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German Pages 380 [388] Year 1826
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C. W.
S
ch r
Contessa'ö
L f
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e it.
Herausgegeben von
E.
von
Houwald.
E r st e r
B a n d.
Lei pz i g, bei (9 eo-vg Ivachim Göschen 1326,
I
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.
De r B r i e f ohne Adresse. Lust spiel in vier Aufzügen. 1302. . M a n 0 n. 1303................................ D e r Gel ehr te. Lustspiel in vier r Aufzügen nach Destouches. 1303. D e r W e i b e r f e i n d . Lustspiel in einem Aufzuge. 1304.
S.
i
— 191 — 203 — 321
V o r r e d e .
Dem Publikum übergebt ich hiermit die sämmt lichen Schriften des jüngern Contessa. Was von ihnen bereits durch den Druck bekannt ge worden ist, hat seinem Verfasser die allgemeine Achtung, erworben, so daß man dem Namen Contessa einen ehrenvollen Rang unter den Schriftstellern- Deutschlands angewiesen hat. Seine dramatischen Dichtungen werden fortwäh rend gern auf den Bühnen gesehen, und wegen der geistreichen fleißigen Behandlung ihres S tof fes, wie der überraschenden Wahrheit der Cha raktere zu den besten deutschen Lustspielen gezählt. Seine Novellen, reich an Humor, wie an Tiefe des Gefühls, hat man wegen ihrer lebendigen, oft großartigen und dennoch einfachen Darstel lung, und wegen der reinen prunklosen gediegenen Conteff.
Schrift.
I» B v .
*
Sprache als M uster aufgestellt; man hat den Verfasser stets zu den wenigen gezählt, die mit einfach und geringscheinenden M itteln bedeutende Wirkungen hervorzubringen w ußten, und in ihm deshalb einen Dichter geehrt, der im ruhigen Gefühl seiner Geisteskraft und Sicherheit alle die gewöhnlichen H ü lfsm ittel, ein schnelles Aufsehen zu erregen, verschmähte, und der immer nur dasjenige anspruchlos darstellen mochte, wozu ihn sein G enius aufforderte. Ein solcher Dichter darf nicht untergehen, ihn wird sein Vaterland nicht vergessen wollen! E s hat vielmehr ein Recht zu der Forderung, daß diejenigen, welche dem Vollendeten am nächsten gestanden, seine geistige Verlassenschaft nunmehr dem Volke, dem er angehörte, als ein rechtmäßi ges Erbe desselben ausantworten sollen. Diesem G efühle, dieser Ueberzeugung bin ich gefolgt; ich habe die sämmtlichen Schriften meines Freundes aus seinem Nachlasse gesammelt, sie nach der Zeit ihrer Entstehung geordnet, und so eine heilige Pflicht erfüllt.
Früher gedachte ich, auch seine Lebensbeschrei bung diesen Werken anzufügen; sie sollte aus der Feder eines seiner innigsten Freunde, des B io gra phen von C a l l o t - H o ffm a n n und Z a ch a r i a S W e r n e r fließen, der ihm bis zum letzten Augen blicke mit am nächsten gestanden hatte, und des halb auch willig die Hand dazu bot. — A ls wir jedoch die wenigen Materialien hierzu gemein schaftlich zusammengestellt hatten, und die erste Skitze jenes Lebensbildes vor uns stand, wurde es uns bald klar, daß es sich zur weitern Ausfüh rung und öffentlichen M ittheilung nicht eigne, weil es trotz der reichen Ausstattung, welche C o n t e s s a von der N atur erhalten, trotz seiner seltnen Geistesbildung, seiner anspruchlosen Lie benswürdigkeit im U mgange, seines durchaus edlen S i n n e s , dennoch nur die Züge eines äußer lich unbedeutenden, an interessanten Ereignissen armen, durch Verstimmung und Kränklichkeit vielfältig getrübten, ja wohl verfehlten Lebens geben, würde. Zeh habe es daher vorgezogen, - lo s ein treues B ild des Dichters in dem sehr
gelungenen Kupferstiche, und, als seine vollstän digste Charakteristik, seine Schriften selbst dem Publikum zu übergeben. Nur folgende kurze Nachrichten über ihn mögen hier noch Platz finden: Carl Wilhelm Salier Cont essa wurde zu Hirschberg in Schlesien, wo sein Vater ein reicher angesehener Kaufmann war, am 1 9 . August 1777- geboren. Nach dem Tode des Vaters bezog er im Jahre 1794. das Pädago gium zu Halle und ging als einer der ausgezeich netsten Zöglinge desselben im Jahre 179g. auf die Universität nach Erlangen. Nach einem Aufenthalte von einem Jahre kehrte er von dort nach Halle zurück, reiste dann im W inter igoo. auf einige Monate nach P a ris , und begab sich im Sommer rgo2., nachdem er sich in Halle tüit J o h a n n e J a h n verheirathet hatte, nach Weimar, um dort als Privatmann zu leben. D er Tod trennte diese Ehe bald, die M utter starb m it rhrem Kinde im ersten Wochenbette. Cont essa ging hierauf im Jahre 1805. nach
Berlin, und ließ hier, im Verein mit seinem ältern Bruder, zuerst einige seiner Dichtungen im Druck erscheine«: Zm Zahre ißoZ- verheirathete er sich zum zweiten male mir H e n r i e t t e N a u e n d o r f , von welcher ihm sein jetzt noch lebender Sohn geboren wurde. Auch in Berlin führte Contessa ein höchst eingezogenes nur von wenigen gekanntes Privatleben. Eine öffentliche Anstellung hat er nie gesucht, er widmete seine Zeit abwechselnd eignen literari schen Arbeiten, oder selbstgewählten oft veränder ten wissenschaftlichen Studien, als alter und neuer Literatur, Mineralogie, Geschichte u. s. w. oder künstlerischen Beschäftigungen, als Musik und Malerei. Zm Zahre i8 i6 . starb ihm auch die zweite Gattin, wcrauf er Berlin verließ, und nunmehr den Aufenthalt in meinem Hause wählte, um seinen 6 jährigen Sohn mit meinen Kindern erziehen zu lassen. Seit jener Zeit genoß ich nun das seltne Glück, meinen älte sten vertrautesten Freund völlig als ein M it glied meiner Familie betrachten, und mit ihm
alles was bad Leben giebt, selbst jeben Gedan ken theilen zu können; bis er sich im Herbst des Jahres 1324., seines bedenklichen Gesund heitszustandes wegen, auf einige Monate nach Berlin zu wenden beschloß, wo er Heilung zu finden hoffte. Noch einmal kehrte er von dort mit dem folgenden Frühjahre zu uns zu rück, aber er wünschte seine Kur in Berlin zu vollenden und starb dort am 2 . Zuni 1 3 2 5 . Auf dem S t. Hedwigs Kirchhofe in Berlin, dicht neben dem Grabe der lieblichen, zu früh verblühten Schauspielerin Louise v. H o l t e y , bezeichnen folgende Worte auf einem einfachen Denkmale seine Grabstätte: „H ier ruht C a r l W i l h e l m S a l i c e Con t e s s a , geboren zu Hirschberg in Schlesien, „am 19. August 1777., gestorben zu Berlin „am 2. .Juni I 8 2 Z . " „A ls Freund den Freunden, .als Mensch „allen, die ihn kannten, als Dichter dem gan» „zen.Deutschland theuer und unvergeßlich!"
Endlich muß ich noch erw ähnen, daß mir die Achtung und Liebe, in weicher der V er storbne allgemein stand, aufs neue wieder recht offenbar geworden ist, während ich seine S ch rif ten sammelte; denn man hat mir nicht allein zu dem vollständigen Gelingen dieses Unter nehmens allenthalben bereitwillig die Hand ge boten, sondern auch die frühern Verleger von C o n t e s s a s einzelnen Schriften, und nament lich sein erster Verleger, H err Buchhändler R e i m e r in B erlin, und die Herren B uchhänd ler D ü m m l e r in B erlin und A r n o l d in Dresden haben zu Gunsten des S o h n e s , für dessen Vortheil die Schriften des V aters hier in einer Gesamintausgabe erscheinen, au f alle Ansprüche freiwillig verzichtet, die ihre frühern Verlagsrechte ihnen gesetzlich hierauf gewähren könnten. — D ie O per: „der Liebhaber nach dem T o d e ! " hatte C o n t e s s a eigentlich für seinen Freund C a l l o t - H o f f m a n n gedichtet, der, nachdem ihm F o u q u e ' s Undine gelungen w a r , nun
auch eine Dichtung von C o n t e s s a componiren wollte. Er wurde jedoch hierbei vom Tode überrascht. C o n t e s s a übergab hierauf seine Dichtung dem Herrn Hoftath Z . P . S c h m i d t in B e r l i n , der mit der Composition derselben noch jetzt beschäftigt ist, und aus dessen Handen ich den Text erhalten habe. Neuhaus bei Lübben in der Niederlausitz, den i . M arz 1826.
E r n s t v. H o u W a l d .
D er B r i e f o h n e A d r e s s e .
Lustspiel in vie r A u f z ü g e n . 1 8 0 2.
Elontess. Schrift, i. Dd,
I
Personen.
K o l l e r , ein Kaufmann. C a r l , sein Sohn. H a n n c h e n , seine M ündel, 1 _ . > in Kollers Hause erzogen. F r r tz , ein gunbltng, j H o l m , ein M ahler. D e s s e n F r a u , Kollerö Schwester. G a b r i e l e , Wirthschaften« in Kollerö Hause. Wi n k e l , - e i n Handlungsdiener. E in F r e m d e r . Zwei Gerichtsdiener.
Er st er
Auf zug.
Zimmer mit zwei Mittelthüren, aus der einen Seite eine Pebenthüre, auf der andern ein Fenster. I m .Vorder gründe 'ein Schreibtisch.
Er st er A u s t r i t t . C a rl (sitzt an einem Tische, und liest in einem Manuskript.) Oe öfter rch es lese, desto mehr Entdeck' yf; neue Fehler d rin , und werde V u r immer unzufricdncr m it mir selbst. — 3 a , wenn das Wert vor unserm Geiste steht, Wie's aus dem S trom der Fantasie geflossen, ~ a ^egt das Leben sich in allen Theilen,
Pa scheint es uns so schön — und is t's tiv lk icht.
4
Der B r i e f
ohne Adresse.
Doch wenn es erst durch unsre H a n d gegangen, Wie liegt es dann vor uns so kümmerlich! Der beste Geist ist auf dem weiten Wege Verflogen. Kaum daß wir's noch wieder kennen. (Aufstehend.)
J a ! würde nicht mein Lustspiel heute schon Gegeben, ja , ich nahm's zurück; begrüb's Auf immer in Vergessenheit. — E:-n Lustspiel! — Ein Lustspiel noch dazu! — Ein Lustspiel ist Bei unsrem Volk ein undankbares Spiel; Man w ill nur weinen, schämt des Lachens sich, Der arme Jocus soll von Haus und Hof Vertrieben werden. — Dennoch schöpf ich M u th ; Der Kreis, vor dem mein Lustspiel heute spielt, Gestattet wohl, dem Armen sich bisweilen Zu zeigen, einen Augenblick zu scherzen. Drum Muth gefaßt! Wo du gefehlt, da wird Die Nachsicht dir zur Seite stehn.
Zweiter
Auftri tt.
E in B e d i e n t e r . Ich einen Brief.
Da fcrtn Ich fand ihn auf der Treppe.
6 r fr e r A u f - u g . Carl.
D u fandst ih n ? — Bedi enter. Auf der Treppe! J a , cs muß I h n doch wohl semand dort verloren haben. Carl.
S o laß doch sehn. D er B rie f ist ohn' Adresse. Der Eigenthümer wird sich ja wohl melden. (Bedienter ab. Carl wirft den Brief in seinen Hut auf dem Tische.) E s könnte mancher B r ie f an gute Freunde Auch ohn' Adresse, so wie der, dem Zufall Gegeben werden, daß er ihn bestelle. E r käme doch wohl an den rechten M a n n .
Dritter
Auftritt.
W i n t e l (guckt zur Thüre herein.) S t ö r ' ich e tw a? Carl. H erein !
6
D e r B r i e f o b ne A d r e s s e . Wi n k e l .
Erlaube!: S i e M i r , I h n e n einen besten schönsten M org en Gehorsamst anzuwünschen. Carl .
Eben recht. E s fallt m ir e i n , ich habe S i e schon- gestern Um etwas fragen w ollen, denn ich weiß, S i e haben das V ertra u e n meines V a te rs . Wi n k e l .
V e r tr a u n .
S i e haben doch recht sanft geruht ? C a r l.
Recht sanft. — M ein bester Winkel, h a t denn I h n e n M ein V a t e r nichts g esagt, w as er für Absicht M i t Hannchen h a t ? Wi nke l .
