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German Pages 182 Year 2012
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1208
Wettbewerb als Verfassungsprinzip Grundrechtliche Wettbewerbsfreiheit und Konkurrenz der Staatsorgane Von Walter Leisner
Duncker & Humblot · Berlin
WALTER LEISNER
Wettbewerb als Verfassungsprinzip
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1208
Wettbewerb als Verfassungsprinzip Grundrechtliche Wettbewerbsfreiheit und Konkurrenz der Staatsorgane
Von Walter Leisner
Duncker & Humblot · Berlin
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Vorwort Nur von wenigen Rechtsbegriffen ist so viel die Rede wie vom Wettbewerb; kaum einer ist im Öffentlichen Recht so problemgeladen wie dieser. Das einfachgesetzliche private Wettbewerbsrecht regelt eingehend und aufwendig die innerstaatlichen Konkurrenzbeziehungen, das Europäische Gemeinschaftsrecht neuerdings deren öffentlich-rechtlichen Rahmen, damit Wettbewerb zwischen Bürgern, Staaten, ja Rechtsordnungen. Zwischen beiden Normebenen steht das nationale Verfassungsrecht des Grundgesetzes. Nur dieses ist Gegenstand der folgenden Untersuchung. Seine Bedeutung liegt einerseits in der – weithin doch eigenständigen – nationalen Konkretisierung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben, zum anderen in der bekannten Orientierungs-, Leit-, ja Maßstabswirkung gegenüber der innerstaatlichen Normsetzung unterhalb der Verfassungsebene. Dieser Normgehalt der Verfassung regelt Rechtsbeziehungen zwischen Bürgern und Staat in der Form der grundrechtlichen Verbürgung der Wettbewerbsfreiheit; dies ist nicht unumstritten und soll hier geklärt werden. Darüber hinaus hat aber „Wettbewerb als Verfassungsprinzip“ auch Bedeutung für das Staatsorganisationsrecht in einem weiten Sinn: Zu fragen ist, ob die Tätigkeit von Staatsorganen in etwas ablaufen kann, ja soll, wie einem „Konkurrenzraum“, in Formen ähnlich oder entsprechend denen eines „allgemeinen Wettbewerbs zwischen Privaten“. Selbst wenn hier Besonderheiten des Staatsorganisationsrechts, insbesondere die Kompetenzrahmen der Hoheitstätigkeit zu beachten sind, so könnten sich doch aus einem derart übergreifend verstandenen „Verfassungsprinzip Wettbewerb“ Orientierungen und Gestaltungsräume auch für den Staatsbereich ergeben. Darin fließen dann – wie in so manchen anderen Grundformen des Öffentlichen Rechts – Gleichordnungsinhalte in dieses ein, wie sie, in näherer Ausgestaltung, herkömmlich im Privatrecht entfaltet worden sind. Insoweit ist dies ein Beitrag zum Verständnis eines „Privaten Staates“, das bereits in mehreren monographischen Untersuchungen angesprochen worden ist. Dabei geht es nicht etwa um „Staatsersatz durch Markt“, hier insbesondere Wettbewerb, sondern um „Staatsordnung in Formen privater Gleichordnung zwischen Bürgern“. München, den 11. November 2011
Walter Leisner
Inhaltsverzeichnis A. Probleme – Fragestellungen – Dimensionen der Thematik . . . . . . . . . . . . . I. Die verfassungsrechtlichen Grundfragen: Wettbewerb im Grundrechtsbereich und in der Staatsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wettbewerb als Organisationsprinzip des „inneren Staatsbereichs“ . . II. Dimension und Problematik einer grundrechtlichen Wettbewerbsfreiheit 1. Bedeutung und verfassungsrechtliche Problematik einer „Konkurrenzfreiheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wettbewerb im Spannungsfeld von „Markt und Staat“ . . . . . . . . . . . . . III. Insbesondere: Wettbewerb im Staatsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Problem der Modellwahl „Staatshoheit oder Wettbewerb“? . . . . 2. Das Problem „Gemeinwohl“ als Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Exkurs: (Hinter-)Grundprobleme des Öffentlichen Rechts mit einer „Wettbewerbsordnung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Ökonomisierung“ des Staatsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Demokratiebedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sozialbedenken: Wettbewerb als Ausbeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorrang der Suche nach dem grundrechtlichen Freiheitsgehalt des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gemeinschaftsrechtliche „Überformung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nationalrechtlicher Gestaltungsraum der Wettbewerbsfreiheit . . . . . . . B. Wettbewerb und Verfassungsrecht in der historischen Entwicklung . . . . I. Das vorverfassungsrechtliche Öffentliche Recht: Konkurrenz der Machtträger – Kriegsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Römisch-mittelalterliches Recht als Organisation der Staatsmacht . . 2. Machtwettbewerb als Kriegsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ancien Régime: Wettbewerb unter Völkerrecht und Genossenschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. „Wettbewerb“ am Beginn demokratischer Verfassungsstaatlichkeit – Wettbewerbsferner Konstitutionalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufklärung: Freiheit gegen den Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Demokratie und Wettbewerb – Der konkurrenzblinde Volkssouverän . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Staatsverfassungsrecht, nicht „Normordnung von Bürgerbeziehungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis III. Das Vordringen der Wettbewerbsordnung in der Gesetzgebung . . . . . . . . . 1. Der Wohlfahrtsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Soziale“ Staatsaufgabe: Wettbewerbsordnung in Sozialversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Unlauterer Wettbewerb“: Einfaches Gesetzesrecht als Marktordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – Drittwirkung der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die „Demokratietheorie“ des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die „Wettbewerbsferne“ der Deutschen Staatslehre im 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Diskussion um die „Ökonomische Demokratie“ . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Diskussion in Deutschland: Wettbewerbsdemokratie ohne grundrechtliche Wettbewerbsfreiheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Untersuchungsprogramm zu „Wettbewerb als Verfassungsprinzip“ in dieser Entwicklungslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
C. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht – Begriff, Schutzbereich . . . . . . . . . . I. „Wettbewerbsfreiheit“ – (nur) ein Begriff des einfachen Gesetzesrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Wettbewerbsfreiheit“ – ein verfassungsrechtlicher Begriff? . . . . . . . . 2. Wettbewerbsfreiheit: ein „missverständlicher Begriff“? . . . . . . . . . . . . . 3. Wettbewerbsfreiheit – ein Grundrecht(s-Aspekt) des Art. 12 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Exkurs: Wettbewerbsfreiheit – nur einfachgesetzlich geprägt? . . . . . . . 5. „Teilnahme am Wettbewerb“: nach h. L. ein Grundrecht . . . . . . . . . . . II. Wettbewerbsfreiheit: Schutzbereich nach „Funktionsbedingungen des Wettbewerbs“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Markt als Raum des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Der Markt“ als „Funktionsbedingung“ des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . 3. Freiheit als Selbstzweck – der „ziellose“, insoweit funktionslose Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ökonomische Funktionen des Wettbewerbs als grundrechtliche Schutzbereichsdeterminanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. „Demokratiegünstige Funktionen“ des Wettbewerbs als dessen konstituierende Elemente? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wettbewerbsfreiheit: „durch Gesetz mitbestimmt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wettbewerb: durch rechtliche Regeln „ermöglicht und begrenzt“ . . . . 2. Parallele zum Bestimmungsversuch des „Eigentumsinhalts nach Gesetz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit: Konkurrenzkampf, Verdrängung – Wesentlicher Drittbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutzbereich der Freiheit nach dem außerrechtlichen Ordnungsgegenstand Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der wirtschaftliche Wettbewerb als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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3. 4. 5. 6.
Wettbewerb als „Verdrängungsstreben“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Notwendiger „Drittbezug“ der Wettbewerbsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Wettbewerbsfreiheit als Markt-Zugangsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Wettbewerbsfreiheit: Wesentlich grundrechtliche Freiheit in Drittwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 V. Wettbewerbsgleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 1. Wettbewerbsfreiheit und Wettbewerbsgleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2. Der Markt: Raum natürlicher Ungleichheit der Wettbewerber . . . . . . 80 3. Wettbewerbsgleichheit: Gleicher Marktzugang und gleiches Marktverhalten als Rahmen der Wettbewerbsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 4. Gleicher Marktzugang – das Monopolproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 5. Insbesondere: Das Verbot der „Marktbeherrschung“ als Regelung der Zugangs-Freiheit in „Marktgleichheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 6. Gleiche Verhaltensregeln für alle Konkurrenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 7. Wettbewerb und Neueröffnung von Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 8. Bedeutung der Wettbewerbsgleichheit für das Vergaberecht . . . . . . . . 92 VI. Staatseingriffe in den Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 1. Staatliche Wettbewerbsbeeinflussung als Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2. Die drei Grundformen staatlicher Eingriffe in die private Wettbewerbsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 3. Grundsätzliches Gleichgewicht der staatlichen Eingriffe – Austauschbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 4. Die Problematik des „gezielten“ Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 5. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . 100 D. Wettbewerb als Verfassungsprinzip im Staatsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wettbewerb und Staatsorganisation – Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wettbewerb im Verfassungsraum des Politischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wettbewerb(sdenken) als „Staatsgrundstimmung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Bekenntnis zur Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Staatsinterner Wettbewerb im öffentlichen Dienstrecht . . . . . . . . . 2. Die demokratische Staatsform – wettbewerbsoffene Verfassung . . . . III. Verfassungsrechtliche Institutionalisierungen des „Wettbewerbs im Staat“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konkretisierungen der Konkurrenz in Institutionen – Allgemeines . . 2. Wettbewerbliche Grundrechtslenkung der Staatsorganisation – Meinungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wahlen in Konkurrenz um Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Direkte Demokratie als Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Parteiendemokratie: Wettbewerbsgehalt aus Staatsorganwettbewerb – oder Staatsorganbestellungswettbewerb? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Föderalismus: „kompetitive“ Staatsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Kommunalismus als konkurrenzielle Staatsorganisation . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 8. Funktionale Selbstverwaltung im Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Medienvielfalt, Medienkonkurrenz – inner- und außerhalb der Staatsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Staatsmonopol oder Unentrinnbarkeit der Staatsgewalt? – Bürger als „Auswählende Wettbewerber“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Gewaltunterworfenheit“ – Realität oder Relikt des Rechts? . . . . . . . . 2. Öffnungen zur Nichtakzeptanz von Staatsangeboten . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grenzen rechtlicher Inpflichtnahme der Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Allgemeine rechtliche Öffnungen des Staatsbereichs zu Erscheinungsformen des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ende der unentrinnbaren Monopol-Gewalt des Staates in Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. „Staatseinheit“ – Antiwettbewerbliches Verfassungsprinzip? . . . . . . . . . . . 1. Staatseinheit – Verfassungseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Norm- und Anordnungsgeltung staatlicher Entscheidungen als Wettbewerbsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Hierarchie als staatliches Gegenprinzip zum Wettbewerb . . . . . . . . . . . 4. Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Der Staat als Marktordner: Schiedsgericht außerhalb von Konkurrenz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Gemeinwohl – besser ohne Wettbewerb? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Fazit: Staat im Wettbewerb – Wettbewerb im Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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E. Wettbewerb und „Privater Staat“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der „Private Staat“ als Entwicklungsstufe des Demokratischen Staatsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt und Bedeutung dieser übergreifenden Begrifflichkeit . . . . . . . . . 2. „Privater Staat“ – (Rück-)Weg aus dem „Feudalismus“ in Demokratie, ad fontes Iuris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. „Wettbewerb als Verfassungsprinzip“ – Bedeutung für Vorstellungen von einem „Privaten Staat“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fortsetzung bisheriger Ergebnisse in Wettbewerb(sdenken) . . . . . . . . . 2. Der „privatrechtliche Prototyp Wettbewerb“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausbau, Verstärkung des Wettbewerbs – eine Zielvorstellung in Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wettbewerb als Verfassungsprinzip: Aktivstaatlichkeit gegen einen Staat des Machtverfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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F. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
A. Probleme – Fragestellungen – Dimensionen der Thematik I. Die verfassungsrechtlichen Grundfragen: Wettbewerb im Grundrechtsbereich und in der Staatsorganisation Diese Untersuchung könnte auch unter der Überschrift stehen: „Wettbewerb und Verfassung“. Hier soll ja Konkurrenz als Regelungsgegenstand der Verfassung betrachtet werden, mit dem Ziel, eine „Rechtsfigur Wettbewerb“ in ihren Grundlinien herauszuarbeiten, nicht in allen Einzelheiten des geltenden Wettbewerbsrechts. Solche Grundstrukturen können sich, wenn es sie denn gibt, nur im Verfassungsbereich finden oder auf höherer, etwa Gemeinschafts- oder gar völkerrechtlicher Normebene. Insofern geht es im Folgenden um ein verfassungsrechtliches Systematisierungsproblem des Phänomens Wettbewerb als solchen. Hier stellen sich zwei Grundfragen: 1. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht Wettbewerb ist ein „privates“ Verhalten von Rechtsträgern, als solches ablaufend außerhalb des öffentlich-rechtlichen Organisationsbereichs, in den allermeisten Fällen in privat-rechtlichen Formen, auf rechtlicher Gleichordnungsebene. Dieser allgemeine Rechtsrahmen, in dem sich, vor allem auf Märkten, wesentlich etwas vollzieht wie „private Selbstordnung der Konkurrenz“, muss aber „gehalten“ werden durch staatliche Ordnungsregeln und -maßnahmen. Diese wirken dann als, insbesondere hoheitliche, Eingriffe in einen privaten Freiheitsbereich. Dieser Befund zwingt in der grundrechtsgeprägten Verfassungsordnung des Grundgesetzes zur Frage nach einer Wettbewerbsfreiheit als Schutzbereich von Freiheitsrechten, konkret nach „Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht1“. 1 Diese Problematik stand, wie noch näher darzulegen sein wird, nicht im Mittelpunkt der Verhandlungen der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Graz im Jahre 2009: „Gemeinwohl durch Wettbewerb“?, VVDStRL Bd. 69, 2010, insb. in den Referaten von Hatje, A., S. 137 ff. und Kotzur, M., S. 173 ff.
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A. Dimensionen der Thematik
Soweit „der Staat“, ein Rechtsträger des Öffentlichen Rechts, als solcher innerhalb dieses Rahmens tätig wird, sich unter seine eigene Ordnung stellt, insbesondere in Marktteilnahme, agiert er primär nicht als Wettbewerbsordner, sondern als Wettbewerbsteilnehmer. Von seinem Verhalten gehen aber wettbewerbsordnende Wirkungen aus, wie auch von dem aller anderen Marktteilnehmer. Dies ist eben die Folge der erwähnten Selbstregelung des Wettbewerbs – „der Staat“ wirkt dann als ein, u. U. sehr bedeutsamer, vielleicht beherrschender Akteur auf der Bühne der Konkurrenz. So ist denn im Folgenden grundsätzlich zu unterscheiden: Freiheit in diesem Wettbewerb ist verfassungsrechtlich zu erfassen als ein grundrechtlicher Schutzbereich. Die innerwettbewerblichen privat-rechtlichen Wirkungen staatlicher Teilnahme an dieser Konkurrenz stellen aber nicht primär eine öffentlich-rechtliche, sondern eine privatrechtlich-wettbewerbsrechtliche Ordnungsproblematik dar. Sie steht unter der Grundentscheidung, dass der Staat, wo er sich als Wettbewerbsteilnehmer unter seine eigene privatrechtliche Ordnung begibt, an diese auch gebunden ist, wie jeder andere Marktteilnehmer. Insbesondere hat er sich den kartellrechtlichen Ordnungsregeln zu unterwerfen. Diese Problematik der privatrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen „außerstaatlichen“ und „staatlichen“ Rechtsträgern wird im Folgenden weder grundsätzlich noch in ihren typischen einzelnen Problemfeldern untersucht; dies ist primär Materie des Wettbewerbsrechts, organisatorisch des Gesellschaftsrechts2. Die grundrechtliche Wettbewerbsfreiheit als solche ergibt sich aber als Ordnungsgegenstand eines grundrechtlichen Schutzbereichs aus Kategorien und Kriterien des außerstaatlich-privaten Wettbewerbsverhaltens. Dieses ist also Ausgangspunkt aller verfassungsrechtlichen Überlegungen zum Wettbewerb. 2. Wettbewerb als Organisationsprinzip des „inneren Staatsbereichs“ Dies ist die zweite hier zu stellende Verfassungsfrage: Kann, oder muss gar, „der Staat“, verstanden als Inbegriff aller Rechtssubjekte des Öffentlichen Rechts, seine Organisation „wettbewerbskonform ausrichten“, Wettbewerb etwa auch zwischen Hoheitsträgern zulassen, ja organisieren? Ergibt sich eine solche Möglichkeit, vielleicht gar ein rechtlicher Zwang zu ihr, aus geltendem Verfassungsrecht des Grundgesetzes? Wird nicht nur das 2 Bei Staatsbeteiligungen im privaten Wirtschaftsbereich, insb. in Form von Joint Ventures, steht der Staat unter privatem Gesellschaftsrecht, und damit auch wesentlich unter privatem Wettbewerbsrecht; vgl. dazu m. Nachw. Leisner, W. G., Gew Arch 2009 S. 337 ff.
I. Die verfassungsrechtlichen Grundfragen
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Eingriffsrecht in den privaten Bereich „grundrechtlich durchwirkt“ in Wettbewerbsfreiheit, sondern auch noch das Staatsorganisationsrecht des Grundgesetzes? Lässt sich auch dies bejahen, so gewinnt das Thema erst seinen vollen Sinn: „Wettbewerb als Verfassungsprinzip“ bedeutet dann, dass Konkurrenz in ihrer grundrechtlichen Erscheinungs- und Schutzform das eingreifendordnende Staatsverhalten orientiert, dass aber zugleich diese „Rechtsfigur Wettbewerb“ den Staatsorganisationsbereich rechtlich durchwirkt: auch dort muss dann Konkurrenz hergestellt und darin in ihren wesentlichen rechtlichen Grundlinien geachtet werden, – soweit dies eben nach diesen (überhaupt) möglich ist. Diese rechtlichen Grundlinien ergeben sich aber aus dem grundrechtlichen Schutzbereich, der nach der erwähnten ersten Fragestellung zunächst zu verdeutlichen ist. Wettbewerb als Verfassungsprinzip ist dann insoweit ein „grundrechtlich geprägtes Selbstorganisationsprinzip der grundrechtsschützenden Staatsgewalt“. Dieser ihrer Verfassungspflicht wird sie unter Unterständen gerade dann optimal gerecht, wenn sie die zu sichernden außerstaatlichen Ordnungsstrukturen in ihrer eigenen Organisation berücksichtigt. Wettbewerbsordnung in Wettbewerbskonformität, gewissermaßen damit Ausdehnung der Selbstordnung des Wettbewerbs auf die innerstaatliche Eigenorganisation des Wettbewerbsteilnehmers Staat – und die verfassungsrechtlichen Grenzen dieser Möglichkeiten: das ist dann der Sinn des behandelten Themas. Darin zeigt sich die Verbindung der beiden Fragestellungen in den folgenden Hauptteilen C und D: Nur wenn geklärt ist, was einen vom Staat zu achtenden „Schutzbereich Wettbewerbsfreiheit“, damit einen „Wettbewerb als Verfassungswert“ darstellt, kann sodann beurteilt werden, ob und inwieweit dies auch staatsorganisatorisch zu berücksichtigen und gar zu übernehmen ist3. Insofern ist das Folgende eine notwendige Fortentwicklung – zugleich allerdings in Beschränkung auf Grundlagenfragen – der Diskussion „Staat oder Markt“4.
3 In den Themenbehandlungen in der Staatsrechtslehrervereinigung (FN 1) klingt dies zwar an, nicht nur dort, wo der Wettbewerb wesentlich innerhalb des Staatsbereichs stattfindet (zwischen Hochschulen – vgl. Geis, M.-E., S. 364; Bumke, Chr., S. 407), sondern auch in der Fragestellung, ob Leistungen besser vom Staat erbracht werden, oder ob dies dem Markt überlassen bleiben sollte – Referate von Hatje, A. und Kotzur, M. 4 Zur Diskussion „Staat oder Markt“ vgl. allgemein Yergin, D./Stanislaw, J., Staat oder Markt: Die Schlüsselfrage unserer Zeit, 2001; Leisner, W., Markt oder Verteilungsstaat? JZ 2008, S. 1061.
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A. Dimensionen der Thematik
II. Dimension und Problematik einer grundrechtlichen Wettbewerbsfreiheit 1. Bedeutung und verfassungsrechtliche Problematik einer „Konkurrenzfreiheit“ Die folgende Untersuchung muss von einem eigenartigen Befund ausgehen: „Wettbewerb“ ist in aller Munde, ebenso „Freiheit“. Beides sind „gute politische Worte – kritikresistent“. Ihre Verbindung zu einer „Wettbewerbsfreiheit“ scheint aber im Staatsrecht an etwas wie einer begrifflichen Auszehrung zu leiden. Einst leidenschaftlich diskutiert, als es um die Einführung einer Kartellkontrolle in Deutschland ging5, später geistiges Vehikel von Privatisierungsforderungen in einer Grundstimmung neoliberaler Ökonomie, verliert sich die Wettbewerbsfreiheit neuerdings nicht selten in beiläufigen Erwähnungen im staatsrechtlichen Schrifttum. Dabei tritt sie dann als Verfassungsbegriff zurück6, oder sie wird gar grundsätzlich ausgeklammert. Zugleich aber ist von dieser Wettbewerbsfreiheit doch auch wieder laufend die Rede, immer mehr allerdings, wenn nicht sogar schwerpunktmäßig, im Zusammenhang mit dem Wettbewerb öffentlicher Träger mit privaten Unternehmen7. Seit den frühen Diskussionen um die Subsidiarität kommunaler und privater Wirtschaft – die unverändert andauern – hat sich die Problematik von dort erweitert zu der von Privatisierungen8 und Public Private Partnership. Dabei geht es jeweils um die günstigen oder problematischen Wirkungen der Konkurrenz. Die Erörterungen verschieben sich dann aber naturgemäß rasch ins Ökonomische, ja in wirtschafts-theoretische Problembehandlungen. Wieder wird die grundrechtliche Freiheits5 Geschichte der Einführung der Kartellkontrolle in Deutschland, insb. des GWB Müller-Uri, R., Kartellrecht (Schramm, Th., Hg.) Bd. 10, 1989, § 1 RN 33 ff.; Klug, M./Th., Kartellrecht, 1. Auflage 2007, § 10 RN 5. 6 Als Belege seien hier nur die spärlichen Bemerkungen genannt, welche der Wettbewerbsfreiheit in neuesten Auflagen auch größerer Grundgesetzkommentare gewidmet sind, so etwa in Sachs, M., GG, 4. Aufl. 2007 Art. 2 RN 54; Epping, V./ Hillgruber, Chr., GG 2009, Art. 12 RN 4. 7 Dieser Wettbewerb ist einer der Standard-Gegenstände des sog. Öffentlichen Wirtschaftsrechts. 8 Zu diesen vgl. all. Seifert, K./Metschkoll, M., Privatisierung öffentlicher Aufgaben DB 1991, 2449 ff.; Gramm, Chr., Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, 2001; Kammer, J., Privatisierung 2001; Geis, W., Privatisierung und Staatsaufgaben 2002; Berg, H., Privatisierung und Deregulierung 2002; Schneider, V., Der Staat auf dem Rückzug: Die Privatisierung öffentlicher Infrastrukturen, 2004; Rügener, W., Privatisierung in Deutschland, 4. Aufl. 2008; Scharnagl, B., in: Institut der Deutschen Wirtschaft (Hg.), Reformpolitik und Privatisierungspolitik im europäischen Vergleich, 2008, S. 55 ff.; Tiemann, K., Privatisierung öffentlicher Unternehmen in Deutschland und Frankreich, 2009, S. 63 ff.
II. Problematik einer grundrechtlichen Wettbewerbsfreiheit
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ebene des Staatsrechts rasch verlassen, auf der doch die Diskussionen um Wettbewerbsfreiheit geführt werden sollten – darüber, was denn unabdingbar sei für Aufrechterhaltung oder Optimierung dieser (Sicherungsform privater) Freiheit, was ihren „Kern“, ihren „Mindeststandard“ darstelle(n) (könnte). 2. Wettbewerb im Spannungsfeld von „Markt und Staat“ Hier zeigt sich deutlich eine Grundentwicklung des Verfassungs-, ja des Öffentlichen Rechts in Deutschland, die mit dem Begriff des Marktes, der Marktwirtschaft9 verbunden ist, deren Zentrum ja wiederum der Wettbewerb darstellt. Die Wettbewerbsfreiheit ist gewissermaßen ein staatsrechtlicher Brennpunkt, an dem der Markt zur „Gefahr für Staat und Gesellschaft“ werden könnte – für den Staat als Gesellschaft verstanden; und doch wird dies hier nur zum Teil, an der Oberfläche, erwähnt, nicht vertiefend diskutiert; oft ist die Problematik wohl nicht einmal bewusst. Ausgangspunkt ist ja stets eines: Die Macht der Märkte, unwiderstehlich für den Staat10 – aber eben als sein Gegenspieler, nicht als sein Prinzip. Hier ergibt sich dann, aus der Sicht der Wettbewerbsfreiheit, ein komplexer Zusammenhang von drei Fragen: – „Market versus State“, angesichts der staatsähnlichen Macht der Märkte; – „Man versus State“, – im grundrechtlichen Freiheitsschutz des Marktgeschehens, also doch „der Märkte“, – „Man versus Market“, – in der wettbewerblichen Gleichordnungsfreiheit, im Schutz der Marktteilnehmer gegen die Märkte. Die beiden letzteren Probleme sind Gegenstand von Überlegungen zur Wettbewerbsfreiheit. Sie sind aber mit dem ersteren insoweit verbunden, als der Schutz der Wettbewerbsfreiheit der Bürger zur Stärkung oder Schwächung der „Macht der Märkte“ auch gegenüber dem Staat führen kann – je nach dem aber auch wieder zur Steigerung oder Abschwächung dieser Marktmacht gegen die Marktteilnehmer. Für eine freiheitliche Staatsordnung wie die des Grundgesetzes sollte nun – so mag es scheinen – „der Markt“, als eine in grundrechtlicher Freiheit konstituierte Gegenmacht zur Staatsgewalt, das Staatsideal sein; hier wird dann doch „die Freiheit“ geradezu zur Staatsgrundlage, wie es die Präambel 9
FN 4. Die Unwiderstehlichkeit der Märkte bedarf keines Beleges mehr, nachdem ihnen – insb. über Rating-Agenturen – neuerdings gelingt, sogar die Existenz von Staaten zu gefährden. 10
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A. Dimensionen der Thematik
des Grundgesetzes vorausgesetzt, über den potenten „Freiheitsmechanismus Markt“. Kann aber die erste der drei gestellten Fragen über die beiden anderen „einfach wegdefiniert“ werden – damit am Ende die Staatsgewalt, der Staat selbst? Die neuesten Finanzkrisen scheinen zu zeigen, dass „der Staat“, die Staaten weithin den „Märkten“ ausgeliefert sind. Schwächen sich jene nicht selbst immer noch mehr, verlieren noch weiteren Einfluss auf ihren „Gegenspieler Markt“, wenn sie auch noch staatsintern Wettbewerbsfreiheit verstärken? Das ist die eigentliche große Dimension der folgenden Betrachtungen: Darf das Staatsrecht „vom Markt unterlaufen“, „ausgehöhlt“, vielleicht gar von ihm ersetzt werden? Geht es hier nicht um eine „Existenzfrage des Staatsrechts als solchen“, vielleicht der Ordnungskraft des Rechts überhaupt11? So wird aus einer marginal erscheinenden Verfassungsfrage geradezu ein Grundproblem des Selbstverständnisses der Wissenschaft vom Öffentlichen Recht12, vielleicht der Staatlichkeit als solcher. Deshalb geht es hier um das Grundverhältnis privater Freiheit zum ordnenden Staat, weit über einzelne Markteingriffe und Privatisierungsprobleme hinaus. Hier begegnet eben, schon in der geistigen Ausgangslage, eine schwerwiegende und grundsätzliche prinzipielle Skepsis im Öffentlichen Recht gegenüber „Markt und Wettbewerb“. Sie gilt es hier zunächst ins Bewusstsein zu heben, bevor sich die grundrechtsdogmatischen Untersuchungen anschließen.
III. Insbesondere: Wettbewerb im Staatsbereich 1. Das Problem der Modellwahl „Staatshoheit oder Wettbewerb“? Die im Folgenden mit Blick auf die Wettbewerbsfreiheit zu erörternde Problematik bezieht sich nicht auf die Frage, welche Rechtsform der Lösung gesellschaftlicher Ordnungsprobleme generell die „bessere“ sei: Staatliche Hoheit bzw. hoheitsgleich wirkendes Staatshandeln in privaten Rechtsformen – oder in markt-wirtschaftlicher Konkurrenz. Es geht nicht primär darum, was von der staatlichen Ordnungsgewalt im Einzelnen „den 11
Grundsätzlich ist diese Fragestellung behandelt in den Beiträgen von Isensee, J., Recht als Grenze – Grenzen des Rechts 2009. 12 Zum Selbstverständnis des Öffentlichen Rechts als einer Wissenschaft vgl. neuerdings Die Leistungsfähigkeit der Wissenschaft des Öffentlichen Rechts, VVDStRL, 2008, dort insb. die Referate von Hillgruber, Volkmann, Nolte und Poscher.
III. Wettbewerb auch im Staatsbereich?
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Märkten in Wettbewerb zu überlassen“, was von diesen wirkungsvoller oder gar optimal zu ordnen sei. Dies wurde neuerdings eingehend behandelt13 und nach dem – nicht unproblematischen – Kriterium optimierender Verwirklichung des Gemeinwohls beurteilt14. Dabei war zwar allgemein über die Qualität wettbewerblicher Lösungen zu sprechen, es waren diese jedoch nicht als Wettbewerbsformen innerhalb des Staatsbereichs in den Blick zu nehmen, gewissermaßen als „Staatsmodelle des Wettbewerbs“. Die Fragestellung der folgenden Untersuchung ist aber eine andere: Hier geht es darum, ob nicht das in privater, grundrechtsgeschützter Wettbewerbsfreiheit entfaltete Wettbewerbsmodell als solches auch im Staats-Bereich eingesetzt werden kann, der als solcher erhalten bleibt und nicht privatem Marktbelieben geöffnet wird. Wird diese Frage bejaht, so mag sich allerdings eine gewisse Privatrechtskonformität im Staatsbereich entfalten, damit mögen sich auch (weitere) Wege öffnen zu einem „Privaten Staat“15. 2. Das Problem „Gemeinwohl“ als Kriterium Dies alles wird aber im Folgenden nicht in einer Optimierungsbetrachtung untersucht, welche wissen will – oder zu wissen glaubt –, „was Gemeinwohl sei“, wie ein solches daher optimal realisiert werden könne, durch (einseitiges) Staatshandeln oder Wettbewerb. Ein solches „Effizienzdenken16“, mit dem Anspruch eines Beurteilungskriteriums, wird im Folgenden weitestgehend ausgeblendet. Es ist problembelastet und diskutabel, es ist allzu sehr Gegenstand politischer Entscheidung, nicht rechtlicher Dogmatik. Diese soll vielmehr im Wesentlichen Wege aufzeigen, die, kohärent beschritten, den Freiheitsraum Privater bestimmen lassen, wie den der staatlichen Handlungsformen. Es geht eben um „Übernahmefähigkeit wettbewerblicher Ordnungsmodelle auf die Staatlichkeit“, nicht um die sich daraus ergebenden Ordnungsqualitäten; diese mag dann das jeweilige Modell beweisen, im Rahmen des gestuften Wertesystems der Verfassung. An die Stelle einer allgemeinen „Gemeinwohlbeurteilung“ tritt dann das Kriterium einer Konformität des Wettbewerbs und seiner Freiheit zu den Grundprinzipien der Staatsform. Diese sind in den Verfassungskonkretisierungen der Grundrechte und des Staatsorganisationsrechts grundgelegt. Zu diesen aber gehört eben auch, ja vor allem: Wettbewerb als Verfassungsprinzip – wenn sich dies erweisen lässt. 13 14 15 16
s. VVDStRL FN 1. Dazu näher noch unter B. IV. sowie unter D. Wege zum „Privaten Staat“ – s. dazu unter E. Leisner, W., Effizienz als Rechtsprinzip, 1971.
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A. Dimensionen der Thematik
IV. Exkurs: (Hinter-)Grundprobleme des Öffentlichen Rechts mit einer „Wettbewerbsordnung“ „Wettbewerb als Verfassungsprinzip“ – das zielt deutlich ab auf (mögliche) Bestimmung eines übergeordneten verfassungsrechtlichen Ordnungsprinzips, aus dem sich dann Grundsätze für privates wie staatliches Verhalten ergeben (können). Damit aber die Dimension der Problematik als solcher deutlich werde, sollen zunächst allgemeine Bedenken behandelt werden, die sich grundsätzlich ergeben, mit Blick auf neueste Entwicklungen. Sie kreisen um das bereits erwähnte Spannungsfeld „Markt“ und „Staat“, konkreter und besonders bedeutsamer Ausprägungen, Qualifikationen, vielleicht Gefährdungen demokratischer Staatlichkeit als solcher in Marktwirtschaft und Wettbewerb. Es sind dies gewissermaßen die Hinter-Gründe der folgenden Problembehandlung zu Wettbewerb als Verfassungsprinzip. 1. „Ökonomisierung“ des Staatsrechts Ökonomisierungssorgen sitzen tief im Staatsrecht, reichen bis in die Problematik des wissenschaftlichen Selbststands der Materie Öffentliches Recht17. Die praktisch bedeutenden Entwicklungen im juristischen Bereich sind die des Privatrechts und einer auf sie konzentrierten Anwaltschaft. Die Rechtswissenschaft in Deutschland gerät immer mehr unter einen amerikanischen Einfluss, der wirtschafts- und vor allem gesellschaftsrechtliche Begrifflichkeiten zum Tragen bringt, dabei auf Märkte blickt und deren Beschränkungen. „Markt“ aber ist Ökonomiedomäne; Betriebswissenschaft unterwandert über die Organisationslehre das Öffentliche Recht, insbesondere das Staatsorganisationsrecht. Privatisierungen dringen auch geistig vor im Öffentlichen Recht18, Kritik kann daran wenig ändern, allenfalls Randbereiche verteidigen, in Marktbeschränkungen durch die Staatsmacht. Das Privatrecht regelt die Produktionsabläufe der Ökonomie, ist von ihr geprägt; das Öffentliche Recht ist und bleibt jedoch Machtrecht, handelt „un-“ökonomisch, behindert sogar insoweit „freies Wirtschaften“. Eine Frontstellung gegen dessen Freiheit ist daher vorgegeben, allem Öffentlichen Recht immanent, vielleicht von jeher. Hier muss ja gedacht werden „in Beschränkungen“, nicht in Freiheiten, also nicht in dem, was Kraft und Interesse der Ökonomie ausmacht und des von ihr entscheidend geprägten Privatrechts. 17
Ökonomisierungssorgen werden im Staatsrecht immer wieder laut, vgl. etwa bei Häberle, P., Europ. Verfassungslehre, 6. Aufl. 2009, an versch. Stellen. 18 Allgemein dazu Leisner, W., „Privatisierung“ des Öffentlichen Rechts. Von „der Hoheitsgewalt“ zum gleichordnenden Privatrecht., 2007, S. 127 ff.
IV. Grundprobleme einer Wettbewerbsordnung
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Dies geht im Wettbewerbsbereich weit über die traditionelle grundrechtliche Frontstellung „Man versus State“, privates Verhalten als Schutzbereich gegen den Staat, hinaus. Der Markt ist Machtträger19 des Privaten; wird er als solcher „vom Staat freigehalten“, so grenzt dies nicht so sehr private Macht aus, als es vielmehr diese gegen den Staat entfesselt, im Namen und mit den Begriffen der Ökonomie. Stellt sich so nicht der Wettbewerbsfreiheit eine Existenzfrage des Öffentlichen Rechts als MachtRecht, muss dieses dagegen nicht reagieren, in einer „Konzentration auf Beschränkungen der Freiheit“, nicht in Suche nach Freiheitsräumen des Wettbewerbs, oder gar in deren Erweiterungen in den Staat hinein? Bedeutet nicht Wettbewerb als Verfassungsprinzip eine Ökonomisierung des Öffentlichen Rechts auf breiter Front? 2. Demokratiebedenken a) „Demokratiesorgen“ belasten eine Behandlung von Wettbewerb als Verfassungsprinzip. Einerseits erscheint diese Staatsform ihrerseits als ein Marktphänomen, hat sich mit der Marktwirtschaft, nur zu oft in deren Gefolge, erst entfalten können. Also liegt es doch nahe, Demokratie als „Markt der Ideen“ auszurichten auf eine Wettbewerbsfreiheit hin, wie diese gerade dann eine solche, eine größere politisch-geistige Machtwirtschaft verlangt20. Doch andererseits kann gerade ein Grundgesetz der Märkte, das deren ganze Dynamik trägt, nicht ohne weiteres auch für die Demokratie als Staatsform gelten: Jede Marktwirtschaft kennt und bejaht, jedenfalls grundsätzlich, den Vernichtungswettbewerb. In ihm aber soll gerade nicht kooperiert werden21, weil ein solches „Kartell“ den Wettbewerb aufheben könnte22; eine Marktvernetzung muss vielmehr in der Freiheit der Vertraglichkeit23 erfolgen, nicht in einer hoheitlichen Befehlsordnung, wie sie aber noch immer in der Demokratie zugrunde gelegt wird. Einen Minderheitenschutz, ein Wesenselement der Demokratie in ihrem „Machtwechsel als System“, kennt die Marktwirtschaft nicht.
19 Zur Entdeckung der Wirtschaft als Machtfaktor vgl. Leisner, W. (FN 18), S. 102 ff. 20 Dazu allg. Hatje, A. (FN 1), S. 137 ff. m. Nachw. 21 In diesem Sinn etwa Lege, J., Drei Versuche über die Demokratie – unter besonderer Berücksichtigung der Idee des Wettbewerbs, JZ 2009, S. 765 (760). 22 Nicht unbedenklich sind dann „Kooperationsformen“ in einem gewissen Gegensatz zum Wettbewerb, s. dazu Hatje, A. (FN 1), S. 149 ff., 162 („Konkordanzdemokratie“). 23 s. Leisner, W., Vertragsstaatlichkeit. Die Vereinbarung – eine Grundform des öffentlichen Rechts, 2009, insb. S. 114,130.
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A. Dimensionen der Thematik
b) In der Schaffung und Erhaltung von politischen konkurrenziellen Gleichgewichtslagen mag die Volksherrschaft zwar zu Zeiten ihren ökonomischen und auch machtmäßigen Output optimieren; dies aber ist für den Wettbewerb nicht wesentlich, nicht für seine Freiheit. Wettbewerbsfreiheit ist wesentlich eine „Freiheit (bis) zur (völligen) Durchsetzung“, Freiheit zum Sieg des Olympioniken, nicht zur ständigen Wiederholung der Spiele von Wettlauf und Kampf. Könnte es nicht sein, dass Demokratie doch etwas „ganz anderes“ ist als Markt und Wettbewerb auf ihm – vielleicht nur ein politischer Rahmen, der die Ökonomie hält, mit der rechtlichen Selbstverständlichkeit einer „amerikanischen“, dort historisch begründeten Überzeugung? Dann bliebe allerdings dennoch die rechtspolitische Frage, ob dieser Rahmen nicht durch den Inhalt der von ihm gehaltenen und begrenzten Wettbewerbsfreiheit (doch wenigstens mit-)bestimmt werden sollte24. Demokratischem Freiheitsstreben entspricht es jedenfalls, die Konstitutivelemente dieser Wettbewerbsfreiheit aufzusuchen und sodann zu versuchen, sie, soweit irgend möglich, im Staatsbereich des Regimes wirksam werden zu lassen, insbesondere etwaige Begrenzungen, wie sie außerökonomische Ordnungs-Notwendigkeiten verlangen, daran zu orientieren. Jedenfalls müsste dann „vom Freiheitsinhalt her gedacht werden“, nicht (nur) aus der Sicht der Begrenzungen der Freiheit. Denn wenn lediglich letzteres das Grundanliegen des Verfassungsrechts darstellt, so steht am Ende vielleicht gar nur mehr „eine Verfassungsfreiheit nach (deren) rechtlichen Begrenzungen“ – eine Gefahr, die bei den Auseinandersetzungen um den Schutz des Eigentums Privater (Art. 14 GG) deutlich geworden ist25. Demokratiesorgen gegenüber dem Wettbewerb und seiner Freiheit sind also verständlich – diese hat sich eben auf einem ganz anderen Feld entfaltet, dem der wirtschaftlichen Märkte, und sie steht nicht unter den politischen Gesetzen des dauernden Machtwechsels und des Minderheitenschutzes. Dennoch darf Wettbewerbsfreiheit nicht nur „von der Demokratie her gedacht“, vielmehr muss auch das Umgekehrte versucht werden: Wenn schon Volksherrschaft in einer Marktwirtschaft – wieviel Marktwirtschaft verträgt dann das politische Regime, wieviel muss es von ihr in sich aufnehmen? Wieviel Wettbewerbsfreiheit braucht eine demokratische Ordnung überhaupt, wieviel von ihr kann sie ertragen? Das aber muss, es wird sich noch zeigen, zunächst jedenfalls in der Wettbewerbsfreiheit von der Ökonomie her bestimmt werden, nicht hoheitlich-politisch; denn es wäre 24
Im Sinne der „Wechselwirkungslehre“ des BVerfG E 77, 206(214); zu dieser Stern, K., Das Staatsrecht der BRD, Bd. IV/1,2006, S. 1476. 25 Der gedankliche Weg führt dann von „immanenten Grundrechtsschranken“ zur Inhaltsbestimmung – ein warnendes Beispiel bietet die Eigentumsgarantie mit den Versuchen der Inhaltsbestimmung des grundrechtlichen Schutzbereichs durch einfaches Gesetzesrecht, Leisner, W., in: HbStR, 3. Aufl. § 173, Eigentum, RN 143 ff.
IV. Grundprobleme einer Wettbewerbsordnung
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schlechthin wirklichkeitsfremd zu verkennen, welche machtvolle Realität hier aller Staatsmacht gegenübertritt – aber eben in wesentlicher Privatheit. 3. Sozialbedenken: Wettbewerb als Ausbeutung a) Mindestens ebenso gravierend sind, dem Wettbewerb und seiner Freiheit gegenüber, tiefreichende Sozialsorgen. Märkte und Wettbewerb versuchen Güter und Leistungen zu verteilen, nicht politische Macht. Sie stehen daher nicht unter den Geboten einer wie immer26 zu verstehenden Sozialstaatlichkeit: Gleichheit und Gerechtigkeit, nach verbreitetem Verständnis: Gleichheit geradezu als Gerechtigkeit. Wettbewerb ist wesentlich auf Ungleichheit gerichtet, Sieger soll es geben und Verlierer, „Konkurrenz als Schwächerenschutz“ mag durchaus zu Zeiten funktionieren, und auch immer wieder, wenn sich eben auch starke Wettbewerber nicht voll durchsetzen können. Darauf gerichtet ist aber auch die strengste Wettbewerbsregelung nicht: es geht ihr nicht um Schutz der Akteure, sondern der Mechanismen; diese aber dürfen, ja sie sollen meist Ungleichheiten erzeugen27. Deshalb konnte der radikale Marxismus Märkte nicht akzeptieren, musste auch freiheitliche Demokratie versuchen, ihre Ordnung in „sozialer Marktwirtschaft“ zu komplettieren. Die nur zu bekannte Erbarmungslosigkeit, ja Unmenschlichkeit, mit der Märkte mit ihrem Wettbewerb Fehler bestrafen wie ein grausames Schicksal, wird immer wieder Gerechtigkeits-, damit aber auch ethische Fragen aufwerfen. b) Diese berechtigten Sorgen lassen sich nun aber nicht dadurch beruhigen, dass Wettbewerbsfreiheit ignoriert, allenfalls stillschweigend vorausgesetzt wird, und man sich sogleich und schwerpunktmäßig ihren Begrenzungen durch staatliche Ordnungen zuwendet. Auch gegenüber diesen Gleichheits- und/als Gerechtigkeitssorgen ist die grundrechtliche Frage zu stellen: Wieviel von dieser Wettbewerbsfreiheit muss eben eine Ordnung nicht doch ertragen, die sich auf Freiheit gegründet sehen will? Dies aber führt weiter zum „Freiheitsgehalt des Wettbewerbs“, noch bevor über dessen Übernahme in den Staatsbereich gesprochen werden kann. Diese Freiheitselemente können durchaus auch durch ihre notwendigen Beschränkungen verdeutlicht werden; sie sollen dabei aber, soweit wie möglich, positiv herausgestellt werden, nicht als „Restgrößen“ erscheinen, nach Abzug der „negativen Definitionselemente“ der staatlichen Schrankenziehungen. 26 Dies gilt selbst für ein freiheitliches Verständnis der Sozialstaatlichkeit, wie etwa bei Sommermann, K.-P. in: v. Mangoldt/Klein/Starck, 6. Aufl. 2010 Art. 20 RN 103 ff. 27 Wettbewerb erzeugt eben und bewahrt wesentlich Ungleichheit zwischen den Wettbewerbern; dazu näher unter C.V.2.
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A. Dimensionen der Thematik
Selbst wenn also Wettbewerbsfreiheit kein Instrumentarium „sozial gerechter Verteilung“ ist – allenfalls noch darin, dass sie Verteilungsmasse bereitstellt – so sollte man sie dennoch „zunächst einmal in/als Freiheit sehen“, in Marktwirtschaft; sodann mag das „Soziale“ hinzu- und in seine Rechte treten: eben in der vielberufenen „Sozialen Marktwirtschaft“ – und in dieser Form dann vielleicht auch in den Staatsbereich übernommen werden. 4. Vorrang der Suche nach dem grundrechtlichen Freiheitsgehalt des Wettbewerbs In der Demokratie ist Wettbewerbsfreiheit also ein Sorgenkind, im wahren Wortsinn: sie bringt Entrechtlichungssorgen – ein Öffentliches Recht, das sich in Ökonomierung verliert, Entdemokratisierungssorgen – eine Marktordnung mit anderen Spielregeln als denen des schwächerenschützenden Machtwechsels, Entsozialisierungssorgen – eine gleichheitswidrig-„ungerechte“ Güterverteilung. All diese Sorgen sind berechtigt, und es muss hier Fehlentwicklungen, soweit nötig und möglich, staatsordnend entgegengetreten werden. Dennoch aber ist zunächst der grundrechtliche Freiheitsgehalt dieser Rechtsfigur des Wettbewerbs herauszustellen; wenn sie ein Verfassungsbegriff sein soll, so muss ihr jedenfalls ein Schutzbereich zugeordnet sein. Sollte das nicht einmal in einem Kernbereich gelingen, so müsste vom Wettbewerb als einem Verfassungs-, vielleicht als einem Rechtsbegriff Abschied genommen werden. Sollten aber Konturen eines Schutzbereichs sichtbar werden, so gilt es, diese zu sichern. Ob und wieweit sich „Wettbewerb“ – darüber hinaus – auf den Staatsbereich im weiteren Sinne übertragen lässt, ob er dort geradezu zum Kriterium, vielleicht gar zum Motor eines „Gemeinwohls“ werden kann – das ist dann ein weiteres, ein metagrundrechtliches Problem, ein solches des Staatsorganisationsrechts, welches anschließend und auf dieser Grundlage zu untersuchen ist (Teil D). Das Grundgesetz geht von einem Bekenntnis zur Freiheit des Bürgers als solcher aus. Ob die Gemeinschaft sie „einfach ertragen“, oder ob und wie sie Freiheit auch noch „ihrem Wohl28 dienstbar machen“ kann, das ist ein 28 Soll die Wettbewerbsfreiheit dem „Gemeinwohl“ dienstbar gemacht werden, so muss zunächst dieser Begriff bestimmt werden, vgl. dazu vor allem Isensee, J., Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: HStR3, Bd. 4, 2006, § 71, S. 3 ff.; ders. Konkretisierung des Gemeinwohls in der freiheitlichen Demokratie, in: von Arnim, H. H./ Sommermann, K.-P. (Hg.), Demokratie und Gemeinwohlsicherung, 2004, S. 95 ff.; ders. die alte Frage der Rechtfertigung des Staates, JZ 1999, S. 265 ff.; Sommermann, K.-P., Staatsziele und Staatszielbestimmungen, 1979, S. 999 ff. Bezeichnender Weise finden sich aber in den doch auf dieses Thema konzentrierten Referaten in VVDStRL FN 1 keine näheren Definitionsansätze. Das Grundproblem liegt zudem schon darin, dass der Begriff der „Allgemeinheit“ im Öffentlichen, insb. im
V. Gemeinschaftsrecht
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ganz anderes Problem, es kann nicht „vorgezogen“, schon „in die Freiheit verlegt werden“; sonst droht Staatsdiktat. „Freiheit als Gemeinwohl“ – das kann leicht zum ideologieträchtigen Credo werden; im Staatsrecht muss es jedoch Aufgabe bleiben.
V. Gemeinschaftsrecht Die folgenden Untersuchungen beschäftigen sich nicht vertieft mit Gemeinschaftsrecht. Wie ihr Titel es ausdrückt ist Gegenstand vielmehr der Wettbewerb in verfassungsrechtlicher Sicht, seine rechtlichen Begriffsinhalte, seine Schranken nach nationalem Recht. Diese Normebene liegt zwischen der des Europarechts und der des einfach-gesetzlichen Wettbewerbsrechts. Dieses Letztere muss hier schon deshalb nicht im Einzelnen Betrachtungsgegenstand sein, weil es am Maßstab des Verfassungsrechts wie des Gemeinschaftsrechts zu messen ist; seine Inhalte dürfen ja nicht systematisch „nach oben“, in die Inhalte der höheren Normschichten hinein interpretiert werden; dies verstieße gegen die Grundkonzeption der pyramidalen Normenstruktur, auch wenn diese heute unter einem speziellen Gesichtspunkt der Staatsform als einer Mehrebenendemokratie behandelt wird29. „Verfassung nach (einfachem) Gesetz“ darf es auch über die Verfassung hinweg „nach oben“ nicht geben; diese Sperre wird im Verlauf der Untersuchung immer wieder begegnen30. 1. Gemeinschaftsrechtliche „Überformung“ Gemeinschaftsrecht könnte dagegen in vorliegendem Zusammenhang als notwendiger Betrachtungsgegenstand gerade deshalb erscheinen, weil es immerhin als normativer Rahmen für die unter ihm liegende Normschicht des nationalen Verfassungsrechts anzusehen sei. In besonderer Weise sogar mag Verfassungsrecht, bereichsspezifische Aspekte aufweist (vgl. etwa „Belange der Allgemeinheit“ beim Eigentum (Art. 14 Abs. 2 S. 1 ff.) oder die „Interessen der Allgemeinheit“ im steuerrechtlichen Gemeinnützigkeitsrecht, § 51 AO). 29 Zum Begriff der Mehrebenendemokratie Lege, J., Das Verfassungsrecht zwischen normativem Anspruch und politischer Wirklichkeit, DVBl. 2007, S. 1053 ff. s. Mauerer, A., Mehrebenendemokratie und Mehrebenenparlamentarismus: Das Europ. Parlament und die nationalen Parlamente nach Lissabon, in: Europ. Integration und parlamentarische Demokratie, Kadelbach, St. (Hg.), 2009, S. 19 ff.; – zum Begriff der Mehrebenendemokratie vgl. auch grds. VVDStRL 66, 2007, Bundesstaat und Europ. Union zwischen Konflikt und Kooperation, insb. die Referate von Kadelbach, St., 7 ff. und Tietje, Chr., S. 45 ff., über „Autonomie und Bindung der Rechtssetzung in gestuften Rechtsordnungen.“ 30 Zur „Verfassung nach Gesetz“ vgl. grds. Leisner, W., Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung, 1964.
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A. Dimensionen der Thematik
es als direktive Normenordnung für das nationale Wettbewerbsrecht angesehen werden, weil „der freie Wettbewerb“ im Europäischen Binnenmarkt nach wie vor zentrales Anliegen der gesamten Gemeinschaftsordnung ist. Der Lissabon-Vertrag sieht in Art. 3 Abs. 1 ausdrücklich die „Festlegung der für den funktionierenden Binnenmarkt erforderlichen Wettbewerbsregeln“ als ausschließliche Zuständigkeit der Union vor. In Titel VII (Art. 101) finden sich „Gemeinsame Regeln betreffend Wettbewerb“. Art. 173 verpflichtet die Union wie die Mitgliedsstaaten zur „Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie“. Eine dementsprechende Wettbewerbsordnung ist überhaupt, für alle Bereiche, normatives Grundziel des gesamten Europäischen Vertragswerkes; in diesem Kontext spricht auch der EuGH immer wieder ausdrücklich eine „Wettbewerbsfreiheit“ an31. 2. Nationalrechtlicher Gestaltungsraum der Wettbewerbsfreiheit a) Dies alles scheint doch dafür zu sprechen, dass der Wettbewerbsbegriff des Nationalen Rechts, mit ihm die Wettbewerbsfreiheit, derart vom Gemeinschaftsrecht bereits „überformt“ sei, dass für eine eigenständige Entwicklung in Deutschland gar kein Raum mehr bleibe. Dem aber ist (noch längst) nicht so. Dem deutschen einfach-gesetzlichen Wettbewerbsrecht bleibt hinreichender Raum für eigenständige Entfaltung, wie tägliche Praxis beweist. Gemeinschaftsrecht wirkt hier allenfalls als ein – im Einzelnen noch durchaus nicht voll konkretisierter – Rahmen. Das nationale Verfassungsrecht muss sich zwar in diesem Rahmen halten. Seine Entwicklung und seine Begrifflichkeiten sind dennoch, als solche, näher zu betrachten; dies eben soll im Folgenden geschehen. b) Das Gemeinschaftsrecht wirkt für die Ordnung des „Wettbewerbs“ weit weniger im Sinne einer Begrenzung, als in dem einer Direktive, welche ihre Inhalte jedoch wesentlich gerade aus nationalen Rechtsentwicklungen bezieht: – Nationales Wettbewerbsrecht hat sich bereits vor einer Gemeinschaftsordnung in diesem Bereich entwickelt; seine Entfaltung liefert dem Gemeinschaftrecht Beurteilungskriterien wie Norminhalte32. 31
Diese gemeinschaftsrechtliche Wettbewerbsfreiheit erscheint denn auch neuerdings in verfassungsrechtlichen Kommentierungen (vgl. Ruffert, M., in: Epping/Hillgruber (RN 6 Art. 12 RN 4)) geradezu als der Regelungsbereich dieser Begrifflichkeit schlechthin. 32 Zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Gemeinschaftsrechts s. u. a. Lauer, M., Primärrechtliche Bindung und Gestaltungsfreiheit des Sekundärgesetzgebers im Rahmen Europ. Rechtssetzung, 2008; Oppermann, Th./Classen, C. D./Nettesheim, M., Europarecht, 4. Aufl. 2009, § 10 RN 33.
V. Gemeinschaftsrecht
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– Über die „Allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts“ konvergieren gerade diese Normelemente zu direktiven Inhalten des Gemeinschaftsrechts. c) Entscheidend ist aber, weit darüber hinaus, dass nationalem Recht im Bereich von Wettbewerb(sfreiheit), auch und gerade in dieser gemeinschaftsrechtlichen Ordnung, doch noch immer weithin Gestaltungs- und Entwicklungsvorrang zukommt. Dies zeigt sich deutlich in Art. 5 Abs. 1 S. 1 des Lissabon-Vertrages. Die Mitglieder „koordinieren ihre Wirtschaftspolitik innerhalb der Union“, als solche bleibt ihnen diese Zuständigkeit aber erhalten. Deutschland hat der Union Zuständigkeiten überhaupt nur nach Maßgabe des Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG übertragen, wie schon für den Maastricht-Vertrag33 und auch für den Lissabon-Vertrag34 vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt worden ist. Diese Union sieht sich damit aber vor allem an ein „Subsidiaritätsprinzip“ gebunden, nach welchem „in erster Linie“ in Deutschland, nach wie vor, deutsches Verfassungsrecht gilt, auch und vor allen in Wettbewerbsfragen35. Überdies hat das Gemeinschaftsrecht einen „diesem Grundgesetz im Wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz zu gewährleisten“ (Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG). Dieser ist nach der „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ von 2007 zu beurteilen. Sie aber spricht eine Wettbewerbsfreiheit ersichtlich nicht in Art. 15 an (Berufsfreiheit als Arbeitsfreiheit), sondern in Art. 16, als Ausdruck einer „Unternehmerischen Freiheit“. Deren gemeinschaftsrechtlicher Schutz richtet sich jedoch „nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten“. Wieder sind es also jedenfalls auch, und nach dem Subsidiaritätsprinzip sogar vorrangig, deutsche nationale Norminhalte, die für den Wettbewerb und vor allem dessen Grundrechtsschutz in Deutschland, insoweit auch in Europa, entscheidend sind. Eine spezielle Behandlung des Wettbewerbs, mit Blick auf das Deutsche Verfassungsrecht, ist also nicht nur zulässig; ihr muss sogar, gerade nach Gemeinschaftsrecht, nach wie vor, dogmatisch jedenfalls, Vorrang eingeräumt werden, mögen die Ergebnisse dann auch über den normativen Vorrang des Gemeinschaftsrechts korrigiert werden. Es begegnen hier zwar 33 Zur Frage der Übertragung von Kompetenzen von Deutschland auf die EU nach dem Maastricht-Vertrag Wahl, R., Die Schwebelage im Verhältnis von Europ. Union und Mitgliedstaaten, Der Staat 48, S. 587 ff.; von Winterfeld, A., Maastricht und das Bundesverfassungsgericht, ZAP Fach 25, S. 33 ff. 34 Zum Lissabon-Vertrag in diesem Zusammenhang vgl. Wiemers, M., in: Der Lissabon-Vertrag und das Bundesverfassungsgericht, VR 2010 S. 73 ff. 35 Zu dieser Subsidiarität näher Classen, C., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 6. Aufl. 2010 Art. 23, RN 40.
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A. Dimensionen der Thematik
zahlreiche normative Verflechtungen gemeinschaftsrechtlicher und nationaler Ebenen; es ist aber bereits aus dem neuerdings besonders betonten Selbststand der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, aus deren Rechtsordnungen heraus nicht nur rechtsstaatlich legitim, sondern unabdingbar, deutlich voneinander abgeschichtete – eben Mehrebenen-Betrachtungen durchzuführen. In einer (auch späteren) Gesamtsystematik mögen sie dann zusammengeführt werden. Einstweilen aber bleibt Gemeinschaftsrecht – noch immer – auch hier eine eigenständige Rechtsmaterie.
B. Wettbewerb und Verfassungsrecht in der historischen Entwicklung I. Das vorverfassungsrechtliche Öffentliche Recht: Konkurrenz der Machtträger – Kriegsrecht 1. Römisch-mittelalterliches Recht als Organisation der Staatsmacht a) Das Römische Staatsrecht1 mag das moderne Verfassungsrecht geistig viel weitergehend beeinflusst haben, als es heutiger Dogmatik bewusst ist. Es suchte politische Staatsgewalten in einer historischen Ausgangslage des Nebeneinander aristokratischer und plebejischer Mächte in der Republik zu ordnen; gerade dies hat, vor allem über die Staatsgeschichte und Staatstheorie2 Frankreichs, bedeutsamen Einfluss auf das Werden des modernen Staatsrechts genommen. Diese Formen wirkten organisationsrechtlich bis in die späte Kaiserzeit weiter, bedeutsam selbst noch unter dem normativen Dach der imperialen Gesamtorganisation. Doch hier, und damit in den Quellen, die vor allem auf die nachfolgenden Jahrhunderte wirken sollten, zeigten sich nun nicht mehr Bürgerfreiheiten, organisationsrechtlicher Forderungsschutz wie noch zur Zeit der Republik; es war dies ein streng hoheitliches Organisationsrecht, ohne wesentliche grundrechtliche Folgewirkungen, es sei denn in einigen Bereichen der Gerichtsordnung. Konkurrenz und Marktwirtschaft fand statt, aber nicht primär in Ordnungen des Öffentlichen Rechts, sondern in denen des zukunftsträchtigen Römischen Privatrechts, während die publizistischen Beziehungen zwischen den Reichsteilen sehr bald, nach heutigen Kategorien, völkerrechtlichen Charakter annahmen. Das Römische Privatrecht regelte jene rechtlichen Instrumente, welche Private anwendeten, für viele Jahrhunderte, in denen sie ihre von ihnen geschaffenen Märkte privat-machtmäßig ordneten, ihre privaten Mächte zum Ausgleich brachten. Obligationen- wie Sachenrecht betrafen damit im Er1 In der Verbindung der klassisch von Mommsen, Th., Römisches Staatsrecht, 1871 ff. dargestellten Gegenstände und der „Römischen Rechtsgeschichte“ als historischer Einführung in das Römische Zivilrecht, grdl. Sohm, R., Institutionen des Römischen Rechts, 1884. 2 Auf Römisches Staatsrecht greift Montesquieu im Esprit des Lois laufend zurück, vgl. den Überblick in der Londoner Ausgabe von 1768, Bd. IV, S. 547 f. Zu Rousseau siehe Contrat social, Livre III.
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B. Wettbewerb in der historischen Entwicklung
gebnis weithin das Wettbewerbsverhalten, Güterverteilungen und Güterbewegungen auf Märkten; doch ihr Gegenstand war nicht primär der „Wettbewerb“, die Macht der Wettbewerber auf größeren Märkten, welche der militärisch-politischen Regelungsgewalt der jeweiligen Zentralen unterlagen. Wettbewerb funktionierte in einer mehr oder weniger zünftisch geregelten Freiheit der Korporationen. Sie stellten eine gewisse Gleichheit sicher, in Zugangsbedingungen und Verhaltensweisen; doch nicht dies hat sich auf das spätere Verfassungsrecht forterben lassen, wendete sich dieses doch im Namen gerade der Freiheit sogleich gegen Zwischengewalten. Das Römische Recht stellte lediglich einen machtmäßigen Rahmen für solche ökonomische private Initiativen zur Verfügung, es ordnete sie in einem gewissen zünftischen Feudalismus: ein Machtrecht Privater gegen die Staatsgewalt, im Namen dieses bereits mediterranen Wettbewerbs, im Sinne einer grundrechtlich-freiheitlichen Fragestellung – es konnte nicht entstehen. Die imperiale Ordnung war immer noch, bis zu ihrem politischen Ende, eine letzte Fortsetzung der alten römisch-aristokratischen Militärstaatlichkeit. Ihr Staatsrecht wirkte – der Codex zeigt es – auf das Privatrecht bedeutsam ein. Staatsrecht aber blieb Organisationsrecht, ohne den typisch modernen Bezug einer Markt- und Wettbewerbsfreiheit. b) Im „Staat des Hohen Mittelalters“3 entfaltete sich eine Situation, die, betrachtet nach den Kategorien des späteren Öffentlichen Rechts, in ihren Grundlinien bis zum Ancien Régime andauern sollte, dem die Französische Revolution ein Ende setzte; dies gilt jedenfalls für „Märkte“ und „Wettbewerb“ in ihrem Verhältnis zu jener rechtlichen Ordnung, welche später „Verfassung“ heißen wird. In diesen langen Jahrhunderten gibt es – selbstverständlich – allenthalben größere und kleinere Märkte, Warenaustausch auf ihnen in Wettbewerb. Bestimmt und weithin auch gelenkt wird all dies aber in einem eigenartigen „Primat der Politik“: Zunehmend bildet sich eine Vielfalt von Machtträgern in Europa heraus, sie konkurrieren um „die Macht“, was lange Zeit der Nachfolge in Römische Imperialität gleichgesetzt wird, sodann in den Wettstreit der teilweise neuen Machtträger mit dem „Reich“, und untereinander, übergeht. Diese politische Machtkonkurrenz führt zu einem Wettbewerb, der immer wieder auch Gleichgewichtsvorstellungen zum Tragen bringt: zwischen Kaiser und Papst, später in Deutschland zwischen fürstlicher und kaiserlicher Gewalt und zwischen den Territorialherren. Dies alles vollzieht sich über eine „Konkurrenz um Menschen“, um Gewaltunterworfene und damit auch um ihr wirtschaftliches Verhalten und dessen Ergebnisse. Doch auf der Ebene dieser Politik, die später in Verfassungsrecht geordnet werden soll, ist dies nicht ein primär ökonomischer Wettbewerb, sondern in erster Linie politischer Machtkampf; 3
Mitteis, H., Der Staat des Hohen Mittelalters, 1940.
I. Das vorverfassungsrechtliche Öffentliche Recht
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und dieser Primat des Politisch-Militärischen setzt sich später noch in den großen Kolonialkriegen fort. Wettbewerb gibt es also allenthalben, ökonomisch wie politisch, in einer oft kaum entwirrbaren Gemengelage dieser Bereiche; doch er findet seine Ordnung nicht in Verfassungsvorstellungen, die erst weit später entstehen, sondern in erster Linie, wenn nicht ausschließlich, in kriegerischen Auseinandersetzungen. 2. Machtwettbewerb als Kriegsrecht Wettbewerb gibt es also zwar allenthalben, zwischen den politischen Einheiten dieser Perioden um „die Machtausübung“, im Inneren zur Ordnung von deren wirtschaftlichen Abläufen. Doch normativ kann all dies nicht erfasst werden in Ordnungen einer als solcher staatsrechtlich bewussten Wettbewerbsfreiheit. Ein Verfassungsbegriff, der einen Rahmen dafür böte, ist nicht entwickelt, die Über-Instanz einer Reichsgewalt, die all dies rahmenmäßig ordnen könnte, existiert nicht. Daher bleibt es bei den ersten geistigen Entwicklungen eines Kriegsrechts4 im Sinne des „bellum iustum“ und den Regeln einer Wirtschaft, wie sie biblische Vorstellungen erlauben. Letztlich aber sind dies rechtliche Ordnungen von Auseinandersetzungen in Unterwerfung unter eine höhere, allgemeine Ordnung, nicht Erscheinungsformen eines belebenden, als solchen zu ordnenden Wettbewerbs auf höherer Ebene. Gleiches vollzieht sich sogar im geistig-bildungsmäßigen Bereich der gesellschaftsordnenden Religion: Konkurrenzen kann es hier nur innerhalb einer großen Kirche geben, geduldet etwa in einem Nebeneinander von dominikanisch-thomistischer und franziskanischer Theologie – im Übrigen herrscht nicht geistiger Wettbewerb, sondern Religionskrieg bis zur Vernichtung der Gegner. Nicht politischer Wettbewerb ist da, sondern Krieg, Kriegsrecht und beginnendes Völkerrecht in Koexistenz; Markt, Wettbewerb und Verfassung – das sind noch unbekannte Beziehungspunkte. 3. Ancien Régime: Wettbewerb unter Völkerrecht und Genossenschaftsrecht a) Soweit die politische Entwicklung in Europa weiterläuft ohne tiefere Einflüsse der beginnenden Aufklärung, entfaltet sich vor der Französischen Revolution noch immer keine formierte öffentlich- rechtliche Wettbewerbsordnung mit politischem Verfassungsrang. Es verfestigt sich jedoch eine Koexistenzsituation in den großen Friedensordnungen von 1648 und 1713, 4 Zur historischen Entwicklung des Kriegsrechts vgl. Ipsen, J., Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 65.
