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German Pages 324 [332] Year 1826
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C. W . Cor r t e s s a ' s
S
ch r
L f
t
e n.
Herausgegeben von
E. v o n
H o u w a l d.
Vi erter Band. Lei pzi g, bei Ge o r g
Joachim
Göschen 1326,
I n h a l t .
Magister Rößlein. Raimund. Die Ehen
i 8i i . werden
schlossen. Almenorade.
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S.
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Ei n Trauerspiel.
Leben-harmonie.
1312.
D er Orakelspruch.
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O perette in Einem
Acte. i8 i2 . . . ♦ H a u s hahn und Paradiesvogel, o d e r die G e b i r g s r e i s e . chen.
181) .
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S?
1312.
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—■165
E in M a h r.
— 215
Magister
R ö ß l e i n.
I 8 i o.
Cöntcff. Schrif t.
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Dd.
3 n der Stadt Bamberg lebte vor Zeiten ein gelehr ter M ann, Namens Magister Rößlein, der in der griechischen und lateinischen Sprache wohl erfahren, auch in der Musik und andern freien Künsten nicht ungeübt war. Weil er aber, von Natur stiller und blöder Gemüthsart, weder etwas aus sich selber zu machen, noch sich hohe Gönner und Freunde zu er wecken wußte, so hatte Fortuna, die als ein Weib nur kecken Gesellen hold ist, sich ihm nimmer freund lich erweisen wollen; er mußte vielmehr als Raths copist und nebenbei mit Unterricht in alten Sprachen und Musik sich fast kümmerlich durch die Welt schlep pen, und kam, der Ordnung und Sparsamkeit über dies wenig ergeben, und dem Weinglas etwas über die Gebühr zugethan, in seiner Wirthschaft von Tag zu Tage mehr zurück. So geschah es denn, um solchem Uebel auf ein mal einen Riegel vorzuschieben, und weil ihn die grauen Harlein da und dorten auf seinem Haupte an eine Pflegerin im Alter erinnerten, daß er eine noch in frischen Jahren blühende W ittwe, die in
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M a g i ster R ö ß l e i m
seinem Hause wohnte, zur Ehegenossin erkor, da durch aber in der Wahrheit nur desto größerem und unleidlicher»» Uebel Thor und Thür öffnete. Frau Mathildis war gar hoffärtigen und herrischen We sens und heftigen, unverträglichen Gemüthes, wußte sich bald des Hausregiments dergestalt zu bemäch tigen , daß er nichts ohne ihren Willen thun oder lassen durfte, hielt ihn in scharfer Zucht und schma ler Kost, setzte ihm auch unterweilen mit Eifersucht und argwöhnischen Gedanken hart zu, in Summa sie brachte ihm den Rosenstock des Ehestandes aller Blumen und Blätter baar und ledig als kahlen Dornenstrauch ins Haus, und es war ihm in kurzem von seinem sonstigen frischen, frohen Muthe kaum noch so viel überblieben, daß er sich zuweilen lachend mit dem Esel vergleichen mochte, dem zu wohl war, und der auf- Eis ging. Da stellte sich einstmals, als er mit frühem Morgen durch ein enges Gäßlein schlich, ein zer lumptes Bettelweib ihm in den Weg, und griff nach seiner Hand, und als er sich unmuthig von ihr los machend fürbaß seiner Straße ging, rief sie ihm mit heisrer Stimme nach: »Roßtein, Roßlein, wohin aus mit deinem schweren Sack? Wenn du mir ein gut Wort giebst, helf' ich dir davon!" Darob schaute er einen Augenblick verweilend sich nach ihr um, und schnell war sie ihm wiederum zur Seite,
Magister
Rößlein.
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und sprach neben ihm fortg ehend : „es ist fast S c h a d e um dich, daß du um fremder Schuld willen sollst gehangen werden. Ich w ill dir einen Schatz ver k a u fen , um den w ohl mancher H a b ' und G u t g e ben möchte. V erw ah r' ihn w o h l und gebrauch' ihn verständig." S i e zog d a r a u f ein B üchlein unter ihrem B rusttuch hervor und steckt' es ihm in die H a n d , ließ auch nicht a b , in ihn zu dringen und ihm des B ü c h le in s verborgene K räfte anzupreisen, bis daß er endlich, da sie unterdeß in eine volkrei chere Gaste getreten w a r e n , und er sich der B e g l e i tung schämte, ihrer los zu w e r d e n , einen G u ld en a u s dem B e u t e l la n g t e , und das Büchlein dafür an sich nahm . E s w aren w enige B l a t t e r P e r g a m e n t m it halb verblichener uralter S c h r i f t , u nterm engt m it w u n derlichen Zeichen und F ig u r e n , und da er am Abend im stillen Kämmerlein die altfränkischen Z üge ge nauer anschaute, und anfing zu lesen, war' ihm vor Schreck fast das Buch e n tfa lle n , denn da zeigte sich ihm k lar, daß es nichts minder sei;, a ls eine A n weisung und F o r m e l, den T e u fe l zu beschwören und ihn zu des Menschen D ienst zu verpflichten. V o n da an w ar es unt seine R u h e geschehen. ES lag ihm T a g und N acht nichts anders zu S i n n e , a ls das verwünschte B ü c h le in , und wie er seine
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Magi si er Rößlein.
K raft erproben möchte; in seinem Innersten erhob sich ein Tum ult, als habe sich der Böse schon leib haftig bei ihm ins Quartier gelegt, und wolle sein Gewissen, als den rechtmäßigen W irth , unter Zan ken und Streiten von Haus und Hof vertreiben. Wenn jener dann den zeitlichen Vortheil des Leibes m it lauter Stimme herrechnete, so schrie dieses desto jämmerlicher, doch lieber den ewigen Vortheil seiner Seele zu bedenken; wenn dieses ihm die Gräulichteit des Hollenpfuhls und die ewigen Dualen der Verdammten zeigen wollte, schlug jener ein teufli sches Gelachter auf, schalt das Gewissen ein altes Weib, und wußte den Genuß aller Erdengüter und Wollüste aufs herrlichste auszumalen, vergaß auch nicht die Befreiung von Frau Mathildens hartem Ehejoche als ein schweres Gewicht auf seine Waag schale zu legen, so daß dem armen Magisterlein bei diesem S tre it oftmals der helle Angstschweiß an die Stirne tra t, nicht Speise noch Trank ihm für der munden wollte, und kein Schlaf sein Lager heim suchte. So hatte er es schon viele Tage getrieben, als er einst seinem guten Freunde und ehemaligen Zechgesellen, Meister Stumpfen, dem M aler, auf der Straße begegnete, dieser ihn um seines bleichen und trübseligen Änsehns willen aufzog, und unter aller hand lustigen Reden und Schwanken in ein Wein-
Magister Rößlern.
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Haus nöthigte, dort einen Schoppen mit einander zu leeren. Dem Magister ging bei der langentbehrten Got tesgabe das Herz a uf; aus einem Schoppen wur den bald zwei, drei und viere, und er ging endlich spat am Abend wohlgemuth, mit aufgerichtetem Haupte und leuchtendem Antlitz seines Weges heim. Als er an sein Haus gelangte, war die Thüre fest verschlossen; es regte sich kein Fußtritt im Hause. Weil er aber Licht sah, und seine Frau darin wähnte, stieg ihm der Aerger je länger je mehr zu Kopfe, und in seinem Weinmuth erraffte er einen Stein, schlug damit ein Fenster entzwei, und stieg also einem Diebe gleich, in sein eignes Haus. Er sah sich aber vergebens nach Frau Mathilden um, die ausgegan gen war, ihn zu suchen und des Willkommens ge denkend, der sein bei ihrer Heimkehr harrete, begann ihm das Muth (ein plötzlich zu sinken. Indem erhub sich in dem Nebengemach ein greu liches Gepolter. Da er erschrocken mit der Lampe hinzulief, sah er, daß ein Vret, worauf viele Bücher standen, mitten entzwei gebrochen w ar; das Teufelsbüchlein, welches er unter die andern Bücher versteckt hatte, kollerte ihm eben bei seinem E in tritt entgegen. Er hatte dessen den ganzen Tag nickt gedacht, jetzt aber stand er lange davor, es nach denklich anschauend, hob ss endlich auf, und setzte
s
Magister Rößlein.
stch damit an seinen Tisch. Und wie er so darin blätternd die seltsamen Zeichen und Bilder betrach tete, wurde ihm nicht a n d ers, als ob er in einem herrlichen Blum engarten voll Farbenpracht und W oh l geruch (ich erg in g e; es erwachte ihm eine unendliche Lust sie anzuschauen, ja es bäuchte ihm fast, als sprächen sie mit ihm und sagten: jetzt ist es an der Z e it, jetzt ist der Augenblick kommen! Und es wuchs ihm das H erz, und er fühlte eine heftige B eg ier ihre verborgne Kraft zu erproben, und sprang auf, holte aus seiner Frauen Wandschrank zwei gemalte und gew ährte Wachskerzen und ein Stücklein ge weihte Kreide herbei, zog einen Kreis au f dem B o den des Gem achs, brachte rund herum die Zeichen und Figuren a n , wie das Büchlein es vorgeschrie b en , stellte die brennenden Kerzen in den Kreis, trat endlich, den Weihkeffel an der Thür mit sich neh m end, selber hinein, indem er das Zeichen des hei ligen Kreuzes vor sich schlug, und hub an mit zit ternder S tim m e und wankenden Knien die Beschw ö rung zu lesen. Doch ermannte er sich b ald, da alles ruhig blieb, und fuhr mit lauter und starker S tim m e fort und immer lauter und stärker, je mehr er sich dem Ende nahete, und sich immer noch nichts zeigen wollte. Jetzt war das Büchlein a u s , die Beschwörung vollzogen; er harrte eine lange W eile, aber eS
Magister Rößlein.
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blieb still und ruhig wie zuvor und war nicht- zu vernehmen, als der Holzwurm, der in dem Wand getäfel pickerte, und schon wollte er halb lachend halb unwirsch aus dem Kreise treten, da fing evor dem Fenster an leise zu rauschen, die Kerzen knisterten und brannten dunkel, das Rauschen war ihm bald zur Seite, ein heftiger Windstoß schlug an das Fenster, daß die Scheiben klirrten, die Zei chen um den Kreis herum zuckten in rothen glom men auf. Darauf ward es wiederum still, Meister -Rößlein hämmerte das Herz hörbar an die Rippen, und draußen vor dem Hause erhub sich eine klägliche Stimme wie eines Hilfsbedürftigen und begehrte Einlaß. Er vermochte aber keinen Fuß zu regen, und war das ohne Zweifel zu seinem Glücke. Ueber eine Weile klopfte es an die Thür und rief: »Ma gister Rößlein, macht auf! Ich komme von eurer Frau!« Dieser aber, des Bösen arge List wohl mer kend, der ihn nur aus dem Kreise locken wollte, sprach: »wenn du der bist, den ich gerufen, so ist ja keine Thür für dich verschlossen; tr itt herein! — Da öffnete (ich leise die T h ü r, und ein Männlein von geringem Wüchse, doch breit an Schultern, trat reich gekleidet, mit Federhut und Scharlachmantel flink herein, trippelte auf eine seltsame Weise bis an den Rand des Kreises und rief mit krähender Stimmer »guten Abend, Magister Rößlein; da bin
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M a g ister Rößleirr.
ic h ! W a s verlangst du von m ir Y“ — Rößlein w a r keines W o rte s mächtig.. — „S prich ohne Scheu, fu h r jener fort ; ich fnn den gelehrten Leuten w ohl geneigt, und sind m ir von jeher a u s den Wissenschaf ten der guten F reund e viele zugewachsen. E m o l liu n t mores. Ich hab' w ohl vordem auch d a s m einige darin gethan, doch m an g elt unser'einem die Zeit, dem S t u d i o obzuliegen.« — A ls der M ag ister ihn so reden h ö rte , w urde ihm ein wenig leichter um s Herz, ja wenn er den großen K o p s anschaute und die langen A rm e, die bei jedem W o r t die possirlichsten B e w eg u n g e n m it einander m ach ten , w ollte ihn fast das Lachen anw a n d eln . „ N u n , so sage m ir d a n n ,« sing jener wieder a n , „ w a s ist die Ursach, daß du mich rufst Y Z w a r sollte m a n euch nach der w ahren Ursach eures Thu-nö keineswegs fragen. W iß t ihr sie doch selber k a u m ? O d e r ihr m ögt sie euch nicht eingcstehen, euch selbst u n d andere m it g a r schönen W o rten belügend.; und die A ndern th u n als glaubten sie e s , blos d a m it sie bei Gelegenheit sich und andere wieder dam it belü gen können, nicht unähnlich einem N a r r e n , der die W ä n d e seines Gemachs m it seinem eignen U n ra th ausstreicht und sich und andern w eißm acht, es sey achte V ergoldung . — N ichts f ü r u n g u t , M eister,« — fu h r er f o r t , einen Sessel herbeiholend und sich
M a g is te r R ö ß le in .
ii
setzend — »Daß ich, trotz euch, etwas auf den Schein gebe, stehst du an meiner Kleidung. Ich putze mich auch gern und wollte nur sagen, du möchtest eS gewiß (ich nicht eingestehen, nur darum mit dem Teufel angebunden zu haben, weil du dei ner Frau das Geld versoffen hast : ich soll dir die Strafpredigt ersparen. — Nun also sprich: du möchtest gern, daß ich deine Frau hotte? Geht nicht, mein Rößlein! Auch ersparen mir böse Wei ber auf Erden gar viele Mühe und Arbeit. Und was willst du? Jeder M ann, der ein böses Weib hat, ist doch nur selber Schuld daran. Deins ist keine von den schlimmsten, und ich dachte wohl mit ihr fertig zu werden." — „ »Das käme auf eine Probe an" — fuhr der Magister heraus, der jetzt aller Bangigkeit ledig geworden — „versucht es n u r !-" " — Jener schaute ihn lange nachdenkend an, Und lächelte dazu gar bittersüß. — »Höre, Würm lein " sprach er endlich »ich bin heute wohlgelaunt, wie du -siehst und möchte schier deine Ausforderung annehmen." »Topp ! topp!" schrie Magister Roßlein. — »Doch nicht umsonst!" fuhr jener fort. »Ich setze ein Ja h r; allein merk' wohl auf, halte ich das Jahr bei deinem Weibe aus, so bist du mein auf ewig." »Wohlan — entgegnete Rößtein muthig, denn er verließ sich auf seine Frau — also fei; es! Ich
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Magister Rößlein.
b in - zufrieden. Doch sollst du mir dann vorerst noch zw anzig J ah re a u f Erden zu Diensten sci;n." D e r T e u fe l, der ihn w o h l dahin zu bringen ge dachte, daß er selber sich diese Z eit verkürze, ließ sich den Vorschlag g efa llen , und so wurden sie eins, M ag ister R ößlcin solle hinreichend a usgestattet m it dem m orgenden T a g e die S t a d t verlassen, und sich an irgend einen andern O r t begeben, jener aber unter dessen G estalt in seine S t e l l e treten , wahrend dieser Z eit aber nicht allein gänzlich a u f alle über menschliche M acht verzichten, sondern auch allen Gebrechen, Leiden und Fehlern menschlicher N a t u r hingegeben und unterworfen seyn. W a s aber wird m i r , sprach M agister R öß leln , so ihr die P r o b e nicht besteht? T ausend G o ld g ü l den w ä re w o h l das allerw enigste, a ls S c h a d lo s h a lt u n g , daß ihr indeß bei meinem W eibe geschlafen! D a s Scharlachröcklein nickte lächelnd m it dem K o p f e , schob ihm Feder und P a p ier in den K reis, und hieß ihn dann sich in den Finger ritzen und m it seinem B l u t den Vergleich aufsetzen und un ter schreiben. E s ist nun einm al also Form und B rau ch , fü g te er h in zu , und jedes D i n g hat sein Recht. Nachdem alles geschehen, sprach er aufstehend: » w o h la n , in einer S t u n d e sollst du weiter von m ir hören." D a r a u f schlug er seinen M a n te l a u sein a n der, und unter einem heftigen S t u r m w in d , der durch
M a g is te r
R ö ß le in .
rz
da- Gemach fuhr, verschwand er in einer Flamme, die auf der Stelle, wo er gestanden, au- dem Boden schoß. Als Magister Rößlein sich nun wiederum allein sah, seinem Kreise stehend, alles unverändert um sich her, und wieder den Holzwurm pickern hörte im Wandgetafel, da wollte ihn fast bedünken, daß er nur geträumt oder ein betrügliches Spiel der Ein bildung ihn geafft habe. Indem er aber noch also wie zwischen Traum und Wachen dastand, vernahm er die Stimme seiner Frau im Nebengemach und bald darauf an seiner Thür, die sie ihm zu öffnen befahl. Der langen Dienstbarkeit gewohnt, gehorchten seine Hände und Füße dem Befehl, bevor er sich noch recht besinnen konnte; doch als nun seine Fra« eintretend alsbald mit Vorwürfen und garstigen Worten auf ihn losfuhr, kehrte ihm schnell die Be sinnung und Erinnerung zurück, und trieb ihn zu raschem Entschluß. Er machte die Thür eines an stoßenden dunkeln Kämmerleins weit auf, schob seine Frau, trotz allem Widerstand, hinein, verschloß hurtig, und verriegelte die Thür von außen, und nichts mit sich davon tragend als das Teufelsbüchlein, nahm er eiligst seinen Ausgang wieder durch das -erbrochne Fenster, wo er den Eingang gefunden und lief, als ob die Hölle oder sein Weib hinter ihm. wäre, die Straße hinab, that auch seiner Eil
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Magister
Rößlein.
nicht eher Einhalt, als bis er vor die Thür des wohlbekannten Weinhauses gelangte, wo er noch Licht und lustige Gesellschaft vermerkend, sich durch einen Trunk zu erfrischen beschloß, denn die Zunge klebte ihm ant Gaumen. Er fand beim E in tritt viel muntre Gäste hinter den Tischen; Meister Stum pf faß auch noch dabei, und kam ihm sogleich jubilirend mit dem Becher entgegen. Es war große Freud' und Herrlichkeit auf allen Jungen; der Wein blühte auf den Gesichtern wie eine Morgenröthe des tausendjährigen Reichs; Meister Stum pf aber hieß den Wirth nach einer Weile einen Trunk Johannisberger aus Nummer 2. herbeischaffen, schenkte, da er gebracht wurde, alle Becher vo ll, und hub an zu singen: Laßt, Gesellen, euch erzählen, was der Wirth mir anvertraut, als ich kam, den Wein zu wählen, den ihr in den Bechern schaut \ Jetzt, sprach er, laßt Lieder schallen: was euch drückt, ist absentirt; Sorge ist im Brunn gefallen, Kummer ist vom Schlag gerührt, Schmerz und Companie verdorben,
Leid von Freude arretirt,
M agister
R o ß t e in.
