Theologia Viatorum: Band 1 1948/49 [Reprint 2020 ed.] 9783110835250, 9783110091830


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German Pages 251 [224] Year 1950

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Die Kirchliche Hochschule Berlin 1948 Sinn und Auftrag
Exegetische Randglossen zum I. Korintherbrief
Das Gleichnis von der selbstwachsenden Saat Mark. 4, 2 6 - 2 9
Justus Jonas und Erasmus
Der Missionsgedanke des jungen Wesley aal dem Hintergrunde seines Zeitalters
Das Wesen Gottes als Liebe
Existenz und Schuld
Antikes Erbgut im evangelischen Kirchenlied
Fragmente zur Frage der Gemeinschaft
Eschatologische Elemente in Rilkes Spätdichtung
Die Hieroglyphe Gottes Eine. Ranke-Betrachtung
Walthers Spruch auf den Magdeburger Hoftag Weihnachten 1199
Aus dem Leben der Kirchlichen Hochschule
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Theologia Viatorum: Band 1 1948/49 [Reprint 2020 ed.]
 9783110835250, 9783110091830

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T H E O L O G I A

V I A T O R U M

THEOLOGIA VIATORUM Jahrbuch der Kirchlichen

Hochschule

Berlin

1948/49

Herausgegeben im Auftrage

des

Dozentenkollegiums von

Dr. E r w i n

Reisner

W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. / B E R L I N vormals G. J. Göichen'ecbe Verlagshandlung / J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung / Georg Reimer / Karl J. Trübner / Veit & Comp.

Drude: H . W i g a n k o w , Berlin

VORWORT Ein Jahrbuch ist eine Art Rechenschaftsbericht. Das Jahrbuch einer theologischen Hochschule soll demnach Rechenschaft ablegen von der an ihr in Vergangenheit und Gegenwart geleisteten Arbeit, vor allem natürlich von der wissenschaftlichen Arbeit. Unter diesem Gesichtspunkt wollen die hier zusammengefaßten Abhandlungen verstanden und aufgenommen sein. Der Leser soll sich ein Bild machen von der Arbeitsweise und vom wissenschaftlichen Charakter der Dozenten, die mit Beiträgen aus ihren Fachgebieten an dem Gesamt werk beteiligt sind, so wie sie als Lehrer des gleichen Kollegiums vor der Studentenschaft stehen. Die Verschiedenartigkeit der einzelnen Aufsätze ist bedingt nicht allein dadurch, daß jeder Mitarbeiter ein Thema seiner Sonderdisziplin behandelt, sondern auch durch jene Lehrfreiheit, die uns evangelischen Theologen selbstverständlich erscheint und gar nichts zu tun hat mit einem die Wahrheit auflösenden Relativismus. Wir wissen oder wir sollten doch wissen, daß die Wahrheit, auf die es gerade uns ankommt, sich nicht in starre Formeln einfangen läßt; denn der Geist weht, wo er will und kann nicht auf eine bestimmte theologische Richtung festgelegt werden. Wir schwören weder auf die sogenannte dialektische Theologie noch auf irgend eine andere, sondern wissen uns nur dem Wort verpflichtet, das allerdings ein für allemal seinen Ausdruck gefunden hat in der göttlichen Offenbarung wie sie niedergelegt ist in der Heiligen Schrift beider Testamente. Nichts anderes als Bekräftigungen eben dieses Wissens sind auch die Bekenntnisse der Reformation und zuletzt das Zeugnis von Barmen. i Theologia Viatorum, der Titel, den dieses Jahrbuch trägt, soll die Kontinuität andeuten mit jenem Sammelband, der unter dem gleichen Titel noch während der Zeit des Kirchenkampfes von Dozenten der damals illegalen Kirchlichen Hochschule verfaßt und herausgegeben wurde. Viatores, Wanderer in einem ganz wörtlichen Sinn waren ja K l r c h l . Jahrbuch

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V

in jenen Jahren zwischen 1934 und 1941 die Dozenten und Studenten unserer Hochschule. Von einem Stadtteil Berlins in den anderen, von einem Haus in das andere mußten die Vorlesungen und Zusammenkünfte verlegt werden; ständig war man auf der Hut vor dem Zugriff der Geheimen Staatspolizei Himmlers. Seit dem Ende des Krieges ist das freilich ganz anders geworden. Heute kann die Hochschule als behördlich anerkannte Anstalt ihre Arbeit in aller Öffentlichkeit tun. Und doch sind wir in einem viel tieferen Sinn als ehedem noch immer viatores, Wanderer auf einer Straße, die nicht wir uns gebaut haben, die uns vielmehr gewiesen wird je und je. Wanderer im Hinblick nicht nur auf die Dinge des äußeren Lebens, sondern vor allem auch auf unser Lehren und Lernen, auf unsere Erkenntnisse und Einsichten, auf unsere Wissenschaft. Vielleicht unterscheidet sich die Theologie eben darin in erster Linie von den übrigen Wissenschaften, daß sie auch bei aller ihr geschenkten Gewißheit des Glaubens doch niemals jener Sicherheit sich erfreut, die eine strenge Methode oder ein planmäßig entworfenes System zu gewähren scheint. Ihr Standpunkt ist nicht ihr eigener, und jeden Schritt, den sie tut, muß sie sich erst zeigen lassen. Das wird uns nicht hochmütig machen den anderen Wissenschaften gegenüber, im Gegenteil; denn wie könnte Hochmut kommen gerade aus dem Bewußtsein der Bedürftigkeit. Der Theologe weiß sich jeden Augenblick mit seinem Wissen in Frage gestellt. Sein Weg führt auf und ab von freudiger Erkenntnis zum Scheitern und vom Scheitern zu freudiger Erkenntnis. Wir wollen nicht behaupten* daß alle in diesem Jahrbuch gesammelten Beiträge die qualitative Einzigartigkeit theologisch-wissenschaftlicher Arbeit gleich deutlich erkennen lassen, aber der Wille zur Klärung, das ehrliche Ringen nach einem Ausweg aus der Verworrenheit menschlicher Erkenntnissehnsucht tritt zweifellos überall in Erscheinung. Alles Weitere hängt nicht an uns, sondfern an dem, nach dem wir uns ausstrecken und unter dessen Wort wir uns stellen. Berlin, im Herbst 1948.

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Dr. Erwin Reisner dzt. Rektor.

Inhaltsverzeichnis SflU

Vorwort M a r t i n F i s c h e r , Die Kirchliche Hochschule Berlin 1948 Sinn und Auftrag H e r b e r t B r a u n , Exegetische Randglossen zum I. Korintherbrief... G ü n t h e r H ä r d e r , Das Gleichnis von der selbstwachsenden Saat Mark. 4, 26—29 W a l t e r D e l i u s , Justus Jonas und Erasmus M a r t i n S c h m i d t , Der Missionsgedanke des jungen Wesley aul dem Hintergrunde seines Zeitalters H e i n r i c h V o g e l , Das Wesen Gottes als Liebe E r w i n R e i s n e r , Existenz und Schuld H i l d e b r e c h t H o m m e l , Antikes Erbgut im evangelischen Kirchenlied ( R. G. Q u a a t z , Fragmente zur Frage der Gemeinschaft F r i t z D e h n , Eschatologische Elemente in Rilkes Spätdichtung.... K a r l K u p i s c h , Die Hieroglyphe Gottes, Eine Ranke-Betrachtung.. E r i c h H e n s c h e l , Walthers Spruch auf den Magdeburger Hoftag Weihnachten 1199 Aus dem Leben der Kirchlichen Hochschule

V 1 26 51 71 80 98 113 122 137 163 178 197 204

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Die Kirchliche Hochschule Berlin 1948 Sinn and Auftrag Vorlesung zur Eröffnung des Wintersemesters 1948/49 Von Martin Fischer I. „Vernunft ist ein vernehmendes Organ." H a m a n n hat gewußt, was dieser einfältige Satz vermochte gegen einen idealistischen Rationalismus ohne Glauben an Gott, den Schöpfer und Retter. E r hatte erkannt, wie leicht sich Wissenschaft aus „einer allgemeinen Wissenschaft des Möglichen in eine allgemeine Unwissenheit des Wirklichen" verwandelt. Hat aber die Theologie einen Gegenstand für ihre Erkenntnis, dem Wirklichkeit eignet ? Über Gott kann nur Gott Auskunft geben. Wir haben in Sachen Gottes nichts zu vernehmen, nicht mit Vernunft, nicht mit Herz und Seele, wenn nicht Gott uns sein Wort vernehmen lassen wollte. Hat er aber gesprochen, so sind wir gebunden an sein Wort. Gott wird es sich nicht bieten lassen, daß es überhört wird. Und dies sein Wort ist nicht Selbstoffenbarung Gottes im Sinne von bloßer Mitteilung über sein Wesen, sondern es schafft die Tatbestände, in denen er mit uns leben will. E r tötet mit seinem Wort den alten Menschen und läßt den neuen Menschen in diesem Wort nach seinem Willen leben. Seine Offenbarung schafft nicht nur Erkenntnis, sondern sie schafft eine neue Welt. Seine Offenbarung ist nicht nur ein noetisches Ereignis, sondern sie ist Werk und schöpferische Tat. E s ist Gott der Schöpfer, der an Weihnachten, der im Leben, ^terben und Auferstehen seines Sohnes sich seiner Welt erbarmt. Es ist der creator spiritus, der die Botschaft von Jesus Christus — und sie ist Gottes Wort und Tat in eins — in aller Welt gültig macht. Kirchl, Jahrbuch

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Und all unser theologisches Denken kann nur versuchen, den „großen Taten Gottes" (Act. 2 , 1 1 ) auf der Spur zu bleiben, sie nachzubuchstabieren, bis uns das demütige, tinendlich fröhliche Bekenntnis und Verständnis überkommt: „also mußte Christus leiden", „daher mußte er in allen Dingen seinen Brüdern gleich werden", „es geziemte Gott", „einen solchen Hohenpriester sollten wir haben" — und was der biblischen Worte für den verstehenden Glauben mehr sein mögen. Anbetendes Verstehen ist dabei nicht ein entbehrlicher Luxus, auch nicht nur verständlich zu machen als Theologenbedarf, so wie Max W e b e r die Theologie eine Priesternotwendigkeit nannte, sondern sie ist ein legitimes Mittel der Treue gegen Jesus Christus, gegen Gottes Wort und Offenbarung. Es wird in unserem Studium reichlich Gelegenheit geben, zu sehen und zu hören — zum Sehakt lockte Schlatter seine Studenten —, zu verstehen, im Verstehen anzubeten, im Anbeten zu erkennen, im Erkennen neu zu hören, im Hören die überschwengliche Herrlichkeit der Wahrheit Gottes zu erfahren. Die Schönheit dessen, was Gott uns zu vernehmen gegeben hat, die Herrlichkeit des Glanzes auf dem Angesichte Jesu Christi, ja sogar im Zeugnis seiner Boten, wird uns oft genug überwältigen. Aber Gottes Wort wird uns nicht nur betrachten, erkennen und anbeten lassen, sondern es wird in alle dem schöpferisch wirken, es wird hinrichten und doch aufrichten, es wird uns über dem Hören des göttlichen Wortes auch erfahren lassen, daß sein Gesetz tötet und neuschafft. E s gibt keine echte Erfahrung Christi ohne Erfahrung des Todesurteils über den Gottlosen. Es gibt keine Erfahrung des lebendigen Gottes ohne Erfahrung des Zomes Gottes über den Sünder. Es gibt kein Studium der Theologie, ohne daß erfahren werden müßte, wie tief, wie total dieses Todesurteil über uns Menschen gilt. Es gibt kein Theologiestudium, ohne die Erkenntnis: nondum — trotz aller versuchten Treue des Glaubens — nondum satis considerasti, quanti ponderis sit peccatum. Und es gibt kein Christenleben, in dem nicht an den Tag käme, daß mit den Sünden keine gemalten Sünden gemeint sind, sondern sehr konkrete, sehr entdeckbare, sehr persönliche Sünden, die wie Zeichen dastehen für unsere ungläubige, sündige Art. So sollte es kein Theologiestudium geben ohne das erschrockene Gewissen, das, indem es versteht, das Todesurteil versteht und dabei zu ermessen lernt, was in der Vergebung Gottes Gnadentat zum Leben bedeutet. 2. Liebe Kommilitonen, alle diese Sätze, die jedem biblischen und jedem reformatorischen Christen geläufig sein könnten, haben sehr konkrete Bedeutung für das Leben einer Kirchlichen Hochschule.