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B. Wettbewerb in der historischen Entwicklung
welche die Existenz eines Droit public de l’Europe5 ins juristische Bewusstsein heben. Auch dort, in dieser auf Vertrag gegründeten Rechtsordnung, sucht man eine übergreifende, bewusst gestaltete öffentlich-rechtliche Wettbewerbsordnung vergeblich: Machtinstrumente werden im Einzelnen bereitgestellt und in ihrer rechtlichen Wirksamkeit beschrieben – Vertraglichkeit steht seit Grotius im Vordergrund, vor ihm bereits gewohnheitsrechtliche Übung – die das politische Nebeneinander in geordneten Wettbewerb überzuleiten versuchen. Immer noch aber geht es um die Macht, um konkurrierende Mächtigkeiten und ihre Gefahren, nicht etwa um deren belebenden Wettbewerb. Daher kann auch nicht Maximierung oder gar Potenzierung das Ziel einer solchen inter-staatlichen Rechtsordnung sein; Konfliktminimierung, Risikovermeidung für die Wirtschaft stehen im Vordergrund der politischen Ordnung des Öffentlichen Rechts – und diese Grundzüge werden weiterwirken, bis in spätere Verfassungsperioden hinein: friedliche Wettbewerbsordnung ist eben noch lange nicht Wettbewerbsordnung in Freiheit. b) In dieser Zeit entsteht politisch aber doch etwas wie eine erste, als solche in ihrer Koexistenz sich bewusste Staatengemeinschaft, und dies bringt geistige Räume hervor, in denen sich längst schon im internen Recht dieser Staaten begonnene Entwicklungen, in deren öffentlich-rechtlichen Machtordnungen, fortsetzen und verstärken können. Otto von Gierke hat dies gültig in seinem „Genossenschaftsrecht“ beschrieben6: Wo Herrschaftlichkeit nicht dominiert, entfaltet sich ein reiches genossenschaftlich-gesellschaftsrechtliches Leben, seit dem späteren Mittelalter. Mit dem Gesellschaftsrecht der Holländer, Franzosen und Engländer, mit den kolonialen „Companien“ erreicht es in seinem Wettbewerbsverhalten kolonial-internationalrechtliche Dimensionen. Parallel dazu entwickelt sich, in gegenseitiger nun auch deutlich rechtlicher Befruchtung, immer stärker ein Gilden-, Zünfte-, eben ein Korporationenrecht. In ihm hatte sich eine Wettbewerbsordnung seit Römischen Zeiten, über Kreuzzüge und Hansa hinweg, stets erhalten, immer wieder auch mit normativ höherem, nach heutigen Vorstellungen geradezu völkerrechtlichem, jedenfalls einem öffentlich-rechtlichen Anspruch. Es verdichtete sich dies auch in einem Binnenland wie es die deutschen Territorien wesentlich bleiben mussten. Im Genossenschaftsrecht wurden größere Dimensionen in einer Verbindung von Regelungen öffentlich- und privatrechtlicher Aktivitäten erreicht, immer deutlicher in Formen, 5
In damals noch selbstverständlicher Gleichsetzung mit einem Völkerrecht, in dem allein etwas wie Konkurrenz vorstellbar ist. 6 s. die Darstellung von Gierke, O. v., Das Deutsche Genossenschaftsrecht, 1. Aufl. 1868 ff. (Neudr. 1954), Bd. 1 zur Geschichte der Genossenschaften, Bd. 3 u. 4 zur Übernahme genossenschaftlicher und herrschaftlicher Vorstellungen in das Öffentliche Recht.
I. Das vorverfassungsrechtliche Öffentliche Recht
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die alsbald als öffentlich-rechtliche fortgesetzt werden sollten. Und hier nun entfaltete die Teilnahme aller Genossen wettbewerbs- und wirtschaftspotenzierende Kräfte. In klar geordneten Märkten mochten sie fest abgegrenzt sein, doch hier herrschte intensive Konkurrenz. Aristokratische Organisation musste dominieren in Achtung und Fortsetzung von Traditionen; doch diese wurden immer mehr durch Konkurrenz der individuellen Leistungsstärken weiter entwickelt, ja aufgebrochen. Über die zünftischen Ausbildungskompetenzen reichte dies hinein bis in geistige und vor allem künstlerische Wettbewerbe; die nationalen Akademien, insbesondere die Französischen, wie die internationalen, etwa die Malerakademie von San Luca in Rom, sind bedeutsame Beispiele für echten Leistungswettbewerb, mochte er auch immer noch in Schulen kanalisiert sein und dort stets von Neuem veröden. c) Ab dem ausgehenden 16. Jahrhundert und bis zur Französischen Revolution kam es auch immer deutlicher zu politischen, ja ökonomischen Überwirkungen dieser korporativistisch-genossenschaftlichen Entwicklung in den nun als solchen deutlich öffentlich-rechtlich geordneten staatlichen Bereich. Beispiele ganz unterschiedlicher Art finden sich etwa in der aristokratisch regierten venezianischen Handelsrepublik, in welcher ökonomischer Wettbewerb immer stärker die Machtverhältnisse beeinflusste. Eine ganz andere Entwicklung, letztlich aber in dieselbe Richtung, hatte in Frankreich eingesetzt, in einer aristokratisierenden Föderalisierung, welche über die regionalen Parlements deutlich ökonomisch gestützte Zwischengewalten an die Macht bringen wollte – sie wurde allerdings vom Absolutismus gebrochen. In Deutschland führte die Vervielfältigung territorialer Machtträger ganz unterschiedlicher Ordnungen, ihre teilweise enge Koexistenz, vor allem zwischen Städten und geistlichen Fürsten, zu wettbewerblichen Berührungen, die immer stärker das prägten, was man damals als Deutschen Reichs-Zustand, in diesem Sinn als eine Art von Verfassung bezeichnen konnte. So drängt langsam, völkerrechtlich aber eben auch schon intern-genossenschaftsrechtlich, ja herrschaftsrechtlich ein Wettbewerbsdenken vor, insbesondere in das machtmäßig aufgegliederte, zersplitterte Deutschland. Doch eines gilt noch immer: „Wettbewerb und Verfassungsrecht“ ist kein großes Rechts-Thema; Wettbewerb entwickelt sich, aber erst muss doch Verfassungsdenken hinzutreten; und bis dahin, bis zu Berührungen beider, ja Verbindungen, sollte es noch dauern, bis in die Gegenwart.
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B. Wettbewerb in der historischen Entwicklung
II. „Wettbewerb“ am Beginn demokratischer Verfassungsstaatlichkeit – Wettbewerbsferner Konstitutionalismus 1. Aufklärung: Freiheit gegen den Staat a) Die Aufklärung kennt, nach ihren Ursprüngen wie in ihrer ganzen Entwicklung, ein Staatsrecht als Wettbewerbsordnung nicht. Es geht ihr um Freiheit als ein Ziel an sich; was aus ihr wird, wie sie gebraucht wird, eben dies ist nicht Gegenstand eines staatlichen, hoheitlichen Ordnens. Seit der Magna Charta ist es stets diese in ihrem Kern persönliche Freiheit, im Prozess gegen staatliche Haft, die grundrechtlich geschützt werden soll, nicht die einer privaten Tätigkeit gegenüber Aktivitäten anderer Privater. Und dieser Freiheitsbegriff der Grundrechte gründet in einem aufklärerischen Optimismus, in welchem sich die Anthropozentrik der Renaissance bruchlos fortsetzt: Der in diese Freiheit des Individuums Entlassene wird von ihr „guten Gebrauch“ machen, zu menschlichen Höchstleistungen. Einer öffentlichen Organisation solcher Freiheitsbetätigungen zur Erreichung derartiger Optimierung und Maximierung bedarf es nicht. Die geistige Freiheit gewährleistet ja gerade eine Bildung und Erziehung, welche den Nebenmenschen in seiner menschlichen Höchstwertigkeit achtet „ganz natürlich“, eben naturgegeben. b) Die rechtliche Dogmatik des öffentlichen Rechts ist damit für Jahrhunderte festgelegt worden auf einen Schutz der Freiheit in der Staatsrichtung. Er beherrscht die Grundrechtsdogmatik noch heute7; in allen Freiheitsstatus ist der Staat Gegner oder Leistungspartner im Raum von Bürgeraktivitäten. Nicht vom Einzelnen gehen Gefahren aus für diese vom öffentlichen Recht zu schützende Freiheit, sondern letztlich allein von der Staatsgewalt, verstanden allerdings in einem weiteren Sinne. Soweit es überhaupt etwas gegeben hat wie eine Staats-Grundstimmung der Freiheit, seit der Französischen Revolution, während des gesamten Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts und letztlich bis weit hinein ins 20. Jahrhundert – stets ging es um die Sicherung dieser Unabhängigkeit vom Staat, nicht um Beziehungen zu anderen Bürgern. Hier übernahm der Liberalismus die Fackel der Freiheit, setzte diese absolut, so weit wie dies irgendwie faktisch als möglich erschien. Zugleich verdrängte er den Staat immer weiter aus seinen Regelungskompetenzen und Freiheitseingriffen gegenüber dem Bürger. Aus dieser Grundrechtlichkeit heraus waren also Märkte und Wettbewerb als solche kein Thema des neu entfalteten, verfassungsrechtlich sich verfestigenden öffentlichen Rechts, allenfalls seine Schranken. 7
Vgl. näher unten C.IV.6.
II. Beginn demokratischer Verfassungsstaatlichkeit
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2. Demokratie und Wettbewerb – Der konkurrenzblinde Volkssouverän Hatte das neue, aufklärerische Verfassungsdenken dem Öffentlichen Recht bereits im Namen seiner Freiheitlichkeit eine derartige Grundstimmung mitgegeben, so verstärkte sich diese nun noch mehr und ganz grundsätzlich dort, wo in Kategorien der volkssouveränen Demokratie8 gedacht wurde. Dieser gewissermaßen zweite große Aufklärungsschub in den Lehren Rousseaus wirkte ebenso ordnungsmächtig wie wettbewerbsblind: eine Frage nach Wettbewerb konnte es hier letztlich nicht geben. Das Volk tritt nach diesen Vorstellungen ja nur an die Stelle des absoluten Fürsten; Demokratischer Absolutismus steht als eine „ganz andere Macht“ weit jenseits von Allem, von aller Konkurrenz. Demokratisches Problem mag es sein, diesen unwiderstehlichen Volkswillen möglichst perfekt sich bilden zu lassen; doch für die individuellen Schweizer Demokratievorstellungen des volkssouveränen Denkers aus diesem Lande konnte hier nicht das Problem einer Meinungskonkurrenz oder gar eines wettbewerblichen Parteienpluralismus auftreten; entscheidend war die egalitäre Formierung des Volkswillens und sodann seine unbedingte Geltung. Allenfalls mochte es noch zum Problem werden, wie eine Degeneration in kollektive Tyrannei verhindert werden könne; dazu stand dann aber das allgemeine freiheitliche Denken in schützender Reserve bereit. In dieser Kombination von Demokratie und Grundrechtlichkeit, wenigstens in ihren Grundsätzlichkeiten, konnte das neue Verfassungsdenken bis in die Gegenwart sich in der Ruhe einer Ausgewogenheit sicher fühlen. Die Wettbewerbsfrage musste, ja sie durfte aus demokratischer Sicht gerade nicht institutionell auftreten, kannte doch der neue Souverän, das Volk, zwar den Zusammenlauf zu seinen Entscheidungen, nicht aber einen Wettbewerb um seine Macht und innerhalb derselben. Folgerichtig war es also, dass erst Mitte des 20. Jahrhunderts überhaupt die Problematik der Parteienvielfalt und ihrer Konkurrenz verfassungsrechtlich aufgegriffen wurde9. Das Verfassungsrecht der Demokratie als solcher, als einer Erscheinung absoluter Rechtsmacht, kann Wettbewerb nicht kennen, es ist dies kein Markt von Gütern und Mächtigkeiten. Hier schließen sich Menschen zusammen, sie konkurrieren nicht. Das tiefere Spannungsverhältnis Konkurrenz – Ordnung, das ja durchaus stets gegenwärtig bleiben muss, wird hier gewissermaßen staatsrechtlich wegdefiniert.
8 „Zum Volk“ als Träger der Volkssouveränität, s. Leisner, W., Das Volk. Realer oder fiktiver Souverän, 2005. 9 In der Übernahme der Parteienregelungen in die Verfassung, zu dieser Entwicklung Streinz, R., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 6. Aufl. 2010 Art. 21, RN 1 ff.
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B. Wettbewerb in der historischen Entwicklung
3. Staatsverfassungsrecht, nicht „Normordnung von Bürgerbeziehungen“ Das gesamte 19. Jahrhundert, mit seinem auch heute noch grundlegenden Konstitutionalismus des Rechtsstaats, kennt kein privatordnendes Staatsrecht. In den bedeutenden Lehrbüchern des Staatsrechts im 19. Jahrhundert geht es im Wesentlichen um Organisationsrecht einer Staatsgewalt, die sich mit sich selbst beschäftigen und darin den Organisatorischen Freiheitsschutz gewährleisten soll.10 Ein Staatsrecht mit Prinzipien für den Privatbereich setzt erst, in größerem Stil, ein mit den Ordnungsversuchen der Weimarer Reichsverfassung, in einer Zeit, welche die Ordnungsstaatlichkeit in der Gesellschaft entdeckte und ihre Mächte. Aber auch hier noch sucht man nähere und typisch verfassungsrechtliche Regelungen des Wettbewerbs vergeblich. Der liberale Staat hatte eine Grundentscheidung für die Gewerbefreiheit getroffen, und dies, mit rechtlicher Selbstverständlichkeit, in dem einfachen Gesetzesrecht der Gewerbeordnung 1869 niedergelegt. Doch dies war eben im Grunde eine Abgrenzungsentscheidung, nicht ein systematischer Ordnungsversuch, in welchem sich verfassungsrechtliche Grundprinzipien mit privatrechtlichem Verhalten hätten verbinden, dieses mit auch nur einiger Systematik hätten regeln wollen. Im Namen der neuen Freiheit und ihrer organisatorischen demokratischen Grundlegung entfernte sich das Verfassungsrecht eher noch weiter von einem grundsätzlichen Anspruch der Regelung privater Beziehungen als frühere Zeiten, welche hier immerhin ohne rechtliche Rücksichten hoheitliche Gewalt angewendet hatten. So ist das geltende Verfassungsrecht mit seiner gesamten Dogmatik entwickelt worden in Zurückhaltung gegenüber Märkten und ihrem Wettbewerb, Ordnungsmaterien, die man dem ja ebenfalls immer höher entwickelten Zivilrecht glaubte überlassen zu können. Etwas wie eine „Gewaltenteilung des Rechts“ zwischen einer privatrechtlichen Ordnung und einer öffentlich-rechtlichen Rahmensicherung liegt dieser gesamten Entwicklung seit der Französischen Revolution bis in die Gegenwart noch immer deutlich zu Grunde. Der Wettbewerb, als wesentliches privates Verhalten verstanden, konnte so lange Zeit, zu „seiner spezifischen Freiheit“ nicht finden. Aus dem alten Wettbewerb um Macht ist im Verfassungsstaat etwas wie eine Macht ohne Wettbewerb entstanden. Geblieben war eben das Verfassungsrecht als Staatsrecht, nicht als Normordnung von Bürgerbeziehungen. 10 In bedeutenden Lehrbüchern des Staatsrechts findet sich am Ende des 19. Jahrhunderts nichts über Wettbewerb (vgl. etwa Laband, Staatsrechts des Deutschen Reiches, 3. Aufl. 1901; Zorn, P., Das Staatsrechts des Deutschen Reiches, 2. Aufl. 1895. Bd. 1).
III. Das Vordringen der Wettbewerbsordnung
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III. Das Vordringen der Wettbewerbsordnung in der Gesetzgebung 1. Der Wohlfahrtsstaat In der englischen Staats- und Wirtschaftswissenschaftlichen Entwicklung war seit dem Ende des 17. Jahrhunderts die „Allgemeine Wohlfahrt“ als Gegenstand und Ziel wirtschaftpolitischen Handelns und auch bereits als Maxime frühliberaler Staatsentwicklung entdeckt worden11. Das alte bonum commune wurde nun zu allererst gesehen im wirtschaftlichen Wohlergehen der gesamten und eben der gerade bereits staatstragenden Bürgerschaft. Die Lehre vom Streben nach dem plus grand bien du plus grand nombre als Forderung auch des politischen Liberalismus, als tatsächliche Möglichkeit aus kolonialen Reichtümern, warf erstmals die systematische Frage auf nach den besten Organisationsformen einer Gemeinschaft, welche dieses Ziel verfolgte. Damit aber war dies zugleich ein staatsrechtliches geworden, in der frühdemokratischen Bewusstwerdung des staatstragenden Charakters des Verhaltens aller Bürger. Soweit Märkte und Wettbewerb auf ihnen zugleich als Ausdruck politischer Freiheit gesehen wurden, ganz selbstverständlich in deren Namen politische Achtung verlangten wie in England, war damit zu allererst Rückzug der Staatlichkeit aus dem wirtschaftlichen Geschehen angesagt, am Ende aller ökonomischen Dirigismen, durch Zerstörung zünftischer Zwischengewalten. Dieser Weg verlief in Richtung auf die Anerkennung einer Gewerbefreiheit als einer gesetzlich anzuerkennenden ökonomischen Selbstverständlichkeit12. Darüber hinaus aber schob sich geistesgeschichtlich ein Wettbewerbsdenken ins Staatsrecht ganz allgemein, in der Forderung nach einer Wohlfahrtsstaatlichkeit, welche nun die Aufgabe des Staates auch, wenn nicht vor allem, in der Ordnung von Märkten erkannte. Bis ins Verfassungsrecht, das sich nach wie vor mit der Staatsorganisation vor allem befasste, mochte diese Entwicklung noch nicht sogleich hinaufreichen; in ihr wurde aber das wirtschaftliche, und damit bereits damals vor allem das Wettbewerbsverhalten der Bürger als staatlicher Förderungsgegenstand erkannt, vor allem in der völkerrechtlichen Entwicklung der Konsulate13 lieh der Staat dem seinen Schutz. So war Förderungsstaatlichkeit generell im Wohlstandsdenken als Staatsaufgabe erkannt, zur Regelungsmaterie geworden und damit in Maximierung und Optimierung 11 Zur Wohlfahrtsstaatlichkeit s. Leisner, W. G., Existenzsicherung im Öffentlichen Recht 2007, S. 371 ff. m. Nachw. 12 Zur Geschichte der Gewerbefreitheit vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 5, 2000, S. 414. 13 s. zur Geschichte der Konsulate, Berber, F., Völkerrecht, 1. Aufl. 1960, Bd. 1, S. 290 f.
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zu verfolgen, mochte dies auch noch immer vor allem auf einfach-gesetzlicher Ebene erfolgen. 2. „Soziale“ Staatsaufgabe: Wettbewerbsordnung in Sozialversicherung Waren so ökonomisches Verhalten und damit vor allem auch Wettbewerb ins Blickfeld staatlichen Ordnens getreten, so entfaltete sich, aus denselben liberalen Wurzeln, alsbald das „Soziale“ als Gegenstand staatlichen Ordnens, vor allem des ökonomischen Wettbewerb. Zügellose Konkurrenz war es ja vor allem, welche in der ersten großen Industrialisierung Notzustände hatte entstehen lassen, denen mit wohlfahrtsstaatlicher „Armenpolizei“14 nicht beizukommen war. Der Preiswettbewerb des beginnenden Maschinenzeitalters hatte Arbeitsmärkte hervorgebracht und sie in eben solcher erbarmungsloser Härte dem Wettbewerb ausgeliefert. Hatte der Liberalismus den Wettbewerb als faktisch staatstragende Wirtschaftsordnung hervorgebracht, so trat dem nun ein sozialistischer Solidarismus entgegen, der sich nur ebenso selbstverständlich gegen Markt und Wettbewerb wenden konnte. Damit wurde eine neue „soziale“ Ordnung zur drängenden Staatsaufgabe, und es wandelten sich darin, wirtschaftlich wie nun auch staatsrechtlich, die Wettbewerbsvorstellungen. Mit der Bismarckschen Sozialversicherung kam es erstmals zu einer „einfachen“ Gesetzgebung, welche den später geläufigeren Begriff der „materiellen Verfassung“ voll verdiente. Diese Ordnung mochte noch genossenschaftlich konzipiert sein, darin auf frühere Entwicklungen geistig zurück greifen – letztlich bedeutete dieser solidaristische Gegenseitigkeitsschutz eine Wendung gegen ökonomisches Konkurrenzdenken und dessen Marktwirtschaft ohne jede Existenzsicherung. Versicherung war stets in der Rechtsentwicklung eine – wenn auch stillschweigende – Sicherung auch gegen konkurrenzielle Übergewichte gewesen, die sich etwa in Folge von Unglücksfällen einstellen konnten. Nun war, mit der Sozialversicherung, eine erste, flächendeckende und im Grunde eben doch wettbewerbsordnende einfache Gesetzgebung entstanden. Dies sollte sich, bis in das „Säulendenken“ des verfassungsrechtlichen Versicherungsrechts immer mehr, wenn auch noch immer unbewusst-undeutlich, im Staatsrecht verfestigen15.
14 „Armenpolizei“ konnte denn auch in keiner Weise als Ausdruck einer wettbewerblichen Tätigkeit erscheinen, auch nicht zwischen Kommunen, vgl. dazu Leisner, W. G., FN 11. 15 Das „Säulendenken“ beherrscht nach wie vor das Sozialversicherungsrecht, vgl. für die Krankenversicherung BVerfGE 123, 186; 124, 25.
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3. „Unlauterer Wettbewerb“: Einfaches Gesetzesrecht als Marktordnung Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts verstärkte sich das Gesetzesrecht in großen Kodifikationen in Deutschland, näherte sich so ganz allgemein einer „Verfassungsordnung im materiellen Sinn“, welche die Weimarer und Bonner Verfassung vorfinden, in ihre Prinzipien rezipieren, mit ihrem normativen Schutz durch Institutionalisierung schützen sollten. In diesem größeren Zusammenhang eines langsamen Hinaufwachsens des einfachen Gesetzesrechts in die normativen Höhen späteren Staatsrecht wurde auch das Recht der Märkte und ihres Wettbewerbs in neue, ordnende Dimensionen gehoben. Mit dem Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb zog das Parlament als einfacher Normgeber konkretisierende Ordnungsfolgerungen aus dem Reichsstrafgesetzbuch mit seinen Betrugsverboten und dem Bürgerlichen Gesetzbuch mit seinem Sittlichkeitsgebot. Schutz gegen Exzesse des Konkurrenzverhaltens wurde nun nicht mehr nur den gewaltunterworfenen Arbeitnehmern zuteil, sondern ebenso den unter Verdrängungsdruck leidenden Unternehmern. Damit erreichte die einfach-gesetzliche Wettbewerbsordnung sogar etwas wie eine gewisse sozialpolitische Gleichheitsbalance zwischen Kapital, Unternehmerschaft und Arbeitnehmern. So konnte sich Wettbewerbsordnung ins Staatrechts immer mehr hineinschieben, ohne dass dort eine eigentliche konkurrenzrechtliche Diskussion darüber stattfand. Strafrecht wie Allgemeines Zivilrechts, dessen größer-flächige Konkretisierungen im Versicherungsrecht und bald auch im Arbeitsrecht, schließlich die feineren Verästelungen des eigentlichen Wettbewerbsrechts des UWG – all dies zusammen schuf bereits bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts eine marktund wettbewerbsrechtliche Regelungsdichte, die aber staatsrechtlich kaum bewusst, daher eben auch nicht als solche Gegenstand eines „Wirtschaftsverfassungsrechts“ war. Ein solches entfaltete sich erst nach 194516. Nun kam es, in denselben 50er Jahren, zu einer weiteren, entscheidenden Entwicklung, und damit zu einem grundsätzlichen Schlusspunkt des einfachgesetzlichen staatlichen Wettbewerbsordnens.
16 „Wirtschaftsverfassung“ ist darin ein im wesentlichen zusammenfassender Materienbegriff, nicht Behandlung (der Grundzüge) eines geschlossenen Systems, welches für das Grundgesetz vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt wurde, BVerfG E 50, 290 (336 ff.); dazu Scholz, R. in: Maunz, Th./Dürig, G., GG Art. 12 RN 77 ff.
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4. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – Drittwirkung der Grundrechte a) Unter dem (Ein-)Druck amerikanischer Entwicklungen kam es zu Diskussionen im Deutschen Arbeits- und Wirtschaftsrecht in einer Dimension, welche die Verfassungsebene erreichte. Die deutsche Antimonopolgesetzgebung wurde erstmals eindeutig mit freiheitsrechtlichen Argumenten begründet und durchgesetzt17: mit jenem „Keine Freiheit den Feinden der Freiheit“, welches zur gleichen Zeit die entsprechende Ordnung des politischen Parteienrechts, damit eben des politischen Wettbewerbs, begründet hatte. Die Einheit von politischem und ökonomischem Wettbewerb war erkannt, das „kapitalistisch-liberale Verfassungsrechts“ des Grundgesetzes öffnete sich bewusst diesen Problemstellungen. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen war eindeutig materielles, wenn auch einfachgesetzliches, „Verfassungsrecht“. Dass es seine eigene Entwicklung gefunden hat, dass die großen Verfassungsdiskussionen der Folgejahrzehnte in ihm nur geringe Spuren hinterlassen haben – darin allerdings setzte sich noch immer der weite Abstand zwischen dem Staatsrecht und dem ökonomischen Konkurrenzverhalten fort; zur Vorstellung von einer systematischen „Wettbewerbsfreiheit“ kam es auch nicht im Gefolge des GWB. b) Nicht zufällig wurde in denselben Jahren erstmals intensiv in Deutschland über die „Drittwirkung der Grundrechte“18 im Staatsrecht diskutiert. Zwar war es nicht das Wettbewerbsrecht, welches dabei im Vordergrund stand, zu rasch und allgemein wurden Versuche unternommen, seine Grundsätze einer Drittrichtung der Freiheit gegenüber dem Konkurrenten, vor allem im Zivilrecht, durchzusetzen; Widerstand dagegen im Namen der Privatautonomie verhinderte aber den vollen Durchbruch des Drittwirkungsdenkens im Verfassungsrecht. Immerhin sollte hier die Diskussion bis in die Gegenwart nicht mehr zum Stillstand kommen. Die Wendung des Freiheitsschutzes vom Staat über die „sozialen Gewalten“19, bis hin zum mächtigen privaten Wettbewerber, erschien eben geradezu als eine dogmatisch nicht nur folgerichtige, sondern notwendige Entwicklung. Wenn es auch nicht sogleich gelang, Freiheit in größerer Dogmatik des gesamten Privatrechts durchzusetzen, so wuchs doch dieses Zivilrecht in der Beachtung grundrechtlicher Direktiven, in der sogenannten „mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte“, in 17 Zur Entwicklung der Kartellkontolle vgl. Scholz, R., Konzentrationskontrolle und Grundgesetz, 1971. 18 Vgl. im Folg. C.IV., 4.–6. 19 Zu den „Sozialen Gewalten“ in einem früheren Verständnis, s. Leisner, W., Grundrechte und Privatrechte, 1960, S. 293 ff.
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eine untrennbare Verbindung von Gesetzes- und Verfassungsrecht hinein und hinauf. Dass damit ein gefährlicher Synkretismus von einfachem Gesetzesrecht und Verfassungsrecht entstand, in der Verfassungskontrolle durch das Bundesverfassungsgericht nicht überzeugend aufgelöst werden konnte, ändert nichts daran, dass hier erstmals auch dogmatisch eine Wettbewerbsfreiheit auf Verfassungsebene Entwicklungsversuche durchlaufen konnte. Wenn schon alle Grundrechte des grundgesetzlichen Kataloges Privaten gegenüber wirken sollten, wenn sich dies in den traditionellen Sicherungsbereichen, vor allem des Arbeitsrechts, verfestigen konnte – waren dann nicht Türen geöffnet zu einer allgemeineren Dogmatik der Wettbewerbsfreiheit? Bedeutete ihre Sicherheit denn wirklich nur Schutz gegen den hoheitlich wettbewerbsordnenden Staat, musste er nicht ebenso gegenüber dem freiheitsbedrohenden Konkurrenten gewährt werden? Diese Entwicklung ist nach 1949 angestoßen worden; gerade aber weil sie zu einer ausgebauten Ordnung im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen geführt hat, mochte es bis in die Gegenwart scheinen, als gebe es hier keine drängende Notwendigkeit zu schwerpunktmäßig verfassungsrechtlicher Regelung. Immerhin: Wettbewerb ist zwar nur eine privatrechtliche Tätigkeit wie so viele andere; wie der Verkehr sicherheitsrechtlich zu ordnen ist, so gilt dies eben auch für eine „Ordnungsmaterie Wettbewerb“. Kann hier aber die Grundrechtsdogmatik wirklich Halt machen auf Dauer, ist nicht eine vertiefende Begründung der Wettbewerbsfreiheit verfassungsrechtlich eben doch gefordert? Diesen Fragen musste sich nun das demokratische Staatsrecht zuwenden. Auszugehen war dabei aber vom Fazit der Entwicklung des Verhältnisses von Wettbewerb, Märkten und Staatsrecht: die gesamte juristische Geistesgeschichte20 sah bis in die Gegenwart Wettbewerb nicht als ein juristisches Verfassungsprinzip, sondern eben doch nur als ein Modell ökonomischen Verhaltens. Notwendige Folge war, dass sich die in dieser Entwicklung verfassungsrechtlich ebenso wenig eindeutig anerkannte „Marktwirtschaft“ ihren eigentlichen staatrechtlichen Standort vertiefend suchen musste. Wichtige Versuche sind dazu, gerade in letzter Zeit in einer Richtung unternommen worden, die man als „Demokratietheorie des Wettbewerbs“ bezeichnen kann (i. Folg., IV). Sie führen dann zu den Möglichkeiten und der Notwendigkeit der Anerkennung eines Grundrechts der Wettbewerbsfreiheit, von dort weiter zu der eines „Wettbewerbs als Verfassungsprinzip“, mit Wirkung auf das gesamte Staatsrecht. 20 Dies zeigt etwa der Artikel „Wettbewerb“ im Staatslexikon der Görres-Gesellschaft, 5. Aufl. 1932, Bd. 5, Sp. 1269 (Gundlach, G., S. J.); 6. Aufl. 1960, Sp. 647 ff. (Wessels, Th.) und Sp. 649 ff. (Mestmaecker, E.-J.) – nirgends tritt eine vertiefende Verfassungsproblematik in Erscheinung.
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IV. Die „Demokratietheorie“ des Wettbewerbs 1. Die „Wettbewerbsferne“ der Deutschen Staatslehre im 20. Jahrhundert Für die klassische Allgemeine Staatslehre war Wettbewerbsfreiheit als solche ebenso wenig ein Thema wie für das vorgrundgesetzliche Staatsrecht21. Eine spezifische Grundrechtsfrage stellte sich hier schon deshalb nicht, weil nach (spät-)liberaler Überzeugung das Wettbewerbsverhalten sich eben im privaten Bereich abspielte. Was es „für den Staat“ bedeuten könnte, insbesondere dessen Organisation, war daher nicht rechtsgrundsätzlich zu untersuchen. Spezielle Aspekte eines wirtschaftlichen Wettbewerbsverhaltens wurden in anderem Grundrechtszusammenhang, insbesondere bei Eigentum und Freizügigkeit erfasst. Insbesondere die Allgemeine Staatslehre der Weimarer Zeit hatte sich unter diesen positivrechtlichen Gegebenheiten mit einer „Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht“ nicht vertiefend zu beschäftigen, sich keinen zukunftsweisenden Untersuchungen zu widmen. Soweit sie unter staatlich-korporativistischem Einfluss stand22, war dies bereits begrifflich ausgeschlossen: dieser Ansatz bedeutete ja, gerade umgekehrt, den Versuch einer Einbindung des Wettbewerbs in eine größere Staatsorganisation, letztlich seine Auflösung in dieser. Die normativistische Reaktion darauf, insbesondere Hans Kelsen23, verbannte Wettbewerbserscheinungen prinzipiell in einen außerrechtlichen Bereich, einen Ordnungsgegenstand, der sich nach faktischen, eigenen Kriterien entwickelte. Der Integrationslehre24 ging es zwar um einen Wert21 In den meisten Bearbeitungen zur Allgemeinen Staatslehre nach 1949 wird die Problematik auch nicht aufgegriffen, vgl. etwa von Arnim, H. H., Staatslehre der BRD 1984; Döhring, K., Allgemeine Staatslehre 1991; Ermacora, F., Österreichische Verfassungslehre 1970; Herzog, R., Allgemeine Staatslehre 1971; selbst bei Zippelius, Allgemeine Staatslehre, 16. Aufl. 2010, erscheint der Wettbewerb nur allgemein in seiner Bedeutung für die Öffentlichkeit (§ 28) oder im Zusammenhang mit der Gleichheit (§ 34) als Gegenstand einer historischen Betrachtung föderalistischer Freiheitsvorstellungen (§ 29, II.). Eine Ausnahme stellt die Behandlung des Wettbewerbs bei Krüger, H., Allgemeine Staatslehre, bereits 1. Aufl. 1964, S. 454 ff., i. S. eines „Staatsmodells Wettbewerb“ dar. Diese Ausführungen, die aus der Grundstimmung zur Zeit des Erlasses des GWB heraus verständlich werden, sind heute weitgehend in Vergessenheit geraten; sie verdienen es, wieder aufgegriffen zu werden – eben in der Allgemeinen Staatslehre. 22 s. dazu Kaiser, J. H., Ständestaat, Staatslexikon der Görres-Gesellschaft, 6. Aufl. 1962, Bd. VII, Sp. 655: Für die katholische Soziallehre war Wettbewerb kein Staatsprinzip, da sie wesentlich auf Solidarität setzte, vgl. auch Gundlach, G. (FN 20). 23 In seiner Allgemeinen Staatslehre von 1925 ist Wettbewerb denn auch kein Thema.
IV. Die „Demokratietheorie“ des Wettbewerbs
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ansatz, der grundsätzlich allem Seienden gegenüber geöffnet war; zu den Werte-Überzeugungen, in deren Namen das deutsche Volk einig sein oder werden sollte, gehörte vielleicht allgemein eine Freiheit, die auch den Wettbewerb umfassen und schützen mochte; eine spezielle Wettbewerbsorientierung konnte aber dort nicht zum Problem werden, wo letztlich vor allem Neubefestigung der Strukturen einer zerbrochenen Staatlichkeit das Ziel war. Und die politischen Kräfte der Weimarer Zeit zählten eben doch, und zunehmend, den Wettbewerb nicht zu ihren Grundwerten, von Kommunisten und Sozialisten über ein ständeordnungsorientiertes Zentrum bis hin zu Deutsch-Nationalen und National-Sozialisten. Der Dezisionismus25 betonte und suchte immer intensiver nach staatlichen Entscheidungsstrukturen in grundsätzlicher Frontstellung gegen einen – doch wesentlich privaten – Wettbewerb, ja gegen Grundrechte als solche26. 2. Die Diskussion um die „Ökonomische Demokratie“ a) Das Deutsche Staatsrecht und seine Staatslehre konnten also zu einer Wettbewerbsfreiheit als solcher in vertiefender Betrachtung aus sich heraus zunächst nicht finden, waren sie doch lange Zeit beschäftigt mit einer Wiederbefestigung, nach 1949 mit einem weitgehenden Neubau der organisierten Staatlichkeit in Deutschland. Die eigentlichen Impulse kamen von außen, vor allem aus den Vorstellungen der amerikanischen Besatzungsmacht. Das amerikanische Anti-TrustRecht hatte zu einer Kartellkontrolle geführt27, die mit dem Grundsatz „Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit“ staatsrechtliche Kriterien im ökonomischen Bereich einsetzte: „Keine Wettbewerbsfreiheit für die Feinde des Wettbewerbs“. Was im organisatorischen Verfassungsbereich zum Parteienverbot führen konnte28, durfte doch auch im ökonomischen Raum des Wettbewerbs ein Verbot marktbeherrschender Kartelle begründen. Damit war eine Brücke zum Staatsrecht geschlagen, und zwar zu seiner nun dominanten Dogmatik der Staatsform der Demokratie; es war eine ökonomische Brücke. 24
Smend, R., Verfassung und Verfassungsrecht, 1927. Carl Schmitt hat sich denn auch in seinen verfassungsrechtlichen Aufsätzen, Materialien für eine Allgemeine Staatslehre, 1954, (aus den Jahren 1924 bis 1954), die nach 1949 auch für die neue demokratische Staatsform bedeutsam waren, mit Wettbewerb nicht näher befasst. 26 Zur Frontstellung des Dezisionismus gegen Grundrechte als solche vgl. Forsthoff, E., Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938, S. 1 ff. 27 Vgl. oben III.a). 28 Die Grundsatzrechtsprechung des BVerfG zur „Streitbaren Demokratie“ (vgl. BVerfG E 2, 1; 5, 85) erlaubte insoweit gewisse Parallelen zur Kartellkontrolle im Wettbewerbsrecht, erging sie doch kurz vor Inkrafttreten des GWB. 25
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B. Wettbewerb in der historischen Entwicklung
b) Diesen grundsätzlichen staatsrechtlichen Brückenbau verstärkte alsbald einer noch weit tragfähigerer, wie es schien: von der Wettbewerbswirtschaft zur Staatsform als solcher, von ökonomisch-soziologischen Ufern aus zur Politik. Bahnbrechend war Joseph Schumpeters gedankliche Verbindung von Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie29, liberal akzentuiert in den Schriften Friedrich von Hayeks30. Sie haben nicht nur bis in die Gegenwart Wirtschaftswissenschaften31 und Wirtschaftsrecht in Deutschland stark beeinflusst, insbesondere nach 1949 zur Zeit der Übernahme von kartellrechtlichen amerikanischen Vorstellungen. Die Verbindung zur Demokratie32 als Staatsform, die auf Wettbewerb aufruhte und ihn rechts-grundsätzlich forderte, ist seither eine angelsächsische Diskussionsdomäne geblieben, hat vor allem die politologisch orientierte Demokratietheorie33 erreicht, auch in Deutschland. Dort mochte zwar schon bald eine Verfassungstheorie der Marktwirtschaft gefordert werden34; dies geschah aber gerade nicht ausgehend von einer grundrechtlichen Wettbewerbsfreiheit. In Amerika war diese eine Selbstverständlichkeit35, als Legitimations- und Stabilisierungsmechanismus der fundamental-amerikanischen Marktordnung verstanden und als solche im Kalten Krieg letztlich erfolgreich gegenüber der Negation von Wettbewerb und Markt im Osten. Wettbewerbsfreiheit ist nach einem solchen Verfassungsverständnis derart unangefochten, dass man ihre wesentlichen Inhalte „einfach voraussetzen“ und sie dann im (Staats-)Recht weiterdenken kann. Erleichtern mag dies auch ein ebenfalls genuin angelsächsisches Approximationsdenken36, das nicht die Rücksicht auf die ausgebaute kontinentaleuropäische Grundrechtsdogmatik zu nehmen braucht. Da jen29
Schumpeter, J., Kapitalismus, Sozialismus, Demokratie, 7. Aufl. 1993. Insbesondere Hayek, F. A. v., Individualismus und wirtschaftliche Ordnung, engl. 1948, dt. 1952. 31 Vgl. Kotzur, M., A 21, S. 175 insbesondere zur methodischen Seite der „Entdeckung des Gemeinwohls“. 32 Die Verbindung Wettbewerbsfreiheit zur demokratischen Staatsform ist geradezu eine angelsächsische Diskussionsdomäne geworden, wie die zahlreichen bei Kotzur (FN 31) aufgeführten Schriften belegen. 33 Marktproblematik hat vor allem die politologisch orientierte Demokratietheorie geprägt, vgl. Kotzur (FN A 21, S. 178). 34 Zur Frontstellung in Deutschland gegen eine Ökonomisierung des Öffentlichen Rechts, s. etwa Häberle, P., Soziale Marktwirtschaft als „Dritter Weg“, ZRP 1993, 383 ff. 35 Das Wettbewerbsverständnis ist im deutschen Öffentlichen Recht, (vgl. FN A 1), neuerdings überaus stark durch amerikanische Vorstellungen zum Wettbewerb als Grundlage der Demokratie beeinflusst, die allerdings in die weithin konsensgeprägte deutsche Staatsordnung nicht ohne weiteres übertragen werden dürfen, vgl. dazu die vorsichtige Distanzierung bei Hatje (FN A 1, S. 137). 36 Die in ihrer Weite, oft auch in ihrer unbekümmerten Spontaneität, auf das deutsche Öffentliche Recht zunehmend attraktiv wirkende angelsächsische Begrifflich30
IV. Die „Demokratietheorie“ des Wettbewerbs
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seits des Atlantiks die „Übernahmematerie Wettbewerb“ konsensgetragen und – daher! – als geklärt erscheint, gilt es dann nur mehr in vielen Arenen37 – Bereichen – demokratiebegriffliche Entwicklungsarbeit zu leisten. 3. Die Diskussion in Deutschland: Wettbewerbsdemokratie ohne grundrechtliche Wettbewerbsfreiheit? a) Hier zeigt sich nun – als gegenwärtige „geistige Lage“ der Freiheit in Deutschland – der eingangs38 erwähnte Befund auch in wissenschaftlicher Einkleidung, nicht mehr nur als ein Phänomen juristischer Praxis. Dass man die „Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht“ des Grundgesetzes in dessen Erläuterungswerken neuerdings nicht mehr im Mittelpunkt findet39, oft kaum mehr erwähnt, hat seinen Grund nicht nur in den erwähnten Sorgen, welche der Markt als eine herkömmliche Crux des Staatsrechts im Verfassungsrecht auslöst. Vor allem führt es auf eine wissenschaftliche Entwicklung zurück, welche zwar „an sich“ Wettbewerb und Markt als staatsformrelevante Begriffe betrachtet, womit dann eigentlich doch Wettbewerbsfreiheit ein notwendiger Ausgangspunkt für alle Betrachtungen dieser „Wettbewerbsdemokratie“ sein sollte. Es ist aber eben das Gegenteil eingetreten, wie sich in den neuesten Diskussionen40 zeigt, geradezu als eine Grundstimmung des Deutschen Staatsrechts: die Erörterungen finden nun, jedenfalls zum Staatsund Verwaltungsrecht, nahezu ausschließlich darüber statt, ob und wie weit Demokratie eine Wettbewerbsdogmatik in all ihren wichtigen Fassetten in sich aufnehmen sollte, und wie weit dies in einem demokratie-optimierenden Sinn möglich ist. Diese Auseinandersetzung wird aber nicht mit Schwerpunkt darüber geführt, was denn (überhaupt) übertragbar ist, vorher noch: was sich denn als Grundrechtsbereich bereits im (Staats-)Recht als garantiert vorfindet. Der Brennpunkt wird vielmehr bestimmt durch ein teleologisches Kriterium: ob sich durch solche Wettbewerbs-Übernahmen das „Gemeinwohl“ optimierend erreichen, ob sich so wenigstens eine Annäherung daran realisieren lasse41. Dies wird wiederum nicht „ökonomisch“, sondern von den Wertvorstellungen der Staatsform aus gesehen und untersucht. keit – „Governance“ als Beispiel (vgl. Kotzur FN A 1, S. 191) – und ihre Unklarheiten sind einer dogmatischen Vertiefung nicht immer zuträglich. 37 Ob der Begriff „Arena“ der dogmatischen Kategorie des „Regelungsbereichs“ Wesentliches hinzufügen kann, muss allerdings bezweifelt werden, (vgl. dazu Hatje, FN A 1, S. 145, Kotzur, S. 189). 38 Vgl. FN A 21. 39 Wettbewerbsfreiheit wird in der neuern Kommentarliteratur zum Grundgesetz nur mehr spärlich behandelt, vgl. FN A 6. 40 VVDStRL FN A1, auch in der Diskussion zu den Referaten von Hatje und Kotzur.
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b) Im Einzelnen zeigt diese Diskussion neuerdings: Die Frage „Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht“ kommt als solche bei den Erörterungen über „Demokratie als Wettbewerbsordnung42“ nicht vor. Konkurrenz als privatrechtliches Wirtschaftsphänomen ist hier nicht Gegenstand, die kartellrechtliche Problematik des Wirtschaftsrechts nicht Ausgangspunkt. Der Begriff der Marktwirtschaft erscheint nur am Rande, meist als „Marktversagen“, staatliche Verantwortung für die Märkte wird damit folgerichtig nicht primär als Problem gesehen43. Da der gesamte Komplex des Wettbewerbs nicht von seinen ökonomischen Ausgangspunkten her betrachtet, sondern begrifflich von seinen wirtschaftlichen (Konstitutiv-)Elementen und -wirkungen weitestgehend gelöst wird, können all jene Folgen nicht im Mittelpunkt stehen, die unter dem Stichwort „Staatseingriff in den privaten Wettbewerb“ die Grundrechtsbedeutung einer Wettbewerbsfreiheit aber ausmachen44. „Entlassung der Hoheitsstaatlichkeit in Wettbewerb“, vor allem in Privatisierung, ist insoweit vielleicht ein Staatlichkeitsphänomen, aber eben kein Thema für vertiefende Dogmatik. Wettbewerb wird so vielmehr als eine allgemeine Erscheinung gesehen, die in ganz unterschiedlichen Bereichen auftritt, und sie wird stets allgemein, gerade nicht in Rückbindung an den wirtschaftlichen Wettbewerb behandelt. Folgerichtig ist auch Konkurrenz „zwischen Rechtsordnungen“ zu betrachten, welche auf einer „Metaebene“ angesiedelt sein soll45. Konsequent ist es dann, wenn die Problematik zugleich „vom Wettbewerb aus weitergedacht“ wird, hin zum notwendigen, demokratischen Konsens46. Hier ergeben sich Ausblicke auf wesentlich demokratische Pro41 Was das Gemeinwohl als „Zielvorstellung“ anlangt, so wird dies allerdings nicht immer ausdrücklich auf die Annäherungs/Optimierungskategorien der Rechtsgrundsätzlichkeit zurückgeführt (vgl. zu diesem Leisner, A., Kontinuität als Verfassungsprinzip 2002 S. 165 ff.; Unger, S., Das Verfassungsprinzip der Demokratie, 2008, S. 91 ff.), sondern eher i. S. von einzelnen Wirkungen des Wettbewerbs auf die Organisation der Staatsform Demokratie gesehen. 42 Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht kommt dort nicht vor, Privatrecht, insbesondere wird Kartellrecht nicht näher behandelt. Das kann so verstanden werden, dass eben „Wettbewerb“ lediglich als ein faktisch-außerrechtlicher Tatbestand gesehen wird, nicht als ein normativ ins Recht transformierter Begriff. Es läuft dies auf ein Verständnis hinaus, das dann von vorne herein den Grundrechtscharakter einer spezifischen Wettbewerbsfreiheit leugnet; vgl. dem gegenüber näher unten C.I. 43 Dieses staatliche Marktkontroll- und Marktteilnahmeverfahren als Verfassungsproblem müsste weitergehend in der Diskussion (vgl. FN A 4) eine Rolle spielen. 44 „Privatisierung“ als Verfassungsproblem (vgl. FN A 8) ist eben im Grunde vor allem ein Wettbewerbsproblem. 45 So soll Wettbewerb denn auch in eine „Metaordnung“ eingebettet werden, vgl. Peters, A., FN A 1, S. 37 ff.
V. „Wettbewerb als Verfassungsprinzip“
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blemlagen; so wird insbesondere die Spannungslage zur Mehrheitsdemokratie gewürdigt.
V. Untersuchungsprogramm zu „Wettbewerb als Verfassungsprinzip“ in dieser Entwicklungslage Diese Diskussionslage aus neuester Zeit zeigt: unter dem Vorzeichen des Wettbewerbes werden Erörterungen über zahlreiche Grundprobleme des Regimes der Volksherrschaft geführt, seine Organisationsformen und deren Rückführbarkeit auf Erscheinungen, die allerdings eher einer Pluralismusbetrachtung47 zuzuordnen sind als einer solchen von „wettbewerblichen Verfassungselementen“. Diese Impulse – und Gefahren – der Konkurrenz können aber nicht von ökonomischen Erscheinungen derselben abgeschichtet werden, mit denen sie die Allgemeinheit wie die tägliche juristische Praxis verbinden. Einer Diskussion über den Wettbewerb auf dem Niveau der Demokratietheorie ist daher eine solche auf positivrechtlicher, staatsrechtlicher Ebene über die Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht vorzuschalten. In der für grundrechtssystematische Betrachtungen herkömmlichen Art ist dabei nach dem Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit, damit auch nach dessen Grenzen zu fragen, sodann nach den staatlichen Eingriffen in diesen und deren verfassungsrechtlicher Rechtfertigung (i. Folg. C). Auf dieser Grundlage ist dann Wettbewerb als möglicher Verfassungsbegriff im inneren Staatsbereich zu untersuchen, im Hinüber- und Hineinwachsen von Phänomenen der Marktwirtschaft in die Staatlichkeit (i. Folg. D). Hier können die Ergebnisse dann als Erscheinungen einer „privaten Staatlichkeit“ betrachtet werden (i. Folg. E). Dabei werden sich auch Überlegungen zu einer „Konkurrenzialisierung der Demokratie“ ergeben. Dass dies letztere auch in Zukunft weiterhin einen Mittelpunkt des Interesses im Öffentlichen Recht darstellen wird, darf angenommen werden; es folgt dies schon aus den verständlichen Sorgen der Vertreter dieses Rechtsgebiets vor dessen „Ökonomisierungen“ und „Privatisierungen“, letztlich aus der traditionellen begrifflichen Staatsbezogenheit des gesamten öffentlich-rechtlichen Denkens nicht nur auf inhaltliche Wirkungen von Staatseingriffen, sondern auch auf deren Rechtsformen und organisationsrechtliche Ausgestaltungen. 46 s. dazu Scheuner, U., Konsens und Pluralismus als verfassungsrechtliches Problem, in: Jakobs, S. (Hg.), Rechtsgeltung und Konsens, 1976, S. 33; Randelzhofer, A., Konsens und Konflikt, 35 Jahre Grundgesetz, 1986. 47 Zur Pluralismusdiskussion s. Nachw. b. Leisner, A., Vielfalt – Ein Begriff des Öffentlichen Rechts, 2004, S. 32 ff.
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B. Wettbewerb in der historischen Entwicklung
Hier muss aber eben der Blick zunächst auf den Regelungsgegenstand der Wettbewerbsfreiheit fallen – auf die private Freiheit, um aus deren Inhalten die Übernahmefähigkeit von Wettbewerbsvorstellungen in den freiheitlichen Staat hinein zu bestimmen und auch zu begrenzen. Die Grundfrage lautet dabei: Wieviel von dieser Freiheit erträgt dann dieser freiheitsordnende Staat, und an sie erst schließt sich die weitere nach seiner sich daraus freiheitskonform, freiheitsschützend entfaltenden Organisation an, eben die nach dem „organisatorischen Freiheitsschutz“, der den ausgrenzend-grundrechtlichen ja nicht ersetzen, sondern, ausgehend von ihm, ihn vollenden soll.
C. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht – Begriff, Schutzbereich I. „Wettbewerbsfreiheit“ – (nur) ein Begriff des einfachen Gesetzesrechts? 1. „Wettbewerbsfreiheit“ – ein verfassungsrechtlicher Begriff? Das Wort „Wettbewerbsfreiheit“ wird zwar, in Rechtsprechung wie Schrifttum, laufend gebraucht1, es werden ihm auch verfassungs-rechtliche Kommentierungen gewidmet – zu Art. 2 Abs. 2 GG2 und Art. 12 Abs. 1 GG3. Im Handbuch des Staatsrechts wird es häufiger erwähnt4, teilweise auch in näheren Ausführungen5. Dennoch fällt auf, dass es in neueren Erläuterungen zum Grundgesetz nur mehr spärlich verwendet wird6. Dass „Wettbewerbsfreiheit“ einen Verfassungsbegriff darstellt, sollte aber doch eigentlich dann anzunehmen sein, wenn jener Wettbewerb, über dessen Freiheit hier gesprochen wird, seinerseits einen Rechtsbegriff darstellt, der in der „Wettbewerbsfreiheit“ mit der zentralen Verfassungsbegrifflichkeit der Freiheit verbunden wird; Wettbewerb als Rechtsbegriff wurde aber immerhin, auch in nachgrundgesetzlicher Zeit ganz selbstverständlich von einer Lehre bejaht, die wohl auch heute noch als herrschend bezeichnet werden kann7. Dass der Begriff Wettbewerb im Grundgesetz als solcher nicht vorkommt, steht seiner Verfassungsbegrifflichkeit nicht entgegen; es gilt dies auch für zahlreiche andere, insbesondere freiheitsrechtliche Begrifflichkeiten, wie etwa der des Vertragsrechts als solchen oder des Rechts der 1 Nachw. bei Manssen, G., in: Mangoldt/Klein/Starck, 6. Aufl. 2010, Art. 12 RN 70. 2 Di Fabio, U., in: Maunz/Dürrig, Art. 2, RN 143. 3 Überblick über den Meinungsstand bei Di Fabio, FN 2 RN 143. 4 s. in der 1./2. Aufl. etwa Breuer, R., Freiheit des Berufs § 147, RN 63. 5 In der 3. Aufl. wiederum Breuer, R., Freiheit des Berufs § 170, RN 89; Kirchhof, P., behandelt lediglich den Wettbewerb als Rechtfertigung der Sozialen Marktwirtschaft (§ 169 RN 99 ff.: Erwerbsstreben nach Maß des Rechts). 6 Vgl. FN A 6; auch bei Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011), wird sie nur kurz angesprochen, vgl. Art. 2 RN 13, Art. 12 RN 15, 15b, veranlasst durch Erwähnungen in der Verfassungsrechtsprechung. 7 Knöpfle, R., Der Rechtsbegriff Wettbewerb, S. 222; derselbe BB 1971, 1517.
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C. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht
Werbung. Und überhaupt kann die Verfassungsdogmatik nicht begrifflich auf Texterwähnungen im Grundgesetz beschränkt werden. Dass im Wirtschaftsrecht Wettbewerb nicht gesetzlich definiert ist8 und im einfachgesetzlichen Wettbewerbsrechts wie in den Wirtschaftswissenschaften zahlreiche, sich oft auch widersprechende, „Wettbewerbsmodelle“ angetroffen werden, spricht ebenfalls noch nicht gegen eine Verfassungsbegrifflichkeit der Wettbewerbsfreiheit – ganz abgesehen von etwaigen Rechtswirkungen übergeordneten Gemeinschaftsrechts auf die deutsche Rechtsordnung9. Denn immerhin wird der Wettbewerbsbegriff einer kartellrechtlich geschützten Wettbewerbsfreiheit seit Jahrzehnten zugrunde gelegt10. Dort mögen durchaus Diskussionen darüber stattfinden, welche (zusätzlichen) Definitionselemente hier noch heranzuziehen sind11. Denn es geht dabei ja nun um näher konkretisierendes einfaches Gesetzesrecht. Die erwähnte literarische Zurückhaltung, die sich übrigens auch in der bereits dargestellten „demokratiebezogenen“ Behandlung des Wettbewerbs fortsetzt12, hat ersichtlich einen anderen, grundrechtsdogmatischen Grund: „Wettbewerb“ mag zwar ein Rechtsbegriff sein; er bezieht sich auf einen „faktisch vorgefundenen Lebenssachverhalt“, der aber nach verbreiteter Meinung allenfalls vom einfachen Gesetzesrecht geregelt, nicht jedoch von der Verfassung als solcher in Bezug genommen wird. Fazit einer solchen „grundrechtskritischen Sicht“ der Wettbewerbsfreiheit wäre dann: Wettbewerb wäre kein grundrechtlicher Schutzbereich, also könnte es auch kein „Grundrecht Wettbewerbsfreiheit“ geben. Mehr noch: je stärker jener „Markt auch faktisch wirkt“, ohne den ein Wettbewerb nicht gedacht werden kann, desto weniger dürfen dem diesen Bereich ordnenden Staat – eben doch: der Staatsgewalt – zu seinem Schutz auch noch verfassungsrechtliche Fesseln angelegt werden. 2. Wettbewerbsfreiheit: ein „missverständlicher Begriff“? a) Gegen eine „Wettbewerbsfreiheit“ als Grundrecht, werden auch grundsätzliche Bedenken vorgebracht: Sie sei ein „missverständlicher Begriff13“, dieser sollte „verabschiedet“ werden14, jedenfalls aus dem Verfassungsrecht, 8 Bunte, H.-J., in: Langen/Bunte, Kommentar zum Deutschen und Europäischen Kartellrecht, 11. Aufl. 2010, RN 63 m. Nachw. 9 Vgl. dazu f. viele Ruffert, FN A 6. 10 Bunte, FN 8. 11 Bunte, FN 8 RN 64. 12 Siehe dazu bereits B. IV. 13 Manssen, FN 1.
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während ihm im Verwaltungsrecht, etwa als „Konkurrenzschutz“ gegen den Staat, durchaus noch Berechtigung zuerkannt wird15. Die Begründung dafür wird in der Grundrechtsdogmatik selbst gesucht: es fehle an dem für ein Grundrecht erforderlichen „besonderen Freiheitssubstrat16“. Ein „Schutzbereich“ lasse sich nicht bestimmen – folgerichtig auch keine Grundrechtsqualität. Es handele sich nur um eine Beschreibung dessen, was irgendein im Grundgesetz genanntes Freiheitsrecht – u. a. auch – schützen solle, etwa Art. 12 Abs. 1 GG: „Dabei wird der Blick lediglich etwas stärker darauf gelenkt, dass nicht nur rechtliche Normierungen, sondern auch sonstiges staatliches Handeln wie Planungen oder Subventionierungen Eingriff in das Grundrecht (hier wohl gemeint: der Berufsfreiheit; d. Verf.) sein können. Ein über die allgemeinen Regeln (wohl wiederum „der Berufsfreiheit“; d. Verf.) hinausgehender Schutzgehalt lässt sich auch für die „Wettbewerbsfreiheit“ nicht ableiten17. b) Diese Kritik überzeugt jedoch nicht. Wenn der „Verfassungsbegriff Wettbewerbsfreiheit“ nur eine „Beschreibung dessen (ist) was das Grundrecht (des Art. 12 Abs. 1 GG) neben anderem auch gewährleistet“ (Herv. v. Verf.), so bezeichnet eben „Wettbewerbsfreiheit“ doch gerade einen „Teil des Schutzbereiches“ der Berufsfreiheit. Es ist aber zulässig, ja üblich, solchen spezifischen Schutzbereichen den Namen einer besonderen „Freiheit“ hinzuzufügen, diese als eine spezifische zu sehen und sie dann auch inhaltlich speziell zu bestimmen, in ihren Schutzwirkungen auszugestalten. Dies ist ständig praktizierte dogmatische Begriffsdogmatik und bedarf hier keiner weiteren Belege, denkt man etwa an die „Organisationsfreiheit“ der Unternehmen, wie auch der Kommunen im Rahmen von deren Autonomie (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG), insbesondere aber an die Vertrags- oder Wettbewerbsfreiheit. Mit solcher Begründung lässt sich also eine „Wettbewerbsfreiheit als Verfassungsbegriff“ nicht „verabschieden“. Sie hat an der Grundrechtsqualität des Art. 12 Abs. 1 GG teil, stellt einen speziellen Aspekt derselben dar.
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König, Chr., Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung 1994, S. 59. Vergl. Manssen, G., Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, 1994; König FN 14. 16 Manssen, (FN 1), wobei dieser Begriff offenbar den Gegenstand der Freiheitsbetätigung bezeichnen soll, was also die freiheitsgeschützte Tätigkeit an (spezifischem) Verhalten beeinhaltet. 17 s. Manssen, FN 16. 15
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C. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht
3. Wettbewerbsfreiheit – ein Grundrecht(s-Aspekt) des Art. 12 Abs. 1 GG a) Die erwähnte Kritik an der Grundrechtsqualität der Wettbewerbsfreiheit führt, das zeigt sich bei näherem Zusehen, auf gewisse Unsicherheiten in der langen, teilweise noch andauernden Suche nach ihrer grundrechtlichen Verortung, zwischen Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG, zurück: im Schrifttum18, und auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, war die Wettbewerbsfreiheit der Freiheit der (wirtschaftlichen) Persönlichkeitsentfaltung als ein „Aspekt“ zugeordnet worden. Später setzte sich jedoch eine Auffassung durch, nach der sie durch Art. 12, Abs. 1 GG geschützt sein sollte19. Dies führte nun aber zu der erwähnten Auffassung, es handele sich bei ihr gar nicht um ein eigenständiges Grundrecht, sondern lediglich um einen für die Berufs-/Gewerbefreiheit wichtigen Tätigkeitsbereich. Damit wurde gewissermaßen dem Wechsel der verfassungstextlichen Grundlage, von Art. 2 Abs. 1 zu Art. 12 Abs. GG, für die Wettbewerbsfreiheit eine „entgrundrechtlichende Bedeutung“ im Ergebnis beigemessen. Obwohl dieser Schutzbereich (früher) bei Art. 2 Abs. 1 GG als ein „unbenanntes Freiheitsrecht“ anerkannt worden war, ein Begriff, der aus der dogmatischen „Mutterrechtsqualität“ des Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitet wurde20, und obgleich dies gerade für die Vertragsfreiheit auch laufend zugrunde gelegt worden war21, sollte Wettbewerbsfreiheit als solche, anders als jene, kein Grundrecht darstellen können. Dies zeigt aber, dass dieser Begründungsversuch einer fehlenden Grundrechtseigenschaft der Wettbewerbsfreiheit auf einer Verkennung der Grundsätze der Grundrechtsdogmatik beruht: Wo immer im Grundgesetz eine verfassungsrechtlich geschützte Freiheit angesiedelt wird – stets muss ihr dann auch ein spezifischer Schutzbereich zugeordnet werden. Bei einem „Grundrechtsaspekt“, innerhalb eines „weiterreichenden Grundrechts“ darf die Grundrechtsqualität nicht deshalb schon in Frage gestellt werden, weil ihr Schutzbereich Teil eines über sie hinaus reichenden Garantiebereichs sei. b) In diesem Sinn kann also Wettbewerbsfreiheit als ein „Grundrecht“ bezeichnet werden: sie ist ein Teilschutz der Berufsfreiheit und des Art. 12 Abs. 1 GG, im Sinne eines „Aspekts“ dieses Grundrechts, der bestimmte spezielle Freiheitsbetätigungen schützt, in denen die Berufsfreiheit in Kollision gerät – gerade zu gleichen Tätigkeiten von Konkurrenten. In diesem 18
Vgl. dazu die Nachweise bei Manssen, FN 1. Di Fabio, JZ 1993, 689 (694). 20 Vgl. Dürig, G., in: Maunz/Dürig, GG (Erstbearb.), Art. 2, RN 40 ff. 21 s. ausdrücklich Manssen (FN 1) RN 69, vgl. derselbe, Privatrechtsgestaltende Hoheitsakte, 1994, S. 183 ff. 19
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Sinn ist die Wettbewerbsfreiheit ein verfassungsrechtlich spezifischer Konkretisierungsbegriff der Grundrechtsanwendung in „praktischer Konkordanz“ (Konrad Hesse), wie sie bei allen derartigen Grundrechtskollisionen stets Aufgabe der Auslegung und Anwendung ist. Ein so wichtiger Schutzaspekt kann nicht nur, er muss schon wegen seiner – traditionellen – Bedeutung, grundrechtsdogmatisch verselbstständigt werden. Dies allein aber ist der Sinn einer Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht. 4. Exkurs: Wettbewerbsfreiheit – nur einfachgesetzlich geprägt? a) Damit ist aber die Problematik einer Grundrechtsqualität der Wettbewerbsfreiheit noch nicht erschöpft. Die tieferen Gründe der Bedenken gegen sie liegen in einer, hier bereits allgemein anzusprechenden, Entwicklung der Grundrechtsdogmatik, die mit dem Topos der „Ausgestaltung der Grundrechte durch einfaches Gesetz“ verbunden ist22. Sie muss nicht in ihrer vollen Breite aufgerollt werden. Nur so viel ist grundsätzlich in diesem Zusammenhang wichtig: Es geht hier um die Lösung eines in der Tat überaus komplexen Problems, des Verhältnisses von Verfassungsrecht und einfachem Gesetz. Damit die Verfassungsbegrifflichkeit nicht in „Verfassung nach Gesetz“ leerlaufe23, werden gewisse Konkretisierungen grundgesetzlicher Begriffe durch einfaches Gesetz als „Sonderfälle der Ausgestaltung“24 gesehen. Damit unterfallen sie, so mag es scheinen, nicht der strengen grundrechtsdogmatischen Maßstabswirkung der Verfassungsbegriffe gegenüber den den verfassungsrechtlichen Schutzbereich einschränkenden einfachen Gesetzen. Eines „Gesetzesvorbehalts“ bedürfe es insoweit nicht: ein Grundrechtseingriff soll dann eben gar nicht vorliegen, sondern allenfalls eine „Grundrechtsprägung“ durch einfaches Gesetz, welche bereits in dem betreffenden Grundrecht und der seinen Schutzbereich bestimmenden Begrifflichkeit angelegt sei. Derartige Vorstellungen haben in der Folge zu einer begrifflichen „Entkonstitutionalisierungsentwicklung“ auf breiter Front geführt25, jedenfalls zu kaum mehr übersehbaren Einbruchsmöglichkeiten der einfachen Gesetzgebung in die grundrechtlichen Schutzbereiche. Besonders deutlich ist dies beim Schutz des Eigentums Privater26, der immer wieder einem einfach22 s. dazu f. viele Gellermann, M., Grundrechte in einfach-gesetzlichem Gewande, 2000, S. 90 ff.; Lerche, P., Grundrechtseinschränkung und Grundrechtsprägung, HBStR 1./2. Aufl. § 121, RN 40 ff. 23 Leisner, W., FN A 30. 24 Jarass, H. D., in: Jarass/Pieroth, Vorb. zu Art. 1 RN 34 m. Nachw. 25 Zu den zahlreichen Anwendungsfällen vgl. Jarass FN 24 RN 34. 26 Dazu Leisner, W., Eigentum, HBStR 3. Aufl. § 173, RN 11 ff.
