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German Pages 511 [512] Year 2000
Theodor Fontane im literarischen Leben
W
Schriften der Theodor Fontane Gesellschaft Herausgegeben von
Luise Berg-Ehlers Helmuth Nürnberger Henry H. H. Remak
Band 3
Walter de Gruyter Berlin · New York 2000
Theodor Fontane im literarischen Leben Zeitungen und Zeitschriften, Verlage und Vereine
Dargestellt von
Roland Berbig unter Mitarbeit von
Bettina Hartz
Walter de Gruyter Berlin · New York 2000
® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
Die Deutsche Bibliothek
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CIP-Einheitsaufnahme
Berbig, Roland: Theodor Fontane im literarischen Leben : Zeitungen und Zeitschriften, Verlage und Vereine / dargest. von Roland Berbig. Unter Mitarb. von Bettina Hartz. — Berlin ; New York : de Gruyter, 2000 (Schriften der Theodor-Fontane-Gesellschaft ; Bd. 3) ISBN 3-11-016293-8
© Copyright 2000 by Walter de Gruyter G m b H Sc Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: Werner Hildebrand, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer G m b H , Berlin Einbandgestaltung: Sigurd Wendland, Berlin
Vorbemerkung Zur Gliederung und deren Begründung, Benuteerempfehlungen Der Begriff »Literarisches Leben« hat sich in der Literaturwissenschaft nicht durchgesetzt. Sein Gebrauch ist inflationär und dadurch unscharf. Er findet sich in den unterschiedlichsten Kontexten und deckt Sachverhalte ab, die an der Entstehung und Verbreitung von Literatur beteiligt sind und auf sie zurückwirken: Verlage, Buchhandel, Literaturkritik, Publikationsorgane aller Art, literarische Gruppen und Vereine, kulturelle und literaturpolitische Institutionen. Natürlich bezieht sich der Begriff auch auf den Autor selbst, dessen schriftstellerisches Verhalten unter den vorgefundenen und von jenem selbst geschaffenen Bedingungen er zu fassen sucht. Schon die Aufzählung legt das Bild von einem Netzwerk nahe, dessen einzelne Fäden nur Sinn im Zusammenhang mit den tausend anderen machen. Das gilt grundsätzlich — fur das Verständnis von Fontanes literarischem Weg gilt es elementar. Kaum ein Schriftsteller im 19. Jahrhundert — sieht man einmal von einem Autor wie Karl Gutzkow ab — bewegte sich in diesem Geflecht in vergleichbarer Vielgestaltigkeit, kaum einer hat es so zutreffend und einsichtsvoll reflektiert wie er. Wer Fontane in seinem komplizierten Lebens-, Bildungs- und Schriftstellerweg und seine eigenwillige Werkstruktur verstehen will, muß über die Kenntnis dieses Netzwerks verfugen. Die Darstellung will einen entscheidenden Beitrag dazu leisten. Mit seiner Hilfe soll es möglich werden, Orientierung zu geben in der schier unüberschaubaren Vielfalt wirkender Umstände, die sich hinter dem Begriff vom »literarischen Leben« verbergen. Dabei wird augenscheinlich, wie wechselseitig diese Beziehungen waren und wie notwendig es deshalb ist, nicht nur Einzelteile aus dem Komplex herauszugliedern und zu beschreiben, sondern den Gesamtzusammenhang präsent zu haben. Abzugrenzen ist dieses Vorgehen sowohl von einer literarischen Biographie als auch von der noch ausstehenden, aber sich mittlerweile in Arbeit befindlichen Bibliographie Fontanes. Verwertbare Bausteine indes werden zu beiden geliefert.
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Vorbemerkung
Ein Wort zum Aufbau des vorliegenden Buches, das in mancherlei Hinsicht einem Handbuch ähnelt, aber nicht mit dem parallel erscheinenden konkurriert. In vier umfassenden Einzelkapiteln werden die als wesentlich anzusehenden Faktoren des literarischen Lebens beschrieben: die Zeitungen und Zeitschriften, das Verlagsgeschäft sowie die Vereine und literarischkulturellen Institutionen. Fontane war zeitlebens in diese Welt eingebunden. Er hatte sich, einmal entschlossen, die schriftstellerische Laufbahn einzuschlagen, auf sie einzustellen. Das gelang ihm mit wechselndem Erfolg und trug in jedem Fall maßgeblich zu seinem Autorenprofil bei. Die vier Kapitel sind relativ streng gegliedert. Sie wollen nicht durch eine umständliche Gesamtdarstellung allgemeine Überblicke bieten, sondern auf gedrängtem Raum über Einzelphänomene berichten. So werden die Zeitungen, Zeitschriften und Verlage/Verleger systematisch geordnet und in einzelnen, für sich zu lesenden Abschnitten behandelt. Da mit einem Benutzer gerechnet wird, der nicht die lange Abhandlung sucht, sondern rasch und umstandslos unterrichtet sein will, sind die Abschnitte möglichst kurz gehalten und bilden kleinere kompakte Einheiten. Ob die Absicht, ein solches Verfahren nicht auf Kosten der guten Lesbarkeit gehen zu lassen, geglückt ist, darüber müssen die Leser entscheiden. In jedem Fall ist Sorge getragen, daß einerseits ein allgemeines Porträt entsteht und andererseits die jeweilige Spezifik, die sich aus dem Fontane-Bezug ergibt, zur Darstellung gelangt. Man erfährt demnach, was es mit einer Zeitung auf sich hatte, und wird zugleich darüber unterrichtet, in welcher Beziehung Fontane zu ihr stand. Das Profil der Verlage Fontanes und die Verlegerpersönlichkeiten stehen ebenso im Mittelpunkt wie der Überblick über die literarischen Arbeiten Fontanes im Kontext dieser Programme. Unter dem Stichwort Deutsche Schillerstiftung erfährt man sowohl etwas über diese Organisation als auch über die Rolle, die Fontane in ihr spielte. Diese doppelte Blickrichtung ist Programm, freilich kein leicht zu realisierendes. Die Welt, in die dieses Buch führen will, ist viel zu komplex, um vollständig porträtiert werden zu können. Es geht daher vorrangig um Korrespondenzen. Sie liefern vielgestaltige Handhabe, Fontane in den Zusammenhängen zu lesen, auf die hin er schrieb und aus denen er zu »Literaturgeschichte« wurde. Ein solches Vorgehen fügt sich in größere Forschungsvorhaben, wie beispielsweise das von Gerhart von Graevenitz geleitete DFGProjekt »Publizistische Kontexte realistischer Fiktionen«, und steht in methodischer Nähe zu Darstellungen, wie sie zuletzt von Rudolf Helmstetter entwickelt wurden. Im besten Sinn ist angestrebt, ein Arbeitsbuch zu bieten, das dazu einlädt, die vielen Verbindungen und Verknüpfungen zu verfolgen,
Zur Gliederung und deren Begründung, Benutzerempfehlung
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die Fontanes literarische Existenz geprägt haben. Der Doppelcharakter der Artikel behält zwar Fontane als Schwerpunkt, erweitert aber den gewünschten Leser- und Benutzerkreis durch den Einbezug darüberhinausgehender Sachverhalte. Zur Erleichterung der Benutzbarkeit sind den Einzelabschnitten Kurzcharakteristiken vorangestellt. Wie in einem Nachschlagewerk üblich liefern sie wesentliche Informationen, die in dem nachfolgenden Artikel mit unterschiedlicher Ausführlichkeit erläutert werden. Bei der Nennung der Texte Fontanes, die in der entsprechenden Zeitung oder Zeitschrift abgedruckt wurden, wäre Vollständigkeit das Ideal gewesen — hätte aber den zur Verfügung stehenden Platz gesprengt und bei einigen Organen seitenlange Titellisten nach sich gezogen. Das Ziel ist jedoch, dem Leser einen Überblick und rasche Orientierung zu bieten. Den Abschluß jedes Artikels bilden Literaturhinweise. Auch sie sind nicht auf Fontane beschränkt. Um häufige Wiederholungen grundlegender Literatur zu vermeiden, wird mit Siglen gearbeitet. Auf die Ungleichgewichtigkeit der Einzelkapitel ist hinzuweisen. Sie liegt auf der einen Seite in dem jeweils konkreten Gegenstand begründet — über die Kreu^itung ist eben eingehender zu referieren als über die Post. Auch kam bei einigen reichlich bislang unbekanntes Material zusammen, so daß diesem Zugewinn Rechnung getragen wurde (so z. B. zur Argo). Nicht immer leicht fiel die Entscheidung, wieviele Informationen aufzunehmen waren, denn so mancher Seitenpfad reizte zu Ausführlichkeit, so mancher oft gegangene Weg dagegen zu Abkürzungen. Für die eine oder andere hierdurch verursachte Disproportion ist daher um Nachsicht zu bitten. Auf der anderen Seite waren nicht alle Kenntnislücken, die sich auftaten, zufriedenstellend zu schließen. Dem Wunsch nach weiteren Informationen stand Pragmatismus gegenüber, der dem Gesamtvorhaben objektive Grenzen setzte. Hier lädt das Buch zur Weiterarbeit ein, nein — es fordert dazu heraus. Auf eine letzte, aber wichtige Besonderheit ist genauer einzugehen: die Abbildungen. Wer einmal den Versuch unternommen hat, sich die Vorabdrucke der Novellen und Romane Fontanes in den Zeitschriften anzusehen, hat einen Begriff von der Bedeutung, die diesem Text- und Bildumfeld zukommt. Es ist erstaunlich, wie wenig diese offensichtliche Tatsache in der Forschung bisher Berücksichtigung gefunden hat. Die vorliegende Darstellung bemüht sich, diesen Kontext möglichst anschaulich vorzuführen. So sind die meisten Titelseiten der Zeitungen und Zeitschriften wiedergegeben, in Einzelfällen wird der jeweilige Fontane-Text abgebildet. Der hierdurch gewonnenen Anschaulichkeit tut die nicht durchgängig gleich gute Qualität der Abbildungen keinen Abbruch, ergibt sich doch auf diese Weise ein klei-