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selbst die Sünde ist gestorben-, und der Teufel ist kafsirt! Alle wiederholten jubelnd die letzte Zeile und gaben dem Sänger ihren Beifall zu erkennen, da klopfte es dreimal an das Fenster, daß alle Köpfe sich stracks dahin wandten, und der Wirth trat herein, meldend, es sey jemand draußen, der den Magister Rößlein zu sprechen begehre. Dieser, wohl merkend wer er sey, erbleichte ein wenig, doch erhub er sich, nahm ein Licht und ging hinaus. So vorbereitet er nun aber auch darauf war, wich er doch erschrocken zurück, da ihm hier sein eignes leibhaftiges Con-terfei entgegen trat. „D u erschrickst vor dir selber?« hub der Teufel an. „Wahrlich, konntet ihr Menschen euer Innerste# also, wie du dein Ebenbild von außen, vor euch sehen, ihr hattet wohl Ursach zu erschrecken. Doch jetzt schicke dich zur Reise. Es ist an der Zeit. Ich hab' ein Fuhrwerk draußen für dich bestellt; welches dich windschnell dahin bringt, wohin deine Gedanken stehen. Ich w ill hinein gehen und deinen Geselle« Bescheid thun.« — Darauf reichte er ihm einen Beutel mit Gold, nahm das Licht und schob ihn hin aus auf die Straße. AlS er nun in das Gemach unter die Zechgenoffen tra t, verlangten einige zu wissen, wer draußen ge-
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Magister
R ö ß lein.
wesen sey. »Der Teufel w a r s " enlgegnetc er »von dem ihr gesungen; er bat um einen Z e h r p f e n n i g , da er jetzo mit Recht ein a r mer Teufel zu nen nen. ” » „ W a r u m habt ihr ihn nickt mit her ei ngebr ac ht ?” — rief Meister S t u m p f — „ W i r hätt en gern B r ü d e r , schaft uvt ihm getrunke n. ” " — J e n e r lächelte und sprach: „Kommt Z e i t , kommt R a t h ! Ich denke, ihr alle sollt ihn einmal näh er kennen lernen, al s euch lieb seyn wird." D a r ü b e r erhub sich ein G e l a c h t e r ; es wur de mancherlei über den Teufet gesprochen, wobei denn er selbst einige lustige Stücklein von sich zum Besten g a b , und nicht verfeolte, zum Trinken a uf z um u nt e r n und Gelegenheit zu geben, so daß die Co mpa nie in ihrer Lust bald gar üb erl aut und u n bändig wurde. Al s er solches sa h , w ußt e er unvermerkt den Zankapf el aus z u w e r f e n , die G em üt her zu erhitzen, d a s Feuer von beiden S e i t e n geschickt zu schüren; es kam zu harten W o r t e n , die Hände mengten sich endlich auch d a r e i n , Gl äser und Kann en siegen end lich hin und wi eder , Fcnsterscheilcn klirrten, und da er solchergestalt seine A u s s a a t in bestem Fl or schaute, löschte er die Lichter und schlüpfte lachend a us der T h 1 4V .
M a g is t e r
$ 6 M e in .
i -
Es war schon lichter M orgen, da er vor Frau Mathildens Wohnung anlangte, und die Thür noch verschlossen findend, durch das zerbrochene Fenster seinen Einzug hielt. E r sah sich indeß überall ver gebens nach Frau Mathilden um, bis ihn endlich ein greuliches Toben und Klopfen vor die verschloßne Kammerthür führte. Mach auf, erscholl es darinnen, mach a u f, du Lump, du Trunkenbold! Als er nun verwundert die Thür öffnete, flog ihm alsbald ein alter T opf entgegen und vor den Ohren vorbei; dabei schrie Frau M athilde: G ott zum G ruß, du Bärenhäuter! Der Teufel dachte bei sich: der W ill kommen ist nicht gar fein! setzte sich aber gelassen nieder und sprach: »Schönen Dank, mein Schatz!“ D a stürzte sie aus der Kammer, stellte sich vor ihn hin, und ließ ihn m it den allerhaßlichsten Worten a n ; er aber blieb ruhig sitzen, ihr lächelnd ins Gesicht schauend. Nachdem sie ihren Zorn sattsam ausgesprudelt, hieß sie ih n , sich zu B e tt legen, seinen Rausch aus.zuschlafen, und begab sich nach der Küche. Und weil er.nach der Wahrheit einige Schwere in seinem Kopf vermerkte, dachte er ihrem Rathe zu folgen, legte sich ins B e tt und war dem Schlaf, der ihm auf die .Augen drückte, bald zu Willen. Es ging hoch zu M itta g e , da er erwachte; die Sonne lag heiß auf den Fenstern, er verspürte große Contess. S chrift.
4« B d .
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Magister Rößlern.
Hitze und D u r s t und einen redlichen H u n g e r , u n d w ollte schnell au s dem B e t te sp rin g en , allein er ver mochte nicht sich zu rücken noch zu re g en , denn ein starkes G eil w a r wohl zehnm al hinüber und herüber um d as B e t t geschlungen. S o lag er nun durstend und schwitzend, voll G i f t und G a l le , denn er merkte w o h l, von wem das ihm gekommen, und hub endlich an zu rufen und zu schreien, als w ollt' er zum j ü n g sten Gericht laden. A u f diesen Lärm kam F r a u M a th ild is herzugelaufen. » B in d e den Strick los* rief er ihr entgegen »ich vergehe vor Hitze." „ „ H e u t steht im K ale n d e r, ist g u t S c h w itz e n !" " erw iederte sie hohnlachend. »W eib, schrie er, komm ich h eraus, so ists dein U nglück !" — S i e sah ihn lachend a n : »„M o rg en ist auch ein T a g ! sprach sie und ging z u r T h ü r hinau s. D e r Aerger w ollt' ihm schier d as Herz abdrücken, doch sah er w ohl ein , daß hier m it G e w a lt nichts zu erreichen stehe, rief daher F r a u M a th ild e n m it der liebreichsten S t i m m e , die er aufbring en konnte, zurück, sprach sein pecc.w i reuig a u s , gelobte Besse ru n g und bat sie flehentlich, ihn loszubinden. Nach einer langen S t ra fp r e d ig t, w orin sie ihm das Register seiner V ergehen und Laster aufgestellt, ließ sie sich endlich bereit dazu finden, und er kroch roth wie ein gekochter K re b s , grollend und schmollend, m u rren d u n d k n u rre n d , a u s dem B e tte .
Magister
Rößlein.
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Nach einiger E rw ägung dachte er es indeß doch vorerst in der G üte und S a n ftm u th mit ihr zu ver suchen, kam daher von nun an überall ihrem Willen entgegen, w a r jedem ihrer Winke zu Diensten, ließ es auch an Liebkosungen und zärtlichen W orten nicht fehlen, wie sauer es ihm auch w urde, und also ging es einige T age. Allein je nachgiebiger er sich bezeigte, desto größer wurden F ra u M athildens Forderungen. W enn er von seinem Geschäft außer dem Hause, wozu sie ihn fleißig anhielt, des M itta g s heimkehrte, tru g sie ihm bald eine bald die andere häusliche Arbeit a u f, und hatte ihn in kurzem zu allen h äus lichen Handdiensten gewöhnt und abgerichtet, wobei sie Besen und Holzaxt als die besten Aerzte anprieß, besonders da sich seit einiger Zeit eine ganz unge bührliche Neigung zum Fettwerden an ihm spüren kaffe. B e i d ir dieser Willfährigkeit aber vermochte er dennoch nicht dem Zank und schlimmen W orten zu entgehen. Von jedem bösen Z ufall, der die W irth schaft heimsuchte, von jeglichem Ungemach w a r er sicher jedesmal die erste Ursach, und mußte es h art entgelten. Dabei gab sie ihrer S o rg e für seine Ge sundheit auch von einer andern S e ite freien Lauf, «nd zog gegen die oberwähnte böse Neigung mit der magersten und sparsamsten Kost zu Felde. N u n ging daS zwar anfänglich wohl zu ertragen,
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Magi ster Rößlein.
denn er hatte steh auf alle Fälle mit einem guten Säcklern Geld vorgesehen, wodurch er Frau M athil dens schlechten Mahlzeiten heimlich nachhelfen konnte; allein eines Morgens, da sie, früher auf als er, seinen Taschen zusprach, fand sie das Säcklern, schalt ihn tüchtig aus, weil er solches vor ihr ver heimlicht, nahm es darauf mit dem Vermerken unter ihren Gewahrsam, daß ihm als einem Unmündigen kein Geld weder zustehe noch fromme, und mußte er noch froh seyn, als sie nicht zu wissen begehrte, auf welche Weise er dazu gelangt sey. — Also war ihm auch dieser üuell abgeschnitten, und er fiel in kurzem sichtlich vom Fleische, schrumpfte zusammen, wie ein Pflanzlein auf dürrer Haide, so daß ihn selber seines armen geborgten Leichnams jammerte, und fühlte sich sogar an seinem Geiste, trotz seiner diabolischen N atur, höchst niedergeschlagen und muthlos. Als er daher eines Tages, den Besen in der 5pand und eine Schürze um den Leib gebunden, die Stuben fegte, und Meister Stum pf, der eben vor übergehn wollte, ihn lautlachend durch das Fenster anrief, ihm eine 5pandvoll Geld zeigte, die ihm für eine Arbeit gezahlt worden, und ihn bat, eins mit ihm zu rrinken, er wolle ihn frei halten, konnte er der Versuchung, sich mit einem Glas Wein zu laben und zu crmuthig.cn, um so weniger Widerstreiten,
M a g is te r
Rö K le in .
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Va ek mit Rößleins Gestalt auch dessen Gemüthsart und Neigung angenommen- hatte, warf also den Besen in den Winkel, schlüpfte aus der Thür ohne Mantel wie er war, und folgte Meister Stumpfen ins Weinhaus. Da sie nun dort in bester Lust saßen und einem Sän nietn' nach dem andern das Geleit gaben, erhub Meister Stumpf nach seiner gewohnten Weise die Stimme, und sang ein lustiges Lied, daß alle guter Dinge wurden, und der unachreMagister Rößlein selbst hielt in seiner Fröhlichkeit das Glas hoch empor und stimmte mit em. Indem fühlte er einen unsanften Rippenstoß, und eine Stimme ließ sich dicht vor seinem Ohr vernehmen und sprach: „Komm nach Haus, Trunkenbold!" Und als er sich erschrocken wandte, sah er Frau Mathilden mit zornigem Gesicht hinter sich stehen; doch blieb er in seinem Schreck gelassen sitzen und rief freundlich: »Willkommen, meine Taube! Laß dirs ein wenig bei uns gefallen; hier ist gut seyn." — Schämst du dich nicht, entgegnete sie ergrimmt, schon am hellen Tage mit Saufen anzufangen? — Er lachte und sprach: »die Tage werden schon gar kurz, mein Schatz; drum muß man zeitig anfangen, wenn man noch vor Nacht etwas vor sich bringen w ill." Sie aber schrie mit lauter Stimme: „Wie? du liederlicher Lump, willst hu deiner F rau-das Ihrige auch durch die Gurgel
r
Magi st er
Rö ß l e i n .
jagen, wie du mit dem Deinigen langst gethan7 Is t das der Dank dafür, daß ich dich zum Mann genommen 7 Warst du nicht langst elendiglich ver dorben, hatt' ich Aermste mich nicht dein erbarmt ? * Und unter diesen Worten hatte sie ihn von der Bank gezogen, und da er überrascht und fast erschrocken an keinen Widerstand dachte, trieb sie ihn, zum Gelachter aller Gaste, vor sich her zur Thür hinaus, und immer die Straße hinab nach Hause. Hier fing sie von neuem a n : »Ich allerunglück lichste ! ich allerthörichtste! die ich mir in meinen besten Jahren einen solchen Stein an den H algehangen, der mich in den allertiefsten Pfuhl des Elends und der Schande mit sich hinabziehen w ird ! Hab' ich darum so viele ehrenwerthe, reiche und kluge Männer von der Hand gewiesen, um mein ganzes Glück, mein Leben mit einem solchen blinden Würfet aufs Spiel zu setzen? Was bringt es mir denn für Ehre, die Frau eines liederlichen Thunichtgut, eines dummen Teufels zu seyn, der mit aller seiner Ge lehrsamkeit nicht drei zahlen kann, und nun seinen verlornen Witz auf dem Boden aller Weinkrüge sucht? a — Der Teufel, der sich indeß wieder ein wenig ermannt hatte, und den von allen Schimpf worten keins mehr verdroß, als wenn man ihn einen dummen Teufel nannte, er wollte jetzt, da sein bis-
Magister
Rößl ern.
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herigeS Spiel also schlecht angesprochen, auch einmal eine andre Weise anstimmen, und sprach daher: .geliebter Engel, heiße deine Zunge schweigen, sonst werd' ich ihr sonder Verweilen Zaum und Gebiß anlegen.« Sie aber, durch diese Drohung noch mehr im Harnisch gebracht, trieb es nur um so arger. Da ergriff er zornig einen Stock, willens durch solche ofterprobte Wunderwurzel die Heilung zu ver suchen und ging mit bestialischen Worten und Gebehrden auf sie los. Weil nun dabei seine innerste teuflische N atur erwachte und sich auf seinem Gesicht in seltsamen und entsetzlichen Zügen kund gab, Frau Mathildis auch so frevelhaften Muthes an dem armen Magister Rößlein gar nicht gewohnt war, so erschrack sie zwar heftig darüber, sprang aber gleich schnell gefaßt aus der Thür auf die Straße und schrie: »zu H ülfe! zu Hülfe! Mein Mann ist verrückt wor den ! “ — Auf ihr Geschrei liefen alsbald einige Nachbarn herbei, und da der Schwarze in seiner Wuth dann herausgesprungen kam, wollten sie ihn greifen, wobei Fraw Mathildis immer schrie: »haltet ihn fest! haltet ihn fest! “ Doch dies hörend, gerieth er ganz außer sich und schlug um sich herum wie ein Rasender; darüber kamen mehrere Leute hinzu, und da er sich nicht geben wollte, trug er manchen Streich und Rippenstoß davon, bis sie endlich ihn überwältigten, festhielten, ihm Hand' und Füße mit
Magister
Rößlein.