M i t Hannchen hat. Und sind Doch auch noch sonst in recht erwünschtem W o h l ? Carl.
S i e sehn, vollkommen w o h l ! Allein, me i n V a t e r , H a t er sich wegen Hannehen gegen S i e N ichts merken lasser! ?
Erster
Aufzug.
7
Winkel. Merken lassen. J a . Eo etwas. Doch vorher kann ich doch nicht Umhin / mich über die Gesundheit zu Erfreun, in welcher ich S ie finde. Carl. Aber, Herr Winkel, Sie sind gar zu höflich! Wi nkel .
Höflich.
Ich werde meine Schuldigkeit nicht aus Den Augen setzen. Carl. N u n , was sagt mein V ater? Wi n k e l .
Mein V a te r ! j a ! Der Herr P apa hat mir 'Gesagt, daß er gesonnen sey, die Hannchen, Die Mamsell Hannchen selbst zur Frau zu nehmen. Carl. Herr Winkel! bester Freund! was soll das feint? Winkel. D as seyn? Ich habe mich nicht unterstanden, Den Herrn P a p a das nämliche zu fragen; Doch also war desselben' eigne Rede:
8
D e r B r i e f o h n e Adresse.
I ch habe mich entschlossen, sie zur Frau Au nehmen.
Carl. I s t nicht möglich! I s t nicht w a h r ! W as will ein alter M a n n m it solchem K inde? Winkel. O w as er damit w ill, ist völlig k lar: Z ur Frau will er es machen. Carl. Wer hat jemals Schon einen Rosenstock ins Eis gepflanzt! Wi nkel .
Gepflanzt. Ich habe auch — Carl. D a s wäre ja Noch schlimmer als ein weinerliches Lustspiel. Winkel.
S p ie l. Wie gesagt, ich habe — Carl. N e i n ! das soll V o r meinen Augen nicht gegeben werden!
Erster
Aufzug.
9
Winkel. Gegeben werden. W ie gesagt, ich hatte Auch viel Bedenklichkeiten bei der Sache. Allein der H err P a p a sind g ar zu heftig, Und ich vermuthe fast tu meiner E infalt, D aß Fritz deshalb das H aus verlassen soll. Carl. D er Fritz soll aus dem H a u se ? Winkel. Aus dem H n tfc ! D er H err P a tro n merkt w o hl, daß dieser ihm I m Wege steht bei Hannchen. Carl. N un Glück z u ! Ich kann es leiden, wenn der Bursche fo rt kommt. Winkel.
Ich auch. — Doch wenn ich fragen d a rf: S ie haben M it Mamsell Hannchen andre P lä n e ? Carl. P lä n e ? 3ch habe keinen, als daß so ein Lustspiel Au keinem weinerlichen werden soll.
iD
D e r B r i e f ohne Adresse. W i n k e l.
Ich glaubte doch bemerkt zu haben, daß S ie selbst ein Aug' au f sie geworfen hatten. C a r l (lächelnd.) S i e sehn, ich habe beide noch im Kopfe. Wi nkel .
I m K o p f ! E s ist nur eine A rt zu reden. (Rückwärts über die Schulter nach der Seitenthüre zeigend.) Die Mamsell Hannchen w ar' auch nichts für S ie . Carl.
Herr Winket, w ie? S i e haben doch nicht etwa (Winkels Bewegung nachahmend.) Ein Aug' au f sie gew orfen? Wi nket .
Ei G o tt bewahr'!
S ie geworfen? Ich strebe nicht so hoch.
C a r l (mit dem Finger deutend.) N u n , Mamsell Hannchen war' auch nichts für S ie , Und S ie viel weniger noch etwas für H annchen! Verstanden, bester Winkel?
Erster
Vi ert er
Aufzug.
Auf t r i t t . S v i tz. G rüß' euch G o tt! Carl .
G o tt dank euch! denn von uns thuts keiner. F ritz. W ahrlich! F ü r euern Dank bedank' ich mich. N u n , Winkel, Wo bleibt dein schönster, bester, guter M o rg en ? (Um ihn herum gehend.)
Bist ja geputzt, und gleichest auf ein H aa r D em Eichel-Ober in der deutschen Karte. — Wie a lt bist d u ? sechs, sieben und zwanzig J a h r ? H eut' laß' ich mich um zwanzig Ja h re belügen. S ie h ! Waren deine Füße nicht so alt, S o sagt' ich g a r, du gingst auf Freiers Füßen. N u n , seyd ihr stimmt ? Machst du vielleicht den P la n I u einem neuen Lustspiel? N u n , bringe Mich mit hinein. I h r nahmt euch drin als stimmte Personen leicht am allerbesten aus. Lebt w ohl, ihr Stöcke! Will doch sehn, ob Hannchen Schon aufgestanden ist..
ifi
D e r B r i e f ohne Adresse. Carl. Fr it z! Winkel.
Mosje F ritz! (Fritz bleibt stehen.) I m Augenblicke kommt der Herr P a p a . F ritz. S o hab' ich Zeit. Denn deine Augenblicke, Die dauern etwas lange. (Will fort.) Carl. Fritz! ich habe D ir etwas im V ertraun zu sagen.
Fritz. Du? M ir im V e rtra u n ? S o ? D a s Vertrauen muß Verzweifelt jung seyn. Aber laß doch hören. Carl.
Mein V ater ist nicht ganz mit dir zufrieden. F ritz. D as hatt' ich ohne dein V ertraun gewußt.
E rster A ufzu g .
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C a rl. E r sagt, du seyst ein ungezogner Bube, Ein Taugenichts, ein Tagedieb — Fritz.
D u sprichst D ir Wahrheit recht vertraulich a u s ! C a rl. D er gar Nicht zu gebrauchen sey. Fritz.
Dein V ater legt An jeden Menschen seine Kaufmannselle. H a tt' er mich meiner Neigung folgen lassen, Die mich zur Mahlerei bei seinem Schwager, Dem braven Meister, zog, er sollte wahrlich Jetzt anders sprechen ! C a rl. K urz, mit einem W orte: E r will dich langer nicht im Hause haben! F r i t z (lachend.) Welch Unglück! den gefangnen Fisch ins Wasser Zurück zu setzen! Liegt die Welt nicht vor mir S o grob und herrlich? und was hindert mich,
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D e r B r i e f o h n e A dresse.
S i e mein zu nennen. J a , ich werde gehn! Ich bin ja ohnedieß gewissermaßen V om Himmel in dies H au s hinein geschneit. — (T ritt ans Fenster, das er öffnet.)
Ich Dre Ich D er
werde gehn, und meiner Sehnsucht folgen, mich nach jenen duft'gen Bergen zieht, werde dorthin gehn, wo schöner noch blaue Himmel mit mir geht.
(L äßt plötzlich seine Arme sinken, kehrt sich vom Fenster a b , und blickt nach der S eiten th ü re.)
Ach! Hannchen t Wi nkel .
Mamsell liegt I h n e n immer recht am Herzen. F ritz , (drückt die Hände gegen die B rust.)
O wenn du doch die W ahrheit sprachst, Herr Winkel! Carl.
W enn das der Haken ist, der dich zurückhält, B e d au r' ich dich. Mein V a te r ist dir schon Zuvorgekommen. Winkel. Vorgekommen. Weit Zuvorgekommen.
Erster Aufzug.
1.5
Carl .
E r nimmt Hannchen selbst J u r Frau. Wi nkel . Z ur Frau. Carl. Deswegen sollst du f o rt; D enn du begreifst, daß du mit deiner Liebe G a r nicht bequem bist. F r i t z (zu W inkel.) S a g t der Mensch die Wahrheit, Herr Winkel? Wi nkel . Winkel. Gewisser. Denn —
Lautre W ah rheit; nichts
F r i t z (kleinlaut.) Und Hannchen? Wi nke l .
Hannchen? R u n Legt sich zum Ziele. Zum Heirathen laßt S ich ja kein Mädchen lange bitten.
i6
D e r B r i e f o hne Adresse. Carl.
W ahrlich! Ich txnW auch gar kein größer Glück für sie. Ein alter M a n n , der nichts von ihr verlangt, Als daß sie nur sich von ihm lieben laßt; E in reicher M a n n , der niemals knausern, sie M i t Putz und Schmuck vollauf versehen w i r d ; Und Putz und Schmuck ist doch die vierte B itte I m Weibervaterunser. Deine Schaale Fliegt in die Höhe! Wi nkel . I n die Höhe! Wo Anjetzt h in au s? W as haben Mosje Fritz F ü r Aussicht? F r i t z (tritt ein paar Schritte zurück.) Hier im Vordergründe au f Zwei Lügner, und im Hintergründe auf D a s heilige Ehebett. (G e h t einige S c h r itte , kehrt dann langsam w ie d e r u m , nim m t W inkeln und C arln bei der H and, führt sie gegen den V orgrund und stellt sie dicht neben einander. D a n n zwischen ihnen durch.)
Spitzbuben ihr!
(Läuft ab.)
Erst er
Ruf z ug .
Wi n k e t .
Spitzbuben. Carl
(lächelnd.)
Ungezogner B u b e !
Fünft er Winkel
(G eht ab.)
Auf t r i t t . (allein.)
B u b e. Respect fehlt' g a n z , steht einem überall I m Wege. — H a t am längsten nun gestanden. — H ä tt' ich n u r das verwünschte Briefchen nicht V erloren. F indet m an's und liest es jetzt, Und sieht d a r a u s , daß ich um Fritzens Herkunft G ew ußt, und sie verschwiegen h a b e , um D en schönen Schmuck — du lieber G o t t — den Schmuck Vicht herzugeben, der in seine W indeln Gewickelt w a r — O w e h , mein lieber W in k el! — Und wüßte n u r die M amsell G abriele R icht mein Geheimniß halb und h a l b ! — W a ru m L ießt du d ir's denn entlocken, T r o p f ? Jetzt muß Ic h schon die Katze streicheln, daß sie mich Richt kratzt. Eonreff. Schrlft. r. Dd.
a
1&
Der B r i e f ohne Adress e.
Sechst er A u f t r i t t . G a b r i e l e (Kaffeezeug in der H and.)
H err Winkel, wünsche wohl geruht I n haben. W i n k e t (sich schnell umdrehend.)
Haben. Wünsche einen schönsten Und besten Morgen. S i e befinden sich I n ganz erwünschtem W o h l? G a b r i e l e (m it einem zärtlichen Blick.)
Nicht recht. E tw as M igräne. Doch in diesem Augenblicke Empfind' ich gar nichts mehr davon. Wi nkel .
Ich lege Durch einen Handkuß mein Vergnügen an Den Tag. (G abriele setzt schnell das Kaffeezeug w e g , und reicht ihm die H and.)
S in d Mamsell Hannchcn aufgestanden ? Gabriele.
O längst. Doch darf man wissen, warum S ie' D as fragen?
Erster Aufzug.
19
Winket. Fragen. — F r a g e n ? G anz unschuldig. D ie F r a g ' ist ganz unschuldig. Gabriele.
S o ? Fast sollte M a n glau b en , daß sie nicht unschuldig w ar. Wi n k e l .
Ich habe — 0 itretn Herz h a t kein Geheimniß V o r I h n e n , denn mein Herz ist — ja mein Herz — (C arl tritt herein, geht an den Schreibtisch und öffnet ihn. Winkel darauf hin zeigend.) I s t ein vor I h n e n gänzlich offner Schreibtisch. Ga br i e l e . S i e Witzbold, S i e .
Siebenter
Auftritt.
Kolter.
N a , guten M o r g e n , M o rg e n ? D i e steht'-, wie g e h t's ? Ic h habe heute lange S e sch lafen ; ist ja auch ein Feiertag. (Setzt sich.)
•20
D e r B r i e f oh ne Adresse. Wi nket .
Ei n Feiertag. Ich wünsche I h n e n einen — Ko l l e r .
S t ! laß e r f g u t seyn! Danke für den besten Und schönsten M org en / bin auch sonst in ganz Erwünschtem W ohl. Wi nke l .
Erwünschtem W ohl. (Jieb t sich mit einer Verbeugung zurück, stößt an den S t u h l , worauf C arl gesessen h a t , und setzt sich darauf,\ Carl. E rf ti recken S i e nicht, mein bester Winkel. W e r sich selbst. N icht setzen k an n, der ist kein Mensch. Wi n k e l .
Kein Mensch.
Koller. Nichte neues ? Keine neue M o d e ? N u n , H err S o h n ? W i e ? Wollen eure B eine bald E in bischen kürzer w erden, oder euer Gedächtniß etw as la n g e r, daß ihr heute N icht schon re rg e ß t, wie ihr euch gestern anzogt.
Ca r l .
Als Kaufmann, lieber Vater, sollten Sie M it abgezognem Hut von Moden sprechen. K o l l e r , (rückt die Mütze.)
