Struktur und Organisation des Pressevertriebs: Absatzformen, Absatzhelfer und Absatzwege in der Vertriebsorganisation der Zeitungs- und Zeitschriften-Verlage 9783110929201, 9783598114496

In recent years marketing has played an ever more important role for daily newspapers and popular magazines. The reader&

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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Vorwort der Herausgeber
Introduktion
I. ABSATZ UND VERTRIEB
1. Die verschiedenen Absatzformen für Zeitungen und Zeitschriften
1.1 Das Abonnement
1.2 Einzelverkauf
1.3 Zustellhandel als Mischform aus Abonnement und Einzelverkauf
1.4 Die Vermietung von Lesemappen
1.5 Kontrollierte Verbreitung/Controlled Circulation (CC) und Wechselversand
1.6 Die kostenlose Verteilung bzw. Abgabe von Zeitungen und Zeitschriften
2. Einordnung des Vertriebs in die Aufbauorganisation eines Verlags
3. Aufbau einer Verlags-Vertriebsabteilung
3.1 Unselbständige Absatzorgane
4.Vertriebs-Logistik statt Versand
5. Verlagseigene Zustellorganisationen
5.1 leme bei der Beschaffung von Personal für die Zeitungs–Zustellung
5.2 Geringfügige und kurzfristige Beschäftigung von Zeitungszustellern
5.3 Wiederbelebung der Zeitungszustellung durch 400 € Mini-Jobs
5.4 Die Belieferung von Abonnenten durch Agenturen
5.5 Kooperationsformen im Vertrieb von Abonnement-Zeitungen
5.6 Neutralität und Wettbewerb in Vertriebskooperationen
5.7 Straßenhandel
5.8 Agenturvertrieb von Zeitschriften
5.9 Sonntagshandel/Zustellhandel
II. SELBSTÄNDIGE ABSATZORGANE IN DER VERTRIEBSORGANISATION DER VERLAGE
1. Absatzhelfer im Presse-Logistik-Bereich
2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatzes
2.1 EDV-Dienstleistungen
2.2 Verwaltung und Betreuung des Abonnentenbestandes als Dienstleistung
2.3. Die Deutsche Post als Dienstleister für Zeitungen und Zeitschriften…
2.4. Alternativer Zustell-Dienst (AZD)
2.5 Speditionen als Anbieter von Logistik-Systemen
2.6 Postalternative Transportkonzepte für Tageszeitungen
2.7 IVW - Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V.
III. ABSATZWEGE UND ABSATZMITTLER VON ZEITUNGEN UND ZEITSCHRIFTEN
1. Das Vertriebssystem für Zeitungen und Zeitschriften
2. Direktvertrieb unter Ausschaltung des Presse-Grosso
2.1 Meine Familie und Ich (Burda) - Einzelhandels-Direktlieferungen eines Großverlages
2.2 Das Streckengeschäft im Tageszeitungs-Vertrieb
2.3 Disfunktionalitäten des Presse-Grosso im Zeitungsvertrieb
2.4 Direktvertrieb kleinauflagiger internationaler Zeitschriften
2.5 Spezialverkaufsstellen
2.6 Verkaufstest mit Computer-Shops
2.7 Belieferungsregeln im Spezialverkauf zur Vermeidung von Diskriminierungen des Presse-Einzelhandels
3. Die Belieferung von Discountern mit Presse
3.1 Grosso-Initiative bei Plus
3.2 Verkaufsstellen im Umfeld von Discountern
3.3 Büd-Verkaufstest bei Plus
3.4 Springer-Vorstoß bei Norma
3.5 Gegengeschäfte mit Schlecker
3.6 Bild und Bild am Sonntag bei McDonald's
3.7 Büd bei Lidl und Kamps
3.8 Absatzrückgänge am Kiosk, Potentialschätzungen für die Erschließung von Discountern und tatsächliche Verkaufszahlen
4. Import und Vertrieb ausländischer Zeitungen und Zeitschriften
4.1 Ausländer in Deutschland
4.2 Der Markt für internationale und fremdsprachige Zeitungen und Zeitschriften in Deutschland
4.3. Ziele ausländischer Verlage und Publikationen im deutschen Markt
4.4 Die komplexe Logistik der ausländischen Tageszeitungen
4.5 Die deutschen Presse-Importeure
4.6 Press Point als Ausgangspunkt für ein grossounabhängiges Verkaufsstellennetz im deutschen Vertriebsmarkt
4.7 Import und Nationalvertrieb
5. Nationalvertrieb
5.1 Zur Entstehungsgeschichte der nationalen Vertriebsgesellschaften in Deutschland
5.2 Das Dienstleistungsangebot der Nationalvertriebe
5.3 Die Entwicklung vom Vertriebs-Dienstleister zum Verlagsdienstleister
5.4 Der Nationalvertrieb als ausgelagerte Vertriebsabteilung des Verlages
5.5 Kriterien und Praktiken bei der Auswahl eines Nationalvertriebs
5.6 Das Lieferprogramm als Auswahlkriterium für einen Nationalvertrieb
5.7 Exklusiv-Vertriebs-Vereinbarungen mit National Distributors
5.8 Gründe für den Wechsel eines Nationalvertriebs
5.9 Akquisition von Neukunden und Wettbewerb unter den Nationalvertrieben
6. Export..
6.1 Die verschiedenen Exportmärkte für deutsche Presse
6.2 Die verschiedenen Käufergruppen im Ausland
6.3 Exportmotive und Exportpolitik
6.4 Presse-Exporteure, Spezial-Diensdeister und Auslands-Abonnement-Verwalter
6.5 Auflagenzahlen deutscher Zeitungen und Zeitschriften im Ausland
6.6 Das logistische Problem der Tageszeitungen im Export
6.7 Gemeinsame Leistungswünsche der deutschen Verlage an die ausländischen Importeure
6.8. Überlegungen zur Schaffung eines National-Exporteurs
6.9 Die Vertriebskonditionen für deutsche Zeitungen und Zeitschriften im Ausland
7. Bahnhofsbuchhandel
7.1 Der Pachtvertrag als Grundlage der Geschäftsbeziehung zur Deutschen Bahn
7.2 Bahnhofsbuchhandels-Kriterien
7.3 Konzentrationen im Bahnhofsbuchhandel
7.4 Änderungen am Ladenschlussgesetz und mögliche Folgen für den Sonderstatus des Bahnhofsbuchhandels
7.5 Überlebensstrategien für den Bahnhofsbuchhandel
7.6 Wege zum Premiumhandel im deutschen Presse-Einzelhandel
8. Werbender Buch und Zeitschriftenhandel
8.1 Die Geschichte des Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels – Von den Anfängen bis zur Währungsreform 1948
8.2 Die verschiedenen Geschäftszweige, Betätigungsfelder und Spielarten im WBZ-Vertrieb
8.3 Verlags-LZB und Handelsbräuche als Grundlage der Geschäftsbeziehung zum Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandel
8.4 Die Kalkulation eines WBZ-Abonnements
8.5 Bezieherwerbung durch Vertreter
9. Lesezirkel - Die Vermietung von Zeitschriften
9.1 Die Lesegesellschaft als Keimzelle des modernen Lesezirkel.
9.2 Zahl und Struktur der Lesezirkel-Unternehmen
9.3 Der Konzentrationsprozeß im Lesezirkel
9.4 Die Rolle des Zustellers im Lesezirkel
9.5 Mappenbesetzung, Lesemappen-Arten und Mietpreise
9.6 Angriffe auf die öffentliche Auslage des Lesezirkels
9.7 Die Stellung des Lesezirkel im Lesermarkt
9.8 Die Bedeutung des Lesezirkel für das Anzeigengeschäft der Verlage
9.9 Die Position des Lesezirkel in den IVW-Auflagenlisten
9.10 Der Lesezirkel-Verband auf der Suche nach einem neuen Konzept
9.11 Die Partnerschaft zwischen Lesezirkel-Unternehmen und Verlagen
10. Sonstiger Verkauf
10.1 Bordexemplare und Printmedien-Logistik für Luftfahrtgesellschaften.
10.2 Marketingaktionen und Auflagensteigerungen durch Sonstigen Verkauf.
10.3 Bekämpfung des Auflagenschwindels als Ziel der IVW
10.4. Mehr Transparenz, mehr Sparten und Erweitung der Kontrollbefugnisse
10.5 Fehlinterpretation von Auflagenzahlen und pauschale Verdächtigungen durch Mediaagenturen und Anzeigenkunden
10.6 Sanktionsmöglichkeiten der IVW bei Auflagenschwindel
10.7 Rechtsfolgen von Auflagenbetrug bzw. irreführenden IVW-Meldungen
11. Digitaler Presse-Vertrieb
11.1 Multi-Media und das Internet
11.2 Digital gedruckte Zeitungen
11.3 Electronic Commerce im Presse-Vertrieb
11.4 Multimediale Zeitungs- und Zeitschriften-Kataloge
11.5 Online Presse-Shops
11.6 Busines s-to-Business-Kataloge
11.7 Mobile Commerce
11.8 E-Publikationen
IV. MARKTANTEILE DER VERTRIEBSSPARTEN AM GESAMTUMSATZ UND VERLAGS-PRÄFERENZEN FÜR EINZELNE ABSATZWEGE
1. Verschiebungen im Distributionsmix durch Medienkonvergenz und Wettbewerb
2. Sparten-Kalkulation - Der Deckungsbeitrag als Maßstab für Vertriebswirtschaftlichkeit
3. Die Vorteilhaftigkeit der Absatzformen Abonnement und Einzelverkauf fur Zeitungen und Publikumszeitschriften
3.1 Vorteile des Abonnements gegenüber dem Einzelverkauf
3.2 Vorteile des Einzelverkaufs gegenüber dem Abonnement
3.3 Die Kombination von Abonnement und Einzelverkauf im Presseabsatz
4. Deutsche Post AG im Wettbewerb mit Alternativen Zustelldiensten.
4.1 Die Organisation der Briefzustellung nach Aufhebung des Post-Monopols im Jahr 2008
4.2 Die Bauer Vertriebs KG als postalternativer Dienstleister für fremde Verlage
4.3 Die Rolle des Presse-Grosso in der alternativen Zustellung
4.4 Axel Springer und Holtzbrinck als Wettbewerber der Deutschen Post AG
5. Direktbelieferungs-Ambitionen großer Verlage
5.1 Die Vorteile des indirekten Vertriebs über das Presse-Grosso
5.2 Direktbelieferungsansprüche aus dem Einzelhandel
5.3 Die Bild-Zeitung als Türöffner für das gesamte Presse-Sortiment?
6. Presse-Fachhandel
6.1 Der Bahnhofsbuchhandel als Fach- und Spezialhandel für Printmedien
6.2 Produktspezifische Leistungskennziffern des Bahnhofsbuchhandels im Vergleich mit dem allgemeinen Presse-Einzelhandel
6.3 Die Bedeutung des Bahnhofsbuchhandels für die internationale Presse
6.4 Die Zukunft des Presse-Fachhandels im Einzelverkauf
7. Verlags-Vertrieb oder Nationalvertrieb?
7.1 Argumente pro Verlags-Vertrieb
7.2 Argumente für den Nationalvertrieb
8. Die Wettbewerber des Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels
8.1 Der Werbende Buch- und Zeitschriftenhandel in der Rolle als Dienstleister und Wettbewerber der Verlage
8.2 Abonnementswerbung der Deutsche Post AG in Konkurrenz zum WBZ
9. Vorzüge und Nachteile des Lesezirkels im Wettbewerb mit anderen Vertriebs sparten
9.1 Wahlmappen im Fokus der Kritik von Verlagen und WBZ
9.2 Die Lieferung kostenloser Publikationen im Rahmen des Lesezirkel-Bezugs
10. Entwertung des Abonnements und des Einzelverkaufs durch Sonstige Verkäufe
10.1 Diskriminierung des Flughafenbuchhandels durch Bordexemplare
10.2 Zeitung im Zug
10.3 Zeitungsverkauf in der Berliner U-Bahn
11. Digitaler Pressevertrieb im Wettbewerb mit dem konventionellen Pressevertrieb
11.1 Die Besetzung von Marktnischen mit unterschiedlichen Produkten
11.2 Die Funktionen der Handelsbetriebe im konventionellen Pressevertrieb
11.3 Die Wertschöpfungskette des traditionellen Pressehandels
11.4 Entbündelung der Handelsfunktionen im E-Commerce
11.5 Steigerung des Kundennutzens als Grundlage für E-Commerce
11.6 Partizipation der traditionellen Vertriebs sparten am E-Commerce
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Stichwort- und Personenverzeichnis
Danksagung
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Struktur und Organisation des Pressevertriebs: Absatzformen, Absatzhelfer und Absatzwege in der Vertriebsorganisation der Zeitungs- und Zeitschriften-Verlage
 9783110929201, 9783598114496

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Dortmunder Beiträge zur Zeitungsforschung

Dortmunder Beiträge zur Zeitungsforschung Band 62 Herausgegeben von Hans Bohrmann und Gabriele Toepser-Ziegert Institut für Zeitungsforschung der Stadt Dortmund

Peter Brummund

Struktur und Organisation des Pressevertriebs Absatzformen, Absatzhelfer und Absatzwege in der Vertriebsorganisation der Zeitungs- und Zeitschriften-Verlage

K G Säur München 2006

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Θ Gedruckt auf säurefreiem Papier © 2006 by Κ. G. Saur Verlag GmbH, München Printed in Germany Alle Rechte vorbehalten / All Rights Strictly Reserved Diese Werk - oder Teile daraus darf nicht vervielfältigt, in Datenbanken gespeichert oder in irgendeiner Form - elektronisch, photomechanisch, auf Tonträger oder sonstwie - übertragen werden ohne die schriftliche Genehmigung des Verlags. Druck/Binden: Strauss GmbH, Mörlenbach ISBN-13: 978-3-598-11449-6 ISBN-10: 3-598-11449-4

STRUKTUR UND ORGANISATION DES PRESSEVERTRIEBS Inhaltsverzeichnis Vorwort Vorwort der Herausgeber Introduktion

XXI XXIII XXVII

I. ABSATZ UND VERTRIEB 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 2. 3. 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 4. 5. 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.5.1 5.5.2 5.5.3 5.6 5.7 5.7.1 5.7.2

Die verschiedenen Absatzformen für Zeitungen und Zeitschriften Das Abonnement Einzelverkauf Zustellhandel als Mischform aus Abonnement und Einzelverkauf Die Vermietung von Lesemappen Kontrollierte Verbreitung/Controlled Circulation (CC) und Wechselversand Die kostenlose Verteilung bzw. Abgabe von Zeitungen und Zeitschriften Einordnung des Vertriebs in die Aufbauorganisation eines Verlags Aufbau einer Verlags-Vertriebsabteilung Unselbständige Absatzorgane Vertriebsleitung Verkauf/Vertriebsmarketing Verlags-Außendienst Versandabteilung Vertriebs-Logistik statt Versand Verlagseigene Zustellorganisationen Probleme bei der Beschaffung von Personal für die ZeitungsZustellung Geringfügige und kurzfristige Beschäftigung von Zeitungszustellern Wiederbelebung der Zeitungszustellung durch 400 € Mini-Jobs Die Belieferung von Abonnenten durch Agenturen Kooperationsformen im Vertrieb von Abonnement-Zeitungen Zustelldienst Vertriebsgemeinschaft Selbständige Agenturen und Vertriebsgesellschaften Neutralität und Wettbewerb in Vertriebskooperationen Straßenhandel Ambulanter Handel und Sonderhandel Zeitungsverkaufs-Automaten

1 2 3 4 4 5 7 8 13 13 14 15 17 19 19 21 22 23 25 26 27 27 27 28 29 31 32 34 V

Struktur und Organisation des Pressevertriebs 5.7.2.1 5.7.2.2 5.8 5.9 5.9.1 5.9.2. 5.9.3. 5.9.4 5.9.5 5.9.6 5.9.6.1 5.9.6.2 5.9.6.3 5.9.6.4

Vollautomaten, Halbautomaten und offene Verkaufskästen Verkaufsbeutel als Sonderform des Automatenverkaufs Agenturvertrieb von Zeitschriften Sonntagshandel/Zustellhandel Der Markt der Sonntagszeitungen Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Logistische Herausforderungen beim Vertrieb von Sonntagszeitungen Die konkurrenzausschließende Wirkung eines verlagseigenen Logistik-Systems am Sonntag (Ringtouren) Der Status des Zustellhändlers als selbständiger Gewerbetreibender Die Organisation des ambulanten Sonntagshandels Elektronisches Tourenbuch (ETB) Verdienstmöglichkeiten im Sonntagshandel Werbemittel und Bezieherwerbung Der SonntagsClub

II. SELBSTÄNDIGE ABSATZORGANE IN DER VERTRIEBSORGANISATION DER VERLAGE 1. Absatzhelfer im Presse-Logistik-Bereich 2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatzes 2.1 EDV-Diensdeistungen 2.1.1 Rechenzentren als Vorläufer moderner Abonnement-Verwalter 2.1.2 Standard-EDV-Programme oder Individual-Software im Vertrieb? 2.1.3 AbonnementVerwaltungsSysteme 2.1.4 PC-Vertriebs-Software als kostengünstige Alternative für kleine Verlage 2.1.5 Die Entwicklung der elektronischen Datenverarbeitung im Einzelverkauf 2.1.5.1 Eingesetzte EDV-Systeme im bundesdeutschen Presse-Grosso 2.1.5.2 Die ISPC Intermedia Standard Presse Code GmbH als Diensdeister im EDV-Bereich 2.1.5.3 EDI-PRESS als branchenspezifischer Datenformatstandard zur Übermittlung von Geschäftsdaten 2.1.5.4 EDI-PRESS Mailboxclearingverfahren 2.1.5.5 Rationalisierungspotentiale durch Datentransfer mit EDI-PRESS 2.2 Verwaltung und Betreuung des Abonnentenbestandes als Dienstleistung 2.2.1 Abonnement-Services 2.2.2 Abonnement-Verwaltung 2.2.3 Rechnungslegung, Mahnwesen und Inkasso VI

35 37 40 43 43 44 46 47 50 53 54 55 57 58

60 61 63 64 64 65 67 69 71 74 75 76 78 80 82 83 84

Inhaltsverzeichnis 2.2.4 2.2.5 2.2.5.1 2.2.5.2 2.2.6 2.2.7. 2.2.7.1 2.2.7.2 2.2.7.3 2.3. 2.3.1 2.3.1.1 2.3.1.2 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.4.1 2.3.4.2 2.3.4.3 2.3.4.4 2.3.4.5 2.3.4.6 2.3.5 2.3.6 2.3.7 2.3.8 2.3.9 2.3.10 2.3.10.1 2.3.10.2 2.3.10.3 2.3.10.4 2.4. 2.4.1 2.4.1.1 2.4.1.2 2.4.1.3

Abonnentenbetreuung Abonnentengewinnung und Leserbindung Telefonische Rückgewinnung gekündigter Abonnements Kundenzufriedenheit, Leser-Blatt-Bindung und die Haltbarkeit von Abonnements Database-Management Customer Relationship Management (CRM) Instrumente des CRM CRM-Projekte in Pressevertriebs-Unternehmen Umsetzung und Erfolgsfaktoren im Customer RelationshipManagement Die Deutsche Post als Diensdeister für Zeitungen und Zeitschriften... Die Deutsche Post AG als Nachfolgerin der Deutschen Bundespost (DBP) Postreform 1 Postreform II Postzeitungsdienst, Pressepost und Presse Distribution Abgrenzungskriterien und die Relevanz der Presse Distribution für einzelne Zeitungs- und Zeitschriftengattungen Die verschiedenen Sendungsarten Postzeitungsgut Postvertriebsstück Streifbandzeitung Postvertriebsstück zu Sonderkonditionen Pressesendung Zeitungssendung Postzwang als Ausgangspunkt eines defizitären Postzeitungsdienst Öffentliche Aufgabe und Kostendeckung im Postvertrieb Formen der Preisbildung im Postvertrieb Gemeinsame Kommission Postzeitungsdienst Arbeitskreis Post/Presse Veränderungen in der Gebührenstruktur („Feldkirchener Sitzung").... Unterschiedliche Befindlichkeiten bei Zeitungen und Zeitschriften Strategisches Gesamtkonzept der Verbände gegen den Angriff der Post auf den Postzeitungsdienst Gebührenerhöhungen im Postzeitungsdienst ab 1.1.1993 Gebührenentwicklung Presse Distribution 1995 bis 2005 Alternativer Zustell-Dienst (AZD) Gründung der AZD GmbH Pilotphase in Mannheim und Krefeld Aufnahme des Dauerbetriebs und neue Verteilstationen Umsätze, Sendungsvolumen und Marktpotential der AZD GmbH

86 89 90 93 95 98 99 100 103 104 104 105 106 107 109 110 111 111 112 112 113 114 114 115 116 117 118 119 121 122 124 125 127 129 130 131 133 VII

Struktur und Organisation des Pressevertriebs 2.4.2 2.4.2.1 2.4.2.2 2.4.2.3 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5 2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.6.4 2.6.5 2.6.6 2.7 2.7.1 2.7.2

Gründe für die Einstellung des Alternativen Zustell-Dienst Die reale Existenz kostengünstigerer Alternativen und Economies of Scale Die Bereitschaft zur Mitwirkung als Einspeiser und Zusteller Konkreter und ausreichend durchschlagender Anlass Speditionen als Anbieter von Logistik-Systemen Makrologistik Bahntransport Luftfracht-Speditionen (Aircargo) Mikrologistik Die Transportnetze der Presse Distribution Deutsche Post AG Postalternative Transportkonzepte für Tageszeitungen Transportnetz für regionale, überregionale und internationale Tageszeitungen in Kooperation mit Verlagen Öffnung eines Verlags-Logistik-Netzwerks für Dritte Räumlich begrenzte Vertriebs-Logistik für überregionale Tageszeitungen Local Infeeding und Hand Delivery Der Einsatz von Logistik-Instrumenten zur Verbesserung des Lieferservice Der Fourth Party Logistics Provider (FPLP) IVW - Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V Ausgabenbezogene Auflagenmeldungen Objektiver Auflagenvergleich oder Wettbewerb unter Prüforganisationen?

III. ABSATZWEGE UND ABSATZMITTLER VON ZEITUNGEN UND ZEITSCHRIFTEN 1. Das Vertriebssystem für Zeitungen und Zeitschriften 2. Direktvertrieb unter Ausschaltung des Presse-Grosso 2.1 Meine Familie und Ich (Burda) — Einzelhandels-Direktlieferungen eines Großverlages 2.2 Das Streckengeschäft im Tageszeitungs-Vertrieb 2.3 Disfunktionalitäten des Presse-Grosso im Zeitungsvertrieb 2.3.1 Regionalzeitung im Konflikt mit Gebiets-Grossist 2.3.2 Grossoambitionen eines regionalen Zeitungsverlags 2.3.3 Transportkostenzuschüsse und Sondertouren für internationale Tageszeitungen 2.4 Direktvertrieb kleinauflagiger internationaler Zeitschriften 2.5 Spezialverkaufsstellen 2.6 Verkaufstest mit Computer-Shops VIII

134 135 137 138 139 140 141 142 144 145 148 149 150 152 152 154 155 159 162 163

166 168 170 171 172 173 173 175 177 179 181

Inhaltsverzeichnis 2.7 2.7.1 2.7.2 2.7.3 3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 4. 4.1 4.2 4.3. 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.5 4.5.1 4.5.2 4.5.3 4.5.4 4.6 4.6.1 4.6.2 4.6.3 4.6.4 4.7 4.7.1

Belieferungsregeln im Spezialverkauf zur Vermeidung von Diskriminierungen des Presse-Einzelhandels Verstöße gegen die Preis- und Verwendungsbindung im Spezialverkauf. Spezialgrossisten (Secondary Wholesalers) Offene Rechtsfragen im Spezialverkauf Die Belieferung von Discountern mit Presse Grosso-Initiative bei Plus Verkaufsstellen im Umfeld von Discountern Bild-Verkaufstest bei Plus Springer-Vorstoß bei Norma Gegengeschäfte mit Schlecker Bild und Bild am Sonntag bei McDonald's Bild bei Lidl und Kamps Absatzrückgänge am Kiosk, Potentialschätzungen für die Erschließung von Discountern und tatsächliche Verkaufszahlen Import und Vertrieb ausländischer Zeitungen und Zeitschriften Ausländer in Deutschland Der Markt für internationale und fremdsprachige Zeitungen und Zeitschriften in Deutschland Ziele ausländischer Verlage und Publikationen im deutschen Markt Die komplexe Logistik der ausländischen Tageszeitungen Die Ausbreitung des Serefax-Netzes auf europäische Großstädte Interfax Press GmbH als Gemeinschaftsgründung von Importeur, Drucker und Spedition Dezentralisierter Druck fremdsprachiger Tageszeitungen in Deutschland Die deutschen Presse-Importeure W.E. Saarbach GmbH IPS Pressevertrieb GmbH Internationale Presse Import und Export GmbH (ip) IP Internationale Presse Distribution & Marketing GmbH Press Point als Ausgangspunkt für ein grossounabhängiges Verkaufsstellennetz im deutschen Vertriebsmarkt Die Aufgeschlossenheit des Handelspartners Presse-Grosso Fusion der Importeure als Reaktion auf mangelnde GrossoVertriebsleistungen Aufbau eines Direktvertriebs-Systems durch Saarbach und IP Saarbachs Rechtsstreit mit dem Grosso und der Arbeitskreis kleinauflagige Objekte und internationale Presse Import und Nationalvertrieb Die Aufgaben eines Presse-Importeurs

183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 194 195 197 199 199 200 204 207 210 211 212 214 215 218 219 220 221 223 225 226 228 230 230 IX

Struktur und Organisation des Pressevertriebs 4.7.2 4.7.2.1 4.7.2.2 4.7.3 5. 5.1 5.2 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.4 5.5 5.6 5.6.1 5.6.2 5.6.3 5.7 5.7.1 5.7.2 5.8 5.8.1 5.8.2 5.8.3 5.8.4 5.9 5.9.1 5.9.2 6. 6.1 6.1.1 6.1.2

X

Die funktionale Verwandtschaft zwischen Importeur und Nationalvertrieb 231 Die Objekt-Kalkulation des Importeurs 234 Die Vertriebsgebühr als Leistungsentgelt für den Nationalvertrieb 235 Nationalvertrieb - Absatzmittler oder Absatzhelfer? 237 Nationalvertrieb 239 Zur Entstehungsgeschichte der nationalen Vertriebsgesellschaften in Deutschland 239 Das Diensdeistungsangebot der Nationalvertriebe 240 Die Entwicklung vom Vertriebs-Dienstleister zum VerlagsDienstleister 242 Nationalvertriebs-Dienstleistungen im Bereich der InformationsTechnologie 245 Vertriebs-Analyse-Programme im Nationalvertrieb 246 Erweiterung des Diensdeistungsangebots im Internet 248 Der Nationalvertrieb als ausgelagerte Vertriebsabteilung des Verlages 250 Kriterien und Praktiken bei der Auswahl eines Nationalvertriebs 251 Das Lieferprogramm als Auswahlkriterium für einen Nationalvertrieb 253 Attic Futura und ASV Vertriebs GmbH 254 Michael Hahn Verlag und Verlagsunion 255 Verlagsgruppe Milchstrasse und Inland Presse Vertrieb 255 Exklusiv-Vertriebs-Vereinbarungen mit National Distributors 256 Bruch einer Exklusiv-Vereinbarung und Folgen für den betroffenen Nationalvertrieb 257 Individuelle Betreuung und Vertriebsneutralität 258 Gründe für den Wechsel eines Nationalvertriebs 260 Verlagsbeteiligungen als Hintergrund für den Verlust eines Vertriebsvertrags 261 Die Nationalvertriebe als Tochterfirmen großer Verlage 262 MZV, ASV Vertriebs GmbH, Partner/Zenit und SI special-interest.... 263 Vertriebsservice vom Verlag für Verleger 265 Akquisition von Neukunden und Wettbewerb unter den Nationalvertrieben 268 Vorfinanzierung von Verlagen durch Nationalvertriebe 269 Der Marktanteil als Wettbewerbsinstrument im Nationalvertrieb 270 Export 273 Die verschiedenen Exportmärkte für deutsche Presse 273 Exporte in das deutschsprachige Ausland 273 Exporte in fremdsprachige Gebiete mit hohem TouristikAufkommen 274

Inhaltsverzeichnis 6.1.3 6.1.4 6.2 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.2.1 6.3.2.2 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4 6.4.5 6.5 6.6 6.6.1 6.6.2 6.6.3 6.7 6.7.1 6.7.2 6.8. 6.9 6.9.1 6.9.2 6.9.3 6.9.4 6.9.5 7. 7.1

Exporte in internationale Ballungszentren 275 Exporte in die übrigen, weiter entfernten Länder 276 Die verschiedenen Käufergruppen im Ausland 277 Exportmotive und Exportpolitik 279 Vertriebsorientierter Produkttyp 280 Anzeigenorientierter Produkttyp 281 Export als Anzeigenmarketing 281 Export als Vertriebsmarketing 282 Presse-Exporteure, Spezial-Diensdeister und AuslandsAbonnement-Verwalter 283 DPV Deutscher Pressevertrieb, Hamburg 283 Gold Key Media Germany GmbH 286 Internationaler Presseservice Güll 288 Swiss Post International Germany, EDS Export & Distribution Services und Global Press Distribution 290 International Newsprint Service of America 291 Auflagenzahlen deutscher Zeitungen und Zeitschriften im Ausland 292 Das logistische Problem der Tageszeitungen im Export 294 Die Frage des Druckstandorts im Export 297 Exporte in die Sowjetunion bzw. nach Russland 299 Nationalvertrieb fremdsprachiger Titel in Deutschland und ReExport ins europäische Ausland 301 Gemeinsame Leistungswünsche der deutschen Verlage an die ausländischen Importeure 302 Remissionsrückführung, Auflagenplanung, Mengenregulierung, Einzelhandelsstruktur und Präsenz im Ausland 303 Behinderung von Exporten durch spezifische Konstellationen in Auslandsmärkten 305 Überlegungen zur Schaffung eines National-Exporteurs 307 Die Vertriebskonditionen für deutsche Zeitungen und Zeitschriften im Ausland 308 Das Kalkulationsmodell zur Berechnung des tatsächlichen Endverkaufspreises 311 Die Preispolitik deutscher Verlage im Visier der EU-Kommission 313 Die Beschwerde der österreichischen Bundesarbeitskammer bei der EU-Kommission wegen der Preisgestaltung deutscher Zeitschriften... 315 Sachlich gerechtfertigte Verkaufspreisdifferenzen zwischen Deutschland und Österreich 317 Preisgleichheit in Europa und Global Distribution 319 Bahnhofsbuchhandel 321 Der Pachtvertrag als Grundlage der Geschäftsbeziehung zur Deutschen Bahn 321 XI

Struktur und Organisation des Fressevertriebs 7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4 7.1.5 7.1.6 7.1.7 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.2.5 7.2.6 7.2.7 7.2.8 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 7.3.5 7.3.6 7.4 7.4.1 7.4.2 7.4.3 XII

Spiekegeln bei der Verpachtung von Bahnhofsbuchhandlungen Die Nutzung von Bahnhofsbuchhandlungen und Servicebetrieben (Strukturdaten) Die Umsatzbedeutung einzelner Verlage für den Bahnhofsbuchhandel Direktbezug von den Verlagen und die Vergütung der Handelsleistung durch Funktionsrabatte Grossorabatt (A) + Einzelhandelsrabatt (B) = Bahnhofsbuchhandelsrabatt (C) Subventionierung der Deutschen Bahn AG durch die Verlage Der Bahnhofsbuchhandel in der Zwickmühle von steigenden Pachten und fallenden Handelsspannen Bahnhofsbuchhandels-Kriterien Aktion "Käseglocke" Montanus Aktuell Leistungserwartungen an den Bahnhofsbuchhandel Das Zahlungsverhalten und die Formulierung konkreter Bedingungen für den Bahnhofsbuchhandels-Status Die Vergabe neuer Pachtverträge nach Muster III Neufassung der Bahnhofsbuchhandels-Kriterien für die Zeit nach der Privatisierung der DB Körperlose Remission und EDI-PRESS-Verfahren als Stolpersteine auf dem Weg zur Direktlieferung Printmedienlogistik und Vertriebstechnik für den Bahnhofsbuchhandel Konzentrationen im Bahnhofsbuchhandel Faktoren der Unternehmens-Konzentration im Bahnhofsbuchhandel Das Modernisierungskonzept der Deutschen Bahn AG als Katalysator des Konzentrations-Prozesses Die Valora Holding AG auf dem Weg zur Marktführerschaft im deutschen Bahnhofsbuchhandel Unternehmensgruppe Dr. Eckert Hachette Distribution Services als führender Presse-EinzelhandelsSpezialist in Europa HDS Retail Deutschland GmbH Änderungen am Ladenschlussgesetz und mögliche Folgen für den Sonderstatus des Bahnhofsbuchhandels Flexibilisierung der Ladenschlusszeiten Verfassungsklage gegen den Abend- und Sonntagsverkauf des Bahnhofsbuchhandels Verlust des BB-Sonderstatus bei Wegfall des LadSchlG

323 325 326 328 329 332 333 335 336 339 340 342 343 345 347 349 350 353 355 356 359 361 362 364 364 365 366

Inhaltsverzeichnis 7.5 7.5.1 7.5.2 7.5.3 7.5.4 7.5.5 7.5.6 7.6 7.6.1 7.6.2 7.6.3 7.6.4 7.6.5 7.6.6 7.6.7 7.6.7.1 7.6.7.2 8. 8.1 8.1.1 8.1.2 8.2 8.2.1 8.2.2 8.3 8.3.1 8.3.2 8.3.3 8.3.4 8.4 8.4.1

Überlebensstrategien für den Bahnhofsbuchhandel Die Rückgewinnung des USP im Premiumhandel mit Presseerzeugnissen Premiumhändler für Zeitungen und Zeitschriften (Definition) Steigerung des Sortimentsniveaus durch Spezialisierung Personal - Erfolgsdeterminante und Kostenfaktor im Bahnhofsbuchhandel Filialisierung von Einzelpächtern Bahnhofsbuchhändler als Kommanditisten der Verlage Wege zum Premiumhandel im deutschen Presse-Einzelhandel BB-Betriebe als Grundstock der Einzelhandels-Elite Unifizierung der Einzelhandels-Elite zum Buch- und PressePremiumhandel Kriterien für den Premiumhandel - qualitative und quantitative Selektion Filialisierter Sortimentsbuchhandel im Premiumverkauf von Presse Abonnement-Verkauf im Buch- und Presse-Premiumhandel Das Leistungsentgelt für den Premiumhandel Werbung und Verkaufsförderung im Premiumhandel Das Marketing-Konzept des Bahnhofsbuchhandels Werbung und Verkaufsförderung gegen Entgelt? Werbender Buch und Zeitschriftenhandel Die Geschichte des Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels Von den Anfängen bis zur Währungsreform 1948 Vom Wiederaufbau in den fünfziger Jahren bis zur politischen Wende in der DDR Abonnentenwerbung nach der politischen Wende in der DDR Die verschiedenen Geschäftszweige, Betätigungsfelder und Spielarten im WBZ-Vertrieb Vertreterwerbung und schriftliche Werbung Auflagen, Umsätze und Abonnement-Produktion im WBZ Verlags-LZB und Handelsbräuche als Grundlage der Geschäftsbeziehung zum Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandel Verlagskonditionen für den Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandel Der Werbekostenzuschuß (WKZ) Objektpräferenzen des WBZ Brotobjekte des WBZ Die Kalkulation eines WBZ-Abonnements Wettbewerbsnachteile neuer und auflagenschwacher Objekte im WBZ

367 367 369 370 371 372 373 374 375 376 377 380 382 386 388 389 390 392 392 395 399 402 403 404 406 407 408 408 409 410 414

XIII

Struktur und Organisation des Pressevertriebs 8.4.2

Roherträge und WBZ-Renditen in Abhängigkeit von Copypreisveränderungen 415 8.5 Bezieherwerbung durch Vertreter 415 8.5.1 Einmal-Provision und Sprungreserve 417 8.5.2 Zur Entstehung der Arbeitsgemeinschaft Abonnentenwerbung e.V. (AGA) 418 8.5.2.1 AGA-Satzung, AGA-Ziele und Zentrale Vertreterdatei 419 8.5.2.2 Sanktionsmöglichkeiten und Schiedsordnung 420 8.5.2.3 Wettbewerbsregeln und Richtlinien der AGA 420 8.5.2.4 Die Mitwirkung der AGA bei der Verhängung von Bußgeldern, Abmahnungen, Unterlassungserklärungen und Strafanzeigen 422 8.5.3 Empfehlungen zur Verbesserung der Vertreterwerbung 423 8.5.4 Der Kampf gegen Image-Probleme und Marktwiderstände in der Vertreterwerbung - Kritische Bestandsaufnahme 425 9. Lesezirkel — Die Vermietung von Zeitschriften 427 9.1 Die Lesegesellschaft als Keimzelle des modernen Lesezirkel 428 9.2 Zahl und Struktur der Lesezirkel-Unternehmen 430 9.3 Der Konzentrationsprozeß im Lesezirkel 432 9.4 Die Rolle des Zustellers im Lesezirkel 433 9.5 Mappenbesetzung, Lesemappen-Arten und Mietpreise 434 9.6 Angriffe auf die öffentliche Auslage des Lesezirkels 437 9.7 Die Stellung des Lesezirkel im Lesermarkt 439 9.8 Die Bedeutung des Lesezirkel für das Anzeigengeschäft der Verlage.... 440 9.9 Die Position des Lesezirkel in den IVW-Auflagenlisten 442 9.10 Der Lesezirkel-Verband auf der Suche nach einem neuen Konzept 443 9.10.1 Werbliche Aktivitäten des Verbands Deutscher Lesezirkel e.V 445 9.10.2 Neukunden-Potentiale im gewerblichen und privaten Bereich 446 9.11 Die Partnerschaft zwischen Lesezirkel-Unternehmen und Verlagen 448 9.11.1 Die Bedeutung des Lesezirkels für einzelne Zeitschriften-Titel und Verlage 449 9.11.2 Die Struktur der Lesezirkel-Sortimente nach Zeitschriftengruppen (Themenbereichen) 450 9.11.3 Die Marktanteile der Verlage im Lesezirkel 452 10. Sonstiger Verkauf 453 10.1 Bordexemplare und Printmedien-Logistik für Luftfahrtgesellschaften.. 453 10.1.1 Gratis-Zeitungen für Passagiere, Bahnreisende, Fahr- und Hotelgäste . 455 10.1.2 Welcome-Service auf Flughäfen und kostenlose Auslage in Hotels 456 10.2 Marketingaktionen und Auflagensteigerungen durch Sonstigen Verkauf. 457 10.2.1 Die Verlagsgruppe Milchstrasse und der Sonstige Verkauf 459 10.2.2 Auflagenmanipulationen bei der Motor-Presse Stuttgart 460 10.3 Bekämpfung des Auflagenschwindels als Ziel der IVW 462 XIV

Inhaltsverzeichnis 10.4. 10.4.1 10.4.2 10.4.3 10.4.4 10.4.5 10.5 10.5.1 10.5.2 10.6 10.7 11. 11.1 11.1.1 11.1.2 11.1.3 11.2 11.2.1 11.2.2 11.2.2.1 11.2.2.2 11.2.2.3 11.2.3 11.3 11.3.1 11.3.1.1 11.3.1.2 11.3.1.3 11.3.2 11.4 11.4.1 11.4.2 11.4.3 11.4.4 11.4.5 11.4.6

Mehr Transparenz, mehr Sparten und Erweitung der Kontrollbefugnisse Präzisierung der IVW-Auflagensparten durch neue Richtlinien ab 1.1.2003 Neudefinition WBZ-Abonnement Nachweis der Lieferkette vom Verlag zum Lesemappen-Mieter Abgrenzung und Differenzierung der Sonstigen Verkäufe in der IVW-Auflagenmeldung Externe Prüfung der Verlagsauflagen bei den Handelspartnern Fehlinterpretation von Auflagenzahlen und pauschale Verdächtigungen durch Mediaagenturen und Anzeigenkunden Branchengerede und Konkurrenzneid Aufgedeckte Fälle von Auflagenmanipulation und Auflagenschwindel Sanktionsmöglichkeiten der IVW bei Auflagenschwindel Rechtsfolgen von Auflagenbetrug bzw. irreführenden IVWMeldungen Digitaler Presse-Vertrieb Multi-Media und das Internet Komponenten der Wertschöpfung und Medienkonvergenz Handlungsmotive und Herausforderungen für Verlag und Vertrieb Geschäftsmodelle für Zeitungen und Zeitschriften im Internet Digital gedruckte Zeitungen Faxzeitungen Digitale Zeitungsprojekte in Deutschland ICE-Press und Der Tag News am Abend Financial Times Deutschland Kompakt Digital Newspaper Network (DNN) Electronic Commerce im Presse-Vertrieb Elektronische Kioske Infopoint — der elektronische Kiosk im Presse-Fachhandel Print on demand Der digitale Newspaper Kiosk Newspaper Direct Multimediale Zeitungs- und Zeitschriften-Kataloge Die verschiedenen Ausbaustufen von Online-Katalogen Produktpräsentation und Selbstdarstellung des Anbieters Interaktive Kataloge Transaktionsfähige Kataloge Einbindung externer Partner Virtuelle Unternehmen

463 464 465 467 469 471 472 474 476 478 480 482 483 484 486 488 490 491 492 493 494 495 496 498 501 502 505 506 507 510 511 511 511 512 512 512 XV

Struktur und Organisation des Pressevertriebs 11.5 11.5.1 11.5.2 11.5.3 11.6 11.6.1 11.6.2 11.6.3 11.6.3.1 11.6.3.2 11.6.3.3 11.6.4 11.6.4.1 11.6.4.2 11.7 11.8 11.8.1 11.8.2 11.8.3 11.8.4 11.8.4.1 11.8.4.2 11.8.4.3 11.8.5

Online Presse-Shops www.mein-abo.de (Gruner + Jahr) www.burdadirect.de (Burda) www.internationale-presse.com (IP Internationale Presse) Business-to-Business-Kataloge Branchenlösung der Presse Grosso Marketing Gesellschaft Der Presse Katalog der LeserAuskunft GmbH Procurement - Die Beschaffung von Informations-Produkten ims internationaler medien service PVG-Medienservice im Großkundengeschäft MSV Medien Special Vertrieb, VUB Vereinigte Universitäts Buchhandlungen und Schweitzer Sortiment E-Procurement AboAuskunft.de Integration der Medien-Beschaffung in das unternehmensübergreifende Versorgungsmanagement Mobile Commerce E-Publikationen Online-Zeitungen in Deutschland Netzeitung.de Online-Zeitungen als neues Geschäftsfeld der Verlage Modelle und Kunden von E-Publikationen E-Publikationen für Urlauber, Geschäftsleute und Emigranten Ε-Publikation als Online-Mehrwertdienst E-Publikationen auf dem Tablet-PC Ε-Paper (Elektronisches Papier)

IV. MARKTANTEILE DER VERTRIEBSSPARTEN AM GESAMTUMSATZ UND VERLAGS-PRÄFERENZEN FÜR EINZELNE ABSATZWEGE 1. Verschiebungen im Distributionsmix durch Medienkonvergenz und Wettbewerb 2. Sparten-Kalkulation - Der Deckungsbeitrag als Maßstab für Vertriebswirtschaftlichkeit 3. Die Vorteilhaftigkeit der Absatzformen Abonnement und Einzelverkauf für Zeitungen und Publikumszeitschriften 3.1 Vorteile des Abonnements gegenüber dem Einzelverkauf 3.2 Vorteile des Einzelverkaufs gegenüber dem Abonnement 3.3 Die Kombination von Abonnement und Einzelverkauf im Presseabsatz 3.3.1 Abonnement und Einzelverkauf bei Tageszeitungen 3.3.2 Lokal- und Regionalzeitungen im Einzelverkauf XVI

513 515 515 516 518 518 520 522 523 524 524 525 526 526 527 529 531 531 533 534 534 535 536 537

543 544 547 547 549 550 551 552

Inhaltsverzeichnis 3.3.3 3.3.4 4. 4.1 4.2 4.3 4.4 5. 5.1 5.2 5.3 5.3.1 5.3.2 6. 6.1 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.3 6.3.1 6.3.2 6.4 7. 7.1 7.2 8. 8.1

Abonnement und Einzelverkauf bei Zeitschriften 554 Abonnement und Einzelverkauf bei Publikumszeitschriften 554 Deutsche Post AG im Wettbewerb mit Alternativen Zustelldiensten... 555 Die Organisation der Briefzustellung nach Aufhebung des PostMonopols im Jahr 2008 557 Die Bauer Vertriebs KG als postalternativer Diensdeister für fremde Verlage 558 Die Rolle des Presse-Grosso in der alternativen Zustellung 559 Axel Springer und Holtzbrinck als Wettbewerber der Deutschen Post AG 562 Direktbelieferungs-Ambitionen großer Verlage 564 Die Vorteile des indirekten Vertriebs über das Presse-Grosso 565 Direktbelieferungsansprüche aus dem Einzelhandel 567 Die Bild-Zeitung als Türöffner für das gesamte Presse-Sortiment? 569 Die Interessen von Verlagen und Grossisten und Interessengegensätze bei der Erschließung von Discountern 570 Kooperation mit Discountern - Gefahr für das Presse-VertriebsSystem? 572 Presse-Fachhandel 573 Der Bahnhofsbuchhandel als Fach- und Spezialhandel für Printmedien 575 Produktspezifische Leistungskennziffern des Bahnhofsbuchhandels im Vergleich mit dem allgemeinen Presse-Einzelhandel 576 Ladenöffnungszeiten und Vorverkäufe im Bahnhofsbuchhandel 578 Die Bedeutung des Bahnhofsbuchhandels für die Objektgruppe der Tageszeitungen 579 Die Bedeutung des Bahnhofsbuchhandels für die Objektgruppe der Publikumszeitschriften 580 Die Bedeutung des Bahnhofsbuchhandels für die internationale Presse 582 Leistungsvergleich zwischen Presse-Grosso und Bahnhofsbuchhandel 583 Die politische Dimension im Wettbewerb zwischen dem Bahnhofsbuchhandel und dem Presse-Grosso 585 Die Zukunft des Presse-Fachhandels im Einzelverkauf 588 Verlags-Vertrieb oder Nationalvertrieb? 589 Argumente pro Verlags-Vertrieb 591 Argumente für den Nationalvertrieb 592 Die Wettbewerber des Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels.... 593 Der Werbende Buch- und Zeitschriftenhandel in der Rolle als Diensdeister und Wettbewerber der Verlage 594

XVII

Struktur und Organisation des Pressevertriebs 8.2

Abonnementswerbung der Deutsche Post AG in Konkurrenz zum WBZ 9. Vorzüge und Nachteile des Lesezirkels im Wettbewerb mit anderen Vertriebssparten 9.1 Wahlmappen im Fokus der Kritik von Verlagen und WBZ 9.2 Die Lieferung kostenloser Publikationen im Rahmen des Lesezirkel-Bezugs 10. Entwertung des Abonnements und des Einzelverkaufs durch Sonstige Verkäufe 10.1 Diskriminierung des Flughafenbuchhandels durch Bordexemplare 10.2 Zeitung im Zug 10.3 Zeitungsverkauf in der Berliner U-Bahn 11. Digitaler Pressevertrieb im Wettbewerb mit dem konventionellen Pressevertrieb 11.1 Die Besetzung von Marktnischen mit unterschiedlichen Produkten 11.1.1 Konventioneller Druck, Digitaldruck und Ε-Publikationen im Vergleich 11.1.1.1 Druckkosten, Transportkosten und Deckungsbeiträge 11.1.1.2 Die Schnelligkeit als Wettbewerbsfaktor 11.1.1.3 Akzeptanz digitaler Produkte beim Leser 11.1.2 Verlagsstrategien und die Bildung von Teilmärkten 11.1.3 Zukünftige Potentiale und Herausforderungen 11.2 Die Funktionen der Handelsbetriebe im konventionellen Pressevertrieb 11.3 Die Wertschöpfungskette des traditionellen Pressehandels 11.4 Entbündelung der Handelsfunktionen im E-Commerce 11.4.1 Entbündelung der Informations funktion 11.4.2 Entbündelung der Grosso-Informations-Funktion 11.4.3 Der Markteintritt von Funktionsspezialisten und Intermediären in die Wertschöpfungskette des traditionellen Pressehandels 11.4.4 Entbündelung der Raumüberbrückungsfunktion 11.4.5 Entbündelung finanzieller Transaktionen 11.5 Steigerung des Kundennutzens als Grundlage für E-Commerce 11.5.1 Der praktische Nutzen von E-Commerce für Verlage beim Verkauf von Print-Abonnements 11.5.2 Lösung des Anlieferungsproblems 11.6 Partizipation der traditionellen Vertriebssparten am E-Commerce 11.6.1 Electronic Commerce als Chance und Gefahr für das PresseGrosso 11.6.2 Offline-Medien im Presse-Einzelhandel (CD-Rom) 11.6.3 Hörbücher und DVDs im Grosso-Vertrieb

XVIII

596 598 601 602 602 604 605 606 607 607 610 610 613 613 615 616 619 620 621 623 623 626 628 628 629 630 632 633 633 636 637

Inhaltsverzeichnis Literaturverzeichnis Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Stichwort- und Personenverzeichnis Danksagung

644 677 678 679 724

XIX

Vorwort Auf dieses Buch hat die Pressebranche gewartet. Viel zu lange schon fehlt eine aktuelle, fundierte Darstellung der wesentlichen Zusammenhänge des Pressevertriebs in Deutschland. Die Frage nach fachlicher Literatur zum Pressevertrieb ist mir in den letzten Jahren immer wieder gestellt worden. Ich konnte keine wirklich befriedigende Antwort geben. Der Bedarf ist riesig. Bei meiner Tätigkeit für die VDZ Zeitschriften Akademie spielt das Thema Pressevertrieb eine Hauptrolle, und ich begegne in diesem Rahmen immer wieder jüngeren Fachleuten, die den Beruf nicht „von der Pike a u f gelernt haben, sondern die sich durch „learning by doing" einarbeiten mussten. Hier erfüllen Seminare sowohl in der Vermittlung von Basiswissen als auch in der detaillierten Behandlung neuer Instrumente und Methoden im Vertrieb eine wichtige Funktion. Dennoch: Ohne eine solide Fachliteratur werden die Dinge immer nur schlaglichtartig beleuchtet. Die Zahl der Vertriebs-Kollegen, die als Hochschulabsolventen und Quereinsteiger unmittelbar in vertrieblichen Funktionen Verantwortung übernehmen, wächst, und ich stelle in Gesprächen immer wieder fest, dass der Mangel an Grundlagen und das Fehlen der Kenntnis der Zusammenhänge die Einordnung der eigenen Tätigkeit erschwert und den Blick auf das Ganze verhindert. So ist es nicht überraschend, dass ich immer wieder gefragt werde: Wo gibt es Fachliteratur? Wo kann man nachschlagen? Wo werden Zusammenhänge dargestellt? Die Pressebranche braucht also dringend dieses Buch. Dabei gibt es insgesamt eher zu viel Information als zu wenig. Wer jedoch zu einem komplexen vertrieblichen Sachverhalt gründlich recherchiert, verliert sich bald im Gestrüpp der unzähligen Dokumente wie Jahresgeschäftsberichten, Verbandsstatements, Presseberichten, Positionspapieren, Stellungnahmen, Protokollen, Satzungen, Richtlinien, Wettbewerbsregeln, Gerichts-Urteilen, wissenschaftlichen Dokumentationen, Diplomarbeiten und Dissertationen. Wer die Entwicklung nicht aus eigener Anschauung kennt und nicht über ein Netzwerk persönlicher Kontakte zu Schlüsselpersönlichkeiten der Branche verfügt, scheitert, wenn es darum geht, die einander nicht selten widersprechenden Quellen zu bewerten und Orientierung zu gewinnen. Schon als 1985 unter dem gleichen Titel „Struktur und Organisation des Pressevertriebs" in den Dortmunder Beiträgen zur Zeitungsforschung die Dissertationen von Peter Brummund und Peter Schwindt als zweibändiges Werk erschienen, dessen ersten und umfangreicheren Band Peter Brummund verfasste, war ich voller Bewunderung, sowohl für die Arbeitsleistung, die hinter dieser VeröffentliXXI

Struktur und Organisation des Pressevertriebs chung sichtbar wurde, als auch für die Qualität und Anschaulichkeit der Darstellung. Hier zeigte sich auch, dass Peter Brummund schon vor seinem Studium im Pressevertrieb gearbeitet hatte und in der vertrieblichen Praxis zu Hause war. Noch mehr imponiert es mir jetzt, dass Peter Brummund sich nach seiner erfolgreichen beruflichen Karriere und nach dem Rückzug aus der aktiven unternehmerischen Verantwortung freiwillig erneut über mehrere Jahre dieser immensen Aufgabe gewidmet hat. Da zeigt sich wahre Leidenschaft für das Thema und für wissenschaftliches Arbeiten. Es ist höchst spannend, die Bücher von 1985 und 2005 zu vergleichen, wird doch deutlich, wie vieles sich in dieser Zeit verändert hat. Das erste Werk ist inhaltlich überholt und seit langer Zeit vergriffen. Die Schwerpunkte haben sich außerdem deutlich verschoben, und so ist das vorliegende Werk keine überarbeitete Neuauflage, sondern ein völlig neuer Ansatz. Ausgangspunkt ist die heutige vertriebliche Realität. Es werden einerseits die Entwicklungen dargestellt, die zur heutigen Situation geführt haben, andererseits werden mögliche künftige Entwicklungen prognostiziert und kritisch beleuchtet. Peter Brummund schneidet offen die unbequemen Fragen an, die gelöst werden müssen, wenn der Pressevertrieb seine Sonderstellung gegenüber den Vertriebsaktivitäten anderer Branchen behalten will. Dass die angebotenen Lösungs- und Entwicklungsmöglichkeiten sicher nicht von allen Fachleuten als einzig richtiger Weg gesehen werden und das Buch insofern auch Widerspruch hervorrufen wird, ist beabsichtigt. Im kontroversen Dialog liegt die Chance für neue tragfähige Lösungen. Peter Brummund hat sich auch in seiner beruflichen Verantwortung nie gescheut, die eingeübte Praxis in Frage zu stellen, und viele unserer gemeinsamen Gespräche drehten sich um Problemkreise, die über das Tagesgeschäft deutlich hinausgingen. So fühlen wir uns seit vielen Jahren durch gemeinsame fachliche Interessen verbunden. Mein Fazit nach der Lektüre des Buches: Vertrieb ist spannend und Vertrieb bleibt spannend. Ich bin sicher, dass mit der Veröffentlichung dieses Werkes ein wichtiger Beitrag geleistet wird, notwendige Entwicklungen weiter voranzutreiben. Auch von daher braucht die Pressebranche dringend dieses Buch. Bonn, im Oktober 2005

XXII

Konstantin Klaffke

Vorwort der Herausgeber Struktur und Organisation des Pressevertriebs In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Presse zum (ersten) Massenkommunikationsmittel. Aus der Zeitung für Herrscher und ihr Beamtenpersonal, die Kaufleute, Gewerbetreibenden, Honoradoren entstand Stück für Stück die „Zeitung für alle". Deshalb konnte es nur eine Frage der Zeit sein, dass sich die Wissenschaften der Medien als Gegenstand bemächtigten. Indes - der Weg gestaltete sich schwierig, weil der Gegenstand nicht nur in empirischer Hinsicht sperrig war, sondern weil er zur seinerzeidgen tonangebenden Wissenschaft nicht zu passen schien. Zeitung war Teil der Alltagskultur -wie wir heute sagen-, und sie stand fern der aus der spekulativen Philosophie gewonnenen Deutung der relevanten Lebenssphären. Dazu kam, dass die Massenmedien der Gegenwart deutlicher verbunden waren als der Vergangenheit. Dennoch haben sich Germanistik (R. E. Prutz), Historie (R. Droysen), Staatswissenschaft (K. Bücher), Jura (M. Weber) u. a. begonnen, sich für den Journalismus und die Zeitung als Gegenstand wissenschaftlich zu interessieren. Um ihr Tun zu legitimieren, wandten sie sich vor allem einem Ausschnitt des Themas, der Öffentlichkeit und dem politischen Journalismus zu. Prutz hatte Erfahrungen im politischen Ressort, Bücher in der Wirtschaftsberichterstattung, Weber war quasi ein fester freier Mitarbeiter großer politischer Tageszeitungen. Auch diejenigen, die ihnen an der Hochschule folgten und sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts nach dem Vorbild der Pädagogik, Psychologie und Soziologie fachlich selbständig zu machen suchten, kamen überwiegend aus dem Journalismus. Sie kartierten das wissenschaftliche Gelände vom Journalismus her und der Pressevertrieb geriet auch in den Blick. Seine Bearbeitung blieb randständig, wie es bspw. auch für Anzeigenwerbung und die Nachrichtenagenturen und Korrespondenzbüros gesagt werden muss. Auch wenn E. Dovifat und seine Zeitgenossen in der Weimarer Zeit Vertriebsfragen als Teil der Zeitungswissenschaft reklamierten und eine Einheit von geistigen, ökonomischen und technischen Faktoren im Zeitungsbetrieb behaupteten, wurde mit der herrschenden philologisch-historischen Begrifflichkeit jener Jahrzehnte die Bearbeitung der „Pressenebengewerbe" nicht in Angriff genommen. Die Ursachen sind vermutlich vielfältig. Es fehlte in der Wissenschaft an der empirischen Vertrautheit mit den komplexen Abläufen im Vertrieb. Die Fragen, die die Entwicklung von Film (bes. Wochenschau, Dokumentarfilm, weniger Spielfilm), Hörfunk und bes. Fernsehen, später auch das ganze Bündel von sich immer weiter ausdehnenden „Neuen Medien" bis hin zum Netzmedium stellten, schienen vordringlich. Auch die seit den sechziger Jahren einsetzende Umdrehung der XXIII

Struktur und Organisation des Pressevertriebs Blickrichtung der Wissenschaft von der Gesellschaft auf die Medien, d.h. die Ergänzung der orthodox geisteswissenschaftlichen durch die sozialwissenschaftliche Perspektive, setzte den Vertrieb nicht prominent auf die Tagesordnung. Erst durch die grundlegende Monographie, die Peter Brummund und Peter Schwindt vor zwei Jahrzehnten in der Dortmunder Schriftenreihe vorgelegt haben, hat in fast enzyklopädischer Weise den Gegenstand Pressevertrieb im Großund Einzelhandel dargestellt. Die Autoren kamen nicht aus der Kommunikationswissenschaft, sondern von der Ökonomie und der Rechtswissenschaft her. Die Bände waren so gefragt, dass es bald zu einer zweiten (unveränderten) Auflage kam, die auch schon seit Jahren ausverkauft ist. Natürlich entstand dadurch der Wunsch nach einer weiteren Berichterstattung über das Thema. Dem trug zunächst Bernd Klammer Rechnung, der (ebenfalls in der Dortmunder Schriftenreihe) die durch die Vereinigung der beiden deutschen Staaten erforderliche Neuorganisation des Pressevertriebs in den neuen Bundesländern (von der Deutschen Post auf Pressevertriebsfirmen, die anders als bislang zu einem hohen Prozentsatz den großen Verlagen verbunden waren) untersuchte. Eine Neubearbeitung blieb aber Desiderat, vor allem weil die technische Informationsverarbeitung völlig neue Perspektiven für Redaktionen und Verlage schuf, die den Vertrieb integral mit einbezogen. Dass Peter Brummund jetzt als dritten Band eine völlige Neufassung vorlegt, ist daher für die Praxis des Pressevertriebs in den Verlagen und den Vertriebsfirmen genauso zu begrüßen, wie für die Journalistik und Kommunikationswissenschaft. Der Autor kann seine mehr als zwei Jahrzehnte andauernde praktische Tätigkeit im Pressevertrieb bei großen Verlagen und Dienstleistern des In- und Auslandes einbringen. Ihm ist es gelungen, nicht nur die Gegenwart des Pressevertriebs analytisch zu erfassen, sondern die Rückwirkungen, die ein digital erneuerter Vertrieb für die Verlage hat, im Blick auf die Zukunft der Presse zu erörtern. Dabei zeigt sich, dass die Zeitung ein wandlungsfähiges Medium darstellt. Welch weiter Weg war es von den „handgeschriebenen" Zeitungen des 16. Jahrhunderts bis zu den Gratisblättern des 21. Jahrhunderts. Auch die Elektronik wird kein Ende des Mediums Zeitung darstellen, wenn sich das Management besonders im Vertrieb, den Wünschen der Leser wie des Marktes anzupassen versteht. Das gibt einmal begründete Hoffnung für die seit Jahren immer wieder tot gesagten Printmedien. Viel spricht dafür, dass das Riepeische Gesetz (1902) weiter gilt: kein Medium geht durch die Konstituierung neuer unter, was geschieht ist die Anpassung und Neujustierung des Systems. Schönbach hat kürzlich dafür plädiert, die „Zuverlässige Überraschung" als wesentliche Funktion journalistischer Medien zu erkennen: das könnte ein Ansatz sein, der erklärt, warum auch im elektronischen Zeitalter die Zeitung eine Chance hat, wenn man denn will. Zum anderen zeigt sich, dass die Digitalisierung nicht nur beschleunigt und vereinfacht, sondern auch andere Branchen ein- und überzunehmen in der Lage ist. Die Post, die seit ihrer Gründung im fünfzehnten Jahrhundert dem Zeitungsverlag XXIV

Vorwort der Herausgeber vorgelagert war, als regelmäßiger Verbreitungsweg für Nachrichten, und dessen sich die Zeitungsverlage jahrhundertelang zum Vertrieb ihrer physischen Produkte bedienten (resp. bis zur Aufhebung des Postregals bedienen mussten), erhält jetzt nicht nur im Paketsektor, sondern hier und heute -künftig noch härter- Konkurrenz durch die Vertriebsabteilungen von Verlagen, die nicht nur Zeitungen und Zeitschriften verbreiten, sondern gerade auch Postdiensdeistungen anbieten. Die Entwicklung im kommenden Jahrzehnt verspricht spannend zu werden. Viel Stoff für weitere Beobachtungen und Analysen. In diesem Sinne wünsche ich dem dritten Band von „Struktur und Organisation des Pressevertriebs" viele kreative Leser. Literatur: Brummund, Peter Struktur und Organisation des Pressevertriebs. Τ. 1: Der deutsche Zeitungs- und Zeitschriftengroßhandel München (et. al.): K. G. Saur 1985 (Dortmunder Beiträge zur Zeitungsforschung. 40) Klammer, Bernd Pressevertrieb in Ostdeutschland. Die wirtschaftlichen und politischen Interessen beim Aufbau eines Pressegroßhandelssystems nach der Oktoberwende 1989 München: K. G. Saur 1998 (Dortmunder Beiträge zur Zeitungsforschung. 56) Schwindt, Peter Struktur und Organisation des Pressevertriebs. T. 2: Zeitungen und Zeitschriften im Einzelhandel München (et al.): K. G. Saur 1985 Schönbach, Klaus „Das Eigene im Fremden". Zuverlässige Überraschung: Eine wesentliche Medienfunktion, in: Publizistik, Jg. 50, 2005, S. 344 - 352 Zeitungsverlage machen der Post Konkurrenz Gemeinschaftsunternehmen wird bundesweit Briefe zustellen und eigene Briefmarken im Internet verkaufen, in: Tagesspiegel, 10. September 2005, S. 15 Dortmund, im Oktober 2005

Hans Bohrmann/Gabriele-Toepser-Ziegert

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Introduktion Wie in allen anderen Wirtschaftszweigen auch ist bei den Zeitungs- und Zeitschriften-Verlagen die steuernde Abwicklung des Vertriebs in eigenen Abteilungen der Normalfall. Wachsende Konkurrenz zwischen den Verlagen, informiertere Leser und Käufer, rückläufige Anzeigenumsätze und die weitgehende Sättigung der etablierten Teilmärkte haben dazu gefuhrt, dass Vertrieb und Marketing in den vergangenen Jahren eine immer größere Bedeutung erlangt haben. Pressevertrieb ist eine weit gespannte Aufgabe. Sie reicht von der Organisation der AbonnementZustellung, über die Logistik, Gestaltung des Marketings bis hin zum konkreten Verkauf. Mein Studienfreund Peter Schwindt und ich haben exakt vor zwanzig Jahren in den Dortmunder Beiträgen zur Zeitungs forschung zwei Untersuchungen vorgelegt, die sich dank der überaus großen Nachfrage aus dem wissenschaftlichen und dem vertriebspraktischen Bereich zu Meilensteinen und Wegweisern durch das komplexe System des deutschen Pressevertriebs entwickelt haben. Gelegentlich werde ich noch heute auf die längst vergriffenen Veröffentlichungen angesprochen. Sowohl der Verlag, als auch die Herausgeber haben mich verschiedene Male versucht zu motivieren, eine Neuauflage zu schreiben. Mein berufliches Engagement und der hohe zeitliche und materielle Aufwand haben ein solches Projekt jahrelang verhindert. Letztlich waren es glückliche Umstände, die mir die Überarbeitung der alten Manuskripte bzw. einen Neubeginn ermöglichten. Schon nach den ersten Kapiteln stellte sich heraus, dass ein bloßes Update den eigenen Ansprüchen nicht genügt und viele, neuere Entwicklungen unberücksichtigt gelassen hätte. So ist kein Stein des alten Materials auf dem anderen stehen geblieben und ich habe einen völlig neuen Ansatz gewählt. Die Darstellung des Systems des Pressevertriebs in diesem Band befasst sich sowohl mit den Absatzmitdern der traditionellen Printprodukte, als auch mit den neuen, digitalen Vertriebswegen zum Leser. Wie komplex der Pressevertrieb inzwischen geworden ist, mag man daran erkennen, dass der neun Absatzwege umfassende „Überblick über alle ZZAbsatzwege"1 aus dem Jahr 1985 zu einer, diesem Buch separat beigelegten, großformatigen Übersicht mit 47 Vertriebswegen mutiert ist. 500 Jahre nach Gutenbergs Erfindung der beweglichen Lettern vollzieht sich durch das World Wide Web, Internet, Multimedia und E-Commerce gerade ein folgenschwerer Wandel im Bereich der Printmedien. Die digitale Revolution, wie sie genannt wird, betrifft neben der Art und Präsentation der Presseinhalte auch die ökonomische Basis der Verlage und Handelsunternehmen. Durch die teilweise Verlagerung der Wertschöpfung in die elektronischen Medien müssen die traditio1

Vgl. Brummund 1985: 50

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Struktur und Organisation des Pressevertnebs nellen Geschäftsmodelle angepasst oder neu erfunden werden. Eine Analyse der Vertriebs sparten ermöglicht eine Einschätzung darüber, welche Bedeutung die einzelnen Absatzmitder in qualitativer und quantitativer Hinsicht für die Verlage besitzen. Gleichzeitig können auch die Auswirkungen evaluiert werden, die eintreten, wenn sich durch veränderte, äußere Rahmenbedingungen, durch Änderungen im Leistungsangebot der Handelspartner und/oder Diensdeister der Verlage, durch ein modifiziertes Leserverhalten oder durch das verstärkte Angebot konkurrierender Medien die Bedeutung einzelner Vertriebssparten zugunsten oder zu Lasten anderer Absatzwege verschiebt. Die neuartigen Verteilmechanismen des Internet spielen im III. Kapitel ebenso eine Rolle wie die starken Impulse von Multimedia aus den konvergenten Märkten. Die Pressevertriebsbranche befindet sich in einem totalen Umbruch. Dies spüren die traditionellen Absatzmitder deutlich an den nachhaltig hohen Absatzrückgängen. Hier dokumentiert sich eine für den konventionellen Pressevertrieb besorgniserregende Entwicklung. Neben der Bedrohung angestammten Geschäfts stellt der digitale Pressevertrieb aber auch eine neue Chance für die etablierten Absatzmittler dar, ihre Position zu verbessern und Marktanteile auszubauen. In Kapitel IV wird die These überprüft, ob und in welchem Ausmaß die einzelnen Absatzformen und Absatzwege miteinander konkurrieren und im Wettbewerb um Marktanteile stehen. Ob ein Wettbewerbsverhältnis gegeben ist, wird danach beurteilt, ob für die Verlage und die Verbraucher eine Austauschbarkeit der Leistungen der einzelnen Absatzmittler besteht. Verschiedene Absatzformen und Vertriebswege, der Einzelverkauf über das Presse-Grosso, den Bahnhofsbuchhandel, den allgemeinen Presse-Einzelhandel und schließlich die übrigen Absatzformen, der Abonnementvertrieb und der Lesezirkel, stehen in ständigem und intensivem Wettbewerb miteinander. Insgesamt stellen alle Absatzmitder einen immer härter werdenden Wettbewerb zwischen konkurrierenden Absatzwegen fest und verweisen hierfür auf die jeweils andere Vertriebssparte oder Aktivitäten der Verlage im Abonnementgeschäft oder im Internet. Da einem Verlag Vertriebserlöse aus mehreren Absatzmärkten zufließen, die durch unterschiedliche Leistungsangebote und Leistungsentgelte geprägt sind, wird er diejenigen Sparten forcieren, die ihm insgesamt das befriedigendste Ergebnis ermöglichen. Grundlage für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit einzelner Absatzwege ist eine Spartenkalkulation. Dabei gilt unter Beachtung des Ziels der Marktabdeckung grundsätzlich, dass ertragsstarke Sparten forciert und Absatzwege mit negativem Deckungsbeitrag abgebaut werden oder ganz auf sie verzichtet wird. So kann beispielsweise ein Rückgang der Verkäufe im Flughafen- und Bahnhofsbuchhandel ohne weiteres in engem Zusammenhang mit Verlagspräferenzen für verschiedene Formen der kostenlosen Abgabe von Zeitungen und Zeitschriften an Passagiere oder Bahnreisende stehen. Auch E-Commerce ist ein ernstzunehmender Wettbewerbsfaktor für diejenigen unter den traditionellen Vertriebssparten, die die digitale Anbahnung, Aushandlung und/oder Abwicklung von Transaktionen über das Internet XXVIII

Introduktion als Bedrohung und nicht als Chance begreifen. Für einzelne Unternehmen oder Sparten könnte der Business-to-Consumer-Onlinevertrieb zu spürbaren Umsatzund Gewinneinbußen führen oder sogar dazu, dass alte Vertriebsstrukturen ganz verschwinden. Warum soll sich der Käufer eine Zeitung bzw. Zeitschrift beim Verlag abonnieren, am Kiosk kaufen oder beim Lesezirkel mieten, wenn er sich die für ihn interessanten Inhalte auch übers Internet bestellen oder auf seinen eigenen PC, Laptop oder Handheld Computer herunterladen kann? Welche Präferenzen haben die Verlage für einzelne Vertriebssparten? In welcher Form wird der Wettbewerb zwischen einzelnen Absatzmitdergruppen ausgetragen und welches sind die Stärken und Schwächen der in Kapitel III untersuchten Absatzwege? Welche Auswirkungen haben die Verschiebungen im Distributionsmix auf die traditionellen Absatzmitder im Pressevertrieb und wie werden sich die Marktanteile durch die neuen Vertriebsmöglichkeiten verschieben? Diesen Fragen gehen wir in Kapitel IV ausführlich nach. Das vorliegende Werk ist nicht primär ein wissenschaftlicher Band, sondern ein A-Z des Pressevertriebs, ein Nachschlagewerk für Vertriebspraktiker, Verlagskaufleute, Studenten, Auszubildende, Trainees und Praktikanten, aber auch Quereinsteiger und Medienökonomen, die sich für das Thema Absatz und Vertrieb von Printmedien interessieren. Das Buch sollte nicht von Anfang bis Ende, sondern eher selektiv, d.h. nach den individuellen Bedürfnissen des Benutzers, gelesen werden. Dafür steht am Ende des Bandes als Suchhilfe ein umfangreiches und detailliertes Stichwortregister zur Verfügung. Bei allem Streben nach Vollständigkeit war es mir nicht möglich, sämtliche Aspekte und die vertrieblichen Besonderheiten aller Absatzmitder zu berücksichtigen. Schon allein aus Platzgründen habe ich beispielsweise einzelne Werbemethoden und Werbemittel für Abonnements ebenso auslassen müssen, wie wesentliche Kapitel über den Bahnhofsbuchhandel, über den ich aus Anlaß der Feier des 100. Geburtstages des Verbandes Deutscher Bahnhofsbuchhändler in der Gründungs Stadt Leipzig eine Sonder-Publikation veröffentlicht habe, die im April 2005 als Band 61 ebenfalls als Dortmunder Beitrag zur Zeitungsforschung erschienen ist. Seit dem Jubiläum sind viele neue Informationen, insbesondere eine neue Status-Erhebung des VDZ über den Bahnhofsbuchhandel veröffentlicht worden. Diese Informationen sind in den vorliegenden Band eingearbeitet. Als ergiebigste Quelle haben sich, wie schon bei Band 61, verschiedene Branchendienste mit Schwerpunkt Pressevertrieb erwiesen, allen voran „der neue vertrieb" (dnv). Die Herkunft der für die vorliegende Arbeit verwendeten Beiträge aus insgesamt achtzehn Fachzeitschriften ist an den jeweiligen Stellen des laufenden Buchtextes ausreichend (kursiv) nachgewiesen, um bei Bedarf nachschlagen zu können. Soweit Artikel keinen Verfasser aufweisen, wurden die relevanten Titel alphabetisch mit Namen und Verlagsort, nicht jedoch mit einzelnen Heftfolgen in das Literaturverzeichnis aufgenommen. Bedanken möchte ich mich bei vielen Freunden, Kollegen, ehemaligen Kollegen, Fachleuten, Beratern, Fürsprechern und Gönnern, die mir einmalig oder über XXIX

Struktur und Organisation des Pressevertriebs einen längeren Zeitraum mit den verschiedensten Auskünften und Materialien behilflich waren. Aus der langen Liste, die sich in alphabetischer Folge am Ende dieses Buches befindet, möchte ich ein paar Personen hervorheben, die mir in besonderer Weise zur Seite gestanden haben. Es sind dies Herr Konstantin Klaffke, der sich in mühevoller Kleinarbeit durch das Manuskript gewühlt und in konstruktiver Weise Änderungs- und Verbesserungsvorschläge angebracht, und mir darüber hinaus auch noch ein Vorwort geschrieben hat. Des weiteren die Herren Peter Schmidt und Hermann Schmidt, ohne deren Hilfe die Darstellung des Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels, des Lesezirkels und der Discounterbelieferung wesentlich informationsärmer ausgefallen wäre. Sehr zu Dank verpflichtet bin ich auch den Herausgebern der Dortmunder Beiträge zur Zeitungsforschung, der Institutsleiterin, Frau Toepser-Ziegert und ihrem Vorgänger, Herrn Hans Bohrmann, der meinen akademischen Weg schon seit über zwanzig Jahren als guter Freund begleitet und zu verschiedenen Anlässen vorbehaldos unterstützt und gefördert hat. Last but not least sind es zwei Damen, denen ich auf unterschiedliche Weise sehr verbunden bin, und denen ich für all ihre Kreativität und Hilfeleistung im Beruf und privat zu großem Dank verpflichtet bin. Es ist mir große Freude, dass ich immer noch auf die unvergleichlichen Dienste von Frau Birgit Jordan, der ich erstmals 1987 als Kollegin bei ip in Frankfurt begegnet bin, zurückgreifen darf. Frau Jordan hat auch die vorliegende Arbeit -wie so viele vorher- mit Schaubildern und Grafiken in gewohnt guter Qualität verschönert und aufgewertet. Meiner Frau, Freya Brummund, danke ich für die Erledigung eines großen Teils der unumgänglichen Büroarbeiten, besonders für die Dokumentation und Archivierung von 4.000 Quellen, aber auch für ihren Beistand und ihre Motivation. Dir, liebe Freya, widme ich dieses Buch! Ich danke allen genannten und nicht genannten Personen, die, egal in welcher Form, zum Gelingen dieses mit erheblichem Arbeits- und Zeitaufwand entstandenen Buches beigetragen haben. Ich hoffe, dass auch dieser Band wieder, wie seine Vorgänger, einen regen Zuspruch bei vielen interessierten Lesern erfährt.

Santanyi, im November 2005

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Peter Brummund

I. ABSATZ UND VERTRIEB Jedes güterproduzierende Unternehmen hat drei Grundfunktionen zu erfüllen: die Beschaffung von Rohstoffen, die Herstellung seiner Produkte und den Absatz dieser Produkte im Markt. Erst durch den Absatz läßt sich die privatökonomische Leistung eines Unternehmens, das Erzielen von Umsatz und Gewinn, verwirklichen, so dass dieser, vom Vertrieb wahrzunehmenden Funktion eine besondere Bedeutung zukommt. In einem Verkäufermarkt, in dem die Nachfrage das Angebot übersteigt, ist der Absatz weniger wichtig. In einem Käufermarkt hingegen, in dem das Produktangebot weitaus höher ist als die nachgefragte Menge, kann der Absatz zum Nadelöhr des betrieblichen Leistungsprozesses werden (.BreyerMailänder 2001: 111 ff). Für die Entwicklung der vergangenen Jahre ist bei Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen bzw. im Rahmen der Unternehmenspolitik im gesamten kommerziellen Pressebereich eine zunehmende Bedeutung des Vertriebs festzustellen. Lange vor dem Internet-Hype und vor dem Einbruch der Anzeigenmärkte hatten Knoche/Zerdick formuliert: „Wachsende Konkurrenz zwischen den Verlagen, informierte Käufer und Leser und weitgehende Sättigung der etablierten Teilmärkte führen zwangsläufig dazu, dass Marketing und Vertrieb eine immer größere Bedeutung für den Unternehmenserfolg bekommen, sich auf immer detailliertere Analysen stützen und deshalb ein eindrucksvolles Maß professioneller Kompetenz voraussetzen" (Knoche/Zerdick 1992: 9). Diese Einschätzung hat mit der Öffnung des Internet und der rasanten Verbreitung der Online-Medien seit Ende der neunziger Jahre ihre nachhaltige Bestätigung erfahren. Zeitungs- und ZeitschriftenVerlage sind durch das Internet mit ganz neuen vertriebspolitischen und vertriebstechnischen Herausforderungen und Chancen konfrontiert worden.

1. Die verschiedenen Absatzformen für Zeitungen und Zeitschriften Mit Blickrichtung auf den letzten Abnehmer von Presseerzeugnissen sind insgesamt fünf verschiedene Absatzformen zu unterscheiden: das Abonnement, der Einzelverkauf, der Zustellhandel, die Vermietung, die kontrollierte Verbreitung und die kostenlose Verteilung bzw. unentgeltliche Abgabe von Zeitungen und Zeitschriften.' Gegenstand des Abonnements ist ein Vertrag zwischen Käufer und Verlag oder Käufer und WBZ-Unternehmen als Dauerschuldverhältnis mit einer fest vereinbarten Kündigungsfrist. Der Vertrag sieht eine regelmäßige Belieferung des A1 In der Literatur begnügen sich die meisten Autoren mit der Darstellung der drei Formen Abonnement, Einzelverkauf und Vermietung. Vgl. beispielhaft Beck 2002: 114

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I. Absatz und Vertrieb bonnenten mit einer Zeitung oder Zeitschrift vor. Eine fallweise Kaufentscheidung je Ausgabe des Presseerzeugnisses ist nicht nötig. Im Einzelverkauf werden Presseerzeugnisse (weitgehend) flächendeckend an verschiedenen Verkaufsstellen im Einzelhandel angeboten. Der Käufer trifft eine Kaufentscheidung von Fall zu Fall neu. Der Zustellhandel ist die für Sonntagszeitungen übliche Absatzform. Der Zustellhändler baut sich einen eigenen Kundenkreis auf, den er regelmäßig per Hauszustellung beliefert. Den Verkaufspreis der Sonntagszeitung kassiert er dabei in bar. Vom klassischen Abonnement unterscheidet sich der Zustellhandel durch das Fehlen einer Dauerverpflichtung des Beziehers („Fesdesers"), vom Einzelverkauf durch den regelmäßigen Bezug der Sonntagszeitung. Bei der Vermietung schließen ein Lesezirkelunternehmen und ein Leser (ähnlich wie beim Abonnement) einen Vertrag über die regelmäßige Belieferung mit einer Lesemappe ab. Der Vertragspartner ist nicht Käufer, sondern Mieter, da die Mappe nur für eine begrenzte Zeit überlassen wird. Der Mieter erwirbt kein Eigentum an den in der Mappe befindlichen Zeitschriften. Diese werden nach Ablauf der Metzeit an andere Leser weitervermietet. Die kontrollierte Verbreitung (Controlled Circulation) ist eine Absatzform, die besonders im anglo-amerikanischen Raum, aber auch für deutsche Fach- und Zielgruppenzeitschriften an eine vom Verlag präzis definierte Gruppe von Empfängern zum Einsatz kommt. Viele Zeitungen und Zeitschriften werden kostenlos an Flug-, Fahr- und Hotelgäste abgegeben bzw. unentgeltlich in frei zugänglichen Beuteln oder Zeitungsboxen angeboten. Neben den zur Gratispresse zählenden, lokalen amtlichen Blättern, Firmen-/Kundenzeitschriften, Anzeigenblättern und Sonntagszeitungen, die kostenlos an private Haushalte, Geschäfte oder Passanten verteilt werden, hat sich auch die Zahl der Bordexemplare, d.h. Publikumszeitschriften, die unentgeltlich in Wartezonen und Flugzeugen den Passagieren angebotenen werden, drastisch erhöht. Die Absatzformen für Presseerzeugnisse sind -wie die kurzen Worterklärungen schnell zu erkennen geben- grundsätzlich verschieden voneinander und jeweils mit unterschiedlichen Vertriebssparten (Absatzmitdern) verknüpft. Auch die Wahl der Transportwege ist zum Teil durch die spezifischen Anforderungen der Absatzformen vorgeprägt, was bei der Abhandlung und Analyse der verschiedenen Vertriebs-Diensdeister (Absatzhelfer) der Verlage zu zeigen sein wird.

1.1 Das Abonnement Das Abonnement als ursprüngliche Absatz- bzw. Verkaufsform für Zeitungen und Zeitschriften betrifft die feste Vorbestellung auf eine Reihe künftig erscheinender Ausgaben und ist damit ein Vertragsverhältnis im Sinne des § 433 BGB über den Sachkauf. 2

1. Die verschiedenen Absattformen für Zeitungen und Zeitschriften Die Verpflichtung des Abonnenten zur ununterbrochenen Abnahme und Bezahlung einer Zeitung oder Zeitschrift kann nach Ablauf der vertraglich vereinbarten Bezugszeit, die in der Regel ein Jahr beträgt, ohne ausdrückliche Kündigung stillschweigend verlängert werden. Typisch für den Dauerbezug, jedoch nicht zwingend erforderlich, ist neben der Lieferung ins Haus oder ins Postfach des Abonnenten die Vorauszahlung der Bezugsgebühren. Die zeitliche Bindung an ein und dasselbe Presseobjekt wird von Tageszeitungsverlagen in der Regel durch einen im Vergleich zu der Summe der Einzelverkaufspreise ermäßigten Abonnementspreis honoriert, der zusätzliche Service der Hauszustellung also nicht gesondert berechnet. Die Preisgestaltung im Abonnementsgeschäft der Zeitschriften wird unterschiedlich gehandhabt. Teilweise liegt der Abonnementsstückpreis unter, teilweise und infolge des Aufschlags einer Zustellgebühr liegt er über dem Einzelverkaufspreis. Für Programmzeitschriften ist es üblich, bei Illustrierten häufig, dass ein im Abo erworbenes Exemplar teurer ist als im Einzelverkauf (Knoche/Zerdick 1992: 73). Eine dritte Möglichkeit besteht in der Preisgleichheit zwischen Einzelverkaufs- und Abonnementsstück. Der besondere Vorteil, der dem Abonnenten in allen Fällen geboten wird, ist nicht der gegenüber dem Einzelverkauf niedrigere Preis, sondern die Zustellung ins Haus. Die Bezugsverpflichtung im Abonnementsvertrag sichert unter normalen Umständen die regelmäßige und lückenlose Belieferung des Lesers. Ausverkäufe wie im Einzelverkauf gibt es beim Abonnement nicht. Das Prinzip der längerfristigen Bindung an einen bestimmten Titel ist am deutlichsten bei den lokalen und regionalen Abonnements-Tageszeitungen erkennbar, auf die die Leser wegen der Bereitstellung lokaler Informationen oder aus Gewöhnung und Tradition nicht verzichten wollen. Nach einer Untersuchung des Allensbacher Instituts für Demoskopie im Auftrag des BDZV interessieren sich 86 % der männlichen und 83 % der weiblichen Leser für die lokale Berichterstattung in ihrer Zeitung. Dies ist der absolute Spitzenwert in der Interessen-Skala weit vor politischen Meldungen und Berichten aus Deutschland (Risse 2001: 122). Die Unentbehrlichkeit einer Lokaloder Regionalzeitung und die Annehmlichkeit der Hauszustellung und der Preisvorteil führen fast zwangsläufig ins Abonnement.

1.2 Einzelverkauf Neben dem Abonnenten gibt es den Typ Leser, der die Abnahmeverpflichtung aufgrund der organisatorisch schwieriger zu handhabenden Abwicklung eines Abonnements (Inkasso, Reiseummeldung, Kündigung usw.) als lästig empfindet. Er wird sich für den Kauf einzelner Ausgaben entscheiden, auch wenn die dafür aufgewendeten Geldmittel in der Summe höher sind als der Abonnementspreis, und er der Träger aller Beschaffungsbemühungen und -risiken wird. Dafür ist er frei in seiner Entscheidung über Kauf oder Nichtkauf, auch hinsichtlich der Wahl 3

I. Absatz und Vertrieb der Bezugsquelle. Während der Abonnent seinen Titel bis zum Ablauf der Bezugszeit so abnehmen muß, wie er ihm angeboten wird, kann sich der Einzelkäufer täglich aufs neue entscheiden. In Branchenkreisen spricht man in diesem Zusammenhang auch von der „täglichen Abstimmung am Kiosk". Der Grund für die Wahl des Kaufs im Einzelhandel liegt entweder in der Art des Titels, der sich z.B. als Boulevardzeitung oder als Publikumszeitschrift für den spontanen Kauf und die rasche Nutzung anbietet, oder in der Aufmerksamkeitsfunktion, die sich der herausgebende Verlag von einer Auslage in den Regalen des Einzelhandels verspricht. In diesem Fall werden neue Leser an den Titel herangeführt und potentielle Abonnenten auf das Objekt aufmerksam gemacht.