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Vorbemerkung
nes Bildkapitel der literarischen Zeitungs- und Zeitschriftengeschichte im 19. Jahrhundert. Statt des gewöhnlich eher illustrativen Charakters von Abbildungen liegt der Akzent hier auf deren informativem Wert. Aber nicht nur der visuelle Rahmen, in den sich Fontanes Texte gestellt sahen, ist von Interesse. Mindestens ebenso aufschlußreich ist der textuale: In welche Gesellschaft geriet Fontane mit seinen Gedichten und Erzählungen, welche Autorinnen und Autoren waren um ihn versammelt, mit wem hat er sich — unmittelbar vor dem Auge der Leserinnen und Leser — zu messen? Wie fugte sich sein Text in den Großtext, den eine Zeitschrift oder Zeitung darstellt? Ähnliche Fragen lassen sich für die Verlagsbindungen stellen: Mit wem konkurrierte Fontane in den Verlagen, was kam zugleich mit seinen Büchern auf den Markt? Es ist beinahe unnötig zu sagen, daß die Antworten nicht in der Vollständigkeit gegeben werden können, wie es der Benutzer, einmal neugierig geworden, wünschen wird. Doch ist der Versuch gewagt, über die Minimalgrenze hinauszugehen und auch solche Informationen in die Darstellung der einzelnen Abschnitte mit aufzunehmen. Den Schluß des Bandes bilden verschiedene Register (Personen, Zeitungen, Zeitschriften, Vereine/Gruppen und Verlage), die die Gewähr bieten, daß das zusammengetragene Material miteinander verknüpft werden kann und der Benutzer die Zugänge für seine eigenen Fragen findet und kombiniert.
Dank Folgenden Institutionen ist für Hilfeleistungen und Unterstützung zu danken: Schiller-Nationalmuseum / Deutsches Literaturarchiv Goethe-Schiller-Archiv / Stiftung Weimarer Klassik Nationalbibliothek / Wien Theodor-Fontane-Archiv / Potsdam Theodor Fontane Gesellschaft / Neuruppin Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz / Berlin Stadtarchiv der Hansestadt Rostock Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin Folgenden Personen gilt unser Dank: Dr. Regina Dieterle Dr. Gotthard Erler Dr. Walter Hettche Henrik Hofer, M.A. Dr. Manfred Horlitz Prof. Dr. Charlotte Jolies Josefine Kitzbichler, M.A. Dr. Jochen Meyer Dr. Wolfgang Rasch Prof. Dr. Peter Wruck Dr. Wulf Wülfing Ein persönliches Wort des Dankes haben wir an Prof. Dr. Nürnberger zu richten, der das Vorhaben seit Beginn unterstützt hat und in der Endphase das Manuskript trotz Zeitdruck einer gründlichen und kritischen Lektüre unterzog. Bei Gesine Treptow bedanken wir uns für die verläßliche und tatkräftige Hilfsbereitschaft, mit der sie Korrektur las und als erste die Benutzbarkeit prüfte. Neben meiner Familie, für die Fontane längst etwas schwer Erträgliches geworden ist, möchte ich Bettina Hartz danken, deren Anteil an diesem Buch mit dem Wort »Mitarbeit« nur unzureichend beschrieben ist. Eine bessere Zusammenarbeit in Freundschaft und Freundlichkeit ist nicht zu denken. Roland Berbig
Inhaltsverzeichnis 1. Fontanes Beziehungen zu Zeitungen (Auswahl) 1.1 Berliner Figaro 1.2 Leipziger Tageblatt und Anzeiger 1.3 Zeitung für die elegante Welt 1.4 Berliner Zeitungs= Halle 1.5 Dresdner Zeitung 1.6 Deutsche Allgemeine Zeitung 1.7 [Cottas] Morgenblatt für gebildete Leser. 1.8 Deutsche Reform 1.9 Preußische (Adler-)Zeitung 1.10 Die Zeit 1.11 Preußische Zeitung 1.12 Neue Preußische (Kreuz-)Zeitung 1.13 Königlich privilegierte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen ( Vossische Zeitung) 1.14 Die Presse 1.15 Nationalzeitung 1.16 Allgemeine Preußische (Stern-JZeitung. 1.17 Berliner Fremden- und Anzeigeblatt 1.18 Berliner Tageblatt 1.19 Die Post 1.20 Einzelbeziehungen zu Tagesblättern 2. Fontanes Beziehungen zu Zeitschriften 2.1 Die Eisenbahn 2.2 Der Soldaten-Freund. 23 Deutsches Museum 2.4 Deutscher Musenalmanach 2.5 Deutsche Annalen zur Kenntnis der Gegenwart und Erinnerung an die Vergangenheit 2.6 Literarisches Centraiblatt für Deutschland 2.7 Argo 2.8 Deutsches Kunstblatt /Literatur-Blatt des Deutschen Kunstblattes 2.9 Illustrirtes Familienbuch zur Unterhaltung und Belehrung häuslicher Kreise
1 8 13 16 19 23 28 31 39 45 51 56 61 71 80 83 87 90 92 95 97 100 104 109 114 119 124 128 133 145 155
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Inhaltsverzeichnis
2.10 Volks Kalender. 2.11 Atlantis 2.12 Berliner Revue 2.13 Deutsche Jugendzeitung 2.14 Wochenblatt der Johanniter-Ordens-Balley Brandenburg. 2.15 Unser Vaterland 2.16 Westermann s Monatshefte 2.17 Europa 2.18 Die Gartenlaube 2.19 Daheim 2.20 Der Salon für Literatur, Kunst und Gesellschaft 2.21 Die Gegenwart 2.22 Deutsche Rundschau 2.23 Nord und Süd. 2.24 Über Land und Meer und Deutsche Romanbibliothek zu Ueber Land und Meer 2.25 Illustrine Frauen-Zeitung 2.26 Das neue Berlin 2.27 Zur guten Stunde 2.28 Deutsches Wochenblatt 2.29 Magazin für die Literatur des In- und Auslands 2.30 Die Gesellschaft 2.31 Deutschland 2.32 Freie Bühne für modernes Leben 2.33 Deutsche Dichtung 2.34 Cosmopolis 2.35 Pan 2.36 Vom Fels zum Meer 2.37 Universum 2.38 Die Zukunft 2.39 Der Bär. 2.40 Kunstwart 3. Fontane und der Buchhandel (Verlags- und Verlegerbeziehungen) 3.1 Frühe Verlagsbeziehungen 3.1.1 Moritz Katz 3.1.2 Adolf Wilhelm Hayn 3.1.3 Friedrich Wilhelm Ernst
158 161 164 167 170 176 180 188 191 199 206 211 222 234 243 250 255 258 263 266 273 278 286 289 295 300 306 311 315 320 326 332 335 336 340 342
Inhaltsverzeichnis
3.1.4 Otto Janke und J. Bachmann 3.1.5 Emil Ebner 3.1.6 Julius Springer 3.2 Fontanes Hauptverleger 3.2.1 Wilhelm Ludwig Hertz 3.2.2 Rudolf Ludwig von Decker 3.2.3 Friedrich Fontane 3.3 Kleinere bzw. vereinzelte Verlagsbindungen 3.3.1 Adolf Enslin 3.3.2 Salo Schottlaender 3.3.3 Wilhelm Friedrich 3.3.4 Carl Müller-Grote 3.3.5 Friedrich Wilhelm Steffens 3.3.6 Emil Dominik 4. Gruppierungen, Vereine, Institutionen und Geselligkeit 4.1 Lesecafes 4.2 Lenau-Klub bzw. - Verein 4.3 Platen-Klub 4.4 Herwegh-Kltib 4.5 Tunnel über der Spree 4.6 Pressepolitische Institutionen: Das Literarische Cabinet und die Centraisteile für Preßangelegenheiten 4.7 Rütli und Ellora 4.8 Berliner Zweigstelle der Deutschen Schillerstiftung 4.9 Babel 4.10 Lokalgeschichtliche Vereine (Mark Brandenburg, Berlin, Potsdam) 4.11 Verein Berliner Presse 4.12 Litterarische Gesellschaft 4.13 Freie Litterarische Gesellschaft 4.14 Die Zwanglosen 4.15 Andere Geselligkeits- und Bildungskreise
ΧΙΠ
346 349 350 354 355 365 373 383 383 385 389 394 398 401 405 408 410 411 413 416 423 426 434 441 443 451 454 457 459 462
Siglen und Abkürzungen
465
Verzeichnis der Abbildungen
471
Register