Ih r Diener! — O ! Mein'twegen kleidet euch M it jeder Stunde anders! desto bester! Allein laßt mich ein bischen drüber lachen. C a r l. Don Herzen gcrtf! Ich lache mit.
Kol l er . Setzt eined Den Hut sich in die Augen, weil die Sonne Ihm auf die Nase scheint, gleich müßt ihr ihn Wohl oder übel auch so setzen. Nimmt Ih n jener untern Arm, wer untersteht Sich, anders ihn zu nehmen. Wie? ( K o lle r f)q£ sich, während er spricht, Carls Hut vom Schreibtisch geholt. — Der Schauspieler wird die Mode
des Tages beobachtet haben. — Indem Koller den Hut vom Schreibtisch nimmt, fällt der Brief heraus, den E a r l vorher hineingeworfen. W i n k e l hebt ihn unbemerkt auf, und tritt damit mehr in den Vorgrund.)
W in ket.
So wahr
ii
Der B rie f ohne Adresse.
I ch lebe! 'v ist mein B r i e f ! rnein schon verloren G e g lau b te r B r ie f ! (S teckt ihn hastig und freudig ein.) C a v l. E s freut mich herzlich, V a te r, D a ß ich S i e heut' bei guter Laune finde. Gabriele. H e rr Koller sind so m unter wie ein J ü n g l in g . Kol l er. J a beute bin ich a u fg eräu m t und lustig! H a t aber seine Ursach. S e h t einmal, D a ist ein B r i e f von meinem B r u d e r ; schreibt A us A m sterd am ; ist a u s Amerika Zurückgekommen, und w ird ehestens H ier seyn. (zu Carl.) D a lies, lies. Gabriele.
D er H err B r u d e r! E i ! S o hab' ich doch die E hre noch, ihn kennen Zu lernen. W ie viel J a h r e sind es wohl, D a ß S i e ihn nicht gesehen? Koller. W erden circa N u n achtzehn J a h r e , daß er uns verließ. W a r d am als in ein M ädchen stark verliebt,
Erster
Auf zug.
Ein hübsches Mädchen; aber wie's so ist, (Bläßt über die Hand.) Sie hatte nichts und niemand wußte recht, Woher und was sie war'. Der Bruder sagte, Aus England. — N a ! auf einmal war sie weg; Es wußte keiner, wo sie hin gekommen. Mein Bruder glaubte endlich eine Spur Au finden, daß sie nach Amerika Gegangen sey. Er hatte keine Ruhe, Es trieb ihn fort.
Gabr i el e. Und hat sie nicht gefunden?
Kol l er. Vergebens alles. — Is t auch jezt so gut! Ein armes Mädchen bleibt ein armes Mädchen; Du lieber G ott! Wie? — hätt' er sie genommen, I n seinem Leben hätt' er nicht das schöne Vermögen sich erworben. Wie? — Ich bin Kein Freund von einer Heirath, wo ein Theil Au leicht ist. — Wie der Fall mit meiner Schwester. Mein Wille war es nicht, daß sie den Mahler Heirathete. Sie ließ sich nicht bedeuten, Der Mahler war mit aller seiner Kunst So arm, so blutarm, so — wie ein P oet!
Wie's aber ist mit dieser Race, stolz,
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D e r B r i e f o h n e Adresse.
H ochm üthig, als ob seine K unst ein Sack M i t fünfm alhundcrttausend T h a lern w äre. Ic h hab's ihm einmal derb g e s a g t; seitdem K om m t er nicht mehr zu m i r ! Carl. D e r Onkel schreibt D o n wichtigen D i n g e n , die er I h n e n hier Entdecken wolle.
Koller. S p e c u l a t io n e n ! Vielleicht ein braves P la n c h e n , d a s recht brave Procentchen tragen wird. W a r ehedem H e rr B r u d e r Leichtsinn. N a ! h a t sich gegeben. E s giebt sich alles m it der Z e i t ; denn m it D e r Zeit kommt die V e r n u n f t; m it der V e r n u n f t K om m t auch das G eld. Carl. Auch w ohl d a s letzte ohne D ie erste.
Koller. P a h ! Geld ist V e r n u n f t! — N a , Winkel, Uns w ird der B r u d e r kaum erkevnen. W i r E m d garstig a lt geworden.
Erster Auf z ug .
25
Winkel. Worden. Freilich, $ch war noch damals ein ganz junges B lu t. Kol l er.
9fretn! n e in ! so gar jung w ar das B l u t nicht m e h r! E r hat mir oft erzählt, daß seine M utter I n guter Hoffnung w a r , als just die Preußen I m siebenjährigen Krieg' in Sachsen haußten. W ie ? W rn k e l. Haußten. W ie ? S ie irren sich, ich dachte E s war' im Kriege Anno,acht und siebzig — Kol l er.
Ho h o ! das war ein S p ru n g , Freund W inkel! Thun 2hm nicht die Beine weh d a v o n ? N e! ne! I m siebenjahr'gen Kriege w ar's. E r hat M ir's ja so oft e r z ä h lt; und seine M u tter Versah sich drauf an einem Schwer - Blesiirten, Dem beide Waden abgeschossen waren, Dem Umstand hat er's ja oft zugeschrieben, D aß er in seinem Leben keine Waden Gehabt. W ie ? Nicht? — N a ! also sechs und fünfzig Bis
1803,
macht —
*6
D e r B r ie f o h n e A dresse.
Acht er A u f t r i t t . Hannchen. Guten Morgen? Papachen! haben S i e recht gut geschlafen? K o lle r. I ! I ! sieh d a , mein Püppchen, Hühnchen! Wie D er Enget wieder aussieht. Hast du schon Kaffee getrunken. W ie ? Setz' dich, mein Täubchen. (Holt ihr einen S t u h l .) Gabriele. ( ß u Winkeln, der Hannchens Blicken zu begegnen sucht, um ihr sein Kompliment zu machen.)
Herr Koller, glaub' ich, sah' es lieber, daß W ir uns entfernten. Kol l er.
Heute hab' ich dir S e h r wicht'ge Dinge zu vertraun, mein Schätzchen; Ich will nur Winkeln noch ein Wörtchen sagen, D a n n hast du über mich zu disponiren. ( G e h t mit Winkeln in den Hintergrund des Theaters. Earl tritt zu Hannchen.)
C a rl. Ich habe Ih n e n auch, mein schönes Hannchen,
Nicht minder wicht'ge Dinge zu vertraun. Wenn ich doch einen einz'gen Augenblick Ganz ungestört mit Ih n e n sprechen könnte. H a n n ch en. W ie ? soll ich wirklich meinen Ohren tra u e n ? S i e lassen sich aus der erhabnen Wolke D er Selbstgenügsamkeit zu mir h e rab ? Carl. Ich trage I h r e n S p o t t , und bitte jetzt N u r dringender um einen-Augenblick, Um mich rechtfertigen zu können. Kol l er,
(der sich oft unruhig nach den Sprechenden umgesehen h a t, kommt gelaufen und tritt zwischen sie.) W ie ? Hannchen.
Ach nichts , P a p a !
Koller. J a so! (Kehrt wieder zu Winkeln zurück.) Carl. Ich halte S ie , tro tz I h r e r Jugend, und trotz dem Geschlecht, S ie sind ein Frauenzimmer, für vernünftig,
28
D e r B r i e f ohne Adresse.
D a ß man mit I h n e n ohne Schmeichelei, Utib wie mit einem M a n n e reden kann. Hannc he n.
Recht sehr verbunden. Kol l er, ( kommt wieder gelaufen. ) W ie? Hannchen. Ach n i c h t s , P a p a ! Kolter.
3 a so. ( Kehrt zurück uub nimmt Winkeln, der sich auch ge nähert h a t , m it . ) Carl .
Ic h gl a u b e , S i e sind frei von aller Empfmdele , und schätzen einen M a n n M e h r nach Verstand und männlichem Charakter, Als nach der wortereichen, weichen Liebe;. H a n n ch e n. S i e t r a u ' n mir in der T h a t fast zu viel zu. Carl. Gewi ß nicht! deshalb wird mein Vorschlag auch — M e i n Vorschlag n ä m l i c h ------
E rste r A u fzu g .
29
Kol l er.
W ie ? Hannchen. W i r sprachen nu r, D a ß so viel M ause hier im H ause sind,
B lo s weil S i e keine Katzen leiden können. Kol ter. J a so! die Katzen. — H ö r t , ihr alle drei, I b r th u t m ir den G efallen , alle drei, Und g e b t; ich habe hier m it Hannchcti w as Allein zu reden. (Winkel will Hannchen sein Compliment machen, G a briele faßt seinen Arm und zieht ihn fort.
Neunter
Auftritt.
K o l l e r und H a n n c h e n .
Ko l l e r , (reibt sich die Hände, geht hin und h e r, dann nimmt er Hannchen bei der Hand.)
N a ! mein Hühnchen, lange Schon hab' ich dir was neues sagen wollen.
3o
D e r B r i e f o h n e A d r c s s e.
H a n n ch e n. Vielleicht, daß Winket Mamsell Gabrielen H eirathen will. Koller. Ach G o tt b ew a h r'! Ich bin — H a n n ch e n. Doch nicht etwa ein neues M ausepulver? Koller. Ich dachte gar! W as wichtigers! D u bist — H a n n ch e n. W ie! oder haben S i e vielleicht entdeckt, W er Zritzens Eltern sind? Koller. Ach w a s ! E r ist —
Hannchen. D a n n weiß ich's nicht! Kolter. N a ! eben d r u m , ich will D ir's sagen.— S i e h ! ich habe — du — hast— Wi e ? D u hast mich ganz aus dem Contert gebracht! H a n n ch e n. Nicht böse sey n, P ap a c h e n ! Will auch nun Ganz ruhig hören.
Erster A u f z u g . Ko l l e r .
S ie h , du kommst jetzt in D as Heirathsalter. H a n n c h en. So? Kol l er.
Und mir als Vormund Erwachst die Pflicht, nach einer schicklichen P artie mich umzusehen. H a n n ch e n. War'ö nicht besser, Ich sah' mich selber danach um ? Koller. Bewahre, Mein Täubchen! Mädchen sollen sich nach nichts, Als nach den Hühnern auf dem Hofe umsetzn. Ich glaub' auch wirklich jemand schon gefunden Zu haben. H a n n ch e n. So? Koller. Und einen J e m a n d , dev vortrefflich für dich paßt!
31
yi
D e r B r i e f ohne Adresse. H a n n ch e n. I m Ernst, Papachcn?
K oller. G a n z wie für dich geschaffen.
Hannchen. W a r es möglich? (Bei Seite.) W i e ? sollt' er Fritzen mei nen? — E r ist eben Nicht gr oß?
Koller. G a n z r e cht ! H a n n cf; e n. Doch aber hübsch gewachsen? Koller, (indem er sich selbst besieht.) I j a ! er ist ganz hübsch gewachsen. Hannchen. Und rasch!
Munter
Kol ler. G e t r o f f e n ! J a das ist er. J a ! H a n n ch e n. Und schöne Augen —
E r s t e r Aü fz u g.
33
Koller.
J a , er hat so was — S o was man sagt, 'en angenehmen Blick. H an nch en. Nie übler Laune. Koll er. T hut man ihm den W illen! Hannchen. Etw as leichtsinnig. Koller. N u n , das dachte ich nicht. V or Zeiten wohl! Hannchen.
Auffahrend — Koller.
D a s ist w ahr! Hannchen. M e in so gut , so gut! — Koller. J a ! wirklich , H&hncfmt ? ©0 g u t ! 1. B d .
3
U
D e r B r i e f ohne Adresse.
H a n n ch e n. M i t einem W o rte : liebenswürdig, S e h r liebenswürdig. Kol l er. Und verliebt! verliebt! Ach, und vor Lust nicht wissend, wo er ist. B ei dir — sich selig preisend! — W i e ? — N a sprich, W enn machen w ir denn Hochzeit, H ühnchen? W i e ? H a n n ch e n , (tr i t t einige Schritte zurück.) W i r ? Hochzeit? Koller. N u n , ich bin ja liebenswürdig, Und folglich liebst du mich, und folglich machen W ir Hochzeit! H a n n ch e n. S i e sind lieb ensw ürdig? Kol l er. N a! W a s d e n n ? H ast du's nicht eben erst gesagt? H a n n ch e n. W ir H ochzeit?
Koller. 3 ! besinne dich doch recht! J a ! Hochzeit, T ra u u n g und ct ceiera.
E rste r A u fz u g .
35
H a n n chen. Und S ie und ich? K o lle r. Wer sonst? Ha n n chen.
E s ist I h r Scherz. Ko l l e r .