1.3 Zustellhandel als Mischform aus Abonnement und Einzelverkauf Im Zustellhandel von Sonntagszeitungen ist eine Mischform aus Elementen des Abonnements und des Einzelverkaufs gegeben. Die gelegentlich zu findende, alternierende Verwendung der Begriffe „Abonnement" und/oder „Einzelverkauf' ist für die Absatzform des Zustellhandels nicht berechtigt. Die Sonntagszeitungen werden auf Wunsch des Lesers regelmäßig ins Haus gebracht und bei der Zustellung bezahlt. Die regelmäßige Zustellung wird mündlich vereinbart, d.h. der Käufer erklärt sich faktisch zu einer längerfristigen Abnahme bereit. Er hat jedoch die Möglichkeit, von Ausgabe zu Ausgabe seine Erklärung zurückzunehmen. Etwaige monatliche oder vierteljährliche Vorauszahlungen des Lesers dienen lediglich der Vereinfachung in der Abwicklung des für jedes Einzelexemplar in sich geschlossenen Rechtsgeschäfts. Da weder eine Vorauszahlung erfolgt (es sei denn aufgrund einer formlosen Vereinbarung zwischen Leser und Zusteller), noch eine Kaufverpflichtung eingegangen wird, ist diese Absatzform weder Abonnement noch Einzelverkauf. In den Merkmalen der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (IVW) wird die gesamte Verkaufsauflage von Bild am Sonntag (ca. 2,1 Mio. Expl./Ausgabe) unter der Rubrik Einzelverkauf aufgeführt, die der Welt am Sonntag (Verkaufsauflage ca. 400 Tsd. Expl.) dagegen nur zu etwa 95 Prozent. Diese unterschiedliche Handhabung erklärt sich daraus, daß die „WamS" zunächst nur über Agenturen und im Abonnement verkauft, und erst ab 1966 nach und nach in den Zustellhandel einbezogen wurde (Brummund 1985:65).

1.4 Die Vermietung von Lesemappen Mit der Vermietung von Lesemappen ist neben dem Abonnement und dem Einzelverkauf eine dritte, wichtige Absatzform für Presseerzeugnisse gegeben. Lesezirkel-Firmen stellen die einzige Handelssparte dar, die Zeitschriften an Privat-

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1. Die verschiedenen Absattformen für Zeitungen und Zeitschriften haushalte oder in öffentlichen Auslagen (Ärzte, Friseure, Gaststätten usw.) nicht verkaufen, sondern gegen eine Gebühr verleihen. Um als Lesezirkel anerkannt zu werden, macht die Satzung des Verband Deutscher Lesezirkel e.V. zur Bedingung, dass sich ein Kunde zur Abnahme von mindestens fünf in einem Lesezirkel-Umschlag eingefasste Zeitschriften verpflichtet, die Belieferung in einem wöchentlichen Rhythmus erfolgt und die gelesenen Zeitschriften zurückgeholt werden (dnv 6j 1997: 14). Von den Lesezirkelfirmen werden die Zeitschriften nach Einkaufsbedingungen und Eignung ausgewählt, direkt von den Verlagen bezogen, einzeln in strapazierfähige Schutzumschläge eingeheftet, nach dem Lesergeschmack zu Angebotskombinationen in einer Mappe zusammengefaßt, durch motorisierte Zusteller ins Haus gebracht und den Abnehmern für eine Woche vermietet. Der Ersdeser erhält die neuesten Zeitschriften, wie sie auch aktuell im Einzelhandel oder im Abonnement angeboten werden. Enthält eine Mappe ausschließlich druckfrische, d.h. noch nicht vorvermietete Zeitschriften, wird sie als „Erstmappe" bezeichnet (Dorn/Vogel 2001: 181). Die nach Ablauf einer Woche zurückgenommene Lesemappe wird auf Aussehen kontrolliert und in gutem Zustand an den nächsten Kunden weitervermietet. Dieser Vorgang wiederholt sich, bis die Lesemappe ausgelesen ist und als Altpapier recycelt wird.

1.5 Kontrollierte Verbreitung/Controlled Circulation (CC) und Wechselversand Das Gegenstück zur bezahlten Verbreitung von Presse-Erzeugnissen und eine besondere Absatzform stellen die kontrollierte Verbreitung (controlled circulation) und der durch Nuancen davon unterschiedene Wechselversand dar. Im Unterschied zu bezahlten Abonnementsstücken, die beides, Anzeigen- und Vertriebserlöse, generieren, werden kontrolliert verbreitete Exemplare kostenlos an den Empfänger abgegeben und ausschließlich durch Werbeeinnahmen finanziert. Unter „Controlled Circulation" versteht man die regelmäßige, kostenlose Verbreitung von zumeist technischen, wirtschaftlichen oder industriellen Fachoder Wissenschaftszeitschriften an einen vom Verlag unter Zielgruppen- oder Hierarchiegesichtspunkten sorgfältig definierten und qualifiziert ausgewählten Empfängerkreis, der bestimmte, offen oder in der Postanschrift verschlüsselt enthaltene Kriterien (z.B. Beruf, Bildung, Einkommen, Position usw.) erfüllen muß (Frühschüt^ 2000:95). Bekanntestes CC-Objekt in Deutschland war viele Jahre lang das für TopManager konzipierte Industrie-Magazin, bevor es durch Änderung des Titels und der Vertriebsstrategie ganz vom Markt verschwand. Kontrolliert verbreitet wird auch das Elitair Magazine für Millionäre, dessen Themenplan u.a. Tips und Tricks

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I. Absat% und Vertrieb in Sachen Entführungsgefahr, Anlageberatung und Gourmet-Food enthält, und das kostenlos an immerhin 40.000 Empfänger geht.2 Neben dem vom Verlag ausgewählten Personenkreis werden CC-Zeitschriften auch an Adressaten versendet, die sie anfordern, wenn sie zu der Zielgruppe gehören. Interessenten müssen aber entweder schriftlich bestätigen, dass sie am Bezug der Zeitschrift interessiert sind oder sich durch Ausfüllen eines umfangreichen Fragebogens für die Anzeigenkunden der Zeitschrift „qualifizieren" (Klaffke/RiedlIC laffke 1998: 41). Neben Angaben zur Position des Empfängers enthält der Qualifizierungsbogen meist auch Fragen zum Unternehmen. Beide Seiten profitieren von diesem Geschäft: Der Verlag erhält wichtige Verkaufsargumente für seine Anzeigenkunden, und der Empfänger erhält die für seinen Berufsalltag notwendigen Fachinformationen kostenlos. Einige Literaturstellen verwenden neben „Controlled Circulation" auch den Begriff „Wechselversand" für diese Form des Zeitschriftenabsatz.3 Im Unterschied zum kontrollierten, regelmäßigen Versand an eine vorgegebene Zielgruppe jedoch wird der Empfängerkreis, an den eine Zeitschrift im Wechselversand verschickt wird, entweder nur nach Themenschwerpunkten, in Versandintervallen oder im Rotationsverfahren beliefert. Ziel des entweder turnusmäßigen oder nach Themenplan vorgenommenen Wechselversands der gesamten Auflage oder eines Teiles der Auflage einer oder mehrerer Heftfolgen ist eine optimale Abdeckung einer im voraus bestimmten oder nachträglich bestimmbaren Zielgruppe (Diller 2001:1847). Basis der kontrollierten Verbreitung ist immer eine Adressliste oder Datenbank, die eine Selektion von Empfängern nach Zielgruppenkriterien ermöglicht. Hilfsweise können auch Firmenadressen mit Zusätzen wie der Funktion des Empfängers im Unternehmen verwendet werden (Diller 2001: 2365). Die Adressdatei wird regelmäßig vom Verlag überprüft und gesiebt, um zu erreichen, dass die betreffende Zeitschrift ihre Zielgruppe möglichst ohne Streuverluste erreicht. Eine Prüforganisation vergleicht anschließend stichprobenweise im Verlag die Angaben in den Qualifizierungsbögen mit den Inhalten der Adress- bzw. Empfängerdatei und kontrolliert telefonisch oder schriftlich bei den Zielpersonen, ob die vom Verlag gesammelten Daten stimmen. Weil durch diese Maßnahmen der Empfängerkreis und damit auch der Kreis der Adressaten von Werbung, die in der betreffenden Zeitschrift abgedruckt ist, mehr oder minder unter Kontrolle ist, wird für

Weitere Beispiele sind die im Computerwoche Verlag, München erscheinenden Titel Computer Partner für Mitarbeiter des IT-Fachhandels (Auflage: 21.000 Exemplare), CIO, das Wirtschafts-Magazin für Führungskräfte (Auflage: 80.000 Exemplare) oder das RetailMagazin, das mit 10.000 Exemplaren Auflage auf Mitarbeiter und Führungskräfte in Großmärkten ausgerichtet ist. 3 Vgl. für andere Klaffke/Riedl-Klaffke 1998: 41 2

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1. Die verschiedenen Absattformen für Zeitungen und Zeitschriften diese Absatzform der Begriff „Controlled Circulation" verwendet (Koschnick 1987: 131).

1.6 Die kostenlose Verteilung bzw. Abgabe von Zeitungen und Zeitschriften In jüngster Zeit werden zunehmend mehr Zeitungen und Zeitschriften neu gegründet und kostenlos an Leser abgegeben. 4 Selbst die Deutsche Post AG5 als Dienstleiter der Verlage macht ihren Kunden Konkurrenz, indem sie eine TVZeitschrift mit Namen Einkauf Aktuell gemeinsam mit Werbeprospekten einschweißt und kostenlos in Briefkästen und Postfächer in Ballungsräumen verteilt. Aber nicht die über 800 lokalen, amtlichen Blätter, 1300 Anzeigenblätter und fast 1000 Haus- und Kundenzeitschriften, die der sogenannten Gratispresse (Vogel 2001: 576 ff.) zuzurechnen sind, sollen uns im weiteren Verlauf interessieren, sondern nur die als „Sonstiger V e r k a u f bezeichneten, an Passagiere, Bahnreisende und Hotelgäste kostenlos abgegebenen Tageszeitungen und Publikumszeitschriften. Der Versuch einiger Autoren βreyer 1999: 56; Risse 2001: 159 und Schul^ 1994: 232) den Sonstigen Verkauf einer der drei Absatzformen Abonnement, Einzelverkauf oder Vermietung zuzuschlagen, ist untauglich bzw. irreführend, weil er die für die Werbewirtschaft erforderliche Differenzierung in bezahlte und unentgeltlich an Leser abgegebene Auflagenanteile unberücksichtigt lässt. Praktisch verbirgt sich hinter den Sonstigen Verkäufen die Lieferung an Hotels, Kreuzfahrtschiffe, Luftverkehrsgesellschaften, Flughäfen und Messen, die für die Abnahme größerer Stückzahlen individuell ausgehandelte Nachlässe erhalten, die die handelsüblichen Rabatte meist deutlich übersteigen. Das Abonnement dagegen beinhaltet Exemplare, die für eine bestimmte Dauer zum regulären, meist im Impressum angegebenen Einzelabonnementspreis abgenommen oder mit Nachlässen für längere Abonnementslaufzeiten, Zahlungsweise, Zahlungsrhythmus oder zeitlich limitiert zu Werbezwecken angeboten werden. Der Einzelverkauf besteht aus Exemplaren, die preisgebunden mit Remissionsrecht an den Groß- und Einzelhandel, der auch die Spezialverkaufsstellen mit einschließt, geliefert und abzüglich eines Rabatts berechnet werden. Die Vermietung von Zeitschriften an Privatpersonen und in öffentlichen Auslagen zu einem Mietpreis, der weit unter dem Wert der Einzelverkaufspreise liegt, wird in den IVW-Auflagenlisten neben Abonnement und Einzelverkauf als separate AbsatzVgl. Der unter Janke 4 5

von Dannwitz 2002; BVPG 2003: 30 ff.; von Wallenberg 2004: 47; Rüdell 2005: 33. Name des Konzerns lautet seit Oktober 2004 offiziell „Deutsche Post World Net", dessen Dach die Marken Deutsche Post, DHL und Postbank geführt werden. Vgl. 2005: 50

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I. Absat^ und Vertrieb form geführt, so dass der Sonstige Verkauf alle Exemplarmengen impliziert, die nicht Abonnements-, Einzelverkaufs- oder Lesezixkelstücke sind.

2. Einordnung des Vertriebs in die Aufbauorganisation eines Verlags Die vorherrschende Situation eines Käufermarktes hat auch bei der Einordnung des „Vertriebs" in die Organisation der Verlage zu Konzeptionen geführt, die den Absatz in den Vordergrund stellen. Die Organisation des Vertriebs hängt naturgemäß von der Größe und von dem Geschäftsumfang eines Verlages ab. Ein Großverlag wie Axel Springer, der ein auf allen Feldern agierender Medienkonzern ist, unterscheidet sich naturgemäß von einem Regionalverlag, der nur eine Tageszeitung herausgibt. Für die Bildung der Aufbauorganisation eines Verlages und die Einordnung des Vertriebs gibt es vier klassische Grundmodelle: Linienorganisation (Einliniensystem), Stab-Linien-Organisation, Funktionale Organisation (Mehrliniensystem) und Matrixorganisation. In der Linienorganisation greifen die Funktionen Redaktion, Anzeigen und Vertrieb unter dem Geschäftsführer oder dem Verleger als Geschäftsführer ineinander. Der Chefredakteur, der Anzeigenleiter und der Vertriebsleiter sind dem Geschäftsführer hierarchisch unterstellt. Vorteile der Linienorganisation sind die Einfachheit, Klarheit und Durchsichtigkeit der Organisationsstruktur sowie ihre Kommunikations-, Entscheidungs- und Anordnungsprozesse. Nachteile beruhen im wesentlichen auf der Unvereinbarkeit dieser Struktur mit dem Prinzip der Spezialisierung (Hill et al. 1976: 209): Je größer eine Verlagsorganisation wird, um so arbeitsteiliger ist sie im allgemeinen.

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2. Einordnung des Vertriebs in die Aufliauorganisation eines Verlags Bei komplexeren Verlagen mit mehreren Produkten führt das Einliniensystem deshalb sehr schnell zu einer tendenziellen Überlastung der Geschäftsführung, die neben der Leitungsfunktion noch ausreichend Zeit für die strategische Arbeit und Zukunftsplanung haben sollte. Um für Entlastung zu sorgen, können Stabsstellen ins Leben gerufen werden, die eine ausreichende Zuarbeit von Experten (Marketing, Personal, Recht, Medien- und Wettbewerbsrecht) gewährleisten (BrejerMayländer et cd. 2003: 252). Stabsstellen als Leitungshilfsstellen erfüllen Aufgaben der Entscheidungsvorbereitung, Kontrolle und allgemein der fachlichen Beratung. Sie haben keine Entscheidungs- und Anordnungskompetenz. Diese bleibt der Instanz vorbehalten, der der jeweilige Stab zugeordnet ist. (Hill et al. 1976: 197)

Abbildung 2:

Stab-Unien-Organisation

Im Unterschied zur Linien- und Stab-Linien-Organisation, bei der der Chefredakteur, der Anzeigenleiter und der Vertriebsleiter nur vom Geschäftsführer Weisungen erhält, stellt die funktionale Organisation ein Mehrliniensystem dar, bei dem jede Stelle im Verlag mehreren, übergeordneten Instanzen unterstellt ist. Unter dem Geschäftsführer agieren zentrale Fachbereichsleiter für Vertrieb, Anzeigen, Herstellung (und evtl. noch für Werbung und Marktforschung), deren Entscheidungskompetenzen entsprechend ihrer Fachkompetenz gegeneinander abgegrenzt sind. Die Vergabe von Verantwortung nach Fachbereichen bietet sich an, wenn die Verlags-Produkte und ihre Märkte stark miteinander verwandt sind (Edit 3/1978: 13). Die Nachteile des Systems beruhen auf der Mehrfachunterstellung, durch die die der Linien- und Stab-Linien-Organisation innewohnende Klarheit und Transparenz für Aussenstehende, aber auch für die einzelnen Fachbereichsleiter verlo-

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I. Absat% und Vertrieb ren geht. Nachteilig ist die im Regelfall gering ausgeprägte horizontale Kommunikation, die zu einer einseitigen Denkweise (Ressort-Denken) und zu einer Überbewertung der eigenen Aufgaben im Verhältnis zu denen anderer Fachbereiche führen kann. Bei Verlagen, die funktional gegliedert sind, ist diese Kluft häufig zwischen Fachbereichen mit primär kaufmännischer Orientierung (Vertrieb, Anzeigen) und publizistischer Ausrichtung (Redaktion) sichtbar (Breyer-Mayländer et al. 2003:99).

Abbildung 3: Funktionale Organisation Um Abteilungsblindheit und Fachegoismus als Nachteil der drei bereits beschriebenen Pyramiden-Modelle zu vermeiden, wird in größeren Verlagen seit ein paar Jahren mit funktionsübergreifenden Systemen wie zum Beispiel der MatrixOrganisation die gemeinsame Verantwortung der einzelnen Fachbereiche für den Absatzerfolg der Produkte betont. Die Matrix-Organisation ist im Unterschied zu den eindimensional-hierarchischen Systemen zwei- oder mehrdimensional. Bei der Matrixorganisation werden die Vorteile der funktionalen Gliederung (Spezialisierung, Ressourcenbündelung) übernommen. Gleichzeitig werden die Kommunikationsbarrieren zwischen den Fachbereichen überwunden, indem quer zur vertikalen Ordnung eine horizontale divisionale Dimension hinzu kommt. Die Vorteile der Matrixorganisation liegen in der größeren Flexibilität, Anpassungsfähigkeit, direkten Wegen, in der Entwicklung einer generellen Managementfähigkeit bei den Mitarbeitern und in der Entlastung der Geschäftsleitung. Als zusätzlichen Vorteil bietet sie die Möglichkeit, eine Dimension „Projekte" zu schaffen und damit zum Beispiel die Neuentwicklung einer Zeitschrift voll in die bestehende Organisation zu integrieren.

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2. Einordnung des Vertriebs in die Auflauorganisation

eines Verlags

Die Matrixorganisation hat ihren Ursprung in der Markenartikel-Industrie (BrejerMayländer et al. 2003: 252). Im Pressesektor kommt sie bei größeren ZeitschriftenVerlagen vor6,

Abbildung 4: Matrix-Organisation wenn einzelne Objekte einem Verlagsleiter zugeordnet werden, der in Abstimmung mit den Fachbereichen Vertrieb, Anzeigen, Herstellung, Werbung o.a. die wirtschaftliche Verantwortung für einen Titel oder eine Titelgruppe übernimmt. Bei breitgefächerten Objektpaletten und diversifizierenden Verlagen erfolgt unter der Geschäftsführung eine Gliederung nach Unternehmensbereichen. Dies ist sinnvoll, wenn in einem Verlag zum Beispiel Zeitungen, Zeitschriften, Anzeigenblätter, Bücher und Onlinemedien erscheinen oder der Verlag obendrein noch Hörfunk- und Fernsehaktivitäten betreibt (B reyer-Mayländer et al. 2003:2SO f.). In einem reinen Zeitschriftenverlag stehen sich die Fachbereiche und Verlagsleiter kreuzweise gegenüber. Der einem Verlagsleiter zugeordnete Vertriebsleiter hat innerhalb seines Fachbereichs (vertikal) eine koordinierende Funktion zu den zentralen Unterabteilungen des Vertriebs wie Disposition, AbonnementVerwaltung oder Vertriebs-Aussendienst. Horizontal gesehen hat der objektzuständige Vertriebsleiter im Zusammenwirken mit dem Verlagsleiter, Chefredak' Den Gedanken der Matrixorganisarion ist vor einigen Jahren Gruner + Jahr gefolgt. Vgl. Edit 3/1978: 14.

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I. Absat% und Vertrieb teur, Anzeigenleiter, Werbeleiter und Herstellungsleiter das Geschehen in die Hand zu nehmen (integratives Marketing). Dies geschieht durch Entscheidungen oder Entscheidungsvorbereitungen in Objektkonferenzen, in in denen die genannten Mitglieder des Führungsteams gemeinsam die Verantwortung für den Absatz im Leser- und Inserentenmarkt übernehmen. Die Geschäftsführung und die jeweiligen Fachbereichsleiter werden über die Ergebnisse informiert und müssen diese akzeptieren, soweit sie nicht gegen die Politik eines Fachbereichs oder des Verlages verstoßen (Edit 3/1978: 14).

Abbildung 5: Objektkonferen^ Die Matrixorganisation schafft ein Gleichgewicht zwischen Objekt- und Fachbereichsinteressen. Der Verlagsleiter kann sich auf den Objektegoismus konzentrieren, der sich mit den Kenntnissen und Interessen der einzelnen Fachbereiche auseinandersetzen muß. Im Wettstreit der Argumente wird das Optimum erzielt. Andererseits bedarf die Matrixorganisation eines bis ins letzte festgelegten Informations- und Entscheidungssystems, um Konflikte beim Aufeinandertreffen der Interessen der vertikalen und horizontalen Anweisungsbefugten an den Schnittstellen, d.h. bei den einzelnen Mitarbeitern zu vermeiden. Kompetenzkreuzungen bedürfen genauer Vorttittsregeln in den Stellenbeschreibungen. „Ansonsten wird aus Wettbewerb und Gleichgewicht Unklarheit und Chaos." (G. Sondermann, in: Edit 3/1978:14). 12

3. Außau einer Verlags- Vertriebsabteilung

3. Aufbau einer Verlags-Vertriebsabteilung Die von uns in Kapitel 2. beschriebenen Modelle der Verlagsorganisation und der Einordnung des Vertriebs haben den Charakter von Idealtypen. In den meisten Verlagen jedoch ist die Organisationsstruktur im Laufe der Jahre und Jahrzehnte den Markterfordernissen angepasst worden, so dass in der Realität fast ausnahmslos Mischformen der vier klassischen Grundmodelle anzutreffen sind.7 Eingeschlossen in die Absatzorganisation eines Verlages sind die inner- und außerbetrieblichen Einrichtungen, die dazu dienen, Zeitungen und Zeitschriften in die Nähe des Lesers zu bringen, wobei sich die Außenorganisation entweder in fremden Händen (selbständige Absatzorgane) oder im Eigentum des Verlages (unselbständige Absatzorgane) befinden kann.

3.1 Unselbständige Absatzorgane Wie in vielen anderen Branchen ist auch bei Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen die Vertriebsabwicklung mit unselbständigen Absatzorganen der Normalfall für größere Unternehmen. Zu den Organen einer Verlags-Vertriebsabteilung, die nach außen hin in Erscheinung treten, zählen neben dem Vertriebsleiter die Verkaufs- und Marketingabteilung samt Vertriebsaußendienst, die Vertriebsbuchhaltung und die Versandabteilung. Für den Aufbau einer Verlags-Vertriebsabteilung gibt es kein allgemein verbindliches oder vorbildliches Schema. Die Abbildung (aus: Handbuch Pressevertrieb 1989: 5.0, S.1) zeigt eine mögliche Organisationsform für den Vertrieb eines Publikumszeitschriften-Verlags mit nur einem oder wenigen Titeln. Bei großen Publikumszeitschriften-Verlagen mit einer Vielzahl von Titeln fuhrt die Bildung mehrerer Vertriebsleitungen nebeneinander mit einer vielleicht noch zusätzlich eingerichteten Gesamtvertriebsleitung zu komplexeren Gebilden.8

Vgl. dnv 3/1995: 6; dnv 12/1999: 28; dnv 10/2002: 20; medien aktuell 16/2002: 14 Für den organisatorischen Aufbau einer Zeitungs-Vertriebs-Abteilung vgl. Schulz 1994: 61.

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I. Absatz und Vertrieb

Abbildung 6: Aufbauorganisation einer Verlags-Vertriebsabteilung

3.1.1 Vertriebsleitung Der Vertriebsleiter, der in der Regel der Verlagsleitung oder Verlags-Geschäftsführung untersteht, ist der fachliche und disziplinarische Vorgesetzte der Vertriebsabteilung. Er ist verantwortlich für die Realisierung der Vertriebsziele des Verlages, für die Innovation und Erschließung neuer Absatzwege und Vertriebstechniken sowie für die Ergebnisse externer Diensdeister, die Aufgaben der Vertriebsabteilung übernommen haben. Im Innenverhältnis vertritt der Vertriebsleiter den Vertrieb gegenüber anderen Fachbereichen des Verlages, extern repräsentiert er Verlag und Vertrieb gegenüber

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3. Aufiau einer

Verlags-Vertriebsabteilung

den Handelspartnern im In- und Ausland sowie in Verbandsgremien und wird damit gleichzeitig zum Sprecher seines Verlages für das Gesamthaus.

3.1.2 Verkauf/Vertriebsmarketing Die dem Vertriebsleiter unterstellte Verkaufs- oder Vertriebsmarketing-Abteilung ist „das Herzstück des Vertriebs". Sie organisiert die Auflagenplanung, die Disposition der Liefermengen für die Abnehmer, die Vermarktung der Verlagstitel, die Kontaktpflege zu Handelspartnern und Verbänden durch den Innen- und Außendienst, die Verkaufsförderung im Einzelhandel und die Werbung von Abonnenten. Die für den Absatz der Produkte von der Verkaufsabteilung zu ergreifenden Marketingmaßnahmen unterscheiden sich (wie Absatzmittier und VertriebsDienstleister auch) nach den Absatzformen Abonnement, Einzelverkauf, Vermietung usw. Die größte Schwierigkeit beim Abonnement besteht darin, die zufälligen oder gelegentlichen Leser einer Zeitung oder Zeitschrift auf der Basis der inhaltlichen Qualität des Produktes in dauerhafte Abnehmer zu verwandeln 9 . Da die im PresseEinzelhandel auftretenden Leser eines Titels durch den Kauf eines Exemplares zumindest ihr grundsätzliches Interesse bekundet haben, ist diese Zielgruppe vermeintlich besonders attraktiv für die Abonnement-Werbung. Um Einzelkäufer vom Vorteil des Abonnements zu überzeugen, gibt es verschiedene Formen der schriftlichen und persönlichen Werbung 10 , mit denen wir uns inhaltlich aber nicht weiter beschäftigen wollen, sondern nur mit den diese Absatzform nutzenden Organen im Vertriebssystem der Verlage. Während besonders bei lokalen und regionalen Tageszeitungen lange die Meinung vorherrschte, dass ein Objekt mit hoher Reichweite stark genug ist, mit Hilfe von Werbung im eigenen Titel Neu-Abonnenten zu gewinnen, hat sich inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, dass es wenig sinnvoll ist, den Werbeetat primär für die Gewinnung von Lesern einzusetzen, die ohnehin schon -wennauch unregelmäßig- im Einzelhandel kaufen (Breyer-Mayländer 2001: 285), Viele Verlage werben Abonnenten daher durch Direct Mail und persönliche Ansprache über den eigenen Außendienst oder eine fremde Werbeorganisation, wobei auch Telefonmarketing zum Einsatz kommt". Früher war der verlagseigene Zeitungsträger der klassische Bezieherwerber, heute spielt er aufgrund der anonymen Zustellung am frühen Morgen und wegen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs für Neuwerbung keine „Der beste Vertriebsleiter ist deshalb der Chefredakteur." Probeabonnement, Schnupper- und Kurzzeitabonnement, Prämienwerbung, Trägerwerbung, Studentenabonnement usw. Vgl. dazu Mundhenke/Teuber 2002: 218 ff. 11 Telefonmarketing ist nach dem Internet und der adressierten Werbesendung das wichtigste klassische Direktmarketing-Medium. Vgl. dnv 19/2003: 14 9

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I. Absatz und Vertrieb Rolle mehr. Gleichwohl hat er noch immer eine werbende Funktion, denn von seiner Zustell-Qualität hängt neben dem redaktionellen Inhalt die Treue eines Abonnenten zu seinem Titel ab.12 Im Einzelverkauf muß das Vertriebsmarketing unterscheiden, ob der Wiederverkäufer oder der Verbraucher angesprochen wird. Bei den Aktionen, die auf den Letztabnehmer zielen, wird meist die Werbung in Fremdmedien genutzt ( (BrejerMayländer 2001: 287). War dies traditionell die Außenwerbung (Plakat, Transparent, Aufkleber, Leuchtreklame usw.), so hat sich das Spektrum inzwischen stark erweitert. Neben Anzeigenschaltungen in Fremdobjekten derselben Gattung wird inzwischen auch wie selbstverständlich im Rundfunk, TV, Kino und Internet für Zeitungen und Zeitschriften geworben. Bei den handelsorientierten Aktionen dominieren unmittelbar am Point of Sale zum Einsatz kommende Verkaufsförderungsmaßnahmen wie Plazierungs- oder Dekorations-Wettbewerbe sowie Verkaufshilfen unterschiedlichster Art.13 Inwieweit die Verkaufshilfen tatsächlich genutzt werden, hängt vom Umsatzinteresse des betreffenden Einzelhändlers ab und von der Kontrolle und Inspektion durch den Verlags-Außendienst. Neben den mehr kommunikationspolitischen Maßnahmen, wie Werbung und Verkaufsförderung, sind vor allem die verschiedenen Elemente der Produktpolitik von zentraler Bedeutung für das Vertriebsmarketing (Breyer-Majländer 2001: 286f.; Mundhenke/Teuber 2002: 222). Im Hinblick auf den Aushang oder die Auslage im Presse-Einzelhandel muß vor allem die Aufmachung der Titelseite optimal sein. Kaufzeitungen wie BILD oder Express u.a. versuchen, durch besonders wirksame und farbig unterstrichene Schlagzeilen auf der oberen Hälfte der Titelseite die Aufmerksamkeit potentieller Käufer zu gewinnen. In dem Bemühen um hohe Einzelverkaufsauflagen wählen auch TV-Magazine oft eine möglichst erotische Gestaltung der Titelseite. Neben der konsequenten Ausrichtung an den Leserbedürfnissen durch Erhöhung des Nutzwertes eines Produktes betreiben Verlage gezielte Aktionen zur Imagepflege und Nebengeschäfte als weitere Erlösquelle (RüdeII 2004: 39). Je nach Objektprofil bieten verschiedene Zeitungen und Zeitschriften Bücher, Hörbücher, CD-Musikserien, Themenreisen oder mehrbändige Lexika als Beigaben zum Sammeln bzw. zur Einbindung von Gelegenheitslesern an.

BDZV-Erhebungen belegen die Treue der von den Zeitungszustellern versorgten Tageszeitungsabonnenten. In 2004 betrugen die Abgänge in Westdeutschland nur 1,35 % vom Abo-Bestand, die Neuzugänge lagen bei 1,32 %. Per Saldo ergibt sich im Schnitt eine Bestandsveränderung von minus 0,03 Prozent. Vgl. BDZV 2004: 1 1 8 " Zeitungsleitern, Zeitungstürme, Zeitungsklammern, Aufstelltafeln, Händlerschürzen 12

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3. Aufoau einer Verlags- Vertriebsabteilung

3.1.3 Verlags-Außendienst Eine wichtige Rolle hinsichtlich Motivation und Kontrolle der Handelspartner nimmt der Vertriebs-Außendienst wahr. Seine Organisation und Anbindung an den Verlag unterscheidet sich von Fall zu Fall. Die Planung und Steuerung der Außendienst-Einsätze erfolgt durch eine Zentralstelle im Innendienst bzw. durch einen Außendienst-Leiter. Als Arbeitsgrundlage dient ein Wochen- bzw. Monatsprogramm, das die mit den einzelnen Handelspartnern zu besprechenden Maßnahmen und Arbeitsschritte fesdegt. Kurzfristige Aufträge erhält der Außendienst per Telefon, Fax oder auf elektronischem Wege per E-Mail. Die Aufgaben des Verlags-Außendienst ergeben sich aus den Marketingzielen der einzelnen Titel. Der Außendienst ist gehalten, diese Ziele konsequent zu verfolgen und vor Ort bei den Handelspartnern durchzusetzen. In größeren Verlagen14 arbeitet der Außendienst zumeist auf zwei Ebenen: Der Verkaufsleiter besucht die wichtigen Handelspartner im Presse-Grosso, Lesezirkel, WBZ und die Zentralen im Bahnhofsbuchhandel, der Verkaufsberater den Einzelhandel und kleinere Filialen der Bahnhofsbuchhandlungen. Mit den turnusmäßigen Besuchen des Verkaufsleiters bei den Handelspartnern wird der persönliche Kontakt zu den relevanten Firmeninhabern oder Vertriebleitern aufrecht erhalten. Neben aktuellen Themen werden objektspezifische Aktionen besprochen und vorbereitet, wie zum Beispiel Marketingmaßnahmen bei Einführung eines neuen Titels. Daneben gehören die Bezugsregulierungsanalyse, die Verteilerüberarbeitung/-prüfung, die Beobachtung der Remissionen und die Vereinbarung von Wiederauslieferungen zu dem Arbeitsgebiet des Verkaufsleiters (Steinauer 2004:35). Zu den Aufgaben des Verkaufsberaters gehört es, — in Einzelhandels- und Bahnhofsverkaufsstellen Präsentations- und Bestandskontrollen durchzufuhren, Bezugsanhebungen und Nachlieferungen zu vereinbaren, — aufgrund der Vielzahl von Titeln die Situation am Point of Sale zu analysieren, Fragen der optimalen Plazierung zu diskutieren und in direkter Zusammenarbeit mit dem Händler eine optimale Marktausschöpfung zu erreichen, — sich einen genauen Überblick über die Angebotssituation und Verkaufsentwicklung der Wettbewerber zu verschaffen, — im Rahmen besonderer Werbe- und/oder Verkaufsförderungs-Aktionen Werbematerial zu verteilen, Verkaufshilfen aufzustellen, Preise von EHWettbewerben persönlich zu übergeben und das Einzelhandels-Personal zu motivieren.

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Axel Springer, Gruner + Jahr, Verlagsgruppe Bauer. Vgl. Steinauer 2004(c): 7

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I. Absat% und Vertrieb Über die spezifischen Anforderungen an die Verkaufsleiter und Verkaufsberater hinaus ist es Aufgabe des Außendienstes, Reklamationen, abweichende Meinungen, Anregungen und Vorschläge der Handelspartner zur Vertriebsarbeit aufzugreifen, zu bewerten und an den Innendienst zu berichten. E r ist gleichzeitig Sachwalter seiner Kunden und wird bei berechtigten Wünschen und sinnvollen Anregungen versuchen, diese in seinem Verlag anzubringen. Während die größeren Verlage mit umfangreichem Objektprogramm einen qualifizierten Vertreterstab für unentbehrlich halten, können sich besonders kleinere Verlage einen Vertriebs-Außendienst aus Kostengründen nicht leisten. Andere Verlage halten einen Außendienst aufgrund der Datentransparenz und der zunehmenden Standardisierung der Handelsleistungen für einen teuren Luxus, empfinden ihn als nicht mehr zeitgemäß oder haben ihn aufgrund neuer Kommunikationsformen und Kommunikationstechniken, die es dem Innendienst ermöglichen, die Aufgaben ganz oder teilweise zu übernehmen, inzwischen abgeschafft.15 In traditionell organisierten Verlagshäusern mit Vertriebs-Außendienst wird bei rückläufigem Absatz immer mal wieder über die Notwendigkeit oder den personellen Umfang der Außenorganisation „nachgedacht". Fakt ist, dass ein Verlag mit Hilfe moderner Informationstechnologie heute auch ohne Vertriebs-Außendienst schnell reagieren kann. Die Erhebung und Kommentierung von Zahlen kann angesichts des permanenten Datenaustausches zwischen den Handelspartnern durch den Innendienst manchmal zeitnäher und kompetenter als über den Außendienst erfolgen. Die aus dem Dialog mit den Vertriebspartnern resultierenden Marketingmaßnahmen können binnen kurzer Zeit auf direktem Weg zwischen Verlag, Grosso und Einzelhandel, d.h. auch ohne Einschaltung des Außendienstes erledigt werden. Alle Informationen, die zur Optimierung des Absatzes erforderlich sind, liegen im Innendienst möglicherweise schneller vor, als wie wenn der Außendienst turnusgemäß seine Kunden besucht und an den Innendienst berichtet. Hinzu kommt schließlich die Problematik im Handel, dass bei einer Vielzahl verschiedener Titel, die einige Außendienste zu betreuen haben, die Besprechungszeit für einen Verlag oder ein Objekt relativ eng begrenzt ist. Der Außendienst war viele Jahre integrierter Bestandteil des Verlags-Vertriebs. Die Ansichten über Sinn oder Entbehrlichkeit einer solchen Organisation gehen heute weit auseinander. Problematisch ist schon allein der Umstand, dass für einen nicht flächendeckenden Besuch von rund 20.000 Einzelhändlern jährlich rund 30 Verkaufsberater beschäftigt werden müssten (dnv 1-2/2003: 37), weshalb Werbeund/oder Verkaufsförderungsaktionen im Presse-Einzelhandel vermehrt mit externen Diensdeistern durchgeführt werden (dnv 24/2004: 22). Wegen gravieren-

Die Verlagsgruppe Milchstrasse hat ihren aus 20 Mitarbeitern bestehenden VertriebsAußendienst schon 1992 aus Kostengründen abgeschafft. Vgl. dnv 12/1998: 1 4 + 1 6 15

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4. Vertriebs-Yjogistik statt Versand der Veränderungen im Presse-Einzelhandel und als Gegenpol zu solchen Konzepten haben jüngst Steinauer und Ochs ein eigenes Außendienst-Modell für den Einzelverkauf von Zeitungen und Zeitschriften über die unterschiedlichen Vertriebslinien des Presse-Einzelhandels zur Diskussion gestellt (Steinauer 2004:32).

3.1.4 Versandabteilung Die Aufgabe der Versandabteilung des Verlages, die häufig auch schlicht nur „Administration" oder „Expedition" genannt wird, besteht grundsätzlich darin, die Organisation des physischen Transportes der Verlagsprodukte zu den Kunden zu organisieren. Der Versand bedient sich regelmäßig oder in Einzelfällen praktisch aller Transportalternativen: - LKW/Klein transporter - Bahnfracht/Bahnexpress — Postpaketdienst — Kurier-/Expressdienste — Postzeitungsdienst - Luftfracht. Während der Transport der Zeitschriften zu den Handelspartnern im Inland vorwiegend auf der Straße, d.h. mit dem LKW stattfindet, muß bei Tageszeitungen mit überregionaler Verbreitung durch den fortschreitenden Wettbewerb um Aktualität häufig schon auf regionale Druckorte oder auf den Transport per Flugzeug (Luftfracht) übergegangen werden. Nach Redaktionsschluß, Druckbeginn und Übernahme der fertig produzierten Exemplare in der Druckerei, bleibt dem Versand meist nur sehr wenig Zeit bis zum Erreichen der Post-Verteilzentren, der Abfahrtzeiten der Zeitungszusteller und der Ladenöffnung im Einzelhandel.

4. Vertriebs-Logistik statt Versand Die Versandabteilung moderner Verlage firmiert heute nur noch selten als Administration oder Expedition. Stattdessen hat sich seit Anfang der achtziger Jahre mehr und mehr der recht undifferenzierte, ursprünglich militärsprachliche Begriff „Logistik" durchgesetzt. Logistik geht auf den französischen Wortstamm „loger" (unterstützen, versorgen) zurück und wird in der Betriebswirtschaftslehre und in der Wirtschaftspraxis auf all jene Prozesse angewendet, die die räumliche und zeitliche Verteilung von Gütern bestimmen (Ihde et al. 1978: 5). Der Grund für die Verwendung des Begriffs Logistik anstelle von Versand ist vor allem darin zu sehen, daß Detailleistungen beim physischen Transport von Zeitungen und Zeitschriften nicht nur vom Verlag erbracht werden können, und daß nicht nur isolierte Transport- und Lagerhaltungsvorgänge gemeint sind, sondern eine standortübergreifende, d.h. eine Vielzahl von Institutionen verbindende Funktion (Ho19

I. Absat% und Vertrieb eke/Stejfan 2003: 22). So verknüpft der Weg des Produktes Presse vom Erzeuger zum Verbraucher durch Verpackung, Transport, Lagerung und Umschlagprozesse den Verlag, Handelsbetriebe, Spediteure und Leser zu einem komplexen logistischen Kanal. Während sich der Versand früher vorrangig mit Transportaufgaben befasste, ist die körperliche Verteilung von Zeitungen und Zeitschriften heute nur noch ein Teilaspekt der Logistik, die vor einem Marketing-Hintergrund abläuft. Dieser Entwicklung entsprechend wurde die Organisation des Axel Springer-Vertrieb angepasst, der bis Juli 1994 dem für Marketing zuständigen Vorstandsmitglied unterstellt war. Nach dessen Ausscheiden wurde der Vorstandsbereich Marketing zum Geschäftsführungsbereich Marketing-Services umfunktioniert und dem neuen Vorstandsvorsitzenden unterstellt, um den Verlag strukturell und organisatorisch zu erneuern und konsequent auf die steigenden Herausforderungen konkurrierender Medien auszurichten. Im Oktober 2001 verordnete ein neuer Vorstand dem Axel SpringerVertriebsbereich eine weitere Reorganisation, durch die der Fachbereich ausgebaut und zentrale Aufgaben der bis dahin stark objektbezogenen Vertriebsorganisation zusammengeführt wurden. Übergreifende Aufgaben aus der Logistik und Marktanalyse, die früher bei den Objektvertrieben angesiedelt waren, wurden zusammengefasst und in den Fachbereich „Logistik Vertrieb" integriert, der dem Vorstand Technik unterstellt ist. Der neue Fachbereich übernahm die logistische Steuerung, die Handelsbeziehungen und die Marktanalyse für alle Objektvertriebe, die weiterhin die nationalen Marketing- und Verkaufsaktivitäten sowie die regionale Betreuung ihrer Titel verantworten. Hausintern fungiert der Fachbereich als Diensdeister. Bei objektübergreifenden Themen bildet Logistik Vertrieb nach außen die Brücke zu den Handelspartnern. Die strategische Steuerung wie auch die Koordination zwischen Fachbereich und Objektvertrieben bewerkstelligt ein Lenkungsausschuß (medien aktuell 16/2002: 14), dem der Gesamtvertriebsleiter der Zeitungsgruppe Bild, der Gesamtvertriebsleiter Welt, Welt am Sonntag, Ullstein und der Vertriebsleiter Zeitschriften angehören, deren Organisationen parallel zum Ausbau des Fachbereichs zusammengeführt, verschlankt und nach Funktionen neu geordnet wurden. Vor dem Hintergrund dezentraler Produktionsmöglichkeiten und steigender Aktualitätsanforderungen der Verlagsobjekte16 soll Logistik Vertrieb bereichsübergreifende Logistik- und Vertriebsstrategien entwickeln und im Pressemarkt umsetzen. Durch Bündelung und Konzentration zentraler Vertriebsaufgaben wie Logistik, Marktanalyse und Handelsbeziehungen bezweckt Axel Springer eine Endastung der Objektvertriebe und die mittel- und langfristige Steigerung des Absatzes Etwa ein Drittel der 120 Tsd. Verkaufsstellen, die mit Bild beliefert werden, öffnen schon um sechs Uhr früh. Vgl. dnv 12/2000: 20 16

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5. Verlagseigene

Zustellorganisationen

seiner Produkte.17 Die Reorganisation soll nicht nur die vertriebliche Qualität verbessern, sondern auch einen stärkeren Know-how-Transfer durch intensivere Kommunikation zwischen den Vertriebsbereichen ermöglichen.

5. Verlagseigene Zustellorganisationen Während Zeitschriftenabonnenten im allgemeinen im Rahmen des Postzeitungsdienstes beliefert werden, erhalten die Abonnenten von Lokal- und Regionalzeitungen ihr Exemplar durch eine, in der Regel verlagseigene Zustellorganisation, die sich aus einer mehr oder minder großen Zahl von Trägern18 zusammensetzt. Bis zu einem vom Verlag fixierten Zeitpunkt zwischen 6:00 Uhr und 7:00 Uhr morgens müssen die Träger ihre Exemplare unter Berücksichtigung von Veränderungen für den aktuellen Erscheinungstag zugestellt haben. Unter dem Gesichtspunkt der Kundenbindung kommt der verlagseigenen Zustellorganisation eine besondere Bedeutung zu." Denn bei der Zustellung durch Träger hat der Verlag einen sehr direkten Einfluss auf die Auslieferung an seine Kunden. Er kann Zustellbezirke, in denen sich die Anzahl der Abonnenten durch zusätzliche Bebauung erhöht, teilen und verkleinern, um eine pünktliche Zustellung für alle Haushalte zu gewährleisten.20 Die Größe der Zustellbezirke beträgt in etwa 150 Abonnenten pro Träger (Breyer 1999:53), variiert jedoch nach Leserdichte. Die im Abonnement institutionalisierte Beziehung zwischen Verlag und Leser bildet das Fundament für die Arbeitsweise von Abonnementzeitungen, weshalb die Akquisition von zuverlässigem Zustellpersonal eine der zentralen Aufgaben im Vertrieb von Tageszeitungen ist. Rund 17 Mio. abonnierte Exemplare werden morgens von insgesamt ca. 200.000 Zeitungszustellern zugestellt.21 Zusteller sind überwiegend Arbeitnehmer, die das Austragen von Zeitungen und Zeitschriften 17 Mitte 2003 bekam Logistik Vertrieb durch Spätandruck und technische Probleme in der Springer-Druckerei in Ahrensburg vorübergehend Probleme, BILD rechtzeitig an das Presse-Grosso auszuliefern. Um zu verhindern, daß der Lokalkonkurrent Hamburger Morgenpost früher im Einzelhandel ist, wurden in der Verlagslogistik zusätzliche Fahrzeuge eingesetzt.Vgl. dnv 25-26/2003: 8. 18 Auch als Bote oder Zusteller bezeichnet. 19 Vgl. Kap. 4.2 Verkauf/Vertriebsmarketing, Seite 12 20 Nach den Ergebnissen zweier Untersuchungen der Deutschen Marketing-Vereinigung und der TNS Emnid Mediaforschung ist für die Mehrheit der Zeitungs- und Zeitschriftenleser die Zuverlässigkeit der Zustellung wichtiger als die Aktualität. Vgl. Risse 2001: 67; www.horizont.net vom 20.5.2005. 21 In der Literatur auffindbare Angaben über die Zahl der in der Zeitungszustellung insgesamt tätigen Träger differieren häufig, weil keine offizielle Statistik existiert. Während z.B. der neue vertrieb von 94.000 Stammzustellern und 110.000 Aushilfen berichtet, spricht Risse von insgesamt ca. 160.000 Trägern. Vgl. dnv 6/96, Seite 70 und Risse 2001: 76.

21

I. Absat£ und Vertrieb weitgehend nebenberuflich durchführen22 Das in § 9 ArbZG niedergelegte Sonntagsarbeits- und Feiertagsarbeitsverbot spielt für sie keine Rolle. Nach der Ausnahmevorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 8 ArbZG dürfen Arbeitnehmer, die Presseerzeugnisse austragen, auch an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden. Verschiedene Faktoren, wie die ungünstige Arbeitszeit, die geringe Bezahlung, die körperlichen Anstrengungen aufgrund des Gewichts der zu transportierenden Exemplare, die Beeinträchtigung der Zustelltätigkeit durch unterschiedliche Witterungsbedingungen und rechtliche Normen23 deuten auf ein wenig attraktives Betätigungsfeld für Arbeitsuchende hin. Daß Zeitungen und Zeitschriften aus purer Not ausgetragen werden, ist eher selten geworden, damit aber auch der Typ des Zustellers, dessen emotionale Bindung an „seinen Verlag" besonders groß und dessen Tätigkeit für diesen Verlag auf mehrere Jahre angelegt ist. Wer heute als Zeitungszusteller arbeitet, will oder muß zeitlich begrenzt dazuverdienen. Hausfrauen, Schüler, Studenten und Personen mit einer anderen Haupterwerbstätigkeit benötigen zusätzliche Mittel zur Finanzierung einer Reise oder größerer Anschaffungen, zur Abzahlung von Raten oder zur Deckung von Ausbildungskosten. Hat die Zustelltätigkeit ihren Zweck erfüllt, wird sie aufgegeben (dnv 25/2002:21). Das Verantwortungsbewußtsein des nebenberuflichen Zustellers für eine sorgfältige Ausführung der ihm übertragenen Aufgaben ist in vielen Fällen gering. Reklamationen (wenn auch insgesamt nur im einstelligen Promillebereich) sowie Abbestellungen durch die Abonnenten nehmen zu und die Fluktuationsrate im Trägerbereich erhöht sich. Jährliche Fluktuationsraten von „1", d.h. hundertprozentiger einmaliger Wechsel der Zusteller per anno und Unterbrechungen der Zustelltätigkeit aufgrund von Urlaub oder Krankheit bringen die Improvisationskünste und das Leistungsvermögen mancher Vertriebsabteilung bis an die Grenze des Zusammenbruchs.

5.1 Probleme bei der Beschaffung von Personal für die ZeitungsZustellung Technisch gesehen bedeutet die Hauszustellung von Zeitungen und Zeitschriften einen schwer aufhebbaren Nachteil gegenüber den elektronischen Medien und stellt eine im Vergleich zu deren Informationstransport mittelalterlich anmutende Vertriebsmethode dar. Die größten Probleme ergeben sich durch die Beschaffung von Austrägern und durch die Kosten der Zustellung.

Entscheidend sind laut Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 16.7.1997 die Umstände des Einzelfalls. Vgl. BAG vom 16.7.1997: 7. 23 Arbeitsrecht, Sozialversicherungsrecht, Steuerrecht. Vgl. dazu Schaffeld 2002 22

22

5. Verlagseigene

Zustellorganisationen

Zustelltätigkeiten im Pressevertrieb sind in der Vergangenheit von vielen gesetzgeberischen Entscheidungen beeinflusst worden.24 Diskussionen und Gesetzesvorlagen der achtziger Jahre und der 1991 eingeführte Sozialversicherungsausweis zielten ebenso wenig wie die ab 1.4.1999 gültige, sozialabgabenpfliehtige Neuregelung bei geringfügigen Beschäftigungen auf die Zustellung von Zeitungen und Zeitschriften, beeinflussten diese aber ganz erheblich. Von den rund 200.000 Zeitungszustellern hatten nach Inkraftftreten der Neuregelung rund 20.000 Träger gekündigt (Risse 2001: 69 f.). Für sie lohnte sich die Zustelltätigkeit nicht mehr, obwohl verschiedene Verlage angeboten hatten, einen Teil der Abgaben zu übernehmen, nur um die Zeitungsboten zu halten. Die hohe Zahl von über 10 % Verlust an Zustellern zu kompensieren, erwies sich für die Mehrzahl der Verlage mehr als schwierig und stellte die Vertriebsabteilungen vor immense logistische Probleme zur Vermeidung von Verzögerungen oder Ausfällen in der Zeitungszustellung. Um ihre Abonnenten nicht zu verärgern, fügten manche Verlage ihrer Abonnement-Auflage Gutscheine für den kostenlosen Ersatzbezug am Kiosk bei.

5.2 Geringfügige und kurzfristige Beschäftigung von Zeitungszustellern Hinter dem Terminus „geringfügige Beschäftigung" verbergen sich zwei Arten von Tätigkeiten. Eine Beschäftigung kann wegen der Höhe des monatlichen Arbeitsentgelts (geringfügig endohnte Beschäftigung) oder wegen ihrer Dauer (kurzfristige Beschäftigung) geringfügig sein. Im allgemeinen Sprachgebrauch wurden die geringfügig entlohnten Beschäftigungen auch als „325 €-Jobs" und die klassischen Aushilfstätigkeiten wie Urlaubs- oder Krankheitsvertretung als sogenannte „kurzfristige Beschäftigung" bezeichnet. Das von der sozialdemokratischen Regierung unter Bundeskanzler Schröder ohne Weitsicht und mit wenig Fingerspitzengefühl verabschiedete Gesetz über geringfügige Beschäftigungen vom 1. April 1999 hatte den Verlagen jährliche Mehrkosten von rund 100 Mio. € beschert25 und die Arbeitsverdienstgrenze für Zeitungszusteller auf 325 € pro Monat begrenzt. Bei der Ermittlung des Betrages waren alle Arbeitsverdienste -auch die aus einem Hauptarbeitsverhältnis- zu berücksichtigen. Wurden € 325 überschritten, was immer der Fall war, wenn ein geringfügig Beschäftigter einem Haupterwerb nachging, war auch der Arbeitsverdienst aus der Zustelltätigkeit sozialversicherungspflichtig. Dann mußten Verlag und Zusteller je zur Hälfte die Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung aufbringen. (Schaffeld 2002:27 ff.)

24 25

Vgl. dazu die exzellente Darstellung von Schulz 1994: 81 ff. So BDZV-Hauptgeschäftsfuhrer Volker Schulze auf dem Zeitungskongress '99.

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I. Absat% und Vertrieb Sozialversicherungsbeiträge fielen aber auch dann an, wenn der Grenzbetrag von 325 € nicht überschritten wurde. In diesem Fall war der Verlag verpflichtet, regelmäßig zehn Prozent des Arbeitsverdienstes an die Kranken- und zwölf Prozent an die Rentenversicherung abzuführen. Die Absicht des Gesetzgebers, geringfügige Nebenbeschäftigungen prinzipiell lohnsteuerfrei zu gestalten, war ebenfalls nur unvollkommen realisiert, weil Lohnsteuerfreiheit nur dann bestand, wenn der Zusteller über keine weiteren steuerpflichtigen Einnahmen verfugte. Zu den steuerpflichtigen Einnahmen zählten aber nicht nur Arbeitsverdienste, sondern auch Mieteinnahmen und Unterhaltsleistungen (Schaffeld 2002:32). Die Auswirkungen der Gesetzesnovelle hatte das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) und die Kienbaum Management Consultans GmbH in einer Studie über die „Wirkung der Neuregelung der 630-MarkBeschäftigungsverhältnisse" untersucht (Passe 2001: 71). Dabei wurde festgestellt, dass die Neuregelung erhebliche nachteilige Auswirkungen zur Folge gehabt hatte: — Neben einer Kündigungswelle, die zum Inkrafttreten des Gesetzes über die Verlage hinwegrollte, war die Neurekrutierung von Zeitungszustellern (vor allem in der Sommer- und Reisezeit) erheblich erschwert. So mußten entweder vorhandene Boten zusätzliche Zustellbezirke übernehmen oder es mußten Vertriebsmitarbeiter, deren Aufgabe woanders lag, Zustelltätigkeiten übernehmen. — Für die Zustellung in den frühen Morgenstunden erwarten die Träger einen angemessenen Verdienst. Davon konnte keine Rede mehr sein, wenn ein Zusteller durch den Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen nur noch 160 € statt bisher monatlich 325 € erhielt. — Die Qualität der Zeitungszustellung hatte sich seit Inkrafttreten des Gesetzes erheblich verschlechtert. Die Fehlerquote war gestiegen und die Pünktlichkeit hatte nachgelassen. Das hatte insbesondere auf dem Lande wiederholt zu Abbestellungen von Abonnements geführt. — Der Kostenanstieg aufgrund der Neuregelung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse betrug durchschnittlich nur 4,3%. Die Zustellkosten der Verlage aber hatten sich durch die Abführung von Sozialabgaben um rund zehn Prozent erhöht. Um eine geregelte Zustellung vornehmen zu können, übernahmen die Verlage bei vielen Mitarbeitern die pauschale Lohnsteuer. Viele Verlage zahlten ihren Boten einen finanziellen Ausgleich, um sie zu halten. Ein aufwendiges Meldeverfahren bei der Sozialversicherung warf zusätzliche Probleme bei der praktischen Abwicklung dieser Beschäftigungsverhältnisse auf. Der Gesetzentwurf war von der Bundesregierung mit der Mißbrauchsmöglichkeit geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse begründet worden. Dies traf für das Austragen von Zeitungen aber nicht zu, denn im Zustellbereich ist es nicht möglich, mehrere Teilzeitbeschäftigungen zu einer Haupttätigkeit zusammenzufassen. Die Arbeit des Zustellers beschränkt sich auf den engen Zeitrahmen zwischen vier und sechs Uhr morgens und war schon immer eine klassische Nebenbeschäfti24

5. Verlagseigene

Zustellorganisationen

gung. Überlegungen, Zeitungssteller zu selbständigen Dienstleistern umzufunktionieren, sind aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, nach der sich Boten in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis befinden, impraktikabel.

5.3 Wiederbelebung der Zeitungszustellung durch 400 € Mini-Jobs Die Probleme in der Beschaffung von Boten und die Einengung des Abonnementsvertriebs durch höhere Zustellkosten führten nicht nur zu einer millionenschweren Belastung der Verlags-Betriebsergebnisse, sondern auch zu einer Beeinträchtigung der Informationsfreiheit des politischen Bürgers. Viele Abonnenten wollten ihre Tageszeitung -wie gewohnt- vor Arbeitsantritt lesen. An vielen Orten konnten sie dies aufgrund der durch die Gesetzesänderung verschlechterten Zustellbedingungen aber plötzlich nicht mehr. Selten zuvor war der Widerstand gegen eine Gesetzesnovelle so einmütig, entschlossen und anhaltend wie im Falle der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse. Als sich zeigte, dass die Bundesregierung auf absehbare Zeit von dieser Gesetzesreform nicht abrücken wollte, bemühten sich die Verleger-Verbände zunächst, Erleichterungen mit der Verwaltung der geringfügigen Beschäftigungen zu erreichen. Erst nach vier Jahren negativer Erfahrungen, massiver Proteste und parlamentarischer Interventionen wurde Arbeitnehmern mit Zweitjobs sowie geringfügig Beschäftigten wieder die Chance auf eine angemessene Bezahlung eingeräumt. Am 1. April 2003 traten verschiedene Änderungen in Kraft, um die Attraktivität der „325 €-Jobs" zu erhöhen und den Arbeitsmarkt zu beleben. Die wohl wichtigste Neuerung war die Wiedereinführung von pauschal versteuerten Zweitjobs. Die wöchentliche Arbeitszeit spielt jetzt keine Rolle mehr - die bisherige neben der Entgeltsgrenze noch relevante 15-Stunden-Grenze fiel weg. Die Geringfügigkeitsgrenze wurde von € 325 auf € 400 monatlich angehoben. Bis zu diesem Betrag brauchen Aushilfen keine Abgaben leisten. Die Arbeitgeber müssen allerdings seither 25 % statt 22 % des Lohnes als Sozialabgaben und Steuern zahlen.2' Der Verwaltungsaufwand, die Sozialabgaben der geringfügig Beschäftigten an die zuständigen Renten- und Krankenkassen zu überweisen, wurde durch eine zentrale Einzugsstelle ersetzt (jung/Thiemann 2003: 8f.). Die positiven Auswirkungen der neuen Gesetzgebung bekamen Zusteller wie Verlage sofort zu spüren. Während vor der Gesetzesänderung für eine Aushilfe Gesamtkosten in Höhe von 834 € anfielen, muß ein Verlag jetzt nur noch 500 € im Monat zahlen, und der geringfügig beschäftigte Zusteller erhält durch die neuen Regelungen einen wesentlich höheren Nettolohn. Dadurch gewinnen die Verlage wieder mehr potentielle Bewerber für die Zeitungszustellung, deren Zahl

26 Zwölf Prozent pauschale Rentenversicherungsbeiträge, elf Prozent pauschale Krankenversicherungsbeiträge und zwei Prozent Pauschalsteuer.

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I. Absatz und Vertrieb vielerorts über die der freien Stellen hinausgeht, und sie erreichen durch den Wegfall der 15-Stunden-Grenze eine höhere Kontinuität und Qualität, weil die Mitarbeiter in großen Zustellbezirken nicht mehr während des Monats gewechselt werden müssen. Seit Inkrafttreten der Neuregelung über geringfügige Beschäftigungen (400 € Mini-Jobs) hat sich nicht nur die Zustellersuche vereinfacht, sondern auch die Qualität der Bewerber verbessert, was die Zustellqualität beträchtlich erhöht und die Reklamationsquote spürbar reduziert hat (dnv 9/2003:47f.).

5.4 Die Belieferung von Abonnenten durch Agenturen Für die Betreuung und Belieferung seiner Abonnenten kann der Verlagsvertrieb selbst oder ein Serviceunternehmen sorgen. Typisch für lokale/regionale Abonnementszeitungen ist die sogenannte Agenturauslieferung. Agenturen sind dem Verlag vertraglich verpflichtete Kleinunternehmen bzw. Träger, die in einem bestimmten Ort oder innerhalb eines deutlich abgegrenzten Zustellbezirks die Belieferung von Abonnenten organisieren (Knoche jZerdick 1992: 30). Sie arbeiten grundsätzlich nach den Weisungen der Vertriebsabteilung. Ihre Vergütung richtet sich nach der Anzahl der pro Monat zugestellten Abonnements.27 In ländlichen Gebieten erhalten die Zusteller statt eines Stück- einen Fesdohn pro Monat. Eine Stücklohnregelung würde dort, wo die Entfernungen zwischen den einzelnen Abonnenten größer sind, zu unbefriedigenden Ergebnissen für den Zusteller führen. Die enge vertragliche Bindung der Zusteller an einen Verlag schließt Konkurrenzobjekte auf dem Weg zum Leser häufig aus, weil die Agenturen meist exklusiv für eine Zeitung tätig sind. Walter J. Schütz hat mit seinen Zeitungsstichtagsuntersuchungen nachgewiesen, daß es in Deutschland eine große Zahl von Zeitungen gibt, die für ihr Verbreitungsgebiet ein absolutes Informations- und Anzeigenveröffentlichungsmonopol besitzen, wie z.B. im Saarland, wo die Saarbrücker Zeitung alleinige Regionalzeitung ist. Nach den Untersuchungen von Schütz sind 45 % der Kreise und kreisfreien Städte mit insgesamt 33 % der Bevölkerung Einzeitungskreise ohne Zeitungswettbewerb. Im Unterschied zu Österreich, wo der Verlag des "Standard" versuchte, seinen Wettbewerber Mediaprint (Kronen Zeitung, Kurier) auf Aufnahme in die Hauszustellung zu verklagen, sind derartige Auseinandersetzungen in Deutschland nicht bekannt.28

27 Der durchschnittliche Trägerlohn der 6 χ wöchentlich erscheinenden lokalen/regionalen Abonnementszeitungen betrug 2004 pro Abonnement und Monat in den westdeutschen Bundesländern € 2,40 und in Ostdeutschland € 1,82. Vgl. BDZV 2004: 99+101. 28 Vgl. Kamp/Kersting/Kröger, Journalistengewerkschaft, in: Handelsblatt vom 15.10.96 zitiert bei Breyer 1999: 53.

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5. Verlagseigene

Zustellorganisationen

5.5 Kooperationsformen im Vertrieb von Abonnement-Zeitungen Schon in den siebziger Jahren gab es umfangreiche Versuche zur gemeinschaftlichen Hauszustellung mehrerer Zeitungen aus Verlagen, die rechtlich voneinander unabhängig sind. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) hatte seinen Mitgliedern die drei Modelle Zustelldienst, Vertriebsgemeinschaft und Vertriebsgesellschaft für eine Kooperation im Zeitungsvertrieb vorgeschlagen βDZV 1973; Brummund 2005:421).

5.5.1 Zustelldienst Der Zustelldienst ist die lockerste Form der Kooperation. Ein Verlag, meist der Marktführer, übernimmt mit seinen Trägern die Zustellung der Abonnementsexemplare aller Partnerverlage und sonstiger Interessenten. Mit Hilfe der Zustellorganisation einer Lokal- bzw. Regionalzeitung können überregionale Tageszeitungen wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Welt, Handelsblatt oder die Frankfurter Rundschau Teile ihrer Abonnementsauflage ohne Bedenken zustellen lassen, weil zwischen den Partnern in der Regel keine Wettbewerbsbeziehungen bestehen, d.h. die überregionale Zeitung wird meist als Zweitzeitung gelesen. Der Zustelldienst hat für beide Seiten Vorteile. Der Vertrieb der Lokal-/ Regionalzeitung erzielt durch die Zustellung von Fremdobjekten zusätzliche Beiträge zur Deckung seiner Fixkosten. Und die überregionale Zeitung bekommt (durch vorgezogenen Redaktionsschluß und Anbindung an existierende Transportnetze) eine vergleichsweise günstige Möglichkeit der Frühzustellung, die die Post nicht bietet und die der eigene Vertrieb aufgrund der geringen Abonnentenzahl in vielen Gegenden nur sehr schwer und kostenaufwendig selbst organisieren könnte. Nach dem Ergebnis einer sich auf das gesamte Bundesgebiet beziehenden Umfrage des BDZV kooperieren die überregionalen Zeitungen bei der Zustellung mit bis zu 166 Regional- und Lokalzeitungen, mit deren Hilfe sie über 300.000 Exemplare täglich zustellen lassen (Medienbericht '94: 142).

5.5.2 Vertriebsgemeinschaft Die Vertriebsgemeinschaft ist eine Interessengemeinschaft gleichberechtigter Verlage, die gewisse Bereiche des Vertriebs, vor allem die Zustellung als Aufgabe an die Gemeinschaft abtreten. An manchen Orten ist es unter gesellschaftsrechtlicher Beteiligung der teilnehmenden Verlage gelungen, eine gemeinsame Zustel-

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I. Absatz und Vertrieb lung mehrerer lokaler und regionaler Zeitungen zu organisieren.2' Beispiel hierfür ist die Zustellkooperation der drei Frankfurter Tageszeitungen Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau und Frankfurter Neue Presse ßreyer 1999: 53). Ahnliche Lösungen gibt es auch zwischen Süddeutsche Zeitung und Münchner Merkur, Rheinische Post und Westdeutsche Zeitung sowie zwischen den beiden in Bielefeld beheimateten Zeitungen Neue Westfälische und Westfalenblatt (Risse 2001: 75). In Gebieten, in denen eine Übereinkunft mit einem lokalen/regionalen Partner nicht erzielt werden kann, werden bei Vorhandensein weniger Abonnenten die Zeitungen durch die Post zugestellt. Die Deutsche Post AG bietet zwar eine flächendeckende Zustellmöglichkeit an, doch ist über diesen Versandweg nicht immer eine Frühzustellung oder tagesaktuelle Auslieferung gewährleistet, was von den betroffenen Verlagen als Wettbewerbsnachteil angesehen wird. Eine von Breyer durchgeführte Erhebung ergab, dass überregionale Zeitungen aus diesem Grunde versuchen, möglichst wenige Exemplare über den Postweg zu befördern. Mit Hilfe von Partnerverlagen beliefern die überregionalen Verlage 43%, mit eigenen Zustellorganisationen 39%, mit der Post aber nur 18% aller ihrer Abonnenten. (Breyer 1999:87).

5.5.3 Selbständige Agenturen und Vertriebsgesellschaften Überregionale Abonnementszeitungen unterhalten nur für einen Teil ihrer Auflagen ein eigenes Zustellnetz. Neben verlagseigenen Agenturen in Hamburg, die alle überregionalen Zeitungen mit Ausnahme der konkurrierenden Frankfurter Allgemeinen Zeitung zustellen, kooperiert auch Die Welt außerhalb ihres Hauptverbreitungsgebiets mit lokalen und/oder regionalen Abonnementszeitungen. In England, Frankreich, Belgien und Luxemburg nutzt Die Welt seit vielen Jahren die Diensdeistungen selbständiger Agenturen, um ihre Abonnenten am Erscheinungstag per Boten zu beliefern. Selbständige Agenturen betreuen nicht nur die Abonnenten des Verlags, offerieren seine Serviceangebote oder wickeln das Anzeigengeschäft vor Ort ab, sondern sind auch häufig werblich für ihn tätig. Betriebswirtschaftliche und betriebsverfassungsrechtliche Überlegungen haben dazu geführt, dass einige Verlage ihre gesamte Zeitungszustellung externen Vertriebsgesellschaften überlassen.30 Kennzeichnend für Vertriebsgesellschaften ist, Die Vertriebsgemeinschaft wickelt nur die Hauszustellung ab, die AbonnementVerwaltung und die werblichen Aktivitäten, wie die Abo-Neugewinnung, bleibt in der Hand der Verlage. 30 Probleme könnten bei der Interessenvertretung der Mitarbeiter dadurch entstehen, dass der Betriebsrat durch die zahlenmäßig überlegenen Zusteller dominiert wird. Vgl. BreyerMayländer et al 2003: 100. 29

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5. Verlagseigene Zustellorganisationen dass sie nicht nur den gesamten Abonnement-Vertrieb (Zustellung und Verwaltung), sondern zur Auslastung der Agenturen und des Zustellpersonals auch Diensdeistungen für Dritte übernehmen (BDZV 1973: Modell III). Die Verlage Tagesspiegel (Holtzbrinck) und Ullstein GmbH (Axel Springer) hatten 1993 für den Westteil der Stadt die BZV Berliner Zustell- und Vertriebsgesellschaft für Druckerzeugnisse bmH gegründet. Im Jahr 1996 stieg die Berliner Zeitung (Gruner + Jahr), bis dahin Alleingesellschafterin der nur im Ostteil Berlins tätigen W W Werbevertrieb-, Verwaltungs- und Beteiligungs-GmbH, als weitere Gesellschafterin in die BZV-Vertriebsgesellschaft ein. Im Zuge eines Austausche der Geschäftsanteile halten die drei Verlage seitdem jeweils ein Drittel des Gesellschafterkapitals von BZV und W W . 3 1 Die Gesellschafter der B Z V / W W (Holtzbrinck/Springer/Gruner+Jahr) betrachten die gemeinsame Vertriebsgesellschaft als ein Diensdeistungsuntemehmen, das die Zustellung am Markt einkauft und als Systemführer für die Qualitätsstandards und deren Einhaltung Sorge trägt. Die B Z V / W W arbeitet mit 21 selbständigen Agenturen zusammen, die als Einzelfirmen die volle Verantwortung für genau abgesteckte Zustellgebiete haben. Im Rahmen der vertraglich definierten Qualitätsvorgaben können die Agenturen frei unternehmerisch walten und die insgesamt rund 2.500 Zusteller steuern und betreuen. Für die Datenkommunikation zwischen den Verlagen, der B Z V / W W und den 21 Agenturen betreibt die Vertriebsgesellschaft als EDV-Hardware eine IBM AS 400, über die die Verlage32 die Liefermengen und Veränderungen im Abonnentenstamm melden, über die die Daten geprüft, pro Agentur und Zustellbezirk verarbeitet und bis 18.00 Uhr über gesicherte Internetverbindungen an die Agenturen weitergeleitet werden. Als Diensdeistung für Dritte stellt die Vertriebsgesellschaft auch Warenhaus- bzw. Versandkataloge zu (Bramfeld 2002:98).

5.6 Neutralität und Wettbewerb in Vertriebskooperationen Da die verlagseigene Zustellorganisation bei einer hohen Haushaltsabdeckung einen Wettbewerbsvorteil darstellt, den sich jede Zeitung erhalten will, erhöht das Praktizieren einer der drei genannten Kooperationsformen den Konkurrenzdruck und das Risiko der Abwerbung von Abonnenten. Unabdingbar für eine Kooperation ist deshalb die Neutralität des diensdeistenden Verlages oder der beauftragten Vertriebsgesellschaft. Eine spürbare oder wahrscheinliche Veränderung der Die Kooperation zwischen Holtzbrinck und Gruner+Jahr wurde ab Mai 2002 in den Kreisen Hoyerswerda und Weißwasser ausgebaut, indem für die Zustellung der Sächsischen Zeitung (G+J) und der Lausitzer Rundschau (Holtzbrinck) eine weitere gemeinsame Vertriebsgesellschaft gegründet wurde. Vgl. medien aktuell 27/2002: 3 32 Auch die „linke" TAZ lässt ihre Berliner Abonnements über die B Z V / W W zustellen. Vgl. dnv 18/2002: 36. 31

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I. Absat% und Vertrieb Marktanteile würde die Zusammenarbeit der beteiligten Verlage empfindlich stören und letztendlich das Ende dieser Zusammenarbeit und der damit verbundenen Synergieeffekte bedeuten. Eine Vertriebskooperation zwischen konkurrierenden Verlagen hat erhebliche Interessenunterschiede zu überwinden (Medienbericht '94: 142). Diese Erfahrung machte die Süddeutsche Zeitung (SZ) im Sommer 2001 in der Zusammenarbeit mit einzelnen Partnerverlagen im bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen, in dem die SZ bis dahin nur 30.000 ihrer täglich 437.000 Exemplare verkaufte. Unter dem ehrgeizigen Motto „Seit 56 Jahren gibt es NRW - Langsam Zeit für eine eigene Zeitung" warb die SZ mit einem achtseitigen Regionalteil und hoffte, mit einer auf über zwanzig Redakteure aufgestockten Landesredaktion, in vier bis fünf Jahren bis zu 20.000 neue Abonnenten gewinnen zu können (dnv 2/2002: 13). Daraus wurde zunächst nichts, weil die vier wichtigsten von insgesamt 15 Kooperationspartnern in Nordrhein-Westfalen, die bis dato die Hauszustellung bei mehr als zehntausend „SZ"-Abonnenten besorgten, die Vertriebsgemeinschaft bzw. die Diensdeistungsverträge zum 1. Januar 2002 kündigten. Die Verlage Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ), Rheinische Post, Girardet (Westdeutsche Zeitung) und DuMont Schauberg waren trotz des monatlichen Deckungsbeitrags von ca. € 6 pro Abonnement nicht mehr bereit, die Süddeutsche Zeitung gemeinsam mit ihren Produkten zuzustellen, weil es die SZ gewagt hatte, ihre Position als Zweitzeitung zu verlassen und den Regionalpartnern publizistisch Konkurrenz zu machen. Um die durch die aufgekündigten Kooperationen mit Partnerverlagen belieferten Abonnenten ab Januar 2002 aus eigener Kraft bedienen zu können, war die SZ gezwungen, kurzfristig eine € 750.000,00 teure, eigene Zustellorganisation „auf die Beine zu stellen". Zusammen mit der Bremer Pressespedition Reppenhagen, die ebenso wie die Süddeutsche Zeitung 50% Anteile an der Gesellschaft hielt, gründete der Süddeutsche Verlag das Gemeinschaftsunternehmen Reppenhagen Verlagsauslieferungs-GmbH, deren operative Leitung der langjährige Logistik-Partner der Süddeutschen Zeitung inne hatte (Pollakomky 2001: 108). Im März 2003 stellte die Süddeutsche Zeitung ihren Regionalteil für Nordrhein-Westfalen wieder ein. Zwar hatte die SZ ihren Verkauf in NRW um 10.000 Exemplare steigern können, auf Dauer wäre das Produkt aber wegen der hohen Vertriebskosten nicht zu refinanzieren gewesen. Nach der Einstellung des Regionalteils gelang es der Süddeutschen Zeitung, die meisten der damaligen Vertriebspartner zurück zu gewinnen. Zum 1. August 2003 wurde (mit Ausnahme von DuMont Schauberg) die Vertriebskooperation erneut aufgenommen. Damit liegt der SZ-Vertrieb in Nordrhein-Westfalen wieder in der Hand von dreizehn Verlags- und Agenturpartnern (dnv 6-7/2003:8f.).

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5. Verlagseigene

Zustellorganisationen

5.7 Strassenhandel Zeitungen und Zeitschriften kommen nicht nur über Agenturen, Zustelldienste, Vertriebsgemeinschaften und Vertriebsgesellschaften zu ihren Lesern. Auch der Verkauf auf der Straße deckt einen Teil der Gesamtauflage ab. Im Vergleich zu den bisher angesprochenen Vertriebsformen handelt es sich zwar nur um einen kleinen Teil des Auflagenkuchens", wichtig jedoch -wie bei allen Einzelverkaufsakdvitäten- ist beim Straßenverkauf der mit dem Angebot durch mobile Verkäufer verbundene, werbliche Aspekt für das Verlagsprodukt unmittelbar nach dessen Fertigstellung. In England, Frankreich und den USA spielte der Straßenhandel von jeher eine bedeutsame Rolle, während in Deutschland das Abonnementssystem vorherrschte. Verlagshäuser in der Reichshauptstadt Berlin waren um 1900 die ersten, die Straßenhändler einschalteten, die auf potentielle Käufer zugingen und nicht darauf warteten, bis diese zu ihnen kamen. Der Ullstein Verlag erkannte als erster, dass eine erfolgreiche Straßenverkaufs-Zeitung nicht nur eine neue vertriebliche, sondern vor allem auch eine andere redaktionelle Konzeption in Verbindung mit einem auffälligen Layout voraussetzte. Diese bei Boulevardzeitungen bis heute gebräuchliche Formel 54 wurde erstmalig 1904 für die B.Z. am Mittag verwendet und verlieh dem Vertrieb einen bis dahin nie erlebten Impuls. Die anderen großen Berliner Verlage, die ihre Zeitungen bis dahin nur an Abonnenten verkauft hatten, zogen rasch nach und versuchten verstärkt, ihre eingeführten Titel auch im Straßenverkauf abzusetzen, indem sie ihnen inhaltliche Veränderungen und ein auffälligeres Layout verliehen (,Schul.% 1994: 28 ff.). Der Scherl-Verlag platzierte ebenso wie seine Wettbewerber Ullstein und Mosse an belebten Plätzen und Straßen jeweils eigene Händler. Dabei ging es nicht allein um den Verkauf der Zeitungen, sondern auch um die Präsenz der Verlage in der Stadt, weshalb sie ihre Straßenhändler wenig später in unterschiedlichen Farben uniformierten (Dorn/ Vogel 2001:

74). Großstadtzeitungen und andere Regionen wetteiferten den Berliner Verlagen nach. Doch erst mit dem Erscheinen von Bild im Jahr 1952 entwickelte sich aus den Großstädten heraus der bundesweite Absatz von Zeitungen über vom Verlag eingesetzte Straßenhändler. Der Verkaufspreis der Boulevardzeitungen war von Anfang an von besonderer verkaufspsychologischer Bedeutung. Der meist plakative Eindruck des Preises im Titel hatte verkaufstechnische Gründe. Die Heraus-

Bei den lokalen und regionalen Tageszeitungen hält er sich mit etwa 1-2 Prozent der Einzelverkaufsauflage in engen Grenzen. Vgl. Schulz 1994: 259. 34 Das Generalanzeigerprinzip. Vgl. dazu Brummund/Schwindt 1982: 113 f.. 33

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I. Absat£ und Vertrieb gäbe von Wechselmünzen war für den Straßenhändler genauso lästig, wie die Annahme kleiner Münzen für den Käufer. Der Groschen, den Bild über viele Jahre kostete, war geradezu ideal und in Verbindung mit dem einzelverkaufsspezifischen Zeitungsinhalt gewissermaßen eine Garantie für den sensationellen Erfolg dieser Zeitung (Schuld 1994: 31). Jede Abweichung vom „runden" Preis wäre damals für die bundesweite Ausdehnung von „Bild" schädlich gewesen, weshalb der Verleger, Axel Springer, Anfang der 60er Jahre Bundesregierung und Bundesbank mit Nachdruck gebeten haben soll, neben dem Groschen auch ein 15-PfennigStück zu prägen und in Umlauf zu bringen. Springer befürchtete, dass eine Erhöhung des Verkaufspreises von Bild auf fünfzehn Pfennig schon allein wegen der Wechselgeld-Problematik den Verkauf seiner Zeitung stark behindern würde (Schuld 1994:31).

5.7.1 Ambulanter Handel und Sonderhandel Uniformierte Straßenhändler, die den Einzelverkauf von Zeitungen ohne aufwendiges organisatorisches Zubehör und Geschäftsraum betreiben, kommen in den Erscheinungsformen „Ambulanter Handel" und „Sonderhandel" vor. Während der ambulante Händler mehrere Titel verschiedener Verlage anbietet, ist der Sonderhändler exklusiv für einen einzelnen Verlag oder einen Titel tätig. Als sog. Zuschusshändler erhält er zusätzlich zum Rabatt ein Fixum und verkauft für eigene Rechnung. Er wird vertraglich verpflichtet, nur die Objekte eines Verlages anzubieten. Für den ambulanten Straßenhändler besteht keine feste Bindung an ein Objekt. Als sog. fliegender Händler" mit häufig wechselndem Standort kann er verschiedene Zeitungen und Zeitschriften dort anbieten, wo er möchte, sofern sich hinsichtlich der Verkaufsplätze nicht ein Gewohnheitsrecht unter den konkurrierenden Straßenhändlern herausgebildet hat." Ambulante Händler und Sonderhändler werden nicht nur von Boulevardblättern, sondern auch von solchen Verlagen beschäftigt, die den überwiegenden Teil ihrer Auflage im Abonnement verkaufen, wie z.B. vom Südkurier in Konstanz und Friedrichshafen (dnv 3/2003: 21 f.). Der Einsatz der Strassenhändler, die meist in der Uniform (Schirmmütze, Jacke, Shirt, Zeitungs- und Geldtasche) des jeweiligen Verlages oder Zeitungstitels gekleidet und für Städte wie Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt oder München typisch sind, findet im Abend- und Nachtverkauf von hochaktuellen Ausgaben auf U-Bahnhöfen oder in S-Bahnen36 sowie an Verkehrsknotenpunkten, wie Straßenkreuzungen (sog. Stauverkauf) oder auf Bahnhofsvor-

Zu den verschiedenen Formen des Straßenhandels vgl. Brummund 1985: 62 f. Im Abend- und Taghandel Berlins sind über 200 ambulante und Sonderhändler im Einsatz. Vgl. dazu dnv 15-16/2004: 18.

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5. Verlagseigene

Zustellorganisationen

plät2en statt.31 Sonntagszeitungen werden regelmäßig, Boulevardzeitungen meist nur am Abend vor dem Erscheinungstag durch uniformierte Straßenhändler angeboten.' 8 Der Abendverkauf nach Ladenschluß ist für Tageszeitungen, Stadtzeitungen und Szeneblätter besonders dort lohnend, wo eine Veranstaltungs- und „Kneipenkultur" existiert. Im Frühverkauf werden in Bussen und Bahnen des öffentlichen Personennahverkehrs schon vor Ladenöffnung und vor den Werktoren großer Industrieunternehmen ab 4:30 Uhr Zeitungen angeboten (Keppel 1995: 24). An Wochenenden oder aus einem besonderen Anlaß heraus begegnen Verlage darüber hinaus den zu Großveranstaltungen oder Kundgebungen strömenden Besuchern mit einem Zeitungsangebot über Sonderhändler. So wurden z.B. im Zuge der deutschdeutschen Grenzöffnung im November 1989 und aus Anlaß der DDR-Wahlen am 18. März 1990 für die Zeitungen der Axel Springer AG Sonderhändler an allen Grenzübergängen und in Ost-Berlin eingesetzt. Vom Springer Verlag stammt auch der Nachweis, dass bei Schließung einer Presse-Verkaufsstelle ca. nur 85 % der dort verkauften Exemplare in benachbarten Verkaufsstellen abgesetzt werden. Die übrigen 15 % würden verloren gehen (dnv 21/2002: 20), wenn nicht Straßenverkäufer den Rückgang an PresseEinzelhändlern kompensieren. In der Innenstadt von Frankfurt/Main setzte Springer in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Grossisten seit Jahren mit großem Erfolg ambulante Strassenhändler ein, um die Unterdeckung an Presseverkaufsstellen auszugleichen. Auf aufklappbaren Tischen wurde ein kleines Pressesortiment präsentiert, welches solide Umsätze erwirtschaftete, jedoch an Attraktivität zu wünschen übrig ließ. Nachdem die städtischen Ordnungsbehörden den ambulanten und Sonderhandel im Innenstadtbereich untersagt und ein Bußgeldverfahren eingeleitet hatten, sorgen seit März 2005 mehrere mobile, speziell für den Presseverkauf gefertigte Lastenfahrräder („press bikes frankfurt") für ein zusätzliches Presseangebot (dnv 6/2005: 35). Straßenhändler in Orten mit über 10.000 Einwohnern und ausländische Arbeitnehmer aus Nicht-EG-Ländern, die sich im Straßenhandel betätigen, benötigen gemäß § 55 Gewerbeordnung (GewO) eine Sondererlaubnis (Reisegewerbekarte), die die örtlichen Ordnungsämter gegen Vorlage eines polizeilichen Füh-

Die „Hamburger Morgenpost" beschäftigte bis zur Ausgliederung des Straßenverkaufs auf einen selbständigen Dienstleister zwischen 50 und 60 solcher „Nachthändler". Vgl. dnv 21/2002: 21. Inzwischen wird der Straßenhandel gemeinsam mit „Bild" und „Hamburger Abendblatt" betrieben, um Kosten zu sparen bzw. die Standortzahl erweitern zu können. 38 Seit Ostern 1999 gibt Axel Springer auf dem hart umkämpften Münchener Zeitungsmarkt eine „Bild 19 Uhr-Ausgabe" heraus, die sonntags bis freitags in den Abendstunden über Sonderhändler angeboten wird. Während die Konkurrenz permanent an Auflage verlor, konnte Springer seine Verkaufsrückgänge durch die Abendausgabe kompensieren. 37

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I. Absat% und Vertrieb rungszeugnisses ausstellen.3' Diese Vorschrift für den Straßenverkauf hat das Bundesverwaltungsgericht in Karlsruhe in einem Urteil vom 7. August 2001 bestätigt. Eine Mannheimer Presse-Vertriebfirma war mit ihrer Auffassung unterlegen, dass aufgrund der Meinungs- und Pressefreiheit der Handverkauf von Zeitungen in Stadtzentren und Fußgängerzonen erlaubnisfrei ist (Frankfurter Rundschau vom 8.8.2001:21).

5.7.2 Zeitungsverkaufs-Automaten Im Straßenhandel waren bis vor etlichen Jahren noch etwa 2.000 Personen tätig (Ronneberger/Möst/ 1973: 43). Nehmen wir an, dass diese Zahl in etwa gleichgeblieben ist, entfallen allein auf das Angebot von Bild etwa 800 Sonderhändler mit 80.000 Exemplaren täglichem Verkauf (dnv 15-16/2004: 19). Ähnlich wie bei der Abonnementszustellung ist mit der Zeit auch im Einzelnummernverkauf auf der Straße das Problem entstanden, geeignete Verkäufer zu finden. Verschiedene gesetzgeberische Maßnahmen haben die Verdienstmöglichkeiten im Straßenverkauf behindert und die Verkäuferrekrutierung erschwert (,Schul.^ 1994: 81 ff.). Hinzu kam, daß auch mit dem stationären Einzelhandel, besonders auf Messen, während der Urlaubszeit oder im Nachtverkauf, nicht immer eine vollständige Abdeckung einzelner Märkte erreicht bzw. punktueller Bedarf befriedigt werden konnte. In den Verlags-Vertriebsabteilungen wurde diesem Problem recht frühzeitig Beachtung geschenkt (Schu/% 1994: 182) und es kam zur Besetzung der weißen Flächen mit sog. „Stummen Verkäufern", um möglichen Umsatzeinbußen wirksam zu begegnen. Uberall dort, wo Warte Situationen auftraten oder starker Publikumsverkehr herrschte, in fußgängerreichen Zonen, S-Bahn-Stationen, an Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel, in Krankenhäusern, Einkaufszentren oder vor Werktoren wurden -zunächst nur als Provisorium, später als ständige EinrichtungVerkaufsautomaten postiert. Dies waren Plätze, an denen früher ein Straßenhändler stand. In amerikanischen Städten gehören Zeitungs-Verkaufsautomaten an Straßenkreuzungen zum Alltagsbild. Hierzulande findet man sie überwiegend in den großen Städten, in denen ausgeprägter Zeitungs-Wettbewerb herrscht. Bekannt und seit langem eingeführt sind sie in Düsseldorf, Köln, Bonn, Frankfurt und München, wo sie in Abhängigkeit vom Wettbewerb, vom Titel oder von der individuellen Verkaufssituation entweder direkt vom Verlag, vom örtlich zuständigen Grossisten oder von Einzelhändlern, die über eine hohe Kundenfrequenz verfügen,

Der Gebührenrahmen liegt zwischen € 50 und € 500 je nach Gültigkeitsdauer der beantragten Reisegewerbekarte. Vgl. Ordnungsamt Düsseldorf 2003: o.S.