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1. Fontanes Beziehungen zu Zeitungen (Auswahl) Zeitungen gehörten zu Fontanes Leben wie die Luft zum Atmen. Er sei, schrieb Wilmont Haacke, »einer der ersten deutschen Ztgs-männer des 19. Jhs« gewesen, »die ihre gesamte Entwicklung zum vorwiegend sichtbaren Typ der journalistischen Persönlichkeit allein der Presse verdanken« (W. Haacke 1940, Sp. 1052). Seine Entwicklung als literarischer Autor vollzog sich in einem Zuge mit dem Heimischwerden in der sich rasch entfaltenden Welt der Presse im 19. Jahrhundert. Über Jahrzehnte war ein umfangreicher Teil seines brieflichen Verkehrs der Pflege der Beziehungen zu Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen gewidmet. Sein heute geflügeltes Wort, Zeitungen seien doch das Beste, gründete auf Erfahrungen, die ihre materielle, aber gleichermaßen ihre intellektuelle Seite hatten. Wer sich mit Fontane befaßt, muß sich bewußt halten, daß er es mit einem Autor zu tun hat, der alle Presse-Institutionen kennengelernt hatte und dessen literarische Arbeit zu großen Teilen aus diesen Beziehungen entstanden waren. Charlotte Jolies war wohl die erste, die diesem Tatbestand gerecht wurde, als sie Mitte der dreißiger Jahre Fontanes Journalismus gründlich untersuchte und seine EnglandErfahrung in das Licht rückte, in das sie gehört. Sie hat von »einer fast vierzigjährigen Vorbereitungszeit« (C. Jolies 1975, S. 98) Fontanes in publizistischen Tätigkeiten gesprochen. Diese erst habe den Romancier hervorgebracht, dessen Rang seine eigentliche Stellung in der deutschen Literatur ausmache. Das stimmt, könnte man mit Fontane sagen, und es stimmt nicht. Die scharfe Grenze zum Romanschriftsteller hin läßt sich nicht verläßlich ziehen. Fontanes literarische Welt erwuchs aus der journalistischen Welt, die sein Metier war. Egal, ob er Verse über den Hamburger Brand oder auf preußische Feldherrn dichtete, ob er über das Londoner Theater und die englische Presse schrieb oder ob er zahllose politische Artikel, Wanderungen-Aufsitze und literarische Anzeigen für die unterschiedlichsten Blätter verfaßte — oder eben, ob er sich Romane und Novellen für dieses oder jenes Publikationsorgan ausdachte: Immer ergab sich seine Schreibhaltung aus den Chancen und Bedingungen, diese Texte an die geeignete Öffentlichkeit zu bringen. In den
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1. Fontanes Beziehungen zu Zeitungen (Auswahl)
letzten Jahren hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß auch die »Vorbereitungszeit« vor den großen Romanen eine Zeit reifer Leistungen war — umstritten zwar, aber unbestritten in ihrer eigenen Bedeutung. Fontanes Schritt Ende der vierziger und zu Beginn der fünfziger Jahre in die sich rasch parteipolitisch differenzierende Publizistik, die in Berlin ihr Zentrum hatte, hat in der Forschung zu kontroversen Auffassungen geführt. Denn leicht hat es Fontane seiner urteilsfreudigen Nachwelt nicht gemacht. Das betrifft sowohl seine politische Orientierung, deren konservativ-reaktionäre Wende mittlerweile außer Zweifel steht, als auch die damit einhergehende Notwendigkeit, sein literarisches Werk aus dem journalistischen herzuleiten, also literarisches gleichermaßen als journalistisch-publizistisches Leben zu sichten. Der Lyriker Fontane suchte Hand in Hand mit dem Journalisten Fontane, der Feuilletons und politische Artikel schrieb, einen Publikationsraum, der finanzielle Sicherheit und soziale Gebundenheit garantierte. Dieser individualgeschichtliche Vorgang ging einher mit der Entstehung politischer Parteien in Preußen, mit deren Entwicklung einer eigenen Publizistik und dem Bestreben der Regierung, die auf das monarchische Prinzip gesetzt hatte, sich auf diese Splittungsvorgänge einzustellen. In seiner Zeit als preußischer Presseagent in London und als Mitarbeiter im literarischen Cabinet unterhielt Fontane Beziehungen zu diversen Zeitungen in Deutschland. Das gehörte zu seinen Pflichten, die ihm diese Stellung vorschrieb. Die Kontakte, die dabei zustande kamen, waren von ganz unterschiedlichem Gewicht, häufig lassen sie sich nicht mehr oder nur sehr unzulänglich nachweisen. Sie können nicht im einzelnen verfolgt werden. Gleiches gilt für kleinere Organe, die er mit Notizen u. ä. versorgte, von denen wahrscheinlich viele noch gar nicht identifiziert worden sind bzw. sich nicht mehr identifizieren lassen. Über das journalistische Arbeitsspektrum, das von Fontane in London zu absolvieren war, vermittelt ein Brief seines Vorgesetzten, Ludwig Metzel, einen guten Eindruck: Ich empfehle Ihnen nicht nur, sondern bitte Sie dringend: a) pünktlich alle 4 Wochen eine Arbeit an die Centraisteile aus dem Kreise der Gegenstände, welche Ihnen meine Instruction zuweist; b) viermal wöchentlich einen kleineren Artikel fur irgend eine Zeitung, sei es die »Vossische«, die »Zeit«, die »Minerva«, die »Westphälische« oder »Hartungsche Zeitung« und zwar am Montage, Mittwoch, Freitag und Sonntag - hierher zu senden. [•••]
3. Suchen Sie eine regelmäßige Verbindung mit irgend einem oder ein paar Blättern anzuknüpfen, von dort aus ohne meine Vermitdung u. pflegen Sie diese Verbindung dann sorgfältig. Auch wenn Sie nach Deutschland zurückkommen, wird Ihnen die
1. Fontanes Beziehungen zu Zeitungen (Auswahl)
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engere Verbindung mit einem Blatte immer erwünscht sein. Probiren Sie es gleich mit bedeutenden Blättern, wie die Augsb. Allg: Ztg - Schwäbischer Merkur - Breslauer oder Schlesische Ztg. (zit. n. C. Jolies 1983, S. 225)
Charlotte Jolies hat mit ihren ergiebigen Untersuchungen über Fontanes England-Aufenthalt den Blick gerade für die eminent wichtige Rolle geschärft, die sein reflektierender Umgang mit der englischen Presse für ihn bedeutete. Er habe sich in London geradezu auf Zeitungen und Zeitschriften gestürzt (vgl. C. Jolies 1975, S. 98) und sich dabei durchaus systematisierender Aneignungspraktiken bedient bzw. diese entwickelt. Die Artikelfolgen, die er zwischen 1856 und 1859 über die Londoner Presse verfaßte, hat er 1860 unter dem Titel Aus Ungland. Studien und Briefe über Londoner Theater, Kunst und Presse in Buchform herausgegeben — wohl nicht in Ermangelung anderer publizierbarer Texte, sondern weil er sie in hohem Maße aufschlußreich für den Charakter der literarischen Öffentlichkeit empfand. Sie sind es heute mit Blick auf ihren Verfasser. Diese Texte wurden im Rahmen der England-Publizistik wiederabgedruckt in NFA Bde. XVII, XVIII, XVIII a, XIX und XXII/3. Im Zentrum von Fontanes Zeitungsbeziehungen stehen ohne Zweifel die Berliner Presseorgane, allen voran die Kreu^eitung und die Vossische Zeitung. Hier veröffentlichte er den umfangreichsten Teil seines publizistischen und ζ. T. sogar seines literarisch-künstlerischen Werkes (von den Wanderungen bis zu Irrungen, Wirrungen). Hier referierte er Tages- und literarische Ereignisse, rezensierte neue Bücher und verfaßte über bald zwei Jahrzehnte die Kritiken der Auffuhrungen im Königlichen Schauspielhaus. Und hier traf er auch die wichtigsten Vertreter von Presse und Politik, verkehrte mit ihnen über lange Jahre gesellschaftlich, denn erst gegen Lebensende zog er sich von diesem Treiben zurück. Die Konstante, die sich aus seinem gerade im Alter wechselhaften, aber immer vehement und argumentationsreich vorgetragenen Urteil abzeichnet, spricht aus seinen Bemerkungen über die Berliner Presse, wie er sie am 5. Dezember 1891 gegenüber Paul Heyse äußerte: »Hier ist etwas los«, das [Gefühl] habe ich jetzt auch in Berlin. Ich lese die Zeitung mit Andacht eines Philisters, aber mit einer Gesinnung, die das Gegenteil von Philistertum ist. Es vergeht kein Tag, wo nicht aus diesem elenden Löschpapier etwas Hochpoetisches zu mir spräche: der Kaiser und Bismarck, die stille und dann auch wieder laute Kriegführung zwischen beiden, die Hofpredigerpartei, Kögel, Stoecker, Dryander, Bazillus-Koch, Goßler, 2 000 fremde Arzte, Große-Kurfürsten-Feier, Wißmann und Dampfschiffe auf dem Victoriasee - das alles macht mir das Herz höher schlagen, besonders wenn ich dabei an die 30er Jahre zurückdenke, wo ganz Berlin 14 Tage lang von einem Beckmannschen Witz lebte [...]. (BWFH, S. 211-212)
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1. Fontanes Beziehungen zu Zeitungen (Auswahl)
Beide Blätter müsse er, schrieb er am 23. November 1882 seinem Verleger Wilhelm Friedrich, »cajoliren, denn beide (wiewohl politisch ganz entgegengesetzt) umfassen mein allereigentlichstes Publikum« (FBI. H. 17 [1973], S. 46). Obgleich Fontanes Urteil über die hauptstädtische Journalistik schwankte, fiel es am Ende gnädig aus. Er wußte sie zu schätzen und war sich ihrer Ausstrahlungskraft über die Berliner Grenzen hinaus bewußt. Im Kern ist unsre Berliner Presse nicht schlecht«, resümierte er gegenüber dem Osterreicher Moritz Necker 1894, »vielleicht besser als irgend eine andre, weil sie noch ein Stück Selbständigkeit hat, aber die Fo/w-Überlegenheit der Wiener Presse ist unbestreitbar, und ich möchte beinahe annehmen, daß sich darin [Ludwig] Speidels Einfluß und Schule zeigt. Etwas wohl auch Spitzer. (HFA IV, 4, S. 340-341)