Mein Scherz? Zum Henker! nein! mein voller E rnst! H a n n ch e n. E ie also, S i e ? S ie wollen mich — Koller. Heirathen. Verstelle dich doch nicht, du loses Hühnchen! I h r Mädchen wollt doch niemals mit der Sprache H e r a u s , wenn man mit euch von Heirath spricht. G eh , geh! D u hast es doch schon langst gemerkt, Daß ich in ich verliebt, so, w as man sagt, Verli-bt bin. H a n n ch e n , (m it einem Seufzer.) So! Koller. D u wirst mein Weibchen.
^
D e r B r i e f ohne A dresse. 5? a n n cf; e n. So!
Koller. Ich will Dich a u f den H an d e n tra g e n — H annchen. S o 'i K o lle r, (streichelt ihre Hand. Fritz läßt sich am Fenster sehn.) Dich putzen; S a m m t und S e i d e , G o l d , von oben B i s u n t e n ! W i e ? gut, daß ich mich e r in n r e : An einen Brautschmuck hab' ich schon gedacht.
Hannchen, ( lä u ft auf das Fenstir zu. Sch! S ch!
Fritz zieht sich zurück.)
Kol t er .
W a s g i c b t 's ? H a n n c h e n. A ch, eine schwarze Katze S a ß a u f dem Fenster. Koller, (brrhr sich erschrocken nach dem Fenster.) E ine Kaftc Y
E r s t e r A u f z u g. H a n n ch e n , (mit den Händen zeigend.) end.) 2a!
Ach, eine große!
Koller. Wovon sprachen wir — Don deinem Brautschmuck! H a n n ch en. N e i n ! die Katze! Ach I S ie hat mich recht erschreckt! Kol l er.
Solch einen Schmuck Hast du noch nie gesehn. H a n n ch en. Wie mag die Katze Doch nur dahin gekommen seyn ? Kol l e r .
Auf ihren Vier Beinen, Kind .'— W ir sprachen von dem Schmuck H a n n ch e n. Ach! und die Augen, die sie machte! Koller.
Doch deine Katze!
Laß
38
D e r B r i e f ohne Adr esse.
H a n n ch en , (ans Fenster gehend.) Ob sie gut hinunter Gekommen seyn mag — Koller. Wollt' ich doch, sie hatte Den Hals gebrochen! — N u n , das Beste ist, Ich zieh' mich an und geh', und hole dir Den Schmuck. Du wirst erstaunen, Augen machen. O / das sind Steine; spielen, funkeln, blitzen! Es ist, als sprachen sie mit einem. — Bin Bald wieder bei dir, Hühnchen, Brautchen! Wie? (Küpt ihr die Hand und geht ab.)
Zehnt er A u f t r i t t . H a n n ch e n (allein.) Wie ist mir denn? Da käm' ich ja zur Hei rath, Beinahe wie man zu der Liebe kommt, Man weiß nicht wie? Du armer, guter Fritz! J a , deine Augen sprechen schöner doch Als seine Steine! armer Fritz! O nein, Du bist nicht arm, nein, du bist reich! Du liebst
E r s te r A u fz u g .
30
Und wirst geliebt.— Wo bleibt er nur? — Es naht — Gewiß — das ist der Fritz, gewiß! ( Sie läuft nach der Thür.)
Ei l ster
Auftritt.
C a r l (tritt herein.) Ic h habe
Gleich einem Diebe die Gelegenheit Crlauert, Sie allein zu sprechen, Hannchen! H a n n ch e n. Auch kommen Sie mir unerwartet, wie Ein Dieb bei Nacht.
Carl. Sie haben mir versprochen, Den Vorschlag anzuhören -rHannchen. ^
Nichts hab' ich
Versprochen.
Carl. Ich will kurz seyn.
Hannchen. Desto besser.
40
D er B r i e f ohne Adr esse.
Carl. Ich habe nie in Ihrer Gunst gestanden, Das weiß ich; und ein gleiches Schicksal möchte Bei allen Ihren -Schwestern mich erwarten. Ich war im Leben einmal nur verliebt, Als achtzehnjähriger Jüngling. Es bekam M ir aber schlecht. Seitdem hat mich der Himmel Davor bewahrt, und wird mich auch davor Bewahren. Denn ich bin ein kalter Mensch, Und fürchte mich vor Weibern. H a n n ch e n. Also das N ur war's, was Sie mir sagen wollten? wenn Sie sich vor Weibern fürchten, braucht es ja Der Worte nicht. Auf, laufen Sie davon! Das ist die beste A rt, es mir zu zeigen. N u n , laufen Sie noch nicht? Ca r l . Nein, schönes Hannchen, V or Ihnen lauf' ich nicht. Sie fürcht' ich nicht. Ich liebe Sie zwar nicht — Hannc hen. Recht sehr verbunden. Carl. Allein ich achte S ie, ich schätze Sie, Und fühle mich zu Ihnen hingezogen,
E rster A u fz u g .
41
Wie noch zu N iem an d ; denn es scheint, S ie sind Gleich weit entfernt von Schein und von Verbildung. S i e glauben nicht, es sey I h r schöner M und N u r dazu d a , Romangetehrsamkeit Und gestern erst gelesene Sentenzen, Wohlweise auszukramen, und dazwischen Vom lieben Nächsten und von neuen Moden Sich satt zu plappern. S i e sind offen, froh, Und w a h r , so weit dem Weibe dieß gegeben, Zum wenigsten hat dieses klare An ge, D a s S i e erröthend niederschlagen, nie Gelogen. S i e sind sanft, bescheiden; daß S ie aber gern sich loben hören, zeigt D as freundliche Gesicht, das wider Willen Die Eitelkeit aus Ih re m Herzen macht, Und die G e d u ld , mit der S ie mir so lange Ununterbrochen zugehört. H a n n ch en. H err K oller! Ich weiß w ahrhaftig nicht — Carl. E s ist kein V orw urf! — S ie sind wie I h r e Schwestern. Hannchen. N u n ich sehe, S ie wollen, daß ich gehen soll.
iß
D e r B r i e f ohne A dresse. C a r k.
I c h bitte J u bleiben. S o llt e auch kein V o r w u r f seyn. D e r Mensch ist einmal nun das wunderlichste C onglom erat hienieden; und w ir M ä n n e r S i n d eitel trotz den W e ib e rn , n u r daß w ir Uns alberner dabei benehmen. H a n n ch e n. W as S o l l dieß Geschwätz? w ohin soll es un s f ü h r e n ? Carl . J u einer H e i r a t h , wenn S i e an ders wollen. D a s ist mein Vorschlag. H aben S i e nun Lust, S o bitt' ic h , sprechen S i e . H a n n ch e n. N e i n ! d as ist l u s t i g ! Erst sagen S i e , daß S i e mich g a r nicht lieben, D a n n sprechen S i e von H e ira th . C a rl. Eben d ' r u m ! H a n n ch e it.
N u n w o h l ! M i t gleicher Offenherzigkeit Gesteh' ich, daß in meinem Herzen keine Empfindung für S i e le b t, die auch n ur so,
Erster Aufzug.
43
N u r so entfernt der Liebe ähnlich sähe, Als N arrh eit der Vernunft. Carl.
S o ? desto bester! S o brauchen wir ja nach dev Hochzeit nicht Herabzustimmen. Uebvigens ist zwischen Den narrischen und den vernünftgen Leuten Viel größre Aehnlichkeit, als S i e wohl glauben. H a n n ch e n. Und die Lobrede, die S i e mir und meinem Geschlecht gehalten haben — Carl. H a t mich ganz Gewiß bei Ih n e n stark infinuivt. D a s glaub' ich. W er des Andern Schwächen leicht Erkennt, dem bleiben selten seine eignen I m Dunkel. D a s macht duldsam und nachsichtig; W är' es auch darum n u r , um m it dem M antel, Den wir um unsers Nächsten Blöße hängen, Die eigenen Gebrechen zu verdecken; Und ein duldsamer Ehemann ist ein Bequemes Thier. Doch ich will kurz seyn. H a n nch en. D or einer S tu n d e schon versprachen S ie 's.
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D e r B r i e f o h n e Adr esse.
Car l . Sie zahlen ja , als war' ich schon Ih r Mann! Doch Scherz bei Seile, und zur Sache jetzt! Daß ich vor allen Mädchen, die ich kenne, Sie ehr1 und achte, wissen S ie ; das wäre M ithin der erste wohlerwogne Grund Zu meinem Vorschlag, und ein zweiter Grund, Ganz offenherzig: ist Ih r Geld. H a n n ch e n , (m it einer Verbeugung.) Mein Geld Bedankt sich für die angethane Ehre. Carl. Wenn Sie auch gar nichts weiter an mir schätzten, So wär's doch sicher diese Offenheit. Es ist kein Spaß, zu sagen, was wohl hundert Verschweigen, neun und neunzig aber denken. Es klingt vortrefflich, ist auch angenehm, Das Geld verachten — wenn man welches hat, Ich aber beug1 in Ehrfurcht mich vor dem Repräsentanten aller guten Dinge, Dem Proteus, der in alles sich verwandelt, Verstand und Schönheit ausgenommen, und Vor diesen beug1 ich mich noch tiefer. (Verbeugt sich gegen Hannchen.)
Erster Auf zug.
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Hannchen. Aber, Sic wollten kurz seyn. Carl. Ja. Sie wissen, wenn Nach meines Vaters Tod ich seine Handlung Nicht übernehme, fallt das ganze schöne Vermögen an entfernte Anverwandte. Der S tifter unsrer Handlung, der es also Verordnete, hat sich nicht träumen lassen, Es würde m t ch nach hundert Jahren einst Geniren. Was von meinem Vater mir Als Erbtheit zufallt, wird so viel nicht seyn; Doch spür' ich weder Lust noch auch Geschick I n mir zum Ellenzepter meiner Vater. Den Knoten aber könnten Sie bald lösen Durch Knüpfung eines Neuen, das w ill sagen: M ir ist geholfen, wenn Sie mich heirathen! Ich kann dann ganz nach Ihren Wünschen leben. Versprich' es Ihnen auch, Sie sollen ganz Uneingeschränkte Freiheit haben. Mißbrauch, Den fürcht' ich nicht. Ich kenne Sie genau, Sie aber werden mich noch kennen lernen, Und besser fillden, als es scheint. So machen W ir eine ziemlich lust'ge Fahrt durchs Leben. Tö wäre nicht unmöglich, daß die Liebe
46
D e r B r i e f ohne Adresse.
Als Drittes sich dazu gesellte, das War' schön und neu; denn meist sieht sie die Pfosten Des Ehebetts für Herkul's Säulen an, Wo d'rauf geschrieben steht: H a lt! nicht mehr weiter. Ich laste Ihnen Zeit zum Ueberlegcn. ( Geht ab.)
Zwölfter A u f t r i t t . Wie C a r l zu der einen Thüre hinausgeht, tritt W i nk e t zur andern herein. Hannchen bemerkt ihn nicht. Endlich fangt Winkel an leise zu husten, dann immer stärker. H a n n ch e n. Was wollen Sie?
Wi nkel . Ich habe einen Traum Verwich'ne Nacht gehabt.
Hannchen. Das ist nicht gut, Denn wer viel träumt, der schlaft nicht gut. Winkel. Richt gut.
E rster A ufzug.
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E s ist auch sonst nicht meine A rt, -u träumen. Viel zu verworren gehts im T raum e z u ; Ich bin ein Freund der O r d n u n g ; doch der Traum , Den ich verwich'ne Nacht geh ab t, der war S o schön, — so schön! H a n rr ch e n. A ls? Winkel. Als — so schön, so schön — E s war ein schöner Traum . Ha n n ch en.
W as soll ich denn M it diesem schönen Traum . Wi nke l .
Ich wollte S i e Ergebenst bitten, mir ihn auszulegen.
Hannchen. Sie hatten mich doch für kein Traumbuch? Wi n k e l .
Nein. Da war' der Einband viel zu schön. Hannchen.
Allein,
48
Der
B r i e f ohne Adr esse.
Ich seh' nicht ein, warum ich Ihren Traum, Ich grade hören soll.
Wi n k e l . Es träumte mir, Ich ging in einem allerliebsten Garten. Es war nicht einer nach der jetzigen Art, Wo man die Leute, Kreuz und Q uer, Berg auf Berg ab durch enge krumme Gange schickt, Und wo das wilde Strauchwerk unmanierlich Sich einem in den Weg hangt, daß man ja I n seinen Sonntagskleidern nicht Lustwandeln Ich möchte sagen, nur Angstwandeln kann. I n einem solchen Garten geh' ich selbst Im Traume nicht spazieren. Nein ich konnte Bei meinem E intritt gleich von einem Ende Bis zu dem andern sehn. Geruhen Sie M i r zuzuhören; denn jetzt kommts. H a n n ch e n. Ich höre; Spazieren S ie nur weiter.