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5. Verlagseigene Zustellorganisationen jedoch später öffnen oder sonntags und in den Ferien geschlossen haben, mit Boulevard-, Regional- oder Sonntagszeitungen bestückt werden. Bei lokalen und regionalen Tageszeitungen beliefert der Verlag die Automaten in der Regel direkt. Bei nationalen Kaufzeitungen wie Bild kann auch der örtlich zuständige Grossist eingebunden werden. In Köln zum Beispiel bestückt der Verlagsaußendienst von DuMont Schauberg die Verkaufsautomaten des Express. 40 In Düsseldorf wird der Automatenhandel von der Westdeutschen Zeitung betreut, die Bild-Automaten hingegen werden vom ortsansässigen Grossisten beliefert (Breyer 1999: 41 f.). In München haben die Verlage Automaten für die Abendzeitung, TZ, Süddeutsche Zeitung, Münchner Merkur, Bild München und Bild am Sonntag aufgestellt. Jede Zeitung bzw. jeder Verlag fährt zur Bestückung der eigenen Automaten pro Nacht mehrere Touren. Um zu verhindern, daß an manchen Stellen der Stadt nur ein Verkaufsautomat der Konkurrenz postiert ist, fahren die zu den Verlags-Außendiensten zählenden Mitarbeiter, die oft auch selbständig tätig und prozentual am Verkauf beteiligt sind41, ihre Touren nicht nur jede Nacht parallel, sondern nutzen die Fahrten auch zur Beobachtung der Konkurrenz. Dies hat dazu geführt, daß die Zahl der Zeitungsautomaten in München innerhalb der letzten Jahre auf über 4.700 angewachsen ist, weil jeder Titel danach strebt, sich zumindest für kurze Zeit- eine exklusive Verkaufsmöglichkeit zu erschließen.

5.7.2.1 Vollautomaten, Halbautomaten und offene Verkaufskästen Je nach Ausführung wird bei den Zeitungsverkaufsautomaten zwischen Vollautomaten, Halbautomaten und offenen Verkaufskästen unterschieden42. Letztere zeichnen sich dadurch aus, dass die Zeitungen ohne Bezahlung entnommen werden können, während sich der Halbautomat erst nach Einwurf eines Geldbetrages öffnet, dann jedoch den Zugriff auf den gesamten Inhalt ermöglicht. Lediglich Vollautomaten gewährleisten, dass nach dem Einwurf der Münzen auch nur das bezahlte Exemplar entnommen werden kann. Einige Hersteller bieten unterschiedliche Vollautomaten mit mehreren Optionen an, die wie ein herkömmlicher Getränke- oder Zigarettenautomat mit Münzwechsler bedient werden, und bis zu 28 verschiedene Zeitungs- oder Zeitschriftentitel mit unterschiedlichen Formaten und Verkaufspreisen aufnehmen können (dnv 10/2001: 17). Einzelne dieser Geräte arbeiten mit Punktesystemen und Kreditkarten. Sie erfüllen die Richtlinien der Im Verbreitungsgebiet des Express stehen 2.000 Verkaufsautomaten, davon allein 660 im Stadtgebiet von Köln. Rund 40.000 Exemplare täglich gelangen auf diese Weise an die Käufer. Vgl. dnv 15-16/2004: 20. 41 Problem der Personalbeschaffung, bargeldloser Zahlungsverkehr, vertriebspolitische Entscheidungen. 42 Vgl. Risse 2001: 155 f. Zu dem Experiment eines personallosen Kiosks mit Presseangebot vgl. dnv 24/2004: 36 f; dnv 25-26/2004: 36. 40

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I. Absat% und Vertrieb IVW im Einzelverkauf, lassen sich direkt an das Warenwirtschaftssystem des Verlages anschließen und alle wichtigen Daten über Verkäufe oder noch vorhandene Exemplare können abgelesen werden (dnv 20/2002:24). Der Vorteil der Verkaufsautomaten ist, dass sie einen 24-Stunden-Service bieten und keinen Ladenschluss kennen. Daneben haben sie eine außenwerbliche Funktion für den Verlag und seine(n) Titel. Design und farbliche Gestaltung des Automaten sowie die Schlagzeile der Zeitung demonstrieren die Präsenz des Produktes vor Ort. Das kann verkaufsfördernd auf Nicht-Leser wirken, den Einzelverkauf erhöhen und die Leser-Blatt-Bindung verstärken. Trotz positiver Testergebnisse mit neueren Geräten (dnv 9/1999: 109; dnv 10/1996: 42) hat man bisher kaum gute Erfahrungen mit Vollautomaten machen können (Schuld 1994: 183). Anstelle der ohnehin wenigen, geeigneten Fabrikate sind wegen der hohen Anschaffungskosten, wegen des beschränkten Fassungsvermögens und wegen der durch Vandalismus und Graffiti-Schmierereien verursachten Reparatur-, Warnings· und Reinigungsprobleme meistens nur Halbautomaten im Einsatz. Der Erfolg des Automatenverkaufs ist eng an den Nacht- und Frühverkauf gekoppelt, der durch keinen ambulanten oder stationären Händler abgewickelt werden kann (Breyer 1999: 43). Geht in den von wirtschaftlichem Strukturwandel betroffenen Gebieten die Zahl der Betriebe und mit ihnen die Zahl der Mitarbeiter in der Nacht- und Frühschicht, die eine Hauptzielgruppe bilden, zurück, wird auch der Automatenverkauf mehr oder weniger stark tangiert. Außerhalb von Krankenhäusern, Werksgelände und Gelände von Verkehrsbetrieben muß die Stadtverwaltung das Aufstellen Stummer Verkäufer genehmigen. Regional unterschiedliche Wege- und Wegegebührenordnungen können weitere, nicht kalkulierbare Risiken sein. So hat der Stadtrat in München 1999 den Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zum Aufstellen von 600 Entnahmegeräten für kostenlose Zeitungen abgelehnt und die Zulassung im sog. „öffentlichen Raum" auf den Verkauf von Tages- und Sonntagszeitungen beschränkt. Ob die Versammlung optisch verschiedener, manchmal verwahrlost daherkommender Halbautomaten an belebten Straßenkreuzungen dem Stadtbild immer zuträglich ist, ist abhängig vom persönlichen Geschmack. Die Frage, ob Aufwand und Ertrag im richtigen Verhältnis stehen und inwieweit die Stummen Verkäufer dem Verkauf und dem Image der jeweiligen Zeitung dienlich sind, muß jeder Verlag für sich entscheiden. Vor dem Hintergrund der lokalen Konkurrenzsituation bzw. wegen der Befürchtung von Redaktionen und Anzeigenabteilungen, bei Abwesenheit des eigenen Titels publizistischen und werblichen Schaden zu nehmen, wird sie den Vertriebsleitern in den Objektkonferenzen eher nicht gestellt und damit die Wirtschaftlichkeit des Automatenverkaufs kaum diskutiert (Schul^ 1994:183f.).

36

5. Verlagseigene

Zustellorganisationen

5.7.2.2 Verkaufsbeutel als Sonderform des Automatenverkaufs Die Verbreitung des Automatenverkaufs ist vor allem durch den intensiven Wettbewerb erklärbar und durch die Notwendigkeit, mit hohen Auflagenzahlen im Anzeigenmarkt zu operieren (Breyer 1999: 43). Die Diebstahlsquote bei den Stummen Verkäufern zählt zu den besser gehüteten Geheimnissen der Zeitungsverlage. Kenner dieser Angebotsform nennen eine Schwundquote von 10 Prozent für den Halbautomaten (Holl 1982:9; Schuld 1994: 183), für offene Verkaufskästen liegt sie weit darüber. Eine Anfang der neunziger Jahre in Österreich durchgeführte Erhebung hatte ergeben, dass aus den dort seit langem für die Kronen Zeitung und den Kurier im Einsatz befindlichen, offenen Verkaufsbeuteln jährlich rund 44 Mio. Sonntagszeitungen im Wert von 25,4 Mio. € entwendet werden. Die Behauptung, dass „beim Einsatz ungesicherter Verkaufshilfen branchenüblich mit einer Schwundquote von über 70 bis 80 Prozent" (LG Berlin vom 6.8.1992: 319) kalkuliert werden muß, wurde in einer mehrjährigen, gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen der Axel Springer AG und Gruner + Jahr verifiziert. Der Berliner Kurier am Sonntag hatte im Sommer 1991 im Ostteil von Berlin mit der Installation von ungesicherten Verkaufshilfen begonnen. In einer ersten Stufe wurden 2200 durchsichtige Verkaufsbeutel mit Zeitungen und einer Geldbox an Laternenmasten befestigt. Neben dem Berliner Kurier am Sonntag gab die Berliner Verlag Beteiligungsgesellschaft (BVBG), die die Sonntagsaktivitäten von Gruner + Jahr unter einem Dach zusammenfasste, nahezu identische Zeitungen unter dem Namen Morgenpost am Sonntag in Dresden, Chemnitz, Leipzig, Mecklenburg, Magdeburg und Halle heraus. Die Startauflage wurde jeweils gratis verteilt. Danach kam die Morgenpost am Sonntag für 30 Cent über Sonderhändler, Hostessen, direktbelieferte stationäre Einzelhändler und -wegen des Fehlens geeigneter Verkaufsstellen- große Auflagenteile in offen zugänglichen Verkaufsbeuteln ins Angebot. Nach Verlagsangaben betrug die Sonntagsauflage dieser Zeitungsgruppe Anfang 1992 rund 470.000 Exemplare, mit der Gruner + Jahr die Marktführerschaft in den neuen Bundesländern beanspruchte (Der Kontakter 1992: o.S.). Obwohl, wie Überprüfungen des Vertriebs-Außendienstes der Axel Springer AG ergaben, die Diebstahlsquote bei bis zu 80 % lag43, wurden die aus den Beuteln entnommenen Exemplare von Gruner + Jahr als verkauft an die IVW gemeldet. Zur Erklärung führte die BVBG an, dass die 33.000 stummen Verkäufer existenznotwendig seien, weil sie so schnell weder durch Einzelhändler noch durch Vollautomaten ersetzt werden könnten und die Auflage bei einem generellen Verbot der Verkaufshilfen von 470.000 Exemplare auf 80.000 Exemplare absacken würde. Außerdem benutze auch der Axel Springer Verlag für seine Sonntagszeitungen halbautomatische, nicht diebstahlsichere Verkaufsautomaten.

43

Damit haftete den Verkaufshilfen schnell der Name „Klaubeutel" an. Vgl. Risse

2001:156.

37

I. Absat^ und Vertrieb Nach Auffassung des Springer Verlages führte die Angebotspraxis der BVBG zu einer Marktverstopfung, die mit einer gegen § 1 UWG verstoßenden, kostenlosen Abgabe von Originalware vergleichbar ist, und erwirkte am 5.3.1992 beim Kreisgericht Halle eine Einstweilige Verfügung gegen die massenhafte Gratisverteilung der Morgenpost am Sonntag44. Mit Urteilen vom 16.4.1992 bzw. 13.1.1993 bestätigten das Kreisgericht Halle und das Oberlandesgericht Naumburg (OLG Naumburg vom 13.1.1993: 494 ff.) Einstweilige Verfügungen, nach denen das Angebot der Morgenpost am Sonntag in der Region Halle in ungesicherten Verkaufsbeuteln Wettbewerbswidrig ist. Gleichzeitig erklärten beide Gerichte die Werbung mit Auflagenzahlen, die sich auf diese Angebotsform gründen, für unzulässig. Aufgrund einer auch in Berlin eingereichten Klage der Axel Springer AG kam es im Juni 1992 zu einem Hauptsacheverfahren vor dem dortigen Landgericht. Mit Urteil vom 6.8.1992 (LG Berlin vom 6.8.1992: 316 ff.) untersagte das LG Berlin der BVBG die Verteilung der inzwischen in Sonntagspost (Kurier/Mopo am Sonntag) umbenannten Zeitung. Das Gericht bestätigte Axel Springers Auffassung, daß der Einsatz ungesicherter Verkaufshilfen aufgrund von Schwundquoten zwischen 60% und 80 % als ein massenweises Verschenken von Originalware anzusehen und damit wettbewerbswidrig ist nach § 1 UWG. Die BVBG wurde verurteilt, Auskunft über den genauen Umfang des Vertriebs über Stumme Verkäufer zu geben (LG Berlin vom 6.8.1992: 319) und Axel Springer den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Gruner + Jahr kündigte daraufhin Berufung an und erklärte, ab sofort neue Vertriebswege gehen zu wollen. In einer Presseverlautbarung vom 12.8.92 erklärte die BVBG, Stumme Verkäufer nur noch in ländlichen Gebieten und nicht mehr in Städten einsetzen zu wollen, um so den Bedenken des Landgerichts Berlin gegen diese Angebotsform Rechnung zu tragen. Ende August begann der beklagte Verlag damit, die Verkaufsbeutel in Dresden, Chemnitz und Leipzig abzubauen und den Verkauf über ambulante Sonderhändler und stationäre Einzelhändler zu organisieren, um die Diebstahlsquote zu senken und den Absatz über Stumme Verkäufer nicht mehr als den dominierenden Absatzweg erscheinen zu lassen. Mit Beschluß vom 2.10.1992 legte das Berliner Kammergericht fest, daß die für den Absatz in Berlin und in den neuen Bundesländern eingesetzten Verkaufsbeutel für die Sonntagspost bis zur Entscheidung des Berufungsverfahrens im Einsatz bleiben dürfen. Am 30.11.1993 bestätigte das Kammergericht Berlin im Grundsatz die Unzulässigkeit des Vertriebs von Sonntagszeitungen über Verkaufsbeutel und Daß auch Axel Springer bis zu seinem Antrag auf Erlaß einer Einstweiligen Verfügung gegen die Konkurrenz eine hohe Diebstahlsquote in Kauf genommen hatte, wirkt im ersten Moment widersprüchlich. Weil aber Gruner + Jahr mit dem Start der insgesamt 7. Sonntagsausgabe der Morgenpost in Halle die Marktführerschaft in Ostdeutschland beanspruchte, war Axel Springer nicht mehr bereit, den in den Verkaufsautomaten verlorengegangenen Umsatzerlös durch diebstahlbeeinflusste Anzeigenpreise zu kompensieren. 44

38

5. Verlagseigene Zustellorganisationen wies damit die Berufungsklage der BVBG im wesentlichen zurück (Kammergericht Berlin vom 30.11.1993: 53). Das Kammergericht erklärte, daß der Absatz über Stumme Verkäufer lediglich als eine flankierende Maßnahme (bis zu 25 Prozent der Auflage) tolerierbar sei und verpflichtete die BVBG, den Axel Springer entstandenen Schaden zu erstatten und für die Berechnung der Schadenshöhe uneingeschränkte Auskunft zu erteilen (Kammergericht Berlin vom 30.11.1993: 55). Die Gruner+Jahr-Tochter BVBG hatte sich vor dem Kammergericht freiwillig bereiterklärt, Sonntagszeitungen nicht mehr flächendeckend über Stumme Verkäufer abzusetzen. Sie behielt sich jedoch vor, die ungesicherten Verkaufshilfen weiterhin in Brandenburg und Sachsen in Orten mit weniger als 100.000 Einwohnern, jedoch in jedem dieser Bundesländer nicht mehr als 2.000 Verkaufsbeutel einzusetzen. Auf diese Weise würden insgesamt nicht mehr als durchschnittlich 25 % der Auflage abgesetzt. Mit der Revision vor dem Bundesgerichtshof wendete sich Axel Springer gegen das Urteil des Kammergerichts vom 30.11.1993 insoweit, als dieses zu seinem Nachteil entschieden hatte, und begehrte Zurückweisung der Berufung auch in diesem Umfang. Der Bundesgerichtshof entsprach dem Antrag der Axel Springer AG mit seiner Entscheidung vom 15.2.1996 (BGH vom 15.2.1996: 372 ff.). Danach ist der Einsatz Stummer Verkäufer auch dann wettbewerbswidrig, wenn nur noch 25 % der Gesamtauflage einer Sonntagszeitung über Verkaufsbeutel abgesetzt werden. Nach Auffassung des BGH läuft ein Vertriebssystem, bei dem von vornherein mit einer Diebstahlsquote von 60 % zu rechnen ist, auf eine mit § 1 UWG nicht zu vereinbarende kostenlose Abgabe von Zeitungen hinaus. Besonders finanzkräftige Verlage könnten mit dieser Methode den Leistungswettbewerb bzw. Konkurrenten ausschalten, wenn der Leser die Zeitungen nicht mehr nach sachlichen Kriterien auswählt, sondern sich dort bedient, wo er die Zeitung kostenlos erwerben kann (BGH vom 15.2.1996: 374). Diese Gesichtspunkte, die das Kammergericht nur gelten lassen wollte, wenn mehr als 25 % der Auflage über Stumme Verkäufer abgesetzt werden, sprachen nach Ansicht des BGH auch gegen die Zulässigkeit des Vertriebs von weniger als 25 % der Auflage mit ungesicherten Verkaufshilfen. Über die Größenordnung der kostenlos aus den Verkaufsbeuteln entnommenen Sonntagszeitungen herrschte während der vierjährigen Prozessdauer relative Unklarheit. Axel Springer hatte anhand von Überprüfungen seines VertriebsAußendienstes Schwundquoten von bis zu 80 % behauptet (Der Kontakter 1992: o.S.). Das Landgericht Berlin hatte festgestellt, dass durchschnittlich 60 %, in Einzelfällen bis zu 80 %, ohne Bezahlung entnommen wurden (LG Berlin vom 6.8.1992: 318 f.). Das Kammergericht ging von einer Diebstahlsquote von 50 % bis 60 % der in Verkaufsbeuteln angebotenen Auflage aus (Kammergericht Berlin vom 30.11.1993: 54). Nach dem landgerichtlichen Verbot der Stummen Verkäufer stellte Bild am Sonntag in den von den Verkaufsbeuteln entlasteten Gebieten deutliche Verkaufssteigerungen fest, die sich nach der Berufung von Gruner + Jahr gegen das Urteil allerdings wieder reduzierten, weil an fast allen Plätzen erneut Verkaufsbeutel auftauchten. Die von Gruner + Jahr für die Sonntagspost im 39

I. Absatz und Vertrieb III. Quartal 1992 zur IVW gemeldete Verkaufszahl wies gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von über 25 % aus, gab die tatsächliche Entwicklung infolge der durch den Rechtsstreit bedingten Reduzierung der Stummen Verkäufer aber nur unvollständig wieder. Im Vergleich zum II. Quartal 1992 wurden nämlich rund 100.000 verkaufte Exemplare je Ausgabe weniger gemeldet. Für Berlin und Leipzig musste Gruner + Jahr mit minus 32 % (45.000 Expl.) bzw. minus 37 % (15.000 Expl.) massive Verluste einräumen, die Stummen Verkäufer nach dem BGH-Urteil im Februar 1996 endgültig aus dem Verkehr ziehen und Axel Springer einen zweistelligen Millionenschaden ersetzen.

5.8 Agenturvertrieb von Zeitschriften Neben lokalen und regionalen Zeitungsverlagen bedienen sich auch Zeitschriftenverlage mit hohen Auflagen der Abonnementzustellung über Agenturen. Im Gegensatz zu den Zeitungen erfolgt die Zustellung der Zeitschriften durch Ortsagenten nur an ein bis zwei Wochentagen45 und ohne den Druck der frühen Auslieferung, da von den Abonnenten lediglich eine Zustellung am Erscheinungstag, nicht jedoch die Ablieferung zu einer bestimmten Tageszeit erwartet wird. Insgesamt betrachtet ist die Zustellung von Zeitschriften-Abonnements durch Agenturen infolge verschiedener Entwicklungen46 seit Jahren rückläufig. Nur der Vertrieb der Verlagsgruppe Bauer engagiert sich aus seiner historischen Entwicklung heraus nach wie vor stark in der Zustellung von Abonnements durch Agenturen. Nach dem Zweiten Weltkrieg erwarb der Verlag eine Reihe von Firmen des Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels (WBZ) und integrierte sie in den eigenen Vertrieb. Die Verwaltung, die Betreuung der Boten (Ortsagenten) und die Abwicklung der neu geworbenen Abonnenten erfolgte durch insgesamt 28 Filialen, die als Verlagsbetriebsstätten innerhalb der eigenen Vertriebsorganisation geführt wurden (Heinrich Bauer Verlag 1971: 4). Im Jahr 1978 faßte der Heinrich Bauer Verlag (HBV) den Filialvertrieb und den 1969 entstandenen ÄquatorVerlag, der hauptsächlich für die Abonnement-Verwaltung von nicht zum HBV gehörenden Zeitschriften zuständig war, in der neugegründeten Abonnement Vertriebs Gesellschaft (AVG) zusammen und gliederte sie aus dem Verlag aus. Strategischer Ansatzpunkt der für die Abonnementbeschaffung und Abonnentenbetreuung zuständigen AVG war, eine verlagseigene Abonnement-Werbefirma ins Leben zu rufen, die für den Heinrich Bauer Verlag zu günstigen Konditionen die Die Zeitschriften der Verlagsgruppe Bauer werden von den Boten der hauseigenen Zustellorganisation am Mittwoch und Freitag bei den Abonnenten angeliefert. Vgl. dnv 16-

45

17/2003: 30.

Problem der Personalbeschaffung, bargeldloser Zahlungsverkehr, vertriebspolitische Entscheidungen.

46

40

5. Verlagseigene

Zustellorganisationen

Zustellung der verlagseigenen Abonnements an private Haushalte organisiert (dnv 26/2002:26). Die AVG, die im November 1999 mit der für den Einzelverkauf im HBV zuständigen Heinrich Bauer Vertriebs KG zur Verlags Vertriebs KG (VKG) vereinigt wurde und inzwischen Bauer Vertriebs KG heißt, deckt heute ein breites Diensdeistungsspektrum ab (dnv 12/1999: 28). Dieses basiert auf vier Geschäftsbereichen, von denen drei (Abo Marketing, Vertriebsservice und Abo Logistik) auch für Fremdfirmen arbeiten.

Abbildung 7: Auflauorganisation

der Bauer Vertriebs KG (dnv 12/1999: 28)

Während der Geschäftsbereich Verlagsvertrieb ausschließlich die Objekte der Verlagsgruppe Bauer betreut, ist Abo Marketing auch für die Abonnentenwerbung fremder Verlage zuständig, in die die Zusteller der Bauer Vertriebs KG allerdings nicht involviert werden. Der Vertriebsservice beinhaltet die Abonnentenbetreuung, den telefonischen Direktverkauf, Data-, Voice- und Fax-Services und Abo Logistik umfasst die bundesweite, adressierte Zustellung von rund 4 Mio. verlagseigenen und fremden Abonnements pro Erscheinungsintervall über die Post (40 %) und Ortsagenten (60 %). Zugestellt werden neben den verlagseigenen Produkten auch Objekte aller großen Publikumszeitschriften-Verlage, Kundenmagazine, Mitarbeiterzeitschriften und Kataloge von großen deutschen Industrie- und Handelsunternehmen (dnv 26/2002:24 + 26). Die Abo-Logistik der Bauer Vertriebs KG verfügt über eine schlanke Organisationsstruktur mit kurzen Informations- und Entscheidungswegen. In der Hamburger Zentrale, in der die Daten sämtlicher Abonnenten gespeichert werden, sind 45 Mitarbeiter damit beschäftigt, ein Vertriebs-System mit rund 300 selbständigen 41

I. Absat£ und Vertrieb Subunternehmern (Agenturen/Vertriebsstellen) abzuwickeln, die für die Kommissionierung der einzelnen Sendungen und die Belieferung der Ortsagenten zuständig sind.

Abbildung 8: Auflauorganisation

der Abo-ljogistik 'Bauer Vertriebs KG (dnv 26/2002: 25)

Die Verwaltung der aktuell 30.000 Ortsagenten bzw. 33.000 Zustellgebiete erfolgt dezentral in 22, online mit der Abo-Logistik in Hamburg verbundenen Mastervertriebsstellen, die über 31 Warenumschlagplätze zwischen 2 Mio. und 23,5 Mio. fertig adressierte Abonnementsstücke wöchentlich an die Agenturen ausliefern.47 Die Ortsagenten schließlich, die ihre Zustellgebiete koordinieren und für die Zu-

Jährlich werden rund 200 Mio. individuelle Lieferungen, die einen Umsatz von schätzungsweise € 400 Mio. repräsentieren, durchgeführt. Vgl. dnv 26/2002: 26

47

42

5. Verlagseigene

Zustellorganisationen

Stellung beim einzelnen Abonnenten verantwortlich sind, werden von den Agenturen betreut, deren Vertragspartner sie auch sind.

5.9 Sonntagshandel/Zustellhandel 5.9.1 Der Markt der Sonntagszeitungen Der Ursprung der Sonntagspresse liegt in Großbritannien. Die erste Sonntagszeitung war der 1780 gegründete Sunday Monitor aus London. Ihm folgte im Jahr 1791 der Observer, der weltweit die älteste, noch heute bestehende Sonntagszeitung ist (Copy 22/1987: 23; Facius 2001: 98f.). Die ersten deutschen Sonntagszeitungen erschienen 1848 in Berlin (Rosenfild 1997: 157). Seit 1898 gibt es die Berliner Morgenpost, die hierzulande die älteste noch existierende Sonntagszeitung ist. Abgesehen von den über 300 Sonntags-Anzeigenblättern 4 » können drei Formen von Sonntagszeitungen unterschieden werden: — die redaktionell selbständigen und bundesweit abgesetzten Titel Bild am Sonntag, Welt am Sonntag, Euro am Sonntag, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und B.Z. am Sonntag (nur Berlin), — die Titel, die als siebte Ausgabe werktäglicher Zeitungen gesondert produziert werden wie die Morgenpost am Sonntag (Dresden), Sächsische Zeitung am Sonntag, Sonntag Express (Köln, Düsseldorf, Bonn), Kurier am Sonntag (Bremen) und Sonntag Aktuell (Baden-Württemberg) und — drittens diejenigen Zeitungen, die eine reguläre Ausgabe einer täglich erscheinenden Tageszeitung sind wie Berliner Kurier, Berliner Morgenpost, Der Tagesspiegel, die Wetzlarer Neue Zeitung, Dill-Zeitung (Dillenburg), Schwäbische Zeitung (Ulm, Laichlingen, Ehingen), Aalener Nachrichten, Ipf- und JagstZeitung (Ellwangen), Lübecker Nachrichten und das Main-Echo (dnv 9/2001: 74). Seit dem Höchststand mit durchschnittlich 5,36 Mio. verkauften Exemplaren/Ausgabe im Jahre 1993 erlebte der Sonntagsmarkt laut IVW-Zahlen einen Rückgang auf rund 4,62 Mio. verkaufte Exemplare/Ausgabe im Jahr 2004. Betrachtet man die im Sonntagsmarkt engagierten Verlage, so hat Axel Springer eine dominierende Position. Die sechs Titel49, die zum Verlag gehören bzw. die, wie die Lübecker Nachrichten im Mehrheitsbesitz sind, vereinen mit durchschnittlich Vgl. mediafacts 9/2001(c): 9. Davon gehören 190 Titel mit einer Gesamtauflage von 18,0 Mio. Exemplaren am Sonntag dem Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter an. Vgl. RüdeU 2005(b): 32. 49 Bild am Sonntag, Welt am Sonntag, Euro am Sonntag, BZ am Sonntag, Berliner Morgenpost und Lübecker Nachrichten 48

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I. Absatz und Vertrieb rund 3 Mio. Exemplaren/Ausgabe rund 65 % der gesamten Verkaufsauflage am Sonntag auf sich (dnv 11/2004: 27). Den Anfang nach dem Zweiten Weltkrieg machte am 1. August 1948 die Welt am Sonntag (WamS) (Factus 2001: 99). Am 29.4.1956 erschien bundesweit die Bild am Sonntag (BamS). Die BamS hatte schnell Erfolg und erreichte schon nach zwei Jahren eine Verkaufsauflage von über 1 Mio. Exemplaren. Historisch gesehen, war es ein Fehler der großen deutschen Zeitungsverlage, Axel Springer nicht in den Sonntagsmarkt zu folgen. So konnte er neben einigen regionalen Sonntagszeitungen eine Vormachtstellung im Sonntagsmarkt erringen. Dies war allerdings ein schwieriger Weg, denn die wenigen bestehenden Absatzmöglichkeiten im Bahnhofsbuchhandel reichten bei weitem nicht aus, eine Millionenauflage unters Volk zu bringen. Durch intensive Markterschließungsarbeit und den Einsatz sog. Propagandisten, die neben der Gewinnung sonntäglich geöffneter Einzelhandelsstellen auch für Publikumswerbung und Zustellpersonal sorgten, gelang es Bild am Sonntag in den sechziger Jahren in alle Gebiete der Bundesrepublik vorzudringen (Dreppenstedt 1969: 154 ff.). Platz zwei unter den Verlagen, die Sonntagszeitungen herausgeben, nimmt die Verlagsgruppe Stuttgarter Zeitung/Die Rheinpfalz/Südwest Presse ein. Als siebte Ausgabe der Stuttgarter Zeitung im Jahre 1979 gegründet, geht Sonntag Aktuell mit einer verkauften Auflage von rund 980.000 Exemplaren an die Abonnenten von 48 Partnerzeitungen zwischen Ludwigshafen und Ulm (Pollakomkj 2001: 45). Alle Zeitungen bieten Sonntag Aktuell als siebte Ausgabe ihrer Abonnements an. Ein reines Sonntag Aktuell-Abonnement gibt es nicht, womit die Auflage der Sonntagszeitung an die Abonnement-Auflage der kooperierenden Verlage gekoppelt ist (dnv 11/2004: 28). Von den größeren Zeitungsverlagen sind ansonsten noch die Verlage Frankfurter Allgemeine GmbH, DuMont-Schauberg, Gruner + Jahr, Holtzbrinck und Dogan Media (Hürriyet) mit geringeren Anteilen am Sonntagsmarkt vertreten (dnv 11 /2004:27).

5.9.2 Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Schenkt man den Werbeplanern Glauben, dann war der Sonntagsmarkt für viele Jahre von den national verbreiteten Sonntagszeitungen der Axel Springer AG abgedeckt, für weitere Titel also kein Raum (Heuer 1987: 15). In den marktforscherischen Erhebungen fand der Sonntag als Segment lange Zeit keine Beachtung. Bild am Sonntag wurde den aktuellen Illustrierten, Welt am Sonntag den meinungsbildenden Zeitschriften zugeschlagen. Noch 1997 resümierte Kerstin Rosenfeld im BDZV-Jahrbuch, dass sich die Zahl der Sonntagszeitungen nicht groß ausweiten werde (Rosenfeld 1997: 165). Für diesen Befund schien zu sprechen, dass bei den damals drei ASV-Sonntagszeitungen (BamS, WamS und BZ am Sonntag) im Fünf-Jahresvergleich (IVW 1992-1997) keine Steigerung im Jahresdurchschnitts-Verkauf zu verzeichnen war. Gruner + Jahr hatte im März 1993 die bis dahin in allen neuen Bundesländern verkaufte Sonntagspost mit dem Berliner 44

5. Verlagseigene Zustellorganisationen Kurier und der Dresdner Morgenpost zusammengeführt und auf die Wirtschaftsräume Berlin und Dresden konzentriert (Schneider/Stür^ebecher 1997: 58). Und die übrigen vier Titel (Sonntag Aktuell, HNA-Sonntagszeit)50, Rhein-Main-Zeitung und Morgenpost am Sonntag) hatten im angegebenen Zeitraum durchschnittlich 18 % Verkaufsrückgang zu verzeichnen gehabt. Von einem Boom bei der Sonntagspresse -so Rosenfeld- könne „ganz sicher nicht gesprochen werden" (Rosenfeld 1997: 165). Mit der Ankündigung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im April 2001, noch im Herbst des selben Jahres eine bundesweite Sonntagszeitung zu starten (.Vollakowsky 2001: 45; Fadus 2001: 100), änderten sich die Vorzeichen schlagartig. Plötzlich bestätigten Mediaplaner dem Sonntag große Wachstumspotentiale im Anzeigenmarkt (Horizont 16/2001: 1; Assenmacher 2001: 108; Fadus 2001: 101), war der Erscheinungstag Sonntag aufgrund der Zusammensetzung der Leserschaft und der intensiven Nutzung der Sonntagszeitungen mit einem Male höchst interessant (Pollakomky 2001: 45; ZMG 2000: 20ff.). So rückte der Sonntagsmarkt in das Visier der Wettbewerber (Factus 2001: 100+102): — Der Berliner Tagesspiegel kündigte an, seine Sonntagsausgabe künftig bundesweit im Abonnement absetzen zu wollen. — Der anhaltende Erfolg von Springers, im Oktober 1998 gegründeten, Euro am Sonntag führte bei den Nachrichtenmagazinen Der Spiegel und Focus zum Nachdenken darüber, den Erstverkaufstag auf den Sonntag vorzuverlegen. — Handelsblatt, Financial Times Deutschland und WAZ wurde nachgesagt, vom attraktiven Leser- und Anzeigenmarkt am Sonntag fasziniert zu sein, wobei letztere jedoch kein eigenes Objekt gründen, sondern eine Sonntagszeitung erwerben wollte. — Analog zur schrittweisen Entwicklung bei der FAZ sollte eine Süddeutsche Zeitung am Sonntag im Großraum München an den Start gehen und die Ballungsräume Regensburg, Nürnberg und Würzburg mitbeliefert werden (Fadus 2001: 100). Angesichts der vielfältigen Pläne der übermächtigen deutschen Konkurrenz gab die Neue Zürcher Zeitung ihre Pläne, ebenfalls eine überregionale Sonntagszeitung auf den deutschen Markt zu bringen, wieder auf.51 Während auch Focus abwinkte, weil eventuelle Mehrerlöse am Sonntag die zusätzlich entstehenden Kosten nicht aufwiegen (Theobald 2001: 14), testete Der Spiegel in den Vertriebsgebieten Lübeck, Berlin und Frankfurt die Belieferung von Abonnenten und den Einzel- und Bahnhofsbuchhandelsverkauf am Sonntag (dnv 24/2002: 32; dnv 750 Weil die Verlagsgruppe Ippen keine erfolgversprechende Zukunft mehr für die HNASonntagszeit sah, integrierte der Verlag das Sonntagsblatt im Januar 2005 in die Samstagsausgabe und gab die HNA-Sonntagszeit als eigenständige Ausgabe auf. 51 In der Schweiz ging die Neue Zürcher Zeitung am Sonntag planmäßig am 17.3.2002 in den Markt. Vgl. Horizont 12/2002: 14.

45

I. Absat% und Vertrieb 8/2004: 30). Die betreffenden Grossisten hatten sich zur früheren Auslieferung bereit erklärt. In Berlin wurden die rund 20.000 Abonnenten durch die Berliner Zustell- und Vertriebsgesellschaft für Druckerzeugnisse mbH52 beliefert und in Frankfurt kooperierte Der Spiegel mit dem Vertrieb der FAZ. Die Marketingleitung des Spiegel Verlag betonte, dass das „Sonntagsmonopol" der Axel Springer AG nicht auf ewig Bestand haben werde (dnv 2/2002: 10) und tatsächlich kam mit der neuen bundesweiten Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung Bewegung in den Markt.

5.9.3 Logistische Herausforderungen beim Vertrieb von Sonntagszeitungen Der Vertriebsaußendienst der FAZ hatte sich im März 2001 bundesweit beim Presse-Grosso nach dem sonntags geöffneten, stationären Einzelhandelsnetz erkundigt. Damit war Axel Springer klar, dass der Verlag einen weiteren, ernst zu nehmenden Wettbewerber am Sonntag bekommt, der mit der bisher regional verbreiteten Rhein-Main-Zeitung nichts mehr zu tun haben würde (Theobald 2001: 14). Am 30. September 2001 trat die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung mit einer Auflage von 600.000 Exemplaren, einem Verkaufspreis von € 2.- und einem Umfang von rund 100 Seiten bundesweit im Einzelverkauf, in Osterreich, in der Schweiz, in den Benelux-Ländern und in einigen Feriengebieten gegen die Springer-Sonntagszeitungen an. Als Marketingziele des Frankfurter Verlages standen die Schaffung einer Markenpersönlichkeit, die Erzielung eines möglichst hohen Bekanntheitsgrades und die Gewinnung von Anzeigenkunden und Abonnenten obenan (Fischer 2002: 8). Der Anzeigenumsatz sollte bereits im ersten Jahr 20 Mio. Euro betragen (Assenmacher 2001: 108) und als Verkaufszahl wurden (mittelfristig) 250.000 Exemplare genannt, die mit Erreichung des Break-Even-Point im Jahr 2006 fünfzig Prozent der Gesamterlöse bestreiten sollten.53 Drucktechnisch war die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) für einen späten Redaktionsschluß um 23:00 Uhr am Samstag abend gut aufgestellt (Rüdell 2001: 16). Die Herausforderungen lagen im vertriebslogistischen Bereich54, d.h. auf dem flachen Land. Die weniger dicht 52 Vgl. dnv 2/2002: 12; Kapitel 5.5.3 Selbständige Agenturen und Vertriebsgesellschaften. 53 Vgl. mediafacts 9/2001(c): 9. Dies war ein ehrgeiziges Ziel, wenn man bedenkt, dass die seit März 1990 erschienene, auf den Rhein-Main-Raum beschränkte FAZ-Sonntagsausgabe ein jährliches Minus von 7 Mio. bis 8 Mio. Euro produzierte. Vgl. medien aktuell 31/2001:

11.

54 „Auf der Basis einer perfekten und schnellen Auslieferlogistik muß unter erschwerten Bedingungen (...) ein spezielles Angebotsnetz versorgt werden." J. Mohr in textintern vom 4.6.1997.

46

5. Verlagseigene

Zustellorganisationen

besiedelten Gebiete wurden vom konkurrierenden Springer Verlag dank eines in vielen Jahren aufgebauten Ringtouren-Systems bundesweit erreicht, während der FAZ-Logistikdiensdeister Medienservice GmbH (MSG) diese zunächst nur teilweise bedienen konnte (Facius 2001: 102). Die überregionale Ausdehnung des Sonntagsmarktes fordert erhebliche Anstrengungen von einem Verlag und wird von bestehenden Arbeitsschutz- und Ladenschlussgesetzen behindert. Die Herstellung und Verbreitung einer Sonntagszeitung ist zudem sehr teuer, so dass der Erscheinungstag Sonntag bei einer Kosten-/Nutzen-Analyse sehr schnell seinen Charme verliert. Die Kosten für Druckerei, Spedition, Vertrieb und Redaktion liegen bei rund 150 % einer Werktagsausgabe (Rosenfeld 1997: 156) und sind nur durch eine hohe Verkaufsauflage und von einem potenten Verlag zu verkraften. Die Einzelhandelsstruktur am Sonntag, mit der 47 % der BamS- und 39 % der WamS-Auflage verkauft werden ßakobs 1987110), ist primär von Kiosken, Trinkhallen und Tankstellen geprägt und mit „nur" 45.000 geöffneten Angebotsstellen quantitativ wie qualitativ erheblich von der an Werktagen unterschieden. Aufgrund des Mangels an sonntäglich geöffneten Verkaufsstellen sind die Verlage in sehr starkem Maße auf nicht klassische Angebotsstellen wie Bäckereien/Konditoreien, Gaststätten, Hotels oder Blumengeschäfte angewiesen, um das Angebot für eine große Sonntagszeitung sicherzustellen. Axel Springer hatte zwar nach Aufhebung des Nachtbackverbots im November 1996 das Angebotsnetz um über 3.000 Bäckereien erweitert und dadurch den Absatz seiner Sonntagszeitungen gesteigert (text intern vom 4.6.1997: o.S.). Das geänderte, wetterabhängige Freizeitverhalten am Wochenende bringt jedoch ganz andere Käuferströme mit sich als unter der Woche, weshalb sich die Nachfrage nach einer Sonntagszeitung durch bloßes Einschalten weiterer Verkaufsstellen nicht voll entfaltet. Weil nur wenige Kaufinteressierte (17 %) am Sonntag das Haus verlassen, um sich etwas zum Lesen zu holen (ZMG 2000: 22), muß ein Verlag am Sonntag „Fischen, wo die Fische sind" und die Zeitung an der Haustür des Lesers zustellen. Weil der Weg zum Arbeitsplatz und die Möglichkeit des Kaufs im Vorbeigehen am Sonntag entfällt, musste auch die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung ein besonderes Gewicht auf den ambulanten Sonntagshandel bzw. Zustellhandel legen (Riidell 2001:34).

5.9.4 Die konkurrenzausschließende Wirkung eines verlagseigenen Logistik-Systems am Sonntag (Ringtouren) Zu einem effektiven Vertriebsnetz für den Sonntagshandel gehört als Voraussetzung, dass über das Presse-Grosso flächendeckend alle relevanten PresseVerkaufsstellen und Zustellhändler erreicht werden können (U. Zejn in textintern vom 4.6.1997). Dafür starten in jeder Nacht zum Sonntag circa 500 sogenannte Ringtouren von den verschiedenen Druckereien. Ringtouren waren bis Anfang der neunziger Jahre von Axel Springer bezuschusste Exklusiv-Auslieferungen in weni47

I. Absatz und Vertrieb ger dicht besiedelte Vertriebsgebiete durch Speditionen und Grossisten, um für die Sonntagszeitungen des Verlages und die der Vertriebstochter, ip Internationale Presse Import und Export GmbH, eine komplette Gebietsabdeckung zu gewährleisten. Sie steuerten festgelegte Ablageplätze an und übergaben einen Teil der Sendungen an eine zweite Welle von Ringtourenfahrern, die zwischen 40 und 60 Zustellhändler belieferten. In den alten Bundesländern gab es dabei sehr unterschiedliche Auslieferungsvarianten (Hille 1992:3f.): 1. Einige Grossisten fuhren sonntags keine eigenen Touren, sondern Hessen die von ihnen betreuten stationären Verkaufsstellen und ambulanten Sonntagshändler über das Ringtouren-System des Springer Verlages beliefern. 2. Andere Grossisten wurden wie an Werktagen tätig, lieferten also in ihrem gesamten Vertriebsgebiet selbst an Einzelhandel und Zustellhändler aus. 3. Rund dreißig Grossisten teilten sich sonntags die Auslieferung mit Axel Springer. Konkret bedeutete dies, dass die Grossisten in einem Teil ihrer Vertriebsgebiete wie an Werktagen tätig wurden, während der übrige Teil über das Ringtourensystem von Axel Springers Sonntagzeitungen beliefert wurde. 4. In drei Vertriebsgebieten wurden die Grossisten sonntags exklusiv für den Springer Verlag tätig. In elf weiteren Vertriebsgebieten wurden die Grossisten lediglich in einem Teil ihrer Vertriebsgebiete wie an Werktagen tätig, während sie im übrigen Gebiet Exklusivtouren für Axel Springer fuhren. Der Mitnahme weiterer Sonntagszeitungen stand in den unter 4. genannten Vertriebsgebieten ein Verbot in den zwischen Axel Springer und den jeweiligen Grossofirmen abgeschlossenen Verträgen entgegen. Mitgenommen auf den Exklusivtouren für Axel Springer wurden nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag nur die vertriebsbetreuten, ausländischen Sonntagszeitungen der Vertriebstochter, ip Internationale Presse Import- und Export GmbH. Deren Wettbewerber, die W.E. Saarbach GmbH, importierte und distribuierte ebenfalls eine Reihe von Auslandstiteln mit eigenständigen Sonntagsausgaben. Diese waren jedoch aufgrund schriftlicher Vereinbarungen mit Grossisten von den SpringerExklusivtouren ausgeschlossen. Darin sah Saarbach eine Beeinträchtigung seiner Wettbewerbsmöglichkeiten und wandte sich im April 1992 wegen des Verdachts kartellrechtswidrigen Verhaltens der Axel Springer AG an das Bundeskartellamt (Bundeskartellamt 1992). Ob der Abschluß von Verträgen, in denen Grossisten ohne ausdrückliche Genehmigung der Axel Springer AG die Mitnahme und Auslieferung weiterer Sonntagszeitungen untersagt wird, einen Verstoß gegen kartellrechtliche Vorschriften, insbesondere gegen die §§ 16 und 20 Abs. 1 GWB n.F. darstellt, wurde nicht weiter untersucht. Denn Saarbach und der Springer-Vertrieb einigten sich bilateral darauf, in den vierzehn betroffenen Grosso-Gebieten eine gemeinsame Auslieferung abseits von Bild am Sonntag und Welt am Sonntag zu installieren. Gleichzeitig begann Axel Springer nach Beilegung dieses Vorfalls damit, seine Vormachtstellung im Sonntagsmarkt auf andere Weise gegen Angriffe von außen zu zementieren: 48

5. Verlagseigene Zustellorganisationen In den neuen Bundesländern erprobte Axel Springer ab Februar 1990 ein Modell, bei dem jeweils eine den Direktiven des Verlages unterstellte Agentur (Vertriebsstelle) in jedem der insgesamt 100 Kreise für die Belieferung und Betreuung der ambulanten Sonntagshändler, wie auch für die stationären Presseeinzelhändler, verantwortlich sein sollte (dnv 12/1998: 48). Im März 1993 wurde das AgenturModell, bei dem der Springer-Vertrieb das Presse-Grosso übergeht und die Sonntagshändler direkt beliefert (Biermeier 1995: 17), auch für Westdeutschland geplant und getestet. Im März 1994 wurde den Mitgliedern des Bundesverband PresseGrosso ein konkretes Angebot der Axel Springer AG zur Uberleitung des ambulanten Sonntagshandels auf Agenturen gemacht. 26 Grossisten entschieden sich für das Springer-Agentur-Modell, in 41 Vertriebsgebieten besteht das Vertragsverhältnis zwischen den ambulanten Sonntagshändlern und dem jeweiligen PresseGrossisten fort (dnv 12/1998: 48). Besonders in Süddeutschland haben sich viele Presse-Grossisten aus dem Sonntags- und Zustellhandel verabschiedet. Aus dem historischen Vorgehen und der Erschließung Ostdeutschlands ohne PresseGrosso55 sind unterschiedliche Leistungsstandards im Sonntagsmarkt entstanden. Daß sich die Belieferung des stationären Einzelhandels und des Zustellhandels durch die Einführung des Axel Springer-Agentursystems nicht mehr bzw. nur noch partiell über das Presse-Grosso organisieren ließ, stellte für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung bei deren Markteintritt im September 2001 ein erhebliches Problem dar. Der Vorteil der Axel Springer AG gegenüber seinem Wettbewerber bestand darin, „gegenüber den heterogenen Systemen des Presse-Grosso, die nicht unbedingt auf den Sonntagsmarkt ausgerichtet" sind (dnv 12/1998: 48), über eine bundesweit einheitliche Abwicklung zu verfügen. Nach dem Motto „Der Wettbewerb findet um den Leser statt und nicht in der Auslieferung", versuchte die FAS gegen finanzielle Beteiligung auf den Springer-Ringtouren mitzufahren (Riidell 2001 (b): 34). Obwohl dies unter Kostengesichtspunkten sinnvoll gewesen wäre, verweigerte der Axel Springer-Vertrieb die Zusammenarbeit, um diesen Wettbewerbsvorteil nicht preiszugeben. Während sich die Frankfurter Allgemeine Zeitung unter der Woche der Zustellorganisation von Regionalverlagen bedienen konnte, bestand diese Möglichkeit am Sonntag nur in stark eingeschränktem Maße bzw. musste erst geschaffen werden. Die FAZ-Abonnenten, die die Sonntagszeitung in den ersten vier Wochen kostenlos erhielten, wurden denn anfangs auch nur zu 75 % durch verlagseigene Agenturen in Ballungsräumen und durch regionale Zustelldienste, Vertriebsgemeinschaften und Vertriebsgesellschaften erreicht (Fischer 2002: 7); 25% von ihnen erhielten ihr Exemplar erst am Montag durch die Post. Mit der ersten bundesweit angebotenen Ausgabe vom 30.9.2001 setzte die FAS rund 110.000 Exemplare über das Grosso und den Bahnhofsbuchhandel ab, wo55

vgl. dazu besonders Klammer 1998

49

I. Absat% und Vertrieb bei ein großer Teil des Verkaufs noch aus der Einlösung von Gutscheinen resultierte. Bei den nächsten Ausgaben mit verbesserter Logistik verkaufte die FAS im Einzel- und Bahnhofsbuchhandel bereits 130.000 Exemplare (dnv 4-5/2002: 10). Mit der ersten Meldung zur IVW (IV. Quartal 2001) -wies die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung rund 248.000 verkaufte Exemplare, davon 113.000 im EV, 100.000 im Abo und 35.000 im sonstigen Verkauf aus. Damit hatte der Verlag Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH sein gestecktes Ziel zunächst erreicht. Über den geringfügigen Rückgang der Springer-Sonntagszeitungen um durchschnittlich 65.000 Exemplare je Ausgabe im Jahr 2001 wurde unter den Chefredakteuren56 und Vertriebsexperten im Springer-Verlag57 und im Presse-Grosso58 spekuliert, der Welt am Sonntag-Verkauf aber zunächst nicht ernsthaft berührt. Erst als in den Folgejahren alle Springer-Sonntagstitel deutlich an Auflage verloren (Hoffmann 2004(b): 92), während die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung ihren Gesamtverkauf bis 2004 auf über 290.000 Exemplare steigerte, war allen Beteiligten klar, dass die FAS nicht nur zu einer Erweiterung des Sonntagsmarktes beigetragen, sondern binnen weniger Jahre auch einen Marktanteil von rund 7 % unter den überregionalen Sonntagszeitungen erobert hatte (Riidell 2004(b): 39).

5.9.5 Der Status des Zustellhändlers als selbständiger Gewerbetreibender Bis zur politischen Wende in der DDR stand der Zustellhändler in Westdeutschland ebenso wie der in Kapitel 5.7.1 beschriebene Sonderhändler für Sonntagszeitungen nur in Rechtsbeziehung zum regional zuständigen Presse-Grossisten. Im Februar 1992 begann die Diskussion um die Selbständigkeit der ambulanten Sonntagshändler, die als Gewerbetreibende im eigenen Namen und für eigene Rechnung den Vertrieb von Bild am Sonntag und Welt am Sonntag übernehmen konnten und mindestens 18 Jahre alt sein mussten. Axel Springer hatte den PresseGrossisten in einem „Vertriebsleitfaden" (Axel Springer 1977: 4) empfohlen, schriftliche Verträge mit den Sonntagshändlern abzuschließen, um deren Verantwortung für die Beantragung einer Reisegewerbekarte, Steuerabführung und Versicherung sowie ihren Status als Selbständige klarzustellen.59

5'

Vgl. T. Garms in: Horizont 24/2002: 33; C. Strunz in: medien aktuell 11/2002: 7. H. Abrams in dnv 24/2002: 33 58 W. Schiessl in dnv 4-5/2002: 10 59 Einen Apparat mit 28.000 Zustellern als abhängig beschäftigte Angestellte mit den arbeits-, sozialversicherungs- und betriebsverfassungsrechtlichen Konsequenzen konnte und wollte sich die Axel Springer AG nicht leisten. 57

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5. Verlagseigene

Zustellorganisationen

Nach einem Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 7.6.199660 sind Zusteller von Sonntagszeitungen (anders als die Austräger von lokalen/regionalen Abonnementszeitungen oder Verteiler von Anzeigenblättern)^ Spit^enverbände 1999: 11) weder Arbeitnehmer, noch befinden sie sich in einem arbeitnehmerähnlichen Beschäftigungsverhältnis. Der Oldenburger Presse-Vertrieb Hermann Lehmann GmbH & Co. KG hatte im Dezember 1995 einer Bild am Sonntag - Zustellerin zum Ende des Folgemonats die Zustellung von Sonntagszeitungen in einem ihr zugewiesenen Bezirk gekündigt. Mit ihrer vor dem Arbeitsgericht eingereichten Klage begehrte die Sonntagshändlerin Feststellung darüber, dass es sich bei dem schriftlich vereinbarten Vertragsverhältnis der Parteien um ein Arbeitsverhältnis handelte, welches durch die Kündigung des Presse-Grossisten nicht aufgelöst worden war (Arbeitsgericht Oldenburg vom 7.6.1996: 741). In ihren Entscheidungsgründen führten die Arbeitsrichter aus, dass die Sonntagshändlerin nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Presse-Grossisten steht. Ob selbständige oder unselbständige Tätigkeit vorliegt, ist unter Berücksichtigung der vertraglichen Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses und der tatsächlichen Abwicklung zu entscheiden. Danach war die Klägerin nicht zur Ableistung einer bestimmten, festgelegten Arbeitszeit verpflichtet, vielmehr musste sie lediglich sonntags morgens innerhalb eines Zeitrahmens von drei Stunden in einem bestimmten Bezirk die Zustellung der Zeitungen vornehmen. Die Bestimmung der Arbeitszeit innerhalb des Zeitrahmens sowie die nähere Organisation der Zustellung war der Klägerin überlassen. Hinzu kam, dass die Sonntagshändlerin nach der schriftlichen Vereinbarung und tatsächlichen Handhabung nicht unabdingbar verpflichtet war, die Zeitungs-Zustellung persönlich abzuleisten, sondern sich zur Erfüllung ihrer Vertragspflichten auch mithelfender Familienangehöriger oder sonstiger Vertreter bedienen konnte. Schließlich war die Sonntagshändlerin auch nicht als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen, weil die dafür erforderliche, wirtschaftliche Abhängigkeit nicht ersichtlich war. Die Tätigkeit war umfangmäßig und vom finanziellen Ertrag (€ 100.monatlich) so gering, dass sie zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der Sonntagshändlerin nicht ausreichte (Arbeitsgericht Oldenburg vom 7.6.1996: 742). In zwei voraufgegangenen Fällen hatten Sonntagshändler aus Remscheid und Trier ebenfalls vergeblich gegen die sie beliefernde Grossofirma wegen eines Schadens an dem zur Auslieferung der Zeitungen benutzten PKW bzw. gegen die Berufsgenossenschaft wegen einer bei einem Unfall erlittenen Hirnverletzung auf Schadenersatz bzw. Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung geklagt. Mit im wesentlichen inhaltlich identischen Begründungen wiesen das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG Düsseldorf vom 1.7.1997) und das Sozialgericht Trier ('So^algericht Trier vom 9.6.1997) die Ansprüche der Kläger zurück. Der für die Grossofirma Schmitz in Remscheid tätige Sonntagshändler vertrat die Auffassung, als Arbeitnehmer tätig gewesen zu sein, jedenfalls als arbeitnehmer Aktenzeichen 3 Ca 819/95 51

I. Absat^ und Vertrieb ähnliche Person. Die in Anspruch genommene Großhandels- und LagereiBemfsgenossenschaft lehnte eine Entschädigungszahlung für den verunfallten Zustellhändler ab, weil wegen der selbständigen Tätigkeit des Klägers Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RVO nicht bestanden habe. Nach Ansicht der genannten Arbeits- bzw. Sozialgerichte waren die Kläger entgegen der von ihnen vertretenen Auffassung nicht als Arbeitnehmer tätig. Eine persönliche Abhängigkeit durch Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Dauer der Tätigkeit war für die Richter ebenso wenig erkennbar wie die Eingliederung der Sonntagshändler in die Arbeitsorganisation der Grossisten. Sie waren auch nicht als arbeitnehmerähnliche Personen tätig, weil dafür eine wirtschaftliche Abhängigkeit vom Zeitungslieferanten vorliegen muß, die dann anzunehmen ist, wenn die Sonntagshändler auf die Verwertung ihrer Arbeitskraft und die Einkünfte aus ihrer Verkaufstätigkeit existenziell angewiesen sind. Da die Kläger für ihre Tätigkeit kein festes Entgelt, sondern je nach Zahl der verkauften Exemplare etwa nur € 35.- pro Woche erhielten und derartige Einkünfte keine Existenzgrundlage, sondern allenfalls ein nicht zu wirtschaftlicher Abhängigkeit führendes Zubrot sein konnten, wurden die Klagen der Sonntagshändler als unbegründet zurückgewiesen. Die zu der Verhandlung beim Sozialgericht Trier beigeladene Grossofirma Becker & Winarek hatte während des Verfahrens darauf hingewiesen, dass der hirnverletzte Kläger laut schriftlicher Vereinbarung in der Durchführung seiner Verkaufstätigkeit, bei der es sich nicht um einen Abonnementvertrieb gehandelt habe, frei gewesen sei. Der Kläger habe die Zeitungen nicht nur nachts, sondern auch am Sonntag in eigenem Namen verkauft und seine Kunden selbst angeworben. Diese Argumente und Urteile, die die selbständige Tätigkeit ambulanter Sonntagshändler begründen, ließ die Landesversicherungsanstalt Oldenburg-Bremen nach einer Prüfung der Grossofirma Lehmann im Dezember 1998 nicht gelten. Die LVA stellte fest, dass die Sonntagshändler überwiegend in der Zustellung von Bild am Sonntag und Welt am Sonntag tätig sind. Dies sei die Haupttätigkeit. Der freie Verkauf weiterer Zeitungsexemplare sowie das Werben von Lesern stelle einen Ausfluß aus der Haupttätigkeit dar und begründe keine Selbständigkeit. Die Landesversicherungsanstalt machte dem Oldenburger Grossisten zur Auflage, jeden seiner Sonntagshändler ab 1.1.1999 als dauerhaft geringfügig Beschäftigten bei der für ihn zuständigen Krankenkasse anzumelden und dies der LVA zu bestätigen (BVPG 1998:3f.). Gegen diesen Bescheid legte Lehmann erfolgreich Widerspruch ein (BVPG 1999(c): o.S.). Durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 wurden rückwirkend zum 1.1.1999 Vorschläge der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission „Scheinselbständigkeit" umgesetzt. Die Kommission hatte den Auftrag, auf der Grundlage einer Bestandsaufnahme Vorschläge zur Lösung der auf-

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5. Verlagseigene

Zustellorganisationen

grund des Gesetzes über geringfügige Beschäftigungsverhältnisse vom 1.4.1999" entstandenen Probleme zu erarbeiten. Die Spitzenverbände der Krankenkassen, der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger und die Bundesanstalt für Arbeit hatten die sich durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit ergebenden Auswirkungen für das Versicherungs-, Beitrags- und Melderecht der Sozialversicherung beraten und die erzielten Ergebnisse in einem Rundschreiben vom 20.12.1999 zusammengefaßt (,Spit^enverbände 1999). Danach sind ambulante Sonntagshändler „nur an Sonntagen tätig und ausschließlich mit dem eigenverantwortlichen Vertrieb der ... im Einzelverkauf erhältlichen Sonntagszeitungen befasst. Der ambulante Sonntagshändler verkauft in eigener Regie und auf eigenes Risiko. Er hat -wie der stationäre Presseeinzelhandel- ein typisches Unternehmerrisiko und ist deshalb -anders als Zeitungsausträger oder Zeitungszusteller- den selbständig Tätigen zuzuordnen (...). Dem steht auch nicht entgegen, wenn der ambulante Sonntagshändler vorwiegend Verlagskunden beliefert (...)."

5.9.6 Die Organisation des ambulanten Sonntagshandels Ein verlagseigener Vertriebsapparat mit mehreren tausend ambulanten Sonntagshändlern, wie er für die Titel von Axel Springer in den sechziger Jahren aufgebaut wurde, um eine flächendeckend funktionierende Hauszustellung zu organisieren, bedeutet einen gigantischen Aufwand (Rosenfeld 1997: 157). Die Betreuung und Versorgung des stationären Einzelhandels und des ambulanten Zustellhandels mit Sonntagszeitungen 62 erfolgt deshalb stark arbeitsteilig zwischen der Zentrale Logistik/Vertrieb in Hamburg, regionalen Vertriebsleitungen", Gebiets-Grossisten und/oder örtlich zuständigen Vertriebsstellen (Zustellagenturen). Die Besetzung der Zustellagenturen findet durch Ausschreibung statt. Sie arbeiten im Prinzip wie kleine Grossisten und unterstehen der Kontrolle des regional zuständigen Gebiets-/Verkaufsleiters im Vertriebsaußendienst der Axel Springer AG. Für nur drei bis vier Titel müssen die Agenturen die komplette Vertriebsleistung erbringen, weshalb ihre Tätigkeit kaum rentabel gestaltet werden kann. Entsprechend hoch ist die Fluktuation unter den Agenturleitern. Der Gebietsleiter des Verlages und der Leiter der Agentur erarbeiten zu Anfang eines jeden Geschäftsjahres Vorschläge für eine Jahresleistung der Vertriebsstelle. Das Ergebnis findet ihren Niederschlag in einer für zwölf Monate verbindlichen Zielvereinbarung. Parallel dazu wird ein Leistungskatalog geführt, mit der die Performance der einzelnen Agenturen und Presse-Grossisten beurteilt wird. Die Zielvereinbarung und Vgl. Kapitel I., 5.2 Geringfügige und kurzfristige Beschäftigung von Zeitungszustellern. Betreuung, Steuerung und Beurteilung der Handelspartner, Suche und Auswahl neuer Vertriebsstellen, Ausbau und Festigung der Leser im Haustürservice 63 Berlin, Hamburg, Hannover, Leipzig, Essen-Kettwig, Neu-Isenburg, Esslingen und München. Vgl. Neumann 2005: 194 f.; 41

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I. Absatz und Vertrieb die Vertriebsleistung pro Agentur und Grossist unterliegen einer permanenten Überprüfung durch den Verlag. Bei wiederholt schwachen Leistungsdaten kommt das „Eskalationsprinzip" zur Anwendung, d.h. die Soll-/Ist-Abweichungen werden zunächst zwischen dem Gebiets- und dem Agenturleiter analysiert. Sofern es durch diese Gespräche nicht zu Verbesserungen kommt, wird der Zustellagentur durch die Regionale Vertriebsleitung (RVTL) eine Frist gesetzt, bei deren erfolglosem Verstreichen es zu einem Gespräch mit der Zentralen Vertriebsleitung in Hamburg kommen kann. Sind keine Verbesserungen zu erwarten, trennt sich der Verlag von der Zustellagentur. Durch die Betreuung, Steuerung und Beurteilung der Zustellagenturen, Grossisten und Sonntagshändler sowie die Berücksichtigung lokaler und regionaler Besonderheiten und durch die Verzahnung zwischen Logistik und Verkauf, als auch Innendienst und Außendienst in Regional-Teams, versucht der Springer-Vertrieb, eine kompetente Bearbeitung des Sonntagsmarktes sicherzustellen.

5.9.6.1 Elektronisches Tourenbuch (ETB) Die am Sonntag zuzustellenden und darüberhinaus frei zu verkaufenden Exemplare erhält jeder der insgesamt 28.000 ambulanten Sonntagshändler (BamS/WamSVertrieb 2003: 4) entweder vom örtlich zuständigen Presse-Grossisten oder von einer der 700 rechtlich selbständigen, Axel Springer exklusiv verpflichteten Vertriebsstellen (Zustellagenturen) geliefert. Als Abladestellen, die die Fahrer der Grossisten oder beauftragte Transportunternehmen sonntäglich ansteuern, kommen das Wohnhaus des Zustellers, aber auch wettergeschützte Geschäftseingänge von Presse-Einzelhändlern in Betracht. Viele Sonntagshändler holen ihre Mengen auch selbst beim Presse-Grossisten oder in der Zustellagentur ab. Die Verteilung auf die in kleineren Ortschaften wohnenden Zustellhändler organisiert Axel Springer über Speditionen im Ringtourensystem. Bei einer abzusetzenden Menge von beispielsweise 180 Exemplaren und einem Vollballeninhalt von 40 stellen Grossist oder Agentur dem Sonntagshändler vier Vollballen und eine Spitze mit 20 Exemplaren zusammen. Das Spitzenpaket trägt den Namen des Zustellers und den Ablageort. In der Regel beinhaltet „die Spitze" darüberhinaus Informationen über neu oder nicht mehr zu beliefernde Kunden. Der Verkauf von Sonntagszeitungen unterliegt dem Ladenschlußgesetz und ist grundsätzlich auf fünf Stunden begrenzt (textintern vom 4.6.1997: o.S.). Für die Zustellung, die bis 10:00 Uhr morgens abgeschlossen sein sollte, und die darüber hinaus frei zu verkaufenden Exemplare steht -je nach Arbeitsbeginn- ein Zeitfenster zwischen ca. 8:00 Uhr und 13:00 Uhr zur Verfügung. In dem Bestreben, die Zustellung schneller und sicherer zu machen, wurden verschiedene Wege beschritten. Das Tourenbuch, ein kleines rotes Ringbuch, ist eine hilfreiche und häufig genutzte Unterlage. Zunächst handschriftlich geführt, wurden dort alle Kunden des Zustellhändlers aufgelistet. Nützliche Hinweise zur Zustellung fanden sich 54

5. Verlagseigene

Zustellorganisationen

dort ebenso wie eine Übersicht über das Inkasso, das in der Regel von den Sonntagshändlern übernommen wird. Ein beim Grossisten oder in der Agentur deponiertes Duplikat des Tourenbuchs ist im Krankheitsfall des Zustellhändlers eine große Hilfe für die Vertretung, vorausgesetzt, das Tourenbuch wird ständig aktualisiert." Mit Einführung der EDV übernahmen maschinell erstellte Auflistungen die Funktion der handschriftlichen Verzeichnisse. Im Juli 1989 übermittelte der Axel Springer - Vertrieb allen Presse-Grossisten die Regularien zur Einführung und späteren Abwicklung des sog. Elektronischen Tourenbuchs. 65 Die Realisation des Konzeptes erfolgte in Übereinstimmung mit den verbindlich definierten Anforderungen durch eine Host-Applikation bzw. PC-Anwendung, mit deren Hilfe z.B. eine optimale Touren-Reihenfolge ausgeworfen werden kann. Ein Vertreter des Zustellhändlers hat damit nicht nur eine Unterlage über die aktuell zu beliefernden Kunden in der Hand. Er kann die Sonntagszeitungen auch ohne größere Zeitverluste zustellen, denn gerade beim ersten Mal kann es auf einer unbekannten Tour zu spürbaren Verspätungen kommen. Seit Ende 1997 sind alle Springereigenen Agenturen mit einheitlichen Systemen und vom Bild am Sonntag-Vertrieb entwickelter Software ausgestattet. Für die Betreuung der Kundenkontakte betreibt Axel Springer in Hamburg und Berlin zwei Call-Center.66 Jede Zustellagentur verfügt mindestens über einen Personal-Computer und die dazugehörige BamSSoftware. Anfragen, Änderungen, Lieferunterbrechungen oder Reklamationen der Kunden gehen im Call-Center ein und werden über das Ordnungskriterium „Postleitzahl" auf elektronischem Wege an die zuständige Agentur und von dort an den Sonntagshändler weitergeleitet.

5.9.6.2 Vetdienstmöglichkeiten im Sonntagshandel Die Bezahlung der Sonntagszeitungen erfolgt entweder bar an der Haustür (Haustür-Inkasso) oder direkt an den Verlag (Verlagszahler). Die Rechnungslegung an die Verlagszahler erfolgt durch Axel Springer im Namen und für Rechnung des Sonntagshändlers. Bei der Welt am Sonntag ist die Zahl der Verlagszahler weitaus Laut Liefervereinbarung hat der Sonntagshändler im Fall der Verhinderung wegen Urlaub oder Krankheit für eine ordnungsgemäße Vertretung zu sorgen und damit die Versorgung der Leser mit den Zeitungen sicherzustellen. In der Praxis sieht dies allerdings häufig so aus, dass ohne aktives Eingreifen der zuständigen Agentur oder des Grossisten viele Sonntagsleser ohne Zeitung wären. 65 Elektronisches Tourenbuch (ETB), auch Einzelblatt-Tourenbuch genannt. Vgl. dazu BVPG 1990: 34. 66 „Call Center sind Unternehmensabteilungen oder eigenständige Firmen, die unter Wahrung von Unternehmens- und Marketingzielen und mit Hilfe modernster Informationsund Telekommunikationstechnik einen serviceorientierten Dialog des Unternehmens mit Kunden, Interessenten und Lieferanten gewährleisten" (Koke/Wiencke 1999: 497). 64

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I. Absat:ζ und Vertrieb höher als bei Bild am Sonntag. Die regional zuständige Vertriebsstelle (Agentur) bzw. der Grossist, der für die Betreuung der betreffenden Zustellhändler verantwortlich ist, nimmt die von seinen Sonntagshändlern kassierten Beträge (abzüglich des Zustellerrabatt) ein und rechnet diese unter Abzug seines Rabatt mit dem Verlag ab. Der Ausgleich der wöchentlichen Rechnungen erfolgt grundsätzlich im Abbuchungsverfahren. Soweit einzelne Leser an den Verlag zahlen, werden diese Beträge namens und für Rechnung des Sonntagshändlers in Empfang genommen und dem Konto des Sonntagshändlers gutgeschrieben (OPV 2004:1). Die Sonntagszeitungen unterliegen im Zustellhandel ebenso wie im stationären Einzelhandel der Preis-, Vertriebs- und Verwendungsbindung des Verlages (Brummund 1985: 153 ff. und 162 ff). Das bedeutet, dass der Verlag einem PresseGrossisten bzw. einer Zustellagentur die Exemplare zu einem aktuell von ihm festgelegten, objektspezifischen Abgabepreis berechnet. Grosso und Agentur müssen den vom Verlag gebundenen Abgabepreis an den Zustellhändler einhalten bzw. berechnen, womit beide ihren Gewinn aus dem Rohertrag beziehen.67 Der ambulante Sonntagshändler, der bei der Aufnahme seiner Tätigkeit einen Preisbindungs-Revers unterschreiben muß, verpflichtet sich damit, nur an Endverbraucher zu verkaufen und den auf den Zeitungen aufgedruckten Verkaufspreis einzuhalten. Das heißt, dass er dem Käufer weder einen Nachlaß gewähren, noch einen Preisaufschlag abverlangen darf (OPV 2004:2). Tabelle 1: Handelsspannen (Rabatte) für die Sonntagszeitungen der Axel Springer AG Handelspartner Verkaufspreis Presse-Grosso* Vertriebsstellen* Ambulante Sonntagshändler Stationäre Einzelhändler

Bild am Sonntag €1,40 14,90% /15,30% 14,90%/15,30%

Welt am Sonntag €2,20 16,08%/16,48% 16,08%/16,48%

Euro am Sonntag €2,80 21,94%/22,34% 21,94°/«/22,34%

21,25%

20,48%

20,50%

19,00%

19,00%

20,24%

* Die Rabatte für das Grosso variieren in Abhängigkeit von der Verwendung der Exemplare im stationären Einzelhandel bzw. im ambulanten Sonntagshandel.

Der Rohertrag ist die jeweilige Differenz aus dem Abgabepreis und dem Einkaufspreis. Die Handelsspanne ist der prozentuale Anteil des Rohertrags am Nettowarenwert.

67

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5. Verlagseigene

Zustellorganisationen

Die Bearbeitung des Sonntagsmarktes ist mit erheblichen Kosten belastet. Axel Springer erwartet daher von seinen Handelspartnern eine intensive Befassung mit seinen Sonntagszeitungen. Der Verlag gewährt dem Presse-Grosso, den Zustellagenturen, den ambulanten Sonntagshändlern und den stationären Einzelhändlern je verkauftes Exemplar die in vorstehender Tabelle verzeichneten Rabatte. Der Verlag gewährt den ambulanten Sonntagshändlern bei der Bild am Sonntag 21,25 % Rabatt, bei der Welt am Sonntag 20,48 % Rabatt und bei Euro am Sonntag 20,50 % Rabatt, jeweils auf den Nettowarenwert. 68 Das Leistungsentgelt des Sonntagshändlers liegt bei allen Titeln über dem Rabatt, der den stationären Einzelhändlern eingeräumt wird. Auch die Vertriebsstellen und Presse-Grossisten erhalten einen höheren Rabatt für die Exemplarmengen, die sie an den ambulanten Sonntagshandel liefern. Damit vergütet der Verlag den im Abgleich mit dem stationären Einzelhandel durch die intensive Betreuung der Sonntagshändler entstehenden, höheren Handlingsaufwand seiner Handelspartner. Der Sonntagshändler erhält einen Stücklohn pro verkauftes Exemplar und in Ausnahme fällen ein Wegegeld. Ein guter Zusteller mit einhundert verkauften Exemplaren Bild am Sonntag und dreißig Exemplaren Welt am Sonntag kommt auf einen Lohn von rund 40.- € pro Sonntag. Dieser Verdienst ist im Vergleich mit der Zustellung von lokalen/regionalen Tageszeitungen überdurchschnittlich hoch. Der Träger einer Abonnement-Tageszeitung müsste (rein rechnerisch) die zwei- bis dreifache Exemplarmenge eines Sonntagshändlers zustellen, um dessen monatliches Einkommen aus dieser Nebenbeschäftigung zu erreichen.

5.9.6.3 Werbemittel und Bezieherwerbung In den Zielvereinbarungsgesprächen zwischen dem zuständigen Verkaufsleiter der Axel Springer AG und den Agenturen wird einmal pro Jahr die Anzahl von LeserVerdichtungsaktionen, die Remissionsquote, der Bedarf an Werbemitteln und der Bonus bei Zielübererfüllung festgelegt. Zur Absatzsteigerung stellt Axel Springer den Agenturen/Grossisten unentgeltlich verschiedene Werbemittel 6 ', Bekleidungsund Ausrüstungsgegenstände"1 zur Verfügung, die die Embleme von Bild am Sonntag und Welt am Sonntag tragen (Zeitungsgruppe Bild 2004(b): 23 ff.). Der dafür zum Einsatz kommende Werbemitteletat beträgt rund € 10 Mio. pro Jahr (BamS/ WamS-Vertrieb 2003:4).

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Der Nettowarenwert ist der Endverkaufspreis abzüglich 7% Mehrwertsteuer. Kostenlose Freiexemplare, Tekturen, Adresskarten, Visitenkarten, Leserinfos Händlerjacke, T-Shirt, Baseball-Cap, Daunenweste, Wintermütze Tourenbuch, Satteltasche, Tragetasche, Geldtasche, Rucksack

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I. Absat£ und Vertrieb Der Funktionsbereich eines ambulanten Sonntagshändlers ist weit größer, als der eines Zustellers von Abonnementstageszeitungen.72 Der Verkauf der Sonntagszeitungen erfolgt in einem mit der Agentur/dem Presse-Grossisten vereinbarten Zustellbezirk, Neben der Zustellung, dem Inkasso und der Entgegennahme von Be- und Abbestellungen führt der Sonntagshändler73 persönliche Verkaufsgespräche mit potentiellen Kunden. In Bezirken, die noch keine oder wenige Bezieher aufweisen, ist der Zustellhändler angehalten, sein Gebiet zu verdichten und weitere Fesdeser zu finden. Der Zustellhändler ist folglich nicht nur als Bote unterwegs, sondern auch als Werber, der in einem abgegrenzten Bezirk das vorhandene Käuferpotential für eine Sonntagzeitung ausschöpft. Die größte Motivation für einen Zustellhändler besteht darin, seinen Kundenkreis zu erweitern und seinen regelmäßigen Verdienst aus dem Zeitungsverkauf durch Geldprämien für Neuleser aufzubessern. Die Gewährung der Prämie knüpft Axel Springer allerdings an zwei Bedingungen: Der Neuleser darf in den letzten sechs Monaten kein Festbezieher von BamS, WamS oder Euro am Sonntag gewesen sein und er muß die Zeitung mindestens elf Wochen ununterbrochen abnehmen (Zeitungsgruppe Bild 2004(c): 4). Nach Prüfung durch den Verlag erhält der Sonntagshändler 25 € (und mehr) pro Bild am Sonntag- und Euro am Sonntag - Neuleser bzw. 60 € (und mehr) pro Welt am Sonntag — Neuleser (Zeitungsgruppe Bild 2004(a): 2). Stark anreizend wirken auch die Sachprämien des Verlages.

5.9.6.4 Der SonntagsClub Die für die Springer-Titel tätigen, ambulanten Sonntagshändler können beinahe regelmäßig an Neuleseraktionen teilnehmen und dabei attraktive Preise gewinnen.74 Neben Bargewinnen werden Sachpreise wie Motorroller, Digital-Kameras, Telefon/Anrufbeantworter, Foto-Handies oder verbilligte Einkaufsmöglichkeiten bei Versandhäusern unter den ambulanten Sonntagshändlern ausgelobt (Zeitungsgruppe Bild 2004(a): 2 f.). Von Zeit zu Zeit werden die Zustellhändler verschiedener, regional benachbarter Vertriebsgebiete -einer alten Springer-Tradition gemäßvom Verlag zu einem Motivationsabend in eine für die Gäste zentral gelegene Festhalle eingeladen. Dort werden sie bewirtet und langjährige, treue Sonntags-

Für Tätigkeiten, die sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses erbracht werden können, gilt der Grundsatz, dass bei einfachen Arbeiten eher von einem Arbeitnehmerverhältnis auszugehen ist. Vgl. BAG vom 16.7.1997: 5 73 Neben den parallel dafür eingesetzten Verlagspropagandisten. 74 Der Verkaufswettbewerb 2003 hieß z.B. „Deutschlands Sonntags-Star" und hielt im Finale Geld- und Sachpreise im Wert von 25.000 € für die Sonntagshändler bereit. Vgl. Zeitungsgruppe Bild 2004(a): 2 f. 72

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5. Verlagseigene Zustellorganisationen händler werden geehrt. Die von einem Unterhaltungsprogramm mit prominenten Künstlern und Tombola umrahmten Gala-Abende des sog. „SonntagsClub" finden bei den Gästen regelmäßig positiven Zuspruch, der sich unmittelbar anschließend in einer Vielzahl von Bestellungen, Anfragen und Anregungen der Sonntagshändler widerspiegelt (dnv 4/2000: 110). Hat ein ambulanter Sonntagshändler seine Zustelltätigkeit angetreten, wird er als Mitglied in den SonntagsClub aufgenommen. Mehrfach im Jahr lädt die zuständige Zustellagentur bzw. der Presse-Grossist zum SonntagsClub-Treff ein, bei dem sich die Sonntagshändler austauschen können. Hier wird dem einzelnen Sonntagshändler neben der Teilnahme an einer Tombola der Kundenumgang in Form allgemeiner Richtlinien gelehrt. Beim Club-Treff und durch ein achtmal jährlich erscheinendes SonntagsClub-Magazin erhält der Zustellhändler Ratschläge, wie er neue Kunden von seinem Service überzeugen, deren Vertrauen gewinnen und seine Einnahmen noch weiter steigern kann. Zu den Aufgaben des SonntagsClub zählt neben der Händlerbetreuung, Werbemittelverwaltung und der Gestaltung des Club-Magazins das Direkt-Marketing"5, Statistiken, Analysen und Nachfaßakdonen ßamS/WamS-Vertrieb 2003:3f.). Bei dem Zusteller von Sonntagszeitungen handelt es sich im allgemeinen um einen älteren Schüler oder Studenten, der zeitlich begrenzt einen Nebenverdienst erreichen will oder muß. Personen, die nach Abschluß ihrer Berufsausbildung weiterhin im Sonntagshandel tätig sind, bilden die Ausnahme. Hohe Fluktuationsraten von über 8.000 Sonntagshändlern pro Jahr (ca. 30 %) sind mithin die Regel (BamS/WamS-Vertrieb 2003: 5). Um die Kostenentwicklung im Personalbeschaffungsbereich zu dämpfen, den Bestand an ambulanten Sonntagshändlern zu erhalten und weitere Verkaufskräfte zu gewinnen, gewährt Axel Springer etablierten Sonntagshändlern, die einen neuen Verkäufer für zu besetzende Touren benennen, eine beträchtliche Geldprämie. Aus der Beschaffung von Ersatz-Zustellern resultiert für die Agenturen, den Verlags-Außendienst und die Presse-Grossisten ein hoher finanzieller und personeller Aufwand."6 Der mit der Vertriebsabteilung einer Tageszeitung vergleichbare Aufgabenkreis der Agentur/des Presse-Grossisten im Sonntagsvertrieb erklärt, warum in jeder Grossofirma -soweit sie ambulante Sonntagshändler betreut- mindestens ein spezieller Mitarbeiter eingesetzt ist, der sich sowohl im Innendienst wie im Außendienst nur um die Belange der Axel Springer-Sonntagszeitungen kümmert (dnv 12/1998: 4 7 f ) . Dies ist sonst für kein weiteres in Deutschland erscheinendes Presseerzeugnis, ja nicht einmal für die Gesamtauflage eines großen Verlages üblich.

Hauswurfsendungen, Neuleserwerbung, Dokumentation, Abrechnung, Aktionenauswertung „...ambulante Händler sind am Sonntag schwer zu finden." W. Schiessl in Horizont 75

16/2001: 1.

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II. SELBSTÄNDIGE ABSATZORGANE IN DER VERTRIEBSORGANISATION DER VERLAGE So wie in allen anderen Branchen, so ist auch im Pressewesen die Steuerung des Absatz in eigenen Vertriebsabteilungen der Normalfall für große Unternehmen. Während wir bisher die unselbständigen Einrichtungen im Absatzsystem der Verlage kennengelernt haben, gehen wir jetzt dazu über, uns mit betriebsfremden, rechtlich selbständigen Unternehmen in der Absatzorganisation der Zeitungs- und Zeitschriften-Verlage zu beschäftigen. In der Gruppe der selbständigen Absatzorgane sind die Absatzhelfer (Diensdeistungsunternehmen) von den Absatzmitdern (Gross- und Einzelhändler) zu unterscheiden. Letzteren werden wir uns erst später bei der Darstellung der einzelnen Absatzwege bzw. Vertriebssparten zuwenden.

1. Absatzhelfer im Presse-Logistik-Bereich Kaum ein Verlag, der seine Produkte überregional verbreitet, kann auf den Einsatz von fremden Diensdeistungsunternehmen verzichten. Für kleine Verlage, für die eigene Absatzorgane nicht in Betracht kommen, weil die erforderliche Kapitalausstattung oder ein bestimmter Organisationsgrad fehlen, bedeutet die Einschaltung von Absatzhelfern oft die einzige Möglichkeit, im Wettbewerb mit Konkurrenten zu bestehen.1 Die Anforderungen an den Vertrieb sind durch ein verändertes und flüchtigeres Leserverhalten sowie eine zunehmende Zahl an Printmedien-Titeln permanent gewachsen. Die Märkte sind durch multimediale Angebote und damit einhergehender Konvergenz verschiedener Medientypen komplexer und insgesamt schwieriger geworden. Hervorgerufen durch steigenden Kostendruck und Absatzrückgänge seit Ende der neunziger Jahre stehen nicht nur kleine, sondern auch zunehmend mitdere und größere Verlage vor der Frage, ob sie den Absatz ihrer Produkte noch selbst organisieren oder aus dem Unternehmen ausgliedern sollen (VDZ 2004(a); Bebrens 2003: 14f.).

1 Antiquiert erscheint deshalb das Credo der prinzipiell gegen den Strom schwimmenden Tageszeitung TAZ, den Vertrieb komplett in Eigenregie abzuwickeln. Vgl. dnv 18/2002: 37.

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2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz

2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz Das Outsourcing von Teilfunktionen aus der eigenen Organisation, d.h. die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatzes an rechtlich selbständige Unternehmen, ist immer dann in Erwägung zu ziehen, wenn sich damit das Kosten-/Nutzenverhältnis verbessern lässt. Dieses ist der Fall, wenn a. eine Fremdfirma aufgrund ihrer vielfältigen Aufträge und der dadurch gewonnenen großen Erfahrung besser ist als der eigene Vertrieb, b. eine Fremdfirma billiger arbeiten kann, weil sie, da sie eine weit größere Menge gleichartiger Tätigkeiten zu erledigen hat, größere Kapazitäten an Maschinen oder Personal wirtschaftlicher einsetzen kann als der Verlag und c. sich das Verlagsmanagement durch Outsourcing von administrativen Aufgaben endasten und auf seine Kernkompetenzen konzentrieren kann (dnv 6-7/1999:

Abbildung 9: Outsourcing von Vertrieb (Behrens 2003: 15) Betraf die Auslagerung von Teilfunktionen beim Presseabsatz anfangs nur den Transport, erstreckte sich das Outsourcing in weiteren Schritten auf Aktivitäten wie EDV-Diensdeistungen, Lagerung, Verpackung, Nachlieferung, Einzelheftund Werbemittelversand, Remissionsbearbeitung, Qualitätskontrolle, Verladeaufsicht, Abonnementsverwaltung und Abonnentenbetreuung. Besonders die Bedeutung der Vertriebs-Logistik- hat sich, wie am Beispiel des Axel Springer-Vertrieb gezeigt worden isf, in den letzten Jahren deutlich gewandelt: „Logistiker saßen in den siebziger Jahren üblicherweise im Keller unter dem Treppenaufgang. Die Tatsache, daß sie heute schon als Vorstandsmitglieder in den Führungsetagen vieler Unternehmen sitzen, dokumentiert wahrscheinlich am trefflichsten den unaufhaltsamen Siegeszug der Logistik" (Gerd Aberk in dnv 11 /1999: 103). Auch Marketing-Logistik, Distributionslogistik oder physical distribution genannt. ' Vgl. Kap. 1. 4. Vertriebslogistik statt Versand.

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II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage Ab Ende der siebziger Jahre gab es deutliche Qualitätsschübe in der PresseVertriebs-Logistik. Das Angebot an Logistiksystemen für Presse hat sich seither kontinuierlich weiterentwickelt, auch wenn die meisten Absatzhelfer (das gilt für die Deutsche Post ebenso wie für die Speditionsunternehmen) anfangs nur auf Anforderungen der Verlagskundschaft reagierten und kaum mit eigenen Dienstleistungsprodukten in die Offensive gingen. Andere Diensdeister wie Nationalvertriebe oder Abonnement-Verwalter hingegen ergriffen die Chance, ihre Wertschöpfungskette zu erweitern und stellten sich auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Verlagskunden ein. Einzelne Verlage, wie die Verlagsgruppe Milchstrasse (TV Spielfilm, Max, Fit for Fun) zum Beispiel, reduzierten das Aufgabenspektrum ihres Vertriebs durch spezialisierte Fremdfirmen so weit, dass der Vertrieb als Zentrum eines Netzes von Diensdeistern und der Vertriebsleiter als der für die einzelnen Titel zuständige Unternehmer in Erscheinung traten. Der Verzicht auf einen kompletten Vertriebsapparat war bei Milchsttasse aus Kostengründen zur Unternehmensphilosophie geworden. In den Zeiten vor dem Wachstum der Verlagsgruppe stand ein eigener, vollständiger Vertrieb nicht zur Diskussion und selbst mit sieben periodisch erscheinenden Zeitschriften und 100 Mio. € Umsatz im Einzelverkauf machte der Aufbau eines solchen Systems aus Sicht des Verlages keinen Sinn (L. Zimmermann in dnv 12/1998: 12). Alle Vertriebsfunktionen, die ein hohes Maß an Spezialwissen samt aufwendiger EDV bedurften (Disposition, Faktura und Kundenbetreuung), lagerte die Milchstrasse deshalb aus. Im Einzelverkauf wurden die Titel zunächst vom Inland Presse Vertrieb, dem Nationalvertrieb von Gruner + Jahr, lanciert. Im Dezember 2004 übernahm Hubert Burda Media die Verlagsgruppe und integrierte deren Einzelverkauf in den verlagseigenen Burda Medien Vertrieb4, während die Burda-Tochter Neue VerlagsgeseEschaft (NVG) ohnehin schon vorher die 600.000 Abonnements der Verlagsgruppe verwaltet hatte. Die Akquisition von Kinos, Fitness-Center, Boutiquen, Szenekneipen und Computer-Shops führte der Verlag bis zur Übernahme mit Spezialdiensdeistern durch, während die Bedienung der Sonderverkaufsstellen verlagseigene Mitarbeiter besorgten.