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Das Wort, mit dem wir umgehen und um dessentwillen wir so vielfältige Arbeit treiben, ist das Wort des lebendigen Gottes, dessen Augen über der Hochschule stehen wie über allem Land. Wir kommen nicht mit einer allfälligen Vermehrung unseres Wissens davon. Wir kommen mit unserem Studium in die Feuerlinie, in der es auch um uns selbst geht, weil es um die Ehre und Wahrheit, um den Zorn und die Gnade Gottes geht. E s geht deshalb in diesem Studium um unser Leben. Die alte Universität hat dies gewußt. Sie begnügte sich nicht mit der fach wissenschaftlichen vielseitigen Belehrung eines sozusagen noch gar nicht vorhandenen Menschen, sondern sie ehrte mit ihrer Arbeit den Willen Gottes, der den Menschen durch sein eigenes Wort allererst zum Leben müßte gerufen haben, wenn er zu einer gesunden Erkenntnis kommen wollte. Die alte Universität ist ein Kind dieses Verständnisses vom Worte Gottes und vom Menschen. Weil es ihr um die Ehre Gottes ging, durfte und konnte es ihr um den Menschen gehen. Weil es ihr um den Menschen als um das von Gott gerichtete und nun doch unbegreiflicherweise zum neuen Leben im Glauben gerufene Wesen ging, ging es ihr um das Universum. Weil der Vater Jesu Christi der Schöpfer aller Welt ist, j a weil sie in Jesus 6hristus, dem Kind von Weihnachten, den Schöpfer anbeteten, deshalb traten diese durch Glauben zum sachgemäßen Leben und Studieren frei gemachten Menschen mit zuversichtlicher Freude an das Werk universaler Forschung. Eine Kirchliche Hochschule hat es in diesem Glauben mit dem Wurzelgrund der alten, wie es scheint, heute fast hoffnungslos korrumpierten Universität zu tun. Obwohl und weil eine Kirchliche Hochschule zunächst in einer eigenartigen nüchternen Selbstbeschränkung auf die Aufgabe der Kirche, Diener am Wort zu erziehen, — verfaßt ist, wird sie wahrscheinlich eben um dieses Glaubens willen viel radikaler der im christlichen Glauben geforderten universitas verbunden sein, als es die heutige Universität ist. Für den, der Gott glaubt, ruft alle Schöpfung, ruft jeder Gegenstand der Forschung: „Gebt unserem Gott die E h r e ! " Für den hingegen, dem Gottes Wort stumm ist, werden alle Gegenstände der Forschung dämonisiert sein, und je ernsthafter sie an ein Studium binden, um so mehr werden sie besessen machen und die Einheit der Universität gefährden und schließlich ein unmenschliches Wesen mit den Rudimenten menschlicher Erkenntnis zu schmücken trachten. Es sind die glanzvollen Ergebnisse menschlicher Erkenntnis gewesen, die in den unmenschlichen medizinischen Versuchen an Menschen oder in den Schnellvergasungsstätten der Konzentrationslager angewandt wurden. Es soll auch hohe Musik der Klassik gewesen sein, die bei Exekutionen an Menschen durch Radio erschallen konnte. Sehr schnell kann aus den Ergebnissen fachl*

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wissenschaftlicher Arbeit im Kreis um die Wahrheit Gottes ein fürchterlicher Chor der Vernichtung entstehen um den inmitten des Grauens hoffnungslos preisgegebenen Menschen. In der Theologie aber geht es um diesen Menschen. So hat es Gott geordnet in seinem eigenen Wort. In diesem unserem Studium geht es um unser Leben. 3Und um unser Leben geht es dergestalt, daß wir — ehe wir eine menschliche Nähe zueinander genauer verwirklichen, können — schon immer zusammengeschlossen sind in einer Gemeinschaft. Wir sind zusammengeschlossen nicht nur in der Solidarität der Schuld an Gott und am Nächsten, sondern wir sind — Gott sei Lob und Dank! — auch schon zusammengeschlossen durch die Taufe in den Tod und in das Leben Jesu Christi. Wir sind, ehe wir in so unvollkommener Weise, wie es uns auf Erden zu gelingen pflegt, zueinander gefunden haben, zusammen geschlossen durch das, was Gott an uns getan hat. Die Botschaft ist nicht von ungefähr unser Bekenntnis geworden, sondern sie ist uns zugewendet in der Macht seines lebendigen Wortes. Keiner von uns wäre getauft, wenn nicht Gottes Wort diese Mächtigkeit bis zu uns hin gehabt hätte. Keiner von uns hätte sich auf das Studium der Theologie eingelassen, wenn ihn nicht Gottes Wort die lockende Macht der Wahrheit hätte spüren lassen. Es mögen sehr unzureichende Erkenntnisse und sehr bedenkliche Mißverständnisse gewesen sein, die uns in die Theologie geführt haben. Sie haben doch zu tun mit dem lebendigen Gott, dessen Zorn unser Tod ist und dessen Gnade unser Leben. Es ist nicht falsch, wenn wir uns als Theologen anreden und behaften bei unserem Christenstand, der in unserer Entscheidung für das Theologiestudium liegen sollte. Aber der Stand unserer Erkenntnis und etwaigen Heiligung wird uns nicht bewahren vor neuem vermehrten Erschrecken über die Tiefe des Todesurteils über uns. Und wir würden den wirklichen Gott verleugnen, wenn wir nicht mitten in unserem Theologiestudium zu tun hätten mit dem Zorn Gottes, der uns richtet, der uns tötet, und wenn es hier einen Komparativ gäbe, der uns jeden Tag noch tiefer tötet. ,,An mir und meinem Leben ist nichts auf dieser Erd; was Christus mir gegeben, das ist der Liebe wert". Wir werden dann ermessen, was es bedeutet, daß uns Gottes Gnadenwort, um das unsere theologische Arbeit kreist, zugesprochen wird. Der hat eine Kirchliche Hochschule nicht verstanden, der nicht nach den Gelegenheiten sucht, in denen uns Gottes Wort durch den Dienst der Brüder zugesprochen wird. Es wäre eine seltsame Theologenschaft, in der es nicht in diesem Sinn mutuum colloquium et consolatio fratrum gäbe. Es wäre ein seltsames Theologiestudium, in dem nicht über allem intellektuellen Bemühen Zeugen aus-

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zurufen hätten: lasset Euch versöhnen mit Gott! Dies Zeugnis wird immer wieder aufzudecken haben, wer wir sind. Unser mutuum colloquium bedeutet ja nicht so sehr das Auswägen der Meinungen und Urteile, das Studieren im „Gedächtnis der Kirche" ( B o n h ö f f e r), womit wir als Theologen ein gut Stück unserer Arbeit zuzubringen haben, sondern es bedeutet, daß der Zuspruch der Gnade Gottes bereit sein muß, damit keiner „die Verheißung versäume" (Hebr. 4,1). Das mutuum colloquium wird nicht nur in den herausgehobenen Zusammenkünften zu Wort und Gebet bestehen, sondern es wird auch ergehen in jedem bekennenden und helfenden Wort und in den begleitenden, hinweisenden Zeichen, es kann bestehen im Dienst der Freundschaft und Liebe, die ihrerseits vom durchhaltenden Worte Gottes herkommt. Nach dem Hebräerbrief (1,3) trägt „Christus alle Dinge mit seinem kräftigen Wort". Er tut dies auch durch den Dienst der Brüder, weil es unter dem Worte Gottes ohne das brüderliche gegenseitige Tragen und Halten nicht abgehen kann. 4In solchem Verständnis der christlichen Botschaft ist die Kirchliche Hochschule der kirchlichen Praxis eng verbunden. In der humanistischen Tradition ist diese Verbundenheit mit der Praxis nicht selten mehr als peinlich denn als notwendig angesehen worden. Der abgesonderte Bereich wissenschaftlicher Arbeit suchte seine Ehre in einem humanistischen Wahrheitsbegriff, in dem Wissenschaft als um so reiner galt, je weniger sie der Praxis verbunden war. Nun liegt es aber im Gegenstand der theologischen Forschung selbst, daß er nach Praxis verlangt. Es ist das Wort des lebendigen Gottes, der nach lebendigen Menschen sucht und dessen Wahrheit im Himmel und auf Erden und in jedem Augenblick bei allem, was lebt, gelten will. Keine Mehrung zeitloser Erkenntnisse ist in der Theologie gemeint, sondern die Mehrung der Erkenntnis Gottes, die sich eine Gemeinde auf Erden sammeln will. Wir geben mit solcher Erkenntnis dem ewigen Willen Gottes für unsere Zeit nach, und wir gehen seinem Heilsplan nach, wenn wir den praktischen Bezug aller Theologie verstehen und bejahen. Entweder ist jede theologische Disziplin ein Stück praktischer Theologie, oder aber eine besondere Disziplin der praktischen Theologie zeigt, welches Gefälle alle theologische Arbeit hat. Georg M e r z hat in einer schönen und eindringlichen Weise gezeigt, daß die ersten Diener am Wort Pastoren geworden sind, indem sie Gehilfen der Apostel wurden. „Der erste Anfang einer Erziehung zum kirchlichen Dienst weist auf Lebensgemeinschaft. Der Inhalt der Lehre aber, die einer solchen Gemeinschaft mitgeteilt wird, ist von jeher verstanden