Stricken banden, und ihn also ins H a u s zurück trugen, wo er a u f das B e t t gelegt wurde. Unterdeß hatte ein dienstfertiger N a ch bar einen Arzr geholt, der mit dem B a d e r herbei k a m , schleu nig (Elt;stier und Aderlaß verordnete und solches, wie sehr auch der P a t i e n t schimpfen und toben und seine trefflichste Gesundh eit betheuren mochte, mit Bei hül fe der Umstehenden a u f der S t el le ins Werk setzen ließ. — „ S o l l t e sotbane des Del ir ant cn Unr uhe sich dadurch nicht calmiren — befahl er hierauf, eine Arzenei zurücklassend, dem B a d e r beim W e g gehn — so müsse mit den besänftigenden Clystieren f o r t gef ahr en, auch n ö t i g e n f a l l s ein Blasenpflas ter a u f die Fußsohlen applicirt w er den, die lm m ores peccantcs von dem H a u p t e abzuleiten." D e r B a d e r , sonder Zweifel in der M e i n u n g , daß man des G u t e n nicht zuviel t hun könne, griff alfogleich wieder zur Clystiersprütze, schritt ebnermaßen zu den B l a s e n pflastern und ließ zugleich von Zeit zu Zeit einige Löffel voll der Arzenei dem Kranken einflößen, welches, da dieser die J a h n e zus ammenbiß, nicht anders ge schehen konnt e, al s indem sie ihm den M u n d m it G e w a l t aufbrachen. D e r Teu fel , dem die O u a l e n der V er d a m m t e n in seiner Hölle als eitel S p i e l und Lumperei vorkamen gegen d a s , w a s er jetzt erdulden m u ß t e , hatte wohl längst schon die erborgte G e w a l t abgeworfen und
M a g is t e r
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fich als der er war, gezeigt, um seine Peiniger zu strafen und die Freiheit zu erhallen; allein die mensch liche Natur hatte ihn in der Leidenschaft also über mannt und gefesselt, daß er gänzlich seiner selbst vergaß; jetzo aber lag er von der heftigen Gemüths bewegung, dem Aderlässen und Clysiieren höchst er mattet und erschöpft und fast besinnungslos der Ohnmacht nahe. Als ihn die andern also still und regungslos liegen sahen, machten sie ihn seiner Bande vollends ledig und begaben sich hinweg, bis auf eine alte Nachbarin, die zu Frau Mathildens Beistand zurück blieb. So war also des Teufels erste Probe mit der Wunderwurzel gar schlecht und zu seinem eignen Schaden ausgeschlagen. Er mußte einige Tage das Bett hüten vor großer Mattigkeit, und da er fich wieder erholte, schien ihm die Lust zu einer neuen Probe ganz vergangen, ja er war wiederum so zahm geworden, wie ein alter Tanzbar, der die Zahne verloren und wagte, gleich diesem, seine Unlust bei Frau Mathildens Schelten und Befehlen nur durch ein manierlich leises Brummen kund zu geben. Doch hatte, was ihm widerfahren, fein jetziges Wesen und Treiben ihm sehr verleidet; er fing an, den Vertrag mit dem Magister Rößlein zu bereuen, und würde dem sicherlich alsogleich ein Ende gestellt haben, hatte nicht die Schaam, vor einem
Magister
Rößlein.
armseligen Menschenwurm so schlecht zu bestehen, und die Hoffnung auf den Gewinn einer Seele, ihn immer noch aufrecht und bei leidlichem Muthe erhalten. Da mußte es sich also fügen, daß Frau Ma thilde eines Tages vor ihn trat und sprach: »mir ist eben Nachricht worden, daß meine Base zu B ai reuth gefährlich erkrankt liegt, meinen Beistand in ihrer Krankheit, und so Gott w ill, in ihrem letzten Stündlein begehrt, und, kinderlos wie sie ist, mich ohne Zweifel in ihrem Testamente reichlich zu be denken vorhat. Es ist keine Zeit zu verlieren; rüste dich also, mich morgen mit dem frühesten nach B ai reuth zu geleiten." — Ihm war es willkommen, daß er auf diese Art das Haus eine Zeitlang allein haben sollte, sorgte also mit Freuden um das Benöthigte, dingte ein Fuhrwerk, und so zogen sie am andern Morgen des Weges nach Baireurh. Es liegt sechs Meilen von Bamberg. Da tr aber an ein hartmäuliges und statisches Pferd gerathen und überhaupt des Fahrens nicht groß kundig war, ging die Reise unter mancherlei Widerwärtigkeit langsam von statten, er mußte manche Vorwürfe über seine Ungeschicklichkeit und manchen dummen Teufel hinnehmen, bis sie endlich selbst die Zügel ergriff. Dennoch langten sie erst des andern Tages zu Baireurh an.
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E s w a r grade Ja h rm ark t im O r t e , und in den S tra ß e n und W irthshäusern groß Gedränge. Als er nun vor einem derselben abstieg und hineinging, nach dem Unterkommen zu fragen, t r a t ihm der W irth freundlich entgegen. » E i, seyd mir willkom men, rief er; ich meinte nicht, euch sobald wieder zu sehen. M ir liegt jetzt ein Faßlein im Keller, von dem ihr nicht so geschwind wegkommen sollt, als vor drei Wochen.« — Jen e r merkte a u f der Stelle, daß wohl Magister Rößlein hier zugesprochen haben möchte, es ahnete ihm davon nichts gutes, und er wollte wieder umkehren, einen andern O r t zu suchen, da kam auf einmal ein junges Weibs bild, das mit einer alten Frau seitab gesessen hatte, hinter dem Tisch hervorgesprungen, v ertra t ihm den Weg und rief: » S o seyd ihr es wirklich, herzaller liebster M agister? S o hat sich denn der Himmel einer armen Verlaßnen e rb arm t, daß ich euch hier wiederfinde?« — D er arme T eufel, dem sein Un glück also a u f einmal gleichsam wie ein Pilz vor seinen Füßen aus der Erde aufschoß, wich ein paar Schritte zurück, starrte fie an und konnte vor Schreck kein W ort über die Lippen bringen. „ W ir waren von Regensburg aus a uf dem Wege, euch aufzusuchen« — hub die Alte a n , die sich in deß auch herbeigemacht — »Mein armes unglückli ches Kind hat in den vierzehn Tagen keine ruhige
Magister Rößtein. S t u n d e g eh abt , seitdem ihr sie so böslicher Weise verlassen." — J e n e r er mannt e sich. „ W e i b / - sprach er , „l aßt ab von m i r ! ich kenne euch ni cht." Und dami t wollte er zur T h ü r hinaus. Di e Alte aber erfaßte ihn beim M a n t e l und schrie: „wi e, du Gottverges sener B ö s w i c h t , du willst mich und meine Tochter v e r l a u g n e n ? O abscheulicher J u d a s , hast du nicht mein Kind durch satanische Ranke verführt und um zeitliches und ewiges Heit gebrac ht ? W a s ? Hast dir ihr nicht die Ehe versprochen? Has t d u cs ihr nicht schriftlich gegeben ? W i e ? Willst du auch deine eigne Handschrift v e r l a u g n e n ? " — S i e zog bei diesen Wo rt en ein P a p i e r hervor und hielt es ihm un ter die A u g e n , w o r a u f er wirklich Magi st er Roßleins Handschri ft erkannte. Di e junge D i r n e aber hub an zu weinen und zu j a m m e r n , und indem sie ihn mit beiden Armen umha lsete, rief sie schluchzend: „Hast du denn meinen T o d beschlossen? W e n n du mich verstößest, muß ich ster ben! " I m selben Augenblick t r a t F r a u M a t h i l d i s , der a u f dem W a g e n die Zeit zu lang g e w o r d e n , rasch in die' T h ü r . D e r Teufel wollte sich los machen; da s Mädchen hielt ihn scheltend und liebkosend n u r um so fester, die Alte schrie, und F r a u M a t hil de w a r iiitt starven Augen und offnem M u n d e a u f der Schwelle festgewachsen. Doch plötzlich sprang sie
Magi st er Rößl ei n.
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auf das Partein los, packte die Dirne mit der lin den beim Kragen, und schlug mit großer Schnelligkeit und Nachdruck wechselsweise bald auf jene, bald auf ihren Mann los. Dieser ater, da sich das Mädchen ihn loslassend wandte, dem unverhofften Angriff zu begegnen, und die Alte zu ihrer Tochter Beistand wiederum Frau Mathilden in den Rücken fiel, dachte bei dem Handgemenge unbemerkt zu ent wischen, und rennte nach der T hür; allein die Alte ließ, seiner Flucht gewahrend, sogleich von Frau Mathilden los, rennte hinter ihm drein und schrie: halt auf! halt auf! Als dies die Tochter hörte, lief sie ihrer M utter nach und schrie ebnermaßen: halt a u fi Frau Mathildis aber rennte hinter allen dreien her und schrie nicht minder: halt auf! halt auf! Doch je mehr s ie schrien, desto geschwinder setzte er über die Straße, und da er ein enges Gaß lein erschaute, lief er hinein. DaS Gaßlein führte grade auf den M arkt, und der Markt war voller Buden und Tische, Käufer und Verkäufer. Indem er nun daraus hervorplatzte, warf er einen Tisch mit Glaswaaren über den Haufen; die Verkäuferin gesellte sich zu seinen andern Verfolgern, schrie gleichfalls: halt auf! und trieb ihn nach des Mark tes Mitte. Als die Leute so den Schwarzen ohne Mantel und Baret, vier Weiber hinter sich, gleich .einem gehetzten Eber angcr.cnnt kommen sahen, lach-
so
Ma g i s t e r
Rößl ei n.
ten die meisten und machten Platz, andere aber ver stellten ihm den Weg, willens ihn zu greifen. Da sprang er in seinem Schrecken seitwärts, wo sie das irdene Geschirr zum Verkauf ausgelegt hatten, und hier die Schusseln zertretend, dort die Töpfe umwer fend, mitten hindurch. Die Töpferweiber Huben nun auch an zu schreien: halt auf! und setzten ihm nach; er sah seine Feinde von allen Seiten naher kommen, vor ihm aber stand ein Gerüst, auf welchem ein Marktschreier und Zahnbrecher hanthierte, und da er sonst kein Entrinnen sah, sprang er dort hinauf. Nun tra f es sich, daß sie auf der Bühne eben die Geschichte vom Doktor Faust als ein Zwischenspiel Iragirten, wie dergleichen auch wohl noch heutiges Tages gebräuchlich. Doktor Faust stand in seinem Zauberkreise, und citirte mit wunderlichen Worten und Geberden den Teufel herbei; indem aber der arme Tropf, der diese Stelle zum erstenmal spielte, ein Gepolter auf der Treppe vernehmend, seine Augen zur Seite hin wandte, und eine schwarzgeklei dete Gestatt mit wildfliegenden Haaren, glotzenden Augen und verzerrtem Gesicht die Treppe herauf auf sich zu kommen sah, glaubte er nicht anders, als eS sey der Teufel wirklich, wie er es freilich auch war, sprang voll Entsetzen auS dem Kreise, und fuhr unter einen großen rothbehangenen Tisch, der seitwartS stand. Der Schwarze, der indeß herauf gekommen
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w a r , seine Verfolger a u f der Ferse h a tte , und vok sich nirgend einen Ausweg gew ahrte, kroch in der Angst jenem nach, der nun ein jämmerliches Geschrei erhub, sich jedoch in der Verzweiflung mit Händen und Füßen gegen den Teufel wehrte, so daß dieser nicht ganz unter den Tisch kommen konnte, sondern nur mit dem Vorderthcil des Leibes unter dem rothen Tuche steckte, welche seltsame Positur H answ urst als Fam ulus des Doktor Faust auf der Stelle zu be nutzen w ußte, und das blosgegebene Hinterrheil zum großen Ergötzen der Zuschauer mit seiner Pritschweidlich bearbeitete. D arü ber war die Alte mit ihrer Tochter sammt Fra u M athilden herbeigekommen. Alle drei fielen über den armen Teufel her, zogen ihn unter dem Tisch h ervor, und da jede P a rte i ihr Recht a u f ihn behaupten wollte, rissen und zerrten sie ihn a u f ein jämmerliche Weise hin und wieder. „E r hat mein Kind v e rfü h rt!" schrie die Alte, ihn beim linken Arm ergreifend; »Du lügst, alte V e tte l!" entgegnetFrau M a th ild e , ihn beim rechten wieder an sich ziehend. »Er hat mir die Ehe versprochen!" rief die Tochter; »Du lügst, liederliche D i r n e ! " wieder holte F ra u Mathilde und geleitete ihr W o rt m it einem tüchtigen Faustscklag nach seiner Behörde. Neue Stim m en aber erhuben sich hinter ihm. »E r ha t meine Gläser zerbrochen!" schrie die eine; »er
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hat meine Schüsseln zertreten!« die andere; »meine Töpfe!« kreischte die dritte. Der Zahnarzt wollte die Parteien auseinander bringen, und schrie und tobte nicht minder, als die andern; Hanswurst lief um alle herum, hier einen guten Rath, dort einen Schlag mit der Pritsche austheilend und freute sich des Tumults, der mit jedem Augenblicke wuchs, ja von der Bühne aus sogar ansing unter den Zuschauern um sich zu greifen. Unter diesen aber befand sich zufälligerweise auch Meister Stum pf, der M aler, der gleichfalls zum Markt nach Baireuth gereist war, und jetzo zu größ tem Erstaunen und Schrecken seinen alten Freund das wunderliche Spiel aus dem Stegreif zum Besten geben sah. Er drängte sich alsbald durch den Haufen und stieg auf die Bühne; doch vermochte er weder vor dem unbändigen Geschrei zu Wort zu kommen, noch sich Platz zu machen, bis er endlich vernahm, daß von zerbrochenem Geschirr die Rede sep, worauf er, in der Meinung, dre Sache also am schnellsten zu beendigen, einige von den schreienden Weibern beim Arm nahm und ihnen zurief: »Schweigt still! ich bezahle euch den Schaden.« Die Weiber wandten sich nach ihm, eine derselben kannte ihn wohl, und also schwiegen sie und wichen ein wenig; dadurch erhielt er Vuft, bis in die M itte des tollen Knauels durchzudringcn, und weil er dachte, es fei; hier mit
M agrster
R ößl ei n.
der A lte n , die sich so wüthend geberdete, andern wie m it den andern, nahm er sie eben auch beim A rm , und rie f ih r zu: »schweigt s t ill! ich bezahle euch den Schaden." Doch nun kehrte sich ihre W uth gegen ih n : »W ie, ih r Galgenstrick, schrie sie, ih r w o llt m ir Ehre und guten Namen meines Kindes bezahlen wie einen zer ('rechnen T o p f? W er seyd ih r denn, ih r farsunfeinaftgev H e ila n d , daß ihr euch in fremde Händel m engt's I h r denkt wohl den armen Sünder da m it zwei Batzen zu erlösen? Aber ich sage euch, heirathen soll er meine T ochter! E r hals ih r schrift lich gegeben; hier steht es schwarz auf weiß, wenn ih r lesen könnt, ih r dvettigschwänz! “ D a Meister S tu m p f dies vernahm , und Rößlcins Handschrift erkannte, erschrak er, und verstummte. Indem tr a t die B ü rg erwache, die der Lärm herbei gezogen, au f die B ü h n e ; die Weiber stürzten, ih r Recht auszuweisen, alle auf den Anführer derselben zu ; dieser aber, der sich aus dem verw irrten Geschrei nicht finden konnte, befahl, sie allerseits wie sie da waren, nach dem Hause des B iwg ent elfter s zu führen. A u f dem Wege dahin stellte Meister S tu m p f Frau M athild en v o r, wie es keineswegs ra th fatu sey, die Sache vor dem Richter kommen zu lasten, sondern bester, sie vorher m it einem Stück. Geld abzumachen, sonst könne sie ihrem Manne, zu großem Schaden gedeihen, und nach der Strenge genommen, Toi'.tess. Schrift. 4 . *3
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Magiste r Rößlein.
w o h l ga r a n s Leben gehen. Allein F r a u M a t h i l d e ri ef er boßt : „Nicht einen Kreuzer! S i e sollen ihn ver br enne n, den Ehebrecher; ich wills h a b e n ! " — E r machte sich also an den armen Del inquen ten selber, u n d fragte ihn leise: ob er Geld bei sich t r a g e ; so denke er ihn frei zu machen. Di es er , dem F r a u M a t h i l d e zu Bestrei tun g der Reisekosten ihren B e u t e l a n v e r t r a u t , drückte ihm denselben heimlich in die H a n d , und Meister S t u m p f ging nun den Anf ührer der Wache a n , den er ka n n t e , und erhielt von ihm, daß er einen Versuch frei haben solle, den Hand el m i t der Alten in G ü t e abzut hun. Als sie daher in des Burgemei st er s H a u s t r a t e n , zog er dieselbe sammt ihrer Tochter ganz still bei S e i t e , und g a r bald inne werde nd , welchen Gel icht ers, und a u f welche Art sie zu dem Eheversprechen gel an gt w a r e n — denn schon a u s den Schr iftzüg en ließ sich abnehmen, daß Magi st er Roßlei n bei Abfassung desselben be t runken ge w e s e n — wußt e er nun seinerseits sie der gestalt in Angst und Schrecken zu setzen, daß sie, sonderlich da sie h ö r t e n , der Magister sey schon ver h e i r a t e t , ohne weiters sich gegen eine geringe S u m m e zur H e r a u s g a b e der Hand schrift willig bezeigten. D a r a u f ließ Meister' S t u m p f mit Beihülfe der Wache sie heimlich durch ein Hi nterpf ört l ein wieder a u f die S t r a ß e , nachdem sie versprochen, ohne Weile die S t a d t zu verlassen.