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C. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht
gesetzlichen Bestimmungsrecht überlassen wird, unter Hinweis auf Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. b) In all dem laufen Entwicklungen des Verständnisses der Grundrechte, des verfassungsrechtlichen Schutzes überhaupt, in einander, oft unreflektiert, jedenfalls unausgesprochen: frühere Vorstellungen von einem „materiellen Verfassungsrecht“, die „Entdeckung der staatlichen Schutzpflichten“ der Grundrechte27, vor allem aber die oft schier unlösbaren Probleme einer Begriffsklärung im Verfassungsbereich ohne Rückgriff auf traditionelles Gesetzesrecht. Sie stellen sich täglich einer Verfassungsgerichtsbarkeit, die versuchen muss, das „Grundgesetz als Bürgerliches Gesetzbuch“ auszulegen, in ihrer Judikatur Grundlagen von „Verfassungskommentierungen à la Palandt“ zu schaffen. Was bleibt dann anderes, als das ständige Ausweichen in eine „Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers“, wenn die Väter des Grundgesetzes keinen entsprechenden Gesetzesvorbehalt vorgesehen haben, oder bei einem Begriff nur an „Herkömmliches“ gedacht haben, an Aktuelles gar nicht denken konnten? c) Dies alles wäre noch weder eine Gefahr für die normative Verfassungsordnung, noch auch nur eine tiefere grundrechtliche Problematik, liefen nicht in dieser Entwicklung vielfach verschränkte Überlegungen geradezu unentwirrbar zusammen, vor allem aber zwei völlig gegenläufige Grundstimmungen: – Da ist einerseits der verständliche, ja berechtigte Versuch, aus der drohenden „Verfassung nach Gesetz“ doch noch „etwas von grundrechtlicher Freiheit zu retten“ – so viel wie möglich. Ein Minimum wenigstens an Direktivkraft der Verfassung soll erhalten bleiben, indem nach „Ausgestaltungen der Freiheit“ gesucht wird, die eben doch bereits in ihr „angelegt“ seien. Damit können dann, so scheint es wenigstens, die nach jeweiligem demokratischen Konsens des Augenblicks geforderten Einschränkungen der Freiheit vor dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit bewahrt werden – und sogleich können ihnen, in judikativen, wenn auch marginalen Verfassungsmahnungen irgendwelche „Schranken“ gezogen werden. Vor allem aber hat die Verfassungsjudikative ihr „Recht des letzten Wortes“ in die Zukunft gerettet, und sei es ein allerletztes – theoretisches. Demokratischer Gestaltungswille und grundrechtliche Freiheit scheinen versöhnt. – Doch zugleich schaffen die „Gesetzesprägungen“ einen Raum für die Entfaltung einer Rechtsentwicklung, die von „Gestaltung zur Umgestaltung“ der grundrechtlichen freiheitsgestützten Verfassungsordnung führt. Sozialpolitische Reformbestrebungen können, vor allem im ökonomi27
s. z. B. BVerfG E 56, 54 (80 f.); 92, 26 (46).
I. Begriff des einfachen Gesetzesrechts
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schen Bereich, ihr „Fortschrittsdenken“ aktivieren. „Mehr (Gesetzgebungs-)Staat“ wird zu „Mehr (staatsgestalteter und -geförderter) Freiheit“. All dies kann die freiheitliche Demokratie, so mag es scheinen, nicht gefährden, ist es doch (nur Folge einer repräsentativen) Demokratie, damit Überwirkung des organisatorischen Staatsrechts in dessen Grundrechtsschutz – so kann es sich wenigsten legitimierend präsentieren. Es mag hier genügen, diese Überlegungen grundsätzlich anzusprechen. Beispiele findet jede juristische Tätigkeit täglich; im wissenschaftlichen Staatsrecht sind sie Legion. Ein besonders deutlicher Beleg ist aber eben der Wettbewerb und die Freiheit in ihm; der größere dogmatische Kontext lässt sich damit beschreiben als „Freiheit nach parlamentarischer Demokratie“, in Gestaltung(sfreiheit) des volksgewählten Gesetzgebers. 5. „Teilnahme am Wettbewerb“: nach h. L. ein Grundrecht Die Auffassung, es gebe gar kein Grundrecht der Wettbewerbsfreiheit, widerspricht in dieser allgemeinen Form der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hat nicht nur früher, sondern gerade in jüngster Zeit die „Teilnahme am Wettbewerb“ als Gegenstand eines Freiheitsschutzes anerkannt, von dessen „Reichweite“ gesprochen28 – damit ist eindeutig ein „Schutzbereich“ angesprochen, wie er eben nur bei einem Grundrecht vorstellbar ist. Dieser wird nun zwar „durch die rechtlichen Regeln mitbestimmt, die den Wettbewerb ermöglichen und begrenzen“. Einfaches Gesetzesrecht wird also eindeutig bei der Bestimmung des Schutzbereiches auch, allerdings nicht etwa ausschließlich, herangezogen. Entscheidend ist vielmehr eine andere Formel, die nun bereits in einer ständigen Rechtsprechung verwendet wird: Teilnahme am Wettbewerb stehe unter diesem Grundrechtsschutz – „nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen“29. Ein Grundrecht der Wettbewerbsfreiheit wird hier als solches eindeutig anerkannt, denn andernfalls hätte sich das Gericht mit diesem „Aspekt“ der Berufsfreiheit, mit diesem Teil ihres Schutzbereichs, gar nicht beschäftigen dürfen. Allenfalls wäre dann zu fragen gewesen, ob Grundentscheidungen des einfachen Wettbewerbs-Gesetzgebers vorlägen, ob dieser dabei die „Folgerichtigkeit“ gewahrt habe, und ob gegebenenfalls ein Gleichheitsverstoß (Art. 3 Abs. 1 GG) anzunehmen sei30. Probleme, wie die, ob ein Schutz vor Konkurrenten31 oder die Garantie eines Wettbewerbserfolges im Namen die28 29 30 31
BVerfG E 115, 205 (229). BVerfG E 105, 252 (265); 110, 274 (288); 116, 135 (152). Im „Pendlerurteil“ BVerfGE 122, 218. Kein Schutz vor Konkurrenten: BVerfG E 55, 261 (269).
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C. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht
ser Freiheit gefordert werden dürften, hätten gar nicht angesprochen werden können. Damit steht fest: von einem Grundrecht der Wettbewerbsfreiheit ist auszugehen. Die laufenden Erwähnungen des Wortes32 können nur in diesem Sinn und damit in dem einer h. L. verstanden werden: Wettbewerbsfreiheit ist ein Verfassungsbegriff, sie bezeichnet ein Grundrecht.
II. Wettbewerbsfreiheit: Schutzbereich nach „Funktionsbedingungen des Wettbewerbs“ 1. Der Markt als Raum des Wettbewerbs a) Als einer spezifischen Freiheit, und sei dies auch nur ein Teil(aspekt) einer weiterreichenden grundrechtlichen Sicherung, muss der Wettbewerbsfreiheit ein besonderer Schutzbereich zugeordnet werden: ein gegenständlicher Raum, innerhalb dessen der Grundrechtsträger sich frei nach seiner eigenen Entscheidung verhalten darf. Dies allein kann dann das „besondere Freiheitssubstrat“ sein, welches hier vermisst wird33. Es darf gerade nicht allein in einer allgemeinen „Unternehmerfreiheit“ gesehen werden34, die ja ihrerseits wieder, vielleicht gar vollständig, mit der Berufsfreiheit zusammenfiele. Noch weniger kommt in Betracht, hier lediglich den Bereich einer Entfaltungsfreiheit der Persönlichkeit anzunehmen, die ihrerseits dann nichts wäre als undifferenzierte allgemeine Handlungsfreiheit. Vielmehr muss ein „Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit“ als ein besonderes, auf „Wettbewerb ausgerichtetes Handeln“ bestimmt werden, als ein Verhalten des Grundrechtsträgers, das gerade durch Konkurrenzberührungen geprägt ist. Ein staatliches, normatives oder auch faktisches Verhalten, das jenes private Tun oder Unterlassen beeinflusst, kann dann als Eingriff in das Grundrecht gelten und bedarf spezieller verfassungsrechtliche Rechtfertigung35. b) Dieser Freiheitsbereich lässt sich also nur bezeichnen als „(privates) Verhalten (gerade) im Wettbewerb“. Damit sind auch bereits die Komponenten des Schutzbereichs angesprochen: – der (Freiheits-)Raum, der ein solches Verhalten ermöglicht und zugleich begrenzt, und – die Spezifik dieses Verhaltens, welches durch einen solchen Raum „geprägt“ wird, weil es gerade und nur in ihm stattfindet. 32
BVerfG E 105, 252 (265). Manssen, RN 1. 34 Diese ist lediglich ein ganz allgemeiner Sammelbegriff, der seinerseits wieder weithin, aber nicht ausschließlich, auf die Berufsfreiheit des Art. 12 zurückführt. 35 Vgl. unten IV. bis VI. 33
II. „Funktionsbedingungen des Wettbewerbs“
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Ob sich allerdings diese beiden Determinanten bei diesem Grundrecht überhaupt unterscheiden lassen, mag bereits zweifelhaft sein. Im Fall der Eigentumsfreiheit kann man dies36 wohl annehmen: Freiheitsraum ist dort der Bereich der eigentumsfähigen Güter, der durch das Ausschließlichkeitsrecht anderer dem Eigentümer jeweils zugeordnet ist; in ihm kann er sich in seinem Verhalten frei bewegen – eben in „typisch verfassungsgeschützter Freiheit der Verfügung und Nutzung“. Beim Wettbewerb als „Raum der Freiheitsbetätigung“ könnte anzunehmen sein, dass dieser überhaupt erst durch das spezifisch wettbewerbliche Verhalten des Güterangebots oder der Nachfrage „geschaffen“ wird, Freiheitsraum und freiheitliches Verhalten also zusammenfallen. „Freiheits-Raum“ und in ihm stattfindendes Freiheitsverhalten lassen sich aber wohl auch beim Grundrecht der Wettbewerbsfreiheit unterscheiden. „Wettbewerbsräume“ sind dann die gegenständlichen Bereiche, in denen parallel (ver)gleich(bar)e Güter angeboten oder nachgefragt werden. Ein Güterangebot an Dritte allein schafft ja noch keinen Wettbewerb; hinzukommen muss ein ähnliches oder gar gleiches Verhalten weiterer Anbieter oder Nachfrager, d. h. eben anderer Wettbewerber. Wettbewerbsraum ist in dieser Sicht der (jeweilige) „Markt“, auf ihm allein findet Wettbewerb statt, Wettbewerbsfreiheit ist die Möglichkeit, sich dabei nach eigener Entscheidung zu verhalten, ohne Fremdbestimmung von außen. Jedenfalls aber stehen Markt und Wettbewerb in untrennbarer rechtlicher Verbindung; zutreffend ist in Art. 4 Abs. 1 EGV die Rede von einem „Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“. Der Markt ist eben der Raum, in dem ein gleich freies Verhalten von Akteuren stattfindet. Um welches Verhalten es sich dabei im Einzelnen handeln muss oder darf, ist dann eine weitere Frage. Der „Markt“ ist jedenfalls der Schutzbereichsraum des freien Wettbewerbsverhaltens. 2. „Der Markt“ als „Funktionsbedingung“ des Wettbewerbs a) Auf diesen Schutzbereichsraum der Wettbewerbsfreiheit beziehen sich die Äußerungen des Bundesverfassungsgerichts, die man als „Theorie der funktionierenden Märkte“ bezeichnen mag. Der Wettbewerb ist in seiner Freiheit (nur) geschützt, wenn er „nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen“ abläuft37, also auf Märkten, die ihm „sein Funktionieren gestatten“. Dies aber ist der Sinn dessen, was vereinfachend und allgemein als „funktionierende Märkte“ bezeichnet wird: „funktionieren“ können sie ja nur im 36 37
Vgl. Leisner, W., FN 26. BVerfG E 105, 252 (265); 110, 274 (288); 116, 135 (152).
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C. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht
Wettbewerb auf ihnen. Dasselbe ist auch der Sinn der in diesem Zusammenhang gebrauchten Formel von den „Regeln . . ., die den Wettbewerb ermöglichen und begrenzen“38: Dies sind eben Worte, die nichts anderes beschreiben als den „Wettbewerbsraum Markt“ – als Freiheitsraum des Wettbewerbsverhaltens. b) Hier aber zeigt sich die Problematik des allzu oft und meist unreflektiert eingesetzten Begriffs der „Funktion“39. Er, und damit „das Funktionieren“, lassen sich ja in einem doppelten Sinn verstehen: – einerseits in dem eines „(Ab-)Laufens“, welches lediglich Verfahren beinhaltet, „irgendwelche“ Wirkungen hervorruft, die aber als solche keine Zielrichtung aufweisen, also auch nicht ergebnisorientiert sind: die „Mechanik Markt“ läuft dann (ungestört) – gleich wohin. Es genügt eben, dass überhaupt Wettbewerb stattfindet; – zum anderen im Sinn eines zielorientierten Funktionierens: dem Wettbewerb werden bestimmte Ziele gesetzt; verfehlt er diese, vollständig, schwerwiegend oder auch nur „nicht unwesentlich“, so „funktioniert der Markt nicht“, eine Wettbewerbsfreiheit auf ihm kann es insoweit nicht geben. Der Begriff des zielorientierten Funktionierens ist nun aber nicht leicht näher zu bestimmen. „Zielbestimmung“ ist ein höchst dehnbarer Begriff. Die Ziele können so weit gesteckt sein, dass sich die positiven Wirkungen ihrer Erreichung nur mehr durch die negativen ihrer Verfehlung bestimmen lassen, alles andere als Zielerreichung anerkannt wird. Damit verliert dann „das Ziel“ seine determinierende Kraft, es geht nur mehr um die Vermeidung negativer Wirkungen – Funktionskontrolle endet in Missbrauchsverhütung40. Die Problematik des Schutzbereichs Wettbewerbsfreiheit scheint sich also auf die Frage zuzuspitzen: Genügt es rechtlich für einen „funktionierenden Markt“, auf dem allein Wettbewerb ablaufen darf, dass Konkurrenzverhalten in Freiheit geschützt wird, dass es „unschädlich“ abläuft, dass schutzwürdigen öffentlichen und privaten Interessen kein Schaden zugefügt wird – oder muss Wettbewerb positive Wirkungen hervorbringen, für Private wie für die Allgemeinheit? Um ein Bild aus der Theaterwelt zu gebrauchen: Geht es allein darum, dass „das Spiel (immer) weiter geht“, „irgendwie Interesse findet“ – oder muss es „fördernde Wirkungen“ zeigen, für Zuschauer, die Allgemeinheit oder gar eine „Rechts-Kultur“? 38
BVerfG E 115, 205 (229). Leisner, W., Eigentum (FN 26, RN 77 f.). 40 Wenn etwa „funktionierende Steuererhebung“ sichergestellt werden soll, durch Missbrauchsbekämpfung nach § 42 AO, s. dazu Leisner, A., DStZ 2008, 358 ff. s. auch dies., Zur Besteuerung von Gewinnen, DStZ 2010, 790 ff. 39
II. „Funktionsbedingungen des Wettbewerbs“
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3. Freiheit als Selbstzweck – der „ziellose“, insoweit funktionslose Wettbewerb Hier müssen nun grundsätzliche Überlegungen einsetzen: Wettbewerbsfreiheit ist wesentlich Freiheit. Freiheit aber ist verfassungsrechtlich ziellos, zweckfrei. Ihr einziges Ziel liegt in ihr selbst: Menschen sollen in (möglichst) freier Entscheidung leben (können). Die erhoffte, erwartete Folge, dass sie dann optimal zusammenleben, andere nicht schädigen, ist kein „Ziel der Freiheit“ und ihres grundrechtlichen Schutzes. Nur wenn davon auszugehen wäre, dass Wettbewerb auf Märkten wesentlich gemeinschaftsschädigend sei, könnte es – von vorne herein – eine Wettbewerbsfreiheit nicht geben. Diese Annahme aber ist durch Gemeinschaftsrecht wie durch den Einigungsvertrag, internrechtlich mit Gesetzeskraft, grundsätzlich und definitiv ausgeschlossen. Es mag daher hier – wie gegenüber jeder Freiheit – zwar die Missbrauchsfrage gestellt werden. Rechtfertigen aber müssen Markt und Wettbewerb ihren grundsätzlichen Schutzbereich als solchen allein schon deshalb nicht, weil es eben hier wesentlich um Freiheit eines menschlichen Verhaltens geht, das nicht von vorne herein als „unwertig“41 außerhalb der vielberufenen „Wertegemeinschaft“ der freiheitlichen Demokratie liegt. Herkömmliche freiheitsrechtliche Schutzbereiche bedürfen als solche keiner verfassungsrechtlichen Rechtfertigung für ihre grundrechtliche Sicherung, mögen sie auch von politischen Gruppierungen immer wieder in Frage gestellt werden. Das zeigt ein Blick etwa auf die Eigentums- oder die Religionsfreiheit. Ihnen können rechtliche Grenzen gezogen werden; sie müssen aber nicht „Funktionsbedingungen“ aufweisen in dem Sinn, dass sie nur schützenswert wären, soweit über sie positive Gemeinschaftsziele erreicht würden. Das wäre nichts anderes als Rechtfertigungszwang der Freiheit aus Missbrauchsgefahr. Der Grundrechtsschutz der Verfassung würde damit auf den Kopf gestellt. 4. Ökonomische Funktionen des Wettbewerbs als grundrechtliche Schutzbereichsdeterminanten Der Grundrechtlichkeit des Grundgesetzes widerspricht es also, für die Wettbewerbsfreiheit, ein freiheitsschützendes Grundrecht42, die Erfüllung irgendwelcher zielorientierter „Funktionsbedingungen“ im Sinne von spezifischen positiven Wirkungen zu verlangen. Solche müssen nicht in ökonomischen Effekten wie „Antrieb“, „Steuerung“, „Verteilung“ gesehen werden43, 41 42 43
Dazu vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, 11. Aufl. 2011, Art. 12 RN 9. Vgl. oben I. ff. Bechtold, R., in: Bechtold, Kartellgesetz, 2008, Einführung RN 43.
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C. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht
um einen derartigen staatsrechtlichen Schutz für die Freiheit zu legitimieren. Dies wäre ja in der Tat eine abzulehnende Ökonomisierung des Staatsrechts44. Ob Markt und Wettbewerb auf ihm mehr oder weniger Güter produzieren, damit Wohlstand schaffen, mag ein – vielleicht entscheidendes – Kriterium wirtschaftswissenschaftlicher Betrachtung sein. Für das Verfassungsrecht zählt jedoch lediglich, dass damit ein „freiheitliches Menschenbild des Grundgesetzes“45 weitere, klarere Konturen gewinnt, allein als eine verfassungsgeschützte Freiheit. Eine besondere „wirtschaftliche Funktionstüchtigkeit“ ist nicht erforderlich, ihr Fehlen kann den Freiheitsschutz nur soweit einschränken (lassen), als er anderen Freiheiten gefährlich werden könnte. Dass dies aber nicht grundsätzlich, sondern nur in bestimmten Missbrauchsfällen zutrifft, stellt eine konsensgetragene Grundlage freiheitlichen Denkens in Deutschland dar, in Europa und vielen anderen Ländern. Eine „Funktions(bedingungs)suche des Wettbewerbs ist also dort nicht erforderlich und aus dessen Freiheitsgehalt heraus gar nicht zulässig, wo verfassungsrechtliche Legitimation lediglich aus einem (bestimmten) ökonomischen Output gewonnen werden soll. 5. „Demokratiegünstige Funktionen“ des Wettbewerbs als dessen konstituierende Elemente? a) Der mehr-, wenn nicht vieldeutige Funktionsbegriff darf nun aber auch nicht in dem Sinn „zielgerichtet“ aufgeladen werden, dass ein Wettbewerb begrifflich staats- oder gar demokratienützliche Wirkungen erwarten lassen muss und dies geradezu in den Begriff einer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Konkurrenz hineingelegt wird. Auch hier gilt wieder: Eine Freiheit rechtfertigt sich aus sich selbst. Wenn sie sich in einer bestimmten Staatsform als deren Ordnungsvorstellung nützlich erweist, so mag sie schon deshalb in dieser Ordnung gefördert werden, mit allen staatsformkompatiblen Mitteln, nicht zuletzt auch durch „marktstützende Subventionen“46. Soweit „Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“, im Sinne des Gemeinschaftsrechts, demokratiekompatibel wirken kann, ist es ein, wenn auch sehr allgemeines, Rechtsgebot – letztlich sogar in der Demokratie als unantastbarer Verfassungsgrundlage47 verankert –, freien Wettbewerb zu sichern. 44
Zutreffend grds. Kotzur, FN A 1, S. 182 f. Für viele dazu Häberle, P., Das Menschenbild des Grundgesetzes, 4. Aufl., 2008. 46 Zu den marktstützenden Subventionen vgl. Leisner, W., Der Förderstaat. Grundlagen eines marktkonformen Subventionsrechts, 2010, insb. S. 44 ff., 88 ff. 47 Wettbewerbsfreiheit kann dann, als wesentlicher Inhalt des Demokratieprinzips, sogar als in Art. 79 Abs. 3 versteinert gelten, vgl. dazu Hain, K.-E., in v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 79 RN 75 ff. 45
II. „Funktionsbedingungen des Wettbewerbs“
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Dies entspricht demokratischen Staatszielsetzungen, eben den über „Prinzipiendogmatik“ als Optimierungsmechanismus48 möglichst weitgehend, wenn auch vielleicht nicht voll zu verwirklichenden Staatszwecken. Man mag dies dann durchaus als „Gemeinwohlkonkretisierung durch Wettbewerb“49 sehen; und es entspricht dies dem letztlich macht-, nicht wirtschaftsgeprägten Wesen staatlichen Ordnens, mag dieses auch die Machtbedeutung der „Wirtschaft“ immer deutlicher erkennen50. b) Dies alles darf aber nicht dazu führen, dass Wettbewerb verfassungsrechtlich nur zulässig wäre als eine Art von Demokratisierungsmechanismus. Demokratiegünstige Wettbewerbswirkungen sind nicht im Einzelnen „Funktionsbedingungen“ im Sinne des Bundesverfassungsgerichts, unter denen allein eine grundrechtliche Wettbewerbsfreiheit grundrechtlich geschützt wird. Dies zeigt sich gerade bei näherer Betrachtung, angeblich oder wirklich „demokratiefördernder Wettbewerbsfunktionen“, wie sie neuerdings herausgestellt worden sind: – Der Entdeckungseffekt des Wettbewerbs51 mag in einer Ungewissheitssituation der Demokratie günstig wirken, doch eine solche ist nicht allein der Demokratie als Staatsform wesentlich52. Und wenn ein solcher „staatsrechtlicher Phantasieanreiz“ von der Konkurrenz auch ausgeht, so bedeutet dies keineswegs, dass jedes Wettbewerbsverhalten verfassungsrechtlich schutzlos bleiben darf oder gar muss, das seine Nützlichkeit nicht gerade durch „demokratische Entdeckungen“, Machtausübungsoptimierungen in diesen Sinne nachzuweisen vermag. – Die „Rationalisierungsfunktion“53, die gar noch mit einem bereits verbal problematischen Rückgriff auf „Rationierungsnotwendigkeiten“ in der Welt eines Menschen als „Mangelware“ in Verbindung gebracht wird, weist jedenfalls zu dem assoziativ naheliegenden Begriff einer „Rationalität“ nur durchaus problematische Verbindungen auf. „Rationalität“ ge48 s. dazu Hain FN 47 RN 43 ff. Zur Dogmatik der Rechtswirkung von Prinzipien vgl. Alexy, R., zum Begriff des Rechtsprinzips, Rechtstheorie Beiheft I. (1979); S. 59; Leisner, A., Kontinuität als Rechtsbegriff, 2001, S. 167 ff. m. Nachw.; Unger, R., Das Verfassungsprinzip der Demokratie, 2008, S. 91 ff. 49 Kotzur, FN A 1, S. 183. 50 Zur Wirtschaft als Machtfaktor im Öffentlichen Recht, vgl. Leisner, W., FN A 19. 51 Zum „Entdeckungseffekt“ des Wettbewerbs Nachw. bei Kotzur, FN A 1, S. 184. 52 Zur Ungewissheitssituation im Sinne Poppers, vgl. Kotzur, FN A 1, S. 185. 53 Zu dieser „Rationalisierungsfunktion“ in Mangelsituationen vgl. Kotzur, FN A 1 S. 186.
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C. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht
rade dem Markgeschehen, ja dessen Ergebnissen zu bescheinigen, ist schon wegen der bekannten (Über-)Reaktionen der Märkte, emotionaler Einflüsse auf diese, jedenfalls aber angesichts der unbestreitbaren, geradezu wesentlichen Unübersichtlichkeit und Unabsehbarkeit der zahllosen Marktentwicklungen mehr als gewagt. „Rationalität“ ist dem Wettbewerb allenfalls insoweit zuzubilligen, als es zu ihm keine „rationale Alternative“ gibt, solche jedenfalls geleugnet werden. Dieses Schicksal teilen die Märkte in der Tat mit einer Demokratie, deren „Rationalität“ gemeinhin daraus abgeleitet wird, dass zu ihr keine „überzeugende Alternative“ aufgezeigt werden könne. Von einer Rationalisierungsfunktion des Wettbewerbs kann nur gesprochen werden, wenn man entweder den Boden rationaler Diskussion überhaupt verlässt, oder diesen Begriff so weit fasst, dass er – jedenfalls für deutsche Staatsrechtsdogmatik – unbrauchbar wird. – Über eine „Entlastungsfunktion“54 des Wettbewerbs ist damit schon das Wesentliche ausgesagt: Dass die Demokratie damit „permanenten Letztbegründungsfragen“ ausweichen oder aus „überkomplexen Abwägungsprozessen“55 ausbrechen will, ist gewiss verständlich und bestätigt nur die nie überzeugend widerlegten Bedenken gegen Abwägung gerade in ihrem Staatsrecht, im Öffentlichen Recht überhaupt56. Wettbewerb als Flucht aus der Begründung widerspricht aber diametral der grundsätzlichen rechtsstaatlichen Begründungspflicht; sie darf nicht in den Ausgang eines unabsehbaren konkurrenziellen Privatkriegs verlagert werden. Sonst fällt staatsrechtliches Denken in einen aus demokratischer Sicht geradezu archaischen Macht-Gewalt-Krieg57 zurück. – Über eine „Stabilisierungsfunktion“ des Wettbewerbs muss ebenfalls hier nichts Näheres ausgeführt werden58. Dass Märkte „stabilisieren“, wenn sie in voller Freiheit wirken, wird wohl niemand ernstlich behaupten, abgesehen von dem unklaren „Stabilisierungsbegriff“59. Vor allem aber 54
Kotzur, FN A 1, S. 187. Dabei soll es um die Feststellung des Gewichts von Interessen gehen; diese sind aber gerade die wesentlichen Elemente des Abwägungsvorgangs, er wirkt in ihrer Gegenüberstellung und Gegensätzlichkeit eher komplizierend als entlastend. 56 Zur Abwägungsproblematik vgl. allgemein und grundsätzlich Leisner, W., Der Abwägungsstaat. Verhältnismäßigkeit als Gerechtigkeit, 1997. 57 Zur früheren Macht-Gewalt-Konkurrenz im Staat siehe bereits oben B.I. 58 Von der „Stabilisierungsfunktion“ distanziert sich Kotzur FN A 1, S. 187; sie wird auch durch die dortigen Zitate kaum gestützt. 59 „Stabilisierung“, ein oft eingesetzter, geradezu ein Lieblings-Topos des gegenwärtigen Staatsrechts, findet sich in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen: vgl. etwa „Stabile Mehrheiten“, welche den Fraktionszwang legitimieren sollen, dazu Klein, H. H., HBStR 3. Aufl., § 51, RN 14 ff., oder Sperrklauseln im Wahlrecht, 55
II. „Funktionsbedingungen des Wettbewerbs“
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droht hier ein Zirkelschluss: Freiheit bietet viele Vorteile, aber auch ein Grundproblem: Sie stabilisiert nicht als solche, bedarf vielmehr gerade der stabilisierenden Ordnung des Staates, des Rechts. Kritiker dieser Stabilisierungsfunktion können also überzeugend einwenden: eine solche Funktion des Wettbewerbs mache die Freiheit vom Bock zum Gärtner. Jedenfalls muss aber dann die Notwendigkeit den Wettbewerb disziplinierender Maßnahmen, ja von Staatseingriffen, bereits in den Wettbewerbsbegriff als solchen verlegt, also die Funktionsbedingung aus deren Begrenzungen begründet werden. Dies aber ist dogmatisch grundsätzlich unzulässig und droht praktisch die Wettbewerbsfreiheit grenzenlosen Staatseingriffen zu öffnen – und dies noch im Namen ihrer angeblichen Stabilisierungsfunktion. Letztendlich wirkt eben Wettbewerb allenfalls „destabilisierend“, wenn nicht gar anarchisierend, auch und gerade in der Demokratie60. – Öffentlichkeitsfunktion61 ist jedenfalls insoweit keine rechtlich fassbare Funktionsbedingung des Wettbewerbs, kein Ziel freiheitlicher Betätigung in ihm, als in ihrem Namen keineswegs jedes Konkurrenzverhalten in eine wie immer zu definierende Öffentlichkeit gezerrt werden darf oder gar muss. Als Öffentlichkeitssperre gilt gerade im Wettbewerb eine entscheidende faktische Grundlage des Verhaltens in ihm: die Intimsphäre62, im Wirtschaftsleben bis hin zu den Geschäftsgeheimnissen63. Soweit ihre Veröffentlichung zulässig ist, müssen der Wettbewerbsfreiheit rechtliche Grenzen gezogen werden. Es sind dies dann Grundrechtsschranken, für gewisse Formen wettbewerblichen Verhaltens; sie sichern den Ablauf der Konkurrenz als Verfahren. Dieses muss keineswegs als solches in Öffentlichkeit ablaufen.
dazu Meyer, H.; HBStR 3. Aufl., § 46, RN 36 – aber auch das Lebenszeitprinzip im Beamtenverfassungsrecht, ja das Berufsbeamtentum als solches, s. Jachmann, M., in: v. Mangoldt/Klein/Starck GG, 6. Aufl. 2010, Art 33 RN 33 m. Nachw. zur std. Rspr. des BVerfG. 60 Von einer Stabilisierung der Demokratie durch Wettbewerb kann schon deshalb keine Rede sein, weil dieser eher eine demokratische Gegenentwicklung begünstigt: vgl. dazu grds. Leisner, W., Die demokratische Anarchie. Verlust der Ordnung als Staatsprinzip? 1982 = Leisner, W., Demokratie, 1998, S. 451 ff. 61 Zur Öffentlichkeitsfunktion des Wettbewerbs als Stärke der Demokratie, vgl. Kotzur A 21 S. 188. 62 Vgl. neuerdings Kniering, A./Desoi, M., Intimsphäre mit Kernbereichsschutz. Ein unantastbarer Bereich privater Lebensgestaltung in der Rechtsprechung des BVerfG, DÖV 2011, 398 ff. 63 Zum Schutz der Geschäftsgeheimnisse s. Wolffs, A., Der verfassungsrechtliche Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, NJW 1979, S. 98 ff.; Brammsen, J., Wirtschaftsgeheimnisse als Verfassungseigentum, DÖV 2007, S. 10 ff.
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C. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht
– Auf die Befriedungs- und Integrationsfunktion des Wettbewerbs und seiner Freiheit wird noch zurückzukommen sein64. Hier sei aber bereits daran erinnert, dass eben Konkurrenz „zunächst einmal“ das schiere Gegenteil einer solchen Lage bedeutet: Verdrängung, Beherrschung – eben (geordneten Wirtschafts-)Krieg. Befriedungsfunktionen zu unterstützen ist zwar hier so wichtig wie die Friedensbemühungen bei kriegerischen Auseinandersetzungen. Geradezu abwegig aber wäre es, den „Frieden als Funktion des Krieges“ sehen zu wollen. c) „Das Fazit zu den – angeblichen – demokratiegünstigen Funktionen des Wettbewerbs“ ist also eindeutig: dies sind keine „Funktionsbedingungen des Wettbewerbs“ im Sinne der Verfassungsrechtsprechung. Solche Wirkungen dürfen nicht im Namen einer „funktionierenden Wettbewerbsordnung“ bereits begrifflich verlangt oder gar erzwungen werden. Vielmehr – und allenfalls – geht es hier um Vermeidungsversuche gewisser negativer Wettbewerbsauswirkungen, auf andere Grundrechte oder gerade auf eben dieses Grundrecht bei anderen Trägern, welche die Freiheit in Selbstzerstörung bedrohen. Derartige Effekte treten aber bei den meisten Grundrechten – von der Religionsfreiheit65 bis zur Parteienfreiheit – auf. Sie bedürfen ordnender, missbrauchsverhütender Schrankenziehung von außen, konstituieren aber nicht etwa bereits einen Schutzbereich des Grundrechts der Wettbewerbsfreiheit als solcher. Wenn Funktionsbedingungen als „immanente Grundrechtsschranken“ der Wettbewerbsfreiheit betrachtet werden sollen, so bleiben sie doch stets Schranken dieser Freiheit, nicht deren „Ziele“, auf die hin sie der Staat orientieren dürfte oder gar müsste.
III. Wettbewerbsfreiheit: „durch Gesetz mitbestimmt“ 1. Wettbewerb: durch rechtliche Regeln „ermöglicht und begrenzt“ a) Das Bundesverfassungsgericht hat sich, im Zusammenhang mit den „Funktionsbedingungen des Marktes“, zu den Bestimmungsformen dessen geäußert, was einen „funktionierenden“ Markt ausmachen soll – folglich auch den funktionierenden Wettbewerb. Dies betrifft unmittelbar den 64
s. unten IV. In der grundrechtlichen Dogmatik wie in der Verfassungsrechtsprechung wird dies unter dem Begriff der „Toleranz“ behandelt, im Sinn einer „Praktischen Konkordanz“ im Sinn von Konrad Hesse (Grundzüge des Verfassungsrechts der BRD, 20. Aufl., 1995/99 S. 317 ff.), vgl. dazu das BVerfG in stRspr. etwa E 32, 98, (107); 108, 282, (297). 65
III. Wettbewerbsfreiheit: „durch Gesetz mitbestimmt“
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Schutzbereich einer grundrechtsgesicherten Wettbewerbsfreiheit: Die Reichweite des Freiheitsschutzes werde, so heißt es, nach Maßgabe der „Funktionsbedingungen“, durch die rechtlichen Regeln mitbestimmt, die den Wettbewerb „ermöglichen und begrenzen“66. Da nun das Grundgesetz selbst keine ausdrücklichen „Regelungen“ darüber enthält, was als „Ermöglichung“ und „Begrenzung“ des Wettbewerbs zu verstehen ist, spricht diese Formulierung dafür, dass es sich bei den „mitbestimmenden“ Regelungen um unterverfassungsrechtliche Normen handeln darf, ja muss. Nachdem diese den Freiheitsraum aber nicht allein, sondern nur „mitbestimmen“ sollen, könnte dies so verstanden werden, als gebe es zwar einen eigenständigen Verfassungsbegriff des Wettbewerbs, damit der Wettbewerbsfreiheit, der auch deren Schutzbereich konstituiere – aber eben in einer gewissen, hier nicht näher verdeutlichten, Verbindung mit, ebenfalls konstitutiven, Norminhalten einfachen Gesetzesrechts. Es könnte sein, dass dabei an die „Ausgestaltung“ des Grundrechts durch diese letzteren gedacht wurde67. Wie sich aber bereits gezeigt hat, lässt sich auf diesem Wege, jedenfalls grundsätzlich, die Problematik einer „Verfassung nach Gesetz“ nicht auflösen. Der wenig klare Begriff „mitbestimmen“ bedarf also näherer Untersuchung und Verdeutlichung. b) Das Bundesverfassungsgericht geht von einem „Freiheitsschutz nach Maßgabe der Funktionsbedingungen des Wettbewerbs“ aus, wie sie ihrerseits durch „rechtliche Regelungen“ mitbestimmt werden. Diese mögen nun zwar nur in einfachgesetzlichen Normen gesehen werden können; denkbar wäre aber ein Verständnis von deren – möglichen, daher verfassungsrechtlichen zulässigen – Inhalten, welches gerade auf „die Märkte“, auf die in ihnen wirksamen Selbstgesetzlichkeiten zurückgriffe. Der Begriff einer verfassungsrechtlichen Wettbewerbsfreiheit würde diese „außerrechtlichen“ marktwirtschaftlich-ökonomischen Begriffselemente rezipieren dürfen und müssen, sie damit in deren Verfassungsbegrifflichkeit verdeutlichend hineinlegen. In welcher Weise derartige Begriffselemente dann mit denen eines eigenständigen Verfassungsbegriffes „Wettbewerbsfreiheit“ gewichtmäßig zusammenwirken könnten, bliebe zwar offen, wäre aber von Einzelfall zu Einzelfall vom Bundesverfassungsgericht zu entscheiden. Es ist nicht auszuschließen, dass das Bundesverfassungsgericht, gerade angesichts der ungeklärten Begrifflichkeit einer „Wettbewerbsfreiheit“, seine Äußerung in einem solchen Sinn verstanden sehen wollte. Dies wäre auch aus Kompetenzüberlegungen heraus verständlich: Es würde nämlich dem Gericht jedenfalls die Möglichkeit nicht nur erhalten, sondern diese er66 67
BVerfG E 115, 205 (229). Vgl. dazu oben I.4.
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C. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht
weitern, wettbewerbslenkendes wie allgemein wirtschaftendes Staatsverhalten auch unter Anlegung ökonomischer Maßstäbe zu kontrollieren. Es würde dann zwar nicht einfach nur „Verfassung nach Gesetz“ judiziert, weil ja nicht (nur) auf letzteres, sondern, durch dieses hindurch, auf „außerstaatliche Marktgesetzlichkeiten“ zurückgegriffen würde. Diese ökonomische Funktionsbestimmung der Wettbewerbsfreiheit brächte vielleicht in deren Ablauf wirtschaftliche Gesetzlichkeiten als solche ins Spiel68, müsste dabei allerdings nicht der Konkurrenz spezielle ökonomische Produktions-Ziele setzen69. Es käme aber jedenfalls, gerade in der Verfassungsrechtsprechung, in recht allgemeiner Form zu einem Rückgriff auf Modelle der Wirtschaftswissenschaften. Dass dies nicht unbedenklich wäre, liegt auf der Hand: Selbst wenn verfassungsgerichtliche Kontrolle sich auf einfache Gesetze bezöge, die ihrerseits wieder ökonomische Modelle rezipierten, so wäre doch eine Folgerung unausweichlich: verfassungsrechtliche Wettbewerbsfreiheit nach ökonomischen Modellen. Gewonnen wäre damit in der Problematik „Verfassung nach Gesetz“ nicht viel: Die Vielfalt der ökonomischen Modellvorstellungen würde dem einfachen Gesetzgeber ein Bestimmungsrecht der verfassungsrechtlichen Freiheit überlassen, welches deren begrifflichen Selbststand wenn nicht aufhöbe, so doch erheblich gefährden müsste. Die einfach-gesetzgeberische Wahlfreiheit wäre im Ergebnis kaum beschränkt, jedenfalls nicht durch verfassungsrechtlich auch nur einigermaßen fassbare Kategorien. Es muss also doch versucht werden, der die Wettbewerbsfreiheit „mitbestimmenden“ Gesetzgebung andere Orientierungen zu bieten, welche hier den Selbststand der Verfassungsbegrifflichkeit wahren können. 2. Parallele zum Bestimmungsversuch des „Eigentumsinhalts nach Gesetz“ a) An dieser Stelle drängt sich eine Parallele zur Eigentumsdogmatik auf. Das Bundesverfassungsgericht hatte in der „Naßauskiesungsentscheidung“ ebenfalls öffentlich-rechtliche Eigentumsregelungen, die Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmen (Art. 14, Abs. 1 S. 2 GG), als eine Art von Bestimmung des Eigentumsinhalts angesehen70, damit die Lehre verunsichert, als gäbe es gar keinen eigenständigen, gesetzesunabhängigen Eigentumsbegriff71. Dies war aber für das Eigentum nur wie folgt zu ver68 69 70 71
Dazu i. Folg IV. s. oben II.4. Vgl. Leisner, W., FN 26 RN 130 ff. Leisner, W., FN 26 RN 136 ff.
III. Wettbewerbsfreiheit: „durch Gesetz mitbestimmt“
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stehen72: Die einfach-gesetzlichen Regelungen sind dort nicht insgesamt „Bestimmung des Schutzbereichs der Eigentumsfreiheit“, als solche zulässig; dies gilt nur insoweit, als sie die Eigentumsgegenstände verfassungsrechtlich grundrechtsschutzfähig machen, indem sie dieselben näher bestimmen, etwa „Grundstücke“, „Forderungen“ oder das „Immaterialgüterrecht“. Diese Bestimmung der Eigentumsfähigkeit von Gütern muss aber wiederum nach den verfassungsrechtlichen Kriterien des Eigentumsschutzes erfolgen, insbesondere in der privatnützigen Zuordnung dieses Recht zum Inhaber („Was verfügbar und nutzbar ist, muss auch Eigentum sein“73), sowie in der grundsätzlichen Legitimation des Eigentumsschutzes als Sicherung der (insbesondere persönlichen) Freiheit74. Durch restriktive Inhaltsbestimmung dessen, was Eigentum sein kann, als solches verfassungsrechtlich geschützt ist, darf nicht von vorne herein der Eigentumsschutz „wegdefiniert“ werden. Der Gesetzgeber schafft die Eigentumsfähigkeit der Güter. Er bestimmt diese aber nicht im Sinne nützlichkeitsorientierter „Zielfunktionen“ des Privateigentums im ökonomischen Sinn, oder in dem der organisatorischen Stabilisierung der Staatsform der Demokratie. Er schafft – einfach nur – Eigentum als einen möglichen Freiheitsraum. In diesen hinein erfolgen dann die staatlichen Eingriffe, vor allem im Sinne der Sozialbindung des Eigentums durch einfaches Gesetz75. b) Diese Aufgabe einer rechtlichen Bestimmung der „Grundrechtsfähigkeit“ des Verhaltens in einem freiheitlichen Schutzbereich stellt sich analog für die Wettbewerbsfreiheit. Auch hier muss abgrenzend durch einfaches Gesetz näher bestimmt werden, in welchem Raum sie sich überhaupt entfalten kann. Dazu ist die Bestimmung des Begriffs der Güter erforderlich, deren Leistung das Wettbewerbsverhalten definiert. Damit wird dann auch der Begriff der „Märkte“ bestimmt, mit seinen Untergliederungen, etwa in Teilmärkte. Wird dies nicht geleistet, so ist ein Wettbewerb gar nicht möglich, der Schutzbereich einer Wettbewerbsfreiheit von vorne herein nicht bestimmbar. Dass diese rechtlichen Bestimmungen zwar durch einfaches Gesetz erfolgen, aber in „Realitätsnähe“ zu außerrechtlichen ökonomischen Gegebenheiten, ist selbstverständlich; nicht sie als solche, mit ihren „ökonomischen Selbstgesetzlichkeiten“, sind aber die „rechtlichen Regeln“, welche „den Wettbewerb ermöglichen und begrenzen“. Das einfache Gesetzesrecht steckt auf ihrer Grundlage das Umfeld ab, in dem allein „verfassungsrechtlich schutzfähige Konkurrenz“ überhaupt stattfinden kann. Dies hat dann zwar 72 73 74 75
Leisner, Leisner, Leisner, Leisner,
W., W., W., W.,
FN FN FN FN
26 26 26 26
RN RN RN RN
127 ff., 138 ff. 40 ff. 94 ff. insb. 110 ff. 138 ff.
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C. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht
Auswirkungen auf den Freiheitsinhalt, aber auf das beschränkt, was notwendig ist, damit „der Vorgang Wettbewerb ablaufen kann“; darüber hinausgehende funktionsmäßige Ziele setzt das einfache Gesetzesrecht dessen Freiheit aber nicht. c) Nicht nur um diese rechtliche Fassbarkeit des Begriffs der Wettbewerbsfreiheit geht es hier. Gerade bei ihr steht noch ein anderes in besonderer Weise im Mittelpunkt: die begriffliche Problematik der hier „immanenten Selbstzerstörungsgefahr“, durch Aufhebung derselben Freiheit bei anderen Grundrechtsträgern. Diese Frage muss zwar bei allen Grundrechten mit Fremdbezug beantwortet werden, wie etwa bei der Religions-, Meinungs-, Versammlungs- oder Vereinigungsfreiheit, ja sogar bei einer Eigentumsfreiheit, wo sie in all deren Formen, nicht nur in denen des Nachbarschutzes auftritt. Bei der Wettbewerbsfreiheit ist jedoch die Berührung der „Rechte anderer“ weit enger, ja wesentlich; ausdrücklich angesprochen ist dies gerade in den Schranken aus jenen „Rechten anderer“76, deren Respektierung Art. 2 Abs. 1 GG verlangt, in dem sie lange Zeit verortet wurde. Derartige Grundrechtsabgrenzungen hat der einfache Gesetzgeber stets vorzunehmen, nach den jeweiligen Kriterien der betreffenden Freiheitsrechte, unter der Aufsicht der Verfassungsgerichtsbarkeit. Ob der Gesetzgeber im Rahmen eines Verfassungsvorbehalts „immanenter Schranken“ beim jeweiligen Grundrecht handelt, oder ob er kollidierendes Verfassungsrecht als eine „äußere Schranke“ zum Tragen bringt und darin begriffliche Freiheitsabgrenzungen der Verfassung selbst konkretisiert, ist Gegenstand einer „klassischen“ Diskussion der Grundrechtsdogmatik77. Hier ist darauf hinzuweisen, dass sich bei der Wettbewerbsfreiheit die Frage einer „Selbstzerstörung der Freiheit“ mit besonderer Intensität stellt, weil Konkurrenz gerade auf den Ausschluss anderer von wirksamem Wettbewerbsverhalten abzielt78. Jedenfalls aber hat sich nun gezeigt, dass die „Mit-Bestimmung“ des Schutzbereichs der Wettbewerbsfreiheit durch öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Regelungen einfachen Rechts nicht etwa eine allgemeine Öffnung zu „Verfassung nach Gesetz“ bedeuten muss. Vielmehr ist sie zu verstehen als Ermöglichung einer „Marktfähigkeit des Wettbewerbsverhaltens“, durch Bestimmung der Konkurrenzgegenstände wie durch Verhinderung einer „Selbstzerstörung dieser Freiheit“, durch Aufhebung der gleichen Befugnisse bei anderen. Gerade dieser letztere Aspekt ist nun noch näher zu 76 Dem steht nicht entgegen, dass dem Begriff heute als solchem, keine eigenständige Bedeutung mehr zuerkannt wird (vgl. Di Fabio in: Maunz/Dürig, Art 2 RN 44); immerhin wird gerade die Wettbewerbslage darin verdeutlicht. 77 s. Starck, Chr., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 6. Aufl. 2010, Art. 1 RN 275. 78 I. Folg. IV.6.
IV. Der Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit
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untersuchen und einzugrenzen, aus dem Wesen des Wettbewerbs heraus. Die Frage lautet: Wie weit reicht der verfassungsrechtlich Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit in den Beziehungen zur Wettbewerbsfreiheit der Konkurrenten? Welche Schranken ergeben sich daraus, auch jeder wettbewerbsermöglichenden, zulässigen einfachgesetzlichen Regelung gegenüber?
IV. Der Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit: Konkurrenzkampf, Verdrängung – Wesentlicher Drittbezug 1. Schutzbereich der Freiheit nach dem außerrechtlichen Ordnungsgegenstand Wettbewerb a) Der „Wettbewerb“ wird als freiheitliche Betätigung grundrechtlich geschützt: Es ist daher von einem Verfassungsbegriff des Wettbewerbs auszugehen, nicht nur von dessen „Ausgestaltung“ durch einfache Gesetzgebung (oben I.). Diese Freiheit ist, wie bei allen Grundrechten, grundsätzlich Selbstzweck; sie soll „funktionieren“ im Sinn des „ungestörten (Ab-)Laufs“, sie erfüllt aber als solche keinerlei zielgerichtete „Funktionen“, weder ökonomischer, noch staatsformstabilisierender, „demokratie-optimierender“ Art (oben II.). Die „Mit-Bestimmung“ der Reichweite des Wettbewerbs durch einfaches Gesetzesrecht (Bundesverfassungsgericht) ist nicht zu verstehen als „Verfassung nach Gesetz“, sondern nur als „Grundrechtsermöglichung“ durch Bestimmung der „Grundrechtsfähigkeit“ der den Wettbewerb konstituierenden Güter und Leistungen, sowie als Abgrenzung gegenüber dem Wettbewerbsverhalten anderer Konkurrenten; dadurch soll eine „innerwettbewerbliche Selbstzerstörung“ dieses Grundrechts verhindert werden. Insoweit gilt eben: Die Reichweite der Wettbewerbsfreiheit wird durch einfachgesetzliche Regelungen darin „mitbestimmt“, dass Wettbewerb durch sie überhaupt erst ermöglicht und, sodann – zulässig – beschränkt wird (oben III.). b) Dies setzt aber einen eigenständigen verfassungsrechtlichen Wettbewerbsbegriff voraus. Er muss aus dem – außerrechtlich vorgefundenen – Regelungsgegenstand der Konkurrenz heraus inhaltlich bestimmt werden. Die bisherigen begrifflichen Schwierigkeiten bei der Anerkennung eines eigenständigen Grundrechtsinhalts Wettbewerbsfreiheit rühren vor allem daher, dass Konkurrenz als eine sehr allgemeine Erscheinung und darin als Ordnungsgegenstand des Rechts vorausgesetzt wird: Mehrere Rechtssubjekte verhalten sich nebeneinander in gleicher Weise. In welchen Formen und mit welchen Zielen dies geschieht, wird nicht näher in den Blick genommen. Sogleich wird dann in demokratierechtlichen Kategorien des
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C. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht
Staatsrechts gedacht, ignoriert werden – folgerichtig nach demokratischem Ordnungsdenken – aber die auch rechtlich entscheidenden außerrechtlichen Begriffselemente des „Wettbewerbs“: Streben unter Behinderung, Bekämpfung, Vernichtung anderer Wettbewerber (im Folgenden 3.). Ein letzter „staatlicher Befriedungs-Pazifismus“ soll bereits im staatsrechtlich-grundrechtlichen Wettbewerbsbegriff liegen79. Konsequent ist es dann, ja selbstverständlich, die Verhinderung von marktbeherrschenden Stellungen durch einfach-gesetzliches Wettbewerbsrecht, die gesamte Anti-Monopol/AntiTrust-Gesetzgebung auf unterverfassungsrechtlicher Normebene als „begrifflich notwendig“, ja geradezu als im grundrechtlichen Verfassungstatbestand und damit im Verfassungsbegriff angelegt zu sehen. All dies wird aus der verfassungsrechtlichen Realitätsabbildung des außerrechtlichen Ordnungsgegenstandes Wettbewerb abgeleitet. c) Grundsätzlich verfährt die Grundrechtsdogmatik ähnlich bei vielen Freiheitsrechten. Religions-/Gewissensfreiheit80 kann nicht rechtlich gedacht und damit geregelt werden ohne Rückgriff auf entsprechende sinngebende Erscheinungen im Außerrechtlichen, und zwar gerade in den Konkurrenzbeziehungen der Missionsfreiheit. Gleiches gilt für den Meinungs-81, ja sogar etwa für den Begriff der Arbeits- und Wirtschaftsbeziehungen82. Stets wird die entsprechende, bereichsspezifische Wettbewerbs-Freiheit bereits unter Berufung auf den verfassungsrechtlichen Begriffsinhalt beschränkt, jedenfalls als beschränkbar angesehen. Diese verfassungsbegriffliche Realitätsabbildung führt allerdings, in einer nicht unbedenklichen Weise, dahin, dass die jeweiligen zentralen Schutzbereiche des Begriffs, die auf diese Weise gewonnen werden, von vorneherein möglichst weit gefasst werden; dies wird gar noch im Namen der „Freiheit“ gefordert – nur damit dann die Freiheiten sich bereits begrifflich 79
Ausdrücklich so Kotzur, FN A 1, S. 188. Die „Missionierungsfreiheit“ stellt eindeutig eine religiöse Wettbewerbsfreiheit dar. Dass sie angesichts immer stärkerer Betonung der Toleranz (FN 65) nur mehr „sehr vorsichtig“ erwähnt wird, vgl. etwa bei Diermann, M., in Epping/Hillgruber GG 2009 Art. 4 RN 24, unter Hinweis auf BVerfG E 12, 1 (4 ff.); 105, 279 (294) ändert daran nichts. 81 „Meinung“ will sich ja – in aller Regel – durchsetzen. Insoweit steht ihre Äußerung im Wettbewerb mit anderen: „Zugleich ist es der Sinn der Meinungsäußerung, geistige Wirkungen auf die Umwelt ausgehen zu lassen, meinungsbildend und überzeugend zu wirken. Deshalb sind Werturteile, die immer eine geistige Wirkung erzielen, nämlich andere überzeugen wollen, vom Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG geschützt“ (Schemmer, F., in: Epping/Hillgruber GG 2009, RN 4). 82 Vgl. Gewerkschaftsfreiheit in Art. 9 GG: Es handelt sich um die gewerkschaftliche Wettbewerbsfreiheit zur Erhaltung und Sicherung der Koalitionen, BVerfG E 160, 214, (221); Der Schutz gilt auch der Mitgliederwerbung, BVerfG E 93, 352 (358). 80
IV. Der Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit
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möglichst stark verengen lassen. Dies ist solange freiheitsrechtlich unbedenklich, als auf diesem Weg jeweils doch die jeweiligen „Zentren“ der außerrechtlichen Sachverhalte noch geschützt bleiben83. Problematisch wird es dagegen dort, wo von vorneherein in diese Begrifflichkeit als solche verengende Rechtsvorstellungen getragen werden. Ein Beispiel für letzteres findet sich etwa bei der Parteienfreiheit: der Parteienbegriff84, als politischaußerrechtlicher Tatbestand einer politischen Gruppierung, ist in rechtlicher Freiheit nicht geschützt, soweit sich die Partei nicht von vorneherein in die Verfassungsordnung integriert, etwa durch Teilnahme an Wahlen; dies aber ist Ziel, nicht Ausgangspunkt des demokratischen Ordnungsprozesses. Der Versuch, die „außerparlamentarische Opposition“ parteien-grundrechtlich zu ignorieren, ist ein warnendes Beispiel – hier noch weithin allerdings „glücklich beendet“ in der Parlamentarisierung der Grünen Bewegung. d) Bei der Wettbewerbsfreiheit darf sich derartiges aber nicht wiederholen. Der außerrechtliche Tatbestand des Wettbewerbs, damit des Marktgeschehens, muss voll aufgenommen, als verfassungsrechtlicher Schutzbereich ins staatliche Recht rezipiert und darf dann erst als grundrechtliche Freiheit einfachgesetzlich näher eingegrenzt werden. Solchen Versuchen ist nun nachzugehen, mit Blick auf eine mögliche Bestimmung des Kernbereichs85 einer Wettbewerbsfreiheit. Denn bei einer so weiten VerhaltensFreiheit kann nur „von einem Kern her gedacht werden“. 2. Der wirtschaftliche Wettbewerb als Ausgangspunkt a) Auszugehen ist dabei zunächst, schon aus rechtspraktischen Gründen, von dem, was man ohne unzulässige Verallgemeinerung als „allgemeine Vorstellungen von Wettbewerb und Markt“ bezeichnen darf. Man mag dies zugleich als ein „historisches Begriffsverständnis“ ansehen; ein solches liegt jedoch allen Freiheitsvorstellungen zugrunde, die sich entwicklungsgeschichtlich entfaltet haben. Zu beachten ist dabei aber: Eine unzulässige „dogmatische Inversion“ unterläuft dann, wenn man im Grunde zwar von einem solchen „vorgefundenen Inhalt“ (hier: des Wettbewerbs) ausgeht, diesen dann aber sogleich auf alle möglichen naheliegenden Bereiche überträgt 83 Dass Kunst und Wissenschaft wesentlich „in Wettbewerb“ stehen, jedenfalls in ihren Kernbereichen des Schutzes gegen dritte Konkurrenten, bedarf keines Beleges. 84 Die Verengung des Parteienbegriffs durch die Notwendigkeit einer „Teilnahme an Wahlen“, in Form eines „Zielelementes“, ist daher nicht unbedenklich, s. dazu Streinz, R., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 21 RN 58 ff. m. Nachw. 85 Zum Begriff des Kernbereichs s. Nachweise bei Leisner, W. G. FN B 11 S. 193.
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C. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht
und die dort meist durchaus sinnvollen, ja notwendigen rechtlichen Beschränkungen auf den (allgemeineren) Ausgangsbefund zurückbezieht, diesen auf solche Weise ebenfalls einzugrenzen versucht. b) Der begriffliche Ausgangspunkt der Wettbewerbsfreiheit kann nur in den allgemeinen Vorstellungen vom ökonomischen Wettbewerb gefunden werden; mit ihm haben sich „Wettbewerb“ und „Markt“ entwicklungsmäßig in die Rechtsbegrifflichkeit, ja ins Verfassungsrecht hineingeschoben86. So ist „Wettbewerb zum Begriff des Staatsrechts“ geworden. Allgemeine Befragungen87 werden mit Sicherheit stets auf die, ganz selbstverständliche, Auffassung treffen: Wettbewerb und Markt „finden im Wirtschaftsbereich statt“, mit ihnen verbindet man ein Verhalten, allgemeiner: Vorgänge im Bereich des Ökonomischen; erst im Anschluss daran wird allenfalls überlegt, ob diese Kategorien und Kriterien auch auf andere Bereiche übertragbar sind. Hier geht es also zunächst um wirtschaftliche Vorgänge, und dieser Befund ist als Ordnungsgegenstand dem Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit zugrunde zu legen. c) Dies zeigt sich deutlich etwa darin, dass der wichtigste und auch bereits allgemein bewusste, ja akzeptierte „Erweiterungsraum“ wirtschaftlicher Erscheinungsformen des Wettbewerbs im sogenannten „Markt der Ideen“ gesehen wird. Gerade dieser wird aber – tatsächlich wie rechtlich – weitestgehend nicht nur beherrscht, sondern nun wirklich „geprägt“ von seinen ökonomischen Grundlagen und Wirkungen: Der „Markt der Ideen“ ist praktisch weitestgehend ja auch der eines „geistigen Eigentums“88, ohne dessen „Vermarktungen“ gibt es ein solches aber nicht – vom Architektenwettbewerb bis zu allen Druckwerken und nunmehr zu den Online-Märkten. Allenthalben stellen sich hier auch sogleich jene Eigentumsfragen, welche bereits bei der Betrachtung der Nähe von Wettbewerbs- und Eigentumsfreiheit begegneten89: Der Wettbewerb, in dem auf den Märkten die Eigentumswertigkeiten der Güter und Dienstleistungen bestimmt werden, ist ja nichts anderes als „Eigentum in fieri“, Produktionsraum jener Eigentumswerte, ohne 86 Wie oben bei B. dargelegt (I. bis III.); eine „Inversion“ fände dann aber darin statt, dass man staatsorganisatorische Wirkungen wiederum – umgekehrt – dem ökonomischen Wettbewerbsbegriff unterschöbe, sie von ihm im Staatsbereich erwarten, vielleicht gar erzwingen wollte, wie es wohl der Grundkonzeption der neuesten Wettbewerbsdebatte entspricht (FN A 1). 87 s. dazu Leisner, W., Das Volk. Realer oder fiktiver Souverän? 2005, S. 157 ff. 88 Zum geistigen Eigentum und den Wettbewerbsaspekten seines Schutzes vgl. Depenheuer, O., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, 6. Aufl. 2010, Art. 14 RN 147 ff., 369 m. Nachw. 89 Vgl. oben III.2.
IV. Der Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit
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die es einen verfassungsrechtlichen Schutzbereich des Art. 14 GG gar nicht geben kann, weil dieser neben der Bestands- auch eine Wertgarantie beinhaltet. Der Schutzbereich des grundrechtlichen Verfassungsbegriffs der Wettbewerbsfreiheit muß also von wirtschaftlichen Erscheinungen her bestimmt werden, nicht aus einem „Globalphänomen Wettbewerb“ heraus, das auch beliebige andere „Konkurrenzlagen“ als die der Ökonomie erfasste und damit etwa zusätzliche Begriffselemente von Markt und Wettbewerb einführte. Konkurrenz ist und bleibt auch für das Verfassungsrecht ein außerrechtlich wesentlich ökonomisch vorgeformter Befund. Zu fragen ist also, welche Betätigungen gerade im wirtschaftlichen Bereich „typisch“ sind für ein Wettbewerbsrecht; nur sie können den „Kern“ einer Wettbewerbsfreiheit konstituieren. 3. Wettbewerb als „Verdrängungsstreben“ a) Wettbewerb wird im Wirtschaftsrecht als Angebots- wie als Nachfragewettbewerb beschrieben90. Einen allgemein gültig definierbaren Rechtsbegriff soll es nicht geben91, er sei auch nicht erforderlich zur Anwendung des GWB. Hingewiesen wird aber stets auf das Verhalten von „Teilnehmern“, welche das der anderen Konkurrenten „berücksichtigen müsse“92, von diesem „beeinflusst werde“93. Auf ein „Spannungsverhältnis“ der Beteiligten wird dabei abgestellt94. Diesen vorsichtigen Formulierungen gegenüber, welche Gegensätzlichkeiten in der Konkurrenz zurücktreten lassen, wenn nicht verharmlosen, wurde der Gesetzgeber in seinem „Bericht“ zur Erlasszeit des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen weit deutlicher95: Wettbewerb sei „jede wirtschaftliche Handlung, die darauf gerichtet ist, sich im Wirtschaftskampf auf Kosten eines Wettbewerbers einen Vorteil zu verschaffen“. Davon ist hier auszugehen, denn es hat wenig Sinn, zu verharmlosen: Der wirtschaftliche Wettbewerb ist als solcher und grundsätzlich gnadenlos96. Er zielt letztlich auf Verdrängung und schließlich wirtschaftliche Vernichtung der – aller – Wettbewerber, er ist auf Marktbeherr90
Bunte, H.-J., in: Lange/Bunte, Kommentar zum Deutschen und Europäischen Kartellrecht, I., 11. Aufl. 2010, Einführung RN 63. 91 Bunte, FN 90 § 1 RN 102. 92 Sandrock, O., Grundbegriffe S. 129. 93 Fikentscher, W., WuW 1961, S. 788 (789). 94 Knöpfle, R., Der Rechtsbegriff Wettbewerb, S. 214 ff.; ders. BB 1971, 1517. 95 Bunte, FN 90 RN 102, § 1 zum Gesetzesbericht 1957, S. 15. 96 Im allgemeinen Sprachgebrauch wird er denn auch ganz allgemein als „knallhart“ apostrophiert.
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C. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht
schung hin wesentlich zielgerichtet. Sein Endziel ist und bleibt „an sich“ das Monopol, mit all seinen bekannten und abschätzbaren wirtschaftlichen Folgen. Der Konkurrent, jedenfalls der „gefährliche“, soll aus der Konkurrenz, aus dem Marktgeschehen schlechthin ausscheiden, nicht etwa durch eigenes Wettbewerbsverhalten erhalten oder gar noch gestärkt werden. Derartiges mag zwischen noch nicht potenziell monopolkräftigen Wettbewerbern nicht selten hingenommen, manchmal sogar angestrebt werden, weil eben „Konkurrenz das Geschäft belebt“, Informationen bietet, den Druck auf eigene Potenziale, insbesondere auf die Arbeitnehmer, verstärken lässt. Derartige „markterhaltende Wirkungen des Wettbewerbs“, im Interesse aller oder der meisten Konkurrenten, gibt es in der ökonomischen Wirklichkeit; das staatliche Ordnungsrecht kann aber, jedenfalls in seinen verfassungsrechtlichen Grundstrukturen und -freiheiten, nicht von diesem Befund ausgehen, es muss Wettbewerbsfreiheit als einen möglichen Weg zum Monopol nicht nur als Worst Case, sonder als wettbewerbsimmanentes Streben sehen. Dies darf nicht als marxistische Übersteigerung bekämpft, es muss als Realität des Wirtschaftslebens akzeptiert werden. b) Tendenziell ist also jeder Wettbewerb Vernichtungswettbewerb. Der Wettkampf wird geführt tagtäglich und überall, mit der Absicht, jedenfalls aber mit billigender Inkaufnahme von Sieg und Niederlage, vollständig oder teilweise97. Nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, die hier zu rechtlichen Zwängen werden, kann „Gnade“ grundsätzlich nicht gewährt werden, mag dies auch menschlich naheliegen, gewünscht werden, ja als moralisches Gebot erscheinen. Einen wirtschaftlichen Existenzschutz im Wettbewerb gibt es für Unternehmen nicht, die daran teilnehmen (wollen)98. Der Staat darf ihn sogar grundsätzlich nicht gewähren zugunsten einzelner Konkurrenten99, dadurch würde die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit behindert100 – sie erfolgt eben im Namen der Wettbewerbsfreiheit. Auch der „Nachfragewettbewerb“ darf nicht durch öffentliche Auftragsvergabe „existenzsichernd“ beeinflusst – denn das hieße eben: verfälscht – werden101. c) Es muss also sogar die Frage gestellt werden, ob der Wettbewerb ein deutlich feststellbares Ziel hat: möglichst alle Konkurrenten zu verdrängen und sich damit selbst aufzuheben. Eine solche Vorstellung wäre aber nichts anderes als die von einer notwendigen Selbstvernichtung der Freiheit: die 97 Vgl. dazu und zu demokratischen Vorstellungen vom Wettbewerb Lege, J., JZ 2009, 756 (760). 98 Näher Leisner, W. G., Existenzsicherung im Öffentlichen Recht 2006, S. 215 ff. 99 BVerfG E 82, 209 (223 f.). 100 BVerfG E 87, 95 (97). 101 BVerfG E 116, 135 (151).