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worden als Einführung in die Schrift, in das Wort des Herrn, in da; Sakrament, in das Gebet, kurzum in das, was man später den Katechis mus der Kirche nannte" 1 ). Eine Lehr-, Lern- und Arbeitsgemeinschafi waren die früheren Arbeitsstätten der Theologie2). Wollte die Theologie ein Mittel der Treue gegen den Herrn bleiben, so mußte es zu einer viel fältigen Entfaltung theologischer Forschung kommen, aber gesund blieb diese Forschung nur in der Lebensgemeinschaft derer, die mit ihr untei dem Kerygma Gottes in einher Gemeinschaft des Lebens, Forschens unc Lehrens verbunden waren. Und nicht nur das ist wissenschaftliche Ar beit, so hat es Georg M e r z in leisem Humor geschildert3), was dif Schweinslederbände der Archive und alle Fülle der Literatur durch arbeitet, sondern auch der frische Blick in die lebendige Kirche kann dei Wissenschaft dienen. Es ist die viva vox evangelii, der wir den Glauber danken, und dem Weitergehen dieser viva vox will unser Leben dienen Die Härte wissenschaftlicher Fragestellung und die redliche Methodik wissenschaftlicher Arbeit hat nicht nur da zu herrschen, wo wir es mit den Zeugnissen der Vergangenheit zu tun haben, sondern umfaßt auch den gegenwärtigen Stand und Dienst der Kirche. Der kritische Dienst den eine wachsame Theologie der Predigt und Lehre, dem Dogma und aller Tradition der Kirche zu leisten hat, ist nur möglich in entschlossenei Hinkehr zur Eigenart des Wahrheitsanspruches der Heiligen Schrift Die Kirchliche Hochschule hat — recht verstanden — die Aufgabe dem ursprünglichen Sinn theologischer Arbeit zur Geltung zu helfen Dieser Sinn muß sozusagen immer neu entdeckt, proklamiert und praktiziert werden. Als J ü 1 i c h e r von Adolf S c h l a t t e r sagte, er bilde sich nur ein, Wissenschaftler zu sein, wußte noch niemand, wie viel schneller Jülichers Lebenswerk zurückgetreten sein würde vor dem an der Schrift gesättigten und dem Leben der Gemeinde zugewendeter Denken und Forschen Schlatters. Es wird immer in der Theologie die besondere Gabe „reiner Gelehrsamkeit" geben. Aber auch sie behält ihre Gesundheit nur im Lebensbezug der Kirche, und Georg M e r z wird recht haben, wenn er die wissenschaftliche Bedeutung auch derjenigen theologischen Lehrer betont, die, etwa bei der Auslegung der Bibel, mit der Kenntnis der heute lebenden Gemeinde, ihrer Predigt und ihrer Leitung, ausgerüstet, sich an der Erforschung der Bibel beteiligen. G. M e r z , ,,Die Verantwortung der Kirche für die Ausbildung ihrer P i a r rer." München 1948. S. 12. s ) Wie sehr diese "Sicht dem ursprünglichen Verständnis der Universität zur Zeit der Reformation entspricht, hat Herbert Schöffler sehr eindringlich gemacht in seinem Buche: ,,Die Reformation." Bochum 1936. S. 24—89. Besonders klar tritt in diesem ungewöhnlichen Büchlein die Bedeutung der Hochschule für das öffentliche Leben und die werdende Evangelische Kirche hervor. 3 ) A. a. O. S. i8f.

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„Der zur theologischen Forschung und zur theologischen Lehre geschickte Theologe, der in der Arbeit an der Gemeinde steht, ist weniger als der Akademiker heimisch in Bibliotheken und Archiven, vermag aber dafür die Zusammenhänge des in der Kirche geübten Lebens, mit der sich in der Schrift, im Dogma, in der Geschichte der Kirche darstellenden Wirklichkeit zu erkennen und durchsichtig zu machen. Solche Kunst ist in den vergangenen zwei Jahrhunderten gegenüber der eigentümlichen literarischen Theologie gering geschätzt worden. Sie hat aber den gleichen Rang. Richtig geübt, vermag sie dem künftigen Prediger und Seelsorger schier noch mehr zu nützen, als eine einseitig literarisch begründete „Theologie" 1 ). Sobald diese Sätze freilich dahin mißverstanden würden, als dürfe sich ein Student der historisch-kritischen und der philologischen Arbeit entschlagen, um nur sogenannte „praktische Exegese" und dergleichen zu treiben, müßte die Theologie lim ihrer Sache willen widersprechen. Die Eigenart der Offenbarung Gottes fordert es, daß wir der Philologie verbunden bleiben. 5Theologie steht unter der Zucht der Wahrheitsfrage, aber es widerspricht diesem Satze nicht, wenn wir ein Theologiestudium ohne Einübung eines christlichen Gehorsams nicht für möglich halten. Es gehört zu Eigenart und Wesen einer Kirchlichen Hochschule, daß in ihr gemeinsam gearbeitet wird am Finden und Liebmachen einer gemeinsam bejahten O r d n u n g des Lebens und der Arbeit. Es ist charakteristisch für die Auflösung christlicher Theologie, daß nicht nur die liturgischen Formen in Verfall und die Bildung solcher Formen in Vergessenheit gerieten, sondern daß auch das Interesse an einer Kirchenordnung zurücktrat. Man hat die einseitige Vorherrschaft dogmatischer oder gar religionswissenschaftlicher Forschung mit der Ersetzung durch eine Frömmigkeitsgeschichte wettmachen wollen und damit die volle Auflösung der Theologie erreicht. Es sind aber nicht nur die Schrift als das Zeugnis der kirchengründenden Missionspredigt und die Bekenntnisse als Zeugnisse der Predigt unserer Väter zu studieren und theologisch zu verstehen, schon gar nicht sind diese Dokumente um ihres Frömmigkeitsgehaltes willen verbindlich, sondern es hätte immer gleichzeitig bedacht bleiben müssen, wie in solcher Predigt Gemeinde wird und sich in solchem Bekenntnis Kirche ordnet. Und es hätten zu den genannten Dokumenten immer hin^ugehört die schmählich vergessenen Kirchenordnungen, die längst nach lebendiger Erneuerung verlangten. Wo die theologische Arbeit nicht mehr in einer kirchlichen Lebensgemeinschaft ihre Heimat hat, wird diese Seite der Arbeit immer ungebührlich in den x)

A. a. O. S. 49.

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Hintergrund treten. Wo aber eine Hochschule sich mühevoll und gefährdet um gemeinsame Forschung, gemeinsamen Gehorsam, gemeinsames Gebet in guter, vor Gott und Menschen vertretbarer, Ordnung bemüht, da wird die humanistische oder hellenistische Beschränkung der theologischen Existenz überwunden werden. Und jeder Student, auch wenn er den Hintergrund dieser Frage noch nicht erkennt, wird vom Verständnis der theologischen Arbeit so oder so tief geprägt werden. Man könnte das Gesagte auch so ausdrücken: jede theologische Arbeitsgemeinschaft ist gefragt, ob sie sich als kirchlich verstehen kann und will. Nicht in dem Sinn, als hätte die theologische Arbeit die vom Mehrheitswillen ihrer Kirche gewünschte Theologie zu erbringen, wohl aber in dem Sinn, daß die Sache der Theologie keine andere und gewiß keine erhabenere Sache sein kann und will als die der Kirche, so daß die Theologie nur selbst als Funktion der Kirche verstanden werden kann. 6.

Das haben unsere evangelischen Studentengemeinden richtig verstanden und es ist ein Stück des Segens Gottes über der gegenwärtigen Kirche und ihrer theologischen Arbeitsgemeinschaft darin zu sehen, daß die Studentengemeinden nicht nur die Sache frommer Spezialisten oder theologischer Konsequenzmacher, sondern Kirche Jesu Christi an der Universität existierend darstellen. Der Name „Studentengemeinde" ist entstanden, als man der Christlichen Studentenvereinigung nach 1933 riet, sich dadurch das Leben zu erkaufen, daß sie sich nicht in gleicher Weise dem biblischen Gehorsam gebunden halten müßte wie die Gemeinde. Sie sei eine besondere Sammlung minderen Rechts und minderer Verpflichtungen, sie könne z. B. Nichtarier auf Wunsch der politisierten Universitätsbehörden aus ihren Reihen entfernen, was eine christliche Gemeinde freilich nicht dürfe. Die Entfernung der Nichtarier aus den Theologischen Fakultäten erschien- als unaufhaltbar. Daß aber die Nichtarier aus der Christlichen Studentenvereinigung nicht ausgeschlossen werden durften, machte aus der genannten Vereinigung ein Stück der Bekennenden Kirche und machte sie damit in größerer Einheit zur „Studentengemeinde". Ein Stück des theologischen Ertrages dieser und ähnlicher Kämpfe dürften die Theologischen Hochschulen sein mit der ihnen eigenen theologischen und akademischen Konzeption. Hier kann man sich nicht mehr von der Wissenschaft her, nicht mehr vom Staate her, nicht Von der Gesellschaft her, sondern nur noch von der Kirche Jesu Christi her in all diesen Beziehungen recht verstehen. Denn denen, denen das Todesurteil über den alten Menschen gesprochen ist, ist keine der genannten Instanzen noch eine entscheidende Autorität.

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7Taufe heißt Tod, Glauben heißt Sterben. Wer hier bei Namen gerufen wird, stirbt dem Gesetz und verleugnet sich selbst. Er ist zum Opfer für Christus geworden. Was Er gültig macht, gilt. Wir haben uns auf unseren Tod anzureden gegenseitig. Wer sich nicht mehr zu kennen hat, weil hier nichts mehr Kennenswertes ist, es sei denn das, was Gott schafft, der ist zum O p f e r geworden. Der Mensch, der zu einem Opfer seiner Gottlosigkeit geworden wäre, ist nun ein Kind Gottes geworden. Er hat nichts mehr, daß ihm Argument sein könnte, deshalb ist er in großer Freiheit zum Dienst bereit und, hat er sich zum Dienst gemeldet — und das hat ja wohl ein Theologiestudent —, so ist er sich selbst kein Argument mehr; so wird er zum Glied am Leibe Christi und so darf er dienen: „ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, daß ihr eure Leiber begebet zum Opfer, das da lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei, welches sei euer vernünftiger Gottesdienst" (Römer 13). Darauf, daß wir in solchem Sinne Opfer sind, müßten wir uns anreden dürfen. Nicht in dem sentimentalen Sinn, der um die Gelübde und Verzichte der Katholiken wittert, sondern in dem Sinne gesegneten Gehorsams, eines Gehorsams, der nichts Absonderliches tut, um höhere Stufen der Heiligkeit zu träumen und, wenn es um die Verwirklichung ginge, vor sich und anderen zu erschwindeln, nicht im Sinne des von Fleisch und Welt immer einmal wieder ersehnten „heiligmäßigen Lebens", in dem die eigene Heiligung sich zum Heiligmäßigen erhoben hätte, sondern im Sinne der Befeitschaft für Ruf und Befehl Gottes, jeder von uns, je an seinem Ort und in seinem Stand. Könnten wir so mit unserem Glauben und Gehorchen rechnen, so wären wir eine Gemeinschaft des Dienstes, auf die in Christus Verlaß wäre. So würde die Kirche, so würden die Gemeinden, so würde Wissenschaft und Welt Dienst erfahren, so würde eine Hochschule Stätte der werdenden Wunder Gottes, vielleicht tief verborgen im Widerspruch, im scheinbaren und wirklichen Abnehmen und Schwächen unserer Kräfte, in Wirklichkeit aber in der Reinigung unserer Art zum Dienst. Luther hat gelegentlich seine Studenten entlassen mit dem Hinweis, daß sie in Wittenberg geweiht seien zum Leiden. Er wollte mit ihrem Glaubensgehorsam rechnen können. Denn er mußte mit Kämpfen um des Evangeliums willen rechnen. „Mundus et Deus eius verbum Dei veri ferre non potest nec vult, Deus verus tacere nec vult nec potest, quid iam Ulis duobus Diis bellantibus, nisi tumultus fieret in toto mundo? . . . Sermo enim Dei venit mutaturus et innovaturus orbem, quoties venit 1 )." Wie sollten wir nicht heute ebenso damit rechnen, daß es für l