Magister
Sößlein,
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tluterdeffen standen die Uebrigen Vor dem Burgemeister; Frau Mathilde mußte den andern Weibern den erlittenen Schaden vergüten, und da sich weiter kein Kläger zeigen wollte, wurde es sämmtlichen freigelassen, sich ein jeder wiederum seines Wegs zu begeben. Meister Stumpf nahm geschwind Frau Mathilden beim Arm , und zog sie mit sich fo rt, da sie, die Dirne mit ihrer Mutter vermissend, noch arger zu schimpfen und zu toben ansing, und selber Klage gegen ihren Mann vor dem Richter erheben wollte. Zum Glück fiel ihr die kranke Base mit der Erbschaft ein. „Wenn sie nur noch lebt J“ sprach der Teufel, der auf der Straße wieder Muth und Odem schöpfte. Und so schritten sie eilig nach der Wohnung derselben. Doch, 0 weh, du armer Teufel! die Base w ar, nachdem sie noch zum öfter« nach Frau Mathilden gefragt, vor einem halben Ständ lein plötzlich ohne Testament verschieden. Schreck und Wuth hatten Frau Mathilden die Sprache genommen. Sie ging stumm, mit großen Schritten vor den Männern her, die gleich zwei gehorsamen Hündlein hinter ihr drein liefen. — »Aber sagt mir doch in aller W ell“ sprach Meister Stum pf leise zu seinem Gefährten »wie seyd ihr denn nach Regensburg gekommen '?" — »Ach laßt mir doch euer Regensburg ! “ fuhr dieser heraus. »Seit meiner Reise zum Baseler Concilium vor 107 Jahren bin
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Magi s t e r Rößl ern.
ich nicht wieder dorthin kommen." Meister S t u m p f sah ihn ver wundert an und mochte wohl denken, die ausgestandne Angst hat te ihm ein wenig den K o p f verdreht. Al s sie in der Herberge a ng el angt w a r e n , ließ F r a u M a t h i l d e das U n g e w i t t e r , welches lange in ihrem I n ner st en getob t, und nu r aus den Augen geblitzt h a t t e , endlich auch mit S t u r m und D o n n e r über die Lippen brechen; Meister S t u m p f machte sich sacht bei S e i t e ; sie aber verschloß das Gemach, ihrem M a n n e das Entwischen zu verhi ndern, fuhr n u n bald mit Lastern und S c h i m p f e n , bald mit T h r ä n e n und We hk l a g e n , ohn' Unterlaß f o r t , r ü t telte i h n , der sich drein ergebend zu B e t t e ging, so oft er einzuschlafen schien, gar unsanf t wieder a u f , und machte dem Unwesen nicht eher ein End e, a l s bis ihr H ä n d e , F u ß ' und Zunge den Dienst a u f sagten. Am andern M o r g e n trieb sie frühzeitig zur Ab fahrt. Unt erwegs begann das arge S p i e l von neuem, und wurde bald noch a r g e r , da sie ihren B e u t e l von thut zurück begehrte, und inne w a r d , welch feines Loch Meister S t u m p f darein gemacht. S i e t ha t, als siele ihr unversehens ihre Reisekappe vom W a g e n ; der arme Teufel müßte absteigen, sie zu ho len ; indem aber trieb sie rasch das P f e r d a n , und wie sehr er auch hmterdreüilaur-' nd rufte und schrie, kam
M a g is te r
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sie ihm d-ch bald aus dem Gesicht. Es waren wohl noch drei gute Stunden bis zur S ta d t; die Nacht brach ein, es fing an zu- regnen, und da ihm sein leerer Sacket versagte, irgendwo einzukehren, mußte er es seinen Füßen anheimstellen, ibn sammt seinem hungrigen Magen durch Koth und Regen nach HauS zu bringen.
Don dieser Zeit an hatte der Teufel nun vollends keinen Augenblick Ruhe und Frieden mehr im Hause. Frau Mathilde wußte ihn auf so vielerlei und sinn reiche Weise zu quälen und zu peinigen, daß er selber gar manches Kunststücklein von ihr erlernen, und zu künftigem Gebrauch merken mochte. Das unerträglichste aber war ihm, ihre giftigen und un vernünftigen Reden ohn Unterlaß vom Morgen bis zum Abend anzuhören, wie denn überhaupt auch der tapferste Mann gegen eine Weiberzunge nicht besteht. E r hatte sich bei seinem letzten unfreiwilligen Spatziergang einen Schaden am Fuß zugezogen, daß er das Haus nicht verlassen konnte; so mußte er nun ruhig in seinem Sessel alles über sich ergehen lassen. Aerger und Ungeduld zehrten an seinem Fleische wie zwei gefräßige Geier, und er durfte ^seinem Zorn nicht einmal, weder durch Worte noch Geberden, Lust machen, denn Frau Mathilde zog
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Magister
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gleich bedenkliche Gesichter, und wollte nach Arzt und Bader schicken. — Dabei fühlte er sich mit jedem Tage hinfälliger an seinem Leibe, und — menschlicher N atur und Schwachheit unterworfen, höchst kleinmüthig und niedergeschlagen in seinem Gemüthe. Und so kam es endlich, daß er, unfähig solchen er bärmlichen Zustand langer zu ertragen, demselben schleunig ein Ende zu setzen beschloß. Doch wollte er zu gleicher Zeit sich an dem Magister Rößlein rächen, als an dem Urheber aller Schmach und Unbill, die er erduldet. Nach einer Zeit, da er wieder aus dem Hause gehen konnte, fand er eines Tages vom Rathhaus kommend groß Leben, und Zusammenlaufen auf dem M arkt, denn es hieß, kaiserliche Kriegsvölker lagen draußen vor den Thoren. Zwei Hauptleute mit einigen Reitern hielten vor dem Rothhaus, und als er nach Haus gelangte, saß ein stattlicher Degen bei Frau Mathilden, der ihn, ohne vom Platz zu rücken, mit einem Blick zur Seite maß. Frau Mathilde sprach freundlich: »Schau doch, mein Kind, da ist ein Herr Vetter aus Sachsen, der mich hier aufge sucht und einige Tage bei uns fürlieb nehmen w ill/" Und damit kehrte sie sich wieder zu diesem, und fuhr fort nach der Verwandtschaft in Sachsen zu fragen. Der Teufel musterte wahrend desien den Herrn Detter, der mit seinem geschlitzten und bebänderten
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W a m S und großen P l ude rho sen sich wie ein T r u t hahn a u f dem Scsiel b l ä h t e , und sein Gesicht und ganz.es Wesen kam ibm schier unleidlich vor. Doch F r a u Ma t hi l de schien an ihm nicht übel B e h a g e n zu f i nden, horchte ihm fvcundlrch aufmerksam z u , da er von seinen Kri egsthat en erzählte, und w a r gegen ihre Gewohnheit geschäftig un d bemüht den Gas t zu be wirthen, und zu bedienen, so daß der Teufel, dem es ni mmer so g u t geworden, mit scheelen Augen drein sah. D e r K r i egs m ann, der bald merkte, wie die Sa c h ' im Hause s t a n d , ging F r a u M at hil den mit W o r t e n und kleinen Diensten überall zur H a n d , und da sie immer noch von feinem Aussehn w a r , fiel es ihm nicht schwer, weidlich um sie herum zu lecken und zu scherwenzen. S o seine er sich immer fester in ihrer G u n s t , fing allgemach a n , den H e r r n im Haus e zu spielen und betrug sich gegen den ver meinten Ma gi st er Rößlein aufs aller hoch- und über müthigste. D e r arme Te ufel , dem also statt eines H e r r e n , deren zwei zugewachsen w a r e n , fuhr dabei am schlimmsten; auch stieg ihm der Groll und G r i m m immer höher an das Herz und wollte ihn ersticken, wenn er ihn nicht zum Ausbruch ließ. Di e Gel e genheit dazu sollte sich indeß bald ergeben. E s w a r ihm besonders verdrießlich, wenn er den eiteln Gecken von seinen Th a ten mußt e erzählen
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hören, welche gefährliche Abenteuer er bestanden, wie er bort und da seine ungemeine Tapferkeit er wiesen und allerwegen die unglaublichsten Dinge verrichtet. Nun brachte der Held einsmals auch, wahrend er sich's bei der Flasche wohl seyn ließ, ein gar ergötzlich Stücklein auf die Bahn von einem Kapuziner, der einst in seinem Beiseyn den Teufel d tirt und wie derselbe wirklich in entsetzlicher Ge stalt erschienen sey, worauf er selbst aber ohne wei tere Waffen, als einen Keffel mit Weihwasser und ein geweihtes Skapulier, mit ihm kecklich angebun den, ihn bezwungen und zum Erstaunen und Schock ten des Kapuziners in einen Sack gesteckt habe, woraus er nur gegen Herbeischaffung eines ansehn lichen Lösegeldes entkommen. Der Teufel ergrimmte im Innersten; doch sprach er lächelnd und mit einfältiger Miene: „wie viel Jaden hatte denn wohl euer Sack, Junkhcrr?« »Ich hab' nicht darin gesteckt, sie zu zahlen! — * lachte dieser — „doch war er groß genug, daß ich euch noch als Zugabe mit hineingepackt hatte.« „Das laß ich gelten!« entgegncte der Teufel, ging hinauö und: „da bring ich einen! « — sprach er mit einem Sack unter dem Arm zurückkehrend, — „der möchte euch wohl auch gerecht seyn. B itte , ihr wollet mir ihn messen helfen.«
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grau Mathilde wußte nicht, was sie von ihrem Manne denken sollte und befahl ihm, den Sack auf der Stelle wieder hinaus zu tragen, allein er ließ sich nicht irren, sondern rief: „Kriecht nur hinein, Iunkherr! ich will euch das Kunststücklein lehren,“ — Da sprang der Kriegesheld zornig empor. »Wer ist der verfluchte Wicht“ schrie er, »der also mit mir zu spaßen wagt? So wahr ich kaiserlicher Majestät mit Ehren diene, schwöre ich dir, Magisterlein, nun sollst du mir in den Sack!“ — Und damit, willens seinen Spruch ins Werk zu setzen, faßte er ihn mit ten um den Leib, doch behend entwand sich ihm der Teufel, und ihn m it beiden Handen ergreifend, schüttelte er ihn mit solcher Macht, daß ihm alle Gebeine krachten, und er an den entsetzlichen Blicken und der ungeheuern Gewalt wohl merkend, mit wem ers zu thun habe, sich erbleichend und roll Ent setzen losmachte, den Degen zog und schrie: »bleibt mir vom Leibe! ich habe nichts mit euch zu schaffen." Frau Mathilde wollte dem Teufel mit Schimpfen und Toben von hinten in die Haare fallen, wie einen Federball aber warf er sie zur Seite, daß sie weithintaumelnd zu Boden fiel, rang seinem Gegner mit einer geschickten Bewegung den Degen aus der Hand, packte ihn, den der Schreck und das Ent setzen stumm und starr gemacht hatten, und nicht anders als jvar's ein Bündel 'schmutzige Wasche,
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steckte er ihn gelassen in den Sack. D ra u f schnürte er den Sack fest zu, lud ihn auf den Rucken, und ohne weder Frau Mathildens Zetergeschrei, noch das Strampeln des Gesackten, noch auch das Zusammen laufen des Volks weiter zu beachten, trug er ihn schnell über die Straße nach der nahen Brücke, und w a rf ihn dort über das Gelander hinab ins Wasser, D a er nun bei dem T u m u lt, der darüber entstand, nicht ans Entwischen dachte, sondern sich an dem A u f- und Untertauchen des Sacks zu ergötzen schien, so ergriffen ihn einige Soldaten, die eben des Weges kamen. Dhne allen Widerstand ließ er sich fo rt führen, und so brachten sie ihn unter großem I u sammenlauf vor ihren Obersten. Obgleich nun der gesackte Eisenfresser von einigen Gerbergesellen aufgefischt, und mit geringer Mühe wieder zum Leben gebracht worden w a r, so wußte der Teufel doch beim Verhör die Sache so geschickt zu wenden und zu verdrehen, bald einfältig, bald geheimnißvoll, bald verlegen erscheinend, sich so ver dächtig zu machen, das; eine Haussuchung befohlen w ard, und da man hier unter Magister Rößleins Büchern mehrere Schriften, die neue Lehre betref fend, fand, gegen die der Kaiser damals überall zu Felde zog, konnte der Oberste nicht anders, als ihn unter starker Bedeckung nach dem Hauptquartier
zu senden.
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Hier machten sie gering Federlesens mit ihm und te r General, ein hitziger Katholik, und von rauher Gemüthsart, wie er war, meinend es sey an der Seit, auch in hiesiger Gegend ein Exempel zu statuiren, befahl ihn ohne weiters aufzuknüpfen. Weil indeß die Nacht schon hereinbrach, verschoben sie die Execution bis zum andern Morgen, und führten den Teufel indeß zur Haft. Als es aber mitten in die Nacht kam, siehe! da warf dieser, in einer zornigen Flamme auflodernd, die erborgte Menschengestalt von sich, daß sie in ein Hauflein Asche zerfiel, schlug in heller Lohe durch den Schornstein hinaus, und fuhr in einem greulichen Sturm und Ungewitter, das er schnell zusammengeballt, nach Wien, wo Magister Rößlein sich eben damals aufhielt. Diesen nun, der einen tüchtigen Rausch ausschlief, ergriff er leise und behutsam, fuhr mit ihm durch die Lüfte den Weg, den er gekommen, wieder zurück, und noch the der Morgen graute, lag Magister Rößlein schnar chend auf dem harten Lager in demselben Gefängniß, woraus der Teufel vor kurzem erst entschlüpft. Als Magister Rößlein damals mit des Teufels Gelegenheit seine Vaterstadt verlassen hatte, sah er ^en Himmel kaum vor lauter Geigen. Er war feines Ehejoches ledig, führte einen wohlgespickten Beutel,
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die ganze Welt voll Kurzweil und Weinfässer lag zu Wahl und Lust vor ihm, und wie ein Vogel, der dem Bauer entwichen ist, ohne Zweck und Ziel, nur mit die neuerworbene Freiheit zu proben, hin und wieder fliegt, bald da, bald dort, wo ihm ein Beer« lein winkt, fich niederlassend, so behagte es ihm gleichfalls, bald rechts, bald links von einem Orte zum andern zu ziehen, und wo er ein gutes Beerlein spürte, da kehrte er ein. So war er denn auch nach Regensburg gekom men und dort einer verschmitzten Dirne und ihrer Mutter ins Netz gegangen, die, gleich den Vogel an der Stimm' erkennend, ihm nicht allein den Beutel gefegt, sondern auch in der Trunkenheit ein Eheversprechen abgelockt hatten. Er ließ sich- wenig küm, mern, was daraus entstehen möchte, ja die Schaden freude kitzelte ihn vielmehr weidlich, wenn er dachte, welch feines Stück Flachs er vielleicht dem Teufet auf den Rocken gelegt, daß er daran zu spinnen haben würde. Don Regensburg zog er in einem Strich nach Wien, willens vor der Hand dort zu bleiben. Doch indem er hier wieder anfing zur Ruhe zu kommen, hub sein Ge wissen an fich zu regen. Es stellte ihm die Sündlichkeit seiner Teufelsbeschwörung, die Verruchtheit des ge schloffenen Vertrags, und die entsetzlichen Folgen dessel ben in hellen Farben auf. Immer naher legte sich ihm
Magister Rößlein.
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die Reue an s Herz, daß er b a s ewige Heil seiner Se ele a u f ein so freventliches S p i e l gesetzt; seine Angst wuchs mit jedem T a g e , der Teufel möchte da s P r o b e j a h r bestehen, und es w a r ihm oft, als sähe er schon den greulichen Hollen ra chen, der mit tausend Fl a m menzungen nach ihm emporleckte, besonders seitdem er in einer Kirche ein großes B i l d getroffen, wo die Q u a l e n der Ver dammte n in der Hölle a u f die m a n n i g faltigste und erschrecklichste Weise dargestellt war en. D a s B i l d lag ihm T a g und Nacht zu S i n n e z er f and nirgend R u h e , und wagt e es in dieser N o t h und Bekümme rni ß nicht einmal seine Zuflucht zum G e b e t zu n e h m e n , da er sich als einen von G o t t Abgefallenen und Abt rün ni gen ansehen mußte. I n solchem erbärmlichen Zustande w andte er sich endlich an einen Kapu zin ermö nch, der wegen seiner Frömmigkeit großen Z u l a u f hatte. Diesem ver t raut e er un ter dem S i ege l der Beichte seine ganze G e schichte. Doch hat te er dessen auch nu r geringen G e w i n n ; denn der Mönch befahl i hm , außer andern strengen B u ß ü b u n g e n , a u f der S t el le heimzukehren, den V e r t r a g mit dem Teufel aufzuheben, und alles w a s d a r a u s für ihn entstehen möchte, als eine gerechte, obwohl noch immer zu gelinde Züchtigung fü r sein fluchwürdiges Ver bre chen, in D e m u t h a u f sich zu ne hmen, ja selbst wenn es an sein lieben gehen sollte, es freudig al s ein S ü h n o p f e r d a n u -
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Magister
Rö 8 l e i n .
bringen, auf daß die unsterbliche Seele gerettet werde. Allein hierzu fehlte dem Magister Rößlein der Muth, obwohl er sich oft mit Thränen unter Frau M ath il dens Herrschaft zurücksehnte; auch wußte er nicht, wie er dem Teufel das vorgeschoßne Geld erstatten solle. Und so brachte er nun gleich unfähig, sich seines Zustandes zu entledigen, als dessen froh zu werden, sein Leben hin in schmählicher Unentschlossen heit, Trübsal und täglich wachsender Angst, die ihn wie einen Geachteten umhertricben. N ur sein alter Freund Bachus wollte ihm zuweilen noch als ein freundlicher Tröster erscheinen und dann ergab er sich ihm auch so gänzlich und ohne Rückhalt und hörte nicht eher auf, in den Becher zu schauen, als bis er darin ein vollständiges Vergessen der ganzen Welt und seiner selbst gefunden. Nach einem solchen Bachusbesuch war e- nun auch, als der Teufel ihn, der im tiefsten Schlafe lag, aus seinem Bette holte, durch die Lust davon trug, und statt seiner auf das harte Lager des Ge fängnisses zu einem nicht geahneten, unerfreulichen Erwachen niederlegte. Es waren just zwei Monden, nachdem Magister Rößlein seine Frau verlassen.