In diesem Zusammenhang muß Fontanes nach 1880 zunehmender Antisemitismus erwähnt werden, der sich auch auf die Presselandschaft und ihre Beurteilung erstreckte. Als sich in Frankreich 1898 die französischen Intellektuellen auf die Seite von Dreyfus stellten, sympathisierte Fontane von der Sache her zwar mit Dreyfus und Zola, Picquart und Labori, charakterisierte aber den ganzen Prozeß als eine »vollkommene Preßverschwörung«. Dabei verstieg er sich zu der ungeheuerlichen Behauptung, daß die »europäische Presse« eine »große Judenmacht sei, die es versucht hat, der gesammten Welt ihre Meinung aufzuzwingen« (an Georg Friedlaender, 15. März 1898. FaF, S. 430). Schon Ende der siebziger Jahre war Fontane so weit etabliert, um nicht mehr um jeden Artikel und dessen Abdruck feilschen zu müssen. Mehr als einmal findet sich in Briefen die Notiz, er sei noch einmal rasch auf die Redaktion gegangen, um einen Artikel zu notieren, der dann wenige Stunden später gedruckt vor dem Leser zur Begutachtung lag. »Ich bin zu lange >dabeit irrt! b«é QTZItríoié fcommtê SSaiftn 9?fin, foD bit 3u!unfe ant tin Ctutfóíanb fcdngm, SSífcrit, alíft ootn a(t(R $lu(f) une ηίφί, Da gilt t* πι tfieai* tint mi(bt £anb, Unb £nutfd)í>inbreítbeufí 5í»ut ltd) ¿frfpnCí«n, Da g i [fé tin ASmpf«n,'glifé tfnroutf>fgffiingtn, ®tnn flats btc Jrriljtit nut baé ORítírib [ρπφί, Dag Jcrifrnt i>mfd/ in jtbtm btutfdjtn 2anb. SBtnn ¿btrall tinfl t&rtSamttc caufdjtn, Stgrtfitungl — td ®otí — auf adra ©affta Unb (tin bfbtúdtfí 23«If um 9?«tung \d)ult, Unb oUcr Deten πιβφί fir grrn ΠΦ Dann mil aud) id) Mi 3n>«if»[ fui oittaufim, Unb to« fid) niU bucd>twg bfgtljïttn lafltit, Unb Affini bau'n «uf »eutfifclanb« SbilgMt. 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1.4 Berliner Erscheinungsort: Erscheinungsweise: Erscheinungsjahre: Herausgeber/Redaktion: von Fontane gedruckt:
Zeifuttgs=Halle
Berlin, Oberwallstraße 12 [November 1848: NeustadtEberswalde] täglich abends (außer sonntags) 1846-1849 gegründet und geleitet von Gustav Julius, daneben August Wolff Artikel Preußens Zukunfl, Das preußische Volk und seine Vertreter; Die Teilung Preußens, Einheit oder Freiheit [1848]
Die Zeitungs=Halle, entstanden aus einem Leseinstitut, war das erklärte Publikationsorgan des Centraiausschusses der Demokraten Deutschlands, der sich im August des Revolutionsjahres als dreiköpfiges Gremium für zahllose Vereine und Gruppen zusammengerauft hatte und dem Julius Fröbel, Gustav Rau und Hermann Kriege angehörten. Veit Valentin schreibt: Sein Ziel war, gegenüber dem >freiheitsfeindlichen< Parlament in Frankfurt und der reaktionären Zentralgewalt ein neues Parlament nach Berlin wählen zu lassen: >Das deutsche Volk muß nach Berlin als der Quelle seiner Zukunft sehenohne Organisation eine Revolution zu machen, ist gewissenlose (V. Valentin, S. 255, vgl. H. Fischer 1998, S. 173)
Immerhin geriet das Blatt damit in die unmittelbare Gesellschaft der Mannheimer Abendzeitung und der radikalsten Druckschrift der Zeit, der von Karl Marx geleiteten Neuen Rheinischen Zeitung. Ursprünglich war die Zeitungs—Halle Organ des ehemaligen Handelsministers und Leiters der 1772 gegründeten Preußischen Seehandlung, Christian von Rother, gewesen und hatte sich als Börsenblatt einiger Beliebtheit erfreut. Das Blatt hatte eine radikale Wendung vollzogen, die nicht ohne Mißtrauen bei Freund und Feind beobachtet worden war. Daß die Zeitung an ihrer Stellung keinen Zweifel aufkommen lassen wollte, bewies sie am 20. März 1848, als sie — im Gegensatz zu den anderen nur zögernd nach Begriffen suchenden Zeitungen — das umwälzende Ereignis »sprachlich mitkonstituiert[e] und damit zum diskursiven Ereignis« (W. Wülfing 1990, S. 58) machte. Die Schlagzeile lautete: »Revolution in Berlin«. Und ebenso wenig mißverständlich war die Losung, die man unter den Kopf des Titelblattes druckte: »Alles für das Volk, Alles durch das Volk«. In den Tagen nach dem 18. März, als die konservative Presse zeitweilig in der Ver-
1.4 Berliner Zeitungs-Halle
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Senkung verschwand, konnte sich die Zeitungs=Halle vor Aufsätzen und Artikeln kaum retten. Nach den Revolutionstagen sollen die Redaktion, einer Zeitungsmeldung Anfang April 1848 zufolge, zwischen 60 bis 70 größere Aufsätze erreicht haben (vgl. W. Wülfing 1990, S. 58). Varnhagen von Ense beobachtete die Zeitung mit Zustimmung und hielt zu ihrem Redakteur guten Kontakt. Hermann Kriege, den Fontane in Leipzig kennen- und schätzen gelernt hatte und der als »wahrer« Sozialist galt, saß nicht nur im Zentralausschuß, sondern auch im Vorstand des Blattes. Es ist wahrscheinlich, daß er es war, der die Vermittlung zwischen der Berliner Zeitungs=Halle und Fontane hergestellt hatte. Fontanes Artikel erschienen im Zeitraum vom 31. August bis zum 7. November 1848 (drei Tage bevor General Wrangeis Truppen Berlin besetzten) und standen an Schärfe der Tendenz des Blattes in nichts nach. Mit diesen Artikeln, die sich mit Preußens Rolle in den (erwarteten) Umwälzungen der Gegenwart befaßten, debütierte Fontane als politischer Journalist. Und er nahm Partei für ein Deutschland, dessen größtes Opfer Preußen durch seine Selbstauflösung zu bringen habe. Diese Auferstehung Deutschlands wird schwere Opfer kosten. Das schwerste unter allen bringt Preußen. Es stirbt. Jeder andere Staat kann und mag in Deutschland aufgehen; gerade Preußen muß darin untergehen. [...] Betrachte es sich als ein Mann und drücke es sich todesmutig die Speere ins Herz um der Größe des Vaterlandes willen. (HFA III/l, S. 9 u. 10)
In seinem letzten Artikel, für das Blatt vom 7. November 1848, plädierte er mit äußerster Entschiedenheit für »Freiheit« und formulierte apodiktisch: »Unsere Einheit ohne das gan^e Maß der Freiheit ist ein Unding«, der Freiheit sei jedes Opfer zu bringen - das sei »unverändert die Losung des Tages« (HFA III/l, S. 15 u. 16). Fontanes Position in diesem publizistischen Umfeld deckte sich mit einem Korrespondentenartikel aus Wien, der am 20. Oktober abgedruckt wurde und in dem der Ruf nach Freiheit gekoppelt war an das Vertrauen auf die neugegründeten politischen Rechtsgegebenheiten. »Und so wird es geschehen«, war da zu lesen, »daß die Tyrannei selber sich den Todesstoß giebt« (Zeitungs—Halle, 20. Oktober 1848, S. 1). Bei diesen Tönen wundert es nicht, daß die Zeitungs—Halle dann im Herbst 1848 zu den ersten Blättern gehörte, die verboten wurden. Es gelang ihr auch später nicht, sich erneut eine Existenz aufzubauen. Ohnedies hatte sie bereits in den Monaten zuvor, bei allem Erfolg, mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt. Die scharfe konservativ-reaktionäre Wende, die sich vollzog, entwurzelte sie gänzlich und nahm ihr jede Luft zum Atmen. Im Oktober tagte der demo-
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1. Fontanes Beziehungen zu Zeitungen (Auswahl)
kratische Kongreß zum zweiten Mal, und für Fröbel rückte Ludwig Bamberger nach. Auch das bedeutete eine Korrektur. Fontane fühlte im Alter wenig Veranlassung, sich über diese Verbindung näher auszusprechen. In seinen Erinnerungen Der Achtsghnte Mär% zeichnet er von sich das ironische Bild eines Apothekenangestellten, der seine Dienstherren entweder verlegen gestimmt oder aber sie in Furcht versetzt habe. Der Grund waren seine politischen Aktivitäten in den Märztagen und seine vier Zeitungsartikel, die in der Zeitungs=Halle gedruckt worden waren. Denn die schon herrschende Verlegenheit seinem Tun gegenüber habe sich in der Apothekenkollegenschaft noch vergrößert, »als in einem damals erscheinenden liberalen Blatte, das die Zeitungs—Halk hieß, ein paar mit meinem Namen unterzeichnete Artikel veröffentlicht wurden«, heißt es in Von Zwanzig bis Dreißig
( A F A II, S. 3 4 3 ) .