) L u t h e r : „De servo arbitrio" W. A. 628. 9

die, die hier Theologie studieren, Nöte und Widerstände geben wird ? Es wäre eine seltsame Hochschule des Wortes Gottes, die nicht mit antichristlichen Widerständen rechnete. Gottes Wort von innen oder außen das „Windlicht des Glaubens" bedrohte. Auch in diesem Sinne könnten die, die ihr Leben zum Opfer gegeben haben, im buchstäblichen Sinn „Opfer" werden. Wir meinen dies nicht in dem sentimentalen Sinn, als gälte es einen zukünftigen Märtyrer zu beweinen, sondern wir meinen es in dem Sinn, daß uns ein großer heller Raum aufgeschlossen ist, in dem wir verstehen dürfen, welches gewissen Gehorsams unser Glaube gewürdigt werden kann. Es steht nirgends geschrieben, daß unser Opfer überall und immer das M a r t y r i u m im landläufigen Sinn bedeute. Ob nicht das M a r t y r i u m in einer toten Kirche und trostlosen Theologie oft schwerer auf den Gläubigen gelegen hat als in Verfolgungszeiten bei gemeinsamer, getroster Gewißheit des Glaubens ? Der alternde Kähler schreibt 1902 an seinen Freund Bertheau: „Was unter uns sab sole vorgeht, erleichtert es, sich am Abend, und das Ende nahe zu sehen. Völkerwelt und Geistesströmungen sind gleich wenig anziehend und geeignet, einem Christen zur Anfechtung zu werden. Mir half es in dem Ärgernis an dem neueren Zuge der Theologen zurecht, demgegenüber, daß ich mich doch um der Schüler und um der Sache willen mit ihr abgeben muß, als mir klar wurde, es gehöre zum „Kreuz auf sich nehmen" in Christi Nachfolge, sich um seinetwillen mit ihr herumzuplagen" 1 ). Und vier Jahre vorher schreibt er: „Der Blick auf den Nachwuchs und und was seiner wartet, will mir recht schwer werden. Sie haben die gehaltenen Augen und den getrosten vordringenden Sinn der Jugend, und das sind auch Gottesgaben. Aber uns Alten wird es schwer, nicht zu fragen: wie soll es werden ? Die Flut steigt von fünf Jahren zu fünf Jahren, wie es scheint, unaufhaltsam, und ob die Deiche nicht schon bestenteils unterspült sind ? — Ist das die neue Völkerwanderung ? Und soll sich eine neue Welt aufbauen ? Es muß dann gewiß alles zu Trümmern gehen, was uns des Daseins wert schien, — mit einziger Ausnahme des Evangeliums, das nicht von geschichtlichenLagen und sozialen Formen abhängt. Vielleicht kann es erst wieder wirken, wenn es von der Verquickung mit der Kultur unserer Jahrhunderte, in der auch wir gebunden sind, gelöst ist. — In der Völkerwanderung hat Gott das Christentum in die Klöster gerettet; in Zukunft werden es wohl die Konventikel sein, die Stillen im Lande. Und die siebentausend wird er dann auch haben, wie er sie jetzt hat"'). Dies schreibt ein Mann in einer Zeit, in der von Martyrium nirgend etwas zu sehen ist und in der er belächelt worden wäre, wenn er davon gesprochen hätte. Aber ihn plagt eine Last, die schwerer gewesen sein mag als das, was wir im Kirchenkampf zu *) M a r t i n K ä h l e r , ! ) A. a. O. S. 343 f.

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Theologie und Christ. Berlin 1926.

S. 342.

tragen hatten. Vielleicht wird unser Opfer einmal sein, daß wir jahrelang Geduld brauchen, weil unser Predigtwort nicht Glauben weckt. Unser Opfer könnte darin bestehen, daß wir im Zwange unseres Auftrags nicht alle unsere Gaben entfalten können, weil wir einen bestimmten Dienst zu tun haben; es könnte darin bestehen, daß wir mit fast untragbaren Mitarbeitern belastet sind; es könnte darin bestehen, daß uns Kirche und Kirchenleitung zu tragen gäben; es könnte darin bestehen, daß wir unsere Wünsche stillen müssen, um die Forderung des Tages zu erfüllen. Gott wird jedem sein Kreuz zugedacht haben, und es muß uns genug sein, zu verstehen, daß Gott es ist, der uns dies Kreuz zudachte. Darauf wollen wir uns heute anreden, und so die Hände an den Pflug legen, so werden wir gehorsam, d. h. frisch tun, was vor Händen kommt (Pred. 9, 10). Nicht das reizt den Teufel, wenn es allerlei Menschen gibt, die sich mit ihrer Heiligung quälen. Ihre dürftigen Erfolge bekräftigen nur die peinlichen Unterschiede im Raum des Gesetzes. Aber das wird ihn reizen, wenn Menschen über sich Gott recht geben und seinem Lebenswort glauben. Es wijd ihn reizen, wenn Menschen dessen fröhlich werden. Er wird diese Theologie niederhalten und ihre Vertreter mit Allotria beschäftigen. Er wird mit List und Tücke ihren Aufbau und Dienst zu hindern suchen. Er weiß besser, als es sich hier aufzählen läßt, wo die Gefahren für sein Reich liegen. Wir werden damit zu rechnen haben, daß die Kirchliche Hochschule, falls sie in diesem Sinne taugliche Arbeit leistet, seine Feindschaft erfährt. Wir werden damit zu rechnen haben, daß wir ihm — falls wir uns auf diese Botschaft einlassen — «inige Anfechtungen wert werden. Mir scheint immer, daß wir diesen Widerstand erfahren haben in dem, wie man mit der Kirchlichen Hochschule umgesprungen ist, von ihrem Verbot am ersten Tage ihres Bestehens an bis zur Verhaftung ihres Dozenten 1941, von den bösen Gerüchten und dem konfessionell getarnten Kampf gegen die Hochschule an bis zur Verweigerung der den Studenten zustehenden Lebensmittelkarte, von den notvollen täglichen Lasten bis zu den inneren Gefährdungen unter uns selbst. Es galt und gilt, dem oft ganz unspürbaren und unsichtbaren Gott zu glauben und das Wort seiner Verheißung zur Zuflucht — refugium — im allerwörtlichsten Sinne zu machen. So wie der alte Bengel im Blick auf Gottes Wort seinem himmlischen Vater zu sagen wagte: „Vater, es bleibt bei der Abmachung." 8.

Daß wir im Schweiße unseres Angesichtes unsere Arbeit tun müssen, ist in dieser Welt nichts Sonderliches, sonderlich und überraschend ist das Geschenk, daß es mitten in solchen Mühsalen göttlichen Frieden, 11

anbetende Erkenntnis und einen rechten Feiertag geben kann vor dem Angesichte Gottes. Daß die kirchliche Hochschule einstweilen ein Notprodukt mit vielen fatalen Nöten ist ohne eigene Tradition, muß getragen werden. Daß wir die Eigenart unserer Arbeit noch kaum sicher erkennen und erst langsam den besonderen Stil der Arbeit entwickeln können, — vielleicht eher von den Studenten als von den Dozenten aus —, liegt daran, daß wir alle aus der Tradition der alten Universität kommen im guten und im fraglichen Sinn des Wortes. Es ist nicht leicht, dem heutigen Studenten nach dem Abbruch der geistigen Geschichte des Abendlandes, der über die breite Masse unseres Volkes ge-

kommen ist, zum Studieren zu verhelfen. Die wenigsten Professoren und Dozenten wissen heute, wie Wenig der durchschnittliche Student von seinen Darlegungen versteht. Es bedarf einer mühseligen Arbeit, bis das Vokabular gefunden ist, und bis sich zwei Generationen verständigt haben diesseits und jenseits des Grabens, der durch die geistige Wüste der letzten Jahre gerissen ist und der durch die Zerstörung der humanistischen Tradition verewigt werden soll. Dabei sind die wirtschaftlichen und menschlichen Nöte von einer Größe, die wir uns nur schwer untereinander eingestehen. Es ist eben nicht leicht zu'studieren, wenn man schon über das zweite Hemd glücklich sein muß, das den Wechsel der Kleidung erlaubt. Und es ist nicht leicht zu studieren, wenn man über Sonntag nach Hause fährt, tun für Frau und Kind Kartoffeln zu stoppeln. Oder wenn man in den Ferien als Packarbeiter arbeitet oder im Semester vor Tage Zeitungen austrägt. Es ist nicht leicht zu studieren, wenn man im Rücken des eigenen fröhlichen Arbeitswillens um die qualvollen Verhältnisse zu Hause weiß, wo der Vater — seit die Entnazifizierung zu seiner Entlassung willkommenen Anlaß bot — einen nutzlosen und ehrlosen Dienst tut, während die Mutter nunmehr das Geld verdienen soll. Es ist nicht leicht, Vater und Mutter in schwerer und ungewohnter körperlicher Arbeit zu wissen, und mit den abgesparten Groschen der Eltern an einem scheinbar viel leichteren Dienst zu stehen. Es sind nicht wenige unter uns, die nicht in die Vollverpflegung gegangen sind, um sich Marken zurückzubehalten, mit denen sie Eltern oder Frau und Kinder am Leben erhalten möchten. Dazu kommen die täglichen Nöte: der Kampf um ein Paar Schuhe, die elenden Behördenwege, die Überfüllung aller Räume, der ständige Mangel an Geld, an Büchern, an Papier, an vielen unentbehrlichen Dingen, Unterernährung und Übermüdung, die jahrelange Entwöhnimg in aller geistigen Arbeit. Sehe ich aber recht, so ist über dies alles kaum geklagt worden, und nicht einmal der Ton einer tiefsitzenden Bitterkeit ist laut geworden. Das liegt gewiß an der nüchternen Bereitschaft, das Gegebene, Fällige und Notwendige zu tun, es liegt aber auch — denke ich — an der getrosten Verzweiflung, zu der wir in Glauben und Geduld von Gott befreit werden. Vielleicht 12