Seit 1995 besaßen Burda und der italienische Medienkonzern Rizzoli jeweils 37,5 % an der Milchstrasse. Die restlichen 25 % lagen beim geschäftsführenden Gesellschafter, Verleger und Gründer des Hamburger Unternehmens, Dirk Manthey, der im Januar 2003 weitere Beteiligungen an seinen Objekten, die in separaten Gesellschaften geführt wurden, an Burda und Rizzoli verkaufte (Horizont 12/2003: 31). Nach Umsatzverlusten im Zuge der allgemeinen Medienkrise hatte die Verlagsgruppe Milchstrasse die Anzahl ihrer Beschäftigten halbieren müssen. Doch das half wenig. Burda machte im Dezember 2004 von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch und übernahm von Rizzoli deren Anteile an der Milchstrasse. Im Zuge des Verkaufs an Burda, die Offenburger übernahmen auch Mantheys restliche 25% an Max und Tomorrow, wechselte die Vertriebsbetreuung vom Inland Presse Vertrieb zum Burda Medien Vertrieb. Vgl. dnv 4/2005: 5 4

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2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz Das „Beispiel Milchstrasse" hat deutlich gemacht, dass das Outsourcing in ganz unterschiedlichem Umfang erfolgen kann. Es kann sich auf den gesamten Vertrieb oder nur auf einzelne Dienstleistungen erstrecken. Es kann sich auf das gesamte Verlagsprogramm oder nur auf einzelne Objekte beziehen und es kann alle oder nur einzelne Absatzformen (Einzelverkauf, Abonnement, Vermietung) betreffen. Eine Kostellation, in der ein Nationalvertrieb gleichzeitig Abo-Verwalter, EDVDiensdeister, Bindeglied zum Rechenzentrum, BackOffice und kompetenter Berater ist, könnte beispielgebend sein für einen Verlag, der seinen Vertrieb nicht komplett outsourcen will. Plant ein Verlag jedoch, die Arbeit seiner Vertriebsabteilung ganz auf einen oder mehrere Diensdeister auszulagern, muß er eine Vielzahl verschiedener Tätigkeiten individuell analysieren und unter Kosten/Nutzengesichtspunkten kalkulieren. Damit erst kann er die verschiedenen Angebote von Outsourcing-Partnern beurteilen und Entscheidungen über die Auslagerung von Tätigkeiten treffen. Eine komplette Abhandlung über mögliche, für ein Outsourcing in Betracht kommende Einzeltätigkeiten des Vertriebs würde den zur Verfügung stehenden Raum und die Geduld des Lesers übersteigen.» Der Verfasser ist deshalb bemüht, im folgenden nur die wichtigsten Absatzhelfer der Verlage vorzustellen und deren Funktionsweise instruktiv zu beschreiben.

2.1 EDV-Dienstleistungen Verlage haben, egal ob im Einzelverkaufs- oder Abonnementsbereich, riesige Mengen von Daten zu verwalten und zu pflegen. Abonnementsverwaltung und Datenpflege sind ohne die Hilfe der Informationstechnologie (IT) heute schier undenkbar. Die Vertriebsdaten ändern sich täglich in einem solchen Maße, dass eine manuelle Bearbeitung mit vertretbarem Aufwand unmöglich ist. In den 70er Jahren wurden handschriftlich geführte Karteien durch maschinelle Dateien ersetzt - die beginnende Computer-Ära revolutionierte den Vertrieb. Computer übernahmen zunächst die Aufgabe der Lochkartenmaschinen. Aufgrund der größeren Leistungsfähigkeit der Computer konnte die Verwaltung und Verarbeitung von Massendaten schneller, billiger und zuverlässiger durchgeführt werden. Der Einsatz von Computern ermöglichte auch vielen Verlagen, ihre Verwaltungsaufgaben schneller zu erledigen, z.B. ihre Kunden schneller zu bedienen und das Management nach Qualität und Zeit mit den notwendigen Informationen zu versorgen (Schulz 1994:51 ff. + 269 ff).

Vgl. stattdessen Travnecek 1990(b): 24; dnv 1/1998: 22; dnv 11/2000: 26 f.; dnv 9/1999: 114; dnv 1/1997: 23 f.

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II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage

2.1.1 Rechenzentren als Vorläufer moderner Abonnement-Verwalter Die besonderen technischen Vorteile eines Computers, seine Schnelligkeit in der Verarbeitung, Genauigkeit, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit, große Mengen an Daten zu speichern, veranlasste viele im Pressewesen tätige Unternehmen, entweder ein eigenes Rechenzentren einzurichten, mit Kooperationspartnern ein Gemeinschaftsrechenzentrum zu errichten, zu betreiben und zu nutzen oder die Computerkapazitäten bei rechtlich selbständigen Servicerechenzentren einzukaufen. Einige Unternehmen der Abonnenten-Verwaltung und -Betreuung wie Computer Service E . J o s t in München oder die dsb A G in Neckarsulm entstanden aus konventionellen Rechenzentren. Ihre Serviceangebote konnten durch den Umstand, dass hochqualifiziertes Fachpersonal und leistungsstarke EDV-Systeme vorhanden waren und von Verlagen und Vertriebsfirmen immer stärker nachgefragt wurden, sukzessive ausgebaut werden. Computer Service J o s t (CSJ) wurde am 1.4.1969 als Rechenzentrum für Verlage und Firmen des Werbenden Buchund Zeitschriftenhandels (WBZ) gegründet und entwickelte anfänglich Programme für die Verwaltung von Abonnements (dnv 12/1990: 26). Heute umfassen die EDV-Programme und Diensdeistungen von CSJ auch die Finanzbuchhaltung, das Einzelbestellwesen, die Werbung und das Marketing sowie die Verttiebsabwicklung für Zeitschriften- und Buchverlage, Grosso- und Bahnhofsbuchhandelsfirmen. Der Grundstein für die dsb A G wurde 1966 mit der Gründung der Firma Daten-Service Beck gelegt, die anfänglich als Rechenzentrum und Programmentwickler eine Vielzahl von EDV-Diensdeistungen für Zeitschriftenverlage, Speditionen, Versicherungsagenturen und WBZ-Firmen erbrachte (dnv 4a/1997: 46). Inzwischen ist aus diesen Anfängen eine Gruppe von sieben Einzelunternehmen mit sich ergänzenden Diensdeistungen geworden, die als Anbieter der umfangreichsten Palette an integrierten Lösungen für die Verlags- und Medienbranche gilt6·

2.1.2 Standard-EDV-Programme oder Individual-Software im Vertrieb? Elektronische Datenverarbeitungsanlagen stehen heute von der Kleinstanlage bis zum Supersystem allein oder in Computer-Netzwerken mit einer Vielzahl peripherer Bildschirmdatenstationen oder Personalcomputern zur Verfügung. Von der Möglichkeit, mit Hilfe solcher Systeme Datenverarbeitungskapazität an den Ar-

Insgesamt werden von der dsb A G rund acht Mio. Abonnements verwaltet. Vgl. Hinderer 1999: 56. Der Gesamt-Diensdeistungsumsatz beträgt 56 Mio € und der administrativ verwaltete Umsatz 1,5 Mrd. €. Vgl. dsb 1999(a): 1. 6

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2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz beitsplatz des einzelnen Sachbearbeiters zu bringen, macht im Prinzip jede moderne Vertriebsabteilung Gebrauch. Hardware allein stellt noch keine sinnvoll funktionierende EDV-Anlage dar. Erst durch die Programme (Software) wird ein einsatzfähiges Datenverarbeitungssystem daraus. Hatte man bei den ersten eingesetzten Vertriebsprogrammen noch mit Erfolg auf Eigenentwicklungen gesetzt, so kam bei den zwangsläufigen Wechseln auf Programme der jeweils nächsten Generation verstärkt Standard-Software zum Einsatz, die von verschiedenen Software-Entwicklern oder Systemhäusern wie SAP oder debis hergestellt wurde. Die Vorteile eines Standard-Programms liegen in dem für den Anwender geringeren Pflegebedarf. Wichtige Änderungen und notwendige Aktualisierungen werden vom Software-Entwickler zur Verfügung gestellt. Während die Manager aus den EDV-Abteilungen der Verlage Standardprogramme bevorzugen, favorisiert der Vertrieb meist eine IndividualSoftware. Das gilt besonders für die Nationalvertriebe (dnv 7-8/2002: 68; dnv 78/2004: 115) und Importeure, die eine Vielzahl ganz individueller Wünsche ihrer vertriebsbetreuten Verlagskunden bzw. vom deutschen Kalendarium, von der nationalen Heftnumerierung und von der Erscheinungsweise deutscher Produkte stark abweichende Voraussetzungen für Rechnungslegung und Remissionsrückführung gegenüber den inländischen Handelspartnern und hinsichtlich der Abrechnung mit den ausländischen Verlagen in Fremdsprache und Fremdwährung zu berücksichtigen haben (dnv 4/1998:99; dnv 2/1994: 14). Die Verlagsunion, Nationalvertrieb aus Wiesbaden, betreibt seit vielen Jahren eine den Marktveränderungen immer wieder angepasste, eigenentwickelte Software (Verlagsunion 1986). Dies gilt auch für das Vertriebs-Kontroll-System (VKS) der IPS Pressevertrieb GmbH (dnv 7/1996: 26) und für das neuentwickelte SDS (Saarbach Distribution System) der gleichnamigen Importfirma aus Hürth (KJieber 2002: 16 f.), die ihre neue Vertriebssoftware auf die besonderen Bedürfnisse von internationalen Zeitungen und Zeitschriften ausgerichtet hat (KJieber 2002: 16). In Deutschland ist der Einsatz von Individual-Software im Vergleich zum europäischen Ausland sehr hoch. Teilweise sind mehr als 50 % der eingesetzten Software selbstentwickelt. Wenn der größte Teil der nachgefragten Funktionen jedoch mit Standardsoftware abgedeckt werden kann, sollten die Anwender diesen Vorteil nutzen. Wie aufwendig und teuer es ist, nach Jahren selbstentwickelte Software neuen Gegebenheiten anzupassen, mußten viele Verlage und Vertriebsfirmen im Rahmen der Jahr-2000-Umstellung feststellen.

2.1.3 AbonnementVerwaltungsSysteme Die Marktführer unter den selbständigen EDV-Diensdeistern für die Pressevertriebs-Branche, Daten-Service Beck (dsb) und Computer Service Jost (CSJ), standen viele Jahre vor dem Problem und unter Druck, ihre mehr als zehn Jahre alten, in Eigenregie entwickelten Systeme ablösen und durch neue und moderne Soft65

II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage ware- und Systemlösungen ersetzen zu müssen, um ihre Kunden zufriedenstellen zu können und nicht an neue, inzwischen auf dem Markt aufgetretene, aggressiv akquirierende, leistungsfähigere und vergleichsweise preiswertere Mitbewerber zu verlieren. Im AbonnementVerwaltungsSystem AVS von Daten-Service Beck war das Adressmanagement zu verbessern, eine leistungsfähige Basis für Marketing und Direktmarketing-Aktivitäten zu schaffen, das System um Funktionen für elektronische Abonnements zu ergänzen und die Möglichkeiten bei der Gestaltung und Pflege von Rechnungen, Lieferscheinen und Mahnungen zu vergrößern (dnv 1/2000: 47). Obwohl die Neuentwicklung in ihrer Funktionalität weitaus vielschichtiger war als die Vorläufer-Software, musste dsb das neue AbonnementVerwaltungsSystem von vornherein zum gleichen Preis wie die bisherige Lösung anbieten, denn noch mehr wichtige Kunden zu verlieren, die eine bessere Leistung für das gleiche Geld am Markt erhielten, konnte dsb sich nicht erlauben. Vor der Vogel-Mediengruppe, Würzburg hatte schon die Verlagsgruppe Milchstrasse, Hamburg den Dienstleistungsvertrag mit Daten-Service Beck gekündigt und die Neue Verlagsgesellschaft (NVG), das Tochterunternehmen von Hubert Burda Media mit der Betreuung ihrer rund 600.000 Abonnenten beauftragt. Kündigungsgrund war neben den Burda-Beteiligungsverhältnissen an der Verlagsgruppe Milchstrasse7 die größere Leistungsfähigkeit der NVG, die im Unterschied zu dsb neben der Abonnement-Verwaltung auch das Merchandising, den Vertrieb von jährlich rund 100.000 Einzelprodukten wie Bücher, CDs, Kalender, Videos und Prämien betreuen konnte. Um nicht weiter an Boden zu verlieren und konkurrenzfähig zu bleiben, gründeten dsb und CSJ im April 2000 zunächst die dsb Media IT und bündelten ihre jeweiligen Ressourcen zur Informationsverarbeitung, d.h. alle Hard- und Softwareelemente, Mitarbeiter für Entwicklung und Beratung sowie die bestehenden, voneinander abweichenden Softwarelösungen, die zu einer gemeinsamen Anwendungslösung migriert werden sollten, in einem Gemeinschaftsunternehmen (dnv 10/1999:28). Die strategische Neuausrichtung in der dsb Media IT führte dsb und CSJ im nächsten Schritt zur Zusammenarbeit mit dem Marktführer in betriebswirtschaftlicher Standardsoftware und Customer Relation Management, SAP. dsb und CSJ standen vor der Herausforderung, ihren Kunden eine modernere Abonnementsverwaltung anbieten zu müssen. Dieses war nur durch eine hohe finanzielle Investition, die Bereitstellung von umfangreichem und spezifischem Knowhow und wirtschaftlich nur mit einer größeren Anzahl von Anwendern möglich, als dsb und CSJ sie zuvor einzeln betreuten. Um die Anforderungen abzudecken, wählte dsb Media IT wie der Wettbewerber debis Systemhaus Medien die SAP-Branchenlösung „Media" (IS-M/SD) als technische Basis, die wichtige Grundfunktionen mitbrachte. „Media" wurde bei Vgl. dazu Kapitel II. 2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz.

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2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz einer Reihe von Zeitungsverlagen eingesetzt, konnte die Bedürfnisse von Zeitschriftenverlagen aber nur zum Teil abdecken, weshalb das AbonnementVerwaltungsSystem (AVS) von dsb darauf aufsetzte und um Funktionen erweitert wurde, die auf die speziellen Bedürfnisse von Zeitschriftenverlagen zugeschnitten sind (dnv 1/2001: 71). Im November 2001 startete der Pilotbetrieb des neuen AVS/3 mit rund 200.000 Abonnements des IDG Magazine Verlag, München (dnv 2021/2004: 40). Nach dem Motto „Learning by doing" sollte gemeinsam mit IDG geprüft werden, ob der Prototyp noch weiter optimiert werden kann. Sinn und Zweck der Pilotphase war es, möglichst viele Wünsche und Vorstellungen der Verlagskunden von vornherein mit AVS/3 zu verwirklichen. Nach Abschluß der Pilotphase startete im Mai 2002 der Produktivbetrieb des neuen AVS/3 und die sukzessive Umstellung (Migration) der übrigen Verlagskunden (dnv 10/2002: 34). Die Beziehung zu den Abonnenten noch effektiver und individueller zu gestalten, war das primäre Ziel der dsb-Neuentwicklung. Mit dem AbonnementVerwaltungsSystem/3 wurden nicht nur wichtige Customer Relation Management Komponenten 8 , sondern auch eine übersichtlichere Benutzeroberfläche eingeführt. So können Abonnenten-Betreuer über eine Fragmentsuche die Daten eines einzelnen Kunden einfacher, schneller und ohne Vorwissen finden. Außerdem wurde die Funktionalität der Abonnements-Änderungs-Oberfläche erweitert. Das AVS/3 zeigt alle relevanten Adressen des Abonnenten/Kunden mit Zusatzinformationen wie E-Mail oder Telefon bis hin zu Auftragsdetails komplett an. Änderungen können durch Abonnenten-Betreuer oder Kundenberater im Call-Center direkt vorgenommen werden, ohne in verschiedene Dialoge wechseln zu müssen. Von der dateibasierten Prüfanfrage bei der Deutschen Post über die Integration von Abonnentenanfragen via Internet oder die Schnellerfassung mit Adressanalyse und automatischer Zuweisung der Eingaben in die richtigen Datenfelder bis zur detaillierten Plausibilitäts- und Doublettenprüfung ist das neue AbonnementVerwaltungsSystem der dsb auf einen möglichst geringen Aufwand bei der Datenerfassung und Datenpflege ausgelegt (dnv 5/2004:28f.; dnv 6-7/2003: 101).

2.1.4 PC-Vertriebs-Software als kostengünstige Alternative für kleine Verlage Die Aufgaben, die eine leistungsfähige Verlagssoftware bewältigen muß, sind äußerst komplex. Neben betriebswirtschaftlichen Standards (Finanzbuchhaltung, Personalverwaltung) umfasst das Anforderungsprofil für integrierte Verlagslösungen auch solche Bereiche wie Anzeigenerfassung und -Verwaltung, ProvisionsabZum Beispiel die Integration eines Sprachcomputers, eine SMS-Anbindung, eine hochentwickelte Anrufqualifizierung oder ein durchgängiges Workflow-Management für EMails. 8

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II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage rechnung, Abonnementsverwaltung, Logistik, Marketing und den Vertrieb. Die vielfältigen Aufgaben eines Verlags in eine Software zu integrieren, war lange Zeit nur Branchenriesen wie SAP vorbehalten, deren Programme aus Kostengründen für mittelständische Verlage nur in wenigen Fällen geeignet waren (dnv 1/2001: 37). Mittlerweile ist der Markt für Verlagssoftware in Bewegung geraten und immer mehr kleine und flexible Software-Anbieter' untergraben die bis vor wenigen Jahren scheinbar übermächtige Stellung des Marktführers SAP. Mit „Verdis" (Akronym für Verlagsdialogsystem) wurde schon 1984 eine alle spezifischen Tätigkeitsbereiche eines Verlages umfassende PC-Software entwickelt. Programmtechnisches Kernstück von „Verdis für Windows" ist das Adressmanagement. Mittels Datenbanktechnologie vereinfacht Verdis die Pflege der Adressen und die Inbeziehungsetzung zu anderen Daten. In praxi bedeutet dies, dass jede Adresse -egal ob Kunde, Inserent, Agentur, oder Fremdverlag- nur einmal eingegeben werden muß und in allen Anwendungsbereichen (Vertrieb, Debitorenbuchhaltung, Abonnementverwaltung, Anzeigenverwaltung und Versand) zur Verfügung steht, (dnv 7/1996: 38 f.) Verdis für Windows als NachfolgeSoftware der für die DOS-Ebene produzierten Programme eröffnete den zahlreichen Anwendern eine Vielzahl neuer Möglichkeiten, da die modular aufgebauten Datenbanken und das Design komplett neu definiert und in die Welt der OfficeKommunikation und Kooperation mit anderen Systemen integriert wurde. Verdis ermöglicht es dem Verlag, Kunden, Adressen und Ansprechpartner nach einer Vielzahl von Kriterien zu selektieren oder sie in Verbindung mit z.B. Umsatzoder Absatzzahlen auszuwerten. Neben Modulen für Direktvertrieb, Anzeigen, Marketing oder Statistik bietet Verdis das Modul Pressevertrieb zur Bewältigung vertriebslogistischer Feinheiten wie Versandkostenoptimierung, Formularerstellung gemäß postalischen Richtlinien, Auflagensplitting, Teilbelegung, Versand über Paketdienste usw. an. Das Modul Abonnement beherrscht neben der reinen Adressverwaltung und dem Abonnement-Service alle Spielarten der Abonnementswerbung und ermöglicht dem Verlag oder Abo-Verwalter, durch ausführliche Statistiken und Auswertungen, seine Abonnements aktiv zu steuern und so die Auflage zu steigern (dnv 1/2001:37 ff.). Nach ähnlichen Prinzipien wie „Verdis" ist auch die Verlagssoftware „Cover" aufgebaut. Cover stützt sich im Kern auf eine leistungsstarke und flexibel einsetzbare Adressverwaltung. Das Modul Adressmanagement stellt konsequent den Kunden in den Mittelpunkt des Systems und ist mandantenfähig, was bedeutet, dass innerhalb eines Verlages die Adressen nach Anwendungen (Vertrieb, Anzeigenabteilung, Buchhaltung usw.) getrennt oder Adressgruppen einzelnen oder allen Verlagen zugänglich gemacht werden können. Weitere Leistungsmerkmale ' Alleine Neumann, das Handbuch für den Pressevertrieb, weist in der aktuellen Ausgabe, Jahrgang 2005, achtundzwanzig Firmen als Anbieter von Software für Verlage und Handel aus. Vgl. Seiten 379-393

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2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz des Cover-Adressmanagements sind eine lückenlose Adress-Historie und die Trennung von Anschrift und Personendaten, so dass bliebig viele Ansprechpartner oder Mehrfachadressen eines Verlagskunden problemlos eingerichtet werden können. Das Modul Adressmanagement kann losgelöst von verlagsspezifischen Anforderungen zum Einsatz kommen. Die Module Cover-Anzeigen Zeitschriften und Cover-Vertrieb Zeitschriften hingegen decken ganz spezifische Anwendungsbereiche in Verlagen ab. Während das Anzeigenmodul die Anforderungen für den Verkauf und die kaufmännische Abwicklung von Anzeigen, das Erstellen von Auswertungen und Statistiken sowie die Bereitstellung von Daten für den Heftumbruch realisiert, dient das Vertriebsmodul der Bewältigung der Vertriebsanforderungen im Abonnement und im Einzelverkauf. Das Softwarepaket besteht aus Grundverwaltung, Versand, Rechnungslegung und Marketing. Optional bietet Cover die Bereiche Adress-Doublettenprüfung und Portooptimierung an. Cover ermöglicht wie Verdis die Integration sämtlicher Bürosoftware und lässt sich flexibel an die jeweiligen Arbeitsbedingungen in Fachzeitschriften-, Special-Interestund Publikumszeitschriften-Verlagen anpassen (dnv 1 /2001:39f.).

2.1.5 Die Entwicklung der elektronischen Datenverarbeitung im Einzelverkauf In ihrer Funktion als Diensdeister für den Vertrieb der Verlage bewegen die rechtlich selbständigen Absatzhelfer Zeitungen und Zeitschriften auf den verschiedenen Absatzwegen zum Handel und zum Verbraucher und tauschen über diesen Vorgang Informationen mit ihren Auftraggebern aus. Während sich die von Absatzhelfern gelieferten Informationen meist auf logistische oder administrative Zusammenhänge beziehen, umfassen die von den Handelspartnern im Einzelverkauf zur Verfügung gestellten Informationen im wesentlichen statistische Daten über die Verkaufsentwicklung der einzelnen Objekte. Vor dem Einzug der EDV in die Handelsbetriebe und Verlage mussten Verkaufsinformationen zeitaufwendig, manuell aus Karteien, Listen und dergleichen herausgezogen, verdichtet, kontrolliert und auf das Wesentliche reduziert an die Verlage versendet werden (Müller 2000: 116 f.). 1958 nahm das Braunschweiger Grossohaus Salzmann den ersten IBM-Rechner zum Schreiben von Lieferscheinen und Rechnungen und für die Buchhaltung in Betrieb (Dorn/ Vogel 2001: 206). Anfang der sechziger Jahre wurde10 systematisch darüber nachgedacht, wie man die Verkaufsdaten fortlaufend und übersichtlich erfasst, um die Bezugsmengen der Handelspartner im Groß- und Einzelhandel pro Objekt besser regulieren und hohe Remissionen vermeiden zu können (vgl. P. Sairman η in dnv 9! 1991: 86). 1961 10 Aufgrund der Forderung des Münchner Th. Martens-Verlages nach regelmäßigen Verkaufsübersichten für die „Quick".

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II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage begann der Heinrich Bauer Verlag mit dem Einsatz von Tabelliergeräten des Typs IBM 421-S, deren maschinell erstellte Listen die umfänglichen, manuell geführten Karteikarten ablösten (Heinrich Bauer Verlag 1971:2). Da die Festsetzung der neuen Liefermenge für die Einzelhändler aber immer noch per Hand zu erfolgen hatte, überlegte man Ende der sechziger Jahre, dass die Bezüge des Einzelhandels auch von der EDV errechnet werden könnten (Müller 2000: 121 ff.). Die siebziger Jahre wurden als das Jahrzehnt erkannt, das die EDV im Pressevertrieb unverzichtbar machen würde. Der Heinrich Bauer Verlag z.B. hatte seine Zeitschriften mit einer wöchentlichen Druckauflage von rund 15 Millionen Exemplaren über 120 Presse-Grossisten und 80.000 Einzelhändler, 545 Bahnhofsbuchhändler, 437 Werbende Buch- und Zeitschriftenhändler, 445 Lesezirkel und 28 verlagseigene Filialen mit 21.000 Zustellern auf den Markt zu bringen (Heinrieb Bauer Verlag 1971:3). Für die Steuerung seiner Auflagen kam es darauf an, dass für alle Entscheidungsprozesse aktuelle Marktdaten (Bezugsveränderungen, Remissionen) vorlagen. Das Problem für den Verlag bestand in der zeitgerechten, koordinierten Zusammenführung der entsprechenden Daten, deren Masse (100 Millionen Zeichen) manuell nicht mehr zu bewältigen war. Es war also erforderlich, mit Hilfe der Datenverarbeitung ein System aufzubauen, das die verschiedenen Vertriebsdaten bis zum letztmöglichen Zeitpunkt aufnimmt und verarbeitet. Gleichzeitig lag ein Problem darin, dass viele Handelspartner des Verlages die mit dem Aufbau eines solchen Systems verbundenen finanziellen und organisatorischen Probleme allein nicht lösen konnten. Um den Einstieg in die elektronische Datenverarbeitung dennoch zu bewältigen, kooperierten in den folgenden Jahren kleine und mitdere Firmen, indem sie regionale Rechenzentren gründeten." Von den Presse-Grossisten verfügten nur wenige über eine eigene EDV-Anlage, die meisten Firmen wurden Mitglied eines Rechenzentrums (BVPG 1984: 2). Die Firmen Mende, Karlsruhe und PVG, Frankfurt waren die ersten Großhändler, die ein eigenentwickeltes, EDV-gestütztes Bezugssteuerungssystem unterhielten. Das Gros firmenindividueller EDV-Programme erwies sich jedoch mit der Zeit als unbefriedigend und zu teuer, so dass es auf Grosso- und Verlagsebene zur Gründung eines Arbeitskreises kam, der die Aufgabe hatte, ein in der gesamten Vertriebsbranche universell einsetzbares Regulierungsmodell zu entwickeln. Das Ergebnis der intensiven Bemühungen der Fachgremien wurde 1974 vorgestellt: die marktorientierte Bezugsregulierung12, mit der sechs Jahre später die Liefermengen von 148 Titeln regelmäßig maschinell einreguliert werden konnten (Brummund 1985:231 ff). Ab 1985 wurden neben den Großrechneranlagen auch Personal Computer eingesetzt. Peter Mayer, Bahnhofsbuchhändler in Landshut, entwickelte als einer der Vgl. Kapitel II. 2.1.1 Rechenzentren als Vorläufer modemer Abonnement-Verwalter. Die MBR ist ein EDV-gestütztes Verfahren zur Bestimmung der richtigen Liefermenge einer Zeitung oder Zeitschrift und Verteilung auf die belieferten Einzelhändler. 11

12

70

2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz ersten ein für seine Branche maßgeschneidertes PC-Programm (dnv 4/1985: 72f.), mit dessen Hilfe viele Fragen und Probleme besonders kleiner Bahnhofsbuchhandelsfirmen unkompliziert und schnell gelöst werden konnten. PCs eröffneten für die Tagesarbeit völlig neue Perspektiven. Sie lieferten den Verlagen und Vertriebsfirmen eine bis dahin nicht gekannte Fülle an exakten Absatz- und Planungsdaten (BVPG 1985: 42). Dies gilt auch für die integrierte Warenwirtschaft, die bis zum Einsatz von Personal-Computern und entsprechender Software für kleinere Firmen im Bahnhofsbuchhandel (dnv 24/2004: 35) nahezu unerschwinglich war. Heute verfügen die auf PCs zum Einsatz kommenden bzw. zum Teil webbasierten Programme (dnv 23/2003: 33f.) über ein breites und zugleich preiswertes Leistungsspektrum inklusive Steuerungs- und Controllingmöglichkeiten wie zum Beispiel die zentrale Steuerung und Überprüfung von Filialen, Verkaufsstellen und Lägern inklusive der automatischen Filialabrechnung und der Führung von Filialkonten (Henkys-Beck 2004:91 f.).

2.1.5.1 Eingesetzte EDV-Systeme im bundesdeutschen PresseGrosso Während ein Teil der im Presse-Grosso tätigen Unternehmen noch immer die gewachsene Host/Mainframe-Terminal-Verbindung für Batch- und OnlineProgramme und -Anwendungen im Einsatz hatte und ein anderer Teil dabei war, ein fortschrittlicheres, relationales Datenbanksystem für Großrechner, Terminals und Personal Computer aufzubauen (Emonds 1985: 7 f.), entwickelte die BEFO GmbH in Kassel ein EDV-System, das auf Server-gestützten, vernetzten PCs ganz ohne Großrechner läuft. BEFO besteht aus 130 Programmen, die unter DOS, Windows oder OS/2 in einem Novell-Netzwerk laufen. Programmiersprache ist Clipper und als Datenbanksystem wird dBase benutzt.'3 Dem vernetzten PCSystem mit leistungsfähigen File-Servern, fast unbegrenzter Speicherkapazität und mehrfacher Datensicherung begegnete die Branche bei seiner Einführung 1990 zunächst mit Skepsis. Es breitete sich aber schnell unter den Firmen des PresseGrosso aus (dnv 9/1992: 87), weil es nicht -wie die Großrechnersysteme- an einen Hersteller gebunden ist und durch den großen Markt an Standard-Hard- und Software-Komponenten ein unübertroffenes Preis-Leistungs-Verhältnis bietet (dnv 9/1993: 62 ff.). Als die Projektgruppe EDV im Bundesverband Presse-Grosso im Frühjahr 1993 eine Übersicht über die in der Branche eingesetzten EDV-Hard- und Software-Komponenten veröffentlichte (BVPG 1993: 54 ff.), nutzten bereits 15 Firmen die BEFO-Software. Damit war BEFO nach Codata, das bei 28 Firmen im 13 Die neue Version, BEFO II, wurde mit Visual Objects entwickelt, und arbeitet mit der von den Windows-Applikationen bekannten Fenstertechnik. Vgl. dnv 12/1998: 49.

71

II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage Einsatz war, in nur drei Jahren bereits an die zweite Stelle der insgesamt 18 verschiedenen Grosso-Programme vorgerückt. Allerdings kam der schnellen Verbreitung von BEFO auch zu Hilfe, dass eine der großen EDV-Kooperationen, die IGRO-Anwendergruppe, den Vertrag mit Siemens/Nixdorf auflöste und sich nach einem neuen Grosso-Software-System umschauen musste. Als leistungsfähige Alternativen standen das auf einem PC-Netzwerk laufende BEFO und das von der Presse Vertriebs Gesellschaft, Frankfurt (PVG) entwickelte Softwarepaket für die IBM AS/400 (Programmiersprache Cobol) zur Verfügung. Die PVG arbeitete selbst seit Februar 1993 mit ihrer aufwendig neu entwickelten Vertriebssoftware und bot dieses Programmpaket auch in Lizenz an (Gens 1996: 169 ff.). Obwohl die Anfangsinvestitionen für Hardware und IBM-Betriebssystem-Software-Lizenzen um 70 % über denen von BEFO lagen (dnv 9/1993: 68), konnte auch die PVG bis zum Herbst 1996 einundzwanzig Anwender für ihr innovatives, aber teures Programmpaket gewinnen. Ähnlich wie bei BEFO stand der PVG zur Seite, dass durch die Vertragsauflösung der IGRO-Anwender mit Siemens/Nixdorf drei Firmen, und durch den unerwarteten Konkurs des Marktführers CoData im Frühjahr 1993, neun Grossisten, die einen neuen Software-Entwickler bzw. Anschluß an ein Rechenzentrum suchten, zu ihr wechselten. Elf der insgesamt achtundzwanzig Codata-Kunden folgten zwei ehemaligen Mitarbeitern der insolventen Dienstleistungsfirma in die von ihnen neu gegründete CuraSoft GmbH, die fortan das bis dahin im Grosso am meisten verbreitete Softwarepaket unter dem Namen PGRO weiterentwickelte. Curasoft setzte zunächst auf eine leistungsfähige, relationale Datenbank, eine moderne Entwicklungsumgebung und volle Windows/NT-Fähigkeit, mit der für die Anwender die Möglichkeit besteht, mit SQL-Befehlen auf den Datenbestand zugreifen und mit komfortablen Tools beliebige Auswertungen erstellen zu können (dnv 10/99: 31 f.). Inzwischen hat die Curasoft GmbH neben die PGROSoftware für Großrechner ein rein für PC-Netzwerke programmiertes Paket namens „Phönix" gesetzt. Mit BEFO, Phönix und der Microsoft Business Software Navision hat sich der Trend zum Downsizing der EDV-Systeme nicht nur in der Abonnement-Verwaltung, sondern auch im Einzelverkauf fortgesetzt. VDZ und Bundesverband Presse-Grosso aktualisierten im Dezember 2004 ihre Erhebung über die eingesetzten EDV-Systeme, zu deren Verbreitung sich folgendes Bild ergibt:

72

2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz Jost 3

20%

Abbildung

10: Eingesetzte Grosso-Systeme (Stand: Dezember

2004)

Die Kostensituation, Umstrukturierungen, Reorganisationsmaßnahmen, die enorme Innovationsgeschwindigkeit bei Hardware und Software und der (als Folge) vereinfachte Umgang mit Personalcomputern haben dazu geführt, dass Großrechner in vielen Verlagen und Vertriebsunternehmen abgemagert bzw. durch PCNetzwerke ersetzt worden sind. Dort, wo große Datenmengen anfallen, wie z.B. in Servicerechenzentren, die für mehrere Kunden Daten verwalten, wird es aber auch in Zukunft Großrechner mit hoher Leistungsfähigkeit geben. Dort, wo die „mainframes" ihre Stärken haben, nämlich als zentrale Datenbasis zu fungieren, werden sie -ergänzt um Anbindungen an Abteilungsrechner oder PC-Netzwerke- auch weiterhin genutzt.14

14 Vgl. dnv 10/2000: 78 ff. "Auch im Zeitalter des "Downsizing" (...) sind wir dem Großrechner treu geblieben. Eine Massendatenverarbeitung mit vielen local und remote angeschlossenen Terminals ist nach unserer Meinung nach wie vor nur mit diesen sogenannten „Dinosauriern" möglich." Ernst Busch, Mitinhaber und Geschäftsführer der Computer Service E . J o s t G m b H , München in dnv 2/1995: 9.

73

II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage

2.1.5.2 Die ISPC Intermedia Standard Presse Code GmbH als Dienstleister im EDV-Bereich Nachdem Ende der siebziger Jahre alle Großhandelsfirmen ihre interne Datenbearbeitung auf EDV-Anlagen umgestellt hatten, begann man damit, den Verlagen die im Computer gespeicherten Informationen nicht mehr in Listenform auf dem Postwege zuzusenden, sondern die Daten im Rahmen des Vertriebsgeschäftes zwischen Grossisten und Bahnhofsbuchhändlern einerseits sowie Verlagen und Nationalvertriebsgesellschaften andererseits direkt aus einem EDV-System in ein anderes zu übermitteln. Den Datenaustausch organisierte die eigens zu diesem Zweck 1977 gegründete ISPC Intermedia Standard Presse Code GmbH + Co. mit Sitz in Hamburg. Ziel des von fünf deutschen Verlagen und einer dänischen Grossofirma gegründeten Unternehmens war, den Datenaustausch zwischen den Verlagen und ihren Handelspartnern im Einzelverkauf auf der Basis einheitlicher Übertragungssysteme zu standardisieren und zu rationalisieren (BVPG 1988: 50). Das ISPC-Verfahren gab den Grossisten und Bahnhofsbuchhändlern die Möglichkeit, Verkaufsinformationen nicht mehr wie bisher manuell, sondern durch entsprechende Modifikation ihrer Software per EDV zu erstellen. Die Datensätze mussten nicht mehr jedem Verlag einzeln übermittelt, sondern konnten zentral an ein neutrales Pool-Rechenzentrum übertragen werden. Die Übertragung aus den EDV-Systemen der Handelspartner erfolgte jeweils nach Abschluß der Remissionsverarbeitung am Donnerstag abend, in Ausnahmefällen auch am Freitag morgen, jeweils über das Telefonnetz der Deutschen Bundespost. Im PoolRechenzentrum angekommen, wurden die Daten formal geprüft, verlagsweise selektiert und gespeichert und dem jeweiligen Verlag zum Abruf über seine EDVAnlage bereitgestellt. Die Harmonisierung im Datenaustausch hatte für alle Marktteilnehmer im Einzelverkauf die besondere Bedeutung, dass die bis dahin unterschiedlichen Anforderungen der Verlage an die Informationsfunktion des Handels vereinheitlicht wurde. Durch ISPC wurde der Informationsbedarf der Verlage auf 18 Daten aus der Verarbeitung der KR- und MBR-Daten beschränkt. Diese Werte, zu denen die Hauptlieferung, Lieferberichtigung, Nachlieferung und Lagerremission (KRDaten) sowie die Anzahl der belieferten Händler, Nullverkäufer, Festbezieher, Ausverkäufer und deren jeweiliger Gesamtbezug (MBR-Daten) gehörte, wurde vom Gross- und Bahnhofsbuchhandel zum einen laufend pro Objekt und Ausgabe, zum anderen auf Anfrage des Verlages sporadisch nach Bezugs- und Verkaufsgrössenklassen übermittelt (Brummund 1985:327). Ab 1981 bekamen zunächst die ISPC-Gesellschafter die Vertriebsdaten nach der neuen Technik übermittelt. Im Grossobereich hatten per Juli 1982 einundzwanzig Firmen den Normalbetrieb aufgenommen. Ab Juli 1985 wurde das ISPCVerfahren von allen deutschen Presse-Grossisten angewendet; ein Jahr später bekundeten drei ausländische Grossisten aus Österreich und Luxemburg ihr Interesse am ISPC-Verfahren. Mitte der neunziger Jahre nahmen 24 Verlage und Na74

2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz tionalvertriebe, 84 Presse-Grossisten, 62 Bahnhofsbuchhändler, drei ausländische Importeure sowie zwei Speditionsunternehmen am Verfahren teil (VDZ 1997(b): 12).

2.1.5.3 EDI-PRESS als branchenspezifischer Datenformatstandard zur Übermittlung von Geschäftsdaten Die Verlage und ihre Handelspartner kamen Mitte der neunziger Jahre überein, den Datenaustausch zu modernisieren, weiter zu standardisieren und ihn umfassend zu erweitern. Ziel war es, Datenübertragungen in beide Richtungen zu ermöglichen, manuellen Bearbeitungsaufwand für wiederkehrende regelmäßige Informationen zu minimieren, zukunftsorientierte Datennetze einzusetzen sowie die Übertragungskosten spürbar zu senken. Dafür sollte ein neuartiges Datenaustauschverfahren in den Pressevertrieb eingeführt und das veraltete IBM-ISPCVerfahren abgelöst werden, welches die Ubermitdung von Informationen nur in Richtung Verlage ermöglichte (BVPG 1996: 66). Beim elektronischen Austausch von Geschäftsdaten ist zwischen strukturierten und unstrukturierten Verfahren, wie ein paar Verlage sie zum Versand ihrer Vertriebsinfotmationen per E-Mail oder Fax an Handelspartner verwenden, zu unterscheiden.15 Verfahren mit unstrukturierten Daten sind für die Integration von Informationssystemen zwischen Verlagen und Handel ungeeignet. Auch bilaterale Austauschlösungen strukturierter Art sind suboptimal, weil solche Insellösungen Standardisierungsbemühungen im Wege stehen (KJoth 1999: 95). Electronic Data Interchange (EDI) ist ein Datenübertragungsstandard, der für die Integration von Herstellern, Handelsbetrieben, Logistik-Diensdeistern, Speditionsunternehmen usw. in Informationssysteme eine hohe Bedeutung erlangt hat (Stolpmann 2002: 715). Voraussetzung für EDI sind identische Datenaustauschformate, Verbindungs- bzw. Übertragungswege, Übertragungsverfahren (Filetransfer) und Übertragungsnetze. Als Grundlage für EDI wurden Ende der neunziger Jahre international gültige, branchenübergreifende 16 und branchenspezifische Datenformatstandards'" aufgestellt (KJoth 1999: 96). EDI-PRESS, das 1996 eingeführt wurde, stellt aus ISPChistorischen Gründen (altes und neues Verfahren sollten kompatibel miteinander sein) eine (suboptimale) Insellösung dar, da es nur für den deutschen PresseEinzelverkauf Gültigkeit besitzt (BVPG 1998/99: 54). Zwar konnten die Verlage und Pressevertriebsfirmen früh mit EDI-Anwendungen starten, andererseits ist 15 Seit Mai 1999 versendet Gruner + Jahr seine Vertriebsinformadonen per E-Mail. Vgl. Kruse 1999: 88. 16 EDIFACT, das EDI for Administration, Commerce and Transport. r EANCOM für die Konsumgüterindustrie oder EDITEX für die Textilbranche

75

II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage die Branche heute aber nur bedingt zu den inzwischen für den Einzelhandel entwickelten Standard-Nachrichtentypen kompatibel.

2.1.5.4 EDI-PRESS Mailboxclearingverfahren Für die Übermitdung von Geschäftsdaten per EDI stehen mit der Datendirektverbindung (Punkt-zu-Punkt) und der (indirekten) Übertragung mit Zwischenspeicherung zwei Verbindungswege bzw. Übertragungsmethoden zur Verfügung. Während bei der ersten Methode Sende- und Empfangszeitpunkt der Daten zusammenfallen, wird bei der indirekten Methode ein Dienstleister in die Netzverbindung der Kommunikationspartner eingeschaltet (Kloth 1999: 98). Solch ein Clearing-Center, das Adapter-, Umschlüsselungs- und Mehrwertdienste (VANS oder Value Aided Network Services) leistet, wird von der Firma INOVIS in Karlsruhe betrieben. Dort stehen jedem Teilnehmer an EDI-PRESS eine Eingangsmailbox und eine Ausgangsmailbox zur Verfügung, die er über den im eigenen Haus eingerichteten EDI-Server erreicht. Der EDI-Server, der die Kommunikation mit dem Clearing-Center sicherstellt, wird mit einem im Auftrag der ISPC GmbH entwickelten Programm unter Windows betrieben, das zwischen das EDV-System des Teilnehmers und das Clearing-Center geschaltet wird, um den Austausch fest definierter Standard-Satzformate (Nachrichtentypen) sowie bilateral vereinbarter Datensätze zu ermöglichen. Das von Harbinger entwickelte Programm nutzt für den Datentransfer in das Inhouse-System der einzelnen Pressevertriebsfirmen vorhandene Filetransfer-Software (Übertragungsprotokolle) und stellt zudem eine Firewall zwischen dem eigenem EDV-System und dem ISDN/ADSL-Übertragungsnetz18 dar. Der EDI-Server nimmt im einzelnen folgende Funktionen wahr: (1.) Er sendet an und empfängt Daten vom Clearing-Center, er baut (2.) den Verbindungsweg automatisch auf und ab, er überträgt (3.) die Daten, splittet (4.) zu sendende Dateien nach Empfängermailbox, konvertiert und komprimiert (5.) zu sendende Dateien in ein EDI-PRESS-Format, dekomprimiert (6.) empfangene Dateien und konvertiert sie in das EDI-PRESS-Format, protokolliert (7.) alle durchgeführten Datentransfers, archiviert (8.) empfangene Daten und räumt das Archiv nach konfigurierbaren Regeln und kann (9.) über eine Windowsoberfläche bedient werden, stellt aber auch eine Zeitsteuerung zur bedienerlosen Übertragung bereit (dnv 4! 1997:56).

18 Asymmetrical Digital Subscriber Line. Technologie, die es ermöglicht, sehr große Datenmengen über eine gewöhnliche Kupfer-Doppelader-Telefonleitung in eine Richtung zu transportieren.

76

2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz

\DC

EDI-Press-Server

α

miiHimiiiiiiiimnr Host

I

/V AusgangsMailbox

a

PC-Anwender

I

V

EingangsMailbox

Ä

V EDI-Press CC-Mailboxcenter INOVIS, Karlsruhe

A

V Aus gangsMailbox

A

EingangsMailbox

V Host Ξ =

PC-Anwender

IP Ii ι I • EDI-Press-Server Abbildung 11: EDI-Press Mailboxclearingverfahren (dnv 4/1997:56)

Die ISPC GmbH und das von ihr beauftragte Clearing-Center sehen sich in der Rolle des Daten-Spediteurs. Durch das alte IBM-ISPC-Verfahren lagen schon diverse Definitionen unterschiedlicher, standardisierter Satzarten und Nachrichtentypen aus der KR und MBR vor. Mit EDI-PRESS können darüberhinaus weitere, freie Datenformate bilateral zwischen sendenden und empfangenden Vertriebspartnern nach spezifischen Bedürfnissen vereinbart werden. Prinzipiell sollen 77

II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage sämtliche Geschäftsfelder, die das tägliche Vertriebsgeschäft direkt steuern oder bei der Abwicklung behilflich sein können, elektronisch wiedergegeben werden (M. Günther in dnv 411997: 62). Auf dem Übertragungsweg Verlag/Nationalvertrieb an den Handel gehörten anfänglich zu den Standards die Erstverkaufstags-Kalender, Verlagsrechnungen, Versand- und Packparameter, Objekt-Stammdaten und die Disposition. Auf dem umgekehrten Weg wurden neben den klassischen ISPC-Schnittstellen (Remissions-, Warenfluß- und Verkaufsdaten) Daten für die Tageszeitungsdisposition und Daten über die Einzelhandels-Struktur (EHASTRA) von den Vertriebspartnern an die Verlage übertragen. Beispiel für ein freies Format ist der Sonntagsmarkt der Axel Springer AG. Für den Verlag und einzelne Presse-Grossisten beinhaltet dieses Geschäftsfeld Standardprozesse wie z.B. die wöchentliche Übertragung der Daten für das Elektronische Tourenbuch der Zustellhändler.19 Diese Daten sind aber nicht für die gesamte Vertriebsbranche von Belang. Deshalb werden sie in einem freien Datenformat übertragen (M. Günther in dnv 4j 1997:62).

2.1.5.5 Rationalisierungspotentiale durch Datentransfer mit EDIPRESS Die Gründe, EDI-PRESS einzusetzen, sind vielfältig. Neben Kosten-, Zeit- und Qualitätseffekten operativer Art, sind inner- und zwischenbetriebliche strategische Effekte (KJoth 1999: 100) von zunehmender Bedeutung. Die mit EDI-PRESS zu erzielenden intra- und innerorganisatorischen Rationalisierungseffekte sind selbst nach mehrjährigem Einsatz und kontinuierlicher Weiterentwicklung des Verfahrens immer noch von zu wenigen Verlagen und Vertriebsfirmen erkannt und werden daher nicht vollumfänglich genutzt. Der Datentransfer per EDI-PRESS-Satzarten kann eine mehrfache Datenerfassung und ein mit manueller Datenerfassung einhergehendes Fehlerrisiko vermeiden. Durch die Beschleunigung der Informationsbereitstellung, indem z.B. Rechnungsdaten per EDI-PRESS übermittelt werden, kann in erheblichem Umfang Arbeitszeit eingespart und eine unnötige Papierflut verhindert werden.20 Damit reduzieren sich nicht nur Personal-, sondern auch Übermitdungs- und administrative Kosten. EDI-PRESS an sich überzeugt schon deswegen, weil es rund um die " Vgl. Kapitel I. 5.9.6.1 Elektronisches Tourenbuch (ETB). 20 Wegen Forderungen des filialisierten Einzelhandels nach Ubermitdung von Rechnungsdaten per EDI erteilten Verlage und Presse-Grossisten im Februar 2001 einer temporär eingesetzten Arbeitsgruppe den Auftrag zur Entwicklung einer elektronischen Rechnung. Bis zu ihrer praktischen Umsetzung vergingen dreieinhalb Jahre (!), weil man Begehrlichkeiten der Großfilialisten hinsichtlich des Transfers auch von Artikelstammdaten und Diskussionen um das Titel- und Mengendispositionsrecht der vorgelagerten Handelsstufe befürchtete. Vgl. BVPG 2003(e): 204 f.; dnv 22/2004: 42.

78

2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz Uhr für einen Austausch neuer Nachrichten zwischen den Adressaten zur Verfügung steht und sich durch eine schnelle Reaktionsmöglichkeit bei Differenzen oder Unstimmigkeiten auszeichnet. Das Datenaustauschverfahren der ISPC GmbH hat die Vertriebsarbeit zwischen Verlagen und Handel erheblich erleichtert. Mit Hilfe von standardisierten Informationsstrukturen werden nicht nur der Datenversand, sondern auch die Datenweiter- und Anschlussverarbeitung in den Bereichen Disposition, Abrechnung und Logistik aktueller, effizienter und rationeller gestaltet. EDI-PRESS hilft Medienbrüche in der Kommunikation zwischen Verlagen und ihren Handelspartnern zu vermeiden (dnv 411997: 54). Innerbetriebliche strategische Effekte von EDI-PRESS durch Remissionseinsparungen, gesteigerte Dispositions- und Planungssicherheit, Endastung der Vertriebsabteilung, Realisierung neuer Logistik- und Controllingkonzepte, schnellere Nachlieferungsmöglichkeiten und eine bessere Kontrolle des Warenflusses nutzen meistens nur die großen und mitderen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage und Nationalvertriebe. Dabei wäre EDI-PRESS gerade für kleinere Verlage eine gute Möglichkeit, den Kontakt zu den Handelspartnern zu intensivieren, die Geschäftsabwicklung zu beschleunigen und insgesamt den Markt besser auszuschöpfen, auch wenn die Auflagenhöhe und die Marktbedeutung eines kleinen Titels im ersten Moment gegen den Einsatz des Verfahrens sprechen. Die Auszählung einer von der ISPC GmbH per 6.2.2004 im Internet veröffentlichten Liste von Teilnehmern21 ergab, dass insgesamt 73 Verlage und Nationalvertriebe, 81 Grossisten (ohne Filialen), 84 Bahnhofsbuchhändler, 12 ausländische Importeure und 6 Logistik- und sonstige Unternehmen das EDI-PRESS-Verfahren praktizieren. Von der Gesamtzahl der im Juli 1998 erhobenen 263 Teilnehmer waren 259 Anwender der klassischen ISPC-Formate (KR- und MBR-Daten), aber nur 62 Firmen Anwender neuer Satzformate wie Objekt-Stammdaten, Verlagsrechnung, Preise/Mehrwertsteuer-Sätze, Dispositionsmengen, Vollballen-Inhalte, Erstverkaufstagskalender oder Bezugsaufteilungen für Grossisten und Bahnhofsbuchhändler auf Filialen. Bei einem Vergleich der Teilnehmerzahlen am EDI-PRESS-Verfahren mit den über 1.500 Unternehmen aus dem Presse- und Verlagssektor ist leicht zu erkennen, dass auf Seiten der Zeitungs- und Zeitschriften-Verlage sowie deren Absatzhelfer noch erhebliches Rationalisierungspotential im elektronischen Datenaustausch steckt. Der VDZ hatte dies erkannt und begann, auf der Suche nach Aufwand-, Material- und Kostenersparnis verstärkt über die Möglichkeiten von EDIPRESS zu informieren (VDZ 2003(h): 1). Grossisten und Bahnhofsbuchhändler würden es begrüßen, wenn alle Verlage und Nationalvertriebe am Datenaustausch mit EDI-PRESS teilnähmen. Gemeinsam mit den Handelspartnern, die von einer Ausdehnung der Teilnehmerzahlen profitieren, wurde Nationalvertrieben und

21

Vgl. www.ispc.de/kunden

79

II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage Verlagen durch eine Kampagne der VDZ-Projektgruppe Vertriebstechnik die Nutzung der gängigen EDI-PRESS-Standards empfohlen. Vielleicht liegt die Unempfänglichkeit einiger Marktteilnehmer für EDI-PRESS neben mangelndem Wissen um die Vorzüge des Verfahrens auch in der relativ unflexiblen Implementierung des Verfahrens (Stolpmann 2002: 715) und in den Kosten begründet, obwohl die Aufnahme-, Teilnehmer- und Übermitdungsgebühren seit 1999 deutlich reduziert worden sind (ISPC 1999; ISPC 2002). Die Notwendigkeit der Konvertierung von Daten in standardisierte EDI-Formate zur Kopplung von Informationssystemen mit dem Ziel einer Schnittstellenüberwindung führt zu einer relativ unflexiblen Form des Datenaustausches (KJoth 1999: 101). Deshalb wird dieser Weg meist nur bei wiederkehrenden und auf Dauer angelegten Geschäftsbeziehungen (wie bei Verlagen und Pressevertriebsfirmen üblich) gewählt. Abhilfe könnte die Einbindung von Intra- und Internet in die interorganisatorische Kommunikationsstruktur schaffen, weil damit die bei EDIPRESS erforderlichen Standardisierungen beim elektronischen Datenaustausch entfielen. Allerdings bietet das Internet als weltweit offenes Datennetz für die sehr sensiblen Vertriebsdaten hinsichtlich Sicherheit und Zuverlässigkeit noch nicht die gleichen Voraussetzungen wie der in einem geschlossenen Netz betriebene Datentransfer mit EDI-PRESS.

2.2 Verwaltung und Betreuung des Abonnentenbestand als Dienstleistung Im Rahmen der sogenannten „Besonderen Dienste", zu denen u.a. die Verpackung und das Bezugsgeldinkasso gehörten, hatten die Verlage auch die Möglichkeit, ihre Abonnements stücke durch die Deutsche Bundespost beanschriften zu lassen (Brummund 1985: 55). Nachdem aber die Post Verpackung, Inkasso und Beanschriftung von Zeitungen und Zeitschriften aus Kostengründen mit Ablauf des Jahres 1978 eingestellt hatte, mußten die Verlage die Besonderen Dienste selbst übernehmen. Für viele Vertriebsleiter stellte sich an diesem Punkt die Frage, ob sie die Verwaltung und Betreuung des Abonnenten-Bestandes in die VerlagsSoftware integrieren oder diese Funktion (nach dem Prinzip des Outsourcing) besser an externe Diensdeistungsunternehmen übertragen sollten. Da eine erfolgreiche Abonnentenbetreuung viel Spezial-Know-how und ein breites Angebot an angrenzenden Diensdeistungen verlangt, und viele Vertriebsabteilungen weder über das dafür erforderliche Personal noch die Zeit dazu verfügen, entstanden zahlreiche externe Spezialfirmen, die die Aufgabe der Abonnementsverwaltung übernahmen. Die interabo Betreuungs-GmbH in Hamburg ist einer der rechtlich selbständigen Absatzhelfer, der durch organisatorische Veränderungen bei der Deutschen Bundespost einen regen Zuwachs an kleinen Fachzeitschriften-Verlagen erfuhr, interabo betreut rund 40 Verlage mit ca. 100 Titeln (dnv 12/1993: 52). Die Zenit Pressevertrieb GmbH entstand 1982 unter Beteili80

2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz gung der Stiftung Warentest, deren Zeitschriften seither im Abonnement und im Einzelverkauf von dem Stuttgarter Diensdeistungsunternehmen betreut werden.22 Nach und nach dehnten die Verlage den Einsatz externer Spezialfirmen aus. Dabei gingen einige so vor, dass sie mit der Abonnementsverwaltung im Teilservice begannen, d.h. anfangs nur die Hard- und Software ihres EDV-Diensdeisters benutzten und ihre Abonnenten durch eigene Vertriebsmitarbeiter verwalteten und betreuten. Nach einer Weile wurde dann auf Fullservice umgestellt und das Spezialunternehmen zum Ansprechpartner für die Verlags-Abonnenten gemacht. Als einer der ersten Diensdeister, die neue Wege in der Abonnements-Verwaltung beschritten, trat ab 1994 die NVG Neue Verlagsgesellschaft23, die heute Burda Direct GmbH heißt, verstärkt in Erscheinung. Mit rund 45.000 Abonnenten der Computerwoche übernahm die NVG im März 1997 erstmals einen kompletten Fremdauftrag. Unter der Komplettlösung „Customer Relationship Marketing" bietet Burda seinen Kunden ein modulares Leistungsspektrum an, das sich aus den sechs Einzelbausteinen Entwicklung und Durchführung von Direkt-MarketingKonzepten, Database Marketing, Customer Service, Call-Center, New Media und Akquisition von Abonnements durch schriftliche, telefonische und Vertreterwerbung zusammensetzt (Neumann 2002: 359). Das Dienstleistungspaket war so attraktiv, dass es Burda Direct gelang, im Zeitraum 1994 bis 2004 die Zahl der verwalteten Abonnements von 1 Mio. auf 6 Mio. auszudehnen und den Umsatz von € 30 Mio. auf € 200 Mio. bzw. acht Prozent des Konzernumsatzes zu steigern (dnv 1-2/2004: 56). Im Dezember 2000 kaufte Burda Direct zusätzlich die ASM Abonnement Systemhaus Merkur GmbH, Frankfurt. ASM betreute bis dahin rund 350.000 Abonnements (medien aktuell49/2000:5). Kleine Verlage zögern häufig, den wichtigen Bereich der Verwaltung und Betreuung ihres Abonnentenbestandes auszulagern, da der Abobestand und dessen individuelle Pflege ein heikles Kapitel darstellt, insbesondere wenn der Diensdeister auch die Titel eines Wettbewerbers betreut oder die Aboverwaltung durch einen größeren Verlag bzw. dessen Tochtergesellschaft erledigt wird.24 Die 22

In den Bereichen Abonnement und Direktverkauf betreut Zenit mehr als 20 Verlage mit über 70 Zeitschriften und mehr als 1,6 Mio. Abonnements. Vgl. dnv 5/1998: 42. Im Oktober 2001 übernahm Zenit die Betreuung der bis dahin in Eigenregie verwalteten 140.000 Abonnements des Computer-Zeitschriften-Verlag VNU Business Publications, München. Vgl. medien aktuell 37/2001: 8. 23 Die NVG ist eine Tochtergesellschaft des Burda Verlag und wurde 1967 als Firma des Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels gegründet. NVG ist heute eines von sieben Units des 1998 durch Reorganisationsmaßnahmen entstandenen DiensdeistungsProfitcenters Burda Direct GmbH, die sich von einem Aboverwalter zu einem multimedialen Unternehmen für Direktmarketing und Kundenservice entwickelt hat. Vgl. Neumann 2005: 651; dnv 1-2/2004: 57. 24 Zu den größten verlagseigenen Aboverwaltern in Deutschland zählt neben Burda Direct die Bauer Vertriebs KG in Hamburg. Vgl. Kapitel I. 5.8. Agenturvertrieb von Zeitschriften.

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II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage Abonnenten-Adressen sind ein wichtiges Gut und ein kleiner Verlag hat oftmals Bedenken, die Bindung zu seinen Lesern oder gar seine Leser an einen Konkurrenten zu verlieren. Ein geworbenes Abonnement kostet oftmals das Mehrfache einer Abo-Jahresgebühr und wird schon allein aus diesem Grund mit viel Vorsicht und Fingerspitzengefühl behandelt.

2.2.1 Abonnement-Services Natürlich stehen neben der Bindung des Lesers an den Verlag auch Kostenüberlegungen im Mittelpunkt der Abwägung, die Abonnementsverwaltung selbst zu organisieren oder die Diensdeistungen eines Serviceunternehmens in Anspruch zu nehmen. Häufig jedoch wird der Fehler gemacht, nur die Personal-, Material- und Versandkosten in Relation zu den Servicekosten zu setzen. Unbeachtet bleiben zuweilen eine Reihe langfristiger, wirtschaftlicher Vorteile, die für eine externe Lösung sprechen wie zum Beispiel (Draxlbauer 1993:20): — ständige Programm-Weiterentwicklung, — hohe Anpassungsflexibilität an individuelle Verlagswünsche, — hohe Informationsverfügbarkeit durch moderne Datenbanksysteme, — langjährige Sicherheit der Programm-Wartung und des Supports, — keine Software-Wartungskosten, — keine Rücklagen für Programm-Neuentwicklung und — Endastung der eigenen EDV. Nach einschlägigen betriebswirtschaftlichen Erfahrungen betragen die Kosten für Aboverwaltung, Betreuung und Buchhaltung bei einer Inhouse-Lösung zwischen 15 % und 18 % des Jahres-Abonnement-Preises. Durch die Einschaltung von externen Service-Firmen lassen sich (bei einem angenommen Jahrespreis von € 50.-) die Kosten von € 7,50 bzw. € 9.- in etwa halbieren. Während die Gesamtkosten einer eigenen Abonnement-Verwaltung in sehr hohem Maße von den Fixkosten beeinflußt werden, sind die Kosten für einen externen Dienstleister wegen der Service-Pauschale pro Abonnement und Monat objekt- und auflagenbezogen. Das bedeutet, dass im Falle abnehmender Abonnentenzahlen die Kosten im Service viel schneller zurückgehen, als bei einer eigenen Verwaltung. Was ein Verlag von einem modernen Abonnement-Service erwartet, hat der Geschäftsführer des IDG Magazine Verlag, München wie folgt formuliert: „Für uns als Verlag sind im Abonnementmanagement drei Dinge wichtig: Wir wollen bestehende Abonnenten halten, neue gewinnen und mehr über die Bedürfnisse unserer Abonnenten wissen. (...) In diesem Sinne muß ein Abo-System für uns Die Bauer Vertriebs KG betreut drei Mio. verlagseigene Abonnements und erzielt damit einen Jahresumsatz von 200 Mio. €. Vgl. dnv 12/1999: 28.

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2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz den umfassenden Kundenkontakt ... effizient und vollumfänglich unterstützen. Außerdem wollen wir ... Marketing- und Vertriebskampagnen planen und durchführen und dafür alle zugänglichen relevanten Informationen über unsere Leser auswerten und bewerten können. Dass dies alles dann in einen robusten und zuverlässigen Prozess des Fakturierens und Versendens mündet, halten wir für selbstverständlich." (York von Heimburg in dnv 1/2002: 23) Abonnement-Service in dem von IDG beschriebenen Sinne umfasst mithin die folgenden Bereiche: - Abonnement-Verwaltung mit Adressaufnahme, Errichtung und Verwaltung eines Kundenkontos, Speicherung der Abostammdaten, Pflege der Adressen, - Versand der Abonnementexemplare ins In- und Ausland, Postvertrieb, Nachlieferung, Einzelheft- oder Werbeversand, Urlaubsnachsendung, - Rechnungslegung, Mahnwesen und Inkasso, - Abonnenten-Betreuung mit Call-Center-Services, Telefonmarketing, Kundenrückgewinnung und Leser-Blatt-Bindungs-Maßnahmen, - EDV-Services wie Erstellen von Versandunterlagen, regelmäßige statistische Auswertungen, Textverarbeitung für Zugangs- und Kündigungsbestätigungen, Unterstützung bei Werbemaßnahmen und Abrechnung, - Database-Management, Data-Warehousing und Data-Mining, - Customer Relationship-Management (CRM) als Unternehmensphilosophie, die den einzelnen Kunden in den Mittelpunkt stellt.

2.2.2 Abonnement-Verwaltung Die Aufnahme einer Adresse in den Abonnentenbestand bzw. in den Adressbestand erfolgt durch das Vorliegen einer Bestellung oder eines Response-Elements aus einem Gewinnspiel oder einer sonstigen Aktion des Verlags. Name, Adresse, Geburtsdatum, Telefonnummer, Branche, Abonnenten-Nummer, Titel, Ausgabe und Stückzahl des zu liefernden Titels sowie alle notwendigen Informationen zur Herkunft der Adresse, Liefer- und Zahlungsweise werden nach einem einheitlichen Satzaufbau in einer Adressen-Stammdatei mit Angaben über Rechnungsempfänger, Liefer- und Werbeadressen zusammengeführt, geprüft und abgeglichen, um Adress-Doubletten zu vermeiden. Die Pflege von Adressen wird wirksam, wenn der Abonnent verreist oder umzieht und dies dem Verlag mitteilt bzw. durch die Post oder einen Zusteller mitteilen lässt. Temporäre Änderungen wie die Nachsendung an den Urlaubsort bedürfen ebenso wie dauerhafte Adressänderungen einer schnellen Abwicklung. Denn kaum ein Abonnent hätte Verständnis dafür, wenn seine Mitteilung über einen Wohnortwechsel oder die Urlaubsadresse (Reisenachsendung) mehrere Tage Bearbeitungszeit in Anspruch nimmt.

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II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage Unter dem Gesichtspunkt, dass Jahr für Jahr bei den ca. 360 deutschen Regionalzeitungen rund 350.000 Abonnenten in ein anderes Vertriebsgebiet verziehen, soll eine von der Direktmarketing-Gesellschaft pan-adress 25 initiierte und von der Regionalpresse unterstützte Tauschbörse verhindern, dass die Adressen nach dem Umzug ungenutzt bleiben. D e r Abonnent, den ein Verlag durch Weggang verliert, soll gleich wieder an eine in dem neuen Wohnort verbreitete Regionalzeitung vermittelt werden. U m die neue Adresse herauszufinden, erhält der Absatzhelfer pan-adress von dem abgebenden Verlag die Information aus dem Kündigungsschreiben des Abonnenten oder vergleicht die alte Anschrift mit der Umzugsdatenbank der Deutschen Post, die rund 18 Mio. Nachsendeanträge enthält. Hat der Diensdeister die neue Anschrift des einstigen Abonnenten ermittelt, so schreibt er den ehemaligen Kunden im Auftrag des Verlages an, um ihm Abo-Gutscheine von maximal zwei in seinem neuen Wohngebiet verbreiteten Regionalzeitungen zu schenken. Entschließt sich der Abonnent für ein neues Abonnement, bearbeitet die Vertriebsabteilung des neuen Verlages den Auftrag weiter.

2.2.3 Rechnungslegung, Mahnwesen und Inkasso Die Rechnungslegung für ein Abonnement erfolgt prinzipiell im voraus. Ein mit der Verwaltung beauftragtes Diensdeistungsunternehmen erscheint dem Abonnenten gegenüber meist nicht auf der Rechnung, damit die Bindung zwischen Verlag und Abonnent erhalten bleibt. J e nach Titel und Verlag kann der Abonnent seinen Abrechnungszeitraum von monatlich bis jährlich individuell bestimmen. E r kann sein Geldinstitut beauftragen, in festgelegten Abständen einen bestimmten Betrag zu überweisen (Dauerauftrag), den der Rechnung beigefügten Überweisungsträger nutzen, dort wo angeboten, per Kreditkarte zahlen oder dem Verlag eine Vollmacht zum Einzug des Abonnementsbetrages von seinem Bankkonto erteilen. Das bargeldlose Lastschrifteinzugsverfahren wird häufig durch einen Preisnachlass oder kleine Geschenke beworben und hat sich, wie in vielen anderen Bereichen, als beliebteste Zahlungsmethode durchgesetzt. Das externe Serviceunternehmen versorgt das die Buchungen und Geldbewegungen vornehmende Bankinstitut mit den notwendigen Daten für den Einzug der AbonnementGebühren. Die Finanzbuchhaltung des auftraggebenden Verlags bekommt über eine Verbindung mit der E D V des Diensdeisters wichtige Auswertungen wie Journal/Grundbuch, Saldenliste, Kontenschreibung und eine Liste der angemahnten Kunden. Nicht in jedem Falle ist der umgehende Zahlungseingang garantiert und, da das Delkredere beim Verlag liegt, ist eine sorgsame Überwachung des Geldeingangs Als Dienstleister für Komplett-Lösungen im Bereich One-to-One Marketing wurde panadress 2002 in die weltweit tätige Consodata-Gruppe integriert. 25

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2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz und ein sensibles Mahnwesen erforderlich. Ein heikles Thema ist in jedem Verlag die Gestaltung des Mahnvorgangs. Er kann bis zur Liefereinstellung mehrere Stufen umfassen. Seine Organisation muß einerseits straff geregelt und in sich konsequent sein, um eine erneute Aufnahme der Lieferung zu verhindern, solange alte Rechnungen noch nicht bezahlt sind. Die Art und Weise der Kundenansprache muß andererseits so gestaltet werden, dass ein Abonnent sich nicht gleich „angefasst" fühlt. Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen hat im Jahr 2004 mit 48.500 Fällen einen neuen Rekordstand erreicht. Als Gründe für das Nichtbezahlen offener Rechnungen gaben 92 % der vom Bundesverband Deutscher InkassoUnternehmen befragten privaten Schuldner Überschuldung, 78 % Arbeitslosigkeit und 55 % vorsätzliches Nichtbezahlen an (dnv 1/2005:50). Obwohl die Forderungen aus Abonnement-Verträgen überwiegend in der Größenordnung zwischen zehn bis einhundert Euro liegen, gehört die noch vor wenigen Jahren verbreitete Praxis des Ausbuchens, d.h. der Verzicht auf den ausstehenden Geldbetrag, mittlerweile der Vergangenheit an (dnv 1-2/2004:46). Viele Verlage legen aufgrund der steigenden Zahl von Privatinsolvenzen und der desolaten Zahlungsmoral Wert darauf, den säumigen Abonnenten klar zu machen, dass sie für die bezogene Zeitung oder Zeitschrift auch bezahlen müssen und geben ihre Forderung nach dem Versand der ersten Mahnung gleich an ein externes Call-Center26 oder einen professionellen Inkasso-Dienstleister ab r . Bei früher Übertragung der Forderung auf einen Inkassoexperten liegen die Chancen, bei säumigen Abonnenten, bei denen noch etwas zu realisieren ist, um die fünfzig Prozent (dnv 10/2004:38). Um Kunden mit mäßiger Zahlungsmoral zu halten, verkürzen einige Verlage den Zahlungsrückstand mit telefonischer Kontaktaufnahme zum Abonnenten durch ein professionelles Call-Center und sparen so oft einen Großteil der schriftlichen Mahnungen ein. Bevor das Mahnverfahren über ein Inkassounternehmen eingeleitet wird und eine Liefereinstellung erfolgt, versucht der geschulte CallCenter-Agent, eine emotionale Beziehung zum Kunden herzustellen und ihm die Möglichkeit zu geben, die Gründe für den Zahlungsrückstand zu besprechen und eventuelle Probleme sofort abzuklären (dnv 1-2/2004: 47). Das Angebot, auch Ratenzahlungen vornehmen zu können, hat häufig zur Folge, dass die Hemmschwelle, weiterhin nicht zu zahlen, auf der Abonnentenseite höher wird und so dem Verlag erhebliche Zusatzkosten durch die Einleitung von gerichtlichen Mahnbescheidsverfahren erspart bleiben (dnv 6/2000: 77; Barth 1997:48).

26 Nach Schätzungen des Deutschen Direktmarketing Verbandes gibt es in Deutschland rund 400 Call-Center Diensdeister. Vgl. dnv 10/2003: 54 27 Branchenprimus unter den in der Verlagsbranche tätigen Inkassounternehmen ist die Debitor-Inkasso GmbH in Bad Schwartau. Zu den bekanntesten im WBZ-Bereich tätigen Inkassounternehmen gehören Defacto Inkasso in Osnabrück, Exgo Inkasso in Gießen oder die Inkasso-Kontor Wallstab/Verleger-Inkasso-Stelle. Vgl. dnv 10/2003: 31 f.

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II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage Ob über die Zahlungserinnerung, Mahnungen und die vorgerichtliche Inkassoansprache hinaus bis zu Zwangsmaßnahmen gegangen werden soll, ist in die Entscheidung des Vertriebsleiters gestellt, der ein möglicherweise „nur noch mit der Brechstange einbringbares Säumnis" gegen den Verlust eines Abonnenten abzuwägen hat. Mahnwesen und Inkasso sind heute mehr denn je auch Marketing. Der schmale Grat, den die doppelte Verpflichtung beinhaltet, einerseits hohe Realisierungsquoten zu erreichen und gleichzeitig die Haltbarkeit der Abonnements nicht zu gefährden, ist ein wahrer Drahtseilakt. Während die Gläubiger bei einem gerichtlichen Verbraucherinsolvenzverfahren gerade einmal drei Prozent ihrer Forderung erhalten, liegt die zu erlösende Summe beim außergerichtlichen Einigungsverfahren mehr als doppelt so hoch (dnv 1/2005: 50). Gleichzeitig hat die Erfahrung gezeigt, dass es geschickten Call-Center Agenten während des Telefonats gelingen kann, den Abonnenten zur Einzugsermächtigung von Raten bzw. Abonnementsgebühren zu bewegen, was wegen der längeren Haltbarkeit eines solchen Abonnements von doppeltem Nutzen ist. Das Telefoninkasso stellt einerseits ein sehr wirksames Mittel der Schuldneransprache dar, wird andererseits jedoch durch die seit Jahren rückläufige Anzahl der eingetragenen Festnetzanschlüsse erschwert (dnv 1-2/2004: 48). Säumige Abonnenten, bei denen wegen fehlender Rufnummer kein Telefoninkasso möglich ist, werden von einigen Diensdeistern mit Instrumenten des Direktmarketing erreicht. Durch Postkarten mit entsprechenden Response-Elementen kann die Zahl der telefonischen Schuldnerkontakte um bis zu 30 % gesteigert werden, was sich letztlich positiv auf die Forderungserfüllung auswirkt (dnv 1-2/2004:50).

2.2.4 Abonnentenbetreuung Weit verbreitet war jahrelang die Philosophie „Je seltener der Leser außerhalb des Heftes, das er im Rahmen seines Abonnements erhält, angesprochen wird, desto weniger kommt er auf die Idee, abzubestellen" (Handbuch Pnsseverfrieb 1989:4.5.1.). Eine richtige Betreuung der Abonnenten fand selten statt, auch wenn die Aboverwalter diesen Begriff häufig in den Vordergrund ihrer Tätigkeit rückten. Auf den Umstand, dass sich der Kunde mehr und mehr selbst in den Mittelpunkt stellte, haben Verlage und Abo-Diensdeister mit umfangreichen ServiceProgrammen28 reagiert, um eine reibungslose Belieferung und eine möglichst lange Bindung des Abonnenten an das Produkt bzw. den Verlag zu erzeugen. Wie lieb und „teuer" ein Abonnent geworden ist, erklärt ein Vertriebsleiter einem neuen Mitarbeiter manchmal mit dem Vergleich, dass ca. 100 Abonnenten dem Gegenwert eines Kleinwagens entsprechen. Die Kosten für einen neuen Leserservice, Ticketservice, Informationshotline, Bestellannahme, Beschwerdemanagement, Produktberatung, Interessentengewinnung, Gewinnspiele, Promotionaktionen usw. 28

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2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz Abonnenten (cost per order) liegen je nach Werbemethode zwischen € 60.- und € 150.- und summieren sich zu einer Investition, die sich erst amortisiert, wenn die Abonnenten dem Verlag oder Titel lange genug die Treue halten. Abonnenten binden sich nur, wenn sie mit dem Produkt und dem Service zufrieden sind. Dies setzt eine erstklassige Betreuung durch geschultes, qualifiziertes Personal voraus, welches Erfahrungen im Umgang mit Privatkunden und deren Problemen hat und in der Lage ist, auf alle Wünsche des Abonnenten einzugehen. Der Kundenberater am Telefon ist die „Abladestelle" für alle Beschwerden, auch wenn sie nicht von ihm verursacht sind. Das gilt besonders in Spitzenzeiten nach der Auslieferung einer neuen Ausgabe oder nach Rechnungs- und Mahnungsversand, nach denen die Zahl der Reklamationen sprunghaft ansteigt. Hohe Anforderungen an die Schnelligkeit der Kundenberater eines Call-Centers stellen interaktive Medien wie E-Mail, Internet oder auch eine Telefon-Hotline dar, besonders wenn die Verlage sie als Response-Instrumente für die Kommunikation mit den Abonnenten und/oder Lesern benutzen: Für die Betreuung aller Kundenkontakte betreibt Axel Springer in Hamburg und Berlin zwei Call-Center namens „asdirekt". Basis für die Abwicklung aller eingehenden Kontakte2' ist die Vertriebs-Software „Abo 2000 plus", die die Arbeit des Kundenberaters mit Dialogfunktionen unterstützt, und über die auf elektronischem Wege den Vertriebsabteilungen die komplizierteren Vorgänge übergeben werden können. Die ständig wachsende Zahl von E-Mails individuell und von Hand im Call-Center zu bearbeiten, wurde dem Vertriebsleiter Die Welt zu teuer. Um eine möglichst zügige Bearbeitung der E-Mailanfragen zu gewährleisten und Standards wie Adressänderungen oder neue Kontoverbindungen automatisch in die Datenbanken einfließen zu lassen, entwickelte Die Welt einen „E"-Service, mit dessen Hilfe Reisenachsendungen, Adress- und Kontoänderungen sowie allgemeine Anfragen (nach Schlagwörtern sortiert) automatisch beantwortet werden können (dnv 7-8/2002:86). Auch in den Call-Centern von Gruner + Jahr und Bauer wird an bis zu 80 Serviceplätzen der Dialog mit täglich mehreren tausend Kunden von hochmoderner Technik unterstützt (dnv 12/1999:28; dnv 1-2/2003: 20f.). Neben der automatisierten Abwicklung von Telefongesprächen mit Hilfe eines Sprachcomputers, bietet die Verlagsgruppe Bauer (an der Diensdeistung interessierten Verlagen und Titeln) die persönliche Annahme und Abwicklung von Gesprächen, die Auswahl und den Abruf von Dokumenten per Fax und sogar die Kombination der drei Kommunikationswege im sogenannten Mix-Mode an (dnv 6/2000: 76). Burdas Neue Verlagsgesellschaft (NVG) richtete 1996 für die Kommunikation mit ihren Abonnenten und Lesern ein „optisches Archiv" ein, um die VerfügbarPro Jahr managen die Call-Center rund 500.000 Kontakte, davon 50 Prozent Anrufe, 42 Prozent Briefe, fünf Prozent Faxe und drei Prozent E-Mails mit stark steigender Tendenz. Vgl. von Radetzky 2001: 2. 29

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II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage keit der Kundenunterlagen zu verkürzen. Optisches Archiv bedeutet die Digitalisierung der Korrespondenz und hat den Vorteil der vollkommenen Transparenz der Vorgänge zu einem Abonnement und den einer höheren Wirtschaftlichkeit durch einfaches und schnelles Wiederherstellen von Aufträgen und Unterlagen, schon während die Telefonanlage einem Kundenberater einen Anruf zustellt (dnv 7/1996: 10). Der Kundenberater muß die notwendigen Abonnement-Daten nicht mehr erfragen oder über eine Tastatur eingeben, sondern wird durch einen elektronischen Gesprächsleitfaden durch das jeweilige Kundengespräch geführt. Größter verlagsunabhängiger Fullservice-Diensdeister für Verlage und Vertriebsunternehmen ist die seit 1978 tätige, zur Unternehmensgruppe Beck zählende und die Systeme der dsb AG nutzende dsb Abo-Betreuung GmbH, die 3,5 Mio. Abonnements im Full-Service betreut, 1,8 Mio. WBZ-Abonnements verwaltet, 2 Mio. Bestellungen und 1 Mio. Telefonanrufe pro Jahr entgegennimmt und bearbeitet, 2 Mio. Kundenzuschriften erhält und 5,5 Mio. Zahlungen jährlich verbucht (dsb 2003:3). Mit dem Ausstieg der Axel Springer AG und Vogel Medien als Gesellschafter und dem Einstieg von Burda Direct (dnv 19/2002: 5) wurde im Jahr 2002 nicht nur eine Neuorganisation, sondern gleichzeitig die Weiterentwicklung des Abo-Betreuers zu einem CRM-Diensdeister eingeleitet. Bis zu diesem Zeitpunkt bot die dsb-Abobetreuung GmbH Verlagen und Vertriebsfirmen neben der reinen Abonnentenverwaltung im wesentlichen vier Outsourcing-Lösungen im Full- oder Teilservice an: Erhaltung bestehender Kunden, Neukundengewinnung, Kundenrückgewinnung und Kontakt- bzw. Beschwerdemanagement (dnv 19/2003: 32). Wegen des erweiterten Leistungsspektrums, welches sich auch im Firmennamen wiederspiegeln sollte, wurde die dsb Abo-Betreuungs GmbH ab 1.7.2003 in Dialog Service Center GmbH (DSC) umbenannt (dnv 16-17/2003: 6). Ziel des Absatzhelfers DSC GmbH ist es, die Beziehung zu den Abonnenten in allen Phasen des Kundenprozesses noch effektiver und individueller zu gestalten. Mit der Einführung des neuen AbonnementVerwaltungsSystem (AVS/3) wurde nicht -wie früher- das einzelne Abonnement, sondern der lesende bzw. abonnierende Kunde in den Mittelpunkt aller Aktionen gestellt, um auf diese Weise eine langfristige Kundenbeziehung aufbauen zu können (dnv 1/2002: 24 f.). Erfolgreiches Workflow-Management ermöglicht AVS/3 mit Hilfe eines elektronischen Archivierungssystems, daß abgespeicherte Dokumente bei späterer Recherche in Sekundenschnelle wiedergefunden werden. Als weiteren Vorteil gegenüber dem alten System stellt DSC die Netzfunktionalität der neuen Lösung heraus, die es den Abonnenten via Internet ermöglicht, Probehefte oder Abonnements online zu bestellen, Adressdaten zu ändern, Abonnement-Laufzeiten zu erfragen oder Services wie Urlaubsnachsendungen in Anspruch zu nehmen.

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2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz

2.2.5 Abonnentengewinnung und Leserbindung Im Rahmen des Vertriebsmarketing gelten Abonnenten-Gewinnung und Leserbindung als fundamentale Optionen. Daß die Leserbindung seit Mitte der neunziger Jahre zunehmende Beachtung erfahrt, kommt nicht von ungefähr. Große Teile des Pressemarktes sind gesättigt und Wachstum findet nur noch auf Kosten von Wettbewerbern statt, weshalb sich der Vertrieb mehr mit AbonnementKündigungen beschäftigen muß als mit der Anzahl, Art und Haltbarkeit neuer Verträge. Was unternehmen Verlage nicht alles, um Neuabonnenten zu werben? Und was tun sie auf der anderen Seite für Stammleser und Abonnenten, die schon seit vielen Jahren einem Titel die Treue halten? Dazu ein paar grundsätzliche Anmerkungen: Prinzipiell kann man davon ausgehen, dass es einfacher und kostengünstiger ist, einen Abonnenten zu halten bzw. zu binden als einen neuen zu gewinnen. Oder anders ausgedrückt: „Die Minderung der Abgänge um ein Prozent ist mehr wert als die Steigerung der Zugänge um das Doppelte" (Schuld 1994: 143). Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Zum einen muß ein potentieller neuer Abonnent zuerst einmal kontaktiert und dann von den Vorteilen einer Zeitung oder Zeitschrift überzeugt werden. Ein langjähriger Abonnent dagegen hat bereits positive Erfahrungen mit seinem Titel gemacht und muß nicht mehr über dessen Vorzüge aufgeklärt werden. Die Kosten für die Werbung eines neuen Abonnements zwischen € 60.- und € 150.-50 entfallen daher. J e länger ein Abonnement hält, desto stärker steigen die Erträge. Ein zufriedener Abonnent kauft außerdem noch weitere Produkte des Verlages (Cross-Selling bzw. Cross-Buying), empfiehlt den Titel seinen Freunden und Verwandten und ist gegenüber Preiserhöhungen weniger sensibel. Dies gilt besonders für die lokalen und regionalen Tageszeitungen, deren ununterbrochener Bezug die Auflage stabilisiert. Infolge des Gesagten wäre es konsequent, die Anstrengungen des Vertrieb auf die Leserbindung zu konzentrieren und die Neukundengewinnung so zu gestalten, dass lediglich unvermeidbare Abgänge durch neue Abonnenten ersetzt werden51. Die Leiter der übrigen Fachbereiche und Teilnehmer an der Objektkonferenz 52 haben meist jedoch eine andere Sicht der Dinge (Schuld 1994: 144 f.). Die im Verkaufsgespräch von der verkauften Auflage des Titels abhängige Anzeigenabteilung und der unmittelbare Wettbewerb zwingen den Vertrieb, den Absatz nicht nur zu stabilisieren, sondern unter Einsatz seines Werbeetats möglichst zu steigern, was zu starken Fluktuationen unter Abonnenten und Käufern im Einzelhandel führen

Vgl. Kap. II. 2.2.4 Abonnentenbetreuung. Solche unvermeidbaren Verluste hat z.B. eine Tageszeitung, deren Leser aus dem Verbreitungsgebiet wegziehen und sich nicht mehr für die Nachrichten aus der alten Region interessieren. 52 Vgl. Kap. I., 2. Einordnung des Vertriebs in die Aufbauorganisation eines Verlags. 50 51

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II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage kann. Für den Chefredakteur ist die verkaufte Auflage (unabhängig von ihrer Zusammensetzung) ein unbestechlicher Gradmesser für die Qualität der journalistischen Arbeit. Dem Verleger ist die Problematik der Käuferfluktuation zwar geläufig, er geht aber davon aus, dass der Vertriebsleiter bei den Zu- und Abgängen für eine Balance sorgt und rechtzeitig auf Gefahren für die Auflage hinweist. Somit bleibt möglicherweise bei allen Überlegungen das Objekt selbst außen vor. Diese Vorgehensweise kann im Verlag die Ansicht fördern, der Titel sei optimal und so auf den Markt zugeschnitten, dass er kaum verbessert werden kann. Wenn das geschieht, ist schnell der Punkt erreicht, wo beim Rückgang der Verkaufsauflage subjektive und pauschale Schuldzuweisungen, bevorzugt in Richtung Vertrieb33, an die Stelle einer sachlichen Analyse treten (Schul·.ζ 1994: 145). Welche Möglichkeiten hat der Vertrieb, die Anzahl der Abgänge günstig zu beeinflussen, d.h. die vorhandene Auflage zu stabilisieren? Im folgenden sind vor allem Aspekte zu nennen, die unter die Begriffe Telefonmarketing und Leser-Blatt-Bindung fallen.

2.2.5.1 Telefonische Rückgewinnung gekündigter Abonnements Das Telefon als Kommunikationsinstrument spielt in der Beziehung Verlag/ Abonnent eine immer wichtigere Rolle: der Griff zum Hörer ersetzt mehr und mehr den schriftlichen Kontakt. Bei Bedarf setzt z.B. die Bauer Vertriebs KG ihre drei Call-Center in Hamburg, Magdeburg und Köln ein. Beim Dialog mit den Abonnenten wird zwischen dem sogenannten „Inbound-,, und dem „OutboundService" unterschieden. Eingehende Anrufe werden als Inbound Calls, ausgehende Telefonate als Outbound Calls bezeichnet (Koke/Wieticke 1999:497). Outbound-Service, d.h. der Anruf von Kundenberatern bei potentiellen oder bestehenden Kunden wird unter anderem zur Neukundengewinnung, Bestandskundenpflege, Kündigungsnachbearbeitung, für Marktanalysen und im Databasemanagement eingesetzt (dsb 2003: 4). Hat sich ein Leser nach bestimmten Dienstleistungen erkundigt, schriftlich oder telefonisch Unterlagen angefordert oder sein Abonnement gekündigt, bricht der Dialog mit der Zusendung des gewünschten Materials bzw. dem Verzicht des Abonnenten auf das Produkt nicht einfach ab. Allerdings sind der Werbung, dem Verkauf von Presseprodukten und Nachfragen beim Abonnenten übers Telefon enge rechtliche Grenzen gesetzt. Liegt eine Willenserklärung des Abonnenten vor und als solche bewerten Juristen eine Kündigung, darf weder der Kundenberater noch der Verlag telefonischen Kontakt zu einer Privatperson suchen. Aus einer beim Landgericht Bad Kreuznach vom Berliner Verbraucherschutzverein eingereichten Klage gegen die in Starnberg ansässige Buch- und Zeitschrif33

Zahl der Reklamationen, Verkaufsstellen ohne Titelangebot usw.