Diese frühe Phase der journalistischen Betriebsamkeit ist deshalb so außerordentlich wichtig, weil sie die publizistischen Belege für den rasanten politischen Kurswechsel liefert, von denen Fontanes Weg in den nächsten Jahren bestimmt wurde. Hubertus Fischer und Wulf Wülfing haben minutiös nachgewiesen, wie Fontane im Umfeld des Zeitungsblattes agierte und wie er ein halbes Jahrhundert später sich dieser Vergangenheit erinnerte (H. Fischer 1998). Bis heute hat er dabei mit der von ihm virtuos beherrschten Art und Weise, Wahrheit und Unwahrheit ineinander zu verschmelzen, für kontroverse Diskussionen innerhalb der Forschung gesorgt. Literatur ADOLF WOLFF, Berliner Revolutions-Chronik. Darstellung der Berliner Bewegungen im Jahre 1848 nach politischen, socialen und literarischen Beziehungen, Bd. 1, Berlin 1851 [Reprint Vaduz/Lichtenstein 1979]. - KURT KOSZYK, Deutsche Presse im 19. Jahrhundert. Teil II, Berlin 1966 [bes. S. 87-111]. - VEIT VALENTIN, Geschichte der deutschen Revolution von 1848-1849, 2. Band: Bis zum Ende der Volksbewegung von 1849, Köln, Berlin 1970. CHARLOTTE JOLLES, Fontane und die Politik. Ein Beitrag zur Wesensbestimmung Theodor Fontanes, Berlin, Weimar 1983 [bes. S. 48-67]. - WULF WÜLFING, Der Tunnel über der Spree im Revolutionsjahr 1848. Auf der Grundlage von T««»e/-Protokollen und unter besonderer Berücksichtigung Theodor Fontanes, in: FBI. H. 50 (1990), S. 46-84 [bes. S. 57-61]. - HUBERTUS FISCHER, Theodor Fontanes Achtzehnter Mär^. Neues zu einem alten Thema, in: FBI. H. 65/66 (1998), S. 163-187.
1.5 Dresdner Zeitung
23
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Dresdner Zeitung Nr. 268, 15. November 1849; im Zeitraum Mitte November 1849 bis Mai 1850 erschienen hier Fontanes Korrespondenzen aus Berlin
1.5 Dresdner Zeitung Erscheinungsort: Erscheinungsweise: Erscheinungsjahre:
Herausgeber/Redaktion: von Fontane gedruckt:
Dresden, Ostra-Allee und Stallgäßchen-Ecke Nr. 1 täglich (außer montags), später wöchentlich 1845 (als Dresdner Corresponden^ für Literatur und Tagesneuigkeiten), seit 1. Oktober 1848 Dresdner Zeitung ßr sächsische und allgemeine deutsche Zustände, seit 1. April 1849 Dresdner Zeitung. Wochenblatt der deutschen Fortschrittspartei in Sachsen [nicht ermittelt] politische Korrespondenzen [18. November 1849 bis 13. April 1850] [gez. mit: T.E:]
In Robert Binders Vereinigten Volksblättern für Sachsen und Thüringen erschien Ende 1849 eine Selbstdarstellung der Dresdner Zeitung, die ihre Situation während Fontanes Mitarbeit charakterisiert. Man sei in Gefahr gewesen, den Schlägen zu erliegen, die die Zeitung getroffen haben. Es sei der »Beharrlichkeit der Redaktion und der kräftigen Unterstützung gleichgesinnter Freunde« jedoch gelungen, das Blatt zu retten: Jetzt kämpft sie wieder mit erneuter Kraft für die Grundsätze der Demokratie. [...] Die Redaktion erkennt die Verpflichtung vollkommen an, die ihr das große Vertrauen der Gesinnungsgenossen auferlegt. Wie sie bisher nicht gewankt hat, so wird sie auch in Zukunft feststehen im Kampfe für Freiheit und Unabhängigkeit des Volkes, (zit. n. BWFW, Anhang: Anmerkungen, S. 216)
Zwischen November 1849 und Mai 1850 war Fontane Beiträger dieser radikal-demokratischen Zeitung der sächsischen Fortschrittspartei, die auf ihr Titelblatt unter den Zeitungsnamen den Wahlspruch setzen ließ: »Des Volkes Wille ist Gesetz«. Ihm oblag die Korrespondenz aus Berlin, seine Beiträge waren also rein politischer Natur. Vermittelt hatte sein Freund Wilhelm Wolfsohn, der ihm aus finanzieller und beruflicher Not helfen wollte. Unter dem 13. November 1849 schrieb er an Fontane: Die »Dresdener Zeitung«, ein demokratisches Blatt, braucht einen Korrespondenten in Berlin. Du sollst »hochwillkommen« sein. Du wirst jedem andern vorgezogen. Das Honorar ist bei der »Dr Z« freilich ein sehr geringes (12 Tl. für den Bogen) - es kann aber gelegentlich erhöht werden, und Du brauchst Dir's ja auch gar nicht sauer zu machen; Du schreibst frischweg. (BWFW, S. 81)
Die Dresdner Zeitung war eine Vormärzgründung. 1845 ins Leben gerufen, hatte sie sich zuerst Dresdner Corresponden^ für Uteratur und Tagesneuigkeiten
1.5 Dresdner Zeitung
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genannt, war dann am 1. Oktober 1848 in Dresdner Zeitung fir sächsische und allgemeine deutsche Zustände umbenannt worden, um ein dreiviertel Jahr später den nüchternen Namen anzunehmen, unter dem Fontanes Korrespondenzen erschienen: Dresdner Zeitung. Der Preis im Abonnement lag bei vierteljährlich 1 Taler, die einzelne Nummer kostete 1 Groschen. Fontane solle sich, heißt es in Wolfsohns Brief an dem (wohl zu scharfen) Ton nicht stoßen und schreiben »wie die Leute in der National^eitung, wo die Demokratie sich auch entschieden, aber anständig äußert« (BWFW, S. 81). Die »Dresdener Z« schlage ich nur einstweilen vor, weil Du da ¿/eich anfangen kannst und sich außerdem dabei manche augenblickliche Vorteile bieten, wie ζ. B. im Notfall Vorschüsse, schleunige Honorarzahlungen u. dgl., was ich alles hier leichter für Dich veranlassen kann. (BWFW, S. 81)
Fontane reagierte postwendend und vorbehaldos, ja, er legte auch gleich einen ersten Artikel — Preußen — ein Militär- oder Poli^eistaat? — bei (an W. Wolfsohn, 15. November 1849). Zwar behage ihm das In-Politik-Machen nicht, und die Summe sei gering, »indes es ist doch was« (ebenda, BWFW, S. 86). Er schien zu hoffen, daß die Anonymität, unter Zeichen gedruckt zu werden, ihn einigermaßen endaste. Obwohl er schon wenige Tage später erneut dem Freunde dankte, kam am 11. Dezember 1849 ein Artikel von der Zeitung zurück, mit der freundlich gehaltenen Klage, daß die Korrespondenzen von einem zu altpreußischen Standpunkt aus verfaßt seien. Für Fontane, der diese Auffassung verständlich fand, bedeutete das: »Mein Gehen mit der Dresdner Zeitung kann [...] nur ein flüchtiges sein« (an W. Wolfsohn, 11. Dezember 1849. BWFW, S. 90). Indes: ich werde Gelegenheit haben, nach wie vor auf die Polizei zu schimpfen und den augenblicklichen Kammer-Jammer zu bejammern. Aber die Entrüstung über unpreußische Handelsweise der jetzigen preußischen Machthaber wird nie so weit gehn, daß ich das Kind mit dem Bade ausschütte und wohl gar Land und Volk schmähe, aus Liebe zu dem ich überhaupt nur in Entrüstung geraten konnte. (BWFW, S. 90)
Zwar verfaßte Fontane noch einen Schub Artikel, doch am 3. Mai 1850 meldete er Wolfsohn den Abbruch der Korrespondenz unter Angabe von zwei Gründen: »einmal steh ich wirklich auf einem ganz andern Gebiet und mußte mir in vielen Fällen geradezu Zwang antun«, und überdies sei er wiederholt genötigt gewesen, sein Honorar umständlich einzutreiben (BWFW, S. 96-97). Hinsichtlich der politischen Seite war ihm also die Dresdner Zeitung zu radikal und zu preußen-distanziert, hinsichtlich der finanziellen zu knauserig. Geld benötigte Fontane zu dringend, als daß er Verzögerungen hätte hinnehmen können.