kann man so den Älteren unter uns, die den Willen zum täglichen Gottesdienst bei den Studenten nicht erklären können, verständlich machen, daß ein weltlicher Realismus im Blick auf die Dinge, die nun einmal nicht zu ändern sind und bestanden werden müssen, zusammenfällt mit dem biblischen Realismus der Theologie, die wir hier suchen, und durch die ein heller Schein in unseren Herzen aufgegangen ist. 9Wir haben in diesen Ferien das Mitglied unseres Kuratoriums, den Professor D. Julius S c h n i e w i n d , begraben. Es ist selten am Grabe eines Lehrers so oft geschehen, daß sich Männer ihrer Tränen nicht erwehren konnten. Was hat so viele Christen und Theologen an das Zeugnis dieses Mannes gebunden ? Es war das Zeugnis einer wachsamen Theologie. Er selbst konnte nicht leicht an sich binden, denn er war von seinen Studenten und von seinen Kollegen fast gefürchtet. Es galt von ihm, wie von seinem Lehrer Kahler, daß man sich in seiner Umgebung zusammennehmen mußte. Aber sein Zeugnis band. In diesem Zeugnis geschah ein Kampf. Dieses Zeugnis wußte sich in dem Schlachtfeld zwischen Gott und Teufel. S c h n i e w i n d wandte sich an uns als an Menschen, die vor Gott ihr Leben verwirkt haben. E r wußte von Gott, indem er Gottes Gesetz zum Tode bezeugen mußte. Im Grunde hatte er uns alle in Verdacht, daß wir An tinomisten seien. Ihn ließ der Gedanke nicht los, daß in den Schäden der neueren Theologie und der landläufigen kirchlichen Praxis an den Tag käme: Sie fürchten Gott gar nicht! Wie wenn ihm diese Furcht die Kehle einschnürte, so kämpfte er — noch während des Sprechens — um die unnachgiebige, wachhaltende Wahrheit seines Zeugnisses und um die, die es hörten. Etwas Beschwörendes lag in seinem Zeugnis, und wer ihn in diesem Dienst liebgewonnen hat — quer durch das ungeschminkte und vielleicht unbequeme Wesen des Mannes hindurch —, der hatte an ihm einen Vater, Bruder und Freund. Mit solcher Botschaft hat er Widerstand gefunden. Wo die Kirche verfolgt wurde, da geschah es ihm auch. So trieb man ihn von Königsberg nach Kiel und von Kiel nach Halle. So setzte man ihn ab und kürzte ihm das Brot und suchte ihn in die Einsamkeit zu weisen. Mit dieser Botschaft häben wir ihn einen Opferdienst tun sehen. E r hat in seinem Doppelamt als Professor und Propst, das man dem 62jährigen auflud, seine Kräfte verzehrt. Es waren nicht nur die kalten Eisenbahnzüge, die ständigen Strapazen, der Mangel und die Feindschaft, die ihm zu schaffen machten. Sein Kampf um den Glaubensgehorsam der Kirche machte ihn erschöpft, machte ihn aber auch zum kindlich dankbaren Hörer des Wortes der Schrift und des oft so armseligen Bruderwortes seiner Schüler. Eine T h e o l o g i e d e s b i b l i s c h e n R e a l i s m u s konnte man von ihm lernen. Wenn er sich nach Sitzungen und 13

Konventen, in denen es um den Dienst an Menschen und an der Wahrheit ging, erschöpft niederlegen mußte, dann wußten wir, daß dies Leben gehütet werden mußte. Und es gehörte zum mutuum colloquium et consolatio fratrum, ihm wohlzutun, wie es für ihn umgekehrt dazu gehörte, uns mit manchem schroffen und warnenden, mit manchem anfeuernden und tröstenden Wort zu dienen. Seine Gebete erschienen uns oft allzu sachlich und allzu biblisch, wie ein unpersönliches Aneinanderreihen von Zitaten der Schrift. Zugleich aber wußten oder ahnten wir, daß in demselben Gebet lauter Namen, zuvörderst die Namen seiner Studenten, vorkamen, sowie es noch auf seinem Sterbebett lauter Namen waren, die ihn da beschäftigten. „Gehorchet euren Lehrern und folget ihnen. JDenn sie wachen über eure Seelen, als die da Rechenschaft dafür geben sollen; auf daß sie das mit Freuden tun und nicht mit Seufzen, denn das ist euch nicht gut" (Hebr. 13,17). 10. Von diesem Manne darf deshalb heute hier besonders die Rede sein, weil es seltsam leicht ist, nicht ihn, sondern die von Gott in sein Leben hineingetragene Gabe zu preisen. Es ist uns an der Kirchlichen Hochschule eine Stärkung gewesen, daß dieser Professor der Theologie die Hochschule lieb hatte und gern ihr Gast war. Als Bodelschwingh die Theologische Schule in Bethel gründete, da waren es Schlatter und Lütgert, die ihre Dienste zur Verfügung stellten, während viele Kollegen das Unternehmen mit empörtem Mißtrauen betrachteten. Der Präsident des Oberkirchenrates, Propst von der Goltz, nannte es eine Sabotage der Landeskirche, wenn sich ein Kind der Erweckung gerufen wußte, die zukünftige Ausbildung der Pfarrer zu bedenken: wie wenn es Fakultäten und Kirche hier an etwas hätten fehlen lassen! Als 1935 gegen die Deutschen Christen und die nationalsozialistische Verwüstung der Hochschulen in Berlin und Wuppertal kirchliche Hochschulen gegründet wurden, verstand man schon eher, was der 30jährige Bodelschwingh in seinem Pariser Pfarramt 1861 erstmalig erkannte, um es 1905 unbeirrt in die Tat umzusetzen. Und trotzdem blieben die Kirchlichen Hochschulen in einem sehr einsamen Gegenüber zu den staatlichen Fakultäten. Als 1938 die theologische Schule in Bethel — sie war durch Unverstand der Kirche nach wie vor nur von einem Verein getragen statt von der Kirche selbst — verboten wurde mit der ausdrücklichen Begründung, daß die Ausbildung der Theologen Sache des Staates sei, da erhob sich kein Fakultätentag und keine allgemeine Kirchensynode. Es gab Theologen, die im Grunde froh waren, die seltsam staatsfreie und vermeintlich prätentiöse Betheler Hochschule los zu sein. Aber Rudolf Alexander Schröder schickte Gedichte zu Stärkung und Trost, und man ging nach Jes. 26 in die Kammer, um zu warten, bis der Zorn

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Gottes draußen vorüber ginge. Und dann ging der Zorn Gottes vorüber. Gott, der uns dahingegeben hatte an den Staat unserer Sünden, holte alles vermiedene Leiden vielfältig wieder ein, schlug und rettete. Und als wir 1945 wieder beginnen konnten, da war es zunächst fraglich, ob um des Wortes Gottes willen neben den staatlichen Fakultäten eine Kirchliche Hochschule bestehen solle als besonderes Arbeitsmittel der Kirche. Es wurde aber begonnen. Die Dozenten, die 1941 alle im Gefängnis verschwunden waren, soweit sie nicht durch Militärdienst unschädlich gemacht worden waren, waren noch alle am Leben, wenn auch nicht alle mehr in Berlin. Junge Dozenten kamen dazu, und es begann der seltsam schwere, problematische und stürmische Aufbau der Kirchlichen Hochschule Berlin. Hier wäre wohl von Verdienst und Schuld zu sprechen. Es soll nicht ausführlich geschehen. Aber es soll auch nicht vergessen sein, wie die Brüder — Dehn, Härder, Vogel, Niesei und besonders Jahr und Tag Martin Albertz — im Gefängnis für ihren Auftrag an den jungen Theologen Glauben und Geduld bewährt haben. Wichtiger ist es nach dem Lehrbestand der Hochschule zu fragen. 11. Professor S c h n i e w i n d , dessen durchaus vorsichtiges und doch treues J a zur Hochschule viel bedeutet hat, kam nicht als Dozent zu uns. Er sah seinen Auftrag in seiner Fakultät, obwohl es ihn gelegentlich für seine alten Tage in den neuen Versuch seiner Freunde aus der Bekennenden Kirche hineinzog. Aber es gehört zum christlichen Gehorsam, daß jeder an seiner Stelle das Notwendige tut, es gehört zur auswahllosen Wahrheit der christlichen Botschaft, daß in ihr alle verbunden sein sollen, die an verschiedenem Ort und auf verschiedene Weise ihren Dienst tun. Es ist auch nicht so, daß die rechte biblische Botschaft an einer staatlichen Fakultät weniger und an einer Kirchlichen Hochschule mehr Verheißung hätte. Diese Botschaft hat niemand in dauernder Pacht. In ihr bleibt Gott über uns frei und schenkt Erkenntnis und Vollmacht, wem er will. Muß man daran erinnern, daß wir an der Kirchlichen Hochschule unser Lehren und Bezeugen richten lassen müssen ? Ist es doch schon menschlich gesehen am Tage, daß wir eine wohl wünschenswerte Einheit in dieser Botschaft vermissen lassen ? Aber das heißt nicht, daß wir nun klagen müßten, um nach einem besseren Bilde zu bauen. Weder die Fakultäten noch die Kirchliche Hochschule sind nach einem Bilde gebaut, dessen sich jemand rühmen könnte. Sie sind Versuche der Treue gegen den himmlischen Herrn. Sie leben vom Wort Gottes, oder sie leben eben nicht. Denn intellektueller oder frommer Betrieb sind noch nicht Zeichen des Lebens. Jede bußfertige Erkenntnis lehrt, daß Gott es ist, der uns zusammen bringt, und daß er es sein müßte, 15