Wi n k e l . Weiter. Nun, D a sah ich eine große schöngeputzte Gesellschaft an dem andern Ende gehn. Ich war ja auch recht artig angezogen;
Sonst hatt' ich mich nicht hingetraut. Ich trug Ein rosafarbnes Kleid mit Stickerei, Und auf dem Kopf ein grünes Miethen-Kränzchen. (Gabriele tritt unbemerkt herein.) H a n n ch en. I ! das bedeutet, daß Sie bald heirathen. Wi nkel.
Heirathen. Eine Dame trat aus der Gesellschaft ebenfalls mit einem Kranze 3m Haar. H a n n ch en. O sicher Mamsell Gabriele! Wi nk e l .
Bits um Verzeihung. Nein! die war eS nicht! Zugegen war sie zwar, allein sie kam Hier gar nicht in Betrachtung. — AlS ich nun Der schönen Dame mit dem grünen Kranze Erforderliche Complimente machte, Und ein'ge Fragen, die die Höflichkeit Gebietet, an sie stellte — H a n n ch en, (die zu dem Fenster hinausgeblickt.)
O Herr Winkel! Das Ende ihres Traums ein andermal! Lvntess. Schrift.
I. Bd.
4
30
D er B r i e f ohne Adresse.
N u r jetzt, ich bitte S i e , jetzt lassen S ie Mich einen Augenblick allein. Ich höre Den T raum zu Ende, wenn S ie wollen. Ganz Gewiß. N u r jetzt nicht. B i t t e ! Wi nkel . Schwer und ungern Gehorch' ich, aber ich gehorche dennoch. Denn wenn S ie bitten, lieber G o t t , man ist D om Kopf bis au f den Fuß complett gehorsam. Allein vergessen S ie nicht, wo wir blieben: Die schöne Dam e mit dem grünen Kranze Kommt mir entgegen (Fortgehend) und ich ihr — ( S tö ß t auf Gabrielen, erschrickt, macht ihrem Complimcnt, und geht, sich oft umsehend, nach der Thüre, wo erstehen bleibt.) Gabriele.
W as hat
D er alte Geck denn I h n e n vorgelogen? H a n n ch e n. O liebe Gabriele, eben sah ich Den Fritz im Garten kommen. D er P a p a I s t nicht zu Hause. Solche Augenblicke S in d selten. Gabr i e l e . N u n ich gehe! doch an diesem V errather will ich blut'ge Rache nehmen.
Ab.
D reizehnter Auftritt. F r i t z und H a n n c h e n . H a n n ch e n , (eilt ihm entgegen.) M ein G o tt, wie lange hab' ich schon gew artet! N u n guten M orgen, lieber, lieber Fritz! P a p a ist ausgegangen. F r i t z (kalt.) G uten M orgen. H a n n ch e n. Ich habe v ie l, sehr viel dir zu erzählen! S .? Ha nn c h e n.
Lachen wirst du. F ritz . O ja. H annchen. E iner nach Dem andern, kamen sie. S o g a r der Winkel H a t's , glaub' ich, auch au f mich gemünzt.
Sritz,
So!
$}
Der
B r ie f
o h n e A d re s s e .
H st n n cf; e n. Aber, Was fehlt dir? du bist so — F ritz . M i r ? gar nichts! Ich — B in heut recht lustig, ganz erstaunlich lustig! 2>t: Witlkel will dich also auch zur Frau? H a n n ch e n. O nicht allein der Winkel, d ir Papa, Und —
Fritz. So? H a n n c h e n. Und Carl. F r it z . Vortrefflich ! auch ? Sp an n chen. Ich weiß Nicht, welcher böse Geist heut' Ln dies Hauo Gefahren ist; d ie plagen mich mit ihren Heirathsantragen, und D u schmollst, G ott weiß — F r it z . Wo Weiber sind, da hat der böse Geist Nichts mehr )u thun.
E rs te r
Au
fz
u g.
53
Hannchen. Du bist unartig, Fritz. F ritz . Freund Carl ist artiger. O ja, viel bester. Papa ist reich; die Wahl ist schwer. H a n n ch en. O ja ! Fri tz. Doch welcher möchte wohl am Ende noch Den Preis erhalten? H a n n ch en. Weiß noch nicht. F ritz . Der Reiche? H a n n ch e n. Kann seyn.
F ritz . Der Artige wohl eher? Hannchen. Möglich.
F ritz . S o , so! deswegen soll ich fort. Ein Zeuge, Ein solcher Zeuge war' nicht angenehm.
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D e r B r i e f oh n e A dresse.
J a wohl!
Hannchen.
F ritz. M a n könnte zu erröthen sich Dock nicht entbrechen. H a n n ch e n. Recht!
Fritz. Ich werde gehn — Und heute noch — in diesem Augenblicke. — Ich gehe — H a n n ch en. So?
Fritz. Die S o n n e scheint wohl schöner Roch anderswo. H a n n ch e n. O ja. F ritz. Der Zufall hat Mich in dies H aus geworfen, und dem Zufall W irft man mich wieder in die Arme h i n ! ' S ist recht. — Ein Zufall wird mich wohl auch bald D er Pein des Lebens überheben.
Erster
Aufzug.
55
H annchen.
Fritz! F ritz . Das Spielzeug hat uns eine Zeit ergötzt; Man wird es überdrüssig; w irft es weg! es hat kein Recht zu klagen. Denn warum Gefallt es länger nicht? H ci n n ch e n. F ritz ! F ritz . Dein Erröthcn xAns Schuld mag ich nicht sehn. . — Einst sah ich wohl Ein schöneres! — Leb wohl! Ich mag mit mir Nicht länger spielen lassen. Lebe wohl! H an n ch en. Leb' wohl! F r it z , (geht rasch fort, aber immer langsamer, je naher er der Thüre kommt, endlich bleibt er stehen.) Wie? H a n n chen.
Nichts.
56
Der
B r i e f ohne Adresse.
Fritz. Ich dachte nur, du riefst, (gcht wieder ein paar Schritte und bleibt stehen, dann kommt er wieder langsam ein paar Schritte näher.) Ich kann doch so nicht von dir scheiden, nein! S o nicht a u f ewig Lebewohl dir sagen! W ie kommt des Menschen S prache zu dem W o rte? O wenn er die Vernichtung in dem W orte G anz fü h lte, seine Lippen schlössen lieber A uf ewig sich, als daß sie es aussprachen. (Näher tretend.) E in Frem dling a u f der W elt; ein Fremdling auch I n deinem Herzen bietet dir die H and Zum letztenmal. — D u willst sie nicht? du wendest D ie Augen von mir a b ? W ohl! w ohl! Ich gehe! W as h at der B ettler für ein Recht, den Reichen Um eine G abe bittend anzusprechen? Armseliger B e ttler! F ort m it dir! D er B ettler M uß fort. (E r geht. Hannchen brückt ängstliche Unentschlossenheit aus. Fritz bleibt stehn, nachdem er einige Schritte ge gangen ist, wirft sich auf ein Knie nieder, und legt den Kopf auf einen S tu h l.)
Hannchen, (geht ängstlich hin und her, dann -u ihm hin. Fritz! —- Fritz! — Ich bitte dich, steh auf!
E rs te r
A u fz u g .
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Fritz, lieber F ritz! W enn du mich liebst. A ch! ich Heirathe weder den P a p a , noch C arln, Roch W inkeln! S te h doch a u f, ich bitte dich. F ritz, lieber guter Fritz — er hört mich nicht! (Kniet in der Angst neben ihn, und schlägt den Arm um ihn.) M ein G o tt! D u liebst mich nicht, wenn du nicht hörst.
Vierzehnter Auftritt. K o l l e r tritt hastig herein, zugleich W i n k e l durch die andre Thüre. S ie bleiben beide eine lange Zeit wie versteinert stehn. Ko l l e r , (endlich losbrechend. F r i t z und H a n n ch e n fahren in die Höhe.) S o ! so ! das ist m ir ja recht a r tig ! — W ie ? E r , M osje F ritz! E r packt sich a u f der S telle Aus meinem Haust — Ich bin der W irthschaft sa tt; Und untersteht sich niemals seinen Fuß Herein zu setzen.
D e r B r i e f ohne Adresse. Fri t z.
Wohl ! ich bins zufrieden. (G eht trotzig ab.) Kol ler. Und S ie d a, M amsell M ondschein, au f ihr Zim m er! (Führt sie in das Seitenzimmer.) W as hat E r hier zu schaffen? Geh E r auch! D a hier hinaus. (Führt Winkeln zur T hür hinaus, und kommt dann hastig bis in den Vorgrund gelaufen.) Und ich — ich gehe auch! (D er Vorhang fällt.)
Z we i t e r
Aufzug.
Zimmer des Malers. Im Hintergründe stehen auf einer Erhöhung zwei Rüstungen aufgestellt. Die Thüre ist an der Seite des Theaters. Der M a l e r steht an einer Staffelei mit einem Gemälde, welches den Kampf eines gerüsteten Engels mit einem Drachen vorstellt. Er malt, und tritt zuweilen in die Entfernung, das Gemälde zu betrachten.
Mal er. ® o l — einen kraft'gen Drucker noch hierher, Damit das Licht sich besser hebt. — S o ! — S o l Ha, wie das gleich sich von der Leinwand (66t! — Allein der Arm ! nur der gefällt mir nicht. Den werd' ich wohl zum drittenmal noch andern.— Man bessert, bessert immer, aber selten Wirds besser. — Wenn die klügelnde Vernunft Sich nimmer doch an dem vergreifen wollte, Was die Begeisterung geschaffen hat!
6s
D e r B r i e f o h n e Adr esse.
Es war ja g u t; da sollt’6 noch besser werden, Und mehr als gut, das heißt: gewöhnlich schlechter.
Zwei ter Auf t ri t t . C a r l , (tritt herein.) Maler. Frau, gieb mir doch den Pinsel — es muß einer Auf jenem Tische liegen. Carl (bringt ihm den Pinsel.) Hier.
Mal er . Is t denn Der Kaffee noch nicht da. Du weist, daß ich Gleich nach dem Essen gern den Kaffee trinke. Carl. J a , bester Onkel. Er befördert die Verdauung, und wie viel kommt bei dem Künstler Auf die Verdauung an. Maler. Aha! Sieh da!
Zweiter Aufzug.
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Spevr Koller , S ie sinds? schön, S i e kommen recht! S ie haben mein Gemälde lange nicht Gesehn. Ich bin nicht ganz damit zufrieden.
Carl. M ir geht es schlimmer noch mit meinem Lustspiel. Ich bin g a n z u n z u f r i e d e n . W ar' es noch I n meinen H anden, blieb's im P u l t vergraben!
Maler. N u r M u th gefaßt! Bescheidnes M ißtraun ist G a r löblich, junger M ann. N u r muß cs nicht Den edlen Keim des Selbstvertm irns ersticken! Denn dies allein erzeugt das G u t' und Schöne. Carl. Recht wohl. Allein wenn man dem Augenblicke Des Urtheils nah ist, unter den Zuschauern W ohl selbst versteckt sitzt, und des Augenblicks M it Sehnsucht h a r r t, wo sich der Vorhang hebt, Die letzte Scheidewand, die unser Kind Von seinen Richtern trennt, das arme Kind, D a s unaufhaltsam seinen G ang muß gehen, Gleichviel ob Beifall arndtend oder Tadel — D a möchte wohl das Selbstvertrauen wanken. Ma l e r .
Wenn ich in bessern Zeiten vor den Werken
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D e r B r i e f ohne A dresse.
D er großen italienischen Meister stand, Wenn ich vor Raphael und Guido staunte, Die nur dem Himmel, nicht der armen Erde Die Farben abgeborgt zu haben schienen; D a wollt' ich oftmals Pinsel und Pallette I n s Feuer werfen — C a rl. O S ie hatten sich Doch wieder neue bald gekauft. Mal er.
Wie so Y C a rl. Gestehn S ie's offenherzig, lieber Onkel: S ie halten Sich nicht eben für geringer Al6 jene dort. Maler. Mein junger Freund, was wollen S ie damit sagen? C a rl. O gestehen Sie's n u r ! Zuweilen doch in schönen Augenblicken! S ie möchten keinen finden, war's auch der Bescheidenste, der nicht zuweilen sich
Z w e i t e r A u fz u g.
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Den besten gleich, wo nicht den allerbesten Geachtet.
Dritter M alerin.
Auftritt. Vorig e.
Carl geht ihr entgegen und spricht mit ihr im Hinter gründe des Theaters; der Maler steht in Gedanken und bemerkt es nicht.
Mal er. N ein, oft wandelte die Lust Mich an, Pallete und Pinsel in das Feuer Zu werfen. Aber der viel weisere Gedanke — (Bemerkt, daß er mit niemand spricht und geht an seine Arbeit.) M a le rin , (mit Carl ln den Vorgrund kommend.) Is t es möglich, lieber Carl? Wie kann mein Bruder auf den Einfall komme«. Carl. Der TVinkel hat mirs heute früh entdeckt,
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D e r B r i e f ohne Adresse.
