftskulturen ein wichtiger Aspekt zu sein. Die Ergebnisse zeigen dasselbe Muster, welches bereits etwas weniger stark ausgeprägt bei der Wettbewerbsorientierung zu finden war. Dies ist kein Wunder, ist doch die persönliche Leistungsbereitschaft das individuelle Pendant zum Wettbewerb der Ökonomie. Die zweite Subdimension ist das Vertrauen. Wiederum zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Clustern. Das mit Abstand höchste Vertrauen in die Mitmenschen findet man in der Wirtschaftskultur des zweiten Clusters. Nur hier vertraut eine Mehrheit den anderen Menschen. Man kann daher von einem HighTrust-Cluster (Fukuyama 1995) sprechen. Tabelle 14: Wirtschaftskulturen „Vertrauen“ Cluster

Gering öffnungs& leistungsorientierte Länder Öffnungsorient. Länder Leistungsorient. Länder Eta²

Generalisiertes Vertrauen: “Most people can be trusted”

Vertrauen in Institutionen: Index

% agree

STDDEV

MEAN

STDDEV

29,7%

7,1

3,76

,35

62,6%

4,6

4,11

,29

18,5%

6,8

3,5

,33

,835

,288

7.6 Beschreibung der Wirtschaftskulturen in Europa

177

Die anderen beiden Ländergruppen sind dagegen eher misstrauisch. Dies gilt insbesondere für das dritte Cluster. Ähnlich ist das Bild bei dem Vertrauen in die Institutionen, wenn auch die Unterschiede hier nicht so ausgeprägt sind. Es gibt hier nicht eine so große Trennungslinie, die Clusterabstände verteilen sich sehr viel gleichmäßiger. Auch in diesem Bereich geht ein Großteil der Länderunterschiede auf die Cluster zurück. Vor allem das generalisierte Vertrauen zeigt deutliche Differenzen zwischen den Wirtschaftskulturen im erweiterten Europa. Über 80% der Varianz kann durch die Kenntnis des entsprechenden Clusters vorhergesagt werden. Man kann also auch für die Dimension „Individuelle Handlungsorientierungen“ festhalten, dass sich die einzelnen Wirtschaftskulturen deutlich voneinander unterscheiden.241 Die „positiven“, wirtschaftsunterstützenden Werte und Einstellungen sind wiederum nicht in einem einzigen Cluster konzentriert. Während Cluster 3 mit Abstand, gefolgt von Cluster 1, am leistungsorientiertesten ist, zeichnet sich vor allem das zweite Cluster durch ein hohes Vertrauen aus. 7.6.3 Zusammenfassung Anhand der bisherigen Befunde, ergänzt um einige Wirtschaftsdaten, lassen sich die drei Wirtschaftskulturen zusammenfassend beschreiben.242 Cluster 1: Gering öffnungs- und leistungsorientierte Länder Dieses Cluster enthält praktisch alle süd- und westeuropäischen Alt-Mitglieder der Europäischen Union. Von den Unterzeichnern der Römischen Verträge fehlen lediglich die Niederlande. Einige dieser Staaten, Frankreich und das vereinte Deutschland, teilweise auch Italien, aufgrund ihres Gewichts, Luxemburg und Belgien wegen ihres starken Engagements, werden häufig als Kern der EU und als prädestiniert für das mit dem Amsterdamer Vertrag neu eingeführte Instrument der „verstärkten Zusammenarbeit“ (Läufer 1999: 14) gesehen.243 Hinzu kommen die beiden angelsächsischen Länder Großbritannien und Irland, außerdem Österreich

241

Hier ist in allen zwölf Fällen der Gesamtwert der Varianz höher als die Werte der Cluster. Sie sind also intern ausgesprochen homogen (vgl. auch Fußnote 240). 242 Die Angaben beziehen sich, soweit nicht explizit anders angegeben, auf das Jahr 1999. Die Angaben für die einzelnen Länder finden sich im Anhang in Tabelle 2, wo auch die Daten und Quellen genauer erläutert sind. 243 Ähnliches findet sich in der Idee der konzentrischen Kreise, wobei ebenfalls diese Länder in einem der innersten Kreise angesiedelt werden.

178

7. Integration der Ergebnisse

und die südeuropäischen Staaten Griechenland und Spanien. Auch zwei der Beitrittsländer finden sich hier: Malta und Slowenien. Was die harten wirtschaftlichen Fakten angeht, nimmt dieses Cluster eine Mittelstellung ein.244 Der Arbeitslosenanteil lag im Jahr 1999 bei durchschnittlich etwa 8,8%. Die Inflationsrate (2,2%) liegt knapp über dem Wert des zweiten Clusters, das Bruttoinlandsprodukt (21.233 €) dagegen leicht darunter. Bei praktisch allen Ländern handelt es sich um moderne Dienstleistungsgesellschaften mit einem Anteil des tertiären Sektors von ca. 2/3, sowohl was den Anteil am BIP als auch was den Anteil der Erwerbstätigen angeht. Ausnahme ist Slowenien, wo der Dienstleistungssektor nur gut die Hälfte ausmacht. Was die Wirtschaftskultur angeht, zeichnet sich das Cluster in beiden Dimensionen durch eine eher gemäßigte Position aus. Die Offenheit der Märkte wird zumindest nicht abgelehnt, die Wettbewerbsorientierung sogar unterstützt. Auch bei der Rolle des Staates wird eher auf die individuelle Verantwortung gesetzt, was die soziale Sicherung angeht. Darüber hinaus kennzeichnet das Cluster ein mittleres Vertrauen. Dies scheint sich auch in einer durchschnittlichen Korruptionsrate, gemessen über den Corruption Perception Index (CPI), niederzuschlagen (vgl. zum Zusammenhang von Vertrauen und Korruption Uslaner 2004).245 Das gleiche gilt für die Leistungs- und Wettbewerbsorientierung. Cluster 2: Die öffnungsorientierten Länder Dieses Cluster enthält neben den skandinavischen Länder auch die Niederlande und damit nur alte EU-Mitglieder. Nach den gefundenen Ergebnissen findet sich hier, allerdings mit Abstrichen, die EU-Position am deutlichsten. Nicht nur vertreten die Länder die Offenheit der Märkte mit Abstand am stärksten und sind für eine eher moderate Rolle des Staates in der Ökonomie, sondern sie zeichnen sich darüber hinaus auch durch ein hohes Vertrauen in die Mitmenschen aus. Dem entspricht auch der beste Wert beim Korruptionsindex (8,9). Die Abstriche beziehen sich auf eine Relativierung des Wettbewerbs und der Leistungsorientierung. Auch was die harten Wirtschaftsdaten angeht, steht das Cluster relativ gut da. Arbeitslosenquote (6,2%), Inflationsrate (1,5%) und Größe des Dienstleistungssektors (70%) sind noch etwas besser als bei Cluster 1. Eine Besonderheit fällt aber auf: 244

Die internen Unterschiede sind allerdings z.T. doch recht groß. So weist Luxemburg das mit Abstand höchste BIP (39400 €) aller Länder auf, Malta und Slowenien fallen dagegen in einigen Indikatoren gegen die anderen ab. 245 Dieser Index wird jedes Jahr von Transparency International erhoben, fasst verschiedene Datenquellen zusammen und versucht auf dieser Grundlage eine Einschätzung über die Verbreitung der Korruption in einer Vielzahl von Ländern weltweit. Er gibt das von Geschäftsleuten, Investmentanalysten und der allg. Öffentlichkeit eingeschätzte Ausmaß von Korruption auf einer Skala von 10 (korruptionsfrei) bis 0 (hochgradig korrupt) wieder (vgl. Lambsdorff 2000). Der Wert für das Cluster liegt bei 7,1.

7.6 Beschreibung der Wirtschaftskulturen in Europa

179

Das Cluster weist mit 54% eine deutlich höhere Staatsquote im Vergleich zu den anderen beiden Ländergruppen (45,8% bzw. 40%) auf. Diese geht aber vor allem auf die skandinavischen Länder zurück, während die Niederlande (46,9%) praktisch im Mittelfeld der Länder von Cluster 1 liegen. Cluster 3: Die leistungsorientierten Länder Die dritte Ländergruppe enthält praktisch alle Beitrittsländer (mit den Ausnahmen Slowenien und Malta). Ergänzt werden sie durch Portugal. Dieses Cluster ist im Hinblick auf eine EU-nahe Wirtschaftskultur zwiespältig. Auf der positiven Seite zeichnet es sich durch eine enorm hohe Wettbewerbsorientierung aus, der auf der individuellen Seite eine ebenso hohe Leistungsorientierung entspricht. Gleichzeitig scheinen aber noch bestimmte Einstellungen und Werte verbreitet zu sein, die sich u.a. evtl. auf die sozialistische Vergangenheit der Mehrheit der Länder zurückführen lässt. So wird relativ stark auf staatliche Eingriffe gesetzt, sowohl, was die individuelle Vorsorge, als auch was die Unternehmen betrifft. Darüber hinaus sind die Länder durch eine relativ starke Befürwortung einer Marktschließung gekennzeichnet. Hinzu kommt ein geringes Maß an Vertrauen und eine hohe Korruption (CPI von 4,3). Wirtschaftlich schlägt sich in diesen Ländern die besondere Transformationssituation nieder. Sie weisen den knapp höchsten Arbeitslosenanteil und die mit Abstand höchste Inflationsrate auf. Zwar findet sich 1999 auch noch die geringste Wachstumsrate, anscheinend ist aber für die meisten der Länder 2000 die Talsohle durchschritten, so dass sich in den Folgejahren ein deutlich überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum eingestellt hat. Der Dienstleistungssektor ist allerdings noch nicht voll entwickelt, obwohl auch hier fast alle Länder bereits mehr als die Hälfte ihrer Arbeitsplätze in dem Bereich haben und ca. 60 % des BIP erwirtschaften. Einzige Ausnahme ist dabei Rumänien. Auch beim BIP, welches durchschnittlich bei knapp unter 9 000 € liegt, bildet das Cluster ein deutliches Schlusslicht. Tabelle 15 fasst diese Beschreibungen nochmals übersichtlich zusammen.

180

7. Integration der Ergebnisse

Tabelle 15: Übersicht Wirtschaftskulturen Gering öffnungsund leistungsorientierte Länder Enthaltene Länder

Öffnungsorientierte Länder

Leistungsorientierte Länder

Belgien, Frankreich, Dänemark, Finnland, Griechenland, die Niederlande und Großbritannien, Schweden Irland, Italien, Luxemburg, Malta, Österreich, Ostdeutschland, Slowenien, Spanien und Westdeutschland

Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Tschechische Republik, Türkei und Ungarn

Offenheit der Märkte

0

+

-

Wettbewerb

+

+

++

+ 0

+ +

0 -

0

-

+

0

+ +

0

Rolle des Staates -

Sozialpolitik Ordnungspolitik

Leistungsorientierung Vertrauen -

generalisiert in Institutionen

Ein „+“ bedeutet eine hohe Übereinstimmung mit den EU-Positionen, ein „–“ das Gegenteil. Eine „0“ steht entsprechend für eine mittlere Position.

7.6 Beschreibung der Wirtschaftskulturen in Europa

181

Der theoretische Ausgangspunkt für die Analyse der Wirtschaftskulturen in Europa waren die Vorstellungen der Europäischen Union. Die gefundenen Cluster orientieren sich nicht direkt nach der Nähe bzw. Ferne zu diesem EU-Ideal, auch wenn der Vergleich mit den EU-Vorstellungen bei der Deskription der Cluster mehrmals erwähnt wurde. Daher soll im nächsten Kapitel für die Länder über ein weiteres Verfahren die Übereinstimmung mit der EU-Position genauer bestimmt werden. Die dabei verwendete Diskriminanzanalyse erlaubt darüber hinaus eine zusätzliche Validierung der Ergebnisse.

8. Übereinstimmung der Länder mit den EU-Positionen

„Für die Funktions-, Entwicklungs- und Erweiterungsfähigkeit des Binnenmarktes ist es unerläßlich, daß ein hinreichender Konsens über die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen besteht, unter denen die Wirtschaft der Europäischen Union auf dem Binnenmarkt operiert“ (Scherpenberg 1996: 345)

Neben der reinen Deskription der Länder und ihrer Zusammenfassung in homogene Wirtschaftskulturen ist ein wichtiges Ziel der vorliegenden Arbeit die Bestimmung des Ausmaßes, in dem die Wirtschaftsvorstellungen der Europäischen Union von den Bürgerinnen und Bürgern einer erweiterten Gemeinschaft unterstützt werden. Dazu werden im folgenden die Einzelergebnisse der verschiedenen Indikatoren einer Diskriminanzanalyse unterzogen. Gleichzeitig bietet dieses Verfahren eine zusätzliche Möglichkeit, die Plausibilität der gefundenen Wirtschaftskulturen zu überprüfen. Die Diskriminanzanalyse ist ein multivariates Verfahren zur Analyse von Gruppenunterschieden (vgl. Backhaus et al. 2003). Sie benötigt dafür die Vorgabe der Gruppen sowie die Festlegung der eingehenden Variablen. Auf dieser Grundlage werden in einem ersten Schritt bei N Gruppen maximal N-1 Funktionen so bestimmt, dass sie die Gruppen ideal voneinander trennen. Mittels dieser Funktionen und seinen Merkmalsausprägungen werden in einem zweiten Schritt für jeden Fall Funktionswerte errechnet. Anhand der Funktionswerte lässt sich nun eine Wahrscheinlichkeit angeben, mit der der Fall in die verschiedenen Gruppen eingeordnet wird. Als strukturenprüfendes Verfahren erlaubt die Diskriminanzanalyse also erstens, die Zugehörigkeit der Länder zu bestimmten Gruppen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorherzusagen und zweitens zu entscheiden, welche der herangezogenen Variablen bei dieser Klassifikation den größten Einfluss haben. Sie ergänzt damit in hervorragender Weise die strukturengenerierende Clusteranalyse des vorigen Abschnitts. Die erste Aufgabe besteht in der Bestimmung der Gruppen. Eine Möglichkeit ist, die drei Cluster als Gruppen einzusetzen. Verwendet man die oben analysierten Indikatoren als eingehende Variablen, so werden alle Länder richtig den Clustern zugeordnet.247 247

Dies weist auf die ausgesprochen gute Trennung der Cluster hin (vgl. Brosius und Brosius 1995: 774).

184

8. Übereinstimmung der Länder mit den EU-Positionen

Die folgende Analyse folgt allerdings einer etwas anderen Logik, weil nicht die Stabilität der Clusterlösung im Vordergrund steht. Da primär die Übereinstimmung der Länder mit dem EU-Ideal bestimmt werden soll, werden die Gruppen zunächst unabhängig von den Clustern über sogenannte Benchmark-Countries bestimmt.248 Bei diesen Benchmark-Countries handelt es sich um diejenigen Länder, die das EUIdeal in besonders guter Weise repräsentieren. In den deskriptiven Befunden hat sich allerdings keine Ländergruppe herausgeschält, welche durchgehend alle EUPositionen sehr gut vertritt und dementsprechend als Gruppe der „BenchmarkCountries“ dienen könnte. Statt dessen lassen sich zwei Ländergruppen erkennen, die unterschiedliche Aspekte der EU-Vorstellungen besonders stark unterstützen. Auf der einen Seite sind dies Schweden, Dänemark und die Niederlande.249 Sie nehmen in den Bereichen „Offenheit des Marktes“ und „Vertrauen“, die skandinavischen Länder zusätzlich auch in der Subdimension „Staatliche Kontrolle der Wirtschaft“ einen Platz in der Spitzengruppe ein.250 Die Bürger dieser Länder unterstützen die „Öffnungsphilosophie“ der EU: Offenheit der Märkte, Offenheit gegenüber den Mitbürgern (Vertrauen), liberale Bedingungen für unternehmerisches Handeln. Auf der anderen Seite sind dies die beiden Länder der zweiten Beitrittsrunde Bulgarien und Rumänien sowie die Tschechische Republik. Die von der EU propagierte Wettbewerbs- und Leistungsorientierung ist in diesen drei Ländern am stärksten ausgeprägt. „Offenheit“ und „Wettbewerb/Leistung“ liegen quer zu den beiden oben verwendeten Dimensionen „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“ und „Individuelle Handlungsorientierungen“.251 Dies stellt allerdings kein Problem dar. Bei den letzteren handelt es sich um theoretisch abgeleitete Dimensionen, die ein Analyseraster für Wirtschaftskulturen in Europa vorgegeben haben. Die beiden ersteren sind empirisch gefundene Zusammenhänge innerhalb dieser Wirtschaftskulturen.252 Die empirischen Zusammenhänge zeigen, dass die beiden theoretischen Dimensionen

248

Vgl. zu diesem Vorgehen Fuchs und Klingemann (2002) sowie Gerhards (2005). Diese drei Benchmark-Countries entspringen alle ein und demselben Cluster. Dies deutet darauf hin, dass sich die Trennung der Cluster entlang der beiden Aspekte vollzieht. Weiter unten wird darauf noch eingegangen. 250 Die Ergebnisse verändern sich praktisch nicht, wenn man die Niederlande aufgrund ihrer nur mittleren Position bei diesem Item herauslässt. 251 „Öffnungsaspekt“ und „Wettbewerb/Leistungsaspekt“ entsprechen den zwei ersten Faktoren, wenn man über alle Indikatoren eine Faktorenanalyse rechnet. Sie bilden somit den „empirischen Kern“ der Wirtschaftskulturen. Die Benchmark-Countries bilden diejenigen Länder, die die höchsten Werte bei diesen beiden Faktoren aufweisen. 252 Die empirische Analyse eines so unscharfen Begriffs wie „Wirtschaftskultur“ bedarf der theoretischen Steuerung, um fruchtbar zu sein. Erst sie ermöglicht eine vernünftige Operationalisierung des Konzepts. Insofern ist es sinnvoll, die theoretischen Dimensionen nicht an allein an den Ergebnissen der quantitativen Analysen zu orientieren, da dies die Gefahr einer unreflektierten Variablensoziologie birgt. Durch ein verändertes Ländersample könnten sich z.B. ganz andere empirische Dimensionen ergeben. 249

8. Übereinstimmung der Länder mit den EU-Positionen

185

miteinander verknüpft sind: Der Wettbewerbsorientierung auf der Ebene der „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“ entspricht eine Leistungsorientierung auf der individuellen Ebene, der Marktoffenheit und der passiven Rolle des Staates entspricht ein hohes Vertrauen. Dies passt sehr gut mit der gängigen Auffassung zusammen. So kann Vertrauen ein Substitut für formale institutionelle Regelungen, die häufig der Staat wahrnimmt, sein (z.B. Knack und Keefer 1997). Neben einer etwas geänderten Gruppenzusammensetzung ist die Verwendung der Individualdaten anstatt der bisher verwendeten aggregierten Ländermittelwerte eine weitere Veränderung im Vorgehen. Dies ermöglicht einen weiteren Test, ob es sich bei den gefundenen drei Kulturen um reine statistische Artefakte handelt. Da zwei Gruppen von Benchmark-Countries vorliegen, werden in der folgenden Analyse zwei Funktionen berechnet, die zwischen diesen Benchmark-Countries und den restlichen europäischen Staaten trennen. In der Analyse bilden also Schweden, Dänemark und die Niederlande die Benchmark-Gruppe 1, Bulgarien, Rumänien und die Tschechische Republik die Benchmark-Gruppe 2 und alle restlichen Länder Gruppe 3. An Variablen werden praktisch alle oben analysierten Fragen berücksichtigt:253 Für die Leistungsorientierung geht das Erziehungsziel „Hard Work“ in die Analyse ein, für das Vertrauen die Frage „Most people can be trusted“ und der Index für das Vertrauen in Institutionen. Für die Einstellungen zur Wirtschaftsordnung werden die beiden Items für den freien Wettbewerb („Competition: Good or harmful“, „Quicker secretary is paid more: Fair or unfair“), die Einstellungen zur Marktoffenheit („Jobs are scarce: Giving ...(nation) priority“, „Jobs are scarce: Giving men priority“) sowie die Einstellungen zur Rolle des Staates („Responsible for providing: State or individual“, „State control firms or give more freedom“) aufgenommen. Die folgende Tabelle fasst die wichtigsten Ergebnisse der Diskriminanzanalyse zusammen.

253 Der zweite Leistungsindikator („Work comes always first“) muss unberücksichtigt bleiben, da für Österreich mit seiner anderen Skala keine vergleichbaren Daten auf der Individualebene vorliegen.