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2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz tenvertriebsfirma Lorenz entwickelte sich ein jahrelanger Grundsatzprozeß über die Zulässigkeit telefonischer Nachfragen bei gekündigten Abonnementsverträgen. Im konkreten Fall ging es um die telefonische Ansprache eines Bild und FunkAbonnenten, der die TV-Illustrierte bezogen hatte und nach der Kündigung, aber noch während der Laufzeit des Abonnements von einem Kundenberater der Starnberger Vertriebsfirma unter der Rufnummer kontaktiert wurde, die er bei der Bestellung angegeben hatte. Der Kundenberater hatte nach den Kündigungsgründen gefragt und danach, ob sich der Abonnent bei Beseitigung der Lieferstörungen für eine Fortsetzung des Vertrages interessiert. Das Landgericht Bad Kreuznach untersagte die Nachfaßaktion der Zeitschriftenvertriebsfirma mit Urteil vom 5. Dezember 1988. Die gegen das Urteil gerichtete Berufung beim Oberlandesgericht Koblenz blieb ebenso erfolglos wie die (vom Bundesgerichtshof nicht zur Entscheidung angenommene) Revision im November 1991 (dnv 3/ 1991: 35 ff; dnv 2/1992: 45ff.). Der Buch- und Zeitschriftenvertrieb Lorenz legte daraufhin Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein, scheiterte im Herbst 1993 trotz kompetenter Beratung von Fachanwälten jedoch auch dort. Das Bundesverfassungsgericht lehnte die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem umfangreichen Sachvortrag der beschwerdeführenden Vertriebsfirma und die Annahme der Verfassungsbeschwerde als unbegründet ab (WBZ- Verband 1993: 20f.; AGA 1998: 28 Wenn man sich vor Augen führt, dass allein bei den Publikumszeitschriften rund 56 Mio. Abonnements bestehen, bekommt man ein Gefühl für das Potential an jährlich nachzuarbeitenden Abonnement-Kündigungen, deren Rückgewinnung einen vielstufigen Prozess darstellt. Dieser beginnt mit der Selektion relevanter Kündiger, führt über ein Rückgewinnungsgespräch bis hin zur Wiederaufnahme der Belieferung. Und jeder Baustein muß in der Prozesskette optimal aufeinander abgestimmt sein, um nachhaltigen Erfolg zu erzielen. Das Ziel der Verlage in der Abonnenten-Rückgewinnung ist die langfristige Bindung des Kunden, eine hohe Rendite, ein geringer CpO-Wert und geringe Prozesskosten durch Reklamationen oder Stornierungen. Einen leistungsstarken Dienstleister wie die d+s online AG (dnv 1-2/2003: 20f.) oder die con.vidis KG, die sich um die Rückgewinnung bzw. den Erhalt der Gruner + Jahr - Abonnenten bzw. die der Verlagsgruppe Bauer per Telefon bemühen (dnv 19/2003: 14), zeichnet nicht nur die Kompetenz im Verlagsbereich aus. Daneben muß auch die Fähigkeit treten, individuelle Lösungen für die jeweilige Aufgabenstellung zu finden. Anrufe zum Zwecke der Neuwerbung von Abonnements sind nur in solchen Fällen erlaubt, in denen ein Verlag die ausdrückliche Erlaubnis eines Interessenten hat. Die Einwilligung zum Anruf erhält der Verlag durch Anrufklauseln auf Gewinnspielkarten34, durch Kontakte auf Messeständen oder durch aktive Gespräche „Ich bin damit einverstanden, dass mir die Firma X Y Z telefonisch weitere interessante Angebote macht (ggf. bitte streichen)". M

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II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage potentieller Abonnenten mit den Redakteuren einer Zeitschrift. Anrufklauseln werden zur Vermeidung von Angriffen durch Verbraucherschutzverbände zwischen dem Vertrieb und der Rechtsabteilung eines Verlages sowie zwischen den Wettbewerbern eng abgestimmt (dnv 12/2002: 26). Trotzdem ereilte die Verlagsgruppe Bauer im August 2003 eine Einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg35, mit der ihr verboten wurde, Verbraucher anzurufen, um für Zeitschriftenabonnements zu werben, wenn diese der telefonischen Kontaktaufnahme nicht zugestimmt haben (sog. „cold calls"). Zuvor hatte das Bundeskabinett einen entsprechenden Beschluß zur Reform des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) verabschiedet (dnv 10/2003: 52). Während der Gesetzentwurf der Bundesregierung bei der Werbung mit Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern ohne deren Einwilligung nach § 7 Abs. 2, Ziffer 2 UWG n.F. eine unzumutbare Belastung annahm und somit für das Opt-in plädierte36, hatte sich der Bundesrat für die liberalere Opt-out-Regelung ausgesprochen. Danach soll es ausreichend sein, dass der Angerufene erst nach der Kontaktaufnahme erklärt, nicht angerufen werden zu wollen.37 Die Bundesregierung pries die UWG-Novelle als wichtigen Fortschritt des Verbraucherschutzes. Die Verlage und deren Dienstleister im Direktmarketing sahen dies naturgemäß anders, übten massive Kritik am Gesetzentwurf und wiesen auf die Konsequenzen eines gesetzlichen Verbots, das Telefon für die Kundengewinnung einzusetzen, hin. Die Branche werde mit erheblichen Einschränkungen beim Telefonmarketing leben müssen (f.v.d. Sluis in dnv 10/2004: 33), über 100.000 Arbeits- und Ausbildungsplätze in Call-Centers seien in Gefahr und auch die Vertriebs- und Anzeigenabteilungen der Zeitungs- und Zeitschriftenverlage wären von der Schwächung betroffen (B. Wör% in dnv 10/2004: 32). Bis zuletzt hatte die Branche gehofft, dass die von der Regierung favorisierte Opt-in-Lösung gekippt werden könnte. Diese Hoffnung wurde enttäuscht. Seit Juli 2004 ist die Opt-in-Regelung Gesetz. Sie ist seither von allen Akteuren im Telefonmarketing zu beachten, soweit sie nicht ihre Call-Center-Arbeitsplätze ins Ausland verlagern. Damit hatte nach der UWG-Novelle beispielsweise der Burda-Konzern gedroht, der zehn Call-Center betreibt und 500 Mitarbeiter im Telefonmarketing beschäf-

Beschluß des LG Hamburg v. 29.8.2003, Aktz.: 312 Ο 668/03 Der Begriff Opt-in geht von der grundsätzlichen Unzulässigkeit des Telefonmarketings aus. Wer bei einer telefonischen Werbemaßnahme mitmachen möchte, muß ausdrücklich für eine Werbemaßnahme optieren (to opt in). Vgl. Dänekamp/Schmitt 2005: 57 37 Die im europäischen Ausland überwiegend praktizierte Opt-out-Lösung geht von der grundsätzlichen Zulässigkeit des Telefonmarketings aus. Sie unterstellt eine Zustimmung des Verbrauchers, räumt ihm jedoch die Option ein, seinen Ausstieg (to opt-out) beispielsweise durch Aufnahme in die Robinson-Liste, die alle Aussteiger erfasst, zu erklären. Vgl. Dänekamp/Schmitt 2005: 57 35 36

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2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz tigt. Die Verlagsgruppe Bauer gar schloß nach Inkrafttreten der neuen Fassung des § 7 UWG den Standort Köln seiner Call-Center-Tochter con.vidis KG. Seit dem Inkrafttreten der Gesetzesnovelle werden Verlage und Telefonmarketing-Unternehmen verstärkt mit Abmahnungen überzogen. Wegen des nicht unerheblichen Kostenrisikos wettbewerbsrechtlicher Verfahren (Dänekamp/Schmitt 2005: 56) für die beteiligten Akteure ist es daher wichtig, den Rahmen des rechtlich Zulässigen zu kennen und Nischen zu nutzen. Die Frage, ob auch künftig ein Abonnent im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen angerufen werden darf, kann man positiv beantworten. Solche Anrufe dürfen nur nicht auf eine Erweiterung bestehender Verträge im Sinne zusätzlicher Abschlüsse (Up-Selling, CrossSelling) gerichtet sein. Sofern dies der Fall ist, erfolgt der Anruf zur Absatzförderung und bedarf der vorherigen Einwilligung des Abonnenten bzw. Kunden. Der Kunde muß also der Telefonwerbung durch aktives Handeln (Ankreuzen, Unterschrift usw.) zustimmen. Sein Einverständnis muß einen eindeutigen Bezug zur Telefonwerbung haben und sich von sonstigen Erklärungen, wie etwa der Bereitschaft zur Teilnahme an einem Gewinnspiel, abheben (DänekampISchmitt 2005: 57). Neben einer wahrscheinlichen Renaissance der Vertreterwerbung gilt es, neue Wege in der schriftlichen Werbung mit persönlich adressierten Angeboten zu gehen, die in anderen Branchen (z.B. Versandhandel) längst gute Responsewerte produzieren. Doch nicht in allen Bereichen werden Mailings die persönliche Werbeansprache im Telefonmarketing ersetzen können. Weil bei der Rückgewinnung von Abonnement-Kündigern im Telefonmarketing Erfolgsquoten möglich sind, die man mit anderen Medien nicht erreicht, ist zu erwarten, dass künftig mehr Call-Center aus dem Ausland agieren (Horizont 17/2003:69).

2.2.5.2 Kundenzufriedenheit, Leser-Blatt-Bindung und die Haltbarkeit von Abonnements Gerade bei der Abonnements-Kündigung wird sichtbar, daß zwischen einem Industrieprodukt und der „Ware Presse" ein signifikanter Unterschied besteht. Ein übliches Produkt wird nur einmal verkauft und bis zu seiner Wertlosigkeit benutzt. Zeitungen und Zeitschriften dagegen leben zu 50 Prozent38 vom Wiederkehrvertrag, dessen schriftlicher Teil über die dauerhafte Belieferung des Abonnenten eine untergeordnete Rolle spielt, weil dieser wegen der Entscheidungsfreiheit des Beziehers über Kündigung oder Fortsetzung nur eine befristete Gültigkeit besitzt. Entscheidend für die Beziehung zwischen dem Abonnenten und dem von ihm präferierten Presseprodukt ist die sich periodisch bewährende Akzeptanz, die Bindung an das Blatt, das Vertrauen in die Zeitung oder Zeitschrift, durch das sich Durchschnittlicher Abonnementanteil an der Verkaufsauflage aller Zeitungen und Zeitschriften 58

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II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage die potentielle Kündigungsbereitschaft des Abonnenten reduziert (.Schuhζ 1994: 145 f.). Voraussetzung für eine erfolgreiche Bindung des Lesers, Abonnenten und Einzelheftkäufers an ein Objekt ist üblicherweise seine Zufriedenheit mit der Form und dem Inhalt des Produktes. Die Bedeutung von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung ist vor dem Hintergrund fehlenden Marktwachstums und zunehmenden Wettbewerbsdrucks gestiegen. Dies äußert sich in Themen wie Abonnenten-Rückgewinnung, Beschwerde-Management, Stabilisierung gefährdeter Kundenbeziehungen, Storno-Management, Kunden-Club oder AbonnentenHotline. Die genannten Maßnahmen basieren alle darauf, Kontakte herzustellen, zu verlängern oder in Problemsituationen wie Beschwerden oder Kündigungen die Kontakte entsprechend positiv zu gestalten (Ramme 2002: 447). Was exakt man unter „Kundenbindung" versteht, ist in der Literatur nicht einheitlich definiert. In Anlehnung an Zentes (gittert bei Ramme 2002:438) und Bezug auf unser Thema ist Kundenbindung die Schaffung und Intensivierung einer dauerhaften Beziehung zwischen Verlag und Abonnent und der Aufbau einer Markentreue beim Leser. Nach Diller (zitiert bei Ramme 2002:438) liegt Kundenbindung vor, wenn innerhalb eines als zweckmäßig definierten Zeitraums (Vertragsdauer) wiederholte Informations- oder Finanztransaktionen zwischen zwei Geschäftspartnern stattfinden oder geplant sind. Die Bindung eines Abonnenten an einen Titel ist also umso höher, je öfter ein Abonnent die Leistung eines Verlages in Anspruch genommen hat und/oder nehmen will. Weil die Zufriedenheit der Abonnenten eine entscheidende Bedeutung für den Verkauf eines Presseproduktes hat, muß ein Verlag auch über diese Erfolgsgröße informiert sein. Zum Controlling im Sinne eines Soll-Ist-Vergleichs von Erfolgsgrößen gehört auch die Messung der Abonnenten-Zufriedenheit. Gerade im Vertrieb ist aufgrund der Nähe zum Abonnenten das Wissen über dessen Zufriedenheit und folglich die Leser-Blatt-Bindung eine wichtige Größe. Grundlage für die Analyse, d.h. für Statistiken und Auszählungen des Abonnentenbestandes ist eine Database, die der Verlag mit eigener E D V oder ein externer Diensdeister verwaltet.35 Grad, Qualität und Zustandekommen der Leser-Blatt-Bindung kann über verschiedene Kennzahlen (Fluktuationsrate, Kündigungsrate, Neukundenrate usw.) ermittelt werden, unter denen die Haltbarkeit, d.h. die Lebensdauer eines Abonnements die wichtigste ist. Um auch Teilmengen eines Abonnentenbestandes auf ihre Haltbarkeit zu überprüfen, gehören zu jeder Abonnement-Adresse Informationen über den Zeitpunkt der Lieferaufnahme und die Entstehung des Abonnements. Die Treue des Abonnenten, d.h. die in Jahren und Monaten gemessene Haltbarkeit eines Abonnements, spielt deshalb unter den Kennzahlen eine so wichtige Rolle, weil sie nicht nur für den Gesamtbestand von Interesse ist,

39

Vgl. dazu Kapitel II., 2.2 Verwaltung und Betreuung des Abonnentenbestands.

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2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz sondern auch zur Prüfung der Rentabilität einzelner Werbemaßnahmen herangezogen wird. Um die im Laufe der Jahre kontinuierlich zurückgegangene Haltbarkeit ihrer Abonnements zu erhöhen, arbeiten Zeitungs- und Zeitschriftenverlage mit den unterschiedlichsten und phantasievollsten Leser-Blatt-BindungsInstrumenten für ihre Festbezieher (dnv 5/1995: 99; dnv 23/2004: 28 f.; Schuh.ι 1994: 149f.): Die Ostthüringer Zeitung veranstaltete unter der Bezeichnung „OTZAboglück" ein Gewinnspiel, bei dem jeden Montag € 150 unter allen Abonnenten verlost wurden und die Abonnentennummer als Glückzahl diente. Gruner + Jahr belohnte seine treuen Leser mit einem „Abo Extra", das den Exemplaren der Festbezieher von Schöner Wohnen und Essen und Trinken beigeklebt war. Das zwanzigseitige Heft im Postkartenformat lieferte sofortige Zusatznutzen durch Exklusiv-Produkte für Abonnenten oder Kaufangebote beliebter Aboprämien, die Verlosung eines Besuchs in der Versuchsküche von Essen & Trinken oder eines Praktikums im Fotostudio von Schöner Wohnen. HörZu führte als Zusatznutzen für seine Abonnenten ein 32seitiges monatliches Supplement ein, das unter dem Titel HörZu Extra schwerpunktmäßig Themen wie Gesünder Leben, Natur und Umwelt, Jugend und Beruf usw. behandelte. Verlagsumfragen zufolge hielten 92% der HörZu-Abonnenten die Beilage für eine „große Bereicherung". Der Spiegel Verlag führte mit Spiegel-Extra eine Kultur-Beilage ein, die ausschließlich für die rund 300.000 Abonnenten des Nachrichten-Magazins bestimmt war. Ein Jahr später berichtete der Verlag, dass die Kündigungsquoten von Spiegel-Abonnenten seit Einführung der Kulturbeilage um bis zu 35 % zurückgegangen sind. Obgleich die vorstehenden Beispiele schon deutlich machen, welch positive Wirkung Leser-Blatt-Bindungs-Maßnahmen auf die Haltbarkeit von Abonnements haben können, werden diese Marketinginstrumente bei weitem noch nicht von allen Verlagen genutzt. Eine dauerhafte Kundenbeziehung, wie die zwischen Verlag und Abonnent, ist eine hervorragende Voraussetzung, um über das Hauptprodukt Zeitung oder Zeitschrift hinaus auch andere Medien wie Bücher, Videos, CDs, CD-Roms, DVDs oder ganze Zusatzprogramme mit unterschiedlichsten Produkten zu verkaufen. Weil sich herausgestellt hat, dass solch flankierende Maßnahmen die Auflagen positiv beeinflussen, müssen immer wieder neue Ideen geboren werden. Diese Herausforderung ist vor allem vom Vertrieb anzunehmen.

2.2.6 Database-Management Der wichtigste Besitz eines Verlags im Abonnementgeschäft ist sein Adressbestand. Deshalb darf er keine Mühe scheuen, den in der Redaktion, in der Werbe-, Anzeigen- oder Vertriebsabteilung zusammengekommenen Adressbestand zu pflegen und zur optimalen Nutzung aufzubereiten. Immer mehr Verlage überge95

II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage ben ihren Adressbestand an externe Diensdeister, weil sie angesichts der Datenmenge nicht mehr imstande sind, den hohen Pflegeaufwand, den qualifizierte Adressen erfordern, im eigenen Haus zu tragen. Ein unübersichtliches Nebeneinander verschiedenster, nicht verknüpfbarer Adressdateien verhindert die Selektion und individuelle Ansprache und Bewerbung unterschiedlicher Zielgruppen. Ein professionelles Diensdeistungsunternehmen hingegen fuhrt die unterschiedlichen verlagsinternen Datenbestände (Abonnentendatei, Kundendatei, Werbedatei usw.) zusammen und übernimmt deren konsequente Pflege und Aktualisierung40, was den einzelnen Abteilungen des Verlages ermögKcht, auf denselben Adress-Pool zugreifen und Änderungen sofort erkennen zu können. In der Eingabe und Änderung von Adressen liegen viele FehlermögKchkeiten, wie z.B. die Gefahr von Doubletten oder nicht zustellbaren Adressen, die hohe Kosten nach sich ziehen. Schon bei der Aufnahme oder Übernahme einer Adresse muß diese auf ihre Stimmigkeit überprüft werden, damit sie auch wirklich nur einmal vorhanden ist. Name und Titel ebenso wie die vollständige Anschrift, Art der Belieferung, Beginn der Belieferung, Art der Adressengewinnung oder individuelle Zustellwünsche sind Informationen, die nach bestimmten Prinzipien aufgebaut und gepflegt werden müssen. Grundsätzlich sind diese Prinzipien für Zeitungen und Zeitschriften gleich. Allerdings werden bestimmte Zielgruppen mit steigender Auflage immer ungenauer abzugrenzen sein. Der Aufbau des Adressbestandes einer Tageszeitung, bei der jeder Bewohner innerhalb des Verbreitungsgebietes zum Leserpotential gehört, unterscheidet sich insofern von dem eines SpecialInterest-Magazins, als bei genau definierten Zielgruppen die Möglichkeiten zur Bestandserfassung und Pflege ungleich weitergehen können als bei Publikationen, die breiteste Bevölkerungsgruppen ansprechen. Die meisten Verlage und Abo-Serviceunternehmen haben schon seit Jahren die Kundenadresse und nicht mehr den einzelnen Titel in den Mittelpunkt ihrer Adressverwaltung gestellt. Diese bildet den Grundstock, um den sich alle anderen Bausteine gruppieren (Hinderer 1999: 58; dnv 2/1995: 9). Die Adresse kann entweder Rechnungs- oder Versandanschrift, Geschenk- oder Prämienadresse sein. Alle Bestellungen eines Kunden, ob Abonnementsauftrag für einen oder mehrere Titel, ob Einzelheftbestellung, Sonderheft, Buch, Video, CD oder was auch immer, werden ausnahmslos der Kundenadresse zugeordnet. Selbstverständlich hat der Kunde auch nur ein Konto, auf dem alle Rechnungen als offene Posten geführt werden. Alle Vorgänge und Veränderungen, egal ob sie durch den Kundenberater im Call-Center, durch Versände oder Rechnungsläufe ausgelöst sind, werden im System mit der Kundenadresse verknüpft. Angesichts der Anhäufung unterschiedlichster Daten pro Kunde ist das Entstehen einer individuellen Historie eine hervorragende Möglichkeit, Abonnenten, Leser oder Interessenten einer Zeitung oder * Der Datenbestand von Burda Direct beträgt über 10 Mio. Adressen.

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2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz Zeitschrift 2ielgerichtet anzusprechen. Dabei sind die Geburtstagsgrüsse oder das Hervorzaubern einer Hoteladresse an einem bereits mehrfach besuchten Urlaubsort aus dem System nur zwei von vielen Möglichkeiten, eine noch engere Bindung des Abonnenten an einen Titel oder einen Verlag zu erzeugen. Im Laufe der Zeit einer Verlags-/Kundenbeziehung sammeln sich automadsch eine Fülle von Informationen, die, systematisch analysiert, ein sehr genaues Profil eines Kunden ergeben, das ein Verlag als Database für gezielte Marketing- oder Werbemaßnahmen benutzen kann. Erst durch die Zusatzinformationen wird die Kundenstruktur transparent und die Kundenadresse zu einem effektiven Marketing-Instrument. Das Hinzufügen möglichst vieler qualifizierender Daten zur Kundenadresse ermöglicht den Brückenschlag zum Database-Management, in dessen Rahmen schnelle und effektive Selektionen von für das Direct Marketing in Frage kommenden Adressen möglich sind. Ziel ist die Beschränkung der Werbemaßnahme auf eine zuvor nach bestimmten Kriterien wie Beruf, Bildungsgrad, Branche, Einkommen-/Umsatzklasse, Geschlecht oder Hobby präzise definierte Zielgruppe, um das Maß an Fehlstreuung zu minimieren. Doch damit sind die Möglichkeiten des Database-Managements noch nicht erschöpft. Eine weitere Qualifizierung der verlagseigenen Datenbank ist in Zusammenarbeit mit einem Outsourcing-Diensdeister möglich, der einen Adressenpool von Millionen Privat- und Geschäftsadressen einschließlich marketingrelevanter Zusatzmerkmale vorrätig hält und den verlagseigenen Adressen zugespielt werden kann (Zanetti 1996: 42 f . und Zanetti 1997: 54). Aus ihm lassen sich Adressen mit denselben Zusatzmerkmalen wie die Kundenadressen des Verlages selektieren und somit zusätzliches Potential ermitteln, das für eine Neu-Abonnenten-Werbung per Telefonmarketing oder Mailing eingesetzt werden kann. Die gezielte Abonnentengewinnung steht beim Einsatz der vorgenannten Direct-Marketing-Instrumente sicher an erster Stelle. Ebenso aber eignen sich Mailings, um herauszufinden, welche Gründe einen Abonnenten zur Kündigung veranlasst haben, oder das Telefonmarketing für die Responsebearbeitung. In kürzester Zeit und mit personellen Kapazitäten, die im Verlag oft nicht vorhanden sind, kann ein externer Dienstleister beispielsweise eine Gewinnspielaktion mit mehreren tausend Teilnehmern, die der Verlagsdatenbank wichtige Adressen für die Kundengewinnung liefert, abwickeln. Gewinnspiel-Teilnehmer dokumentieren bestimmte Interessen, die sich ein Verlag zu Nutze machen muß. Während vorher vielleicht nur die Gewinner gezogen und die restlichen Adressen ungenutzt weggeworfen wurden, entstehen durch den direkten Dialog mit dem Interessenten neue Abonnements und ein wertvolles Feedback für Redaktion, Vertriebs- und Anzeigenabteilung.

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II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage

2.2.7 Customer Relationship Management (CRM) Für die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage ist es seit Mitte der neunziger Jahre schwieriger geworden, sich im intra- und intermediären Wettbewerb zu behaupten. Das steigende Angebot an Titeln ist inhaltlich substituierbar, preislich auf demselben, teilweise niedrigen Niveau, wird über die gleichen Absatzmittler vertrieben und mit ähnlichen Werbeaussagen kommuniziert. Die Gestaltbarkeit des Vertriebsmarketing scheint ausgereizt und seine Wirksamkeit zu sinken. Der Kampf um Auflage und Umsätze ist härter geworden und nur wer die Bedürfnisse der Abonnenten, Einzelkäufer, Leser und User genau versteht und einen starken Nutzen mittels seiner Marke ziel- und zielgruppengerecht liefert und kommuniziert, wird vom Verbraucher präferiert. Die Kundengewinnung und Kundenbindung wird erleichtert durch moderne Informationstechnologien und Kommunikationsmedien wie Mailing, Telefon, Fax und Internet. Wer dieses Instrumentarium intelligent nutzt und den Verbraucher in den Mittelpunkt seines Denken und Handelns stellt, erreicht qualitativ eine neue und höhere Dimension im Marketing (Seng>iehl/Scbmahl 2002: 12). Die Managementdisziplin, die die traditionelle Unternehmensorganisation nach Funktionen41 in eine konsequent und flexibel an den Bedürfnissen des individuellen Kunden orientierte Prozessorganisation verwandelt, heißt Kundenbeziehungsmanagement oder Customer RelationshipManagement (CRM). Customer Relationship Management-Systeme automatisieren und beschleunigen die vielfältigen und zeitaufwändigen Prozesse im Dialog mit Abonnenten und Lesern. Ziel ist es, den Kundenstamm kontinuierlich auszubauen, die Absatzwege zu erweitern und neue, Geschäftsfelder profitabel zu besetzen. Da dies jedoch nur auf der Basis einer umfassenden Kenntnis über die verschiedenen Zielgruppen und ihre Bedürfnisse funktioniert, steht ein ganzheitliches Management aller in einen zentralen Datenpool einfließenden Kundendaten im Zentrum eines jeden CRM-Systems. Erfolgsentscheidend ist das Umdenken in den Köpfen der Unternehmens führung und aller Mitarbeiter, die mit ihren Handlungen am glaubwürdigsten die Kunden- und Serviceorientierung unter Beweis stellen können sowie eine entsprechende Unternehmenskultur (Sengpiehl/Schmahl 2002: 14). Elementar ist darüber hinaus die Implementierung einer leistungsfähigen Informationstechnologie, um professionelles Data-Warehousing und Data-Mining von Kundeninformationen für alle Mitarbeiter mit Kundenkontakt zu gewährleisten. Ein DataWarehouse ist eine speziell für die Entscheidungsfindung entwickelte und organisierte Datenbank, in der verlagsinterne, historische und aktuelle Kundendaten gesammelt, transformiert, konsolidiert, gefiltert und fortgeschrieben werden.42 Data-Mining basiert auf einem Data-Warehouse und ist die systematische Analyse 41 42

Vgl. Kapitel I., 2. Einordnung des Vertriebs in die Aufbauorganisation eines Verlags. Vgl. Kapitel II., 2.2.6 Database-Management.

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2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz der Abonnenten-, Kunden- und Werbedaten, für deren Qualität die vier Faktoren Aktualität, Vollständigkeit, Konsistenz und Validität wesentlich sind (Sengpiehl/ Schmahl 2002: 21).

2.2.7.1 Instrumente des CRM Kern des Marketings im CRM ist das Verständnis der Kundenbedürfnisse, deren zunehmende Individualisierung die Einordnung in homogene Gruppen erschwert. Ein wichtiges Instrument des CRM ist die Analyse der unterschiedlichen Kundenbedürfnisse und die entsprechende Segmentierung der Kunden zur Erarbeitung segmentindividueller Marketing- und Kommunikationskonzepte mit konkretem Aktivitätenplan. Aus den Informationen über die Abonnenten zum Beispiel lassen sich wertvolle Schlüsse über Cross-Selüng-Potenriale45 ableiten. Durch DataMining nach bestimmten Kriterien werden die infragekommenden Zielgruppen selektiert. Für die Durchführung einer Werbekampagne hat der Verlag die Wahl zwischen allen gängigen Kommunikationsmedien wie Internet, E-Mail, Serienbrief, Fax, SMS oder Telefon. Bei Telefonaktionen generiert das CRM-System automatisch Anruflisten, mit deren Hilfe die Kundenbetreuer komfortabel per Knopfdruck die ausgewählten Abonnenten kontaktieren können. Nach der Identifizierung des Abonnenten durch das System wird dem Kundenberater die gesamte Kundenhistorie angezeigt, genauso wie Geschäftsvorgänge, von der AbonnementBestellung, über den Verkauf von Merchandising-Artikeln, Zahlungen, Mahnungen, bis hin zum Versand eines Geschenks oder einer Werbeprämie. Das Relationship-Marketing als weiteres CRM-Instrument zielt darauf, im Wege einer kundenbezogenen, individualisierten und dialogischen Kommunikation eine individuelle und langfristige Beziehung zu einem Kunden aufzubauen (.Seng• piehl/Schmahl 2002: 16f.). Relationship-Marketing ergänzt die klassische Werbung durch eine zweigleisige, interaktive Kommunikation mit dem Ziel, den persönlichen Dialog mit dem Kunden zu fördern. Für verschiedene Dialoggruppen (Leser, Abonnenten, Einzelkäufer, Interessent, User) werden maßgeschneiderte Programme entwickelt und kommen, je nach Zielsetzung, unterschiedliche Kommunikationsformen 44 zum Einsatz. Umfang, Intensität und Investition in solche Programme hängen davon ab, wie viel der einzelne Kunde dem Verlag wert ist, welUnter Cross Selling versteht man ein zusätzliches Angebot an den Kunden, das weiteres Potential erschließt. Der Kunde ist z.B. langjähriger Abonnent eines Klassiker-Magazins. Durch die Teilnahme an der Wahl zum „Oldtimer des Jahres" weiß der Verlag, dass der Abonnent Eigentümer einen Mercedes 300 SL Gulfwing ist. Damit kommt er potentiell auch für die gerade in demselben Verlag erschienene D V D zu dem Fahrzeug in Betracht, über die er ein Angebot erhält. 44 Direct mailings, Sponsoring, Events, Kundenkarte, Kundenmagazin, Online/Telefonmarketing, Kunden-Clubs. Vgl. Sengpiehl/Schmahl 2002: 17. 45

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II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage che Botschaft er kommunizieren möchte, mit welcher Kontaktfrequenz die betreffende Dialoggruppe am besten anzusprechen ist und welchen Betrag der Verlag bereit ist, in das Relationship-Marketing zu investieren. Aus der Beantwortung dieser Fragen und unter Berücksichtigung der Kundensegmentierung sowie der Datenbankinformationen können mehrstufige, aufeinander abgestimmte Verkaufs- oder Leser-Blatt-Bindungs-Kampagnen durchgeführt werden. Weil der Anglizismus „Call" im herkömmlichen Sinne die Kommunikation per E-Mail, Fax oder Internet ausschließt, diese in modernen Call-Centers aber eine immer wichtigere Rolle spielen, setzt sich immer stärker der Terminus „Communication Center" durch (Koke/Wiencke 1999: 497). Er beschreibt die komplette Bandbreite moderner Kommunikationsmedien und Kommunikationskanäle. Das „Customer-Service-Center" als CRM-Instrument geht nochmals darüber hinaus. Es integriert und koordiniert alle Abonnenten-, Kunden-, Leser-, Interessentenund Userkontakte und bildet den Mittelpunkt und die Kommandozentrale im Customer Relationship-Management (Sengpiehl!Schmahl 2002: 18). Das CustomerService-Center ist für die vollständige Qualifizierung und Pflege aller Kundendaten verantwortlich, welches die Basis für die zentrale Steuerung aller RelationshipMarketing- und Vertriebsaktivitäten ist. Ziel des Customer-Service-Center ist die Informationstransparenz über alle internen organisatorischen Ebenen und die Bereitstellung von benutzerfreundlichen Schnittstellen für die Kundenkontaktaufnahme mit dem Verlag.45 Die schnelle und qualifizierte Bearbeitung der eingehenden Kundenkontakte entscheidet über Erfolg oder Misserfolg einer Kundenbeziehung, weshalb das Customer-Service-Center über eine ausgebaute IT-Architektur46 mit allen am Customer Relationship-Management beteiligten Schnittstellen online verbunden sein muß. Aufgrund der großen Zahl von Inbound- und OutboundTransaktionen ist das Customer-Service-Center der ideale Standort für die Zentralisierung der Customer-Database. Abhängig vom geplanten oder tatsächlichen Volumen und den finanziellen Investitionen muß der Verlag entscheiden, ob das Customer-Service-Center in Form von Outsourcing, als Inhouse-Lösung oder als Mischform etabliert werden soll.

2.2.7.2 CRM-Projekte in Pressevertriebs-Unternehmen Neben dem IPS Pressevertrieb (dnv 4/1998: 98 ff.) erkannte als einer der ersten Nationalvertriebe die Firmengruppe Partner/Zenit/Profidata die Nutzungsmöglichkeiten von Customer Relationship- Management für die Vertriebsbetreuung. Unternehmensinteme Informationstechnologie-Abteilung, Vertriebsnetz, Außendienst, Relationshipmarketing usw. Vgl. Sengpiehl/Schmahl 2002: 18. 46 Moderne und unternehmensweit vernetzte Landschaft an Informationstechnologie als technische Voraussetzung und Basis für CRM. Vgl. Sengpiehl/Schmahl 2002: 22. 45

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2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz Die Stuttgarter entwickelten mit „KiSS" ein Kunden-Informations- und ServiceSystem, auf das die Kunden des Zenit Pressevertrieb per DFÜ oder Internet zugreifen können. KiSS ermöglicht, die in einer relationalen Datenbank zusammengeführten Adressdaten, Abonnenten- und Direktverkaufsbewegungsdaten, die Mailing-Historie und die Marktforschungsdaten zu analysieren und danach bestehende oder potentielle Kunden individuell anzusprechen. Die so erzielten Reaktionen fließen nach einer Werbe-Aktion wieder in die Datenbank ein, um dann diese Informationen erneut auszuwerten, damit der Prozess mit einer noch gezielteren Ansprache erneut durchgeführt werden kann (Bronn 2000: 35). Um Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen betriebswirtschaftliche Softwarelösungen anzubieten und den Kunden einen kostengünstigen Weg in ein modernes Informationsmanagement zu öffnen, gründete Burda 1998 mit debis das Gemeinschaftsunternehmen „debis Systemhaus Medien" mit Sitz in Offenburg. Die Experten beider Häuser sahen großen Aufholbedarf im Customer RelationshipManagement zur systematischen Pflege der Beziehungen zwischen Verlag und Lesern bzw. Verlag und Abonnenten. Da sich die Anschaffung einer eigenen CRM-Software für viele kleine und mittlere Verlage als zu kostenintensiv erwies, bot Burda Ciscom seinen Kunden als kostengünstige Alternative eine CRMSoftware zur Miete an.47 Bei dieser Lösung handelt es sich um eine ASPAnwendung 48 , auf die Verlage, Vertriebsfirmen, Versandhändler oder ECommerce-Unternehmen online über externe oder eigene Rechenzentren zugreifen und die gewünschten Funktionen über Datenleitungen beziehen können. Die Business-to-Consumer-Lösung von Burda Ciscom unterstützt speziell Verlage und Nationalvertriebe bei der Abonnentenbetreuung. Schnittstellen bestehen u.a. zu SAP-Systemen und IBM AS/400 (dnv 10/2002: 39). Als einer der ersten Kunden nutzte die IPS Pressevertrieb GmbH das Abonnement-Verwaltungssystem von Burda. Die Abonnement-Betreuung war fur IPS zunächst ein Nebengeschäft, wandelte sich aber zunehmend zu einem eigenen Dienstleistungszweig (dnv 4/1998: 99). Statt eines Kaufpreises für eine eigene Software plus Wartungskosten fallen für Burda-Kunden feststehende Dienstleistungspauschalen an, die sich je nach Vereinbarung entweder auf die Zahl der Abonnements oder die Zahl der Arbeitsplätze beziehen. Die Anbindung an das EDV-System von Burda ermöglicht Nationalvertrieben und Vertriebsabteilungen kleinerer Verlage, modernste Vertriebsprogramme zu nutzen und dennoch die Marktverantwortung und das vertriebliche Know-how im eigenen Unternehmen zu behalten. Die dsb AG entwickelte ihre CRM-Lösung über einen Zeitraum von mehreren Jahren in drei aufeinanderfolgenden Stufen: Customer Interaction Center, Kampagnenmanagement und Vertriebs-/Versandhandel als Teil des neuen Abonne-

47 48

„CRM for rent". Vgl. dnv 10/2002: 38 f.. Application Service Providing. Vgl. dnv 1-2/2004: 59.

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II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage mentVerwaltungsSystem/3.49 Die erste CRM-Stufe unterstützt dsb-Kunden in ihrer täglichen Arbeit mit AVS/3. Im Customer Interaction Center (CIC) können Verlage oder deren Abonnement-Dienstleister auf einer übersichtlichen grafischen Oberfläche alle Eingaben und Änderungen im Zusammenhang mit der Abonnenten-Betreuung machen. Sie haben gleichzeitig alle vorhandenen Informationen über den einzelnen Kunden auf dem Bildschirm, können sich bei Bedarf Rechnungen und sonstige Geschäftsvorgänge anzeigen lassen und so alle Anfragen effektiver und effizienter bearbeiten. Sobald Anfragen per Telefon kommen, identifiziert das CRM-System durch Computer Telephonie Integration (CTI) Anrufer über die Telefonnummer und ruft seine Daten automatisch auf. Der Kundenberater kann die einfließenden Informationen während des Gespräches protokollieren und so die „Historie" des Abonnenten fortschreiben (dnv 6-7/2003: 102). Auch kann er über ein Unified Messaging System (UMS) einen Vorgang (Telefonat, EMail oder Fax) jederzeit an seinen Teamleiter elektronisch weiterleiten. Der Teamleiter hat damit alle Informationen und kann den Vorgang ohne Medienbruch bearbeiten. Diese Funktion kann zusätzlich als Wiedervorlage verwendet werden. Als zweite Stufe des dsb-CRM folgte das Kampagnenmanagement, mit dem Einzelaktionen (Werbekampagnen, Kundenrückgewinnung) geplant, durchgeführt und auf unterschiedlichen Aggregationsebenen dargestellt werden. Sämtliche Funktionen sind, wie im gesamten System übrigens, berechtigungsgesteuert, so z.B. auch, ob ein Kundenbetreuer eine hochwertige Werbeprämie versenden darf oder nicht. Das Kampagnenmanagement unterstützt Verlage und Diensdeister bei der Planung, Budgetierung, Umsetzung und Kontrolle entsprechender Maßnahmen. Aus der Verknüpfung von Response und Kosten wird sofort der aktuelle Cost per Order-Wert ermittelt. Seit Sommer 2004 arbeitet der Abonnentenbetreuer Dialog Service Center GmbH50 in Neckarsulm mit dem um die dritte Stufe des dsb-CRM erweiterten System. Pilotkunde während der Vorbereitung war erneut der IDG Magazine Verlag, der sein Angebot mit Zusatzprodukten (Sonderheften, CDs, DVDs) und auf die Interessen der Leser abgestimmten Premium-OnlineAngeboten51 stark erweitert hatte. Die dritte Stufe des dsb-CRM vereint sämtliche für das Abonnement-Management wichtigen Funktionen mit denen eines Versandhandelssystems. Diese im AbonnementVertriebsSystem/3 integrierten CRMKomponenten ermöglichen es, Abonnement- und Produktbestellungen in einem Arbeitsgang, auf einer Oberfläche und in einem System abzuwickeln. Dies fuhrt zu einer geringeren Fehlerquote und damit zu einer höheren Qualität im AbonneVgl. Kap. II., 2.1.3 AbonnementVerwaltungsSysteme. Vgl. Kapitel II., 2.2.4 Abonnentenbetreuung. 51 IDG hat mit seinen Computer-Titeln anspruchsvolle Zielgruppen im Fokus. Die Kunden von IDG erhalten Links auf Special-Interest-Groups und zu verschiedenen Communities und sie haben die Möglichkeit, sich in Chatrooms über Fachthemen auszutauschen. Vgl: dnv 20-21/2004: 40. 49

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2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz ment-Management sowie in der Versand- und Abrechnungsabwicklung (dnv 2021/2004:41).

2.2.7.3 Umsetzung und Erfolgsfaktoren im Customer RelationshipManagement Ein CRM-Projekt sollte in den drei Phasen Entwurf, Ausführung/Vorbereitung und Markteinführung ablaufen. Nach den Managementphasen der Planung und Umsetzung bedarf es im Rahmen eines Regelkreislaufes der Einführung einer Erfolgsmessung zur permanenten Überwachung und optimierten Steuerung des CRM-Instrumenteneinsatzes. Stell- und Kontrollgrößen könnten die aus Kapitel II., 2.2.5.2 bekannten Kennzahlen Haltbarkeit, Fluktuationsrate, Kündigungsrate und Neukundenrate sein. Besonders amerikanische Unternehmen haben vorgemacht, dass Customer Relationship-Management als integriertes Gesamtkonzept den Unternehmenserfolg positiv beeinflussen kann. Unternehmen wie Oracle, Dell oder IBM haben gegenüber deutschen und europäischen Unternehmen einen Zeitvorsprung bei der Realisierung von CRM-Konzepten von rund einem Jahr (Seng>iehl/Schmabl 2002: 28). Dieser Vorsprung ist darauf zurückzuführen, dass die generelle Servicebereitschaft und Kundenorientierung in den USA höher ausgeprägt ist als in Deutschland. Zum anderen verfügen viele US-Firmen bedingt durch den Multimedia- und Internet-Boom, der dort schon früher eingesetzt hat, über die bessere ITInfrastruktur. CRM war in den letzten Jahren auch in Deutschland eine der beliebtesten Disziplinen der Marketing-Experten. Die allgemeine Euphorie der Pressebranche, mit Hilfe von CRM-Programmen die Abonnenten- und Leserbetreuung verbessern, alle Bereiche des Kundenkontakts verwalten, bearbeiten und Umsätze und Gewinne steigern zu können, wurde in der zweiten Jahreshälfte 2000 vom Rückgang der Anzeigen- und Vertriebsumsätze und der damit verbundenen Investitionszurückhaltung überholt. Verschiedene Faktoren haben dazu geführt, dass viele Anbieter und Anwender wieder zu den Realitäten zurückgekehrt sind (Horizont v. 29.8.2002: ΥΊΙΙ). Nachdem anfangs eher weiche Ziele wie die Erhöhung der Kundenzufriedenheit im Mittelpunkt standen, hinterfragten die Unternehmen ab Ende 2000 den konkreten Nutzen von CRM-Programmen in Gestalt zusätzlicher Erträge oder Kostensenkungen. 32 Viele Anwender halten Customer Relationship-Management für ein Softwareproblem und nicht für eine übergeordnete Management-Disziplin, die die holistische Beziehung zum einzelnen Kunden in den Mittelpunkt der UnternehmenshalVgl. F. Dömer, Leiter CRM Solution Center Deutschland bei Arthur D. Little, zitiert bei Calik 2002: 11 52

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II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage tung und -handlungen stellt (Sengpiehl/Schmahl 2002: 13). Einige Anwender wickeln nebeneinander mehrere CRM-Projekte (z.B. Internet-Auftritt und Call-CenterLösung) ab, ohne diese Aktivitäten miteinander zu verknüpfen, und wundern sich, wenn solch teure Projekte nicht die erhofften Verbesserungen bringen oder fehlschlagen. Der Einsatz von CRM-Programmen führt nicht automatisch zu einer Verbesserung der Kundenbeziehung, weil sie zuweilen ohne Gesamtkonzept als losgelöste Instrumente angewendet werden und die individuellen Bedürfnisse der Leser bzw. Abonnenten unberücksichtigt bleiben. Erst wenn beide Komponenten, CRM-Philosophie und Software im Einklang miteinander stehen, d.h. — alle beteiligten Abteilungen, Kundenschnittstellen und Verantwortungsbereiche integriert sind, — Verantwortungen, Zuständigkeiten, Ressourcen und Prozesse definiert und festgelegt sind, — das Unternehmen von einer funktions- in eine kundenzentrierte Organisationsform transformiert ist, — der CRM-Gedanke nicht nur nach außen, sondern auch nach innen penetriert wird, — alle Mitarbeiter und speziell die Kundenberater intensiv geschult sind und das Top-Management bzw. die Geschäftsführung bei der Umsetzung von CRM im Denken, Sprechen und Handeln mit gutem Beispiel vorangeht, kann CRM wirklich nutzbringend sein und die Umsätze und Gewinne steigern (Sengpiehl/ Schmahl2002:28f.; Naujoks 2002:14).

2.3 Die Deutsche Post als Dienstleister für Zeitungen und Zeitschriften Die Entwicklung der Postdiensdeistungen für Verlage kann man nicht losgelöst betrachten von der Entwicklung des Unternehmens Deutsche Post, weshalb letztere kurz dargestellt wird.

2.3.1 Die Deutsche Post AG als Nachfolgerin der Deutschen Bundespost (DBP) Die Deutsche Bundespost (DBP) wurde bis zum 31.12.1989 als Vorgängerin der Deutschen Post AG geführt. Bei der DBP handelte es sich um ein öffentliches Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit in Form einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts. Die DBP war ein Sondervermögen der Bundesrepublik Deutschland. Rechtsgrundlage für das Bestehen der Bundespost war Art. 87 GG, der die DBP als Gegenstand der bundeseigenen Verwaltung nannte. Dem Bund stand gemäß Art. 73 GG die ausschließliche Gesetzgebung für das Post- und Fernmel104

2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz dewesen zu. Auf dieser Ermächtigungsgrundlage hat der Bund am 24.7.1953 das Postverwaltungsgesetz53 und am 28.7.1969 das Postgesetz54 erlassen. Nach § 2 Postverwaltungsgesetz (PostVwG) war bei der Leitung der Verwaltung der DBP den Interessen der deutschen Volkswirtschaft Rechnung zu tragen. Gleichzeitig war in § 15 PostVwG festgelegt, daß die zur Erfüllung der notwendigen Aufgaben benötigten Mittel aus eigenen Einnahmen aufzubringen sind. Zuschüsse aus der Bundeskasse wurden nicht geleistet. Die Rechtsbeziehungen zwischen der DBP und ihren Benutzern unterlagen dem öffentlichen Recht (Symvoldt 2000: 1+2).

2.3.1.1 Postreform I Zum 01.01.1990 wurde die Deutsche Bundespost in drei Teilbereiche aufgegliedert, die als öffentliche Unternehmen mit den Bezeichnungen Deutsche Bundespost Postdienst, Deutsche Bundespost Postbank und Deutsche Bundespost Telekom geführt wurden. Die hoheitlichen Aufgaben verblieben beim Bundesminister für Post und Telekommunikation. Die Postreform I genannte Gesetzesnovelle brachte zwar noch keine Marktöffnung mit sich, war jedoch die Vorstufe zu weiteren Reformen. Vorrangiges Ziel war es zunächst, die hoheitlichen von den unternehmerischen Aufgaben zu trennen, um den drei Sparten größere Freiräume zum Handeln nach privatwirtschaftlichen Prinzipien zu verschaffen und eine größere Flexibilität im operativen, finanziellen und personellen Sektor zu erreichen (Kübler 1992: 15). Die Postreform I erfolgte auf der Basis des Gesetzes zur Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens und der Deutschen Bundespost (Poststrukturgesetz/PostStruktG) vom 08.06.1989.55 Nach den Leitungsgrundsätzen gemäß Art. 1 § 4 PostStruktG waren die Dienste unter Berücksichtigung der Markterfordernisse zu gestalten. In Wahrnehmung ihrer Aufgaben sollte sich die Deutsche Bundespost Postdienst am Wettbewerb beteiligen und einen angemessenen Gewinn erwirtschaften (Art. 1 § 37 PostStruktG). Ein Finanzausgleich zwischen den drei Unternehmen war zulässig. Die durch die Inanspruchnahme der Einrichtungen des Postwesens entstehenden Rechtsbeziehungen waren privatrechtlicher Natur (Art. 2 PostStruktG). Bildeten früher behördliche Bestimmungen wie die Postzeitungsordnung und die Postzeitungsgebührenordnung die Grundlage für die Geschäftsbeziehungen, so wurde dies nach der Umstrukturierung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen geregelt.

" Bundesgesetzblatt 1 S. 676 Bundesgesetzblatt 1, S. 1006 vom 31.7.1969 » Bundesgesetzblatt 1, S. 1026 vom 14.06.1989. M

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II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage

2.3.1.2 Postteform II Die drei Unternehmen der Deutschen Bundespost wurden zum 1.1.1995 in Aktiengesellschaften umgewandelt, um ihre nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Die Aktiengesellschaften sind Rechtsnachfolger des jeweiligen Teilsondervermögens des Bundes. Ein Finanzausgleich zwischen den Unternehmen ist seit der Postreform II nicht mehr möglich. Grundlage für die Postreform II war das Gesetz zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation56, hier Art. 3 des Gesetzes zur Umwandlung der Unternehmen der Deutschen Bundespost in die Rechtsform der Aktiengesellschaft57. Mit der Postreform II wurde die Deutsche Post AG in ein privatwirtschaftlich organisiertes Diensdeistungsunternehmen für Kommunikation, Transport und Logistik verwandelt. Ab dem Jahr 2003 sollte sie (so war die Planung) mit ihren Angeboten und Leistungen frei im Wettbewerb stehen. Mit der Entscheidung, die Deutsche Bundespost zu privatisieren, musste auch die Aufsicht für dieses Unternehmen neu geregelt werden. Seit dem 1.1.1998 obliegt der öffentlich-rechtlichen Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost die Umsetzung von Hoheitsaufgaben im Bereich des Postwesens, insbesondere die flächendeckende Sicherung von aus der Sicht der Nachfrager angemessenen und ausreichenden Diensdeistungen (Breyer 1999: 119f.). Mit dem Gesetz zur Änderung des Postumwandlungsgesetzes (PostUmwG), das seit dem 25.1.2002 in Kraft ist, schaffte der Bund, der seit dem Börsengang im November 2000 noch mit 69 Prozent an der Post AG beteiligt war, die rechtlichen Voraussetzungen dafür, die Aktienmehrheit aus der Hand zu geben und die Deutsche Post AG in zeitlich nicht näher definierten Schritten vollständig zu privatisieren. Nach Auflösung des Bundespostministeriums 1996 unterlag die Deutsche Post AG nicht mehr der politischen Aufsicht und es entstand die Sorge der Verlage, daß der Geschäftszweig Presse Distribution in seiner bisherigen Form in Frage gestellt werden könnte. Die deutschen Verleger forderten, die Presse Distribution auch nach der Privatisierung der Post als Pflichtdiensdeistung festzuschreiben. In mehrjährigen Verhandlungen konnten die Verlage erreichen, dass die Presse Distribution in die Post-Universaldiensdeistungsverordnung (PUDLV) aufgenommen wurde. Bei dieser Verordnung handelt es sich um die Umsetzung einer Richtlinie des Europäischen Parlaments zum Thema Postdienste5" vom Dezember 1997 in nationales Recht, die in Kapitel 2, Artikel 3 unter dem Begriff „Universaldienst" Pflichtdiensdeistungen festschreibt, die die Deutsche Post AG erbringen muss. In Postneuordnungsgesetz/PTNeuOG vom 14.09.1994 Postumwandlungsgesetz/PostUmwG; Amtsblatt 62 der Deutschen Bundespost Postdienst vom 06.10.1994. 58 EU-Kommission; Postdienste; 95/c 322/10; S. 6 56

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2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz § 1, der die Universaldienste bestimmt, wird unter Absatz 3 festgeschrieben, dass die Beförderung von Zeitungen und Zeitschriften zu den Universaldiensten gehört. Und in § 6 (Entgelte) ist ferner geregelt, dass diese Universaldiensdeistung zu einem "erschwinglichen" Preis angeboten werden muss. Durch das Postgesetz und die PUDLV ist sichergestellt, dass auch künftig Kleinstmengen durch den Geschäftszweig Presse Distribution zugestellt werden müssen und sich nach einer internen Vereinbarung Preissteigerungen im Rahmen des Inflationsausgleichs bewegen (Risse 2001: 131 f.). Besonders gilt dies für die Grundversorgung der Bevölkerung in ländlichen Regionen, denn der Weg über die Post ist „der einzig gangbare Weg, um 1,6 Millionen Bürger in 4.600 Gemeinden zuverlässig mit Zeitungen zu versorgen".59

2.3.2 Postzeitungsdienst, Pressepost und Presse Distribution Die Geschichte des Postzeitungsdienst (PZD) nachzuzeichnen, erweist sich wegen des komplexen Zusammenhangs von politischen, wirtschaftlichen und juristischen Veränderungen als schwierige Aufgabe. Die Bereiche Post und Presse sind von jeher eng miteinander verzahnt. Das Recht der Verlage, Zeitungen und Zeitschriften gegen Entgelt befördern und zustellen lassen zu können war bereits im Postgesetz von 1871 verankert, wurde analog in die Postordnung und später in die Postzeitungsordnung übernommen und auch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG fortgeschrieben. Den Versand von Zeitungen und Zeitschriften betreibt die Post traditionell neben dem Pakettransport und der Briefzustellung als Teil ihres Diensdeistungsangebots, dessen Bezeichnung parallel zu organisatorischen Veränderungen bei der Post von „Postzeitungsdienst" (ab 1.4.1991) in „Pressepost" (ab 1.7.1994) und ab 2000 dann in „Presse Distribution" wechselte. Die Notwendigkeit, zur Inanspruchnahme dieser Diensdeistung zugelassen werden zu müssen, entsprach dem Ausnahmecharakter des alten Postzeitungsdienst, dessen Organisation in der besonderen Bedeutung der Presse innerhalb der Wertordnung des Grundgesetzes ihre Begründung fand. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet die Pressefreiheit auch in institutioneller Hinsicht. Daraus leitete sich für die Deutsche Bundespost die Aufgabe ab, zur Verwirklichung der Pressefreiheit beizutragen und durch verbilligte Gebühren für den Transport und die Zustellung von Zeitungen und Zeitschriften die Meinungsvielfalt zu fördern (Sachen/Warth 1985: 86). Bei Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 erhielt die Deutsche Bundespost den Auftrag, sicherzustellen, dass jeder Bürger an jedem Ort jedes Presseobjekt seiner Wahl beziehen kann. Die Aufgabe der Deutschen 59 So der damalige Vorsitzende Wolfgang Röhm auf dem Jahreskongress des Verbandes der Lokalpresse 1995 in Bonn.

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II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage Post AG ist es heute, im Bereich Presse Distribution „ein marktgerechtes Angebot für den Versand periodisch erscheinender Presseütel zu schaffen" (Synwoldt 2000: 2). Dabei orientiert sie sich stark an den Bedürfnissen ihrer Kunden, d. h. der Verlage als Vertragspartner und deren Zielgruppe, den Zeitungs- und Zeitschriftenlesern. Da Zeitungen und Zeitschriften als Werbeträger anfangs eine untergeordnete Rolle spielten, befassten sich die Postordnungen von 1871 bis 1929 nur recht kurz mit der „Zulassung von Druckschriften" zum Postzeitungsdienst. Durch den sprunghaften Aufschwung der deutschen Wirtschaft in den fünfziger Jahren erwies sich die Postordnung von 1929 als unzureichendes Regulativ für die in den verbilligten Postzeitungsdienst drängenden Presseerzeugnisse, weshalb durch die Verordnung zur Änderung der Postordnung vom 17.2.1956 der Postzeitungsdienst neu geregelt und den geänderten Verhältnissen angepasst wurde. Eine Ausgliederung der komplexer werdenden Bedingungen für den Versand von Presseerzeugnissen erfolgte mit dem Erlaß der ersten Postzeitungsordnung (PostZtgO) vom 28.05.1963.60 Wie spätere Fassungen enthielt sie in § 5 eine Definition des Zeitungsbegriffs und in § 6 Ausschlußtatbestände, die 1967 noch einmal gründlich überarbeitet wurden und bis Mitte der achtziger Jahre ihre Gültigkeit behielten (Sachen/ Warth 1985:85). In der Folge des durch den technischen Wandel hervorgerufenen Poststrukturgesetzes vom 1.7.1989 wurde der Postzeitungsdienst (PZD) in die Sparte „Pressepost", die in den Briefdienst eingegliedert war, überführt. Die vom Gesetzgeber im Rahmen der Postreform I angeordnete Änderung des Rechtscharakters der Benutzungsverhältnisse führte zum Ersatz der PostZtgO durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Bundespost Postdienst für den Postzeitungsdienst (AGB PZD vom 01.04.1991). In der Folge entwickelten sich hieraus die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Bundespost Postdienst im Geschäftsfeld Pressepost (AGB Geschäftsfeld PP von 1994), später dann durch Zusammenfassung der AGB PZD und der AGB PP die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG Pressepost (AGB PP), die zum 1.1.1996 in Kraft traten (.Synwoldt 2000:3) und schließlich die heute gültigen AGB Presse Distribution (AGB PrD). Ziel der neuen AGB war das Schaffen einfacher und knapper Bedingungen, damit „zum ersten Mal seit Menschengedenken (...) die schon immer als überflüssig betrachteten hausinternen Diskussionen und Abstimmungsprozesse mit Redaktionen, Herstellern, Anzeigenabwicklern und anderen zu all den Fußangeln der Postbestimmungen" entfallen (Altmann 1996: 49). Die notwendige Abgrenzung der Sendungsarten über inhaltliche Kriterien wurde stark verkürzt. Zwischen der Post und den Verlagen bestand jedoch Einigkeit darüber, daß weiterhin zwischen 60

Bundesgesetzblatt I S. 373 vom 08.06.1963.

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2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz echten redaktionellen Beiträgen und redaktionell gestalteter Werbung unterschieden werden kann und muß (Sjmvoldt 2000: 15).

2.3.3 Abgrenzungskriterien und die Relevanz der Presse Distribution für einzelne Zeitungs- und Zeitschriftengattungen Die Zulassung zum Postzeitungsdienst und die Aufnahme einer Zeitung oder Zeitschrift in die Postzeitungsliste standen bis 1991 unter dem Vorbehalt, daß das betreffende Presseerzeugnis in der inneren und äußeren Gestaltung den Vorschriften der PostZtgO entspricht, und daß sein Versender zum Kreis der Berechtigten zählt (§ 2). Berechtigt waren Unternehmen, die eine Zeitung verlegen und öffentlich verbreiten, Vertriebsstellen, die Zeitungen gewerbsmäßig vertreiben und Besteller von Zeitungen. Damit waren nicht Bezieher im Sinne von Abonnenten gemeint, sondern Empfänger von Postzeitungsgut wie Presse-Gross- oder Einzelhändler, die beantragen konnten, dass ihnen Postzeitungsgut, das zur Abholung bereitliegt, wie eine Schnellsendung zugestellt wird (§ 33 Abs. 2 PostZtgO). Vom Postzeitungsdienst ausgeschlossen waren Periodika, die zu dem Zweck herausgegeben wurden, „den geschäftlichen Interessen von Unternehmen, Vereinen, Verbänden und sonstigen Körperschaften unmittelbar oder mittelbar zu dienen" (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 PostZtgO), deren Umfang zu mehr als 70 % aus Anzeigen bestand, die unentgeltlich oder gegen eine Schutzgebühr abgegeben wurden, weniger häufig als viermal pro Jahr erschienen oder pro Exemplar mehr als 1000 Gramm wogen. „Presseerzeugnisse mit reduzierter öffentlicher Funktion" {Sachen/ Warth 1985: 86) wie Anzeigenblätter, Horoskope, Warenverzeichnisse, Romane, Rätsel und Comics waren bis 1993 von der postzeitungsrechtüchen Privilegierung ausgenommen. Zum 1.11.1993 wurden die Abgrenzungskriterien richtungweisend geändert. Die Post bot erstmals auch solchen Presseerzeugnissen eine Teilnahmemöglichkeit an, mit deren Herausgabe geschäftliche Interessen gefördert oder Unterhaltung verbreitet werden sollte. Der durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen Presse Distribution (AGB PrD) gesteckte Rahmen ist inzwischen so weit gespannt, dass über die Post jährlich mehr als 10.000 Titel mit rund 2,3 Milliarden Stück oder durchschnittlich täglich (außer Sonntag) 7,35 Mio. Einzelexemplare zugestellt werden, von denen 12 % Zeitungen und 88 % Zeitschriften sind (Bundeskartellamt 1998:91). Für die Fachzeitschriften ist die Presse Distribution nahezu der einzige Vertriebsweg zum Leser. Der Anteil der Postauflage an der Verkaufsauflage beträgt 79 Prozent. Aus der natürlichen Begrenzung der Leserschaft von Fachzeitschriften resultieren niedrige Auflagen, eine meist bundesweite Verbreitung und damit der absolute Zwang zur Postauslieferung. Publikumszeitschriften und Tageszeitungen, die 21 % bzw. 3 % ihrer Verkaufsauflage über den Postweg absetzen (Bundeskartellamt 1998: 91), können demgegenüber verschiedene Vertriebswege beschreiten. Hinsichtlich des geringen Anteils des Postvertriebs an der Verkaufsauflage der 109

II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage Tageszeitungen könnte der Eindruck entstehen, daß diese nur in geringem Maße auf die Presse Distribution angewiesen sind. Für die Verlage von lokalen und regionalen Abonnementszeitungen mag dies zutreffen: Sie lassen ihre Objekte zum überwiegenden Teil durch verlagseigene Träger zustellen. Anders dagegen die überregionalen Abonnementzeitungen61, die schon immer einen Großteil ihrer Auflagen (bis zu 30 %) über die Post versendet haben und nur selten eine eigene Zustellorganisation außerhalb ihres Hauptverbreitungsgebiets unterhalten. Für sie ist die Presse Distribution der Deutschen Post AG von elementarer wirtschaftlicher Bedeutung.62 Vor allen Dingen aber geht es um die von ihnen, in ihrer Gesamtheit wahrgenommene Funktion, dem Leser an jedem Ort die Chance zu eröffnen, sich mittels einer entsprechenden Tageszeitung politisch, beruflich und kulturell zu informieren (Kiibler 1992:30). Die Abgrenzungspraxis der Post war vor der Privatisierung von dem Ziel geprägt, durch ihre Preispolitik die Presse ausschließlich bei ihrer öffentlichen Aufgabe zu unterstützen (Brummund/Schwindt 1982: 23 ff.). Die Höhe der Gebühren, die die Verlage für Transport und Zustellung per Post zu entrichten hatten, waren demgemäß von politischen und nicht von wirtschaftlichen Erwägungen bestimmt.63 Das hatte andererseits zur Folge, dass die entstehenden Defizite durch eine Querfinanzierung aus anderen Unternehmensbereichen auszugleichen waren. Mit der schrittweisen Privatisierung der Post haben sich diese Prämissen verändert, weil die dem Wettbewerb ausgesetzte Post nun stärker betriebswirtschaftliche Aspekte berücksichtigen musste und Möglichkeiten der Quersubventionierung nach der Postreform II entfielen.

2.3.4 Die verschiedenen Sendungsarten Die Deutsche Bundespost bot ihren Kunden, den Verlagen, Absatzmittlern und Beziehern für die durch die Postzeitungsordnung zugelassenen Zeitungen und Zeitschriften drei Diensdeistungen an, die speziell auf die Bedürfnisse des Pressevertriebs zugeschnitten waren. Für die postalische Belieferung von Abonnenten FAZ, Frankfurter Rundschau, Handelsblatt, Süddeutsche Zeitung, TAZ, Die Welt „Bedenkt man, dass die Gebühr für den Versand eines Zeitschriftenexemplares als Drucksache oder Massendrucksache je nach Erscheinungshäufigkeit und Gewicht das 36fache der Gebühren für ein Postvertriebsstück betragen kann, kann man die wirtschaftliche Bedeutung dieser Fragestellung ermessen" (Sachon/Warth 1985: 85). Mit der Einführung ihres Briefkonzepts „Brief 2000" im April 1993 hat die Deutsche Bundespost die Versendungsformen Drucksache und Massendrucksache wegfallen lassen und durch die Infopost ersetzt. 63 „Die Unterstützung der Presse bei der Erfüllung wichtiger öffentlicher Aufgaben ist der eigentliche Legitimationskern des gebührenermäßigten Postzeitungsdienstes" (Medienbericht '85: 60). Vgl. auch Breyer 1999: 121; Risse 2001: 129. 61

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2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz standen im Postzeitungsdienst die Sendungsarten Postvertriebsstück und Streifbandzeitung zur Verfügung, für die Beförderung von Zeitungen und Zeitschriften zu den Absatzmitdern das sogenannte Postzeitungsgut.

2.3.4.1 Postzeitungsgut Das Postzeitungsgut, das ca. 5% zu den Umsätzen des alten Postzeitungsdienst beitrug (Kühler 1992: 24), gehörte zu den wesentlichen Sendungsarten für Zeitungen und Zeitschriften. Postzeitungsgut spielte im Zusammenhang mit der Belieferung von postfremden Absatzorganisationen wie Grossisten, Einzelhändlern oder verlagseigenen Zustellern eine wichtige Rolle. Dabei faßte die Versandabteilung des Verlags mehrere Exemplare zu einer paketartigen Sendung zusammen. Im Unterschied zu Postvertriebsstücken, deren Bunde nach Eintreffen beim Absatzpostamt geöffnet und in Einzelstücken zugestellt wurden, ging das Postzeitungsgut ungeöffnet an den Empfänger. Eine Sonderform des Postzeitungsgut stellte das auf dem Adressaufkleber mit einem Rotring versehene Postzeitungsschnellgut bzw. Luftpostzeitungsgut (Blauring) dar. In besonders eiligen Fällen konnte der Verlag unter Beachtung von Ausgabefristen einen bestimmten Bahnpostzug oder eine Transportmaschine für die Beförderung vorschreiben (Brummund 1985: 54). Postzeitungsgut und Postzeitungsschnellgut wurden wegen der postinternen Trennung der Warenströme von Brief- und Frachtpost im Januar 1996 zu regulären Postpaketen mit Zustellung und Frachtposttarif umgestellt (Sjnwoldt 2000: 5) und sind seither in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG für den Frachtdienst Inland in der Fassung vom 1.7.1999 geregelt.

2.3.4.2 Postvertriebsstück Postvertriebsstücke waren von der Auflage und vom Leistungsangebot her der wichtigste Bestandteil des Postzeitungsdienstes. Abonnements von Publikumszeitschriften, Fachzeitschriften, Wochenzeitungen und überregionalen Tageszeitungen wurden zum größten Teil als Postvertriebsstücke zugestellt. Für die Beschaffenheit von Postvertriebsstücken und für die Auslieferung in Form sogenannter Zeitungsbunde enthielt die PostZtgO in § 25 umfangreiche Vorschriften (Handbuch Pressevertrieb 1989: 6.3.1.). Zum 1.1.1996 traten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG Pressepost in Kraft. Maßgebliches Abgrenzungskriterium für Postvertriebsstücke gegenüber anderen, insbesondere teureren Sendungsarten, ist die Frage, ob der Herausgabezweck der Publikation in der Unterrichtung der Öffentlichkeit über Tagesereignisse, Zeit- oder Fachfragen durch redaktionelle Beiträge liegt, die keine geschäftliche Werbung enthalten. Ein Versand als Postvertriebsstück ist nicht zulässig, wenn ein unmittelbar geschäftlicher Herausgabezweck vorliegt. Indizien dafür können Werbesprache, offensichtlich 111

II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage von Firmen herausgegebene Beiträge, Kaufemp fehlungen, Ordertipps und Bestellnummern, katalogartige Vorstellungen von Produkten oder Dienstleistungen mit Kontaktangabe u.a. sein (Synwoldt 2000: 15f.).

2.3.4.3 Streifbandzeitung Eine im wesentlichen auf kleinauflagige Objekte und auf die Ferienzeit begrenzte, stärkere Inanspruchnahme der Presse Distribution erfolgt im Rahmen der Versandart Streifbandzeitung zur Nachsendung von Zeitungen oder Zeitschriften an den Urlaubsort. Streifbandzeitungen sind Zeitungs- oder Zeitschriftenexemplare, die einzeln mit einer Banderole versehen oder in einer Versandhülle vom Verlag an den jeweiligen Empfänger versendet werden. Das Porto richtet sich nach dem jeweiligen Gewicht. Der Versand als Eilzustellung ist gegen Aufpreis möglich. Die Streifbandzeitung ist eine spezielle, seit 1964 existierende Versandart von bereits freigemachten Presseerzeugnissen an Einzelempfänger. Ihr Versand ist auch Zeitungsvertriebsstellen erlaubt und nicht nur dem Verlag oder einem seiner Dienstleister vorbehalten (Synwoldt 2000: 14). Der Anteil am Sendungsvolumen der Presse Distribution beträgt 30 Mio. Stück oder 1 Prozent (Bundeskartellamt 1998: 91). Die Laufzeit der Streifbandzeitung, die die teuerste Versandform für Zeitungen und Zeitschriften ist, entspricht der eines Briefes. Gesonderte Inhalts- und Formkriterien gelten für Streifbandzeitungen nicht.

2.3.4.4 Postvertriebsstück zu Sonderkonditionen Bis zum 1.11.1993 waren laut AGB PZD ausschließlich Presseerzeugnisse teilnahmeberechtigt, deren Herausgabezweck eine sachliche und werbungsfreie Berichterstattung war. Danach wurden die Abgrenzungskriterien der Pressepost in ihrer bis dahin einseitig auf die Förderung der Nachrichtenpresse ausgerichteten Aufgabenstellung grundlegend geändert. Auslöser für diese Änderung war die Wiedervereinigung von Bundesrepublik Deutschland und DDR, durch die sich die Defizite im Postzeitungsdienst noch weiter erhöhten und neben einem Kostenabbau eine markt- und kostenorientierte Preispolitik erforderlich machten. Durch Anhebung der Preise, Abnahme der Kostenunterdeckung, Steigerung der Sendungsmenge sowie einer Lockerung der Teilnahmebedingungen, die ohnehin seit langem vom Markt nachgefragt wurden, versuchte die Deutsche Bundespost die Situation im Postzeitungsdienst zu verbessern. Eine Öffnung im Bereich "geschäftlicher Herausgabezweck" bot sich auch deshalb an, weil beim Postzeitungsvertrieb (PZV) der DDR nicht nach materiellen, sondern nach politischen Kriterien über die Zulassung entschieden worden war, weshalb auch Presseerzeugnisse am PZV teilnahmen, die auf der Grundlage

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2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Postzeitungsdienst nicht teilnahmeberechtigt waren (Sjnwoldt 2000: 12). Die neue Sendungsart, die neben dem Postvertriebsstück entstand, wurde als Postvertriebsstück zu Sonderkonditionen bezeichnet und bot erstmals auch solchen Presseerzeugnissen eine Teilnahmemöglichkeit, mit deren Herausgabe geschäftliche Interessen gefördert werden sollen wie z.B. Werk-, Haus-, Kundenund Anwenderzeitschriften oder Comics, Ratsei- und Romanhefte, die der Unterhaltung dienen. Ausgegrenzt blieben hingegen weiterhin Presseerzeugnisse, mit denen ausschließlich Kaufentscheidungen zugunsten bestimmter Waren oder Diensdeistungen nur eines Anbieters gefördert werden sollen, wie Firmenkundenzeitschriften oder Kataloge (Sjnwoldt 2000: 12).

2.3.4.5 Pressesendung Die Möglichkeit einer Teilnahme am Postzeitungsdienst zu Sonderkonditionen stellte nur eine Zwischenlösung dar. Mit Einführung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Pressepost (AGB Geschäftsfeld PP) am 1.2.1994 wurde das „Postvertriebsstück zu Sonderkonditionen" durch die neue Versandart Pressesendung abgelöst und die Mindesteinlieferungsmenge auf 1.000 Stück reduziert.64 Unterschiede zum „klassischen" Postvertriebsstück bestehen hinsichtlich des Herausgabezwecks und des für den Versand zu entrichtenden Preises. Als formales Kriterium wurde ein Höchstformat festgesetzt, bei dessen Überschreitung ein Zusatzentgelt zu entrichten ist. Hinsichtlich der äußeren Gestaltung, die von den AGB an Pressesendungen gestellt werden, gelten die gleichen Bedingungen wie für Postvertriebsstücke. Auch die Pressesendung muß bereits durch ihre äußere Erscheinung als typisches Presseerzeugnis einzuordnen sein (Sjnwoldt 2000: 14). Für den Verband Deutscher Zeitungsverleger (VDZ), der unter seinen Mitgliedern eine nennenswerte Anzahl von Verlagen hat, die zwar Presseerzeugnisse herstellen, aber im klassischen Postzeitungsdienst nicht zugelassen waren, wurde mit der Einführung der Pressesendung ein langgehegter Wunsch Wirklichkeit. Für Romane, Rätsel, Comics und ab 1996 auch für Sammelwerke wurden mit der neuen Versandart die Weichen gestellt, daß ihre Abonnements in der Pressepost zu reduzierten Gebühren befördert werden können (DB Postdienst 1994: 7). Pressesendungen werden als Standardangebot innerhalb von 48 Stunden nach Übernahme der Sendung (E+2) zugestellt. Gegen ein erhöhtes Entgelt kann die Zustellung beim Leser auch am ersten Tag nach Einlieferung (E+l) erfolgen. Die Pressesendung hat sich mit über 200 Mio. Sendungen bzw. 6 % Anteil am Volumen der Presse Distribution inzwischen fest etabliert (dnv 3/1999: 19). Weiterhin ausgeschlossen von der Presse Distribution sind Druckerzeugnisse, deren Inhalt zu dem 64

Geringere Sendungsmengen können nur als Streifbandzeitung versendet werden.

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II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage Zweck herausgegeben wird, Kaufentscheidungen bezüglich bestimmter Waren und/oder Diensdeistungen eines Anbieters zu fördern, wie zum Beispiel Werbepost (direct mail), Prospekte oder (Bestell-) Kataloge (Synwoldt 2000: 14).

2.3.4.6 Zeitungssendung Diese Versendungs form wurde im Zuge der Neustrukturierung der Pressepost übergangsweise ab August 1995 speziell für den Versand von regionalen Tageszeitungen im Fernbereich eingeführt. Der Abonnent erhielt die Zeitungssendung einen Tag nach Einlieferung (E+l), wenn die Sendung bis 10:00 Uhr am Erscheinungstag eingeliefert worden war. Versandtechnisch mußte die Zeitungssendung (ähnlich wie die Streifbandzeitung) mit einer Umhüllung versehen sein. Nachdem die Post die anfänglichen Probleme65 behoben hatte, wurde die Zeitungssendung kaum noch in Anspruch genommen. Weil sie keine bessere Leistung als das Postvertriebsstück bot und obendrein teurer war, wurde sie mit Wirkung zum 1.3.2003 eingestellt (Risse 2001: 136).

2.3.5 Postzwang als Ausgangspunkt eines defizitären Postzeitungsdienst Die Ursprünge der Presse Distribution, deren Leistungsangebot von den Verlagen immer stark in Anspruch genommen wurde, gehen bis in die Frühzeit der Presse zurück. Im 16. Jahrhundert sammelten die (privaten) Postmeister Neuigkeiten, stellten sie zu Zeitungsbriefen zusammen, nahmen Bestellungen dafür entgegen und nutzten bestehende Postverbindungen zur Verbreitung ihrer Erzeugnisse. Im Laufe des 18. Jahrhundert verselbständigte sich die Rolle der Zeitungsverleger. In Preußen entzog der dortige Staatskanzler Karl August Fürst von Hardenberg den Postmeistern ab 1825 das alleinige Recht zur Herausgabe von Zeitungsbriefen, verstaatlichte den Zeitungsvertrieb und verpflichtete die Postmeister zur Annahme von Bestellungen auch für fremde Publikationen, die sie an das in Berlin gegründete Königliche Zeitungs-Comptoir zu richten hatten. Im Anschluß an die Verstaatlichung und als Reaktion auf die politischen Ereignisse von 1848 kam es durch das Preußische Postgesetz von 1852 zur Einführung eines Postzwang (Postregal, Postmonopol) für die „polirische Presse", der dann durch das Reichspostgesetz von 1871 auf die gesamte Presse ausgedehnt wurde. Zeitungen mußten fortan durch die Post befördert werden. Andererseits bestand die Verpflichtung der Post,

Die Post hatte den Transport zu den Briefzentren von Nachtpost-Zügen auf die eigene Spedition „EMS" verlagert, was zu erheblichen Verspätungen in der Zustellung führte.

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2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz die Benutzung ihrer Einrichtungen der Presse stets offen zu halten (Bmmmund 1985:56). Mit dem Postzwang, dem eine Vertriebspflicht der Post entsprach, wurden vor allem zwei Ziele verfolgt: Erstens hatte der Staat durch den Postzwang unmittelbaren Zugriff auf politisch unliebsame Presseprodukte und konnte deren Verteilung leichter unterbinden. Zweitens garantierte der Postzwang der Post feste Einnahmen und lieferte den Grundstock zur Finanzierung der Infrastruktur, die für den Postvertrieb unterhalten werden musste (Dom/ Vogel 2001: 43). Der Postzwang wurde mit der Zeit weiter zurückgefahren. Er betraf nur noch politische Zeitungen, gab dann die Zustellung am Ursprungsort und später generell die Verteilung durch Träger innerhalb der Gemeindegrenzen frei. Durch das am 1. Januar 1970 in Kraft getretene Postgesetz wurde der Postzwang endgültig aufgehoben.66

2.3.6 Öffentliche Aufgabe und Kostendeckung im Postvertrieb Der Postzwang entfiel, geblieben ist demgegenüber die Annahme-, Zulassungsund Vertriebspflicht zu verbilligten Beförderungstarifen, deren Entstehungsgeschichte ursächlich ist für die lange Epoche der Kostenunterdeckung im Postvertrieb. Der sukzessiven Lockerung und dem schließlichen Wegfall des Postzwangs entspricht eine „weitgehend synchrone Entwicklung" (Kiibler 1992: 12), in deren Verlauf sich der Postvertrieb von einem, die Staatskasse füllenden Regal, zu einer Diensdeistung wandelte, die eine kontinuierlich wachsende Kostenunterdeckung mit sich zog. Seitdem die betriebswirtschaftliche Ergebnisrechnung auf Teildienstzweige ausgedehnt wurde, publiziert die Post Zahlenmaterial6", dessen Aussagekraft die Verlage mehr als einmal in Zweifel gezogen haben. Die von staatspolitischen Erwägungen mitbestimmte Gebührenpolitik führte schon 1958 zu einer Unterdeckung von 53,2 Mio. € oder 61 Prozent. Für die sechziger Jahre wird eine jährliche Kostenunterdeckung verzeichnet, die durchweg über 50 % lag und bis 1974 auf über 306 Mio. € oder 75 % anwuchs. Die Kostenunterdeckung, die 1983 von Seiten der Post mit ca. 50 % angegeben wird, konnte bis 1990 auf 40 % reduziert werden, bevor sich die Situation aufgrund der Miteinbeziehung der neuen Bundesländer erneut verschlechterte. Nach Angaben der Post belief sich die Unterdeckung 1991 im Verkehrsgebiet West auf 309 Mio. € und im Verkehrsgebiet Ost auf 161 Mio. €. Postvertreter sprachen in diesem Zusammenhang von einer durch die Wiedervereinigung ausgelösten Kostenexplosion im Postzeitungsdienst. Durch die mit dem Inkrafttreten der Postreform I am 1.7.1991 festgeschriebene marktwirtschaftliche Struktur der drei Teilbereiche der Post (Postdienst, Postbank, 66

Bundesgesetzblatt 1, Seite 1006 vom 31.7.1969. Vgl. für andere Breyer 1999: 124

115

II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage Telekom) und die zeitgleich stattfindende Kostenexplosion im Postzeitungsdienst entstanden drei Konfliktfelder: 1. Der Konflikt zwischen der aktuellen Kostendeckung und der durch das PostStruktG vorgeschriebenen Zielsetzung, die Unternehmen der Post so zu leiten, dass die Erträge die Aufwendungen decken und darüber hinaus ein angemessener Gewinn erwirtschaftet wird; 2. die Absicht der Bundesregierung, die Defizite im Postzeitungsdienst schrittweise abzusenken, aber nicht zur Existenzgefährdung einer Reihe kleiner Tageszeitungen und Fachzeitschriften beizutragen und 3. die öffentliche Aufgabe der Post, die Presse- und Informationsfreiheit durch eine flächendeckende, kostengünstige Versorgung mit Presseerzeugnissen zu gewährleisten, und das Unternehmensziel, die volle Deckung der Kosten im Postzeitungsdienst, zu erreichen. Die Post hat aus diesen Zusammenhängen den Schluß gezogen, die Tarifstruktur im Postzeitungsdienst ändern und die Preise auf ein Niveau anheben zu dürfen, das kostendeckende Erlöse gewährleistet und darüber hinaus noch einen Gewinn. Das im Auftrag der Verlage von dem Verfassungsrechtler F. Kübler vorgelegte Gutachten kommt demgegenüber zu dem Ergebnis, dass die Post als Ausfluß der grundrechtlich in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgten Pressefreiheit und daraus resultierender Schutzpflichten des Staates verpflichtet bleibt, eine flächendeckende kostengünstige Versorgung mit Zeitungen und Zeitschriften zu gewährleisten. Dieser Verpflichtung kann sich die Post auch nicht durch eine Veränderung ihrer Rechtsform entziehen. Ungeachtet der Rechtsform bleibt der Postzeitungsdienst eine Pflichtleistung der Post im Sinne von § 4 PostVerfG. Die objektivrechtliche Verbürgung der Pressefreiheit verpflichtet die Post zur Beibehaltung eines kooperativen Verfahrens zur Fesdegung der Preise im Postzeitungsdienst und zur Zusammenarbeit mit den Verlagen. Einseitige, d.h. mit den Vertretern der Verlage nicht abgestimmte Preisfestsetzungen verletzen die Pflicht zur Zusammenarbeit (Kübler 1992: 66 ff.).

2.3.7 Formen der Preisbildung im Postvertrieb Das zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Berlin gegründete Königliche ZeitungsComptoir gab mit dem Zeitungs-Preis-Courant einen relativ vollständigen Katalog der deutschen Presse heraus, der schon im Jahr seiner Gründung 474 Titel enthielt (Dorn! Vogel 2001:41). Der Zeitungsbezugspreis setzte sich aus dem Einkaufspreis, der Postzeitungsgebühr (Porto) und einer Zeitungsstempel genannten Zeitungssteuer zusammen. Er war zunächst unabhängig von der Entfernung zwischen Verlags- und Absatzort einheitlich für alle Bezieher festgelegt. Gegen Ende des Jahrhunderts stiegen die Selbstkosten im Zeitungsvertrieb gegenüber den Einnahmen stärker an. Dies war bedingt durch die Berechnung der Postzeitungsgebühr nach dem Nettopreis, die auf der Annahme basierte, dass (wie in den Jahr116

2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz hunderten vorher) die Zeitungen und Zeitschriften in Größe und Gewicht ungefähr gleich sind und über konstante Verkaufspreise verfügen. Gerade in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts jedoch nahmen Umfang, Erscheinungshäufigkeit und Druckauflagen der Titel zu. Das gestiegene Anzeigenvolumen und die verbilligte Herstellung durch technische Innovationen führten dazu, dass die Verkaufspreise und damit die Einnahmen der Post zurückgingen. Insbesondere die Generalanzeiger, die aufgrund vieler Anzeigen sehr umfangreich waren und niedrige Verkaufspreise hatten, förderten mit der Gewinnung neuer Leser den Einnahmeschwund der Post. Im Jahr 1871 hatte die Post 1,5 Millionen Abonnements mit 203 Millionen Exemplaren abgewickelt. Diese Zahlen steigerten sich bis 1897 auf 3,5 Millionen Abonnements und 937 M i l i i n n e n Exemplare. Die Einnahmen der Post sanken in diesem Zeitraum von durchschnittlich 86 auf 48 Pfennige pro Exemplar (Dorn/Vogel 2001: 44), weshalb das Gebührensystem 1899 abermals reformiert wurde. Der neue Postzeitungstarif setzte sich aus der Dauer des Bezugs, aus der Erscheinungshäufigkeit, aus dem Gewicht und (bei Hauszustellung) aus dem Bestellgeld zusammen. Zunächst hatte er die angestrebte Wirkung einer Gebührenerhöhung für die Generalanzeigerpresse und einer Endastung der kleineren polirischen Tageszeitungen. Er bewährte sich langfristig aber nicht, um die Defizite im Postzeitungsvertrieb zu beseitigen und wurde deshalb erneut abgewandelt.

2.3.8 Gemeinsame Kommission Postzeitungsdienst In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts entstand bei der Bundesregierung zunehmend Unzufriedenheit über die wirtschaftliche Situation des Postzeitungsvertriebs. Angesichts knapper Kassen der öffentlichen Hand versuchte man, die verschiedenen Subventionstatbestände auf ihre Berechtigung zu überprüfen. Nachdem die Rationalisierungsmöglichkeiten im Postzeitungsdienst ausgeschöpft waren, faßte das Bundeskabinett am 31.10.1973 einen Beschluß, in dem die Einschränkung der angebotenen Diensdeistungen, die Erschwerung des Zugangs und die grundlegende Überprüfung des Systems mit dem Ziel der Kostenverringerung angeordnet wurden. Da sich die Umsetzung dieses Beschlusses als schwierig erwies, wurde nach einem Gespräch zwischen dem Bundeskanzler und dem Präsidium des BDZV eine aus Vertretern der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger sowie der Deutschen Bundespost gebildete "Gemeinsame Kommission Postzeitungsdienst" beauftragt, Möglichkeiten zu erörtern, wie die Kostenunterdeckung im Postvertrieb reduziert werden könnte (Brummund 1985:56ff. Auf Geheiß des Kabinetts erwog die Deutsche Bundespost zunächst einen radikalen Schritt, indem sie die Notwendigkeit eines stark defizitären Postzeitungsdienstes generell in Frage stellte. In der weiteren Diskussion wurde Einigkeit darüber erzielt, daß ein Anheben der Postvertriebsgebühren bis zu dem von der Bundesregierung gewünschten Kostendeckungsgrad gegenüber den Verlagen nicht 117

II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage vertretbar sei. Daher wurde von der Gemeinsamen Kommission Postzeitungsdienst beschlossen, die Verpackung, Adressierung und den Bezugsgeldeinzug in Zukunft nicht mehr durch die Post, sondern durch die Verlage selbst durchführen zu lassen. Die sog. Besonderen Dienste, die bereits 1972 eine Kostenunterdeckung von 62 Mio. € aufwiesen, wurden zum 1. Januar 1979 aus dem Dienstleistungskatalog der Deutschen Bundespost gestrichen. Der Wegfall dieser besonders personalintensiven Arbeiten führte zwar zu einer spürbaren Minderung der Kostenunterdeckung im Postzeitungsdienst, sie reichte aber nicht aus, die Zielvorstellung des Kabinettsbeschlusses zu erfüllen. Schließlich einigten sich die Kommissionsvertreter darauf, die angestrebte Kostendeckung von 50 % langfristig bis 1985 durch Gebührenerhöhungen zu erreichen. Zukünftige Preisanhebungen sollten sich nach den Kostensteigerungen im Postzeitungsdienst richten. Für eine Verringerung der zum Postzeitungsdienst zugelassenen Objekte konnte die Kommission keine Kriterien finden. Ein Ausschluß von Zeitschriften hielt man aus verfassungsrechtlichen Gründen für nicht vertretbar.