IV. Der Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit
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Wettbewerbsfreiheit würde sich im wirtschaftlichen Bereich durch immanente Selbstzerstörung aufheben. Gleiches wäre allerdings bei vielen Grundrechten die Folge schrankenloser Freiheitsbetätigung, nicht nur bei Religions- und Meinungsfreiheit. Damit würde sich die Freiheitslegitimation, die Freiheitsfrage als solche erledigen. Geistesgeschichtlich ist dies eine Banalität, Freiheit in Schranken wurde ja stets gefordert. Nur folgendes Verständnis kann daher hier konkret die Wettbewerbsfreiheit retten, wie so viele andere Freiheiten mit grundsätzlich absolutem Geltungsanspruch: Der einzelne Wettbewerber darf im Namen seines Grundrechts Verdrängung konkreter Konkurrenten aus einem konkreten Markt, ja deren wirtschaftliche Vernichtung anstreben. Da aber die Erreichung dieser Ziele, vielleicht schon die Annäherung an sie, eben diese Freiheit als solche, für alle anderen aufheben würde, hat der Staat hier eine eindeutige Freiheitsgewährleistungspflicht102: Wo Märkte bestehen, Marktgeschehen in Wettbewerb abläuft, da ist dieser „Zustand“ zu erhalten, wenn nötig zu „stabilisieren“. Wo es dieses Marktgeschehen nicht gibt, aber geben könnte, hat der Staat es „zu ermöglichen“ – Märkte zu eröffnen. In beiden Richtungen muss er daher insbesondere die Wettbewerbsfreiheit aller aktuellen und potenziellen Wettbewerber beschränken, sei es indem er ihnen ein bestimmtes Verhalten verbietet, oder sie zu bestimmten Märkten „nicht zulässt“, solche unter Umständen gar nicht eröffnet. Grundgesetz und Grundrechtsdogmatik gestatten dies dem Eingriffsstaat: Die „Erhaltung der Märkte als solcher“ liegt insoweit in einem hochrangigen öffentlichen Interesse – dem der Erhaltung der Freiheit anderer potenzieller Wettbewerber. Beide Ordnungsformen – Markterhaltung wie Markteröffnung – sind als Schrankenregelungen der Wettbewerbsfreiheit, im Rahmen der gestuften Schrankenziehung der Berufsfreiheit zulässig. Auf unklare „immanente Schranken“103, die etwa gar noch begrifflich aus der (Wettbewerbs-)Freiheit gewonnen werden müssten, braucht sich die staatliche Ordnungsmacht dabei nicht zu berufen; sie kann die gestuften, vielfach ausdifferenzierten Gesetzesvorbehalte bei Art. 12 Abs. 1 GG verfassungs/freiheitskonform anwenden. d) Dies führt zu einer „Wettbewerbsfreiheit als wirtschaftliche Verdrängungsfreiheit – aber unter Markterhaltung/Marktermöglichung. Das wiederum verlangt eine verfassungsrechtliche Marktbegrifflichkeit, an die sich der Gesetzgeber halten muss: Es muss einen Markt geben, der nicht irgendeinem ökonomischen oder politisch-demokratischen Ziel dient, vielmehr er muss als solcher „einfach nur laufen“. Der Markt ist Selbstzweck als Raum einer Wettbewerbsfreiheit, welche ganz wesentlich darauf abzielt, andere 102
Im Sinne der grundrechtlichen Schutzverpflichtungen der Staatsgewalt. s. dazu Starck, Chr., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 1 RN 275. 103
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C. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht
Marktteilnehmer zu verdrängen. Dieser Verdrängungswettbewerb darf aber nicht dazu führen, dass es überhaupt keinen Markt als Freiheitsraum mehr gibt, sondern (nur) dazu, dass dann (immer wieder) andere Marktteilnehmer dort auftreten (können). Wie es Art. 2 Abs. 1 GG bereits ausdrücklich formuliert: Die Wettbewerbsfreiheit findet ihre vom Staat zu bestimmenden, grundrechtlich zulässigen, Schranken an der gleichen Verdrängungsfreiheit anderer. Deren notwendige erste Stufe ist die Freiheit, „auf den Markt zu drängen, um dort zu verdrängen“. Wettbewerbsfreiheit ist grundrechtliche Freiheit zu verdrängen – aber unter Erhaltung des Verdrängungsraumes. Der Schutzbereich der verfassungsrechtlichen Wettbewerbsfreiheit umfasst also, ausgehend vom Tatbestand des ökonomischen Wettbewerbs, die subjektive Freiheit jedes wirtschaftlich Tätigen, jeden anderen aus dem von ihm gewählten Leistungsbereich zu verdrängen. In diesem Sinn ist Wettbewerbsfreiheit eindeutig, wesentlich und damit in ihrem Kern durchaus „Ellenbogenfreiheit“. Der Markt als Raum dieses Verhaltens muss jedoch als solcher erhalten bleiben. 4. Notwendiger „Drittbezug“ der Wettbewerbsfreiheit a) Die Wettbewerbsfreiheit beinhaltet als solche ein grundrechtlich geschütztes Recht, sich so zu verhalten, dass damit andere verdrängt werden können, denen diese Freiheit ebenso zusteht. Insoweit weist diese Wettbewerbsfreiheit für alle ihre Träger, einen notwendigen Drittbezug auf: Der Grundrechtsträger darf jedenfalls den Freiheitsraum des Marktes in all seinen Verhaltensformen genauso nutzen wie alle seine Konkurrenten, in der ganzen Breite seiner Unternehmerfreiheit104. Insbesondere beinhaltet dies Produkt-, Konditionen- und Preisgestaltungsfreiheit. Grundsätzlich geht aber diese Freiheit nicht nur so weit, wie sie tatsächlich auch von der Konkurrenz (bereits) ausgenutzt wird. Zum Wesen des freien Wettbewerbs gehört es, dass der Unternehmer im Namen dieses seines Schutzbereichs auch über das Marktverhalten seiner Mitbewerber hinausgehen, mehr oder anderes (an)bieten darf oder nachfragen als sie. Ihre Existenz und/oder ihr Verhalten bestimmt lediglich ein Freiheitsminimum innerhalb des Schutzbereichs der Wettbewerbsfreiheit. Diese gestattet grundsätzlich sowohl die „wettbewerbliche Reaktionsfreiheit“ als auch darüber hinaus eine „wettbewerbliche Überholfreiheit“, mit der der Unternehmer seinen Konkurrenten gerade dadurch zu verdrängen vermag, dass er eben „besser ist als dieser“ – wiederum vor allem nach Qualität, Kondition, Preisen seiner Leistungen, in alldem eben, was ihm einen Vorsprung auf dem Markt sichert. 104 Nur insoweit trifft es zu, dass die Wettbewerbsfreiheit ein Aspekt der allgemeinen Unternehmerfreiheit ist, vgl. Manssen, FN 1 RN 70.
IV. Der Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit
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b) Diese „Drittbestimmung der Wettbewerbsfreiheit“ ist aber nur eine Untergrenze; und sie wirkt rechtlich auch lediglich dort, wo sie von anderen Wettbewerbern in ebenso freier Entscheidung gesetzt wird. Vorrangig und praktisch meist entscheidend ist die „Vorgabe-Freiheit“ jedes Trägers der Wettbewerbsfreiheit auf den Märkten. Er darf in ihrem Namen – den Konkurrenzbereich bestimmen, – die dort einzusetzenden Mittel, – bei bereits existierender Konkurrenz den positiven Abstand seines Angebots zu deren Leistungen. Die letztere Entscheidung kann nur mit Blick auf die Konkurrenz, also im Drittbezug, überhaupt in Betracht kommen, eben als die erwähnte wettbewerbliche Überholfreiheit. Doch auch die beiden anderen, unter Umständen vorgreiflich zu treffenden Entscheidungen werden in aller Regel, bei vorsorglich-vorsichtigem Marktverhalten, bereits unter Berücksichtigung potenzieller oder schon zu erwartender Konkurrenz getroffen werden, von der Nischensuche bis zur Entdeckung völlig neuer Tätigkeitsfelder. Insofern ist von einem allgemeinen, jedenfalls einem „virtuellen“ Drittbezug der Wettbewerbsfreiheit insgesamt auszugehen. Er bestimmt ebenfalls deren Schutzbereich, orientiert geradezu begrifflich die Wettbewerbsfreiheit als (spätere) Verdrängungsfreiheit. Verdrängt kann nur werden, wer auf dem Markt „jedenfalls zu erwarten ist“, ihm gegenüber werden vorsorgliche „Verdrängungsvorbereitungen“ getroffen.
5. Wettbewerbsfreiheit als Markt-Zugangsfreiheit a) Begrifflich entspricht also der Verdrängungsfreiheit, als Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit, die Markt-Zugangsfreiheit der anderen Konkurrenten, als Schutzbereich dieses Grundrechts. Nur soweit sie gewährleistet ist, kann die unter 4 näher bestimmte Verdrängungsfreiheit, jedenfalls als eine virtuelle, überhaupt vorgestellt werden: Der Drittbezug der Wettbewerbsfreiheit ist die notwendige Folge der Wettbewerbsfreiheit als Markt-Zugangsfreiheit. Diese Letztere wird dann ihrerseits wiederum in einem notwendigen Drittbezug ausgeübt: Sie ist bestimmt durch die bereits bestehende Konkurrenz, durch einen schon (ab)laufenden Markt, der in Zugangsfreiheit aufrecht erhalten wird, gegenüber etwaigen monopolträchtigen Erfolgen des Verdrängungswettbewerbs. Marktwahlfreiheit besteht grundsätzlich, sodann aber, in deren Konkretisierung, die Wettbewerbs-Mittelwahlfreiheit und vor allem eine Wettbewerbs-Abstandsgestaltungsfreiheit gegenüber der bereits tätigen Konkurrenz. So wird die Wettbewerbsfreiheit des neu Hinzutretenden durch Drittbezug auf bestehende Marktlagen nun weitgehend orientiert.
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C. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht
Bestimmt wird sie letztlich aber grundsätzlich allein vom Grundrechtsträger der Konkurrenzfreiheit, nicht etwa von einem „Markt als solchem“, „dessen Gesetzen“, sondern von dem (bisherigen) Wettbewerbsverhalten anderer in diesem Raum. Damit ist der Schutzbereich in vollem Umfang „individuellfreiheitlich“ bestimmt, nicht etwa „institutionell-funktional“, in einem „Marktgeschehen, einer Marktgesetzlichkeit“, die dogmatisch anders zu denken wäre als in individueller Gestaltungsfreiheit und diese geltend machender Ansprüchlichkeit. b) Die Sicherung dieser „Zugangsfreiheit“ ist das praktisch bedeutsamste Feld der Freiheitsbeschränkung durch staatliches, normatives oder tatsächlich-wettbewerbliches Verhalten. Die Schrankenordnung des Art. 12 Abs. 1 GG, der Grundlage der grundrechtlichen Wettbewerbsfreiheit, zeigt dies deutlich: Auf den Stufen der Berufsausübungs- und der Berufszulassungsfreiheit finden von jeher vielfache Beschränkungen der Wettbewerbsfreiheit statt, auf der Grundlage der klassischen „Apothekenentscheidung“105 des Bundesverfassungsgerichts. Sie erfolgen zum Schutze anderer Grundrechte, etwa im Gesundheits- oder im Rechtsverfolgungsbereich, oder des organisatorischen Staatsschutzes im weiteren Sinne, bis hin zur Landesverteidigung. Stets aber und überdies sind alle diese Ordnungseingriffe der Staatsgewalt zu richten, und zu beschränken, auf die Gewährleistungsfreiheit der MarktZugangsfreiheit anderer Grundrechtsträger. Bei der dritten und letzten Stufe der Einschränkungen der Berufsfreiheit werden dann volle Markt-Zugangssperren wirksam, wieder im Namen des Schutzes der erwähnten Verfassungsgüter; zulässig sind sie nur, wenn sie schwerer wiegen als Haltung oder Eröffnung von Märkten. Darin findet laufend „Grundrechtsabwägung“ in einer „praktischen Konkordanz“ statt, zwischen verschiedenen Grundrechten; auf der ersten und zweiten Stufe der Einschränkungen der Berufsfreiheit ist die Ausübung der Wettbewerbsfreiheit abzuwägen gegenüber der Zugangsfreiheit zu den Märkten, es ist also eine Abwägung innerhalb dieser Freiheit, ihrer beiden hauptsächlichen Ausübungsformen, zu leisten. Die Berufsausübungs- wie die subjektive Berufszulassungsfreiheit dürfen insoweit beschränkt werden, als sie zu einer Ausübung der Wettbewerbsfreiheit führen würden, bei der das gleich grundrechtlich geschützte Wettbewerbsverhalten anderer Grundrechtsträger wesentlich beeinträchtigt würde; vorzunehmen ist insoweit eine innergrundrechtliche Abwägung der Wettbewerbsfreiheit. Dies, und damit die Sicherung der Markt-Zugangsfreiheit, ist letztlich dadurch legitimiert, dass andernfalls diese Grundrechtsträger ein Monopol errichten könnten, dieses den Zugang weiterer Wettbewerber verhindert. Damit aber riefen sie dieselben Rechtswirkungen hervor, die dem Staat nur 105
BVerfG E 7, 377.
IV. Der Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit
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unter den überaus restriktiven Bedingungen der höchsten Regelungsstufe der Berufsfreiheit gestattet sein könnten. Private können sich aber gerade nicht auf die dafür erforderlichen höchstrangigen öffentlichen Interessen berufen, sie handeln ja nur im Namen ihrer privaten Freiheit, welche als solche als Verfassungswert nicht höher steht als die anderer Grundrechtsträger106. Markt-Zugangsfreiheit ist daher, als Ausdruck grundrechtlicher Wettbewerbsfreiheit, vom Staat in gleicher Weise zu schützen, und soweit nötig durch Eingriffe zu sichern, wie die Wettbewerbsbetätigungsfreiheit auf den Märkten. 6. Wettbewerbsfreiheit: Wesentlich grundrechtliche Freiheit in Drittwirkung a) Hier zeigt sich, dass Wettbewerbsfreiheit nur grundrechtlich gedacht werden kann, sich nur dann nicht als ein „Staatsorganisationssystem Markt“ vorstellen lässt, wenn sie aufgefasst wird als ein Grundrecht in primärer, wenn auch keineswegs ausschließlicher „Drittwirkung“ der Grundrechte. Dieses Freiheitsrecht wird in erster Linie nicht etwa durch den Hoheitsstaat bedroht, sondern durch private Mit-Bewerber, darunter allerdings nicht zuletzt auch von öffentlichen Trägern, die aber nicht obrigkeitlich, sondern in Formen des Privatrechts tätig werden, eben als Wettbewerber auf Märkten. b) Die wahrhaft „ewige“ Drittwirkungsdiskussion107 kann hier nicht – wieder einmal – in voller Breite aufgenommen werden. Gerade die Wettbewerbsfreiheit bietet aber doch Anlass zu grundsätzlichen Bemerkungen: Ohne Drittwirkung eines Grundrechts der Wettbewerbsfreiheit kann es überhaupt, grundsätzlich, keinerlei grundrechtlichen Schutz des Marktes und des Wettbewerbs auf diesem geben; es müsste dann „die Regelung des Wettbewerbs“ vollständig, ohne jede Vorbehaltsschranke, dem einfachen staatlichen Gesetzgeber überlassen werden. Das widerspräche allen freiheitlichen Grundrechtsvorstellungen. Denn wer den Zugang zu den Märkten versperren kann, ohne dass er sein Verhalten an grundrechtlichen Maßstäben messen lassen muss, der wird zum unbeschränkten Herrn einer wirtschaftlichen Freiheit, sektoral oder gar global, weil diese nur in Konkurrenz mit nennenswerter Bedeutung ausgeübt werden kann, ja als Grundlage einer größeren Europäischen Gemeinschaft. c) Hier muss daher eben doch auf das grundsätzliche Missverständnis hingewiesen werden, das zu einer „Zurückdrängung der Drittwirkung“ ge106
s. BVerfG E 21, 245 (251); s. auch BVerfG E 108, 370 (388). Dazu grds. Leisner, W., Grundrechte und Privatrecht, 1960; Übersicht über neuere Literatur bei Jarass in: Jarass/Pieroth, 11. Aufl. 2011, Vor Art. 1 GG. 107
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C. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht
führt hat. Traditionell wurde zunächst die prinzipielle „Staatsrichtung“ der Freiheitsrechte unterstellt. Aus dieser bis heute weithin vertretenen, nie überzeugend bewiesenen These ergab sich dann die Folgerung, Private könnten nicht Grundrechtsgegner sein. Dies wurde aus der Notwendigkeit der Sicherung eines Bereiches abgeleitet, der mit „Privatautonomie“ allgemein umschrieben wurde: dieser werde durch eine Drittwirkung der Grundrechte zerstört. In der Konsequenz dieser Vorstellungen wurde „die Marktordnung“ dem einfachen Gesetzgeber grundsätzlich und praktisch weitestgehend überantwortet. Er wurde zum „Schutzvogt der Privatautonomie“, die er durch einfache Gesetzgebung zu sichern hatte. Die „Privatrechtsgestaltung des Wettbewerbs“, das gesamte Verhalten Privater auf Märkten, wurde aber eben doch an den Grundrechten gemessen – nur allerdings auf dem Umweg über eine Verfassungskontrolle der einfachen Marktordnungs-Gesetzgebung; Maßstab konnten ja hier wiederum nur die Grundrechte sein, – aus denen man aber „unmittelbare Schranken“ der Freiheit nicht hatte gewinnen wollen. Damit geschah nichts anderes als die Verlagerung der Entscheidung über die „Privatautonomie“ vom Verfassungsgericht (zunächst) zum einfachen Gesetzgeber – und eben dies entsprach Sorgen in den 50er Jahren vor einer allzu weit gehenden Richterstaatlichkeit. Die Freiheitsrechte als Verfassungsmaßstäbe in den Rechtsbeziehungen zwischen den Rechtsgenossen sollten sichergestellt werden durch irgendwelche, aber nie näher bestimmte „Sinngehalte von Grundrechten“, welche die Privatautonomie zu beachten habe – eine unfassbare Rechtsbegrifflichkeit, die nur einer Auflösung klarer Grundrechtsdogmatik Vorschub leisten konnte. Als notwendige Folge erschien damit geradezu insbesondere ein Abschied von einer kontrollfähigen Verfassungsbegrifflichkeit der Wettbewerbsfreiheit, nachdem man der Marktwirtschaft ja in derselben Periode die Qualität eines wirtschaftsverfassungs-rechtlichen Grundprinzips absprach. In derselben Zeit kam es zu einer systematischen rechtlichen Regelung des Wettbewerbs im Gesetz gegen die Wettbewerbsbeschränkungen, das einem solchen Verfassungsverständnis damit auch noch Vorschub leistete108: Denn nun konnte man sich ja damit beruhigen, dass „das Wichtigste“ zum Freiheitsschutz der Privatautonomie doch „schon einfach-gesetzlich“ geleistet sei, die Grundrechtsdogmatik damit also nicht belastet zu werden brauchte. c) Hätte man damals109 die unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte, insbesondere auch der Wettbewerbsfreiheit, grundsätzlich anerkannt, sie aber unter die weiten Gesetzesvorbehalte von Regelungen durch einfaches Gesetzesrecht gestellt, so wäre es nicht zu den unsystematischen Formen 108 109
Ausgehend von dem Lüth-Urteil des BVerfG, E 7, 198. Leisner, FN 107, S. 326 f., 384 f., 391 f.
V. Wettbewerbsgleichheit
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einer Anerkennung unmittelbarer Drittwirkung in einigen Bereichen – etwa im Arbeitsrecht – gekommen, oder zu der fruchtlosen Suche nach grundrechtlichen Sinngehalten im Privatrecht. Dies alles hat die Herausarbeitung einer klaren Verfassungsbegrifflichkeit verhindert, beim Eigentum110 und eben auch bei der Wettbewerbsfreiheit. Hinter all diesen Bemühungen standen letztlich wohl Versuche, dem Gesetzgeber eine „Ausgestaltungsfreiheit“ zu sichern, die aber, wie bereits dargestellt, letztlich eine Entwicklung zu „Verfassung nach Gesetz“ nicht verhindern kann, insbesondere nicht bei der Wettbewerbsfreiheit. Diese Wettbewerbsfreiheit kam dennoch immer wieder zurück, als eine wahre „Libertas rediviva“. Nur dann aber kann sie als eine solche wirksam werden, wenn ihr eben grundsätzliche Drittwirkung zuerkannt wird – mit marktordnendem Begrenzungsrecht des einfachen Gesetzgebers, innerhalb der Vorbehaltsschranken des Art. 12 Abs. 1 GG. Diese Gesetzgebung muss stets den verfassungsrechtlichen Schutzbereich achten, wie er hier beschrieben wurde, als ein „drittgerichtetes Verdrängungsrecht“, allerdings im Rahmen von Zugangsrechten dritter Wettbewerber. Mit dieser Konzeption wird hier an seinerzeit dargelegte Vorstellungen zu einer Drittwirkung unter Gesetzesvorbehalt angeschlossen; sie werden fruchtbar gerade im Fall der Wettbewerbsfreiheit. Diese ist ein Beleg dafür, wie Drittwirkung verstanden werden sollte. Jedenfalls ist hier eine solche grundsätzlich unabdingbar – oder es gibt eben kein Grundrecht der Wettbewerbsfreiheit.
V. Wettbewerbsgleichheit 1. Wettbewerbsfreiheit und Wettbewerbsgleichheit Wenn die Wettbewerbsfreiheit im Staatsrecht bisher noch nicht den ihr grundrechtlich zukommenden Platz einnimmt, so gilt dies auch von der Wettbewerbsgleichheit. Schon ihr Verhältnis zur Freiheit der Konkurrenz ist noch weithin ungeklärt. Teils werden die Begriffe „irgendwie“ nebeneinander gestellt, zum Teil werden sie sogar synonym gebraucht111. Dies ist eine der Belastungen der Dogmatik der Wettbewerbsfreiheit, der Marktwirtschaft überhaupt, schon in ihrem verfassungsrechtlichen Standort. Auszugehen ist jedenfalls davon: Wenn Wettbewerbsfreiheit ein Grundrecht ist, muss die 110
Leisner, FN 26, RN 10 ff. Eine ähnliche Problematik ergab sich schon bei der Behandlung der „Pressegleichheit“ (vgl. Leisner, W., Die Pressegleichheit, 1976) und sie kehrt bei all jenen Grundrechten wieder, die zu Kollisionen mit gleichen Freiheiten anderer führen (können). 111
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C. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht
Wettbewerbsgleichheit jedenfalls einen Verfassungsbegriff darstellen. Dieser kann nur in Art. 3 Abs. 1 GG verortet werden, i. V. m. der Wettbewerbsfreiheit: wenn die Wettbewerbsfreiheit als ein Aspekt der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG verstanden wird, so kann Wettbewerbsgleichheit nur ein Aspekt, eine besondere Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG sein: Wettbewerbsfreiheit kann eben in ihrem Schutzbereich nur soweit reichen, wie durch diesen nicht die gleiche Freiheit anderer beeinträchtigt wird. Dies gilt allgemein für die Freiheitsrechte; ausdrücklich wird es in Art. 2 Abs. 1 GG angesprochen. Dogmatisch führt es nicht weiter, hier von einer „Spannung zwischen Wettbewerbsfreiheit und Wettbewerbsgleichheit“ zu sprechen: Diese letztere kann nur als eine grundrechtliche Schranke der Wettbewerbsfreiheit begriffen werden; sie stellt nicht einen Gesetzes- sondern einen Verfassungsvorbehalt der Wettbewerbsfreiheit dar. Dessen Inhalt, und damit seine begrenzende Bedeutung für den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit, kann, wenn auch nur allgemein, wie folgt bestimmt werden: 2. Der Markt: Raum natürlicher Ungleichheit der Wettbewerber a) Die Konkurrenten agieren in einem von ihnen durch Angebot und Nachfrage geschaffenen Raum, dem Markt, der als solcher nicht nach Gleichheitskategorien bestimmt und abgegrenzt ist. Der Markt ist wesentlich „Freiheitsraum für Ungleiche, ein Bereich sich entfaltender Ungleichheiten“, als solcher ist er nicht ein Instrument egalisierender Ordnung, stärkemäßiger Egalität der Akteure wie des Wettbewerbsverhaltens derselben. Eine Gleichheit der Akteure in deren Marktmacht wird auch nicht dadurch notwendig erreicht, dass sich ein neu auftretender Konkurrent in Angebot und Verhalten stets notwendig an die Vorgaben der bisherigen Wettbewerber oder gar der Markteröffner anschließen müsste, in seinen eigenen Wettbewerbsanstrengungen: Konkurrenz kann er auch in der Weise neu anstoßen, dass sich seine Leistung gegenüber bisher Angebotenem ändert, damit den Wettbewerb erweitert, vielleicht gar durch einen „neuen Wettbewerb zwischen Märkten“ ersetzt. In all dem bleibt er gleichheitsmäßig ungebunden, tatsächlich wie rechtlich. Deshalb gelten ja Wettbewerb und Markt zutreffend, in Ökonomie wie Jurisprudenz, als wesentliche Novierungsbereiche, als kreative Motoren, weil sie eben nicht gesetzlich oder gar durchgehend durch Assimilationszwänge allein bestimmt werden. b) Der Markt ist also ein wesentlich ungeregeltes und insoweit „gleichheitsfernes“, egalitätsfernes Betätigungsfeld. Stärken und Schwächen der
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Wettbewerber stellen sich erst gerade auf dem Markt, im Konkurrenzablauf auf ihm, überhaupt heraus: Markt und Wettbewerb sind die Bestimmungsfaktoren der ökonomischen Gleichheit, damit wesentlich „Ungleichheit-Katalysatoren“. Sie lassen nicht nur faktische Ungleichheiten zu, die sich dann in ihnen abschwächen oder auch verfestigen mögen, sie verlangen solche: andernfalls wirken sie nicht „dynamisch“ – mehr noch: der Wettbewerb wird sonst wirkungslos, die Märkte erschöpfen sich in beziehungslosem Nebeneinander. Ihre Effizienz, ihr Nutzen, damit auch ihre Rechtfertigung kann daher nur darin liegen, dass sie laufend Ungleichheiten zulassen, ja verstärken. Die Wettbewerbsgleichheit gewährleistet also nicht gleiches Machtgewicht der Konkurrenten, sondern nur deren gleiche Teilnahmerechte am Wettbewerb. Dies bedeutet, dass Wettbewerbsgleichheit lediglich ein Zweifaches bedeutet. – Recht auf gleiche Zulassung zu wettbewerblicher Betätigung, wie dieses Recht allen anderen aktuellen und potenziellen Wettbewerbern zusteht, und damit vor allem – Teilnahmerecht unter gleichen Teilnahmebedingungen im Einzelnen. Zu gewährleisten sind daher gleicher Marktzugang und gleiche rechtliche Bedingungen der Markttätigkeit. Beides ist in engem Verbund wirksam.
3. Wettbewerbsgleichheit: Gleicher Marktzugang und gleiches Marktverhalten als Rahmen der Wettbewerbsfreiheit a) Die Wettbewerbsgleichheit hat nicht Wettbewerber zu egalisieren, sondern Egalität in deren Wettbewerbsverhalten i. w. S. sicherzustellen. Sie ist nicht erfolgsorientiert, sondern verfahrens-ablaufbezogen. Daher setzt sie nur gewisse Rahmenbedingungen für die Freiheitsbetätigung des Grundrechts der Wettbewerbsfreiheit, sie regelt nicht sämtliche Ausprägungen dieses Freiheitsrechts, sondern nur Zugangsgleichheit zum und Verhaltensgleichheit im Wettbewerb. Die Wettbewerbsfreiheit als Ordnungsgegenstand für all diese Schrankenziehungen darf durch sie aber nicht so verengt werden, dass diese Freiheit übermäßig, in ihrem Kern beeinträchtigt oder gar aufgehoben wird. Zu diesem gehören die Erfolgswirkungen der Konkurrenz zu Gunsten der jeweiligen Teilnehmer, welche, wie dargelegt, zu deren Ungleichheit führen, weil dem Wettbewerb ja das Ziel der Verdrängung der Konkurrenten, des Ausbaus der eigenen Machtposition wesentlich ist. Gerade dies darf hier nicht im Namen einer „Freiheit anderer“ zu weit zurückgedrängt werden, denn diese anderen können sich ja ihrerseits auch nur auf eben diese Freiheitslegitimation berufen.
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In dogmatischen Begriffen ausgedrückt bedeutet dies: die Wettbewerbsgleichheit greift bestimmend ein bei der Festlegung der Voraussetzungen der Wettbewerbsfreiheit, nämlich der Ermöglichung der Teilnahme am Wettbewerbsvorgang als solchem; sodann wird nicht etwa dieses gesamte Verhalten der Zugelassenen gleichheitsbestimmt geregelt, sondern nur Ausschnitte aus ihm, nämlich Formen und Mittel, welche die Konkurrenten dort einsetzen dürfen. Voraussetzungen und Mittel der Ausübung der Wettbewerbsfreiheit sind also Gegenstand der Wettbewerbsgleichheitsregelungen, nicht aber eine Gleichheit der Wettbewerbswirkungen. b) Dies ist eine Besonderheit der Wirkung des Grundrechts der Gleichheit, hier in dessen Aspekt der Wettbewerbsgleichheit, welche eben nicht als ein Aspekt der Wettbewerbsfreiheit betrachtet werden kann: Auch die allgemeine Gleichheit wirkt ja grundsätzlich nur auf diesen Stufen der gleichen Freiheitsvoraussetzungen und der gleichen Freiheitsmittel, welche bei allen grundrechtlichen Betätigungen eingesetzt werden dürfen. Was sie sichert sind nicht gleiche Erfolge, gleiche Wirkungen der Ausübung grundrechtlicher Freiheitsberechtigungen: Gesichert sind die „Gleichheit vor dem Gesetz“ als Zugang der Rechtsträger zu den jeweiligen materiellen Freiheitsbereichen, sodann in gewissem Umfang noch Voraussetzungen und Mittel des Freiheitsverhaltens, aber nur im Rahmen einer Chancengleichheit, nicht einer Realisierungsegalität. Materielle Gleichmachungs-Gleichheit ist nicht Ziel, nicht Ordnungsgegenstand der Gleichheit. Dies gilt insbesondere für das Marktgeschehen: Der Markt eröffnet „Gleichheitschancen“, sie sind Erfolgschancen, welche nur mit bestimmten Mitteln wahrgenommen werden dürfen. Die Verdrängungsfreiheit der Konkurrenten sichert die Wettbewerbsfreiheit gegen eine Egalisierung, welche sie als solche nutzlos werden ließe. Auf diesem allgemeinen grundrechtsdogmatischen Hintergrund sind nun die speziellen Fragen des gleichen Marktzugangs (i. Folg. 4, 5) und des gleichen Marktverhaltens (i. Folg. 6) zu sehen.
4. Gleicher Marktzugang – das Monopolproblem a) Das Recht auf Zugang zu bestehenden, von anderen geschaffenen Märkten ist die erste, gewissermaßen die Ausgangs-Voraussetzung jeder Wettbewerbsfreiheit; die Zugangsfreiheit ist Voraussetzung für die Verhaltensfreiheit. Beide Rahmenbeziehungen der Wettbewerbsgleichheit stehen jedoch im engem Zusammenhang: Durch übermäßige Einschränkung des Marktzugangs dürfen nicht bereits die Regelungen des Marktverhaltens
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nutzlos, ihre Beschränkungswirkung darf damit nicht schon durch Nichtzulassung überholt werden. Andererseits können die Verhaltensregelungen des Wettbewerbs, insbesondere Beschränkungen des Einsatzes von Wettbewerbsmitteln, gewissen Teilnehmern den Zugang zum Markt gewissermaßen von vorne herein versperren, selbst wenn sie an sich, nach ihrer Rechtssubjektivität, Zugangsrechte zum Marktgeschehen geltend machen könnten. Diese Verbindung zwischen Voraussetzungen und Mitteln des Wettbewerbs müssen im Einzelfall stets beachtet werden. b) Die Rechtsordnung darf – und muss – die Zugangsvoraussetzungen zu den Märkten, für eine Wettbewerbsteilnahme, regeln; damit erst wird ein wettbewerbsfähiger Konkurrenzstatus der Marktteilnehmer als Voraussetzung für Marktgeschehen geschaffen. Dies geschieht in der berufsordnenden Gesetzgebung in einem weiten Sinn, auf Stufen, auf denen jedoch insbesondere jeweils die herzustellende Wettbewerbsfreiheit in ihren Berechtigungen zu berücksichtigen ist. Materiellrechtlich stehen hier folgende Regelungsbereiche im Vordergrund: – Rechtssubjektivität, als Voraussetzung von rechtswirksamen Ansprüchen auf Marktzutritt, ist entweder rechtsformneutral auszugestalten oder im Sinn eines „echten“, zwangsfreien Wahlrechts zwischen von der staatlichen Ordnung zur Verfügung gestellten Rechtsformen. Vor allem ist dies ein Problem des Gesellschaftsrechts, unter den grundrechtlichen Direktiven des Art. 9 Abs. 1 GG112. Was danach erlaubt ist, darf auch als Schranke der berufsfreiheitsordnenden Wettbewerbsfreiheit wirken, ohne dass damit das Ziel der Herstellung verfassungsrechtlicher Gleichheit verletzt wird. – Die „besonderen Gleichheitssätze“ in Art. 3 Abs. 2 und 3 GG sind bei jeder marktordnenden Regelung zu beachten. Dazu gehört zwar die Gleichbehandlung von Ausländern nicht, wie immer diese Eigenschaft rechtlich zulässig definiert wird113. Gemeinschaftsrecht hat hier jedoch eine grundsätzliche Wendung im Sinne eines umfassenden Gleichstellungsgebots114 gebracht; diese wirkt sich vor allem im Recht auf gleichen Zugang zu allen europäischen Märkten aus. Weitere Gleichheitsverpflich112 Dem Gesetzgeber obliegt nach Art. 9 GG eine Bereitstellungsverpflichtung von Rechtsformen, welche deren Wirkungsneutralität im Sinne der Gleichheit wahrt, vgl. dazu Kemper, M., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, 6. Aufl. 2010, Art. 9 RN 10 f. 113 Ein Gleichstellungsgebot von Ausländern gibt es, ganz allgemein, weder nach Art. 3 GG (vgl. BVerfG E 90, 27, 37), noch aufgrund des Deutschenrechtes des Art. 12 Abs. 1 GG. 114 Vgl. die gemeinschaftsrechtlichen Gleichstellungsgebote nach Art. 43, 49 EGV.
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tungen ergeben sich für den deutschen Marktordnungsgesetzgeber aus völkerrechtsvertraglichen Bindungen sowie jenen, die über Art. 25 GG in innerstaatliches Recht eingeflossen sind115. – Schließlich und vor allem wirken aber verfassungsrechtliche Gleichheitsgebote des Marktzugangs bei der Bestimmung der in rechtsstaatlicher Verhältnismäßigkeit festzulegenden Voraussetzungen auf den Stufen der Beschränkung der Berufsfreiheit, insbesondere der Berufsausübung: vergleichbare berufliche Qualifikationen116, allgemeine Zuverlässigkeit117 und in diesem Rahmen auch finanzielle Grundlagen der wirtschaftlichen Tätigkeit – all dies ist stets gleichheitskonform für alle aktuellen und potenziellen Marktteilnehmer zu bestimmen. Bei der Verhältnismäßigkeit geht es nicht nur um Eingriffstiefe als solche, sondern vor allem darum, dass die Voraussetzungen der Marktteilnahme einheitlich gleich bestimmt werden. Der Markt verlangt, über die drittgerichtete Wettbewerbsfreiheit, durch die Zugangsfreiheit gleiche Regelungswirksamkeit der Zugangsvoraussetzungen. 5. Insbesondere: Das Verbot der „Marktbeherrschung“ als Regelung der Zugangs-Freiheit in „Marktgleichheit“ a) Aus der Wettbewerbsgleichheit, welche die Marktzugangsfreiheit begründet, ergibt sich Recht und Pflicht des marktordnenden Gesetzgebers, marktbeherrschender Macht gewisser Konkurrenten entgegenzutreten. Hier liegt die verfassungsrechtliche Legitimation des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen: Sie sichert „drittgerichtete Wettbewerbsfreiheit in Wettbewerbsgleichheit“ – gleiche Wettbewerbsfreiheit für alle Konkurrenten, durch das Verbot der marktbeherrschenden Stellung. Grundsätzlich ist zwar der Markt ein „Raum der Ungleichheiten“ von „Marktstärken“, im Sinne der Fähigkeit von Teilnehmern, das Marktgeschehen zu beeinflussen. Diese ergeben sich ja in der Regel aus ihren bisherigen und (daher auch) zu erwartenden Markterfolgen. Diese Einflussmöglichkeiten durch Marktstärke finden aber ihrerseits eine Grenze am Marktbegriff 115 Gleichstellungsbindungen nach Völkerrecht (s. dazu den Mindeststandard im Fremdenrecht, Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 50) können über Art. 25 GG auch, als allgemeine Grundsätze, ins Nationale Recht hineinwirken. 116 Für die beruflichen Qualifikationen im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 GG ist entscheidend nicht nur, dass es sie gibt und wie restriktiv sie im einzelnen sein dürfen, damit noch von Wettbewerb die Rede sein könne, sondern auch, dass sie für alle potenziellen Marktteilnehmer die gleichen sind. 117 Zur Zuverlässigkeit im Gewerberecht vgl. neuerdings Leisner, W. G., GewArch 2008, S. 225 ff.
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selbst: Er bezeichnet keinen „Raum“ der Freiheitsausübung mehr, wenn er „verschlossen“ wird, durch wen auch immer, durch Staatsgewalt oder mächtige Mitbewerber. Erreichen diese eine „marktbeherrschende Stellung“, in der kein anderer Konkurrent mehr eine ernstliche Chance hat, so ist die Wettbewerbsfreiheit als solche aufgehoben. Denn diese ist, als Freiheit gleichen Marktzugangs, ja wesentlich Chancengleichheit, wie die Gleichheit der Entfaltungsmöglichkeiten etwa im Bildungsbereich. Da der „Entfaltungsraum Markt“ aber ökonomisch jedenfalls begrenzt ist, wirkt sich Marktbeherrschung ab einer gewissen Größenordnung, nach aller praktischen, ökonomischen Erfahrung, als Zugangssperre aus. Wo diese Schwelle liegt, lässt sich rechtlich nur festlegen, wenn eine dritte, außerkonkurrenzielle Instanz, d. h. eine staatliche Institution (Kartellaufsicht, Kartellgerichte) ermittelt, wie groß der jeweils aktuelle Markt als Entfaltungsraum ist und von welcher Größenordnung an von einer „Beherrschung“ auszugehen ist, deren Sperre auch durch Einsatz aller zulässigen Mittel nicht überwunden werden kann. Dass es solche Schwellen gibt, ist letztlich nichts als Ergebnis der Übernahme ökonomischer Erfahrungen in rechtliche Verbotsregelungen. Ob man hier rechtliche Hürden errichtet, und wo sie liegen, ist im Einzelnen eine Beurteilungsfrage nach Faktenlage. Die Verfassung verbietet eine solche Handhabung nicht grundsätzlich, sie ist sachgerecht, soweit kein anderer Weg offensteht, Marktsperren durch Marktteilnehmer zu verhindern; insoweit darf das Kartellrecht der Wettbewerbsfreiheit diese spezifisch drittgerichteten Gleichheits-Schranken setzen. Hier ist die verfassungsrechtliche sedes materiae der Monopolproblematik. Sie kann letztlich nur unter Rückgriff auf konkretisierende ökonomische Kriterien gelöst werden. Doch dies ist grundsätzlich sachgerecht und kann nicht aus der Sicht des Grundgesetzes kritisiert werden. Eine wesentliche Direktive gibt dabei aber die Verfassung doch vor, und schon, gerade deshalb, muss eine Grundrechtsqualität der hier in Gleichheit zu ordnenden Wettbewerbsfreiheit angenommen und ernst genommen werden: Monopolverbote dürfen die Wettbewerber nicht, im Namen der Gleichheit in eine „undynamische Koexistenz“ zwingen, die jedes Verdrängungsstreben behindert. Freiheit des Wettbewerbs ist etwa auch dann noch gegeben, wenn Konkurrenten zu einem Ausweichen auf neue Marktfelder oder gar andere Märkte gedrängt werden. Verhinderung von Marktbeherrschung verlangt nicht, dass kein Konkurrent vom Markt verdrängt werde, solange dieser nicht unausweichlich von einem oder von wenigen beherrscht wird. Durch staatliche Gesetzgebung darf hier keine Gleichheit des Markterfolgs hergestellt werden; der stärkere Konkurrent hat ein Recht darauf, stärker zu sein, zu bleiben, zu werden – im Namen seiner Wettbewerbsfreiheit, und
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durch sie. Wo hier die „Erstickungsgrenze“ verläuft, jenseits welcher jede „Marktchance“ für andere aufhört – damit der Markt – das lässt sich nicht von Verfassungs wegen im Einzelnen bestimmen. Hier hat die Ökonomie nun wirklich das letzte Wort. Wettbewerbsfreiheit verlangt mit ihrem Schutzbereich von der Konkurrenzordnung, die solche Beherrschung ausschließt, eine vorsichtige Zurückhaltung: den, allen potenziellen Konkurrenten muss aber eben noch „Luft zum Atmen“ bleiben. b) Wieviel? Das ist eines der schwierigsten Ordnungsprobleme des Wettbewerbsrechts. Sicher ist nur eines: Es lässt sich nicht dahin lösen, dass man dessen wichtigste rechtliche Ordnungsdeterminanten ignoriert oder rechtlich „wegdefiniert“, etwa den Grundrechtsgehalt der Wettbewerbsfreiheit als eines Verdrängungsrechts. Ein naheliegender Lösungsansatz wäre allerdings: Ordnung der „Wettbewerbsfreiheit in Wettbewerbsgleichheit“ dadurch, dass der Markt als ein verfassungsrechtlich selbstgewichtiger „Mechanismus“ verstanden würde, dem als solchem ein eigener Rechtswert zukäme, soweit er „als solcher jedenfalls funktionieren müsse“, darin selbstgesetzlich auch bestimmen könnte, wann die Beherrschungsschwelle erreicht ist. Verfassungsrechtlich führt dies aber zur Problematik eines „Marktes als Institution“. Sie kann hier nicht im Sinne einer Rechtsinstitutionalität vertieft werden. Für einen „Markt als Institution“ mag zwar sprechen, dass es in diesem Bereich – jedenfalls seit Erlass des GWB – ein einfach-gesetzliches Regelungsgeflecht gibt, dessen wesentliche Komplexe vielleicht auf Verfassungsniveau verfestigt werden könnten. Dagegen sprechen jedoch Bedenken: es handelt sich dabei doch nur um Rahmenbestimmen, die jeweils im konkreten Fall in wesentlich ökonomischer Beurteilung konkretisiert werden müssen. Vor allem aber spricht die Vielgestaltigkeit der Märkte und ihrer Entwicklungsformen dagegen, hier eine „Selbstgesetzlichkeit des Marktes“ – eben doch von solcher Einheitlichkeit anzunehmen, dass sie ins Verfassungsrecht gehoben und dort verfestigt werden könnte. Mehr wäre damit auch kaum zu gewinnen – als eben doch wieder ein Rück-Durchgriff auf etwaige (einzel-)ökonomische Entwicklungen. c) Dieses Ordnungsziel einer Verhinderung von Marktbeherrschung lässt sich also wohl doch nur in praxis-einzelfallorientierter Werte-Abwägung des „Verdrängungspotenzials“ stärkerer Konkurrenten und der Marktchancen der Schwächeren erreichen. Das gleiche Problem tritt ja auch bei anderen Grundrechten auf, von der Meinungs- und Gewissens/Religionsfreiheit118 118 Werben für die Inhalte der eigenen religiösen Überzeugung ist Inhalt der Bekenntnisfreiheit, vgl. BVerfG E 69, 1 (63). Soweit kann also die Toleranz gar nicht gesteigert werden, dass sie Missionierung (religiöse Propagandafreiheit) schlechthin ausschließt.
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bis hin sogar zum Eigentum („Zerstörung des kleineren durch Nutzung des größeren“). Die Besonderheit beim Wettbewerb liegt allerdings immerhin darin, dass er in einer Weise „extrem-intensiv drittgerichtet“ ist, dass hier die staatliche (Markt-)Ordnungsmacht eingreifen muss. Es genügt eben nicht ein „allgemeiner Toleranzpuffer“ zwischen den Wettbewerbern; und gerade bei Rundfunk- und Pressefreiheit hat sich bereits die (i. w. S. minderheitsschützende) Problematik bis zu einer Notwendigkeit organisationsrechtlich überwachter Marktaufteilung gesteigert119. Vielleicht ist wirklich eine gewisse „wettbewerbsschützende Marktaufteilung“ als Gesetzgebungsverpflichtung das letzte Wort – aber eben aufgrund von zwei vorgängigen Entscheidungen, die im Wesentlichen ökonomisch zu treffen sind: – Wie groß ist der jeweilige Markt-Raum? – Wer erweist sich dort als „stärker“ und „schwächer“, und wie bestimmt sich dies? Ob man das mit Konrad Hesse „praktische Konkordanz“ nennen darf – oder es nicht als „Flucht des Staatsrechts in Ökonomie“ bezeichnen muss, mag und wird hier wohl offen bleiben . . . Marktordnung zur Verhinderung marktbeherrschender Stellungen steht allerdings letztlich doch stets unter einem Verfassungsgebot: In diesem grundrechtlich/freiheitsrechtlichen Bereich darf sie, auch im Namen der Gleichheit, im Ergebnis nicht mehr bringen als – „Marginalkorrekturen“: „Im Zweifel – eben doch – für Wettbewerbsfreiheit, nicht Wettbewerbsgleichheit“; in dieser könnte Konkurrenz als solche erst recht, und nun ganz allgemein, erstickt werden, nicht nur für einzelne Konkurrenten, sondern durch Aufhebung ihrer Dynamik für alle. Praktisch spricht dies für einen Begriff der „marktbeherrschenden Stellung“, der nur gegenüber eindeutiger wirtschaftlicher Übermacht eingreift, die sich, gerade im konkreten Fall, mit einer gewissen inneren Gesetzmäßigkeit aggressiv gegenüber anderen Marktteilnehmern auszuwirken droht. 6. Gleiche Verhaltensregeln für alle Konkurrenten a) Die Beschränkungen des Grundrechts der Wettbewerbsfreiheit durch Verfassungsrecht (Konkurrenzfreiheit anderer) und einfaches, marktordnendes Gesetzesrecht erschöpfen sich nicht in Hürden eines gleichheitsorientierten Zugangsrechts zu den jeweiligen Märkten. Sie setzen sich, ebenfalls 119 Zur Rundfunkvielfalt, welche in staatlicher Marktaufteilung geradezu organisationsrechtlich verfestigt ist, vgl. Leisner, A., Vielfalt – ein Begriff des Öffentlichen Rechts, 2004, S. 56 ff.
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an der Egalität ausgerichtet, fort in den Bestimmungen über das Marktverhalten aller auf Märkten Zugelassener. Darin findet gewissermaßen eine Fortwirkung des Zutritts(rechts) statt: im Anspruch, nicht durch das marktunzulässige Verhalten anderer wieder vom Markt verdrängt zu werden, nachdem der Zugang zu diesem erreicht war. Der Akzent liegt dabei auf einer Zulässigkeit des Marktverhaltens, die für alle Wettbewerber gleich zu bestimmen ist, in ihren Formen und jeweiliger Wirkung. Die wettbewerbskonstitutive Verdrängungsdynamik von Konkurrenten wird durch Festlegung gleicher (un)zulässiger Verhaltensformen eingeschränkt. Deshalb stellen sich auch hier Gleichheitsfragen. b) Im Vordergrund steht hier die Werbung, i. w. S. der Wirkung von Verhaltensformen, die auf Markterweiterung und/oder auf mehr eigene Konkurrenzstärke in Markträumen gerichtet sind. Nachdem aber grundsätzlich alles geschäftliche Verhalten auf Märkten in diesem Sinn „werblich wirkt“, müssen hier über Grenzen des zulässigen Verhaltens insgesamt Regelungen getroffen werden. Dies findet sich im Wettbewerbsrecht des UWG. Dieses nimmt aber im Wesentlichen nur jene Begrenzungen der Zulässigkeit auf, welche bereits von den Marktteilnehmern auf den Märkten – abkürzend: „von den Märkten“ – in einigermaßen gleicher, konstanter Übung eben als zulässig, als „lauter“120 angesehen wurden/werden. Das UWG beinhaltet daher weitgehend nur in Normen geronnene gegenseitige Begrenzungen, denen die drittgerichteten Wettbewerbsfreiheiten „sich selber aussetzen“. „Lauter“ – als zulässig – bezeichnet, mit moralisierendem Unterton, diese egalisierenden Selbstbeschränkungen von Wettbewerbern. Diese „Selbstegalisierung der Wettbewerbsfreiheit“, wie sie im UWG zum Ausdruck kommt, gerade im Sinne der Grundrechtsgarantie der Wettbewerbsfreiheit, ist zu begrüßen. In einer „praktischen Konkordanz“ innerhalb der Wettbewerbsfreiheit – hier nun wirklich im Sinne allgemein und gleich praktizierter Grundrechtlichkeit – ist es „der Markt“, als konsenstragende große Mehrheit der Marktteilnehmer, der sich „selbst reguliert“, in einer Weise, wie er dies beim Marktzugang nicht vermöchte. Es bleibt dabei allerdings eine letzte Problematik, wie sie sich übrigens vergleichbar auch bei der demokratischen Mehrheitsentscheidung stellt: Schöpferische, erneuernde Kraft eines bestimmten Wettbewerbs-, eines geschäftlichen Verhaltens ganz allgemein, sieht sich, in einem Rest von zünftischem Sozialzwang, eingespannt in bisherige, egalisierende Praktiken; da 120 s. etwa Klute, N., Die Entwicklung des Lauterkeitsrechts in den Jahren 2008 bis 2010, NJW 2010, S. 3280; Henning-Bodewig, F., Die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs in den EU-Mitgliedstaaten: eine Bestandsaufnahme, GRUR Int. 2010, S. 273; Sack, R., Die unlautere Ausnutzung des Rufs von Marken im Marken- und Wettbewerbsrecht, WRP 2011, S. 155.
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wirkt weithin eben etwas wie „Freiheit nach Tradition“121. Im Grunde ist dies aber nichts anderes als eine rechtlich sanktionierte „Gleichheit in der Zeit“122: was bisher als wettbewerblich verwerflich galt, soll auch künftig dafür gehalten werden. Aufgabe der Wettbewerbs-Gerichtsbarkeit ist es, dafür zu sorgen, dass doch eine gewisse „Öffnung zu Novierungen“ erhalten bleibt, dass diese Gleichheit nicht zum normativen UWG-Beton erstarrt. Stets aber handelt es sich eben um primär „gesellschaftliche“, damit immerhin laufendem Wechsel unterworfene, ins Recht rezipierte Regelungen. c) Auch diese selbstegalisierende Eigenbeschränkung der Wettbewerbsfreiheit muss aber laufend darauf kontrolliert werden, dass sie den Schutzbereich dieses Grundrechts, vor allem die diesem wesentliche Verdrängungsdynamik der Konkurrenz123, nicht übermäßig einengt, vor allem aber nicht gleichheitswidrig. Auch hier ist also der Freiheitschutz gegenüber Egalisierungen zu gewähren, gegenüber einebnenden Wirkungen einer Wettbewerbsgleichheit in den Verhaltensregeln. Diese dürfen durchaus einen Konkurrenten auch „stärker“ werden lassen als andere, diese sogar zu einem Ausscheiden aus dem Markt zwingen; insoweit wirken sie als Zugangsregelungen a posteriori. Damit können die wettbewerblichen Verhaltensregeln Funktionen übernehmen, welche anderenfalls der Staat im GWB erfüllen müsste, dessen Regulierungen zugleich flexibilisieren: Wenn alle Wettbewerber sich in gleicher Lauterkeit zu verhalten haben, wird es in zahlreichen Fällen nicht nötig sein, sich auf den jeweiligen Märkten etwa bildende marktbeherrschende Stellungen durch hoheitliche Eingriffe abzubauen; die Verhaltensegalisierung wirkt eben dahin, dass es „gar nicht so weit kommt“. Verhaltensregeln wirken als Zugangs-Marktteilnahmeregulierungen. In diesem Verhaltensregelungsbereich treten gewiss stets auch Gleichheitsprobleme auf: eine Lauterkeitsbestimmung trifft manche Teilnehmer härter als andere. Insgesamt aber stellt die staatliche Normierung solcher „Standards für alle Konkurrenten“ doch „gleiche Wettbewerbsfreiheit“ in 121 Zu „Freiheit nach Tradition“ s. u. a. Pritz, G., Der Einfluss christlicher Traditionen auf die Rechtsauslegung als verfassungsrechtliches Gleichheitsproblem, JZ 2000, 1127; Dedek, H., Tradition und Fortschritt im Recht, JZ 2000, 940; Jansen, N., Traditionsbegründung im Europäischen Privatrecht JZ 2006, 536. Zum UWG s. Keller, E., Tradition und Moderne, WRP 2005, 68. Vgl. auch den Überblick bei Rückert, J., Bericht zur Tagung „Norm und Tradition“. Zur Situation und Aufgabe der Rechtsgeschichte als Teil einer Europäischen Rechtswissenschaft, ZEuB 1997, 185. – Von spezieller verfassungsrechtlicher Bedeutung wird die Tradition, durchaus auch in einem freiheitsschützenden Sinn, in Zusammenhang mit den „hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums“ in Art. 33 Abs. 1 GG. 122 Zur „Gleichheit in der Zeit“ s. Leisner, A., Kontinuität als Rechtsprinzip, 2002, S. 204 ff. 123 s. oben IV.3.
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ihrem Anwendungsbereich sicher. So zeigt sich also, dass die wichtigsten Gleichheitsaspekte der Wettbewerbsfreiheit, jedenfalls grundsätzlich, sich in den größeren Gesetzgebungsblöcken des GWB und des UWG124 insgesamt nach verfassungskonformen Ansätzen regeln lassen. Es erweist sich jedoch auch, dass die Gleichheit, als Schranke der Wettbewerbsfreiheit, sich eben doch nur mit Blick auf diese grundrechtsgeschützte Freiheit des Wettbewerbs sachgerecht einsetzen lässt. Ihr Schutzbereich darf auch in seiner Verdrängungsdynamik eingegrenzt werden, diese aber nicht in falscher Marktbefriedung verkümmern lassen. Gerade die Gleichheit als Schranke der Wettbewerbsfreiheit belegt also, dass diese letztere stets mit Vorrang, eben aus ihrer Grundrechtlichkeit heraus, zu schützen ist; andernfalls würde der Grundrechtsaspekt der Gleichheit einen unangemessenen Vorrang erreichen. 7. Wettbewerb und Neueröffnung von Märkten a) Die Wettbewerbsfreiheit begründet einen Anspruch gegen den Staat wie gegen Dritte, wettbewerblich tätig sein zu können. Wettbewerbsgleichheit beschränkt diesen zunächst nur allgemein dahingehend, dass dieser gleiche Anspruch auch allen aktuellen und potenziellen Konkurrenten zusteht. Da aber dieser Wettbewerb nur auf „Märkten“ stattfinden kann, beinhaltet Wettbewerbsfreiheit auch, prinzipiell jedenfalls, ein Grundrecht auf „Markteröffnung“, auf Zulassung von Märkten seitens der Staatsgewalt. Dies mag zunächst auf eine gewaltige Sprengkraft der Anerkennung eines solchen Freiheitsrechts in der Wirtschaftsordnung hindeuten – auf einen allgemeinen verfassungsrechtlichen Privatisierungsanspruch, ja einen Privatisierungszwang für den Staat125, eine Verpflichtung zu grundsätzlicher „Markteröffnung“ für alle beruflich/gewerblich ausübbaren Tätigkeiten. Dies war wohl auch der tiefere Grund für so manche Skepsis gegenüber einem Grundrechtscharakter der Wettbewerbsfreiheit. Derartige Bedenken schlagen jedoch nicht durch. b) Die Wettbewerbsfreiheit wie ihre Beschränkung durch Wettbewerbsgleichheit setzen zwar die Möglichkeit einer Konkurrenz voraus, auf einem bereits bestehenden oder zu eröffnenden Markt. Soweit diese jedoch nach Art. 12 Abs. 1 GG in verfassungsrechtlich zulässiger Weise beschränkt ist 124
Zum Grundgesetz als Rahmen des UWG vgl. Tsiliotis, Ch., Der verfassungsrechtliche Schutz der Wettbewerbsfreiheit und seine Einwirkung auf die privatrechtlichen Beziehungen, 2000; Ullmann, E., Das Koordinatensystem des Rechts des unlauteren Wettbewerbs im Spannungsfeld von Europa und Deutschland, GRUR 2003, S. 817. 125 In den neuen Erörterungen zur Privatisierung (vgl. oben FN A 8) ging es allerdings nahezu durchgehend um Möglichkeiten und Zulässigkeiten, nicht um einen Zwang zu solchen Gestaltungen.
V. Wettbewerbsgleichheit
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oder werden kann, durch Berufs/Gewerbeausübungs- oder subjektive Marktzugangsregelungen auf den beiden ersten Stufen der Staatseingriffe (Ausübungsregelungen, subjektive Zulassungsvoraussetzungen), kann es auch kein Recht auf Eröffnung des grundrechtlichen Schutzbereichs einer Wettbewerbsfreiheit geben, die Frage nach ihrer Einschränkung durch Wettbewerbsgleichheit stellt sich daher schon begrifflich nicht. Ein derartiger Anspruch darauf aus einer Wettbewerbsgleichheit, mit der Begründung, überall müsse gleichermaßen Konkurrenz stattfinden, scheitert bereits an der Vielfalt und Ungleichheit der Marktkonstellationen. Die Wettbewerbsfreiheit als solche kann daher auch den Staat nicht verpflichten, Märkte für Private zu eröffnen, die er in verfassungsrechtlich zulässiger Weise ihnen verschlossen, auf denen er eine Tätigkeit der Produktion von Gütern und Leistungen durch private Grundrechtsträger eben nicht zugelassen hat, und zwar aus zwingenden Gründen höchstrangiger Gemeinschaftsbelange, auf der 3. Prüfungsstufe nach dem Apothekenurteil126. Dabei bleibt es gleich, ob er diese Tätigkeiten überhaupt nicht zulassen oder sich selbst vorbehalten will. Die Wettbewerbsfreiheit wird nach Art. 12 Abs. 1 GG auch durch teilweise oder volle Staatsmonopole eingeschränkt127, was allerdings nur in jeweils verhältnismäßigem Umfang geschehen darf. Die Wettbewerbsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG führt zwar zu einem Begründungszwang ihres Ausschlusses in dieser Weise, was dem einfachen Gesetzgeber jedoch die bekannten, weiten Eingriffsräume eröffnet. c) Die Wettbewerbsfreiheit beinhaltet also zwar eine grundsätzliche Markteröffnungsfreiheit, die aber unter Gesetzesvorbehalt nach Art. 12 Abs. 1 GG steht. Bei dessen Anwendung in Verhältnismäßigkeit dürfen und müssen allerdings gerade die zentralen Inhalte der Wettbewerbsfreiheit, vor allem ihre Verdrängungsfreiheit von Konkurrenten, berücksichtigt werden; diese mögen jedoch auch zugunsten ihrer Beschränkung, ja ihres Ausschlusses ins Gewicht fallen: Wenn in einem Bereich gesamtwirtschaftsschädigende oder andere zentrale Gemeinschaftsgüter gefährdende Wirkungen der Konkurrenz zu befürchten sind, spricht dies für die Möglichkeit, sie zu beschränken, ja zu verbieten, einen Markt insoweit also nicht zu eröffnen. d) Soweit Markteröffnung demnach nicht aus der Wettbewerbsfreiheit abgeleitet werden kann, entfällt damit auch die Problematik der Wettbewerbsgleichheit. Sie tritt insoweit schon begrifflich nicht auf, als ein Marktverbot oder eine Marktbeschränkung „für alle“ gilt. Ist dies nur teil126 Zu den höchstrangigen Verfassungswerten nach dem Apothekenurteil (BVerfG E 377), welche eine monopolisierende Sperre auf der dritten Prüfungsstufe der Staatseingriffe rechtfertigen, vgl. BVerfG E 102, 197 (215). 127 Eine solche Problematik der (Wieder-)Eröffnung eines Marktes ergab sich etwa neuerdings im Bereich der Sportwetten, vgl. BVerfGE 115, 276.
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C. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht
weise der Fall, so verlangt die Wettbewerbsgleichheit allerdings, dass diese Wirkungen alle potenziellen Konkurrenten in gleicher Weise betreffen. Mögliche Markterfolge Einzelner, die damit behindert werden, stehen dem i. d. R. allerdings nicht entgegen. Der Markt ist eben insoweit ein „Raum der Ungleichheiten“, seine Nichteröffnung trifft den einen im geschäftlichen Ergebnis möglicherweise weit stärker als den anderen. Lediglich der Marktzugang als solcher muss, das verlangt die „negative Wettbewerbsgleichheit“, für alle potenziellen Konkurrenten gleichmäßig verschlossen oder beschränkt werden. 8. Bedeutung der Wettbewerbsgleichheit für das Vergaberecht a) Ein zentrales Wirkungsfeld der Wettbewerbsfreiheit, in besonderer Weise aber hier in den Schranken der Wettbewerbsgleichheit, ist im vorliegenden Zusammenhang bisher noch nicht hinreichend ins juristische Bewusstsein getreten: das Vergaberecht. Es stellt eine Form des Zugangs zu bestehenden Märkten dar, bedeutet nicht selten aber auch die Eröffnung von neuen Bereichen einer Betätigung der Wettbewerbsfreiheit. Ob und wieweit sich öffentliche Träger auf bereits bestehenden Märkten als Teilnehmer betätigen dürfen, inwieweit sie solche allgemein zu eröffnen haben, ist nicht eine Frage des Vergaberechts; es wird dies im Rahmen der Stufenordnung des Art. 12 Abs. 1 GG entschieden, in Abwägung öffentlicher Interessen und privater Belange der Berufsfreiheit, wie bereits dargestellt. Wo aber der Staat selbst am Marktgeschehen teilnehmen darf, er ein solches gestatten will oder gar muss, da hat er dessen Wettbewerbsregeln zu folgen, Konkurrenz für Leistungen an sich selbst aufrecht zu erhalten oder herzustellen. Dies hat in den für die Staatsorganisation i. w. S. typischen Regelungsformen des Vergaberechts zu geschehen128. Wettbewerbsfreiheit wie Wettbewerbsgleichheit wirken hier nicht, wie gegenüber privaten Konkurrenten, in einer „Drittwirkung der Grundrechte“, sondern in der „klassischen“, allgemein anerkannten „Staatsrichtung“ der Freiheitsverbürgungen, meist in deren sog. Fiskalrichtung. Hier ist die Wettbewerbsfreiheit von ausschlaggebender Bedeutung, ihre Gleichheitsschranken müssen in besonders enger Weise beachtet werden: Der Staat muss bei jeder Auftragsvergabe darauf achten, ob sie in einen bestehenden Wettbewerb hinein erfolgt oder einen solchen eröffnet. Dem vollen Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit, wie er 128 Zum Vergaberecht, s. Leistner/Facius in: Gloy/Loschelder/Erdmann (Hg.), Handbuch des Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2010, § 14 RN 5 ff., 11 ff.; Bultmann, St. J., Wettbewerbsfremde Vergabekriterien im neuen Vergaberecht, BuW 2001, S. 244.
V. Wettbewerbsgleichheit
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bereits dargestellt wurde, vor allem in seiner Verdrängungsdynamik von Mitkonkurrenten129, ist dabei ebenso Rechnung zu tragen, wie der diese Freiheit beschränkenden Gleichheit, nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen. b) Grundrechtliche Maßstabswirkungen der Wettbewerbsfreiheit ergeben sich dabei in Vergaberegelungen, welche auf folgende Wirkungen gerichtet sein müssen: – Bei allen Vergabeentscheidungen und deren normativen Regelungen darf der Staat stets so verfahren, wie er dies zur Wahrung der Gemeinschaftsgüter im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG für erforderlich halten kann. Denn alle seine Einwirkungen über Vergaben, auf bestehende oder von ihm eröffnete Märkte, sind ihm als Beschränkungen der dort zu achtenden Wettbewerbsfreiheit zuzuordnen. Ist dies beachtet, so gilt im übrigen: – Auf bestehenden Märkten, auf welchen (auch) Dritte in Konkurrenz stehen, darf deren Lage durch staatliches Vergabeverhalten nicht schrankenlos verändert werden. Vielmehr hat auch der Staat diesen Situationen Rechnung zu tragen. – Soweit gerade die staatliche Vergabe neue Märkte schafft, muss dies so ausgestaltet werden, dass es die Wettbewerbsfreiheit voll zur Geltung kommen lässt, zugleich aber auch die Gleichheit der Wettbewerber im Marktzugang wie im Marktverhalten sicherstellt. Vor allem die Beachtung dieser letzteren Vorgabe der Vergabegleichheit erzwingt in der Praxis vergaberechtliche Regelungen, die wesentlich gleichheitsorientiert sind. Hier schafft der Staat geradezu einen Prototyp von Gleichheit im Wettbewerb, muss diesen allerdings nicht normativ allen Wettbewerbsvorgängen aufzwingen. Jedenfalls aber muss auch bei Vergaben die Entfaltungsdynamik der Wettbewerbsfreiheit geachtet werden: Die Vergabebedingungen dürfen nicht so ausgestaltet sein, dass sie praktisch wettbewerblichem Verdrängungsstreben von Konkurrenten, schon im Ausgangspunkt der Bewerbung, keinen ausreichenden Raum gewähren. Das Vergaberecht, bei allem Verbilligungsstreben, muss stets auch das Dumpingverbot130 beachten. Das Vergaberecht als solches kann hier nicht in Einzelheiten unter diesem Gesichtspunkt betrachtet werden. Zu betonen ist aber: Wettbewerbsfreiheit 129
s. oben IV.3. Zum Dumpingverbot im Vergaberecht vgl., Glinski, C., Die rechtliche Bedeutung der privaten Regulierung globaler Produktionsstandards, 2011; Klebe, Th., Flexibilität oder Lohndumping?, AiB 2010, S. 646; Aulmann, P., Verstöße gegen das Arbeitnehmerentsendegesetz als unlauterer Wettbewerb im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG, BB 2007, S. 826. 130
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C. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht
in den Schranken der Wettbewerbsgleichheit ist für dieses bereits weitverzweigte und vielschichtige Rechtsgebiet ein entscheidender Verfassungsmaßstab. Deshalb allein schon darf auch der Wettbewerbsfreiheit weder der Charakter eigenständiger rechtlicher Begrifflichkeit noch die Grundrechtsqualität abgesprochen werden.