186

8. Übereinstimmung der Länder mit den EU-Positionen

Tabelle 1: Ergebnisse der Diskriminanzanalyse EIGENVALUE KANONISCHE KORRELATION Wilks’ Lambda % der Varianz Offenheit der Märkte Jobs scarce: own nation priority Jobs scarce: men priority Wettbewerb Competition: Harmful or good Quicker secretary earns more: Fair Rolle des Staates Responsible for providing: State or individual State control firms or give more freedom Leistungsorientierung Educational goal: Hard work Vertrauen People can be trusted Confidence in institutions (Index) Gruppen-Mittelwerte Bench 1 (SW, DK, NL) Bench 2 (CZ, RO, BG) zu klassifizierende Gruppe

Funktion 1 a) ,342 ,505 ,716* 69%

Funktion 2 a) ,04 ,196 ,962* 31%

,759 ,356 ,132

,464 ,373

,293 ,219

,280

-,353

,630

,621 -,438

1,356 -,461 -,151

-,570 ,870 -,027

KLASSIFIZIERUNGSERGEBNISSE Gruppe (original) 1 Bench 1 (SW, DK, NL)

1 81,8% (1766)

2 4,3% (92)

2 Bench 2 (CZ, RO, BG)

5,3% (97)

76,4% (1404)

23,1% (3171)

39% (5348)

3 zu klassifizierende Gruppe

Gruppe (vorhergesagt) 3 13,9% (299) 18,3% (336) 37,9% (5204)

Korrekt klassifiziert 47,3% auf dem 1%-Niveau Ausgewiesen sind die gemeinsamen rotierten Korrelationen innerhalb der Gruppen zwischen Diskriminanzvariablen und standardisierten kanonischen Diskriminanzfunktionen. Werte unter 0,1 sind unterdrückt. * signifikant a)

8. Übereinstimmung der Länder mit den EU-Positionen

187

Im ersten Teil der Tabelle finden sich die Gütemaße für die Gesamtanalyse: Eigenvalue, Kanonische Korrelation und Wilks’ Lambda. Die Werte für die erste Funktion sind ziemlich gut. Da die erste Funktion so bestimmt wird, dass sie die Gruppen möglichst gut trennt, fallen die Werte für die zweite Funktion naturgemäß deutlich niedriger aus. Den unterschiedlich starken Beitrag zur Trennung der Gruppen erkennt man auch gut an der „erklärten Varianz“.254 Sie gibt an, wie hoch der Anteil der beiden Funktionen an der Erklärungskraft der gesamten Diskriminanzanalyse ist. Knapp 70% entfallen auf Funktion 1, lediglich ein knappes Drittel auf Funktion 2. Ein weiteres Gütemaß, der Prozentsatz der richtig zugeordneten Personen bei den Klassifikationsergebnissen am Ende der Tabelle, erscheint mit 47,3% zunächst relativ gering. Schaut man sich die Zahlen allerdings genauer an, dann sieht man, dass die beiden Benchmark-Gruppen ziemlich gut auf der Grundlage der beiden Diskriminanzfunktionen vorhergesagt werden können. Die Fehlklassifikationen finden sich vor allem bei Gruppe 3, also den restlichen Ländern. Dies ist aber von daher kein Problem, weil ja gerade beabsichtigt wird, Personen aus diesen Ländern den beiden Benchmark-Gruppen zuzuordnen, um so die Nähe zu den EU-Vorstellungen bestimmen zu können. Welche Dimensionen werden nun durch die beiden Diskriminanzfunktionen abgebildet, welche Aspekte trennen die drei Gruppen am stärksten? Das Bild ist eindeutig. Die erste Funktion bildet das EU-Ideal, wie es die erste BenchmarkGruppe darstellt, ab. Man kann diese Dimension als „Öffnungsdimension“ bezeichnen. Den größten Einfluss aller Variablen hat die Frage nach der Offenheit des Arbeitsmarktes für ausländische Arbeitnehmer. Dicht dahinter folgt das generalisierte Vertrauen. Die Offenheit des Arbeitsmarktes für Frauen sowie, in deutlich geringerem Maße, die passive Rolle des Staates, bestimmen ebenfalls diese Funktion. Die zweite Funktion, hier als „Leistungsdimension“ bezeichnet, wird dagegen vor allem von dem Erziehungsziel sowie den beiden Wettbewerbsfragen beeinflusst. Gleichzeitig spielt aber auch ein negatives Institutionenvertrauen eine gewisse Rolle. Diese Funktion trennt die zweite Benchmark-Gruppe von den anderen Gruppen. Erkennbar wird dies an den Gruppenmittelwerten der Diskriminanzfunktionen. Während Gruppe 3 bei beiden Funktionen relativ nahe an Null liegt, weisen Schweden, Dänemark und die Niederlande bei der ersten Funktion, Rumänien, Bulgarien und Tschechien bei der zweiten einen hohen Wert auf. Auffällig ist, das beide Benchmark-Gruppen bei der jeweils anderen Funktion einen negativen Wert aufweisen. Dies deutet darauf hin, dass sich die beiden Funktionen wenigstens teilweise widersprechen.255 254 Angegeben sind die Werte für die rotierte Lösung. Unrotiert entfallen auf die erste Funktion 89,5%, auf die zweite lediglich 10,5%. 255 Der Widerspruch liegt allerdings nicht im Wettbewerbsaspekt, sondern im Leistungsaspekt, wie sich an den Koeffizienten in Tabelle 20 zeigt (der Leistungsaspekt lädt negativ, einer der Wettbewerbsindikatoren dagegen positiv auf Funktion 1). Man könnte zudem vermuten, dass die negative Korrelation ein Artefakt

188

8. Übereinstimmung der Länder mit den EU-Positionen

Die Diskriminanzanalyse weist nun jedem Befragten zwei Werte für die beiden Funktionen zu. Diese Funktionswerte lassen sich interpretieren als der Grad der Übereinstimmung jedes Befragten mit den beiden Aspekten des EU-Ideals. Je höher die Funktionswerte, umso stärker unterstützt die Person die jeweilige Dimension. Außerdem ordnet die Diskriminanzfunktion auf der Grundlage dieser Werte jeden Befragten genau einer der drei Gruppen zu. Es lassen sich also zwei Aussagen auf Länderebene aggregieren. Die folgende Tabelle enthält Angaben darüber, wie viele Prozent der Befragten in jedem Land den jeweiligen Gruppen zugeordnet wurden.

der gemeinsamen Diskriminanzanalyse ist. Die zwei Funktionen einer gemeinsamen Diskriminanzanalyse können aber, wie an anderer Stelle gezeigt, durchaus auch positiv korrelieren (Gerhards 2005: 240 ff. und 257 f.).

8. Übereinstimmung der Länder mit den EU-Positionen

189

Tabelle 2: Anteile der Länder an den Gruppen der Diskriminanzanalyse

Sweden Denmark Netherlands Finland Belgium Luxembourg Bulgaria Lithuania Romania Poland Czech ReLatvia Slovakia Hungary Turkey Estonia Portugal Slovenia Austria Greece Malta Spain Ireland GerItaly Great Britain GerFrance Gesamt

Bench 1 (Sw, Dk, Nl)

Bench 2 (Ro, Bg, Cz)

zu klassifizierende Gruppe

89,3% 81,4% 75,7% 56,0% 38,9% 34,9% 2,2% 3,0% 7,0% 2,4% 6,4% 6,8% 5,3% 7,9% 11,7% 17,6% 17,9% 18,0% 34,3% 13,6% 9,2% 35,8% 33,7% 32,6% 30,4% 38,4% 38,4% 31,3% 28,4%

2,6% 2,3% 7,3% 8,4% 25,0% 33,2% 82,3% 80,6% 75,1% 73,1% 72,6% 71,0% 70,1% 59,9% 52,4% 50,1% 47,2% 28,5% 12,3% 33,9% 40,8% 17,1% 21,9% 24,2% 26,8% 19,3% 22,6% 32,9% 38,6%

8,1% 16,3% 17,0% 35,6% 36,1% 31,9% 15,5% 16,4% 17,9% 24,5% 20,9% 22,2% 24,7% 32,2% 35,9% 32,4% 35,0% 53,6% 53,3% 52,6% 49,9% 47,0% 44,4% 43,2% 42,8% 42,2% 39,0% 35,8% 33,0%

Die jeweils größten Anteile für die Länder sind fett gedruckt. Die Länder sind zunächst nach den Gruppen geordnet, anschließend nach der Größe ihrer Anteile.

Insgesamt haben sechs Länder ihren Schwerpunkt bei der Benchmark-Gruppe 1 („Öffnungsdimension“), elf bei der Benchmark-Gruppe 2 („Leistungsdimension“) und ebenfalls elf Länder bei Gruppe 3. Die Schwerpunkte in den beiden BenchmarkGruppen sind allerdings zum Großteil sehr viel deutlicher ausgeprägt. Dies gilt in besonderem Maße natürlich für die Benchmark-Countries selbst, in denen jeweils

190

8. Übereinstimmung der Länder mit den EU-Positionen

über dreiviertel der Befragten in der entsprechenden Gruppe liegen. Einzige Ausnahme ist hier die Tschechische Republik.256 Wie man recht gut sieht, ähnelt die Einteilung der Befragten anhand der Ergebnisse der Diskriminanzanalyse deutlich den drei Clustern. Die zu klassifizierende Gruppe wurde oben als „gering öffnungs- und leistungsorientiert“ beschrieben, Bench 1 entspricht den „öffnungsorientierten Ländern“ und Bench 2 den „leistungsorientierten Ländern“. Nur Belgien und Luxemburg wechseln mit ihren Schwerpunkten die Gruppe. Die skandinavischen Staaten werden also nunmehr durch alle drei BeNeLux-Staaten ergänzt. Allerdings sind Belgien und Luxemburg in der Gruppe deutlich geringer vertreten und zeigen mit ihren großen Anteilen auch an der Bench 2-Gruppe ein doch deutlich anderes Muster als die vier anderen Länder. Die Anteile in den anderen Gruppen sind auch bei anderen Ländern aufschlussreich. Nur bei den eher gering öffnungs- und leistungsorientierten Ländern (Cluster 1) finden sich relevante Anteile der Befragten, die der Bench 1-Gruppe zugeordnet werden. In Westdeutschland und Österreich, Großbritannien und Irland sowie Spanien sind dies immerhin über ein Drittel der Befragten. Deutlich weniger sind es dagegen bei den beiden Beitrittskandidaten in dieser Gruppe, Slowenien und Malta, aber auch in Griechenland. Bei der Bench 2-Gruppe zeigt sich vor allem bei Ungarn, der Türkei, Estland und Portugal ein leicht abweichendes Muster. Alle vier Länder haben relevante Anteile, die in die Gruppe 3 fallen. Besonders auffällig ist dies für das EU-Altmitglied Portugal, welches als einziges Land in der Bench 2-Gruppe keine absolute Mehrheit der Befragten in der Gruppe hat. Neben den Anteilen der Befragten in den drei Gruppen lassen sich auf der Länderebene aber auch die durchschnittlichen Funktionswerte über alle Befragten in den beiden Dimensionen aggregieren. Hohe Werte bedeuten dabei eine hohe Übereinstimmung mit der EU-Position in der jeweiligen Dimension, geringe Werte dagegen eine Ablehnung des EU-Ideals.257 Tabelle 22 weist die Mittelwerte für die Länder aus:

256 Bei der Auswahl der Benchmark-Countries wurden alle Variablen gleich berücksichtigt. Da sich das Item „Quicker secretary is paid more: Fair/unfair“, bei dem Tschechien den Spitzenplatz belegt, allerdings in der Diskriminanzanalyse als der am schwächsten trennende Indikator erwiesen hat, liegt Tschechien hier hinter Litauen und Polen. Beide schneiden zusätzlich bei dem nicht berücksichtigten „Work comes always first“ nicht sehr gut ab. Die Beibehaltung der Benchmark-Countries ist daher gerechtfertigt. 257 Die Werte der Diskriminanzfunktionen und der Koeffizienten sind allerdings nicht absolut zu interpretieren, sondern lediglich relativ, da sie nicht eindeutig bestimmt sind. Als Normierung hat man sich darauf geeinigt, dass die Diskriminanzfunktionen jeweils so bestimmt werden, dass sie einen Mittelwert von 0 und eine Innergruppen-Varianz aller Diskriminanzkoeffizienten von 1 aufweisen (Backhaus 2003: 176 f.). Praktisch bedeutet dies, dass negative Werte nicht unbedingt als Ablehnung, positive als Zustimmung zur EU-Position zu interpretieren sind, sondern nur als eine über- bzw. unterdurchschnittliche Unterstützung.

8. Übereinstimmung der Länder mit den EU-Positionen

191

Tabelle 3: Durchschnittliche Werte der Diskriminanzfunktionen für die Länder

Sweden Denmark Netherlands Finland Great Britain Belgium Germany_West Luxembourg Austria France Ireland Germany_East Estonia Spain Italy Slovenia Greece Portugal Czech Republic Romania Turkey Latvia Malta Bulgaria Lithuania Hungary Slovakia Poland

Funktion 1: „Öffnungsdimension“ 1,664 1,263 1,165 ,534 ,265 ,242 ,222 ,213 ,174 ,116 ,108 ,099 ,081 ,073 ,022 -,240 -,291 -,312 -,374 -,464 -,516 -,535 -,556 -,562 -,584 -,594 -,712 -,817

Funktion 2: „Leistungsdimension“ -,526 -,686 -,517 -,620 -,354 -,311 -,305 -,071 -,465 -,062 -,437 -,208 ,434 -,580 -,256 -,219 -,119 ,088 ,816 ,871 ,199 ,516 -,099 ,933 ,808 ,340 ,507 ,552

Die Länder sind nach den Werten in der ersten Dimension geordnet.

Die Reihenfolge der Länder in den beiden Dimensionen weicht etwas von der obigen Tabelle ab.258 Die Analyse der Funktionswerte ist dabei im Prinzip die genauere 258 Dies ist möglich, da die Befragten in diejenige Gruppe eingeordnet werden, für die sie die größte Wahrscheinlichkeit aufweisen. Diese Wahrscheinlichkeit berechnet sich zwar aus den Funktionswerten, aber nicht 1:1, und sie kann für alle Befragten unterschiedlich sein. So wird jemand mit den Wahrscheinlichkeiten für die Gruppen von 0,8:0,1:0,1 genauso in die erste Gruppe eingeordnet wie jemand mit den Wahrscheinlichkeiten 0,4:0,3:0,3.

192

8. Übereinstimmung der Länder mit den EU-Positionen

Angabe. Wie man sieht, ist der Range innerhalb der ersten Dimension etwas größer als in der zweiten und reicht von 1,7 (Schweden) bis –0,8 (Polen). Die BenchmarkCountries Schweden, Dänemark und Niederlande sind wiederum deutlich zu erkennen. Dies gilt hier auch für die Benchmark-Countries der 2. Dimension.259 Was kann man nun aus den Funktionswerten ablesen? Schweden, Dänemark und die Niederlande unterstützen nachdrücklich das EU-„Öffnungs“-Ideal. Auch die meisten anderen EU-Mitglieder sprechen sich überdurchschnittlich für die Marktoffenheit, Vertrauen und eine eher passive Rolle des Staates aus. Die beiden Ausnahmen sind Griechenland und Portugal. Auf der anderen Seite ist Estland das einzige Beitrittsland, welches die EU-Position in diesem Bereich ebenfalls vertritt. Dies ist insofern interessant, als Estland das einzige Land Osteuropas ist, welches vom Index of Economic Freedom der Heritage Foundation als freie Marktwirtschaft eingestuft wird (Heritage Foundation 2003; Pejovich 2003). Alle anderen Beitrittsländer weisen ansonsten eine unterdurchschnittliche Unterstützung für die Öffnungsdimension auf. Es scheint also durchaus einen Zusammenhang zwischen den eher weichen Einstellungen der Bürger und harten „Wirtschaftsdaten“ zu geben. Praktisch umgekehrt ist das Bild für die zweite, die „Leistungsdimension“. Wettbewerbs- und Leistungsdenken, wie es von der EU präferiert wird, wird in praktisch allen EU-Mitgliedsländern mehrheitlich abgelehnt. Einzige Ausnahme ist wiederum Portugal. Und praktisch alle Beitrittsländer, diesmal inklusive Estland, sprechen sich überdurchschnittlich dafür aus. Hier ist Malta die einzige Ausnahme. Es scheint so zu sein, dass die beiden Dimensionen in gewisser Weise, wenn nicht konträr, so doch wenigstens nicht affin sind. Eventuelle Folgen für die Wirtschaftspolitik der EU werden weiter unten noch zu diskutieren sein. Das Ziel der Diskriminanzanalyse war die Bestimmung der Nähe bzw. Ferne der Länder zur EU-Position. Das Ergebnis kann aber zusätzlich als Test für die oben gefundene Clusterlösung genutzt werden. In der folgenden Graphik bilden die beiden Diskriminanzfunktionen die Achsen, Funktion 1 die x-Achse und Funktion 2 die y-Achse. Darauf sind die Ländermittel, wie sie in Tabelle 22 ausgewiesen sind, abgetragen. Zusätzlich sind die Cluster, wie sie in Kapitel 7.4 bestimmt wurden, eingezeichnet.

259

Hier zeigt sich auch, dass die Auswahl Tschechiens als drittem Benchmark-Land gerechtfertigt ist.

8. Übereinstimmung der Länder mit den EU-Positionen Abbildung 1:

193

Grafische Darstellung der Ergebnisse der Diskriminanzanalyse

Einteilung der Länder anhand der Diskriminanzfunktionen 1,5

1

Bulgaria Romania Czech Republic

Leistungsdimension

Lithuania Poland 0,5

Latvia

Slovakia Hungary

0

CLUSTER 3

Estonia Turkey Portugal France

Luxembourg Germany-East Slovenia Italy Germany-West Belgium Great Britain Austria Spain CLUSTER 1 Finland

Malta

-0,5

Greece

Netherlands

CLUSTER 2

Sweden

Denmark

-1 -1

-0,5

0

0,5

1

1,5

2

Öffnungsdimension

Die oben gefundene Clusterlösung lässt sich deutlich im Output der Diskriminanzfunktionen wiederfinden. Sogar die Zwischenposition von Portugal wird deutlich. Beide Verfahren bestätigen sich also gegenseitig, und auch der Wechsel von den Ländermitteln zu den Individualdaten verändert die Ergebnisse nicht. Die Einteilung der europäischen Länder in drei distinkte Wirtschaftskulturen ist damit gut abgesichert.

9. Erklärung der Unterschiede

Das Hauptziel der vorliegenden Arbeit ist die Identifikation und Beschreibung der in der erweiterten EU existenten Wirtschaftskulturen. Im Anschluss an die in den vorangegangenen Kapiteln präsentierten Befunde stellt sich aber die Frage, wodurch sich die gefundenen Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Einstellungen zur Ökonomie in den Ländern erklären lassen. Die folgenden Abschnitte versuchen, diese Frage zu beantworten. Methodischer „state of the art” zur Behandlung solcher Fragen ist die Mehrebenenanalyse. Da sie aber bisher noch nicht zum gängigen Standardrepertoire gehört, wird der empirischen Analyse eine kurze Einführung in das Verfahren vorangestellt. In einem zweiten Schritt werden aus der aktuellen Forschungslage und anknüpfend an verschiedene Theorien Hypothesen zur Erklärung der Länderunterschiede in den Einstellungen abgeleitet (Kap. 9.2). Wirtschaftskultur kann in Erklärungsmodellen natürlich sowohl abhängige als auch erklärende Variable sein. In der Literatur gibt es einerseits ein mittlerweile sehr breites Feld an Forschungen, die sich der Erklärung von kulturellen Unterschieden widmen. Andererseits gibt es eine ganze Reihe an Autoren, die der Frage nachgehen, wie man den unterschiedlichen wirtschaftlichen Erfolg bestimmter Länder erklären kann. Die Schnittmenge, also die Erklärung wirtschaftlichen Erfolgs über kulturelle Unterschiede, genießt aber, wie bereits mehrfach erwähnt, erst in den letzten Jahren wieder eine verstärkte Aufmerksamkeit (z.B. Blümle et al. 2004; Dorner 2000; Harrison und Huntington 2000). Im Folgenden wird es allerdings nicht um den wirtschaftlichen Erfolg gehen. Wirtschaftskultur wird nicht als erklärende Variable eingesetzt, sondern die oben eingeführten Indikatoren für Wirtschaftskultur werden als abhängige Variablen betrachtet. Es geht also um Erklärungsansätze allein für die Wirtschaftskulturen.260 Die hierzu abgeleiteten Hypothesen werden in einem dritten Schritt anhand der vorliegenden Daten empirisch überprüft (Kap. 9.3) und die Ergebnisse interpretiert.

260

Inwieweit die hier analysierten Wirtschaftskulturen einen Einfluss auf die ökonomische Performanz der Länder haben, bleibt weiteren Studien vorbehalten (zum Einfluss der Kultur auf wirtschaftliches Wachstum z.B. Granato et al. 1996; Inglehart 1997: 216 ff.; Barro und McCleary 2003; Beugelsdijk et al. 2003; Casson und Godley 2000a; Dieckmann 1996; Fukuyama 1995; Kunz 2000; Landes 1999).

196

9. Erklärung der Unterschiede

9.1 Zum Verfahren der Mehrebenenanalyse Ziel dieses Kapitels ist die Überprüfung von Ansätzen zur Erklärung der unterschiedlichen Werteorientierungen der Bürgerinnen und Bürger zur Ökonomie. Diese Werteinstellungen wurden auf der individuellen Ebene gemessen und werden sicherlich durch individuelle Merkmale, z.B. die Bildung der Befragten, mit geprägt. Wie oben gezeigt wurde, finden sich Unterschiede aber nicht nur auf der individuellen Ebene. Auch zwischen den Mitgliedsländern und Beitrittskandidaten gibt es zum Teil deutliche Differenzen. Diese sind nicht allein auf unterschiedliche Länderaggregate der individuellen Merkmale, sondern vor allem auf länderspezifische Kontexte, etwa den Modernisierungsgrad, zurückzuführen.261 Welche individuellen Merkmale und länderspezifischen Kontexte dies genau sind, wird weiter unten genauer ausgeführt. Hier ist zunächst wichtig festzuhalten, dass wir es mit Einflussfaktoren und damit Varianz der Einstellungen auf zwei unterschiedlichen Ebenen zu tun haben. Der Einfluss erklärender Variablen auf eine abhängige Variable lässt sich auf der individuellen Ebene mit relativ einfachen Modellen, meist im Rahmen einer Ordinary-Least-Square-Regression, schätzen. Will man zusätzlich Kontextvariablen einer höhergelagerten Ebene, im vorliegenden Fall der Länderebene, berücksichtigen, so ist das beste Verfahren der Wahl die Mehrebenenanalyse (Schofer und Fourcade-Gourinchas 2001: 817).262 Es ist ausreichend, wenn sich die folgenden Ausführungen auf den Zwei-Ebenen-Fall beschränken, obwohl die Mehrebenenanalyse in der Lage ist, auch drei und mehr Ebenen zu analysieren. Die Ebene der Individuen wird als Level 1, die Länderebene als Level 2 bezeichnet. Die Standardannahme ist, dass sich die Messeinheiten einer Ebene jeweils einer Einheit der jeweils höheren Ebenen eindeutig zuordnen lassen. Snijders und Bosker sprechen daher auch von „clustered data“. Dies ist hier der Fall.263 Die Mehrebenenanalyse (MLA: Multi-Level-Analysis) bzw. das hierarchische lineare Modell ist im Prinzip eine Weiterentwicklung der klassischen OrdinaryLeast-Square-Regression. Der große Vorteil der MLA ist, dass sie die Berücksichtigung der Varianz auf zwei oder mehr Ebenen ermöglicht. Der beobachtete Wert 261

Oberwittler weist darauf hin, dass die Mehrebenenanalyse hilft, die drohende „in den empirischen Sozial- und Verhaltenswissenschaften weit verbreitete Tendenz zu individualistischen Fehlschlüssen zurückzudrängen und theoretisch angemessene Makro-Mikro-Verbindungen auch in empirische Erklärungsmodelle aufzunehmen“ (Oberwittler 2003: 12). 262 Die folgenden Ausführungen stützen sich vor allem auf Snijders und Bosker (1999), Snijders (2004) Raudenbush und Bryk (2002) sowie Rasbash (2000). Auf diese Autoren wird im folgenden nur dann noch einmal explizit verwiesen, wenn es sich um Zitate oder um Besonderheiten der jeweiligen Autoren handelt. Klein und Pötschke (2000) und Schmidberger (1997) sind verständliche Anwendungen mit kurzer methodischer Einführung. 263 Die Annahme einer eindeutigen Zuordnung kann aber gelockert werden (Snijders und Bosker 1999: 155 ff.).

9.1 Zum Verfahren der Mehrebenenanalyse

197

eines Befragten i in der Gruppe j (Yij) bei einem bestimmten Item setzt sich nach dieser Vorstellung zusammen aus dem Gesamtmittelwert der Stichprobe (Ƭ), der mittleren Gruppenabweichung für die spezielle Gruppe (Uj), sowie einer individuellen Abweichung innerhalb der Gruppe (Rij).264 Formal ergibt sich Yij = Ƭ + Uj + Rij Die Formel zeigt die große Nähe zur traditionellen Regression. Der einzige Unterschied ist hier die Zerlegung des dort vorhandenen Fehlerterms in mehrere Varianzanteile, für jede Ebene einen. Das entsprechende Modell wird in der MLA als „leeres Modell“ bezeichnet, da es noch keine Erklärungen zur Varianz auf den beiden Ebenen beinhaltet. Die Varianzzerlegung hat den großen Vorteil, dass sofort deutlich wird, welche Varianzanteile auf Gruppenunterschiede zurückzuführen sind (IntergruppenVarianz) und welche auf Unterschiede innerhalb der Gruppen (IntragruppenVarianz). Teilt man die Varianz zwischen den Level-2-Einheiten durch die Gesamtvarianz, so erhält man ein Maß für den Anteil der Gruppenunterschiede.265 Dieses Maß wird als Intraclass-Correlation-Coefficient (Ʊ) bezeichnet, da es gleichzeitig der durchschnittlichen Korrelation zweier Level-1-Einheiten aus derselben Gruppe entspricht. „Die Intraclass-Correlation kann als der durch Kontexteffekte maximal erklärbare Varianzanteil der abhängigen Variablen interpretiert werden“ (Klein und Pötschke 2000: 197). Je größer diese Korrelation ist, umso stärker gehen die Unterschiede zwischen den Befragten vermutlich auf Gruppeneffekte zurück. Was bedeutet nun die Varianz auf den verschiedenen Ebenen? Hat man nur eine Ebene, so wird man den Wert für jeden Befragten mit dem Mittelwert der Gesamtstichprobe prognostizieren. Die Varianz bedeutet die Abweichung der Befragten von diesem Mittelwert. Im 2-Ebenen-Fall haben wir aber als zusätzliche Information die Zugehörigkeit zu einer der Level-2-Einheiten. Entsprechend prognostiziert man den Wert für die Befragten nicht mit dem Mittelwert der Gesamtstichprobe, sondern mit dem Mittelwert der Gruppe, der sie angehören. Die Varianz auf Ebene 2 ist dann die Abweichung der Gruppenmittelwerte vom Gesamtmittelwert der Stichprobe, was sehr gut in der obigen Formel zum Ausdruck kommt. Diese Abweichung der Gruppenmittelwerte, und damit der Gruppen, lässt sich auf zwei Arten interpretieren. Im ersten Fall wird die Abweichung jeder Level-2Einheit als fester Wert interpretiert, der die ganz spezifischen Eigenheiten der Einheit repräsentiert. Ein Beispiel könnten z.B. Religionsgruppen sein. Dies lässt sich im Rahmen einer herkömmlichen Regressionsanalyse durch die Aufnahme entspre264

Dies ist der 2-Ebenen-Fall. Bei weiteren Ebenen ergibt sich für jede Ebene ein eigener Varianzanteil. Die unterste Ebene wird meist als Level 1 bezeichnet, die höhere Ebene der Aggregation entsprechend als Level 2 (und bei weiteren Ebenen dann Level 3 etc.). 265 Die beobachtete Varianz in der Stichprobe entspricht nicht der tatsächlichen Varianz innerhalb der Grundgesamtheit. Es sind daher einige Anpassungen notwendig (vgl.Snijders und Bosker 1999: 16 ff.).