2.3.9 Arbeitskreis Post/Presse Die in den siebziger Jahren begonnene Zusammenarbeit der Post mit den Vertretern der Presse wurde fortgesetzt. An die Stelle der Gemeinsamen Kommission Postzeitungsdienst trat der Arbeitskreis Post/Presse, der sich in jährlichen Verhandlungsrunden mit den Fragen der Gebührenstruktur und der Kostendeckung im Postvertrieb befaßte.68 In einer Sitzung vom 13. Januar 1988 in Grünwald hatte sich der Arbeitskreis auf ein Rahmenabkommen verständigt, das zu einem schrittweisen Abbau der Kostenunterdeckung führen sollte. Die Absprache sah vor, dass durch jährliche Gebührenerhöhungen die Kostenunterdeckung von 47 % im Jahre 1987 auf 40 % bis 1994 reduziert werden sollte. Das bis Anfang der neunziger Jahre praktizierte Gebührensystem für den Vertrieb von Presse durch die Post beruhte auf der Erscheinungshäufigkeit und dem Gewicht der vertriebenen Publikationen. Die Gebühren waren gestaffelt nach dem Heftgewicht, d.h. Presseerzeugnisse mit geringem Gewicht zahlten weniger Gebühren als umfangreiche, schwere Publikationen. Wie die nachfolgende grafische Darstellung (VDZ 1991: 2) zeigt, waren die pro Postvertriebsstück im Postzeitungsdienst anfallenden Kosten durch diese Gebührenpolitik jedoch nur unzureichend abgebildet, was bei Fortsetzung der bis dahin praktizierten Politik einem Teil der zugelassenen Titel zu weiteren Vorteilen verholfen, einem anderen hingegen ungerechtfertigte Kostensteigerungen beschert hätte. Er setzt sich aus Vertretern der Post, des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) und des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels (AGZV) zusammen. 68

118

2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz

Preis

Preis pro Stück Keine Subventionierung schwerer Produkte

Hohe Subventionierung leichter Produkte

Gcwicht pro Stück

Abbildung 12: Queralimentierung

leichterer Objekte im Post^eitungsdienst

Eine größere Zahl von Objekten lag nämlich in einem Bereich deutlicher Kostenunterdeckung, während eine andere Gruppe mit Objekten höheren Heftgewichts deutliche Kostenüberdeckung aufwies. Entsprechend erfolgte aus der Gruppe der schweren Objekte heraus eine Queralimentierung zugunsten leichterer Titel.

2.3.10 Veränderungen in der Gebührenstruktur („Feldkirchener Sitzung") Auf der inzwischen als legendär zu bezeichnenden „Feldkirchener Sitzung" des Arbeitskreises Post/Presse am 8. und 9. Oktober 1991 stellten die Vertreter der Post den Verlagen ein stark verändertes Gebührenmodell vor, welches durch überproportionale Steigerungsquoten in den Folgejahren bis zu einer Vervierfachung der bis dahin berechneten Sätze geführt hätte (,dnv 2/1992: 51). Die Deutsche Bundespost strebte an, durch eine neue Gebührenstruktur ab Oktober 1992 bis 1997 eine Kostendeckung von 100% zu erreichen. Zur Begründung ihrer Pläne verwiesen die Vertreter der Post auf die aus der Postreform I resultierende Verpflichtung, kostendeckend arbeiten und darüber hinaus einen Gewinn erwirtschaften zu müssen. Weiter verwies die Post auf eine durch die deutsche Wiedervereinigung verursachte Kostenexplosion, durch die die Geschäftsgrundlage des 119

II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage Grünwalder Rahmenabkommens für den Abbau der Kostenunterdeckung auf 40 Prozent bis 1994 entfallen sei. Für das laufende Jahr 1992 sei eine Unterdeckung einschließlich des Verkehrsgebietes Ost von ca. 450 Mio. € entstanden, die in den nächsten Jahren auf über 500 Mio. € steigen werde, falls nicht entscheidende Schritte zur Reform des Postzeitungsdienst unternommen würden. Eine Kostenanalyse der Post hatte ergeben, daß die Erscheinungshäufigkeit kein relevanter Kostenfaktor ist. Ab Oktober 1992 sollte eine Tarifstruktur etabliert werden, die sich an völlig anderen Kriterien als bisher orientiert. Diese seien das Format, kombiniert mit dem Gewicht, die Größe eines Zeitungsbundes sowie die Wohndichte in den Zustellbezirken (dnv 211992:52; dnv 1/1992:32). Die Basis für die Berechnung der Gebühren bildete eine Grundtabelle, die die zugelassenen Titel drei verschiedenen Formatgruppen zuordnete. Zusätzlich zur Eingruppierung sollte das Heftgewicht über den Preis bestimmen. Ein nach einer bestimmten Formel errechneter Basispreis sollte sich erhöhen, wenn Zeitungsbunde mit weniger als fünf Exemplaren versendet werden. Für Teilauflagen in verdichteten Zustellbezirken wollte die Post einen Abschlag von 15 % auf den Basispreis gewähren. Zu diesen Faktoren war der pro Jahr einmalig zu zahlende Grundpreis sowie eine Grundgebühr pro Einlieferung hinzuzuzählen (dnv 211992: 51). Auf der Grundlage dieses neuen Preismodells sollte bis 1997 eine hundertprozentige Kostendeckung ermöglicht werden. Das von der Post erarbeitete Konzept sah vor, den Postzeitungsdienst unter Wegfall der staatspolitischen Prämissen nach rein betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu etablieren. Die Behauptung der Post, der Postdienst müsse wirtschaftlich arbeiten, diente ihr als „willkommenes Feigenblatt" (van Treeck 1992: 8). Die Kostendeckungsgrade ab 1992 stellte die Post sich wie folgt vor: 1992 60 Prozent 1993 67 Prozent 1994 76 Prozent 1995 85 Prozent 1996 95 Prozent 1997 100 Prozent Die Verlegervertreter wiesen den großen Zeitdruck, die an den Tag gelegte Eile und die Vorstellungen der Post zurück, und stellten fest, dass das von den Verlagen mit der Post vereinbarte Rahmenabkommen nach wie vor Gültigkeit habe. Gravierende Veränderungen könnten nicht einfach im Wege von Anordnungen durchgesetzt werden, sondern nur durch gegenseitige Vereinbarungen. Im übrigen sei der Postvertrieb als Pflichtdiensdeistung der Post auf Grenzkostenbasis zu berechnen und auch das Argument nach Wegfall der Geschäftsgrundlage durch die deutsche Wiedervereinigung werde nicht akzeptiert. Im privatwirtschaftlichen Bereich, den die Post gern selbst zum Vorbild nimmt, würde sich solch ein Verhalten kein Kunde bieten lassen (van Treeck 1992: 8).

120

2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz

2.3.10.1 Unterschiedliche Befindlichkeiten bei Zeitungen und Zeitschriften Die von der Post angestrebte Änderung des Gebührensystems hätte weitreichende Konsequenzen gehabt. Sie hätte nicht nur einzelne Zeitungs- und Zeitschriftentitel, und nicht nur deren Verlage, sondern auch die Bezieher von Zeitungen und Zeitschriften mit erheblichen Mehrkosten belastet. Überdies erwies sich das neue Gebührensystem als extrem disproportional. Um ein Abwandern der Verlage auf andere Vertriebswege zu verhindern, sollten die Gebühren für niedriggewichtigere Produkte verteuert werden und die Preise für höhergewichtige Publikationen konstant bleiben. Zum besseren Verständnis der Auswirkungen ihres Modells legte die Post Beispielsrechnungen für verschiedene Objekte vor (Fürstner 1991: 3a):

Tabelle 2: Auswirkungen der geplanten Gebührenveränderung im Postzeitungsdienst (Modellrechnung) Bisheriger Preis in Pfg.

Preis in Pfg. nach Gebühre nmodell neu

Rhein-Neckar-Zeitung

29,9

72,3

98,5

+ 329 %

Handelsblatt

33,8

75,6

72,5

+ 214 %

Süddeutsche Zeitung

49,6

84,4

92,9

+ 187%

FAZ

46,8

82,8

82,7

+ 176 %

Das Beste

46,8

49,5

47,9

+ 2%

I ,ebensmittel-Zeitung

82,7

79,3

76,5

- 7,5 %

Der Spiegel

62,4

57,5

55,0

-12 %

Titel

Preis in Pfg. neu inkl. Zuund Abschläge

Preissteigerung/reduzierung

Verlierer bei der geplanten Änderung des Gebührensystems wären die Zeitungen gewesen: Durch das große Format (im Gegensatz zum kleineren Zeitschriftenformat), durch das geringere Gewicht, durch den häufigen Einzelstückversand (viele Bunde) und durch die Zustellung in bevölkerungsarme und dünn besiedelte Gebiete (dnv 2/1992: 51). Viele Zeitungsverlage hätten es sich nicht mehr leisten können, Postabonnenten zu beliefern oder ihren Abonnenten die Zeitung in den

121

II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage Urlaub nachzusenden, die Lieferung an den Einzelhandel außerhalb der Hauptverbreitungsgebiete vorzunehmen oder Studentenabonnements zu ermäßigen. Die Zeitungen allein hätten etwa die Hälfte der für die nächsten drei Jahre geforderten Mehreinnahmen von 306 Mio. € aufbringen sollen, obwohl sie nur mit 16,5 Prozent am Gesamtvolumen im Postvertrieb beteiligt waren (Fürstner 1991: 3). Die Änderung des Gebührensystems nach den Vorstellungen der Post hätte, auf den einzelnen Titel bezogen, im Durchschnitt eine Verdoppelung der Gebühren, in Einzelfällen eine Erhöhung um fast das Zweieinhalb fache mit sich gebracht. Wären die Pläne der Post realisiert worden, bis 1996 die Preise jährlich um weitere 10 Prozent anzuheben, hätten sich die Gebühren im Postzeitungsdienst gegenüber dem aktuellen Stand vervierfacht (dnv 2/1992: 52), weshalb die Verlegerverbände eine gemeinsame konfrontative Haltung gegen die Pläne der Post einnahmen. Im Verband Deutscher Zeitschriftenverleger gab es das Problem, Solidarität unter den Mitgliedern herzustellen, und solche Verlage, die Objekte mit Kostenüberdeckung versenden, auf den Grundsatz der Queralimentation im Postvertrieb zu verpflichten. Denn bei mehreren Verlagen69 bestand die Neigung, bei weiteren Gebührensteigerungen Objekte aus dem Postzeitungsdienst herauszunehmen und über einen Alternativen Zustell-Dienst (AZD) befördern zu lassen. D a es sich hierbei durchweg um schwere, also zur Alimentierung beitragende Objekte handelte, die zudem erhebliche Gebührenvolumina beisteuerten, hätte ein Ausscheiden solcher Objekte wie ADAC-Motorwelt, HörZu, T V Hören und Sehen, Bild und Funk, Gong, Stern und Spiegel, auf die allein jährliche Gebühreneinnahmen in Höhe von etwa 66 Mio. € entfielen, schwerwiegende Folgen für die verbleibenden Titel im Postzeitungsdienst gehabt.

2.3.10.2 Strategisches Gesamtkonzept der Verbände gegen den Angriff der Post auf den Postzeitungsdienst Vor dem Hintergrund der Gefahr der Herausnahme hochauflagiger Titel aus dem Postzeitungsdienst waren die dringlichsten Ziele der Verlegerverbände, die Einführung einer neuen Gebührenstruktur zu verschieben, die Einheit unter allen Teilnehmern am Postzeitungsdienst zu bewahren, die verbandsinterne Politik so zu justieren, daß die alimentierenden Brotobjekte keinen Grund sehen, den Postzeitungsdienst zu verlassen und den Postzeitungsdienst insgesamt zu erhalten. Denn nur mit einem funktionierenden Postvertrieb waren für die überwiegende Zahl der angeschlossenen Verlage und ihre Titel Vertriebsmöglichkeiten überhaupt gegeben. Den Postzeitungsdienst zu erhalten, bedeutete gleichzeitig, ihn überlebensfähig zu erhalten, was angesichts der katastrophalen finanziellen Situati69

AD AC-Verlag, Verlagsgruppe Bauer, Axel Springer AG

122

2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz on des Dienstes ein Entgegenkommen gegenüber der Post, aber auch einen Einblick in deren Kostenrechnung bedingte. Mit einem strategischen Gesamtkonzept verfolgten die beteiligten Verbände (Börsenverein, BZDV und VDZ) drei Hauptargumentationslinien, für die in einer Art Arbeitsteilung jeweils eine der Verlegerorganisationen zuständig war: die juristische Linie (Börsenverein), die politische Linie (BDZV) und die betriebswirtschaftliche Linie (VDZ). Die juristische Linie unternahm den Versuch, die Stellung des Postzeitungsdienst in der Verfassung der Bundesrepublik zu thematisieren und die Frage des Vertrauensschutzes vor dem Hintergrund der 1988 getroffenen Rahmenvereinbarung zu stellen. Einen wichtigen Baustein in der Argumentation der Verbände stellte das gemeinsam getragene, im Oktober 1992 der Öffentlichkeit vorgestellte Gutachten „Postzeitungsdienst und Verfassung" von F. Kübler dar (Kühler 1992). In der politischen Linie argumentierten die Verbände mit der Erhaltung der Pressevielfalt und Pressefreiheit, der Gefahr einer sich abzeichnenden Pressekonzentration aufgrund unverantwortlicher Posttarife und der gesellschaftlichen Bedeutung der Printmedien. Ansprechpartner in der politisch gewollten Finanzierung war nach Ansicht der Verbände nicht mehr die Post, sondern die Regierung. So gab es ständige Kontakte zu Politikern, Parlamentariern und Ministerialbeamten, um das Thema Postzeitungsdienst transparenter zu machen und in die Öffentlichkeit zu transportieren. Für erheblichen Wirbel sorgte eine Briefaktion von VDZMitgliedsverlagen, durch deren hohe Beteiligung erreicht werden konnte, daß sich eine Vielzahl von Politikern des Problems annahmen, Sympathie für die Haltung der Verlage bekundeten und sich gegen die Politik der Deutschen Bundespost aussprachen. In der betriebswirtschaftlichen Linie bezweifelten die Verbände die Validität des von der Post angestrebten absoluten Deckungsgrades und die von der Post behauptete Kostenunterdeckung. Sie unterstrichen den Gedanken der Grenzkostendeckung gegenüber dem von der Post proklamierten Ziel der Vollkostendeckung. Ein Eigentor par excellence schoß die Post im Ausschuß des Bundestages für Post- und Telekommunikation. Ein Vertreter der Deutschen Bundespost Postdienst referierte über Gebührenerhöhungen und über die Defizite im Postzeitungsdienst, die ohne entscheidende Reformschritte in den nächsten Jahren auf über 500 Mio. € ansteigen würden. Zur Überraschung aller räumte der Vertreter des Postdienstes auf Nachfrage ein, daß nach einer Wegfall-Kostenanalyse die Verluste bei einer völligen Einstellung des Postzeitungsdienstes in fünf bis sieben Jahren genauso hoch wären wie bei dessen Beibehaltung. In der Übergangszeit stiegen diese Verluste sogar noch an, obwohl der Postzeitungsdienst eingestellt würde (Woche im Bundestag zitiert bei van Treeck 1992: 8). Diese Feststellung kommentierten die anwesenden Politiker mit dem Hinweis, dass die "schlimmsten Befürchtungen" in Erfüllung gegangen seien und der langgehegte Verdacht, dass die Post überhaupt nicht in der Lage sei, Gewinne oder Verluste aus dem Postzei123

II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage tungsdienst zu präzisieren, nun von zuständiger Stelle bestätigt werde. Da der Bundestagsausschuß für Post- und Telekommunikation hellhörig geworden war über die Zuordnung der Kosten im Postzeitungsdienst, verlangte er eine nachvollziehbare Kostenrechnung. Die Post musste einräumen, daß die Grenzkosten im Postzeitungsdienst bereits gedeckt waren. Nur Deckungsbeiträge erwirtschaftete er nicht. Mit ihrem strategischen Gesamtkonzept gegen den „bisher emstzunehmensten Angriff auf den Postzeitungsdienst" erzeugten die Verbände erheblichen Druck im politischen Raum und bemerkenswerte Erfolge durch die Kunstfertigkeit ihrer Vertreter beim Verhandeln mit der Post. In einer Sitzung des Arbeitskreises Post/Presse am 19. Februar 1992 in Bonn wurde einvernehmlich festgelegt, dass die Post ihre ursprünglich zum 1. Oktober 1992 geplante GebührenstrukturÄnderung zurückstellt (dnv 3/1992:2). Die Post sicherte zu, dass es 1992 außer der schon früher vereinbarten Gebührenerhöhung zum 1.4. keine weiteren Steigerungen geben werde. Über die Erhöhungen für 1993 und 1994 sollte verhandelt werden, auch über eine Novellierung der Gebührenstruktur für die Zeit ab 1995. Bis Ende 1994 sollte es jedoch bei der im Januar 1988 erzielten Vereinbarung bleiben, die im Postvertrieb einen Kostendeckungsgrad von 60 % vorsah (dnv 3/1992:2).

2.3.10.3 Gebührenerhöhungen im Postzeitungsdienst ab 1.1.1993 Zu einer für die Vertreter der Presse überraschenden Entwicklung kam es auf der Sitzung des Arbeitskreises Post/Presse am 30.4.1992. Entgegen der bisherigen Praxis, Gebührenerhöhungen im Arbeitskreis zu verhandeln, präsentierte die Post unter Leitung ihres Vorstandsvorsitzenden eine bereits verabschiedete Preisliste, die eine durchschnittliche Preiserhöhung von 16 % Prozent ab 1. Januar 1993 vorsah. Neben der Gebührenerhöhung im Postzeitungsdienst waren ab 1.4.1993 auch im Briefdienst der Deutschen Bundespost Preisanhebungen für den Auslandsversand von Zeitungen und Zeitschriften vorgesehen. Dies hätte den Streifbandversand, z.B. für Zeitungsnachsendungen an den Urlaubsort des Lesers um bis zu 87 % (!) verteuert. Auf die sachlichen Einwände der Presseverbände erwiderten die Postvertreter, die neuen Preise seien nicht mehr verhandlungsfähig. Die Verlage erklärten die Verhandlungen daraufhin für gescheitert und verurteilten das Vorgehen als "einseitiges Preisdiktat", mit dem sich die Post über einen Verhandlungsauftrag des Bundespostministers hinwegsetze (VDZ 1992: 1). Gegen die Begehrlichkeiten der Post konnten die Verbände ihren angeschlossenen Mitgliedern in 33 Sitzungen (sie!) des Arbeitskreises Post/Presse zwischen Januar und Ende Oktober 1992 durch eine „Politik der Schadensbegrenzung" für die Jahre 1992 bis 1995 kumuliert 290 Mio. € an Kosten ersparen. Diese Werte ergeben sich aus dem Vergleich zwischen der von der Post in Feldkirchen präsentierten Zielvorstellung und der bis Ende Oktober 1992 erreichten Position, also bereits unter Berücksichtigung der von der Post avisierten und dann auch vollzo124

2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz genen Preisanhebung zum 1.1.1993. Nachdem die Wochenzeitung Freitag, das Satiremagazin Titanic und die Tageszeitung Junge Welt Ende Januar 1993 drohten, Klage gegen die neue Entgeltsstruktur der Post zu erheben, erstattete die Deutsche Bundespost Postdienst nach erneut langwierigen Verhandlungen den von den Preiserhöhungen besonders stark betroffenen Zeitungen in den unteren Gewichtsund Auflagenklassen einen Teil der Gebühren. Die Regelung sah vor, daß Zeitungen, die mehr als fünf Prozent ihrer verkauften Auflage durch die Post vertreiben und 1993 von einer Gebührenerhöhung um mehr als 16 Prozent betroffen sind, die Gebühren anteilig zurückerhalten. Bei den Preiserhöhungen im Auslandsvertrieb verständigte sich der Arbeitskreis Post/Presse auf eine Übergangsregelung. Die Post erstattete den Verlagen von April bis August 1993 Umstellungshilfen in Höhe von 40 % der gezahlten Entgelte zurück. Für 1994 wurde eine Verteuerung des Postvertriebs von 9,9 % vereinbart. Trotz der Mehreinnahmen von 51 Mio. € rechnete die Post den Verlagen auch für das kommende Jahr ein Defizit von noch 410 Mio. € vor, welches mit weiteren Preisanhebungen, aber auch durch Rationalisierungsmaßnahmen abgebaut werden sollte. Die Verlagsvertreter im Arbeitskreis Post/Presse hielten der Post zu hohe Overheadkosten vor. Im Personalbereich bestünden Überkapazitäten von 20 bis 25 Prozent. Die Verlage forderten die Post auf, diese Dinge in den Griff zu bekommen. Die schlechte Binnenstruktur der Post verursache Kosten, die bei der Suche nach Kostendeckung einfach auf die Kunden abgewälzt werden. Nachdem eine Hochrechnung bis ins Jahr 2000 aufzeigte, dass auch erhebliche Gebührensteigerungen von jährlich zehn Prozent die Kostenunterdeckung nicht entscheidend abbauen würde, weigerte sich der VDZ weiterhin über Kostendeckungsgrade zu verhandeln, sondern nur noch über Preise. Die Kostendeckungsgrade als Verhandlungsbasis würden das Mißmanagement der Post zwangsläufig zur Sache der Verlage machen (dnv 5aj 1994:52).

2.3.10.4 Gebührenentwicklung Presse Distribution 1995 bis 2005 Einvernehmlich wurden die Preise für 1995 und für den Zeitraum 1997 - 1999 erhöht. Im Jahr 1996 unterteilte die Post die Preiserhöhungen zum ersten Male nach der Erscheinungsweise von Pressetiteln. Für Tageszeitungen betrug die Erhöhung 3 %, für Wochentitel 3,7 % und für Monatstitel 4 Prozent. Während der BDZV die Gebührenerhöhungen akzeptierte, sprach der VDZ von einem „zweiten Preisdiktat seit 1991". Die gestaffelte Preisanhebung widerspreche der früher von der Post vertretenen Position, wonach der Zeitschriftenvertrieb kostendeckend erfolge, der der Tageszeitungen aber nicht. Die Preissteigerung von im Durchschnitt 3,9 Prozent könne im Vergleich mit den Vorjahren vielleicht moderat erscheinen. Doch seien die äußerst schlechten Leistungen der Deutschen Post AG im Pressevertrieb im Jahr 1995 hierzu in Relation zu setzen (dnv //1996:39).

125

II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage In der Verhandlungsrunde 1998 gelang es den Verlegerverbänden BDZV und VDZ, sich mit der Deutschen Post AG auf eine bis Ende 2004 reichende Vereinbarung zu verständigen und die Tarifanpassungen für Pressepost-Sendungen an den Preissteigerungs-Prognosen des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Situation auszurichten (dnv 1 /1999: 5). Zusätzlich erfolgte eine Modifizierung entsprechend der jeweils im Vorjahr real eingetretenen Inflationsrate. Nachdem in den Preisverhandlungen für 2002 die Inflationsrate mit 3% zu hoch angesetzt worden war und in den Verhandlungen für 2003 von einer realen Inflationsrate von 1,45 % für 2002 auszugehen war, einigten sich die Verleger und die Deutsche Post AG auf eine Preiserhöhung von durchschnittlich 0,97 Prozent für das Jahr 2003, 0,5 Prozent für 2004 und 1,5 Prozent für 2005 (dnv 18/2003: 5; dnv 19/2004: 122). Welche Produkt- und Preismodelle für die Zeit danach gelten werden, ist noch nicht geklärt. Tabelle 3: Gebührenentwicklung 1993 - 2005 in % 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 16,0 9,90 5,90 3,90 1,60

1,70

1,20

1,00

2,15

3,71

0,97 0,50

1,50

Wenn man sich die Entwicklung im Postzeitungsdienst seit 1993 näher betrachtet, kommt man zu dem Schluß, dass die Verlage ihr Ziel, die Gebührenerhöhungen so gering wie möglich zu halten, weitgehend erreicht haben. Jedenfalls gingen sie aus der Schlacht mit der Post über die Zukunft der Presse Distribution als eindeutige Sieger hervor. Die Post hat sich durch Gebührenanhebungen der Marktpreisgrenze angenähert, ihre Defizite aus Vollkostensicht aber nur sukzessive verringert. Es bedurfte erst des Anstoßes durch die Verlage, Gebührenüberlegungen an den Grenzkosten zu orientieren. Heute erwirtschaftet die Presse Distribution sogar Deckungsbeiträge, weil sie durch Liberalisierung der Abgrenzungskriterien mehr neue und finanziell interessante Pressetitel zugelassen, neue Versandarten eingeführt und (wenn auch häufig erst unter Wettbewerbsdruck) neue Marketingideen umgesetzt hat. Die Pressesendung allein hat mit über 100 Mio. € Umsatz sehr wesentlich zum Abbau des Defizits bei Postvertriebsstücken beigetragen. Die Post hat inzwischen gute Ergebnisse und Zuwachsraten erzielt. Daß nicht der volle Deckungsbeitrag zum Postnetz, d.h. zur Erhaltung und zum Ausbau der Infrastruktur der Deutschen Post AG geleistet wird, andererseits aber die Möglichkeit besteht, ein ohnehin existierendes Verkehrsnetz durch den Transport von Zeitungen und Zeitschriften auslasten zu können, ist Bestandteil der öffentlichen Aufgabe der Post. Ihre Kostenrechnung muß auch in Zukunft berücksichtigen, dass den kleinen Tageszeitungen und Fachzeitschriften der bundesweite Vertrieb zu bezahlbaren Bedingungen ermöglicht wird. 126

2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz

2.4 Alternativer Zustell-Dienst (AZD) Ein „Alternativer Zustell-Dienst""0 ist ein privatwirtschaftlich organisierter Absatzhelfer, der im Wettbewerb zur Post und in Konkurrenz zu verlagseigenen Zustellorganisationen Presseprodukte und Massensendungen für Dritte zustellt. (Breyer 1999: 137; Knoche/Zerdick 1992: 37). Diese Dienstleistung muß möglichst täglich, überregional und flächendeckend erfolgen, damit der Alternative ZustellDienst aus Sicht der Auftraggeber eine echte Alternative zur Post darstellt. Da letztere vor allem von den Verbundvorteilen im Briefdienst profitiert, ist es für einen AZD sinnvoll, Zustellmengen aus dem Pressebereich mit adressierten Massensendungen (Infopost) zu kombinieren, um ein für die Auslastung des Trägernetzes ausreichendes Sendungsvolumen zu erreichen (Brejer 1999:4). Bei den Verlagen bestand von jeher eine latente Bereitschaft, bei Postgebührenveränderungen auf andere Vertriebswege auszuweichen. Aber erst mit der Aufhebung des Postzwang ab 1. Januar 1970 war es ihnen rechtlich überhaupt möglich, einen Alternativen Zustell-Dienst aufzubauen, d.h. nicht nur als Nutzer eines AZD, sondern zu einem erheblichen Teil auch als potentieller Anbieter von Zustell-Dienstleistungen in Erscheinung zu treten. Solange die Post eine qualitativ hochwertige Pressezustellung zu günstigen Preisen gewährleistete, bestanden für private Zustelldienste nur geringe Chancen, sich im Markt zu etablieren. Dementsprechend ist das erstmalige Auftreten eines Alternativen Zustell-Dienstes damit erklärbar, daß die Post versuchte, ihre quasi historisch entstandenen Defizite im Postzeitungsdienst auf Kosten der Verlage zu reduzieren. Durch einen Beschluss der Bundesregierung vom 31.10.1973 erhielt die Gemeinsame Kommission Postzeitungsdienst den Auftrag, eine Verringerung der Kosten im Postvertrieb zu überprüfen, einschließlich der Möglichkeit, die Abonnementszustellung durch die Post aufzugeben und auf einen privatwirtschaftlich organisierten Zustelldienst zu übertragen. Anhand des damaligen Posdeitzahlenbereichs 875 (Aschaffenburg und Umland) wurde erstmals eine alternative Zustellung von Zeitungen und Zeitschriften erprobt (Bnjer 1999: 140). Mit dem sog. „Aschaffenburger Modell" wurde vor allem geprüft, ob eine vollständige außerpostalische Zustellung von Abonnements organisatorisch möglich und wirtschaftlich vertretbar ist. Vor dem Hintergrund eines weiteren Beschlusses des Bundeskabinetts, im Postzeitungsdienst bis 1985 einen Kostendeckungsgrad von 50 % zu erreichen, hatte dann das Presse-Grosso in den Jahren 1981/82 in einem repräsentativ angelegten Feldversuch die Frage geprüft, ob Zeitschriften-Abonnements alternativ zur Post durch einen privatwirtschaftlich organisierten AZD befördert und zugestellt werden können (Brummund 1985:428f.; dnv 9/1981: 38ff.). Der Test wurde in acht verschiedenen Gebieten, auch mit geringerer Zustelldichte und demzufolge einer "" A = Alternative zur Post; Ζ = Zustellung von Abonnements; D steht für Dienst

127

II. Selbständige Absatzorgane in der Vertriebsorganisation der Verlage sehr unterschiedlichen Zahl von Abonnements pro Zustelltour von sechs Grossofirmen durchgeführt. Für die am Feldversuch beteiligten 27 Titel mit ca. 45.000 Abonnements wurde nach Abschluß des Tests im Juli 1982 ein Kostenniveau erreicht, das mit dem der Post identisch war. Bei einer Ausweitung der alternativen Zustellung hätte man nach Aussagen des Presse-Grosso ein der Diensdeistung der Post vergleichbares, in Teilen sogar überlegenes System anbieten können, wozu es aber nicht mehr kam. Durch die Reformen im Postwesen seit Beginn der neunziger Jahre gewann das Thema Alternative Zustell-Dienste erneut an Aktualität. Im Oktober 1991, auf der Sitzung des Arbeitskreises Post/Presse in Feldkirchen, forderte die Post, bis 1997 die Preise um insgesamt 100 Prozent anzuheben. Die überregionalen Tageszeitungen versuchten daraufhin, vermehrt auf andere Trägernetze auszuweichen. Und für die im VDZ organisierten Verlage war dies der Anlaß, ein Konzept für einen Alternativen Zustell-Dienst erarbeiten zu lassen, etwa nach dem Zuschnitt der Abonnement Vertriebs Gesellschaft (AVG) des Heinrich Bauer Verlags (werben C 3 Jtf υ41 Q

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« J3 2. Jetzt ist es an der Bahn und an den Verpächtern der Flughäfen, auf die veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen der Premiumhändler zu reagieren. Besonders die Bahn-Tochter D B Station & Service A G ist aufgerufen, wirtschaftlich tragbare Pachten anzubieten, damit auch Einzelunternehmen oder Betriebe mit nur wenigen Standorten überleben. Es kann nicht sein, dass die D B AG mit überzogenen Pachtforderungen und der Überwälzung von Raum-Nebenkosten 253 die Betriebe an den wirtschaftlichen Abgrund drängt. Buch- und Presseläden sind die Angebote unter den Servicebetrieben, die den Standort Bahnhof überhaupt erst entwickelt haben. Untersuchungen über die Sortimentserwartungen im Bahnhof haben deutlich gemacht, dass Presse und Bücher weit vor allen anderen Produktgruppen rangieren (dnv 4/1998: 6). Ihr Verschwinden von der Bildfläche würde das Angebot und die Diensdeistungsqualität des Bahnhofs für Reisende, Pendler, Urlauber und Ortsansässige nachhaltig beschädigen. Die Verpächter sind deshalb gut beraten, den erforderlichen wirtschaftlichen Rahmen zu schaffen, damit die Bahnhofs- und Flughafenbuchhandlungen das Buch- und Presseangebot nicht nur aufrecherhalten, sondern durch moderne Laden- und Angebotsgestaltung qualitativ noch weiter verbessern können {Bühne 2004: 20). Die Bahn hat bei der Verpachtung von Verkaufsflächen lange Zeit eine Politik pro Mittelstand verfolgt. Seit dem Gerangel der großen Filialisten um die besten Verkaufsstellen in Bahnhöfen und Flughäfen hat die D B Station & Service AG die Konzentration dadurch beschleunigt, dass sie finanzstarke Unternehmen bei Ausschreibungen präferierte und kleinere Pächter entsprechend benachteiligte. Zum Teil entspringt dieses Verhalten dem Drang der D B AG, möglichst viel zu erwirtschaften, zum Teil werden die zu hohen Pachten aber auch durch Verdrängung potentieller Wettbewerber provoziert. Wenn die Absichtserklärung der Bahn, mittelständische Betriebe erhalten zu wollen254 kein Lippenbekenntnis sein soll, darf sie die Pachtbelastbarkeit ihrer Vorzeigebetriebe nicht bis zur Schmerzgrenze ausreizen, sondern muß die Mieten an allen Standorten linear absenken und zu einem transparenten, kalkulierbaren und nachvollziehbaren Pachtsystem zurückkehren. Premium-Verkaufsstellen für Buch und Presse sind nicht nur bedeutende Imageträger der Deutschen Bahn AG, sondern mit € 698.- Pacht je m 2 auch die besten Zahler im Bahnhof. Verglichen mit anderen Servicebetrieben, die durchNeu auf den Markt kommende Objekte werden künftig nach einer einheitlichen Systematik mit der Betriebswirtschaftlichen Kommission des Verband Deutscher Bahnhofsbuchhändler abgestimmt und rabattiert. Vgl. dnv 10/2004: 69. 253 Vgl. Kap. III., 7.1.7 Der Bahnhofsbuchhandel in der Zwickmühle von steigenden Pachten und fallenden Handelsspannen. 251 R. Beckmann, Vorstand Marketing & Vertrieb der D B Station & Service AG, in: dnv 2 4 / 2 0 0 4 : 34 252

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III. Absatzwege und Absat^mittler von Zeitungen und Zeitschriften schnittlich € 220.- je m 2 zahlen255, ergibt sich ein unangemessen hoher Spitzenwert, durch den im Ergebnis die Bahnhofsbuchhändler diskriminiert werden und die Verlage die Deutsche Bahn AG subventionieren. Um die Leistungsfähigkeit des künftigen Premiumhandels nicht nur zu sichern, sondern seine Marktführerschaft weiter auszubauen und die besseren Konditionen für diese Händler im Vergleich mit den allgemeinen Presse-Einzelhändlern kartellrechtlich zu rechtfertigen, müssen die Zeitungs- und Zeitschriften-Verlage auf die DB Station & Service AG einwirken und sie zu Pachtreduzierungen zwingen, weil sie einen großen Teil des für Mehrleistungen gedachten Rabatt-Premiums abschöpft und damit den Interessen der Verlage und Pressekäufer entgegenwirkt.

7.6.7 Werbung und Verkaufsförderung im Premiumhandel Mitentscheidend für den Erfolg des Premium-Konzeptes ist eine gewisse Originalität und die Kommunizierbarkeit seines Nutzens für Verbraucher und Verlage. Dies hat ein hohes Maß an Kreativität und den geschickten Einsatz verschiedener Kommunikationsmittel durch seine Betreiber zur Voraussetzung. Da die Bekanntheit der Firmen, ihre Standorte und die Bekanntheit des im Premiumhandel im Angebot befindlichen Mega-Sortiments direkten Einfluß auf den Erfolg solcher Geschäfte haben, müssen die beteiligten Firmen nicht unerhebliche Geldmittel in Werbung und Verkaufsförderung investieren und ein Marketingkonzept entwickeln, welches aus der Handelsspanne und aus der linearen Absenkung der Pachten finanziert werden könnte. Wichtig ist ein ganzheitliches Marketing, dass auf den Schwerpunkten der Vermarktung von Presse und Buch aufsetzt und zudem individuelle Verkaufskonzepte für einzelne Premium-Unternehmen ermöglicht. Neben dem Erfordernis einer zentralen Organisation für die bundesweite Vermarktung der zur Verfügung stehenden Schaufenster und Werbeflächen an und in den Geschäften geht es zunächst um die Überlegung, wie der Premiumhandel für die Verlage zu einem attraktiven Werbe-Partner werden kann (Virband Deutscher Bahnhofsbuchhändler 2004(a): 10). Wer sich vor Augen führt, dass mit dem Premiumhandel in dem von uns definierten Sinne256 ein absolut konkurrenzloses Angebot mit Pressetiteln in hochfrequentierter Lage und an vielen Plätzen mit hervorragender Präsentation sowie ein unmittelbares Kundenfeedback durch den Direktkontakt zum einzelnen Premiumhändler gegeben ist257, dem wird klar, welch hochattraktives Umfeld und welche Marketingpotentiale diese Läden den Verlagen 255 Vgl Kapitel III., 7.1.6 Subventionierung der Deutschen Bahn AG durch die Verlage. Kapitel III., 7.5.2 Premiumhändler für Zeitungen und Zeitschriften (Definition). "Die enge Kommunikation ermöglicht es uns, in Abstimmung mit den ...Händlern Einfluß auf das zu nehmen, was mit unseren Titeln am PoS geschieht." H. Schmidt, Jahreszeiten-Verlag in dnv 6-7/2003: 54 256 257

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7. Bahnhofsbuchhandel und Nationalvertxieben bieten. Warum sollen sie nicht von diesem einzigartigen Kommunikationsmittel profitieren, in dem ihnen Gelegenheit gegeben wird, ihre Werbebotschaft bundesweit zu den Konsumenten zu bringen? Eine Premium-Verkaufsstelle begnügt sich nicht damit, passiv Tageszeitungen und Zeitschriften auszulegen, sondern stellt ein aktives Medium dar, einen neuen Ort fur Verkauf und Kundenansprache, in dem Verlagsprodukte in einer Erlebniswelt in modernen Warenträgern, Schaufenstern, Vitrinen und auf Tischen präsentiert werden und so die Aufmerksamkeit der Käufer auf sich lenken und zum Verweilen einladen. Damit steigen die Verkaufschancen neuer und etablierter Titel, vor allem wenn sie im Ladenlokal beworben und nicht nur unter der Objektgruppe im Regal, sondern zusätzlich mit einer Sonderplazierung, z.B. in der Kassenzone oder auf der Ladentheke, angeboten werden.

7.6.7.1 Das Marketing-Konzept des Bahnhofsbuchhandels Um die Absatzstärke der Branche zu festigen und zu steigern, entwickelte der Verband Deutscher Bahnhofsbuchhändler in Zusammenarbeit mit maßgeblichen Vertretern der Verlage ein Marketingkonzept, welches sich auf Inhalte und Gattungsmarketing in Form abverkaufswirksamer Point-of-Sale-Präsentadonen für einzelne Titel oder Sortimentsgruppen konzentriert (vgl. Ochs 2003). Das Marketing-Konzept besteht aus drei Säulen258 und fünf Modulen259, die miteinander verzahnt sind, sich gegenseitig ergänzen und damit die Wirkung zum Kunden hin verstärken sollen (Verband Deutscher Bahnhofsbuchhändler 2004(a): 5 ff.). Das Sortimentsmarketing (Säule 1) fördert im Rahmen eines festen Zeitplans unterschiedliche Objektgruppen und stellt alle entsprechenden Titel in einer bestimmten Zeitperiode optisch und thematisch heraus. Die Objektverkaufsförderung (Säule 2) beinhaltet die temporäre Herausstellung und Promotion einzelner Objekte im Schaufenster oder mit Hilfe anderer Präsentationsmittel. Und eine Kundenzeitschrift (Säule 3) als zentrale Kommunikationsplattform vermittelt alle wesentlichen verkaufsförderischen Maßnahmen und stellt den Lesern und Käufern das gesamte Leistungsspektrum des Bahnhofsbuchhandels dar. Gleichzeitig bietet sie Verlagen ein Podium für gezielte Informationen an ein breites, interessiertes Publikum.260 Basis des Sortimentsmarketing im Bahnhofsbuchhandel ist ein Aktionsplan, der für das ganze Jahr eine durchgängige Abfolge von Aktionen für einzelne Objektgruppen vorsieht, die sich an saisonalen Anlässen oder wichtigen überregionalen Sortimentsmarketing, Kundenbindung, Objektverkaufsförderung Presse- und Buch-Marketing, Events, Kundenzeitschrift, Schaufensterwerbung und Titelvermarktung 260 Zum Thema Kundenzeitschrift im Bahnhofsbuchhandel siehe Müller 2005: 152 f. 258 259

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III. Absatzwege und Absatymittler von Zeitungen und Zeitschriften Veranstaltungen, wie z.B. Messen oder großen Sportereignissen orientiert {dnv 23/2004: 12). Wichtigstes Element in der Objektverkaufsförderung ist die zentrale, bundesweite Vermarktung von Schaufenstern an möglichst allen Bahnhofsbuchhandels-Standorten durch eine Spezialagentur für Verkehrswerbung (dnv 78/2005: 41 ff.). Bahnhofsbuchhandels-Schaufenster haben die Verlage bei der Einführung neuer Titel oder bei sonstigen, wichtigen Anlässen auch schon vor dem Marketingkonzept mit Werbung belegt. Eine effektive und flächendeckende Buchung hatte jedoch erhebliche Koordinationsleistungen des jeweiligen Verlages zur Voraussetzung, weil er wegen der Schaufenstermaße und der werberelevanten Umfeldverhältnisse mit verschiedenen Unternehmen in Kontakt treten musste. Die Möglichkeit, bundesweit Schaufenster in Bahnhöfen und Flughäfen mit einer einzigen Buchung zu belegen bzw. mit einer einzigen Anfrage zu erfahren, welche Schaufenster überhaupt verfügbar sind, stellt einen großen Schritt nach vorne dar. 2004 hat der Bahnhofs- und Flughafen-Buchhandel sechs Sortiments- und acht zentral angebotene Schaufenster-Aktionen durchgeführt (G. Grauert in dnv 23/2004: 10). In den aktualitäts- und themenbezogenen Sortimentsaktionen sehen viele Verlage das stärkere Element des Marketing-Konzepts, allein deshalb, weil es ein (bislang) kostenloser Service des Bahnhofsbuchhandels ist, an dem sich alle Verlage, auch die mit kleinen Zielgruppentiteln, beteiligen können, während die Belegung der Schaufenster für eine Woche mit über € 16.000.- zu Buche schlägt (R. Bonhard in dnv 23/2004: 13).

7.6.7.2 Werbung und Verkaufsförderung gegen Entgelt? Die im Ausland übliche und von den exportierenden deutschen Verlagen grundsätzlich anerkannte Praxis, für Zweitplazierungen und Schaufensterdekorationen Werbebeiträge zu bezahlen (J/DZ 1997: 4), ist in Deutschland nach wie vor verpönt {dnv 4/1999: 36). Nach Ansicht vieler Verlage soll der Presse-Einzelhandel Präsentationsentscheidungen nach der Verkäuflichkeit eines Titels und nicht nach der Finanzierung durch den jeweiligen Anbieter treffen (O. Kleinelanghorst in: dnv 67/2003:55 und 7-8/2004: 28). Viele Verlage vertrauen darauf, dass sich der Premiumhandel für besondere Aktionen am Point of Sale einsetzt, ohne dass diese Leistung vergütet wird. Die Märkte und Branchenusancen haben sich jedoch verändert und der deutsche Markt wird sich in einer immer internationaler bewegenden Medienlandschaft mit Global Players der übrigen Welt annähern. Viele Industrien (Tabakwaren, Alkohol, Kosmetik, Hotelketten, Fast-Food-Restaurants), mit denen sich die Verlage im Wettbewerb um die Werbeplätze im Einzelhandel befinden (dnv 4/2005: 48), bezahlen dafür. In der Schweiz erwirtschaftet die zu Valora Retail zählende Kiosk AG jährlich 20 Mio. Franken Ertrag mit der Vermarktung von Werbeflächen an

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7.

Bahnhofsbuchhandel

Verlage (7%) und andere Industrien (93 %) (dnv 4/1999: 36).261 In den USA war der Buch- und Presse-Filialist Eastern Lobby Shops, der heute zu HDS gehört, Wegbereiter bezahlter Verkaufsförderungs-Programme (Snyder 2000: 61) und in Frankreich entdeckte Relais Η (HDS) schon 1989, dass man mit 5 Mio. Passanten und 500 Tsd. Käufern täglich über fantastische Standorte für bezahlte Werbung und Verkaufsförderung verfügt (de Rostolan 1993(a): 18). Im Bahnhofsbuchhandel nutzen und entfalten inzwischen auch deutsche Special-Interest-Verlage und Nationalvertriebe, manchmal auch im Widerspruch zu einem "Stillhalteabkommen" mit der Konkurrenz, die ganze Bandbreite werblicher Aktivitäten gegen Entgelt (dnv 6-7/2003: 55). Dabei hilft der Bahnhofsbuchhandel nicht nur, die Absatzziele zu erreichen, sondern leistet auch wertvolle Dienste, kleinere Titel und Newcomer einem breiteren Publikum bekannt zu machen (dnv 6-7/2003: 54). Ohne Bahnhofsbuchhandel würden viele Verbraucher eine ganze Reihe von Zeitungen und Zeitschriften überhaupt nicht kennen. Hohe Kontaktund Absatzchancen begründen die Wertschätzung dieses manchmal einzigen Absatzweges im Einzelverkauf besonders bei solchen Verlagen, deren Titel hochpreisig sind oder nicht zu den Auflagenmillionären zählen. Ein auf Sortimentsmarketing, Objektverkaufsförderung und Kundenbindung basierendes Konzept (Ochs 2003: 7) stärkt die Sparte Premiumhandel, vereinfacht die Kommunikation mit den Lieferanten und gibt Special-Interest- und VerySpecial-Interest-Titeln eine neue Chance im Vertriebsmarketing (Schmidt 2004:21). Zu den positiven Effekten für Verlage und Nationalvertriebe zählt in erster Linie der nachweislich höhere Abverkauf (dnv 23/2004: 16f. und 4/2005: 48), den auch Tageszeitungen verzeichnen, wenn auch auf niedrigerem Niveau262. Für viele kleine Zeitschriftentitel ist eine wiederholte oder regelmäßige Teilnahme an Schaufensteraktionen trotz positiver Verkaufseffekte dennoch kaum vorstellbar. Kalkuliert man die (derzeitigen) Kosten für die Buchung der Fenster und das Dekorationsmaterial sowie die Erlöse aus zusätzlich verkaufbaren Exemplaren, erscheint diese Werbeform (momentan) nicht wirtschaftlich, weshalb ein Verlag neben der direkten Verkaufssteigerung auch die Werbewirkung der Schaufenster und Präsentationsflächen im Premium-Umfeld unter Reichweitengesichtspunkten in seine Rechnung mit einbeziehen muß. Ob ein solches Angebot von den Vertriebsmanagern der Verlage bzw. von den Gesamtverantwortlichen für das Objektmarketing auf Dauer genutzt werden wird,

Die Belegung je eines Vollsicht-Displays direkt in der Kassenzone aller Kiosk-AGeigenen Verkaufsstellen und eingeschalteten Depots kostet pro Woche 18.500 sfr. Vgl. Kiosk A G 1994. 262 Wegen der stärker ausgeprägten Stammleserschaft bei Zeitungen fällt die Impulskaufrate im Vergleich zu Zielgruppen-Zeitschriften in der Regel geringer aus. Vgl. J. Hütwohl, zitiert in dnv 23/2004: 32. 261

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III. Absatzwege und Absat^mittler von Zeitungen und Zeitschriften hängt von Angebot und Nachfrage ab.263 Prinzipiell gibt es jedoch keinen Grund, warum nicht ein kostenintensiver Premiumhandel zusätzlich zu einer auskömmlichen Handelsspanne auch einen angemessenen Deckungsbeitrag aus Werbung und Verkaufsförderung erwirtschaften soll, solange eine echte Leistung dagegensteht, d.h. das Preis-/Leistungsverhältnis in Ordnung ist. Kein Verlag wird gezwungen, Präsentations- und Werbeflächen im Premiumhandel zu mieten, aber diejenigen, die es tun, können die Verkäufe und die Aufmerksamkeit für ihre Titel zum Teil beträchtlich steigern264

8. Werbender Buch- und Zeitschriftenhandel Der Werbende Buch- und Zeitschrifthändler ist selbständiger Kaufmann und betreibt seine Geschäfte im eigenen Namen und für eigene Rechnung. Er generiert Belieferungsrechte und verwaltet diese Rechte als eigenen Bestand bzw. mit Hilfe von Rechenzentren265 oder anderen Diensdeistungsunternehmen. WBZ-Betriebe werden überwiegend als Einzelfirmen geführt, deren Betriebsgröße vom reinen Familienbetrieb bis zu modernen, mittelständischen Unternehmen mit Hunderten von Mitarbeitern im Innen- und Außendienst reicht (Prechelt 1999: 47). Der Werbende Buch- und Zeitschriftenhandel, dem 2005 rund 170 Firmen angehören, von denen 150 Verbandsmitglieder sind, ist eine Branche, die drei weitgehend unabhängig voneinander bestehende Geschäftszweige (Abonnenten·, Versicherungs- und Buch-Club-Werbung) betreibt. Entscheidenden Anteil an der Verbreitung ihrer Produkte hatten zu allen Zeiten die für WBZ-Firmen tätigen Handelsvertreter, deren Zahl in der Spitze auf 30.000 Personen geschätzt wurde (Prechelt 1999: 18).

8.1 Die Geschichte des Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels — Von den Anfangen bis zur Währungsreform 1948 Die Entwicklung des Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels bis in die heutige Zeit kann ohne Übertreibung als die wechselvollste aller im Vertriebswesen

263 "Die Kosten für derartige Präsentationsformen müssen so gestaltet werden, daß sie bezahlbar sind." H. Schmidt in: dnv 7-8/2004: 32. 264 "Promotional exposure is more than just visibility. We're talking about gready increased sales -three times normal is not unusual for a major effort or cover story." L. Stefens, HDS, zitiert bei: Snyder 2000: 61. Die bekanntesten unter ihnen sind bzw. werden betrieben von der Bauer Vertriebs K G , Adantikpresse, dsb, NVG, Jäger, Hobby, Akademia Press, Data-Service, A B Z und as direkt. Vgl. Neumann 2005: 629 ff. 265

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8. Werbender Buch- und

Zeitschriftenhandel

tätigen Absat2mittler bezeichnet werden.266 Gleichzeitig spiegelt sie eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Pressevertriebsgeschichte wider. Die Anfänge des WBZ reichen in eine Zeit zurück, als noch Händler von Markt zu Markt zogen und Bücher, Bilderbögen und Zeitschriften zum Kauf anboten, später seßhaft wurden und in den größeren Städten Sortimentsbuchhandlungen eröffneten. Das wachsende Informationsbedürfnis der Bevölkerung hatte zu einer Funktionstrennung von Verlag und Vertrieb geführt. Carl J. Meyer, der 1826 das Bibliographische Institut in Gotha gründete, beschäftigte systematisch reisende Werber für den Verkauf seiner „Bibliothek deutscher Klassiker". Die Auslieferung der bestellten Werke und das Inkasso wurde einzelnen Buchhandlungen, die dafür Boten beschäftigten, übertragen. Aber auch viele Buchhändler selbst beteiligten sich an der Werbetätigkeit und verpflichteten Werber in eigener Regie. Die in Form von Einkaufsgenossenschaften organisierten Leipziger und Stuttgarter Kommissionsbuchhandlungen belieferten kleinere Sortimenter, die ihrerseits Hausierer zur Werbung und zum Verkauf für kontinuierlich erscheinende Buchreihen und Zeitschriften (Lexika, Romane usw.) einsetzten. Mit der Einführung der Gewerbefreiheit im Jahre 1868 wurde der sogenannte Kolportagebuchhandel 267 auf eine neue Grundlage gestellt. Der Zugang zum Beruf des Buchhändlers hing nicht mehr von einem staatlichen Examen ab und die Kolportage unterlag nicht mehr dem Preßgesetz und damit der Zensur, sondern wurde nun als Gewerbe betrachtet. Fortan konnten sich angestellte Werber selbständig machen und eigene Betriebe gründen. Abonnenten für Zeitschriften oder Buchreihen, die sie vorher gegen Zahlung einer Provision an ihren Brötchengeber veräußerten, wurden immer häufiger in eigene Regie übernommen. Viele ehemals für Sortimentsbuchhandlungen tätige Abonnentenwerber handelten fortan direkt mit den Verlagen, in eigenem Namen und auf eigene Rechnung. Mit dem Kolportagebuchhandel, der sich nicht mehr länger nur mit dem Sammeln von Abonnenten beschäftigte, sondern nun auch die Belieferung und Abrechnung mit den Kunden selbst organisierte, verselbständigte sich ein Gewerbezweig, der mit Hilfe einer ausgedehnten Werber- und Botenorganisation zum dominierenden Absatzweg für Zeitschriften und Buchreihen außerhalb der Städte avancierte. Binnen weniger Jahre wurden auf diese Weise rund zwei Mio. preiswerte Volkslexika abgesetzt. Die Popularisierung preiswerter Roman- und Klassikerreihen, wie sie z.B. Reclam herausbrachte, trug zur Volksbildung bei (dnv 211986: 37 f.).

266 Eine in ihrer Wiederkehr des Dokumente zur 2,r Laut Duden Vertreter."

Art beispiellose Darstellung der WBZ-Historie bieten die anläßlich der 75. Tages der Verbandsgründung von Friedrich Eisner verfaßten Beiträge und Geschichte des Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels, Band I + II. ist Kolportage „der Vertrieb von Waren, besonders von Büchern, durch

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III. Absatzwege und Absat^mittler von Zeitungen und Zeitschriften In der wirtschaftlich angespannten Situation zum Ende des 19. Jahrhunderts erhielt der Kolportagebuchhandel neuen Aufschwung durch die Einführung der sogenannten Versicherungs-Zeitschriften. Dies waren Illustrierte, deren Bezug gegen Entrichtung einer geringen Zusatzgebühr entweder mit einer Sterbegeldoder Unfallversicherung kombiniert wurde. Die Idee, mit dem Kauf einer Zeitung oder Zeitschrift eine Versicherung zu verbinden, kam aus England bzw. aus Frankreich (AGA 2005: 9). Dort wurden bereits 1882 und 1883 von den ersten Verlagen Unfallversicherungen für Abonnenten angeboten. Die langfristige Anbindung des Versicherungsvertrages an das Zeitschriftenabonnement brachte den Verlagen eine hohe Stabilität und eine kontinuierliche Aufwärtsentwicklung ihrer Auflagen. In Deutschland wurde das Prinzip der Versicherungszeitschrift zuerst vom Leipziger Verleger Bernhard Meyer aufgegriffen und mit der Zeitschrift Nach Feierabend, für die der Kolportage-Buchhandel ab 1899 im großen Umfange Abonnenten warb, verwirklicht. Zu einem Heftpreis von zehn Pfennig wurde bei Unfalltod und Vollinvalidität eine Versicherungsleistung von 500 Mark, die vom Verlag getragen wurde, erbracht (Kügel 1986: 32). Den Versicherungsschutz gewährte die Nürnberger-Versicherungsbank, die ab 1905 auch die Teilinvalidität versicherte und ab 1908 zusätzlich ein Sterbegeld einführte. Im Jahre 1906 wurde aus dem Kolportage-Buchhandel der Deutsche Buchund Zeitschriftenhandel. „Nach Feierabend" zählte 1914 rund eine Mio Abonnenten mit Versicherung - eine für damalige Zeiten unvorstellbar große Zahl. Auch wenn das Zeitschriftenabonnement und der Versicherungsschutz für den Abonnenten in keinem ursächlichen Zusammenhang standen, war der Gedanke einer Zusatzleistung für den Bezieher eine wegweisende Vertriebsidee zur Bindung des Abonnentenstamms. Für den Buch- und Zeitschriftenhandel erwies sich die Koppelung von Zeitschriftenabonnement und Versicherung als der lang gesuchte Weg, die Lebensdauer eines Abonnements zu verlängern und das Problem des "Sprungs" zu reduzieren.268 Um 1927/28 wurden insgesamt 50 Versicherungszeitschriften mit zusammen rund 4 Millionen Abonnenten gezählt. Das bedeutete mehr als eine Verdoppelung innerhalb von rund fünf Jahren. Das Florieren der Geschäfte schlug sich für die Branche in einer Vergrößerung der Betriebe nieder. Im Jahr 1928 umfasste sie rund 1.000 Firmen mit etwa 38.000 Beschäftigten (Dorn,/Vogel2001:85). Im Jahre 1944 wurde die Branche, nachdem die Abonnentenversicherung ihre Bewährungsprobe durch die Übernahme des Kriegsrisikos für Sterbegeld bereits bestanden hatte, schwer getroffen: Bei einem Bestand von 6,3 Mio Abonnentenversicherungen wurde die Koppelung von Zeitschriftenabonnement und VersiAls Sprung bezeichnet man den vorzeitigen, d.h. vor Ablauf des Bezugszeitraums stattfindenden Absprung des Abonnenten, der verschiedene Ursachen haben kann. Zu den verschiedenen Formen wie Vollsprung, Sofortsprung, Teilsprung oder Verlagssprung. Vgl. Risse 2001: 90. 268

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8. Werbender Buch- und Zeitschriftenhandel cherung durch zwei Anordnungen der Reichspressekammer und des Reichsaufsichtsamtes verboten. Die Abonnements bestanden nach dem Verbot zunächst getrennt fort, die Zeitschriften mussten ihr Erscheinen jedoch nach und nach einstellen. Die Versicherten wurden zu Versicherungsnehmern und traten in direkte Vertragsbeziehung zur Versicherungsgesellschaft. Sie erhielten die Möglichkeit, sich durch Weiterzahlung der Abonnementsgebühr weiterzuversichern. Der Beitrag wurde bis zur Währungsreform als reiner Versicherungsbeitrag erhoben. Das Inkasso dieser Verträge trug bei vielen Firmen dazu bei, die schwierige Phase bis zur Währungsreform am 21.6.1948 zu überstehen. Ihnen blieb zunächst nichts anderes übrig, als ihre alten Versicherungsbestände zu pflegen und zu betreuen (Kugel 1986:33). Mit der Währungsreform wurden insgesamt rund 1,6 Mio. Versicherungsverträge auf D-Mark umgestellt, von denen aber nur rund 650 Tsd. weitergeführt werden konnten, weil breite Bevölkerungskreise unter Geldknappheit litten und das Vertrauen durch die Abwertung in Mitleidenschaft gezogen war. Diese Verträge waren die Basis für den Beginn der direkten Zusammenarbeit zwischen den inzwischen „WBZ" genannten Firmen und den Versicherern. Der Geschäftsbereich Versicherungen erforderte ab 1948 spezielle Fachkenntnisse und entwickelte sich aufgrund seiner wachsenden Komplexität zu einer eigenständigen Säule des Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels. Ein anderer Teil der Firmen löste sich aus dem Versicherungsgeschäft und wendete sich den Sparten Publikumszeitschrift, Buch, Schallplatte und Buchgemeinschaft zu. Neben das Versicherungsgeschäft und den Vertrieb von Publikumszeitschriften im Abonnement trat ab 1950 als dritter Geschäftszweig des WBZ der zweistufige Buchclub (Lesering) des Verlages Bertelsmann, bei dem der Buchhändler Eigentümer der von ihm geworbenen Mitgliedschaften blieb (dnv 2/1986:38).

8.1.1 Vom Wiederaufbau in den fünfziger Jahren bis zur politischen Wende in der DDR Nach der Währungsreform stieß der WBZ auf offene Märkte mit großem Nachholbedarf, so dass die Zahl seiner Buchgemeinschaftsmitglieder und ZeitschriftenAbonnenten wieder rasch wuchs. Alte Vertriebsfirmen begannen, ihre Arbeit wieder aufzunehmen und bemühten sich um eine kleine Gruppe von Werbern. Die WBZ-Händler reisten zu den Verlagen, handelten Rabatte und Zuschüsse aus und begannen mit der Werbung für bestimmte Objekte. Als das Grosso noch in den Kinderschuhen steckte, blühte schon das WBZ-Geschäft wieder, obwohl es im Vergleich zur Vorkriegszeit schwieriger geworden war. Für die Abonnentenwerbung geeignete Zeitschriften erschienen erst allmählich wieder auf dem Markt und die durchschnittliche Haltbarkeit der Abonnements hatte aufgrund des endgültig durch die Alliierten ausgesprochenen Verbots der Versicherungs-

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III. Absatzwege und Absat^mittler von Zeitungen und Zeitschriften Zeitschriften (AGA 2005: 10) deutlich abgenommen. Zudem waren die von den Verlagen eingeräumten Rabatte geringer als vor dem Krieg. Rasch erkannten die WBZ-Firmen, dass insbesondere die Objektgruppe der Programm-Zeitschriften entwicklungsfähig war. Der Rundfunk-Illustrierten gelang nach der Währungsreform der Durchbruch, in dem sie das Radio- und später auch das Fernsehangebot in einem familienorientierten, reich bebilderten Kontext präsentierte. Vorteilhaft für den WBZ war, dass der die auflagenstärkste RundfunkIllustrierte HörZu herausgebende Axel Springer Verlag von Beginn an keine eigene Abonnentenwerbung betrieb und auch später nicht als Wettbewerber des Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels in Erscheinung trat. Ein weiterer Vorteil der Programmzeitschriften war, dass die neu geworbenen Abonnements im Vergleich zu anderen Titeln relativ lange Haltbarkeiten erreichten (Dorn/ Vogel 2001: 173). In der ersten Hälfte der 50er Jahre belieferte der WBZ seine Abonnenten in altgewohnter Weise durch Ortsagenten und Zusteller, die auch die Bezugsgebühren einzogen und sogar Bestellungen entgegennahmen. Für den Abrechnungsverkehr gab es prinzipiell zwei Methoden: Der Zusteller behielt entweder die vom Kunden kassierten Gelder und rechnete nur den Warenwert mit der Firma ab oder er rechnete über den Gesamtbetrag einschließlich aller Gebühren ab und erhielt davon eine prozentuale Vergütung. Bei dichten Stadttouren mit einem hohen Heftdurchschnittspreis erhielt der Zusteller 10% des Bezugspreises. In dem Maße jedoch, wie die Touren von vornherein nur schwach besetzt waren oder sich durch das Abspringen von Abonnenten (Sprung) lichteten, wurden 12%, 14% oder sogar 15% des Umsatzes an den Zusteller gezahlt (dnv //1983:20). Die Qualität der Zusteller hing ganz entscheidend davon ab, welchen Erlös er aus seiner Tätigkeit erzielen konnte. Umgerechnet auf eine Arbeitsstunde, hing dies von Faktoren wie der Kundendichte, dem Umsatz pro Kunde und dem Zeitaufwand pro Kunde ab. Das Bestreben der WBZ-Firmen ging deshalb dahin, die Kundendichte je Lieferbezirk zu erhöhen, weshalb jede Firma Vertreter für Neuwerbung beschäftigen musste. Der Betätigungsbereich der meist kleinen und mittleren WBZ-Unternehmen war prinzipiell unbeschränkt. Die Wahrnehmung der Handelsfunktionen, wie Werbung, Verwaltung, Zustellung und Inkasso führte aber aus Rationalisierungsgründen zu räumlichen Konzentrationen und zum Verkauf bzw. Tausch von Belieferungsrechten an Kollegenfirmen, wenn geworbene Abonnenten mit der eigenen Trägerorganisation nicht erreicht werden konnten. Der Tourenverdichtung waren Grenzen gesetzt, weil es nicht immer möglich war, Neuwerbung auf den Lieferbezirk bzw. das Betätigungsgebiet der einzelnen Firma zu konzentrieren. Wachsende Vollbeschäftigung und zunehmender Wohlstand machten es dem WBZ ab den 60er Jahren immer schwieriger, Zusteller zu finden, die ihre Abonnenten regelmäßig belieferten, den Kontakt zu ihnen pflegten und selbst für angemessene Neuwerbung sorgten. In dieser Zeit, in der es der WBZ versäumte, 396

8. Werbender Buch- und Zeitschriftenhandel „eine Vertriebsstruktur zu schaffen, (...) die eine lohnende Weiterführung des Agentur-Vertriebes ermöglichte"24', vollzog sich ein Wandel, durch den der Agentur-Vertrieb an Auflagen und Bedeutung verlor, die Werbetätigkeit der einzelnen Firmen über den engen regionalen Bereich hinausging und der steile Aufstieg des Postvertriebs begann. Die Ursache für diesen Wandel ist jedoch nicht allein in einem Leistungsvorteil der Post zu suchen, sondern u.a. auch in einem Sammeleinkauf des WBZ durch sogenannte „Pools", die durch Kooperationen günstigere Einkaufsbedingungen (Staffelrabatte) bei den Verlagen erzielen (Henning 2004:47). Um den maximalen Rabatt zu erhalten, bringen jeweils mehrere WBZUnternehmen ihre Abonnement-Auflagen in einen Pool ein, der dem Verlag gegenüber als ein einzelner Geschäftspartner auftritt (Knoche/Zerdick 1992: 29, 35, 51). Der WBZ war bis weit in die siebziger Jahre eine nach außen auf Kundengewinnung und Kundenerhaltung gerichtete Vertriebssparte, in deren Betrieben Fragen der Verwaltung nicht immer die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt wurde, zumal deren Eigentümer selbst häufig aus dem Vertreterstand hervorgegangen waren. In den Anfängen war die Verwaltung einfach — alles wurde noch von Hand gemacht. Die Ausfälle durch Desorganisation waren hoch, egal, ob man durch die Post oder mit Boten zustellte. Das Eintreiben ausstehender Forderungen war unzulänglich und Pfändungen waren wenig erfolgversprechend. Kostensteigerungen in den 70er Jahren, häufig verbunden mit Erlösschmälerungen, härterem Wettbewerb und Marktsättigung, lenkten den Blick des WBZ mehr auf Fragen der Rationalisierung. Seine Verwaltungsabläufe waren im Prinzip einfach, weitgehend schematisierbar und traten massenweise auf. Sie eigneten sich also besonders für den Einsatz von EDV. Statt eine eigene, kostenaufwendige Datenverarbeitung zu unterhalten, wurden von vielen Firmen die Dienste von WBZRechenzentren in Anspruch genommen2"0, um die teilweise großen Abonnentenbestände rationeller und ertragreicher verwalten zu können. Mit fortschreitender Umstellung der Belieferung von Abonnenten auf Postzustellung wurde die Bedeutung der logistischen Funktionen gegen Null entwickelt. Der Ablauf des WBZ-Geschäfts sah nicht mehr nach Handel aus, d.h. Zeitschriften einkaufen und an Abonnenten physisch weitergeben, sondern beschränkte sich im Postvertrieb weitgehend darauf, von den Abonnenten die Bezugsgebühren zu kassieren (Harnack 2001:40). Mit dem Aufstieg von Firmen wie pvz r i , Jäger, Intan oder Union, die sich auf die Abonnementsverwaltung spezialisiert hatten, entfiel ein weiterer Teil der unternehmerischen Tätigkeit im WBZ. Die einzelne Firma gab zwar noch die Spielregeln vor, die Verwaltung erfolgte jedoch durch einen Absatzhelfer gegen entsprechende Gebühren. Was an unternehmerischer FunktiHermann Nadler, Welt am Sonnabend GmbH in: dnv 5/1986: 26 270 Vgl.Kapitel II., 2.1.1 Rechenzentren als Vorläufer moderner Abonnement-Verwalter. 271 Vgl. dazu „25 Jahre Pressevertriebszentrale" in dnv 9/2004, Seite 44 ff. 260

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III. Absatzwege und Absat^mittler von Zeitungen und Zeitschriften on verblieb, war oft nur noch die Werbung und die Betreuung der Abonnements. Tatsächlich betrieb in den siebziger Jahren nur noch die Hälfte aller Firmen die drei ursprünglichen Geschäftszweige des WBZ. Bei 25 % überwog das Versicherungsgeschäft, bei 15 % der Buchvertrieb. In den Folgejahren schritt diese Spezialisierung voran und auch die Umsatzgrößen der einzelnen Firmen gingen immer weiter auseinander. Kleine Familienbetriebe, die keine Werbung mehr durchführten, verloren an Substanz oder bekamen ihre Wettbewerbs- und Nachfolgeprobleme nicht gelöst. Folge war eine anhaltende Konzentration durch Zusammenschlüsse, Bestandsverkäufe und Betriebsaufgaben (Prechelt 1999: 65), die ab Mitte der siebziger Jahre zu einem Rückgang der über 300 Firmen mit 3.100 festangestellten Mitarbeitern und 3.500 freiberuflichen Werbern (Brummund 1985: 77) führte. Obwohl sich aus der nach dem Krieg aufblühenden Gattung der Programmzeitschriften erfolgreiche Vertriebsobjekte für den WBZ ergaben, konnte er ab den sieb2iger Jahren seinen Marktanteil beim Absatz dieses Titelsegments nicht mehr halten. Dieses Problem war wesentlich darauf zurückzuführen, dass die Verlage verstärkt selbst Abonnenten warben, und zwar häufig schriftlich in den eigenen Titeln und somit auch in der WBZ-Auflage. Zudem büßten die hochauflagigen Illustrierten, die der WBZ hauptsächlich vertrieb, an Bedeutung ein oder verschwanden ganz vom Markt, wie z.B. die Quick. Die dagegen nach Anzahl und Auflage an Bedeutung gewinnenden Special-Interest-Zeitschriften waren im Haustürvertrieb wegen der meist monatlichen Erscheinungsweise, wegen der dünnen Streuung potentieller Abonnenten und ihrer inhaltlichen Erklärungsbedürftigkeit, für die es im WBZ an zielgruppenorientiert, fachlich geschulten Werbern mangelte, nicht leicht abzusetzen (Prechelt 1999:24; dnv 511998: 14). In den 80iger Jahren wurde die Erlössituation schwieriger, weil die Verlage im Kampf um Marktanteile besonders in den wichtigen Titelsegmenten der Programm- und Frauenzeitschriften vergleichsweise billige Titel mit attraktiver Aufmachung und ansprechenden Inhalten herausgaben272, die an den Auflagen der für den WBZ gewinnträchtigen, hochpreisigen Titel nagten. Die einsetzende Titelflut fiel besonders bei den Programmzeitschriften auf, wo aus ursprünglich sechs Titeln273 bis Mitte der 90er Jahre mehr als ein Dutzend wurde, darunter auch Titel mit 14tägiger Erscheinungsweise und neuer redaktioneller Konzeption274, die verstärkt auf schriftliche Werbung setzten. Eine Entlastung der Situation brachte Anfang der 90iger Jahre erst der ausgehungerte Markt der neuen Bundesländer, in denen der WBZ binnen kurzer Zeit mehrere Millionen zusätzliche Abonnements werben konnte.

Bildwoche, Die Zwei, Auf einen Blick. HörZu, Funk Uhr, TV Hören und Sehen, Fernsehwoche, Bild und Funk, Gong 274 TV Spielfilm, TV Movie, TV Today, TV Direkt u.a.

272

273

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8. Werbender Buch- und Zeitschriftenhandel

8.1.2 Abonnentenwerbung nach der politischen Wende in der DDR Die Neuordnung des Pressewesens in der ehemaligen DDR knüpfte unmittelbar an westdeutsche Nachkriegstraditionen an. Die Verlage agieren auf freien Märkten, die durch das Kartell- bzw. Wettbewerbsrecht kontrolliert werden. Dementsprechend überließ man den vormals zentral gelenkten Pressemarkt der DDR nach der Wende dem freien Spiel der Marktkräfte, d.h. dem Wettbewerb. Bei der Versorgung der Bürger der DDR gingen die westdeutschen Verlage zunächst sehr unterschiedlich vor. Einigen Verlagen gelang es, mit ihren angestammten WestProdukten Leserschaften auch im Osten Deutschlands zu finden. Andere etablierte West-Titel erhielten entsprechende Ost-Ausgaben mit dem Ziel, ein westdeutsches Zeitschriftenkonzept ostdeutschen Lesebedürfnissen anzupassen und drittens wurden neue Titel ausschließlich für die neuen Bundesländer konzipiert. Eines hatten dabei alle drei Titelgruppen gemeinsam: Aufgrund der spezifischen Lebensverhältnisse in der DDR spielte die Höhe des Copypreises eine wesentliche Rolle für die Verkäuflichkeit. Preise über 1 DM waren für die Zeit nach der Wende eher die Ausnahme. Der WBZ-Verband stand Aktivitäten seiner Mitglieder im Bereich der Abonnentenwerbung in der DDR zunächst zurückhaltend gegenüber (dnv 5a/1990: 11). So lange es keine hinreichenden rechtlichen Grundlagen für die Werbung gab und darüber hinaus die postalische Belieferung vermittelter Abonnements-Verträge ungewiß war, hielt man es aus ordnungspolitischer Sicht für unklug, vorschnelle Aktivitäten zu entwickeln und durch möglicherweise aggressive Werbung westdeutscher Kolonnen restriktive Maßnahmen der DDR-Führung herauszufordern. Zurückhaltung schien dem Verband auch aus wirtschaftlicher Sicht geboten, denn angesichts der bestehenden Währungsdisparität2"5 stellte sich für den Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandel das Problem, für die gegen DM eingekaufte Ware nur DDR-Mark zu erlösen. Das nach der Öffnung der deutsch-deutschen Grenze wegen des Währungsproblems von den Verlagen in den Vordergrund gestellte Patenschafts- oder Geschenkabonnement (kressreport 26/1989: 2) wurde von der tatsächlichen Entwicklung überholt, bevor es überhaupt nennenswerte Größenordnungen erreichen konnte. Trotz der westdeutschen Einfuhren entgegenstehenden gesetzlichen Bestimmungen gingen bereits kurz nach der Grenzöffnung im November 1989 westdeutsche Werbekolonnen in 6,8 Mio. DDR-Haushalte, um ZeitschriftenBezieher zu werben. Dabei stand den Vertretern des WBZ hilfreich zur Seite, dass die Verkaufsform Abonnement in der DDR schon immer einen höheren Stellenwert hatte, als in Westdeutschland. Allein im Jahr 1990 konnte der Werbende Buch- und Zeitschriftenhandel in Ostdeutschland 1,55 Mio. neue Abonnenten Die Währungsumstellung auf DM erfolgte erst nach Inkrafttreten des Staatsvertrages zum 2.7.1990. 275

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III. Absatzwege und Absat^mittler von Zeitungen und Zeitschriften werben. Die Hitliste der Titel führten die Programm-Zeitschriften, Jugend- und Kindermagazine sowie unterhaltende Wochenzeitschriften, Mode-, Handarbeitstitel und Garten- und Do-it-yourself-Magazine an (dnv 11/1990: 19). Ein Jahr später umfaßte der vom WBZ betreute Abonnentenbestand in Ostdeutschland schon 3,2 Mio. Zeitschriftenabonnements - eine Zahl, die im Vergleich mit dem WBZBestand (4 Mio. Abos) und der Zahl der Haushalte in Westdeutschland (27,8 Mio.) schon erahnen lässt, mit welcher Dynamik im Zeitraum von zwei Jahren neue Abonnements regelrecht aus dem Boden gestampft worden waren. Aus der DDR kamen schnell nach der Wende alarmierende Meldungen über unlautere Werbemethoden gegenüber Abonnenten ebenso wie über unhaltbare Zustände in manchen Werbeorganisationen. Um diesen „Erscheinungen entgegenzutreten", „Wildwuchs zurückzudrängen" und den „spontanen, ungeordneten Vertrieb" von westdeutschen Presserzeugnissen in eine Form zu bringen (Heinader 1990: o.S.), erarbeitete das DDR-Ministerium für Medienpolitik unter Mithilfe westdeutscher Fachleute276 eine Pressevertriebs-Verordnung. Die im Mai 1990 veröffentlichte Version entsprach allerdings nicht mehr den Intentionen der westdeutschen Fachleute. Sie hatten sich besonders mit der Abonnentenwerbung auseinandergesetzt und auf einen stärkeren Verbraucherschutz gedrängt (Klammer 1998: 123). Und auch die Vorstände der Verleger- und Vertriebsorganisationen hatten sich (allerdings ohne viel Erfolg) darauf verständigt, mit Nachdruck gegen „die Negativauslese unqualifizierten Personals auf der Ebene der Werbeorganisationen und Kolonnenführer" vorzugehen, die ihren Namen in Westdeutschland längst in Verruf gebracht hatten und sich jetzt zur Erschließung des neuen Marktes im Osten aufgerufen sahen (Hünneke 1991: 14; AGA 1994:3). Neben der Umwerbung von Abonnements und dem Erschleichen von Verträgen durch Vertreter an der Haustür sorgten besonders reißerisch gestaltete Gewinnspielwerbungen für viel Unmut unter der ostdeutschen Bevölkerung. Hunderttausende hatten sich sich an lukrativen, Geldgewinn versprechenden, Preisausschreiben beteiligt. Erst im Anschluß an die Anforderung des vermeintlichen Geldgewinns, für dessen Überweisung der Teilnehmer seine Bankverbindung preisgeben mußte, erfuhr er, dass im Zusammenhang mit der Veranstaltung des Preisausschreibens und der Gewinnvergabe Zeitschriften-Abonnements verkauft wurden. In der naheliegenden und durch die äußerliche Aufmachung des Preisausschreibens indirekt gestärkten Erwartung, durch die Bestellung eines oder mehrerer Abonnements die Gewinnchancen zu erhöhen, gaben die Teilnehmer arglos entsprechende Bestellungen auf (dnv 7/1992: 57; dnv 3/1992: 34). Eines der solche Gewinnspiele veranstaltenden Unternehmen initiierte auch einen Verein für die Belange des Tierschutzes, für die es zunächst Mitgliedschaften warb, um die Adressdaten der Mitglieder dann für Telefonwerbung von Abonnenten zu benutzen Walter J. Schütz vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung und HansDieter Drewitz, Gruppenleiter Medien in der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei. 276

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8. Werbender Buch- und Zeitschriftenhandel (AGA 1996: 16). Im Rahmen der dabei geführten Telefonate wurde den Mitgliedern des Vereins der Abschluß von Abonnements nahe- bzw. gegen den Willen der Angerufenen in den Mund gelegt. Die im Anschluß an die Telefonate verschickten Auftragsbestätigungen enthielten den Hinweis, daß die AbonnementsGebühren auf der Grundlage der für die Tierschutz-Mitgliedschaft erteilten Einzugsermächtigung vom Konto der Abonnenten abgebucht werden. Es waren aber nicht nur solche Einzelfälle von schriftlicher und Vertreterwerbung, die zu Kritik und negativer Medienberichterstattung Anlaß gaben. Es waren auch Unzulänglichkeiten in der Abo-Verwaltung selbst, in deren Blickpunkt eine Tochtergesellschaft der Pressevertriebszentrale Stockelsdorf (pvz) in Schwerin geriet. Ab Mai 1991 wurde verstärkt darüber Beschwerde geführt, dass Kündigungen von Abonnenten, auch wenn sie form- und fristgerecht erfolgten, zurückgewiesen oder ganz einfach ignoriert wurden. Bei Fortsetzung der Belieferung und Weigerung der Abonnenten, die Bezugsgebühr zu begleichen, wurden „Mahnverfahren in (...) beeindruckender Hartnäckigkeit betrieben."2"7 Angesichts solcher Praktiken war nicht verwunderlich, dass einzelne Verlage versuchten, für Abonnements aus dem Gebiet der ehemaligen DDR die Stornohaftung (Sprunghaftungszeit) zu verlängern (dnv 11/1990:39). Die Mängel in der Abonnement-Verwaltung der pvz Schwerin traten früh zutage und erfuhren eine permanente Steigerung, denn weder Personal, Software noch Rechenzentrum waren auf den Ansturm der geworbenen Abonnements vorbereitet. Im April 1990 lag ein Bestand von 45 Tsd Bestellungen vor, im Juli übernahm die pvz einen Bestand von 866 Tsd Abonnements und im Oktober des gleichen Jahres sollten 1,2 Mio. Abonnements betreut werden. Pro Monat fielen zwischen 150 Tsd. und 200 Tsd. Aufträge aus den neuen Bundesländern an und mehr als 1 Mio. Bestellscheine mussten nicht nur gelagert, sondern für Rückfragen im Zugriff gehalten werden. Mit der Bewältigung dieses Arbeitsanfalls war die Pressevertriebs-Zentrale in Schwerin überfordert. Bei der Auswertung von Beschwerden ergab sich eine bedenkliche Anzahl begründeter Fälle, die sich schon durch ihre Häufung nicht mehr als „Ausreißer" bezeichnen ließen, und die man auch nicht mehr mit dem Hinweis auf temporäre kapazitätsbedingte Engpässe abtun konnte (dnv 7/1992: 57). Spannungen, die sich durch die Auffälligkeiten bei der Pressevertriebs-Zentrale ergaben, schlugen sich auch in der Zusammenarbeit mit Kunden, Verlagen und Verbraucherverbänden nieder. Die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände e.V. (AgV) wendete sich im Juli 1992 mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit, in der sie die Pressevertriebs-Zentrale beschuldigte, für "massenhaften Betrug durch Nichtbeachtung wirksamer Kündigungen und Reklamationen, Mißbrauch von Einzugsermächtigungen, Mißbrauch von Gewinnspielen und zahlreichen anderen üblen Tricks" verantwortlich zu sein (lVBZ2"

So der damalige Vorsitzende des WBZ-Verband, Wolfgang Hünneke, im Interview mit dem dnv. Vgl. dnv 5a/1993: 20

401

III. Absatzwege und Absat^mittler von Zeitungen und Zeitschriften Verband 1992: 20). Angesichts dieser Mißstände erstattete die AgV gegen die pvz und ihre Gesellschafter Strafanzeige.

8.2 Die verschiedenen Geschäftszweige, Betätigungsfelder und Spielarten im WBZ-Vertrieb Seit dem Wiederaufbau vor mehr als fünfzig Jahren verfügt die Vertriebssparte WBZ über eine höchst heterogene Struktur (Komlossy in: dnv 10/2004: 28), die aus dem Vertrieb von Zeitschriftenabonnements, Versicherungen und Buch-ClubMitgliedschaften einen jährlichen Umsatz von ca. € 870 Mio. generiert. Rund 2,4 Mio. Versicherungsverträge bringen ein jährliches Beitragsaufkommen von 410 Millionen Euro. Zweitstärkste Sparte ist der Zeitschriftenvertrieb mit 4,8 Millionen Abonnements, die einen Jahresumsatz von ca. 360 Millionen Euro erzeugen. Und rund 1 Million Mitglieder kaufen für mehr als 100 Millionen Euro jährlich aus dem Buch-Club-Programm (dnv 4a/1997: 12). Die Dreiteilung in die Geschäftszweige Zeitschriften, Versicherungen und Buch reicht nicht aus, um die Spielarten des WBZ-Vertriebs ausreichend zu charakterisieren. Da es Firmen gibt, die sich auf eine Sparte spezialisiert haben, und solche, die in zwei oder drei Sparten tätig sind, lassen sich mühelos ein Dutzend verschiedener Tätigkeitskonstruktionen zusammenstellen. Unter den knapp über 100 werbeaktiven Firmen (Prechelt 1999: 65) betreibt eine kleine Zahl schriftliche Werbung, der überwiegende Teil setzt Vertreter ein. Von den jährlich etwa 1 Million neu geworbenen Abonnements entfallen rund neunzig Prozent auf fünfzehn große Firmen (dnv 6/2000: 14). Somit gibt es WBZ-Firmen, die selbst "produzieren" und solche, die Abonnementsverträge (Scheine) kaufen, womit ein ScheineHandel entsteht. Da die aktive Abonnentenwerbung eine erhebliche Investition darstellt, die sich erst im Laufe der Zeit amortisiert, verkaufen WBZ-Händler zur Aufrechterhaltung einer ausreichenden Liquidität häufig Teile ihrer Neuproduktion zu Preisen, die die Höhe einer Jahres-Abonnement-Gebühr übersteigen. Der WBZ umfasst auch Werbeorganisationen, die ausschließlich werben und die geworbenen Aufträge an WBZ-Firmen oder Verlage verkaufen, ohne eigene Bestände zu bilden. Im Grunde genommen stellen diese Firmen die vierte Sparte des Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels dar, auch wenn einige von ihnen in teilweise artfremde Geschäftsbereiche wie Energieversorgung, Telefonverträge oder Mitgliederwerbung vorgedrungen sind. Das verbindende Element aller WBZFirmen ist die Werbung und oft schon wurden mit der Zeit aus Werbeorganisationen WBZ-Händler mit eigenem Bestand (KJaffke / Riedl-Klaffke 1998: 161). In den neuen Bundesländern hat es nach der Wiedervereinigung wider Erwarten (dnv 5a/1990: 12) keine Neugründungen gegeben. Neben verschiedenen Geschäftszweigen im WBZ wird aufgrund der Zustellungsarten zwischen Agenturstückfirmen, die das Abonnement über eigene Boten zustellen und ein direktes Inkasso durchführen, und Postvertriebsstückfirmen 402

8. Werbender Buch- und

Zeitschriftenhandel

unterschieden. Beim Postvertrieb kann ein neuer Abonnent überall geworben werden. Der Kunde wird dann vom Verlag per Post beliefert und das Inkasso erfolgt per Rechnung vom WBZ-Unternehmen oder einer Abonnementsverwaltung. Und last but not least muß zwischen WBZ-Firmen differenziert werden, die ihre Bestände selbst verwalten und solchen, die die Verwaltung ihrer Bestände einem EDV-Diensdeister übergeben. Die Intan Service GmbH in Osnabrück ist neben pvz Stockelsdorf, Jäger und Union einer der großen WBZ-Diensdeister. Intan nutzt per Online-Anbindung das EDV-System von dsb in Neckarsulm und betreut damit rund 500.000 Abonnements für 25 Firmen, unter denen sich auch die ZZ-Kurier GmbH, die WBZTochter der Axel Springer AG, befindet, die schriftliche Werbung für die Titel des eigenen Verlages und für Service-Objekte betreibt (dnv 5/1991: 44 ff.). Ein Zwitter unter den Verwaltungsfirmen ist die Neue Verlagsgesellschaft (NVG) in Schutterwald, die eine WBZ-Organisation mit Verlagsausrichtung (Burda) betreibt, die eigene und fremde Abonnementbestände von WBZ-Firmen und Fremdverlagen (z.B. Verlagsgruppe Milchstrasse, Vogel- und Conde Nast Verlag) betreut. Die NVG ist seit der Reorganisation des Diensdeistungs-Profitcenter Burda Direct GmbH im Jahr 1999 und mit über 1,2 Mio. Abonnements im Bestand eine der größten WBZ-Firmen in der Branche (dnv 10/2004: 52). Ihre eigenen Abonnement-Bestände liegen hauptsächlich in der Burda-Titelpalette. Verwaltet werden über 200 Zeitschriften, unter denen die Titel der Axel Springer AG, des SpiegelVerlag und der Waso-Gruppe 2 3 die Brotobjekte bilden (dnv 5aj 1994: 40).