wenn es denn zur Trennung käme. In keinem Programm sind wir gerechtfertigt. Kein altes Verdienst der Bekennenden Kirche schützt davor, verwerflich zu werden. Es gilt, des eigenen Auftrages und Weges gewiß, seinen Dienst zu tun. So ist es nach mancher anfänglichen Spannung zwischen den Fakultäten und der Kirchlichen Hochschule oft zu einem freundlichen Einvernehmen gekommen. Die Kirchliche Hochschule meint, einen notwendigen Dienst zu tun und weiß sich dem ursprünglichen Ansatz von Universität und Theologischer Fakultät im besonderen Sinne verpflichtet. Es ist wohl keiner von uns, der nicht gern einmal auch im Rahmen einer Fakultät darzustellen versuchte, was ihm in Forschung und Lehre als notwendig und möglich vorschwebt. 12. Es wäre wohl denkbar, daß man eine U n i v e r s i t ä t aus der Kirchlichen Hochschule hätte entstehen lassen. Wie oft sind wir von Nichttheologen darum gebeten worden! Aber wir haben den Eindruck, daß es dazu noch zu früh wäre. Die nur humanistisch gebildete Generation würde darin kirchliches Herrschgelüste und unerträglichen Dogmatismus vermuten. Es gehört freilich zu ihrer schwer erklärlichen Blindheit, daß sie einen viel weniger begründeten politischen, weltanschaulichen und. insbesondere humanistischen Dogmatismus eher für vereinbar mit der Wahrheit erklärt, und es ist schwer begreiflich, daß sie nach dem Terror im Dritten Reich die uns allen bis auf diesen Tag anhaftende willenlose Gedankenblässe für zureichend hält, die neuen fälligen Aufgaben zu erfüllen. Es gilt, die ursprüngliche Tradition der Universitäten wieder aufzunehmen, entgegen dem schier unaufhaltsamen Zerfall der ursprünglichen Einheit der universitas. Wir haben aber auch den Eindruck, daß eine aus einer Kirchlichen Hochschule entstehende Universität noch nicht verständlich machen könnte, daß sie evangelisch und also nicht thomistisch zu sein hätte. Und schließlich können wir ohne einen wirklichen Rückhalt an einer mitgehenden Bewegung der Kirche so lange keine großen Pläne fassen, so lange uns.schon zu dem spärlichen Dienst an den Theologen nur zögernd, wenn auch mit wachsendem Verständnis und vermehrter Liebe, Mittel gewährt werden. Unsere Kräfte sind klein, sehr klein. Der Mangel an Dozentennachwuchs drückt alle Ausbildungsstätten des Ostens und verurteilt zur Selbstbescheidung. Die freie Initiative dürfte den Universitäten in ihrer totalen Politisierung und Bürokratisierung der Verwaltung unmöglich gemacht sein. In einer erschütternden Weise stehen wir impotent vor dem Zerfall der Universität, der unsere Liebe gehört hat und noch gehört, in ein Bündel wirtschaftlich kaum noch zusammen gehaltener Fachhochschulen. Es bedurfte nicht der östlichen Bejahung solcher Fachhochschulen, um an

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den Tag zu bringen, daß wir selber längst in demselben Spital kiank waren. Es bedurfte nicht erst der politischen Knochenerweichung in der einst so ideal gesinnten Akademikerschaft, um aus der Arbeitsgemeinschaft der Dekane, des Senats, des Lehrkörpers den lebendigen Austausch in wehrhafter Männlichkeit und gemeinsamer Zuversicht seit langem mehr und mehr verschwinden zu lassen. Es gab kaum noch wirkliche wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft mehr, weil es keinen gemeinsamen Herrn der Wahrheit zu bekennen gab. Auch das geniale Werk des Organisators der Wissenschaft — ich meine das Werk Adolf von Harnacks — war mehr das Werk eines großen Einzelnen als das Ergebnis einer neuen Konzeption, und es ging dahin unter den Fußtritten totalitären Mißbrauchs der Wissenschaft — in derselben Zeit, als die Bekennende Kirche die Kirchliche Hochschule ins Leben rief. Wer will wissen, od wir alle unter den Trümmern einer alten Welt begraben werden ? Wer kann wissen, ob sich nicht die alte Universität viel schneller regenerieren läßt, als es jetzt oft scheint ? 13 Einer Kirchlichen Hochschule, deren Lehrkörper dem christlichen Glauben angehört, ist dabei für die gegenwärtige Lage eine besondere Aufgabe gegeben. In den weltpolitischen Spannungen, die Deutschland zerreissen und Berlin zu einer zerteilten Stadt machen wollen, welche als Hauptstadt weder dem Osten noch dem Westen wirklich in gleichzeitiger Führerstellung verbunden bleiben soll, hat die Kirchliche Hochschule die christlichen Gemeinden Berlins und der Ostzone zu bedenken und kann sich des Kontaktes mit der Evangelischen Kirche in Deutschland nicht begeben. Ihr liegt die Aufgabe ob, für die Gemeinden in Berlin und in der Zone und für die Kanzeln dieser Gemeinden die Prediger des Evangeliums zu bilden. Sie dient dem Evangelium, und das heißt, sie kann nicht ohne eine klare Nötigimg zu einer weltlichen Partei werden und nicht in dem Sinne Partei ergreifen, daß das menschliche Rühmen, auch nicht ein sehr begründetes und richtiges Rühmen, ihre Sache werden könnte. In der totalen Politisierung unseres Daseins, die den deutschen Aufgaben ihren sachlichen Ernst zu nehmen droht durch Inanspruchnahme aller Kräfte von ideologischen Postulaten, kann die Hochschule nicht in dem Sinn politisch existieren, daß sie den Menschen vergäße. Es kennzeichnet die dämonisierte Welt des Antichristen, daß in ihr nur kaufen oder verkaufen kann, wer das „Zeichen des Tieres" an sich trägt (Ofbg. Joh. 13). So geschah es im Dritten Reich. Dasselbe würde sich wiederholen, wenn es nicht mögüch wäre, unbezeichnet mit den gewünschten Zeichen das Evangelium zu verkündigen an alle Mühseligen und Beladenen, auch an die Schuldigen und Verirrten, auch an die in Klrcbl. Jthrbuch

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den Gefängnissen und Konzentrationslagern, ohne die unsere stolze verzweifelte Welt offenbar nicht auskommen kann. Dasselbe Antichristliche würde sich wiederholen, wenn die Hochschule in der Zulassung ihrer Studenten uneinsichtigen Parolen folgte, die weltanschauliche Voraussetzungen zur Bedingung des Dienstes am Wort machten. Wenn schon ein junger Theologe mit vielen offenen Fragen und vielleicht sehr unangebrachten vorzeitigen Fehlentscheidungen die Freiheit zum Studium der Theologie von seiner Kirche zugestanden bekommt, weil die Kirche der Macht des Wortes Gottes etwas z u t r a u e n soll, d a n n darf viel w e n i g e r eine politische V o r e n t s c h e i d u n g ideologischer Art zur Bedingung eines Studiums gemacht werden. Wie oft haben Studienbewerber erstaunt gefragt, ob es denn wahr sei, daß man hier nicht zu einer Partei gehören müsse. So sehr haben bisher alle Ideologieen die Schulen und Hochschulen zu Huren erniedrigt, daß Studenten es wie ein himmlisches Maß von Freiheit ansehen, im Raum der Kirche nicht zu politischen Zwangsglaubenssätzen gepreßt zu werden! Es ist nicht mehr das Normale, daß einem Studenten die Freiheit zugestanden wird, zu irren. In all diesen politischen Verkrampfungen ist der Studierende einfach glücklich, wenn er Frist bekommt, ungebunden zu lernen, sich zu orientieren, sich zu üben, ohne vorher auf die ungeduldigen Machtparolen schwören zu müssen. Hat denn niemand mehr den Mut, Studenten frei zu lassen ? Merkt man gar nicht, wie die besten Studenten die Angst der Mächtigen in ihrer ideologischen Propaganda erkennen, verstehen und hassen ? Den Raum sachgemäßer — und hier soll einmal gesagt werden: deutscher Freiheit, obwohl wir wissen, daß wir Deutschen keinen Grund mehr haben, das Wort Freiheit mit dem deutschen Namen zu verbinden — ich sage: diesen Raum sachgemäßer deutscher Freiheit wird eine Kirche ihren Studenten zubilligen müssen, wenn es ihr um den Gott der Wahrheit geht, der sich an die Mühseligen und die Beladenen, d. h. an die wirklichen Menschen wendet, und nicht an die unglückliche Auswahl so oder so einwandfrei uniformierter Menschen. Diese Aufgabe einer Hochschule stellen, heißt vielleicht heute schon die Quadratur des Zirkels verlangen, jedenfalls in unserer Stadt, die sich bemüht, im Ganzen Deutschlands zu denken, und die mit ihrem Willen zur Einheit jeder westlichen und jeder östlichen Parole Not machen muß. Wo aber den politischen Propagandisten diese Not gemacht wird, kommt es doch gleichzeitig den Menschen, wirklichen Menschen zugute, über deren Leiber und Seelen heute der Druck politischer Kolosse und die Giftströme der Presse geraten sind. Es ist die Frage, ob überhaupt noch sachliche Arbeit geschehen und ihre Ehre behalten soll. Es ist die Frage, ob es verantwortet werden kann, daß fällige Arbeit versäumt wird, durch deren Versäumnis vielen Menschen 18

weiteres Leid geschieht. Die Kirche wird konkret Recht Recht und Unrecht Unrecht nennen müssen, wie sie es im Dritten Reich versucht hat — und an diesem Versuch ist die alte Kirchliche Hochschule an ihrem Stück beteiligt gewesen —, aber sie wird nicht in weltanschaulicher Gefolgschaft, solange sie der gesamten Kirche in Deutschland verhaftet bleiben will, einen schönen reinen Tisch machen können, dessen sie sich dann beruhigt rühmen könnte. Sie wird in der Überlast erzwungener Fragen und Nöte allen zugetan sein, die nach Wahrheit fragen, und auch allen denen, die durch solidarische Versklavung in neue Schuld gefallen sind. Es kann ihr nicht gleichgültig sein, mit welchen Gründen an den überfüllten Universitäten des Westens und mit welchen sehr anderen Gründen im Osten Studenten vom Studium zurückgewiesen sind. Sie wird den Verstoßenen nahe sein müssen, aber sie wird in aller Konkretheit des getreuen Helfens, wo es ihres Amtes ist, nicht ein Programm aus ihrem Evangelium machen. Sie wird die, die sich ihres konsequenten Aktivismus rühmen wollen, gern zur nüchternen Arbeit rufen, in der in einer vergewaltigten Welt Menschen auch abseits ihrer Programme aufeinander hören dürfen und der fällige Dienst an vorhandenen Menschen statt an Parolen geschieht. Die Kirche ist ah Parteigänger unbrauchbar, aber sie kann zu dem Raum werden, in dem Vernunft und Verantwortung überwintern, wenn die politische Ausrichtung Vernunft und Verantwortimg zugrunde richtet. Sie wird die segnen, die der Wahrheit dienen, und sie wird allem Terror widerstehen, dem physischen und dem geistigen. Sie wird der Ächtung von Menschen widerstehen — es reicht, wenn Unrecht und Lüge geächtet werden. Und sie wird auch die Verächtlichen noch zu suchen haben. Sie predigt den Christus, der sich der Gottlosen erbarmt, nicht derer, die sich ihrer Vollkommenheit rühmen. Sie wird das Böse hassen und die Bösen suchen, bis Gott das Böse und die Bösen zugleich zunichte macht. Wer dürfte dieses sein Urteil vorausnehmen ? Wer bliebe dabei bestehen ? Diese Haltung wird das Gebet an der Hochschule prägen. Sie wird aber auch ihre Entscheidungen bestimmen, wenn sie nicht aus einer „bitteren Wurzel" (Hebr. 12) leben, sondern aus dem Frieden Gottes eine „friedsame Frucht der Gerechtigkeit" erbringen will. Vielleicht läßt es sich nicht umgehen, daß diese Entscheidungen denen der Parteien zum Verwechseln ähnlich sehen. Aber sie werden nicht zum ideologischen Rühmen geraten dürfen — darin läge kein Segen —, sondern sie werden in dem Gehorsam geschehen müssen, der zornig und bedächtig, entschlossen und demütig zugleich, das Gebotene tut. Gottes Wille zur Rettung von Menschen muß unvergessen bleiben, auch wenn es zu harten Kämpfen kommt. Denn Gott hat die Menschen lieb, wie sie tatsächlich sind, d. h. die Gottlosen. Das zerschlägt die Sicherheit der üblichen Propaganda. Es ist nicht schwer, Deutschland zu zerteilen, und jeden 2*