198

9. Erklärung der Unterschiede

chender Dummies lösen (Kovarianz-Analyse). Darüber hinausgehende Varianz gibt es nicht und die Aufnahme von Variablen zur Erklärung der Gruppenunterschiede macht keinen Sinn. Im zweiten Fall werden die Level-2-Einheiten dagegen als „Zufallsstichprobe“ aus einer möglichen Grundgesamtheit an Einheiten interpretiert. Die Einheiten stehen nicht für sich selbst, sondern sind lediglich „Platzhalter“ für bestimmte Merkmalsbündel. Die vorhandene Varianz lässt sich dann in einem Mehrebenenmodell durch die Einbeziehung dieser Merkmale erklären. Man kann Länder und die in ihnen vorherrschende Kultur sowohl als einzigartige Einheiten als auch als mehr oder weniger zufällige Realisationen bestimmter Merkmalskombinationen interpretieren. Geht man davon aus, dass Kultur ein „Wesen“ hat, wird man sicherlich der ersten Interpretation zuneigen. Auch in der historischen Forschung und in Verbindung mit dem Begriff der „Pfadabhängigkeit“ wird häufig diese Sichtweise vertreten. In der Soziologie wird dagegen meist eine andere Perspektive vertreten: „Länder sind keine soziologisch relevanten Kategorien, sie müssen aufgelöst werden in soziale Bedingungsfaktoren, die ‚hinter’ den jeweiligen Ländern lagern“ (Gerhards 2005: 16). Die EU-Länder und Beitrittskandidaten werden im vorliegenden Fall also nicht als „Wesenheiten“ interpretiert, sondern sind „als Chiffre für unterschiedliche soziale Bedingungskonstellationen z[ u] begreifen, die in den jeweiligen Gesellschaften existent sind und die einen Einfluss auf die Wertevorstellungen haben können“ (Gerhards 2005: 16). Die Verwendung eines Mehrebenen-Ansatzes ist daher sinnvoll, da er es erlaubt, den Einfluss der Kontextvariablen explizit zu modellieren. Hierzu lässt sich das „leere Modell“ um Variablen ergänzen, die die vorhandene Varianz „erklären“, d.h. reduzieren, sollen. Da wir zwei Varianzanteile haben, ist klar, dass auch die erklärenden Variablen auf beiden Ebenen angesiedelt sein können. Damit können sowohl Individualmerkmale als auch Länderkontexte berücksichtigt werden.266 Dabei kann man zwei Modelle der MLA unterscheiden. Das erste wird als Random-Intercept-Model bezeichnet. Das zweite stellt eine Erweiterung davon dar und heißt Random-Slope-Model. Beim Random-Intercept-Model wird lediglich davon ausgegangen, dass die Mittelwerte der Gruppen variieren, beim RandomSlope-Model können zusätzlich die Effekte erklärender Variablen auf der Individualebene zwischen den Gruppen variieren.267 In der grafischen Darstellung (an die

266

Natürlich kann man die Kontexte auch in anderen Modellen berücksichtigen. In den meisten Studien werden sie einfach in eine klassische OLS-Regression mit aufgenommen oder man rechnet mit aggregierten Daten die Zusammenhänge auf der Makro-Ebene aus. Beides hat aber deutliche Nachteile und birgt gewisse Gefahren (Snijders und Bosker 1999: 13 ff.; Oberwittler 2003: 13; weitere Literaturangaben finden sich in Schmidberger 1997: 111). 267 Dies ist der Fall, wenn Cross-Level-Interaction-Effects vorliegen. Der Einfluss der Bildung auf der individuellen Ebene könnte z.B. abhängig vom Modernisierungsgrad der Gesellschaft variieren. Die Modellierung von random slopes verlangt allerdings, soll es nicht zu einem willkürlichen Modellfitting an

9.2 Welche Einflussfaktoren bestimmen die Einstellungen zur Ökonomie?

199

sich die Benennung anlehnt) entspricht dies im ersten Fall unterschiedlichen Achsenabschnitten für die Gruppen, im zweiten Fall unterschiedlichen Steigungen der Regressionsgeraden für die Gruppen (vgl. die Abbildungen 4.2 und 5.2 in Snijders und Bosker 1999). Die folgenden Analysen werden sich auf ein Random-Intercept-Model beschränken, da es in erster Linie um die Erklärung der in Kapitel 6 und 7 dargestellten Länderunterschiede geht. Das Random-Intercept-Model geht davon aus, dass die Erklärungen auf der Individualebene in allen Gruppen gleich sind, d.h. die Regressionskoeffizienten unterscheiden sich zwischen den Ländern nicht. Die Gruppenunterschiede liegen allein im Niveau der Ländermittelwerte. Wie oben beschrieben, kann man nun Kontextvariablen auf der Länderebene zur Erklärung dieser Mittelwertdifferenzen heranziehen. Durch die Einbeziehung von Variablen wie Modernisierungsgrad oder politischem Institutionengefüge lässt sich die Varianz zwischen den Gruppen erklären. Da wir die Varianz für die beiden Ebenen zerlegt haben, lässt sich ein entsprechendes R² für Level 1 und für Level 2 bestimmen (Snijders und Bosker 1999: Kap. 7). Zur Erklärung der Varianz auf Level 1 können ebenfalls Variablen herangezogen werden, die allerdings auf der individuellen Ebene gemessen sein müssen. Allerdings können auch Individualvariablen einen Effekt auf die Varianz zwischen den Gruppen haben und zwar dann, wenn die Individualmerkmale zwischen den Ländern ungleich verteilt sind. Unterscheiden sich die Länder z.B. deutlich nach dem durchschnittlichen Bildungsgrad ihrer Befragten und hängt die Bildung mit der abhängigen Variablen zusammen, so hat die Berücksichtigung der Bildung auf der Individualebene auch einen Einfluss auf die Länderunterschiede. Ob dies zu einer größeren oder kleineren Varianz zwischen den Ländern führt, hängt von der Richtung der Zusammenhänge ab. 9.2 Welche Einflussfaktoren bestimmen die Einstellungen zur Ökonomie? Es gibt eine Vielzahl an Erklärungsansätzen für die Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger im Bereich der Wirtschaft, ohne dass sich bisher ein einheitlicher Theorierahmen herausgebildet hätte. Allerdings scheint es eine Annäherung zweier, häufig als unvereinbar angesehener Paradigmen zu geben (Arts et al. 2003a: 192). So kombinieren immer mehr Autoren Ansätze der Modernisierungstheorie mit kulturalistischen Faktoren, um zu einer befriedigenden Erklärung zu kommen (vgl. z.B. Granato et al. 1996). Neben dem Modernisierungsgrad der Gesellschaften und den kulturellen Traditionen hat es sich aber als sinnvoll erwiesen, auch das politischinstitutionelle Umfeld der Befragten mit zu berücksichtigen (Gerhards 2005). Alle die Daten führen, sehr genaue theoretische Hypothesen. Diese liegen für den Bereich der ländervergleichenden Kulturforschung aber nur sehr begrenzt vor.

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9. Erklärung der Unterschiede

drei Faktorenbündel können dabei Einflüsse sowohl auf der Länderebene als auch auf der individuellen Ebene entfalten. Zusätzlich hängen die Werteinstellungen der Bürgerinnen und Bürger natürlich mit bestimmten individuellen Merkmalen zusammen. Auch diese werden mit in die Analyse aufgenommen. Im Folgenden sollen zunächst für alle vier Variablenbereiche spezifische Hypothesen über ihren Zusammenhang mit Wertorientierungen im Bereich der Ökonomie abgeleitet werden. 9.2.1 Modernisierungstheoretische Ansätze Schon bei Marx findet sich das Diktum, dass das Sein das Bewusstsein bestimmt, welches sich vor allem auf die Ökonomie bezieht. Marx ging davon aus, dass ein bestimmter wirtschaftlicher Entwicklungsstand zur Ausprägung einer ihm adäquaten Geisteshaltung führt (ähnlich Weber 1988: 37). Im Prinzip findet sich dieses Denken auch in der Modernisierungstheorie allgemein. „According to modernization theory culture shifts are primarily consequences of changing technological and economical conditions” (Arts et al. 2003a: 190). Relativ klar findet sich dieses Denken auch in den frühen Schriften von Inglehart (1971; 1979; 1989). Hier geht er davon aus, dass die sogenannten postmaterialistischen Einstellungen vor allem von solchen Leuten vertreten werden, die in ihrer Kindheit ökonomische und physische Sicherheit erlebt haben.268 Durch die Berücksichtigung eines größeren Ländersamples konnte Inglehart seine Annahmen in den neueren Schriften ergänzen. Danach zeigen sich zwei Stufen der Modernisierung, die von Inglehart als „Modernisierung“ und „Postmodernisierung“ bezeichnet werden (Inglehart 1997). Im Zuge der Modernisierung der Gesellschaften wird traditionelle Autorität durch rational-legale Autorität ersetzt. Diese erste Phase der Modernisierung zeichnet sich durch eine starke Orientierung an materiellen Zielen aus. Anreiz für das Handeln bietet eine ausgeprägte Leistungsorientierung, im ökonomischen Bereich kommt es zu Wirtschaftswachstum. Ein sehr ähnliches Phänomen beschreibt etwa McClelland mit seinen Studien (McClelland 1967). Er kann anhand empirischer Studien einerseits den Einfluss der Erziehung auf die Leistungsmotivation und andererseits den positiven Zusammenhang von Leistungsmotivation und Wirtschaftswachstum zeigen. „Countries which get ahead economically are those which are concerned with getting ahead and stress hard work as a means of doing so” (McClelland 1967: 191). Neben einer erhöhten Leistungsorientierung führt Modernisierung aber auch zu einer „other directedness“, die sich in höherem Vertrauen und der Betonung von Marktoffenheit niederschlägt (McClelland 1967: 192 ff.). 268

Für diese sehr einfache Annahme wurde er ausgiebig kritisiert (z.B. Thome 1985; Klages 1992; Lehner 1981) und hat sie in den neueren Schriften auch ergänzt.

9.2 Welche Einflussfaktoren bestimmen die Einstellungen zur Ökonomie?

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Die Postmodernisierung, die ab einem bestimmten Entwicklungsstand der Gesellschaften die Modernisierung ablöst, führt dagegen zu anderen Einstellungen der Menschen (z.B. Inglehart und Baker 2000: 21 ff.). Die rational-legale Autorität der Modernisierungsphase wird zunehmend hinterfragt. Statt materieller Werte herrschen sogenannte postmaterielle Werte vor.269 Ziel ist nicht mehr wirtschaftliche Prosperität, sondern eine sehr viel umfassendere Vorstellung von persönlichem Wohlbefinden, so etwa die Selbstentfaltung (vgl. die anschauliche Grafik in Inglehart 1997: 75). Zu einer ähnlichen Phaseneinteilung kommen auch andere Autoren. Daniel Bell bezeichnet die beiden Phasen etwa als Industrialisierung und Postindustrialisierung (Bell 1996; Bell 1976). Auch Bell geht davon aus, dass die Industrialisierung durch Leistungsorientierung, individuelle Verantwortung, Wettbewerbsorientierung und die Ablehnung von Fremd-/Staatseingriffen geprägt ist. Im Zuge der Postindustrialisierung werden diese Werthaltungen allerdings durch ein neues Wertesyndrom abgelöst, welches er als „Hedonismus“ bezeichnet (Bell 1976: 71 und 80).270 Burkhard Strümpel und Michael Peter schlagen für diese Auffassung den Begriff der Distanzierungsthesen vor. „Nach den Distanzierungsthesen stellt der Massenwohlstand, gekoppelt mit einem stark ausgebauten Sozialstaat, die Ziele, Werte und Tugenden der Industriegesellschaft in Frage. In dem Maße, wie sich die ‚Sachzwänge’ der Knappheitsgesellschaft lockern, wird diesen Werten der Respekt verweigert“ (Strümpel und Peter 1987: 417). Materialistische Einstellungen entstehen, so legen die Analysen von Inglehart und anderen nahe, beim Übergang von Agrar- zu Industriegesellschaften. Postmaterialistische Einstellungen entstehen mit dem Übergang zur Dienstleistungsgesellschaft (Inglehart und Baker 2000: 31; Inglehart 1997; Bell 1996). Alle hier analysierten Länder lassen sich hiernach mindestens als industrialisierte Gesellschaften beschreiben, einige Abstriche sind lediglich bei Bulgarien, Rumänien und der Türkei zu machen. Aber auch hier wird mittlerweile ein Großteil des Bruttosozialproduktes im sekundären Sektor erwirtschaftet.271 Die meisten der Länder sind, wie oben gezeigt, sogar als Dienstleistungsgesellschaften einzustufen. Insofern müssen sich die Hypothesen auf die zweite Stufe der Modernisierung beziehen. Als Hypothesen über den Einfluss der Modernisierung auf die wirtschaftskulturellen Einstellungen ergeben sich damit folgende Annahmen:

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Eine ausführliche Liste, was sich alles dahinter verbirgt, findet sich z.B. bei Oppolzer (1997: 101). Eher kritisch sieht diese Phaseneinteilung z.B. Wilensky (2003). 271 Während z.B. Österreich 1999 2,44%, Portugal 3,86% und Polen 3,98% des Bruttosozialproduktes in der Landwirtschaft erwirtschafteten, waren es in der Türkei, Bulgarien und Rumänien jeweils etwas über 15% (World Bank 2004). Die Anteile der arbeitenden Bevölkerung in der Landwirtschaft liegen sogar noch etwas höher (Gemeinschaften 2002, Anhang 7, siehe auch FN 55). 270

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9. Erklärung der Unterschiede -

H1: Je modernisierter ein Land ist, umso stärker sollte die Marktoffenheit von den Bürgern befürwortet werden. H2: Je modernisierter ein Land ist, umso geringer sollte der Wettbewerb betont werden H3: Je modernisierter ein Land ist, umso stärker sollte auf Eigenverantwortung und einen passiven Staat gesetzt werden H4: Je modernisierter ein Land ist, umso geringer sollten sich die Individuen für eine Leistungsorientierung aussprechen H5: Je modernisierter ein Land ist, umso höher sollte das generalisierte Vertrauen sein H6: Je modernisierter ein Land ist, umso geringer sollte das InstitutionenVertrauen sein

Die Einschätzung des Institutionen-Vertrauens ist etwas zwiespältig. Einerseits geht mit der Modernisierung ein Ausbau der staatlichen Institutionen einher, die auch immer zuverlässiger werden. Dies wird weiter unten im Zusammenhang mit dem institutionell-politischen Umfeld noch genauer ausgeführt. Andererseits, und darauf bezieht sich Hypothese 6, gehört zum postmaterialistischen Wertesyndrom auch eine gewisse Ablehnung externer Autoritäten, wie sie Institutionen darstellen. Postmaterialisten erweisen sich z.B. gegenüber staatlichen Einrichtungen als deutlich kritischer (Inglehart 1979). Es gibt zwei verschiedene Standardindikatoren, mit denen Modernisierung meistens gemessen wird. Der erste ist das Bruttosozialprodukt der Länder. Dieser Indikator beschränkt sich aber allein auf die im engsten Sinne ökonomische Dimension der Modernisierung, also den Ausbau der Wirtschaftskraft. Im allgemeinen wird unter Modernisierung aber ein Prozess verstanden, der auch weitergehende gesamtgesellschaftliche Wirkungen entfaltet. Gerade im Anschluss an Inglehart sollte daher ein breiterer Indikator verwendet werden.272 Einen solchen Indikator stellt der Human Development Index (HDI) dar. Dieser wird vom „United Nations Development Programme“ jährlich für fast alle Länder der Erde erhoben. In den HDI gehen mehrere Maßzahlen zur Bestimmung des Grads der Modernisierung ein: das reale Bruttosozialprodukt pro Einwohner, das Bildungsniveau und die durchschnittliche Lebenserwartung. Damit erfasst der HDI Modernisierung in einem weiteren Sinne.273 272

Inglehart erklärt die Entstehung postmaterialistischer Einstellungen mit einem Gefühl der Sicherheit in der Kindheit, welches sicherlich auch durch andere Faktoren beeinflusst wird. 273 Die Verwendung eines Indexes ist sinnvoll, da die Fallzahl mit 28 auf der Länderebene nicht sehr groß ist. Bei größeren Fallzahlen ließen sich die Effekte der drei eingehenden Ländermerkmale natürlich gesondert analysieren. Die Aufnahme des durchschnittlichen Bildungsniveaus in den Ländern, wie es in den HDI eingeht, macht aus methodischer und theoretischer Perspektive Sinn. In der Mehrebenenanalyse wird häufig der

erklärt werden soll. Tatsächlich wird in den letzten Jahren bei der An Wertunterschieden der modernisierungstheoretische Ansatz um kulturelle ergänzt. Inglehart und Baker gehen z.B. davon aus, dass Modernisierung z generellen Trend hin zu mehr Postmaterialismus in den Einstellunge gleichzeitig aber langfristige kulturell-religiöse Traditionslinien weiterhin e fluss haben. Diese Traditionslinien führen bei gleichem Modernisierungs weiterbestehenden Wertdifferenzen. „Economic development tends to p ties in a common direction, but rather than converging, they seem to mo allel trajectories shaped by their cultural heritages” (Inglehart und Baker 20 Die Messung bzw. Operationalisierung des kulturelles Erbes ist ganz einfach.274 Ein häufig gewählter Weg ist die Berücksichtigung der Prägung. Religion ist einer der wichtigsten Einflussfaktoren für Kultu Huntington z.B. seine Kulturkreise vor allem auf der Grundlage großer gemeinschaften ein.275 „Von allen objektiven Elementen, die eine Kultur ist jedoch das wichtigste für gewöhnlich die Religion“ (Huntington 1 Besondere der religiösen Einflüsse auf die Kultur ist dabei ihre Lan „Wenn jede Kategorie sozialer Tatsachen eine ihr spezifische Lebensdauer kann man davon ausgehen, daß religiös fundierte Gewohnheiten, Sitten bräuche am längsten überleben“ (Rémond 1998: 19). Die meisten Auto daher, trotz vorhandener Säkularisierungstendenzen, von einer weiterhin den Kulturbedeutsamkeit der Religion“ (Knoblauch 2002: 304) aus.276 I

aggregierte Mittelwert von Level-1-Variablen zur Erklärung von Level-2-Varianz herangez lässt sich untersuchen, ob eine Variable auf der Länderebene einen zusätzlichen, evtl. soga gen, Effekt hat als auf der individuellen Ebene. Theoretisch wird ein steigendes Bildungs ebenfalls als ein wichtiges Kennzeichen von Modernisierungsprozessen gesehen (s.u.). Wie Analysen zeigen wird, laufen Bildungs- und Modernisierungsindikatoren tatsächlich in dieselb 274 Wie oben beschrieben, besteht natürlich die Möglichkeit, Länderdummies in eine Regre nehmen, die quasi das spezifische kulturelle Erbe repräsentieren sollen. Damit verkommt K einer unbrauchbaren Residualkategorie. 275 Empirisch getestet wurde diese Einteilung z.B. von Diéz-Nicolás (2003) und Norris u (2002a; Inglehart und Norris 2003). Die Befunde zeigen Unterschiede, sind aber lange nicht wie die Aussagen von Huntington nahe legen. 276 Es gibt eine breite Diskussion möglicher religiöser Fundamente Europas: „Diese gemei hörigkeit zum Christentum ist ein Bestandteil der europäischen Identität. Auf ihr gründet d Unterschied Europas zu anderen Kontinenten“ (Rémond 1998: 33; ähnlich auch Brague 19 1995; Gebhardt 1996; Schilling 1999). Die Diskussion hat vor allem im Zusammenhan möglichen EU-Beitritt der Türkei an Schärfe gewonnen.

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9. Erklärung der Unterschiede

Zeit wird auch immer stärker der Einfluss auf Wirtschaftseinstellungen analysiert (Hull und Bold 1994: 462; Barro und McCleary 2003; Giuso et al. 2003). In den verschiedenen Religionen bzw. Konfessionen in Europa sind unterschiedliche Wirtschaftsvorstellungen verankert, die die Werteorientierungen ihrer Mitglieder beeinflussen (Wuthnow 1994; Nutzinger 2003). Max Weber (1988) hat in seinen religionssoziologischen Studien versucht herauszuarbeiten, dass der Geist des Kapitalismus protestantischen Ursprungs ist. „Als Folge dieser Glaubenslehre ergibt sich eine spezifische Einstellung zur Berufsarbeit der Gläubigen: eine hohe Priorität für die Berufsarbeit und berufliche Leistung, die aktive und dauerhafte Gestaltung der Welt durch die Berufsarbeit, eine systematische Selbstkontrolle der Lebensführung, innerweltliche Askese im Sinne des Konsumverzichts und der dauerhaften Reinvestition des erzielten Erfolgs“ (Gerhards 1996). Folgt man der Weberschen Argumentationslinie, dann kann man vermuten, dass die Protestanten im Vergleich zu anderen Konfessionen durch eine höhere Leistungsbereitschaft und Wettbewerbsorientierung, eine stärkere Präferenz für die Offenheit der Märkte und eine Ablehnung eines protektionistischen Staates gekennzeichnet sind.277 Weber grenzt in seinen Analysen die protestantische Ethik vor allem gegenüber der Wirtschaftsethik des Katholizismus ab, dem die spezifische religiös motivierte Berufsethik fehle. Leider fehlen bis heute ähnlich gute Analysen für die anderen in Europa vorherrschenden Konfessionen bzw. Religionen.278 Die Einflüsse des Islam auf die Wirtschaft und die Wirtschaftseinstellungen werden in der Literatur kontrovers diskutiert (Leipold 2003).279 Jörg Winterberg (1994) kommt zu dem Schluss, dass der Islam, zumindest was seine zentralen Texte anbelangt, durchaus mit der Wirtschaftsordnung der sozialen Marktwirtschaft verträglich ist, da ihm sowohl eine gewisse soziale Ausrichtung280 als auch eine Leistungsorientierung eigen sei: „Labour was defined as an obligation to all who are able to work“ (Wienen 1999: 41). Aufgrund des Zinsverbots wird die Erwerbstätigkeit 277

Eisenstadt (1970) weist den direkten Einflüssen des Protestantismus auf wirtschaftsbezogene Einstellungen eine eher untergeordnete Rolle bei der Entwicklung des modernen Kapitalismus zu. Für ihn war dagegen entscheidend, dass die religiösen Auffassungen des Protestantismus die Innovation neuer Werte, Handlungsformen und Institutionen in allen gesellschaftlichen Sphären legitimierten. Siehe auch Greenfeld (2001) und Delacroix und Nielsen (2001). 278 Die meisten neueren Studien zum Zusammenhang von Religion und Wirtschaft beschäftigen sich direkt mit dem Einfluss der Religion auf das Wirtschaftswachstum (z.B. Barro und McCleary 2003) und erwähnen dabei implizit oder explizit den Umweg über die Einstellungen, der hier explizit getestet wird. 279 Die meisten Autoren beschäftigen sich allerdings mit dem für uns eher nebensächlichen Zinsverbot, welches häufig als „Hauptstück einer islamischen Wirtschaft“ (Hildebrandt 1996: 12) angesehen wird (vgl. auch Wienen 1999). 280 Erwähnt wird als zentrales Gebot die Almosensteuer, der sogenannte zakat. „Diese Interpretation, daß die Armen ein Recht auf Unterstützung durch die Reichen haben, begründet nach Auffassung vieler islamischer Wirtschaftsideologen das Sozialstaatsprinzip in einer islamischen Gesellschaft, welches somit nicht nur moralisch-karitative Elemente enthalte, sondern auf eine rechtlich-verfasste Sozialpartnerschaft hinstrebe“ (Hildebrandt 1996: 10 f.).