8.2.1 Vertreterwerbung und schriftliche Werbung Die Reserviertheit des Verbrauchers gegenüber der Zeitschriftenwerbung an der Haustür hat durch sensationelle Presse- und Fernsehberichterstattung zugenommen. Unter Ausnutzung der Ängste von Lesern und Fernsehzuschauern, die einzelne, wirklich krasse Fälle auszulösen imstande sind, beschränkt sich die Medienberichterstattung oft auf eine pauschale Kriminalisierung des Werbenden Buchund Zeitschriftenhandels und auf den Ruf nach restriktiven Maßnahmen des Gesetzgebers gegen unlautere Werbemethoden (dnv 6/1997: 30). Selbst größtes Bemühen um objektive Betrachtung ändert nichts daran, daß die Haustürwerbung kein positives Ansehen beim Verbraucher genießt. Für einen Handelsvertreter, egal mit welchem Produkt er wirbt, ist es deshalb heute wesentlich schwerer, noch neue Abonnenten zu gewinnen (S. Schmieder in dnv 10/2004:52). Erschwerend für Vertreter kommt hinzu, daß die allgemeinen Geschäftsbedingungen in den WBZ-Formularverträgen dem Abonnenten eine ein- oder zweijähDer Verlag Welt am Sonnabend GmbH, Düsseldorf gehört zur W A Z Mediengruppc, Essen.

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III. Absatzwege und Absat^mittkr von Zeitungen und Zeitschriften rige Bindung mit längeren Kündigungsfristen und anschließender Verlängerungsklausel um ein weiteres Jahr auferlegen, und daß diese vergleichsweise harten Konditionen mit Mahnverfahren und Rechtsverfolgung auch tatsächlich durchgezogen werden. In der Vertreterwerbung haben sich seit 1996 Vertragsgestaltungen mit zweijähriger Erstverpflichtungszeit durchgesetzt. Gegenüber den früher üblichen Verträgen mit einjähriger Verpflichtungszeit verbessert sich dadurch die durchschnittliche Haltbarkeit des Abonnements deutlich. Bedeutsam in den Verträgen des WBZ mit Abonnenten ist die sogenannte Verlängerungsklausel, nach der sich die Bezugsverpflichtung mangels fristgemäßer Kündigung automatisch um ein weiteres Jahr verlängert. Eine von einzelnen Firmen praktizierte, aber höchst umstrittene Regelung war die Festsetzung von Vertragsstrafen oder Schadenersatzforderungen für den Fall, daß ein Abonnent in Abnahme- oder Zahlungsverzug geriet oder nicht fristgemäß kündigte (AGA 1993: 13). Das bedeutete eine Erleichterung der Rechtsverfolgung, stellte aber andererseits ein Werbehemmnis dar, weshalb der vom WBZ-Verband empfohlene Muster-Bestellschein auf derartige Regelungen verzichtete, um nicht eine prinzipielle Abneigung gegen die Vertreterwerbung zu erzeugen. Neben der Vertreterwerbung als klassische Werbeform bedient sich der WBZ auch der telefonischen und schriftlichen Werbung mittels Direct Mail, in Printmedien oder im Internet. Neben der Werbung durch Profis besteht auch die Möglichkeit der Prämienwerbung durch Laien, meistens Freundschaftswerbung genannt. Die Problematik dieser Werbeform liegt in der Abwehr von Selbstwerbungen, bei denen es nicht um die Bestellung eines Zeitschriftentitels, sondern vorrangig um die Erlangung der Werbeprämie geht. Schaukelwerbung als eine Form der Freundschaftswerbung, d.h. das Hin- und Herwerben z.B. im Familienkreis ist für den WBZ nicht nur teuer, sondern geht auch zu Lasten der Haltbarkeit. Der Anteil schriftlicher Neuwerbung am Werbeaufkommen des WBZ ist deshalb auch nur gering. Er hat sich von 1994 bis heute allmählich von 19 % auf 15 % reduziert.

8.2.2 Auflagen, Umsät2e und Abonnement-Produktion im WBZ Stellt man die Probleme und Schwierigkeiten des Zeitschriftenvertriebs im WBZ in Rechnung, so verwundert es, daß die Gesamtauflage des Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels 2004 bei einer Netto-Produktion von mehr als 1,6 Mio. Scheinen nicht zurückgegangen, sondern mit 5,1 Mio. Abonnements den höchsten Stand seit der deutschen Wiedervereinigung erreicht hat (WBZ-Verband 2005: 6f.). Die Statistik über die Auflagen des WBZ wird regelmäßig, treuhänderisch vom Ehrenvorsitzenden des Bundesverbandes des Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels, Willy Nick, in Abstimmung mit den Verlagen ermittelt (dnv 7-8/2005: 4). Der Abonnentenbestand des WBZ betrug 1986 insgesamt 4,5 Mio. Verträge. Dies stellte einen Anteil von rund 30 % an den Gesamtbeständen inklusive Ver404

8. Werbender Buch- und Zeitschriftenhandel lagsabonnements dar. Bei € 224 Mio. Jahresumsatz betrug der durchschnittliche Jahrespreis eines Abonnements € 50. Die Vereinigung der beiden deutschen Staaten und die darauf folgenden werblichen Aktivitäten im Osten Deutschlands führten zu einem Anwachsen der Abonnentenbestände auf 7,3 Mio. im Jahre 1991. Dieser Bestand sank infolge der geschilderten Auswüchse zum Jahresende 1993 wieder auf 5,4 Mio. ab und pendelte sich auch aufgrund der hohen Arbeitslosenquote und schrumpfenden Realeinkommen im Osten bis 1999 wieder auf 4,6 Mio. Verträge ein. Der Jahresumsatz betrug durch Preiserhöhungen inzwischen € 356 Mio. und der durchschnittliche Jahres-Abo-Preis € 77. Eine detaillierte Aufgliederung des Abonnement-Bestands zeigt die von Nick erstellte WBZ-Statistik, die rund 110 Titel umfasst (WBZ-Verband 2005: 4 ff). Einige Unternehmen, wie die pvz Stockelsdorf, verwalten bis zu 400 Titel, darunter viele Special-Interest-Objekte mit kleinen Stückzahlen.2"' Summa summarum machen die Top 30-Titel rund 80 Prozent der Gesamtauflage aus (dnv 5/2005:6). Das wichtigste Segment sind die wöchentlichen Programmzeitschriften und vierzehntäglichen TV-Illustrierten, deren 2,4 Mio. Abonnements einen Anteil von rund 48 % am WBZ-Bestand haben (WBZ-Verband 2005: 6) und rund 11 % der gesamten Abonnement-Auflage dieser Titelgruppe (einschließlich Verlagsabonnements) repräsentieren. An zweiter und dritter Stelle der WBZ-Auflagen folgen bei insgesamt sieben Objektgruppen die unterhaltenden Wochenzeitschriften mit 729.000 und die Aktuellen Illustrierten und Nachrichten-Magazine mit 674.000 Abonnements (WBZ-Verband 2005:6). Der Anteil des Agenturvertriebs und die Zahl der für WBZ-Firmen tätigen Zusteller ist seit Jahrzehnten rückläufig. Anfang der siebziger Jahre stellten noch 35.000 Boten über 50 % der WBZ-Auflage zu (Brummund 1985: 84 f.). Dieser Anteil ging bis Anfang der Achtziger auf 15 % zurück und machte 1995, als die Agenturauflage mit 180.967 Abonnements zum letzten Mal offiziell erfasst wurde (dnv 5/2001: 64) nur noch 3,75 % an der WBZ-Auflage aus. Unter Zugrundelegung von 50 Abonnenten je Zusteller dürfte die Zahl der für WBZ-Firmen tätigen Boten heute nur noch knapp 3000 betragen. Damit liegt sie weit unterhalb der von der Bauer Vertriebs K G beschäftigten 30.000 Zusteller280, die als Bestandteil einer Verlagsorganisation von der WBZ-Statistik ebenso wenig erfasst werden wie ein (zahlenmäßig nicht erfaßter) Teil der WBZ-Neuwerbung, die unmittelbar an Verlage verkauft wird (W. Nick zitiert vom WBZ-Verband 2001: 5). Die Umschichtung der Auflagen von der Agenturbelieferung zum Postvertrieb wurde durch die Entwicklung des Bankleitzahlen-Systems, der daraus folgenden Möglichkeit der Einzugsermächtigung und teilweise durch die schlechteren Rabatte (Staffelsystem) für Die Pressevertriebszentrale in Stockelsdorf verwaltet rund 1,8 Mio. Abonnements für 129 Kunden aus der Verlags- und WBZ-Branche und repräsentiert damit ein UmsatzVolumen von 118 Mio. Euro. Vgl. dnv 9 / 2 0 0 4 : 46 290 Vg] ctezu Kapitel I., 5.8 Agenturvertrieb von Zeitschriften. 275

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III. Absatzwege und Absat^mittler von Zeitungen und Zeitschriften die Agenturfirmen beschleunigt. Angesichts der desolaten Organisadon der DDRPost nach der Wende und der Kostenentwicklung im Postzeitungsdienst281 ab 1992 keimte das Interesse am Agenturvertrieb noch einmal auf und erhielt durch die 1994 gegründete AZD GmbH, die zuletzt 7.500 Zusteller in Verteilstationen beschäftigte282 eine neue Perspektive. Durch die an anderer Stelle dargelegten Gründe für den Rückzug der Verlage aus dem AZD283 und die zeitlich nochmals aufgeschobene Beseitigung des Briefmonopols bis zum 31.12.2007 aber ist kaum denkbar, dass der Agenturvertrieb aktuell eine Neubelebung erfährt.

8.3 Verlags-LZB und Handelsbräuche als Grundlage der Geschäftsbeziehung zum Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandel Die Vereinbarungen zwischen Verlagen und WBZ-Vertriebsfirmen wurden zunächst durch in den sechziger und siebziger Jahren ausgehandelte und schriftlich fixierte Lieferungs- und Zahlungsbedingungen geregelt.284 Im Jahr 1983 mußten der Heinrich Bauer Verlag und Axel Springer als Folge eines Kartellamtsverfahrens neue Konditionenmodelle einführen. Diese stellen zwar bis heute unverändert die Grundlage für die Ausgestaltung der geschäftlichen Beziehungen dar, nehmen allerdings keine erschöpfende Regelung aller relevanten Punkte vor. Die schriftlich fixierten Lieferungs- und Zahlungsbedingungen werden durch Usancen ergänzt, die durch jahrzehntelange Praktizierung inzwischen zu ungeschriebenem Handelsbrauch geworden und zum Teil durch die Rechtsprechung erhärtet worden sind (VPBZ-Verband 1998: 8). Danach beliefert der Verlag einen WBZ-Händler auf Dauer (Dauerschuldverhältnis), solange ein Titel erscheint und die Vertriebsfirma ihre Verpflichtungen erfüllt. Gewährte Konditionen können vom Verlag nur mit angemessener Frist (18 Monate) verschlechtert werden, weil der WBZHändler die Wirtschaftlichkeit seiner sich erst im Laufe der Belieferungsdauer amortisierenden Werbekosten auf der Basis der vom Verlag vorgegebenen Lieferungsbedingungen kalkuliert. Ein Werbestopp oder eine Reduzierung des Werbekostenzuschusses kann vom Verlag nur mit einer angemessenen Frist ausgesprochen werden. Bei einer Anhebung des gebundenen Endverkaufspreises wird dem WBZ für eine Übergangsfrist von drei Monaten noch der bisherige Einkaufspreis eingeräumt, damit ein Ausgleich für die besonderen Bezieherverluste erfolgt, die

Vgl. Kapitel II., 2.3.10.4 Gebührenentwicklung Presse-Distribution 1995-2005. Vgl. Kapitel II., 2.4.1.3 Umsätze, Sendungsvolumen und Marktpotential der AZD GmbH. 283 Vg]_ Kapitel II., 2.4.2 Gründe für die Einstellung des Alternativen Zustell-Dienst. 284 Vgl. z.B. Allgemeine Lieferungs- und Zahlungsbedingungen des Heinrich Bauer Verlag für den Bahnhofsbuchhandel und den Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandel vom 1.1.1966. 281

282

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8. Werbender Buch- und

Zeitschriftenhandel

eine Preiserhöhung eventuell mit sich bringt. Der WBZ-Händler ist Eigentümer des Belieferungsrechtes und hat alle Rechte an der Adresse des Abonnenten (Prechelt 1999:58f.).

8.3.1 Verlagskonditionen für den Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandel Die Vertriebsabteilung des Verlages hält Kontakt zu allen aktiven Geschäftspartnern im WBZ. Mit den werbeaktiven Firmen und Organisationen werden laufend oder bei Bedarf Vereinbarungen über die Menge der zu werbenden Abonnements getroffen. Die Konditionen für einen Titel werden auf bestimmte Zeit festgelegt, sie basieren auf einer kalkulatorischen, durchschnittlichen Haltbarkeit der geworbenen Abonnements. Da die Werbekapazitäten in der Regel begrenzt sind, findet um diese Kapazitäten ein Wettbewerb zwischen den Verlagen statt, der über die Konditionen ausgetragen wird. Die Steuerung der Absatzmengen durch den Verlag geschieht über eine Variation der Rabatte und Werbekostenzuschüsse (WKZ). Zusätzlich werden sogenannte Superprovisionen, d.h. Bestandssteigerungsprämien, gewährt (Handbuch Pressevertrieb 1989: 5.9.). In Abhängigkeit von der Kontinuationshöhe erhält der WBZ-Händler einen gestaffelten Mengenrabatt, der sich auf den Nettowarenwert bezieht und bei Agenturauslieferung einen Satz zwischen 46 % bis 54 % und mehr285 annehmen kann. Die Rabattstaffeln bei Axel Springer waren bis 1980, anders als z.B. beim Spiegel Verlag, nicht in den Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, sondern (in 1.500er-Schritten) im Anhang dazu spezifiziert. Danach wurde das Konditionengefüge mit sieben bzw. acht Rabattklassen renoviert. Der Endverkaufspreis an den Abonnenten ist gebunden und setzt sich aus dem Nettowarenwert und dem jeweils gültigen Mehrwertsteuersatz zusammen. Die Preisbindung bedingt, dass der WBZ-Handel dem Endverbraucher keinen Nachlaß gewähren darf. Ein Preisaufschlag um eine angemessene Zustellgebühr ist möglich, soweit dies vertraglich vereinbart ist.284 Soweit ein WBZ-Händler Abonnements beim Verlag einweist, um diese zusammen mit den Verlagsstücken ab Druckerei als Postvertriebsstücke versenden zu lassen, reduziert sich der Rabatt um die objektindividuelle Postgebühr.

285 Bei HörZu beträgt der Basisrabatt 40 Prozent. Bei Beständen über 30.000 Exemplaren gewährt Axel Springer dem W B Z einen Rabatt von 56,25% vom Nettowarenwert. Den Agenturvertrieben wurde anfänglich ein Remissionszugeständnis von 3 % gewährt. Später wurde die Remission in den Rabatt eingerechnet, womit das Remissionsrecht entfiel. 286 Bei den unterhaltenden Wochenzeitschriften ist der W B Z berechtigt, eine Zustellgebühr von 0,20 € zu berechnen. Vgl. dnv 5a/1995: 8.

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III. Absatzwege und Absat^mittkr von Zeitungen und Zeitschrißen

8.3.2 Der Werbekostenzuschuß (WKZ) Der Werbekostenzuschuß ist eine im WBZ-Handel übliche, vom Verlag zu zahlende Kondition, die (unabhängig vom Rabatt) als feste Summe pro Abonnement für von der WBZ-Firma neu geworbene Verträge mit einer Mindesdaufzeit zwischen sechs und zwölf Monaten gewährt wird. Manche Verlage bieten als WKZErsatz einen reduzierten Abgabepreis an (dnv 16j2004:41). Springt ein Kunde innerhalb der vereinbarten Sprunghaftungszeit287 ab, wird der WKZ zurückbelastet. Grundlage für die Gewährung des WKZ im Agenturvertrieb war früher die Vorlage des Abonnement-Bestellscheins durch das WBZUnternehmen beim Verlag. Heute ist die Kontrolle mit Hilfe des elektronischen Daten-Austausch einfacher und sicher. Im Zweifel haben die Verlage das Recht, sich Abonnement-Aufträge im Original anzusehen. Dies wird aber so gut wie nicht mehr praktiziert. Früher waren die Werbekostenzuschüsse sehr unterschiedlich. Die normalen WKZ waren öffentlich nachlesbar in den allgemein gültigen Konditionen der Verlage, die als Ergänzung zu den Lieferungs- und Zahlungsbedingungen galten. Sondervereinbarungen hingegen wurden mit einzelnen WBZHändlern geheim verhandelt, weil keiner vom anderen wissen sollte, was ausgehandelt worden war (Mehl 1987: 32). Eigentlicher Grund für die Geheimniskrämerei war die Auftragsmenge bzw. das Leistungsprinzip, für das später Staffelsysteme288 geschaffen wurden. Die WKZ-Staffeln sind nach Nettoscheinproduktion gegliedert, d.h. je nach prozentualem Rückgewinn von verlorengegangenen Abonnements bzw. prozentualem Zugewinn an neuen Abonnenten werden unterschiedlich hohe Werbekostenzuschüsse gezahlt. Beispiel: Der Abgang an Abonnements im Jahr 2004 betrug 17 Prozent. Wer 2005 bis zu 17 % zurückgewinnt, bekommt einen WKZ von 4.Euro. Über 17 % Rückgewinn werden 6.- bis 7.- Euro gewährt und darüber offiziell 8.- bis maximal 18.- Euro Bestandssteigerungsprämie gezahlt.

8.3.3 Objektpräferenzen des WBZ Verlage, die daran interessiert sind, leistungsstarke Werbeorganisationen exklusiv für die eigenen Objekte tätig werden zu lassen, gewähren hohe Werbekostenzuschüsse nach einer Mengenstaffel. Daneben werden Werbefirmen zuweilen auch Superprovisionen für Schwerpunktwerbefeldzüge oder Sonderzuwendungen wie PKW geboten. Soweit für vergleichbare Objekte aus verschiedenen Verlagen alternative Angebote vorliegen, wird sich der WBZ-Händler naturgemäß für die Es gibt Verlage, die ohne Sprunghaftungszeit werben, während bei den meisten der Zeitraum drei oder vier Monate beträgt. Es gibt aber auch Vereinbarungen über längere Zeiträume. Vgl. dnv 16/2004: 41. 288 Zum Beispiel 20.000 HörZu pro Jahr = WKZ 25.- Euro. 287

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8. Werbender Buch- und

Zeitschriftenhandel

Objekte entscheiden, die ihm die besten Konditionen einräumen. Kleinere Verlage mit Publikumszeitschriften, die einen niedrigeren Bekanntheitsgrad und/oder eine kleinere Zielgruppe besitzen, sind allein aus Kostengründen nicht in der Lage, mit den großen Verlagen zu konkurrieren und diesen Absatzweg in größerem Umfange zu nutzen. Es kommt nicht von ungefähr, daß sich der WBZ-Händler bei der Abonnentenwerbung vorzugsweise auf die im Einzelverkauf hochauflagigen, zumeist aus den großen Verlagen stammenden Massenzeitschriften beschränkt, unter denen er aus Umsatzgründen wiederum die Titel mit wöchentlicher Erscheinungsweise präferiert. Dadurch trifft der Werber häufig auf Leser, die das Objekt kennen und deshalb leichter für das Abonnement gewonnen werden können. Allein mit den vier Großverlagen erzielt der WBZ rund 80 Prozent seines Umsatzes beziehungsweise über 90 Prozent in der Zusammenarbeit mit sieben Verlagen (Hünneke 1995:26f.). Das Interesse am WBZ-Vertrieb und der Anstoß zur Vertreterwerbung geht in der Regel von den Verlagen aus. Die Vertreterwerbung bildet das Rückgrat, d.h. falls binnen kurzer Zeit Auflagensteigerungen durch Neuwerbung herbeizuführen sind, und auch im Falle rapiden Auflagenverlustes, der durch schriftliche Werbung nicht kompensiert werden kann. Die Stärke des WBZ ist es, „strategische Auflagen" produzieren zu können, wenn der auftraggebende Verlag zur Erreichung seiner Auflagenziele bereit ist, den WBZ-Unternehmen günstige Konditionen und Anreize zu gewähren. Vorsicht ist allerdings geboten, sich dabei von wenigen großen Firmen abhängig zu machen. Verlage, die nach dem Motto „Scheine um jeden Preis" verfahren, könnten bei den Sprungquoten ein „blaues Wunder" erleben. Wie stark der WBZ ist und wie schnell er reagieren kann, hat er bewiesen, als er nach Markteinführung von Focus binnen eines Jahres 50.000 Abonnements für diesen Titel produzierte (dnv 5a/1994: 43). Erleichternd kam allerdings hinzu, dass der Burda Verlag einen ermäßigten Abonnement-Preis offerierte, den der WBZ als Verkaufsargument in seiner Werbung benutzte.

8.3.4 Brotobjekte des WBZ In allen Pressevertriebs-Sparten gibt es den Begriff der „Brotobjekte". Brotobjekte im WBZ sind die Zeitschriftentitel, die dem Absatzmitder in der Summe die höchsten Erträge bzw. Renditen verschaffen. Früher gab es Objekte, die der WBZ als Brotobjekte bezeichnete, obwohl sie vom Verlag nicht einmal Zuschüsse bekamen (Mehl 1986: 26). Auch heute gibt es im WBZ-Handel und unter den Verlagen verschiedene Auffassungen darüber, welcher Titel ein Brotobjekt ist und welcher nicht (dnv 4a/1997: 16). Die einen meinen, es handele sich um teure Zeitschriften, andere verweisen auf die Haltbarkeit. Was ist nun richtig? Da für die Gewinne des WBZ im Endeffekt die Summe der Handelsspannen über die gesamte Laufzeit entscheidend ist, sind der Copy-Preis, die Erscheinungsweise und die Haltbarkeit die wesentlichen Kriterien für WBZ-Aktivitäten.

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III. Absatzwege und Absat^mittler von Zeitungen und Zeitschriften Wochenzeitschriften mit hohen Copy-Preisen sind aus Sicht des WBZ ideal, monatlich erscheinende Titel im Vergleich dazu schwerer im WBZ unterzubringen. Als Richtschnur gilt, dass mit einem Abonnement ein Mindestumsatz von € 50 pro Jahr erzielt werden sollte, um den WBZ-Handel für den Titel zu gewinnen (dnv 5/2001: 18/.). Mitte der siebziger Jahre hatte der Werbende Buch- und Zeitschriftenhandel einen Bestand von 3,6 Millionen Abonnements. Das durchschnittliche Abonnement hielt etwa drei Jahre (Tiet^ 1978: 68). Den größten Anteil an der Produktion und am Bestand hatten (wie heute) die Programmzeitschriften, bei denen mit einer überdurchschnittlichen, heute kaum mehr erreichbaren Lebensdauer von vier bis fünf Jahren gerechnet werden konnte.

8.4 Die Kalkulation eines WBZ-Abonnements Der WBZ-Untemehmer tätigt aus eigenen Mitteln Investitionen in die Schaffung eines Abonnements, egal, ob mit eigenem Außendienst geworben oder von einer Werbeorganisation gekauft. Der Art nach bestehen seine Kosten in den Provisionen für den Werber und Organisationsleiter, den Fixkosten des Außendienstes, in den Kosten für Einweisung und Verwaltung des Abonnements sowie in der Übernahme des Zahlungsrisikos für gelieferte Hefte. In der Summe liegen die Kosten des WBZ-Händlers über den Umsatzerlösen des ersten Lieferjahres. Amortisieren lassen sich die Kosten erst im Laufe einer möglichst langen Haltbarkeit des Abonnements. Die Kalkulation, die der WBZ-Händler zur Ermitdung des Deckungsbeitrags gemeinhein aufzumachen pflegt, ist an Hand von drei verschiedenen Zeitschriftentiteln mit unterschiedlicher Erscheinungsweise vereinfachend in nebenstehender Übersicht dargestellt. Seine Erlöse erzielt der WBZ-Händler aus dem Abonnementspreis zuzüglich der Zustellgebühr und des einmalig vom Verlag gezahlten Werbekostenzuschuß. Eine Zustellgebühr kann nur mit Zustimmung des Verlages erhoben werden. Sie ist der Preis, den der Kunde für die Lieferung ins Haus bezahlt. Die Gebühr in unserem Rechenbeispiel soll jeweils 10% vom Endverkaufspreis für die wöchentlich erscheinende Programmzeitschrift und die vierzehntägliche TV-Illustrierte betragen. Beim Monatsobjekt ist die Zustellgebühr bereits in den Abonnementspreis inkludiert. Neben dem Werbekostenzuschuß, der in unserem Beispiel für das Wochenobjekt am höchsten und für den Monatstitel am geringsten ausfällt, gewährt der Verlag einen Rabatt von durchschnittlich 50 Prozent. Dieser bis Ende der siebziger Jahre übliche Einheitsrabatt wurde danach zunehmend von Staffel- und Bonussystemen, die wir in unserer Kalkulation unberücksichtigt lassen, abgelöst.

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9.7 Die Stellung des Lesezirkel im Lesermarkt In dem gleichen Maße wie die Unternehmensstruktur im Lesezirkel hat sich auch die Leserstruktur gewandelt. Bis weit in die fünfziger Jahre hinein wurden die Erstmappen zu 90 % von Privathaushalten bezogen. Heute liegen die Erstmappen zu 40 % in öffentlichen Auslagestellen wie Fitness-Studios, Cafes, Restaurants, Wartezimmer von Ärzten oder Anwälten und in Frisiersalons (dnv 5/2005: 4). Diese Verschiebung im Verhältnis zwischen privaten und öffentlichen Leserschaften hat sich im Zeitablauf negativ auf das Image des Lesezirkels ausgewirkt. So hat sich die Vorstellung durchgesetzt, dass der Lesezirkel in erster Linie eine ServiceEinrichtung für Restaurants, Friseure und Ärzte ist, während die Möglichkeit des Privatbezugs häufig unbekannt bleibt (VDL 2005: 109). Öffentliche Auslageorte genießen -von der höheren Leserzahl und dem höheren Inkasso einmal abgesehen- im Vergleich zu Privatkunden einen geringeren Wert. Öffentliche Kunden, insbesondere Friseure, verursachen höhere Kosten, weil die Mappen an Zweitund Dritdeser nicht mehr ausgeliehen werden können. Oft sind die Zeitschriften zerlesen, riechen zu stark oder die Rätsel sind schon gelöst (Nitschke 1989: 118f.). Auch wenn Friseur-Salons und Wartezimmer von Ärzten ohne Lesemappen kaum vorstellbar sind, so hat der Lesezirkel dennoch seinen Umsatzschwerpunkt im privaten Bereich. Diese für Nichteingeweihte zunächst nicht nachvollziehbare Tatsache liegt darin begründet, dass nur die Erstmappen zu 40 % in die öffentlichen Auslagen gelangen. Ab der zweiten Woche schlägt das Verhältnis deutlich zugunsten der Privathaushalte um. Sie stellen in der 1. Nachvermietung 70%, in der 2. Nachvermietung 80% und in der 3. Nachvermietung 90% der Kunden, so dass sich am Ende des Vermietungszyklus einer Lesemappe durchschnittlich 70 % private Haushalte ergeben. 3 " Aus der Addition von 187.500 Erst- und 469.750 Folgemappen ergeben sich wöchentlich 657.250 Abonnenten im Lesezirkel. Obwohl siebzig Prozent dieser Abonnenten Privathaushalte sind, kommen die LeserVgl. dazu das zeitlich überholte Rechenbeispiel in Becker+Stahl 1994: 4, das von jeweils 50 % Anteil der privaten Haushalte und öffentlichen Auslageorte an insgesamt 200.000 Erstmappen ausgeht.

319

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III. Absatzwege und Absatzmittler von Zeitungen und Zeitschriften kontakte -wie die Grafik mit der Verteilung nach Leseorten zeigt- überwiegend in den öffentlichen Auslagen zustande.

In Privathaushalten 13%

An anderer Stelle 8%

Beim Arzt 34%

Beim Zahnarzt 11%

Im Cafe, Restaurant, Gaststäte (jo/-)

Beim Friseur

26% Abbildung 23: Die Leseorte (dnv + new business Report 11/2004: 8) Die Daten der Media-Analyse 2005 Pressemedien I weist für den Lesezirkel eine Reichweite von 17,4% der deutschen Bevölkerung ab 14 Jahren aus. Mit rund 280 in den Sortimenten der einzelnen Unternehmen befindlichen Titel in einer Gesamtauflage von 4,8 Mio. Exemplaren je Ausgabe erreicht der Lesezirkel 11,2 Mio. Leser, von denen 1,5 Mio. in den neuen Bundesländern leben (dnv + new business Report Nov. 2004: 5; Verband Deutscher Lesezirkel 2005: 12) bzw. 59 % Frauen und 41 % Männer sind. Etwa die Hälfte der Leser einer Lesemappe rekrutiert sich aus der Altersgruppe zwischen 14 und 49 Jahren, verfügt über eine höhere Schulbildung und gehört Haushalten mit einem Nettoeinkommen von € 2.000.- und mehr an (dnv 3/2005:47; Verband Deutscher Lesezirkel 2005: 75+80).

9.8 Die Bedeutung des Lesezirkel für das Anzeigengeschäft der Verlage Die Daten der Media-Analyse (MA), die regelmäßig zweimal pro Jahr erhoben werden (VDL 2005: 73), bilden neben den IVW-Auflagenzahlen die Grundlage 440

9. Lesezirkel — Die Vermietung von Zeitschriften für die Mediaplanung der werbungtreibenden Wirtschaft. Da sie regelmäßig bedeutende Anteile ihrer Werbeetats für den Kauf von Anzeigenraum in Zeitschriften investiert, ist sie neben der Verkaufs- und Leseauflage besonders an der Struktur und Qualität der Leserschaft eines Mediums interessiert. Die Tatsache, daß mit einer verhältnismäßig geringen Verkaufsauflage eine ungewöhnlich hohe Leseauflage zu erreichen ist, wirkt sich im Wettbewerb mit anderen Absatzformen und Absatzwegen günstig auf die Position des Lesezirkels aus. Laut Media-Analyse hat eine Erstmappe durchschnittlich mehr als 50 Leser. Andere Untersuchungen, wie die mit Marplan durchgeführte „Mehr-Wert-Analyse" wiesen nach, daß der Lesezirkel einzelnen Zeitschriftentiteln zwischen 7 und 42 Lesern pro Ausgabe verschafft, d.h. im Durchschnitt der ausgewerteten 22 Titel 18 Leser pro Heftfolge bringt, (dnv 6/1997: 11). Für eine anzeigenorientierte Publikumszeitschrift ist der Lesezirkel unentbehrlich, besonders dann, wenn der unmittelbare Wettbewerber bereits eine hohe Lesezirkelauflage besitzt. Die Marktstellung des Lesezirkels ist von einer relativ starken Nachfrage geprägt, weil viele Verlage den überwiegenden Teil ihrer Einnahmen aus Anzeigen erlösen, und sich die Werbewirtschaft bei der Vergabe ihrer Etats weniger an der Zahl der Käufer (Verkaufsauflage) als vielmehr an dem Nachweis geeigneter Lesermengen und Leserqualitäten (Leseauflage) orientiert. Seit das Privatfernsehen den Printmedien die Führungsposition bei den Werbeeinnahmen streitig macht, fordern viele Anzeigenkunden soziodemografische Daten vom Lesezirkel nicht nur über die Struktur der rund 12 Mio. Leser, sondern auch über die Struktur der über 460.000 privaten Abonnenten bzw. über 100.000 privaten Bezieher einer Erstmappe, von denen die meisten LesezirkelUnternehmen nicht viel mehr wissen als Namen und Adresse (dnv 611997: 12). Um diesen Nachteil gegenüber anderen Medien wettzumachen, arbeitet beispielsweise der Leserkreis Daheim seit November 2004 an der Implementierung einer neuen, leistungsfähigen Informationstechnologie, um Data-Warehousing und Data-Mining praktizieren bzw. der regionalen und überregionalen Werbewirtschaft mehr Kenntnisse über seine Lesezirkel-Kundschaft vermitteln zu können ( f . Herbst in dnv + new business Report 11/2004 d: 19). Weil es aber auch Zeitschriften gibt, die die Lesezirkel-Unternehmen kostenlos erhalten, werden von Verlagen und Agenturen oft Meinungen geäußert, die der Branche als Vorurteile anhaften: - Lesezirkel nehmen alles, was nichts kostet, — Lesezirkel werden von den Verlagen subventioniert, - Lesezirkel sind nicht innovativ, - Lesezirkel helfen „kranken" Zeitschriften der Verlage länger zu leben, — Lesezirkel bringen hohe Reichweiten mit schlechter Kontaktqualität und — Lesezirkel bringen alte Zeitschriften zu Leuten, die sich keine neuen leisten können. Nachdem sich die Verlagsgruppe Milchstrasse aus derartigen Gründen lange Zeit geweigert hatte, ihre Titel TV Spielfilm, Arnica, Max, Fit for Fun u.a. auch in Le-

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III. Absatzwege und Absat^mittler von Zeitungen und Zeitschriften semappen anzubieten, tauchten die Objekte erstmals im Frühjahr 1999 bei einzelnen Lesezirkeln auf. Für den Bezug wurden Mindestabnahmemengen festgesetzt. Nach dem Wunsch des Verlages sollten die Objekte nicht in die Standardmappen, sondern ausschließlich in die Wahl- oder Wunschmappen eingelegt werden. Und um dies sicherzustellen, fixierte die Verlagsgruppe Milchstrasse für den Lesezirkel vergleichsweise hohe Abgabepreise (dnv 2/1999: 116). Der für gutes Anzeigenmarketing bekannte Verlag betonte zwar, dass sich seine Einstellung zum Lesezirkel geändert habe und der Absatz über diesen Vertriebsweg wichtiger geworden sei (J. Höppner in dnv + new business Report 11/2004 b: 11), die aus seinen Lieferungsund Zahlungsbedingungen herauszulesende Skepsis gegenüber Lesemappen war aber nicht zu übersehen. Hintergrund für die Bedenken war die dem Lesezirkel implizit zugeschriebene Kontaktqualität in den öffentlichen Auslagen, die laut einer Studie des Medienforschers Peter Beike „nahe Null" rangiert (Westerhagen 1993).™

9.9 Die Position des Lesezirkel in den IVW-Auflagenlisten Die Rubrizierung der Lesezirkelstücke in den IVW-Auflagenlisten ist im Laufe der Zeit mehrmals verändert worden. Bei Beginn der IVW-Auflagenprüfung im Jahr 1950 wurden die Lesezirkel-Exemplare als Unterrubrik der Abonnements ausgewiesen. „Feste, zahlende Einzelbezieher (davon Lesezirkel)" lautete die Bezeichnung (dnv + new business Report 11/2003:25). Ab Anfang 1990 sortierte die IVW die Lesezirkel-Auflage neben den Bordexemplaren bei den Sonstigen Verkäufen ein.321 Grundlage dafür war die Richtlinienreform der IVW, die im selben Jahr in Kraft trat. In dem sie vorgab, nach den neuen Richtlinien die Lesezirkel-Exemplare zwingend der Rubrik Sonstiger Verkauf zuordnen zu müssen, weil die Zeitschriften an den Lesezirkel und letztlich auch an die Bezieher einer Lesemappe zu einem erheblich reduzierten Preis abgegeben würden und nicht im Besitz des Mieters verblieben (dnv 6/1995: 21), förderte die IVW den Argwohn der Verlage und die Zweifel der Anzeigenkunden an dem Wert des Lesezirkels als Werbeträger. Darin sah der Verband Deutscher Lesezirkel eine Diskriminierung seines Produktes gegenüber dem klassischen Abonnement und eine Ursache für Fehlinterpretationen, weil die Lesezirkel-Stücke von nun an im Umfeld von Exemplaren gezählt wurden, für die der Leser nichts oder nur sehr wenig bezahlt, der Kunde des Lesezirkels hingegen bis zu € 500 pro Jahr entrichtet.

„Aktuell haben Lesezirkel als Werbeträger keine Bedeutung." Ulrich Schulze-Eckel, Geschäftsführer Universal/McCann, Frankfurt in: dnv+new business Report 11/2004 c: 13. 321 Fortan lautete die Bezeichnung „Sonstige Verkäufe, davon Lesezirkel-Stücke". 320

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9. Lesezirkel - Die Vermietung von Zeitschriften Jahrelang hat sich der Verband Deutscher Lesezirkel für eine Rücknahme oder Abänderung der Eingruppierung in den Sonstigen Verkauf eingesetzt. Der Vorstand hob hervor, dass der Bezieher einer Lesemappe ein Abonnent im klassischen Sinne sei, wenn er sich zur Abnahme über einen längeren Zeitraum verpflichte und einen nicht unerheblichen Mietpreis pro Woche bezahle. Daraus dürfe man schließen, dass es sich beim Lesezirkel-Bezieher in der Regel um einen kaufkräftigen Verbraucher handele und die Haltbarkeit seines Abonnements einen Vergleich mit anderweitig zustandegekommenen Einzelabonnements nicht zu scheuen brauche (dnv 6/1995: 21). Ein im Jahr 1995 gestellter Antrag auf Ausweisung der Lesezirkel-Stücke unter den Abonnements wurde von der IVW noch abgelehnt. Die IVW sah keine Möglichkeit für eine andere Zuordnung und empfahl, Beratungen mit dem Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) aufzunehmen. Wiederholte Gespräche mit dem VDZ und der IVW führten schließlich zu einem Kompromiss und einer Änderung der Richtlinien für die IVWAuflagenkontrolle dahingehend, die Lesezirkel-Exemplare ab dem II. Quartal 1997 in einer eigenen Auflagenrubrik vor den Bordexemplaren und dem Sonstigen Verkauf auszuweisen. Der Idealzustand ist damit noch nicht erreicht. Den sieht der Verband Deutscher Lesezirkel in einer gesonderten Rubrik unmittelbar zwischen den Spalten der beiden anderen Absatzformen Abonnement und Einzelverkauf (VOL· 1997: 126; dnv + new business Report 11/2003:25).

9.10 Der Lesezirkel-Verband auf der Suche nach einem neuen Konzept Der Lesezirkel ist ein stark erklärungsbedürftiges und vielfach verkanntes Produkt außerhalb des täglichen, lebensnotwendigen Bedarfs, das sich nur mit einer langfristig angelegten und zielgerichteten Image- und Kundenwerbung verkaufen lässt. Der Verband Deutscher Lesezirkel e.V. hat sich deshalb viele Jahre um ein Konzept bemüht, das dem Lesezirkel in der Öffentlichkeit und werbungtreibenden Wirtschaft zu einem besseren Image sowie zu einem höheren Stellenwert im Vertriebsmix der Verlage verhilft. Obwohl die MA-Untersuchungen zur Struktur der Lesezirkel-Nutzung regelmäßig belegen, dass die Leser jünger, besser ausgebildet, einkommensstärker und häufiger berufstätig sind, als der Durchschnitt der Bevölkerung, haben die Mitglieder der Branche mit dem Image des Lesezirkel in Richtung Leserfreundlichkeit, Aktualität und Jugendlichkeit nach wie vor ein Problem. Daß im Privatkundengeschäft weitere Impulse neben dem Erhalt und der Erneuerung des Kundenstammes vonnöten sind, demonstrieren verschiedene Lesezirkelunternehmen, indem sie Lieferprogramme speziell mit Titeln aus dem Kinder- und Jugendbereich auflegen (dnv 22/2004: 5; dnv 20-21/2004: 56 f.). Im Verband grübelt man darüber nach, warum der Lesezirkel in erster Linie über die öffentlichen Auslagen identifiziert und die hohe Zahl privater Kunden nicht recht wahrgenommen wird, d.h. 443

III. Absatzwege und Absat^mittler von Zeitungen und Zeitschriften keine Ausstrahlung auf den im Wartezimmer des Aretes lesenden Patienten oder Mandanten des Anwaltes erfolgt, den Lesezirkel auch als privat abonnierbares Medium anzusehen. Daß den Verbrauchern der Lesezirkel als ein Medium für den Privathaushalt weitgehend unbekannt ist, hat eine vom Verband in Auftrag gegebene Untersuchung bestätigt: Zwar kennt man die Lesemappe als Informationsund Unterhaltungsmedium aus der Kindheit - Eltern oder Großeltern hatten den Lesezirkel abonniert. Aber heute kauft man seine Zeitschrift doch am Kiosk (Schmidt, H. 1994: 21)\ In der Öffentlichkeit besteht ein Informationsdefizit darüber, dass die Lesemappe nicht nur als Standardmappe, sondern auch als Zielgruppen- oder Wahlmappe mit einem individuell, nach Kundenwünschen zusammengestellten Inhalt bezogen werden kann. Gleichzeitig haftet Lesemappen in der Nachvermietung das Image an, dass sie nicht aktuell sind und ihre Abonnenten eher minderbemittelten Bevölkerungsschichten angehören. Und es gibt Ärzte und Friseure, die in ihren Wartezimmern und Salons keine Zeitschriften mit Lesezirkel-Umschlag auslegen mögen, weil der Schutzumschlag bei manchen Patienten bzw. Kunden den Eindruck von gebrauchten und minderwertigen Zeitschriften hervorruft (Schmidt 1996:19). — Der Schutzumschlag als Werbeträger und äußeres Kennzeichen des Lesezirkels verkörpert für das einzelne Unternehmen und die gesamte Branche ein wichtiges Element in der Außendarstellung. Doch nach wie vor nutzen die meisten Unternehmen ihre Umschläge als Visitenkarte bzw. Aushängeschild der Lesezirkel-Branche nur unregelmäßig und uneinheitlich. — Die Qualität und Gestaltung der Umschläge entscheiden in hohem Maße mit darüber, wie der Lesezirkel und seine Produkte von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Doch nach wie vor ist das Image des Lesezirkels schlechter als sein Produkt. Da der Lesezirkel den Geruch der fünfziger Jahre nicht ablegen wird, solange es Unternehmen gibt, die qualitativ geringwertige Schutzumschläge verwenden (Schmidt, H. 1994: 24), verfolgt der Lesezirkel-Verband unternehmensübergreifend das Ziel, die Gestaltung der Umschläge, insbesondere des Titelkopfes, einer weitgehenden Vereinheitlichung zuzuführen (VDL 2002:90f.). Konzertierte Aktionen mit gemeinsamen Motiven und zu einheitlichen Terminen sollen für eine stärkere Marktdurchdringung sorgen, ein positives Image transportieren und den Lesezirkel als eigenständiges und einheitliches Medium positionieren. Ausgangspunkt des Lesezirkel-Marketing muß der auf der Qualität der Angebote, der Qualität der Produkte und der Qualität der Dienstleistung fußende, brancheneinheitliche, vom Erscheinungsbild her moderne Auftritt der einzelnen Unternehmen sein, um in der Öffentlichkeit ein positives Bild zeichnen und das angestaubte Image auslöschen zu können. Das größte flächendeckende Lesezirkel-Unternehmen in Deutschland, der Leserkreis Daheim sieht es als eine Daueraufgabe an, sein Image und das der Branche zu verbessern. Entsprechend und als Marktführer hat Daheim bereits vor einigen Jahren von der als „Leseprogramm" bezeichneten Mappe 444

9. hese^irkel — Die Vermietung von Zeitschriften über die Auslieferungsfahrzeuge bis zur Bekleidung der Zusteller für einen modernen Auftritt im Corporate Design gesorgt (dnv 4a/1999: 28). Zur generellen Imageverbesserung müßten sich jedoch alle Unternehmen in diese Richtung bewegen, weshalb die ehemalige Verbandsvorsitzende, Beate Stahl, die Mitglieder mit Blick in die Zukunft zu vorbehaldoserer Zusammenarbeit und Unterstützung von Gemeinschaftsaktionen aufrief.

9.10.1 Werbliche Aktivitäten des Verbands Deutscher Lesezirkel e.V. Der Verband Deutscher Lesezirkel e.V. hat seit 2001 eine breite Palette verschiedener Werbeaktivitäten in Form von Promotions auf Friseurwettbewerben, Print-, Hörfunk- und TV-Werbung sowie im Internet entfaltet (dnv 9/2004:22). Um ein progressives Image zu transportieren, wurde im Dezember 2001 unter www.lesezirkel.de eine gemeinsame Lesezirkel-Plattform aller Mitgliedsunternehmen durch den Verband eingerichtet. Die Verbands-Website verschafft dem Besucher einen Überblick über das Diensdeistungsangebot des Lesezirkels, erläutert seine Vorteile und beantwortet häufig gestellte Fragen. Sie präsentiert den Lesezirkel nicht nur als Unterhaltungsmedium, sondern auch als reichweitenstarken Werbeträger. Für die Agenturen und Werbungtreibenden werden alle relevanten Daten der Media- und Verbraucher-Analyse, aussagefähige Referenzen sowie die Kontaktadressen der verbandslizensierten Spezialmitder zum Abruf bereitgehalten. Ein weiterer Bereich der Verbands-Website ist nur für Mitgliedsunternehmen zugänglich. Er führt neben ausgewählten Informationen des Verbandes einen OnlineShop sowie ein spezielles Forum zum betrieblichen Erfahrungsaustausch (VOL· 2005:92). Das Werbemedium Hörfunk nutzt der Lesezirkel seit zwanzig Jahren (VOL· 2005: 93). Bundesweit hat der Lesezirkel-Verband im Jahr 2004 über 2.000 Hörfunk-Spots bei zwanzig verschiedenen lokalen und regionalen Sendern geschaltet. Dies entspricht einem Werbevolumen von rund 590.000.- Euro (VDL· 2005: 94). Allerdings handelt es sich bei der Hörfunkwerbung faktisch nicht um Werbeausgaben, sondern um eine Finanzierung im Gegengeschäft. Für die Lesezirkel-Spots erhalten die Radiosender Anzeigenraum auf den Schutzumschlägen der LesezirkelZeitschriften. Um den Kontakt zur Branche nicht abreißen zu lassen, und um zu verhindern, dass sich das Wissen um die Eigenarten des Absatzweges Lesezirkel nicht nur auf wenige Vertriebs-Mitarbeiter beschränkt, führt der Verband seit Sommer 1994 mit den Verlagen regelmäßig Informationsveranstaltungen über den Lesezirkel durch (dnv 10/2004: 74). Um die Zusammenarbeit zu intensivieren, wurde im Herbst 2003 im VDZ-Arbeitskreis Pressemarkt Vertrieb erstmals eine Projektgruppe Lesezirkel gegründet, die zusammen mit dem Lesezirkel-Vorstand das Ansehen und die Wertigkeit der Lesezirkel-Auflage in Vertriebs- und Anzeigenmärkten noch transparenter machen soll (VDL· 2004: 73). 2005 veröffentlichte der Lesezir445

III. Absatzwege und Absat^mittler von Zeitungen und Zeitschriften kel-Verband eine digitale Selbstdarstellung auf CD-Rom. Diese richtet sich mit zwei voneinander verschiedenen Versionen an die Zielgruppe der Verlage und die Agenturen und Werbungtreibenden (VDL· 2005:98f.).

9.10.2 Neukunden-Potentiale im gewerblichen und privaten Bereich Täglich verbringen in Deutschland 20 Millionen Menschen jeweils 40 Minuten Warte2eit bei Ärzten, Rechtsanwälten, Friseuren oder auf Ämtern (dnv + new business Report 1112004 a: 9). Hier anzusetzen und potentielle Kunden anzusprechen, in deren Geschäftsfeldern Wartesituationen entstehen, ist eine der ersten Aufgaben des Lesezirkel-Marketing. Daneben müssen auf Branchenbasis spezielle Leseprogramme für Zielgruppen entwickelt und nachhaltig beworben werden. Attraktive Angebote, Packages, Vorzugs-Konditionen für Erstkunden, Zögerer und Zauderer sowie unwissende Media-Planer könnten den Einstieg in den Lesezirkel vereinfachen helfen (dnv + new business Report 11/2004 c: 12). Besondere Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme verlangen Entwicklungen unter den wichtigsten Kundengruppen des Lesezirkel. Bei den Arztpraxen geht es darum, die Bezieher von Lesemappen zu halten. Seit 2002 hat die Zahl der Insolvenzen unter den Ärzten sprunghaft zugenommen (dnv + new business Report 11/2004 a: 9). Bei den Friseuren ist die Gesamtzahl der Filial-Betriebe seit 1998 gestiegen. Gestiegen ist damit aber auch das Risiko des Einstiegs branchenfremder Anbieter wie die Vertriebsgesellschaft Zeitschriften (VGZ) oder das Versandhaus Otto (VDL· 2005: 71 f.). Deutlich im Abschwung befinden sich Gaststätten, deren Gesamtzahl seit 1993 um rund 16 % zurückgegangen ist. Gleichwohl erzielen dort einzelne LesezirkelUnternehmen auch Akquisitionserfolge. So wurden 2004 mehrere Betriebe in die Belieferung der Systemgastronomie-Kette Alex mit einbezogen (dnv + new business Report 11/2004 a: 9) und der Leserkreis Daheim konnte die US-Kaffeehauskette Starbucks für den Bezug seines Zeitschriftenmietservices gewinnen. Seit Frühjahr 2004 beliefert der LKD die 31 Coffee Houses sowie künftige Neueröffnungen mit einem aus elf Zeitschriften bestehenden Leseprogramm (dnv 15-16/2004:4). Da in wichtigen gewerblichen Kundenkreisen gewisse Sättigungsgrenzen (Friseure) oder wirtschaftliche Zwänge (Ärzte) festzustellen sind, kommt der Privatkundenwerbung trotz eines durchschnittlich geringeren Inkassos und einer kürzeren Haltbarkeit eine große Bedeutung zu. Regionen, in denen überdurchschnittlich viele Lesezirkel vermietet werden, sind der Norden und Süden Deutschlands.322 Die höchste Reichweite nach Gemeindegrößen erreicht der Lesezirkel mit 18,4% in Städten zwischen 100.000 und 500.000 Einwohnern. Neukundenpotential für

Hamburg 23,4 % Reichweite, Baden-Württemberg 20,6 % Reichweite, Bayern und Schleswig-Holstein 19,7 % Reichweite. Vgl. dnv 3/2005: 47.

322

446

9. Lese^rke/ - Die Vermietung von Zeitschriften die Lesezirkelfirmen besteht vor allem in den ostdeutschen Bundesländern323, die von 12 Mitgliedsunternehmen abgedeckt werden (VDL· 2005: 12). Die positive Aufnahme, die der Lesezirkel unmittelbar nach der politischen Wende gefunden hatte, ist nach der Währungsunion und infolge steigender Arbeitslosigkeit einer gewissen Zurückhaltung gewichen. Die Positionierung des Lesezirkels in den neuen Bundesländern erfolgt anders als in Westdeutschland über die öffentlichen Auslagen. In der DDR gab es in den fünfziger Jahren eine von der Post zugestellte Lesemappe (dnv 5/2000: 10), die aber schnell wieder verschwand. So war die Idee des Lesezirkels in den östlichen Ländern nach der Wiedervereinigung weitgehend unbekannt, und bis heute fasst er nur schwer Fuß im privaten Bereich. Der zu DDR-Zeiten in Vergessenheit geratene Lesezirkel musste in den neuen Bundesländern aus dem Nullpunkt heraus neu aufgebaut werden (dnv 6/ 1999: 34 f ; dnv 511993: 36f.). Insgesamt betrachtet, ist die Akquisition von Lesemappen-Beziehern personalund kostenintensiv. Eine durchschnittliche Kündigungsrate zwischen zehn und fünfzehn Prozent pro Jahr (G. Hildebrand in dnv 9/2004: 11 f.), die rund 200 Neuwerbungen für die Erhaltung des Kundenbestandes eines einzelnen Unternehmens erforderlich macht, verursacht Werbekosten in Höhe von rund 50.000 Euro (dnv 3/1997: 11). Neuabschlüsse von Abonnements und Lesezirkel-Werbung sind jedoch notwendiger denn je. Um seinen Bestand nicht nur zu sichern, sondern weiter auszubauen, muß sich die Branche und jedes einzelne LesezirkelUnternehmen bei der Kundengewinnung und bei der Öffnung bisher nicht erschlossener Verbraucher- und Werbepotentiale der gesamten Palette klassischer524 und neuer Werbemethoden 325 bedienen. Das Internet hat sich längst vom Experten- zum Alltagsmedium entwickelt, das von breiten Bevölkerungskreisen zur Recherche, Information, Kommunikation und Unterhaltung benutzt wird. Dieser Entwicklung hat sich der Lesezirkel angepasst, indem er sein Angebot seit 1999 von sieben (dnv 4a/1999: 34) auf 67 firmenindividuelle Websites ausgedehnt hat. Die Zahl der „weißen Flecken" bei insgesamt 181 im Handbuch für den Pressevertrieb verzeichneten Betrieben ist aber noch sehr hoch (Neumann 2005: 674 ff.). Die Bedeutung des Internet für den Lesezirkel liegt vor allem darin, dass er auf diesem Wege jüngere Zielgruppen erreicht. Mit dem Internetauftritt www.lesezirkel.de nutzt der Lesezirkel-Verband ein weltumspannendes Medium, um sich und das Geschäftsprinzip des Lesezirkels darzustellen. Neben der Informationsvermittlung besteht das Ziel der Verbands-Domain darin, den Direktkontakt zwischen einem Interessenten und dem für ihn regional zuständigen Lesezir323 In Brandenburg (9,1 %), Mecklenburg-Vorpommern (10,2 %) und Sachsen (11,2 %) liegen die Reichweitenwerte am unteren Ende der Skala. Vgl. dnv 3/2005: 47. 324 Zustellerwerbung, Leser-wirbt-Leser-Werbung, Direct Mailings, Postwurfsendungen, Zeitungsbeilagen, Standwerbung auf Messen. 323 Telefonmarketing, Kundenmagazine, Homeshopping, PoI-/PoS-Systeme, Internet.

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III. Absatzwege und Absat^mittkr von Zeitungen und Zeitschriften kel-Unternehmen herzustellen. Dem Internet-User wird per PostleizahlenSuchfunktion die Möglichkeit eröffnet, die mit der Verbandsdomain verlinkten Webseiten der Mitgliedsunternehmen aufzusuchen und konkrete Preis- und Lieferangebote abzufragen. Seine Internetpräsenz ergänzt der Lesezirkel durch das deutschlandweite Angebot, zum Schnupperpreis von € 6.- eine einheitlich aus acht Titeln bestehende Probemappe und den Service des regional zuständigen Lesezirkel-Unternehmens kennenzulernen. Die Zahl der Seitenabrufe beträgt durchschnittlich 1.200 pro Tag, die Umwandlungsquote in Lesezirkel-Abonnements liegt -je nach Firma und Unterstützung durch den Außendienst bzw. die Zustellerzwischen zehn und dreißig Prozent (dnv 12/2003:31).

9.11 Die Partnerschaft zwischen Lesezirkel-Unternehmen und Verlagen Obwohl über die Verkaufsform Vermietung eine hohe Reichweite und Kontaktqualität erzielbar ist, ist für viele Verlage der Lesezirkel ein Vertriebsnebenweg (Schmidt 1996: 22), manchmal ein Stiefkind, das unter „ferner liefen" läuft (Stahl 1994: 30). Viele Verlage wollen ihre Zeitschriften verkaufen, aber nicht vermieten. Deshalb nehmen sie den Lesezirkel -wenn überhaupt- auch nur zur Stützung und Stabilisierung der Auflage sowie zur Steigerung des Bekanntheitsgrades eines Titels in ihr Vertriebsmix auf. Die Beziehungen zwischen Verlagen und Lesezirkeln waren im Laufe ihrer gemeinsamen Geschichte immer wieder Schwankungen unterworfen: „Ging es den Verlagen gut, war der LZ (...) geduldet, ging es ihnen schlecht, wurden wir hofiert und manchmal auch mit Werbekostenzuschüssen verwöhnt" (B. Stahl in dnv 6/1995: 20). Die Reichweiten des Lesezirkels waren in den sechziger Jahren Gegenstand eines Streits zwischen den Objekten Stern und HörZu. Die HörZu war damals als auflagenstärkste Zeitschrift für Lesemappen nicht erhältlich und partizipierte deshalb nicht an den Reichweitenzuschlägen des Lesezirkels. Dies führte dazu, dass die HörZu zwar regelmäßig mehr als doppelt so viele Exemplare wie der Stern verkaufte, der Stern ausweislich der Leser-Analyse der AG.LA326 mit 20 Lesern pro Ausgabe im Lesezirkel jedoch die reichweitenstärkste und damit meistgelesene Zeitschrift wurde. Aus dieser Wettbewerbssituation heraus zog der Axel Springer Verlag gegenüber der werbungtreibenden Wirtschaft Quantität und Qualität der Lesezirkel-Reichweiten in Zweifel und favorisierte das Abonnement und den Einzelverkauf (Dorn! Vogel 2001: 179f.). Laut Media-Analyse 2005 Pressemedien I lesen Woche für Woche 17,4% der erwachsenen Bundesbürger, d.h. weit mehr als 11 Millionen Personen in Deutschland Zeitschriften des Lesezirkels (dnv 3/2005: 47). Die Vertreter dieser Absatz326

Arbeitsgemeinschaft Leseranalyse e.V. und Vorgängerorganisation der AG.MA.

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9. Lesezirkel— Die Vermietung von Zeitschriften form sehen sich deshalb als „Reichweitenbringer" für die Verlage in einer Zeit, in der die Auflagen der großen Publikumszeitschriften rückläufig sind. Vor dem Hintergrund rückläufiger Verkäufe hat sich gezeigt, dass einige Verlage ihre Auflagen im Lesezirkel nicht nur stabilisieren, sondern häufig sogar erweitern. Um bei Bedarf, zum Beispiel bei Neueinführung eines Titels, auch größere Stückzahlen kurzfristig beim Lesezirkel unterzubringen zu können, muß ein Verlag allerdings gute Kontakte zu den einzelnen Firmen der Branche unterhalten. Für seinen neuen Wochentitel Frau im Trend 321 baute der Burda Medien Vertrieb die LesezirkelAuflage binnen kurzer Zeit sukzessive bis auf 65.000 Exemplare, d.h. bis etwa 10% der gesamt verkauften Auflage aus (VDL 2005: 68). Mit Frau im Trend bewegt sich Burda in einem dicht besetzten und hart umkämpften NiedrigpreisSegment (Copypreis 0,60 Euro), so dass der Verlag trotz 631.400 verkaufter Exemplare/Ausgabe (IVW 2004) auf ein erfolgreiches Anzeigengeschäft setzen muß, das die Lesezirkelsparte wegen ihrer bedeutenden Reichweite für Burda unverzichtbar macht (G. Ziegler in dnv + new business Report 11 j2004 b: 10). Der anzeigenorientierte Stern, für den die Absatzmitder im Lesezirkel ebenfalls unentbehrlich sind, obwohl auf diesem Absatzweg nur 13 % seiner Herstellkosten gedeckt werden (Brummund 1985: 73), war 2004 mit 195.600 Exemplaren im Lesezirkel vertreten, obwohl dies die Zahl von 187.500 Erstmappen übersteigt. Erklärbar ist diese Diskrepanz der Zahlen damit, daß es den von Gruner + Jahr kontaktierten Lesezirkel-Unternehmen gelungen ist, zahlreiche Kunden mit öffentlicher Auslage für ein zweites Stern-Exemplar zu gewinnen (dnv 24/2002:54).

9.11.1 Die Bedeutung des Lesezirkels für einzelne Zeitschriften-Titel und Verlage Aufschlußreich für die Geschäftsbeziehungen zwischen Verlagen und Lesezirkeln ist die Entwicklung der Auflagen einzelner Titel in einem Zeitraum von zehn Jahren. In der Gruppe der zehn größten Objekte im Lesezirkel liegen die Anteile dieser Vertriebspartner im Jahr 2004 bei allen Objekten höher als im Jahr 1994. Dabei schwanken die Zuwächse von 0,6 % bei Bunte bis zu einem Plus von fast 20 % bei der Neuen Revue, die mit einem Lesezirkel-Anteil von 42,2 % am Gesamtverkauf (VDL 2005: 68) hervorsticht. Der hohe Anteil des Lesezirkels am Gesamtverkauf der seit vielen Jahren mit Auflagenproblemen kämpfenden Neuen Revue ist insofern beachtlich, als die Verlagsgruppe Bauer mit ihren vertriebsorientierten Titeln bei den Lesezirkeln sonst nicht so stark vertreten ist und lange Zeit bestrebt war, die Reichweite gegenüber der Auflage abzuwerten und nur noch die Abo- und EV-Auflage als sogenannte „harte Währung" im Anzeigenmarkt durchzusetzen (Stahl 1995: 26). Die Verlagsgruppe Bauer (HBV), die 2004 durchMarkteintritt bei Heftfolge 18/2003

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III. Absatzwege und Absat^mittler von Zeitungen und Zeitschriften schnittlich 2,3 % der Auflage ihrer über 40 Zeitschriftentitel im Lesezirkel absetzte, betreibt nach Auskunft ihres Geschäftsführers Frauenzeitschriften in punkto Lesezirkel keine einheitliche Verlagspolitik, sondern eine individuelle Objektpolitik und bestätigt damit die eingangs des vorherigen Kapitels getroffene Feststellung: Die Verlagsgruppe Bauer betrachtet den Vertrieb über den Lesezirkel wegen der erzielbaren Reichweiten und der Werbewirkung für den Einzelverkauf als eine lohnende Investition, auch wenn die Erlöse geringer ausfallen als beim Einzelabonnement oder im Einzelhandel. Die Vertriebsstrategie des HBV ist temporär und kann je nach Objekt sehr unterschiedlich ausfallen, was für den Lesezirkel bedeutet, dass sein Einsatz forciert oder reduziert wird, je nachdem wie attraktiv dieser Vertriebskanal dem Verlag gerade erscheint (G. Rateike in dnv + new business Report 2002:13). Der Vertriebssparte Lesezirkel wird insgesamt betrachtet keine einheitliche, sondern eine von Verlag zu Verlag und von Zeitschrift zu Zeitschrift andere, von der Position des jeweiligen Titels im Anzeigen- und Vertriebsmarkt abhängige, Bedeutung zugemessen. Für die Wochenendpresse, auch „Yellow-Press" genannt, hat der Lesezirkel eine sehr hohe Bedeutung. Denn gerade die Titel aus diesem Umfeld sind unverzichtbar für die Standardmappen. Das Gleiche gilt für aktuelle Illustrierte, Nachrichtenmagazine und die klassischen, zweiwöchentlich erscheinenden Frauenzeitschriften. Für den Jahreszeiten-Verlag, der fast ein Viertel der Gesamtauflage seiner 12 Titel im Lesezirkel absetzt, ist dieser Absatzweg schon deshalb unverzichtbar, weil wesentliche Teile davon über den verlagseigenen Leserkreis Daheim vermietet werden. Bei den Zeitschriften der Axel Springer AG ist der Lesezirkel mit durchschnittlich 4,5 % Auflagenanteil eine Konstante des Vertriebsmix aus Einzelverkäufen und festen Bestellungen, die dem Verlag -auch für den Anzeigenbereich- die erforderliche Planungssicherheit verschaffen (M. Fischer in dnv + new business Report 2002: 12f.). Hubert Burda Media ist seit vielen Jahren Partner des Lesezirkels und mit durchschnittlich 8,7 % Anteil an den Verkaufsauflagen seiner über 60 periodischen Titel zugleich der bedeutendste Lieferant unter den Verlagen.

9.11.2 Die Struktur der Lesezirkel-Sortimente nach Zeitschriftengruppen (Themenbereichen) Die Sortimente der einzelnen Lesezirkel haben sich im Laufe von Jahren gravierend verändert. Im Jahr 1980 wurden in verschiedenen Kombinationen neunzehn wöchentlich, sechs vierzehntäglich und vierunddreißig monatlich erscheinende Zeitschriften in Lesemappen verarbeitet (Brummund 1985: 74). Von den insgesamt 59 Titeln waren fünf Illustrierte, zwei Magazine, zwölf Frauen-, sechs Wochenend, vier Freizeit- und dreißig Special-Interest-Zeitschriften. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Erscheinungshäufigkeiten ergab dies eine wöchentliche Gesamtauflage von rund 1,9 Mio. Exemplaren und eine durchschnittliche Anzahl 450

9. Lesezirkel — Die Vermietung von Zeitschriften von 10 Heften pro Lesemappe. Fünfundzwanzig Jahre später hat der Lesezirkel parallel zur Entwicklung im Zeitschriftenmarkt sein Titelangebot auf 279 Objekte aufgestockt und damit die Sortimentsbreite nahezu verfünffacht (VOL· 2005: 18). Die Umrechnung der im IV. Quartal 2004 insgesamt vom Lesezirkel bezogenen 4,788 Mio. Exemplare/Ausgabe, die in unterschiedlicher Frequenz erscheinen, ergeben eine durchschnittliche Wochen-Auflage von 2,591 Mio. Zeitschriften (VDL 2005: 58). Legt man 187.500 Erstmappen zugrunde, liegt die durchschnittliche Anzahl der Hefte pro Lesemappe mit 14 Objekten um vier Zeitschriften höher als im Jahr 1980. In seinen Geschäftsberichten klassifiziert der Verband Deutscher Lesezirkel die Gesamtzahl lieferbarer Zeitschriftentitel in fünf Hauptgruppen. Bei der prozentualen Gewichtung der themenbezogenen Zeitschriftenarten aufgrund der pro Woche in den Lesemappen enthaltenen Exemplare ergibt sich die nachstehende Reihenfolge (VDL· 2005:62): Frauenzeitschriften 47,39 % Special-Interest-Zeitschriften 29,54 % Gesellschaft + Politik 16,00% Wirtschafts-Zeitschriften 4,87 % Unterhaltung (Sex, Erotik) 2,20 % Neben den großen Illustrierten und Nachrichten-Magazinen (Gesellschaft und Politik), die 16 Prozent der vermieteten Zeitschriften stellen, sind in erster Linie die Frauenzeitschriften mit einem Anteil von 47 Prozent das thematische Schwergewicht in einer nach Auflagenanteil gewichteten Lesemappe. WirtschaftsMagazine halten einen Anteil von knapp fünf Prozent und die Unterhaltungstitel erzielen gute zwei Prozent. Die verbleibenden 30 Prozent an der vermieteten Auflage werden durch die mitderweile zweitstärkste Gruppe der Special-InterestZeitschriften328 abgedeckt, mit denen auch im Lesezirkel eine Entwicklung sichtbar wird, die für den gesamten Zeitschriftenmarkt Gültigkeit besitzt: die Zunahme der Titelzahl bei gleichzeitig sinkender Auflage des einzelnen Objektes. Betrachtet man allein die 191 im Lesezirkel nachgefragten Special-Interest-Objekte, stellt man fest, dass sich ihre Zahl seit 1980 versechsfacht hat und rund 70 % aller im Lesezirkel vermieteten Titel aus dieser Zeitschriftengruppe stammen (VDL· 2005:63). Laut IVW IV. Quartal 2004 dominieren unter den 279 in Lesemappen vermieteten Zeitschriften acht Titel mit Auflagen über 100.000 Exemplare das Lesezirkel-Angebot: Stern (1.), Bunte (2.), Freundin (3.), Für Sie (4.), Brigitte (5.), Freizeit Revue (6.), Frau im Spiegel (7.) und Das Beste (8.). Für die LesezirkelUnternehmen stellen diese acht Zeitschriften die Basis ihres Geschäftes dar. Auf-

338

Rätsel, Romane, Motorpresse, Wohnen, Garten, Sport usw.

451

III. Absatzwege und Absat^mittler von Zeitungen und Zeitschrißen addiert repräsentieren sie (gewichtet) dreißig Prozent aller im Lesezirkel vermieteten Exemplare.

9.11.3 Die Marktanteile der Verlage im Lesezirkel Ein Vergleich der Anteile der die Zeitschriften liefernden Verlage an der Lesezirkel-Gesamtauflage von 1992 und 2004 ergibt ein Bild hoher, tendenziell abnehmender Abhängigkeit von wenigen Lieferanten:

übrige Verlage 22,3

Verlagsgruppe Bauer 12,4 %

Burda Medien 26,6 %

Axel Springer 10,8 % Jahreszeiten 5,2 % Gruner Jahr 22,7 % Abbildung 24: Anteile der Verlage an der LZ-Gesamtauflage

Trotz 279 verschiedener Titel mit einer wöchentlichen Gesamtauflage von 2,591 Mio. Exemplaren im Lesezirkel, ist die Zahl der Objekte und Lieferanten, an denen die Unternehmen der Branche interessiert sein müssen, gering. Burda Medien und Gruner + Jahr liegen mit 27 % bzw. 23 % Anteil an der Spitze der LesezirkelLieferanten. Dahinter folgt die Verlagsgruppe Bauer (12%) und Axel Springer mit 11 Prozent. Durch die große Zahl der Erstmappen bzw. den hohen Marktanteil 452

10. Sonstiger Verkauf seiner Lesezirkeltochter Leserkreis Daheim ist der Jahreszeiten-Verlag mit 5% Marktanteil überproportional an der Lesezirkel-Gesamtauflage vertreten. Summa summarum ergibt sich, dass allein die fünf größten Lieferanten des Lesezirkels fast 80 % aller vermieteten Zeitschriften liefern. Ihr Gesamt-Marktanteil im Lesezirkel ist in den letzten zwölf Jahren um rund 5 % zugunsten kleinerer Verlage und Nationalvertriebe zurückgegangen.

10. Sonstiger Verkauf Bei der Betrachtung der Zeitschriftenauflagen seit 1997 fällt auf, dass der Umsatz und die Zahl der verkauften Exemplare im EV-Vertrieb um über 4 % zugunsten des Sonstigen Verkaufs zurückgegangen ist. Was verbirgt sich hinter 12 Mio. Exemplaren Sonstiger Verkauf, die rund 10 % Anteil an der Gesamtauflage der deutschen Publikumszeitschriften repräsentieren? Nach den seit dem 1. Januar 2003 gültigen IVW-Richtlinien werden unter dem Sonstigen Verkauf alle verkauften Exemplare subsummiert, „die weder den abonnierten Stücken noch den Einzelverkäufen zuzurechnen sind". Die an Airlines verkauften Exemplare, die in VIP-Lounges32', Wartezonen und Flugzeugen den Passagieren unentgeltlich angeboten werden, müssen seit der Neufassung der Richtlinien gesondert erfasst und als sog. Bordexemplare ausgewiesen werden, um das teilweise nicht unerhebliche Volumen der Bordexemplare klar zu dokumentieren. Die besondere Herausstellung des Sonstigen Verkaufs bzw. der Bordexemplare ist hilfreich für Werbungtreibende und einen klareren Auflagenvergleich. Durch sie werden über den Abgabe- bzw. Bezugspreis geschaffene Wettbewerbsungleichheiten besser erkennbar (Schult^ 1994:233).

10.1 Bordexemplare und Printmedien-Logistik für Luftfahrtgesellschaften Bordexemplare sind ein wichtiges Geschäftsfeld der Bayerischen Medien Logistik GmbH (www.bayern-logistik.de), deren Schweizer Beteiligungsgesellschaft NewsLog AG530 als Absatzhelfer verschiedener Verlage im Auftrag der LSG LufthansaService-Gesellschaft Zeitungen und Zeitschriften für die Lufthansa und ihre Kooperationspartner kommissioniert." 1 Zuzüglich zu den Lufthansa-, Condor- und In den Business-Lounges der Lufthansa liegt z.B. der vom Münchener Finanzen Verlag publizierte Art Investor aus. 330 Handelsregistereintrag veröffentlicht in Amtsblatt Schaffhausen 2004: 1225 331 Diese Dienstleistung hatte zuvor vierzehn Jahre lang die Frankfurter Gesellschaft fur Printmedienlogistik VCA erbracht, die den LSG-Auftrag ab 1.6.2004 an die BML verlor. Zu den Abwicklungsdetails vgl. dnv 1/1998: 22 ff.; dnv 11/2000: 26 ff. 329

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III. Absatzwege und Absat^mittler von Zeitungen und Zeitschriften City-Line-Maschinen werden im Rahmen der weltweiten „Star Alliance" auf aktuell acht Flughäfen Maschinen der brasilianischen VARIG, United Airlines und der Air Canada mit Bordexemplaren beliefert. Nahezu alles, was an nationaler und internationaler Presse an Bord der Flugzeuge gelangt, durchläuft die Verpackungsstrassen der News-Log AG und wird im Regelfall auf die einzelnen Flugnummem kommissioniert. Internationale Zeitungen wie die Financial Times, International Herald Tribune oder das Wall Street Journal liefern hohe Anteile ihrer deutschen Auflage an die Lufthansa und ihre Partner (Weiland 1996: 118). Alle notwendigen Daten zur Lieferscheinschxeibung und Paketbeanschriftung sind im EDV-System des Absatzhelfers hinterlegt, so dass die Lieferscheine pro Flug erstellt und die Pakete flugzielbezogen beanschriftet werden können. Die Mengendisposition mit der LSG Lufthansa erfolgt täglich. Die Stammdaten mit Flugnummern und Lieferanschriften für Lounges und Gates sind relativ gleichbleibend. Variabel sind die Exemplarmengen in Abhängigkeit vom voraussichtlichen Fluggastaufkommen, so dass die Auflagen von Tag zu Tag schwanken. Kommissioniert wird nach sogenannten Standard- und Sonderbausteinen, die unterschiedliche, flugzielbezogene Titel-Paletten enthalten, wie z.B. spanische Tages-Zeitungen oder Titel, die ausschließlich auf Flügen nach oder von Spanien an Bord geliefert werden. Darüberhinaus kommissioniert die News-Log AG für die LSG alle Sendungen mit überwiegend in Deutschland produzierten Zeitungen und Zeitschriften für die weltweite Belieferung der Lounges. Rund 25 Mio. Bordexemplare verarbeitet die News-Log AG jährlich (dnv 3/2003: 16), d.h. durchschnittlich kommen pro Tag rund 100.000 Zeitungen und Zeitschriften allein bei den mit Lufthansa und ihren Kooperationspartnern reisenden Geschäftsleuten und Urlaubern zum Einsatz. Dies entspricht einem Gewicht von rund 30 Tonnen und einem Lieferumfang von ca. 100 Transportbehältnissen, die bis hin zu Trolley- und Bordbestückungswagen in mehreren Touren „just in time" zu den Flughäfen gebracht werden müssen. Besonders die erste Lieferung für die Frühmaschinen, die ab 4:30 Uhr starten, ist wegen Druckverzögerungen aufgrund aktueller Ereignisse häufig ein Kampf gegen die Uhr. Zeit- und verpackungstechnisch relevant sind bei einigen Lieferungen zusätzliche, von den Airlines nachgefragte Serviceleistungen wie z.B. Titelseiten-Aufkleber oder die Einzelexemplar-Verpackung mit Banderole und werblichem Aufdruck des Bestellers. Neben der Lieferung und Konfektionierung der Exemplare übernimmt der Absatzhelfer News-Log AG auch die Qualitätskontrolle bereits benutzter, noch aktueller Bordexemplare, die auf Wiederverwendbarkeit überprüft und wiederausgeliefert werden, während der Rest dem Altpapier zugeführt wird.

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10. Sonstiger Verkauf

10.1.1 Gtatis-Zeitungen für Passagiere, Bahnreisende, Fahr- und Hotelgäste Bordexemplare für Luftverkehrsgesellschaften sind für viele Zeitungen und Zeitschriften ein wichtiger Absatzweg. Ihr Anteil am Gesamtverkauf reicht von 5 % bis über 30 % (Könemann 2001: 17+18). Auflagen bzw. Teilmengen für die einzelnen Flüge und Destinationen werden nebst Konditionen zwischen Verlag und Airline jeweils vor Inkrafttreten neuer Flugpläne neu verhandelt. Entsprechend groß ist das Gerangel um Abgabepreise und Kontingente532, und je nach dem Angebot des Konkurrenten schwanken die eigenen Auflagen von einem Lieferintervall zum anderen schon einmal erheblich. Die Präsenz ihrer Titel an Bord der Maschinen lassen sich die Verlage etwas kosten und nicht selten gehen sie für manche Titel an die Grenze des nach den IVW-Richtlinien Erlaubten.333 In der Vergangenheit konnten vor allem die überregionalen Tageszeitungen bis zu 10 % ihrer verkauften Auflage aus den Bordexemplaren rekrutieren (Hoffmann 2004(a): 40). Das kann aber auch auf lokale und regionale Tageszeitungen zutreffen, die in der Regel zwar nur einen Flughafen, dort jedoch meist mehrere Fluggesellschaften beliefern.334 Die „Nummer 1" unter den Zeitungen mit mehr als 5% Anteil Bordexemplare am Gesamtverkauf war bis zum Krach mit der Lufthansa im Mai 2001 die Süddeutsche Zeitung (Könemann 2001: 18). Wegen kritischer Berichte zum Pilotenstreik reduzierte die Fluggesellschaft kurzerhand die Anzahl der Bordexemplare von ursprünglich vereinbarten 22.000 auf 12.000 pro Tag.335 Die Lufthansa hatte die Zahl der gratis an ihre Fluggäste abgegebenen Bordexemplare aus Kostengründen schon einmal reduziert (Weiland 1996: 118) und das Presseangebot auf ihren Flügen gestrafft ebenso wie die zweitgrößte, zum Billigflieger „dba" repositionierte deutsche Tochter von British Airways, die im Mai 2002 ihre täglich rund 11.000 Bordexemplare auf den rund 130 Flügen pro Tag komplett strich. Der immer härter werdende Konkurrenzkampf der Luftfahrtgesellschaften untereinander, den vor allem kleinere Wettbewerber ohne jeglichen Service durch Preisdumping häufig anheizen, bringt auch die Verlage, die ihre Gesamtverkäufe über Bordexemplare in die Höhe geschraubt haben, in Verlegenheit. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn AG hatten im April 1995 drei Verlage die Aktion „Zeitung im Zug" veranstaltet, um die Akzeptanz ihrer Titel H. Griesand, Frankfurter Rundschau, zitiert bei Weiland 1996: 118 „Daß dabei gelegentlich des Guten zu viel getan wird, empfinden zurückhaltendere Verlage als Ärgernis" (Schulz 1994: 234). 334 Knapp 300.000 Exemplare täglich, d.h. fast 2 % der Gesamtauflage von 15,4 Mio. Exemplaren regionaler Abonnements-Tageszeitungen werden an Passagiere, Bahnreisende, Fahr- und Hotelgäste abgesetzt. Vgl. Hoffmann 2005: 42 335 Offiziell wurde dazu von der Lufthansa vorgetragen, dass man eine vom Kunden starker gewünschte Medienvielfalt sicherstellen und dem verstärkten Interesse an Regionalzeitungen Rechnung tragen wolle. Vgl. Könemann 2001: 18. 3,2

333

455

III. Absatzwege und Absat^mittler von Zeitungen und Zeitschriften unter den Fahrgästen der 1. Klasse zu erproben (dnv 4/1995:22). Die Reisenden in zehn ICE-Zügen konnten sich dabei an auf dem Boden bzw. im Gepäckfach der 1. Klasse-Wagen liegenden Zeitungen kostenlos bedienen. Diese als Marketingmaßnahme gedachte Aktion war aus mehreren Gründen unüberlegt. Ein Fahrgast entscheidet sich nicht für ein Verkehrsmittel, weil es dort kostenlos Zeitungen gibt oder nicht. Eine Beschränkung auf die Fahrgäste der 1. Klasse war nicht durchzuhalten, weil die Exemplare nicht individuell, sondern in Selbstbedienung angeboten wurden. Und für die Bahnhofsbuchhändler stellte die Verlegeraktion wegen der kostenlosen Bereitstellung der Zeitungen, die sie für die selben Verlage zum aufgedruckten Ladenpreis verkaufen sollten, einen unfreundlichen Akt dar. Neben Airlines, der Deutschen Bahn und Taxen, die z.B. die Financial Times Deutschland als zusätzlichen Absatzweg zunächst in Hamburg benutzte und auf das gesamte Bundesgebiet auszudehnen plante, spielen große Hotels für überregionale deutsche und internationale Tages-, Wirtschafts- und Finanzzeitungen eine wichtige Rolle, die sie mit hohen Nachlässen auf den Einzelverkaufspreis goutieren, um den Geschäftsreisenden mit Informationen versorgen und eine für die Anzeigenkunden hochwertige Zielgruppe erreichen zu können. Umgekehrt setzen Hotelketten, die aus Servicegründen Tageszeitungen in größeren Stückzahlen abnehmen und für ihre Gäste auslegen, Qualitätszeitungen gern als Kundenbindungs-Instrument ein. Für die Vertriebsleitung von Die Welt bilden Hotelverkäufe „ein unschätzbares Reservoir für die Hinzugewinnung von Käufern" (dnv 12/2001:31).

10.1.2 Welcome-Service auf Flughäfen und kostenlose Auslage in Hotels Die durch preislich stark ermäßigte, sonstige Verkäufe an Airlines oder in Hotels erreichten Verkaufszuwächse in den IVW-Meldungen als Manipulation zu bezeichnen, ginge zu weit. Durch den Umstand jedoch, dass bei Abgabepreisen von 1 Cent bzw. 90 % Rabatt auf den Copypreis die Vertriebserlöse aus dem Sonstigen Verkauf kaum noch eine Rolle für das Objektergebnis spielen, haftet diesem Absatzweg in den Augen der werbungtreibenden Wirtschaft ein Makel an, den der Marketingleiter des Spiegel mit dem Vergleich zwischen „muskulärer" und „Silikon-Auflage" (von Hammerstein 2001: 1) zu verniedlichen versuchte. Lauterem Wettbewerb zuträglicher wäre es, verschiedene Spielarten des Sonstigen Verkaufs auf Verstöße gegen Preis- und Verwendungsbindungs-Vorschriften zu untersuchen und in berechtigten Fällen zu untersagen. Denn wie sonst will man verhindern, dass die in der Gepäckausgabe der großen, deutschen Flughäfen im sogenannten „Welcome-Service", einer Kooperation zwischen Axel Springer und Lufthansa, für jeden ankommenden Passagier frei verfügbaren Exemplare der wochenaktuellen HörZu nicht beim nächsten Einzelhändler im Presseregal landen und zum regulären Ladenpreis verkauft werden? 456

10. Sonstiger Verkauf Dasselbe gilt für die Aktivitäten von Die Welt, die direkt an die Hotels, preislich stark ermäßigt, große Stückzahlen zur kostenlosen Abgabe an die Hotelgäste liefert und parallel dazu in den meist von Konzessionären oder Pächtern betriebenen Hotels-Shops angeboten wird, die indirekt vom örtlichen Grossisten geliefert und zu normalen EH-Konditionen fakturiert werden. Als Ausgleich für die Behinderung beim Zeitungsverkauf könnte der Pächter des Hotelshops leicht auf die Idee kommen, die kostenlos beim Verpächter ausliegenden Exemplare zu remittieren, zu verkaufen, in einer Stadtfiliale anzubieten oder einer anderen, nicht legalen Verwendung zuzuführen. Die jederzeit mögliche Vermischung der unterschiedlichen Waren- und Zahlungsströme zu kontrollieren, ist für den Grossisten unmöglich, so lange der Pächter des Hotel-Shops bzw. die mit ihm kooperierenden Einzelhändler nicht mehr Exemplare remittieren als sie bezogen haben.

10.2 Marketingaktionen und Auflagensteigerungen durch Sonstigen Verkauf Durch den zunehmenden Wettbewerb unter den Verlagen hat der Sonstige Verkauf als Teilsegment des Gesamtverkaufs vor allem bei den IVW-gemeldeten Publikumszeitschriften zugenommen. Im III. Quartal 2001 meldeten 830 Publikumszeitschriften einen durchschnittlichen IVW-Gesamtverkauf von 127,7 Mio. Exemplaren je Ausgabe. Mit 56,5 Mio. bzw. 54,7 Mio. Exemplaren oder Anteilen am Gesamtverkauf von 44,2 % bzw. 42,9 % dominierten dabei Einzelverkauf und Abonnement. Daß der Sonstige Verkauf mit 12,1 Mio. Exemplaren bzw. 9,4 % Marktanteil schon an dritter Stelle und das recht deutlich vor dem Lesezirkel" 6 rangierte, zeigt, dass die Verlage auf der Suche nach alternativen Absatzwegen einen bedeutenden, neuen Markt entwickelt hatten. Dem Nachrichtenmagazin Focus war es gelungen, bis zu 100.000 Exemplare, d.h. 13 % der Verkaufsauflage aus den Sonstigen Verkäufen zu schöpfen, und damit den Absatz zu steigern. Daraufhin wurde Burda von der Financial Times Deutschland bezichtigt, Erfinder eines Vertriebsmodells zu sein, „bei dem Verlage Abonnements en gros an verlagseigene Töchter verkaufen, ohne daß sicher ist, dass sie an Leser weiter geliefert werden" (Meier 2002: 5). Die Burda Medien AG reagierte auf das in der FTD publizierte Zitat des Herausgebers der Hamburger mediafacts33", Bernd-Jürgen Martini, mit einer Einstweiligen Verfügung beim Landgericht München, um der von Gruner + Jahr und Pearson herausgegebenen FTD unter Androhung eines Ordnungsgeldes obige Behauptung untersagen zu lassen. Daß die Auflagenmeldungen eines anderen Marktteilnehmers öffentlich 336 4 4 Mio. Exemplare, 3,5 % Marktanteil 3 r Laut Impressum "Das Daten-Magazin für Analyse & Strategie, Planung & Controlling im Media-Business".