Magi ster Rößl ei n.
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Die Sonne kam hinter den Bergen herauf, und lugte freundlich in das Gemach, da tra t der Gefan genwärter herein, und als er seinen Delinquenten so trefflich schnarchen horte, verwunderte er sich dar über, wie einer, dem das letzte Ctündlein so nahe, noch eines so ruhigen Schlafes pflegen könne, ging hin und rie f, ihn beim Arm ergreifend: „S te h t auf, steht au f! ihr habt keine Zeit zu verlieren, wenn ihr euch rüsten w ollt zur letzten Reise!a — Dem Magister träumte eben von einem herrlichen Gast mahl, von dem ihn der Teufel abrufen (affe, und er sprach, sich, im Traum an Meister Srumpfens Lied erinnernd: „Faule Fische! faule Fische! Ich bleibe h ie r! Der Teufel ist fa fs irt! “ — Doch da jener nicht abließ, schlug er die Augen auf, und den Gefangenwarter neben sich erblickend, glaubt' er, es setz sein Diener, schalt ihn einen einfältigen Tropf, und hieß ihn zu Bette gehen; er wolle auch schlafen. Jener wußte nicht ob er lachen oder sich ärgern sollte. Indem tra t die Wache herein, welche kam rhn abzuholen. „D a sind sie schon! “ schrie der Ge* fangenmärtcr, „Wenn ihr auf Erden noch etwas 5u bestellen habt, so macht geschwind; ich w ills euch ausrichten." D ie Soldaten stießen ihre Hellebarden auf den Fußboden; Magister Rößlein fuhr erschrocken empor,
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Magister
Rößleiri.
rieb sich die Augen und schaute voll Verwunderung umher. Wirds bald ? rief der Gefreite. Der Magister starrte ihn an. „Was w o llt ihr vsn m i r ? " sprach er „und tvo bin ich denn? tt — „Beim Meister H altunsfest,“ entgegnete jener „und wollen w ir euch sofort dem Meister Hammerlein überliefern, auf daß ih r in der Familie bleibt.“ Die Soldaten lachten. »Es ist heut euer G e b u rtsta g ;" sagte der eine — „er w ill euch anbinden;“ — „D as Halsband liegt schon bereit“ der Andre. D arauf würde er sich nicht wenig einbilden, meinte der D ritte , und gewißlich heut die Nase höher tragen, denn alle andere ehr liche Leute. Der Vierte sprach, er solle sich nur in Acht nehmen, daß er nicht damit an die Ewigkeit stieße, seine Füße möchten sonst leicht die Zeitlichkeit nicht wiederfinden können. — Da sprang Magister Rößlein entsetzt von seinem Lager a u f, faßte sich an die S tirn , lief ans Fenster: „Was ist mit mir vor gegangen^“ schrie er „wo bin ich? warum bin ich in diesem Loche?“ — Die Soldaten meinten, er müsse noch schlaftrunken seyn und lachten; der Gesangenwarter, der etwas im Kamin liegen sah, lie f hin , genauer nachzusehen. Siche, da lag auf einem Hauflein fetter Asche ein Beutel Geld und ein mitten durch gerissenes Papier. „E r har sich einen Zehrpfennig zurückgelegt auf die Neifc“ sprach der Gefreite. Die Andern meinten,
M a g is te r R öß le in .
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-er sey ihm nicht vonnöthen, -a er unterwegs frei gehalten werde, und in der Ewigkeit andere Münze gelte, sie wollten daher das Geld nur lieber unter sich theilen und eins auf seine glückliche Ankunft jenseits trinken. Der Wärter las die Schrift auf dem Beutel, und schüttelte den Kopf: «Fünfhundert Goldgülden! E i, ei! das Geld kann diesem nicht gehören. War er so reich, so würde er heute nicht gehangen.« < Magister Rößlein, den gleich eine wunderliche Ahnung überlaufen hatte, nahm ihm das Papier aus der Hand und erkannte den mit seinem Blute geschriebenen Vertrag mit dem Teufel mitten ent zwei gerissen. — Es war also klar, der Teufel hatte seine Probe nicht bestanden, gab ihn wiederum frei, und der Beutel enthielt das bedungene Strafgeld ehrlichermaßen, obwohl mit Abzug der vorgeschosse nen Reisekosten. Wie sehr es ihn nun auch erfreute, auf diese Weise mit einemmal seiner Sorge und Angst ledig geworden zu seyn, und er in seinem Herzen Gott dankte, der sich seiner erbarmt, so warf ihn doch We Lage, in welcher er sich befand, in neuer Unruh und Bestürzung umher. Er begriff nicht was mit ihm vorgegangen, konnte nach den Reden der S o l daten nicht anders als des schlimmsten gewärtig seyn Contess. Schrift. 4» 4
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Magister
Nößlein.
und mußte m it Schrecken eine Hinterlist des Teufels vermuthen. So wandte er sich also nochmals an die S oldaten, bittend, sie wollten ihn doch bescheiden, wo er sey, wie er hieher gekommen, und endlich was sie von ihm begehrten. Allein da sie eben dabei waren, sein Geld zu zahlen und unter sich zu theilen, hörten sie nicht auf ih n , sondern nachdem sie ihr Geschäft geendigt, befahl der Anführer, ihn in die M itte zu nehm. n , und sprach: „ M it solchen Aus flüchten kommst du nicht kos, Gesell; nun ists zu spat und du mußt hangen." — Und damit führten sie ihn fo rt, hinaus vor das Thor, und als sie vors Thor gelangten, sah er das Heerlager vor sich liegen, und erkannte nun alsbald die Gegend, wo er war. J u r Seite aber zeigte ihm einer der Soldaten den Galgen und sprach: „D a ist Meister Hammerleins Werkstatt, wo er euch das ewige Leben anmessen soll. E r steht schon auf der Leiter und wartet auf euch.” Als nun Magister Rößlein dies sah, begann er jämmerlich zu wehklagen, rüste den Himmel zum Jeugen an seiner Unschuld, und sträubte sich mit Handen und Füßen gegen seine Wache, die ihn weiter führen wollte. Darüber liefen mehrere Soldaten aus dem Lager zusammen, die sich bc; Roßleins B e theuerungen des lauten Gelächters nicht erwehren
Magister
Röß lein.
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tonnten, dadurch immer wieder eine neue Menge her beiziehend, und so das halbe Lager in Ausruhr brachten. I n dem Augenblicke fügte es sich, daß der Herzog A lba, der den Oberbefehl über das aus Sachsen nach Augsburg ziehende Heer führte, das Lager besuchend, eben vorüberritt und des Zusammenlauf ansichtig, einen aus feinem Gefolge abschickte, sich nach der Ursach zu erkundigen. Co wurde er denn berichtet, es sey der Delinquent, der wegen ver suchter Ersaufung eines kaiserlichen Soldaten zum Strang v e ru rte ilt worden; er stelle sich aber jetzt nicht allein ganz unwissend in Ansehung feines V er brechens , sondern behaupte geradezu, gestern noch in Wien gewesen, und nur durch die Gewalt und Hinterlist des Teufels in der vergangenen Nacht hieher und in solche betrübte Lage versetzt worden zu seyn. Der Herzog stieg vorn Pferde, und in eines Haupt manns Zelt eintretend befahl er, den Delinquenten vor ihn zu führen, redete ihn auf lateinisch an und befragte ihn nach seiner Herkunft, und wie er zu ernem solchen Verbrechen gekommen sey. Magister $ö§fein, dem alsobald die Hoffnung wieder auflchoßte, hub nun an seine Lebensgeschichte zu erzählen
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M a g is t e r
N ö ß le i n»
mit kurzen Worten, und wie er endlich Frau M athil dens schwerem Joche sich entzogen, und nach Wien begeben habe, wo er gestern noch gewesen. Auf welche Art er nun plötzlich wieder hieher gekommen, davon trifte er eben so wenig, als von dem Ver brechen, welches er begangen haben solle. Seines Vertrags mit dem Teufet aber mochte er keine Meldung thun. Da trat der Oberst aus Bamberg hervor, ließ ihn hart an, daß er sich unterfange, vor dem durch lauchtigsten Feldherrn also mit Lügen zu spielen, und sprach zu letzterm: »Dieser Mann ist seit Jahren nicht aus seiner Vaterstadt gewichen; ich bin deß sattsam unterrichtet." Doch einer aus des Herzogs Gefolge unterbrach ihn: »Vergebt m ir, daß ich euch widerspreche! Dieser Mann war vor acht Tagen noch in Wien. Ich hab' ihn dort gesehn, und kanns bezeugen.« — Indem sich nun Magister Rößlein umschaute nach dem, dessen Worte ihn wie eineEngels bedankten, und einen Hauptmann erkannte, mit dem er in Wien zum östern beim Becher geses sen, waren Aller Blicke voll Verwunderung und Neugier auf ihn gerichtet; Herzog Alba aber, nach dem er eine Weile nachsinnend gestanden, befahl, ihn mit dem Magister allein zu lassen. Alt sich alle hinweg begeben hatten, warf sich
Magiste r Rößlein.
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dieser vor dem Herzog a u f die K n ie , ein treues Bekenntniß seines Verbrechens angelobend, des ein zigen, dessen er sich schuldig wisse, und ihn anflehend, er wolle es mittelst seiner Gnade möglich machen, daß er sich durch Reue und lange Buße m it G o tt versöhnen könne, den er allein beleidigt. D a ra u f erzählte er alles wie es sich begeben, wie er zu dem Büchlein gelangt, seine Teufel-beschwörung, seinen V e rtra g m it dem Teufel und seine Reise nach W ien. D e r Herzog hörte ihm m it großer Aufmerksam keit zu und da der M agister ihm am Ende daS Teufel-büchlein, das er zu seinem Glück bei sich getragen, überreichte, nahm er es hastig in seine H ä n d e , blätterte darin hin und her, seine Augen funkelten und über sein blasses Angesicht zuckte mehr mals eine flüchtige G lu t. E r legte ihm noch einige Fragen vor, die Beschwörung betreffend, dann sprach er nach einem kurzen Nachdenken: „Gehe h in , ich schenke dir dein Leben! D a s Büchlein bleibt in mei ner H a n d ; doch hüte dich w o h l, einem zweiten zu vertrauen, was du m ir v e rtra u t." D a ra u f den Zelrborhang zurückschlagend und jenen hinauslassend, zu ^en draußen stehenden H e r r n : „ E r ist f r e i ! Laßt ihn aus dem Lager geleiten.« N u n hätten zw ar einige von den Herren gern g ew u ß t, was der Herzog mit ihm gesprochen, und
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Magister Rößlein.
was er ihm erzählt, allein Magister Rößlern hatte wohl besseres zu thun, als ihnen Rede zu stehen. Er eilte nur aus allen Kräften, das Lager hinter sich zu bringen, so daß ihm sein Begleiter kaum folgen mochte, und wo sie vorbeikamen, riefen die Soldaten einander zu: „das ist er, der in einer Nacht von Wien hergelaufen! Wie alte Freunde grüß' ich euch, ihr Baume, Die ihr so freundlich feit drei Monden schon Verstohlner Liebe Schutz und Freistatt wart. D ü rft' ich in euerm Kreis mein Leben schließen, Und keinen Wunsch, kein Sehnen, kein Begehr Au- euch hinaus mehr strecken in die W elt! Doch aus dem Paradiese treibt mich zürnend, Dem Engel mit dem Flammenschwerte gleich, Der Schwur der Rache, B lu t von mir verlangend. Drei Monden schon! O Vater, zürne nicht Dem Säumenden! Du hast ja auch geliebt! — Weh! meine M utter! Nein, zu ihrem Bilde Wird er, zu ihrem blutbefleckten Kleide Dich führen, schwacher Knabe — diese Flecken, Sie werden laut dich träger Saumniß zeihen, Und die Entschuldigung stirbt auf den Li wen.
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R a i mu n d .
(M a ria tritt auf. E r geht ihr entgegen.) M a r i a , theures Leben meiner Seele! Wie mildes Mondenlicht erscheinst du mir, Schaust freundlich in die N acht, die mich umgiebt! Doch ach! D u zeigst mir graunerregender D en Abgrund auch, in den ich steigen soll! — D u süßer M u n d , um den der Rede W ohllaut W ie eine zarte B lü th ' ergötzend spielt, I h r klaren Augen, die ihr stumm ihn dennoch An holder Sprache Macht noch übertrefft, D u reiner Himmel dieses Angesichts, W o G u t' und Anmuth bei einander wohnen, D on euch sott ich mich scheiden!-----Maria.
Scheiden, G u i d o ? JÖ welches W ort hast du g enannt! E s greift
S o kalt ins warme Leben meines Herzens. Fühl' her, wie seine Pulse stocken! W eh! WaS hast du vor! Gul do.
D u w eißt, was ich geschworen. Mar i a.
Sprich nicht von diesem Schw ur. Ein seltsam G rauen Befallt, mich jedesmal. Gui do .
Dem V ater schwur ich,
Ra i mu n d .
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Au rachen meiner theuern M u tter M ord An ihrem M ö rd e r, schwur ihm , nicht zu ruh n B i s ich den Dolch mit seinem B l u t geletzt, D er auch der M u tte r Herzensblut getrunken. D u hörst doch ? nicht zu ru h n , hab' ich geschworen l Ma r i a .
Und führst auch mir die R uh' auf immer fort? Don allen Seiten bricht Gewitternacht An unsrer Liebe Himmel schwarz, herauf, Und Blitze zucken schon a u f diese Brust. — Dem V a te r, fürcht' ich, sind wir auch verrathen. Denn heut' traf ich auf ihn am frühen Morgen, Als er aus jenem Zimmer kam, wohin Kein fremder Fuß ihm jemals nachgefolgt: D a faßt’ er meine Hand und sah mich lange Wehmüthig an — ich konnte nicht wie einst Den Blick ertragen — und mit leiser S tim m e Sprach e r: auch du, mein einiges K ind, auch du? Guido.
M a r i a , geh' mit m ir! Laß uns entfliehn! Mari a.
W ie , G u id o , meinen V a ter soll ich taffen? Gui do.
Dem M anne folgen, ist des Weibeö Loos.
Ra i mu n d . Maria. Dem ich das Liebste, ja das Einzige Auf Erden was er l i e b t ! der nur um mich Des trüben Daseyns Feffeln noch ertragt — Gui do.
Den V a ter nennend, sprichst du da von mir — Maria. Den Hilfsbedürftigen soll ich hülflos lassen? W er soll ihm betstehn in den Augenblicken, W o ihn des Trübsinns dunkele Gestalt, Eich an ihn heftend, nach dem Abgrund tre ib t? W er dann der B ilder schreckliches Gew irr Zerstreuen, die wie Flammen aus dem Boden Aufschießend, seine S chritt' umstellen? W er D es Wahnsinns gräßliches Gespenst beschwören, D a s lauernd schern die Hände nach ihm streckt? Guido. I h n oder mich! D u wirst doch wählen müssen. Mar i a.
N e in , Guido. Keine W a h l! Ich kann nicht wählen, Nicht attseinandcrreißen dieses Herz, D a s beiden ganz, untheilbar angehört. Kann Leben wählen zwischen Luft und Licht? N e in , bleiben sollst du! S i c h , ich halte dich,
Raimund.
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Ic h knüpfe dich an mich m it diesen A r m e n ! H ast du den M u t h , den Knoren m it G e w a lt Z u lösen?
Guido. Ach M a r i a , holder E n g el! Maria. D u bleibst bei m i r ! du sollst mein A bgott seyn, An deinen Blicken w ird mein Leben hangen, An deinen Lippen meine Seligkeit. M ein V a t e r wird dich lieben, seinen S o h n , Und diese B erge werden unsre Wüyscbe, Wie unser Glück begranzend in sich schließen. ( S i e schmiegt sich an seine Brust. R a im u n d , M aria's ‘'B aier tritt aus dem (Gebüsch.)
Rai mund. M aria! ( E r ergreift ihre Hand und führt sic von Guido w e g .)