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1. Fontanes Beziehungen zu Zeitungen (Auswahl)
Nürnberger hat an Fontanes Artikeln für die Dresdner Zeitung hervorgehoben, daß es ihm hier möglich war, weit häufiger »seine literarischen und historischen Interessen einfließen zu lassen« (H. Nürnberger 1967, S. 152). Aus den Beiträgen, die Fontane für das Blatt verfaßte, ragen seine Äußerungen zum sogenannten Waldeck-Prozeß hervor. In diesem die Gemüter in Preußen bewegenden Vorgang war versucht worden, dem Führer der preußischen Demokraten, Leo Waldeck, ohne über hinlängliches Anklagematerial zu verfügen, einen Prozeß wegen Hochverrats zu machen. Fontane feierte das Scheitern dieses Versuches in seinem Artikel Waldeck ist frei! vom 3. Dezember 1849 mit der Wendung, »(m)an glaubt wieder an das Gute im Menschen [...] alles Hohe und Große der Menschennatur ist unsterblich wie die Menschheit selbst« (HFA III/l, S. 26 u. 27), betonte also das AllgemeinMenschliche, weniger das Unmittelbar-Politische. In der Sache blieb er dennoch deutlich. Deshalb sah er keinen Grund, wenige Tage später über den Wiedergeborenen Poli^eitstaat zu räsonnieren. Obwohl sich die Artikel kaum über die politische Zeitsemantik hinausbewegten, entging Freund Wolfsohn nicht deren individueller Zug, den er begrüßte (vgl. seinen Brief an Fontane vom 20. Februar 1851. BWFW, S. 110). Jolies hebt den stärkeren realpolitischen Blick des Korrespondenten hervor und lobt den nun schon erreichten »viel ausgeprägteren Zeitungsstil« (C. Jolies 1983, S. 72 und 73). Im Anhang ihrer Dissertation, der eine Übersicht der Zeitschriften- und Zeitungsartikel Fontanes zwischen 1839 und 1859/60 gibt, sind für die Dresdner Zeitung 29 Korrespondenzen aufgelistet (C. Jolies 1983, S. 239-240; 30, wenn der zurückgewiesene Artikel mitgezählt wird). Als Wolfsohn, zu der Zeit Mitherausgeber des Deutschen Museum, 1851 empört entdeckte, daß der Berlin-Korrespondent des Museum seine Artikel ein weiteres Mal verkauft hatte (noch dazu an den Ijeuchtturm, den der Konkurrent Ernst Keil, ehe er mit der Gartenlaube seinen großen Erfolg hatte, herausgab), empfahl er seinem Mitherausgeber, Robert E. Prutz, jenen Übeltäter gegen Fontane auszutauschen. Als Empfehlung, »daß Du ein gar guter polit. Korrespondent wärst«, legte er Fontanes Dresdner Korrespondenzen bei, fügte aber hinzu, daß Fontane für das Museum »dann natürlich Besseres« schreiben werde (20. Januar 1851. BWFW, S. 108). Wolfsohn war es auch, der Fontane, als dieser erwog, sich um Mitarbeit an Brockhaus' Gegenwart zu bemühen, an Carl Berend Lorck und dessen biographisches Lexikon Männer der Zeit weitervermittelte. Für dieses Lexikon noch lebender und wirkender Persönlichkeiten verfaßte Fontane Anfang der sechziger Jahre eine stattliche Anzahl von Artikeln.
1.5 Dresdner Zeitung
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Literatur CHARLOTTE JOLLES, Fontanes Mitarbeit an der Dresdner Zeitung in: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft V/1961, S. 345-375. - Der junge Fontane. Dichtung, Briefe, Publizistik, hg. von Helmut Richter, Berlin, Weimar 1969. - CHARLOTTE JOLLES, Fontane und die Politik. Ein Beitrag zur Wesensbestimmung Theodor Fontanes, Berlin, Weimar 1983 [bes. S. 68-74]. — Theodor Fontanes Briefwechsel mit Wilhelm Wolfsohn, hg. von Christa Schultze, Berlin, Weimar 1988.
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1. Fontanes Beziehungen zu Zeitungen (Auswahl)
gretteö. £ei*|ig. CU S'Urihi ni etfibtlaRgIi «litigli* taliiebat O»·l » Κ«φ·ΙΗβ|Ι 4 ϋφτ«ir(«Ι» g»««*"· «tel· far »«e Clírifl' jabr I '/M iti M ', tWn iem« 1frtt9Urtrv r.
19. Sîooember 1852. A· )«*3··.o.η» £|U*ter Hi •iflnttf, {¿mit ItT* tti «ireNHn Mrjff (Owrtrifr(a«τ. β); Qafmlnl4f(M»l fác laJIwAitjA • Sourit ub Ml. fxriWt ub l» Iflgc.
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Fontanes Beziehungen zum Morgenblatt gingen allerdings noch weiter zurück. Am 13. Oktober 1843 hatte die Nr. 245 der Zeitung seine Übersetzung des Gedichtes Eines Vaters Wehklage von John Prince abgedruckt, dem in den folgenden Jahren weitere, nun jedoch eigene Gedichte gefolgt waren, darunter auch einige der preußisch-märkischen Balladen, die ihm erste Bekanntheit bescherten. Der Pnwe-Nachdichtung — immerhin auf der Titelseite — war ein Motto vorangestellt, das von Herder stammte und lautete: »Ach, dein seliges Loos bewein' ich nicht; ich beweine,/Daß ich so fern dir bin, fern, o du seliges Kind!« Dem Gedicht folgte die Fortsetzung von Wilhelm von Chezys Geschichten aus Meister Hämmerlings heben und Denkwürdigkeiten.