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III. Absatzwege und Absat^mittler von Zeitungen und Zeitschriften angezweifelt wurden, war nicht neu (W. Fürstner zitiert bei Busch et al: 1995: 8), aber etwas unpassend, denn gerade die Financial Times Deutschland hatte von Anfang ihres Bestehens an mit über 40% Anteil an der Verkaufsauflage den größten Posten ihres Absatzes, und damit weit mehr als andere, über Sonderverkäufe (Sonstige Verkäufe, Bordexemplare) an Großkunden erzielt. Stolz verkündete auch Gruner + Jahrs Stern nach Abschluß des I. Quartals 2003, den Spiegel in der verkauften Auflage der aktuellen Magazine wieder auf den zweiten Platz zurückgedrängt zu haben. Sarkastisch stellte ein Branchen-Informationsdienst (medien aktuell 20/2003: 4) mit Hinweis auf die Erhöhung der Sonstigen Verkäufe des Stern bei Beginn des Irak-Krieges zur Heft-Nr. 13 fest: ,,Soviel(e) gab es noch nie(!)" Und medien aktuell fragte weiter: „Wurden die alle an politische Bildungsinstitute verkauft oder an die irakische oder die US-Botschaft?" Ohne die Sonstigen Verkäufe als Absatzweg zu diskreditieren, kann nicht übersehen werden, dass die Verlage die Exemplare einzelner Titel häufig kurzfristig zu Preisen unter Fortdruckkosten verkaufen, um Auflagenkosmetik zu betreiben.338 So hatte Gruner + Jahr zeitgleich mit einer Absenkung des Copy-Preises um 50 Cent 20.000 Exemplare der Mai-Ausgabe 2002 seines im Verkauf rückläufigen Frauen-Titels Marie Claire339 in die Outlets bekannter Mode-Designer geliefert, wo sie zielgruppengerecht präsentiert wurden. Eine Ausgabe vorher hatte die Verlagsgruppe Bauer 120.000 Exemplare ihres Konkurrenztitels Maxi in den Sonstigen Verkauf gegeben, um die optische Neugestaltung des Frauenmagazins „an möglichst viele potentielle Leserinnen und Käuferinnen heranzutragen" (Hoffmann 2002 b: 108). Auch Burda hat mit recht durchsichtigen Manövern versucht, z.B. den Absatz seiner Frauenzeitschrift Lisa nach oben zu treiben. Neben einer einmaligen Preisreduzierung von € 0,90 auf € 0,50 für die Ausgabe 39/2003 wurde der Sonstige Verkauf für die Ausgabe 37/2003 laut heftbezogener IVW-Meldung von bis dahin durchschnittlich etwa 2.800 Exemplaren auf sage und schreibe 302.780 Exemplare hochgeschraubt. Neben der auflagensteigernden Wirkung macht vor allem der Werbeeffekt bei Hotel- und Fluggästen den Sonstigen Verkauf von Zeitungen und Zeitschriften an Hotelketten und Airlines für die Verlage so interessant. Fluggäste gelten bei der werbungtreibenden Wirtschaft als besonders hochwertige Werbekontakte (Karle 2005: 76), weshalb z.B. das aus der Bellevue & More AG stammende HochglanzMagazin Foreign Affairs (Copypreis € 7.50) ab Winter 2003/2004 den „LufthansaReisenden aus der Oberklasse" kostenlos angeboten wurde. Die Verkaufsauflage eines im Sonstigen Verkauf befindlichen Titels erhöht sich, und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein Hotel- oder Bordexemplar durch mehrere Hände Vgl. mediafacts 9/2001(a): 4. „Es ist nicht akzeptabel, wenn Sonstige Verkäufe zum Zwecke der Auflagenkosmetik eingesetzt werden." T. Koch, Geschäftsführer der Düsseldorfer Agentur TKM Starcom bei: Karle 2005: 76 339 In der Zwischenzeit wurde der Titel eingestellt. 338

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10. Sonstiger Verkauf gehen kann, auch die Zahl der „Leser pro Nummer".34" Dies wirkt sich positiv zugunsten des Verlages auf die Anzeigenpreise aus (dnv 12/2001: 31). Sonstige Verkäufe durch Marketingmaßnahmen zu generieren, sieht im Ergebnis gut aus, wenn es gelingt, die Abo- und EV-Auflage stabil zu halten und den Gesamtverkauf eines Titels nachhaltig zu steigern. Wenn aber ein Verlag den Sonstigen Verkauf für seine gesamte Titelpalette bemüht, um hohe Verkaufsverluste im vom Grosso belieferten Einzelhandel zu kompensieren, dann kommen entsprechende Titel schnell in den Ruch stark nachlassenden Leserinteresses und die Anzeigenabteilung gegenüber der Werbewirtschaft in Argumentationsnotstand (E. Blank, Verlagsgruppe Bauer in dnv 12/2002:27).

10.2.1 Die Verlagsgruppe Milchstrasse und der Sonstige Verkauf Tabelle 19: TOP 10 im Sonstigen Verkauf (IVW III 2001)

Maxi TV Spielfilm*

Sonstiger Verkauf lt. IVW III/2001 in 1000 Expl. 125 114

Stern Cosmopolitan

106 106

71 66

HörZu Cinema*

99 98

88 38

Fit For Fun* Amica*

97 96

17 34

Focus Für Sie

92 92

86 46

Name des Titels •Titel der Verlagsgruppe Milchstrasse

Davon Bordexemplare in Prozent 50 31

Die Hamburger Verlagsgruppe Milchstrasse hatte wiederholt betont, dass bei den Sonstigen Verkäufen der Marketingaspekt oberste Priorität genießt und der Verkauf erst an zweiter Stelle kommt. Das vorstehende Ranking der zehn führenden Titel im III. Quartal 2001 zeigt, wie aktiv die WBZ-Firma One-to-One GmbH, die die Milchstrasse speziell für das Direktmarketing der Verlagsgruppe gegründet hatte, den sonstigen Verkauf betrieb. ' LpN-Kennziffer aus der Media-Analyse.

459

III. Absatzwege und Absat^mittler von Zeitungen und Zeitschriften Auf der Basis der der IVW im Jahr 2001 gemeldeten Daten erreichten TV Spielfilm, Cinema, Fit for Fun und Amica im Sonstigen Verkauf einen Mittelwert von 15 % Anteil am Gesamtverkauf. Binnen weniger Ausgaben wartete die Verlagsgruppe Milchstrasse mit geradezu spektakulären Abonnement-Zuwächsen und IVW-Meldungen für TV Spielfilm (+ 17 %), Tomorrow (+ 45 %), Amica (+ 95 %) und Max auf. Nach den Zahlen der heftbezogenen IVW-Meldung für das gegen den Wettbewerber Stern neupositionierte, 14-täglich erscheinende LifestyleMagazin Max hatte sich dessen Abonnement-Auflage von Heft 1/2001 bis Heft Nr. 19/2001 auf über 80.000 Exemplare mehr als verdreifacht (+ 250 %). Daß dieser Zugewinn nicht auf die Umwerbung von Einzelheftkäufern oder die Einweisung von Probeabonnements zurückzuführen war, blieb den Werbeagenturen und Anzeigenkunden des Verlages nicht verborgen (mediafacts 9/2001: 5). Heftig kritisiert wurde, wie die Verlagsgruppe Milchstrasse Abonnements über die WBZTochtergesellschaft One-to-One Direktmarketing generierte, nämlich dadurch, dass One-to-One große Exemplarmengen von Max bei der Muttergesellschaft einkaufte, um sie in besonderen Marketingaktionen z.B. an Wochenenden in Großraumdiscotheken kostenlos zu verteilen (von Hammerstein 2001: 3) und sie der IVW als Abonnements zu melden. Von Manipulation oder gar Betrug mochte niemand reden, solange die „kreative Auslegung der IVW-Richtlinien" (medien aktuell 23/2002: 7) es einzelnen Verlagen verhältnismäßig einfach machte, ihre Verkaufsauflagen in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. Für die Wettbewerber und Anzeigenkunden der Verlagsgruppe Milchstrasse jedoch war mit den IVW-Richtlinien nicht vereinbar, dass die Muttergesellschaft Exemplarmengen an ein Tochterunternehmen mit bis zu erlaubten 90 % Rabatt verkaufte und die Tochter als Unternehmen des Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels (WBZ) deklarierte, ohne dass diese Firma für die einzelnen Titel Abonnements akquirierte, sondern stattdessen nur verteilte (Hoffmann 2002(a): 78).

10.2.2 Auflagenmanipulationen bei der Motor-Presse Stuttgart Nachdem die Vorwürfe, der Verlag habe über Jahre hinaus die an die IVW gemeldeten Auflagenzahlen manipuliert, an die Öffentlichkeit gelangten, und bevor die IVW Sanktionen wegen Falschmeldung von Auflagenzahlen erlassen konnte, traten die Vereinigten Motor-Verlage, Tochterunternehmen der Motor-Presse Stuttgart (mps) Ende Oktober 2001 mit ihren 16 Titeln aus der Organisation aus. Nachdem ein Mitbewerber schon im Herbst 2000 Zweifel an der Höhe des jeweils ausgewiesenen Einzelverkaufs (EV-Lieferungen minus Remittenden) bei den Titeln Audio, Video und Stereoplay bei der IVW geäußert (Hoffmann 2001: 10) und „ein autokenntnisreicher Verlagsprofi" (mediafacts 11/2001: 6) mit anonymen Briefen und internen IVW-Unterlagen Zeitschriften-Redaktionen informiert hatte, lieferte eine turnusmäßige Auflagenprüfung zunächst keine Anhaltspunkte für 460

10. Sonstiger Verkauf Unregelmäßigkeiten. Erst nach beharrlichen weiteren Hinweisen der Konkurrenz wurden die IVW-Prüfer fündig: Die Remissionsmeldungen an das ISPCSammelrechenzentrum 341 wichen von denen der offiziellen Verlagsmeldung an die IVW teilweise erheblich ab. Die weitere Recherche bestätigte Vermutungen auf Basis der nicht öffentlichen Grosso-Panel, dass die Werte im Verlag manipuliert worden waren. Der Verlag räumte die Unrichtigkeit der Meldungen für die genannten Titel ein und gab auf Grund gezielter Nachfragen zu, dass auch andere Objekte von den fehlerhaften Meldungen betroffen waren. Eine anberaumte Sonderprüfung förderte zu Tage, dass nicht nur das II. Quartal 2001, sondern bereits vorangegangene Meldezeiträume von Remissionen endastet worden waren (OMG 2001: 1). Für 16 Objekte der Vereinigten Motor-Verlage waren über einen längeren Zeitraum Auflagenzahlen gefälscht worden. Besonders krass waren die Manipulationen bei dem Monatstitel Modern Living ausgefallen. So waren in den IVW-Listen III. Quartal 2000 bis I. Quartal 2001 Einzelverkäufe von durchschnittlich 90.218, 76.509 und 75.618 Exemplaren ausgewiesen worden. Nach der Sonderprüfung schrumpfte der Absatz im Einzelverkauf drastisch auf durchschnittlich 23.155, 51.112 und 59.555 Exemplare. Da im Abonnement lediglich 11.430 Festbezieher zu verzeichnen waren, nahm der Verlag das Objekt wegen nicht erreichbarer wirtschaftlicher Perspektiven bereits mit der nächsten Heftfolge vom Markt (Horizont 46/2001:4). Einige weitere Titel wie Auto, Motor und Sport hatten Abstriche von bis zu 45.000 Exemplaren pro Heftfolge hinzunehmen, Connect musste die Absatzzahlen um über 30.000 Exemplare nach unten korrigieren und Video büßte bis zu 28.000 Exemplare Gesamtverkauf ein. Da man bei einigen Titeln versehentlich sogar zu geringe Auflagen gemeldet hatte (FAZ v. 27.10.2001: 16), musste die Geschäftsführung Versäumnisse in der Vergangenheit einräumen. Die falschen Zahlen waren durch eine Häufung von Fehlern in der Verlagsgruppe, unter anderem im organisatorischen Ablauf, zustandegekommen, was nach dem Bekanntwerden der Fälschungen zu umfangreichen personellen Konsequenzen führte. Nachdem der Verlags-Geschäftsführer bereits kurz nach Aufdeckung der Auflagenmanipulationen das Haus verlassen hatte, wurde als nächstes die komplette EV-Vertriebsabteilung mit rund 50 Mitarbeitern endassen bzw. der Einzelverkauf und die Logistik zum heutigen Mehrheitsgesellschafter Gruner + Jahr nach Hamburg verlegt (medien aktuell 18/2002: 3). Als die zuständige Staatsanwaltschaft von Amts wegen gegen einige Führungskräfte der Motor-Presse wegen Verdachts auf Betrug ermittelte, mussten wenig später auch die für die AutoZeitschriften und Unterhaltungselektronik verantwortlichen Geschäftsführungs-Mitglieder den Dienst quittieren (Rust 2001:8).

Vgl. Kapitel I., 2.1.5.2 Die ISPC Intermedia Standard Presse Code GmbH als Diensdeister im EDV-Bereich. 341

461

III. Absatzwege und Absat^mittler von Zeitungen und Zeitschrifien Weil sie der Werbewirtschaft mit unzutreffenden EV-Verkäufen durch überhöhte Anzeigenpreise wirtschaftlichen Schaden zugefugt hatten, boten die Vereinigten Motor-Verlage den betroffenen Anzeigenkunden Freischaltungen und Rückvergütungen auf freiwilliger Basis an (Vest 2001). Obwohl die Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorsahen, dass innerhalb einer Schwankungsbreite von bis zu zehn Prozent zur garantierten Auflage kein Erstattungsanspruch erhoben werden kann und man sich trotz der falschen Auflagenzahlen in den meisten Fällen in diesem Toleranzbereich bewegte, zahlte der Verlag für zu teuer verkaufte Medialeistung geschätzte 15 Millionen Euro an seine Anzeigenkunden zurück (Horizont 4/2002: 1). Auf seiner Jahrestagung im Mai 2002 folgte der IVW-Verwaltungsrat der Empfehlung des Organisationsausschusses Presse und gab dem Antrag der Vereinigten Motor-Verlage, ab dem IV. Quartal 2002 wieder in die IVW aufgenommen zu werden, statt. Mit dieser Zustimmung wurde es dem Stuttgarter Verlag genau ein Jahr nach Aufdeckung der Auflagenmanipulationen ermöglicht, zugleich seine Objekte wieder in der Media-Analyse auszuweisen (Horizont 22/2002:4).

10.3 Bekämpfung des Auflagenschwindels als Ziel der IVW Die IVW war 1949 als Unterorganisation des Zentralausschuß der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW) gegründet worden.342 Der Name der Prüforganisation entwickelte sich mit der Zeit zu einem Gütesiegel für die Printmedien, auch wenn manchmal einige Werbekunden und Medienvertreter die IVW-Zahlen „mit lächelndem Schweigen" bedachten (UIlmann/Viehoever 1988: 167) oder abfällig als „Rumpelstilzchens Märchenstunde"343 bezeichneten. In einer Informationsbroschüre über die historische Entwicklung der IVW steht zu lesen: „Ziel der IVW war es, den stetig wachsenden Auflagenschwindel zu bekämpfen, den die Werbewirtschaft nicht länger hinnehmen wollte" (Jacob 2000:45). Im Jahr 1988 kam die IVW ins Gerede. Verschiedene BranchenInformationsdienste hatten den bis dahin gültigen IVW-Richtlinien mehr oder minder unverhohlen unterstellt, als Instrument zur Auflagenmanipulation missbraucht werden zu können (van Treeck 1989: 100). Entzündet hatte sich die Kritik an der Auflagen-Kategorie „Sammelbezug" innerhalb der Absatzform Abonnement. Im zunehmenden Kampf um Anzeigenkunden hätte es „zu Täuschungen und Wettbewerbsverzerrungen, auf jeden Fall aber zu einer starken Verwässerung des Begriffs Abonnenten kommen" können (Ulimann/Viehoever 1988: 167), wes342 Vgl. Kapitel II., 2.7., IVW-Informationsgesellschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgem e.V. 3« Vgl Jen fü r seine „Sprüche" berühmten K.-H. Hagen, von 1962-1966 Chefredakteur der Quick, zitiert von van Treeck 1989: 100.

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10. Sonstiger Verkauf halb ein Regelwerk entwickelt werden sollte, das den Anforderungen der werbungtreibenden Wirtschaft in vollem Umfang gerecht wird. Nach einer Vielzahl von Diskussionen um mehr Transparenz und Sicherheit für die Werbewirtschaft traten ab 1.1.1990 neue Richtlinien in Kraft. Zu den wesentlichen Änderungen zählte, dass die Auslandsauflage zusätzlich erfasst und ausgewiesen wurde, und dass das Abonnement strenger definiert und der Bezugspreis zu einem Definitions-Kriterium wurde. Der Sammelbezug, d.h. die bis dahin gesondert in der IVW-Meldung auszuweisenden Exemplare, die von den Abnehmern nicht mehr weiterverkauft oder, wie bei den Lesezirkeln, weitervermietet wurden, wurde gestrichen. Mit Hilfe der neuen Rubrik Sonstiger Verkauf sollten Abonnement und Einzelverkauf klarer abgegrenzt werden. Sonstiger Verkauf sollte in erster Linie Lesezirkel- und Bordexemplare umfassen und zugleich als Sammelbecken für alle nicht zum Abonnement oder Einzelverkauf zählende Verkäufe dienen (van Tneck 1989:100).

10.4 Mehr Transparenz, mehr Sparten und Erweitung der Kontrollbefugnisse Daß die Sonstigen Verkäufe zehn Jahre nach der Neufassung der Richtlinien zum Streitobjekt werden würden, und die IVW in ihrer Glaubwürdigkeit und Funktion als Gralshüter der objektiven und testierten Werbeträgerverbreitung erneut in Misskredit geraten könnte, war kaum vorauszuahnen, auch wenn einzelne Marktteilnehmer schon kurz nach der Einführung der Sonstigen Verkäufe mehr Transparenz und Sparten gefordert hatten, damit Veränderungen bei der Gewichtung der Absatzwege besser dargestellt werden können. Der Delius Klasing Verlag, Bielefeld hatte dem VDZ schon 1992 vorgeschlagen, „bei der Werbung mit Auflagenzahlen die jeweilige Auflagenkategorie hinzuzufügen" und die unterschiedlichen Printmedien auch danach abzugrenzen, ob sie im Abonnement und Einzelverkauf gegen marktübliche Preise erworben, oder ob sie verschenkt werden (Kleinelanghorst 1992: 1). Andere Verlage wie Conde Nast oder Der Spiegel empfahlen, härtere Normen und Stichproben bei allen Handelspartnern durchzuführen. Den vorgeschlagenen Definitionen, Kontrollen und Rubrizierungen kam die IVW -wenn auch zunächst etwas zögerlich- in den Folgejahren nach. Tageszeitungen, Wochenzeitungen, Supplements, Publikumszeitschriften mit regionaler und nationaler Verbreitung, Kundenzeitschriften, Fachzeitschriften und Offertenblätter wurden verschiedenen Rubriken zugeordnet und der Handlungs Spielraum für die Auflagenkontrolle erweitert. Nach einer Entscheidung des Verwaltungsrats im Sommer 1998 konnten die IVW-Prüfungen auch bei verlagseigenen Druckereien, fremden Druckereien, Transportunternehmen und Nationalvertrieben durchgeführt werden. Zusätzlich wurden als weitere Neuerung die ISPC-Daten in den Katalog der IVW-Prüfungsunterlagen aufgenommen, über die im Herbst 2001 die Motor-Presse Stuttgart stolperte. 463

III. Absatzwege und Absat^mittler von Zeitungen und Zeitschriften Die durch die Auflagenmanipulationen bei dem Stuttgarter Verlag, durch undurchsichtige Marketingaktionen der Verlagsgruppe Milchstrasse (Horizont 4/2002: 50) bzw. durch die „Aufblähung des Sonstigen Verkaufs als Auflagenregulativ" (VDL· 2003: 72; VOL· 2002: 69) entstandenen Irritationen und Unsicherheiten waren Anlaß zur erneuten Überprüfung der IVW-Richtlinien. Agenturen und Werbungtreibende zeigten sich um die Glaubwürdigkeit und Bedeutung des Gütesiegels IVW besorgt (Mendel 2003: 57). Eine der führenden deutschen MediaAgenturen konstatierte, dass „die Motor-Presse ... nur die Spitze eines Eisbergs" sei {vgl. 854/16) und forderte, „die Prüf- und Kontroll-Mechanismen der IVW... auf den Prüfstand zu stellen" (OMG 2001: 1) und die Beschädigung des Ansehens der IVW umgehend abzuwenden. Die über vier Monate in verschiedenen Gremien vorbereiteten Änderungen zu den IVW-Richtlinien wurden im Mai 2002 verabschiedet. Nicht ganz überraschend hob die IVW-Geschäftsführung hervor, dass die Änderungen „nur zu einem kleinen Teil ursächlich auf konkrete Vorfälle (...) zurückzuführen" sind (VDZ 2002 b: 1). Mit der Reform der am 1.1.2003 in Kraft getretenen und erstmals für die Auflagenmeldungen des I. Quartals 2003 angewendeten Richtlinien sollten Schlupflöcher, die bisher weitgehend unbemerkt von einigen Verlagen benutzt worden waren, geschlossen werden (H. Bühne in dnv 6/2002: 33). Daten und Unterlagen von Absatzhelfern (Speditionen, Abonnement-Verwaltern, EDVDiensdeistern usw.) sollten stärker in die IVW-Prüfung einbezogen werden ebenso wie Absatzmittler, die (wie Lesezirkel und WBZ) Zeitschriften ohnehin schon immer zu extrem hohen Rabatten eingekauft hatten. Kontrollmöglichkeiten bei externen Diensdeistern besaß die IVW bereits seit Sommer 1998, doch mit Inkrafttreten neuer Richtlinien sollte das Testverfahren intensiviert werden (Hoffmann 2002 a: 78). Die wichtigsten Gesichtspunkte und Veränderungen am Auflagenmelde-Regelwerk stellen wir in den nachfolgenden Kapiteln dar.

10.4.1 Präzisierung der IVW-Auflagensparten durch neue Richtlinien ab 1.1.2003 In der Rubrik EV-Lieferung konnten bis zum 1.1.2003 alle Lieferungen mit Remissionsrecht an den Großhandel, an Zeitungs- und Zeitschriftenhändler, an Buchhändler oder an sonstige Wiederverkäufer gegen Rechnung im In- und Ausland ausgewiesen werden. Die verkaufte Auflage war bis zu dem genannten Datum die Summe der für den Einzelverkauf gelieferten Exemplare zuzüglich der Abonnementsstücke sowie der als Sonstiger Verkauf und als Lesezirkel-Stücke ausgewiesenen Exemplare abzüglich der im Berichtszeitraum eingegangenen Re-

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10. Sonstiger Verkauf mittenden. Diese Zahl wurde von der IVW errechnet und in der Auflagenliste als „Verkauf angegeben.344 Asymmetrien in der rechnerischen Ermittlung der Verkaufszahlen, die sich früher insbesondere durch verspätete Remissionsmeldungen der Handelspartner bzw. Verschiebungen von Remissionen in Folgequartale niedergeschlagen hatten, waren im Inland durch die branchenweite Einfuhrung des KR- und ISPC-Verfahrens im Presse-Grosso und Bahnhofsbuchhandel weitestgehend beseitigt worden. Mitunter hatten einige Titel aber auch beträchtliche Auslandsauflagen, die sich in den von der IVW ermittelten Quartalszahlen fast unsichtbar in der verkauften Auflage verbargen, weil es -je nachdem in welches Land geliefert wurde- manchmal sechs Monate oder länger dauerte, bis einzelne Heftfolgen vollständig ausremittiert waren. Die Wechselbeziehungen zwischen Remission und Verkauf hatten einige Verlage dazu genutzt, hohe Auflagen ohne Remissionsrecht zu überhöhten Rabatten ins Ausland zu liefern, um so die verkaufte Auflage in den IVW-Listen zu erhöhen (Beck 2002: 125). Um solche Praktiken zu verhindern, können seit dem I. Quartal 2003 als EVLieferung nur noch Exemplare gemeldet werden, die mit Remissionsrecht und tatsächlich praktizierter Remission zu marktüblichen Konditionen an Wiederverkäufer (Presse-Grossisten, Einzelhändler, Bahnhofsbuchhändler, Importeure und Exporteure) gegen Rechnung geliefert werden, sowie Exemplare zum Einzelverkaufspreis an Endverbraucher.345 Bei Direktvertrieb ab Verlag ist bei außergewöhnlichen Bezugsmengen auf Anforderung der IVW-Prüfer der weitere Verwendungszweck nachzuweisen. Auch die Titel der Vereinigten Motor-Verlage hatten bei der Meldung von Remissionsexemplaren Unstimmigkeiten im Umfang von bis zu zwölf Prozent aufgewiesen. Diese resultierten aber nicht aus Auslandslieferungen in Festabnahme, sondern, wie eine Sonderprüfung der IVW ergab, durch in Handarbeit vorgenommene Manipulationen an den ISPC-RemissionsMeldungen (mediafacts 11/2001: 6).

10.4.2 Neudefinition WBZ-Abonnement Im Gespräch um die Modifizierung der IVW-Richtlinien waren neben der Neudefinition der EV-Lieferungen und der Ausweisung unterschiedlicher Absatzformen, wie etwa der Versendung von Fachzeitschriften an Einzelempfänger (Controlled Circulation), auch Verlags-Marketing-Aktionen am Point of Sale. Dieser war in vielen Fällen des Sonstigen Verkaufs zum Point of Distribution mutiert, weil einzelne Verlage wie die Milchstrasse ihre Printprodukte nicht verkauften, sondern an verlagseigene WBZ-Töchter lieferten und von dort kostenlos in Krankenhäusern 344 345

Ziffer 15 der IVW-Richtlinien Ziffer 21 der IVW-Richtlinien

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III. Absatzwege und Absat^mittler von Zeitungen und Zeitschriften oder Diskotheken verteilten (Beck 2002: 125). Zukünftig sollte es nicht mehr möglich sein, wie bisher jedes an eine WBZ-Firma ausgelieferte Stück automatisch als Abonnement-Auflage zu verbuchen. Ob die abgegebenen Hefte tatsächlich in Abonnements umgewandelt oder womöglich nur als Werbeexemplare verteilt werden, sollte die IVW in Zukunft direkt bei den WBZ-Firmen prüfen können und zwar aus folgendem Grund: Im WBZ gibt es neben den klassischen Vertriebsfirmen werbeintensive Unternehmen, die außer Zeitschriftenabonnements auch Haushaltsgeräte oder Energielieferungsverträge verkaufen.346 Für diese WBZ-Firmen stellt das Zeitschriftenangebot neben der Abonnement-Werbung eine Möglichkeit dar, Adressen zu gewinnen. Indem den potentiellen Abonnenten die Möglichkeit eingeräumt wird, nicht die gesamte Laufzeit des Abonnements zu bezahlen, wird die Eintrittsbarriere in den Abonnementsvertrag herabgesetzt. Auf diese Weise erhalten die WBZWerbefirmen mehr Zeitschriften-Bestellungen, aber auch mehr Adressen, mit denen sie Folgegeschäfte z.B. mit Telekommunikationsverträgen machen können. Der Zeitschriftenabsatz dieser WBZ-Unternehmen ist so kalkuliert, dass er über die Verwertung der Adressen in anderen Geschäftszweigen einen Nutzen erbringt (B.J. Mejer in dtiv 10/2002: 18). Gegenstand der Kritik von Agenturen und Werbungtreibenden an der jahrelangen Praxis, Abonnentengewinnung mit kostenlosen Probelieferungen zu betreiben, war, dass die dafür von den Verlagen bezogenen, hoch rabattierten Zeitschriftenexemplare mit den klassischen, voll bezahlten Abonnements in den IVW-Meldungen vermengt als Verkäufe ausgewiesen wurden, obwohl die dem WBZ überlassenen Exemplare nicht in wirkliche Abonnements umgesetzt wurden (Hoffmann 2002 b: 108). Mediaplaner hatten deshalb in einem „Print-Wunschzettel an die Chefs der IVW" darum gebeten, den Gesamtbestand der WBZ-Abonnements separat auszuweisen und alle vom Endverbraucher nicht voll bezahlten Werbeexemplare der verbreiteten Auflage zuzuordnen (mediafacts 12/2001:15). Diesem Vorschlag ist die IVW nicht gefolgt. Nach den ab 1. Januar 2003 gültigen Richtlinien werden an Abonnements, die nicht vom Verlag, sondern von einer WBZ-Firma, einer Buchhandlung oder von einem Abonnement-Diensdeister verwaltet werden, die gleichen IVWPrüfanforderungen gestellt, wie an von einem Verlag direkt und selbst gehaltene Abonnements (IVW 2003: 1). Zu den abonnierten Exemplaren zählen nur solche, die der Verlag oder ein Wiederverkäufer zum regulären Abonnementpreis verkauft und an feste Einzelbezieher liefert. Einzelbezieher ist nach den Durchführungsbestimmungen nur der Empfänger eines einzelnen Abonnements. Wiederverkäufer sind in erster Linie WBZ- und Buchhändler, die die von ihnen bezogenen Mengen nach ihrem Verwendungszweck aufgliedern müssen. Das bedeutet, dass die IVW zukünftig nur noch folgende WBZ-Abonnements anerkennt: 3« Vgl. dazu Kapitel III., 8.2 Die verschiedenen Geschäftszweige, Betätigungsfelder und Spielarten im WBZ-Vertrieb.

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10. Sonstiger Verkauf — Abonnements mit regulärem Bezugspreis an einen festen, bekannten Einzelbezieher, — Studentenabonnements zum mindest-gebundenen Abonnements-Preis unter Vorlage einer Studienbescheinigung, — entgeltlich angebotene Probe- oder Mini-Abonnements mit Negativ-Option und maximal 35 % Rabatt auf den Einzelverkaufspreis und — Mehrfachabonnements, die einer Rechnungs- und einer Lieferanschrift zuzuordnen sind und nicht höher rabattiert werden als maximal 25 % auf den Einzelverkaufspreis. Bei Lieferungen von mehr als einem Exemplar ist auf Anforderung des IVWPrüfers der einzelne Bezieher bzw. die weitere Verbreitung nachzuweisen. Kann der Nachweis nicht erbracht werden, kommt eine Zuordnung zu den Abonnements nicht mehr in Betracht. Die Anerkennung von Mehrfachlieferungen als abonnierbare Exemplare setzt seit Anfang 2003 einen identischen Empfänger und Zahler der jeweiligen Menge voraus. Die Mengennachlässe (bis zu maximal 25 % auf den Copypreis) sind einheitlich zu handhaben und müssen in allgemein zugänglichen Bezugsbedingungen (Impressum, Bezugspreisliste) mit einer entsprechenden Mengenpreisstaffel angegeben werden.34Alle über diese, insgesamt unter Kategorie A an den Verlag zu meldenden, WBZ-Abonnements hinausgehenden Exemplare müssen je nach Preisgestaltung bzw. Verwendungszweck entweder dem Sonstigen Verkauf348 oder den Freistücken bzw. Restexemplaren zugeordnet werden. Das bedeutet, dass die zur Adressen-Gewinnung im Rahmen kostenloser Probelieferungen verwendeten Exemplare künftig nicht mehr als Abonnements, sondern als Freistücke gemeldet werden müssen, was zur Folge hat, dass sich bei Titeln, die dem WBZ in der Vergangenheit mehr oder minder große Teile der Auflage als Werbeexemplare für die Handverteilung überlassen haben, nicht nur die Zahl der Abonnements, sondern auch der Gesamtverkauf reduziert (dnv 7-8/2002: 90). Die Zahlen der Kategorie A insgesamt und der Kategorie Β insgesamt muß das WBZ-Unternehmen monatlich zu jeder Heftfolge, d.h. zum Erstverkaufstag per Datenträgeraustausch an den betreffenden Verlag übermitteln (WBZ-Verband 2002:20).

10.4.3 Nachweis der Lieferkette vom Verlag zum LesemappenMieter An Lesezirkel zum Zwecke der Vermietung verkaufte Zeitschriften wurden bis zum 1.1.2003 gesondert erfasst und in den IVW-Listen vor dem Sonstigen Ver-

348

Ziffer 16 der IVW-Richtlinien Kategorie Β mit bis zu maximal 90 % Preisnachlass auf den Copypreis

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III. Absatzwege und Absat^mittkr von Zeitungen und Zeitschriften kauf ausgewiesen. Der Lesezirkel als Absatzweg ist für viele Verlage eher als Reichweiten-Beschaffer von strategischer Bedeutung, als dass er Vertriebserlöse generiert. Das führte in der Vergangenheit oftmals dazu, dass Verlage die Lesezirkel-Unternehmen mit besonders günstigen, meist weit unter den Fortdruckkosten liegenden Abgabepreisen dazu zu bewegen versuchten, Titel, die neu auf dem Markt waren oder deren Auflage Schwächelte, in die Lesemappen aufzunehmen (dnv + business Report 2003: 24). Ob ein Verlag dann 1.000 Exemplare zum Preis von 50 Cent oder 2.000 Exemplare zu 25 Cent lieferte, machte beim Rechnungsbetrag keinen Unterschied — wohl aber im IVW-Verkauf, denn die LesezirkelAuflage in den Quartalsmeldungen entsprach exakt der (ohne Remissionsrecht) an diese Handelspartner ausgelieferten Exemplarzahl. Für die Bezieher von Lesemappen führte diese Vertriebs-Praktik dazu, dass sie statt der bestellten Titel gleich doppelt so viele in der Mappe vorfanden, ohne dafür bezahlen zu müssen. Auch diese Form der Auflagenkosmetik, die bisher niemand kontrollierte, sollte mit den Richtlinien-Änderungen unterbunden werden. Um Lesezirkel-Exemplare in der IVW-Auflagenliste ausweisen zu können, müssen seit dem 1.1.2003 folgende Kriterien erfüllt werden: 1. Die Belieferung des Lesezirkelunternehmens und die Auslieferung an die Lesemappen-Bezieher muß nachgewiesen werden und überprüfbar sein, d.h. es werden nur noch die Exemplare berücksichtigt, die zum Zwecke der Vermietung zu Lesezirkelkonditionen (Mindestpreis ein Cent!) an LesezirkelUnternehmen verkauft werden. Gefordert wird der Nachweis, dass die Menge der verkauften Exemplare mit den Abnehmern der Lesemappen übereinstimmt.349 2. Kontrolle des Zahlungseingangs beim Verlag und beim Lesezirkelunternehmen auf Basis der Verlagsangaben über gemeldete Lesezirkel-Exemplare. Objekte einer IVW-Prüfung bei Lesezirkelunternehmen können die Verlagsrechnung über die gelieferten Zeitschriften und Duplikate der Verlags-Lieferscheine sein. Als Nachweis der Kundenzahlungen an den Lesezirkel dienen Bankeinzugslisten, Rechnungsausgangslisten und (bei Barzahlem) das Kassenbuch (Stahl 2003: 34). 3. Der vom Verlag mit Lesezirkel-Exemplaren zur IVW gemeldete Titel muß Bestandteil der vermieteten Lesemappe des betreffenden LZ-Unternehmens sein. Zum Nachweis dafür können die IVW-Prüfer Bedarfs-, Touren- und Preislisten einsehen, aus denen der Titel bzw. die Anzahl hervorgeht. Den genannten Kriterien folgend muß ein Lesezirkel-Unternehmen die Lieferkette vom Verlag bis zum Lesemappen-Mieter überprüfbar nachweisen und auch die Zahlungen vom Mieter bzw. an den Verlag dokumentieren können, d.h. die Lesezirkel-Auflage besteht (unter Berücksichtigung einer Dispositionsreserve zwischen *» Ziffer 24 der IVW-Richtlinien 468

10. Sonstiger Verkauf fünf und zehn Prozent der Erstmappenzahl) nur noch aus nachweislich vermieteten Exemplaren. Kennenlern- und Probehefte, d.h. der sogenannte Überhang, müssen je nach Einkaufskonditionen den Freistücken oder dem Sonstigen Verkauf zugeordnet werden.350

10.4.4 Abgrenzung und Differenzierung der Sonstigen Verkäufe in der IVW-Auflagenmeldung Daß Kennenlern- und Probehefte im Lesezirkel den Freistücken zugeordnet werden müssen, während die von Verlagen und WBZ-Firmen mit hohen Rabatten angebotenen Mini- und Probe-Abonnements mit Negativ-Option als Sonstige Verkäufe ausgewiesen werden dürfen, empfinden einige Verlage, die hohe Auflagen in Lesemappen repräsentieren, als ungerechtfertigte Begünstigung des Abonnements. Ihrer Meinung nach sollte Mediaplanern und Anzeigenkunden über die IVW-Kategorisierung stärker deutlich gemacht werden, dass Lesezirkel-Exemplare voll und ganz die Wertigkeit des klassischen Abonnements besitzen und Mini- oder Probeabonnements in ihrer Haltbarkeit bei Weitem überlegen sind (Hoffmann 2002 b: 108). Andersherum gibt es Verlage, die ihren Absatzschwerpunkt im Abonnement oder Einzelverkauf haben und den Lesezirkel pauschal diskreditieren, obwohl er für viele Objekte ein zuverlässiger ReichweitenMultiplikator ist. Der in den letzten Jahren verschärfte Wettbewerb um Leser und Inserenten hat bei einigen Marktteilnehmern zu der unerfreulichen Angewohnheit geführt, die IVW-Auflagenmeldungen eines Wettbewerbers anzuzweifeln oder dessen Auflagen klein zu reden (Busch et al.: 1995: 8). Der Versuch einiger Marktteilnehmer, den Werbekunden mit nachteiligen Äußerungen über die Medialeistung eines Wettbewerbers zu verunsichern351, hat sich in der Rückschau als grober Fehler erwiesen und der Verlagsbranche insgesamt geschadet. Daß die Sonstigen Verkäufe für die Werbewirtschaft eine zweifelhafte Auflagenkategorie und unter Werbewirkungsgesichtspunkten immer nur zweite Wahl sind (medien aktuell 23/2002: 7), hat aber auch damit zu tun, dass einige Verlage die Auflagenkosmetik ihrer Titel stark übertrieben.352 So kam es vor, dass vom Verlag direktbelieferte Buchhändler oder Einzelhändler durch übermäßige Rabatte quasi vorab abgegoltene Remission nicht zurückgaben (Jacobs 1988: 32; Ullmannj Vwhoever 1988: 167). Dadurch flössen die unverkäuflichen Exemplare, die entweder an die Angestellten abgegeben wurden oder im Altpapier-Container Ziffer 24 der IVW-Richtlinien „Dass Video in Zukunft nicht mehr in der IVW und der MA vertreten ist, wissen Sie bestimmt schon." Vgl. Knauf 2001: 1 352 Vgl. dazu Kapitel III., 10.2 Marketingaktionen und Auflagensteigerungen durch Sonstigen Verkauf. 350 351

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III. Absatzwege und Absat^mittler von Zeitungen und Zeitschriften landeten, voll in die verkaufte IVW-Auflage.353 Frauen-Magazine boten Inserenten Paketpreise für Anzeigen, einschließlich der Abnahme großer Heftmengen für die Auslage in Parfumerien an.554 Automobilzeitschriften gingen regelmäßig als sog. Industrieverkäufe in großen Stückzahlen zum Sonderpreis an einen Hersteller, dessen Fahrzeug als Sieger eines Vergleichstests des liefernden Magazins hervorgegangen war. Auch wenn die Anzeigen- und rabattierten Copypreise der Frauenund Motor-Zeitschriften nicht den üblichen Verkaufsregeln (Preislisten) entsprachen, wurden die in Schein- und Paketgeschäften mit Anzeigenkunden, PR- und Marketingagenturen generierten Sonstigen Verkäufe voll für den IVWGesamtverkauf gezählt. In den, den „kreativen" Marketingaktionen der Verlagsgruppe Milchstrasse und den Auflagenmanipulationen der Motor-Presse Stuttgart folgenden Gesprächen um Richtlinienänderungen bestand hinsichtlich der Abgrenzung und Differenzierung der Sonstigen Verkäufe erheblicher Diskussions- und Handlungsbedarf. Sowohl die Werbewirtschaft als auch einzelne Verlage forderten -wie zehn Jahre zuvor beim Sammelbezug- einen differenzierteren und damit qualifizierteren Ausweis der Sonstigen Verkäufe (Radvilas 2002: 41; mediafacts 12/2001: 15; Hoffmann 2002 a: 78). Neue Absatzwege hatten den Verlagen die Erreichung neuer Leser bzw. Käufer ermöglicht, die bis dahin weder unter der Rubrik Einzelverkauf noch unter Abonnement gemeldet werden konnten, die aber gleichzeitig in den Sonstigen Verkäufen nicht entsprechend ihrem Wert abgebildet wurden. Die Befürworter von mehr Transparenz unter Spezialverkäufem, Sonderverkaufsstellen und Fachhändlern wünschten sich eine Auflagen-Rubrik, die nicht nur die Menge, sondern auch die einzelnen Absatzwege abbilden würde. Diesem Wunsch sind die Verantwortlichen der IVW nicht gefolgt. Zwar werden die Bordexemplare seit dem I. Quartal 2003 nicht mehr als Bestandteil des Sonstigen Verkaufs, sondern in einer eigenen Rubrik geführt. Die nicht über das Presse-Grosso, sondern an direktbelieferte Einzelhändler und Fachhändler abgesetzten EV-Exemplare werden aber nicht separat ausgewiesen, sondern nur hinsichtlich der IVWPrüfungsanforderungen355 denen der grossobelieferten Einzelverkäufe gleichgestellt. Durch diese Änderung soll überhöhten Rabatten für Exemplarmengen in Festabnahme ein Riegel vorgeschoben werden. Indem man Verlage, die durch handelsunübliche Rabatte von über 45 % für Direktlieferungen oder durch remissionsfaule Einzelhändler auffallen, künftig stärker kontrolliert, sollen geschönte Remissionszahlen verhindert werden (Radvilas 2002: 41). Sofern ein Fachhändler

Vgl. dazu Kapitel III., 2.7 Belieferungsregeln im Spezialverkauf zur Vermeidung von Diskreminierungen des Presse-Einzelhandels. 354 Vgl. Kapitel III., 2.5 Spezialverkaufsstellen; mediafacts 12/2001: 15. 355 u.a. Absümmbarkeit der Remission, Prüfbarkeit der Lieferungen/Erlöse bei den Spezialkunden, Zahlungen seitens der Spezialkunden. Vgl. dazu Menzel 2003: 28. 353

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10. Sonstiger Verkauf den gleichen Bedingungen unterliegt wie der klassische Pressehandel356, können die im Fachhandel abgesetzten Exemplare den Einzelverkäufen zugerechnet werden. Wird eines dieser Kriterien künftig nicht erfüllt, sind die über den Fachhandel abgesetzten Exemplare dem Sonstigen Verkauf zuzuordnen flVW 2003: 3). Während bei Zeitungen, die an Unternehmen des öffentlichen Personenverkehrs verkauft und unentgeltlich an deren Flug- oder Fahrgäste weitergegeben werden (Bordexemplare), die alte Abgabepreis-Regelung von mindestens zehn Prozent vom Copypreis pro Exemplar weiterhin gilt, wurde der Mindeststückpreis für Zeitschriften durch die neuen IVW-Richtlinien auf die kleinste Währungseinheit von einem Cent festgelegt. Diese Änderung zugunsten der Zeitschriften, deren Abgabepreise früher ebenfalls mindestens 10 % vom Copypreis betragen mussten, um für die Sonstigen Verkäufe gezählt werden zu können, mutet angesichts der mit den Reformen angestrebten härteren Normen und der Qualifizierung der Sonstigen Verkäufe etwas seltsam an. Tatsächlich handelt es sich um einen Kompromiß und ein Zugeständnis an die durch zunehmenden Wettbewerb von Billigfliegern unter Kostendruck geratenen Luftfahrtgesellschaften, die die Zeitschriften gern als Kundenbindungsmaßnahme an Bord behalten, aber nicht den geforderten Abgabepreis zahlen wollen. Zeitschriftenlieferungen an Airlines zu Pauschalpreisen mit der Folge eines Stückpreises unter einem 1 Cent gelten nach den neuen IVW-Richtlinien als Scheingeschäfte und müssen der Rubrik „Freistücke" zugeordnet werden. Daß die liefernden Verlage nach den neuen Richtlinien dafür Sorge tragen müssen, dass die Verkehrsgesellschaften und Flughafenbetreiber jederzeit die zweckgebundene Verwendung der preisgünstigst eingekauften Exemplare nachweisen müssen, hat auch, aber nicht primär mit der Förderung von Wahrheit und Klarheit in der Werbung nach § 12 Abs. 1 Satz 2 der IVW-Satzung zu tun, sondern mehr mit möglichen und praktizierten Verstößen gegen Preis- und Verwendungsbindungs-Vorschriften, auf die wir schon an anderer Stelle eingegangen sind.3'7

10.4.5 Externe Prüfung der Verlagsauflagen bei den Handelspartnern Nach Rücksprache mit den Verlagen wurden ab 1998 Auflagenzahlen von Zeitschriften stichprobenartig auch bei Druckereien, Transportunternehmen und Nationalvertrieben überprüft. Bei den Beratungen zur Änderung der IVWRichtlinien in der Fassung vom 15. Mai 2001 wurde vorgeschlagen, die Prüfbefug356

Preis- und Verwendungsbindung, handelsübliche Rabatte, Remissionsrecht, praktizierte Remission 35 " Vgl. Kapitel III., 2.7.1 Verstöße gegen die Preis- und Verwendungsbindung im Spezialverkauf und Kapitel III., 9.6 Angriffe auf die öffentliche Auslage des Lesezirkels.

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III. Absatzwege und Absat^mittler von Zeitungen und Zeitschriften nisse dem neuen Regelwerk anzupassen und auch den Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandel (WBZ) und den Lesezirkel zur Verifizierung der Verlagszahlen in die turnusmäßige Auflagenprüfung mit einzubeziehen (VDZ 2002 b: 1). Nach Änderung der alten Ziffer 36. sollten die IVW-Prüfer berechtigt sein, alle für die Beurteilung der Auflagenmeldung erforderlichen Unterlagen einsehen und Auskünfte einholen zu können. Dabei sollte die im Normalfall im Verlag stattfindende Prüfung auch auf Fremddruckereien, Vertriebs- und sonstige Dienstleister, Wiederverkäufer und Lesezirkel ausgedehnt werden. Bei externen Prüfungen sollte seitens des Verlages Sorge dafür getragen werden, dass die dort vorzulegenden Unterlagen qualitativ jenen einer internen Prüfung gleichkommen (IVW 2003: 5). Da die Vorlage entsprechender Daten für die von den Verlagen eingeschalteten Handelspartner verpflichtend sein sollte, musste diese Neuerung für die -im Unterschied zu reinen Diensdeistern- rechtlich selbständigen Absatzmitder zunächst auf eine vertragliche Basis gestellt und in den zum Teil zwanzig Jahre alten Lieferungs- und Zahlungsbedingungen ergänzt werden (dnv 20/2002: 31). Die Verlage waren also aufgerufen, einvernehmliche Lösungen mit ihren Handelspartnern zu finden, um diese dazu zu bewegen, ausschließlich für mögliche IVW-Prüfungen erforderliche Liefer- und Fakturdaten, die zusätzlichen Programmierungs- und Kostenaufwand bedeuteten, vorzuhalten.

10.5 Fehlinterpretation von Auflagenzahlen und pauschale Verdächtigungen durch Mediaagenturen und Anzeigenkunden Die IVW machte deutlich, dass es bei dem Konzept der externen Prüfungen darum geht, Erfahrungen zu sammeln, und dass Komplettprüfungen aller Diensdeister pro Prüfung weder angestrebt, noch möglich sind. Da die IVW als auch die WBZ- und Lesezirkelfirmen Neuland betraten, waren für alle Beteiligten grundlegende Informationen über das Prüfungsvorgehen, die Arbeitsweise und die Datenaufbereitung vonnöten. Um auf die erstmalig nach dem I. Quartal 2003 möglichen Prüfungen umfassend vorbereitet zu sein, führte die IVW bei einigen typischen WBZ- und LZ-Firmen Musterprüfungen durch.358 Nach den Musterprüfungen, deren zeitlicher Rahmen sich im Lesezirkel auf 1,5 bis 2,5 Stunden beschränkte, wurden weitere Treffen zwecks Klärung von Fragen bei der Bewertung von Lesezirkel-Stücken35' vereinbart (dnv 24/2003: 46). Im Werbenden Buch- und Mustetprüfungen für mehrere Zeitschriftentitel im WBZ wurden beim Presse-Union Medien Vertrieb in Neckarsulm durchgeführt. Vgl. WBZ-Verband 2002: 18. Diese verliefen ebenso wie die Prüfungen im Lesezirkel überwiegend reibungslos. Vgl. dnv + new business Report 2003: 24 359 Zum Beispiel bei Gemeinschaftseinkäufen oder der Frage, wie Zeitschriften in der Auflagenprüfung zu erfassen sind, die allen Standardmappen zeitlich befristet hinzugefügt 358

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10. Sonstiger Verkauf Zeitschriftenhandel prüfte die IVW das Verhältnis WBZ-Händler/Abonnenten, insbesondere ob die als verkauft gemeldeten Stücke auch regelmäßig geliefert werden. Der WBZ-Verband informierte die einzelnen Firmen der Sparte über die Abonnement und Sonstigen Verkauf differenzierenden Auflagenkategorien Α und Β und darüber, welche Prüfungsunterlagen360 bereitzustellen sind bzw. welche Zeiträume geprüft werden können. Er empfahl seinen Mitgliedern einer (schriftlichen) Prüfungsankündigung nicht zu widersprechen (VDZ 2003(g):!). Da die IVW aufgrund ihrer Personalstärke die Handelspartner der Verlage immer nur stichprobenartig prüfen kann, forderten einige Mediaagenturen schon während der Beratungen um neue IVW-Richtlinien, nach einer Methode zu suchen, „dem Zufall bei IVW-Prüfungen etwas nachzuhelfen" (B. Wilier in medien aktuell 23/2002: 7). Angeregt wurde, dass sich die IVW die Verkaufszahlen, „die Unstimmigkeiten mit den Auflagenmeldungen der Verlage offensichtlich machen" (B. Willer in medien aktuell 23/2002: 7), direkt von den Presse-Grossisten besorgen, um Prüfungen dann gezielter vornehmen zu können. Abgesehen von dem, in einem solchen Statement361 zum Ausdruck kommenden, tief sitzenden Misstrauen gegenüber den Geschäftspartnern in der Print-Branche, zeugt die oft undifferenzierte Forderung einiger Werbekunden nach „Verlags-Panels des Presse-Grosso als eine ergänzende Hilfestellung für die Mediaplaner" (werben & verkaufen 14/1990: 98) nicht nur von einer hochgradigen Verunsicherung, zu der einige Verlage durch Abqualifizierung der Wettbewerber zugegebenermaßen beigetragen haben362, sondern auch von einer geringen Kenntnis der vertrieblichen Zusammenhänge und einem falschen Verständnis von der Tätigkeit der IVW, die keine Ermitdungsverfahren betreibt, sondern Übereinstimmungsprüfungen durchführt. Da einige Anzeigenkunden nicht mehr an die Richtigkeit der vierteljährlich erscheinenden IVW-Zahlen glaubten, beschafften sie sich klammheimlich, manchmal sogar auf ungesetzlichem Wege, die ISPC-Meldungen der Grossisten. Auf diese Weise wurden „mehrfach IVW-geprüfte Auflagen auf ihre Glaubwürdigkeit (...) abgeklopft" (Jacobs 1988: 30) mit der Folge krasser Fehlinterpretationen und gezielter Propaganda gegen die IVW und einzelne Verlage wegen angeblicher Auflagenfälschungen. Nicht nur, dass mit Grosso-Verkaufszahlen keine „Käuferwandlungen und Trends rechtzeitig zu erkennen" (werben & verkaufen 14/1990: 98) sind, auch würden bei der Prüfung einzelner Grossofirmen die regionalen Unterschiede diverser Titel, die wie die TV-Magazine ein Süd-Nord- bzw. Nord-Südwerden, ohne dass die Bezugsbedingungen der Mappe verändert werden. Zu den Ergebnissen vgl. VDL 2005: 72 360 preisgruppenmengenstatistik, Rabatte mit Erläuterungen, Immatrikulationsbescheinigungen, Einsicht in das Kundenkonto, separate Versandrechnungen des W B Z 361 Von einer der führenden deutschen Agenturen! 362 vgl. Kapitel III., 10.4.4 Abgrenzung und Differenzierung der Sonstigen Verkäufe in der IVW-Auflagenmeldung.

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III. Absatzwege und Absatzmittler von Zeitungen und Zeitschriften Gefalle aufweisen, und die hohen Auflagenanteile des Bahnhofsbuchhandels bei den Special-Interest-Titeln nicht richtig abgebildet. Daß die Verhandlungen der IVW mit dem Presse-Grosso über den Zugang zu den ISPC-Daten nicht mit dem Ergebnis geendet haben, „den Prüfer vollautomatisch zum Zugriff auf die Handels-Abrechnungen zu veranlassen", wenn die IVW-Meldung um mehr als 25% von der Verlagsangabe abweicht363, kann man angesichts der zum Teil völlig unqualifizierten Einwürfe von Mediaagenturen und Anzeigenkunden sowie den pauschalen Verdächtigungen der Verlage364 nur gutheißen. Die IVW ist für die Verlage und Werbekunden eine heilsame Einrichtung und viel besser als ihr Ruf. Dank ihrer Existenz und der Tätigkeit der IVW-Prüfer war Auflagenschwindel schon immer die Ausnahme. Da Lücken und Schlupflöcher in einem sich dynamisch entwickelnden Vertriebs-Markt unvermeidlich sind, kann niemals ganz ausgeschlossen werden, dass das Kontrollsystem unterlaufen wird und Auflagen geschönt werden. Ein Regelwerk für 1.300 Verlage und 2.400 Objekte unterschiedlichster Art und Erscheinungsweise hinkt im Zeitablauf automatisch dem aktuellen Marktgeschehen hinterher. Da es niemals alle Feinheiten und Besonderheiten des Pressevertriebs umfassend und exakt beschreiben kann, ist eine hundertprozentige Sicherheit auch nie zu erreichen. Wenn alle Marktteilnehmer realistisch bleiben und das praktisch Machbare und die Finanzierbarkeit des Kontrollsystems berücksichtigen, dann wird sich, wie immer durch den praktischen Umgang mit einem Regelwerk, von ganz allein herausstellen, wie gut und wie lange die werbungtreibende Wirtschaft und die Agenturen mit den neuen IVW-Richtlinien leben können.

10.5.1 Branchengerede und Konkurrenzneid Über IVW-Auflagenzahlen gemunkelt wird in der Pressebranche immer mal wieder (.werben J«ο 3 a 3 έ

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η 11 ο — ι οräftrennen für einzelne Absatzwege und seine besondere Beschaffenheit erfordern für den Einzelverkauf darüber hinaus eine besondere Präsentationsform. Newspaper Direct hat deshalb verschiedene Display-Varianten in Auftrag gegeben, in denen die Zeitungsausdrucke aufrecht stehen können (dnv 18/2003:44). Neue Maschinen mit veränderter Technik haben den Digitaldruck beliebig vieler Exemplare an den unterschiedlichsten Plätzen in und außerhalb Europas ermöglicht. Die Technologie, mit der die Neue Zürcher Zeitung in London und die Financial Times und die Süddeutsche Zeitung direkt vor Ort in Johannesburg bzw. Kapstadt gedruckt und weiterverarbeitet werden (Bramfeld 2001: 57), bringt Zeitungen hervor, deren Auflagen, Qualität und Preis weitestgehend denen von konventionellen Exemplaren entsprechen. Die Akzeptanz dieser Zeitungen beim Leser ist trotz noch fehlenden Vierfarbdrucks und geringfügiger Veränderung des Formats sehr hoch. Etwas anders verhält es sich mit den Zeitungsausdrucken von Satellite Newspaper und Newspaper Direct, die zumeist nach Bedarf (on Demand) in Einzelexemplaren ausgedruckt werden, und deren Papierqualität, Format und Handhabung sich gravierend von konventionellen Zeitungen unterscheiden. Aber auch für diese, meist weit vom Verlagsstandort entfernt beziehbaren Produkte, ist eine ausreichend hohe Akzeptanz bei den Lesern festzustellen. Für sie ist nur die Aktualität des Inhalts von Bedeutung. Wenn durch eine schnelle Übertragung nach Redaktionsschluß der komplette Zeitungsinhalt zu dem selben oder einem geringfügig höheren Preis als Printprodukt verfügbar ist, dann sind viele Leser bereit, auch eine geringere als die gewohnte Qualität zu akzeptieren (drupa report 3/2004:28). Für Ε-Publikationen, die sowohl von Zeitungen als auch von Zeitschriften angeboten werden, haben Studien (Theis-Berglmair 2002: 51 f f . ; Schul£ 2002: 152 ff.) eine relativ hohe Akzeptanz bei den Lesern festgestellt. In ihnen kann gezoomt, gescrollt und es können Dateien heruntergeladen werden, d.h. die konventionelle Publikation wird quasi auf dem Computer simuliert (Golta 2004: 113) und die gesamte Steuerung wird möglichst nahe am Lesen einer gedruckten Publikation gehalten. Im Unterschied zu digital, noch überwiegend schwarz-weiß gedruckten Publikationen, die an vorgegebene Formate (meist A 3) gebunden sind und als Abonnementstücke bzw. im Einzelverkauf zum Leser gelangen, eignen sich die durchgängig farbigen Ε-Publikationen eher für das Abonnement als für den Einzelverkauf. Ihr größter Nachteil wird darin gesehen, dass Ε-Publikationen jeweils am Bildschirm gelesen werden müssen, die Portabilität gedruckter Publikationen (noch) nicht gegeben ist und für das Herunterladen von Zeitungsseiten oft mehr Zeit vergeht, als der Nutzer mit dem Lesen einer Ausgabe verbringt (Riefler 2002: 183).

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11. Digitaler Pressevertrieb im Wettbewerb mit dem konventionellen

Pressevertrieb

11.1.2 Verlagsstrategien und die Bildung von Teilmärkten Weil digitale Verlagsprodukte unterschiedliche Stärken und Schwächen besitzen, müssen die Verlage den Gesamtmarkt segmentieren. Ausgangspunkt dieser Vorgehensweise ist die Annahme, dass das konventionell gedruckte Produkt beim Endverbraucher den meisten Erfolg hat (Golta 2004: 112). Allerdings verliert das konventionelle Produkt an Attraktivität beim Leser, wenn es zu spät angeliefert wird. Außerdem wird der Transport mit zunehmender Entfernung teurer. Die Marktsegmentierung hat also zum Ziel, den digitalen Pressevertrieb nur in solchen Teilmärkten einzusetzen, für welche die konventionelle Zeitung nicht oder nur unter preislich oder zeitlich erschwerten Bedingungen zur Verfügung steht. Die mit dem digitalen Pressevertrieb anvisierten Käufergruppen sind somit primär im Ausland zu finden und tangieren damit das Geschäft der Exporteure. Als Instrumente zur Bildung von Teilmärkten stehen der Standort, der Preis und die Werbung zur Auswahl (Golta 2004: 112). Die Bestimmung des richtigen Standortes ist der wichtigste Schritt bei der Segmentierung, weil sich der Gesamtmarkt in erster Linie geografisch gliedert. Die Standorte werden auf die einzelnen Verlagsprodukte aufgeteilt. Im Digitaldruck wird eine Zeitung nur angeboten, wo es lohnenswert erscheint. Da die Digitalprodukte untereinander ebenfalls verschiedene Stärken und Schwächen haben, werden sie je nach Bedarf auf einzelne Märkte verteilt. Das Digital Newspaper Network von Oce wird von den Zeitungsverlagen meist gezielt für einzelne, besonders wichtige Auslandsmärkte genutzt, um punktuell mit einem aktuellen Produkt präsent zu sein.112 An weniger wichtigen oder weiter entfernten Standorten sind die Zeitungen dann über die Netzwerke von Satellite Newspaper' 13 oder Newspaper Direct 1 " erhältlich, wie zum Beispiel die Financial Times Deutschland. 15 Die FTD ist an doppelt so vielen Standorten im Print on Demand erhältlich wie die von der Gesamtauflage viel größere Süddeutsche Zeitung. Das liegt daran, dass die Süddeutsche Zeitung bereits um 18:00 Uhr andruckt und europäische Länder in Randlage zumindest noch mit der konventionell gedruckten Exportauflage erreicht. Diese Möglichkeit ist für die Financial Times Deutschland wegen des aktualitätsbedingten, späteren Andrucks um 23:00 Uhr nicht mehr gegeben. Für Titel mit extrem späten Andruckzeiten besitzen Onlineausgaben eine hohe Attraktivität, weil sie eine durchgängige internationale Präsenz am Α-Tag ermöglichen. Allerdings ist es bei Ε-Publikationen schwieriger, den Bezug auf einzelne Märkte zu Vgl. Kapitel III., 11.2.3 Digital Newspaper Network (DNN). Im individuellen Verkauf an Newspaper Kiosks. 114 Druck und Verteilung durch Lizenznehmer in Hotels, Flughäfen, auf Kreuzfahrtschiffen und bei endegenen Veranstaltungen. 115 Die FTD ist im Print on Demand in 41 Städten und 17 Ländern außerhalb Deutschlands verfügbar. Ihre Verbreitungsschwerpunkte liegen in den USA, Asien sowie in den europäischen Metropolen. Vgl. Bramfeld 2001: 57. 112 113

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IV. Marktanteile der Vertriebssparten am Gesamtumsatz und Verlags-Präferen^enfür einzelne Absatzwege begrenzen, weil der Absatz nicht über den Einzelhandel erfolgt, sondern der Zugang prinzipiell weltweit übers Internet möglich ist (Golta 2004: 112). Um eine Kannibalisierung des konventionellen Pressevertriebs zu vermeiden, bieten viele Verlage für ihre Ε-Publikation kein reines Online-Abonnement an. Uber den Verkaufspreis kann ein Anreiz gesetzt werden, dass die Leser, wenn immer möglich, die konventionelle Ausgabe beziehen, d.h. wer eine Zeitung oder Zeitschrift nur als Ε-Publikation abonniert, der bezahlt den Preis, den auch Abonnenten für die konventionell gedruckte Ausgabe bezahlen. Wer hingegen die Online-Version als Zusatz zum konventionellen Abonnement bezieht, bezahlt nur einen geringen Aufschlag auf den monatlichen Bezugspreis. Dieses Angebot, für das Abonnenten einen Aufpreis von € 1,90 auf den normalen Abonnementspreis bezahlen, unterbreitete zum Beispiel die Oldenburger Nordwest-Zeitung ihren Abonnenten. Nicht-Abonnenten müssen hingegen für die Online-Ausgabe der NWZ € 17,90 monatlich zahlen (dnv 19/2004: 101). Werbung ist ein unterstützendes Element bei der Bildung von Teilmärkten. Werbung und Marketing sollen dem Leser zeigen, welches Verlagsprodukt er in welcher Situation verwenden soll. Der Nutzungszusammenhang der konventionellen und digitalen Verlagsprodukte kann dem Leser über gezielte Kommunikationsmaßnahmen beigebracht werden, wie dies zum Beispiel die Neue Zürcher Zeitung versucht (vgl. 3703/113). Die NZZ bezeichnet ihre Ε-Publikation als „NZZ Global". Damit ist die Onlincversion als Produkt für den globalen Kontext erkennbar. Die lokale Nutzung soll schließlich nur sekundär erfolgen. Die Verlage insgesamt müssen noch kräftig in Marketing und Werbung für ihre OnlineVersionen investieren. Denn fünf Jahre nach der Einrichtung dieses zusätzlichen Absatzweges sind Ε-Publikationen noch immer eine quantitative Marginalie.

11.1.3 Zukünftige Potentiale und Herausforderungen Digitaldruck vor Ort, Print on Demand und Ε-Publikationen als Synonyme für digitalen Pressevertrieb haben sich vorerst in ihren jeweiligen Marktnischen etabliert (Golta 2004: 113). Ihre weitere Entwicklung ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Bei Ε-Publikationen fehlt es an der Sortimentsbildung, die das PresseGrosso und der Presse-Einzelhandel für konventionell gedruckte Zeitungen, Zeitschriften und Bücher übernehmen. Ε-Publikationen sind zur Zeit primär abonnementsorientiert und werden meist über die Websites der Verlage bezogen. Es fehlt also an einem Ort, an dem Leser durch verschiedene Ε-Publikationen stöbern und Impuls-Käufe tätigen können. Verlagsangebote mit Zugriff auf unterschiedliche Publikationen gibt es bisher kaum (Golta 2004: 113). Es wird sich zeigen müssen, inwieweit Produktinnovationen durch die neuen Absatzwege entste-

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11. Digitaler Pressevertrieb im Wettbewerb mit dem konventionellen

Pressevertrieb

hen können. Beispiele für ein neues Produkt sind die News am Abend116 und Financial Times Kompakt." 7 Die digital gedruckte Zeitung der Verlagsgruppe Handelsblatt ist ein Update der morgendlichen, konventionell gefertigten Ausgabe und wird -wie FT Kompakt- nachmittags in verschiedenen ICE-Zügen gratis an Fahrgäste der 1. Klasse verteilt. Beide Produkte sind in ihrer Eigenart nur auf der Basis des digitalen Pressevertriebs möglich. Gern diskutiert wird immer mal wieder die Möglichkeit einer individualisierten Publikation. Dieses an die Interessen des einzelnen Lesers angepasste Verlagsprodukt ist durch die Möglichkeiten des digitalen Pressevertriebs technisch ohne weiteres realisierbar. Voraussetzung jedoch ist, dass der Leser angeben kann, was ihn interessiert und was nicht. Doch die Vorlieben komplett zu artikulieren, ist schwierig, weil sie den meisten Lesern gar nicht klar sind und weil sie nicht identisch sind, sondern sich mehr oder weniger deutlich vor- und zurückverschieben. Hinzu kommt etwas, was Schönbach (Schönbach 2005: 344 ff.) die Funktion der „Zuverlässigen Überraschung" nennt, nämlich, dass sich der Leser eines Periodikums immer wieder für etwas Neues, Überraschendes interessiert, was er inhaltlich vorher nicht wissen und auch nicht sagen kann. Für die Ε-Publikation des Spiegel wurde mit der Pack&Go-Funktion im Inhaltsverzeichnis des Objektes eine technische Lösung entwickelt, über die sich der Leser seinen persönlichen Spiegel zusammenstellen kann, d.h. die als separates Datenpaket herunterladbare Ausgabe enthält nur die vom Leser ausgewählten Beiträge (Wegner 2004: 50). Interessante Nachrichten und Themen im Internet anklicken und kurze Zeit später eine personalisierte pdf-Zeitung ausdrucken und mitnehmen, so sollte InvestorNewsSnap, ein neues Print on Demand-Produkt der Verlagsgruppe Handelsblatt funktionieren (dnv 19/2004: 101). In einem weiteren Projekt namens Personal News sollten die Inhalte gleich mehrerer Zeitungen und Zeitschriften in einem Produkt vereinigt werden. Gedacht war das Produkt als digital gedruckte Zeitung, die morgens ins Haus geliefert wird. Wer Personal News beziehen will, muß abends auf der dazugehörigen Website selektieren, welche Inhalte er am nächsten Morgen lesen möchte. Der Copypreis für eine Ausgabe sollte bei 2,50 € bis 2,80 € Hegen (Heitmüller 2005); 80 Cent Grundpreis und der Rest für die Auswahl an Artikeln. Für die erste Ausgabe war eine Auflage von nur 500 Exemplaren geplant. Auch bei einer so niedrigen Auflage profitierten, so der Gründer des Projektes, die teilnehmenden Medien. Anzeigen träfen genauer definierte Zielgruppen, dadurch würden sie wertvoller. Unglücklicherweise verweigerten viele Verlage die Mitarbeit an dem Projekt, weil die Zahl der Interessenten zu klein und der Bedarf bei den Anzeigenkunden nicht nachgewiesen war. Die mittelfristige Entwicklung digitaler Verlagsprodukte ist schwer abschätzbar. Um Logistikkosten einzusparen, Logistikstrukturen zu rationalisieren und dem im 116 11 •

Vgl. Kapitel III., 11.2.2.2 News am Abend. Vgl. Kapitel III., 11.2.2.3 Financial Times Kompakt.

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IV. Marktanteile der Vertriebssparten am Gesamtumsatz und Verlags-Präferen^en für einzelne Absatzwege Wettbewerb mit digitalen Medien immer zentraler werdenden Aktualitätsanspruch der Leser zu entsprechen, wird es künftig unumgänglich sein, in Abhängigkeit von der Zahl der verkaufbaren Exemplare dezentrale, d.h. in der Regel lokale Druckstandorte, möglichst am Point of Sale oder beim Leser zu Hause einzurichten. Die im digitalen Pressevertrieb zum Einsatz kommenden Technologien, z.B. Vierfarbigkeit im Digitaldruck oder Ε-Publikationen auf Taschencomputern befinden sich in einer fortlaufenden Entwicklung. Für die unmittelbare Zukunft erwartet Raphael Golta keine großen Sprünge. Schon für wahrscheinlicher hält er es, wie auch Frank Romano vom Rochester Institute of Technology (drupa report 3/2004: 27 ff.), dass andere Druck-Technologien zum Einsatz kommen, die sich in den Auflagensegmenten zwischen dem Digitaldruck und dem konventionellen Offsetdruck positionieren. Für die Ε-Publikationen spielt die Entwicklung neuer Monitore oder Endgeräte eine gewisse Rolle (Golta 2004: 114), ebenso wie die Verfügbarkeit schneller und mobiler Internetanschlüsse. Die Anzahl verkaufter Endgeräte bestimmt die Obergrenze potentieller Nutzer und damit die Attraktivität dieses Marktes für die Verlage. Diese Faktoren sind alle voneinander abhängig, d.h. neue, interessante Verlagsprodukte können die Nachfrage nach Endgeräten und entsprechenden Internetanschlüssen auch wieder ankurbeln helfen."8 Mit der Einführung des breitbandigen Universal Mobile Telephone Systems (UMTS) werden Mobiltelefone und Personal Computer noch mehr miteinander verschmelzen und internetfähige PDAs werden die wichtigste Multi-Media-Anwendung werden. Entscheidend für die Entwicklung der Ε-Publikationen wird sein, mit welcher Geschwindigkeit die Akzeptanz geeigneter PDAs voranschreitet. Langsam, aber stetig wächst der noch kleine Markt der Ε-Publikationen. Wie hoch jedoch der Anteil entsprechender Leser in den nächsten Jahren klettern könnte, darüber gibt es noch keine verlässlichen Prognosen. Die Schätzungen schwanken zwischen zwei und zwölf Prozent (Karepin 2004:96). Fachleute, wie der amerikanische Medien-Mogul Ted Turner oder der Soziologe und Digital Designer David Carson, hatten bereits 1995 vorhergesagt, daß EPublikationen das Ende des konventionellen Pressevertriebs bedeuten.115 Doch die Entwicklung verlief ganz anders. Paradoxerweise verzeichnete die Industrie durch digitale Druck-Technologien steigende Volumina bedruckbaren Papiers. Druckexperten wie Lois Niland von Xerox (Distripress Gazette 9-10/2000: 68f.) und andere sind der festen Überzeugung, dass die digitale Entwicklung in der Zeitungsherstellung anhält, und dass die Kapazitäten für den Digitaldruck noch weiter wachsen Die Zahl der Mobilfunkkunden steigt ungefähr sechsmal schneller als die der Festnetzkunden. Bis 2008 wird es einer Studie von Emst & Young zufolge weltweit mehr Mobilfunk- als Festnetzkunden geben (Leadership Connection Studie 1999: 52). 115 Vgl. L. Blackwell/D. Carson, The End of Print, USA 2000 1,8

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/1. Digitaler Pressevertrieb im Wettbewerb mit dem konventionellen Pressevertrieb werden. Drucken wird ein internetgestütztes Geschäft, versichert auch Hewlett Packard: „Wir transportieren keine Zeitungen mehr, wir transportieren Daten und drucken vor Ort." Um diesen Wandel zu fördern arbeitet HP an Technologien, die es dem Internet-Nutzer ermöglichen, Zeitungs- und Zeitschrifteninhalte direkt auf Endgeräte wie Handys, PDAs, Digitalkameras oder digitale TV-Geräte herunterzuladen und zu drucken (Norr 2000). Die Japaner zählen zu den eifrigsten Zeitungslesern der Welt. Und weil das Umblättern von Zeitungsseiten in den japanischen U-Bahnen mangels Ellenbogenfreiheit fast unmöglich ist, laden sich einige von ihnen schon früh morgens die Wortbeiträge der großen japanischen Tageszeitungen per drahdosem Internetzugang auf ein tragbares Endgerät120 herunter, um selbst im dichtesten Gedränge lesen zu können. Die meisten der mobilen Endgeräte sind aber noch stark verbesserungswürdig. Der Lesekomfort lässt aufgrund der unterschiedlichen Formate und Größen von E-Publikadonen und Bildschirmen zu wünschen übrig, und die Endgeräte sind zu schwer und zu unflexibel (Borstelmann/Min 2003: 1). Während das Lesen von Ε-Publikationen auf LCD-Bildschirmen noch etwas umständlich ist, versprechen technologische Weiterentwicklungen, wie z.B. das EPaper oder Folienbildschirme für die Zukunft einen höheren Lesekomfort und eine bessere Akzeptanz bei den Lesern. Schon mehrfach haben TechnologieAnbieter die vermeintliche Serienreife einer Form des Ε-Paper bekann tgegeben.121 Ε-Ink und Gyricon glauben, elektronisches Papier in zwei bis fünf Jahren bis zur Marktreife entwickelt zu haben. Es werden aber noch einige Jahre mehr vergehen, bevor Verlage und Absatzmittler eine endgültige Antwort auf die Frage erhalten, ob und wieviel bedrucktes Papier die Verbraucher künftig noch zum Lesen verwenden, oder ob sie (und wie viele von ihnen) Ε-Publikationen auf einen Personal Digital Assistant herunterladen und von einem Bildschirm lesen wollen.

11.2 Die Funktionen der Handelsbetriebe im konventionellen Pressevertrieb Das Ziel der Marktversorgung mit Zeitungen und Zeitschriften muß täglich, wöchentlich, vierzehntäglich usw. stets aufs Neue verwirklicht werden. Die bloße Bereitstellung der Presseerzeugnisse durch die Verlage bietet noch keine Gewähr für ihre Aufnahme durch den Markt. Notwendig ist ihre Verfügbarkeit an den Plätzen und zu den Zeitpunkten an bzw. zu denen die Käufer von Zeitungen und Zeitschriften zur Marktentnahme fähig und bereit sind. Es gilt also, die räumlichen Distanzen zwischen den Verlagen und den Lesern, Käufern und Abonnenten sowie die zeitlichen Unterschiede zwischen den Produktionsplänen und den indi120 121

Vgl. Kapitel III., 11.8.4.3 Ε-Publikationen auf dem Tablet-PC Vgl. Kapitel III., 11.8.5 Ε-Paper (Elektronisches Papier).

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IV. Marktanteile der Vertriebssparten am Gesamtumsatz und Verlags-Präferen^en für einzelne Absatzwege viduellen Kaufabsichten abzugleichen. Hinzu tritt das Erfordernis des Mengenausgleichs, d.h. die Bevorratung der Zeitungs- und Zeitschriften-Angebotsstellen mit den Mengen, die der raum-/zeitbezogenen Nachfrage entsprechen (Brummund 1985: 226). Jeder Verlag bietet in der Regel nur ein begrenztes Sortiment an Zeitungen und/oder Zeitschriften an, oftmals nur einen einzigen Titel. Die meisten Leser wünschen jedoch, aus einem möglichst vielseitigen, breiten und/oder tiefen Pressesortiment auswählen zu können, welches nach Bedarfsgesichtspunkten gegliedert ist. Je größer die Zahl der Presseprodukte ist und das Erfordernis, diese nach Käuferbedürfnissen zusammenzustellen, desto wichtiger ist die Sortimentsfunktion des Handels. Die Firmen des Presse-Grosso, des Presse-Fachhandels, Bahnhofsbuchhandels, Werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels und des Lesezirkel müssen sich nach ihren Kunden richten und ihr Presse-Sortiment so bilden, daß die Einzelkäufer, Abonnenten und Mieter die Titel vorfinden, die sie zu beziehen beabsichtigen. Durch die zunehmende Vielfalt an Zeitungs- und Zeitschriftentiteln ist der Pressemarkt immer schwieriger zu überschauen. Für die Leser werden Informationen über die Produktangebote der einzelnen Verlage damit immer wichtiger. Die genannten Funktionen, die räumliche Funktion, die zeitliche Funktion, die Quantitätsfunktion, die Sortimentsfunktion und die Informationsfunktion sind Ausgangspunkt und zentrales Anliegen im konventionellen Pressevertrieb. Den einzelnen Absatzmittlern obliegen dabei grundsätzlich die gleichen Aufgaben, wie Handelsbetrieben in anderen Branchen, wenn auch mit zum Teil anderer Akzentuierung. Der Pressevertrieb wird entscheidend durch die zeitungsspezifischen Kriterien Aktualität und Periodizität geprägt. Presseerzeugnisse sind im ökonomischen Sinne eine Mischform aus Ware und Dienstleistung, wobei der Dienstleistungscharakter überwiegt und der Nutzwert von Zeitungen und Zeitschriften vom Zeitfaktor abhängt. Am deutlichsten kommt dieser Wertmaßstab in dem Satz "Nichts ist älter (wertloser) als eine Zeitung von gestern" zum Ausdruck (Mundhenke/Teuber 2002: 76).

11.3 Die Wertschöpfungskette des traditionellen Pressehandels Der Pressehandel ist grundsätzlich durch die Mehrstufigkeit des Marktes geprägt.122 Dabei fungiert er als Mittler zwischen den Verlagen, Logistiknetzen, anderen Absatzmittlern und auch als Zugang zum Leser. So können die einzelnen Handelsfunktionen auch als Wertschöpfungskette dargestellt werden:

122 Vgl. die dem Buch beigefügte Grafik über das Vertriebssystem der deutschen Zeitungsund Zeitschriften-Verlage, das auf insgesamt fünf Marktstufen basiert.

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11. Digitaler Pressevertrieb im Wettbewerb mit dem konventionellen

Pressevertrieb

Information \ Lagerhai- \JujHeferung\.BevormunA Sortiments- Wechnungsüb e f \ t u n g u n d \ der Ware \ der \gestaltung \ ' e g u n g / Presseangebot / Vordispo- / vor dem /Angebots- /nach Leser- / Inkasso/ sition / EVT / stellen / geschraack/ Oelkrederty

Abbildung 31: Die Wertschöpfungskette des traditionellen

Pressehandels

Eine besondere Bedeutung innerhalb der Wertschöpfungskette des Handels hat die Sortimentsfunktion, weil sie für den Leser bzw. Käufer von Zeitungen und Zeitschriften durch die Möglichkeit zur kombinierten Bedarfsdeckung mit anderen Produkten oder Diensdeistungen einen Mehrwert generiert. Um einen echten Mehrwert zu schaffen, ist es notwendig, sich an den Bedürfnissen, Wünschen und Anforderungen der Kunden zu orientieren. Zweite Kernfunktion des traditionellen Pressehandels ist die Informationsfunktion. Gegenstand der Informationsfunktion ist zum einen die Unterrichtung der Verlage über Kaufmotive, Kundenmeinungen und Kundenwünsche, zum anderen die Unterrichtung des Verbrauchers über das aktuelle Pressesortiment. Die Aufgabe der Informationsbeschaffung, -bewertung und -Verbreitung bezieht sich verbraucherseitig auf die zielgruppenspezifische Aufbereitung der Eigenschaften von Zeitungen und Zeitschriften für den Absatzmarkt und stellt eine zur Sortimentsgestaltung komplementäre Funktion dar (Zerdick et al. 2001:228).

11.4 Entbündelung der Handelsfunktionen im E-Commerce Abgesehen von der zentralen Aufgabe der Sortimentsgestaltung ist heute bereits eine Auflösung des Leistungsbündels des Pressehandels und eine Auslagerung der übrigen Funktionen auf Drittanbieter erkennbar.123 Die Überbrückung von Raum und Zeit zwischen den Verlagen und den Lesern als Aufgabe des traditionellen Pressehandels zum Beispiel wird heute schon zu großen Teilen vom Internet übernommen (Hudet% 2000: 322). Durch das Internet ist es zu einer höheren Markttransparenz und zu einer Erhöhung der Abwicklungsgeschwindigkeit gekommen, die Raum und Zeit nahezu bedeutungslos macht. Electronic Commerce ermöglicht in einer virtuellen Welt Darstellungs- und Suchformen, die den Möglichkeiten des traditionellen Handels weit überlegen sind und die zu marginalen Kosten jederzeit reproduziert werden können. Im Gegensatz zum traditionellen Handel ermöglicht E-Commerce, Informationen in Form umfangreicher Produktpräsentationen, Liefermodalitäten und Konditionengefugen beliebig oft und unabhängig von Raum und Zeit zu minimalen Kosten bereitzustellen, was die 125 Vgl. Kapitel II., 2. Outsourcing - Die Delegation von Aufgaben im Rahmen des Presseabsatz.

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IV Marktanteile der VertHebssparten am Gesamtumsatz und Verlags-Präferen^en für einzelne Absatzwege Frage aufwirft, ob die Absatzmittler im Pressevertrieb künftig noch eine Daseinsberechtigung haben. Denn auch die Sortimentsgestaltung kann sich in einer solchen Umwelt erübrigen, wenn es den Lesern, Abonnenten, aber auch den Wiederverkäufen! von Zeitungen und Zeitschriften aufgrund der Kürze der elektronischen Wege gelingt, ihren Pressebedarf durch individuelle Kombination verschiedener Direktanbieter bzw. Verlage zusammenzustellen und so eine Kernfunktion des Pressehandels, d.h. die Sortimentsgestaltung, selbst zu übernehmen (Hudet% 2000:320). In Anbetracht der zunehmenden Vielfalt an Special-Interest- und Fachzeitschriften-Titeln auf dem Pressemarkt kann es für die Einzelkäufer und Abonnenten von Vorteil sein, einen Intermediär oder Funktionsspezialisten (Dobbeistein/Keppel 2000(a): 345 f.) wie amazon.de oder die LeserAuskunft124 aufzusuchen, die ein allgemeines oder spezielles Internetportal oder einen virtuellen Marktplatz betreiben, ein vorausgewähltes Sortiment aufweisen oder einen Online Presse-Shop betreiben. Der Presse-Einzelhandel könnte sich in einem multimedialen Business-to-Business-Katalog125 von ims, PVG, MSV oder VUB nach ausgewählten Suchkriterien über das Angebot der Verlage informieren und die gewünschten Zeitungen und Zeitschriften über ein Procurement-System beschaffen. Die Gestaltung der Sortimente in dieser Form bezieht sich nicht auf die physische Präsenz der Presseprodukte, sondern auf die Qualität der Vorauswahl, die eine zentrale Aufgabe traditioneller Absatzmittler ist, in Zukunft aber mehr und mehr auf Intermediäre bzw. Funktionsspezialisten126 im Electronic Commerce übergehen könnte, die teilweise schon heute ein weitaus größeres Sortiment anbieten als jeder Presse-Grossist. Wiederverkäufer gehören aufgrund von Vertriebs- und Verwendungsbindungen der Verlage jedoch (noch) nicht zum Kundenkreis der Beschaffungsunternehmen. Würden diese Bindungen entfallen, wäre eine Radikalisierung des Wettbewerbs die Folge (Dobbelstein/Keppel 2000(a): 345f.). Die Grenzen und Zuständigkeiten der einzelnen Vertriebs sparten würden sich zugunsten von strikt kundenorientierten und kosteneffizienten Geschäftssystemen, die durch One-to-One-Marketing entstanden sind und noch entstehen werden, auflösen und viele traditionelle Handelsunternehmen und Vertriebssparten würden einfach aus dem Verlags-Absatzsystem getilgt.

Vgl. Kapitel III., 11.6.2 Der Presse Katalog der LeserAuskunft GmbH. Vgl. dazu Kapitel III., 11.4 ff. Multimediale Zeitungs- und Zeitschriften-Kataloge. 126 Die beiden Begriffe werden im folgenden synonym verwendet. 124

125

622

11. Digitaler Pressevertrieb im Wettbewerb mit dem konventionelkn

Pressevertrieb

11.4.1 Entbündelung der Informationsfunktion Im Electronic Commerce erfolgt eine Unterstützung der Informationsbeschaffung. Dadurch werden die Transaktionskosten für die Verlage reduziert. Sinkende Transaktionskosten infolge des Electronic Commerce bedeuten eine Gefahr für den traditionellen Pressehandel, weil die Anzahl der Handelsstufen (Marktstufen) vom Verhältnis der Transaktionskosten zum Wert der Transaktion abhängt. Ein Schrumpfen der Transaktionskosten schlägt sich zwangsläufig in sinkenden Funktionsrabatten für die Leistungen des Handels nieder und führt zu einem Abbau der Handelsstufen (Dobbelstein/Keppel 2000(a): 344). Ein geringerer Bedarf an Handelsleistungen in der herkömmlichen Form ergibt sich insbesondere für standardisierte Produkte, also auch für Presseerzeugnisse, die aufgrund ihrer Eigenschaften und Bezugskonditionen leicht in E-Commerce integrierbar, einfach informationstechnisch darstellbar, kommunizierbar und vergleichbar sind. Dies trifft nicht nur auf das Verhältnis Verlage:Leser, sondern auch auf die Beziehung Verlage:Absatzmittler zu. So kann zum Beispiel der Kontakt zu Verlagen und deren Titelinformationen dahingehend erleichtert werden, daß diese Informationsfunktion über allgemeine oder für den jeweiligen Einzelhändler individualisierbare Websites wahrgenommen wird (Dobbelstein/Keppel 2000(a): 344). In dem Ausmaß, in dem über E-Commerce ein hohes Maß an Informationen bei stark sinkenden Informationskosten bereitgestellt wird, können bei gleich hohem Kostenaufwand mehr Informationen entgegengenommen und verglichen werden. Bei Presseprodukten wird dies zu mehr Markttransparenz und zu einem intensiveren Wettbewerb führen, die tendenziell mit der Notwendigkeit zur Rationalisierung und Konzentrationstendenzen in einzelnen Vertriebssparten verbunden sind oder zur Eliminierung von Vertriebssparten führen könnten (Dobbelstein/Keppel 2000(a): 345).

11.4.2 Entbündelung der Grosso-Informations-Funktion Im Presse-Grosso richtet sich die Funktion der Informationsbeschaffung, -bewertung und -Verbreitung an die Verlage und an den Einzelhandel. Von den Verlagen werden Informationen über Titel, Werbemaßnahmen und eventuelle Verkaufshilfen für den Presse-Einzelhandel gesammelt, aufbereitet und an diesen

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IV. Marktanteile der Vertnebssparten am Gesamtumsatz und Verlags-Präferenzen fiir einzelne Absatzwege weitergegeben. In die entgegengesetzte Richtung werden im wesentlichen Informationen über die Struktur des Einzelhandels (EHASTRA)127 und Absatzzahlen für die Verlage aufbereitet. Durch den Zugang zu dem vom Presse-Grosso betriebenen System der Verkaufstäglichen Marktbeobachtung am Point of Sale128 können sich die Verlage über jeden per Scannerkasse angeschlossenen Einzelhändler und dessen Absatzzahlen detailliert informieren. Aus Gründen der Neutralität übermittelt das Presse-Grosso dem einzelnen Verlag jedoch keine Konkurrenzzahlen, sondern nur Daten bezüglich der eigenen Objekte. Neben der Information des Verbrauchers und der Wiederverkäufer über das aktuelle Pressesortiment (Sortimentsfunktion) könnten Intermediäre auch die Unterrichtung der Verlage über Absatzzahlen, Kaufmotive oder Kundenwünsche unter Zuhilfenahme bzw. Auswertung der Kassenbons übernehmen (Informationsfunktion). Durch die Bewältigung dieser Aufgaben könnten die Intermediäre als neue Absatzmittlergruppe Reputation aufbauen, die als Zeichen für Preiswürdigkeit und Qualität beim Leser, beim Handel und bei den Verlagen fungiert. Die Sammlung und Verarbeitung von Käufer- und Wiederverkäufer-Informationen als Grundlage für den Abgleich mit den Produktangeboten der Verlage stellt im ECommerce nicht mehr eine Teilfunktion, wie im traditionellen Pressehandel, sondern den Kern der Sortiments funktion dar (Zerdick et al. 2001: 228). Die Informationsbeschaffung und -Verarbeitung im E-Commerce ist nicht mehr mit der Sortimentsbildung des Handels verbunden, sondern kann von ihr abgekoppelt, d.h. entbündelt werden (Dobbelstein/Keppel 2000(a): 345). Wenn dem so ist, so werden sich anstelle des traditionellen Handels Funktionsspezialisten herausbilden, die aufgrund ihrer Kostenstruktur einzelne Funktionen besser erfüllen können, als der traditionelle Pressehandel.

Vgl. Brummund 1985: 3 1 9 ff. 128 Vgl Kapitel III., 7.6.3 Kriterien für den Premiumhandel - qualitative und quantitative Selektion. 127

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11. Digitaler Pressevertrieb im Wettbewerb mit dem konventionellen Pressevertrieb

Information über Presseangebot

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