VI. Staatseingriffe in den Schutzbereich 1. Staatliche Wettbewerbsbeeinflussung als Eingriff Wettbewerb ist eine Betätigungsform, welche als solche begrifflich, und nach geltendem Recht grundsätzlich, auch dem Staat offen steht, allen öffentlichen Trägern. Spricht man faktischen Beeinflussungen die Eingriffsqualität zu, wie dies seit langem geschieht131, so ist der Begriff der Beeinflussung eben entsprechend weit zu fassen. Ein solches nur „faktisch“ auf Wettbewerb, auf privates Verhalten auf Märkten einwirkendes Staatsverhalten verdient jedoch ebenso grundsätzlich als solches einen Grundrechtsschutz nicht: Die Wettbewerbsfreiheit ist ein Grundrecht der Privaten; zwischen ihrer wettbewerblichen Tätigkeit und den wettbewerblichen Staatseinflüssen (als Eingriffen) mag interessenmäßig abzuwägen sein, im Rahmen von Beschränkungen nach Art. 12 Abs. 1 GG; eine Grundrechtskollision innerhalb der Wettbewerbsfreiheit zwischen Staatsverhalten und dem – drittgerichteten – Wettbewerbsverhalten Privater gibt es jedoch nicht; was der Staat hier bewirkt, muss als „Eingriff“ im Sinn der Grundrechtsdogmatik verstanden werden. 2. Die drei Grundformen staatlicher Eingriffe in die private Wettbewerbsfreiheit In drei rechtlichen Formen greift „der Staat“, alle öffentlichen Interessen verfolgender Rechtsträger, in die verfassungsrechtlich geschützte Wettbewerbsfreiheit ein: a) Durch normativ wirkende Regulierungen werden den privaten Marktteilnehmern Voraussetzungen ihrer (möglichen) Markttätigkeit vorgegeben und, andererseits, wird ihr Verhalten durch öffentlich-, straf- und zivilrechtliche Bestimmungen eingeschränkt. 131 Zu faktischen Eingriffen in die Grundrechte vgl. Albers, M., Faktische Grundrechtsbeeinträchtigung als Schutzbereichsproblem, DVBl 1996, S. 233; Böckenförde, E.-W., Schutzbereich, Eingriff, Verfassungsimmanente Schranken, Der Staat 42, S. 165; Roth, W., Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, 1994.
VI. Staatseingriffe in den Schutzbereich
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b) Im Wege der Förderung verändert der Staat mit Haushaltsmitteln, die er sich – jedenfalls zum (großen) Teil – nicht auf dem jeweiligen Markt beschafft hat, die Wettbewerbssituation auf den Märkten, damit die dort bestehenden Rechtspositionen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Marktteilnehmer. Diese Tätigkeit des „Förderstaates“ wurde bereits eingehend behandelt132. c) Der Staat betätigt sich selbst auf dem jeweiligen bestehenden oder er eröffnet durch seine Aufträge den Zugang zu einem neuen Markt; dann greifen die Vergabevorschriften ein. Die verbreitete Auffassung, nach welcher wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand als solche kein „Eingriff“ sein soll133, ist nicht überzeugend. Allein schon die Betätigung öffentlicher Träger auf einem Markt verschiebt ja die jeweilige Wettbewerbslage zu Lasten Privater, nicht erst ein Verhalten, das gegen Wettbewerbsrecht verstößt134. Jedenfalls beim Markteintritt setzt der Staat ja hier auch Steuermittel ein, er wirft sein Prestige überdies in die Waagschale, unter Umständen steht er sogar als Gewährleister für Notfälle bereit135. „Verdrängen“ jedenfalls lässt er sich durch marktkonformes Verhalten seiner privaten Konkurrenten nur in den seltensten Fällen. Es geht also nicht an, den Eingriffsbegriff „von vorne herein wegzudefinieren“. Praktisch schließt das keineswegs das Recht öffentlicher Träger aus, wirtschaftlich tätig zu werden. Dies muss sich jedoch durchgehend durch Belange der Allgemeinheit rechtfertigen lassen – vor allem durch die Begründung, dass die insoweit erforderlichen Leistungen von Privaten auf den Märkten nicht in einem Umfang und mit einer Sicherheit erbracht werden können, welche dem öffentlichen Interesse entspricht. Dies muss sich aber eben nachweisen lassen, private Konkurrenz gleich Leistungsfähiger darf nicht in ausreichendem Maß vorhanden sein. Diese Art der Betrachtung ist erforderlich, sie muss die pauschale Vorstellung ersetzen, nach der es für die Zulässigkeit staatlichen Wettbewerbs schon genügen soll, wenn der Markt „besser“ leistungsfähig ist unter Teilnahme des Staates; das Prinzip der Subsidiarität der wirtschaftlichen Tätigkeit öffentlicher Leistungsträger muss ernst genommen werden136. Was „gut“, „schlechter“, „besser“ ist, 132 Förderung als Staatseinfluss auf den Wettbewerb ist ein Zentralproblem der Förderstaatlichkeit, vgl. dazu Leisner, W., Der Förderstaat FN 46, S. 63 ff. 133 Zur Auffassung wirtschaftliche Betätigung des Staates sei kein „Eingriff“ desselben, vgl. Manssen, FN 1 RN 82 ff. 134 Die Wettbewerbslage wird nicht erst durch ein wettbewerbswidriges Verhalten des wirtschaftenden Staates verschoben. 135 s. grds. zur Gewährleistungsfunktion des Staates, Knauff, M., Der Gewährleistungsstaat. Die Formen der Daseinsvorsorge, 2004. 136 Wie es der Subsidiaritätsvorstellung zum gemeindlichen Wirtschaftsverhalten gegenüber Privaten entspricht.
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C. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht
entscheidet hinsichtlich der ökonomischen Wirksamkeit der Markt selbst. Der Staat hat nur ein Entscheidungsrecht darüber, was aus Sicht der Gemeinschaftsbelange erforderlich ist, nur insoweit darf er in Wettbewerb überhaupt tätig werden. Dies ist auch eine Folge einer durch den Grundrechtsschutz der Wettbewerbsfreiheit veränderten Sichtweise: auf sie kann sich ja ein öffentlicher Träger grundsätzlich nicht berufen137 – eben weil er, auch dieser Wettbewerbsfreiheit gegenüber, der geborene Freiheitsgegner ist; und schon deshalb kann seine Wettbewerbsteilnahme nur grundsätzlich Eingriff sein. 3. Grundsätzliches Gleichgewicht der staatlichen Eingriffe – Austauschbarkeit a) Die Grundformen der staatlichen Eingriffe, welche der Wettbewerbsfreiheit zur Sicherung von Gemeinwohlbelangen, nach Art. 12 Abs. 1 GG, Schranken ziehen (dürfen), haben grundsätzlich, als solche, gleiches Gewicht. Es lässt sich nicht sagen, dass etwa normative Regelungen „an sich schon“ tiefer eingreifen als die Zuweisung von Fördermitteln an bestimmte Konkurrenten. Hier kommt alles auf den Einzelfall an, auf die Intensität der Wirksamkeit der Maßnahme auf dem jeweiligen Markt. Allenfalls lässt sich feststellen, dass gesetzliche Regelungen wegen der bei ihnen erforderlichen Allgemeinheit (Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG)138 an sich schon auf gleichheitskonforme Wirkungen hin ausgestaltet sein müssen; bereits im Erlassverfahren unterliegen sie entsprechenden Überprüfungen. Stärker einzelfallbezogen und insoweit jedenfalls virtuell eher zu ungleichen Auswirkungen führend sind jedoch Förderungsmaßnahmen. Bei ihnen ist also eine spezielle Überprüfung auf Marktneutralität, jedenfalls auf eine Marktstabilisierung139 erforderlich, an deren Ende dann wieder ein marktneutraler Rückzug der Staatsintervention stehen sollte, soweit nicht Gemeinwohlbelange die Aufrechterhaltung der Förderung erfordern (Art. 12 Abs. 1 GG). b) Die Teilnahme öffentlicher Träger am Wettbewerb ist in ihren Auswirkungen auf die Wettbewerbsfreiheit Privater am schwersten abschätzbar. Sie erfolgt in der Regel in Einzelfallkonstellationen, die als solche schon schwer vergleichbar sind. Überdies hängt die Marktwirkung von Umfang 137 Zu Formen und Rechtsschutz staatlicher Wirtschaftstätigkeit vgl. Leisner, W. G., Weisungsrechte der Öffentlichen Hand gegenüber ihren Vertretern in gemischtwirtschaftlichen Unternehmen, GewArch 2009, 337 (338). 138 BVerfG E 25, 371 (399); 85, 360 (374). 139 Zur Förderung als Ziel der Marktstabilisierung vgl. Leisner, W., Der Förderstaat, FN 46, S. 132 ff.
VI. Staatseingriffe in den Schutzbereich
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und Intensität der öffentlichen Aktivitäten auf den jeweiligen Märkten ab. Praktisch wichtig ist, in welchem Umfang die staatlichen Konkurrenten organisationsrechtlich Selbstständigkeit gegenüber den übrigen Organisationseinheiten ihrer Träger aufweisen. Entscheidend ist oft, wie weit deren Gewährleistungspflicht allgemein und vor allem in Form finanzieller Einstandspflichten reicht140. Auch die Gewinnerzielungsabsicht ist höchst bedeutsam. Bei all dem kommt es schließlich wesentlich auf die Rechtsform an, in welcher die öffentlichen Träger am jeweiligen Wettbewerb teilnehmen141. Hier öffnen sich in der Praxis weite Grauzonen, vor allem aus einem Grund: Soweit öffentlichen Trägern grundsätzlich eine Teilnahme am Wettbewerb gestattet wird, findet nur selten mehr eine Einzelfallprüfung dahin statt, wie tief dies dann auf den jeweiligen Markt einwirkt. Nach allgemeinen „Fühlbarkeitskategorien“ wird hier häufig geurteilt – die ihrerseits eher zu „gefühlter“ als zu rational, vor allem betriebswirtschaftlich überzeugenden Ergebnissen führen. Es zeigt sich hier ein Defizit, das vor allem bisher deshalb nicht aufgefüllt werden konnte, weil noch nicht einmal über den Schutzbereich der (allenfalls) beeinträchtigten Wettbewerbsfreiheit Klarheit bestand. Die hierzu vorstehend gegebenen Anregungen sollten daher gerade bei der Überprüfung dieser Eingriffsform in die Wettbewerbsfreiheit beachtet werden. c) In der Praxis mag sich also, jeweils marktspezifisch, ein stärkeres oder schwächeres Gewicht der Eingriffe herausstellen, je nach ihren Einwirkungen, betrachtet unter dem Gesichtspunkt der Gleichheit. Auch kommt es auf die jeweilige Übung, bis hin zu einer Tradition der Beeinflussungsformen auf dem betreffenden Markt an, schon weil sich dementsprechend die nichtstaatlichen Marktteilnehmer leichter oder schwerer auf derartige Eingriffswirkungen einstellen, diesen auch ausweichen können. Am deutlichsten lassen sich zweifellos gezielte Beeinflussungen im Bereich der Förderung als solcher feststellen; hier werden sie jeweils schon im Verfahren offengelegt, diskutiert, kritisiert. Bei materiell-normativen Regulierungen, wie auch im Falle der Wettbewerbsteilnahme, lassen sich dagegen betriebswirtschaftliche, vor allem finanzielle Auswirkungen auf (einzelne) Konkurrenten schwer überzeugend prognostizieren, oft überhaupt erst im Nachhinein feststellen. d) Dennoch muss an der vorstehend getroffenen Ausgangs-Feststellung grundsätzlich festgehalten werden: Alle Formen der staatlichen Beeinflus140
I. S. der staatlichen Gewährleistungspflicht, FN 135. Zur Rechtsform der Teilnahme öffentlicher Träger am Wettbewerb, unter dem Vorrang des Gesellschaftsrechts, vgl. Leisner, W. G., FN 137, S. 339 ff. 141
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C. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht
sung müssen jedenfalls, als grundsätzlich gleich bedeutsam, in ihren (möglichen) Wirkungen als gleichgewichtig angesehen werden. Aus dem Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit heraus ist ihnen dann, in Formen der jeweils angemessenen Schranken-Schranken der Wettbewerbsgleichheit, entgegenzuwirken: bei normativen Regulierungen unter Zurücknahme der Einschränkungen auf das Maß, das nun wirklich für alle gleiche Wettbewerbshindernisse errichtet; bei Förderung insbesondere unter Beschränkung auf Marktstabilisierung; bei staatlicher Teilnahme am Marktgeschehen in einem Verhalten der staatlichen Träger, das sich betriebswirtschaftlich/finanzierungsmäßig denselben Voraussetzungen unterwirft, unter denen Private auf den betreffenden Märkten tätig werden142. e) Diese grundsätzlich „gleiche Tiefen-Wirkung“ staatlicher Marktbeeinflussung auf alle jeweiligen Marktteilnehmer ist nicht nur bereits prinzipiell durch die Marktstruktur gefordert. Sie ist auch deshalb zu beachten, weil die beschriebenen Eingriffsformen ja weitgehend untereinander austauschbar sind. Bestimmte Förderungswirkungen können durch normative Regulierungen erzielt werden, ebenso aber durch Vergabe von Fördermitteln. Marktordnung und Subventionierungen sollten zwar, soweit wie möglich, unterschieden werden143, schon weil sie unterschiedliche „Marktnähe“ aufweisen. Dennoch müssen sie grundsätzlich beide am Maßstab der Wettbewerbsfreiheit ausgerichtet sein, sich nach ihren beschränkenden Auswirkungen auf diese überprüfen lassen. Dabei wird es dann häufig auf Ausweichmöglichkeiten der privaten Grundrechtsträger ankommen. Festzuhalten bleibt also: alle Eingriffsformen sind nach der Tiefe ihrer Wirkungen auf die Wettbewerbsfreiheit laufend zu überprüfen; ähnlich ist ja auch im Eigentumsrecht Privater zu verfahren144. 4. Die Problematik des „gezielten“ Eingriffs a) Gerade im Zusammenhang mit der Wettbewerbsfreiheit ist die Lehre von der Notwendigkeit des „gezielten Eingriffs“ entwickelt worden145. Sie war von Anfang an missverständlich insoweit, als auf eine „subjektive Absicht“ des Eingreifenden (Staat, öffentliche Träger) abgehoben wurde. Darauf kann es hier, wie überhaupt bei Grundrechtsbeeinträchtigungen, nicht 142
Vgl. FN 141. Zur Notwendigkeit möglichst weitgehender Unterscheidung von Subventionierung und Marktordnung bei staatlicher Förderung, s. Leisner, W., Der Förderstaat (FN 46), S. 108 ff. 144 Zur Überprüfung der Staatseingriffe ins Eigentum auf deren Tiefe Leisner, W., Eigentum, FN 26 RN 166 f. 145 s. dazu Manssen FN 1, RN 72 ff. 143
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ankommen, allein entscheidend ist die Wirkung eines staatlichen Verhaltens auf die Freiheit des Grundrechtsträgers146. Ob ein Eingriff nach den Intentionen des Eingreifenden hinreichend „zielgenau“ wirkt – und eben dies bedeutet doch der Begriff des „gezielten Eingriffs“ – bleibt gleich, es geht allein um objektive Auswirkungen – hier auf den Wettbewerb, insbesondere durch Verschiebung der Marktlage. b) Bleibt allerdings die Problematik der „Nebenwirkungen“ staatlichen Verhaltens in all dessen Formen, insbesondere bei hoheitlich-gesetzgeberischen Einwirkungen ist es eingehend – und bisher keineswegs überzeugend – behandelt147 worden. Solche Effekte treten naturgemäß, und auf breiter Front, bei zahllosen Gesetzgebungen und Förderungsmaßnahmen auf, welche, auch bei objektiver Betrachtung, „eigentlich“ auf ganz andere Bereiche „zielen“; was wirkt denn nicht, in staatlichem Verhalten, „irgendwie“ auch als Marktbeeinflussung. Die vielbeschworenen „Rahmendaten“ – Steuer- und Sozialrecht nur als Beispiele – welche jeder Markt verlangt, in einer gewissen Verlässlichkeit, bieten unübersehbar viele Beispiele; und sie entfalten keineswegs gleiche Wirkungen auf alle Marktteilnehmer, sie stärken oder schwächen gerade jene Verdrängungsdynamik, in der die Wettbewerbsfreiheit ihren Schutzbereich findet. c) Diese Nebenwirkungen allerdings sind kein spezifisches Problem gerade bei diesem Grundrecht der Wettbewerbsfreiheit, sie treten bei jeder freiheitlichen Verbürgung auf, wenn auch in unterschiedlicher Intensität. Hier kann letztlich nur nach „Fühlbarkeit“, also eben doch wieder nach Tiefenwirkung des staatlichen Verhaltens auf die jeweilige Wettbewerbslage, entschieden werden. Ist sie lediglich marginal, so entfällt ein „Eingriff“ schon in Anwendung eines allgemeinen Bagatellbegriffs. Gleiches gilt, wo ein „Ausweichen“ Betroffenen ohne weiteres zumutbar ist. Werden im Wesentlichen gleiche Effekte auf alle Wettbewerbsteilnehmer hervorgerufen, wie sie im Sinne der Wettbewerbsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG zur Sicherung von Gemeinwohlbelangen zulässig sind, so liegt zwar ein Eingriff vor, seine Wirkungen sind aber als Schranken des Grundrechts gerechtfertigt. Unter Anwendung dieser Kriterien lässt sich das „Nebenwirkungsproblem“ jeweils im Einzelfall sachgerecht lösen. Bewusst muss allerdings stets bleiben: Der „gezielte Eingriff“ ist als solcher ein Scheinproblem; es geht dabei nur einerseits um eine Frage der Tiefe des Eingriffs, andererseits um dessen verfassungsrechtliche Rechtfertigung.
146 Andernfalls liefe die Problematik im Wesentlichen auf die historische Auslegung hinaus, die der Ermittlung des Willens des Gesetzgebers. 147 Manssen FN 145.
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C. Wettbewerbsfreiheit als Grundrecht
5. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs Diese herkömmlich letzte Frage im Rahmen einer Prüfung des Grundrechtseingriffs bedarf nach den bisherigen Ausführungen hier keiner weiteren Vertiefung. Die Wettbewerbsfreiheit ist, als Grundrechtsaspekt des Art. 12 Abs. 1 GG, nur soweit gegen das Verhalten öffentlicher Träger geschützt, wie ein Eingriff, nach der zu diesem Grundrecht entwickelten Grundrechtsdogmatik, nicht durch Belange des Gemeinwohls gerechtfertigt ist. Zu beachten bleibt aber: Stets tritt hier ein derartiges verfassungsrechtliches Rechtfertigungsproblem auf; die Prüfung darf nicht dadurch „abgekürzt“ oder gar „wegdefiniert“ werden, dass gewisse Einflussnahmen öffentlicher Träger „von vorne herein“ als außerhalb des Schutzbereichs der Wettbewerbsfreiheit wirkend angesehen werden. Eine Staatsordnung, welche die Marktwirtschaft ernst nimmt, darf vor allem Wettbewerbsfreiheit nicht nur als ein irgendwie allgemeines, (fast) überall festzustellendes Phänomen eines Nebeneinander von Leistungsbereitschaften sehen. Sie muss in ihrer besonderen Freiheitsbedeutung erkannt, nicht als irgendeine ökonomische Ordnungsdynamik aufgefasst werden, mit der sich die Verfassung irgendwie beschäftigt. Das Grundgesetz mochte gegenüber einer „sozialen Marktwirtschaft“ vor Jahrzehnten als „wirtschaftspolitisch neutral“ angesehen worden sein148; mit solcher Begründung darf aber jedenfalls heute nicht mehr der normative, grundrechtsgeschützte Freiheitsgehalt des auf Märkten ablaufenden Wettbewerbs geleugnet werden. Diesem Nachweis waren die Ausführungen des Hauptteils C gewidmet. Nun bleibt zu prüfen, ob und wie ein „Wettbewerb als Verfassungsprinzip“ in Staatsorganisation „hinüber wirkt“, also auch den Staat selbst, den geborenen Gegner der Freiheit freiheitsrechtlich umprägt. Hier geht es dann im Folgenden auch um etwas wie einen „staatsorganisationsrechtlichen Freiheitsschutz“, in einem weiteren Sinne.
148
Vgl. FN B 16.
D. Wettbewerb als Verfassungsprinzip im Staatsbereich I. Wettbewerb und Staatsorganisation – Fragestellung Diese zweite Ausgangsfrage der Untersuchung kann im Folgenden nicht in der Weise behandelt werden, dass sämtliche Wettbewerbsberührungen zwischen Staat und Privaten oder zwischen Öffentlichen Trägern untersucht werden. Auszugehen ist vielmehr von dem grundsätzlichen Befund des Hauptteils C: Es gibt eine Wettbewerbsfreiheit Privater als Grundrecht, mit einem Schutzbereich gegen alle Staatsgewalt; insoweit ist jedenfalls „Wettbewerb ein Verfassungsprinzip“. Darüber hinaus stellt sich nun die – dogmatisch davon zu unterscheidende – Frage, ob diese Konkurrenz als Verfassungsgrundsatz auch bis hinein in die Staatsorganisation wirkt, insbesondere auf staatliche Kompetenzordnungen (i. w. S.) und auf das Verfahren öffentlicher Träger. Diese Fragestellung stand als solche nicht im Mittelpunkt der bereits mehrfach erwähnten Verhandlungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer; denn diese gingen nicht von der Problematik einer grundrechtlich geschützten Wettbewerbsfreiheit Privater aus, deren Wirkungen im Staatsbereich1. Sie waren auf den Fragenbereich „Markt oder Staat als Garanten des Staatswohls“ ausgerichtet. In C wurde „Wettbewerb“ wesentlich als privates, jedenfalls als „außerstaatliches“ Verhalten verstanden. Wettbewerbsprobleme mit Bezug zum Öffentlichen Recht, insbesondere zum Verfassungsrecht, ergeben sich in dieser Sicht dann vor allem in einer dreifachen Konstellation: – Beeinflussung der Wettbewerbslage zwischen Privaten „von außen“, durch rechtsförmliches Staatsverhalten – mit Formen und Grenzen dieser „Außenberührung“ beschäftigten sich die vorangegangenen Ausführungen; – Teilnahme des Staates am allgemeinen Wettbewerb – diese unterliegt den Regeln des privaten Wettbewerbsrechts, welches sich wiederum an Maßstäben der Verfassung auszurichten hat; 1
Vgl. FN A 1.
102
D. Wettbewerb als Verfassungsprinzip im Staatsbereich
– Konkurrenz(phänomene) innerhalb der Staatsorganisation, allgemein, zwischen juristischen Personen des Öffentlichen Rechts: Soll – kann – sich hier der Staat organisieren und dementsprechend verhalten wie private Unternehmen im Wettbewerb? Diese letztere Frage musste hier bisher offen bleiben. Sie war allerdings bereits Gegenstand der intensiven Privatisierungsdiskussion2 der beiden vergangenen Jahrzehnte. In ihr wurde die Frage „Wettbewerb (auch) innerhalb der Staatsorganisation“ allerdings insoweit nicht angesprochen, als Aufgabenprivatisierungen häufig in Bereichen von Konkurrenzlagen des Staates zu Privaten auftreten, oder solche gar herstellen. Organisationsprivatisierungen sind immerhin insoweit wettbewerbsneutral, gegenüber Privaten „nach außen“ wie innerhalb der Staatsorganisation, als sie als solche nicht notwendig zu einer Konkurrenzsituation führen müssen. Diese Gestaltungen orientieren sich vielmehr wesentlich an einem Streben nach „Mehr Effizienz“, das übrigens auch bei Aufgabenprivatisierungen meist eine entscheidende Rolle spielt. Im Folgenden stehen in der Behandlung des „Wettbewerbs als Verfassungsprinzip“ im Staatsbereich, also zwischen öffentlichen Trägern, nicht solche Überlegung im Vordergrund. Vielmehr geht es um die Frage, was das Grundgesetz an Grundsätzen aufstellt, welche eine „staatsinterne Konkurrenz“ als solche fördern, begünstigen, orientieren, begrenzen – oder verbieten könnten. Dies wiederum bedeutet, dass im Folgenden – nicht primär einzelne staatliche (i. w. S.) Aufgabenfelder zu behandeln sind, und dass auch – nicht nach der Qualität (Effizienz) der Aufgabenerfüllung auf ihnen, oder auch allgemein zu fragen ist. Hier betrifft die Fragestellung vielmehr (etwas wie) „verfassungsrechtliche Rahmendaten“ für eine Staatsorganisation, welche Wettbewerb innerhalb ihrer selbst zulässt, erschwert oder ausschließt. Die vielumstrittene und noch immer nicht (voll) geklärte – vielleicht allgemein-grundsätzlich gar nicht klärungsfähige – Problematik der Staatsaufgaben3 ist daher insoweit auszuklammern. „Wettbewerb als Verfassungsprinzip“ – das umfasst aber jedenfalls auch die Frage: „Wettbewerb als Verfassungsorganisationsprinzip“.
2
Zur Privatisierungsdiskussion s. FN A 8. Die Diskussion über die Staatsaufgaben kann hier als solche nicht vertieft werden; vgl. immerhin FN A 28. 3
II. Wettbewerb im Verfassungsraum des Politischen
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II. Wettbewerb im Verfassungsraum des Politischen 1. Wettbewerb(sdenken) als „Staatsgrundstimmung“ a) Das Bekenntnis zur Freiheit „Wettbewerb“ ist ins gegenwärtige Rechts-, ja Verfassungsdenken als eine ursprünglich ökonomische Kategorie gekommen4. In ihren Denkstrukturen und Inhalten bleibt diese wirtschaftlich geprägt, auch wenn sie im innerstaatlichen Organisationsbereich eingesetzt wird; das sollte stets bewusst bleiben. Es darf dies allerdings nicht verengend bedeuten, dass sie in all ihren Einzelheiten, in ihren Entwicklungen und Abläufen, immer nur als staatsorganisatorisches Marktpendant i. S. einer Güter- und Leistungsproduktion verstanden wird. Deshalb muss im Folgenden stets versucht werden, politischen-, d. h. machtspezifischen Prägungen eines „Wettbewerbs im Staat“, zwischen Staatsgewalten Rechnung zu tragen. Dies darf allerdings wiederum nicht dazu führen, dass nur aus verfassungsrechtlichen Einzelbetrachtungen heraus, gewissermaßen induktiv, hochgerechnet wird zu einem besonderen „staatsorganisationsspezifischen Konkurrenzbegriff“. Vielmehr muss die Verbindung zum ökonomischen Ausgangspunkt im Konkurrenzdenken stets gesehen werden, das ja in den letzten Jahrhunderten machtpolitische Wettbewerbsvorstellungen, jedenfalls innerstaatlich, eher in den Hintergrund hat treten lassen5. Die große, als solche unentbehrliche politische Macht und damit Verfassungskategorie „Wirtschaft“6 hat aber eine freiheitsrechtliche Grundstimmung7 entstehen lassen im verfassungsrechtlichen Denken. In den meisten ihrer wichtigen Lebensüberlegungen denken die Bürger jedoch, schon aus ihren Bildungs- und Berufslagen heraus, ganz selbstverständlich in wirtschaftlich geprägten Wettbewerbskategorien. Völlig realitätsfremd wäre daher die Annahme, sie würden diese ständig gegenwärtigen Denkgewohnheiten an einer „Garderobe zur Politik“ ablegen. Deshalb war es so wichtig, den freiheitsrechtlichen Gehalt des Wettbewerbs herauszuarbeiten. Wenn sich dieser Staat „zu Grund4
Dass „Wettbewerb“ auch in der Staatsorganisation auf ökonomische Kategorien zurückführt, damit auch Ökonomisierungsbedenken im Öffentlichen Recht mit ihm verbunden sind, wurde bereits oben unter A.IV. dargestellt. 5 Zu den machtpolitischen Wettbewerbsvorstellungen in der historischen Entwicklung vgl. B.I. bis IV. 6 s. dazu FN A 19. 7 Diese höchtsrangige Bedeutung der Freiheit zeigt sich in ihrer Verbindung zur Menschenwürde (Art. 1 Abs. 2 GG): „Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu . . . Menschenrechten . . .“ (Herv. v. Verf).
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D. Wettbewerb als Verfassungsprinzip im Staatsbereich
rechten bekennt“, dann bekennt er sich vor allem – grundsätzlich – damit zum Wettbewerb, damit aber ganz selbstverständlich auch in seiner Organisation. Sie muss – nun wirklich „staatsgrundsätzlich“ – „in dieser Konkurrenz geprägt“ erscheinen, in einem Denken nach solchen Kategorien und Kriterien. So will es die „Werteordnung“, aus der heraus die grundgesetzlich verfasste Gemeinschaft sich bewähren und entwickeln soll8. b) Staatsinterner Wettbewerb im öffentlichen Dienstrecht Das Recht hat die Realitäten nicht nur zu berücksichtigen, sondern, soweit möglich, optimal abzubilden9. Gesellschaftliche Wirklichkeit ist heute aber – und dies bedarf keines Beleges – dass die Bürger den Staat als Großunternehmen wahrnehmen, schon weil er der größte Arbeitgeber in der Gemeinschaft ist, weil seine Leistungen und Ordnungskräfte10, insgesamt wie auch in vielen Einzelbereichen, schlechthin unverzichtbar sind. Zu dieser „geistigen Lage unserer Zeit“ i. S. von Karl Jaspers gehört aber eben die erwähnte Wettbewerbsgrundstimmung, welche auch den Staat erfasst. Sie tritt hier hervor in der Form jener Leistungsforderung, die sich verfassungsrechtlich im Leistungsprinzip ausprägt, dem Bürger gegenüber wie im Staat selbst. Das beamtenrechtliche Leistungsprinzip11, wirkt, als Grundlage der Konkurrenz, als staatsorganisatorische Grundentscheidung der Verfassung. Die Rechts-, insbesondere die Organisationsgewalt des Staates muss dafür sorgen, dass vor allem über Bewerbungen im staatsinternen Bereich und deren rechtliche Beurteilung ein „wettbewerbskonformes Ergebnis“ erzielt wird. Wettbewerblichkeit prägt, darüber hinaus, das gesamte Kontrollverhalten des Staates, in seinem Innenbereich wie außerhalb desselben, insbesondere über das öffentliche Prüfungswesen. Dies ist nichts als eine große, vielfältig verzweigte Anstrengung, verfassungsrechtlichen Vorgaben der Wettbewerblichkeit zu genügen. Prüfung ist hier Marktverdikt in staatlich hoheitlicher Form. Innerhalb der Staatlichkeit ist es rechtlich geradezu per8
Als „Wert“ erscheint hier eben jene Wettbewerbs-Freiheit, die als solche ohne prinzipiengestützte Konkurrenz ihren zentralen Entfaltungsraum verlöre. 9 Ein wenig beachtetes Beispiel dafür findet sich in Art. 33 Abs. 1–3 GG, in einer „Eignung“ und einer „Leistung“, die aus einer auf Effizienz beurteilten Wirklichkeit herauswachsen, vgl. dazu Jachmann in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 33, RN 17. 10 In den staatlichen Marktordnungskräften, s. dazu grds. Leisner, W., Der Förderstaat. Grundlagen eines marktkonformen Subventionsrechts, 2010, S. 85 ff. 11 Denn das Leistungsprinzip ist ja weit mehr als ein organisatorischer Grundsatz nur für den Bereich des Berufsbeamtentums. Es ist dies zugleich ein allgemeiner Bürger-Anspruch gegenüber dem Staat (vgl. FN 9).
II. Wettbewerb im Verfassungsraum des Politischen
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fektionistisch organisiert. In dieser Sicht ist es schwer verständlich, dass man „Markt“ und „Staat“ so häufig gegenüberstellt, wo doch staatliches Personal- und auch Vergabewesen, die vielleicht bürgerwirksamsten Verhaltensweisen der „Staatsgewalt“, nichts anderes sind als verfahrensrechtlich geronnener Wettbewerb – in diesem Sinn geradezu Ausprägungen eines „geschlossenen Handelsstaates“12 – darin aber mehr „Handels-“ als „geschlossener“ Staat . . . Im öffentlichen Dienst(recht) wird dies, wie die gesamte Bedeutung des allgemeinen Wettbewerbsdenkens für die Staatsorganisation, allgemein und grundsätzlich besonders deutlich. Hier sind Bürger tätig, welche diese Denkform, diese ganze Vorstellungswelt, in den Staat hinein mitbringen, sie tagtäglich in das Staatshandeln hineintragen. Die Vorstellung von einer „Beamtenkaste“ eingeschlossen in einen vollgesicherten Elfenbeinturm wettbewerbsfreier Tätigkeit, war stets ein Fehler antibeamtlicher Polemik. Nirgends fand sich von jeher eine striktere, allerdings auch stärker reglementierte Wettbewerbsordnung als gerade im Beamtenrecht. Prüfungs- und Beurteilungs-, im Verbindung mit Konkurrentenprozessen zeigen eine „Verrechtlichung des Wettbewerbs“, der hier gerade als ein solcher Regelungsgegenstand noch weit über die Überprüfungsintensität des allgemeinen Wettbewerbs hinaus und in die Tiefe geht. Ein lohnendes Unterfangen wäre es, diesen „innerstaatlichen Wettbewerb“, nach seinen Kategorien und Kriterien, mit der aktuellen wirtschaftlichen Wettbewerbsordnung zu vergleichen. Festzuhalten ist jedenfalls: Das „Wettbewerbsdenken“ der Ökonomie trägt bis in die Staatsorganisation in einer allgemeinen konkurrenzrechtlichen Grundstimmung rechtswirksam hinein, ja es hat dort in manchem – vom buchhalterischen bis zum personalpolitischen Prüfungswesen – sogar seinen Ausgangspunkt. Die Grund-Lage des organisatorischen Staatsrechts ist also nicht nur wettbewerbsoffen – sie ist konkurrenzgeprägt durch den Geist der Menschen, die dort tätig sind, wie im Bewusstsein der Allgemeinheit.
2. Die demokratische Staatsform – wettbewerbsoffene Verfassung „Wettbewerb und Grundgesetz“ ist – schon grundsätzlich – unter zwei Gesichtspunkten zu sehen: einmal staatsgrundsätzlich im Verhältnis der demokratischen Staatsform als solcher zum „Wesen der Konkurrenz“, zum anderen aus den einzelnen tragenden Institutionalisierungen des geltenden Staatsrechts heraus, auf denen diese Demokratie konkret aufruht (i. Folg. 12
„Der Geschlossene Handelsstaat“, i. S. v. Fichte (1800).
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III). Dies wird zwar neuerdings beides erkannt, aber nicht hinreichend unterschieden13. Bereits aus dem Prinzip der Volksherrschaft, in dessen rechtsnormativen Wirkungen, zeigt sich eine deutlich grundsätzliche Wettbewerbsnähe, ja Wettbewerbsneigung in einer demokratisch verfassten Gemeinschaft, eben aus deren Demokratizität also solcher heraus. Nur die wichtigsten Verbindungslinien seien hier angesprochen: a) Aus dem Begriff der Volks-Souveränität – wie immer er im Einzelnen verstanden werden mag14 – folgt bereits das Gebot einer „Volksnähe“; es wirkt – und zwar sogar vor allem – bis in die Verästelungen der Staatsorganisation hinein, im Ziel einer „volksnahen Staatlichkeit“ im Verwaltungsrecht, wie es Bemühungen um „bürgernahe Verwaltung“ belegen, neuerdings in großem Stil. Diese „Bürgernähe“ aber bedeutet „Privatnähe“ einer Staatsorganisation insgesamt und deren Handlungsformen, welche den allgemein bekannten und seit langen im Bürgerleben „eingeübten“ Mustern entspricht. Da ist eben nicht mehr die streng hierarchisch geordnete Fürsten/Feudalfamilie15, in ihren gottgegebenen, unantastbaren Berechtigungen. Die Macht der Zukunft liegt auf dem „Wasser“ der politischen Volksbewegung; sie sind ein einziger Wettbewerb um die beherrschende Wellenhöhe der Macht. „Politik als Beruf“ hat hier tiefere Bedeutung: Das berufliche, konkurrenzgeprägte Leben der modernen Wirtschaftsgesellschaft trägt seine Kategorien und Kriterien über die institutionalisierenden Formen der Verfassungsorganisation „in den Staat hinein“: Er wird grundsätzlich getragen und durchformt in einem „Rechtsdenken in Wettbewerb“. Wenn „Grundnorm“ überhaupt einen materiellen Gehalt, nicht nur formale Bedeutung haben könnte16, – einer ihrer entscheidenden Inhalte in der demokratischen Staatsform müsste sich jedenfalls in dieser „Volksnähe als Wettbewerbsnähe“ der gesamten staatsformgeprägten Staatsorganisation finden. b) Wenn es neben solcher Volksnähe – welche ja keineswegs eine gewaltsame Identität von Staat und Gesellschaft bedeuten muss, eher eine energiegenerierende Spannung – ein rechtliches Wesenselement gibt, wel13 Dies gilt insbesondere auch für die Diskussionen um „Wettbewerb und Gemeinwohl“, FN A 1. 14 Zur Problematik des Verständnisses des „Volkssouverän“, der näheren Bestimmung des „Volkes“ und seines „Handelns“, vgl. Leisner, W., Das Volk – Realer oder Fiktiver Souverän? 2005, insb. S. 42 ff. 15 Zu den Einzelheiten des inneren Organisationsrechts der Feudalismen vgl. Leisner, W., Monarchische Hausrecht in demokratischer Gleichheitsordnung, 1968. 16 Wie dies den Ansätzen der Lehre Kelsen entspricht, s. dazu neuerdings Isensee, J., Die Staatlichkeit der Verfassung, in: Verfassungstheorie (Depenheuer, O./ Grabenwarter, Chr., Hg.) 2010, RN 34 ff.
III. Institutionalisierungen des „Wettbewerbs im Staat“
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ches Demokratie konstituiert, so sind es die Wahlen als Grundlagen dieser Staatsform. Hier zeigt sich bereits eine erste institutionalisierende Konkretisierung der Staatsform. Diese will sich zwar ihre „bis ins Floaten dynamisierte“ Flexibilität sogar darin bewahren, dass sie Auswahl und Kombination ihrer Wettbewerbsregeln, des Wahlrechts, nicht im Einzelnen verfassungsrechtlich verfestigt, sondern dies dem einfachen Gesetzgeber überlässt. Doch dass für sie gilt „Nichts Wählendes ist ihr fern“, ist seit langem anerkannt: in der Entscheidung zwischen „Konkurrenten“ als Marktplebiszit, wirklich als „Plébiscite de tous les jours“ (Ernest Renan); und „das Plebiszit“ war in dessen Zeit in ihrer bonapartistischen Grundstimmung eine beherrschende Ausdrucksmöglichkeit des erwachenden Volkssouveräns. An dem Grundtatbestand der „Marktwirtschaft in Wettbewerb“, der über „Aus-Wahl“ Wirtschaft und Staat verbindet, und zwar gerade in dessen demokratischer Verfassung, endet also alle allzu leichte Kritik, welche Wirtschaft und Politik, Markt und Staat trennen möchte. Dies mögen „Zwei Reiche“ sein, doch wie in religiöser Sicht17 so sind sie sich auch in der politischen Ordnung des Gemeinwesens nahe; diese ihre – legitimierende – Nähe heißt vor allem: Wettbewerb.
III. Verfassungsrechtliche Institutionalisierungen des „Wettbewerbs im Staat“ 1. Konkretisierungen der Konkurrenz in Institutionen – Allgemeines a) Von diesen „höchst-grundsätzlichen“ Erkenntnissen führt nun der herkömmliche „Verfassungspfad normativ abwärts“ in die grundgesetzlichen Institutionen-Konkretisierungen der Demokratie, in Deutschland und den Ländern vergleichbarer Tradition. Hierzu ist im Einzelnen (fast schon) alles Wichtige im staatsrechtlichen und politologischen Schrifttum ausgebreitet worden – und vor allem neuerdings18. Im Folgenden sind nicht Einzelheiten 17
Vgl. dazu Leisner, W., Gott und Volk. Regierung, Religion und Kirche in der Demokratie. Vox populi vox Dei, 2008, S. 52 ff., zur „Zwei-Reiche-Lehre“. 18 In VVdStRL 2010 (FN A 1). Dort sind ja nicht nur Kompetenzfragen und Organbestellungskonkurrenzen behandelt worden (vgl. Kotzur, S. 190 ff.), sondern sowohl ganz allgemeine Konkurrenzlagen (Wettbewerb von Rechtsordnungen, (Peters, A., S. 9 ff.; Giegerich, Th., S. 54 ff.), als auch Einzelausprägungen des Wettbewerbs im Handeln der öffentlichen Träger (Potacs, M., S. 254 ff.; Kersten, J., S. 288 ff.), insb. für die Universitäten als Träger (Geis, M.-E., S. 364 ff.; Bumke, Chr.); dies dient auch hier als Referenz für Probleme des Wettbewerbs im staatlichen Innenbereich.
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zu wiederholen; wohl aber sollen Anstöße für weitere dogmatische Vertiefung gegeben werden, zu der einer, auch bereits institutionell deutlichen, grundsätzlichen Notwendigkeit einer wettbewerbskonformen Staatsform. b) Methodisch kann hier eine – verbreitete – Betrachtung nur Ausgangspunkt sein; in ihr werden Verfassungsinstitutionalisierungen, oft auch nur „politische Verfassungsphänome“, nebeneinander gestellt und dann von ihnen aus, soz. als einer „Induktionsbasis hochgerechnet“ zu einer – mehr oder weniger – starken, insoweit überzeugenden „Wettbewerbsgrundsätzlichkeit“, welche der grundgesetzlichen Ordnung eigen(tümlich) sei. In dieser Induktion wird dann aber der „Konkurrenzgehalt“ der jeweiligen (Basis-)Institution nicht immer hinreichend deutlich, ebensowenig sein legitimierendes Gewicht für das Gesamtergebnis. Die Problematik liegt dabei in der zum Teil nicht ausreichenden methodischen Vertiefung bei der Rechtsfigur der Induktion als solcher19, was hier nur angedeutet werden kann: Es kann nicht genügen „mehr oder weniger konkurrenzträchtige“ Verfassungsnormen als solche aufzuzeigen und nebeneinander zu stellen, in einer Reihe, welche die doch wesentlich qualitativ orientierte Induktion allzu sehr in die Richtung einer quantitativen Überwiegensfeststellung verschiebt. Die jeweilige Wettbewerbsprägung der Verfassungsnormen/institutionen muss von einem „Weithin“ immer wieder auf ein „Wesentlich“ zurückgeführt werden. c) Konkret bedeutet dies: Für jede Rechtsfigur i. w. S. des Verfassungsrechts, von organisationslenkenden Grundrechten über Konstitutionsprinzipien der Verfassungsgewalten (Wahl), allgemeine Organisationsprinzipien (Föderalismus, Autonomie) und einzelne (Staats-)Organe (politische Parteien) bis hin zu verfassungsregulierten Sozialgewalten (Medien) ist zu ermitteln, was Wettbewerb für deren jeweilige grundsätzliche Legitimation bedeutet wie für ihr praktisches Funktionieren – und als Grundlage der Staatsform. Dieser „Konkurrenzgehalt“ ist zunächst als solcher jeweils festzustellen. Hier kann dies (i. Folg. 2ff.) nur in Grund-Zügen geschehen, und es bedarf jeweils einer bereichsspezifischen Vertiefung, in welcher die „Wettbewerbsstruktur“ des Meinungsbegriffs als solchen herausgestellt wird, oder der Wettbewerbsgehalt einer (insbesondere föderalen) Vielfalt. Aufzuzeigen ist Wettbewerbsgehalt der jeweiligen, grundsätzlich aller verfassungsrechtlich institutionalisierten Vielfalt von Organisations- und Handlungsformen20. 19
Zur Entwicklung der Theorie der Induktion vgl. Hofmann, Joachim, Die Induktion und ihre Widersacher, 2002; Kersten, E.-Chr., Worin besteht die Methode der Induktion, welche Probleme ergeben sich aus ihrer Anwendung? Ist sie noch zeitgemäß, 2004. 20 Für eine Reihe von Bereichen ist dies bereits geschehen, in Leisner, A., Vielfalt – ein Begriff des Öffentlichen Rechts, 2004, sowohl in materiellrechtlich-gegen-
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d) Die Feststellung der einzelnen verfassungsrechtlichen „Wettbewerbsgehalte“ der Normen/Institutionen schöpft aber deren Bedeutungsermittlung nicht aus. Hinzukommen muss noch eine Stufenbetrachtung, in der ihr jeweiliges normatives Gewicht deutlich wird; dies ist auch im Staatsorganisationsrecht wichtig, welches, schon aus dem (auch vertikal) ordnenden Organisationsbegriff heraus, auf eine Stufenprogrammatik der jeweiligen Wettbewerbsbedeutung hin ausgelegt ist. Es sind hier aber grundrechtsbegründete Wettbewerbslegitimationen und -elemente von stärker prägender Normkraft als solche, welche auch als Folge organisatorischer effektivitätsbezogener Gestaltung erscheinen, wie Kommunale Vielfalt und Funktionale Autonomie. Die gesamte Verfassungsdogmatik muss eben für die Ermittlung des jeweiligen und globalen Wettbewerbsgewichts innerhalb der Staatsorganisation fruchtbar werden. e) Zu vermeiden ist in diesem Zusammenhang ein methodischer VorGriff – oder Kurz-Schluss: Es darf nicht jede (irgendwie) „wettbewerbsträchtige“ Norm/Institution in ihren Wirkungen im innerstaatlichen Organisationsbereich sogleich relativiert werden mit Blick auf eine, notwendige, „Staatseinheit“21, in welcher alle Staatsgewalten zu sehen seien. Eine solche Betrachtung hat ihren Platz erst nach der Ermittlung des organisationsrechtlichen Konkurrenzgehaltes der einzelnen Rechtsfiguren: Sie zeigt allerdings dann, für deren Bedeutung, gewisse – zum Teil unüberschreitbare – Schranken auf, ohne deren Beachtung „ein Staat der in sich uneins ist, zerfällt“, weil demokratischer Wettbewerb dann zu demokratischer Anarchie degenerieren würde22. Wettbewerb ist, wie unter C dargelegt, ein grundrechtsgestützter Verfassungswert, daher als solcher, in Wettbewerbsfreiheit, in einer größeren verfassungsrechtlichen Begriffseinheit zu sehen. In gleicher Weise ist auch eine Staats(gewalt)einheit, welche hier organisationsrechtliche Grenzen zieht, als solche einheitlich zu betrachten und einer Wettbewerbsstaatlichkeit relativierend gegenüberzustellen – vielleicht damit im Letzten sogar zwischen ihnen ein „Wettbewerb um den Bürger“ stattfinde . . .
ständlichem Sinn, etwa in kultureller (S. 70 ff.) oder wirtschaftlicher Vielfalt, als auch in den rechtlichen Organisationsformen der Träger (107 ff.). 21 s. dazu Nomos und Ethos, Depenheuer, O., Hg., 2002, (Hommage an J. Isensee). 22 s. Leisner, W., Die Demokratische Anarchie. Verlust der Ordnung als Staatsprinzip, 1982, S. 208 ff. = Leisner, W., Demokratie 1998, S. 607 ff.
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2. Wettbewerbliche Grundrechtslenkung der Staatsorganisation – Meinungsfreiheit a) Den Übergang von der grundrechtsnormativ wirkenden Staatsform der Demokratie in ihrem wesentlichen Wettbewerbsgehalt (oben II, 2) in das innerstaatliche Organisationsrecht bilden die zugleich das private Verhalten und die „Staatsorganisation“ lenkenden Grundrechte, insbesondere die Meinungsfreiheit. Hier wird ein genereller, übergreifender Konkurrenzgehalt bereits herkömmlich in Verfassungsdogmatik hervorgehoben und näher verdeutlicht. Im Folgenden daher einige Bemerkungen zum Thema „Wettbewerb wesentlich in Meinungsfreiheit“ – und umgekehrt: „Meinung“ ist wesentlich ein Verhalten in „persönlichem Selbststand des Äußernden“23; dieser will sich wenn nicht durchsetzen, so doch behaupten, gegen andere Meinungspositionen, die auf das Gleiche gerichtet sind, den gleichen Gegenstand betreffen. Der Äußernde bezieht damit eine „geistige Wettbewerbsposition“24. Er verteidigt diese, oder er sucht sie zu erweitern, in gleicher Weise wie ein im wirtschaftlichen Wettbewerb Stehender. Dabei ist allgemein vom „Wettstreit der Meinungen“ die Rede; dieser unterliegt denn auch rechtlichen Regeln, die bis in Einzelheiten hinein Nähe zu Normen des Wettbewerbsrechts aufweisen. Meinungsäußerung kann daher wesentlich als ein Wettbewerbsverhalten verstanden werden, ja sie konstituiert schlechthin Wettbewerb. „Meinung“ bezieht sich eben nicht nur auf „grundsätzliche Gegenstände“, sie ist grundsätzlich offen für alle Inhalte. Art. 5 Abs. 1 GG schützt auch die Meinungsfreiheit im Wirtschaftlichen; insbesondere ist die Werbung, ein Zentrum der Konkurrenzwirtschaft, „Meinung“25, meist sogar mit wesentlich wettbewerblichem Verdrängungsgehalt. b) Die öffentlichen Träger sind in ihrem Wettbewerbs- oder auch nur wettbewerbsrelevantem Verhalten als solche nicht durch Grundrechte, auch nicht durch die Wettbewerbsfreiheit geschützt. Sie genießen aber in ihren Äußerungen einen indirekten grundrechtlichen Schutz über diesen Meinungsbegriff. Die Verfassung sichert sie in ihrem Staatsorganisationsrecht, soweit sie nach diesem wettbewerblich tätig werden dürfen, ja müssen, weil sie sonst ihre verfassungsrechtlichen Staatsaufgaben nicht erfüllen könnten. 23 Dies gilt für alle Formen der Meinung, bis hin zur Weitergabe von Tatsachen, weil der Äußernde sich jedenfalls mit einer (gewissen) Bedeutung des Kommunikationsinhaltes identifiziert. – Eine spezielle Intensität des Zielerreichungswillens ist dabei nicht erforderlich; dass „wirtschaftlicher Druck“ ausgeübt werden soll, entzieht einem Verhalten nicht den Schutz des Art. 5 GG (vgl. BVerfG E 25, 256 (268)). 24 BVerfG E 62, 230 (245). 25 Das Bundesverfassungsgericht geht gerade hier von einem sehr weiten Meinungsbegriff aus, vgl. etwa BVerfG E 102, 347 (359).
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Man mag dies ihre „kompetenzrechtliche Wettbewerbsfreiheit“ nennen. Ein wichtiges und ganz allgemeines Beispiel, welches in die Meinungsfreiheit hineinführt, ist die „Öffentlichkeitsarbeit“ der Regierungen und Verwaltungen; sie erfolgt in Form von Meinungsäußerungen, also in den begrifflichen Kategorien der grundrechtlichen Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG. Darin zeigt sich ihr wettbewerbsrelevanter Gehalt, damit stehen die Äußernden, auch im Staatsbereich, eben in einem Meinungswettbewerb, eindeutig erkennbar in der publizistischen Konkurrenz, mit starker Wirkung übrigens auch auf den wirtschaftlichen Wettbewerb. c) Die Bedeutung des Grundrechtsschutzes der Meinungsfreiheit für eine Konkurrenz innerhalb der Staatsorganisation gewinnt insoweit bereits unmittelbar entscheidende Bedeutung, als es um die freie, insbesondere politische Rede in allen demokratisch gewählten Volksvertretungen geht. Hier findet eindeutig und in allen wettbewerblichen Einzelausprägungen laufend ein „Meinungswettbewerb um die beste Lösung“ statt, mit der Zielrichtung einer Konkurrenz um (die) Macht. Dies ist sogar eine besonders intensive wettbewerbliche Konfrontation. Dass diese Konkurrenz in Willensbildung erfolgt, nicht bereits eine Ergebnisdurchsetzung darstellt, ändert nichts an dem hier eindeutigen und verfahrensmäßig prägenden Konkurrenzgehalt dieser politischen Meinungsäußerungen, ja des gesamten Konkurrenzverfahrens; denn hinter diesem steht ja stets die Bemühung um Ergebnisdurchsetzung, ebenso übrigens wie auf ökonomischen Märkten. Dieser laufende „Meinungswettwerb par excellence“ sollte deutlicher in den Mittelpunkt von Betrachtungen zur Bedeutung von Konkurrenz im Staatsbereich gestellt werden. Hier ist die parlamentarische Demokratie eine Staatsform des institutionalisierten Meinungswettbewerbs um politische Macht. Oft ist sie nur Fortsetzerin konkurrenzieller Marktkonfrontationen im ökonomischen Bereich: Das Parlament wird dann in vollen Sinn zum „Forum“ (Romanum). 3. Wahlen in Konkurrenz um Macht a) Wahlen und Abstimmungen sind Staatswillensbildungen in Formen rechtlich organisierter Meinungskonkurrenz (i. S. v. 2.), in der Beurteilung von Personen und/oder sachlichen Aussagen. Sie finden „innerorganisatorisch“ im Staatsbereich darin statt, dass hier für das „Staatsorgan Staatsvolk“26 Wahlberechtigte und/oder Gruppen von solchen den (sich) anbietenden Kandidaten „ihre Programme abkaufen“ und/oder meist zugleich „ihre Person“. Wähler wie Gewählte haben insoweit eindeutig die Stellung von staatsrechtlichen Kreativorganen in diesem innerstaatlichen Organisationsvorgang der Staatsgewalt. Dieser findet nicht in irgendeiner rechtlich 26
Vgl. dazu Leisner, W., Das Volk (FN 14).
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undefinierten Grauzone zwischen „Staat und Gesellschaft“ statt, oder in einem „Vorfeld“ der Ausübung von – insbesondere gesetzgeberischer – Staatsgewalt: Die Wahlen sind soz. deren organisatorischer Konstitutivakt. Er ist ein rechtlich geordneter Wettbewerb um die staatliche Macht, der sich sodann in den Diskussionen zwischen den Gewählten in Meinungsfreiheit fortsetzt, wie vorstehend dargelegt. b) Dieser „Konstitutivakt Wahl“ ist als solcher, in seiner Wettbewerblichkeit, nicht eine Rechtsform des Wettbewerbs zwischen Vertretungsorganen des Staates, sondern eine solche der „Organbestellung in Konkurrenz“. Zu unterscheiden ist ja zwischen „Organbestellungsorganen“ (Organen i. w. S.) – beim Staat (vor allem auch) die Bürger, im privaten Vereinigungsrecht die Mitglieder oder Gesellschafter – und „Vertretungsorganen“. Die gewählten Volksvertreter entscheiden im Organwettbewerb – jeder von ihnen hat hier eine verfassungsrechtlich geschützte Organstellung –, die Wähler in dem diesem voranliegenden Organbestellungswettbewerb, als Staatsorgane, in dem erwähnten weiteren Sinn. Beides muss aber in die Untersuchung des Wettbewerbs einbezogen werden; Organwettbewerb darf nicht auf eine Konkurrenz der Vertretungsorgane beschränkt werden. Dies gilt, in Betrachtung der Realität, schon deshalb, weil ja meist „mit den Entscheidungsorganen auch schon die Entscheidungen gewählt werden“, vor allem über die (politischen) Parteien (i. Folg. 5). c) Wahlen sind also in diesem Sinne doch ein Wettbewerbsvorgang innerhalb der Staatsorganisation. Gleiches gilt für Abstimmungen. Rechtlich können sie nicht unklar als irgendein staatsorganisatorisches „sui generis“ betrachtet werden. Die Frage nach Bedeutung und Anwendungsbereich der „allgemeinen Wahlrechtsgrundsätze“ des Art. 38 Abs. 1 GG außerhalb des Bereichs politischer Wahlen27 bezeichnet nicht die eigentliche Problematik dieser Bestimmungen, sondern eine sekundäre Konkretisierung ihrer Anwendbarkeit. Primär ist: Diese Regelungen sind rechtliche Ausgestaltungen, insbesondere Schrankenziehungen, ganz allgemein, eines Wettbewerbsvorgangs; daher müssen sie aber auch mit Blick auf das allgemeine Wettbewerbsrecht ausgelegt und angewendet werden. Dies geschieht übrigens weithin ganz selbstverständlich, wenn auch vielleicht unbewusst, darin, dass Auswahlgrundsätze wie die Allgemeinheit, die Öffentlichkeit, aber auch die Wahlgleichheit in die wirtschaftlichen Vorgänge von Angebot und Nachfrage übertragen, dass sie dann aber auch bei „Staatswahlen“, umgekehrt, mit Blick auf wirtschaftlichen Wettbewerb ausgestaltet und praktiziert werden. 27 Immerhin werden sie bereits für die politischen Abstimmungen als „allgemeine Rechtsgrundsätze“ bezeichnet (BVerfG E 47, 253, 276), und dieser Begriff wird weit, bis hin zur Anwendbarkeit auch bei Sozialwahlen (BSG E 79, 105 (109)) ausgelegt.
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d) Daraus ergibt sich: Wahlen im innerorganisatorischen Staatsbereich sind nicht Vorgänge, die „irgendwelche Wettbewerblichkeit“ zur Voraussetzung haben oder zum Tragen bringen: Sie weisen letztlich, bei einer Grundsatzbetrachtung, die gleichen, wenn nicht dieselben Strukturen auf wie Wettbewerbsvorgänge in Käuferentscheidungen im Wirtschaftsleben: Die Wähler sind die Kunden, um ihre Zustimmung wird geworben wie auf den ökonomischen Märkten. Sie werden durch Angebote angelockt – oder es wird gleich ganz offen ihre Zustimmung „gekauft“: Der ständig, in unzähligen Formen praktizierte Stimmenkauf, von der Inaussichtstellung mehr oder weniger „wählernaher Vorteile“ bis hin zum korrumpierenden Geldgeschenk – all dies sind nichts als Gestaltungen günstiger Kaufkonditionen, Nachlässe im (Aus-)Verkauf der Macht. Diese wird in einer eindeutigen „Machtauktion“ politisch meistbietend versteigert, zwischen politischen Gruppierungen. Was soll hier „typisch öffentlich-rechtlich“ oder gar staatsorganisatorisch zu sehen sein? „Gewaltsam“ ist rechtlich nicht ein solches privat(rechts)nahes Verständnis der Wahlen, sondern der Versuch, unter Hinweis auf ein angebliches Kriterium der „Wahl mit Blick auf das allgemeine Wohl“ den politischen Wähler vom ökonomischen Käufer zu unterscheiden. Dies bleibt ebenso frommer Wunsch, wenn nicht politische Heuchelei, wie eine Verpflichtung der Abgeordneten auf das Allgemeinwohl (Art. 38)28. Seitens der Wähler wird ebenso wie von den Gewählten gehandelt aus (gebündelten) Interessenlagen heraus29. Selbst wenn die Bürger, bei allgemeinen Parlamentswahlen und generell je nach Nähe des jeweiligen Wahlvorgangs zu solchen, ihre Interessenlagen zunehmend mit Blick (auch) auf andere, weitere Interessenkonstellationen bestimmen, bis hin zu einem, wie immer beurteilten, „Allgemeinwohl“, ist und bleibt letztlich die Wahl ein Beurteilungsvorgang nach „Privatinteresse als öffentliches Interesse“. Darin unterscheiden sich „Wahlen“ eben doch nicht von Güterbeschaffungsvorgängen auf wirtschaftlichen Märkten. e) Nicht entscheidend kann dabei sein, „wie politisch“ die jeweilige Wahl ist, wie sehr sich ihre Entscheidung ablöst von der Verfolgung eigener Interessen, und damit erfolgt mit Blick auf öffentliche ja gesamtgemeinschaftliche Belange. Den Begriff der „rein politischen Wahl“ kann es nicht geben. „Irgendwie“ in wechselnder Intensität, ist jede Wahl mit innerorganisatorischer Auswirkung, insbesondere die Parlamentswahl, ein Wett28 Die das GG übrigens gerade nicht vorsieht, wenn es den Abgeordneten Entscheidungen in einer Wahlfreiheit gewährleistet, in der sie „nur dem eigenen Gewissen“ unterworfen sind, d. h. völlig unbeschränkt, unkontrolliert handeln können, vgl. Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 38 RN 124 m. Nachw. 29 Vgl. Leisner, W., Wählen nach „Interessen“, nicht nach Parteien. Demokratie nach realem Bürgerbedürfnis, NJW 2009, 1464.
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bewerbs-, damit ein Marktvorgang. Dass sie in bestimmten zeitlichen Kadenzen stattfindet, unterscheidet sie rechtlich nicht wesentlich von wirtschaftlichen Marktprozessen, die ja auch nicht selten zu bestimmten (Aus-)Verkaufs-Auktionszeiten stattzufinden pflegen. Es drängt sich daher in der Tat die herkömmliche Frage auf, warum Wahlen, damit aber wesentlich „die Demokratie“, nicht als eine (Form von) Marktvorgang rechtlich wahrgenommen werden sollten. Die Gründe, dass beides unterschieden wird – sie können hier nicht vertieft werden – liegen wohl vor allem in der Entwicklung der Demokratiedogmatik über die „Repräsentationstheorien“30: Mit ihnen sollte Legitimation wie Konstituierungsvorgang des Staates, seiner Organe, seiner „Gewalt“, seiner typischen Handlungsformen, rechtlich in etwas wie eine „transzendente Höhe“ gehoben werden, als ein Gemeinschaftsvorgang, der ebenso „weit über den Niederungen privater Partikularinteressen“ stattfinde, wie er früher im Gottesgnadentum seine Grundlage fand. Spätestens schon seit Macchiavelli31 trat aber die selbst-, d. h. die interessenbewusste „Plebe“ staatsgrundsätzlich neben den „Principe“, der übrigens ebenso als optimaler Herr und Verteiler von Gemeinschaftsgütern erschien. Damit war aber bereits damals physiokratisches Denken als geistige Staatsgrundlage grundsätzlich überwunden, der Staat war im italienisch/florentinischen Banken-Denken eines Austauschens grundzulegen. Über Jahrhunderte hinweg haben sich solche Vorstellungen entfaltet, über das demokratisch-ökonomische Plebiszit bis hin in eine Gegenwart: Was sind in ihr Wahlen für den Bürger anderes als rechtlich „genauer geregelte Wettbewerbsvorgänge um Macht“? 4. Direkte Demokratie als Wettbewerb a) Dies lässt sich, mit Blick gerade auf neueste Tendenzen zu einer Ergänzung, wenn nicht gar teilweisen Ablösung, der repräsentativen durch direkte Demokratie abrunden: Gerade solche Abstimmungen stellen sich eindeutig als wesentlich marktmäßige und zugleich als marktordnende Vorgänge dar. Im Volksentscheid der Direkten Demokratie wird zuerst das Entscheidungsorgan – das Entscheidungsgremium – konstituiert; diese Organbestellung erfolgt bereits häufig in einem der Entscheidung vorhergehenden, eben einem Organbestellungswettbewerb zwischen Befürwortern und Gegnern 30 Gerade deshalb aber können die Repräsentationstheorien auch nicht mehr bieten als idealtypische Erkenntnisse, nicht etwa einen „Rechtsordnungsbegriff“ (zutr. Achterberg/Schulte FN 28, RN 28 m. Nachw.). 31 s. dazu Leisner, W., Zyklustheorie der Demokratie, FS. f. P. Badura, 2004, 289 (311 f.).
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eines Volksentscheids. Sodann läuft dieser innerhalb des Entscheidungsorgans ab, ebenso wie zwischen Volksvertretern, in einer Form von organinternem Wettbewerb. Auf beiden Stufen zeigt sich politisches Marktgeschehen. Wenn dabei auf das „institutionelle Funktionieren“ staatlicher Veranstaltungen und Willensbildungen abzustellen ist: bei weitem am besten und wirksamsten funktioniert direkte Demokratie im Kommunalbereich. Dort aber geht es weithin um größere Projekte, damit um Vergabeentscheidungen und/oder Einrichtungen, in einem weiteren Sinn, der Daseinsvorsorge32, also um typische Marktangebote, welche die Abstimmenden den Nutzern machen (können), dann aber auch bezahlen (müssen). Zwischen Ausschreibungen ohne und nach Abstimmungen besteht insoweit kein rechtlich bedeutsamer Unterschied: Direkte Demokratie ist weithin eine Vergabemodalität – „in Wettbewerb über einen (zu organisierenden) Wettbewerb“. b) Gerade mit dieser politischen Schubkraft der Abstimmung über „Großprojekte“ dringt Direkte Demokratie neuerdings in den Landes-, ja in den Bundesbereich vor – Stuttgart 21 als Beispiel33. Was bisher manchmal als „Verhoheitlichung der Straßen-Gewalt“ erschien, mit der Majestät einer „Volksgesetzgebung“ umkleidet wurde, zeigt nun immer mehr sein eigentliches Wesen: Das „wettbewerbsgewohnte“ Volk dringt in politischer Konkurrenz vor, grundsätzlich bis zu allen „wichtigen“ Entscheidungen, gerade gegen die einseitigen „Hoheitsentscheidungen“ der Staatsgewalten. Ihr „Kommen von Oben“ wird nicht mehr anerkannt, sie sollen „von Unten kommen“ – aus dem Wettbewerb der Bürger, der so den Innenbereich der Staatsgewalt erreicht und beherrscht. c) „Großprojekt“ ist das legitimierende, dynamisierende Stichwort dieser Entwicklung geworden. Sie ist schon deshalb kaum aufzuhalten, weil der Begriff, über ihre Finanzierung, übergreift in das Zentrum der jeweiligen öffentlichen Träger, in ihre Finanzhoheit, die der Kommunen vor allem34. Alle anderen Aufgaben(erfüllungen) sind dementsprechend zu modifizieren, werden dadurch oft verdrängt. Und der Begriff „Großprojekt“ lässt sich ja rechtlich kaum eindeutig definieren. Eng ist er jedenfalls verknüpft mit Ordnungsentscheidungen der jeweiligen Träger, zu Verkehr, Umweltschutz, Baurecht, ja Öffentlicher Sicherheit und Bildung, um nur naheliegende 32
Zur Daseinsvorsorge vgl. neuerdings Leisner, W. G., WiV 2011, S. 53 ff. s. Leisner, W., „Stuttgart 21“, NJW 2011, S. 33 f. 34 Auch wenn dieser Begriff sich im Verständnis des Art. 28 Abs. 2 S. 1 zu den „kommunalen Hoheiten“ noch nicht allgemein durchgesetzt hat (vgl. immerhin die synonym dafür gebrauchte „Finanzautonomie“, dazu Tettinger, P. J./Schwarz, K., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 28 RN 180) – er ist ja bereits in dem der Haushaltshoheit impliziert, bis hin zur Kooperation mit anderen Trägern (dazu neuerdings BVerfG E 119, 331(362)). 33
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Beispiele zu nennen. „Öffentliche Ordnung“ und „Großprojekt“ lassen sich oft nicht trennen. Diese Ordnungseffekte, in den meisten Fällen aus Markt(vergabe)-Entscheidungen, zeigen denn auch zugleich deutlich marktordnende Wirkungen. Damit aber werden sie unmittelbar zu Eingriffen in (bestehenden) privaten Wettbewerb. Die Verbindungen von Marktordnung und Marktteilnahme sind hier, wie allgemein im Öffentlichen Recht, vielfältig, schwer übersehbar, oft kaum zu definieren. Neuerdings hat sich dies im Bereich der staatlichen Förderung gezeigt35. Gerade Großprojekte bedürfen ja solcher staatlicher Förderung. Damit schließt sich für die Direkte Demokratie der Kreis, aus dem heraus sie „Mehr Wettbewerb“ in die Staatsorganisation tragen kann – wird: Sie wird vom Großprojekt zur lokalen, sodann zu immer größerflächiger Marktordnung vordringen – dabei sicher nicht beim Nichtraucherschutz stehen bleiben. Gegenstand der Unmittelbaren Volksherrschaft sind primär Wirkungen des Marktgeschehens im Wettbewerb auf staatliche Entscheidungen – und umgekehrt –, durch Vergaben vor allem und in Marktordnung. Sollte es da nicht innerstaatlichen Wettbewerb in (Vorbereitung von) Organentscheidungen geben, wenn dieser marktbeeinflussende Staatswillen marktmäßig gebildet, geprägt wird – in der Entscheidung meist durch dieselben, die dann als Marktkunden diese „Leistungen“ nutzen (können)? 5. Parteiendemokratie: Wettbewerbsgehalt aus Staatsorganwettbewerb – oder Staatsorganbestellungswettbewerb? a) Die Politischen Parteien sind Wettbewerbsakteure par excellence. Nicht nur ihr Konkurrenzgegenstand ist von größtem Gewicht, die politische Macht, selbst noch in ihrer Begrenzung; ihr „Gewinn“, ihre „Stärke“ fällt mit dem Anteil an dieser schlechthin zusammen. Selbstverständlich ist es also, dass im allgemeinen wie im wissenschaftlichen Sprachgebrauch parteipolitischer Wettbewerb geradezu als Prototyp der Konkurrenz erscheint. Deshalb hat er ja nunmehr im Grundgesetz auch eine verfassungsspezifische Regelung (Art. 21 GG) gefunden, in der Organisation, weithin auch in den Handlungsformen der Parteien. b) In einem bleibt allerdings der hier untersuchte Wettbewerbsgehalt in seiner inner-staatsorganisatorischen Bedeutung doch noch immer in einem Zwielicht: hinsichtlich der Staatsorganqualität der Parteien. 35 Leisner, W., Der Förderstaat (FN 10), insb. S. 88 ff., 93 ff., zur (wechselseitigen) Überwirkung von Marktordnung und Förderung.