9.2 Welche Einflussfaktoren bestimmen die Einstellungen zur Ökonomie?

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an die persönliche Leistung des Einzelnen gebunden, was als „Indiz für eine prinzipiell positive Einstellung zum Wettbewerb“ interpretiert werden kann (Winterberg 1994: 192 f. bzw. 205). Von dieser exegetischen Sichtweise unterscheiden sich Autoren, die eine morphologische Perspektive einnehmen.281 Diese sehen den Einfluss des Islam auf eine kapitalistische Wirtschaftgesinnung deutlich negativer. Schon Weber beschreibt den Islam als „gerade entgegengesetzt der puritanischen und jeder innerweltlich-asketischen Lebensmethodik“ (Weber 1985: 376). Und auch Leipold (2003) betont die negativen Folgen des Islam für die Wirtschaftsentwicklung, da dieser durch seinen Anspruch auf Regelung aller Lebensbereiche eine Rationalisierung der ökonomischen Sphäre nicht zulasse (vgl. auch Steuart 1998: 18 ff.). Die Empirie scheint diese zweite Position zu bestätigen: „We find that Christian religions are more positively associated with attitudes conducive to economic growth, while religious Muslims are the most anti-market” (Giuso et al. 2003: 228).282 Die wenigsten Aussagen findet man in der Literatur zum Einfluss des orthodoxen Christentums auf die Wirtschaftsvorstellungen.283 Jan Delhey beschreibt das orthodoxe Christentum „als kollektivistisch und staats- bzw. autoritätsunterordnend“ (Delhey 2001: 67 f.). Ähnlich sieht es Andreas Buss, der zusätzlich eine „absolute Ablehnung der Erfolgsethik“ konstatiert, da „nur das unbedingte ethische Gebot überhaupt als möglicher Leitstern positiven Handelns gelte“ (Buss 1989: 48). Vor allem die stark mystische Komponente des orthodoxen Glaubens führe zu einer Minimierung des Handelns (Buss 1989: 44; mit Bezug auf Weber 1988). Daher kommt Buss zu folgender Einschätzung: „Die aktiv handelnde, weltbeherrschende Persönlichkeit, jenes spezifisch abendländische Ideal der Lebensführung, das auch die abendländische Wirtschaftsethik mitbeeinflusst hat, ist der orthodoxen Religiosität nicht adäquat“ (Buss 1989: 95). Wie sich in der Literaturdurchsicht gezeigt hat, scheint es einen signifikanten Unterschied zwischen Protestanten auf der einen und den restlichen Konfessionen/ Religionen in Europa auf der anderen Seite zu geben. Zusammengefasst findet sich dies in der Einschätzung, dass es sich beim Katholizismus, der orthodoxen Kirche und beim Islam um hierarchische Religionen handelt (LaPorta et al. 1997: 336; Putnam et al. 1994; Leipold 2003; Steuart 1998), was sich z.B. in einem geringeren

281

Wie unterschiedlich die Ergebnisse bei der exegetischen Sichtweise sein können zeigt Nienhaus (1982). Generell ist Nienhaus skeptisch, ob man von einem, oft zitierten, islamischen Wirtschaftsstil sprechen kann (1996). 282 Barro und McCleary kommen in ihrer methodisch sehr anspruchsvollen Studie zu einem etwas anderen Ergebnis. Katholische Länder weisen zwar das höchste Wirtschaftswachstum auf, Protestanten aber ein deutlich geringeres. Zudem schneiden orthodox und hinduistisch geprägte Länder noch schlechter ab als islamische (Barro und McCleary 2003). 283 Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in der empirischen Forschung. Guiso et al. (2003) analysieren Katholiken, Protestanten, Juden, Moslems, Hinduisten und Buddhisten. Orthodoxe fallen hingegen unter die nicht weiter spezifizierte Kategorie „other affiliations“.

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9. Erklärung der Unterschiede

sozialen Kapital (Curtis et al. 2001: 795) und niedrigerem Vertrauen (LaPorta et al. 1997) im Vergleich zu den Protestanten niederschlägt. Neben der Zugehörigkeit zu einer spezifischen Religion/Konfession kann man aber auch davon ausgehen, dass generell die Integration in die Kirche einen Effekt auf wirtschaftsbezogene Einstellungen hat. Vor allem bilden Kirchen eine, wenn auch anonyme, Gemeinschaft mehr oder weniger Gleichgesinnter. Dieses Eingebundensein dürfte sich positiv auf das Vertrauen auswirken. Tatsächlich scheint die Mitgliedschaft in einer Religionsgruppe positive Effekte auf das soziale Kapital zu haben (Schofer und Fourcade-Gourinchas 2001: 818 f.).284 Die aus dem gesagten ableitbaren Hypothesen zum Einfluss der Religionen auf die Einstellungen zur Ökonomie lauten folgendermaßen: -

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H7: Orthodoxe und Muslime sprechen sich etwas weniger für die Marktoffenheit aus als Katholiken, Protestanten und Konfessionslose H8: Protestanten sprechen sich stärker, die Mitglieder der drei hierarchischen Religionen schwächer für den Wettbewerb aus als Konfessionslose H9: Die drei hierarchischen Religionen unterstützen einen paternalistischen bzw. interventionistischen Staat, während Protestanten ihn eher ablehnen. H10: Protestanten sind überdurchschnittlich, Orthodoxe und Muslime dagegen unterdurchschnittlich leistungsorientiert H11: Alle Religionsmitglieder weisen ein größeres Vertrauen, sowohl generalisiert als auch in Institutionen, auf. Besonders stark gilt dies für Protestanten

Als Indikator für die religiösen Einflüsse verwenden wir die Angaben zur Konfessionszugehörigkeit der Befragten. Referenzkategorie sind die Konfessionslosen. Die Integration in die Kirche wurde über die Häufigkeit des Gottesdienstbesuches operationalisiert (eine achtstufige Skala von „niemals“ bis „mehrmals in der Woche“). 9.2.3 Institutionelles-politisches Umfeld Neben dem reinen Modernisierungsgrad und der Kultur wird in den letzten Jahren verstärkt auch der politisch-institutionelle Rahmen der Volkswirtschaften in die Analysen zur Wirtschaft einbezogen. Wie oben bereits ausgeführt, wird dabei je nach thematischem Bereich z.B. von unterschiedlichen „Regimen“ (für Wohlfahrtsstaaten Esping-Andersen 1993) oder von „Varieties of Capitalism“ (Hall und Soski284

Die Ergebnisse sind allerdings nicht eindeutig (z.B. LaPorta et al. 1997).

9.2 Welche Einflussfaktoren bestimmen die Einstellungen zur Ökonomie?

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ce 2001b) gesprochen. Annahme ist, dass für die Ausgestaltung der Wirtschaft nicht alleine der Modernisierungsgrad von Bedeutung ist, sondern darüber hinaus auch die spezifischen nationalen institutionellen Regelungen einen zentralen Einfluss ausüben (Block 1994; Dobbin 2001). In den Wirtschaftswissenschaften hat sich dies in einer Renaissance (neo-)institutionalistischer Ansätze niedergeschlagen (Hodgson 1994). Der politisch-institutionelle Rahmen gestaltet natürlich einerseits und primär wirtschaftliche Handlungsoptionen und -restriktionen.285 Gleichzeitig lässt sich aber plausibel argumentieren, dass er auch auf die Werteorientierungen der jeweiligen Bevölkerungen einen Einfluss ausübt: „Values that influence people’s behaviors are (...) affected by the nature of the institutional environments within which they are socialized and in which they operate“ (Ben-Ner und Putterman 1998a: XVII). Dies lässt sich theoretisch sowohl über den staatlichen Anteil an der Erziehung und damit Sozialisation der Bürger als auch über eine Dissonanztheorie der Kognition bzw. Lerntheorien erklären (vgl. Ben-Ner und Putterman 1998b). Vor allem über die Schule, eine der zentralen Sozialisationsinstanzen, nimmt der Staat Einfluss auf die entstehenden Werte und Einstellungen der Menschen und formt darüber die Kultur mit (Gellner 1992; Schudson 1994: 27 ff.).286 Besonders evident war dies in den sozialistischen Gesellschaften, die explizit einen „neuen sozialistischen Menschen“ anstrebten.287 Ein zweiter Mechanismus ist aus der Sozialpsychologie bekannt (Festinger 1989). Es lässt sich zeigen, dass Handlungsorientierungen, deren Befolgung in der alltäglichen Erfahrung nicht möglich ist bzw. die dauerhaft wiederlegt werden, als unangenehm erfahren werden und deshalb häufig aufgegeben werden. Das politisch-institutionelle Umfeld gibt Handlungsoptionen vor. Passen die eigenen Handlungsorientierungen nicht zu dieser Struktur, so werden sie tendenziell angepasst, um die „kognitive Dissonanz“ aufzuheben.288 Welches sind nun die wichtigsten Aspekte des politisch-institutionellen Rahmens für die Wirtschaft? Natürlich ließen sich hier eine Vielzahl an Merkmalen anführen, zwei scheinen aber für die Differenzierung der Länder in Europa zentral. a) Sozialistisches Erbe: Vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis Anfang der 1990er war Europa durch die Trennung in zwei Gesellschaftsformationen gekennzeichnet (Juchler 1992). Während in den westeuropäischen Ländern Demokratien 285

Mark A. Dutz und Maria Vagliasindi können z.B. für die Transformationsländer zeigen, dass eine effektive Wettbewerbspolitik einen positiven Einfluss auf die Wirtschaft hat (Dutz und Vagliasindi 1999). 286 Entsprechend werden häufig Schulbücher und Lehrpläne als Quellen für die Analyse der nationalen Kultur herangezogen (z.B. Jobst 2004). 287 Inwieweit eine solche gezielte Beeinflussung allerdings erfolgreich gewesen ist, bleibt umstritten (z.B. Delhey 2001). 288 Dass eine solche Anpassung nicht unbedingt immer der Fall sein muss, zeigen Festinger und Carlsmith (1969).

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und Marktwirtschaften implementiert waren bzw. wurden, prägten meist Scheindemokratien und Planwirtschaften die osteuropäischen Länder. Den beiden Gesellschaftsformationen entsprachen auch fundamental unterschiedliche Wirtschaftsordnungen. Es ist davon auszugehen, dass dies die Einstellungen der Bürger zur Wirtschaft in entscheidender Weise mit beeinflusst hat. Zwar ist die Übernahme der marktwirtschaftlichen und demokratischen Institutionen in den Transformationsländern mittlerweile sehr weit fortgeschritten, da sich die Werteinstellungen aber nicht mit gleicher Geschwindigkeit anpassen, scheint es plausibel, auch heute noch einen Einfluss des sozialistischen Erbes zu vermuten: „Auch wenn die Eliten die ‚Rückkehr nach Europa’ als beste Option durchsetzten und die Bevölkerungen diese Option auch größtenteils akzeptierten, dürfte eine breite Mehrheit einige sozialistische Prinzipien – zumal nach den harten Einschnitten der ersten Reformjahre – nach wie vor hochhalten oder wiederentdecken. Prinzipien, die mit dem Aufbau einer kapitalistischen Marktwirtschaft in einem gewissen Spannungsverhältnis stehen“ (Delhey 2001: 65). In den sozialistischen Ländern war nicht der privatwirtschaftlich organisierte Markt, sondern der Staat die zentrale Institution. Daraus resultieren bestimmte Hypothesen für die Werteorientierungen der Bürger.289 Direkt lässt sich schließen, dass in den postsozialistischen Ländern ein starker Staat, sowohl im Bereich der Ordnungs- als auch der Sozialpolitik, eine stärkere Unterstützung finden dürfte (Delhey 2001). Da marktwirtschaftlicher Wettbewerb in Planwirtschaften kaum vorgesehen ist, wird er vermutlich stärker abgelehnt. Ähnliches gilt für die Marktoffenheit, die ebenfalls unter staatlicher Kontrolle stand. Allerdings gibt es hier eine Einschränkung. In den sozialistischen Ländern gehörte die gleichberechtigte Teilnahme der Frauen am Erwerbsleben zur offiziellen Doktrin. Insofern kann man erwarten, dass sich in postsozialistischen Ländern eine stärkere Unterstützung für die Offenheit des Arbeitsmarktes nach innen findet. Schwieriger sind Aussagen zur Leistungsorientierung und zum Vertrauen zu treffen. Für beides gilt, dass der Staat einen relativ großen Aufwand betrieb, um sowohl eine hohe Leistungsmotivation als auch ein großes Vertrauen zu installieren. So „übte der Staat dauernd Propaganda für mehr ‚Leistung’, d.h. Selbstaufopferung aus, die das Denken der Bevölkerung langfristig prägte“ (Meulemann 1999: 116; vgl. auch Meulemann 1996: 195 ff.). Eine solche Leistungsorientierung ist allerdings keine Besonderheit des Sozialismus, sondern herrscht auch in den Marktwirtschaf-

289

Die Hypothesen lassen sich in zwei Richtungen ableiten: Einerseits kann man sich auf die offizielle Doktrin stützen, andererseits kann man die realen Erfahrungen der Menschen zur Grundlage der Thesenbildung machen. Beides kann zu diametral entgegengesetzten Hypothesen führen. Die folgende empirische Prüfung geht den ersten Weg, analysiert also den Einfluss der sozialistischen Ideologie, da ein Großteil der Forschung einen solchen Zusammenhang unterstellt.

9.2 Welche Einflussfaktoren bestimmen die Einstellungen zur Ökonomie?

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ten vor.290 Zudem fehlten im Wirtschaftsleben natürlich die Möglichkeiten, eine persönliche Leistungsorientierung auch „gewinnbringend“ umzusetzen. Aus diesem Grund wird häufig sogar von einer geringeren Leistungsorientierung in postsozialistischen Ländern ausgegangen. Ähnlich ambivalent sind die Einschätzungen für das Vertrauen. Zwar war der Staat in den exsozialistischen Ländern bemüht, seine Bürger in verschiedene Großorganisationen wie Gewerkschaften u.ä. einzubinden und beschwor immer wieder die Völkerfreundschaft zumindest mit den „Bruderländern“. Insofern war die Ideologie durchaus auf gewisse vertrauensbildende Maßnahmen hin ausgerichtet. Gleichzeitig wurde aber die Bildung freier Assoziationen unterdrückt und durch die staatliche Überwachung generell ein Klima des Misstrauens geschaffen. Diese zweite Interpretation scheint auch die Forschung zum sozialen Kapital zu belegen (Howard 2002). Allerdings werden hier, wie erwähnt, die Hypothesen aus der Ideologie gewonnen. Es wird deshalb eine ähnlich hohe Leistungsorientierung und ein ähnlich hohes Vertrauen wie in den traditionell marktwirtschaftlich ausgerichteten Ländern prognostiziert. b) Staatliche Regulierung des Wirtschaftslebens: Während sich die These eines sozialistischen Erbes auf die Vergangenheit bezieht, gehen viele Autoren auch von einer Beeinflussung der Einstellungen durch die aktuelle Ausgestaltung des Verhältnisses von Wirtschaft und Staat aus. Größere Staatseingriffe führen meist dazu, dass der Wettbewerb reguliert wird und die Anreize für individuelle Leistungen, etwa aufgrund hoher Steuern, sinken. Gleichzeitig sorgt aber ein ausgebauter Wohlfahrtsstaat für eine gewisse Sicherheit. Alberto Alesina und George-Marios Angeletos (2003) können zeigen, dass der Grad der Staatseingriffe in die Wirtschaft mit bestimmten Wirtschaftseinstellungen korrespondiert.291 Man kann davon ausgehen, dass eine hohe Quote der staatlichen Eingriffe die Leistungs- und Wettbewerbsorientierung sowie die Befürwortung der Offenheit des Marktes sinken, dagegen das Vertrauen steigen lässt. Die Hypothesen zum Einfluss des politisch-institutionellen Umfeldes lauten folgendermaßen:292

290

Meulemann weist allerdings darauf hin, dass der Begriff „Leistung“ in Ost und West evtl. unterschiedlich konnotiert wird (Meulemann 1999). 291 Die Autoren gehen von einer wechselseitigen Beeinflussung von Struktur und Kultur aus. Hier wird lediglich die eine Richtung analysiert, nämlich der Einfluss der Struktur auf die Werteinstellungen der Bürger. 292 Der Zusammenhang von Werteorientierungen und aktuellen Institutionen ist, wie oben im theoretischen Rahmen ausgeführt, natürlich ein reziproker (vgl. auch Blekesaune und Quadagno 2003: 417). Dies lässt sich aber in einer Querschnittsanalyse, wie sie hier durchgeführt wird, praktisch nicht modellieren. Insofern handelt es sich bei der Berücksichtigung der politischen Regulierung des Wirtschaftslebens nicht um eine Erklärung im strengen Sinne, sondern eher um einen Zusammenhang. Die Koeffizienten

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-

H12a: Die Bürger der postsozialistischen Länder lehnen die Marktoffenheit nach außen stärker ab als die Bürger in Ländern ohne sozialistisches Erbe, gleichzeitig findet sich eine stärkere Unterstützung für die Gleichberechtigung von Mann und Frau. H12b: Je stärker der Staat in die Wirtschaft interveniert, umso geringer fällt die Unterstützung für die Marktoffenheit aus. H13a: In postsozialistischen Ländern wird der Wettbewerb stärker abgelehnt als in Ländern ohne sozialistisches Erbe H13b: Je stärker der Staat in die Ökonomie eingreift, umso geringer fällt die Unterstützung für den Wettbewerb aus. H14a: Eine starke Rolle des Staates wird besonders stark in postsozialistischen Ländern befürwortet H14b: Je intensiver ein Staat die Ökonomie lenkt, umso stärker sprechen sich auch seine Bürger für einen starken Staat aus H15a: Es gibt keine signifikanten Unterschiede zwischen postsozialistischen und traditionell marktwirtschaftlich orientierten Ländern in Bezug auf die Leistungsorientierung der Bürger H15b: Die Leistungsorientierung der Bürger hängt negativ mit der Stärke der Staatseingriffe in die Ökonomie zusammen H16a: In postsozialistischen Gesellschaften findet sich ein durchschnittliches Vertrauen. H16b: Je intensiver das staatliche Engagement in der Wirtschaft, umso größer ist das Vertrauen.

Gemessen wird der Einfluss einer sozialistischen Vergangenheit über eine Dummy-Variable (soz. Erbe: ja/nein). Diese Messung ist zugegebenermaßen relativ grob und unterschlägt gewisse graduelle Unterschiede in den Ideologien der verschiedenen exsozialistischen Ländern.293 Grundlegende Differenzen zwischen den beiden Gesellschaftsformationen dürften damit aber erfasst werden. Für die Messung des staatlichen Einflusses gibt es verschiedene Möglichkeiten. Ideal wäre es, für jeden Aspekt (Wohlfahrtsstaat, Staatsquote, Anteil staatlichen Eigentums etc.) einen eigenen Indikator zu verwenden. Aufgrund der geringen Fallzahl (28 Länder) ist dies allerdings nicht möglich. Der „Index Economic Freedom of the World“ des Fraser Institute (EFW) ist ein Index, der die wichtigsten dieser Aspekte in einer Maßzahl zusammenfasst. Er gibt an, inwieweit Ressourcen in den verschiedenen Ländern über individuelle Wahl und Märkte statt über politische Prozesse verteilt werden (Gwartney und Lawson 2003). Der Wert kann im dürften etwas überschätzt werden. Diese Einschränkung gilt allerdings kaum für den Bereich des sozialistischen Erbes, da dieser Einfluss in der Vergangenheit liegt. 293 In Ungarn war die Wirtschaft z.B. deutlich stärker privatisiert als in Ostdeutschland.

9.2 Welche Einflussfaktoren bestimmen die Einstellungen zur Ökonomie?

211

Prinzip zwischen 10 (absolute Freiheit) und 0 (komplette staatliche Regulierung) schwanken. 9.2.4 Individualmerkmale Der große Vorteil der Mehrebenenanalyse ist, dass sie die Berücksichtigung von Erklärungen auf verschiedenen Ebenen erlaubt. Zwar ist das primäre Ziel der folgenden Analysen die Erklärung der Unterschiede zwischen den Ländern. Entsprechend waren die bisher behandelten Erklärungen vor allem auf der Länderebene angesiedelt.294 Die Werteorientierungen werden darüber hinaus aber sicherlich auch durch individuelle Merkmale der Befragten beeinflusst. Auf der individuellen Ebene lässt sich natürlich eine fast unendliche Vielzahl an Thesen zum Zusammenhang bestimmter Merkmale mit den wirtschaftskulturellen Einstellungen formulieren. Im Folgenden wird sich daher allein auf die zentralen und in der empirischen Forschung immer wieder bestätigten Hypothesen beschränkt. Diese beziehen sich vor allem auf soziodemographische Merkmale und werden hier in erster Linie als Kontrollvariablen mit einbezogen. a) Bildung: Neben der gestiegenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wird im Rahmen der Modernisierungstheorien häufig ein zweiter Faktor als zentral herausgestellt. Ein enorm gestiegenes Bildungsniveau ist danach ebenfalls Kennzeichen modernisierter Gesellschaften und hat gleichzeitig einen deutlichen Einfluss auf die Wertorientierungen der Individuen. Das unterschiedliche Bildungsniveau der Länder geht in die Analysen durch die Berücksichtigung im HDI mit ein. Darüber hinaus gibt es aber sicherlich auch einen länderinternen Bildungseffekt. Eine höhere Bildung führt zu einer höheren kognitiven Mobilisierung (Inglehart 1997: 168 ff.). Es lässt sich vermuten, dass damit auch eine höhere Unterstützung für praktisch alle analysierten Bereiche einhergeht. Eine Ausnahme ist das Institutionenvertrauen. Inglehart kann zeigen, dass eine höhere Bildung mit einer kritischeren Haltung gegenüber den politischen Institutionen einhergeht (Inglehart 1979). Er führt dies auf eine geringere Akzeptanz von Autoritäten und ein gewachsenes Anspruchsniveau zurück. Die Messung der Bildungsabschlüsse im internationalen Vergleich ist keine ganz einfache Sache. In den folgenden Analysen wird eine 8-stufige Skala verwendet, die von „ohne Abschluss“ bis „Hochschulabschluss, Fachhochschulabschluss“

294

Ausnahme ist die Religionszugehörigkeit, die auf der individuellen Ebene gemessen wird, allerdings über die religiösen Traditionslinien auch als ein Länderkennzeichen interpretiert werden kann.