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Teil so zu uniformieren, daß daraus der Popanz wird, den die Propaganda braucht. Aber es ist schwer, den bekümmerten Menschen nahezu bleiben und sie nicht zu verlassen. Die christlichen Gemeinden und ihre Pfarrer können nicht auf der politischen Landkarte dahin wandern, wo stärkere christliche Reminiszenzen ein erträgliches kirchliches Dasein versprechen. Da, wo Menschen in schmerzhaften politischen und wirtschaftlichen Umschichtungsprozessen nach dem Worte Gottes fragen, gehört ihnen die doppelte Liebe der Kirche, auch wenn die Geduld Unmögliches zu tragen gezwungen würde. Der Dienst der Kirche wird da am dringendsten sein, wo ihr Verkündigen und Mittragen vor besonders notvollen und neuen Aufgaben steht. Wer will sagen, wo Gottes Wort heute seine entscheidenden Eroberungen machen will ? Wer will der Kirche ihre Aufgaben nach der Gunst der Parteien zuschieben ? Wo die Kirche nicht in solcher Freiheit und Offenheit j e d e r politischen Welt begegnet, erliegt sie den Psychosen des Augenblicks. Da ist sie „Welt" geworden und wird in ihrer Sentimentalität feige und unwahr. Es gibt eine Flucht, die erlaubt ist, aber man soll sich der dabei erworbenen Position nicht rühmen. Etwas Priesterliches und Hilfreiches muß über der Kirche liegen, diesseits und jenseits des Grabens, und für die Kirche in der unmöglichen Mittes,— genannt Berlin — noch einmal besonders! Was von der Kirche und einer Kirchlichen Hochschule gilt, dürfte in weitem Umfange auch von einer Universität gelten. Die ihr aufgetragene Frage nach der Wahrheit macht sie den wirklichen Menschen zugetan, den irrenden und bekümmerten. Die Universtät wird für den politischen Tageskampf weitgehend imbrauchbar sein und bleiben. Das muß noch nicht bedeuten, daß sie grundsätzlich die weiße Fahne der Neutralität zu tragen hätte, wo von ihr Rede und Antwort verlangt wird; aber das wird bedeuten, daß ihr um des Menschen willen und um der Wahrheit willen, die ü b e r uns bleibt und keines Menschen eigen wird, zugestanden werden muß, das Vorläufige und Naheliegende noch einmal zu bedenken und den Kampf des Tages der bewährten Erkenntnis und der Leidenschaft einer freien Wahrheit auszusetzen. So könnte die Leidenschaft politischen Kampfes geadelt werden. Es gibt eine feige Flucht vor der Tat. Es gibt aber auch eine feige Flucht vor der Hoheit der Wahrheit. An beidem sterben Menschen und Völker. Es wird nicht leicht sein, bei totaler Politisierung eine Universität und eine Gegenuniversität1) in der Würde und Kraft echter Forschung, gesunder Lehre und ehrenhafter *) Im November 1948 soll kritisch zur Humboldt-Universität Unter den Linden im Berliner Westen eine „Freie Universität" gegründet werden. Die erste liegt im russischen, die zweite im amerikanischen Sektor Berlins. Eine heftige Pressefehde hat die Eröffnung der neuen Universität zu einer hochpolitischen Angelegenheit gemacht. Gleichzeitig stellt die Beteiligung hüben und drüben die ihren Studenten verbundenen Dozenten vor schwere Fragen. Und welches ist das Verhältnis zu den

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Offenheit zu erhalten. Solange aber die Welt Gottes mit der hohen Schönheit alles dessen, was aus den Händen Gottes gekommen ist, Gegenstand unserer Forschung ist, wird jede Universität, die nicht nur bestellte Arbeit tut, zurückgewonnen werden können zu rechtem Dienst an der Wahrheit. Der Feind der Kirche, der Feind der Universität und der Feind der Menschheit ist die totale ideologische Politisierung aller Dinge. Es wird gelten, das Giftige zu entgiften, das Demütige zu bestärken, das Wahrhaftige zu segnen und den Bedrängten und Verfolgten einen Raum zur Verantwortung zu geben. An dieser Aufgabe hat auch die Universität ihren Teil. Die Kirche aber hat darin geradezu ihren Auftrag. An ihrer Botschaft kann sich reinigen, was die Welt sonst vernichten würde. Wird die Kirche aber darüber zum Ärgernis und wird sie über der Fürbitte oder über der Unbeirrbarkeit ihres sittlichen Urteils schließlich verfolgt, so erhebt sie ihr Haupt; denn wenn Verfolgung einsetzt, so ist dies ein Zeichen, daß die Mächte, die verfolgen, in die Agonie geraten. Dann wird das Ende absehbar. Bis zu diesem Ende gilt der Satz der Offenbarung 13, 10 „So jemand in das Gefängnis führt, der wird in das Gefängnis geführt; so jemand mit dem Schwert tötet, der muß mit dem Schwert getötet werden. Hier ist Geduld und Glaube der Heiligen". Die Wahrheit hat die Hoheit richterlicher Funktion, und etwas von dieser Hoheit liegt über denen, die der Wahrheit trauen. Was damit gesagt ist, wäre ein Ausweichen vor Entscheidungen, wenn es schon unmöglich genannt werden müßte, die in dieser Stadt versammelten Mächte und Menschen noch anzureden. Deshalb muß eine Kirchliche Hochschule darum kämpfen, in dieser Stadt der Vier-Mächte die Freiheit zu behalten, zukünftige Diener am Wort Gottes auszubilden für alle die Kanzeln, deren Besetzung den christlichen Gemeinden am Herzen liegt. Dies ist ihr erster Auftrag. 14Der über die Aufgaben einer Kirchlichen Hochschule hinausgehende Blick auf die Universität darf zurückstehen. Die Kirche wird in all der Not zunächst an ihren ursprünglichen Auftrag denken müssen und denken dürfen. Sie wird versuchen, neben der Arbeit an den Fakultäten auch an einer Kirchlichen Hochschule Diener am Worte Gottes zu nicht-Berliner Universitäten ? Ist es die Meinung im Berliner Westen, daß die alten Professoren in der Zone ihre Universitäten verlassen sollten, um in Berlin zu arbeiten, obwohl nur der kleinste Teil ihrer Studenten ihnen würde folgen können ? Ist die Folge für Studenten in Berlin-West, die sich dort zum Studium haben eintragen lassen — vielleicht nach vorheriger Zurückstellung in der Zone —, daß sie politisch untragbar erscheinen in der Zone ?

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bilden. W a s sich daraus für eine universitas literarum ergeben mag, befehlen wir Gott. Wir brauchen Zeit, und wir müssen, ehe die Fragen geklärt sind, das Notwendige tan. Wir werden es tun, jeder an seinem Platz. Schon ist ein lebendiger Austausch zwischen dem Lehrkörper von Fakultät und Hochschule im Gang. Die Theologischen Fakultäten des Westens haben uns großen Dienst geleistet, wenn sie uns die Professoren Zimmerli, Schlink, Rudolph und von R a d zum Dienste an der Kirchlichen Hochschule liehen, ebenso die Berliner Fakultät, der wir die Mitarbeit von Prof. Rost danken. Umgekehrt sind unsere Brüder Albertz und Vogel, Jannasch und Asmussen, Dehn und Martin Schmidt an Fakultäten der Universitäten tätig geworden. Die Tübinger Fakultät hat mit Recht darauf hingewiesen, daß auch sie ihr Amt und ihre Arbeit als kirchlichen Dienst verstünde und diesen Sachbezug nicht der Kirchlichen Hochschule als Reservat überlassen könne. Oft wird jedoch die Furcht vor einer kirchlichen Ordination der theologischen Lehrer geäußert, und es kommen Unterschiede im Verständnis an den Tag. So könnte man Zeichen genug nennen, wie sehr alle Beteiligten lernen müssen, den Gegenstand ihres Studiums, Gottes Selbstoffenbarung, wirklich sachgemäß die Grundlage ihrer Arbeit sein zu lassen. Darin muß auch eine echte Verbindung der verschiedenen Arbeitsinstitute möglich sein. Die Kirchliche Hochschule wird noch lange um ihr bloßes Lebensrecht zu kämpfen haben. Sie hat den revolutionären Augenblick des Jahres 1945 nicht dazu ausnutzen wollen, um sich durch politische Mächte ohne Rücksicht auf die bestehenden Theologischen Fakultäten Promotionsrecht und Professortitel und dergleichen geben zu lassen. Sie muß an den Tag bringen, was sie zu leisten vermag. Die überraschende literarische Fruchtbarkeit in den Zeiten ihrer Verfolgung und unter dem Druck vielfacher kirchlicher Verpflichtungen hat gezeigt, daß man den fruchtbaren Erkenntnissen nicht nur nahe ist bei emsiger Arbeit in vollständigen Büchereien. Und doch sind wir glücklich über die Selbstbescheidung, da sie der Lage entspricht. Die ganze jüngere Theologengeneration kann schwerlich die traditionellen Erfordernisse der Universität erfüllen. Gott hat diese Generation in eine andere Schale genommen. Was sie da gelernt hat, ist kaum weniger wichtig. Aber die Verbindung zur Wissenschaftsgeschichte muß erst mühselig hergestellt werden. Die Anerkennung dieser Verbindung schreitet fort. Die Verleihung der Würde von theologischen Ehrendoktoren an drei Dozenten der Kirchlichen Hochschule bedeutet Anzeichen für das werdende Verständnis dieses Tatbestandes. Einstweilen muß es genügen, daß die Kirchliche Hochschule manchem früher verfolgten und vergessenen Mann den Raum beglückender Entfaltung wissenschaftlichen oder künstlerischen Könnens, pädagogischer Weisheit und seelsorgerlicher Treue gewährt. Als Bethel entstand, hatte