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Unstreitig ist, dass die Staatsform der Demokratie ohne die Parteiendemokratie nicht vorstellbar ist36; politisch steigert sich Parteienverdrossenheit zur Staatsverdrossenheit. Heftig umstritten ist aber, ob die politischen Parteien, wie das Bundesverfassungsgericht annimmt, „Staatsorgane“ sind37. Für ihre Staatsorganqualität spricht, dass nur dies die Wirklichkeit sachgerecht abbildet. Die verbreitete Kritik38 übersieht, dass der verfassungsrechtliche Organ-Begriff im Recht der Organstreitigkeiten keineswegs notwendig i. S. der „Entscheidungsorgane“ verstanden werden muss, nicht etwa auch in dem weiteren der Kreations-(Bestellungs-)Organe gesehen werden darf, gerade wenn Gewählte eng an die Kreierenden auch rechtlich gebunden werden (Fraktionszwang). In der Kritik der Staatsorganqualifikation der Politischen Parteien wird immerhin auf ihre „Qualität als Erscheinungen des gesellschaftlichen Lebens“, insbesondere in ihrer Bildungsfreiheit, hingewiesen39. Diese Streitfrage, welche eine Grundproblematik der Demokratie als einer Übergangsform von „Staat und Gesellschaft“, belastet mit der „Unendlichen Geschichte“ der Beziehungen zwischen beiden, kann aber hier offen bleiben: denn der Wettbewerbsgehalt der Institution(alisierung) der Politischen Parteien40 ist nach beiden Auffassungen von staatsgrundsätzlichem Gewicht: c) Werden die Politischen Parteien als Staatsorgane qualifiziert, so bedeutet dies, dass ihre „Organbestellungsfunktion“, die der Bestimmung der staatlichen Entscheidungsorgane, der einzelnen Volksvertreter wie der durch sie gebildeten Gremien, bereits und für sich schon eine „Organstellung nach Verfassungsrecht“ begründet. Zwischen den Parteien findet dann, über ihre staatszentrale Entscheidungstätigkeit, Organkonkurrenz im herkömmlichen dogmatischen Sinn statt. Die Folge für den Wettbewerbsgehalt ist: Wahlen sind damit zugleich echter Organbestellungswettbewerb und Vorbereitung eines Wettbewerbs der Vertretungsorgane, in beidem Wettbewerb par excellence41. Der Konkurrenzgehalt der Institution Wahlen wirkt bereits über die Konkurrenz der Politischen Parteien als eindeutiger interner staat36
s. f. viele BVerfG E 111, 382, 404. Die Parteien sind als solche „verfassungsrechtlich institutionalisiert“, (so bereits BVerfG E 2, 173, vgl. auch etwa E 73, 40 (85)), werden neuerdings als „staatsnah“ bezeichnet (BVerfG E 121, 30 (64)). Vor allem aber können die Parteien als solche an Organstreitverfahren teilnehmen, weil sie („insoweit“ – aber eben hinsichtlich ihrer zentralen Funktionen) Verfassungsorgane seien (BVerfG E 121, 30 (57), st. Rspr.). 38 Überblick bei Streinz, R., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010 Art. 21, RN 145 ff. m. Nachw. 39 Streinz, FN 38, RN 147; ebenso Ipsen, J., in: Sachs M., GG, 4. Aufl., 2007, Art. 21, RN 48 ff. 40 BVerfG FN 37. 41 s. oben III.a), b). 37
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licher Wettbewerb von staatsprägender Grundsätzlichkeit und Allgemeinheit. Eine Staatsorganisation, die sich über „demokratische Legitimationsketten“ in all ihren wesentlichen Entscheidungen42 auf derart in Wettbewerb fallende Entscheidungen zurückführen lassen muss, zwischen Politischen Parteien als politischen Konkurrenten – eine solche Verfassungsordnung hat bereits darin „Wettbewerb als Verfassungsprinzip“ in ihrem Grundgesetz verankert – als Wettbewerb von Staatsorganen. d) Selbst wenn man aber die Politischen Parteien nicht als Staatsorgane ansieht, ihre Stellung jedenfalls in Wahlen auf den Kreationsvorgang der Entscheidungsorgane, auf deren Organbestellung, beschränkt sieht, zeigt schon dies eine hohe Wettbewerbsbedeutung dieser parteienstaatlichen Institutionalisierung; von Parteien in deren Wettbewerb bestimmte Staatsorgane sind als solche bereits dadurch wesentlich „wettbewerbsgeprägt“. Aus Konkurrenz ist ihre Bestellung hervorgegangen. Sie tragen dies weiter in die Erfüllung ihrer Funktionen hinein, es bestimmt dies dort ihr gesamtes Verhalten, das wiederum „in Konkurrenz abläuft“. Dieser ständige, parteipolitisch gesteuerte Wettbewerb in den staatsinternen Organgremien, insbesondere den Parlamenten, ist überdies eine entscheidende Vorphase in den Bemühungen um die Verlängerung der Bestellung: Kandidatenaufstellung erfolgt eben mit Blick auf Bewährung im organinternen parteipolitischen Wettbewerbsverhalten – oder in einer Vorschuss-Hoffnung auf ein solches; auch dies muss sich aber vor allem aus parteiinternem vorgängigen und laufenden Wettbewerbsverhalten begründen lassen. Die „Rückbindung an die Basis“ lässt dauernd Wettbewerbskategorien in der parlamentarischen Arbeit bestimmend wirken. Institutionell verstärkt sich diese Rückbindung des Organwettbewerbs auf den Bestellungswettbewerb laufend in der Partei/Fraktionsdisziplin der Gewählten: Keine Verlängerung der Organstellung ohne parteilich geprägtes Wettbewerbsverhalten in dieser! Bestellungs- und Organwettbewerb bilden darin eine Einheit: Beide sind in gleicher Weise geprägt vom wesentlichen Wettbewerb zwischen den Politischen Parteien – auch wenn diese nicht „Staatsorgane“ in einem engeren staatsorganisatorischen Sinn sein sollen. e) Die Verfassung selbst spricht diese Prägung des Verhaltens der wahlbestellten Staatsorgane durch den für und zwischen den Parteien wesentlichen Wettbewerb an im Begriff der „Mitwirkung der Politischen Parteien bei der Willensbildung des Volkes“ (Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG)43. Der Begriff schließt zwar ein Organbestellungs-Monopol der Politischen Parteien aus, 42
Zu den Legitimationsketten vgl. BVerfG E 31, 357 (362) st. Rspr.; diese können auch über gesetzlich ausgeformte Autonomien führen, BVerfG E 111, 191 (215 ff.). 43 Zur Bedeutung der Formulierung s. Streinz, FN 38, RN 76 ff.
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damit eine Monopolbedeutung des (wesentlichen) Wettbewerbs zwischen ihnen. Es wird damit aber wiederum nicht etwa nur ein „Konsens“ mit anderen Trägern von Bestimmungsrechten des Volkswillens angesprochen, sondern, und wohl sogar in erster Linie, das Organbestimmungsverfahren, das aber – wiederum im Wettbewerb der/aller Kreationsberechtigten abzulaufen hat. Ein das Staatsorganverhalten bestimmender Wettbewerb vollzieht sich also, nach dem grundgesetzlichen Recht der Politischen Parteien, im Bereich aller staatlichen Entscheidungsträger, auf welche Politische Parteien Einfluss nehmen (können) – und zwar jedenfalls auch zwischen ihnen und anderen Kreationsorganen. Damit steht das gesamte Verhalten der demokratischen Staatsorgane unter einem „Verfassungsprinzip Wettbewerb“44. 6. Föderalismus: „kompetitive“ Staatsorganisation Die Föderalordnung weist als solche, vor allem aber in ihrer grundgesetzlichen Ausgestaltung, deutlichen Wettbewerbsgehalt auf. Ebenso wie im Grundrechtsbereich oder im Parteienrecht muss dieser im vorliegenden Zusammenhang grundsätzlich herausgestellt und in seinen Rechtswirkungen bestimmt werden. a) Viel ist seit einiger Zeit vom „kompetitiven Föderalismus“ die Rede45. Analysen, Beurteilungen und Forderungen auf solcher Grundlage zielen dabei stets auf ein Ergebnis, das diese ja auch seit jeher kritisierte Staatsgrundentscheidung für die „Bundesstaatlichkeit“ in Deutschland legitimieren soll: Föderales Handeln sei zwar wegen der bundesstaatlichen Zersplitterung vielfach wirkungsschwach; seine Effizienz werde aber, gerade umgekehrt, auch wieder durch diese selbe Vielfalt gesteigert, ja sogar letztlich (über-)kompensiert46. Eine oft unbewusste, jedenfalls verdrängte Ökonomisierung gewinnt (auch) auf diesen (Um-)Wegen Einfluss auf die Verfassungsdogmatik. Effektivitätsgewinn wie Reibungsverluste sind bereits umfangreich und ausreichend dargelegt worden, nicht zuletzt in den Auseinandersetzungen um die „gleich(wertigen) Lebensbedingungen“ (Art. 72 GG)47. 44 Eine Ausnahme mag sich allenfalls aus dem exekutivinternen Hierarchieprinzip ergeben (vgl. unter V.3.), wesentlich abgeschwächt, aber wiederum über die ihrerseits wettbewerbsgeprägte politisch-parlamentarische Kontrolle. 45 Zum „Kompetitiven Föderalismus“ s. die Nachw. bei Sommermann, K.-P., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl., 2010, Art. 20, RN 55. 46 Vgl. die Darstellung mit umfangreichen Nachw. bei Leisner, A., Vielfalt – ein Begriff des Öffentlichen Rechts, 2004, S. 108 ff. 47 Leisner, A., FN 46, S. 123 ff.
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Auch hier darf aber nicht (nur) „aus Einzelpositionen hochgerechnet“, der Wettbewerbsgehalt des Föderalismus in auf diese Weise oft nur schwer nachvollziehbaren Abschätzungen ermittelt werden. Vertiefend ist vielmehr anzusetzen: Föderalismus ist begriffswesentlich wettbewerbsträchtige und wettbewerbsgetragene Staatsorganisation, Konkurrenz innerhalb des Staatsbereichs und aus diesem heraus wirkend. Allein schon das Nebeneinander von staatlichen Leistungs- und Entscheidungsträgern als solchen konstituiert hier Wettbewerbslagen zwischen diesen, und es tritt dies auch im internationalen Wettbewerbsrecht in Erscheinung48. Im Staatsrecht kommt jedoch eine – entscheidende – rechtlich konkretisierende Ausgestaltung hinzu: Die Konkurrenzakteure stehen im engeren Ver-Bund. Dieser wird herkömmlich wettbewerbsrechtlich vor allem, wenn nicht ausschließlich, betrachtet in der Problematik der Einschränkung der Aktionsmöglichkeiten der Gliedstaaten durch den Gesamtstaat. Dabei wird aber ein wesentlicher Konkurrenzaspekt zumindest unterbelichtet: Dieser „Bund“ ist nicht nur „vertikal“ zu betrachten, als koordinierender, damit häufig wettbewerbsausschließender, jedenfalls aber wettbewerbskontrollierender „Oberstaat“. Er stellt (damit) zugleich einen rechtlich abgegrenzten „Konkurrenzraum“ zur Verfügung, der als eine Art von „Markt der Staatlichkeit(en)“ wirkt, auf dem allein, begrenzt in völkerrechtlicher Territorialität49, sich der Wettbewerb der öffentlichen Träger abspielen kann und muss. Föderalismus wirkt also als Marktabgrenzung und damit Marktordnung, in einem ursprünglichen und zugleich fundamentalen Sinn. Wo eine Marktordnungsinstanz vorhanden ist (Bund) und Marktakteure (Länder), da ist notwendig und grundsätzlich „Markt“ in vollem Sinne: ein Forum für Formen des Verhaltens von Staatsgewalten, wie sie alle den Ländern eigen sind und deren Staatsqualität konstituieren. Im Einzelnen kann hier – vom Oberstaat – in Marktordnung geregelt werden; doch dies erfolgt im Sinne einer gemeinschaftskompatiblen Konkurrenzordnung, wie auch sonst in einem Wirtschaftsleben, das gerade aus dieser Staatskonkurrenz heraus laufend entscheidende Impulse erhält, keineswegs beschränkt auf eine, wie immer zu bestimmende, Staatsquote. b) Die Länder sind also begriffsnotwenig „Konkurrenten im Bund“, in einem doppelten Sinn: Einerseits um Effizienz und in deren Vergleich, von Lösungen jeweils für ihre Territorien, zum anderen in den Leistungen, wel48 In den Pflichten im Bereich des internationalen Wettbewerbs (vgl. Ipsen, J., Völkerrecht, 5. Aufl., 2004, § 45, RN 25 ff.), was dann auch zu Kooperationsverpflichtungen führt, sowie deren Institutionalisierungen in Organisationen (§ 46, RN 3 ff.). 49 Auf das Staatsgebiet des Gesamtstaates, Ipsen, FN 48, § 23.
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che sie jeweils für die Wahrnehmung der Gesamtinteressen (des Volkes) im Bund erbringen. Die Effizienzmessung erfolgt in politischen Akzeptanzerklärungen seitens der Bürger/Kunden, die, in grundsätzlich gleicher Weise, wenn auch in unterschiedlichen Formen und Zeitabständen, diese ihre Kontrollentscheidungen politisch treffen, den föderalen Akteuren deren Leistungen „abkaufen“, den Landes- wie den Bundesbereich im Blick; damit verfolgen sie ihre Bürgerinteressen in beiden Konstellationen. Insoweit kann von einem „doppelten Markt“ gesprochen werden, einem nationalen und einem landesmäßig bestimmten. Die Bürger treffen dabei durchaus getrennte Markt/Wettbewerbsentscheidungen, allerdings mit Blick auf ihre jeweils unterschiedlichen Interessenlagen, die sich, bei jedem einzelnen, zu einem Individualinteresse verbinden; aus diesem heraus trifft er seine demokratischen Entscheidungen, letztlich stets über Angebote in einem Wettbewerb, vor allem sogar über wirtschaftliche Interessen. c) Der Föderalismus stellt, in seiner deutschen Verfassungsgestaltung, überdies institutionalisierte Formen bereit, die den Wettbewerbsgehalt dieser Staatsgrundentscheidung mehrfach und zwar in typisch föderaler Stufung zum Tragen bringen. Föderalismus ist gerade nicht nur, ja nicht einmal wesentlich, Dezentralisierung. Er stellt eine „Mehrebenenstaatlichkeit“ bereit, welche nun im Europäischen Rahmen ihre Fortsetzung und Systematisierung findet; ein Denken in ihren Kategorien ist zwar noch immer vor allem ein Demokratieproblem50. Staatlichkeit erscheint jedoch grundsätzlich in einem gestuften Aufbau, in welchem diese Pyramide nicht befehlsmäßig von Oben durchwirkt, sondern in kooperativen Formen gehalten wird; Paradebeispiel ist die föderale Mitwirkung der Länder bei der Bildung des gesamtstaatlichen Willens, institutionalisiert ausgestaltet im Bundesrat. Indem dort neue Kooperationen zwischen „nebeneinanderstehenden Ländern“ geschaffen werden, entsteht auch eine grundsätzliche Wettbewerbs-Plattform zwischen den Ländern, und auf ihr findet ein typisch politisch-parlamentarischer Wettbewerb statt, wie er bereits in Bundes- und Landesparlamenten in politischer Meinungsfreiheit abläuft, wiederum weithin in Parteiendemokratie; sie schiebt sich hier gewissermaßen „in den Föderalismus“ – wettbewerbsverstärkend. Konkurrenz findet damit föderal in Formen von Wettbewerbsbegegnungen über Konkurrenzangebote staatlicher Entscheidungsträger auf mehreren Ebenen statt: Zunächst im Landesbereich mit dem Ziel der Mehrheits- und Regierungsbildungen und -aktivitäten; sodann in einem Nebeneinander von Lösung(sversuch)en, welche auf einer „Dritten Ebene“51 koordiniert wer50 In diesen vielfachen Verflechtungen sind neuerdings die „gestuften Rechtsordnungen“ behandelt worden, VVdStRL Bd. 66 (2007), Bundesstaat und Europäische Union zwischen Konflikt und Kooperation.
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den, schließlich wiederum parlamentarisch, im Bundesrat. Entscheidend ist, im vorliegenden Zusammenhang, bei dieser als solcher wohlbekannten Konstruktion – welche geradezu als Wesen föderaler Staatlichkeit erscheint – dass es dort nicht nur Stufungen gibt, vertikale Gewaltenteilung(en); vielmehr wird damit Wettbewerb auf all diesen Ebenen generiert. Dabei wird „Wettbewerb in/durch Wettbewerb kontrolliert“, in seinen Ergebnissen jeweils festgestellt und ratifiziert. Es funktioniert eine „Wettbewerbsordnung innerhalb der Staatlichkeit“, institutionell zwar eigenständig ausgestaltet, nicht aber als ein grundsätzliches aliud gegenüber einem Unternehmenswettbewerb im wirtschaftlichen Bereich: Politische Lösungen bilden sich bereits im Wettbewerb heraus, in Konkurrenz werden sie zu gesamtstaatlichen Angeboten verbreitert, schließlich den konkurrenziellen Wahltests der Akzeptanzentscheidung der Bürgerschaft unterbreitet. Föderalismus erscheint also als eine durchorganisierte Wettbewerbsordnung innerhalb des Staatsbereichs, und zwar, was besonders wichtig ist, bezogen nicht nur auf normative Lösungen, sondern vor allem auch auf Verwaltungsorganisation und -praxis, wie sie in der besonderen Verantwortung des Bundesrats nach Art. 83 ff. GG deutlich zum Ausdruck kommt. Kurzum: Föderalismus ist Wettbewerb im Staat, in den Ländern und der Länder untereinander. d) Im vorliegenden Zusammenhang muss aber gerade hier auf einen Gesichtspunkt eingegangen werden, der für den Wettbewerbsbegriff wesentlich ist: Verdrängung als dessen Konstitutiv- und Sanktionsinstrument52. „Verdrängungsstreben“ ist im föderalen Wettbewerb grundsätzlich legitim und findet dort auch laufend statt. Allerdings ist es dabei bereits nach allgemeinen Marktgesichtspunkten, insbesondere territorial, darüber hinaus aber auch (verfassungs-)rechtlich weitgehend beschränkt – nicht etwa zur Aufrechterhaltung bestimmter Länder, sondern eben, wie im wirtschaftlichen Konkurrenzbereich, nur zu der des Wettbewerbs zwischen ihnen. Dies bringt Art. 79 Abs. 3 GG klar zum Ausdruck: geben muss es nur eine Mehrheit von solchen. Welche Länder erhalten bleiben, ist grundsätzlich nach ihrer Leistungsfähigkeit zu bestimmen – und auch zu verändern. Dies ist der Sinn des Art. 29 GG53. 51 Die Kooperationsebene ist verfassungsrechtlich nicht vorgesehen, ihre Möglichkeit ergibt sich aber allein schon aus dem eigenständigen Nebeneinander der Länder; dieses erlaubt nicht nur, sondern erfordert eine Abstimmung der Landespolitiken. 52 Vgl. oben C.IV.3. 53 „Nach Größe und Leistungsfähigkeit“ müssen sie ihre Aufgaben erfüllen (können), Art. 29 Abs. 1 S. 1 GG. Die Kriterien zu deren Bestimmung (S. 2) sind die gleichen, nach welchen auch der wirtschaftliche Wettbewerb stattfindet; auch in ihm spielen ja landsmannschaftliche, geschichtliche, kulturelle Zusammenhänge eine
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Die Länder sind ja wesentlich Träger von Leistungen gegenüber den Bürgern, mögen auch deren Gegenstände im Einzelnen andere/weitere sein als bei Wirtschaftsunternehmen. Insgesamt findet dann auch ein – teilweise sehr intensiver – Verdrängungswettbewerb zwischen den Ländern statt, als wirtschaftlichen und kulturellen „Standorten“ vor allem. Er greift rasch in den Bildungs- und den Gesundheitsbereich über, verstärkt sich laufend in einer von privatwirtschaftlichem Wettbewerb getragenen ihrerseits zunehmenden Mobilität. Verdrängungsversuche und -erfolge werden zwar durch die rechtlich marktordnende föderale Territorialität in Grenze gehalten, die allerdings auch immer durchlässiger wird. Übrigens spielt dies aber auch für wirtschaftliche Konkurrenz eine oft entscheidende Rolle. Markträume müssen ja bestimmt und „natürlich“ auch geachtet werden; weithin liegen sie auch nach außerökonomischen Kriterien bereits fest, die zunehmend auch föderal-rechtlich bedeutsam sind („Regionale Märkte“). Schließlich findet auch eine laufende Kontrolle über Formen und Ergebnisse des Wettbewerbsverhaltens statt, wiederum in den Ländern, auf ihre „Effizienz“ hin: durch den Bund. Wichtigstes Instrument ist die „konkurrierende Gesetzgebung“ (Art. 74 GG), sie ist in diesem Sinne gerade nicht „Konkurrenz“, sondern deren kartellrechtliche Überprüfung durch den Bundesgesetzgeber. Je nach „Funktionieren“ im Landesbereich, in Länderkonkurrenz, belässt der Bund diese Zuständigkeiten bei seinen Mitgliedern. Gewiss ist hier noch mancher Aspekt zu vertiefen. Eindeutig zeigt sich aber: auch nach diesen – entscheidenden – Kriterien des Bund-Länderverhältnisses ist Föderalismus Wettbewerb. 7. Kommunalismus als konkurrenzielle Staatsorganisation a) Von einer Grundentscheidung des Grundgesetzes für einen „Kommunalismus“, vergleichbar der für eine Bundesstaatlichkeit, wird man wohl nicht sprechen können, trotz der institutionellen Sicherung der gemeindlichen Selbstverwaltung in Art. 28 Abs. 2 GG54. Dennoch ist unter deren verfassungsrechtlichem Garantieschutz eine innere Staatsorganisationsordnung entstanden55, die bedeutsame und grundsätzliche Nähe zu föderalen Gestaltungen aufweist. Auch in der allgemeinen Wahrnehmung setzt sich diese hier gewissermaßen „nach unten fort“, so wie die Dogmatik der DeRolle; jeder Konkurrent muss und wird sich laufend darauf einstellen. Dass dabei je nach Leistungsinhalt unterschiedliche Gewichtungen stattfinden, ist selbstverständlich. Gewinnorientierung ist keineswegs völlig ausgeschlossen. 54 Immerhin ist die demokratische Staatsform des GG durch sie geprägt (BVerfG E 91, 228 (244)). 55 I. S. einer „Gliederung“, BVerfG E 83, 37 (54).
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mokratie darin den Aufbau dieser Staatsform „von unten nach oben“ rechtsinstitutionell verfestigt sieht56. Für die Wettbewerbsgrundstimmung, ja eine rechtliche Konkurrenzprägung der Staatsorganisation, ergibt sich daraus, jedenfalls grundsätzlich: Gerade dieses praktisch so wichtige organisations- und kompetenzrechtliche Ordnungsprinzip ist auf seinen „Wettbewerbsgehalt“ zu prüfen; seine „Föderalnähe“ spricht von vorneherein dafür, dass auch hier Wettbewerblichkeit innerhalb der Staatsorganisation im weiteren Sinne verwirklicht, in diese laufend hineingetragen wird. b) Allein schon die hier weit größere numerische, quantitative Vielfalt der Akteure spricht für gesteigerte Vergleichbarkeiten zum Unternehmenswettbewerb – als Grundlage von „gemeindlichen“ Wettbewerbsangeboten, mögen diese auch durch die „örtlichen Angelegenheiten“ wirkungsmäßig noch eingegrenzt sein. Dies bewirkt ähnlich wie im Fall der Gliederung in Länder (vergl. oben 6) in wettbewerblicher Sicht zunächst einmal nur eine „Abgrenzung der kommunalpolitischen Märkte“. Es bedeutet aber, jedenfalls für die Bürger als „Verwaltungskunden“, keineswegs eine volle Abschottung der (kleineren kommunalen) „Wirtschaftsmärkte“ von einander; denn deren gegenseitige „Öffnungen“ bei der Leistungserbringung sind hier noch erheblich größer als die der Landesbereiche, in räumlichen Dimensionen wie auch in ihrer Verflechtungsdichte. Geordnet wird dieser Wettbewerb durch übergreifende Gesetzgebung57, horizontal in den zahllosen Gegenständen und Formen kommunaler Kooperation58; deren grundsätzliche Notwendigkeit ist seit langem unbestrittene Erkenntnis der Verwaltungswissenschaften. c) Vor allem ist es die verfassungsrechtlich geforderte gegenständliche Vergleichbarkeit der Leistungs- und Regelungsaktivitäten der Kommunen, welche Wettbewerblichkeit in all ihren Formen und Wirkungen befördert. Effizienzsteigerung wird hier nicht nur erreicht durch kommunale Zusammenarbeit, sondern bereits entscheidend gefördert, durch laufenden wettbewerblichen Vergleich, durch Modellentwicklungen in Projekten, vor allem aber durch Konkurrenz in vollem „Angebotsstreit“ um den „Zuschlag“ der 56
BVerfG E 79, 127 (149). Bis hin zu Formen eines flächendeckenden Aufgabenentzuges; dazu s. Tettinger, P.-J./Schwarz, K.-A., in: v. Mangoldt/Klein/Starck GG, 6. Aufl. 2010, Art. 28, RN 200. 58 Zu Formen und Gegenständen kommunaler Kooperation vgl. Glock, A., Kommunale Kooperation in der Region, 2010; Hertwig, St./Lamm, R., Zur Zulässigkeit interkommunaler Kooperationen im Rahmen eines kommunalen Gemeinschaftsunternehmens, KommJur 2009, S. 274; Franke, J., Kommunale Zusammenarbeit geht neue Wege, NdsVBl 2008, S. 223; Bloeck, O., Private Public Partnership und kommunale Zusammenarbeit, KommunalPraxis spezial 2006, S. 57. 57
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Bürger, insbesondere der Wirtschaft(sunternehmen) zu Standortangeboten der einzelnen Kommunen. Deren Standortwettbewerb ist geradezu weithin oberste Zielprojektion der Gemeindeaktivitäten schlechthin. Er lenkt die „kommunalen Hoheiten“, etwa im Planungsbereich, er ist entscheidender Bestimmungsfaktor der nunmehr zentralen, rechtlich weithin auch schon so genannten gemeindlichen Finanzhoheit59. Hier gilt es grundsätzlich Abschied zunehmen von Grundlagen und Kategorien eines geradezu physiokratisch/statischen, eines seit langem überholten „Denkens in Dezentralisation“ getrennt nebeneinanderstehender „Verwaltungseinheiten“. Beherrschend ist seit langem eine „Merkantilisierung des Kommunalsektors“, dessen Recht aufzufassen und fortzuentwickeln ist nach Kriterien eines Wettbewerbsrechts. d) Dieser wesentliche Kommunalwettbewerb erwächst schon aus der hier speziellen Nähe der „Leistungsgegenstände“, in einem weiteren Sinn, der Kommunen zur privaten Wettbewerbswirtschaft. In Aufgabenprivatisierungen dringt diese bereits vor in die kommunalen Organisationsstrukturen; in Joint Ventures verbindet sie sich mit ihnen, in Organisationsprivatisierung werden ihre „Modelle“ in die öffentliche Verwaltungsorganisation übernommen. Die „wirtschaftliche Kommunaltätigkeit“ führt in ihrer erwerbswirtschaftlichen Zielsetzung rechtlich sogar unmittelbar hinüber in die Marktkategorik der Wettbewerbswirtschaft. Dies alles wirkt nicht in einer „Höhe“ wie sie auf Landes-, ja auf Bundesebene begegnet, wo man Staatsverbindungen mit Großunternehmen der Wirtschaft vorwiegend als Phänomen von politisch wirkender Machtkonzentration begreifen60, sie insoweit anderen Dimensionen zuordnen mag als denen des Wettbewerbs in den „Niederungen“ tagtäglich funktionierender Marktwirtschaft. Im Kommunalbereich dagegen dringt die Wettbewerblichkeit öffentlicher Träger vor in das Marktgeschehen der mittelständischen Wirtschaft, dorthin, wo die Märkte noch, ganz genuin und modellhaft, in wettbewerbsrechtlich geregelten Bahnen funktionieren. Nicht zuletzt deshalb spielt hier ja auch das „klassische Wettbewerbsrecht“ noch eine weit größere Rolle als für Staatsleistungen auf Landes- oder gar Bundesebene. e) Der Charakter dieser Erscheinungen in ihrer Nähe zu wirtschaftlichem Wettbewerb, der den Kommunen geradezu durch die Privatwirtschaft „induziert“ wird, führt im Kommunalsektor, mehr noch als im Föderalismus, zu Formen der Organisation und der Kontrolle der gemeindlichen Aktivitäten, 59 s. Tettinger/Schwarz, FN 57 RN 252, wobei es gleichbleibt, ob man diese rechtlich als eine systematische Einheit sieht oder als ein Bündel von Schutzgegenständen und -instrumenten; jedenfalls wird damit die eigenständige Akteurstellung der Kommunen im Wettbewerb verdeutlicht. 60 Vgl. Leisner, W., „Privatisierung des Öffentlichen Rechts“, 2007, S. 102 ff.
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wie sie eben für ein Wettbewerbssystem typisch sind, auf verschiedenen Ebenen: – In Kommunaler Zweckverbandlichkeit61 werden Wettbewerbstätigkeiten zusammengefasst, konkurrenziell diskutiert und entschieden, in all den zahlreichen Gremien, über welche diese immer bedeutsameren Zusammenschlüsse wesentlich funktionieren. Die Ordnung des Wettbewerbs in Konsens erfolgt hier in Räumen einer „Kartellierung“ der Gemeindeangebote, wie sie Gegenstand auch der Wettbewerbsordnung des GWB sind, also in Formen einer Wettbewerbskorrektur. Da allerdings diese kommunale Verbandlichkeit hier weitestgehend gegenständlich begrenzt wirkt, lässt sie sich wettbewerbsrechtlich (doch noch) als Form der erlaubten Zusammenarbeit auf kleineren Teilmärkten begreifen. – Die Einmündung des gemeindlichen, vor allem ökonomischen Wettbewerbs in eine „politische“ Konkurrenz i. w. S. erfolgt über die Formen einer staatlichen Kommunalaufsicht. Auf dieser Ebene führen Kontrolleure wie Kontrollierte einen laufenden Dialog darüber, wie sich die kommunalen Wettbewerbsanstrengungen einfügen lassen in die übergreifenden Kategorien und Dimensionen der durch einheitliche Verwaltungspraxis und Gesetz zu ordnenden größeren Wettbewerbswirtschaftlichkeit. Parlamentarische wie parteipolitische Konkurrenzkräfte kommen hier marktordnend zur Wirksamkeit, ihrerseits oft gespeist aus Quellen einer genuin ökonomischen Konkurrenz zwischen Privaten. – Die „Kommunalverbandslobby“, deren Macht nicht zu Unrecht betont wird, stellt weithin ein Pendant, wenn nicht gar eine Erscheinungsform des wirtschaftlichen Verbandslobbyismus dar. In ihr kommen die gebündelten Interessen von Wettbewerbern zum Tragen. Eine dogmatische Fehlvorstellung wäre es daher, hier nur Ansätze zu einer staatsorganisatorisch durchgehenden Kommunalisierung zu sehen. Es sind dies „echte Interessenvertretungen“ von Staatsorganen als Konkurrenten und in deren Wettbewerb, entstanden und funktionierend aus marktwirtschaftlichem Denken, nicht Organe eines „verfassungsrechtlichen Kommunalismus en miniature“. f) Fazit: Kommunalismus ist, bereits in seiner gegenwärtigen Form, eine wettbewerbsgeprägte Form der Staatsorganisation. Gespeist wird er aus Konkurrenz-, nicht nur aus Dezentralisierungsdenken. Dieses letztere bezeichnet lediglich den ersten Schritt eines freiheitsfördernden Abbaus der Staatsgewalt; es gilt aber den zweiten, größeren zu tun: in einem Verständnis von selbstordnendem Wettbewerb zwischen den Kommunen, der aus 61 Die als solche die Einzelverantwortung der Gemeinden (BVerfGE 83, 363 (383)) nicht aufhebt. Vgl. auch FN 58.
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dieser Vielfalt dynamisierend (bessere) Leistung an den Bürger entstehen lässt. In diesem Sinn müssen wohl doch so manche kommunalrechtliche Strukturen überdacht und neu gewichtet werden. 8. Funktionale Selbstverwaltung im Wettbewerb a) Die kommunale Selbstverwaltung war der rechtliche Prototyp für die vielfältigen Formen von konkurrierender Interessenwahrnehmung „in Ordnung und Leistung“, welche heute als „Funktionale Selbstverwaltung“ (spät) die gebührende rechtliche Aufmerksamkeit gefunden haben. Hier wird in großem Stil Staatsorganisation demokratisch in Selbstverwaltung gestaltet: Von der Sozialversicherung über die berufsständischen Verkammerungen der gewerblichen Wirtschaft und des Handwerks insgesamt, bis zu den öffentlich-rechtlichen Verbänden der Freien Berufe, ja der Arbeitnehmer (Kammern). Gängiger, aber einseitiger Sicht entspricht es, dies nur unter dem Gesichtspunkt einer Demokratisierung zu betrachten, in welcher Staatsorganisation gewissermaßen aus vorstaatlichem Substrat eigenständig sich entfaltet. Hierzu mag Historie bemüht werden62, und freiheitssicherndes Streben ist unzweifelhaft eine bedeutsame Wurzel dieser Entwicklung. In ihr darf aber der legitimierende wie dynamisierende Wettbewerbsgehalt nicht unterschätzt werden; auch hier ist nicht nur administrative Dezentralisierung, sondern marktwirtschaftlich orientierte Wettbewerbsordnung, Organisation zu ihrer Gewährleistung in Konkurrenz, in Formen, welche schon deshalb insbesondere wettbewerbsnah funktionieren (müssen). b) Wettbewerbsordnung ist der Gegenstand all dieser Organisationen, wenn auch in unterschiedlicher Wirkungsweise. Bei verkammerten Berufen ist dies unmittelbar einsichtig. Ihre Funktionen beschränken sich geradezu darauf: einerseits in Mediation zwischen Konkurrenten, andererseits in einer Verfolgung gemeinsamer, gebündelter Interessen von Wettbewerbern, wie dies eben „deren Märkte“ verlangen, wie es diese sichert, und wie es auch ohne allzu weitreichende Kartellierungsgefahr möglich ist. Hier ist also „alles in Wettbewerb zu denken“; letztlich wird nur Konkurrenz geordnet und gefördert. c) Die Sozialversicherung mochte lange Zeit demgegenüber in ihrer Selbstverwaltung darin als ein deutliches sui generis erscheinen, dass hier 62 s. Tettinger, P. J., Kammerrecht 1997, S. 50 ff.; Fröhler, L., Das Recht der Handwerksinnung, 1959, S. 1 ff.; Detterbeck, St./Will, M., Die Handwerksorganisation in der staatlichen dualen Ordnung des Handwerks, 2003, S. 23 ff.
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eben nicht Konkurrenten, sondern primär die gleichermaßen Versicherten die Organisation tragen, wenn auch die Mitwirkungspflichten der Arbeitgeber deren wesentliche Wettbewerbsdimensionen in diese einbrachten. Dies hat sich allerdings neuerdings, rechtlich wie im allgemeinen Bewusstsein, darin immerhin in Wettbewerblichkeit hinein verschoben, jedenfalls ergänzt, dass die Konkurrenz unter den Kassen als solche zu einem höchstrangigen Ordnungsziel der Organisation geworden ist63. Nicht übersehen werden darf überdies, dass ja auch schon herkömmlich vielfältige Wettbewerbsbeziehungen der Leistungserbringer, insbesondere im Gesundheitsbereich unmittelbar, im Übrigen in Form eines (Beitrags-)Kosten-Wettbewerbs, praktisch wesentliche Elemente der Sozialversicherung waren. Auch dieser zentrale öffentliche Organisationsbereich – denn um einen solchen handelt es sich – ist also heute „wettbewerbsorientiert“, sowohl im Ziel der unmittelbaren Marktordnung, als auch in seinen aus Wettbewerb entstandenen, in diesem funktionierenden Strukturen. d) Vor allem Ordnungs- und Leistungsformen der Funktionalen Selbstverwaltung weisen einen erheblichen Wettbewerbsgehalt auf. Dies gilt zunächst schon – negativ ordnend – in deren Verpflichtung auf konkurrenzielle Neutralität der Förderung der Mitglieder. Diese zwingt sie nicht nur zu ständiger, möglichst genauer Beobachtung der Wettbewerbslagen in ihrem Bereich, die in Transparenz zu erfassen eine ihrer hauptsächlichen Aufgaben darstellt. Die Konkurrenzlagen, welche ja diese Organisationen halten sollen, die sie geradezu legitimierend tragen, orientieren in Selbstverwaltung auch ihren Wettbewerb untereinander; in der Beurteilung ihrer Leistungen und deren (gemeinsamer) Förderung wirkt Selbstverwaltung damit unmittelbar wettbewerbsgestaltend auch zwischen ihnen. Ihr Primärziel ist die Erhaltung funktionierender Märkte, der Beförderung eines diese übergreifenden „Allgemeinen Wohls“64 gerade darin. Hier stehen „Staatsorgane i. w. S. in einer Wettbewerbsordnung“, und über sie nimmt der Staat Wettbewerb als höchstrangiges öffentliches Interesse zur Kenntnis, öffnet sich in seinen verkammerten Ordnungsinstrumenten gerade diesen Katego63 Zur Konkurrenz der Sozialversicherungsträger, insb. der Krankenkassen untereinander, vgl. die Überblicke bei Leopold, D., Nur noch 227 selbstständige Sozialversicherungsträger, SozSich 2011, S. 60; Rolfs, Chr., Europarechtliche Grenzen für die Monopole der Sozialversicherungsträger?, SGb 1998, S. 202; Ruland, F., Unternehmenseigenschaft von Sozialversicherungsträgern, JuS 2005, S. 212; Drees, J.-D., Konkurrenzverhältnis zwischen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn und Sozialversicherungsträgern als Legalzessionare gem. §§ 87a BBG, 116 SGB X, VersR 1986, S. 19. 64 Dies zeigt sich in der engen Verbindung von Verwaltungsaufgaben und solchen der Wahrnehmung der Interessen der Mitglieder, vgl. zum Handwerk etwa Tettinger, RN 62, S. 125 ff.; BVerfG (K) GewArch 2002, 111 (113).
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rien und Kriterien, diesem „Verfahren in Konkurrenz“. Funktionale Selbstverwaltung ist Wahrnehmung von Wettbewerbsbelangen in Staatsorganisation und weithin auch zwischen Staatsorganen. e) Entscheidend ist dabei, dass die Verfolgung solcher Interessen am Wettbewerb als solchem, hinter denen aber doch die Interessen der jeweiligen Wettbewerber stehen, gerade durch diese marktteilnehmden Konkurrenten selbst erfolgt, In typisch marktorientierter Selbstordnung der Autonomie. Hier muss der Begriff der Selbstverwaltung ernst genommen werden; er ist nicht „irgendeine staatliche Organisationsform unter anderen“. Hier „wird geradezu Markt zu Staatsorganisation“, über seine Teilnehmer, die Wettbewerber, als Mitglieder der Selbstverwaltungsorganisationen. Der Staat appropriiert sich den Markt – und umgekehrt – in den jeweiligen Organisationsformen, in eben dieser Organisation als solcher. Dies ist gewiss, als solches, ein organisatorisches sui generis, innerhalb der Staatsorganisation; es öffnet aber diese dem Wettbewerb zwischen den Mitgliedern, welche die Organisation als solche tragen, es ordnet diese Konkurrenz, nimmt sie in ihrer wesentlichen Vielfalt, ja in ihren Gegensätzlichkeiten, „in die Staatsorganisation hinein“. Dies führt zu einer deutlich wirkenden Konkurrenzialisierung innerhalb derselben; sie muss jedenfalls in ihrem Gewicht erkannt werden, gerade wenn in verbreiteter Vereinfachung ein Gegensatz zwischen Staat und Markt konstruiert werden soll. Die Träger der Funktionalen Selbstverwaltung wirken hier, jedenfalls wettbewerblich betrachtet, in gewisser Nähe ja Vergleichbarkeit zu privaten Verbänden65, deren Tätigkeit ja ebenfalls eine wettbewerbsgestaltende Wirkung aus dem privaten Wirtschaftsbereich in die Staatlichkeit hinein darstellt. f) Die „Wettbewerbsöffnung“ der Staatsorganisation i. w. S. in der Funktionalen Selbstverwaltung beschränkt sich aber nicht darauf. Deren Rechtsträger treten auch, wie bereits angedeutet, in vielfältigen Beziehungen in Verbindung zueinander, nicht nur kooperativ ergänzend, sondern auch in Gegensätzen und deren wettbewerblichem Ausgleich. Deutlich wird dies in den Beziehungen zwischen Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern, aber auch innerhalb dieser Organisationen, etwa in Konkurrenzerscheinungen zwischen Handwerkskammern und Innungen. Mitgliederidentitäten sind hier von nicht geringer, aber keineswegs stets von gleichschaltender Bedeutung. Dass „Konkurrenz“ allgemein in der Vertretung wirtschaftlicher Interessen ein beherrschendes Handlung-, ja Organisationselement darstellt, bedarf keines Beleges. Auch die öffentlichen Vertretungsorganisationen stehen deshalb als solche weithin faktisch und auch rechtlich-kompetenziell in solcher Konkurrenz. Gleiches gilt überdies auch für 65
So etwa Badura, P./Kormann, J., GewArch 2005, S. 99 ff.
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ihre wichtigsten Untergliederungen, man denke nur an Innungen, Kreishandwerkerschaften und Innungsverbände66. In all dem weht „nicht nur ein Geist von Wettbewerb in der Staatsorganisation i. w. S.“, dieser prägt sie in ihren Strukturen und Handlungsformen. In der Funktionalen Selbstverwaltung findet also Wettbewerb im staatlichen Innenraum statt, „Selbstverwaltung des Wettbewerbs“. 9. Medienvielfalt, Medienkonkurrenz – inner- und außerhalb der Staatsorganisation Der Medienbereich liefert einen eigenartigen, aber höchst bedeutsamen Beitrag zur Erkenntnis der Wettbewerbsgeneigtheit und Konkurrenzfähigkeit der Staatsorganisation, unter ganz unterschiedlichen Gesichtspunkten: a) Zunächst ist festzustellen: Hier findet Wettbewerb geradezu par excellence statt, im Namen der Meinungsfreiheit (ober 3), und zwar eindeutig in den Kategorien und nach den Kriterien des allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerbs. Alles, was im Raum der Medien geschieht, entspricht diesem privatwirtschaftlichen Prototyp. Die in öffentlich-rechtlicher Organisationsform verfassten Öffentlichen Rundfunkanstalten67 sollen sich hier zwar durch besondere Aufgabenstellungen abheben von privaten Organismen; praktisch und in der Sicht der Bürger ist dies aber kaum mehr von wesentlichem Gewicht, es erschöpft sich in einer Regelung der Mittelbeschaffung. In ihrer Tätigkeit bleiben auch die Öffentlichen Rundfunkanstalten im Zentrum eines rechtlich geradezu „exemplarischen“, jedenfalls prototypischen Wettbewerbsgeschehens, das nach allgemeinen Grundsätzen dieses Bereiches abläuft. b) Gerade in ihrer wettbewerblichen Ordnung bieten „Staatsmedien“ aller Art, bis hin zu sämtlichen medialen Ausdrucksformen des Staatswillens, ein insgesamt einheitliches Profil, selbst in ihren internen Kontrollstrukturen. Alle Träger der Medienherrschaft stehen in einer insgesamt gleichartigen Konkurrenz um Publikumsinteressen68; einheitliche Medienaufsicht wacht 66 Näher dazu Leisner, W. G., Die körperschaftliche Rechtsform bei Innungen, Kreishandwerkerschaften und Landesinnungsverbänden. Öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Status? DHI 2011. 67 Zu den spezifisch öffentlich-rechtlichen Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vgl. Gerhardt, N., Presseähnliche Angebote nach dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, AfP 2010, S. 16; Hain, K.-E., Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten – Träger mittelbarer Staatsverwaltung?, K&R 2010, S. 242; Schnaitter, M., Möglichkeiten und Grenzen der Ausgestaltung des Programmauftrags der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, 2008. 68 Zur Ordnung dieser freiheitsschützenden Vielfalt vgl. Leisner, A., Vielfalt – ein Begriff des Öffentlichen Rechts, 2004, S. 56 ff. m. Nachw.
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über diesen Wettbewerb, in dem im Ergebnis Staatsorganisation wie Staatshandeln kaum mehr wesentliche Unterschiede zu privaten Konkurrenzstrukturen aufweisen. Insoweit nähert sich „Staatsorganisation“ geradezu einer Identität mit allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerbsaktivitäten. Diese „funktionieren“ hier im öffentlichen wie im privaten Trägerbereich, insbesondere über die Werbung. Dem steht die Autonomie der öffentlich-rechtlichen Wettbewerber nicht entgegen. Sie zeigt zwar eine besonders deutliche organisatorische Annäherung an private Wettbewerbsstrukturen in deren Konkurrenzgleichheit; dies alles ist aber noch immer dem öffentlichen, im weiteren Sinn dem Staatsbereich zuzuordnen, vor allem eben auch in organisationsrechtlichen Regelungen und in kommerzieller Finanzierung. Wenig ergiebig ist also der Versuch, hier einen Gegensatz oder auch nur eine wesentliche, rechtliche Distanz zu privaten Marktkonstellationen herzustellen, den „eigentlichen Wettbewerbsräumen“. Vielmehr ist zu konstatieren: Hier wirkt Wettbewerb im Staatsbereich, und aus ihm heraus, auf die private Bürgerschaft, im Werben um deren Interesse; und dies entspricht dem journalistischen Selbstverständnis. Hier ist also Wettbewerb auch im staatlichen Raum –, er wirkt zugleich, vor allem auf diesen, ebenfalls wettbewerblich. c) Die Medien als solche wirken ja, vor allem, in massiver Weise auf die staatlichen Entscheidungen im weitesten Sinn ein. Sie beeinflussen den innerstaatlichen Bereich tiefstgreifend in seinen gesamten Organisationsstrukturen wie in allen seinen Handlungsformen, vor allem in der Demokratie. Dass sie darin etwas wie deren Vierte Gewalt sind, ist seit langem Gemeingut der Erkenntnisse von Staatsrecht und Politologie. Im vorliegenden Zusammenhang ist aber nicht ihre hier vieldiskutierte „Zwischenstellung“ im Verhältnis von „Staat und Gesellschaft“ – wieder einmal – hervorzuheben, was ohnehin rechtlich nur sehr begrenzten Ertrag bringt. Vielmehr muss die Wirkung der Medien in den Staatsbereich hinein, wie aus diesem heraus gesehen werden unter dem Gesichtspunkt eines Wettbewerbs, der damit dem organisationsbestimmten innerstaatlichen Bereich induziert wird – und aus diesem heraus wiederum wirkt. Hier sind also zwei Konkurrenzeffekte zu unterscheiden: Die Wirkungen des „außerstaatlichen“ Wettbewerbs in den Staatsbereich hinein, auf das Organverhalten der öffentlichen Träger – und das dadurch diesen Organen untereinander durch solche Konkurrenz aufgeprägte Wettbewerbsverhalten derselben untereinander. Medientätigkeit erfolgt wesentlich in Wettbewerb; damit „konkurrenzialisiert“ sie den gesamten öffentlichen Sektor, und zwar den staatlichen Innenbereich noch weit stärker als einen solchen in der Privatwirtschaft; in die-
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sem letzteren sind ihre Effekte ja über den Schutz der Interessensphären69, insbesondere der Geschäftsdaten70, weitgehend eingeschränkt. Über das Öffentlichkeitsprinzip71, das stets als ein Staatsgrundsatz der Volksherrschaft betont wird, fließen dagegen nicht nur konkurrenzielle Formen, sondern auch in ihnen gebildete Inhalte laufend in den staatlichen Innenbereich ein, werden zu politischen Entscheidungsgegenständen. Der Meinungswettbewerb als solcher (oben 2) erreicht hier erst volle Wirksamkeit, parlamentarische und föderale Foren seiner Fortsetzung in Staatsorganisation (oben 3, 4). Das Geschehen auf diesen gewinnt damit Einfluss auf die interne Willensbildung der Staatsgewalten wie der sie in Wahl konstituierenden Bürger. Diese gesamte „Außeneffektivierung der Staatlichkeit“ wirkt nicht nur wettbewerblich unter den Medien – hier setzt sich, in den Reaktionen der öffentlichen Träger, die von den Medien in den Staat getragene Wettbewerblichkeit fort; diese wirkt wiederum auf die Bildung der Staatsangebote in der Suche von deren Akzeptanz durch die Betroffenen. Insgesamt laufen hier also vielschichtige und verflochtene Konkurrenzvorgänge ab. Meinungsforschung72 ist nur ein Instrument, welches diesen Prozess zugleich konkretisiert und „veröffentlicht“: Die wettbewerblich formierten Vor- und Nachreaktionen der Bürgerschaft auf staatliches Handeln leihen diesem erst eigentliche Wirksamkeit – in Wechselwirkung dieser Vorgänge mit dem innerstaatlichen Bereich, in einer „Konkurrenzialisierung desselben“ als Effekt etwa der Meinungsumfragen. Der gesamte innere Staatsbereich wird so, in unterschiedlichen Formen, auf verschiedenen Ebenen, von mediengeprägter Konkurrenzialität durchwirkt. d) Allem Wettbewerb ist es wesentlich, dass er abläuft ohne Befehl. Hier wird angeboten und gekauft, in einer – jedenfalls gewissen – Freiheit der Akzeptanz. Dies ist der tiefste und rechtlich am stärksten strukturwirksame Effekt der „politisch beeinflussenden Medien“: Sie formen alles Staatshandeln, vor allem aber eben auch die Hoheitsentscheidungen, um in Staatsangebote an den Bürger; es gilt ein typisch marktwirtschaftliches „C’est à prendre ou à laisser“. Dies prägt nicht mehr nur staatliche Förderung(sleistungen), sondern ebenso, ja in besonderem Maße staatliche Normsetzung, auf breiter Front: Unbedingte Ge- und Verbote treten dort immer weiter zu69 Immer weitergehend geschützt in der Rspr. des BVerfG, vgl. BVerfG E 90, 255 (260 ff.); 97, 391 (403 ff.); 99, 185 (186 f.); 101, 361 (382). 70 Zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vgl. FN C 63. 71 Zu seiner Ableitung aus dem Demokratieprinzip vgl. BVerfG E 70, 324 (358); 118, 277 (353). 72 Zur Meinungsforschung in ihrem Einfluss auf die Staatswillensbildung, vgl. Leisner, W., Das Volk, FN 14 S. 157 ff.
III. Institutionalisierungen des „Wettbewerbs im Staat“
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rück. Immer zahlreicher sind die Sektoren, in welchen staatliches normatives Ordnen sich in Marktordnung zurückzieht und sich darin erschöpft, in einer „Zur-Verfügung-Stellung“ von Rechtsformen und Rechtwirkungen, unter denen der Bürger auswählen kann – möglichst in Freiheit. Der „Gewaltunterworfene“ wird zum „Gewaltauswähler“, der, in freier Entscheidung, Verhaltensangebote akzeptiert – oder ablehnt, der Staatsmacht darin ihre Wirkung auf sich selbst gestattet – oder eben nicht. Der rein Passive, der Nicht-Konkurrenzteilnehmer, ist, in seiner Staatsunterworfenheit zunehmend auf Grundsicherungen beschränkt. Diese werden überdies, „dem Grunde nach“ immer weniger in entscheidungsträchtigen, unbedingt wirkenden Hoheitsentscheidungen aufgezwungen; sie erscheinen eher als marktordnende Angebote, geradezu als unabdingbare Ordnungsminima. Gestaltet werden sie, in einem „Fördern und Fordern“, das sogleich mit Aufrufen zu wirtschaftlichem Angebotswettbewerb unterstützt wird. In der Sozialversicherung beginnt überdies sogleich eine „Wettbewerbsdurchwirkung“, etwa in der Konkurrenz zwischen den Kassen (oben 8. c)). In alldem vollzieht sich eine mehr Bewusstwerdung als Effektuierung einer Wesensveränderung der staatlichen Hoheitsgewalt: Vom Befehl zum Angebot. Darin liegt eine grundsätzliche Konkurrenzialisierung des Staatsbereichs als solchen, im Verhalten auch von dessen Organen. Aus dieser wiederum erfolgt eine entscheidende „Privatisierungsentwicklung“73, weitere Formen des „Abschieds von der Hoheitsgewalt“. Dass es immer noch Bereiche geben muss, in denen diese wirksam bleibt, ist unstreitig. Doch sie wandern zunehmend als solche, und was noch wichtiger ist, in ihrer internen Strukturwandlung des Staatshandelns, ab in Erscheinungsformen eines „Angebotsstaates“ – einer Staatlichkeit in Wettbewerb und eben letztlich als Wettbewerb. Medien sind dabei die „Staatsanbieter“, „das große Medium des Wettbewerbs“. Diese Staatsangebote machen den Staat zum Anbieter auf einem Markt, der dann, sehr allgemein aber wenig aussagekräftig, als ein „politischer“ bezeichnet wird. Auf ihm agiert aber insoweit nicht „der Staat“ als eine blockhafte Hoheits-Einheit, sondern in der Vielfalt seiner Organe und deren Verhalten, welches dafür in den Verfassungsinstitutionen des Föderalismus, der Kommunalisierung und der Selbstverwaltung bedeutsame Aktionsräume findet. e) In besonderer und eindrucksvoller Weise vollzieht sich dieser Wettbewerb, in Angebotsbildung wie anschließender Akzeptanzsuche, im „Staatswerben um Bürgerzustimmung“ zu der einen oder anderen auch öffentlichrechtlich angebotenen Lösung oder Leistung. Die Öffentlichkeitsarbeit der 73
Zu den staatsgrundsätzlichen Wirkungen s. unten E.
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öffentlichen Träger74 muss vor allem in Kategorien des Wettbewerbsrechts rechtlich erfasst werden. Denn auch sie ist wesentlich Werbung, wie alle Wirtschaftswerbung; von dieser, ihren Kategorien und Kriterien, unterscheidet sie sich letztlich nur durch „Intensitätsschwellen“ des Werbens um Zustimmung. Durch diese wird sie allgemein oder bereichsmäßig beschränkt75, muss also in einer gewissen Zurückhaltung erfolgen76. Dennoch ist eine Beschränkung von Öffentlichkeitsarbeit auf Information schon begrifflich nach Art. 5 GG nicht möglich: Der Werblichkeitsgehalt mag hier abgeschwächt werden, er wirkt aber, unter Umständen gerade darin, über die besondere „staatliche Seriosität“, welche seine Effektivität wiederum verstärkt. So wie Public Relations immer mehr in ihrer Entwicklung von Grundlagen zu ständigen dynamischen Motoren der Märkte gesehen werden, sich völlig unausscheidbar mit Verkaufsaktivitäten verbinden – ebenso ist Öffentlichkeitsarbeit der staatlichen Instanzen längst nicht mehr nur eine informierende Potenzierungs-, sondern bereits eine Ausdrucksform des Staatshandelns. Sie erfolgt vor allem über Medien, die darin aber bereits die gesamte demokratische Willensbildung als entscheidenden Inhalt überzeugender Öffentlichkeitsarbeit vorstellen – und dies alles in den Formen von Wettbewerb auf allen Ebenen der Bildung und Wirkung von Staatswillen. Diese Öffentlichkeitsarbeit ist also durchgehend wettbewerbsgeprägt, vor allem in zwei Entscheidungen: sie erfolgt der Form nach medial in Wettbewerb, und sie konstituiert diesen werblich in Konkurrenz um Akzeptanz der Adressaten. Dass sie von „einem Unternehmen“, dem Staat, ausgeht und, jedenfalls meist, um eine Lösung, ein staatliches „Entscheidungsprodukt“ wirbt, schließt Wettbewerb hier nicht aus, lässt dieses Werben nicht „außerhalb von Konkurrenz“ stehen. Hier wirbt zwar oft ein Staats-„Monopolist“ – aber sein Angebot könnte eben auch ein anderes sein, seine gesetzgeberische Lösung etwa in anderen Formen, mit anderen Inhalten erfolgen. Findet sein Angebot in der Werbung nicht die erforderliche Akzeptanz, so führt dies dazu, dass hier alsbald demokratische Änderungsmechanismen eingreifen können, vielleicht werden. So verbreitet sich Wettbewerbsgrundstimmung nicht nur auf Annehmer-, sondern auch auf Anbie74 Grds. dazu bereits Leisner, W., Öffentlichkeitsarbeit der Regierung im Rechtsstaat, 1966. Eine solche ist nicht nur zulässig, sondern geradezu etwas wie eine rechtliche Organverpflichtung innerhalb des Staatsbereichs (vgl. BVerfG E 63, 230 (242 f.)), nicht, wie im Privatsektor, eine „Verpflichtung der Wettbewerber gegenüber sich selbst“. Diese typisch staatsorganisatorische Besonderheit nimmt ihr aber nichts von ihrem Wettbewerbscharakter – soweit eben die Angebote des Staates ihrerseits in Konkurrenz erfolgen. 75 Besonders weitgehend hinsichtlich der politischen Wahlwerbungseffekts BVerfG E 18, 101 (103). 76 So etwa zum Verhalten der Kammern BVerwG GewArch 2010, 400 („Limburger Erklärung“).
IV. Bürger als „Auswählende Wettbewerber“
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terseite, wo dann eben letztlich sogar mit „Einsatz der Staatsgewalt experimentiert“ wird. Demokratische Staatsangebote sind, selbst in hoheitlicher Form, in Wettbewerbssicht immer Probeläufe; und die Staatsgewalt ist eben insgesamt „in der Zeit zu sehen“, nicht in der starren Normgeltung des Augenblicks. Öffentlichkeitsarbeit des Staates ist also nicht nur Werbung, sie „macht alle ihre Angebote – werblich“. Die Medien sind weithin nichts anderes als Beleuchtung der Staatsorganisation und ihres Handelns im Licht des Konkurrenzdenkens.
IV. Staatsmonopol oder Unentrinnbarkeit der Staatsgewalt? – Bürger als „Auswählende Wettbewerber“ Im folgenden Kapitel sollen nun rechtliche Gestaltungen darauf untersucht werden, wieweit sie mit Verfassungsgehalt einem Wettbewerb im Verhalten staatlicher Organe dadurch entgegenstehen, dass sie diesem letzteren einen „unentrinnbaren“ Charakter vermitteln, sodass Konkurrenz von Verfassungswegen nicht stattfinden kann. Dies kann sich insbesondere im Verhältnis zur Staatsorganisation dadurch ergeben, dass diese als solche mit Monopolcharakter nach außen tätig wird, oder dass sich ein Wettbewerb innerhalb von ihr nicht entfalten kann. Beide Antikonkurrenzwirkungen lassen sich, wie im privatwirtschaftlichen Bereich, unter den Begriff eines „Staatsmonopols“ zusammenfassen. 1. „Gewaltunterworfenheit“ – Realität oder Relikt des Rechts? a) Das Verhältnis der Bürger zum Staat ist historisch unvordenklich stets aus dem Gewalt-Begriff begründet und dementsprechend rechtlich ausgestaltet worden. Diesem wiederum ist begrifflich eine Unentrinnbarkeitsvorstellung immanent, in Steigerung zu einem staatlichen Gewaltmonopol, in einer Absolutheit, die dann allenfalls durch Worte wie „potenziell“ oder „prinzipiell“ mehr verbrämt als relativiert wird. „Zwang“ erscheint als das notwendige Verdeutlichungswort – in Wahrheit ist es nur ein anderes für dasselbe: die ständig beschworene „Zwangsgewalt“77. „Zwangsgewalt“ ist eine Tautologie zum Begriff der Hoheit78, die ja nicht anders als in dem Sinn einseitig-unentrinnbarer Entscheidungswirkung gedacht werden kann. 77 Noch immer grdl. Merten, D., Rechtsstaat und Gewaltmonopol, 1975; Isensee, J., FS f. Eichenberger 1982, S. 23 ff.; neuerdings Klein, Eckart, in: Depenheuer, O./ Grabenwarter, Chr., Verfassungstheorie 2010, S. 635 ff.
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b) In diesem Sinn war „der Staat voll formiert“, im heutigen Sinne, erst in der Territorialhoheit des Absolutismus79; sein Erbe trat bruchlos der Volkssouverän der Französischen Revolution an. Vorher schon war die „Unentrinnbarkeit des Staates“ geistig auf eine neue, demokratische Grundlage gestellt worden: in Rousseaus „Allgemeinem Willen“. Durch den logischen Kunstgriff „Mehrheitswille als Minderheitswille“ wurde die Unentrinnbarkeit mit der Freiheit des Bürgers harmonisiert: Dieser „will“, bei richtiger Sicht auf seine Intentionen, vor allem aber seine Interessenlagen, ja „im Grunde“ auch nur das, was Zahlreiche seinesgleichen wollen, er „muss es wollen“, so muss der Bürger „seinen Staat lieben“, wie Alberich Liebe von Siegfried verlangt – so soll der Bürger „dirigiert“ werden. Minderheit begründet nicht Entrinnbarkeit aus der demokratischen Staatlichkeit. c) Damit führt der Weg weiter vom Mechanismus der Willensbildung zu deren Zielen: zum „Gemeinwohl“, das nun die Demokratie legitimieren soll. Es ist nichts als der materialisierte Allgemeine Wille des Genfer Staatsphilosophen. Mit dieser Mutation vom ausschließlich zulässigen demokratischen Verfahren zur Höchstwertigkeit der mit ihm erreichten Inhalte steht auch fest: Jedes andere Willensbildungsverfahren im Staatsbereich, das (vor allem auch) aus diesem heraus wirkt auf die Privatsphäre der Bürger, soll sich „vergleichen lassen müssen“ mit dem des einseitig-hoheitlich regelnden Staatswillens; insbesondere soll dies gelten für „den Wettbewerb“. Dies ist die gedankliche Operation der verbreiteten Dogmatik im Staatsrecht80, in sich folgerichtig aber mehr als Methode denn als inhaltlich bestimmte Beurteilungsform der Betrachtung. Eines allerdings darf dabei nicht ausgeblendet, gewissermaßen gedanklich übersprungen werden: dass eben dieser unentrinnbar gesetzte Staat mit seiner Macht, die sich absolut aufzwingen soll – als solcher gar nicht unentrinnbar ist. Grundsätzlich wird seine Unentrinnbarkeit (verkürzend) angenommen in einer historischen, staatsphilosophisch fortgesetzten „rechtlichen Setzung“. Dies aber ist bereits mit einem modernen Staatsbegriff schwer vereinbar, der aus der Verfassung heraus bestimmt werden muss81, welche aber ihrerseits „die Freiheit“ als die große „Staatsentrinnbarkeit“ in ihren 78
Zur Problematik des Begriffs der „Hoheitlichen Gewalt“, vgl. Leisner, W., „Privatisierung des Öffentlichen Rechts“, FN 60, S. 25 ff. 79 Ihr globalisiertes Wesen kommt bereits im Grundsatz des „Cuius Regio – eius Religio“ zum Ausdruck, hinsichtlich des damals wichtigsten staatlich/gesellschaftlichen Ordnungsinstruments. 80 Wie sie sich deutlich zeigt in der grundsätzlichen Fragestellung von VVdStRL 69, 2010 „Gemeinwohl durch Wettbewerb“? 81 s. dazu grundsätzlich und grundlegend Isensee, J., „Die Staatlichkeit der Verfassung“ in: Verfassungstheorie (FN 77), RN 1, insb. RN 66 ff.