212

9. Erklärung der Unterschiede

reicht. Die Anpassung der nationalen Abschlüsse an die acht Kategorien wurde dabei von der EVS-Forschergruppe vorgenommen.295 b) Alter: Neben der Bildung hat sich in empirischen Studien immer wieder auch das Alter als zentraler Indikator für Werteorientierungen erwiesen. Zum Einfluss des Alters auf die Einstellungen zur Ökonomie lassen sich dabei zwei entgegengesetzte Hypothesen formulieren. Die erste folgt einer „Theorie der rationalen Wahl“ auch für Werte. Während eine hohe Bildung „Humankapital“ darstellt und die Wettbewerbsposition verbessert, gilt für ein höheres Alter eher das Gegenteil. Ältere Leute haben auf dem Arbeitsmarkt geringere Erfolgsaussichten. Folgen die Werte daher einem Nutzenkalkül, so sollte das Alter einen negativen Effekt auf die Subdimensionen Offenheit der Märkte, Wettbewerb und Leistungsorientierung haben, einen positiven auf eine aktive Rolle des Staates. Das Vertrauen dürfte ebenfalls negativ mit dem Alter korreliert sein, da sich alte Menschen generell unsicherer fühlen.296 Eine zweite Hypothese geht dagegen von einer kulturalistischen Perspektive aus. Sie geht davon aus, dass sich Einstellungen und Werte nicht primär an den aktuellen Gegebenheiten orientieren, sondern vor allem in einer formativen Phase am Lebensanfang und später nur über langfristigere Prozesse sozialisiert werden (Inglehart 1971; Mannheim 1964). Folgt man den oben gemachten Ausführungen zur Modernisierung, so sollte das Alter die Leistungsorientierung und die Wettbewerbsorientierung positiv, die Einstellungen zur Offenheit der Märkte und zu einem passiven Staat sowie das Vertrauen hingegen negativ beeinflussen.297 c) Jobstatus: Neben Alter und Bildung wird auch für den beruflichen Status der Befragten kontrolliert. Der Arbeitsmarkt ist eine der zentralen Schnittstellen zwischen den Individuen und dem Wirtschaftssystem. Insofern dürfte die Stellung im Berufsleben auch einen Einfluss auf die Einschätzung der Ökonomie haben. Folgt man wiederum einer „Theorie der rationalen Wahl“, so kann man u.a. folgendes vermuten. Arbeitslose dürften sich besonders stark gegen offene Märkte, Wettbewerb und Leistungsorientierung aussprechen, zusammen mit Rentnern aber einen

295

Neben der Bildung spielt auch das Einkommen eine wichtige Rolle bei soziodemographischen Erklärungen. Leider liegen für Portugal keine vergleichbaren Daten im Einkommen vor. Da Caplan (2002: 452) im Hinblick auf Werteinstellungen zur Ökonomie zeigen kann, dass Einkommen praktisch alle Erklärungskraft verliert, wenn man die Bildung berücksichtigt, wird hier auf die Analyse von Einkommen verzichtet. 296 Dies lässt sich mit dem Konzept der Vulnerabilität bzw. mit ihrer geringeren Copingfähigkeit erklären (vgl. dazu Reuband 1992: 347 f.; Frevel 1999: 61). 297 Ein absolut linearer Effekt wäre allerdings nur dann zu erwarten, wenn es in allen analysierten Ländern eine lineare Modernisierung über die letzten gut 50 Jahre gegeben hätte (bzw. seit der formativen Phase der ältesten Befragten).

9.2 Welche Einflussfaktoren bestimmen die Einstellungen zur Ökonomie?

213

starken Staat im sozialpolitischen Bereich befürworten. Selbständige dürften andererseits für einen passiven Staat im ordnungspolitischen Aspekt sein. Auch hier ließe sich allerdings die Argumentation umdrehen, wenn man von einem sehr starken Effekt der wirtschaftskulturellen Orientierungen auf den individuellen ökonomischen Erfolg ausgeht. Dann könnte z.B. eine geringere Leistungsorientierung zur Arbeitslosigkeit geführt haben, eine hohe Wettbewerbsorientierung zur Selbständigkeit etc. Ein solcher Effekt wird teilweise auch behauptet und entspricht im Prinzip den in der vorliegenden Arbeit gemachten Prämissen.298 Schließlich gründen sich auf diese Argumentation die Ableitungen der Dimension „Individuelle Handlungsorientierungen“.299 Da aber beide Interpretationen in diesem Falle in dieselbe Richtung weisen, lässt sich in einer Querschnittsanalyse die Wirkungsrichtung nicht belegen. Der Jobstatus wurde mit Hilfe von acht Kategorien erfragt, die jeweils als Dummy-Variablen kodiert wurden300: „Vollzeit erwerbstätig“, „Teilzeit erwerbstätig“ „selbständig“, „Rentner, Ruhestand“, „Hausfrau, Hausmann ohne sonstige Beschäftigung“, „Schüler/Student“, „arbeitslos“ und „Anderes“. d) Soziales Kapital: In der Wirtschaftskulturforschung wird immer wieder vor allem ein Faktor hervorgehoben, der sich positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirkt: Das soziale Kapital. Dem wurde mit der Berücksichtigung der Vertrauenssubdimension als Teil der Wirtschaftskultur Rechnung getragen. Das Vertrauen bezieht sich auf die Werteorientierungen und ist als solches Teil der Kultur. Das soziale Kapital hat aber noch einen weiteren Aspekt, nämlich das Eingebundensein in Organisationen und Vereine (Putnam et al. 1994). Dieser Aspekt ist nicht auf der kulturellen Ebene, sondern auf der Handlungsebene angesiedelt. Gemessen wird dieser Aspekt meist über die Mitgliedschaft in Vereinen, Organisationen und Verbänden (Beugelsdijk und Schaik 2003; Beugelsdijk und Smulders 2003). Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass sich Vertrauen über die Mitgliedschaft bzw. Mitarbeit in „bridging organizations“ (Putnam et al. 1994) bildet. Ob das soziale Kapital auch mit den anderen Subdimensionen der Wirtschaftskultur zusammenhängt, bleibt empirisch zu prüfen.

298

Allerdings, darauf sei an dieser Stelle noch einmal hingewiesen, sind kulturelle Faktoren bei dieser Frage sicherlich nicht die wichtigsten. Strukturelle Rahmenbedingungen dürften bei der Arbeitslosigkeit einen deutlich größeren Einfluss haben. 299 Selbstverständlich ist auch eine reziproke Beeinflussung möglich. Der Autor geht allerdings nicht von einem sehr starken Effekt auf der individuellen Ebene aus. Doch auch bei einem schwachen Zusammenhang von Leistungsorientierung und individuellem ökonomischem Erfolg kann der Einfluss der Wirtschaftskultur im Aggregat groß sein. 300 Referenzkategorie sind die „Vollzeit Erwerbstätigen“.

214

9. Erklärung der Unterschiede

Das soziale Kapital wurde über die Anzahl der Mitgliedschaften in Organisationen gebildet.301 Die Befragten der EVS konnten aus einer Liste von 15 Vereinen, Verbänden und Organisationen diejenigen heraussuchen, in denen sie Mitglied sind.302 Daraus wurde ein einfacher Summenindex gebildet. Insgesamt lassen sich also für den Zusammenhang zwischen den Individualmerkmalen und den Einstellungen zur Ökonomie die folgenden Hypothesen formulieren: -

301

H17a: Höher Gebildete befürworten stärker die Marktoffenheit H17b: Je älter die Befragten, umso weniger unterstützen sie die Marktoffenheit H17c: Arbeitslose sprechen sich gegen die Marktoffenheit aus H18a: Höher Gebildete befürworten stärker den Wettbewerb H18b: Mit dem Alter nimmt auch die Ablehnung des Wettbewerbs zu H18c: Arbeitslose lehnen den Wettbewerb überdurchschnittlich ab H19a: Höher Gebildete befürworten stärker einen passiven Staat H19b: Die Unterstützung für einen aktiven Staat im sozialpolitischen Bereich nimmt im Alter zu H19c: Arbeitslose und Rentner sprechen sich ebenfalls für einen aktiven Staat im sozialpolitischen Bereich aus H19d: Selbständige lehnen einen aktiven Staat im ordnungspolitischen Bereich ab H20a: Höher Gebildete sind leistungsorientierter H20b: Je älter ein Befragter, umso geringer ist seine Leistungsorientierung H20c: Arbeitslose sind unterdurchschnittlich leistungsorientiert H20d: Selbständige sind überdurchschnittlich leistungsorientiert H21a: Mit der Bildung nimmt das Vertrauen in die Mitmenschen zu, das Vertrauen in Institutionen hingegen ab H21b: Ältere weisen ein unterdurchschnittliches Vertrauen auf H21c: Ein hohes soziales Kapital führt auch zu großem Vertrauen

Eine weitere Möglichkeit der Messung ist die Anzahl nicht aller, sondern nur der aktiven Mitgliedschaften. Häufig wird behauptet, dass erst die tatsächliche Mitarbeit zu gesteigertem Vertrauen führt. Leider fehlen für diese Variable aber Daten aus Großbritannien. Kontrollanalysen mit der aktiven Mitgliedschaft für die restlichen Länder zeigen aber keine großen Abweichungen. 302 Die aufgeführten Organisationen waren: „Soziale Hilfsdienste, religiöse/kirchliche Organisationen, kulturelle Vereinigungen, Gewerkschaften, Parteien oder politische Gruppen, Gemeindearbeit zu Armut etc., Dritte Welt- und Menschenrechtsgruppen, Ökologie- und Umweltgruppen, Berufsverbände, Jugendarbeit, Sportverbände, Frauengruppen, Friedensbewegung, Hilfsorganisationen im Gesundheitsbereich, Andere.“ Es bleibt allerdings unklar, ob ein Befragter innerhalb einer der Kategorien evtl. mehreren Gruppen angehört.

9.2 Welche Einflussfaktoren bestimmen die Einstellungen zur Ökonomie?

215

Die folgende Tabelle fasst die Hypothesen noch einmal in übersichtlicher Form zusammen: Tabelle 1: Übersicht über die Hypothesen Passive WettOffenheit Rolle des bewerbsder Märkte orientierung Staates Modernisierung (Post-) Industrialisierung Kultur Protestanten Katholiken Orthodoxe Muslime PolitischInstitutionelle Ordnung Sozialistisches Erbe Staatsintervention Individualmerkmale Bildung Alter Jobstatus Soziales Kapital

Leistungs- Vertrauen orientierung

+

-

+

-

+

0 0 -

+ -

+ -

+ -

+ + + +

-/+

-

-

0

0

-

-

-

-

+

+ (-)

+ (-)

+ -/+

+ -/+

+ /+

Ein „+ “ bedeutet einen positiven Zusammenhang, ein „-“ einen negativen, eine „0“ keinen eindeutigen Zusammenhang. Falls es für Teilaspekte widersprüchliche Hypothesen gibt, ist dies durch „-/+ “ gekennzeichnet. Gilt die Hypothese nur für Teilaspekte, ist das Zeichen in Klammern gesetzt.

216

9. Erklärung der Unterschiede

9.3 Empirische Prüfung der Hypothesen Die abgeleiteten Hypothesen lassen sich empirisch mit Hilfe der oben dargestellten Mehrebenenanalyse überprüfen.303 Die abhängigen Variablen sind die Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger zur Wirtschaftskultur in den dargestellten Subdimensionen. Die erklärenden Variablen kommen, wie geschildert, entweder ebenfalls aus der European Values Study oder, bei den Ländermerkmalen, aus anderen Datenquellen, die entsprechende Kennziffern für alle hier interessierenden Länder zur Verfügung stellen.304 Die Mehrebenenanalyse gibt neben den Angaben einer „normalen“ Regression einige zusätzliche Informationen aus. In den folgenden Tabellen finden sich erstens unter der Rubrik „Fixe Effekte“ die unstandardisierten Koeffizienten der unabhängigen Variablen. Sie entsprechen den Regressionskoeffizienten einer Standardregression. In Klammern sind die Standardfehler angegeben, an denen sich die Signifikanz ablesen lässt.305 Nicht signifikante Parameter sind kursiv gesetzt.306 Die Tabellen enthalten die gefitteten Modelle mit allen erklärenden Variablen, die sich in Einzelanalysen als (annähernd) signifikant herausgestellt haben.307 Die „Zufallseffekte“ geben die Verteilung der beobachteten nicht erklärten Varianz auf die beiden Ebenen an. Die erklärte Varianz wird relativ zum „leeren Modell“ ohne erklärende Variablen bestimmt und ist parallel zum R²zu interpretieren. Allerdings hat man es bei der MLA mit erklärter Varianz auf verschiedenen Ebenen zu tun. Entsprechend wird für jede Ebene ein eigenes R² angegeben, die Bestimmung eines Gesamt-R²ist nicht ganz einfach. In der ersten Spalte sind z.B. 47,7% der Varianz der Länderebene, aber nur 5,7% der Individualebene durch das 303

Es wurde eine lineare Regression mit einem „Iterative Generalized Least Squares“-Modell gerechnet. Dies ist die Standardvorgabe in MLWin. Verwendet wurde die Version MLWin1.1. Bei einigen der abhängigen Variablen wäre eine logistische Regression angebracht. Aufgrund bestimmter Vorteile der linearen Regression und wegen der besseren Vergleichbarkeit wird, wie sich dies auch in anderen Studien häufig findet, dennoch auf ein lineares Modell zurückgegriffen (vgl. Schmidberger 1997, vor allem FN 14; Klein und Pötschke 2000: 196; Oberwittler 2003). Die Ergebnisse für die logistischen Mehrebenenanalysen finden sich aber im Internet auf der Homepage des Autors unter http://www.hof.unihalle.de/index,www,1,id,5,person,29.html. 304 Im Anhang finden sich in Tabelle 3 die Angaben des Human Development Indexes, des Indexes „Economic Freedom of the World“ und zum sozialistischen Erbe für jedes Land. 305 Ludwig-Mayerhofer (2003: 149) zeigt mehrere Gründe auf, weshalb man statt der Angabe von Signifikanzniveaus besser Standardfehler ausweist. 306 Dabei wurde für die Ländervariablen aufgrund der geringen Fallzahl ein Signifikanzniveau von 0,1, für die Individualvariablen ein Signifikanzniveau von 0,05 angesetzt. Die Werte sich allerdings mit Vorsicht zu genießen, da die Länderauswahl nicht wirklich den Ansprüchen einer Zufallsstichprobe genügt (Ebbinghaus 2003: 4 ff.). 307 Auf die Angabe des „leeren Modells“, wie es üblich ist, wurde hier verzichtet. Im Anhang finden sich die Tabellen mit den „leeren Modellen“ (Tab. 4 und 5). Unter http://www.hof.uni-halle.de/ index,www,1,id,5,person,29.html finden sich im Internet Einzelanalysen für die verschiedenen Variablenkomplexe.

9.3 Empirische Prüfung der Hypothesen

217

Modell erklärt. Der Intraclass-Correlation-Coefficient gibt an, wie groß der Anteil der Gesamtvarianz auf der Länderebene ist. Auch er bezieht sich auf das „leere Modell“. Als weitere Kennzahlen sind die Devianz und die Anzahl der Fälle angegeben.308 Die Ergebnisse finden sich in den folgenden beiden Tabelle auf den nächsten vier Seiten.

308

Die Devianz ist –2*log (Likelihood) des Modells . Sie erlaubt einen Vergleich von verschiedenen Modellen, wenn das erste das zweite enthält (d.h. nur zusätzliche erklärende Parameter aufgenommen wurden). Ob die Aufnahme weiterer erklärender Variablen einen signifikanten Effekt hat, lässt sich über einen Vergleich der Differenz der Devianzen mit dem entsprechenden chi²-Wert für das Modell bestimmen. Dies setzt allerdings gleiche Fallzahlen voraus. Da es hier nicht primär um einen Modellvergleich geht, wurde immer die maximal verfügbare Fallzahl verwendet. Der Gewinn an Sicherheit der Schätzungen führt aber zu einer nur bedingten Vergleichbarkeit der Devianzen.

218

9. Erklärung der Unterschiede

Tabelle 2: Erklärungen „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“ Marktoffenheit

Wettbewerb

“Jobs scarce: Own nation priority”

“Jobs scarce: Men priority”

-1,307 (0,599)

-0,402 (0,340)

8,732 (1,790)

Modernisierungsgrad HDI 1,751 (0,659)

1,057 (0,5)

-1,060 (2,852)

Fixe Effekte Konstante

Politisch-institutioneller Rahmen EFW 0,024 (0,028) Exsoz1) -0,087 0,076 (0,078) (0,046) Religiöse Traditionslinien2) Protestanten -0,035 (0,009) Katholiken -0,059 (0,007) Orthodoxe 0,055 (0,015) Muslime 0,179 (0,027) Integration in die Kirche

-0,006 (0,01) -0,035 (0,008) -0,020 (0,016) -0,151 (0,029) -0,011 (0,001)

“Compe- “Quicker tition: secretary Good or paid harmful” more: Fair”

Rolle des Staates Sozialpolitischer Aspekt

Ordnungspolitischer Aspekt

0,483 (0,218)

4,598 (2,375)

-3,181 (2,047)

0,175 (0,239)

1,261 (2,608)

9,311 (2,324)

0,114 (0,027)

-0,900 (0,304)

0,015 (0,008) 0,009 (0,006) 0,027 (0,013) 0,089 (0,025)

0,077 (0,059) 0,023 (0,042) -0,211 (0,093) -0,043 (0,174)

-0,193 (0,143)

0,246 (0,054) 0,156 (0,039) 0,071 (0,087) 0,106 (0,162)

0,241 (0,061) 0,151 (0,044) -0,046 (0,098) -0,052 (0,184)

9.3 Empirische Prüfung der Hypothesen Fixe Effekte (Fortsetzung Tabelle 2) Individualmerkmale Bildung 0,028 0,04 (0,001) (0,001) Alter -0,001 -0,003 (0,000) (0,000) Rentner 0,000 -0,033 (0,008) (0,009) Hausfrau -0,015 -0,096 (0,008) (0,01) Student 0,061 0,027 (0,01) (0,011) Arbeitslos 0,002 -0,061 (0,009) (0,01) Soz. Kapital 0,02 0,009 (0,002) (0,002) Zufallseffekte Level 2: uij Level 1: eij

0,023 (0,006) 0,149 (0,001)

Erklärte Varianz Level 2 47,7 Level 1 5,7

219

0,083 (0,007) 0,003 (0,001) -0,108 (0,049) -0,198 (0,051) 0,108 (0,060) -0,433 (0,056) 0,030 (0,013)

0,02 (0,001) 0,001 (0,000) -0,029 (0,008) -0,027 (0,008) 0,016 (0,01) -0,062 (0,009)

0,108 (0,008) 0,004 (0,001) -0,312 (0,053) -0,238 (0,055) -0,090 (0,066) -0,711 (0,060)

0,140 (0,008) -0,004 (0,001) -0,173 (0,055) -0,106 (0,058) 0,068 (0,069) -0,366 (0,063) -0,029 (0,015)

0,006 (0,002) 0,165 (0,001)

0,193 (0,053) 5,653 (0,045)

0,003 (0,001) 0,14 (0,001)

0,348 (0,095) 6,812 (0,054)

0,488 (0,132) 7,204 (0,058)

66,7 9,8

26,1 0,9

40,0 2,1

40,8 1,5

40,9 2,3

Intraclass-Correlation-Coefficient 0,217 0,089 Devianz 27596,7 29173,1 N 29306 28124

0,043 0,033 0,078 0,100 143906,8 27320,42 152784,3 149194,6 31467 31257 32097 30976

220

9. Erklärung der Unterschiede

Tabelle 3: Erklärungen „Individuelle Handlungsorientierungen“ Leistungsorientierung “Educational “Work comes goal: Hard always first” work“

Vertrauen “Most people “Confidence can be in institutions“ trusted”

3,378 (0,599)

5,168 (0,954)

-1,072 (0,396)

2,138 (1,056)

Modernisierungsgrad HDI -3,720 (0,89)

-2,683 (1,413)

1,257 (0,632)

-0,334 (1,682)

Politisch-institutioneller Rahmen EFW 0,03 (0,051) -0,026 (0,080) Exsoz1) 0,165 (0,081) 0,329 (0,129)

0,012 (0,032)

0,244 (0,084)

Religiöse Traditionslinien2) Protestanten 0,007 (0,01) Katholiken 0,031 (0,007) Orthodoxe -0,004 (0,015) Muslime 0,101 (0,029) Integration 0,001 (0,001) in die Kirche

0,046 (0,025) 0,126 (0,020) 0,070 (0,040) 0,361 (0,074) 0,015 (0,003)

0,004 (0,01) -0,018 (0,008) -0,064 (0,016) -0,004 (0,029) 0,005 (0,001)

0,107 (0,031) 0,077 (0,024) 0,041 (0,050) 0,456 (0,093) 0,054 (0,004)

-0,061 (0,003) 0,014 (0,001)

0,029 (0,001) 0,001 (0,000)

-0,005 (0,004) 0,0014 (0,0007)

-0,178 (0,027) 0,139 (0,029) 0,035 (0,023) -0,089 (0,023) -0,096 (0,028) 0,095 (0,026)

-0,011 (0,01) 0,008 (0,011) -0,036 (0,009) -0,045 (0,009) 0,032 (0,011) -0,045 (0,01) 0,034 (0,002)

-0,026 (0,032) -0,151 (0,035) 0,048 (0,027) 0,141 (0,028) 0,187 (0,034) -0,129 (0,031) 0,009 (0,007)

Fixe Effekte Konstante

Individualmerkmale Bildung -0,012 (0,001) Alter 0,003 (0,000) Jobstatus3) Halbtags Selbständig Rentner Hausfrau Student Arbeitslos Soz. Kapital

-0,007 (0,002)

9.3 Empirische Prüfung der Hypothesen Fortsetzung Tabelle 3 Zufallseffekte Level 2: uij 0,02 (0,005) Level 1: eij 0,166 (0,001) Erklärte Varianz Level 2 Level 1

75,6 2,9

221

0,047 (0,013) 1,178 (0,010)

0,01 (0,003) 0,178 (0,001)

0,068 (0,018) 1,703 (0,014)

72,5 9,1

58,3 4,3

52,1 2,0

0,114 35044,55 31390

0,075 102002,7 30232

Intraclass-Correlation-Coefficient 0,324 0,116 Devianz 33048, 07 91688,95 N 31564 30509 1)

Referenzkategorie ist „kein sozialistisches Erbe“. Referenzkategorie sind „Konfessionslose“ (eine weitere Kategorie „Sonstige“ wird hier nicht mit aufgeführt, da sie nicht sinnvoll zu interpretieren ist. Es wurde aber für sie kontrolliert, sie hat sich aber in keiner der Analysen als einflussreich erwiesen). 3) Referenzkategorie sind die Vollzeit Erwerbstätigen (auch hier wurde für „Sonstige“ kontrolliert, auch hier zeigte sich kein Einfluss). 2)