Und ob mir gleich die eignen Augen längst Dasselbe sagen konnten, kam mirs doch Sehr unerwartet. M alerin. Wahrlich mir nicht minder! Hat er sich selbst nicht gegen dich erklärt i C ar l . Das nicht; doch seine Absicht ist so klar Wie heller Mittag. Diesen Morgen sprach Er ziemlich lang und ganz allein mit Hannchen; Hieraus ist Fritz mit ihr, so sagte Winket, I n sehr vertraulichem Gespräch vom Vater Getroffen, und ihm anbt fehlen worden, Das Haus zu raumen, was der Lrotzkopf auch Gleich aus der Stelle angenommen hat; Und Hannchen darf nicht mehr aus ihrem Jimmer, Der Vater aber weicht nicht aus dem Dorsaal, — Aus diesem folgt? — Malerin. Wie kommt mein Bruder mtv Auf diesen E in fa ll! Carl. Dieser Einfall muß Doch sehr natürlich senn, da andre Veute Ih n auch gehabt. Sogar ich, liebe Tante,
Z w e ite r Aufzug.
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Den Sie der Kalte und des Egoismus So oft beschuldigten, ich hab' ihn auch Gehabt, den Einfall. Malerin. Doch wohl nur gehabt? Im Anfall einer wunderlichen Laune. Ich kenne keinen, der mehr Hoffnung hatte, Ein Hagestolz zu bleiben lebenslang, Als dich, auch keinen, der es mehr verdiente. Carl, (macht eine kleine Verbeugung.) Wohl weiß ich, daß die meisten Frauenzimmer Die Hagestolzen und die Spinnen nicht Gut leiden können. Und Sie haben auch Gerechte Ursach. Malerin.
S till, 0 still! du kommst Sonst wieder auf dein altes Lieblingsthema. Carl . Könnt' ich mir doch die'Unart abgewöhnen. Den Leuten immer nur die Wahrheit sagen 3 u wollen. Mal er i n. Deine W a h v b v it tv iu V ich jV lK m Ccntefls.
S c h .« fr.
1
.
5
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D e r B r ie f oh n e A dresse.
C a rl. Doch den Entschluß noch nicht, den ich gefaßt, A u f S t a n d und W ü rden eines Hagestolzen Verzicht zu leisten. D eshalb komm ich h e r ; D a s wollt' ich I h n e n sa gen, liebe T an te. Ic h bin entschlossen, unter Hannchens Herrschaft Mich zu begeben, wenn sie Lust hat.
Malerin. W o hl E rin n e rt. W e n n sie Lust h a t ; w as ich fast B ezw eifeln möchte. Maler, (der schon eine Weile nachdenkend gestanden h a t , kehrt sich auf einmal zu Carl und seiner Frau.) W a s ? w er will bezweifeln, D a ß einem Künstler allerdings erlaubt sey, Nicht einzig und allein das wirklich Schöne Z u seinem Gegenstände zu erw ählen; I s t die B e h a n d lu n g sa rt n u r g u t und schön. Ma l e r i n .
E i freilich, lieber M a n n , du hast ganz Recht. W i r sprachen hier von etw as Andrem.
Maler. So?
Z w eiter Aufzug. Es ist mir doch, als hattet I h r m it m ir D avon gesprochen, daß — Ma l e r i n .
D u irrs t; w ir haben G ar nicht m it dir gesprochen.
Maler. S o ! so, so! (T ritt wieder an die Staffelei.)
Carl. S ie zw eifeln, daß mich Hannchen nehmen w ird ?
Malerin. Ich zweifle stark. Carl .
Ich aber nicht, au f E h re ! S ie ist v ern ü n ftig , hat mich diesen M orgen Gelassen an g ehört, und ich erklärte alles, Selbst das verschwieg ich nicht, daß ihr Vermögen An meinem Entschluß großen Antheil hat.
Mal eri n. D aS heißt zu viel au f die V ernunft gebaut.
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D e r B r i e f ohne Adr esse.
Vi er t er A u f t r i t t . Mamsell G a b r i e l e .
Vorige.
C a r l (unwillig.) Muß aber diese grade jetzt uns stören? Nun ich verschiebe alles bis zum Abend, Und rechn' auf Ihren Beistand!
Malerin (begleitet Carln. Zu Gabrielen.) Ei willkommen! Verziehen Sie nur einen Augenblick, Ich komme gleich zurück. (Ab.)
Zwe i t e r Au fzu g.
Fünfter Gabriele.
6y
Auftritt. Der
Maler.
Mat e r. (Nach einer Pause.)
Mus; dieser Arm Mich denn beständig stören? —- Warte, warte! (Tritt zurück, betrachtet das Gemälde, läuft dann schnell, ohne Gabrielen zu bemerken, die ihm ihren Knix macht, holt sich eine Lanze und einen Schild, die bei den Rüstun gen stehen, und kommt damit, immer auf sein Bild hin sehend, auf Gabrielen los.) Gabriele,
(retirirend.)
Herr Holm! Herr Holm! was wollen Sw von mir! He! Hülfe! Hülfe! Ma l e r .
Hülfe? wer schreit Hülfe? Ah, Mamsell Gabriele, ruhig, ruhig! Thu' Ihnen nichts, ich glaubt' ich seu allein. Wie gehtS? Wir sahn uns lange, lange nicht (Ih r Gesicht ganz nahe betrachtend.)
Sie aber conserviren sich recht leidlich.
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D e r B r i e f ohne Adresse.
Gabri el e. Erlauben S i e , daß ich mich niedersetze. M ein Wesen ist vom Schrecke durch und durch Erschüttert, G o tt! — Ich fühle eine Ohnmacht. (Laßt sich schmachtend auf einen S tu h l fallen.) Ma l e r (betrachtet sie eine Weile von w eitem , dann geht er hin, legt ihre Arme in eine malerische L age, betrachtet sie w ieder, dann rückt er ih n n K opf etw as. Gabriele liegt m it geschlossenen Augen. H ieraus nimmt er ein B la tt P a p ie r, und fängt an sie abzuzeichnen.) D ie S tellu ng ist ganz g u t; es fehlt ihr aber An Grazie. O , — wollten S ie so gut seyn, D en M u nd etwas zu öffnen, daß die untre Kinnlade sich ein bischen senkt' und so D ie Ohnmacht und Erschlaffung besser zeigt. — Recht Schade doch, daß keine Jugend mehr I n diesen Zugen ist.
Gabri el e (sich plötzlich in die Höhe richtend.) H err! S i e verstehen Sich besser a u f gemalte Angesichter, Als a u f natürliche! Maler. E i , das w ar schade! D er Künstler soll das S tu d iu m der N a tu r
Zwe i t e r Auf zug.
Nie aus den Augen setzen. Die N a tu r, S ie ist der Leib, die Kunst jedoch die Seele, Vereinigung beider zeugt das höchste Leben. Ga b r i e l e .
Wie alt war' ich denn wohl, daß keine Jugend I n meinen Zügen ist? Maler. Vergeblich will Die Kunst nur auf sich selbst sich stützen, — Gabri el e.
Noch S in d meine Rosen nicht verblüht; Herr H o lm ! — Maler. S i e zeugt nur frostige Gestalten oder Schimären. Gabr i el e.
Und ich kenne manche andre Urtheile über diese Z üge, als Die Ihrig en . Maler. F o rt mit dem fremden Urtheil? Autoritäten gelten immer nur Tür schwache S e e le n ; werde mich jedoch
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Ter B r L e f o h n e A d r e s s e .
N ie überzeugen, daß der Künstler die N a t u r versäumen dürfe.
Gabriele. Ueberhaupt, I s t cs wohl höflich, daß m an eine D am e, D ie ihren schwachen N erven unterliegt, I n O hnm acht ohne H ülfe liegen l a ß t ? M aler. W e r die N a t u r versäumt, der w ird auch nicht V on ihr begünstigt. Gabriele.
H err Holm ?
I s t das Lebensart,
S i e b e n t e r Au f t r i t t . Mal eri n. W a s giebt e s ? Lieber M a n n ? E in S t r e i t ? M aler. Ein kleiner S t r e it . M am sell behauptete, D e r Künstler dürfe die N a t u r versäumen. Ga b r i e l e .
W er bat an die N a t u r gedacht!
I weiter Aufzug. Maler. D a hörst D u's selbst. E r soll an die N atu r nicht denken. Malerin. Ich glaube, Mamsell Gabriele hat Wohl weder an N atu r noch Kunst gedacht. Gabriele. Gewiß nicht! Maler. So! M a l e r t n. S ie hat vermuthlich mir Etwas zu sagen. Ga b r i e l e .
Etw as wichtiges. Ich bitt' um einen Augenblick Gehör. Maler.
So? Malerin. ©cht I h r w ohl, I h r habt Euch nicht verstanden! Maler. Nicht recht verstanden! Wenn versteht man euch? M it Weibern ist kein S tre it, ich sollt' es wissen! (Geht kopfschüttelnd an seine Arbeit.)
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D e r B r i e f ohne Adresse.
M a l e r i n. M am sell, w as haben S ie m ir zu vertrauen? (Setzen sich.) Gabriele. Ich hatte längst schon reden sollen; doch D ie treulos glatte Zunge hielt mich ab. H eut' M orgen sah' ich, daß er mich betrogen, Und daß er keine Schonung mehr verdient. — S ie wisten's bester wohl als ich, M adam , D enn ich w ar dam als ja noch nicht im Hause, D aß man ein Ki nd, vor etw a achtzehn Jahren An Ih re s H erren B ruders T hüre fand Und daß der M osje Fritz der Fündling ist. Allein S ie kennen seine Aeltern nicht. W ie?
M alerin. M amsell G abriele, wissen S ie — Ga b r i e l e .
Ich habe n u r V erm uthung, aber eben H err Winkel — ja es muß heraus — H err W inkel Weiß alles, alles. Malerin. I s t es m öglich? Ga b r i e l e .
Ja.
I h m ist das Kind gegeben worden, ihm ; Und er hat einen B r ie f, der deutlich ausweißt, Von wem es ist. Malerin. N u n und der B r i e f ?
Gabriele. J a eben D a s ist das Unglück. Schon vor einiger Zeit W a r endlich ich so glücklich, daß der B rie f M ir in die Hände siel. Ich hob ihn au f F ü r eine günstige Gelegenheit; Und heute Morgen muß ich ihn verlieren. Z w ar hat ihn ein Bedienter aufgefunden, Und ihn dem C arl, dem jungen H e rrn , gebracht; Allein er ist zum zweitenmal verloren. Vergebens haben wir das H au s durchsucht. Vermuthlich hat ihn Mosje Winkel wieder.
Malerin. Wer aber glauben S i e , daß Fritz wohl sey? Gabr i el e. Wenn mich nicht alles tr ü g t, du lieber Gott, S o ist der Fündling Ih n en nah verwandt.
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D e r B r i e f ohne Adresse.
Ac h t e r
Auftritt.
Winkel, (tritt hastig herein.)
M am sell, ich suche S ie seit einer Stunde. Maler. Willkommen, mein Herr W inket! Eben recht. S ehr schön, daß S ie gekommen sind! Winkel. S ie muffen Sogleich mit mir nach Hause. Gabri el e.
N un, es wird S o dringend doch nicht seyn? Maler, (der Schild und Lanze geholt h a t, zu W inkeln.)
W ohlan! S ie thu« M ir den G efallen, diesen Schild zu nehmen. Winkel. W ie? nehmen? E s ist dringend, äußerst dringend.
Zw eiter Aufzug.
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Maler, (da Winkel nicht hört, hängt er ihm den Schild an den Arm.) Auch diese Lanze. Wi nkel . Lanze. E tw as wichtiges. .(Der M aler drückt ihm eben so die Lanze in die Hand.) Gabriele. Ich aber habe hier m it M adam Holm Auch etw as äußerst wichtiges zu sprechen.
Winkel, (sucht sich Gabrielen zu nähern, und sie auf die S eite zu zieh en.)
M am sell, ich bitte S i e , H err Koller haben -* Mal er. Belieben S ie anjetzt den flinken Arm — Winkel. H err Koller haben — Maler. Schützend vor die B ru st — Wi nkel . H err Koller haben selbst bereits nach Ihnen
G efragt.
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D e r B r i e f o h n e A d re sse .
Gabriele. S o gehn S ie nur v o ra u s, H err Winkel. Ich folge Ih n en gleich. Wi nke l .
Unmöglich.
Maler.