IV. Bürger als „Auswählende Wettbewerber“
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Mittelpunkt stellt. Die Wirklichkeit zeigt schon, und zunehmend, ein völlig anderes Bild: den „entrinnbaren Staat“, eine Staatlichkeit, von der sich der Bürger immer mehr verabschiedet, von dem das Recht schon seit langem begonnen hat institutionellen Abschied zu nehmen, und zwar vor allem in einem: in privat(rechtsähnlich)em Wettbewerb.
2. Öffnungen zur Nichtakzeptanz von Staatsangeboten a) Staat als tatsächlich wie rechtlich von (allen) seinen Bürgern akzeptierte Gewalt ist, im heutigen geistigen Zustand des Staatsrechts wie in dessen Wirklichkeit einer Staatspraxis als „demokratische Bürgerpraxis“, bereits weitgehend Realität; wesentliche rechtliche Unentrinnbarkeit des Staates ist als solche schon weithin Fiktion. Die Demokratie „funktioniert in ständiger Akzeptanzsuche beim Bürger“; sie biegt sich und ihre Institutionen gewissermaßen ständig hin auf Bürgerbedürfnisse, wie der Unternehmer seine Angebote in Marktforschung und Orientierung auf Verbraucherbedarf vorbereitet. Dass dieser Orientierungsvorgang demokratisch „anders abläuft“ als auf Austauschmärkten – eben im demokratisch-parlamentarischen Wettbewerb, ändert grundsätzlich nichts daran, dass im Verfahren wie in den Ergebnissen der Staatswillensbildung allenthalben Konkurrenzgehalte sichtbar werden. Ihre Erkennungskategorie ist eben die ständig berufene, nie grundsätzlich definierte, nicht hinreichend im Einzelnen bestimmte „Akzeptanz“ der Staatsgewalt seitens der Bürgerschaft. Ihr Wettbewerbsgehalt zeigt sich negativ-ausgrenzend in den zahlreichen Formen der „Nichtakzeptanz“ der Staatsgewalt, in denen die Gewaltunterworfenen aus der Hoheitsgewalt, ja aus der Staatlichkeit fliehen (können) – mehr oder weniger erfolgreich. Dies geschieht in der Eröffnung von Wettbewerbswegen zu Zielen konkurrenzbegründeter Nicht-Akzeptanz. Wie breit diese bereits sind, zeigt eine Auflistung ihrer wichtigsten Erscheinungsformen. b) Fluchtwege aus der angeblich unentrinnbaren Staatsgewalt in die Freiheit eines Bürgerverhaltens öffnen sich, mehr oder weniger, aus einer normativen Kraft des Faktischen heraus, die aber das Recht berücksichtigt, in Schutz oder jedenfalls Anerkennung von Freiheiten; die dogmatischen Formen spielen in ihrer Einordnung im einzelnen hier keine Rolle. Alle diese Wege aber führen aus der Staatsgewalt heraus – und meist sogleich in Bürgerwettbewerb hinein, und dies noch unter staatlichem Schutz. Es geht dabei (i. Folg. 3) um die allgemeinen staatsrechtlichen Grenzen staatlicher Inpflichtnahme (a), um begrenzte rechtliche Verpflichtungsmöglichkeit in einzelnen Bereichen (b), Schranken rechtlicher Regelbarkeit (c) wie rechtlicher Durchsetzbarkeit (d), also eben um „Recht als Grenze –
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D. Wettbewerb als Verfassungsprinzip im Staatsbereich
Grenzen des Rechts“82, aus dessen immanenten Begrifflichkeiten wie aus der Faktizität der Regelungsgegenstände. Es ist aber auch noch eine weitere Kategorie von Gestaltungen hier in den Blick zu nehmen, in denen der Staat sich selbst staatsintern/staatsorganisatorisch in seinem Staats(gewalt)monopol83 Grenzen setzt, wiederum in Konkretheitsstufen (i. Folg. 4): In Rechtsstaatlichkeit (a), in der demokratischen Änderungsdynamik (b), in seiner eigenen Flucht aus der Absolutheit der Hoheitsgewalt (c), in Vertragsstaatlichkeit (d), in der Bereitstellung von Auswahlgestaltungen für einzelne Leistungsangebote (e). In all dem wird Akzeptanzzwang abgeschwächt, damit der Bürger als „Staatskunde“ in die Freiheit der Annahme des Staatsangebots rechtlich entlassen, in dieser Wahlfreiheit gesichert wird. Denn diese „Außerstaatlichkeit“ des Bürgers endet nicht in einem statischen Nebeneinander von Kunden im tatsächlichen Gemeinschaftsleben, mündet vielmehr sogleich in Wettbewerb um Staatsleistungen, damit eben auch in deren konkurrenzielles Angebot. 3. Grenzen rechtlicher Inpflichtnahme der Bürger a) Jede Staatsgewalt ist bereits darin als solche „entmonopolisiert“, „entrinnbar“, dass sich der Bürger ihr durch faktische Staatsflucht letztlich entziehen kann. Zwar sichert das übergeordnete Völkerrecht nicht Ausreiseoder gar Migrationsfreiheiten84, zunehmend aber erleichtern Fremden- und Asylrecht ihre faktische Inanspruchnahme durch rechtlichen Bestandsschutz einer vollendeten Tatsache. Darin steht jeder Staat in einer tatsächlichen Konkurrenzsituation zu anderen, absoluten Staatsgewalten, in einer immer mehr sich verflechtenden internationalen Gemeinschaft. Mag diese Staatsgewalt heute noch abgegrenzt gedacht werden – unentrinnbar ist sie tatsächlich schon längst nicht mehr, auf der Heerstraße der (Ab-)Wanderung ins Ausland ist sie eine der mächtigsten, und vor allem wirtschaftlich motivierten, Realitäten der Gegenwart. Im Europäischen Gemeinschaftsrecht mit seiner hochentwickelten Freizügigkeit steht die deutsche Staatsgewalt in ständigem Aufenthalts- und damit staatsrechtlichem Statuswettbewerb mit allen anderen Mitgliedsstaaten. Darin üben die Gemeinschaftsbürger ihre Staatsakzeptanz gewissermaßen global aus: Als „Staatskunden ziehen sie weg, sie springen nicht über Bord in eine flutende internationale See“, – sie wechseln Schiff und Kapitän in „Linienkonkurrenz“. 82 83 84
§ 52.
Isensee, J., Recht als Grenze – Grenze des Rechts, 2009. Zum Gewaltmonopol vgl. FN 77. Sondern nur einen fremdenrechtlichen (Minimal-)Schutz, vgl. Ipsen, FN 48,
IV. Bürger als „Auswählende Wettbewerber“
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Diese „Staatskonkurrenz“ will und darf in der grundgesetzlichen Ordnung schon aus grundrechtlichen Gründen nicht ausgeschlossen werden. Die Ausreisefreiheit mag, nach Ländern außerhalb europäischer Grenzen, mehr oder weniger beschränkbar sein, verbieten lässt sich dieser Ausreisewettbewerb weder rechtlich85 noch faktisch. Innerstaatlich ist Landes- wie gemeindestaatliche Gewalt „entrinnbar“ rechtlich in Freizügigkeit (Art. 11 GG), damit in Länder- wie in Gemeindekonkurrenz, als „Bürgerstandort“ weit über Wirtschaftsstandortlichkeit hinaus86. Auf breiter Front stehen also Staatlichkeiten als solche schon heute in Konkurrenz zu einander, müssen sich, in vielfachen Formen, um ihre Kunden „bemühen“. Dies ergibt sich aus einer Faktizität heraus, der sich das Recht ganz allgemein bereits weit geöffnet hat, immer weiter sich öffnet, in Migrationsneigung, ja deren staatlicher Förderung. Dies alles ist letztlich nichts anderes als ein Bemühen des Staates um Bürger, ja ein Werben um sie – und dies in Konkurrenz. Es setzt sich seit langem fort im Werben um Immigration, gegenwärtig vor allem um qualifizierte Fachkräfte. b) In der grundgesetzlichen Ordnung gibt es nur wenige, immer weniger und im Einzelnen diskutable Grundpflichten87. Eine solche zu allgemeinem Gesetzesgehorsam ist nichts als Tautologie der postulierten unentrinnbaren Monopolstellung der Staatsgewalt, fügt deren Behauptung nichts hinzu, konkretisiert sie auch nicht. Rechtliche Verpflichtungen, denen man sich nicht entziehen, damit nicht in Freiheit, nach Grundgesetzen des Wettbewerbs, handeln kann, durch freiwillige Nichtakzeptanz von Staatsangeboten – es gibt sie nur mit eher marginalem Gewicht, bezogen auf die staatliche Gesamtordnungsbedeutung in einer Konkurrenzgesellschaft: Schulpflichten etwa – aber bereits vielfältig relativiert in der zunehmenden Wettbewerblichkeit von öffentlichem und privatem Schulwesen88, Zwangsakzeptanz von Bildungsangeboten für gewisse Berufe – aber überlagert durch den Wettbewerb zwischen Hochschulen. Staatliche Arbeits- und Be85 Zum verfassungsrechtlichen Schutz, BVerfG E 32 (43); weitergehend die Gewährleistung in Art. 2 Abs. 2 EMRK-ZP. 86 Vgl. III.4., 5. 87 Der Begriff der Grundpflicht ist, vor allem nach der Aussetzung eines Paradebeispiels, der Wehrpflicht, heute weithin, ja gerade grundsätzlich problematisch: Meist beinhaltet er nichts als eine Begrenzung von Grundfreiheiten, so etwa in Art. 5 Abs. 3, 7 Abs. 4, 9 Abs. 2, 21 Abs. 2 GG, oder derartige Pflichten sind rechtlich als solche kaum durchsetzbar, wie etwa die elterliche Pflege- und Erziehungspflicht, Art. 6 Abs. 2 GG. 88 Diese ist in Art. 7 Abs. 4 GG gewährleistet, wenn auch in einem beschränkenden Rahmen der staatlichen „Marktordnung“ des Schulbereichs, das aber grundsätzlichen Wettbewerb in diesem keineswegs ausschließt.
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D. Wettbewerb als Verfassungsprinzip im Staatsbereich
rufswahl/ausübungspflichten verbietet Art. 12 Abs. 1 GG. In diesen so wichtigen Lebensbereichen kann von „staatlicher Unentrinnbarkeit“, faktisch auch nur von einem Annahmezwang staatlicher Leistungen, nicht die Rede sein. Eine Staatsgewalt, die hier zu so Wenigem verpflichtet, ihre Bürger so weithin schon jetzt in Wettbewerb entlässt – sieht sie wirklich diese „Gewaltunterworfenen“ anders denn als Kunden, untereinander und für ihre Angebote? Wenn sie diese genauer bestimmt oder begrenzt, so schließen sich doch darin Wettbewerbsfreiheit und Staatlichkeit aller Art keineswegs aus. c) Der Staat des Grundgesetzes übt seine Gewalt nur als Rechtsstaat aus. Damit bindet er sich selbst wesentlich und durchgehend an die Grenzen der rechtlichen, vor allem der normativen Normierbarkeit von Lebenssachverhalten. Sehr vieles lässt sich nun aber, schon faktisch, so überhaupt nicht ordnen, nicht nur nicht im Einsatz „unentrinnbarer Staatsgewalt“. Dies gilt für zahlreiche innerfamiliäre Beziehungen, für die persönliche Intimsphäre schlechthin, und zwar nicht nur aus deren, zunehmend anerkannter, Staatsferne89. In ihr kapituliert das Recht letztlich weithin vor faktischer Impermeabilität. Oder sollte Prototyp der „unentrinnbaren“, extrakonkurrenziellen Staatsgewalt der totale Überwachungsstaat sein, gestützt auf eine Denunziationsstaatlichkeit? Wo immer Staatlichkeit ihrem – nach Vielen vermeintlichen – Gegenspieler, dem wettbewerbsbezogenen Markt begegnet, in den meisten wirtschaftlich relevanten Bereichen, muss sie sich vor ihm ohnehin zurückziehen, und nicht etwa in Selbstbescheidung, sondern wegen der Unnormierbarkeit der dort herrschenden Beziehungsgeflechte, die eben nicht einmal öffentliche Marktordnung gestatten; ein Beispiel dafür bieten etwa Staatshaftungsregelungen bei faktischen Einwirkungen der Staatsgewalt. Ob damit ausdrücklich anerkannt wird, dass der Wettbewerb auf Märkten als solcher besser regelt als die Staatsgewalt, oder ob diese sich in „liberaler Staatsideologie“90 zurückhält, bleibt letztlich gleich: Faktisch zeigt sich (jedenfalls auch) rechtliche Unnormierbarkeit, daher notwendige „Ordnung in (staatlich nur grenzkorrigiertem) Wettbewerb. d) Das große Wort von der Unentrinnbarkeit der Staatsgewalt bedarf schließlich der weit- und tiefreichenden Relativierung durch Berücksichtigung ihrer Nichtdurchsetzbarkeit. In ihr unterläuft ein meist wesentlich konkurrenzmotiviertes Bürgerverhalten die Staatsschranke, oder es „überreitet“ sie (Overriding). Damit wird im Ergebnis dann etwas hergestellt wie eine Konkurrenzsituation zwischen der Staatsgewalt und einem diese durch faktischen Nichtgehorsam in ihre Schranken weisenden Bürgerverhalten. Die 89
Dazu oben FN 69. Zu ideologisierenden Tendenzen politischer Grundströmungen vgl. Leisner, W., Förderstaat, FN 35, insb. S. 17 ff., 24 f. 90
IV. Bürger als „Auswählende Wettbewerber“
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Staatsmacht verliert – jedenfalls partiell – ihr Monopol; darin allein schon wird „Wettbewerb“ hergestellt. Mag dieser auch außerhalb rechtlich geregelter Bahnen ablaufen, ohne (staatliche) Marktordnung, ja gegen alle ihre Versuche – tatsächlich besteht doch ein laufendes „Konkurrenzverhältnis“ sui generis zwischen dem fehlenden Rechtsgehorsam der Bürger und dem um diesen letztlich eben doch – mit allen, auch hoheitlichen Mitteln – werbenden Staat. Die ständige Steuerflucht91 ist darin ein Wettbewerbsphänomen im weiteren Sinn. Nicht umsonst wird sie ja durchwegs beschrieben und erklärt als eine Erscheinungsform mangelnder Bürgerakzeptanz, welche durch werblich auf die Bürgerschaft wirkende Steuervereinfachung zurückgedrängt werden müsse – letztlich in einer Konkurrenz des Wegebaus zu einer „gerechte(re)n Steuerordnung“. e) Alle Formen eines Bürgerwiderstandes gegen die Staatsgewalt, insbesondere im Rahmen – oder in Degeneration – der „Direkten Demokratie“ (III, 5) lassen sich nicht nur erfassen als solche des politischen Wettbewerbs; in ihren Wirkungen zeigen sie vor allem die „Akzeptanzlage“ zwischen Bürgerschaft und Staatsmacht. Wo immer der Staat „Rechtsgehorsam als Zwangskauf von ihm angebotener Lösungen“ nicht durchzusetzen vermag, also überhaupt bei jeder faktisch fehlenden Durchsetzung der Rechtsordnungen, sei sie von der Bürgerschaft erzwungen oder von der um Lösungen und Ordnungen bemühten Staatsgewalt von vorneherein einkalkuliert, läuft immer ein und derselbe Vorgang ab: rechtliches Werben um Rechtsakzeptanz, damit aber ein Marktvorgang der Macht; er erscheint durchaus in allen bekannten Grundformen wirtschaftlichen Wettbewerbs. Am Ende „regelt er sich eben doch von selbst“, im akzeptanzbestimmten Ausmaß der durchsetzbaren Rechtsbefolgung. Eine Randbemerkung: Die Extremfalldogmatik des Widerstandsrechts92 (Art. 20 Abs. 4 GG) braucht in diesem Zusammenhang gar nicht bemüht zu werden . . . Die Frage stellt sich also eben doch: Hat ein derart relativiertes, jedenfalls abgeschwächtes staatliches „Gewaltmonopol“ überhaupt noch tieferen Sinn als übergreifend legitimierende dogmatische Kategorie, zeigt es nicht, 91 Zu Steuerflucht vgl. Sinz, A./Kubaile, H., Der Entwurf des Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetzes: IStR 2009, S. 401; Rotter, M., Das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz. Werden Steueroasen fortan ausgetrocknet?, SteuerStud 2009, S. 562; Lamnek, S./Olbrich, G./Schäfer, W. J., Tatort Sozialstaat. Schwarzarbeit, Leitungsmissbrauch, Steuerhinterziehung und ihre (Hinter)Gründe, 2008; Schäfer, W. J., Opfer Sozialstaat. Gemeinsame Ursachen und Hintergründe von Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit und Leistungsmissbrauch, 2002. 92 Das Widerstandsrecht darf allerdings nicht nur verstanden werden als ein Vorgang, in dem Staatsgewalt durch Bürgergewalt ersetzt wird. Es liegt darin zugleich eine Konkurrenzankündigung (mit Fernwirkung) „staatstragenden Verhaltens“, von der Drohungswirkungen ausgehen.
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D. Wettbewerb als Verfassungsprinzip im Staatsbereich
in Wortwahl bereits wie in seinen Anwendungsbereichen, dass es eher eine Sondererscheinung im Großbereich der Akzeptanzlage Bürger – Staat darstellt? Man mag es dann als Ordnungsminimum begreifen oder als „Ausnahme-Monopol“ in einer größeren Marktwirtschaft des Wettbewerbs. Als letzteres muss es aber jedenfalls (auch) verstanden werden, damit eben doch letztlich, in Formen wie Zielvorstellungen, als eine Erscheinung jenes Wettbewerbs um Bürgerakzeptanz, in dem die gesamte Staatlichkeit steht, auch in ihren hoheitlichen Erscheinungsformen. 4. Allgemeine rechtliche Öffnungen des Staatsbereichs zu Erscheinungsformen des Wettbewerbs Neben all diese Formen tatsächlicher wir rechtsimmanenter Relativierung des staatlichen Gewaltmonopols treten nun, mit bedeutsamem Gewicht, noch weitere Öffnungen des internen Staats(organisations)bereiches zu (möglichen) Konkurrenzlagen, in die sich die Staatlichkeit, vor allem in ihrer Demokratizität, durch eigene Gestaltungen gewissermaßen selbst hineinbegibt – sich in ihrem Gewaltmonopol „öffnet“. Nur Grundsätzliches kann dazu im Folgenden angesprochen werden: a) Die Rechtsstaatlichkeit ist, in ihren Wirkungen, vor allem eines: eine Form von Marktordnung der „Staatsangebote als solcher“ insbesondere der Hoheitsstaatlichkeit. Auf diese beziehen sich ja insbesondere ihre zentralen Klarheits- und Bestimmheits-, damit Vorhersehbarkeitsgebote93. Im Grunde handelt es sich dabei um solche, welche denen der verbraucherschützenden Produktklarheit in der Marktwirtschaft nahekommen, wenn nicht entsprechen. Die staatlichen Ordnungsangebote, welche die Konditionen auf dem Macht-Forum weithin bestimmen, sind in Formen zu fassen, welche ihren Wirkungen entsprechen, vor allem bei normativer Gestaltung: Der „Norm/ Anordnungsadressat“ soll sie erkennen können, nur dann kann er sie ja annehmen/befolgen. Rechtsstaatlichkeit als Angebotsklarheit – unter diesem Blickwinkel ist dieses wichtigste Grundprinzip des staatsinternen Organisationsbereichs zu betrachten, in seinen Wirkungen vor allem auch aus diesem heraus, auf die Adressaten, die Bürger als „Machtabnehmer“. Eine bereits erwähnte Grundstimmung der Konkurrenzialität wird hier vorbereitet, wenn nicht geschaffen: Der Gewaltunterworfene soll erkennen, und darüber hinaus auch in den Wirkungen abschätzen können, was er „dem Staat und seiner Gewalt“ ab(zu)nehme(n habe). b) Demokratie bedeutet nicht nur Machtursprung im Volk, sondern, vor allem, Veränderbarkeit der Rechtsordnung nach dessen Willen; dieser 93 Dazu s. m. Nachw. Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 20 RN 288 ff.
IV. Bürger als „Auswählende Wettbewerber“
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Aspekt vor allem tritt im Begriff der Volks-Souveränität hervor, in deren Aspekt der jederzeitigen Änderungsfreiheit von Entscheidungen. Wie Kontinuität wesentlich „Gleichheit in der Zeit“ ist, so bedeutet Demokratie wesentlich Ungleichheit in temporärer Dimension – eben Veränderungsmöglichkeit94. Jede Normsetzung ist hier grundsätzlich ein zeitlich begrenzter Lösungsvorschlag, der nur in Geltung unter zeitlichem Vorbehalt anzunehmen ist – oder nicht angenommen wird (oben 3) – so wie ein Marktangebot eben nur gilt, „solange der Vorrat reicht“, soweit eben die Staatsorgane eine bestimmte Lösung, eine Rechtslage vorhalten. Die Demokratie zeigt sich hier als Staatsform der laufenden Angebotserneuerung, gegenüber einer Bürgerschaft, deren Rechtsakzeptanz sie ebenso laufend sucht. Betrachtet man diese Dynamik in sich, als solche, so stellt sie sich dar als permanente Selbstkonkurrenz der Staatlichkeit in der Zeit, in immer neuen Gestaltungen und Leistung(sform)en, vermeintlich oder wirklich noch besseren. Im typisch demokratischen Fortschrittsglauben kommen die gleichen Überzeugungen zum Ausdruck, jedenfalls eine ähnliche Grundstimmung wie im wirtschaftlichen Wettbewerb. Die rechtliche Dynamik der Volksouveränität sorgt dafür, dass innerhalb des Staatsbereichs eine Erstarrung in Monopolismus, eine Versuchung, damit ständig statisch Machtwert abzuschöpfen, nicht auftritt. „In der Zeit“ wird dies auch noch verstärkt durch normative Rückwirkungsformen, wobei es gleichbleibt, ob tatsächliche oder rechtliche Rückbeziehung, -bewirkung stattfindet95. Auf diese Weise werden die zeitlich hintereinander geschalteten Konkurrenzlagen gewissermaßen temporär rechtlich zusammengezogen, Früheres und Späteres überlagert sich wirkungsmäßig in immer neuen Staatsangeboten. Die Staatsgewalt selbst führt schließlich sogar „Angebotsparallelität“ ein, gerade im zentralen Hoheitsbereich ihrer Normsetzung; typisch demokratische Diskutabilität herrscht in der Gleichzeitigkeit der „Experimentierklauseln“, der Experimentiergesetzgebung96. Im Verwaltungsbereich findet ständiges Experimentieren statt, rechtstatsächlich jedenfalls schon darin, dass immer erst mit einer gewissen Verspätung97 eine einheitliche, darin aber voll monopolentsprechende, Rechtslage hergestellt werden kann, gerade in 94 Dazu Leisner, A., Kontinuität als Verfassungsprinzip, 2002, S. 249 ff., bzw. 376 ff. 95 Rückwirkung von Hoheitsakten ist begrifflich nichts anderes, als eine Erweiterung des jeweiligen staatlichen Ordnungsangebotes, insb. als zweckordnende Datensetzung in allen Konkurrenzbereichen, hinsichtlich von deren Voraussetzungen wie ihren Rechtswirkungen. 96 Leisner, W., Krise des Gesetzes. Die Auflösung des Normenstaates, 2001, S. 48 ff. 97 Im Eingreifen der Gerichtsbarkeit, vgl. Leisner, W., Das letzte Wort: Der Richter späte Gewalt, 2003.
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D. Wettbewerb als Verfassungsprinzip im Staatsbereich
den Bereichen, welche öffentlich-rechtlicher Gerichtsbarkeit unterliegen. Zwischenzeitlich findet hier „Konkurrenz der Verwaltungsgerichte um die richtige Lösung“ statt. Der Staatsbereich präsentiert sich eben gerade nicht als überzeitlicher Geltungsbereich; er ist aufgebrochen, durchwirkt in zahllosen Formen zeitlicher Selbstkonkurrenz, dahin ständig gedrängt, durch einen politischen Wettbewerb, in dem seine Willensbildung sich vollzieht. c) „Flucht des Staates aus der Hoheitsgewalt ins Privatrecht“98 ist als solche ein rechtliches, staatsorganisatorisches Groß-Phänomen, in dem sich der Staatsbereich als solcher jenem Wettbewerb öffnet, der alles Zivilrecht in Konkurrenzdenken der Gleichordnung durchwirkt. Die Staatsgewalt wird damit rechtsgrundsätzlich zum Konkurrenten, staatsintern in Organisationsprivatisierung, gegenstandsbezogen in Aufgabenprivatisierung. Die ganze, heute bereits nahezu allumfassende99 Privatisierungswelle, der andauernde Schub in mehr Verwaltungsprivatrecht100, in welchen Formen, mit welchen Begründungen auch immer – all dies ist nichts als eine einzige große SelbstKonkurrenzialisierung der Staatsgewalt. Wahlfreiheit101 der Rechtsformen des Staatshandelns, vor allem im Kommunalbereich, herrscht in rechtlichen Räumen, in welchen diese Verwettbewerblichung der Staatsgewalt abläuft, in allen ihren Spielarten; einzelne, grundsätzlich herausragende Organisationsprinzipien (Föderalismus, Kommunalisierung), die dies begünstigen, wurden bereits dargestellt102. Unentrinnbarkeit staatlicher Entscheidungen, blockartige Befehlshaftigkeit im Namen eines – ohnehin weithin diffusen – Begriffs ihrer „Rechtsgeltung“ schwächt sich darin wesentlich ab. Hier treten sogar „Anordnungskonkurrenzen“ im und aus dem Staatsbereich heraus zurück; die Staatsmacht präsentiert sich in Wettbewerbsformen, in denen sie nicht bei eigener Gestaltungsvielfalt stehen bleibt, sondern sich der der Privaten rechtsförmlich öffnet – in Konkurrenz. d) Die nächste – und nicht die letzte – Stufe der Selbst-Verwettbewerblichung des Staatsbereichs wird erreicht in allen Formen einer „Vertragsstaatlichkeit“. Ihrem Wesen nach setzt sie stets einen Gestaltungs/Lösungs/ Leistungsmechanismus in Gang103: den der Einigung mit anderen Rechtsträgern. Diese werden damit als etwas wie „Gegenmächte“ anerkannt, nicht 98 Fleiner, F., Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 8. Aufl. 1928, S. 326. 99 Zu den Privatisierungen vgl. FN A 8. 100 s. Schmitz, H., in: Stelkens, T./Bonk, H. J./Sachs, M., VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 1, RN 116 ff. 101 Kempen, M., Formenwahlfreiheit der Verwaltung, 1981, insb. S. 112 ff. 102 C. III. 7., 8. 103 Überblick über diese Erscheinungsform(en) der neueren Staatlichkeit bei Leisner, W., Vertragsstaatlichkeit. Die Vereinbarung – eine Grundform des Öffentlichen Rechts, 2010.
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nur in dem schon früh zu rechtlicher Kenntnis genommenem Bereich der Sozialen Gewalten104, sondern selbst in der Person des „kleinen Privaten“ als des mitgestaltenden Vertragspartners. Der Vertrag ist, seinem rechtlichen Wesen nach, zugleich Ergebnis und Beendigung des Wettbewerbs, eine Art von betonierender Sperre der Konkurrenz; als solcher tritt er in wirtschaftlichem Wettbewerb auf, muss in seinen entdymanisierenden Effekten auf eine erstarrende Wettbewerbsordnung im GWB in Grenzen gehalten werden. Im Staats-Bürgerverhältnis, bis hin zum Ersatz der Hoheitsgewalt im Verwaltungsvertrag, treten dabei die gleichen Phänomene auf: auch hier muss versucht werden, im Namen der Wahrung „öffentlicher Interessen“, dem Staat noch etwas wie eine Art von Befehlsrecht, von Gestaltungsmöglichkeiten zu sichern105. Das ändert aber nichts an der eindeutigen Rechtslage: In der Kontraktualisierung des Öffentlichen Rechts findet die – weithin schon nur mehr angebliche – Unentrinnbarkeit der Staatsgewalt bereits derart weit vorverlegte Grenzen, dass sie allenfalls noch etwas wie eine letzte „Reservegewalt“ beschreiben und diese immer seltener nur noch effektiv sichern kann. „Staatsgewalt“, „Staatshoheit“ bleibt in „Staatsvertraglichkeit“ zwar noch durchaus sichtbar und wirksam; doch sie relativiert sich selbst bereits, indem sie auf die „wettbewerbsregelnde“, „auf zeitlich wettbewerbslagenfixerende“ Rechtsebene des Vertrages herabsteigt. Die Vertragsstaatlichkeit ist das Hauptinstrument der Ausformung und Durchsetzung einer „Flucht des Staates ins Privatrecht“, ihre im Ergebnis wichtigste Form. Der Staat ist darin nicht mehr unentrinnbar, er flieht selbst vor dieser seiner Hoheit – hin zum (nicht mehr) gewaltunterworfenen Bürger. e) Rechtliche Wettbewerbsöffnungen des Staatsbereiches in Gestaltungen seitens der Staatsgewalt selbst sind schließlich nicht zuletzt darin festzustellen, dass die Staatsmacht selbst organisationsrechtliche Alternativen bereitstellt, in denen ihre Lösungen vom Bürger akzeptiert werden (können). Die breitgefächerten sozialen Unterstützungsangebote, sämtliche sozialrechtliche Wahlmöglichkeiten, sind eben dafür Beispiele106. Dem Bürger werden Auswahlmöglichkeiten eröffnet, wie er seine Akzeptanz staatlichen Entscheidungen und staatlichen Leistungen gegenüber zum Ausdruck brin104
Nachw. bei Leisner, W., Grundrechte und Privatrechte, 1960, S. 293 ff. So könnten die öffentlichen Interessen in verwaltungsrechtlichen Verträgen inhaltlich, soweit erforderlich durch spezielle Klauseln, gewahrt werden, vgl. §§ 56, 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG. 106 Der Steuerbereich, in dem Hoheitsgewalt in zentraler Weise tätig wird, bietet Belege dafür: auch hier entwickelt sich Wettbewerb in vielfachen Formen – um Standorte zwischen den öffentlichen Trägern, in Vereinbarungen zwischen diesen und den Steuerpflichtigen, in Eröffnung von Gestaltungsalternativen für letztere – oder einfach über deren Aktivität oder Inaktivität. 105
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D. Wettbewerb als Verfassungsprinzip im Staatsbereich
gen, im Einzelnen ausgestalten will; dies aber sind letztlich Wettbewerbserscheinungen. Für die staatliche Angebotsseite bedeutet dies, dass echte Wettbewerblichkeit zwischen öffentlichen Einrichtungen, ja sogar zwischen zentralen Hoheitsverwaltungen, praktiziert, und diese wiederum im genuinen Nachfragewettbewerb vom Bürger wahrgenommen wird. Damit entsteht dann eine grundsätzlich volle Wettbewerbslage, in die sich die angeblich unentrinnbare Staatsgewalt aber selbst begibt, durch organisationsrechtliche Entscheidungen. Vom Gesundheits- bis zum Bildungssektor und weit darüber hinaus ist hier bereits ein staatsorganisatorisches Konkretisierungsgeflecht von internem Wettbewerb entstanden. In ihm senkt sich die angeblich blockhaft-absolute Staatsmacht herab bis in letzte administrative Verästelungen. Der noch in der Französischen Revolution absolutistisch vorgestellte, in der Folgezeit vor allem reichs- und machtromantisch fortgedachte „Staat“ taucht so ein, dauernd zunehmend, in das Floaten des Wettbewerbs. Ihn aus diesem herauszuhalten würde auch alle konservativen politischen Kräfte107 mit Sicherheit weit überfordern. In organisatorischen Stufungen verläuft diese Entwicklung der Konkurrenzialisierung der Staatsgewalt abwärts aus der Demokratie-Grundsätzlichkeit, in Einzelgestaltungen steigt sie zugleich induktiv perfektionierbar, aufwärts; im Geist der Bürger, und bereits in deren Kritik, wird dies bewirkt etwa in einer Bürokratiediskussion108, die sich ja meist nur gegen eine Form der Staatlichkeit wendet: eine mechanisierende Eigendynamik, die Wettbewerbslagen in die Einseitigkeit des Staatangebots verschieben will, in Gestaltungen, die sich aufzwingen, der Bürgerakzeptanz nicht (mehr) bedürfen, ihr gar nicht zugänglich sind. 5. Ende der unentrinnbaren Monopol-Gewalt des Staates in Wettbewerb Alle diese Gestaltungs- und vor allem Entwicklungsaspekte lassen sich in einem Ergebnis zusammensehen, das dieser Überschrift entspricht – und sich um weitere ergänzen. Demgegenüber kann nicht damit argumentiert 107
Zu deren insgesamt stets „staatsbefestigenden“ Zielsetzungen vgl. Depenheuer, O., Grundrechte und Konservatismus in: HBGR (Hg.) Merten, D./Papier, J. H., Bd. 1 § 11, S. 441 ff. 108 s. Bull, K. P., Verwaltungen und Reformdruck, DÖV 2007, S. 695 ff.; Wolff, H. A., Die Reformpolitik der kleinen Schritte, ZBR 2009, S. 73 ff.; aus früherer Zeit u. a. Seibel, W., Entbürokratisierung in der Bürokratisierung, Verw. 19 (1988), S. 137 ff.; Laux, E., Bürokratiekritik und Verwaltungsvereinfachung, DLV 1988, S. 657 ff.
V. „Staatseinheit“ – Antiwettbewerbliches Verfassungsprinzip?
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werden, dies werde in einem „nutzlosen Staat“ enden109. Nützlich nicht nur, unentbehrlich bleibt er in einem entwicklungsgeschichtlichen Kernbestand: in einer Form von marktordnender Staatsmacht. In sie hat sich „der Staat“ selbst bereits sogar weithin begeben, durch Formen der Marktteilnahme, gewissermaßen „von innen heraus“ marktintern marktordnend. Die von außen wirkenden Formen hoheitlicher, staatlicher Marktordnung, einer „Marktpolizey“, durchaus in einem früher gängigen Sinne von Rahmenordnungen, müssen einerseits den zu ordnenden Gegenständen marktkonform Rechnung tragen, andererseits werden sie in politisch gesteuertem „Wettbewerb von innen“ durchwirkt110. Der „unentrinnbare Staat“ ist längst zum Wettbewerbsstaat geworden. Er ist unentrinnbar für den Bürger vor allem darin, dass der Staat die Märkte aufrechterhält – weil eben das menschliche Leben überhaupt in Konkurrenz steht. Dass immer wieder Umschläge erfolgen, von Wettbewerb in Staats(all)macht, ist ebenso historisch unausweichlich wie der Kreislauf der Staatsformen von Demokratie zu Persönlicher Gewalt – und zurück. Doch am Ende und in demokratischem Neubeginn steht immer wieder: Wettbewerb als Verfassungsprinzip.
V. „Staatseinheit“ – Antiwettbewerbliches Verfassungsprinzip? 1. Staatseinheit – Verfassungseinheit a) Erkenntnissen über die tiefe Wettbewerbsprägung heutiger Staatlichkeit, wie sie vorstehend dargestellt wurden, ja sich bereits aufdrängen, stehen immer wieder Antithesen gegenüber, in gleicher Grundsätzlichkeit. „Denken in Staatlichkeit“, wie es dem Öffentlichen Recht wesentlich ist, tritt dann in Spannung zu einem „Denken in Wettbewerb“, dessen Kategorien und Kriterien hier entfaltet werden sollten. Derartige Antithetik nicht nur zwischen Ergebnisinhalten, sondern bereits in der Methodik, sind fruchtbar und sollten gerade im vorliegenden Zusammenhang in Vertiefung bewusst bleiben. Dies bedeutet aber nicht, dass damit ein durchgehendes verfassungsrechtlich verfestigtes, materiell wie formalrechtliches, Gegenprinzip zu Konkurrenzvorstellungen aufgebaut werden müsste, im Sinne einer „wesentlichen Wettbewerbsfreiheit des Staates“, insbesondere in dessen Organisation. 109
Zum Konsens über den „Notwendigen Staat“ vgl. Leisner, W., „Privatisierung des Öffentlichen Rechts“, FN 60, S. 147 ff. 110 Diese Kombination lässt sich darstellen in den Formen staatlicher Förderung und Marktordnung, vgl. Leisner, W., Förderungsstaat, FN 10, S. 85 ff.
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D. Wettbewerb als Verfassungsprinzip im Staatsbereich
„Der Staat des Grundgesetzes“ ist, wie bereits in Föderalismus, Kommunalisierung u. ä. Gestaltungen einsichtig wurde, nicht nur organisationsrechtlich in einer Vielfalt durchwirkt, die fast immer in wettbewerbliches Handeln münden muss; er steht als solcher weithin in der Konkurrenz zu Privaten, hat sich in diese selbst organisatorisch gestellt, wie ebenfalls vorstehende Kapitel zeigen konnten. Dass sich allerdings der Wettbewerber Staat nicht selbst in Wettbewerb auflösen darf, dass seine außerkonkurrenzielle Neutralität sich schon aus der Notwendigkeit einer letzten Schiedsrichterfunktion ergibt, wird von niemandem, und auch hier nicht, bestritten. Das Problem liegt nur darin, wie weit diese „extrakonkurrenziellen Positionen des Staates“ nach dem Grundgesetz reichen, sich aus ihm verfassungsrechtlich begründen lassen. So sollen hier die wichtigsten Gegen-Subprinzipien zu einem „Wettbewerbsstaat“ untersucht werden. Dies begann bereits in der vorstehend behandelten „Unentrinnbarkeit der Staatsgewalt“ und soll sich hier nun zum Begriff der Staatseinheit fortsetzen. b) Der Begriff Staatseinheit steht seit langem nicht im – gebührenden – Mittelpunkt öffentlich-rechtlicher Diskussionen111. Dies ist nicht nur eine Folge des auf breiter Front vordringenden Wettbewerbsdenkens. Die Staatsform der Demokratie findet, schon aus ihrer Bürgerbasis heraus, Vielfalt als Verfassungsgrundlage vor; wohl deshalb bereits droht „Staatseinheit“, weithin bereits der Staatsbegriff als solcher, letztlich für sie und in ihr zum Fremd-Wort zu werden. Der Volkssouverän sah sich zwar, grundsätzlich, als der säkularisierte allmächtige Herrscher, als der „Gott auf Erden“; er hatte darin den Schöpfergott der monotheistischen Religionen beerbt, nahm alle Tribute desselben für sich ganz selbstverständlich in Anspruch. Mit dem Niedergang der Bedeutung religiöser Überzeugungen im politischen Raum gerät nun aber auch die zum Schöpfer spiegelbildliche Staatseinheit ins Zwielicht. Die geistige Krise des einen der beiden Reiche infiziert gewissermaßen auch die Einheit des anderen, des „einen Staates“ auf Erden112. Die Vorstellung der Staatseinheit verliert so tief innerlich an Überzeugungskraft. Dies darf allerdings nun nicht bedeuten, dass sie als solche nicht mehr wirkmächtig wäre, im Denken des Öffentlichen Rechts. Sie bleibt vielmehr, in einem jedenfalls, dessen noch immer fundamentale Vorgabe: c) Die völkerrechtliche Einheit aller staatsgleichen Gebilde ist noch immer Grundlage der gesamten Internationalen Rechtsordnung. Eine gewisse „rechtliche Impermeabilität“ des Staates nach außen wird auch noch in der 111 Eine bedeutsame Ausnahme stellt dar: Nomos und Ethos (Depenheuer, O., (Hg.)) 2002, eine Hommage an Josef Isensee, in der die „Staatseinheit“ in ihren wichtigsten staatsinstitutionellen Ausprägungen behandelt wird. 112 Zu den „antithetischen“ Bezügen von (monotheistischen) Religionen und Demokratie grds. Leisner, W., Gott und Volk FN 17, insb. S. 52 ff., 110 ff.
V. „Staatseinheit“ – Antiwettbewerbliches Verfassungsprinzip?
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sich ebenfalls in Wettbewerb entwickelnden Staatengemeinschaft durch den völkerrechtlichen Begriff der „innerstaatlichen Angelegenheiten“ geschützt. In der Völkergemeinschaft mögen Wettbewerbsvorstellungen wirtschaftlich an Bedeutung rasch zunehmen, darin auch dieses rechtliche Ordnungssystem einer laufenden „Konkurrenzialisierung“ aussetzen. Seine Subjekte113 sind aber noch immer „die Staaten“, nicht öffentliche interne oder gar private Wettbewerber in diesen. Daher muss „der Staat“ unter etwas wie einem völkerrechtlichen Existenzzwang nach außen ein Minimum von Einheit gewährleisten, eben jene Ordnung, die eines der drei Staatselemente der Allgemeinen Staatslehre darstellt, damit auch die beiden anderen trägt, Gebiet und Volk. Diese völkerrechtliche Vorgabe fordert unausweichlich vor allem: Landesverteidigung als territoriale Durchsetzung der Ordnung nach außen, Migrationshoheit gegen Unterwanderungen und Überfremdung des völkerrechtlichen Konstitutivelements „Staatsvolk“, darüber hinaus jenes Macht-Minimum, welches zur Aufrechterhaltung elementarer Sicherheit und Ordnung im Lande unabdingbar ist. Hieraus wieder ergeben sich insbesondere wirtschafts-, sozial-, bildungsrechtliche staatliche Ordnungskompetenzen. Diese sind in einem Minimum von Einheitlichkeit zu koordinieren, ohne das es eben eine „Ordnung“ in diesem Sinn gar nicht geben könnte. Die völkerrechtliche Staatseinheit durchwirkt also den „Gemeinschaftskörper“ jedenfalls in dem Sinn, dass durch sie eine „Anarchie als Staatsform“ ausgeschlossen wird. Damit ist auch eine „gewisse“ staatliche Marktordnung Völkerrechtsgebot, Wettbewerb ohne Marktordnungsminimum wäre völkerrechtswidrig. Es fragt sich nur, wie weit diese „staatseinheitliche Ordnungsmacht“ in die Einzelheiten der Wettbewerbsvorgänge regelnd eingreifen muss – und Wettbewerb läuft ja vor allem in Einzelheiten ab . . . d) Dieses Minimum an notwendiger Staatseinheit gilt es rechtlich zu bestimmen. Jenseits von ihm ist aber auch etwas von Staatlichkeit, es beginnt „Staat in Wettbewerb“, oder gar „Staat als Wettbewerb“ – als geordneter Markt, nicht als Gegensatz zum Staat. Diese Erkenntnis betrifft auch einen Verfassungsbegriff, der von eben dem Staatsbegriff und seiner (letzten) Einheit konstituiert wird. Wenn der Staat sich in Verfassungsform präsentiert114, so muss es auch eine letzte, ordnend wirkende Verfassungseinheit geben, Verfassung als höchste Markt113 s. den Überblick bei Ipsen, J., Völkerrecht FN 48, § 5, insb. RN 10 ff. (Effektivität). 114 Weshalb denn auch eine einheitliche und zugleich ausdifferenzierte Verfassungstheorie dringend erforderlich ist, dazu grdl. Jestaedt, M., Verfassungstheorie als Disziplin, in: Verfassungstheorie, FN 77, RN 1 ff.
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D. Wettbewerb als Verfassungsprinzip im Staatsbereich
ordnung im Staat der Konkurrenz. Allerdings zeigen neueste verfassungstheoretische Bemühungen, dass selbst „Verfassungseinheit“ nicht ausreichend mehr systematisch im Mittelpunkt der Verfassungstheorie115 steht. Hier setzen immerhin Versuche ein, Staatsgrundlagen in einer Wertegemeinschaft (neu?) zu sehen116. Jedenfalls bleibt eine letzte Staats- und Verfassungseinheit schon völkerrechtlich vorgegeben; worin sie im geltenden Verfassungsrecht hauptsächliche Stütz-Punkte findet und darin allgemein auch als Wettbewerbsschranke wirkt, soll nun überblicksmäßig behandelt werden; es werden sich dabei aber auch wichtige Schranken zeigen. 2. Norm- und Anordnungsgeltung staatlicher Entscheidungen als Wettbewerbsschranke a) Die Norm „gilt wesentlich“; in ihr ist und bleibt der Staatsbereich erhalten. Ordnung ohne Anordnung ist nicht vollziehbar, Wettbewerb ohne Marktordnung ist ebenfalls nichts als Krieg in all seinen faktischen Formen, als solcher dann durch kein internationales Konfliktrecht mehr juristisch fass- oder gar regelbar. Wenn die Norm, wie Kelsen117 lehrt, die eigentliche Ausdrucksform des Staates ist, damit des Rechts, so ist Rechtsgeltung ein Gegenbegriff zu Wettbewerb: Normen gelten, der Wettbewerb läuft ab. Das Staatlich-Öffentlich-rechtliche an der Konkurrenz ist dann nur ihre mehr oder weniger bleibende, eben geltende normativ wirkende Eigenordnung. Wettbewerb erscheint aus dieser Sicht ganz wesentlich als außerrechtlicher Vorgang, jedenfalls als Phänomen „extra omne Ius publicum“. Folglich dürfte auch die Frage eigentlich gar nicht gestellt werden, ob Wettbewerb eine mögliche oder gar die bessere Verwirklichungsform des Allgemeinwohls darstellt. Konkurrenz würde zum rein faktischen Phänomen erklärt, einfach nur zum Ordnungsgegenstand, nicht zur Ordnungsform. Damit würden im Ergebnis sämtliche Ordnungskräfte des Wettbewerbs als rechtliche Erscheinung geleugnet, sie wären nichts als Tatsachenübernahmen ins Befehlsrechts, in dessen öffentlich-rechtliche Kategorien sie aber überhaupt nicht einzuordnen wären. Auch Wettbewerbsfreiheit wäre dann rechtsrelevant nur als rechtlicher Grenzbegriff staatlicher Ordnung. 115 Im Namen der „Verfassungstheorie“ (vgl. FN 77) wird dazu eine vertiefende Betrachtung neuerdings vorgelegt von Isensee, J., S. 199 ff., passim, insb. RN 12 ff., 27 ff. 116 Überblicke bei Wernsmann, Th., Wert, Ordnung und Verfassung, 2007; Dickmann, H.-E., Überpositives Recht als Prüfungsmaßstab im Geltungsbereich des GG, 2006, S. 138 ff. 117 Dazu neuerdings eingehend Isensee FN 115, RN 34 ff.
V. „Staatseinheit“ – Antiwettbewerbliches Verfassungsprinzip?
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b) Ein derartig radikales Verständnis des (normativ ordnenden) Geltungsbegriffs widerspräche allerdings nicht nur allen Denkkategorien einer normativen Kraft des Faktischen, allen Überwirkungskategorien von Realität auf Recht, wie sie die Rechtssoziologie systematisch entwickelt, die Realitätsabbildungslehre sie ins Öffentliche Recht einführt hat. Recht und Wirklichkeit stünden in einem unversöhnlichen „Super-Kelsenianismus“ nebeneinander, wie ihn nicht einmal die reine Rechtslehre postuliert; es ginge dies noch weit über die vorsichtig-skeptischen Kenntnis- und Denkkategorien kantianischer Rechtsphilosophie hinaus. Die Ordnungskräfte des Öffentlichen Rechts würden völlig realitätsfern, ja realitätsblind verstanden. Dass dies dessen gegenwärtiger geistiger Lage nicht entspricht, welche zunehmend außerstaatliche Ordnungsvorgänge erkennt und einzuordnen sucht, muss an dieser Stelle nicht vertieft werden. Staatlichkeit erschöpft sich nicht in staatlicher Gestaltung, sie reicht weiter bis in staatsanerkannte, staatsgeschützte Rechtspositionen hinein, welche Ordnungszustände schaffen. Gerade die Demokratie nimmt all dies hinein in ihr Ordnungsbemühen, macht Ordnungszustände zu Grundlagen, ja Bestandteilen ihrer Ordnung schlechthin; die gesamte Grundrechtlichkeit ist ein großer Beispielkatalog. So eben wirkt der Wettbewerb, vor allem in diesen Räumen: Er lässt Ordnungszustände schaffen aus privater Bürgerfreiheit und umgibt diese dann mit dem Schutz der freiheitlichen sozialen Marktwirtschaft. Weithin werden damit die jeweils aktuellen Wettbewerbszustände gesichert, aber auch die ihnen immanenten Kräfte zu deren Veränderung. Wettbewerbsergebnisse werden zu Marktkräften, diese zu staatlich vermittelten Geltungskräften, in der Spannung von Selbstorganisation des Marktes und staatlichem Ordnungsrahmen. Jene Staatseinheit, die letzteren sichert, in Geltung wie wettbewerbsangepasster Dynamik, betoniert nicht in starren Normgeltungen, sie entlässt die Gemeinschaftskräfte laufend, in „offener Verfassung“, in die Realität als (Selbst-)Ordnungsfaktor. Wettbewerb „gilt“ nicht nur als normativer Schutzbereich, er „gilt“ als Norm, als Ordnungszustand. 3. Hierarchie als staatliches Gegenprinzip zum Wettbewerb a) Der „innere Staatsbereich“ ist weitgehend organisiert in „bürokratischer“ Über-Unterordnung von Instanzen. Diese werden nicht nur von Aufsichtsorganen überwacht, sie erhalten Anordnungen von Vorgesetzten. Dieses Hierarchieprinzip schließt Wettbewerb zwischen den dergestalt Nachgeordneten weithin aus, ebenso einen solchen auf der Anordnungsebene. Dieses gesamte System funktioniert daher als solches, wie es scheint, wett-
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D. Wettbewerb als Verfassungsprinzip im Staatsbereich
bewerbsfrei, wenn nicht als Gegenprinzip zu aller Konkurrenz. Nur marginal lässt sich ein gewisser Konkurrenzgehalt noch feststellen, im Bemühen der Nachgeordneten „um den besten Gehorsam“, dessen Ergebnisse sodann in Ernennungen und Beförderungen im öffentlichen Dienst nach dem Leistungsprinzip (Art. 33 Abs. 2 GG) ihren Niederschlag finden. Beamtliche und allgemeine dienstrechtliche Gehorsamspflicht ist hier118 als solche eine außerkonkurrenzielle Rechtsfigur. Darin ist der Staat in einem seiner Handlungszentren, vor allem in der Administration, nicht „wettbewerblich durchorganisiert“. Ein „Behördenwettbewerb“ mag tatsächlich in nicht wenigen Bereichen und vielfältigen Formen stattfinden, Wettbewerbsmentaliät den Bediensteten in Vorbereitung und Fortbildung vermittelt, ihr Verhalten danach durch verwaltungsinternen Output-Vergleich gemessen werden. Es sind dies aber, mit Blick auf „Wettbewerb als Verfassungsprinzip“, doch als solche nur faktische Praktiken; über einen rechtlichen Effizienzgrundsatz der Wirtschaftlichkeit und überdies das Leistungsprinzip werden sie allerdings rechtlich fassbar, als Instrumentarien eines als solchen geordneten Wettbewerbs. b) Umgesetzt wird diese hierarchische Organisation im System der auf Rechtsstaatlichkeit gegründeten Zuständigkeitsordnung, einem fundamentalen Organisationsprinzip des inneren Staatsbereichs. Mit ihm erfolgt eine, vor allem verwaltungsgegenständliche, Arbeitsteilung; sie ist wesentlich auf mögliches überschneidungs-, ja berührungsfreies Parallelverhalten gerichtet, insbesondere in der Verwaltung. Insoweit stellen kompetenzielle Organisation und Handeln in diesen Räumen ein deutliches Gegenprinzip zum Wettbewerb als solchem dar. Sie konstituieren zwar organisatorisch-intern die Wettbewerbsakteure auch im privaten Konkurrenzbereich; jedes Unternehmen funktioniert in Kompetenzteilung. Im Staatsbereich ist die Zuständigkeitsordnung aber in besonders strenger Form durchgeführt: Sie wirkt auch nach außen, die „Staatskunden“ können sich auf die Verpflichtung zu ihrer Einhaltung weithin berufen. Die Kompetenztrennung ist dabei streng zu handhaben – das Verbot der Mischverwaltung119 ist ein Beleg dafür auf übergreifender Organisationsebene. Interne Verwaltungskooperationen schließt es nicht aus; doch diese treten nicht als solche konkurrenzwirksam hervor. 118 Wobei ihre Abschwächungen, etwa durch Remonstrationsrecht und -pflicht ihrerseits wiederum als Hierarchieinstrumente erscheinen können, vgl. dazu Felix, D., Das Remonstrationsrecht und seine Bedeutung für den Rechtsschutz der Beamten, 1993, S. 152 ff. 119 Zum grundsätzlichen Verbot der Mischverwaltung im Föderalsystem des GG vgl. März, W., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 30 RN 30 m. Nachw.
V. „Staatseinheit“ – Antiwettbewerbliches Verfassungsprinzip?
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c) Kompetenziell ausgestaltete Hierarchisierung ist aber nicht das staatsinterne Organisationsprinzip, es ist nur eines unter solchen, und es ist bereichsmäßig in seiner Wirkung beschränkt. In der demokratischen Staatsform gründet es auf der Rechtsposition der Zweiten in ihrer Kontrolle durch die Erste Gewalt; hier können „ministerialfreie Räume“ zum Problem werden. Die Gewaltenteilung120 beschränkt jedoch die Geltung des Hierarchieprinzips auf die Exekutive. Für die beiden anderen Gewalten gilt nur die Kompetenzordnung in den besonderen Rechtsformen der normativen und gerichtsinstanzlichen Stufenordnung. Auch diese letztere weist zwar als solche keinen Wettbewerbsgehalt im privaten, insbesondere wirtschaftlichen Sinn auf, es sei denn in einem sehr weiten, wenn nicht uneigentlichen Sinn, etwa dem einer „konkurrierenden Gesetzgebung“ oder einer judikativen Konkurrenz nachgeordneter Instanzen um die beste Lösung. Doch dieser Wettbewerb wird staatsintern durch hoheitliche Anordnung entschieden, durch Legislativakt oder höchstrichterliche Entscheidung, nicht in Akzeptanz seitens von Adressaten/Kunden eines Staatsangebots. Was an Wettbewerbsgehalt für die Verwaltung bleibt, findet seine legitimierende Grundlage im föderalen, kommunalen, überhaupt im Selbstverwaltungs-Wettbewerb, für die Gesetzgebung in der Willensbildung in volksvertretenden Gremien, damit in der Bestimmung der Staatsangebote an den Bürger. Und die Gerichtsbarkeit wird, jedenfalls in ihren höchstinstanzlichen Entscheidungen, „ganz einfach von Bürgern und Märkten akzeptiert“ – bisher noch, wie lange . . .? d) Insoweit wird die Rechtsstaatlichkeit, in ihrer gewaltenteilenden Ausprägung, zur Verfassungsgrenze für wettbewerbliches Verhalten, innerhalb des Staatsbereichs in organisatorischer Vorbereitung, aus ihm heraus in einheitlich entscheidenden legislativen und judikativen Handlungsformen. Diese staatsorganisatorische Wettbewerbsschranke, in einem weiteren Sinn, schließt aber den Wettbewerbsgehalt der Staatsorganisation in den staatlichen Willensbildungsformen als solchen nicht aus, wie er vorstehend dargelegt wurde121. Letztlich betreffen die Effekte dieser Schrankenziehung nur Formen, Inhalt, Wirkungskraft des Staatsangebotes, nicht dessen Akzeptanz als solche, in all deren Formen; in ihnen zeigt sich Nachfrage-Wettbewerb, mit Wirkung auch auf die Angebote. Deshalb sind Hierarchie wie Kompetenzen im Staatsbereich zwar Instrumente staatlicher Angebotserstellung, nicht aber generelle Ausschlussprinzipien des Wettbewerbs. Zu solchen dürfen sie in der Demokratie schon wegen der dieser immanenten Meinungsfreiheit und des auf diese gestützten 120 121
s. dazu oben C.III.7.–9. In dem oben III. und IV., 2. ff. dargelegten Sinn.
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D. Wettbewerb als Verfassungsprinzip im Staatsbereich
Prozesses der politischen Konkurrenz nicht werden. Für autoritäre Regime ist ein Konkurrenzausschluss dagegen Staatsprinzip, Gleichschaltung in Staat und privater Wirtschaft war daher Staatsgrundsatz des Nationalsozialismus122, schon aus dessen Führerprinzip heraus. Konkurrenz wurde auf Eliteauswahl zur besten Führung auf allen Ebenen reduziert, als Ausdruck von Wille zur Macht, als Form eines „reinen“ Machtwettbewerbs. Mit demokratischem Leistungswettbewerb hat dies nichts mehr zu tun. Gerade dies zeigt, gewissermaßen plakativ, den unüberbrückbaren Abstand zwischen absolut gesetzter Kompetenzhierarchie-Ordnung im Staat und der hier aufgezeigten konkurrenziellen Durchwirkung auch des inneren Staatsbereichs. Hierarchie und Kompetenz sind letztlich (nur) rechtstechnisch ausgestaltende Organisationsprinzipien, nicht rechtsgrundsätzlich legitimierende Staatsgrundsätze – wie aber eben doch, auch, der Wettbewerb. 4. Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse a) In dieser Formulierung (Art. 72 Abs. 2 GG) könnte ein Gegenprinzip zum Wettbewerb im Staatsbereich gesehen werden, eine spezielle Grundlage einer Staatseinheit, die organisatorisch auch staatsintern wirkt. Dieser Begriff hat den ursprünglichen der „Einheit der Lebensverhältnisse“ ersetzt, worin bereits ein bedeutsamer Ausdruck des Staatseinheitspotentials dieser Regelung gesehen werden mag. Es setzt dies aber eine erhebliche, das bundesstaatliche Sozialgefüge beeinträchtigende Auseinanderentwicklung der Lebensverhältnisse in den Ländern123 voraus. Zu einer solchen Entwicklung muss jedoch eine staatsinterne föderale, kommunale oder in Selbstverwaltung organisierte Organkonkurrenz innerhalb der Staatlichkeit keineswegs führen. Dass es in föderalen Gliedstaaten unterschiedliche Lebensverhältnisse gibt, im Sinne eines allgemeinen Lebensstandards oder in einzelnen sektoral wichtigen Bereichen (Bildung), ist ein in den meisten Föderalstaaten feststellbarer, in diesen Ordnungen durchaus gewollter Zustand. Jedenfalls muss insoweit die normative Direktivkraft dieses Verfassungsbegriffs von vorneherein, ja grundsätzlich relativiert werden. b) In dieser beschränkten, überdies rechtlich schwer griffigen Wirkungsweise mag der Einheit der Lebensverhältnisse durchaus ein gewisses, jedenfalls einschränkendes Gegengewicht zu einer Wettbewerbsordnung zuerkannt werden. Dies gilt vor allem, wenn man diese in „reiner“ zielloser Instrumentalität sieht. Dann tritt eben eine gewisse Ungleichheit als Voraus122 Zu föderalen Gleichschaltung im Nationalsozialismus s. Huber, E. R., Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 2. Aufl. 1939, S. 316 ff. 123 BVerfG E 112, 226 (244).
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setzung, teilweise auch in den Ergebnissen, aller Konkurrenz hervor, soziale Egalisierungsbedenken gewinnen an Bedeutung. Doch daraus darf nicht sogleich auf eine absolute Gegensätzlichkeit zwischen „gleichwertigen Lebensverhältnissen“ und „Konkurrenzlagen“ geschlossen werden. Die Herstellung ersterer kann durchaus ein – sogar vorrangiges – Ziel von Wettbewerb sein, finde dieser nun inner- oder außerhalb des Staatsbereichs statt. Schon begrifflich erwächst ja die Wettbewerbsdynamik zwar aus Gefälle, dieses soll in ihr aber gerade auch aufgelöst, jedenfalls abgemildert werden. Vom Gleichwertigkeitsziel gehen also ambivalente Wirkungen auf den Wettbewerb aus: Er wirkt auch innerstaatlich als solcher durchaus, ja wesentlich grenzüberschreitend, damit zugleich aber eben auch vereinheitlichend. Politische Beherrschungs- und Ausbeutungsängste, wie sie demokratietypisch sein mögen, dürfen hier also nicht zum Aufbau grundsätzlicher rechtlicher Gegenpositionen zur Wettbewerblichkeit führen, die überdies noch einem föderal bedenklichen Zentralisierungsbestreben Vorschub leisten würden. Die Gleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) darf sich, auch auf dieser Ebene, allerdings nicht zur Konkurrenzsperre auswachsen, mag sie sich auch durchaus als letzte Missbrauchsgrenze des Wettbewerbs erweisen. 5. Der Staat als Marktordner: Schiedsgericht außerhalb von Konkurrenz? a) Dass der Staat weitestgehend marktordnend, damit wettbewerbsregelnd tätig ist, bleibt unbestreitbar. Diese seine Funktion ist ein fundamentales und unverzichtbares Element gerade in der Wettbewerbsordnung. Daraus könnte nun, im Bild des Schiedsrichtertums, geschlossen werden, eben deshalb müsse er als solcher außerhalb jedes Wettbewerbs stehen (bleiben). Eine „Wettbewerbsordnung von innen“, durch Staatsteilnahme am Wettbewerb, in welchen Formen auch immer, sei grundsätzlich abzulehnen. Erst recht dürfe daher Wettbewerb auch nicht in den Innenbereich der Staatlichkeit, des Schiedsrichters, getragen werden. Diese Argumentation ist jedoch nicht überzeugend. Sie wäre bereits in schwer erträglichem Maße wirklichkeitsfremd, rechtstatsächlich steht eben der Staat weithin im Wettbewerb. Dass ein solcher, wie dargelegt, in vielfachen Formen auch in seinem Innenbereich stattfindet, steht seiner Schiedsrichteraufgabe als solcher grundsätzlich nicht im Wege. In seiner Fördertätigkeit wirkt er zwar auf Wettbewerbslagen unterstützend, ja in Herstellung von Konkurrenz als solcher laufend ein; deshalb kann dann aber gerade eine solche Marktförderung wettbewerbskonform wirken, wenn sie in einem Konkurrenzverständnis erfolgt, das auf eigenen inneren Wett-
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D. Wettbewerb als Verfassungsprinzip im Staatsbereich
bewerb zurückgeht. Dass diese Marktordnung als solche von wettbewerbsteilnehmender Förderung abzuschichten ist, wurde zwar bereits bei deren vertiefender Betrachtung deutlich124. Dies bedeutet aber nicht, dass der Staat seine Wettbewerbsarbitrage in Marktordnung bei sich selbst, in seinem eigenen Innenraum, nicht konkurrenziell organisieren dürfte. Ebensowenig ergibt sich daraus, dass er bei seinen schiedsrichterlichen Aktionen in seinem eigenen Innenraum wettbewerbsblind zu agieren hätte. b) Wettbewerbsneutralität ist von staatlicher Marktordnung gefordert, nicht Wettbewerbsblindheit. Staatsbedienstete, die gar nicht „in Wettbewerbskategorien denken“, könnten auch Konkurrenz nicht ordnen. Die ständigen, oft gequälten Versuche, institutionelles Quereinsteigertum in den Öffentlichen Dienst zu fördern oder zu verhindern, die gesamte Diskussion um Vorzüge wie Nachteile eines Personalwechsels zwischen Politik und Wirtschaft, zeigt doch, dass eine grundsätzliche Verbannung des Wettbewerbsdenkens, damit aber auch von wettbewerbsgenerierten, in Konkurrenz funktionierenden Verhaltensweisen aus dem staatlichen Innenbereich tatsächlich abwegig, rechtlich auch gar nicht durchführbar wäre. c) Wo immer der Staat Wettbewerb ordnet, fördert er ihn als solchen, nimmt er das überaus gewichtige öffentliche Interesse an ihm wahr, an seinem geordneten Ablauf. Dies darf durchaus in wettbewerbsbeeinflussenden Formen geschehen, solange primär die Konkurrenz, nicht die Konkurrenten begünstigt werden. Diese Abgrenzung ist nicht leicht, Förderung von Spielern ist immer zugleich Förderung des Spieles als solche – und umgekehrt. In der Handwerksförderung etwa wird dies ganz deutlich. Aber aus dem Markt und seinen Interessen heraus darf nicht gegen seine Ordnung argumentiert werden. Was seinen Akteuren in ihrem Zusammenspiel nützt, fördert auch ihn. Darüber, wie ein solches Staatsangebot der Wettbewerbsordnung staatsintern entsteht, ist damit nichts ausgesagt. Natürlich – in jedem Wortsinn – formiert es sich in der parlamentarischen Demokratie allenthalben auch in etwas wie einem Lobbyismus. Dieses in strengem Beamtendenken aus der Staatlichkeit wegdefinieren zu wollen, wäre nicht nur tatsächlich unmöglich, sondern vor allem staatsprinzipiell rechtswidrig, ein Verstoß gegen Demokratie als Verfassungsprinzip. Der Schiedsrichter definiert sich nicht aus der roten Karte, sondern aus der Kooperation mit allen Spielern, darin, wie „er das Spiel laufen lässt“. Auch bei der staatlichen Marktordnung geht es also um letzte rechtliche Grenzziehungen des Wettbewerbsverhaltens, um dessen Optimierung, nicht mehr allein um seine Begrenzung; diese ist letztlich auf eine Missbrauchsabwehr zu beschränken. Staatliche Marktordnung legitimiert jedenfalls nicht grundsätzlich Konkurrenzferne des inneren Staatsbereichs. 124
Leisner, W., Der Förderstaat, FN 10, insb. S. 85 ff.