Welche Befunde lassen sich nun bilanzieren?Das Ziel, die Länderunterschiede mit Hilfe der vier Einflussfaktoren zu erklären, gelingt hervorragend. Durchschnittlich werden gut 40% der Länderunterschiede bei den „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“ erklärt. Bei den „Individuellen Handlungsorientierungen“ sind es sogar knapp 65%. Die Aufklärungsrate ist für die Indikatoren innerhalb der Subdimensionen jeweils relativ ähnlich, was ein Zeichen für die Validität der Items sein könnte. Weniger gut ist die Aufklärung durch die Kontrollvariablen auf der Individualebene. Bei keinem Indikator lassen sich mehr als zehn Prozent der Varianz durch die aufgenommenen Individualmerkmale erklären. Bei den meisten Items ist die Aufklärung sogar noch deutlich geringer. Dies mag einerseits daran liegen, dass die Hypothesen für diesen Bereich weniger spezifiziert sind, andererseits an der Tatsache, dass kein „random slope-Modell“ verwendet wurde. Damit wird, wie oben ausgeführt, festgelegt, dass die Einflüsse der Individualvariablen in allen Ländern gleich ausfallen. Es wäre aber denkbar, dass z.B. der Einfluss des Alters in verschiedenen Ländern unterschiedlich ausfällt, weil er z.B. mit der Höhe der Alterssicherung zusammenhängt. Um aber einen Zufallseffekt auch bei den Koeffizienten der Individualvariablen zu bestimmen, bedarf es sehr genauer theoretischer Ableitungen. Dies ist für die hier untersuchte Ländervielfalt kaum sinnvoll machbar. Da der Fokus auf der Erklärung der Länderdifferenzen lag, wurde deshalb auf spekulative Hypothesen zu cross-level-Interaktionen verzichtet. Die Kontrolle der Individualva-

222

9. Erklärung der Unterschiede

riablen hat übrigens nur einen sehr geringen Einfluss auf die Länderunterschiede.309 Lediglich bei den Fragen nach der Offenheit des Arbeitsmarktes für Frauen und nach dem generalisierten Vertrauen erklären die Konfessionszugehörigkeit (im ersten Fall) bzw. das soziale Kapital (im zweiten Fall) einen Teil der Länderdifferenzen.310 Insgesamt liegt die Aufklärung damit im Bereich anderer komparativer Wertestudien. Die Hypothesen zum Modernisierungsgrad werden durch die Daten im Großen und Ganzen sehr gut bestätigt. Je modernisierter ein Land ist, umso größer ist das generalisierte Vertrauen und die Unterstützung für Marktoffenheit und passiven Staat (H1, H3 und H5). Gleichzeitig findet sich eine deutlich geringere Leistungsorientierung und ein geringeres Institutionen-Vertrauen (H4 und H6). Allerdings weisen die Koeffizienten für die Hypothesen 3 (passiver Staat im sozialpolitischen Bereich) und 6 (Institutionen-Vertrauen) zwar in die richtige Richtung, sind aber nicht signifikant. Einzig eine geringere Wettbewerbsorientierung lässt sich nicht bestätigen (H2). Die Befunde in diesem Bereich sind widersprüchlich und nicht signifikant. Ein Grund hierfür sind sicherlich die geringen Länderunterschiede, wie sie sich im Intraclass-Correlation-Coefficient widerspiegeln. Nur gut drei bzw. vier Prozent der Varianz gehen auf die Länderebene zurück, der geringste Wert für alle analysierten Bereiche. Weniger gut bestätigen sich die Hypothesen für die Religionszugehörigkeit. Teilweise scheint sogar das Gegenteil der Annahmen der Fall zu sein. So sprechen sich zumindest partiell Orthodoxe verstärkt für die Marktoffenheit, Protestanten und Katholiken aber verstärkt gegen die Marktoffenheit aus (H7). Muslime sind zwar für die internationale Freizügigkeit der Arbeitnehmer, allerdings, und hier bestätigt sich die Hypothese, sind sie gleichzeitig gegen eine Öffnung des Arbeitsmarktes für Frauen. Dies passt mit den Befunden von Norris und Inglehart (2002) zusammen. Hypothese 8 wird ebenfalls nur partiell bestätigt. Zwar weisen Protestanten tatsächlich mit die höchste Wettbewerbsorientierung auf. Aber auch die restlichen Konfessionen sind wettbewerbsorientierter als die Konfessionslosen. Das gleiche Bild zeigt sich bei der Leistungsorientierung, wobei hier die Muslime die Spitzenposition einnehmen (H10). Teilweise unterstützt werden die Annahmen zur Rolle des Staates (H9). Eine protestantische Prägung scheint mit der Befürwortung eines passiven Staates zusammen zu hängen. Etwas weniger stark gilt dies allerdings auch für Katholiken. Muslime und Orthodoxe sprechen sich, wie angenommen, dagegen eher für einen starken Staat aus. Allerdings sind einige der Zusammenhänge nicht signifikant. Hypothese 11 wird als einzige praktisch vollständig bestätigt. Die Integration in die Kirche hat einen positiven Einfluss sowohl auf das generalisierte als auch auf das Institutionen-Vertrauen. Von den Konfessionen weisen Protestanten als einzige 309

Durch die unterschiedliche Verteilung bestimmter Individualmerkmale in den Level2-Einheiten (hier die Länder) können auch Individualmerkmale Länderunterschiede mit erklären. 310 Vgl. die oben erwähnten Tabellen im Internet.

9.3 Empirische Prüfung der Hypothesen

223

ein, allerdings nicht signifikant, erhöhtes generalisiertes Vertrauen auf. Die Orthodoxen und Katholiken weisen dagegen ein unterdurchschnittliches generalisiertes Vertrauen auf. Die erklärenden Variablen im Bereich der Religion sind auf der Individualebene angesiedelt. Nun könnte es aber sein, dass nicht so sehr die individuelle Religionszugehörigkeit als vielmehr die religiöse Prägung des Landes entscheidend ist. Die Mehrebenenanalyse erlaubt es, den Einfluss von Variablen sowohl auf der Individualebene als auch aggregiert auf der Länderebene gleichzeitig zu testen. So kann es durchaus sein, dass ein bestimmtes Merkmal, hier z.B. die Konfessionszugehörigkeit, auf der Individualebene einen entgegengesetzten Einfluss auf die abhängige Variable hat als die Anteile der Religionsgruppen eines Landes. Entsprechende Analysen zeigen, dass unter bestimmten Umständen die Religionsanteile tatsächlich einen signifikanten Einfluss haben. Insbesondere in zwei Subdimensionen findet sich dann ein deutlicher Einfluss. Bei der Marktoffenheit weisen hohe Katholiken-, Orthodoxen- und Muslimenanteile signifikante negative Effekte auf. Bei der Leistungsorientierung ist das Bild nicht ganz so klar: Das Erziehungsziel „Hard work“ wird von allen Konfessionen deutlich seltener gewählt, beim zweiten Indikator („work comes always first“) ergibt sich dagegen für alle ein positiver Effekt.311 Zusätzlich zeigt sich in Ländern mit einem überdurchschnittlichen Protestantenanteil ein erhöhtes Vertrauen, eine etwas erhöhte Wettbewerbsorientierung und eine leichte Präferenz für einen passiven Staat im ordnungspolitischen Bereich. Bei allen anderen Analysen sind die Konfessionsanteile hingegen nicht signifikant. Der Einfluss der Konfessionsanteile ist allerdings nur dann signifikant, wenn man sowohl den Modernisierungsgrad als auch das politisch-institutionelle Umfeld mit in die multivariaten Analysen aufnimmt. In univariaten Analysen oder unter Berücksichtigung nur des Modernisierungsgrades oder nur des politisch-institutionellen Umfelds zeigen sich hingegen keine signifikanten Zusammenhänge. Aufgrund dieser fehlenden Stabilität wurden die Variablen in den oben präsentierten Analysen ausgeschlossen.312 Die Hypothesen für den politisch-institutionellen Rahmen werden von den Daten sogar mehrheitlich widerlegt. In den meisten Fällen sind die Zusammenhänge zwischen den beiden Erklärungsfaktoren „EFW“ und „sozialistisches Erbe“ und den Einstellungen zur Wirtschaft schlicht nicht signifikant. Insbesondere die wirtschaftliche Freiheit, gemessen über den EFW, hat in den multivariaten Analysen praktisch

311

Ein Grund für das schlechtere Abschneiden des Erziehungsziels „Hard work“ dürfte sein, dass bestimmte alternative Erziehungsziele (vor allem „faith“) praktisch nur von religiösen Menschen gewählt wurden. 312 Auch die Arbeitslosenquote wurde als Ländermerkmal zunächst mit in die Analysen aufgenommen, aufgrund fehlender signifikanter Zusammenhänge aber ebenfalls im endgültigen Modell ausgeschlossen.

224

9. Erklärung der Unterschiede

keinen Einfluss. Einzige Ausnahme ist das Vertrauen in Institutionen.313 Je weniger sich der Staat in die Wirtschaft einmischt, umso stärker vertrauen die Bürger den Institutionen. Dieser Befund ist Hypothese 16b diametral entgegengesetzt. Es gibt also keinen Gewöhnungseffekt an staatliche Eingriffe, vielmehr scheint sich die Politik durch Eingriffe in die Ökonomie selbst zu delegitimieren. Auch die Thesen zum sozialistischen Erbe werden teils nicht bestätigt. So findet sich in postsozialistischen Ländern eine höhere Unterstützung für den Wettbewerb (H13a; zumindest bei einem Item) und eine deutlich höhere Leistungsorientierung (15a). Die zwei Hypothesen, die in diesem Bereich bestätigt werden, sind einerseits die stärkere Befürwortung eines starken Staates in den Transformationsländern Osteuropas (H14a; auch hier nur für die Sozialpolitik), andererseits eine größere Unterstützung für die Marktoffenheit für Frauen (H12a). Dagegen unterstützen die Daten die meisten Individualhypothesen. Mit der Bildung nimmt die Unterstützung für die Marktoffenheit (H17a), den Wettbewerb (H18a), einen passiven Staat (H19a) und das Vertrauen (H21a, aber für Institutionen-Vertrauen nicht signifikant) zu. Entgegen Hypothese 20a sind höher Gebildete aber nicht leistungsorientierter. Für das Alter bestätigt sich die Annahme eines negativen Zusammenhangs mit der Marktoffenheit (H17b). Allerdings weisen Ältere weder eine geringere Wettbewerbs- und Leistungsorientierung (H18b, H20b) noch ein niedrigeres Vertrauen (H21b) auf. Dies könnte ein Indiz sein, dass tatsächlich die kulturelle Erklärung der Werte über einen Sozialisationseffekt der Realität näher kommt als das unterstellte Nutzenkalkül.314 Ob dieses Ergebnis jedoch Bestand hat, oder ob es mit der Messung insbesondere der Leistungssubdimension zusammenhängt, wird sich erst in weiteren Studien klären lassen.315 Für die Arbeitslosen bestätigen sich ebenfalls drei der vier Hypothesen (Ausnahme ist auch hier die Leistungsorientierung: H20): Sie sprechen sich gegen die Marktoffenheit (H17c; allerdings nur gegen die Öffnung für Frauen) und gegen den Wettbewerb (H18c) aus und fordern, genauso wie die Rentner, einen aktiven Staat (H19c). Genauso werden auch die Thesen zu einer erhöhten Leistungsorientierung (H20d) und der Forderung nach einem passiven Staat (H19d) bei den Selbständigen belegt. Schließlich bestätigt sich noch der Zusammenhang von sozialem Kapital in Form von Engagement in Organisationen und einem erhöhten Vertrauen. Insgesamt lässt sich festhalten, dass der (Post-)Modernisierungsgrad einer Gesellschaft zu den wichtigsten Prädiktoren für die Einstellungen zur Wirtschaft gehört. Die Modernisierungstheorie in ihrer Erweiterung von Inglehart und anderen 313

Das Ergebnis, dass beim Institutionenvertrauen staatliche Eingriffe einen größeren Einfluss haben als die meisten soziodemographischen Variablen, findet sich schon bei Rose et al. (1997). 314 Gabriel (1994: 113) kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Er stellt fest, dass Vertrauen kaum mit soziodemographischen Merkmalen zusammenhängt, sondern eher national geprägt ist. 315 Meulemann (1999) weist z.B. darauf hin, dass es sich evtl. nur um einen Bedeutungswandel des Begriffes „Leistung“ handeln könnte.

9.3 Empirische Prüfung der Hypothesen

225

scheint also immer noch eine angemessene Beschreibung der Welt liefern zu können. Weitere theoretische und empirische Arbeit scheint dagegen in den Bereichen des politisch-institutionellen Rahmens und der religiösen Prägungen notwendig zu sein. Die Mehrzahl der dort aus der Literatur abgeleiteten Hypothesen konnten mit den vorliegenden Daten nicht bestätigt werden. Man sollte die entsprechenden Thesen allerdings nicht vorschnell verwerfen. Die relativ geringe Länderanzahl verlangt eine vorsichtige Interpretation. Deutlich wird dies z.B. an der Tatsache, dass sich ein relevanter moslemischer Anteil an der Bevölkerung nur in zwei der analysierten Länder (Türkei 97,5% und Bulgarien 8,3%) findet, die darüber hinaus deutlich unterdurchschnittlich modernisiert sind. Ähnliches gilt für Angehörige des orthodoxen Glaubens. Die abgeleiteten Thesen zu den Individualmerkmalen haben sich ebenfalls größtenteils bestätigt. Hier könnte aber eventuell durch eine genauere Hypothesenbildung und die Aufnahme weiterer Variablen die Aufklärungskraft noch erhöht werden.

10. Zusammenfassung und Ausblick

Die Erweiterung der Europäischen Union wurde und wird vor allem unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten diskutiert, während kulturelle Fragen erst seit der Diskussion um die Aufnahme der Türkei stärker ins Blickfeld geraten. Die Schwerpunktsetzung im Bereich der Ökonomie ist insofern berechtigt, als die gravierendsten Probleme der Erweiterung sicherlich wirtschaftlicher Art sind. Dennoch ist die Vernachlässigung kultureller Aspekte unverständlich, denn erst durch eine verbindende Analyse von Interessen und Ideen (Weber) kann man der Komplexität der Realität annähernd gerecht werden. So kann die moderne Wirtschaftssoziologie im Anschluss an Klassiker der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zeigen, dass Kultur einen entscheidenden Einfluss auf die Ökonomie hat. Die vorliegende Arbeit hat deshalb die wirtschaftskulturellen Voraussetzungen einer gelingenden Europäischen Integration näher untersucht und danach gefragt, in welchem Maße die Wirtschaftskulturen der EU-Mitglieder und -beitrittskandidaten in den grundlegenden Aspekten zueinander und zur Wirtschaftsordnung der EU passen. Im Anschluss an aktuelle Forschungsergebnisse und Theorien der Politischen Kultur-Forschung und der Neuen Institutionen-Ökonomik wurde zunächst ein Begriff von Wirtschaftskultur entwickelt. Das verwendete Konzept sieht Kultur als zeitlich relativ stabile Wertorientierungen, die von den Bürgern eines Landes geteilt werden. Im Rahmen der wirtschaftlichen Integration Europas spielen dabei vor allem zwei Dimensionen eine zentrale Rolle: Erstens die Akzeptanz der von den Europäischen Institutionen vertretenen Wirtschaftsordnung und zweitens individuelle Handlungsorientierungen, die sich als grundlegend für ein dynamisches Wirtschaftswachstum erwiesen haben. Um die beiden zentralen Dimensionen der Wirtschaftskultur genauer zu bestimmen, wurde erstens der Rechtskorpus der Europäischen Union, wie er sich vor allem im Primär- und Sekundärrecht findet, analysiert. EU-Recht bricht nationales Recht, und ein Großteil der nationalen Gesetzgebung ist lediglich die Umsetzung von EU-Beschlüssen. Daher gibt die EU mittlerweile den Rahmen für die Wirtschaftsordnung der Mitgliedsländer vor. Hinter den Regelungen und Vorgaben der EU stehen ganz bestimmte wirtschaftskulturelle Vorstellungen, die sich als „Skript“ der Europäischen Union in Wirtschaftsfragen bezeichnen lassen. Dieses Skript ist vor allem um drei Schwerpunkte herum organisiert: Wettbewerb, Offenheit der Märkte und die Rolle des Staates in der Ökonomie. Die Einstellungen und Werte der Bevölkerungen der Mitgliedsländer und Beitrittskandidaten zu diesen drei

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10. Zusammenfassung und Ausblick

Punkten können sehr unterschiedlich sein. In der ersten Dimension der Wirtschaftskultur ergeben sich damit die drei Subdimensionen Wettbewerbsorientierung, Einstellungen zur Marktoffenheit und Einstellungen zur Rolle des Staates. Die zweite Dimension besteht aus den zentralen individuellen Handlungsorientierungen der Wirtschaftsakteure, die einen positiven Einfluss auf die Wirtschaft haben. Als relevante individuelle Wirtschaftsorientierungen stellten sich einerseits Vertrauen, andererseits eine hohe Leistungsmotivation heraus. Letztere knüpft an die klassischen Studien von Max Weber zur „Protestantischen Ethik“ und dem „Geist des Kapitalismus“ an, aber auch an die Untersuchungen von McClelland und Inglehart (Weber 1988; McClelland 1967; Inglehart 1997). Bis heute lässt sich nachweisen, dass eine hohe Leistungsorientierung der Menschen zu einem erhöhten Wirtschaftswachstum führt. Die zentrale Rolle von Vertrauen ergibt sich aus der Transaktionskostentheorie, die davon ausgeht, dass Vertrauen Transaktionskosten senkt, weil es z.B. kostspielige Überwachungen von Wirtschaftsaktivitäten unnötig macht. Dabei kann man einerseits zwischen einem generalisierten Vertrauen in die Mitmenschen, andererseits Vertrauen in wirtschaftsrelevante Institutionen unterscheiden. Beides hat empirisch nachweisbar positive Auswirkungen auf die Ökonomie. Die beiden Subdimensionen der individuellen Handlungsorientierungen sind vor allem in Bezug auf den Ordnungsrahmen der EU erfolgsversprechend. Die von der EU favorisierte Marktwirtschaft ist umgekehrt auf eine hohe Leistungsbereitschaft und generalisiertes Vertrauen der Individuen angewiesen, um Erfolg zu haben und wirtschaftlichen Wohlstand zu produzieren. Insofern bilden die individuellen Handlungsorientierungen und die Unterstützung der Institutionen gemeinsam die Basis für eine positive Wirtschaftsdynamik in Europa. Mit der Frage, in welchem Maße diese beiden Dimensionen von den Bevölkerungen der Mitgliedsländer und der Beitrittskandidaten der EU unterstützt werden, beschäftigte sich der empirische Teil der Arbeit. Als Datengrundlage der Operationalisierung dienten international vergleichende repräsentative Bevölkerungsumfragen aus den Jahren 1999/2000. In einem ersten Schritt wurden die Länder rein deskriptiv im Hinblick auf alle fünf Subdimensionen verglichen. In den allermeisten Bereichen zeigen sich deutliche Unterschiede in den Werteorientierungen der Bürger in den verschiedenen Ländern. Die Länderunterschiede innerhalb der Subdimensionen lassen bestimmte Muster erkennen, die sich zu einem Gesamtbild integrieren lassen. Insgesamt ergeben sich über alle Dimensionen hinweg drei distinkte Wirtschaftskulturen. Die erste Ländergruppe wird von den meisten älteren EU-Mitgliedern (Belgien, Deutschland Ost und West, Griechenland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Österreich, Spanien), ergänzt um Slowenien und Malta, gebildet. Eine zweite Gruppe umfasst die skandinavischen Länder Dänemark, Finnland und Schweden sowie die Niederlande. Die Bevölkerungen dieser zweiten Ländergruppe zeichnen sich

10. Zusammenfassung und Ausblick

229

durch eine hohe Zustimmung vor allem in den Bereichen Marktoffenheit und Vertrauen aus. Zudem sprechen sie sich am stärksten für eine passive Rolle des Staates aus. Portugal ergibt zusammen mit den übrigen neuen EU-Mitgliedern (Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Tschechien, Ungarn) und allen Beitrittskandidaten (Bulgarien, Rumänien, Türkei) das dritte Cluster. Es ist vor allem durch eine starke Leistungsorientierung geprägt. Gleichzeitig weisen die Bürger dieser Ländergruppe eine ablehnende Haltung gegenüber der Marktoffenheit und ein sehr geringes Vertrauen auf. Gemeinsamkeiten über alle drei Wirtschaftskulturen hinweg gibt es erstens im Bereich der Wettbewerbsorientierung, die in allen dreien verbreitet ist. Zweitens gibt es einen Konsens in Bezug auf die soziale Komponente der Marktwirtschaft. In allen drei Clustern wird ein hohes Schutzniveau gegenüber den Risiken des Einkommensverlustes unterstützt. Ein Einwand gegen die kulturvergleichende Analyse auf Länderbasis ist häufig, dass Kulturen und Nationalstaatsgrenzen nicht deckungsgleich sein müssen. So sind erstens Länder intern nicht immer kulturell homogen, zweitens können Kulturen über Ländergrenzen hinausgreifen. Es wurde daher in der vorliegenden Arbeit überprüft, inwieweit die Einteilung der Länder in die drei Wirtschaftskulturen auch auf der regionalen Ebene stabil ist. Die Ergebnisse sind eindeutig: Ganze 97% der 323 Regionen werden derselben Wirtschaftskultur zugeordnet wie das zugehörige Land. Wir haben es also auf der Ebene der drei Wirtschaftskulturen mit einer sehr hohen Stabilität auch auf regionaler Ebene zu tun. Dies überrascht zwar im Hinblick auf die große wirtschaftsstrukturelle Heterogenität der Regionen. Zumindest auf der kulturellen Ebene sind die Nationalstaaten aber durch ein hohes Maß an interner Homogenität gekennzeichnet. Die These einer radikalen Denationalisierung, wie sie sich in Teilen der Globalisierungsdebatte findet, scheint vor diesem Hintergrund etwas voreilig. Den Rahmen für die Analyse der Wirtschaftskulturen in Europa bildete der Integrationsprozess der EU. Neben dem Ländervergleich und der reinen Deskription der Wirtschaftskulturen war es daher ein zentrales Ziel zu bestimmen, inwieweit die Bevölkerungen der Mitgliedsländer und der Beitrittskandidaten die EUVorstellungen unterstützen. Die EU zeichnet sich durch die Befürwortung von Marktoffenheit, hoher Wettbewerbsorientierung und eines passiven Staates, sowie durch die Forderung nach Leistungsorientierung und großem Vertrauen aus. Es zeigt sich, dass kein Land diese EU-Position in allen ihren Punkten unterstützt. Vielmehr ergeben die Ländervergleiche, dass man beim EU-Ideal wiederum zwei Dimensionen unterscheiden kann, die von verschiedenen Ländern unterstützt werden. Die erste wurde als „Öffnungsdimension“ bezeichnet und umfasst eine hohe Unterstützung für die Marktoffenheit und einen passiven Staat sowie ein hohes Vertrauen. Diese Dimension wird vor allem vom zweiten Cluster (DK, FL, NL, SW) unterstützt, welches entsprechend als „öffnungsorientierte Wirtschaftskultur“ bezeichnet wird. Die zweite Dimension wurde als „Leistungsdimension“ bezeichnet