H ier, D en rechten A rm , den schwingen S i e , ausholend Zum S to ß e oder W u rf rasch in die H öh'. Wi nkel . D ie H öh'. S ie muffen schlechterdings m it mir. H err Koller haben streng m ir anbefohlen, S ie m it zu bringen. — W ie gesagt, S ie kommen? Ich suche S ie schon eine S tu n d e lang. (D er M aler setzt Winkels Arme in die verlangte S te l lu n g , und holt dann Papier und Bleistift.) Malerin. W enn S ie H err Winkel denn durchaus nicht laßt, S o gehn S ie n u r, und kommen recht bald wieder. Winkel, (Gabrielen auf die Seite ziehend.) Ich bitte S ie ums H im m elsw illen, Beste, S ie haben doch von unserem Geheimniß R icht- an M adam verrathen?
Zweiter Aufzug.
79
Mal er. H a lt! H err W inkel! Erlauben S ie ! S o geht es nicht, S ie müssen Den Arm nicht sinken lassen. Wi nkel , (macht sich von ihm los. Zu Gabrielen.) Glauben S ie , Ich trü g ' allein die S ch u ld ? (Spricht heimlich mit ihr.) Mal eri n. =0
lieber M ann,
Laß doch H errn Winkel gehn!
Maler. N u r still! M ein Kind! W as hilft m irs, wenn er stets die S tellu n g ändert!
Malerin. D u siehst, er h at ganz andre D in g ' im Kopfe. M a l e r. Ganz andre D ing' im K op f? D a s wußt' ich nicht! (G eht an sein Gemälde.)
8o
D e r B r i e f ohne Adresse.
Neunter
Auftritt.
Fritz, (ein Bündel unterm.Arm.) Da bin ich, Tante, und mit Sack und Pack; Denn heute komm' ich nicht bloß zum Besuch. Ich bleibe ganz, wenn du mich anders willst. M alerin, (ihm die Hand reichend.) Willkommen, Fritz! Auf jede Art willkommen! F ritz . Man hat mich aus dem Hause fort gejagt. Ich habe mirs nicht zweimal sagen lassen. M alerin. Ich weiß es schon. Mein Bruder ist ein Hitzkopf; Und du bist trotzig. F ritz . Hart ging es mich an, Als hier mein Bündel endlich fertig war, Und zögernd ich die Trepp' hinunterging, Und alles was ich ansah, Leben mir 3» haben schien und eine liebe Stimme,
Zweiter Aufzug.
gi
Mi r Lebewohl zu sagen. J a , 's w ar hart! Und meine Augen wollten sich ihr altes, Doch lang' entwöhntes Recht nicht nehmen lassen. Malerin. Mein armer Fritz! F ritz. Jetzt ist es wieder gut. Es ist vorbei, und ich bin nicht mehr traurig, Denn Hannchen bleibt doch mein! Malerin. Weißt du's gew iß? F ritz. O fö! Mal e r i n. H ör', lieber M a n n ! D a ist der Fritz. Maler. D er F ritz! S ieh da. Willkommen. Ma l e r i n .
E r hat sich mit dem B ruder überworfen, Und will so lange hier' bei uns verbleiben, sich die Sache wieder ausgeglichen. Conteff. Schrift, i . B d .
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Fritz. D a s möchte lange d a u e r n , beste T a n te . Maler.
D u bist von ganzem H erzen m ir willkommen. D u bleibst bei u n s , a u f i m m e r , w enn du w illst; A u f i m m e r , j a , du m u ß t a u f im m er bleiben. I c h freue mich d a r a u f , in m einer K u n s t Dich einzuw eihen. Fritz. V o r allen D i n g e n gieb E t w a s zu essen, liebe T a n t e , denn M ich h u n g e r t , und ein M ensch der h u n g rig ist, D e r t a u g t nicht viel. (D ie M a le rin der S taffelei ters. Fritz M a le rin .
setzt etw as zu effen auf einen kleinen Tisch, gegenüber, auf der andern S e ite des T h e a setzt sich und ißt. Winkel nähert sich der Gabriele steht zwischen ihm und Fritz.)
Wi nkel . I c k bitte um V e rz e ih u n g , D a ß m it V ergessnng schuld'gcr Artigkeit, M i t gänzlicher B e s e itig u n g des W o h lsta n d s, I c h gleichsam in dies Z im m e r eingebrochen.
Mal er. I h r D i e n e r , mein H e r r W i n k e l ; f r e u t mich sehr,
Z w e ite r A ufzug.
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Daß S ie uns auch besuchen. N u n was bringen S ie uuS denn Gutes ? Wi nkel . Gutes. Hab' ich nicht Die Ehre schon gehabt, vorbin von Ih nen Bemerkt zu werden. M a l e r. So? Wi nkel .
Ich ging die. Frau Gemalin eben mn Verzeihung an, Don wegen meines unmanierlichen B e tr a g e n s , und ich wiederhole dieses Besuch noch einmal gegen S ie. (E r zieht bad Schnupftuch h erau s, zugleich den B rief ohne Adresse. Gabriele hebt ihn schnell auf; Winkel dreht sich nach ihr um, sie verbirgt den B rief hinter dem Rücken. Fritz, der es bemerkt h a t, nimmt ihr ihn ganz Mchte aus den Händen. S ie dreht sich wieder nach oritzen um. Dieser steckt den B rief in den Busen und nickt ihr spottend zu.)
Malerin. Ich denke, Höflichkeit, die blos im Aeußern liegt,
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D er B r ie f ohne Adresse.
D i e übersieht m an g e r n , ist's (Auf das Herz deutend.) hier n u r richtig. Winkel. I s t 's hier n u r rich tig ! Doch erlauben S i e , D a ß ich mich jetzt m it der M am sell empfehle. H e r r Koller wird a u f u n s gew artet haben. Mal er i n. W a s eilen S i e ? Wi nkel . H e r r Koller möchte zürnen. Auch bleib' ich ungern in der Nachbarschaft D e r eisernen Figuren. F ritz . A h , der T ra u m , Gew iß der T r a u m !
Winket. D e r T r a u m ! J a denken S ie , Zwei solche M ä n n e r schlugen mich im T ra u m e M i t ihren Eisenfausten braun und blau. Fri t z.
D u mußtest auch vor ihnen hinknien.
Zw eiter Aufzug.
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Wi nkel . Ja, Es überlauft mich noch ganz kalt und heiß. E rlauben S ie , w ir gehn, empfehlen uns. — (B ietet Gabrielen, die unentschlossen dasteht, den Arm. Ab.)
Malerin. W ir schn uns heut' noch, Mamsell G abriele.
Zehnter Auftritt. Maler.
Malerin.
Fritz.
Fritz.
D a hab' ich eben einen B rie f erobert. D er W inkel zog ihn m it dem Schnupftuch aus, Und G abriele hob ihn heimlich auf,
Verm uthlich um ihn unbemerkt zu lesen, Ich nahm die B e u t' ihr freundlichst wieder ab! Mal er i n. D ie ? diesen B rie f zog W inkel aus der Tasche? § r Ltz.
Wahrscheinlich ist's das B rieflein ohn' Adresse,
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D e r B r r e f ohne A dresse.
D a s man heut' früb in unserm Hause fand, Auch hier ist keine. Malerin. Laß doch sehn. — D e r B rie f D a r f nicht zurück in Winkels Hände kommen. Gesetzt es fe» auch der, den du erwähntest. W er giebt ihm denn das Recht ihn zu behalten? H ö r , lieber M a n n , komm, zieh dich eilig an, D u mußt den B rie f dem B ruder überbringen. S e i t Jah ren kamst du zwar nicht in sein H au-, Doch mußt du hi n, die Sache ist zu wichtig. M a l e r. W ie ? M a l e r i n. Diesen B rie f mußt du dem B ru der bringen. E r ist von Wichtigkeit. K om m , zieh' dich a n ! Mal er.
Mich anziehn? S o ? ein Brief. — E r ist an mich? Malerin. I nein! D u sollst ihn meinem B ru d e r bringen. Ma l e r .
S o ? deinem B ru d e r? W a s ? Bedenkst du nicht? Wie hat mich dieser kalte M ann behandelt.
Zweiter Aufzug.
g?
Erinnerst du dich an sein Urtheil noch, Betreffend M aler und die Malerei Y S e it jenem T ag ' betrat ich nicht sein Haus, Denn wer von dieser K unst, der görruchen, S o sprechen kann, wie dieser Laie s p r a c h -----Mal er i n.
E r n s t mein B ru d e r, lieber M anu. Et> g ä b e " J a auch Gelegenheit, Euch zu versöhnen. W as soll der Haß und S t r e i t ? D er Mensch gewinnt N u r durch die Liebe. — Und die Sache selbst I s t äußerst wichtig. S ie betrifft den Friy. Ma l e r .
Den Fritz? — S o ! M it diesem B r ie f ?
N u n was ist's denn eigentlich Mal eri n.
D a s sag' ich dir nachher. Zieh dich nur an. Ma l e r .
E s sey! S o hole mir Die S o n n ta g s - Kleider
Malerin. Lieber Fritz! Ich kaun Vielleicht dir heut' noch großes Glück verkünden!
88
D e r B r i e f o h n e A dresse.
Fritz. Js t's möglich? Hattest d u ? Verschweig' mirs nicht! I s t Hoffnung da für mich und Hannchen? Sprich! M a lerin . D a s nicht! — Doch giebts kein andres Glück für dich? Fritz.
Ein andres Glück? W as nennst du Glück für den, Dem du den Athem nimmst zum Leben? Mal e r i n.
Gott, Ich will dir ja dein Leben laffen, will D ir ja nur geben, was es noch verschönert. F ritz. Ich traue dir! Jetzt geh' ich, einen P la n I n s Werk zu setzen. Ich muß Hannchen sprechen. A uf Wiedersehen, Tante! (A b.)
Malerin. Vieles Glück! (Nach der andern S e ite ab.)
Zwei t er Aufzug.
Ei l f t er
89
Auftritt.
M a t e r (allein.) (E r
ist emsig beschäftigt. Nach einiger Zeit M a l e r i n mit ihres Mannes Kleidern.)
die
M alerin. Hier sind die Kleider, — deine Kleider! Du sollst dich anziehn.
Nun
M aler. Anziehn?
So.
Warum T
M alerin. Erinnerst du dich nicht? du sollst den Brief Dem Bruder bringen. M aler. J a , erinnre mich. (M a lt fort.)
M alerin. Es leidet aber keinen Aufschub.
Maler. Nein. ®anz recht.
90
D e r B r i e f ohne Adresse. Malerin. Hier sind die Kleider. Maler. G ut! ich danke! Malerin.
D u mußt dich aber anziehn. Maler. Allerdings! «0 ich erinnre mich jetzt ganz genau! Mal e r i n.
D u sollst dich anziehn! anziehn! und jetzt gleich! Mal er.
J a so ! — Jetzt gleich? (D en K opf nach ihr wendend.)
Malerin. Jetzt gleich; sonst w ird'ö zu spat. (D ie zieht ihm den Schiasrock a u s ; er behält P allette und Pinsel in den Handen. S ie macht ihm die H a ls binde u m , er dreht sich wahrend dem wieder nach dem Gemälde und entlauft ihr dann, um ein paar Striche daran zu machen. S ie bringt ihm den Rock. Er fahrt in den einen K ennet, tritt dann in einige Entfernung vom B ild e , es zu betrachten, und lauft wieder hin, etw as daran zu malen. S ie folgt ihm überall, den Rock haltend.)
Iw e rte r Aufzug.
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Maler. Di « H and ist altzufleißig oft im Kleinen, D er Ileberblick erst lehrt bei jedem Theile A ns Ganze denken. (Zieht den Rock an. D ie M alerin geh t, um ihm H ut und Stock zu holen.)
D ü rst' ich doch mich nimmer D on meiner lieben Staffelet entfernen! Doch nur zu oft dring t das gemeine Sieben Sich Ln das H eiligthum der Kunst! es flieht V or seinem Anblick schüchtern die B egeist'rung z - D a s tägliche B edürfniß reicht dem Künstler D ie hartbeschwielten Hände fordernd hin; D er Künstler glüht vom innern heil'gen Feuer, Doch seine Kinder frieren , schrei'n nach B ro d t. (D ie Weste zuknöpfend, geht er langsam bis an den äußer sten Rand des T h ea ters, bleibt dort eine W eile unbe weglich stehen und blickt starr und steif nach den Zu schauern.)
M alerin, (kom m t, den H ut abbürstend.)
H ier deinen H u t und S tock, und nun geschwind. Maler. Ich gehe schon. Ich gehe schon. (W ill fort.)
-2
D e r B r i e f ohne Adresse. Malerin. Den Brief,
Den B rief nicht -u vergessen. Mater. J a den Brief. W as soll's denn eigentlich m it diesem Briefe. Malerin. D ie Mamsell Gabriele hat mir eben Entdeckt, daß Winkel Fritzens Herkunft kennt. Maler. W a s? Mal eri n.