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Daß Fontane auch den Versuch gewagt hatte, beim Morgenblatt mit Prosa unterzukommen, beweist ein Fund aus dem Jahr 1991. Jochen Meyer edierte aus dem Cotta-Archiv die kleine Erzählung Zwei Post-Stationen, die Fontane um 1845 oder sogar noch davor verfaßt und offenbar an Hermann Hauff gesandt hatte. Unterzeichnet war dieser von literarischen Anspielungen wimmelnde Texte mit dem Kürzel »O. W.«, das in Verbindung mit Wriezen an der Oder gebracht wurde und wenige Kilometer von Letschin entfernt liegt, wo Fontanes Vater lebte (H. Nürnberger 1998, S. 95). Die meisten seiner Texte waren anonym erschienen, so daß die überregionale Verbreitung, die das Morgenblatt hatte, nur bedingt die angestrebte literarische Anerkennung Fontanes beförderte. Und doch führte Fontane diese Gedichte ins Feld, als er Gustav Schwab, der in der Vorrede seiner 1847 veröffentlichten Fünf Bücher deutscher Lieder und Gedichte. Von Albrecht von Waller bis auf die neueste Zeit. Mustersammlung mit Rücksicht auf den Gebrauch in Schulen lobend auf Fontanes Preußenlieder verwiesen hatte, um Vermitdung bei der Herausgabe seiner poetischen Texte in dem renommierten Verlag bat. Schwab war, nachdem er einige Jahre fester Mitarbeiter am Morgenblatt gewesen war, Freund und poetischer Berater des Verlagsinhabers Georg von Cotta. »Cotta (das gelobte Land der Poëten, das die Meisten sehn, aber nicht erreichen dürfen)«, heißt es in Fontanes Brief vom 19. Oktober 1849, »ist mir natürlich vor allen durch den Sinn gegangen, und ich möchte hiemit die freilich leichter gethane, wie beantwortete Frage gegen Sie ausgesprochen haben, ob ich mit einiger Aussicht auf Erfolg, mein Manuskript an die genannte [Cotta] Verlagshandlung einsenden könnte?« (zit. n. L. Lohrer 1959, S. 445). Trotz Schwabs Fürsprache bei Cotta, übrigens mit Zitat der Fontaneschen Wendung von Cotta als dem gelobten Land der Poeten, fand Fontane mit seinen Gedichten nicht Aufnahme in den erlauchten Kreis der Cotta-Poeten (siehe dazu den Abschnitt zum Verleger Georg von Cotta und zur Edition der Gedichte Fontanes). Verständlich war Fontanes nachdrücklicher Wunsch, Hausautor bei Cotta zu werden, allemal. Sowohl das Morgenblatt als auch die Verlagsbuchhandlung hatten es verstanden, aufbauend auf dem Ruf, Goethe- und Klassiker-Verlag zu sein, auch unter Georg von Cotta, dem Sohn Johann Friedrich Cottas, den buchhändlerischen Erfolg im 19. Jahrhundert fortzusetzen. Das Morgenblatt hatte dabei eine selbständige Rolle gespielt und war zum gewichtigen Faktor in der Marktstrategie des Verlages geworden. Nach dem frühen Tode Wilhelm Hauffs, der in sich den Poeten und den Redakteur vereint hatte, hatte sein Bruder Hermann 1828 die Redaktion der Zeitung übernommen und verwaltete dieses Amt bis zu seinem Tode 1865. Mit diesem Jahrgang ließ
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1. Fontanes Beziehungen zu Zeitungen (Auswahl)
Carl von Cotta, der erkannte, daß mit der Ära des langjährigen Redakteurs auch die Zeit des Blattes selbst vorbei war, das Morgenblatt enden. Hauff, eher unscheinbar und jede Form von Öffentlichkeit scheuend, hatte ein Leben im Schatten seines berühmten Bruders, der in den literarischen Kanon des Jahrhunderts aufgenommen worden war, zu verbringen. Sabine Peek hat in ihrer Analyse des Morgenblattes ein psychologisches Porträt skizziert, das Hermann Hauffs Erfolg als Redakteur aus immerwährenden Gefühlen der Minderwertigkeit gegenüber Wilhelm ableitet: »die Fähigkeit zur Unterordnung und die Bereitschaft, unter Zurücksetzung der eigenen — ungeliebten — Person, ganz im Dienste an einer Sache aufgehen zu können.« (S. Peek, Sp. 1449). Während Hermanns Verhältnis zu Johann Friedrich Cotta distanziert geblieben war, entwickelte sich die Beziehung zu dessen Sohn Georg von einer Jugendin eine Männerfreundschaft. Sie hatte Bestand, weil sich »zwei konservative und loyale Naturen [begegneten], die beide ohne persönlichen Ehrgeiz waren und beide nicht eitel.« (S. Peek, Sp. 1455) Das Morgenblatt sollte, nach Wunsch seines Gründers, junge Autoren anwerben und unter ihnen eine Auswahl ermöglichen, die dem Verlag zugute käme. Keineswegs war eine Beschränkung auf Belletristik oder Literatur beabsichtigt, wie sie ursprünglich Wilhelm Hauff im Auge gehabt hatte. Cotta wollte Nachwuchs für den poetischen, aber ebenso für den wissenschaftlichen Verlag, so daß er das Blatt in allgemeine Aufsätze, Naturgeschichte, Reisen, Länder- und Völkerkunde, Biographie, Gedichte, Erzählungen und Korrespondenzen gliederte. Als Fontane 1843 erste Beiträge in der Zeitung unterbringen konnte, hatten sich die Zeidäufte inzwischen jedoch so sehr geändert, daß einem Mann wie Heinrich Laube das Morgenblatt bereits überaltert erschien. Auf dem programmatischen Blatt, das der gebundenen Monats-Ausgabe beigegeben war, wurde zwischen dem Morgenblatt und dem Uteraturblatt deutlich unterschieden: Dem eigentlichen Unterhaltungsblatt bleibt im Allgemeinsten die Aufgabe, der vaterländischen Literatur, besonders der Poesie in ihren verschiedenen Zweigen, als Organ zu dienen, und dann, die allgemeinen Fortschritte in Literatur, Wissenschaft und Kunst in ihrem Bezug auf das Leben der Völker, die Bewegung und Entwicklung der Gesellschaft möglichst vielseitig zum Ausdruck zu bringen. (Morgenblatt fiir gebildete
Leser. 37 Jg. 1843. Oktober, o. S.) Das Literaturblatt hingegen stellt sich die Aufgabe, über alle Erscheinungen der neuesten Literatur zu berichten, die für den größern gebildeten Leserkreis von Interesse seyn können, d. h. über die
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vorzüglichsten neuern Dichterwerke, so wie über alle Gattungen der vorherrschenden Unterhaltungsliteratur; ferner über wichtige neue Forschungen aller Art, durch welche der Horizont des menschlichen Wissens erweitert wird, in Länder^ und Völkerkunde und Geschichte [...], so daß sie keinem Gebildeten fremd bleiben dürfe. (Ebenda)
Hier wurde ein referierender Ton empfohlen, der durchaus facettenreich sein durfte und den Scherz ausdrücklich nicht ausschloß. Die Strenge »der verdammenden Kritik« solle — das war generell formuliert — »aber gewissenhaft nur ganz verwerflichen Tendenzen vorbehalten« (ebenda) bleiben. Die belletristische und wissenschaftlich unterhaltende Tendenz des Blattes widersprach der allgemeinen Politisierung, die zunehmend die Öffentlichkeit prägte. Trotz Mehrkosten — man bewegte sich längst im Bereich der roten Zahlen — Schloß man sich dem Trend der Zeit an und wechselte in das Folioformat, wie es sich international in der englischen und französischen Presse (La Presse hatte damit begonnen) durchzusetzen begann. Das Literaturblatt, das unter Regie von Wolfgang Menzel stand, sollte in ein Feuilleton umgewandelt werden, wogegen Menzel sich verwahrte. Trotz der unübersehbaren Krisensymptome erhielt das Blatt gerade in den vierziger Jahren Zuzug qualitativ hochrangiger Mitarbeiter, die das inhaltliche Niveau garantierten: Neben Fontane waren das Levin Schücking (1840), Gottfried Keller (1845), Edmund Höfer (1845), Ottilie Wildermuth (1846) und Bernhard von Lepel (1845). Hermann Hauffs Geschick bewährte sich in dieser für die Zukunft des Blattes so heiklen Phase. 1849 wertete er die Rubrik »Aus der Tagesgeschichte« (eingeführt 1836) auf, indem er sie zum Bestandteil literarischer Zeitäußerungen erklärte, was zwar nicht den Tatsachen entsprach, aber der sich abzeichnenden Mischung zwischen naturwissenschaftlichen und literarischen Gattungen in der Journalistik ihren Tribut zollte. Peek resümiert für die nachrevolutionäre Zeit zutreffend: Sei es, daß die Leitung des Morgenblattes dem Erfolg der Revolution mißtraute, sei es, daß sie mit gewissen konservativen Leserkreisen rechnete, die es bei Laune zu halten galt, oder sei es einfach darum, daß sie selber auf Seiten der alten Ordnung stand, jedenfalls hat sie von der neu errungenen Pressefreiheit nur maßvollen Gebrauch gemacht. Weder dem Rausch der plötzlich gelösten Zunge ist das Morgenblatt verfallen, dem die meisten Journale, die in den ersten Wochen der Freiheit entstanden, ihr Eintagsleben verdankten, noch ist es in seinen Prinzipien erstarrt, wie fast alle älteren Journale, die deshalb auch reihenweise eingingen. (S. Peek, Sp. 1529-1530)
Unter diesen Vorzeichen näherte sich Fontane 1849/50 der Redaktion und äußerte den Wunsch nach einer erneuten Beziehung, zu der es dann in Grenzen kam.