230

10. Zusammenfassung und Ausblick

und beinhaltet eine starke Leistungsorientierung, aber auch eine relativ hohe Betonung des Wettbewerbs. Vor allem die Wirtschaftskultur der neuen EU-Mitglieder und der Beitrittskandidaten, ergänzt um Portugal, weist hier hohe Werte auf und lässt sich daher als „leistungsorientierte Wirtschaftskultur“ kennzeichnen. Die restlichen Länder (Cluster 1) liegen in beiden Dimensionen eher im Mittelfeld („gering öffnungs- und leistungsorientierte Wirtschaftskultur“). Insgesamt weisen die Ergebnisse darauf hin, dass sich die beiden Dimensionen wechselseitig tendenziell ausschließen. Die deskriptive Analyse von Wirtschaftskultur kann also zeigen, dass sich in Europa drei intern homogene und nach außen deutlich abgrenzbare Wirtschaftskulturen mit je spezifischen Einstellungen der Bevölkerungen zur Wirtschaft unterscheiden lassen. Die entsprechenden Ländergruppen sind zum Großteil räumlich benachbart. Die Unterschiede überwiegen die Gemeinsamkeiten bei weitem, so dass man nicht von einer einheitlichen europäischen Wirtschaftskultur sprechen kann. Diese Ergebnisse stimmen mit Befunden anderer Forscher überein, wobei sich erstaunliche Parallelen zwischen Wertorientierungen und strukturellen, institutionellen Rahmenbedingungen zeigen. Diese große Übereinstimmung mit Ergebnissen aufgrund anderer Datenquellen und teilweise anderer thematischer Bereiche stützt die Validität der hier präsentierten Befunde. Die EU-Vorstellungen darüber, wie die Wirtschaft organisiert werden sollte, werden dabei von keiner dieser Ländergruppen in allen Punkten unterstützt. Es stellt sich natürlich die Frage, wie man die gefundenen Gemeinsamkeiten und Unterschiede erklären kann. Bislang fehlt allerdings eine empirisch gesättigte ausgefeilte Theorie des Kulturwandels, die etwa Aussagen dazu erlauben würde, wie schnell bzw. unter welchen Umständen sich Werte und Deutungsmuster an ein geändertes politisch-institutionelles Umfeld anpassen. Sicher ist, dass Gemeinsamkeiten und Unterschiede multifaktoriell erklärt werden müssen. Drei Erklärungsansätze werden deshalb kombiniert. Modernisierungstheoretische Ansätze gehen davon aus, dass sich die Werte und Einstellungen der Menschen im Prozess der Modernisierung entlang einer mehr oder weniger einheitlichen Entwicklungslinie ändern (Kerr 1966). Dieser Prozess muss nicht unbedingt linear sein, ist aber gerichtet (Inglehart 1997). Zivilisationstheoretische Ansätze nehmen dagegen an, dass kulturelle, vor allem religiöse Traditionen, Gesellschaften und Individuen prägen (Huntington 1997; Harrison und Huntington 2000). Beide Erklärungen gehen von einer eher langfristigen Beeinflussung der Kultur aus. Ein dritter Ansatz sieht die Einstellungen der Menschen vor allem in relativ kurzfristiger Abhängigkeit vom umgebenden politisch-institutionellen Umfeld, welches Handlungsmöglichkeiten und Anreize strukturiert. Mit Hilfe einer Mehrebenenanalyse wurde untersucht, welchen Einfluss die drei Faktorenbündel Modernisierungsgrad der Gesellschaften, kulturell-religiöse Traditionslinien und politisch-institutionelles Umfeld auf die

10. Zusammenfassung und Ausblick

231

Werteorientierungen der Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf die Ökonomie haben.316 Modernisierungsgrad: Es zeigt sich, dass ein höherer Modernisierungsgrad zu einer stärkeren Unterstützung von Marktoffenheit und passiver Rolle des Staates sowie zu einem größeren generalisierten Vertrauen führt. Modernisierung fördert also die Befürwortung der „Öffnungsdimension“ des EU-Skriptes. Gleichzeitig hat der Modernisierungsgrad aber einen negativen Einfluss auf die Leistungsorientierung. Die negative Korrelation von „Öffnungsdimension“ und „Leistungsdimension“ lässt sich anhand aktueller Modernisierungstheorien plausibilisieren. So unterscheiden verschiedene Autoren zwischen erster und zweiter Moderne (Beck 1986), sprechen von der postindustriellen (Bell 1996; 1976) oder postmaterialistischen (Inglehart 1979; 1989; 1997) Gesellschaft. Während die erste Phase der Modernisierung durch das Streben nach Wohlstand und eine hohe Leistungsorientierung gekennzeichnet ist, orientiert sich die zweite Phase eher an Wohlbefinden und postmaterialistischen Werten. „Thus, cultural change is not linear; with the coming of postindustrial society it moves in a new direction“ (Inglehart und Baker 2000: 22). Während die „Leistungsdimension“ der klassischen Modernisierung folgt, zeigt sich in der „Öffnungsdimension“ eine Orientierung an der zweiten Phase der Moderne. Der Modernisierungsgrad der Gesellschaften hat insofern einen ambivalenten Einfluss auf die Unterstützung des EU-Skriptes, was durch die vorliegenden Daten bestätigt wird. Da es sich bei allen analysierten Ländern um mehr oder weniger modernisierte Gesellschaften handelt, führt ein hoher Modernisierungsgrad zwar zu einer stärkeren Unterstützung der Öffnungsdimension, gleichzeitig aber zu einer Abnahme der Leistungsorientierung. Religiöse Traditionslinien: Nicht nur Webers klassische Studie zum Zusammenhang von protestantischer Ethik und Geist des Kapitalismus, sondern auch neuere Forschungen der Wirtschaftssoziologie (Barro und McCleary 2003; Giuso et al. 2003) deuten darauf hin, dass es einen langfristig wirkenden Einfluss der religiösen Orientierung auf die Wertorientierungen der Bürgerinnen und Bürger im Bereich der Ökonomie gibt: „The market system is embedded within a cultural sphere of which religion is a significant part“ (Wuthnow 1994: 640). Dieser Zusammenhang konnte in der vorliegenden Studie bestätigt werden, allerdings ergibt sich kein leicht interpretierbares Bild. Keine der drei in Europa in größerem Maße vertretenen christlichen Konfessionen (Protestanten, Katholiken und Orthodoxe) und auch nicht der Islam unterstützen die Wirtschaftsvorstellungen der EU in allen Punkten. 316

Darüber hinaus wurde auch für individuelle, vor allem sozialstrukturelle Merkmale der Befragten kontrolliert. Da die Arbeit aber vor allem die Länderunterschiede erklären will, wird hier auf eine Präsentation der Ergebnisse verzichtet.

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10. Zusammenfassung und Ausblick

Einerseits befürworten zwar alle, wenn auch in unterschiedlichem Maße, den Wettbewerb. Zudem weisen alle außer den Orthodoxen auch ein erhöhtes Institutionenvertrauen und eine gewisse Leistungsorientierung auf. Andererseits sprechen sich Protestanten, Katholiken und Muslime aber teilweise gegen die Marktoffenheit aus, Orthodoxe fordern vor allem im sozialpolitischen Bereich einen aktiven Staat und Orthodoxe und Katholiken zeichnen sich durch ein geringes generalisiertes Vertrauen aus. Das Ergebnis von Guiso et al., dass „on average religion is associated positively with attitudes that are conducive to free markets and better institutions“ (Giuso et al. 2003: 280) kann daher nur bedingt bestätigt werden. Politisch-institutioneller Rahmen: Der dritte hier analysierte Erklärungsfaktor war das politisch-institutionelle Umfeld. Auch wenn die EU mit ihren Vorgaben mittlerweile die nationalen Wirtschaftsordnungen zentral mit bestimmt, so bestehen doch weiterhin deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. Im Anschluss an die Politische Kultur-Forschung ist es plausibel, von einem gewissen Sozialisationseffekt des institutionellen Umfeldes auszugehen. Danach passen die Menschen ihre Einstellungen und Werte an den durch den politisch-institutionellen Rahmen vorgegebenen Möglichkeitsraum an. Es wurde daher als Hypothese postuliert, dass die Erfahrungen mit der jeweils realisierten politischen und institutionellen Struktur zu einer Befürwortung eben dieser führt. Dabei wurden zwei Aspekte berücksichtigt: Zum einen der aktuelle Grad der Staatsintervention, zum zweiten, ob ein Land eine sozialistische Vergangenheit besitzt. Man kann davon ausgehen, dass die Erfahrungen mit einer sozialistischen Planwirtschaft die Werteorientierungen der Menschen in einer ganz spezifischen Weise geprägt haben und dies immer noch tun (Delhey 2001). In den meisten Fällen scheint es aber keine Zusammenhänge zwischen den Einstellungen zur Wirtschaft und dem institutionellen Umfeld zu geben. Als einziges lässt sich ein positiver Zusammenhang zwischen einer geringen Staatsintervention und einem hohen Institutionenvertrauen nachweisen. Auch die Erfahrungen mit dem Sozialismus haben nur zum Teil die theoretisch erwarteten Effekte. Zwar erweisen sich die Bürger aus vormals sozialistischen Ländern überdurchschnittlich skeptisch gegenüber der Idee eines schlanken Staates und unterstützen die Berufsbeteiligung von Frauen besonders stark, gleichzeitig sind sie aber überdurchschnittlich leistungs- und wettbewerbsorientiert. Insgesamt hat sich damit der Versuch, ein Konzept von Wirtschaftskultur mit Bezug auf die Europäische Integration und Erweiterung zu entwickeln und dieses in komparativer Perspektive empirisch umzusetzen, als sehr fruchtbar erwiesen. Bei den Erklärungsfaktoren hat sich vor allem die Modernisierungstheorie als erklärungskräftig herausgestellt. Allerdings führt ein höherer Modernisierungsgrad nicht in allen Punkten zu einer stärkeren Unterstützung des EU-Skriptes. Insbesondere geht mit ihm eine sinkende Leistungsorientierung einher. Neben dem Modernisie-

10. Zusammenfassung und Ausblick

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rungsgrad haben aber auch religiöse Traditionen einen Einfluss auf die Werteorientierungen der Menschen. Dies hat zur Konsequenz, dass sich auch bei einer gelingenden Konvergenz der Wirtschaftsleistungen innerhalb Europas, wie sie die EU explizit anstrebt, mittelfristig keine gemeinsame Wirtschaftskultur entwickeln wird. Zur Erklärung von kulturellen Unterschieden und Gemeinsamkeiten sind daher zukünftig modernisierungs- und zivilisationstheoretische Ansätze noch stärker zu verbinden. Kritische Diskussion der Befunde Die Reichweite der Ergebnisse ist in einigen Punkten einzuschränken. Gründe hierfür liegen auf der inhaltlichen, der methodischen und der theoretischen Ebene. Inhaltlich muss darauf verwiesen werden, dass die EU-Position nicht immer so eindeutig ist, wie sie hier dargestellt wurde. Zwar wurde an den entsprechenden Stellen in der Darstellung versucht, die teilweise bestehenden Ambivalenzen der EU-Vorstellungen deutlich zu machen, in der empirischen Analyse wurde die Komplexität der EU-Position allerdings notwendigerweise reduziert. Mit der Rekonstruktion der EU-Position nicht aus verschiedenen Statements diverser Akteure, sondern allein aus geltendem Recht der EU, wie es sich in den prominentesten Dokumenten, also den Verträgen findet, wurde aber sicherlich ein vertretbarer Weg gegangen. Damit wird zwar nicht die ganze Breite der Positionen und der möglichen Dynamik erfasst, macht das EU-Skript jedoch überhaupt erst empirisch umsetzbar. Bei den methodischen Problemen lässt sich zunächst auf die immer wieder im Zusammenhang mit quantitativen länder- bzw. kulturvergleichenden Studien geäußerten allgemeinen Kritikpunkte, z.B. die Vergleichbarkeit der Fragen, verweisen (Immerfall 1995; Dogan und Pelassy 1990; Bollen et al. 1993). Diese Probleme sind prinzipieller Natur und lassen sich nur durch erstens eine gute Fragebogenkonstruktion und zweitens durch eine inhaltlich, methodisch und theoretisch reflektierte Dateninterpretation minimieren. Da die Durchführung einer eigenen Erhebung zur vergleichenden Analyse der Wirtschaftskulturen in der erweiterten EU im Rahmen dieser Arbeit aus Kosten- und Zeitgründen nicht möglich war, wurde auf eine Sekundäranalyse der besten existierenden Daten, nämlich auf die European Values Study 1999/2000, zurückgegriffen. Keine andere Studie enthält so viele hier interessierende Länder und deckt einen so breiten Werteraum ab. Trotz der guten Datenqualität ergeben sich aus einer Sekundäranalyse aber spezifische Probleme. Das gravierendste ist das Angewiesensein auf die erhobenen Items und die vorliegende Frageformulierung. Die Konsequenz daraus ist, dass Operationalisierungen evtl. nicht immer optimal gelingen. Insgesamt enthält die EVS aber gute bis sehr gute Indikatoren, um Wirtschaftskultur im europäischen Vergleich sinnvoll analysieren

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10. Zusammenfassung und Ausblick

zu können. Da es sich zusätzlich um eine Querschnittsanalyse handelt, konnte die Dynamik der Werte nicht ausreichend berücksichtigt werden. Vor allem für die postsozialistischen Transformationsländer sind die Ergebnisse bisher nur als vorläufig anzusehen. Bei den Erklärungen schließlich könnte es sinnvoll sein, die quantitativen Makroanalysen durch eine stärkere Berücksichtigung der je spezifischen Historie der einzelnen Länder im Sinne einer historisch-qualitativen Soziologie zu ergänzen. Derartige Erklärungen lassen sich aber nur sehr schwer über mehrere Länder hinweg vergleichend prüfen. Ausblick Die skizzierten Einschränkungen und Forschungsdesiderate zeigen verschiedene Themen auf, die es weiter zu bearbeiten gilt. Aus inhaltlicher Sicht wäre es wünschenswert, das hier skizzierte Konzept von Wirtschaftskultur in seinen beiden Dimensionen weiter auszubauen. So könnten weitere Teilaspekte einer europäischen Wirtschaftsordnung, auch wenn sie nicht den Stellenwert der hier untersuchten drei Subdimensionen haben, aufgenommen werden. Auch bei den individuellen Handlungsorientierungen ließen sich die beiden Teildimensionen „Vertrauen“ und „Leistungsorientierung“ um weitere Merkmale ergänzen. In beiden Feldern gibt es bereits vielversprechende Ansätze. Insbesondere die aktuelle Renaissance der Wirtschaftssoziologie dürfte für den letzten Punkt in Zukunft weitere empirische Befunde und eine bessere Einbindung in einen größeren theoretischen Rahmen liefern. Das hier eingeführte Konzept von Wirtschaftskultur erlaubt solche Erweiterungen relativ einfach, da es flexibel genug ist. Um ein solchermaßen erweitertes Konzept von Wirtschaftskultur empirisch umsetzen zu können, bedarf es einer noch besseren Berücksichtigung dieser wichtigen Fragestellung in den großen international vergleichenden Surveys. Zwar zeigte sich, dass es eine ganze Reihe von Items gibt, die sich mit wirtschaftskulturellen Fragen verbinden lassen. Ideal wäre jedoch eine eigene Studie, deren Indikatoren theoriegeleitet aus dem Thema „Wirtschaftskultur im Rahmen der Europäischen Integration“ abgeleitet werden. Als Alternative wird aber in den nächsten Jahren vermutlich nur die Kombination verschiedener Datenquellen bleiben, mit den damit verbundenen Problemen. Ein Datenproblem ist das Fehlen von Zeitreihen für die hier analysierten Länder.317 Bei der vorliegenden Studie handelt es sich „lediglich“ um eine Querschnittsanalyse. Sinnvoll wäre aber zusätzlich die Analyse der Dynamik der Integration. An 317

Die European Values Study wurde zwar mittlerweile zum dritten Mal durchgeführt. Es liegen also für einige Länder Vergleichsdaten aus den Jahren 1981 und 1990 vor. Allerdings fehlen in den früheren Erhebungen die meisten der hier zentralen Beitrittsländer.

10. Zusammenfassung und Ausblick

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verschiedenen Stellen wurde auf Studien zu Konvergenzprozessen innerhalb der EU hingewiesen (z.B. Caesar et al. 2003). Diese gilt es in Zukunft für den Bereich der Wirtschaftskultur auszubauen, was folgende Wellen der EVS hoffentlich erlauben werden. Insbesondere das Zusammenspiel von Wertewandel innerhalb der Länder, Aufnahme neuer Länder, wirtschaftlicher Entwicklung und europäischen Institutionen wäre dabei zu untersuchen. Eine ausgesprochen spannende Frage wäre in diesem Kontext z.B., inwieweit die hier gefundenen Wirtschaftskulturen einen Einfluss auf die ökonomische Entwicklung haben. Eine zweite interessante Frage wäre zu überprüfen, ob die Nähe bzw. Ferne zu den EU-Vorstellungen einen Einfluss auf die Herausbildung einer europäischen Identität hat. Von solchen Analysen könnte auch die Theoriebildung profitieren. Schließlich ließen sich über die Hinzunahme weiterer Länder, etwa Kroatiens, Weißrusslands und der Ukraine, auch mögliche weitere Beitrittskandidaten im Hinblick auf die Passung ihrer Wirtschaftskulturen zu den EU-Vorstellungen hin untersuchen. Politische Implikationen Damit ist man bei der Frage nach den politischen Implikationen der wirtschaftskulturellen Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Natürlich lassen sich die empirischen Befunde nicht einfach in wirtschaftspolitische Handlungsempfehlungen umsetzen und sind zentrale Fragen des EU-Integrationsprozesses allein politisch zu entscheiden. Die Soziologie und andere Wissenschaften können aber wichtige Anhaltspunkte als Entscheidungsgrundlage liefern. Insofern kann es sich bei den folgenden Punkten nicht um Handlungsanweisungen handeln, sondern vielmehr um Denkanstöße. Die wirtschaftliche Integration ist einer der Kernbereiche des europäischen Projektes. Wie in der Arbeit gezeigt werden konnte, hat auch diese ökonomische Frage eine dezidiert kulturelle Seite. Ein europäisches Wirtschaftsordnungsmodell kann nur dann stabil existieren, wenn es durch seine Bürgerinnen und Bürger legitimiert, d.h. auch akzeptiert, wird. Zudem erleichtern auch im Bereich der Wirtschaft kulturelle Gemeinsamkeiten der Länder die Zusammenarbeit und europäische Integration, während kulturelle Unterschiede Grund für politische und soziale Konflikte sein können. Die deskriptiven Befunde haben gezeigt, dass durch die schon geschehene Erweiterung der EU die wirtschaftsbezogenen Einstellungen und Werte in der EU deutlich heterogener wurden. Die geplante Aufnahme weiterer Länder wird diesen Befund verschärfen. Vor allem die osteuropäischen Beitrittsländer setzen dabei neue Akzente. Einerseits fordern sie einen deutlich aktiveren Staat, andererseits betonen sie stärker eine Leistungs- und Wettbewerbskomponente. Inwieweit dies Auswirkungen auf die Gestaltung der Wirtschaftspolitik der EU haben wird, wird

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10. Zusammenfassung und Ausblick

die Zukunft zeigen. Die Heterogenisierung innerhalb der EU wird allerdings vermutlich zukünftige Kompromissbildungen erschweren. Will die EU aber erstens ihrem eigenen Anspruch, eine über eine ökonomische Freihandelszone hinausgehende Wertegemeinschaft zu sein, gerecht werden und zweitens drohender Delegitimierung entgehen, dann wird sie neben den bisherigen Liberalisierungen im Sinne einer negativen Integration zunehmend auch eigene Ordnungsvorstellungen, z.B. für den „Sozialraum Europa“, entwickeln müssen. Erst auf dieser Grundlage kann dann eine notwendige europäische Identifikation und Solidarität entstehen. Diese Ordnungsvorstellungen müssen aber auf die Einstellungen und Werte der Menschen Rücksicht nehmen. Für den Wirtschaftsbereich hält Schefold fest: „The economic order which one may try to impose on Europe will have to be compatible with existing mentalities and it can be realised only if some kind of European economic style develops” (2000: 191). Je weiter die Integration voranschreitet, umso mehr wandelt sich der Prozess von einem Elitenprojekt zu einer Angelegenheit, für die sich auch die breiten Bevölkerungsmassen interessieren. So kommt es zu einer zunehmenden Politisierung der EU, die einen verstärkten Bedarf an politischer Legitimierung produziert. Eine Nichtbeachtung der Werteorientierungen in den Bevölkerungen der Mitglieder, insbesondere der neuen, wird sich daher negativ auf den Integrationsprozess auswirken. Vor allem die nationalen politischen Märkte können dabei Ursache für Instabilitäten in der Integration sind. Je größer die geforderten Anpassungsleistungen sind, umso stärker besteht der Trend, auf nationale Alleingänge zu setzen. Und die notwendigen Anpassungen sind umso größer, je heterogener die Integrationsgemeinschaft ist. Anschließend an die Befunde der Politischen KulturForschung und der Neuen Institutionen-Ökonomik kann man davon ausgehen, dass zu große Anpassungsleistungen zur Instabilität der europäischen Institutionen führen werden und generell dysfunktional sind.318 Die empirisch nachweisbaren wirtschaftskulturellen Gemeinsamkeiten und Unterschiede geben also die Grenzen für den europäischen Integrationsprozess im Bereich der Ökonomie jenseits der Etablierung eines gemeinsamen Marktes an. Allerdings darf man die gefundenen wirtschaftskulturellen Unterschiede nicht dramatisieren, vielmehr ist eine sachliche und an Fakten orientierte Diskussion gefragt. Sicherlich spielen kulturelle Faktoren, wie gezeigt, eine – eventuell zunehmend – wichtige Rolle in der Ökonomie. Andere Einflüsse sind aber zentraler. „Interessen (materielle und ideelle), nicht: Ideen, beherrschen unmittelbar das Handeln der Menschen“ (Weber 1988: 252). Insofern könnte eine positive wirtschaftli-

318

Auch der Varieties-of-Capitalism-Ansatz ist hier instruktiv. Anpassungsleistungen in bestimmten Bereichen können dazu führen, dass die Komplementaritäten, die zwischen den nationalstaatlichen Institutionen bestehen, empfindlich gestört werden, was sich ebenfalls negativ auf die Wirtschaft auswirken dürfte (Hall und Gingerich 2004).

10. Zusammenfassung und Ausblick

237

che Entwicklung aufgrund einer EU-Mitgliedschaft dazu beitragen, kulturelle Anpassungsprozesse akzeptabel zu machen.319 Zudem weist Lepsius (1997: 954) darauf hin: „Eine Homogenisierung dieser Kulturen ist für die Europäische Union nicht erforderlich. Es genügt eine Vermittlung der Wertbeziehungen, die auf der europäischen Ebene Rationalitätskriterien des Handelns bestimmen mit den primär nationalstaatlich geformten Ordnungen von Wirtschaft, Recht und politischer Willensbildung.“ Ein gewisses Maß an Heterogenität ist also unproblematisch, solange eine „Übersetzungspolitik“ (ebd.) möglich bleibt. Da praktisch keine Studien vorliegen, wie groß die Schnittmenge der gemeinsamen Werte und Überzeugungen sein muss, um Stabilität in einer Integrationsgemeinschaft wie der EU zu gewährleisten, können Aussagen über ein „kritisches Maß“ immer nur Spekulationen sein. Eine Möglichkeit, mit Unterschieden sowohl in den Werten als auch in den Interessen umzugehen, ist darüber hinaus eine flexible Integration, wie sie seit dem Vertrag von Amsterdam vorgesehen ist. Das Instrumentarium der „verstärkten Zusammenarbeit“ bietet einer Gruppe von Staaten die Möglichkeit, bei der Vertiefung der Integration weiter zu gehen als die Gesamt-EU. „Mit der stetigen Diversität gewinnen flexible Integrationskonzepte nicht nur eine immer wichtigere Bedeutung, sie stellen sogar zunehmend eine conditio sine qua non für weiteren Integrationsfortschritt dar. (...) Politische, wirtschaftliche und nicht zuletzt kulturelle Diversität bedarf differenzierter Integrationsstrategien“ (Reck 2001: 114). Für die vorliegende Untersuchung lässt sich festhalten, dass sie als eine der ersten Studien, die in einem solch breiten Ländervergleich wirtschaftskulturelle Fragen empirisch analysiert hat, wichtige Befunde sowohl für politische als auch ökonomische Entscheidungen liefert. Entsprechend kann sie nur ein erster Schritt sein. Sie ist im Sinne von Poppers „Falsifikationismus“ eine „steile These“, die aber hoffentlich nicht allzu schnell widerlegt wird. Gleichzeitig bittet der Autor den Leser um dieselbe Großzügigkeit, die der König bei Calderón de la Barca gegenüber dem „Richter von Zalamea“ im Schlussakt zeigt: „Wer den Hauptpunkt richtig traf, darf in kleinen Dingen irren.“ Immerhin spricht die große Übereinstimmung der Ländereinteilung mit ähnlichen Kategorienbildungen anderer Autoren für die Plausibilität der Ergebnisse. Die gefundenen wirtschaftskulturellen Unterschiede müssen übrigens, wie ausgeführt, nicht notwendig unlösbare Probleme im europäischen Integrationsprozess darstellen, sondern im Gegenteil kann die Kenntnis eventueller Konfliktlinien gerade ihre Bearbeitung ermöglichen. Zudem kann an die gefundenen Gemeinsamkeiten angeknüpft werden. 319

Dies lässt sich z.B. über den Ansatz der Transformationskosten (Shin 2002) erklären: Eine Anpassung ist nur dann sinnvoll, wenn die in Zukunft einzusparenden Transaktionskosten die aktuell anfallenden Transformationskosten mehr als aufwiegen. Die Einschätzung der Höhe der zu sparenden Transaktionskosten hängt von der Einschätzung der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung ab.