D aß er einen B rief besitzt, der alles E rklärt, und dieser B rie f, vermuth' ich fast, E r ist's! Maler. Und das entdeckt sie mir erst jetzt! I h r Weiber bringt das wichtigste doch immer Zuletzt! — Ich geh', ich eilet (Geht fort.) Mal eri n.
W arte doch! S o warte doch! — D u weißt ja nicht —
Zweiter Aufzug.
93
Maler. W as denn ? Malerin. S o komm, ich will im G eh'n dirs noch erklären! (Beide ab.)
Dr i t t e r
Aufzug.
(Zimmer wie im ersten Aufzuge.)
Erster A u f t r i t t . G a b r i e l e und H a n n ch e n. (Aus der Seitenthüre kommend.) Hannchen. N u n , beste G abriele, rathen S ie , W aö soll ich thun ? Gabriele. M e r Freier au f einmal, I s t freilich v ie l, jedoch die W ahl nicht schwierig. H a n n chen (seufzend.) Ach, G abriele! schwerer alö S ie denken.
D r i t t e r Aufzug.
95
Ga br i e l e . H err Koller find zu a l t , zu — kurz für S i e G a r nicht gemacht Ha nnc he n.
J a w ohl!
Gabri el e. H e rr W inkel paßt Roch weniger für S i e . R e in , ganz und g a r n icht E r ist zw ar keineswegs etw a zu alr, Indessen muß er doch ein Mädchen haben D on reiferm A lte r, die ihn stets beherrscht. E r h at ein heftig brausendes G em üth — H a n n ch e n. D a s dacht' ich nicht
Gabri el e. Und viel Untugenden, D ie eine kluge mürd'ge F r a u durch ihre A u to ritä t in lauter Tugen den Und Liebenswürdigkeit verw andeln kann. H a n n ch e n. Ich wünsche I h n e n Glück. W i r wollen sehr, D a s S i e aus dieser R a u p e ziehrt
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D e r B r i e f o h n e A dresse.
Gabriele. D e r junge H e rr Koller ist zw ar in dem rechten Alter, Indessen möcht' ich doch zu ihm nicht rathen. Ach nein!
H a n n ch e n.
Gabriele. E r ist zu k a lt, wie soll ich sagen — Zu k a l t , ist nicht gefühlvoll — ist so recht E i n wunderlicher M ensch, in den ich mich N icht finden kann. Und seine indecenten Frivolen Aeußerungen über W eiber! Z u diesem allem kommt noch, daß er gar Lustspiele schreibt. Lustspiele! Lieber G o t t! E in Lustspielmacher! der w ird nicht mein M a n n ! H a n n ch e n. W ie so d en n ?
Gabriele. E i , ein Lustspieldichter ist E in Mensch — ein Mensch — er ist kein Mensch! E r macht Sich über alles lustig , lacht, und weiß N ichts von G efühl und von Em pfindsamkeit; K enn t nicht die süßen T h r ä n e n , die uns die Klagen D e r Tochter au s den Augen pressen, die
D r i t t e r Auf z ug.
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E in harter V ater zu der H eirath zwingt, Nicht dessen Leiden, den die grausam e H aush älterin vor unserm Angesichte Zu Tode quält. — E in Lustspiel! N ein ich m ag Kein Lustspiel sehn! H a n n chen. D a sind w ir sehr verschieden. Gabriele. N e in ! n e in ! Kein Lustspiel mag ich wieder sehn! V o r ein'gen Jahren, ja da ging m ir's schön; D a lass' ich mich bereden, geh'-in's Schauspiel. £it meinem Unglück gaben sie ein Lustspiel, D a s brachte mich zum Lachen, denken S i e ! Mich A erm ste! ach, es brachte mich zum Lachen! Ich gab m ir alle M üh' es zu verbeiffen, Allein um sonst! Ich biß mich in die Zunge, Ich knipp m ir beide Arme b la u ! Pergeben-. Ich lacht' und Hütte lieber weinen m ögen; Und konnt' das Lachen nicht einm al verberget*. 2ch habe mich auch tief geschämt. H a n n ch e n. D a thaten
S ie wohl daran. Ga b r i e l e .
M it einem W o rt: der junge rvnteff. Schrift. I,
:
98
D e r B r i e f ohne Adresse.
H err Kotter ist für S ie kein M ann. Verlassen S ie sich a u f mich; ein Lustspieldichter ist E in schlechter Ehem ann. — Jetzt A eibt uns noch, D a diese drei Liebhaber abgefertigt, D er viert' und letzte: unser M vsje Fritz. J a , gab' es noch die alten guten Zeiten, Und zürnten S ie au f ihn nicht so entsetzlich, D an n , meint' ich, dann bedürft', es keiner W ahl. H a n n ch e n. E r h at mich sehr beleidigt, und ich bitte, R icht mehr von ihm zu sprechen. Gabriele. G u t! ich schweige. W ir sprechen von w as anderm . — Aber doch G edauert h at er mich, der gute Fritz. Ich h alf ihm diesen M orgen seine Sachen Zusammenpacken. Lieber G o tt! — Allein Ich schweige. H a n n ch e n. O hne Abschied ging er fo rt! Gabr i e l e . H a t der P a p a nicht Schildwach hier gestanden? D er arme M ensch! die Augen voller W asser! •— Jedoch ich schweige!
D r i t t e r A u fz u g .
99
Hannchen.
H att' er wenigstens Richt an mich schreiben können? Gabriele.
C Geduld, Ich wette drauf, er laßt bald von sich hören. Allein, verzeihen Sie. S ie wollen ja Nichts von ihm wissen. H a n n ch e n. Rein. (Nach einer Weile.) Er sprach mit I h n e n ? Gabriele. ö ja! H a n n c h e n (gleichgültig thuend.) Was sprach er denn 1 Gabriele.
S o manches. Doch Sie wollen ja — Hannchen. Es ist auch w ahr! Ich dachte Richt mehr daran. (W ieder eine Pause)
too
D er B r i e f o h n e Adresse. Gabriele. ' S ist schönes W etter. Hannchen.
2 a.
Gabri el e.
S i e werden mit P ap a spazieren fahren? (Pause.) H a n n c h e n (kleinlaut.) D u lieber Himmel! Wo er jetzt wohl seyn mag! Gabriele. W er? meinen S ie Herrn Koller? H a n n c h e n (verdrießlich.) N e in ! Gabriele. Wen sonst?
Hannchen. Ich meine niemand! Gabriele. So!
(Pause.)
Hannchen. W as qual' ich mich? Ich bin ein armes thörichtes Geschöpf. Ach beste G abriele, sprechen S ie ;
D r i t t e r A ufzug.
xoi
Erzählen S i e mir alles, was er sprach. W as sagt' e r, als er g in g ? Wie sah er a u s ? Wo ist er jetzt? Gabriele. Ich wellte gern erzählen, Allein ich hör' ihn draußen. Hannchen. Wen denn? — W e n ? Da! —
Gabriele.
Z w e i t e r Au f t r i t t . Koller (legt Hut und Stock auf den Tisch. Zu Gabrielen.) S i e kann gehn. (Gabriele geht ab.) Auch du gehst auf dein Z im m e r! (Hannchen will gehen.) N e i n ! bleiben sollst d u ! (Geht auf und a b , nach einer Weile d an n:) Also M ißverständnis N u r Mißverständniß w ar e s ?
i o2
D e r B r i e f ohne Adresse. H a n n c he n (schüchtern.) J a , Papa!
Koller. D er junge H e r r , der w ar g em ein t; und ich, Ich dum m er T eufet merk' es nichU und bilde M ir ein, sie meine mich und w olle mich H eirathen. (G eh t hastig auf und ab.) H a n n ch e n. 2a.
Koller. Ich w ar's m ithin auch nicht, D en man so lobte. H a n n ch e n. N e in .
Koller. Ich also bin R ich t rasch und m unter —
Hannchen. O das w oh l —
Kol l er. N ich t g u t ? H a n n ch e n.
C ja !
D ritte r
Aufzug.
103
Koller. Nicht hübsch gewachsen. Wie? H a n n chen.
O ja!
K o l l e r (geht hin und her.) Ich habe keinen angenehmen Blick? Hannche n. 0 ja!
K ol l e r . Ich bin nicht liebenswürdig. Wie? Hannchen (scuszenÜ.)
O ja! K olle r. Nun also! —* also! — Wie? — (BeiSeite.) Zum Henker, Ich kann nicht böse seyn! Ich wollt' es doch, Recht grimmig unversöhnlich wollt' ich thun, Jetzt aber fallt mir aller Muth — zum Teufel, Hätt' ich die Bübin, nur nicht angesehen. Wie sie so dasteht! — Mach' die Augen zu! — Nun ist'S zu spat. — Sie sieht wohl böse aus? . , (Au Hannchen.) Hör'! — (Geht ein paar Schritte nach ihr zu, kehrt aber wieder Um und steht, und sieht sie von der Seite an, endlich schnell.)
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D e r B r ie f ohne A dresse.
H ö r e ! ich verzeih' dir a lle s! a lles! — Ich werde mich so angenehm betragen, D aß du gezwungen bist nur mich zu lieben. W ie ? M ädchen, W ie ? H a n n ch e n. O ja ! —
Koller. D er junge Herr W ird bald vergessen seyn, denk' ich; denn solche Frühzeit'ge Liebeleien sind zu früh Gereifte Aepfet, die der erste W ind D om B aum e schüttelt. H a n n ch e n. Wenn sie trotz deS Windes Nicht etwa sitzen bleiben.------
Dritter
Auftritt.
F ritz (verkleidet mit einem Kasten mit G alanterie-W aaren.) Nichts gefällig? S e h r schöne W a a re n !
D r i t t e r A u fz u g .
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Kol ler. Nein, ich kaufe nichts. — Ich kaufe nichts! — Doch ja , komm er nur her, Hier an den Tisch — doch halt! Ne, hör' er Freund, De! Wie? — Geh' er nur auf den Saal hinaus, Ich kommenach. (Fritz geht ab.) Der Mann kommt wie gerufen. Ich muß dir etwas kaufen, Hühnchen, Wie? So zur Versöhnung. Wie? (Läuft hinaus,) H annchen , (die gefalteten Hände freudig an die Brust druckend;) G ott! das war F ritz! K o l le r (Er bringt einige Kästchen, die er auf den Tisch fetzt, und dabei beschäftigt ist. Auf seinem Rücken ist an einem Knopfe ein Brief befestigt.) Nun Hühnchen komm' und steh, und lies dir aus! Hier Ringe, Medaillons; hier Nadeln, Facher — (Hannchcn nimmt den Brief vom Knopfe, und verbirgt ihn.) H a n n ch e n. Am liebsten möcht' ich wohl ein Körbchen haben; Ich brauchte eben jetzt wohl mehr als eins.
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D e r B r i e f o h n e Adresse. Kol ter.
W i r wollen fragen, ob sie Mode sind. (Laust hinaus. Hannchen nimmt schnell ein B latt Papier aus dem Schreibtisch und schreibt etwas darauf, legt es zusammen, reißt dann von ihrem Kopfputz oder Kleide ein Band ab, und befestigt das Papier daran.)
D er Mensch da, meint, man brauchte sie nicht mehr, E r s a g t, man würd' auch ohne Körbchen fertig. — N u n , hast du dir nichts anders ausgelesen? D a giebt's ja manche andre hübsche Sachen. D u m ußt zum Zeichen unserer Versöhnung D ir schlechterdings was nehmen. (Hannchen hängt ihr Papier wieder Kollern auf dev Rücken.)
Hannchen. O ich bin D on der Versöhnung völlig überzeugt. Kol l er. N ein, nein! es hilft dir nichts. — Ich dachte— 2öte? Ein Medaillon. J a , ja! Ein M edaillon; A uf eine S eite kommt mein B ild, und au f Die andre kommt mein N am e schön geflochten V on meinen Haaren.
D ritter
A u f z u g.
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Hannchen. Aber dann nicht dies M i t weißem G runde; grau auf weiß laßt nicht. Koller. Nun dieses hier mit rosenrothem Grunde.
H a n n c h e n (lächelnd.) J a rosenroth und grau, das paßt. Koller. Das paßt! Ja rosenroth und grau, das paßt.
(Geht mit dem Kästchen ab. Hannchen.
(S ie zieht Fritzens Brief hervor, geht dann nach der Thüre und horcht. Dann kommt sie zurück.) Was wird Cr schreiben! — W ie mir meine Hände zittern! Koller
( bemerkt gleich im Hereintreten den Brief in HannchenS Händen.) H e! he! was hast du da für einen B rie f?
H a n n c h e n (verlegen.) Es ist der B rie f, der ohn' Adresse heut' I m Haus gefunden ward.
lo e
D e r B r i e f o hne A dresse. K o ller. S o ? O h n ' Adresse?
H a n n ch e n. Ich hab' ihn hier g