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1. Fontanes Beziehungen zu Zeitungen (Auswahl)
Im Verlauf der fünfziger Jahre gab es weitere Veränderungen. Ein Massensterben der literarisch-kulturellen Zeitungen fand statt. Diese Blätter konnten dem Siegeszug, den die modernen politischen Tageszeitungen mit Feuilleton angetreten waren, nicht Paroli bieten. Dem Morgenblatt erwuchs zudem Konkurrenz aus dem eigenen Hause. Die weithin angesehene, erfolgreiche Allgemeine Zeitung, die sich im Hause Cotta ohnedies höherer Wertschätzung erfreute als Hauffs Zeitung, griff, sobald Hauff einen neuen Autor entdeckt hatte, nach diesem, um ihn lukrativ den eigenen Spalten einzuverleiben. Das konnte auf Dauer nicht gut gehen. 1851 wurde kurz entschlossen das Morgenblatt in eine Wochenschrift verwandelt, ohne daß Abstriche am Umfang vorgenommen wurden. Zwischen Cotta und Hauff kam es zu Spannungen über die Anteile von Unterhaltung und Wissenschaft, wobei Hauff letzterer den Vorzug gab — zum Nachteil der Verbreitung des Blattes. Schon 1849 war das Uteraturblatt zugunsten einer Rubrik Literaturkritik aufgegeben worden. Obgleich die Erfolgskurve nach unten ging, zog der renommierte Name in den fünfziger Jahre noch immer angesehene Autoren zur Mitarbeit an: Berthold Auerbach, Louise von François und Herman Grimm. Für Fontane, der sich von Paul Heyse und seinen Berliner Freunden, aber auch durch andere in Presseangelegenheiten unterrichtete Leute über diese Entwicklungen ins Bild setzen konnte, muß es interessant gewesen sein, als er 1855 von den Verhandlungen zwischen dem Morgenblatt, dem bayerischen König Max und dem Münchner Dichterkreis hörte. Im Bestreben, die kulturelle und politische Bedeutung Münchens und der bayerischen Krone zu stärken, beabsichtigte man dort, sich des namhaften Organs zu bedienen, und wollte dafür sogar Hauff im bayerischen Staatsdienst unterbringen. Immerhin waren an den Gesprächen, die in Mißstimmung endeten, Emanuel Geibel und Wilhelm H. Riehl beteiligt. Parallel dazu liefen Bemühungen des Novellisten Otto Müller, die Wochenschrift nach Frankfurt zu holen. Den Ausschlag für das Scheitern beider Projekte gab letztendlich Cottas Festhalten an seinem altgedienten Redakteur Hauff und dessen unattraktivem Bildungsidealismus. Wie prekär die Lage wurde, zeigen die Nummern des letzten halben Jahrzehnts. Langatmige Beiträge, die sich über viele Ausgaben erstreckten, ermüdeten die Leser mehr und mehr. Anfang der sechziger Jahre umfaßte der literarische Anteil des Blattes nicht mehr als zehn Prozent. Fontane gehörte nicht zu den exponierten Αίβτ^Μ«?-Mitarbeitern. Trotzdem konnte er auf eine stattliche Anzahl dort veröffentlichter Texte verweisen. Die Publikationen, die er dort unterbrachte, und die Zeitpunkte, zu denen ihm dies gelang, sind allemal bemerkenswert. 1847 kamen unter dem Titel Preußische Feldherrn einige seiner vaterländischen Balladen heraus, sein
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wahrscheinlich größter Wurf dieser Jahre, nachdem er seit seinem Debüt jährlich mit mindestens einer Veröffentlichung vertreten war. Wirft man einen Blick in das Aprilheft 1847, um zu sehen, wer neben den Feldherrn rangierte, stößt man auf Wilhelm Waiblinger, dessen August von Platen gewidmete Verse mitgeteilt wurden. Friedrich Bodenstedt bot Bilder aus dem Kaukasus und über mehrere Nummern wurde die Geschichte des Kostüms erläutert. Das Uteraturblatt besprach Max Müllers indische Nachdichtungen, und Schriften über Nordamerika erfreuten sich einer dezidierten Aufmerksamkeit. Blättert man weiter, immer auf der Suche nach den Preußenliedern, sieht man bestätigt, daß sie tatsächlich anonym, dafür aber an bevorzugter Stelle erschienen: auf der Titelseite. Auffällig — und bislang nicht beachtet — ist, daß ihnen stets Motti vorausgeschickt wurden. Hauff beabsichtigte damit offensichtlich, eine bestimmte Erwartungshaltung zu wecken und somit die Rezeption zu lenken. In der Nr. 96 vom 22. April 1847 zum Beispiel wurden Der alte Ziethen und Der alte Detffling unter die Verse Friedrich Rückerts gesetzt: »So soll es sehn die Welt, / Und soll's geschrieben lesen: / Wer einst ein Held gewesen, / Ist immerdar ein Held.« Nicht minder anspielungsreich waren Shakespeares Verse: » - Gallandy arm'd, / He vaulted with such ease into his seat, / As of an angel dropp'd down from the clouds, / To turn and wind a fiery Pegasus, / And witch the world with noble horsemanship« über Fontanes Seidlit^ gesetzt (Morgenblatt, Nr. 133, Freitag, 4. Juni 1847), und Rückerts »Süß ist es, im Schwertertanze, / In des Pulverdampfes Graun / Sterbend Sieg und Rache schaun.« {Morgenblatt, Nr. 135, Montag, 7. Juni 1847). Hochinteressant ist weiterhin die Textmischung, in die im Juni 1847 Seidlil^j Schwerin und Schill gerieten: Da folgten auf die ersten beiden Texte wenige Tage später Sr. Majestät König Ludwig von Bayern (gleich in zwei Nummern u. a. mit Versen gegen die Bekrittler Schillers und Goethes) und der bayerische Dichter Franz von Kobell mit dem Gedicht Vertraue! Und unter der stehenden Rubrik Aufsätze gemischten Inhalts schließlich wurde thematisch passend über mehrere Nummern das Verhältnis von Nord- und Süddeutschland abgewogen. Selbst das Uteraturblatt korrespondierte hiermit, wenn es in seiner Nr. 43 die Geschichte Friedrich des Großen von Franz Kugler erläuterte (die ja bereits 1840 erschienen war), und das Kunstblatt, wenn es über einige Nummern F. Osten über den deutschen Künsderverein in Rom referieren ließ. 1849 folgte dann Fontanes Ein Ball in Paris, ein Text, den Fontane zeitweilig zu seinen besten zählte, und 1850 gab Hauff grünes Licht für Von der schönen Rosamunde, den Romanzenzyklus, den Fontane bereits 1847 eingesandt hatte und der wegen seines Umfangs drei Jahre lang liegen geblieben war.
1. Fontanes Beziehungen zu Zeitungen (Auswahl)
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Danach kam es zu einer Pause von beinahe neun Jahren, ehe Fontane 1859, aus England zurückgekehrt und lebhaft bemüht, seinen literarischen Rang durch gewichtige Publikationen augenscheinlich zu machen, mit seiner Reise in's schottische Hochland sich erneut — nun als Prosaautor — Hauff anbot. Folgenreich und exemplarisch war der nächste Schritt, den Fontane gegenüber dem Morgenblatt tat. Im Brief an Hauff vom 16. Januar 1860 heißt es: Ich bereise jetzt u n s r e m ä r k i s c h - b r a n d e n b u r g i s c h e H e i m a t h u n d d u r c h s t ö b r e
(wie
ich's i m A u s l a n d gelernt habe) die alten S c h l ö s s e r der Zietens, S c h w e r i n s u n d W i n t e r feldts, auch w o h l d e r K ö c k e r i t z ' u n d Itzenplitz, dazu die kleinen m ä r k i s c h e n Städte mit ihren M ä n n e r n u n d i h r e n E r i n n e r u n g e n . W ü r d e n Sie nicht abgeneigt sein einiges d a v o n zu bringen? ( H F A I V , 1, S. 6 9 3 )
Die Passage, in der er sich als Wanderer durch die Mark Brandenburg auch für eine Leserschaft außerhalb dieser Region und außerhalb Preußens empfahl und dabei das noch vorhandene Renommee des Blattes zu nutzen gedachte, Schloß mit den Worten: »Vor 12 oder 13 Jahren hab' ich mit Zietenund Seidhtz-Lieäern in Ihrem Blatt debütirt; darf die Prosa nachhinken?« (HFA IV, 1, S. 693). Zwischen 1860 und 1864 veröffentlichte das Morgenblatt eine Reihe Einzelkapitel der Wanderungen im Erstdruck und hatte so ihren Anteil an der Etablierung des von Fontane gewünschten Schriftstellerprofils, mit dem er vor das deutsche Publikum trat. Im letzten Jahr des Morgenblattes, 1865, erschien dann Fontanes dänischer Reisebericht aus Kopenhagen. Literatur. LISELOTTE LOHRER, Fontane und Cotta, in: Festgabe für Eduard Berend, hg. von Hans Werner Seiffert und Bernhard Zeller, Weimar 1959, S. 439-466. - WOLFGANG BERG, Der poetische Verlag der J.G. Cotta'schen Buchhandlung unter Georg von Cotta (1833-1863). Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Literatur in den Jahren nach Goethes Tod, in: A G B II (1960), Sp. 609-715. - SABINE PEEK, Cottas Morgenblatt für gebildete Stände. Seine Entwicklung und Bedeutung unter der Redaktion der Brüder Hauff (1827-1865), in: A G B VI (1964/65), Sp. 1427-1660. - JOCHEN MEYER (Hg.), Theodor Fontane. Zwei Post-Stationen. Faksimile
der
Handschrift,
Marbach
1991
(Marbacher
NÜRNBERGER, Fontanes Welt, Berlin 1997, S. 95-96.
Schriften;
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