V. „Staatseinheit“ – Antiwettbewerbliches Verfassungsprinzip?
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6. Gemeinwohl – besser ohne Wettbewerb? a) Dies war die Fragestellung der Vereinigung der Staatsrechtslehrer125. Sie ist legitim und in sich vielschichtig. Doch sie nimmt eben nur dieses Kriterium des Interesses der Allgemeinheit in den Blick, und zwar unter dem Gesichtspunkt der Optimierung staatlicher Aufgabenerfüllung, nicht primär in rechtsdogmatischer Behandlung eines „Verfassungsprinzips Wettbewerb“, seiner Einpassungsmöglichkeiten in die rechtlichen Strukturen des innerstaatlichen Bereichs. Um letzteres aber ging es in den vorstehenden Betrachtungen. b) Deshalb müssen diese beiden Sichtweisen gewissermaßen hintereinander geschaltet werden: Zunächst ist zu analysieren, was die Staatsgewalt selbst, in Organisation wie Handlungsformen, schon aus ihrer Demokratizität heraus, in Wettbewerb zu leisten und zu ordnen hat, in ihrem Bereich und aus diesem heraus in den privaten hinein. Sodann sind die ordnenden staatlichen Grenzziehungen für den Wettbewerb als solchen rechtlich zu bestimmen und auf ihre Eignung und Effizienz hin zu beurteilen. Hier werden Überlegungen fruchtbar, wie sie kürzlich diskutiert wurden. Aus ihnen lassen sich wichtige weitere Argumentationen auch bereits für die Legitimation des Einsatzes konkurrenzieller Formen überhaupt, gewissermaßen „rück-schließend“ gewinnen. c) Das Kriterium des „Gemeinwohls“ muss allerdings in alldem in größerer Vorsicht und Zurückhaltung eingesetzt werden. Unklar ist bereits der Begriff der „Allgemeinheit“, insbesondere, ob es nicht etwa unterschiedliche Allgemeinheiten gibt, etwa sektorale, nähere und fernere, bedrohte und nicht betroffene. In diesem Zusammenhang treten Werte- und Wertungsprobleme auf, solche von Privatinteressen als Öffentlichen Interessen vor allem. All dies ist vielumstritten, vielleicht näher überhaupt nicht definitions- oder auch nur abgrenzungsfähig. Selbst wenn aber die (jeweilige) Zielvorstellung „Allgemeinwohl“ einigermaßen objektiv bestimmt werden könnte, wenn sie nicht von subjektivem Machtstreben jeweils überlagert und damit einfach Mehrheitswille mit Gemeinwohl gleichgesetzt wird, so läuft die Suche nach diesem doch weithin auf eine Effizienzfeststellung hinaus. „Effizienz als Rechtsprinzip“ ist aber immer noch nicht ein Rest-, sondern ein Grundproblem des Öffentlichen Rechts überhaupt. Die problematische Rechtsprechung zu den Stufen der zu sichernden „öffentlichen Belange“ im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 GG ist hier nicht nur Beleg, sondern warnendes Beispiel einer möglicherweise überforderten Dogmatik. 125
FN A 1.
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D. Wettbewerb als Verfassungsprinzip im Staatsbereich
d) Wenig tragfähig ist also jedenfalls die Hoffnung, dass mit dem Allgemeinwohl ein Kriterium dafür aufgefunden sei, wie die Einsatzfähigkeit des Wettbewerbs im Innenbereich des Staates durchgehend fassbar beurteilt werden könne. Allenfalls bereichsspezifisch mag sich hier eine gesteigerte Notwendigkeit wettbewerbsferner marktordnenden Staatshierarchie ergeben. Entscheidend – und problematisch – wird, schon methodisch, wohl immer bleiben, ob und wie weit sich aus einzelnen Falllagen eine Falltypik entwickeln und ob diese dann optimierend in Richtung auf etwas wie ein Gemeinwohl hochgerechnet werden kann.
VI. Fazit: Staat im Wettbewerb – Wettbewerb im Staat So lässt sich das Ergebnis des Hauptteils D zusammenfassen: Konkurrenzverhalten ist nicht (nur) ein außerstaatlicher Regelungsbereich, auf den der Staat ordnend einwirkt, dieser erscheint selbst als weithin von Wettbewerb rechtlich durchwirkt, organisations- wie verfahrensrechtlich. Politisch trägt Wettbewerb den Staat in der Demokratie, in freiheitlichen und organisationsrechtlichen Institutionalisierungen findet dies im Grundgesetz seinen Ausdruck. Staatsmacht steht nicht als solche, in blockhafter Unentrinnbarkeit, konkurrenzieller Dynamik gegenüber. Aus einer wie immer verstandenen Staatseinheit ergibt sich keine Sperre, sie ist vielmehr in Wettbewerb zu flexibilisieren. Der Staat nimmt einerseits am Wettbewerb teil, vor allem im wirtschaftlichen Bereich, dessen prototypischem Entwicklungsfeld. Er übernimmt auch dessen Kategorien und Kriterien in seinen eigenen Organisationsgestaltungen, über diese wirkt er konkurrenzoptimierend auf den privaten Sektor zurück, in dem jene ihren geistigen, ihren grundsätzlich-dogmatischen Ursprung haben. Außerstaatlicher Wettbewerb ist, das zeigte sich im Hauptteil C, der in Privatrechtlichkeit geordnete Prototyp aller Konkurrenz, rechtlich verankert in grundrechtlicher Freiheit. Die Demokratie nimmt dies in vielfältigen Formen auch für die Ordnung des Gemeinschaftsleben durch das Öffentliche Recht auf, in ihrem inneren Staatsbereich, in welchem sie ihren Organen Konkurrenzräume eröffnet: Das hat der Hauptteil D ergeben. Wettbewerb ist Verfassungsprinzip – dies erfasst in Gesamtschau die Bedeutung der Konkurrenz als Rechtsbegriff, weit über den ihr meist zugeordneten Anwendungsbereich hinaus. Hier zeigt sich, dass ein durchgehender Gegensatz von Staat und Markt eine übersteigerte Antithese ins Öffentliche Recht trägt. Sie stehen sich nicht als Wächter und Bewachte gegenüber;
VI. Fazit: Staat im Wettbewerb – Wettbewerb im Staat
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Konkurrenz ist eine Form rechtlichen Verhaltens, die sie beide trägt, mit unterschiedlichen Schwerpunkten, hier Gewinn, dort Ordnung der Macht, beides in einem weiten und doch noch rechtlich fassbaren Sinn. Vielleicht käme man einem in diesem Sinn ausgewogenen Verständnis des Wettbewerbs als (Verfassungs-)Rechts-Begriff näher, betonte man stärker als bisher die rechtstechnische Wirkungsweise der Konkurrenz, würde diese also nicht sogleich in die Wertungshöhen einer (Art von) Staatsideologie heben, oder sie letztlich doch in eine solche hinaufführen, was dem politischen und wirtschaftlichen (Neo-)Liberalismus vorgehalten wird. Verfassungskonsens im Wettbewerb – letztlich zwar ein Paradoxon einer „Übereinstimmung im Streitverhalten“ – lässt sich leichter erzielen, betrachtet man seine rechtstechnischen Wirkungskräfte, die sich eben durchaus auch innerstaatlich einsetzen lassen; und dies verlangt die Demokratie als Staatsform. Klassische sozialpolitische Diskussionen – Wettbewerb als Herrschaft, als „Ausbeutung“, Vorstellungen von einer sozialen Gerechtigkeit, welche die Volkssouveränität nur in einem unentrinnbaren wettbewerbsfernen Befehl herstellen könne – all das hat allzu lange den Dialog über Wettbewerb belastet. Wettbewerb ist eine selbstkritische Rechtsform von Nicht-Wissen, vom Suchen in einem „Hungern und Dürsten nach Gerechtigkeit“, nicht in Vorstellungen von einer Staatsgewalt, die das Schwert zieht und am Ende durch dieses umkommt, weil sie zu wissen glaubt, was das Recht nur als Gegenstand von Bemühungen kennt. Selbst in seinen hochentwickelten Grundsätzlichkeiten, die hier häufig im Mittelpunkt stehen mussten, sollte das Öffentliche, das Staatsrecht im besonderen, doch immer noch seinem innersten Wesen treu bleiben, das ihm mit dem Privatrecht gemeinsam ist, vielleicht aus diesem überhaupt kommt: Rechtstechnisches Ordnen, in An-Wendung des Prinzipiellen auf den Einzelfall. Kaum ein Sachbereich drängt stärker dahin als ein solcher, der in Wettbewerb abläuft. In Konkurrenzlagen ist alles wesentlich Einzelheit, von solchen Erscheinungen abhängig. Zu Wettbewerb sollte man sich nicht in Ideologie bekennen, sondern ihn in Rechtstechnik erproben. Das schneidende Wesen öffentlich-rechtlicher Befehlsbegrifflichkeit darf in seinem Verständnis nicht die Höhe und zugleich Beweglichkeit der Verfassungsbegriffe verdrängen.
E. Wettbewerb und „Privater Staat“ I. Der „Private Staat“ als Entwicklungsstufe des Demokratischen Staatsrechts 1. Inhalt und Bedeutung dieser übergreifenden Begrifflichkeit a) Diese Untersuchung schließt eine vierteilige Reihe von Betrachtungen ab1, welche einzelne Erscheinungsformen und Entwicklungen im Öffentlichen Recht aufzeigen, systematisieren, teilweise auch dogmatisch neu erfassen sollten. Um Organisations- und Handlungsformen der Staatsgewalt ging es dabei stets, in der diese ihrer – historisch gesehen: neuen – Staatsform der Demokratie nicht nur entsprechen, sondern sich aus ihr heraus entfalten (lassen) sollte. Bei aller Unterschiedlichkeit der Gegenstände im einzelnen, ihrer speziellen Ausprägungen in bisheriger Dogmatik, lassen sich doch diese Untersuchungen zusammensehen in einer Richtung, ja zu etwas wie einer Grundthese, mit Blick auf welche auch ihre Gegenstände behandelt wurden, jenseits von aller Suche nach Einzellösungen. Der demokratische Staat der Gegenwart2 hat einen Zustand erreicht, sich in ihm eingerichtet, der sich begreifen lässt als eine Konkretisierung der Staatsform der Volkssouveränität. Die egalitäre Selbstbewusstwerdung der Bürgerschaft drängt nicht nur zu neuen „direkte(re)n“ Formen, in denen ihr Wille institutionalisiert zum Allgemeinen, zum Staatswillen werden kann. Hier werden auch allgemeinere Vorstellungen deutlich über eine Zielprojektion von Staatlichkeit, in welcher der private Bürgerstatus, Grundlage und Ausgangspunkt der Volksherrschaft, diese als solche rechtlich (immer mehr um-)prägen soll: im Sinne einer „privaten Ordnung“, in zunehmender Entfernung von historisch gewachsenen Formen der Staatshoheit, der Staatsgewalt. b) Dies ist jedoch nur eine ganz allgemeine Zielrichtung der Staatsentwicklung. Rechtlich fassbar wird sie in der (Wieder-)Annäherung an 1
Die vorhergehenden finden sich in „Privatisierung des Öffentlichen Rechts“. Von der Hoheitsgewalt zum gleichordnenden Privatrecht, 2007; Vertragsstaatlichkeit. Die Vereinbarung – eine Grundform des öffentlichen Rechts, 2009; Der Förderstaat, Grundlagen eines marktkonformen Subventionsrechts, 2010. 2 Der allerdings im Kreislauf der Staatsformen zu sehen ist, vgl. Leisner, FN D 31.
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Rechtsformen und Bündelungen von solchen, wie sie im Privatrecht (noch immer) begegnen; aus ihnen hat sich ja auch historisch vieles bis ins Öffentliche Recht hinein entwickelt. In verbaler Semantik zeigt sich dies nicht zuletzt darin, dass im Privatrecht, entsprechend römisch-rechtlicher Tradition, von jeher und noch heute von „Institutionen“ die Rede ist, dieser Begriff also nicht etwa, wie es „Rechtsinstitution“ und „institutionelle Garantie“ nahelegen könnten, eine wesentlich publizistische Kategorie darstellt. Die Prototypik des Privaten für das Öffentliche Recht begegnet, mit zunehmender Intensität, in den beiden vergangenen Jahrhunderten in wirtschafts- und sozialrechtlichen Gestaltungsentwicklungen der Gesamtrechtsordnung, welche auch das Verfassungsrecht prägen. Diese Rechtsentwicklung erfolgt normstufenmäßig „von unten nach oben“, aus privatrechtlichen gleichgeordneten Bürgerbeziehungen i. w. S. heraus, oder in Ausformung durch höherrangiges Recht, in einer Anordnung der Staatlichkeit als Macht. Für solches Bürger-Recht eröffnen sich daher zwei Lösungswege: – Entweder das Öffentliche Recht prägt zunehmen publifizierend das Privatrecht, in der rechtsidealen Endvorstellung einer grundsätzlich öffentlich-rechtlichen Ordnung, wie sie übrigens zu Zeiten in der DDR bereits grundsätzlich weithin Wirklichkeit geworden war, – oder die herrscherliche, die Mehrheitsmacht des Öffentlichen Rechts wird als solche „privatrecht(sähn)lich umgeformt“, immer mehr dem Privatrecht angenähert. Die letztere Entwicklung entspricht der freiheitlichen Option, sie kann sich auf die fundamentale Grundrechtlichkeit des Grundgesetzes berufen, sie wurde bereits in der „Privatisierung des Öffentlichen Rechts“ vorgezeichnet, im Privatisierungsgehalt der Vertrags- und Förderstaatlichkeit weiter in Rechtsinstrumentalität konkretisiert. Dies ist allgemeiner Inhalt und Bedeutung einer Begrifflichkeit des „Privaten Staates“. 2. „Privater Staat“ – (Rück-)Weg aus dem „Feudalismus“ in Demokratie, ad fontes Iuris a) Es gilt in Sicht dieser Entwicklungs-Begrifflichkeit, Demokratie als Staatsform dogmatisch vertiefend zu erkennen und in Prinzipienkonsequenz weiter zu entwickeln, aus ihren „feudalen“ Vorgänger-Rechtsformen heraus. Der Begriff des „Feudalismus“ ist politisch-polemisch im Marxismus gebraucht und bis hin zum systematischen Missbrauch vereinfacht worden3. 3 In der geschichtsperiodischen Vereinfachung von „Sklavenhalter-, Feudal-, und (kommunistischen) Idealzuständen“.
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E. Wettbewerb und „Privater Staat“
Bei historisch ausgewogenem Wortverständnis, welches Bewunderung für die Rechtsentwicklungskraft der Vergangenheit und ihrer großen Leistungen ebenso einschließt wie – vor allem soziale – Kritik an so manchen Entwicklungen, umschreibt dieser Begriff des Feudalismus zusammenfassend weit mehr als nur eine, mehr oder weniger, autoritäre Rechtsgrundstimmung: er trug lange Zeit, trägt in manchem noch immer rechtliche Ordnungen, jedenfalls im Kern ihrer Institutionen, von der Staatsgewalt bis in die unternehmerische Anordnungs- oder die familiäre Erziehungsgewalt. Dies tritt dann, rechtlich ganz selbstverständlich, in Spannung zu demokratischen Zielsetzungen und zu rechtlichen Institutionalisierungen, die bereits zu deren Erreichung eingesetzt werden. Ein Entspannungsweg aus dieser Lage heraus will der „Private Staat“ aufzeigen, nicht etwa neue, staatsautoritäre oder gar staatstotalitäre Rechtsformen sich entfalten lassen. Ob dies angesichts eingewurzelter Rechtsvorstellungen über die privatrechtlich – öffentlich-rechtliche Dualität der Rechtsordnung gelingen kann, mag zweifelhaft sein; viel ist aber schon gewonnen, wenn hier Relativierungen ins Rechtsbewusstsein dringen. b) Gerade dies aber ist der Sinn der Überlegungen zum „Privaten Staat“: Er muss in seinen demokratischen Wurzeln erfasst und fortentwickelt werden – zugleich aber müssen diese in ihrem Grundentscheidungsgehalt gesehen und ernst genommen werden. Negativ ist dies bereits von Carl Schmitt erkannt worden; dass aber dann „das Beste doch ein Befehl“ sein soll, ist eben nicht der Lösungsweg des demokratischen Staatsrechts. Dieses muss in seinem grundsätzlichen Selbstverständnis gesehen, es darf nicht in – hier falscher – Kontinuität zu früherem „Feudalismus“, daher eben doch zu Autoritarismus, weiter entwickelt werden. Dies bedeutet der „Private Staat“, in seinem Grundanliegen der (Rück-)Entwicklungen zu den Quellen des Privatrechts der Gleichordnung, aus dem das Recht, gerade in seinen Staatsformkonkretisierungen, so oft schon schöpfen konnte. Als Ziele stehen dabei vor Augen: – Mehr Freiheit, weniger regulierender Zwang in Hoheitsgewalt, mehr privatrechtliches Vereinbarungsdenken. – Mehr Gleichheit in mehr Gleichordnung, als Voraussetzung dafür privatrechtliches Nebeneinander, nicht öffentlich-rechtliche Über-Unterordnung, und schließlich – Mehr Selbstordnung der Bürger als Folge eines Rückzugs der hoheitlichen Staatsordnung. Mehr Selbsthilfe statt Staatshilfe, Staatshilfe nur zur Selbsthilfe, das Öffentliche Recht nicht als Gegensatz zum Privatrecht, sondern als dessen Ordner und Helfer in seiner Gleichordnung, in Privatrechtsnähe.
I. Entwicklungsstufe des Demokratischen Staatsrechts
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c) Darin zeigt sich dann die Devise der Französischen Revolution in ihrem Grundsatzgehalt: Nicht in dem fundamentalen (Miss-)Verständnis ihres Radikalismus, in dem sich der Volkssouverän zum rechtsfundamentalen Nachfolger des rechtsautoritären absolut regierenden Monarchen aufschwingen wollte. Mit der Lehre vom „Privaten Staat“ wird demgegenüber eher ein Rückweg der Staatlichkeit zu den Grundlagen ihrer Historie eingeschlagen: – Liberté ist der Freiheitsraum, der den Franzosen alsbald in ihrem Code civil geschenkt wurde, in Kanalisation ihrer Revolution: Privatrecht ist Freiheit, gerade auch in seinem Eigentumsschutz. – Egalité verlangt Dominanz der Gleichordnungsbeziehungen im Recht, nicht Schlangen gleicher Bürger vor Staatsschaltern, oder gar Bastille-Erstürmung. Privat ist Gleichheit, in dem was zählt: in der Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Bürgern, in ihrer „Staatswerdung“, nicht in der Eroberung von Staatsfestungen durch sie, aus denen sich immer von neuem Kanonen auf Gewaltunterworfene richten werden. – Fraternité ist Zuwendung dieser gleichen privaten Rechtssubjekte zu einander auf Gleichordnungsebene, in Streitauflösung wie Förderung; es sind dies Gestaltungen gerichtet auf Gleichheitsziele, in einer Wendung des privatrechtlichen Nebeneinander in ein Miteinander. Dieser Dreiklang, nur er, trägt im „Privaten Staat“ auch noch in weite(re) Rechtsformen, in demokratische Zukunft, darin nun wirklich in Mehr Demokratie. Auf solchen Wegen aus einem Feudalismus heraus, der wesentlich Macht in Befehlsgewalt verselbständigte, darauf seine eigentümliche Autorität aufbaute, lässt sich dann in vielfältigen Bemühungen sogar eine neue, demokratische Imperialität aufbauen4 – von den Schweizer Volksversammlungen hinaus in die weiten Gleichordnungsbeziehungen internationaler, vor allem wirtschaftlicher Verflechtungen. Und dies verlangt durchaus, und nicht nur verbal, ein gewisses Demokratiepathos; es wird gerade im bescheidenen Klein-Klein des realitätsnahen Privatrechts ja ohnehin rasch auf seine bescheideneren Anwendbarkeiten zurückgeführt werden – zwischen Bürgern. Die Demokratie ist heraufgekommen – und sie versteht sich noch immer – als eine Staatsform der Revolution. Ein „Zurück zum Privatrecht“ ist zwar formal eher ein Gegenmodell zu umstürzlerischer Machtaneignung. Den4 Das „Demokratische Reich“ fasste in dieser Zukunftsvision in 2. Aufl. 2004 frühere Untersuchungen zusammen (Demokratie – Selbstzerstörung einer Staatsform; Der Gleichheitsstaat – Macht durch Nivellierung; Die demokratische Anarchie – Verlust der Ordnung als Staatsprinzip; Der Führer – Persönliche Gewalt: Staatsrettung oder Staatsdämmerung?).
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E. Wettbewerb und „Privater Staat“
noch bleibt es ein – eben rechts-revolutionärer Vorgang, in seiner Tiefenwirkung auf die gesamte Rechtsordnung wie in distanzierender Abkehr von Grundstimmungen und Einzelgestaltungen früherer feudaler Staatsformen. Darin ist dann die Volksherrschaft sich selbst treu, in ihrem Ethos wie, sogar, in ihrem Pathos.
II. „Wettbewerb als Verfassungsprinzip“ – Bedeutung für Vorstellungen von einem „Privaten Staat“ 1. Fortsetzung bisheriger Ergebnisse in Wettbewerb(sdenken) a) Als bisherige Untersuchungsergebnisse5 konnten verschiedene Rechtsentwicklungen festgestellt werden, die sich zwar als solche nicht ausdrücklich oder ausschließlich auf etwas richten wie eine umfassend-überhöhende „private Staatlichkeit“, für eine solche aber doch wichtige Voraussetzungen erkennbar werden lassen: – Versuche, herkömmliche rechtsgrundsätzliche Kriterien für Unterscheidungen zwischen Öffentlichem und Privatem Recht aufrecht zu erhalten oder neu zu begründen, sind rechtsdogmatisch problematisch. Ein Rückgriff auf Formen „hoheitlicher Gewalt“ ist insbesondere in einer demokratischen Staatsordnung als flächendeckende Gestaltung kaum möglich. – „Vertragliche Gestaltungsformen“ gewinnen (auch) im Öffentlichen Recht rasch an Bedeutung, gegensätzlich wie nach Intensität. Herkömmliche Auffassungen zu publizistischen Rechtsfiguren, vor allem im Verfassungsrecht, im Sinne eines sui generis gegenüber privater Vertraglichkeit, lassen sich durch ein privatrechtliches Verständnis besser deuten. Dass derartige Entwicklungen bisher unterschiedliche Stadien erreicht haben, wertet solche Überlegungen keineswegs ab, zeigt vielmehr die Offenheit der Rechtsordnung wie das Weiterwirken eingewurzelten, oft schulmäßig verfestigten Denkens. Weithin läuft der Prozess auch ergebnisoffen ab. – „Förderung“ bezeichnet einen wenn nicht neuen, so doch besonders entwicklungsträchtigen Schwerpunkt der modernen Staatstätigkeit. Sie richtet sich primär auf besseres, optimierendes Funktionieren von Märkten, auf welchen Aktivitäten zwar in einem staatlichen Ordnungsrahmen, als solche aber doch weitestgehend in privaten Formen ablaufen. Förderung als zentrale Form der Staatstätigkeit muss dem daher marktkonform, das heißt aber: soweit wie möglich, formell und inhaltlich privatrechtskonform entsprechen. 5
Vgl. FN E 1.
II. „Wettbewerb als Verfassungsprinzip“
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b) Dies alles wird nun durch Wirkungen gewissermaßen überformt, welche in Wettbewerb stattfinden. Dieser entfaltet sich ja wesentlich auf Märkten, bedarf hier des – vor allem grundrechtlichen – staatlichen Schutzes in Wettbewerbsfreiheit. Dieser freiheitschützende Staat aber tritt gerade darin selbst als ein wettbewerblich durchwirkter hervor, aus der Dynamik einer privatrechtlich geprägten Konkurrenzialität heraus. Dies sind die Ergebnisse der vorstehenden Untersuchung. In ihr schließt sich daher der Betrachtungskreis zur privaten Staatlichkeit. Aus dieser Entwicklung könnte es einen grundsätzlichen Ausweg nicht mehr in Demokratie geben, sondern nur mehr in einer Rückwendung nun nicht mehr zu den privatrechtlichen Quellen, sondern nur mehr zu Autoritarismen. Dies kann auch nicht auf der Grundlinie derjenigen liegen, welche mit beachtlichen Gründen versuchen, ein prinzipienträchtig-staatsgrundsätzliches Öffentliches Recht gegen eine Detailverliebtheit in oder gar Ökonomisierung durch Privates Recht zu sichern. Dass das Ius publicum nicht in Höhen feudaler Majestät, in Fürstlichkeiten, aristokratischen Stufungen und Verleihungen wird gehalten werden können, ist unvermeidlich, muss aber nicht nur negativ gesehen werden: Majestät des Öffentlichen Rechts vergeht, Rechtstechnik des Privatrechts besteht – auch in ihm. c) Diese Entwicklungen zu einem „Privaten Staat“ entfalten sich zwar nicht unter der ausdrücklichen direktiven Geltung einer normativen Verfassungs-Grundentscheidung zu einem solchen. Die Verfassung führt aber deutlich in diese Richtung, in der Schaffung von Voraussetzungen und Gestaltungen in privatrechtskonformen Ausprägungen. Stets ist es eine gewisse rechtliche Gleichordnungslage, welche ihren Ausgangspunkt bildet, sie trägt: es ist dies die egalitäre Bürgergemeinschaft der Demokratie. Wie so oft in der Rechtsentwicklung entfalten sich, bei beginnendem oder anstehendem Grundsatzwechsel, zunächst einzelne Rechtsfiguren, verdichten sich systematisch zu Institutionen. Im Wege der, methodisch längst prinzipiell anerkannten, Konvergenz lassen sie sich induktiv „hochrechnen“, zu Leitkriterien, ja Inhalten, die immer „dichter“, damit laufend stärker normwirksam werden in ihrer normativen, induktiven Direktivkraft. Bei hinreichender Konzentration schlägt diese in rechtliche Deduktion um, aus ihrem jeweiligen Prinzipiengehalt heraus. Dies ist der methodische Prozess, in dem private Staatlichkeit schon seit langem wirkt, sich immer weiter entfaltet. d) Dazu leistet nun „Wettbewerb als Verfassungsprinzip“ in Form einer konkurrenzgrundsätzlichen Ausrichtung und Entwicklungslinie einen wichtigen Beitrag. Deutlich wird hier, und zwar übergreifend, die demokratische Gleichordnung der Rechtssubjekte; sie löst im „Gleichheitsstaat“ notwendig eine Über-Unterordnung ab, welche der Privatsphäre, in Formen des Öffent-
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E. Wettbewerb und „Privater Staat“
lichen Rechts, gewissermaßen von „außen begrenzend induziert“ werden müsste, drängt jedenfalls deren Wirkungen immer weiter zurück, bis in Formen eines Minimums an Marktsicherheit. Damit lässt sich – selbstverständlich – die wahrhaft ewige Spannung zwischen Freiheit und Machtstreben des Menschen nicht auflösen, wohl aber abschwächen, in ihrem explosiven Gefährdungspotenzial. Darum aber ging es in all jenen Untersuchungen zum Thema „Privater Staat“. Sie haben stets Entwicklungen verfolgt, entgehen damit jedenfalls dem methodischen Vorwurf geschichtsferner Dogmatik oder gar eines revolutionierenden Neuerungsstrebens. Nur von so manchen, rechtsgrundsätzlich bereits verhärteten Vorstellungen gilt es nach ihnen Abschied zu nehmen, mit Blick auf diese heraufkommende Staatlichkeit. Man mag dies dann eine Vision nennen; es ist aber wohl zumindest ein Anfang von Entwicklungen neuer Rechtsgrundsätzlichkeit.
2. Der „privatrechtliche Prototyp Wettbewerb“ a) Deutlich dürfte nun schließlich eines in der hier schließenden Untersuchung geworden sein: Das Öffentliche Recht bezieht die Inhalte seiner verfassungsrechtlichen Konkurrenzvorstellungen, seines „Ordnungsgegenstandes Wettbewerb“ prototypisch wesentlich aus in privatrechtlichen Formen ablaufenden Vorgängen, aus dem wirtschaftlichen Wettbewerb. Alle wesentlichen Ordnungsinstrumentarien des Verfassungsrechts beziehen sich auf ihn, von den Grundrechten bis in die einfachgesetzlich geregelten Verästelungen des Wettbewerbsrechts, die stets an jenen auszurichten sind. Dieser Ordnungsgegenstand schafft sich seine Ordnungsformen, in Selbstdisziplinierung des Wettbewerbs, aber eben auch in den marktkonformen Ordnungsmodalitäten seitens der Staatsgewalt; in diese ist insoweit Wettbewerbsdenken längst eingedrungen. Die immer weiter sich entwickelnde Einsetzbarkeit von Wettbewerbsverständnissen im Verfassungsrecht zeigt dabei auch Entwicklungsdimensionen auf. b) Eine Privatrechtsannäherung vollzieht sich in Formen einer Staatsorganisation, die geradezu Wettbewerbslagen in ihrem Inneren hervorbringt (Föderalismus). Erst recht prägen diese dann ihrerseits ein staatliches Eingriffsverhalten, welches ja wesentlich eine Umsetzung von Staatsorganisation durch Wirkungen in den außerstaatlichen Bereich hinein beinhaltet. Wird allenthalben vom Staat geregelt „mit Blick auf (mögliche) Wettbewerbslagen, in ihnen sich ergebende Freiheiten“, so wird Konkurrenzordnung durch den Staat voll bewusst als ein Aspekt staatlicher Aufgabenerfüllung, was dann sogar als eine „notwendige Staatsaufgabe“ erscheinen mag. Diese wird sowohl von den Eingriffsmitteln (Staatsorganisation) wie von ihrem Ordnungsgegenstand (privater Wettbewerb) her definiert. Der Begriff
II. „Wettbewerb als Verfassungsprinzip“
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„Aspekt“, wie er sich gerade für privatrechtsnahe/konforme Ordnungen im Privatbereich entwickelt hat6, bezeichnet treffend die normative Bedeutung des Wettbewerbs im Verfassungsrecht einer sich entfaltenden privaten Staatlichkeit: Er beleuchtet eine wichtige Seite des wesentlich privaten Regelungsgegenstands der Bürgerfreiheit, unter diesem Gesichtspunkt ordnet ihn der Staat. Wettbewerb wird als eine Zielvorstellung seiner Ordnung bewusst – in ihrer Privatrechtsnähe – und zugleich auch als Organisationsprinzip der Ordnungsinstrumente. c) Damit wird die Staatsform Demokratie in einem grundsätzlich neuen Verständnis deutlich: Nicht mehr wesentlich erscheint sie als eine „Volksherrschaft“, in der der Volkssouverän nur den Fürsten, dem Adel, der Kirche, feudal herrschenden Klassen deren Macht aus der Hand und in die eigenen Hände nehmen will. In diesem Übergang wird die Staatsmacht eine wesentlich andere: sie „herrscht“ nicht mehr, sie ordnet: maximal/optimal in privatrechtlicher oder doch privatrechtskonformer Eigengestaltung, deren Funktionieren der Staat grenzkorrigierend gewährleistet. „Ordnung“ bleibt auch darin als solche ein Eigenwert, sie identifiziert sich gerade nicht mit Belangen der politischen Mehrheit – dies ist der verfassungsrechtliche Sinn der grundrechtlichen Freiheiten, vor allem auch der des Wettbewerbs. Geordnet wird in freiheitskonformer Freiheitsbegleitung, nicht Under Cover, aber auch nicht in schimmernder Wehr. Die staatliche Wettbewerbsordnung läuft allenfalls so ab wie die Polizei zurückhaltend Demonstrationen zu begleiten hat: Eingriff nur bei Gefahren für Freiheit, keine „überschießende Gewalt aus einem Gewaltmonopol“, kein „Mehrwert der Macht“. Staatsmacht ist Ordnungsmacht eines „Volkes in Wettbewerb“. 3. Ausbau, Verstärkung des Wettbewerbs – eine Zielvorstellung in Grenzen Diese Überlegungen zum „Privaten Staat“ haben weitestgehend neue Entwicklungen zum Gegenstand, die systematisiert, in ihren Konsequenzen gedeutet werden sollten. Zu Forderungen verdichten sie sich allenfalls randkorrigierend, in gewissen Erweiterungen von Freiheitsräumen der Konkurrenz. Eine rechtliche Grundstimmung muss bewusst werden, Forderungskataloge lassen sich schwerlich aufstellen. Wettbewerb im Privatbereich ausweiten, ihn „überallhin in die Staatlichkeit übernehmen“ – das war nicht Sinn dieser Untersuchung. Dafür sind 6 Zu den Schutzaspekten des Art. 2 Abs. 1 GG – ebenso Vertrags- wie Wettbewerbsfreiheit.
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E. Wettbewerb und „Privater Staat“
schon die Problemlagen allzu vielschichtig. Vor allem aber hat Demokratie nur Sinn, wenn den Bürgern Regelungsmacht erhalten bleibt in eigenen Gestaltungsräumen. Privater Staat bedeutet weder kommunistisches „Absterben von Staatsgewalt“, noch liberalen Gewaltabbau in in(de)finitum als Verfassungsziel. In Wettbewerbsordnung soll vielmehr ein Mittelweg beschritten werden, sie bezeichnet eine staatliche Zielvorstellung in Grenzen, die aus der Staatsgewalt selbst kommen kann. Daher muss Wettbewerb nicht nur als Freiheitsraum, sondern vor allem auch als Instrument der (Selbst-)Regelung der Freiheit stets bewusst bleiben. Allenfalls kann hier eine Gesamtrichtung verdeutlicht werden, bereichsspezifisch zu Lösungen in dubio pro competitione.
III. Wettbewerb als Verfassungsprinzip: Aktivstaatlichkeit gegen einen Staat des Machtverfalls Staat – das war für viele Generationen, seit der Enthauptung von Königen, der Schließung von Kirchen, der Stürme auf Schlösser, ein sicherer Hafen des Rechts für Bürger, deren Schiffe hier an den Ankern der Normen lagen, zu ihnen immer wieder zurückkehrten, nach nicht allzu langen und gefährlichen Fahrten hinaus in die Ordnungsferne der Freiheit. Der „Staat“ bedeutete „Statik“ – des Rechts gegen die Dynamik der Macht. Diese drohte dann die Bürger in Demokratie aus dieser Ruhe zu werfen, obwohl ihnen diese Staatsordnung doch gerade Sicherheit in der Selbstordnung der Freiheit zu versprechen schien. Diese dauernde Hoffnung darf nicht enttäuscht, sie muss in einem Privaten Staat, ganz im Gegenteil, gestärkt werden. Eines ist zwar unumkehrbar: Der Staat der Throne – damit der thronende Staat – ist Vergangenheit, mit ihm fiel der „Staat der Befehle“. Realität ist der in Wettbewerb bewegte Staat, in dem die Bürger zusammenlaufen – und aus ihm heraus „con-currunt“. Es ist dies der Aktiv-Staat, wesentliches Pendant zu, ja Form von Aktivbürgerschaft. Seine Freiheiten schließen zwar den Aktivitätszwang aus, sie begünstigen aber eine Dynamik, die in erster Linie im Wettbewerb zum Ausdruck kommt. Das statisch „nur Bestehende“ ist stets von Verfall bedroht. Ein Staat, der lediglich ist, nicht wird, endet in Ruinen – eben im Verfall der Dekadenz, ja er steht schon in ihr. In Ruinen kann gedacht werden, aber nur nachgedacht7. Vor- und vorausgedacht wird in Wettbewerb – ein „Ziel vor Augen“. Und dies ist die wohl stärkste rechtliche Legitimation der Demokratie: Das Ziel zählt weniger als der Lauf. Der Lauf selbst ist das Ziel – der Wettbewerb als Verfassungs-, als Staatsprinzip. 7
Leisner, W., Staatsgedanken vor Ruinen, in: FS. f. Isensee, 2007, S. 111 ff.
F. Ergebnisse A. I. „Wettbewerb als Verfassungsprinzip“ stellt zwei Grundfragen: nach einem Grundrechtsschutz konkurrenziellen Verhaltens, und nach der Bedeutung des Wettbewerbs als rechtliches Gestaltungsprinzip im innerorganisatorischen Staatsbereich. II. Wettbewerb im Verfassungsrecht ist neuerdings wieder ins Blickfeld grundsätzlicher Betrachtungen gerückt. „Wettbewerbsfreiheit“ als solche ist aber noch immer verfassungsrechtlich „unterbelichtet“, auch in der allgemeinen Diskussion „Markt und (oder) Staat?“ III. „Wettbewerb im Staatsbereich“ stellt Fragen grundsätzlicher Modellwahl, damit auch die hoheitliche Erfüllung von Staatsaufgaben. Dies mündet dann in Diskussionen um einen – schwer bestimmbaren – Gemeinwohlbegriff. IV. Überlegungen zu einem „Wettbewerb als Verfassungsprinzip“ werden belastet durch verbreitete Bedenken gegen eine Ökonomisierung des Öffentlichen Rechts, in Übernahme wirtschaftlicher Konkurrenzvorstellungen. Demokratiebedenken richten sich gegen Wettbewerb als Modell für Entscheidungsvorgänge innerhalb einer einheitlichen Staatsgewalt, Sozialbedenken gegen Wettbewerb als Ausbeutung. V. Wettbewerbsrecht ist heute weithin durch Gemeinschaftsrecht überformt. Dennoch ist in dessen Rahmen nationales Verfassungsrecht in Mehrebenenordnung von Belang und wird daher im Folgenden nur in diesem Rahmen betrachtet – nicht zuletzt wegen der Übernahmegehalte des nationalen Rechts in Europäische Ordnungen.
B. I. Das Römische Recht hat nicht als Staats-, sondern als Privatrecht spätere wirtschafts-, damit auch wettbewerbsrechtliche Entwicklungen geprägt. Für ein solches imperiales Machtrecht konnte es auch im mittelalterlichen Recht Konkurrenzordnungen nicht in staatsgrundsätzlicher Bedeutung, sondern allenfalls als Konfliktrecht geben. II. In Völkerrecht und Genossenschaftsrecht entfalteten sich dann aber bereits bis zur Französischen Revolution Wettbewerbsordnungen, die aller-
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dings noch immer die Höhe staatsrechtlicher Prinzipialiät nicht erreichten. Aufklärerische Freiheit grenzte privates Wirtschaften zwar gegen die Staatsgewalt ab, doch in Volkssouveränität wurde letztlich „wettbewerbsblind“ gedacht. Bis in die Weimarer Zeit kam es nicht zu systematischen Versuchen einer verfassungsrechtlichen Ordnung des Wettbewerbs(rechts). III. Wettbewerbsordnende einfache Gesetzgebung entfaltete sich aber, in steigender Normdichte, auf den geistigen Grundlagen der Wohlfahrtsstaatlichkeit und des sich entwickelnden sozialistischen Denkens; von Armenpolizei über Sozialversicherung wurde Konkurrenzfolgen entgegen gewirkt, mit Verbotsregelungen des Unlauteren Wettbewerbs wurden die Konkurrenten selbst gegen Missbrauch geschützt. IV. Höhepunkt und vorläufig-grundsätzlichen Abschluss bildete das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, dem, in Formen eines „materiellen Verfassungsrechts“, grundgesetzliche Wertungen („Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit“) als geistige Grundlegungen dienten. In der Diskussion um die Drittwirkung der Grundrechte wurde auch die Verfassungsdimension dieses wesentlich privaten Verhaltens deutlich. Der Wettbewerb als solcher konnte nun erst zu einem typisch freiheitsrechtlich akzentuierten Verständnis und der Anerkennung einer grundrechtlich geschützten Wettbewerbsfreiheit führen. V. Für die „klassische“ deutsche Staatslehre der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts (Kelsen, Smend, Schmitt) war Wettbewerb(sfreiheit) kein zentrales Grundrechtsproblem. Erst US-Vorstellungen vom Wettbewerb als Grundlage der demokratischen Staatsform führten auch in Deutschland zu einer Diskussion über Wettbewerb in der grundgesetzlichen Ordnung. Diese geht nun aber teilweise nicht von der wirtschaftlichen Wettbewerbsfreiheit Privater aus, sie betrachtet Wettbewerb vielmehr als ein allgemeineres Modell und prüft dessen Tauglichkeit zur Verwirklichung des Gemeinwohls.
C. I. „Wettbewerbsfreiheit“ ist ein Rechtsbegriff; Zweifel, ob es sich (auch) um einen Verfassungsbegriff handelt, sind nicht berechtigt. Wo immer er angesiedelt wird – bei Art. 2 Abs. 1 oder Art. 12 Abs. 1 GG – Wettbewerbsfreiheit ist ein „Grundrechtsaspekt“, der als Grundrecht verselbstständigt werden darf, wie etwa die Vertragsfreiheit. Grundrechtsqualität fehlt der Wettbewerbsfreiheit auch nicht deshalb, weil sie durch einfaches Gesetz ausgestaltet wird. Diese „Ausgestaltung“ ist ein wenig klarer, dogmatisch nicht unbedenklicher Topos, der zu einem Leerlauf der Verfassungsbegrifflichkeit in „Verfassung nach Gesetz“ führen kann. Das Bundes-
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verfassungsgericht hat denn auch Wettbewerbsfreiheit als Verfassungsbegriff anerkannt, der ein Grundrecht bezeichnet. II. Der Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit ist, nach der Verfassungsjudikatur, gemäß den „Funktionsbedingungen des Wettbewerbs“ zu bestimmen. Dies verweist auf den „Markt als Wettbewerbsraum“ auf die „funktionierenden Märkte“. „Funktion“ ist aber hier – wie so oft – ein problematischer Begriff im Staatsrecht: Die Wettbewerbsfreiheit kennt, wie alle Freiheit, als solche kein „Ziel“, sondern nur Äußerungsinstrumente und Grenzen; Ziel ist sie sich selbst, nicht etwa eine ökonomisch optimale Güterproduktion. Auch ist es nicht „Funktionsbedingung“ einer Wettbewerbsfreiheit, dass diese „demokratiegünstige Wirkungen“ hervorbringt. Die in diesem Zusammenhang genannten „positiven Konkurrenzwirkungen“ (Entdeckung, Rationalisierung, Stabilisierung, Veröffentlichung) sind weder demokratiespezifisch, noch können sie durchgehend überzeugend belegt werden. Aus solchen, „demokratiegünstigen“ Funktionen dürfen nicht (grundrechtsimmanente) Schranken dieser Freiheit abgeleitet werden. III. Dass Wettbewerb durch (einfach-)gesetzliche Regelungen „mitbestimmt und ermöglicht“ wird (BVerfG), ist nicht als „Verfassung nach Gesetz“ zu verstehen, sondern ähnlich wie beim Eigentumsschutz: Der einfache Gesetzgeber bestimmt die „Märkte“ im Sinne der Marktfähigkeit der Güter und des Verhaltens der Marktteilnehmer auf diesen. IV. Der Schutzbereich des grundrechtlichen Verfassungsbegriffs der Wettbewerbsfreiheit muss von seinen wirtschaftlichen Erscheinungen her bestimmt werden, nicht aus einem „Globalphänomen Konkurrenz“ heraus, das auch andere als ökonomische Lagen erfasst oder sich in einem Nebeneinander gleicher Verhaltensweisen erschöpft. Der Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit umfasst die subjektive Freiheit jedes wirtschaftlich Tätigen, jeden anderen solchen aus dem von ihm gewählten Leistungsbereich zu verdrängen. Der Markt als solcher, als Wettbewerbsraum, muss durch Gewährleistung einer „Marktzugangsfreiheit“ erhalten bleiben. Monopolverhinderung (auch) durch den Staat ist verfassungsrechtlich zulässig nur, wenn dies zum Schutze eines Gemeinschaftsinteresses nach Art. 12 Abs. 1 GG erforderlich ist. Marktzugangsfreiheit ist insoweit, als Ausdruck grundrechtlicher Wettbewerbsfreiheit, auch gegen Wettbewerbsbetätigungen bereits auf dem Markt Tätiger zu schützen. Wettbewerbsfreiheit ist damit wesentlich grundrechtliche Freiheit in Drittwirkung des Art 12 Abs. 1 GG, in der Verhinderung von Monopolen. V. Wettbewerbsgleichheit ist der Wettbewerbsfreiheit nicht immanent, sie ist eine (grundrechtliche) Schranke derselben, Schutz der drittgerichteten Wettbewerbsfreiheit anderer Grundrechtsträger. Der Markt, auf dem diese Tätigkeiten stattfinden, ist in vielfacher Hinsicht ein Raum natürlicher Un-
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gleichheiten, aus dem ein Teilnehmer den anderen verdrängen darf. Nur Marktzugang unter gleichen Bedingungen muss offenstehen, insbesondere in der Bereitstellung von Formen der Rechtssubjektivität. Obwohl die Wettbewerbsfreiheit mit ihrer Verdrängungstendenz die Herstellung gleicher Konkurrenzstärke durch den Staat verbietet, kann marktbeherrschenden Stellungen entgegengetreten werden, da diese bereits den gleichen Wettbewerbszugang be- oder gar verhindern. Das muss sich jedoch auf Gewährleistung von Chancengleichheit des Marktzutritts beschränken, ist daher insoweit einschränkend zu handhaben. Gleiche Verhaltensregeln für alle Konkurrenten stellt die UWG-Gesetzgebung her. Ihre Regelungen, die weithin aus Markterfahrungen erwachsen, müssen jedoch am Maßstab der Wettbewerbsfreiheit gemessen werden. Wettbewerbsfreiheit gewährt eine „Markteröffnungsfreiheit“ gegen den Staat nur unter den gestuften Gesetzesvorbehalten nach Art. 12 Abs. 1 GG. In staatsbeeinflussten Marktlagen wird sie in Formen des Vergaberechts geregelt, welches insbesondere am Maßstab der Wettbewerbsgleichheit zu prüfen ist. VI. Staatseingriffe in den Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit erfolgen in den Rechtsformen gesetzlicher Regulierungen, Fördermaßnahmen und durch Teilnahme öffentlicher Träger am Wettbewerb. Auch letztere ist am Maßstab der Wettbewerbsfreiheit zu messen, welche ihre Subsidiarität gegenüber privaten Leistungen im Wettbewerb begründet. Allerdings steht auch dieser Grundsatz unter den gestuften Gesetzesvorbehalten der Gemeinschaftsbelange (Art. 12 Abs. 1 GG). Die gerade gegenüber der Wettbewerbsfreiheit entwickelte Rechtsfigur der „gezielten Eingriffe“ ist ein Scheinproblem, soweit sie auch auf den subjektiven Willen des Gesetzgebers abhebt. In Wahrheit geht es um die Tiefe von Haupt- wie Nebeneffekten staatlicher Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit, deren Zulässigkeit sich nach Art. 12 Abs. 1 GG bestimmt.
D. I. Wettbewerb wirkt als Verfassungsprinzip auch im staatsorganisatorischen Innenbereich i. w. S. Normeffekte sind hier zu bestimmen, ausgehend vom Begriff des herkömmlichen Wettbewerbs zwischen Privaten, sowie von den Grundlinien der grundrechtlichen Wettbewerbsfreiheit (C). Dabei geht es im Folgenden nicht um Formen und Wirkungen des Handelns öffentlicher Träger im Einzelnen, sondern um dessen organisationsrechtliche Verfassungsgrundsätze.
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II. Auszugehen ist von einer „Verfassungsgrundstimmung“ des Bekenntnisses zur Freiheit im Grundgesetz, damit auch zum Wettbewerb. Die Verfassung fordert vor allem optimale Realitätsabbildung, unter Beachtung eines allgemeinen Leistungsprinzips im Bewerbungs-, Prüfungs- und Kontrollrecht des Staates. Die Demokratische Staatsform prägt sich in einer wettbewerbsoffenen Verfassung aus, in Bürgernähe der Staatlichkeit und in Wahlen, welche Entscheidungsalternativen voraussetzen. III.1/2 Ein „Verfassungsprinzip Wettbewerb“ lässt sich aus dem „Konkurrenzgehalt“ einzelner staatsorganisationsrechtlicher Institutionalisierungen erschließen. Eine solche, kompetenzrechtlich verfestigte, Wettbewerbsordnung, wie sie etwa in der Öffentlichkeitsarbeit der Staatsorgane zum Ausdruck kommt, ist insoweit grundrechtsgestützt, wenn auch nicht grundrechtsgeschützt, als bei ihr der grundrechtliche Wettbewerbsbegriff zugrunde zu legen ist, in dessen Konkurrenzgehalt die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) einfließt. III.3. Organwahlen, insbesondere zu Volksvertretungen, sind zwar kein Wettbewerb zwischen Staatsvertretungsorganen, wohl aber zwischen staatlichen Kreationsorganen derselben. Als solche laufen sie wesentlich wie Konkurrenz im gesellschaftlichen, insbesondere im wirtschaftlichen Bereich ab; mit deren Formen sind sie in der Realität eng verbunden. „Politischer Wettbewerb“ ist daher Konkurrenz im Sinne eines übergreifenden Verfassungsprinzips. III.4. Dies gilt auch für die Direkte Demokratie: Das Entscheidungsgremium wird im Kreationsakt des Volksbegehrens in Wettbewerb konstituiert, die Entscheidung fällt in einem Konkurrenzvorgang, häufig zu besonders konkurrenzträchtigen (Groß-)Projekten. III.5. Politische Parteien sind „geborene Wettbewerber“, ihr gesamtes Verhalten läuft in Konkurrenz ab. Dies prägt die ohne sie nicht vorstellbare demokratische Staatsform. Sieht man sie als Staatsorgane, so findet Wettbewerb über und durch sie in den zentralen Bereichen der Staatsorganisation, vor allem in Parlamenten statt. Die gesamte demokratische Staatsorganisation ist damit wettbewerbsgeprägt. Werden sie (nur) als Kreationsorgane staatlicher Vertretungsorgane gesehen, so kommt ihnen auch darin eine wesentlich wettbewerbsprägende Wirkung für die Staatsorganisation zu. Die so bestimmten Staatsorgane im engeren Sinn werden in den ihnen aus ihrer Bestellung heraus eigenen Konkurrenzformen tätig – und in laufender Rückbindung auf ihre konkurrenzbestimmende Bestellungsbasis. III.6. Föderalismus ist eine Grundform kompetitiver Staatsorganisation. Die Länder sind „Konkurrenten im Bund“, in ihren Beiträgen zur Staats-
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gewaltausübung in diesem und im Wettbewerb untereinander um die besten Angebote in ihren Kompetenzbereichen. Auch der Bundesrat ist als Forum dieses Wettbewerbes zu verstehen, ebenso läuft ein solcher auf der „Dritten Ebene“ ab. „Verdrängungsstreben“, ein Wesenselement des Wettbewerbs, findet auch hier statt, und ist grundsätzlich legitim (vgl. Art. 29, 79 III GG). Konkurrenzen um Standorte und grenzüberschreitende Leistungsangebote werden von den Bürgern laufend in Freizügigkeit wahrgenommen. Die territoriale Abschottung ist hier stärker ausgeprägt als im wirtschaftlichen Wettbewerb, spielt aber auch dort eine Rolle. III.7. Für den Kommunalismus, als fundamentale Form konkurrenzieller Staatsorganisation, gilt Ähnliches. Hier sind wettbewerbliche Kategorien und Kriterien sogar besonders deutlich und wichtig, in einer Daseinsvorsorge, die zugleich Konkurrenz lenkt und in einer solchen abläuft. Kommunalaufsicht wie Kommunallobby funktionieren weithin wie ähnliche Gestaltungen im Bereich der privaten Wirtschaft. III.8. Funktionaler Wettbewerb von Selbstverwaltungsträgern als Staatsorganen, von den Kammern bis zur sozialen Selbstverwaltung, zeigt Konkurrenzgehalt auf verschiedenen Ebenen: im Leistungswettbewerb zwischen öffentlichen Trägern um Mitglieder, in der wettbewerblichen Bestimmung der Vertretungsorgane in Wahlen, in der Ordnung des Wettbewerbs zwischen den Mitgliedern in selbstbestimmter Freiheit. III.9. Medien sind geborene Akteure im Wettbewerb. Dies gilt auch für die staatlich getragenen oder wesentlich staatsbeeinflussten Medien; auch sie werden in einem voll grundrechtlich, insbesondere durch Wettbewerbsfreiheit geschützten Bereich tätig. In ihrem weithin beherrschenden, wenn nicht gar entscheidenden Einfluss auf die Willensbildung der staatlichen Organe stehen sie diesen und deren Wettbewerb nahe. In ihrer Konkurrenz werden die Staatsangebote in den Nachfragewettbewerb der Bürgerakzeptanz gestellt. Besonders deutlich wird dies in der Öffentlichkeitsarbeit der (aller) Staatsorgane. IV.1. Der Staat wird vor allem im Hoheitsbereich territorial und instrumental (Gewaltmonopol) als Monopolist tätig. Als solcher verfolgt er das – sog. – Gemeinwohl. Daraus wird weithin auf Unentrinnbarkeit seiner Gewalt geschlossen, innerhalb deren Wettbewerb keinen Platz habe. Dies gilt es jedoch zu hinterfragen. IV.2. Der Staat muss als solcher, auch als Hoheitsstaat, die Akzeptanz seiner Entscheidungen bei den Bürgern als „Nachfragern“ in Wettbewerb suchen. Er ist deren Nichtakzeptanz teilweise an sich schon ausgesetzt, weithin öffnet er sich ihr auch selbst.
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IV.3. Die staatliche Inpflichtnahme der Bürger findet viele und bedeutsame Grenzen. Solche wirken in zwischenstaatlicher Freizügigkeit und Ausreisefreiheit, neuerdings im größeren Kontext der Migrationen. „Grundpflichten“ sind bereits rechtlich ein problematischer Topos. Viele, gerade wettbewerbsträchtige Lebenssachverhalte sind als solche gar nicht regelungsfähig, staatliche Anordnungen nicht durchsetzbar, mit Bürgerwiderstand in verschiedenen Formen ist zu rechnen. Von monopolähnlicher Unentrinnbar „der Staatsgewalt“ kann rechtlich, vor allem aber in der Realität, keine Rede sein. IV.4. Der Staatsbereich selbst zeigt zahlreiche rechtliche Öffnungsformen zu einem Wettbewerb: Rechtsstaatlichkeit verlangt Bestimmtheit der Staatsangebote für die „Nachfragekonkurrenz“ der Bürger. Demokratie geht von der laufenden Veränderbarkeit der Staatsangebote aus, bis hin zur Gesetzgebung; damit stellt sich der Staat in einen ständigen „Angebotswettbewerb, um die bessere Lösung in der Zeit“. Die bereits traditionelle „Flucht aus der Hoheitsgewalt ins Privatrecht“ ist meist nichts als ein Ausweichen in Wettbewerb. Vertragsstaatlichkeit stellt dazu Instrumente des Organverhaltens bereit. Die Staatsgewalt selbst bietet dem Bürger vielfache Wahlmöglichkeiten der Gestaltung, die dieser in Wettbewerb nutzt. IV.5. Das – angebliche – unentrinnbare Monopol des Staates endet bereits so weitgehend in Wettbewerb, dass dieses Verfassungsprinzip wesentliche Konsequenzen auch für das Staatshandeln und die Staatsorganisation zeitigt. V.1. (Wahrung der) Staatseinheit ist ein Grundprinzip, ja Voraussetzung des Verfassungsrechts, welches unbedingt zu wahren ist, trotz mancher demokratischer Auflösungserscheinungen, schon aus der international-rechtlichen Ordnungsmacht des Staates in seiner Begründung als Subjekt des Völkerrechts. Dies aber steht einer „Staatlichkeit (auch) in staatsinternem Wettbewerb“ nicht entgegen. V.2. Norm- und Anordnungsgeltung staatlicher Entscheidungen ist Instrument der Marktordnung, nicht allgemeine Wettbewerbsschranke. Auch Konkurrenz erteilt „Befehle“. V.3. Innerstaatliche Hierarchie ist als solche organisatorisches Gegenprinzip zum Wettbewerb. Verwirklicht wird Hierarchie in den grundsätzlich strengen staatlichen Kompetenzordnungen. In rechtsstaatlicher Bestimmtheit sind dies Formen staatlicher Angebotserstellung, die aber nur für Teile der Staatsorganisation gelten und selbst dort den beschränkten Wettbewerb zwischen Beamten und Behörden nicht ausschließen. V.4. Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse (im Bundesgebiet, Art. 72 GG) gestattet, als Verfassungsvorgabe durchaus bedeutsam, innerstaatlichen Organwettbewerb, vor allem in föderalen und kommunalen Formen.
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V.5. Die staatliche Schiedsrichterrolle im Wettbewerb auf Märkten verlangt deren Akteuren gegenüber eine konkurrenzielle Neutralität; dies schließt aber wettbewerbliche Staatswillensbildung nicht aus, welche die erforderliche Marktordnung sicherstellt. V.6. Die Frage, ob das „Gemeinwohl“ – wie immer es verstanden werden mag – „besser in Wettbewerb“ verwirklicht wird, kann sich erst stellen, wenn die möglichen Wettbewerbsräume innerhalb der Staatsorganisation und im privaten Bereich der Konkurrenz bestimmt sind. VI. Fazit: Konkurrenz ist nicht (nur) außerstaatlicher verfassungsgeschützter Regelungsbereich, sondern zugleich ein Organisationsprinzip der Staatsgewalt und eine Handlungsform derselben. Wettbewerb als Verfassungsprinzip fasst diese beiden Verfassungsvorgaben zusammen.
E. I.1. Wettbewerb als Verfassungsprinzip ist ein Rechtsgrundsatz, der in dem Kontext der Wandlung der organisierten Gemeinschaftsordnung zu einem „Privaten Staat“ steht. Wettbewerb ist, als Regelungsgegenstand wie Organisationsprinzip der Staatsgewalt, eine Erscheinung, in der sich das öffentliche (Befehls-)Recht privater Gleichordnung in privatrechtlichen Formen (wieder) annähert, entsprechend deren Prototypik für die Rechtsordnung schlechthin. I.2. Dieser „Private Staat“ ist ein (Rück-)Weg aus Feudalismen in Demokratie, ad fontes Iuris, und zwar wesentlich in Demokratie. Er bedeutet Absage an staatsrechtlichen Autoritarismus, in „mehr Freiheit, Gleichheit und Selbstordnung der Bürger“ – wie es schon der Ursprungsdevise der Volksherrschaft entsprach. I.3. In Betrachtungen zu Entwicklungen einer „Privatisierung des Öffentlichen Rechts“, einer Vertrags- und Förderstaatlichkeit, wurden bereits vielfältige Wege aufgezeigt, auf denen diese neue Staatskonzeption weit und rasch in herkömmliche Strukturen der Anordnungsstaatlichkeit vordringt. Dies wird nun überformt durch die Erkenntnis des Wettbewerbs als eines privat(recht)konformen Verfassungsprinzips. II. Wettbewerb ist eine Erscheinung unter Gleichen – in Gleichordnung, wie dies dem Privatrecht wesentlich ist. Der privatrechtliche Prototyp Wettbewerb begrenzt grundrechtlich den Staatseinfluss und prägt zugleich organisationsrechtlich dessen Formen. In ihnen wird Konkurrenz auf Märkten marktkonform geordnet – eine zentrale Staatsaufgabe. Damit wird Demokratie aus einer Macht- zu einer Ordnungsform.
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„Mehr Wettbewerb“ außer- und innerhalb der Staatlichkeit ist eine staatliche Zielvorstellung – in Grenzen, die gerade und nur Konkurrenz sichern sollen. Wettbewerb als Verfassungsprinzip bedeutet Potenzierung einer Aktivbürgerschaft gegen drohenden Machtverfall des Staates. Dieses Staatsprinzip spricht eine „Staatlichkeit in fieri“ an – in Bewusstwerdung der Demokratie.
Sachwortverzeichnis Allgemeinheit 22 f., 157 ff. Armenpolizei 36 Aufklärung 32 f. Auswanderung(s)freiheit 138 f.
Direkte Demokratie 160 – als Wettbewerb 114 ff. Drittwirkung der Grundrechte 32, 39, 77 ff.
Beamtenrecht – und Wettbewerb 104 f., 152, 156 Begründungspflicht, rechtsstaatliche 60 Berufsfreiheit 49 ff., 76, 79, 84, 90 ff., 140, 157 Bundesrat 121 f. Bürokratie 146
Effizienz 17, 152, 157 Eigentum 20, 51 f., 55, 64 ff., 70 f., 98 Europäisches Recht siehe Gemeinschaftsrecht Existenzsicherung 72, 74
Daseinsvorsorge 115 Demokratie passim, insbesondere – Legitimation, demokratische 118 – Markt der Ideen 19 – und Marktwirtschaft 19 ff. – Mehrebenen 166 – Mehrheit 186 – und Politische Parteien 116 ff. – und „Privater Staat“ 160 ff., 167 – Rationalität 60 – als Staatsform, wettbewerbsoffen 105 ff. – Unabänderlichkeit 58 – Veränderbarkeit der Rechtsordnung 142 f. – Volksnähe 106 – Wahlen 106 f. – und Wettbewerb 33 f., 58 ff. – Wettbewerbstheorie, demokratische 40 ff. siehe auch Parteien, politische; Direkte Demokratie Dezisionismus 41
Feudalismus 161 ff. Föderalismus 119 ff. – Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse 155 f. – kompetitiver 119 f. – als Konkurrenzraum 120 f. Förderung, staatliche 95, 133, 164 Freiheit 46, 103 f., 137 f., 162, 167 – freiheitliches Menschenbild 58 – als Selbstzweck 57 – nach Tradition 89 Freizügigkeit 139 Funktion – Problematik des Begriffs 56 ff. Funktionale Selbstverwaltung 127 ff. Gemeinden siehe Kommunen Gemeinschaftsrecht 23 ff. Gemeinwohl 17, 22 f., 44, 113, 128, 136, 157 f. Genossenschaftsrecht 30 Geschäftsgeheimnisse 61, 132 Gesellschaftsrecht 12
Sachwortverzeichnis Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen siehe Kartellrecht Gesetzesvorbehalt 51 ff. Gesetzgebung – konkurrierende 153 Gewaltmonopol, staatliches 135, 138, 141 f. Gewerbefreiheit 34 f. Gleichheit 79 ff., 83 ff., 163 siehe auch Wettbewerbsgleichheit Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse 154 ff. Großprojekte, öffentliche 115 f. Grundpflichten 139 f. Grundrechte – Abwägung 76, 86 – Ausgestaltung durch Gesetz 51 ff. – und Demokratie 33 – Eingriff 51, 61, 94 ff. – Europäische 25 – Schranken, immanente 20 – staatliche Schutzpflichten 52, 73 – Wettbewerbsfreiheit 47 ff. siehe auch Drittwirkung Grundrechtsschutz durch Staatsgewalt 13 Hierarchie 151 ff. Induktion 108 Integrationstheorie 40 f. Intimsphäre 140 Joint Ventures 12 Kartellrecht 12, 14, 38 f., 41 f., 78, 84 ff., 145 Kommunalismus 123 ff., 126 Kommunen 123 ff. – Aufsicht 126 – „Hoheiten“ (kommunale) 115, 125 Konstitutionalismus 32 ff.
Konsulate 35 Korporationen siehe Zünfte Leistungsprinzip 104 Liberalismus 34 ff. Markt passim, insbesondere – Auswahl – Wahl 112 f. – Eröffnung von Märkten 90 ff. – Förderung, staatliche 95 ff. – „funktionierender“ 55 f. – Gewährleistungspflicht, staatliche 73, 96 ff. – als Institution 86 – als Macht 19, 59 – Marktordnung 146 f., 155 ff. – als Plebiszit 107 – als Selbstzweck 73 f. – und/oder Staat 13 – Unwiderstehlichkeit 15 – und Verfassung 34 – und Wettbewerb 16, 54 ff. – Zugang(sfreiheit) 75 ff., 81 ff. Marktwirtschaft 15 f., 18 ff., 39 Medien 130 ff. – Rundfunkanstalten 130 – Wettbewerb 130 ff. Mehrebenenstaatlichkeit 23, 121 Meinung 68, 110 Meinungsforschung 132 Meinungsfreiheit 110 ff. Minderheitenschutz 19 f. Missbrauchsverhütung 56 f. Monopol 76, 82 ff. – Parteienmonopol 118 f. – Staatsmonopole 91, 135 ff., 143 Nationalsozialismus 154 Öffentlichkeit 61 Öffentlichkeitsarbeit öffentlicher Träger 111, 133 ff.
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Sachwortverzeichnis
Parteien, politische 33, 38, 41 – Begriff 62, 69, 116 ff. – als Staatsorgane 116 ff. Persönlichkeitsentfaltung 50, 54 Privatautonomie 78 „Privater Staat“ 160 ff. – Begriff 160 ff. – aus Demokratie 160 f. – aus Privatrecht 161 Privatisierungen 14, 44, 90, 102, 133, 144 Privatrecht – und Öffentliches Recht 161, 164 ff. Prüfungswesen, öffentliches 104 f. Public Private Partnership 14 Rating-Agenturen 15 Rechtsprinzipien 59 Rechtsstaatlichkeit 140 ff., 153 Reine Rechtslehre 40, 151 Religionsfreiheit 57, 62, 68, 86 Repräsentationstheorien 114 Schwächerenschutz 21 f. Selbstverwaltung 129 Soziale Gewalten 39 Soziale Marktwirtschaft 22, 100 Sozialstaat 211 Sozialversicherung 36, 127 f. Staat als Wettbewerber 12 Staatsorgane – Bestellung durch Wahlen 112 f. Staatseinheit 147 ff. – in Demokratie 148 – nach Völkerrecht 148 f. Staatsgewalt 135 ff. – Akzeptanz 137 ff. Stabilisierung 60 f. Subsidiaritätsprinzip 25, 95 Subventionen – marktstützende 58
Toleranz 86 f. siehe auch Religionsfreiheit Tradition 89 Unlauterer Wettbewerb 37, 88 ff. Unternehmerische Freiheit 25, 54, 74 Vereinsfreiheit 83 Verfassung – Entwicklung und Wettbewerb 34 – nach Gesetz 23 f., 51 ff., 63 f. – immanente Schranken 66 – „materielle“ 37 f., 52 – „offene“ 151 – Verfassungsbegriff Wettbewerb 47 ff. – Verfassungseinheit 149 f. Vergaberecht 92 ff. Versicherungsrecht 36 Vertragsfreiheit 19, 48 f. Vertragsstaatlichkeit 19, 144, 164 Volkssouveränität 33 Wahlen 111 ff. Wahlrechtsgrundsätze 112 f. Wechselwirkungslehre 20 Werbung 28 Werte(gemeinschaft) 57, 104, 150 Wettbewerb passim, insbesondere – Begriff 71 ff. 151 – und Demokratie 40 ff., 58 ff. – Drittwirkung 74 ff. – Europarecht 23 ff. – und Existenzsicherung 72 – Förderung 45 – Funktionen 59 ff. – Funktionsbedingungen 54 ff. – Geschichte 27 ff. – Gesetzliche Regelungen 62 ff. – Grundrechtlicher Schutzbereich 67 ff. – Kernbereich 69
Sachwortverzeichnis – – – – – – – – –
als „Krieg“ 29 und Meinungsfreiheit 110 ff. und „Privater Staat“ 160 ff. Privates Handeln 11 Privates Wettbewerbsrecht 12 Schranken 74, 94 ff. Selbstzerstörung 66 f., 72 ff. und Sozialstaat 21 f. Verdrängungswettbewerb 67 ff., 71 ff., 89, 122 f., – wirtschaftlicher 64 ff., 103 – Zugang zum Markt 75 ff. siehe auch Grundrechte, Kartellrecht,
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Markt, Monopol, Unlauterer Wettbewerb, Wettbewerbsgleichheit Wettbewerbsfreiheit passim – als Grundrecht 47 ff. Wettbewerbsgleichheit 79 ff. – Chancengleichheit 82, 85 f. – und Marktzugang 81 ff. Widerstandsrecht 141 Wirtschaftsverfassungsrecht 37 Wohlfahrtsstaat 35 f. Zünfte 28, 30 f., 88, Zuständigkeitsordnung, staatliche 152