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es Anlehnung an eine fromme Gemeinde, die, weil sie in ihrer Diakonie gehorsam war, nach Lehre fragte. Wuppertal hat Anlehnung gefunden an die Rheinische Mission und ist getragen von den Gemeinden des Wupper-* tales und der alten rheinischen Erweckung. Neuendettelsau lebt in der reichen Tradition der Anstalten, in befruchtender Arbeitsgemeinschaft mit seinem Pastoralkolleg und mit voller staats- und kirchenrechtlicher Anerkennung. Berlin steht fast beziehungslos da wie der Vogel auf dem Dach mitten in der weiten Stadt, die wie eine traditionslose Wüste inmitten des seit langem weithin unkirchlichen Ostens in eine spukhafte Leere hineingebaut zu sein scheint. Und doch hat Berlin in der Not' eines stürmischen Wachstums ein eigenes Gepräge finden müssen. Und doch sind es gerade Berlin und der Osten, die unserer Arbeit eine kräftige Spannung und eine lockende Aufgabe bedeuten. Die Großstadt hat uns nicht gefressen, der verbissene Kampf der Besatzungsmächte, das Spannungsfeld der weltstädtischen Interessenten und der fordernden Kirchenleitungen hat uns nicht zerrissen. Die kleine Zehlendorfer Siedlvmgsgemeinde hat uns Rückhalt geboten, und unsere schwache Hütte ist zu einem Treffpunkt unzähliger Menschen geworden. Die nicht abreißenden, alles immer wieder neu in-Fragestellenden, Nöte und Sorgen haben den Aufbau nicht zusammenhanglos geschehen lassen. Eine Arbeitsgemeinschaft ist entstanden, und das hier verkündigte, lebendige Wort wandte sich wie an die Dozenten und Studenten, so an die Angestellten und Mitarbeiter, und es ist kaum je geschehen, daß jemand von dannen gegangen wäre ohne Dankbarkeit und ohne die Empfindung fester Verbundenheit. Mit diesem gewagten, eigentlich ganz schutzlosen Unternehmen von Menschen und noch einmal Menschen und immer wieder Menschen hat uns Gott auf den Weg geschickt. Diese Menschen wurden zusammengeführt durch eine Erwartung, zu uns genötigt oft durch ganz konkrete Not, und im Raum solcher Erwartung war es nicht schwer, aktiv zu sein. Wir wurden des Klerikalismus bezichtigt, wie die Fakultäten des Säkularismus bezichtigt wurden. In Wirklichkeit bedingen sich Klerikalismus und Säkularismus gegenseitig, und es gilt, an beiden vorbei, ein freies und frommes Leben in einer Gemeinschaft des Forschens und Lehrens, des Hörens und Betens zu versuchen. 15Ein neues Semester kann man nicht anfangen ohne die Frage: Wißt ihr, wenn ihr nun an die Arbeit geht, was ihr tut ? Wißt ihr es, ihr Dozenten ? Habt ihr eine Lehre, die das J a Gottes über sich hat ? Ach, habt ihr auch nur eine Lehre, die in sich schlüssig, in sich klar, in sich sorgfältig gedacht ist ? Habt ihr alle notwendige Mühe darauf verwendet ? Dient ihr mit eurer Arbeit dem lebendigen Gott und schadet ihr dem nicht minder lebendigen Teufel ? Geht es in eurer Arbeit um Menschen

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und ihr Heil ? Wißt und behaltet ihr, daß auch die rein technischen Aufgaben wissenschaftlicher Kärrnerarbeit darin ihren Sinn haben ? Haben deshalb auch diese technischen Aufgaben ihre Ehre und ihren Ernst ? Entsteht unter uns — etwa in der jedem Dozenten anvertrauten Studentengruppe — die vielberufene Gemeinschaft der Lehrenden und der Lernenden ? Geht es um Menschen, indem es um das uns anvertraute Gut kirchlicher Erkenntnis geht ? Oder zusammengefaßt: geht es uns wirklich und wahrhaftig um die Wahrheit und die Ehre Gottes ? Noch stehen wir in Fakultäten und Hochschulen fast ratlos vor der pädagogischen Aufgabe, genug und übergenug in Atem gehalten durch unsere Arbeit am Stoff. Seltsam traditionslos bauen wir eine Gemeinschaftsarbeit zusammen, wohl wissend, daß es das Evangelium selbst ist, daß uns der Tradition der Kirche und der Universität fest verpflichtet. Wir bauen dies Neue obendrein in einer Zeit, in der die sorgsame brüderliche Kenntnisnahme des Ganzen und der Arbeit des Einzelnen zeitlich kaum bewerkstelligt werden kann. Gott hat uns in der Zeit der Illegalität vielfach behütet, und wir alle treten in den Raum, den Gott durch diesen Beginn gehorsamer Arbeit für zukünftige Dienste ausgespart hat. Glauben hält der Kirche den Raum frei für zukünftigen Dienst. Die irdischen Sicherungen einer intakten Tradition haben uns ständig gefehlt. Sie haben aber noch selten Zukunftsweisendes bedeutet. Aus großer Armut sind wir gekommen, und in großer Armut stecken wir mitten inne. Aber der Glaube fragt nach dem gegenwärtigen Willen Gottes und findet dadurch den nächsten Schritt. Laßt uns deshalb, liebe Kommilitonen, diesen nächsten Schritt auch dieses Semester versuchen, diesmal mit noch mehr — mit 400 — Studenten, ohne zureichende Mittel, und im Augenblick schicksalhafter Bewährung unseres Volkes und vieler Völker in Berlin und im deutschen Osten. Es ist zum Lachen, daß die Kirchliche Hochschule so weittragende neue Scnritte, wie die Errichtung ihres Studium Universale und die neue Erhöhimg ihrer Studentenzahl gerade wieder in einem Augenblick tun muß, in dem sie eigentlich aus Mangel an Mitteln die Arbeit einstellen müßte. Aber wir sind hineingenommen in eine höhere Notwendigkeit und haben zu gehorchen. E s muß ein Dienst geschehen, und wir wissen alle, wie handgreiflich notwendig er ist. Die meisten der anwesenden Studenten nehmen es wie ein Geschenk, wenn ihnen im Unterschied zu vielen unglücklichen Altersgenossen ein Studium vergönnt ist. Wir stehen nicht an einer selbstgesuchten Aufgabe und trauen unserem himmlischen Vater, daß er uns auf Wegen, die nicht aus unserer Willkür, sondern aus seiner Führung kommen, zu versorgen weiß. Wir wollen uns freuen, wenn wir das, was wir hier tuen, bald nicht mehr zu tun brauchen. Dabei sind wir dankbar für jeden Monat, den uns Gott arbeiten läßt. Und doch freuen wir 11ns, wenn unser Werk ein Ende hat, entweder weil es andere besser tun oder

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deshalb, weil der liebe jüngste Tag unseren Aufgaben ein Ende macht und weil dann Gott allein so lehrt, daß wir schauen dürfen, was wir geglaubt haben. Kommt her, des Königs Aufgebot, die seine Fahne fassen, daß freudig wir in Drang und Not sein Lob erschallen lassen. Er hat uns seiner Wahrheit Schatz zu wahren anvertraut. Für ihn wir treten auf den Platz, und wo's den Herzen grauet, zum König aufgeschauet. Ob auch der Feind mit großem Trutz und mancher List will stürmen wir haben Ruh und sichern Schutz durch seines Armes Schirmen. Wie Gott zu unsem Vätern trat auf ihr Gebet und Klagen, wird er, zu Spott dem feigen Rat, uns durch die Fluten tragen. Mit ihm wir wollens wagen. Er mache uns im Glauben kühn und in der Liebe reine. Er lasse Herz und Zunge glühn, zu wecken die Gemeine. Und ob auch unser Auge nicht in seinen Plan mag dringen: Er führt durch Dunkel uns zum Licht, läßt Schloß und Riegel springen. Des wollen wir fröhlich singen.

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Exegetische Randglossen zum I. Korintherbrlef Von

Herbert Braun I. Die aov heißen. Vgl. B l a ß - D e b r u n o w , Gramm, des ntl. Griech.' I, 1943, S. 222. Außerdem liegt ein Zeugma vor. — Vgl. ferner Apostelgesch. 9, 28. 2) Beachtlich ist, daß H a u p t sie schon aus Otfried belegt. Griech. Beispiele: Kg. Öd. 714 Ê H O Ô TE KDTKEÎVOU -rràpoc, 734 AÉXÇÛV K Ô T T Ô AcuAicrç, 761 dypoù; CTÇÉ T T É ^ A S Kal Î T T ! TTOIUVÎCOV vopdj.

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Für die von H a u p t und P a u l noch nicht belegte Versparung des Reflexivs gebe ich Frauenlist 14/. daz er behafte und sich verwurre in basen siten. Heidin IV, 1067! daz er mit triuwen neicte und sich mit dienste erzeicte. neigen kommt freilich auch intr. vor, aber seltener. Vgl. hierzu die Versparung des das Reflexiv umschreibenden iren Up S. 200. Die von H a u p t reichlich gesammelten mhd. Belege für Versparung des Possessivs will ich hier nicht vermehren. Als griech. Beispiel diene: Kg. öd. 934 dyaSa 8011015 TE Kai TTÖCTEI T Ü CKO, yuvai 417t. DPNPITRXF)5 MTPPÖS TE Kat TOÖ a o ö Trcrrpös . . . dpa. Das Personalpronomen scheint verspart zu sein M. v. C r a ö n I4i6f.: zeware des vorhte ich und sach mich umbe allenthaip. Doch ist der Text kaum in Ordnung. Sich umbesehen ist erst spät belegt, im klassischen Mhd. heißt sich umsehen nur umbesehen, mich läßt sich des Reimes wegen auch nicht zu vorhte ziehen. So lese ich zewäre des (er)vorhte ich und sach umbe allenthaip. Verspart ist es A c k e r m a n n VII, if. künde ich gefluchen, künde ich gescheiten, künde ich euch verpfeien. Das Prädikat ist verspart — was bisher noch nicht belegt war — Ackermann VI, 6 doch gelauben wir, kriecht kriecht, herre beleihe herre. Vielleicht ist ein Prädikatsteil verspart Wigalois452of., wo K apteyn liest: ein brücke was geslihtet, ein slegetor gerihtet, während in drei Hss. 4520 was fehlt, nur in zweien aber 452I 1 ). An Versparung der Flexionsendungen nenne ich YVernher Maria 3205f. so tumber, so alt noch so junger, Nibel. 1457,1 einen man küene und getriuwen, Gottfried 510 liep unde werden. Hier füge ich die bisher noch nicht beobachtete Versparung der Komparativbezeichnimg im Lateinischen an: Tacitus, Agricola 1 pronum magisque in aperto erat (es ging leichter und öffentlicher vor sich). Dagegen drückt sich Sallust bewußt anders aus: Jug. 80 facilius proniusque fuit und Jug. 5 illustria magis magisque in aperto. Noch nicht beobachtet ist ferner im Griechischen die Versparung der Partikel ccv und die der Negation. Kg. öd. 937 T^SOIO PIV — TTCOS 5'OUK S V ; — dox