H ier bei deinem V a te r ist D ein P l a t z ! — W er ist der F re m d lin g ? — Komm, mein Kind. K ann R a im u n d s Tochter sich so weit vergessen? (Zu G u id o .)
W e r bist L u ? Eonteff. Schrift. 4« Vend.
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Guido. H err , von edlem S ta m m bin ich Entsprossen, so wie du , und deiner Tochter B r in g t es nicht Unehr, mich zu lieben. R a i m u n d. S i e liebt dich? M a r i a. V a t e r , er ists werth. An keinen Unwürdigen verschleudert ihre Gunst D ie Tochter Raimunds. R a i m u n d. Und seit w a n n , M a r i a ? Maria. E s sind drei M o n d e n , daß ich hier ihn fand. R a i u: u n d. S o lange schon hab' ich mctn Kind verloren? Maria.
M ein V a ter! Guido. Zürne nicht mit i h r , sie darf D e s V atn-s B f:cf nicht schein u ; und schuldlos D a r f unsre Liebe sic-.- denr Lichte zci-'en. Doch weil ein sc h w u r mir wahret, mich zu nennen,
N a i m u n d.
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W o llt' ich, ein F r e m d e r , nicht vor dir erscheinen, Nicht nam enlos um deine Tochter werben. Ic h hielt sie ab.
Rai mund. E in S c h w u r — sprachst du nicht so ? Gui do. A us ferner H eim ath treibt die Rache mich H ierher au ernster, schwerer T h a t. R a i m u n d. O Jü n g lin g ! K ehr wieder heim und laß die Rache G o t t l E r rächt a u f E rd en jede M issethat. Und glaub' es m i r , a u f Erden ist die Hölle. Gui do. H ö r ' mich. D ie b l u t g e T h a t d a r f ich dir nennen, W enn ich den N a m e n gleich dir bergen muß. I n Walschland bin ich altem S t a m m entsprossen; M ein V a te r w a r an K aiser Friedrichs Hofe G a r hoch geehrt. D ie M u t te r sa n n t' ich nie, D en n eh' sie meinen V a t e r sah und liebte, Derlkbi.e sie der E lte rn W ille schon M i t einem Deutschen im Gefolg des K aisers. D e r D ag der Hochzeit nahte. D a ersah M ein V a t : r sie in einer Kirche einst,
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9i a i m u n d .
lind heft'ge Lieb' entzündet ihm die Brust, lind iric die fremde Pflanze, die im Treibhaus W ohl grünt und wachst, jedoch die süße B lü te Dem Gärtner weigert, in die Heimath schnell Versetzt, den streng geschloßnen Busen froh Erschließt, und ihre bunte G lu t entfaltet: Co gnig auch jetzt am S tra h l aus seinen Augen T er Jungfrau Herz in süßer Liebe auf, T ic nimmer dem Verlobten noch ccHübt, Vergebens doch war meines Vaters Mühe, T er Eltern Sinn zu wenden, und vergebens T u Tochter Flebn. T a nahm er mir Gewalt, Was ihm die B itte nicht erwerben tonnte. An: Tag der Hochzeit selbst raubt' er d-e B ra u t Und barg sie in den Mauern seiner Burg, Woran die Wuth des Bräutigams zerschellte. M a r t a. Was ist d ir, Vat er ? sprich : T u wirst so bleich! (Rcumund weist sie m it einer Bewegung der Hand von sich.)
Gui do. T er Zeit und endlich auch dem W ort des Kaisers, T er meinem V ater tv ichs gen Dienst verdankte, Gelange, der Eltern Zorn zu sanftigen, Und fern in seine heimathlichen Wälder Stvug der bctrogne Vräut'gnm seinen Grimm
Ra i mu n d . Und seine Schmach. Z w ö lf M o n d e zogen nun, W ie gute E ng el H im m elsgaben spendend, M i t schnellem F lug den Glücklichen vorüber. Zwei K inder lächelten, zugleich geboren, D em V a t e r an der theuern G a t ti n B r u s t. D a keh rt, getrieben von des A bgrunds M achten, D e r Deutsche nach I t a l i e n zurück, S i e h t meines V a t e r s Glück und meine M u t te r I n neuem Reize p r a n g e n , und es w irft D ie Rach' ihm ihre Fackel, an dem B r a n d D e r Hölle an g ezün det, in das Herz. An einem Abend kehrt m it seinen D ienern M ein V a t e r w ohlgem uth vom J a g e n heim, Und wie sie nahe sind dem Schlöffe, heißt er D ie J a g e r frisch ein lustig Stücklein b la s e n ; D e n n einen edlen Hirsch h a t er gefallt. Doch in dem Schloß scheint alles öd' und still. Geöffnet stehn die P f o r t e n , doch es brin g t I h m freundlich nicht wie sonst sein holdes W eib G ew oh nten G ru ß h e r a u s , und wie er sich V o m Roß herab befremdet schw ingt, da liegt An H auses S c h w elle, liegt sein alte r D iener, D em er des Schlosses H u t v e r t r a u t , erschlagen. ES zuckt ihm grause Ahndung durch das Herz, E r fliegt durch die G em acher, angstvoll suchend, Und zitternd doch, zu finden, er befragt DeS H auses D ie n e rin n e n , von den Knechten
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Ra i mun d.
I n d e ß der B a n d ' entledigt, aber keine We iß ihm von der Gebieterin zu melden. Und nach dem G a r t e n wendet er den S c h r i t t ; E i n fernes W i m m e r n trifft sein O h r , er folgt D e m Unglücksherold und kommt at hemlos Z u r S t a t t e , wo die Hölle seiner h a r r t . I m B l u t e schwimmend, ohne Leben liegt D i e theure G a t t i n , mit durchborter B r u s t ; H a l b über ihr der Knabe — ich w a r d am a l s N e u n M o n d e n a l t — an dem zerrißnen Ouel l D e s Lebens N a h r u n g suchend, B l u t nu r findend; Z u r andren S e i t e wmtmer nd hingestreckt D a s Sc hwe s t e r l e i n ; und wie der K nab ' des V a t e r s G e w a h r t , streckt er die kleinen H ä n d e , roth V o m B l u t der M u t t e r , schreiend ihm entgegen. Maria. H a l t ein mi t deiner blutigen E r z ä h l u n g ! D u siehst, zu tief erschüttert sie den V a t e r .
Guido. W o h l d a n n , m it wenig Wo r t e n end' ich sie. Noch einmal kehrte das entfioh'ne Leben, D e m R u f geliebter S t i m m e horchend, wieder; Noch einmal öffnet sie ihr Aug dem Lichte, Doch n u r des M ö r d e r s N a m e n zu verkünden: D e r Deutsche w a r ' s , der meuchlings sie erschlug.
Rai mund.
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R a i m u n d. D en N am en sagtest d u ? sie nan nte i h n ? Gui do. S i e nan nte i h n , und schloß ihr Aug', a u f immer. — E s sott mein arm es W o rt des V a t e r s Schm erBeschreibend, nicht entweihn. Ich seh's, du fühlst ihn, E hrw ürd iger G re is , wie ich. — N achdem mein V a te r Fruchtlos durch ganz I t a l i e n bis nach Deutschland D es M ö rd e rs S p u r gefolgt, verlebt' er streng Geschieden von der Menschen Red' und U m gang I n immer dum pferm Trübsinn viele J a h r e ; D en K indern n u r erschloß sich Herz und M u n d . Alljährlich an dem T od estag der M u t t e r F ü h rt' in ein schwarz Gehangenes Gemach E r u n s , in Trauerkleider eingehüllt. E in A ltar hob sich in der M i t t e , Kerzen E n tz ü n d 'te n seinem Wink sich, Weihrauch dampfte, Und lächelnd schaute von der hohen W a n d D er M u t te r B i ld herab a u f ihre Kinder. D a n n sprach er von der T h e u re n , ihrer Schönheit Und ihrer M il d e , ihrer Fröm m igkeit; W ir knieten weinend an dem A lta r nieder Und beteten fü r ihrer S eele Heil. Doch o ftm als m itten im Gebete schlug D es Schm erzes ungeheuere G e w a lt
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Ra i mund.
An der Erinnerung sich neu entzündend, I m Herzen ihm aufflammend schnell empor. D on einem Bilde riß er dann den Vorhang, D a s uns der M u tte r blutende Gestalt, D en Dolch im B u se n , zeigte, zog uns hin Zu ihrem blutbefleckten Kleide und D ie H and der Tochter, die verstümmelte, — D er M u tte r B rust durchbohrend schnitt der S t a h l Zwei Finger von der Hand des armen Kindes — Und die verstümmelte zum Himmel hebend R uft' er dem M örder seinen Fluch herab.
Raimund. Fluch! F lu c h ! der Himmel hat den Fluch erhört.
Guido. S o bin ich denn ein Werkzeug seines W illens! Denn alS dem V a ter Kunde w a rd , daß er, D er M ö rd e r, hier in diesem Winkel Deutschlands Verborgen unter fremdem Nam en lebe, D a schwur ich, nicht zu ru h n , bis dieser Dolch D e r M u tte r Tod auch ihm den Tod gebracht. (E r zieht einen Dolch hervor.) Rai mund, (sich mit Entsetzen aufraffend.) M a r i a , komm! Weh m ir! F o rt! laß uns fliehn!
R a i m u n d .
M a ria . WaS ist d i r , V a te r , sprich? vor wem entfliehn? Raimund. D u frag st? und flehst a u f deines V a ters Herz Den Dolch gezückt?
Guido. Welch seltsam böser W ah n B efällt dich, edler G r e i s ? Besinne dich J F ü r dich hat dieses Eisen keine Spitze. D u bist M ariens V a t e r , den ich ehre, Den ich so gern auch V a te r nennen möchte. Rai mund. J a — recht! — ich kenn dich ja — beflnne mich. Ein M ahrlein wohlersonnen w ar es nur W a s du erzählt. E s klang wie W ahrheit fast. Ich alter T h o r , daß ich von einer Lüge Mich schrecken ließ, von einer bunten Lüge, Die dieser Tausendkünstler ausgeschmückt)
Guido. Maria, was ist das?
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Ra i mu n d . Mar i a.
O (9o t t ! ich ahnt' es, D a ß du den bösen Geist erwecken würdest. — Mein V a t e r , laß uns gehn! Die S o n n e sinkt.
Raimund. S i e ist gesunken — langst! N u n ist es Nacht. Und in die Nacht ist auch die T h a t vergraben. Die Zeit hat sie vergraben. Zwanzig J a h r ! Moos deckt die Grä ber; niemand kennt sie mehr. Auch er ist t odt, auch er! ' S ist alles todt, Und kein Gedanke lebt mehr dieser T h a t — Als hier — h i e r ! h i e r ! da lebt, da brennt es noch. Ma r i a .
Kom m , V a t e r , komm mit mir! 0 Guido, geh, Entferne dich — du siehst — Rai mund. Fl uch! Fl uch! er hat Des Himmels Fluch herabgeruft dem Mörder. D e r Himmel nicht, die Hölle hörte ihn. N u r fromme Bitten dringen auf zum Himmel, Allein der Fluch, den reißen, kaum den Lippen
8 a i m u n d.
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Entstehn, die Unterirdischen an stch, Und des Verfluchten Haupt verfallt der Hölle.
Gui do. Allmächtiger! Welche Ahndung faßt mein Herz! Wenn er, — o G o t t ! ------R a i m u n d. Was wendet Ih r die Blicke So scheu von mir? Seht Ih r des Fluches Zeichen An meiner Stirne brennen? Ja ich bin Gezeichnet, daß mich jeder kenn' und meide. Seht Ih r nicht auch das B lu t an dieser.Hand? Doll Abscheu flieht das Wasser selbst die Flecken, Und nimmt sie mir nicht weg.
Maria. Reich mir die Hand.
O Vater, komm! Wenn du dein Kind liebst, komm!
R a i m u n d. Wer bist du dort? M ir ist, als kennt' ich dich. Entferne dich, mir graut vor deinem Anblick. Dies Auge — dieser Mund — Barmherzigkeit!
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Ra i mu n d .
E r ists, weh m ir! er i s t s ! — H inw eg! Hinw eg! D u kommst, der G a ttin B l u t von mir zu fordern. W a s starrst du so? Ich bins! ich bin ihr M ö rd e r! Gui do, (sein Gesicht bedeckend.)
-O G o tt!
Maria. G laub' ihm kein W o rt! E r spricht im W ah n sin n ! Um unsrer Liebe willen, glaub' ihm nicht! Komm V a t e r , fort von hier. H ör' a u f mein Flehn.
Raimund. W o bin ich denn? M a ria hilf mir doch Mich recht besinnen. — E r ists nicht! Nicht er! E s ist sein S o h n . Nicht w a h r, sein S o h n , M a ria? — S e in V a te r kann mir nicht verzeihn. Doch er W ird Mitleid haben mit dem armen Greise, D en seines V aters Fluch zum Abgrund treibt. Nicht R eue, nicht Gebet kann ihn versöhnen, E r folgt mir rastlos nach seit zwanzig Jah ren , Und wo ich geh', verdorren alle Freuden, Und jedes Lebensglück versengt mein Hauch.
Ra i mu n d .
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Ich h alt' ein Weib — ein Engel w a r s , der mir Die S t i r n mit seiner Friedenspalme kühlte, Und schaute in die N a ch t, die mich umgab, E in heitres M o rgen ro th , herein. — S ie starb. D er Tochter Leben brachte ihr den Tod. Und schwarzer fiel die Nacht auf meine Seele, W ie von des Nordlichts blutgcn S tra h le n nur V om Wiederschein des Abgrunds mir erhellt. Ich hatte eine Tochter, die mich liebte — Noch einmal trieb mein Leben grüne Knospen: (Zu Guido) D u hast sie abgestreift mit frecher Hand. Verdorrend steht der B a u m auf öder Haide, Dem Wanderer ein Schreckbild in der Nacht. Dein V ater sandte dich. Ick fühl' es wohl. D u hast d§r Tochter Herz von mir gerissen Und sinnreich mehr als Leben mir geraubt. Mari a.
Nicht so, mein V a te r! Guido. Lebe w ohl, M a r i a ! Auf ewig lebe wobl! ich muß von hinnen. Entsetzen lagert sich auf meiner B r u s t; N e w Herz erbebt vor Angst und will zerspringen. .
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R a i m u n d.
M a r i a ! noch e i n ma l reich' m i r die H a n d . F ü h l s t d u , wie in den Ad e r n sich d as B l u t E m p ö r t , u nd F i e b e r g l u t die P u l s e k l o p f e n d I c h mu ß h i n w e g , d aß mich nicht W a h n s i n n f a ß t . D e s H i m m e l s Fluch w i r f t eine grause K l u f t T i e f zwischen u n s ; a n den v e r b r a n n t e n W a n d e n R a n k t keine H o f f n u n g , Pes tbauch steigt empor , U n d daS Verbrechen t o b t in ihren T i e f e n ; H e r ü b e r streck' ich sehnsuchtsvoll die Ar me , I c h sehe dich, ich kann dich nicht erfassen, U n d einsam in der W ü s t e bricht mein He r z.
Rai mund. M a r i a , meine T o c h t e r , komm zu m i r !
Gui do. No c h einen Augenblick, M a r i a ? W e h e m i r ! Z u m letztennwle heckt1 ich diese H a n d . — S i e h mich noch etr.mci- u n ! O wen de nicht D e i n Au ge ab. E s ist die le ly .e B i t t e . D e n k , du g ewahrs t sic einem S t e r b e n d e n . ( M a r i a sinkt ihm w e i n e n d an d i e B r u s t ; R a im u n d ergreift sie bei einer H a n d , G uido h a lt die andre fest.)
R a i m u n d. H i e r h e r zu m i r ! Ni c ht a n die B r u s t des F r e m d l i n g s , Z u dei ne m V a t e r flieh. K o m m , folge mi r.
R a i m u n d. Gui do.
M a r i a ! — N e i n , ich kann dich so nicht lasten. Ic h lasse dich nicht los ! ich halte dich! M e i n bist d u , mein! D u hast es mir geschworen. Flieh nicht! mein Leben h an gt an deinem Blick! M a r i a. O V a t e r , zürn' ihm nicht! verstoß' ihn nicht! E r wird dein S o h n seyn, kindlich dich verehren, Und reicher bist du um der Tochter Glück Und um die Liebe eines wackern Herzens. R a i m u n d. M e i n S o h n ? E r ? meines Feindes S o h n ? den er, W i e a u f die F a hrt e eines wilddn Thieres, Nach mir hat ausgeschickt, um mich zu m o r d e n ? D u siehst den Dolch in seinem G ü r t e l blinken, D e r nach dem B l u t e deines V a t e r s lechzt: Und dich ergreift Entsetzen nicht und Abscheu V o r dieses M ö r d e r s gräßlicher U m a r m u n g ?
Gui do. M a r i a , komm m ' t mir ! Ic h kann von dir Nicht scheiden, nicht mein Herz von deinem reißen.
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Raimund.