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275 11.2 Ergänzende Tabellen Kapitel 6: Deskription der Gemeinsamkeiten und Unterschiede Tabelle 1: Ländermittelwerte für alle verwendeten Indikatoren (hohe Werte geben eine hohe Unterstützung des genannten Indikators an) Einstellungen zur Wirtschaftsordnung Offenheit des Marktes Wettbewerb Rolle des Staates “Quicker “Giving “Individual “State give own nation “Giving men “Competition secretary responsible freedom to Country earns more: priority: priority: no” is good” for providing” firms” fair” no“ 40,3% 75,9% 6,27 (2,7) 77,2% 7,01 (2,5) 6,10 (2,9) France Great 35,0% 76,1% 6,92 (2,2) 73,3% 6,55 (2,4) 6,19 (2,2) Britain Germany33,3% 65,1% 7,30 (2,1) 86,4% 7,11 (2,3) 6,58 (2,5) West Ger19,5% 70,4% 7,24 (2,3) 88,5% 5,40 (2,8) 5,50 (2,9) manyEast 18,9% 64,9% 7,76 (2,0) 88,6% 7,00 (2,6) 6,92 (2,6) Austria 24,8% 67,8% 6,84 (2,5) 77,6% 5,37 (2,7) 6,09 (2,8) Italy 23,2% 74,3% 6,71 (2,2) 70,1% 5,35 (2,4) 5,59 (2,4) Spain 69,3% 6,61 (2,7) 75,5% 6,17 (2,7) 5,52 (2,7) Portugal 27,5% Nether70,8% 87,0% 6,32 (2,0) 75,5% 6,33 (2,1) 5,56 (2,0) lands 73,8% 6,26 (2,6) 71,0% 6,01 (2,7) 5,41 (2,8) Belgium 46,4% Den61,3% 93,5% 6,98 (2,2) 82,0% 6,61 (2,1) 6,58 (2,4) mark 87,4% 97,6% 7,53 (1,9) 75,7% 6,78 (2,2) 7,10 (2,1) Sweden 30,7% 90,4% 6,74 (2,2) 76,2% 6,43 (2,5) 6,35 (2,3) Finland 21,4% 82,2% 7,20 (2,3) 65,1% 6,46 (2,5) 6,01 (2,5) Ireland 48,1% 84,8% 6,63 (2,3) 84,6% 4,95 (2,4) 4,94 (2,7) Estonia 19,8% 77,8% 7,57 (2,3) 80,9% 4,32 (2,7) 3,64 (2,7) Latvia Lithu3,8% 74,1% 7,11 (2,7) 84,3% 5,58 (2,8) 6,52 (3,0) ania 3,9% 54,3% 6,99 (2,8) 87,9% 5,27 (2,6) 4,27 (3,0) Poland

276

11.2 Ergänzende Tabellen

(Fortsetzung von Tabelle 1) Einstellungen zur Wirtschaftsordnung Offenheit des Marktes Wettbewerb Rolle des Staates “Quicker “Giving “Individual “State give own nation “Giving men “Competition secretary responsible freedom to Country earns more: priority: priority: no” is good” for providing” firms” fair” no“ Czech Repub10,6% 77,3% 7,78 (2,2) 96,7% 6,11 (2,6) 4,98 (2,7) lic 5,6% 69,2% 7,41 (2,2) 91,4% 4,63 (2,6) 3,88 (2,6) Slovakia 74,9% 7,31 (2,5) 84,7% 4,91 (2,8) 4,39 (2,8) Hungary 6,5% Roma16,4% 55,6% 8,26 (2,3) 89,4% 6,18 (3,2) 4,81 (3,5) nia 6,1% 56,4% 7,57 (2,5) 90,0% 5,89 (2,9) 5,65 (3,2) Bulgaria 13,9% 78,5% 6,66 (2,5) 87,9% 5,37 (2,6) 5,31 (2,6) Greece 4,4% 46,7% 7,81 (2,1) 77,1% 5,88 (2,8) 6,01 (2,7) Malta Luxem50,4% 73,6% 6,51 (2,5) 81,2% 6,53 (2,5) 4,55 (2,5) bourg 79,2% 7,76 (2,3) 89,1% 4,46 (2,7) 5,46 (3,1) Slovenia 13,9% Turkey 31,3% 35,8% 7,15 (3,1) 79,9% 5,74 (3,4) 4,09 (3,2)

11.2 Ergänzende Tabellen

277

(Fortsetzung von Tabelle 1) Individuelle Handlungsorientierungen Leistungsorientierung Vertrauen “Most people “Work comes Trust in institutions Country “Hard Work” can be always first” (Index) trusted” 2,75 (1,4) 50,4% 21,3% 3,64 (1,4) France 2,63 (1,1) 28,4% 28,9% 3,82 (1,3) Great Britain 3,29 (1,1) 23,5% 31,9% 4,05 (1,1) Germany-West 3,65 (1,0) 21,7% 43,4% 3,68 (1,2) Germany-East 3,31 (0,9)* 9,0% 33,4% 4,2 (1,2) Austria 3,29 (1,2) 33,0% 32,6% 3,4 (1,3) Italy 3,34 (1,1) 19,8% 38,5% 3,71 (1,4) Spain 3,12 (1,0) 67,0% 12,3% 3,77 (1,3) Portugal 2,48 (1,1) 13,7% 60,1% 3,76 (1,1) Netherlands 2,82 (1,3) 36,2% 29,2% 3,54 (1,3) Belgium 3,25 (1,2) 2,1% 66,5% 4,47 (1,1) Denmark 2,72 (1,2) 3,8% 66,3% 4,11 (1,1) Sweden 2,94 (1,1) 10,6% 57,4% 4,09 (1,2) Finland 2,91 (1,1) 32,9% 36,0% 4,32 (1,3) Ireland 3,22 (1,1) 81,2% 23,5% 3,54 (1,3) Estonia 3,27 (1,1) 84,7% 17,1% 3,81 (1,4) Latvia 3,55 (1,1) 87,7% 25,9% 2,93 (1,1) Lithuania 3,71 (1,1) 86,4% 18,4% 3,63 (1,5) Poland 3,46 (1,0) 73,8% 24,5% 3,21 (1,2) Czech Republic 3,64 (1,2) 75,3% 15,9% 3,46 (1,3) Slovakia 4,09 (1,0) 70,8% 22,3% 3,74 (1,4) Hungary 4,09 (0,9) 81,9% 10,1% 3,34 (1,4) Romania 3,69 (1,0) 86,9% 26,8% 3,07 (1,4) Bulgaria 2,99 (1,3) 31,3% 23,7% 3,1 (1,3) Greece 3,18 (1,1) 41,4% 20,7% 3,75 (1,5) Malta 2,96 (1,3) 53,0% 24,8% 4,22 (1,3) Luxembourg 3,44 (1,1) 27,2% 21,7% 3,49 (1,3) Slovenia Turkey 3,79 (1,0) 73,2% 6,8% 3,99 (1,8) * Der Wert von Österreich wurde von einer Vierer-Skala an eine Fünferskala angepaßt. Der Originalwert ist 2,73. Für die (quasi-) metrischen Variablen wurde die Varianz in Klammern angegeben. Insbesondere für den Wettbewerbs-, den Sozialpolitik- und den Institutionenvertrauen-Indikator weist die Türkei weit überdurchschnittliche Varianzen auf. Es scheint so zu sein, dass die Werteorientierungen in der Türkei teilweise sehr heterogen verteilt sind. Es bleibt weiteren Analysen überlassen zu klären, ob sich diese Varianz auf bestimmte Merkmale (Stadt-Land-Unterschiede, Soziodemographie o.ä.) zurückführen lässt.

278

11.2 Ergänzende Tabellen

Kapitel 7: Integration der Ergebnisse Tabelle 2: Wirtschaftsdaten für Cluster und Länder DL-Quote WachsStaats- EUAnteil an AL- Infl.CPI tumsrate GDP Anteil quote Status Erwerbs- Quote Rate an BIP quote Gering öffnungs& leistungsorien- 67,6 tierte Länder

64,6

8,8

2,2 7,1

3,0

21233

45,8

Austria

64,86

63,40

3.9

0.5

7.6

2,82

23600

54,1

Belgium

70,76

70,5 (1998)

8.6

1.1

5.3

2,73

22600

50,2

France

71,09

73,60

10.7

0.6

6.6

4,16

21200

53,4

Germany (West / East)

67,70

62,60

8,8 / 17,6

0.6

8.0

1,56

22600

48,8

Greece

68,50

59,2 (1998)

11.8

2.1

4.9

1,56

14500

47,9

Ireland

60,29

62,30

5.6

2.5

7.7

1,56

23800

34,8

Italy

67,55

61,50

11.3

1.7

4.7

1,61

22000

48,9

Luxembourg

78,42

72,7 (1998)

2.4

1

8.8

7,57

39400

41,7

Malta

k.A.

k.A.

13.4

3,99

11700

Slovenia

58,03

51,20

Spain

65,74

61,90

UK

70,23

Öffnungsorientierte Länder

10.4

6.0

1,90

14500

44,2

12.8

2.2

9.4

4,02

17500

40,9

72,20

5.9

1.3

8.6

2,29

21400

39,1

68.6

70.1

6.2

1.5

8.9

3.2

23175

53.9

Denmark

71,88

69,7 (1998)

4.8

2.1

10.0

2,13

25400

56,0

Finland

63,31

65,60

10.2

1.3

9.8

2,92

21500

52,2

Netherlands

70,35

72,8 (1998)

3.2

2

9.0

3,58

24300

46,9

Sweden

68,81 (1998)

72,20

6.7

0.6

6.6

4,13

21500

60,3

EU15 EU15 EU15 EU15 EU15 EU15 EU15 EU15 EU27 EU27 EU15 EU15

EU15 EU15 EU15 EU15

11.2 Ergänzende Tabellen Leistungsorientierte Länder Bulgaria

279

60.7

49.8

55,9

44,30

Czech

55,11

54,90

Estonia

68,49

Hungary

9.8

8.2

4.3

0.9

8709

40.1

2.6

3.3

2,40

6000

40,6

11.3

1.8

4.6

-0,39

12500

37,6

59,40

6.9

3.1

5.7

-1,12

8200

60,57 (1998)

58,00

11.2

10.0

5.2

1,56

10600

38,0

Latvia

68,49

58,60

14.0

0.7

3.4

-3,90

6100

43,9

Lithuania

60,12

52,90

2.1

3.8

1,07

7300

40,2

Poland

60,25

48,8 (1998)

7.2

4.2

4,10

8300

39,5

6.2

Portugal

65,30

52,20

4.5

2.2

6.7

3,33

15600

45,4

Romania

49,09

30,70

7.2

45.8

3.3

3,33

5100

35,5

Slovakia

64,29

54,20

16.7

6.1

3.7

5,20

10500

Turkey

59,96

33,70

3.6

-5,15

5600

BK EU27 EU27 EU27 EU27 EU27 EU27 EU15 BK EU27 BK

Legende: - Dienstleistungsquote (1998, in %) (Quelle: Worldbank, World Development Indicators 2004) - Arbeitslosenquote (1999) als Anteil an der Gruppe aller Erwerbsfähigen (Quelle:Eurostat http://europa.eu.int/comm/eurostat) - Inflationsrate (1999) jährliche, durchschnittliche Veränderungsrate der HICP´s (Harmonized Indicies of Consumer Prices ) (Quelle: Eurostat) - CPI (Quelle: Transparency International) - jährliche Wachstumsrate des Gross Domestic Product GDP (Quelle:Worldbank, World Development Indicators 2004) - Wirtschaftswachstum: Sowohl bei Litauen als auch bei der Türkei handelt es sich um Ausreißer-Jahre (beide haben sowohl davor als auch danach positive Zuwachsraten), für Tschechien bildet 1999 das letzte Jahr mit einem negativen Wachstum. Für die meisten alten EU-Mitglieder sinkt das Wachstum ab 2001 deutlich (Quelle: Worldbank, World Development Indicators 2004) - GDP: GDP pro Kopf, kaufkraftbereinigt, zu jeweiligen Preisen (Quellen: Eurostat, in: Europäische Kommission, Portrait der Wirtschaft der Europäischen Union 2002, Luxemburg, 2002)

280

11.2 Ergänzende Tabellen -

-

-

Staatsquote in % des BIP (Quelle: für alle EU-Länder: Europäische Kommission, Portrait der Wirtschaft der Europäischen Union 2002, Luxemburg, 2002; * für alle EU-Staaten: Statistisches Bundesamt Deutschland, Wiesbaden: http://www.destatis.de/basis/d/fist/fist027.htm; Zahlen aus diesen Quellen bezeichnet als: general government total expenditure as percentage of GDP; Für Polen: OECD Observer, OECD in Figures, 2002; für Bulgarien und Estland: Angaben der Finanzministerien: http://www.minfin.bg/en/finsit/index.php?lang=2&catid=278&depth=1 Republic of Estonia, General Government Finance Statistics 2002; Für Slowenien, Litauen, Lettland und Rumänien: Angaben des International Monetary Fund (IMF http://www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2003/ cr03112.pdf) Gesamtausgaben des Staates (vgl. Europäische Kommission, Portrait der Wirtschaft der Europäischen Union 2002, Luxemburg, 2002, Annex): Die Gesamtausgaben des Staates umfassen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1500/2000 der Kommission vom 10. Juli 2000 die folgenden Kategorien des ESVG 95: Vorleistungen; Bruttoinvestitionen; Arbeitnehmerentgelt; sonstige Produktionsabgaben; geleistete Subventionen; Vermögenseinkommen; Einkommens- und Vermögenssteuern; monetäre Sozialleistungen; soziale Sachtransfers in Bezug auf Ausgaben für Güter, die von Marktproduzenten direkt an Haushalte geliefert werden; sonstige laufende Transfers; Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche; geleistete Vermögenstransfers; Nettozugang an nichtproduzierten Vermögensgütern. EU-Status: EU-15: Mitglied der alten EU-15; EU-27: Am 1. Mai 2004 beigetreten; BK: Beitrittskandidat

11.2 Ergänzende Tabellen

281

Kapitel 9: Erklärung der Unterschiede Tabelle 3: Kontextvariablen der Länder

Gering leistungs& öffnungsorientierte Länder Austria Belgium France Germany Great Britain Greece Irland Italy Luxembourg Malta Slowenia Spain Öffnungsorient. Länder Denmark Finland Netherlands Sweden Leistungsorient. Länder Bulgaria Czech Rep. Estonia Hungary Latvia Lithuania Poland Portugal Romania Slowakia Turkey

Human Development Index (HDI)

Size of Government in Economy (EFW)

Sozialistische Vergangenheit

0,926 0,939 0,928 0,925 0,928 0,885 0,925 0,913 0,925 0,875 0,879 0,913

3,4 3,5 2,3 4,5 6,2 6,4 6,1 4,6 4,5 5,9 2,9 4,6

0 0 0 0/1 0 0 0 0 0 0 1 0

0,926 0,930 0,935 0,941

3,6 4,1 4,5 3,0

0 0 0 0

0,779 0,849 0,826 0,835 0,800 0,808 0,833 0,880 0,775 0,835 0,742

4,0 4,6 5,4 4,8 5,2 5,6 3,5 5,1 4,0 3,5 7,1

1 1 1 1 1 1 1 0 1 1 0

282

11.2 Ergänzende Tabellen

Tabelle 4: Leere Modelle der MLA („Einstellungen zur Wirtschaftsordnung”) “Jobs “Jobs scarce: scarce: Own nation Men priorpriority“ ity”

Fixe Effekte Konstante Zufallseffekte Level 2: uij Level 1: eij IntraclassCorrelationCoeff. Devianz N

“Competition: Good or harmful”

“Quick“Re“State er secre- sponsicontrol tary ble for firms or earns provid- give more more: ing: State freedom” Fair” or individual”

0,277 (0,04)

0,724 (0,025)

7,113 (0,097)

0,817 (0,014)

5,871 (0,146)

5,499 (0,173)

0,044 (0,012) 0,158 (0,001)

0,018 (0,005) 0,183 (0,002)

0,261 (0,071) 5,707 (0,045)

0,005 (0,001) 0,143 (0,001)

0,588 (0,159) 6,917 (0,054)

0,826 (0,223) 7,375 (0,059)

0,217

0,089

0,043

0,033

0,078

0,100

29680,45

32958,99

29777

28809

146555,8 31978

28406,32 155814,2 152329,0 31747

32626

31471

11.2 Ergänzende Tabellen

283

Tabelle 5: Leere Modelle der MLA („Individuelle Handlungsorientierungen“)

Fixe Effekte Konstante Zufallseffekte Level 2: uij Level 1: eij IntraclassCorrelation-Coeff. Devianz N

“Educational goal: Hard work“

“Work comes always first“

“Most people can be trusted”

“Confidence in institutions (Index)”

0,467 (0,054)

3,270 (0,080)

0,3 (0,03)

3,708 (0,072)

0,082 (0,022) 0,171 (0,001)

0,171 (0,047) 1,296 (0,010)

0,024 (0,007) 0,186 (0,001)

0,142 (0,038) 1,737 (0,014)

0,324

0,116

0,114

0,075

34576,29 32176

97023,4 31286

37315,25 32159

105046,0 30950

284

11.3 Abbildungsverzeichnis

11.3 Abbildungsverzeichnis Kapitel 2: Der Einfluss von Kultur auf die Wirtschaft Tabelle 1: Verhältnis von Wirtschaft und Gesellschaft ..................................25 Kapitel 3: Wirtschaft und Kultur: Ein theoretischer Rahmen Abbildung 1: Das Verhältnis von Kultur und Wirtschaft....................................65 Kapitel 5: Operationalisierung von Wirtschaftskultur Tabelle 1: Ergebnisse der Faktoranalyse für die Dimension „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“.................................... 111 Tabelle 2: Ergebnisse der Faktoranalyse für die Dimension „Individuelle Handlungsorientierungen“ .....................................115 Tabelle 3: Statistische Kennziffern der Indikatoren .....................................118 Kapitel 6: Deskription der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Ländern der erweiterten EU Abbildung 1: Offenheit des Marktes, Item 1...................................................... 127 Abbildung 2: Offenheit des Marktes, Item 2...................................................... 129 Abbildung 3: Wettbewerbsorientierung, Item 1..................................................131 Abbildung 4: Wettbewerbsorientierung, Item 2..................................................133 Abbildung 5: Rolle des Staates (sozialpolitischer Aspekt) .................................135 Abbildung 6: Rolle des Staates (ordnungspolitischer Aspekt)...........................137 Abbildung 7: Leistungsorientierung, Item 1 ........................................................139 Abbildung 8: Leistungsorientierung, Item 2 ........................................................140 Abbildung 9: Generalisiertes Vertrauen ...............................................................142 Abbildung 10: Vertrauen in Institutionen..............................................................143 Kapitel 7: Integration der Ergebnisse Abbildung 1: Clusterlösung „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“............151 Abbildung 2: Scree-Plot zur Bestimmung der idealen Clusterzahl für den Bereich „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“.......................153 Tabelle 1: Bestimmung der optimalen Clusterzahl (Wirtschaftsordn.) ......154 Tabelle 2: Stabilitätstest der Clusterlösung (Rand-Indizes)..........................156 Tabelle 3: Cluster „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“ .......................157 Abbildung 3: Clusterergebnis für den Bereich „Individuelle Handlungsorientierungen“ .....................................159 Abbildung 4: Scree-Plot zur Bestimmung der idealen Clusteranzahl für den Bereich „Individuelle Handlungsorientierungen“ .......................160 Tabelle 4: Bestimmung der optimalen Clusterzahl (Handlungsorientierungen) ............................................................161 Tabelle 5: Cluster „Individuelle Handlungsorientierungen“........................162

285 Abbildung 5: Clusteranalyse für die europäischen Wirtschaftskulturen ..........164 Abbildung 6: Scree-Plot zur Bestimmung der idealen Clusteranzahl für die europäischen Wirtschaftskulturen.................................................165 Tabelle 6: Bestimmung der optimalen Clusterzahl (Mojena).......................166 Tabelle 7: Stabilitätstest der Clusterlösung (Rand-Indizes)..........................167 Tabelle 8: Cluster „Europäische Wirtschaftskulturen“.................................168 Tabelle 9: Einteilung der Regionen in die Wirtschaftskulturen...................170 Tabelle 10: Wirtschaftskulturen „Marktoffenheit“..........................................172 Tabelle 11: Wirtschaftskulturen „Wettbewerb“...............................................173 Tabelle 12: Wirtschaftskulturen „Rolle des Staates“.......................................174 Tabelle 13: Wirtschaftskulturen „Leistungsorientierung“ ..............................175 Tabelle 14: Wirtschaftskulturen „Vertrauen“ ..................................................176 Tabelle 15: Übersicht Wirtschaftskulturen.......................................................180 Kapitel 8: Übereinstimmung der Länder mit den EU-Positionen Tabelle 1: Ergebnisse der Diskriminanzanalyse ............................................186 Tabelle 2: Anteile der Länder an den Diskriminanzanalyse-Gruppen .......189 Tabelle 3: Durchschnittliche Werte der Diskriminanzfunktionen für die Länder...................................................................................191 Abbildung 1: Einteilung der Länder anhand der Diskriminanzfunktionen.....193 Kapitel 9: Erklärung der Unterschiede Tabelle 1: Übersicht über die Hypothesen.....................................................215 Tabelle 2: Erklärungen „Einstellungen zur Wirtschaftsordnung“ ..............218 Tabelle 3: Erklärungen „Individuelle Handlungsorientierungen“...............220 Ergänzende Tabellen im Anhang Zu Kapitel 6: Deskription der Gemeinsamkeiten und Unterschiede Tabelle 1: Ländermittelwerte für alle verwendeten Indikatoren .................275 Zu Kapitel 7: Integration der Ergebnisse Tabelle 2: Wirtschaftsdaten für Cluster und Länder.....................................278 Zu Kapitel 9: Erklärung der Unterschiede Tabelle 3: Kontextvariablen der Länder.........................................................281 Tabelle 4: Leere Modelle der MLA („Einstellungen zur Wirtschaftsordnung”) ..................................282 Tabelle 5: Leere Modelle der MLA („Individuelle Handlungsorientierungen“)...................................283