Du bist das Leben meines Herzens, du Die Seele meines Lebens, ich bin nichts, Nichts ohne dich, ein Schatten, hohles Wort, Ein schlechtes B ild von Schülerhand gemacht. Warum soll ich die Strafe tragen, ich Die Strafe fremder Missethat? Warum Den Himmel meiden um der Hölle willen? Nein ich umfasse dich mit diesen Armen, Ich halte dich, mein bist du, mein auf ewig! O folge m ir, M aria! Flieh mit mir Aus dieser fluchumnachtcten Einöde! W ir ziehen fort zu freundlich stillen Thalern, Wo uns der Liebe heitrer Sommer strahlt.
O zieh mit mir! Rai mund. M aria! komm zu m ir! Verlaß nicht deines Vaters greises Haupt! Glaub' m ir, sie wollen dich nur locken, dich Nach Walschland führen, und der Rache dort Dich unter lausend Qualen langsam opfern. Kein rascher Stoß soll schnell mein Leben enden; O nein, dich wellen sie mir rauben, dich, I n die mein ganzes Daseyn fest verwachsen, Das Herz lebendig aus der Brust mir reißen, Sich an dem Zucken seiner Angst ergötzen, Erstndrisch tausendfach den Tod mir geben!
Rai mund.
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(Nach der S eite, wo Guido steht, hinstarrend.) Auch d u , auch d u , du Kind der M itternacht? W a s willst du jetzt? H a t selbst der milde T ag Sich wider mich verschworen und gebiert M ir nächtliche Gespenster? — Sieh dorthin, Dicht neben ihm der blutge Schatten dort Die breite Wunde in der B rust — sieh, das I s t seine M u tte r! Gui do, (entsetzt, einige Schritte zur Seite weichend.) H a ! du Gräßlicher, W oran erinnerst du! Q meine M u t t e r ! Maria. Komm V a te r , fo rt, hinweg! Kotfim, folge mir.
Raimund. S i e h , dies Gespenst allnächtlich vor mein Lager Kommt es geschlichen, mich zu peinigen. Ich seh' die Wunde bluten, die ich schlug, Sch hör' das W im m ern , S tö h n e n , Todesröcheln, Und voll Entsetzen flieht der Schlaf von mir. ^ Maria! Contess. Schrift.
Guido. 4« 'Bd.
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Ra i mu n d . Raimund.
H a , sie winkt! dir winkt sie, d ir! O geh nicht, meine Tochter, gehe nicht! Verlaß mich nicht — bleib bei mir — hab' E r b a r m e n ! S ie h deinen V a te r hier zu deinen Füßen. Geh nicht! bleib bei m ir! laß mich nicht allein! (M aria blickt in höchster Angst händeringend zum Himmel.) Hörst du die S tim m e deines V aters nicht? Fluch d ir, Verderben über dich, Verführer! D e r du ihr Herz von meinem abgewandt.
Guido. M a ria kom m ! Ich will den Schw ur vergessen, D e s Meineids S t r a f e laden au f mein H aup t. D a s Leben schenk' ich ihm , gehst du mit m ir! Rai mund. Hinweg! W as wollt ih r, gräßliche G estalten? W eh m ir! Noch m ehr? J u enge wird der R aum . S i e dringen auf mich ein. S i e drohen mir. S i e wollen mit G ew alt dich mir entreißen. N e i n ! lebend fällt sie nicht in deine H ä n d e ! O b sich die Hölle auch mit dir verbindet r D u sollst nicht triumphiren über mich. Noch bist du meine Tochter. Folge m ir!
Rai mund.
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Gui do, (Maria an sich ziehend, die ohnmächtig in seine Arme sinkt.) M a r i a , du bist mein. Ich halte dick I n meinen Armen fest. Mein bist d u , m ein) D u bist mein Weib und mir gehörst du an.
Raimund. Noch nicht! (E r springt hinzu, reißt ihm den Dolch aus dem Gürtel und stößt ihn Marien in die Brust.) Geh und erzähl' daS deinem V a ter! F a h r h in , mein K i n d ! (Indem er den Dolch fallen läßt.) N u n / Hölle, rache dich!
Guido. H a , Ungeheuer! w a s beginnst d u ! W eh! M a r i a ! theures Leben, höre mich! Hörst du nicht meine S tim m e m ehr? M a r ia ! — •0 wohlzutreffen weißt d u , grauer M ö rd e r! — Kein Athemzug, kein Lebenszeichen mehr. Dein S to ß ist rasch und sicher. S ie ist todt! (E r legt sie sanft auf die Erde nieder.) W ohlan! so nimm d e n n , M ö rd e r, deinen Lohn!
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Raimund.
((Sv rafft den Dolch auf, und schwingt ihn über Raimund, der regungslos vor sich hinsiarrend dasteht.)
N e in, Wohlthat war der Tod für dich, jpter hat Der Himmel schon gerichtet; meines Arms B edarf es nicht. Schau, Meister, auf dein W erk! V on kalter Todesnacht umzogen starrt Der blaue Himmel dieser Augen, der Auch dir von heilger Liebe einst gestrahlt; Stum m ist der M und, der Vater dich genannt, Das Herz zerrissen, das dir kindlich schlug, i : :■> mehr schlagt für dich auf weiter Erde. S ä au, Meister, auf dein Werk! Leb' und ver zweifle ! ((Sv w irft den Dolch hin und kniet bei Marien nieder.)
Noch einmal küß' ich diese kalten Lippen. — Nimm mich mit d ir ! Laß mich nicht hier allein. M as soll das Leben m ir? Kaum aufgegangen Fal-r seine Blüthe ab und es verwelkt. Ja; folge dir. B a ld , bald sehn w ir uns wieder! N u r meinem Vater wenig Worte noch. — Nicht mit mir wolltest du: ich geh' m it d ir! Der Tag löscht aus; cs sinkt die Nacht herein: I n Morgenröthe sehen w ir uns wieder! (E r geht chncll ab.) (Lange Pause.)
Ra i mu n d . Ra i mu n d .
S i e haben mich weit weit hina us geführt I n einen düstern Wald. Ic h kann nicht mehr. D e r Weg ist rauh und meine Kniee wanken. M a r i a , meine Tochter, wo bist d u ? — Ge bt mir zu trinken. Meine Zunge lechzt. — B l u t soll ich tri nken? B l u t ist in dem Be cher! — W o bin ich d e n n ? D a s w a r ein böser T r a u m . A u f einem hohen Felsen saß ich einsam Und wie tut Gr a d e w a r es still um mich. T i e f unter mir nur sah ich seltne W a n d r e r Vorüberzi ehn. Ich ri e f , doch keiner h ö r t e ; Vol l Grausen wand ten sie sich ab von mir Und eilten sich bekreuzend scheu vorüber. De n n sieh! der Felsen w a r das Hochgericht, A u f dem zur S c h a u ich angeschmiedet saß. Und meine Tochter ru f t ' ich, doch mein Rufen Verha llte in der Oede und sie kam nicht. N ach t w ar ds und wieder T a g und wieder Nacht, Und immer saß ich h a r r e n d , rufend da, I n T h a u und S o n n e n b r a n d und Regen, Verzehrend mich in Angst und heißer Se hnsucht , Und keine Labung netzte meine Kippen. D a kam es endlich, daß ich sterben mußte. Ich fühlte wie ich starb un d immer noch Sc h a u t ' ich ri ngsum nach meiner Tochter a n s , D a ß st? mir freistand' in deut letzten Kampf e,
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8 chre Tochter. Lustspiel,
J
T r u m p f , ein Theaterdichter. W a k e l , ein Schauspieldirektor. V e t t e r M i c h e l , ein naher Verwandter.
(Ein ärmliches Zimmer. Poesie bessert Strümpfe aus, Tragödie sitzt am Srickrahm, Lustspiel am Spinnrad.)
Lustspiel,
(singt.)
E in König ist gestorben Vor langer, langer Zeit; Hat guten Ruhm erworben: Man spricht von ihm noch heut. Von Gold war'n seine Glieder, Die Krön' Karfunkelstein. Ach niemals werden wieder So goldne Tage seyn» Sein Grab soll seyn dort drüben, Am Thurm, wo's Käuzchen schreit, Daran sein Sohn geschrieben: Hier liegt die alte Zeit!
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Die Ehen werden
Tr agödi e. Ich bitte dich, schweig! Ich kann diese Lieder chen nicht hören. Wie mag man fingen in einer Lage wie die unsrige! Poesie. Wohl ih r, daß sie es kann. D u möchtest von ihr lernen, mein Kind. Tragödi e. Aber ist es recht von ih r, so muthwilltg die E r innerung an eine Zeit zu wecken, die leider für uns a u f immer verloren ist.' P o e s i e. Freilich wird sie nie wiederkehren unsere goldne Z e it, allein man muß sich in jede Zeit zu schicken wissen, man muß sich nach der Decke strecken. D a s ist die höchste Weisheit unsrer Tage, und du wirst sie lernen müssen, wie ich, wenn du unter den Leuten fortkommen willst. W er sein Schicksal m it frohem M u th e e r tr a g t, verdient drum keinen V o rw u rf.
Tragödie. E rtrag en kann ich auch das Ungeheuerste, doch nicht darüber scherzen. Lu ft s p i e l .
Desto schlimmer für dich, ma eoeur!
im H i m m e l geschlossen.
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Tragödie. Ich streite nicht mit dir, denn wir verstehn unS nicht. Dein Blick ist nach der Erde nur gerichtet und auf dem M arkt des Lebens ist dein Platz. Ich kann den Himmel nicht wie du vergessen, au s dem wir stammen. Lustspiel.
M i t deiner E rla u b n iß , ich eben so w enig; nur daß du gern ein wenig mehr mit deiner hohen Ab kunft prahlest als ich. T rag ö d ie. Sich würdig betragen, heiß nicht prahlen. Lustspiel.
Aber die Zeichen seiner eingebildeten W ürde un aufhörlich zur Schau tragen, was heißt d a s ? — Wozu denn noch immer diesen langen seidnen M a n tel um die S ch u lte rn , den die M u tter beinah nicht mehr zu flicken w e iß ? Wozu denn die tombackne Krone a u f dem Kopfe — die goldene liegt wie lange schon a uf dem Leihhause fest? — W enn das nicht prahlen heißen soll, so dürfen wir es doch wohl ein wenig affectiren nennen, und von dem V o rw u rf einer kleinen Äffectation bist du überhaupt nicht zu retten. Mich wundert n u r , daß du endlich den Cothurn abgeschnallt und die Schuhe vom Detter Michel an-
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D i e E h e n w er den
gezogen hast. Er muß dir sehr unbequem gewesen seyn, da du dich dazu bequemen konntest.
Poesie. Fangt ihr schon wieder an zu streiten? werdet ihr euch denn nie vertragen lernen? Ich habe ja ohnedieß Sorge genug mit euch, wollt ihr sie noch durch euer ewiges Hadern vermehren? — Meine andern Kinder hab ich bei der schlechten Zeit doch alle leidlich untergebracht: die Romanze ist mit einem Herrn auf Reisen gegangen, um dem Romantischen auf die Spur zu kommen, welches Reißaus genom men haben soll; die Ode, die mir seit KlopstockS Tode in Unmündigkeit zurück gefallen war, ist im Waisenhause; die Satyre im Taub - und StuntmenIn s titu t, um dort das gefährliche Sprechen vol lends zu verlernen; die Idylle samt dem Epos im S p ita l; die Fabel hat sich eingepuppt, um vielleicht einmal in einer herrlichern Gestalt wieder aufzule ben; der Roman ist Meßhelfer in Leipzig geworden, und die übrigen stümpern sich noch gut oder übel selbst durch die Welt. Ih r beiden nur macht mir Kummer. Seit dem Tode meines seligen Mannes, eures Stiefvaters, hab' ich euch nun wieder bei m ir, und eö zeigt sich noch immer keine Versorgung für euch.
im £ tm m c t g schloffen.
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Lust spi el .
Laß dir unsre Ver sor gun g keine S o r g e machen, Mütterchen. E s kann ja nicht immer so bleiben. Gieb Acht, es blühn wieder gute Ta g e auf. Poesie.
W e n n w i r vielleicht langst nicht mehr sind. L ustspiel. O dann war en es ja keine g u t e n ! Aber sind wir nicht unsterblich? Poesi e.
Ach mit,unserer Unsterblichkeit ists nicht weit her. D i e G ö t t e r — G o t t verzeih mir die S ü n d e ! — mögen am besten wi ssen, wie es damit steht. Und w a s hilft uns denn das trauri ge Geschenk, wenn es un s nicht auch vor Alter und Elend schützt's — Ach wo sind die schönen T a g e meiner J u g e n d h i n , die ich unter Griechenlands heiterm Hi mmel verlebte! W a s ist aus mi r , der Hochgefeierten, g e w o r d e n ? Ei ne S c h n e i d e r s f r a u ! Lustspiel. I m m e r besser, als von der Gnad e der Menschen leben, die un s mit den S e i l t ä n z e r n , abgerichteten H un d e n und andern Lustigmachern in eine Klaffe setzen.
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D ie Ehen w erden
Tragödie. D i e U ndankbaren, die wir erzogen! Poesie. M e i n N a m e ist zw a r a u f allen Lippen, ach! aber sie reden von mir und kennen mich doch nicht. D i e wenigen no ch, die mich von Angesicht zu An gesicht gesehen, und die ich meine Freunde na nnte, werden a l t , und wenig Hoffnung heg' ich von dem kommenden Geschlecht. Lustspiel. Aber nach dem kommenden, wi rd wieder ein kommen und wieder t t n - ! Poesie.
Aber auch die W e l t immer alter werden un d w i r dazu. — V o n euch, ich muß gestehn, gl aubt' ich, daß es euch sobald noch nicht fehlen könnte, denn überall stehn eure Te mpel offen. Lustspi el . Ach daß G o t t erbar m, die Tempel sind auch meist danach, und nun obendrein die Pr iest er! Tragödi e.
Wi e G ö t t e r n bringt man un s die eignen Gabe n, so sollten wi r am ersten sagen k ö n n e n ------
im H i m m e l geschloffen.
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Lustspiel. Allein wir spüren- leider am Gestanke, daß es meist unreine Opfer find. Tragödie. Ich wiederhole deine W o rte ,. M u t t e r : sie reden von un s und kennen uns nicht.
Lustspiel. Je d e r Lump rühm t fich der intimsten V e rtra u lichkeiten mit uns, und laßt seine Bastarde unter un sern Nam en in die W elt laufen. Tr a g ö d i e .
W enn auch einmal die Gestalten meiner Lieblinge über die Bretev schreiten, so wird es dem Volke gleich wunderseltfam und unheimlich zu M u t h e -----
Lustspiel. Und es klagt über Magendrücken, bis eS wieder einige mürbe Geheirncnrathe und in Thränen ge schmorte Baronessen zu sich genommen hat. Ich bin um nichts besser dran. Wenn ich mich zeige wie ich bin, verstehn sie mich nicht. Meiner B e geisterung haben sie die Flügel verschnitten und mei nem Scherz, dem armen J u n g e n , einen Keuschheitsring angelegt.
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D ie E hen w erden
Tragödi e. D a s zwitterhafte Geschöpf, die Oper, macht noch das meiste Glück. Auch sie will gern für deine Tochter gelten. Lustspiel. F ü r deine letztgeborne giebt sie sich a u s ; aber sie ist nicht deine Tochter, nicht w a h r ? P oesie. Ach, Kinder, j a , sie ist eS wohl; allein man spricht nicht gern davon. D u lieber Himmel, man ha t auch noch im Alter schwache S t u n d e n ! — D a klopft Jemand an die T h ü r e ! Sieh z u , wer's ist.
Lustspiel. E s wird der Vetter Michel seyn. De r gute M a n n besucht uns alle Abend. D e t t e r M ichel. N a , bon soiv! Wie stehts, wie gehts? Einen S t u h l , liebes Spielchen! (Lustspiel bringt ihm e in e n .) Di e drei Treppen schlagen mir jedesmal in die Beine. W ie leben w i r , was machen w i r ? Lustspiel. W ir freuen uns über den Herrn Vetter.
Litt H i IN m e l g e s c h l o s s e n .
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Ve t t e r Michel. S e h r verbunden. — Wertheste F r a u M u h m e / wie istö Be n ndcn 'i Poesie. Danke fü r die gütige N a c h f r a g e , immer noch beim Alten. Lustspiel. D a s N eue steigt selten bis ins vierte Stockwerk. V e t t e r Michel. I c h bringe aber doch heute et was N e u e s mit und et w a s G u t e s obendrein. E s .hat z w a r M ü h e gekostet, M ü h e und A rb eit , Laufen und Rennen und manchen Sc hweiß tr opf en, allein ich bringe gern mei nen sauersten Sc hwei ß den allerliebsten Bäschen zum Opfer.
Lustspiel. Danke schön, will erst ein wenig d a s Fenster aufmachen. Ve t t e r Michel. B e m ü h e n C i e sich nicht u m meinetwillen. E s ist so zutraulicher.
Poesie. Aber w a s bringen S i e un s den n , H e r r V e t t e r s Die Nachricht von einem zu erwartenden G u t e kann tttan nie schnell genug er hal te n, denn die E r w a r Co-ntess. Schrift. 4' Vv. . 7
98
Die
Ehen werden
t ung gehört mit zum G e n u ß , wenn sie nicht ga r den besten Theil davon ausmacht. V e t t e r M ichel. I h n e n , liebwertheste F r a u M uhm e, bringeich zwar un mi t tel bar nichts, aber mittelbar wieder recht viel. D i e lieben Töchterchen nämlich sind das M i t t e l , in dem sie eigentlich der Zweck sind, und z w ar nicht allein der Zweck meines Hierseyns und meiner vor hergegangenen Ver mi t tel ung, sondern auch der Zweck zweier andern M i t t e l , welche ihre M i t t e l gern be zwecken möchten. L u st sp i e l . H a t der H e r r V e t t e r Collegia in B . g e h ö r t ? Tragödie. W i r müssen bitten, verständlicher zu reden. V e t t e r M i ch e l. Ich wurde sagen: der Verst and kann nicht ver ständlicher sprechen, wenn der Ver stand nicht heut zu T a g e so anrüchtig geworden wäre. Ic h bringe euch etwas m i t , Kinderchen, w a s euch künftig die Zeit vertreiben soll, ein scharmantes S p i e l w e r t ----Lustspiel. Doch nicht eine P u p p e vom J a h r m a r k t ?
im H i rnmel
geschlossen.
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V e t t e r Michel. Ei ne lebendige, liebes Spiel chen, einen M a n n ; und z w a r für jede e i n e n ; denn von einer Gemei n schaft der G ü t e r wollen die Weiber Überhaupt nichts Zviffen, und die Herzen und Leiber ihrer M ä n n e r besonders sollen seyn, wie die französische Republik, G o t t habe sie selig! nämlich eins und uruheilbar. Poesie.
Sprechen S i e im E r n s t , He r r V e t t e r ? V e t t e r Michel. I n vehementem Ernste! Mei ne B e m ü h u n g e n find endlich durch zwei Kronprätendenten gekrönt worden, die ich im S t a n d e bin meinen Väschens zu Fü ßen zu legen. Lustspi el .
Aber wenn w i r sie nu n dort liegen lassen? V e t t e r Michel. D a s werden S i e nicht. E s sind scharmante Leut chen und vom H an d w e r k obendrein. Ei n The a t e r dichter und ein Schauspieldireetor. — Aber M u h e h a t es mir gekostet, blutsauere M ühe. J a , wenn ein Mädchen Geld h a t , ihr himmlischen Hecrschaar e n , da laufen die Freier um sie herum wie die Feldmäuse, und sie braucht nu r die H änd e a u s z u strecken, so bleibt an jedem Fi nge r einer hangen.
IOD
D i e E h e n w e r d en
Aber ein armes Mädchen ist vor den Freiern so sicher, al s ob sic a u f dem Thurmknopf der M a r i e n kirche säße und jeder Mensch ver langt von i h r , daß sie von oben bis unten mit Tugende n gepflastert seyn soll, wie der We g zum Himmel. D a fr agte mich der eine: sind sie gute W i r t h i n n e n ? der a n d r e : können sie gu t kochen? der d r it te : sind sie eifer süchtig, bleiben sie gern zu H a u s e ? und einer wollte sogar wiffen, ob I h r stark a ß e t ? — W a s sollt1 ich a n t w o r t e n ? D a s sind alles eure schwache S e i t e n . V o n eurer wunderlichen Unsterblichkeit d u r f t 1 ich mir nun gar nichts merken lassen. S e i t d e m u n s die Aufklärung un ter die Fuchtel genommen hat , lachen wi r darüber oder fürchten un s davor. Poesie.
Werthes ter H e r r V e t t e r , ich danke I h n e n von ganzem Herzen für I h r e B e m ü h u n g . E s ist mein sehnlichster Wu nsch, die beiden Mädchen bald mit E h r e n unter die Haube zu bringen. W a s bleibt ihnen auch sonst noch ü b r i g ? Ich kann sie nicht mehr er nä h r e n ; a u f ihre eigne Hunt) können sie hier nicht leben, denn die Polizei ist jetzt gar zu schlimm; und wovon au c h ? A n d e r w ä r t s aber zeigen sich keine bessern Aussichten.
Lustspiel. S o n s t stand mir immer noch ein leidlicher § u -
i m H i m in e l g e s c h l o s s e n .
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stuchtsort in Frankreich offen, allein auch do rt fa ng' ich a n außer Bekanntschaft zu kommen. Tragödi e.
Ich Unglückliche, seit Schiller todt ist, irr' ich nu n vollende hoffnungslos umher. Poesie.
D r u m ergreift die Gelegen heit, seht sie als einen Wi nk des Hi mmels an und folget meinem Beispiel. Als ich sa h, daß es mit mir nicht mehr recht fort wollte, nahm ich die H a n d meines seligen M a n n e s a n , der mich zufällig kennen gelernt h a t t e , vergaß die ölte Herrlichkeit und griff zur N a d e l und zur Scheere. Tr a g ö d i e .
W e n n es feint soll, so unter m erst ich mich. Selbs t die Unsterblichen entgehen nicht dem Schicksal. Lust spi el .
W i r wollen sebn. Sc hei nt günstig sich für uns der Anfall zu gestalten, so greif ich zu und weiß ihn fest zu halten. V e t t e r Michel. H o r c h ! E s t rampelt a u f der Treppe. D a s w e r den meine Freier sei;tu Ich habe sie her bestellt. —-
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Sie Ehen werden
( E r geht nach der Thüre. ) N u r hier herei n, meine H e r r e n , hier herein! S i e sind schon angemeldet. ( T r u m p f und Wakcl treten herein und machen ihr Eempliment.) T r u tu p f, (sich an die Schwestern wendend.) S o ist es w a h r , w a s meine Augen sehen? D u bist es wirklich, göttlich S c h w c s t e r p a a r ? D e s HerzenS Wünsche sch' ich vor mir stehen, E s ist erreicht w a s meine Se hnsucht war, Und Hi mmel sl üf te fühl' ich mich umwehen, Mich selber beigesellt der G ö t t e r S c h a a r ! S o l l , kann ich meiner B r u s t G e f ühl ersticken? Und ach vermag — Poesie.
O h n e alle Umstande, wer the r H e r r , wenn ich bitten d a r f ! W i r sind schlichte B ü r g e r s l e u t e und verstehn un s nicht a u f solche schöne Wo rt e. Wa l e l .
B r a v , mein liebes M a m a c h e n ! M a s soll der poetische Firlefanz. Ic h kann solch üb erspanntes Wesen auch nicht leiden. Recht und schlecht, das ist mein Wahlspruch!
i m H i in m e ! g e s c h l o s s e n .
103
Trumpf.
S o l l , kann ich meiner B r u s t Gef ühl ersticken? Und a c h ! vermag ich's würdi g a us zudrüc ken? I h r ganz gehorsamster Di ene r meine D a m e n . Mei n heutiges Glück greift in die Unendlichkeit. V e tte r
Michel.
N ehmen S i e Platz, meine Her ren. Di e drei ver maledeiten Treppen werden einem blutsauer. Tr u mp f .
W a s t h u t das J ( M i t einer Verbeugung gegen die Schwestern.). Per ar dua ad a s t r a ! Verstehen S i e Latein Y Lustspiel. E i n wenig neeti von fr ühern Zeiten her. ihrer Schwester.) D e r M a n n ist recht gal an t.
(Zu
M akel. W e r hatte da s aber gedacht, daß wi r in unsern M a u e r n zwei so berühmte Personen besitzen! S i e sind wohl noch nicht lange h i e r ? Ich habe seit zwanzig J a h r e n mit Lust - und Trauerspielen zu t h u n , ni emals aber von I h r e m werthen Das eyn e t w as vernommen.
ic4
D ie Ehen
w erden
T v tt m p f. I n der T h a t , ich hatte das Glück I h r e r persön lichen Bekanntschaft nicht erwart et und muß I h n e n gestehen, das; ich mich darin noch nicht finden kann, und mir alles wie ein T r a u m vorkommt.
Makel. D a r f ich nun a uc h, mein bestes Mam a c h e n , nach I h r e m werthen N a m e n fragen t Poes i e. S o n s t hieß ich Poeste, jetzt aber heiß' ich Schlabbcrmeierin, I h n e n 511 bienen. Make l .
S i e haben recht gethan, M a d a m Schlabbermcieriu, daß S i e die Poesie an den N a g e l hingen. E s kommt nichts dabei her aus. T r it nt p f ;'äu den Schwestern.)
Die Poesie also ist I h re Fr a u Mutter i E i , ei, das hatt' ich nicht gedacht!
i m H i mn r e l Vetter
geschl ossen.
105
Michet.
Sie dürfen sich daran nicht stoßen, meine Herren. Die Frau Muhme hat mit ihrem Namen auch alle poetische Tücken und Nucken abgelegt, ist eine brave Bürgersfrau geworden, die Nadel und Kochlöffel zu handhaben weiß, und wünscht nichts sehnlicher, als daß ihre Töchter cs auch werden möchten.
Wakel . Is t sehr darum zu loben! denn wie gesagt, es kommt bei der Poesie nichts heraus. Das P u b li kum weis; ja nicht, was es damit anfangen soll. Ich w ill den: ersten dem besten eine Wurst vorzei gen und sagen: das ist W urst, so wird er gleich wissen, was damit zu machen ist; aber wenn ich ihm so etwas poetisches hinhalte und sage: dos ist Poesie, so soll mich der Teufel holen, wenn er weiß, was er damit anzufangen hat. Was ich ver stehn und begreifen soll, uutf; ich wie eine Kuh bei Kopf und Schwanz packen können, aber w o, zum Henker, soll ich die Poesie angreifen? Das habe ich da meinem guten Freunde immer gepredigt und er sicht es auch ein; nur die verfluchten Verse w ill er sich noch nicht nehmen lassen. Und warum.? blos weil sie jetzt Mode sind. Doch ihre Zeit ist auch gekommen; das schwör' ich £uch» Sie sollen mich am längsten eujonirt haben.
i o6
Di e
Ehen
werden
T v i! m p f (zu den Schwestern.) D e r gute M a n n spricht wie ers versteht. muß ihm das nicht übel nehmen.
M an
Lustspi el . Ach wenn doch jeder Mensch nicht anders spre chen w o l l t e ! E s w äre ein g u t T heil weniger Lan gew eile in der W e lt. W a k e l , (fortfahrend.) D a haben sich zw ar neuerlich wieder ein paar verkehrte Köpfe mausig gem acht, und den Leuten m it Poesie und P h ilosop h ie in die Augen geschla gen. C i e erkennen die ganze W e l t , das Wesen aller D in g e a p r i o r i , w ie sie's n e n n e n , man möchte sagen durch den Geruch wie die H u n d e ; aber vom Theater mögen sie mir nur wegbleiben mit ihrem a pr i or i und ihren K unsttheorien , ich bringe allen meinen jungen Schauspielern die Kunst a p o s t e i i o r i b e i , sie haben hol mich der H im m el selber V e r g n ü gen davon und mein T hea ter ist eins der besten in ganz Deutschland.
im
5? i nt nt c t g e s c h l o s s e n .
107
T r u m p f. (Dar f m a n n u n a b e r a u cf) wissen, m i t welchen A u ge n die l i e be n s w ür d i g e n Tö cht er die Ge s i n n u n g u nd den Wi ll en i hr er ver eh r t en M u t t e r a n s e h e n ?
Tragödi e. Mit kindlichen , mei n H e r r . T r u 111 p f. S i e sind also gleicher M e i n u n g u nd G e s i n n u n g ? Tragödie.
W i r u n t e r w e r f e n u n s dem S c h ' c ks a l , d a s durch den M u n d der M u t t e r zu u n s spricht.
Trumpf . Un d ohne W i d e r s t r e b e n ?
Tr agödi e . D e s Menschen Wi der s t r eb e n ist umsonst . T r u m p f. Auch ohne R e u e ? m i t willi gem V e r g e s s e n ?
l og
D i e E h e n lv e r d e n
T r a g ö d i e. Vergessen können schwache Seel en nur. I n mei nem I n n e r n tief betvubr' ich wie ein Hei ligt hum das hohe B i l d vergangner Herrlichkeit. W a k e l. D a schmeckt denn eine Wassersuppe schlecht dazu. Lustspiel. M i t nichtcn, guter H e r r ! Eine herrliche Er i nn e rung wür zt jede schale G ege nw ar t. T r u nt p f.
ö meine W e r t h e n , wi r denken I h n e n eine G e g e n w a r t zu bereiten, über die I h n e n schon die G e danken an die Ver gangenhe it vergehen sollen. W a k e l. J a , S i e sollen keine N o t h leiden, wenn C i e sich nur irgend der steigen Zeit aeeommodiren wollen. T r u m p f. Dem Zeitgeist müssen wi r hu ldigen, wenn uns der Geist des B u r g u n d e r s ander s erfreuen soll; den
i m H i nt nt et geschlo f f en.
lOCj
Geschntack des Publikums müssen wir studiren, wenn wir Fasanen und Trüffelpasteten schmecken wollen. Ich habe bereits, Gort sey Dank, ein und zwanzig Trauerspiele und Schauspiele geschrieben, (Schiller nur acht oder neun in allem,) und kenne den a c q u ir . Wenn die Leute ins Sc haus pi e l gehen, wollen sie für ihr Geld auch wirklich etwas schauen. Sorgen wir also vor allem für das Auge; die Ohren find überflüssig. Makel . W ir lassen auch unsre neuen Schauspielhäuser nach diesem Grundsätze bauen. T r u nt p f. Wenigstens sey unsere Sprache so wasserklar, daß jeder Barbiergesclle bis auf den Grund unsers Herzens und unsrer Poesie sehen kann. Schreiben wir in Versen, — ich habe sie gern — so ist das nur ein Spielwerk für das Auge; hören darf man fle so wenig als möglich; das schadet der Illusion. Makel .
O dafür sorgen schon meine Schauspieler gar trefflich. T r u m p f. Man lege dem Zuschauer den Seidelbast einer
HO
Die
Ehen w e r d e n
rechtschaffenen Rührung aufs H erz, schmiere es mit der B u tte r einer geschmeidigen M oral und kitzle seine Nase, damit ihm nicht übel werde, ir.it dem flüchti gen Salze einiger Anspielungen auf S ta d t- und Zeitgeschichten. Das ist die Grundlage; Dccorationen, Gefechte, Kanonenschüsse, und eine Feuers brunst am Schluffe thun dann das Uebrige. Is t der Dichter noch gar so glücklich, ein halb Dutzend Pferde auf sein Theater bringen zu können, jo kann es ihm nun vollends nicht fehlen und diese Mahren machen ja, beim Himmel, einen weit schönern Rumor auf den B ie te rn , als das ungeheuerste Schicksal. W a k e l. J a , ja , meine Werthen, S ie dürfen nicht sorgen, w ir werden Sie schon gehörig zustutzen. Beglücken Sie uns nur erst mit ihren Handen.
Trumpf, (zu Tragödie, ihre Hand fassend.) Wenn ich hoffen könnte, vor diesem stolzen Blicke Gnade gefunden zu haben — W a k e l , (zu Lustspiel.) Wenn ich vermuthen dürfte, daß dieses Schelmenauge m ir Erhörung lächeln w erde-------
im H im tn el g e s c h lo s s e n .
m
De t t e r Mi chel , (leise zu den S chw estern.)
Machen S i e keine Umstände. Gotteswillen!
Greifen S i e zu, um
Ma k e l .
Theuerste M a m a , fallen S i e nu r immer mit I h r e m S e g e n in die Fl anke! Ic h sehe die Ei nwil l i gung in I h r e n Blicken. M e i n Fr eund wähl t die, ich wähle die, doch haben wir es vorher mit ei nan der aus gemacht , daß ich nach Gelegenheit von allen beiden Gebrauch machen darf. Poesi e.
O meine Kinder, I h r r ü hrt mich unaussprechlich. Mich ergreift eine langst entwöhn te Begeisterung. Tretet naher zu mir. Ic h will Euch segnen. ( S i e legt feierlich ihre Hände in einander.)
I h r S ö h n e seyd geg rüß t gleich zweier NoaHstanbcn, Die mir die Bür gschaf t beßrer Zeit gebracht! Die Wünsche, die mit mir oft manche Nacht durch wacht, S i e sind erfüllt! (Au den Töchtern.)
I h r kommt mir Ehren unter die Hauben.
ii2
D i e E h e n w e r d e n i m H i n r m e l zc.
G e h t h i n ! w a s ihr doch thun m ü ß t , thuet g er n; Gehorcht den M ä n n e r n als Euern H e r r n ; Noch bester ist's sie gehorchen E u c h : D a s giebt a u f Erden ein Himmelreich. Laßt allen eitcln Hochmuth fa h r e n ; Schmi nkt Euch nicht m e h r , I h r send bei J a h r e n ; G e ht in die Küche fein bürgerlich, Kocht E ur e S u p p e , versalzt sie ni cht ; F e g t alle T a g e E u r e S t u b e n , D e n H. — E ur en Mädchen und B u b e n , A u f Pä da g o g i k kemmr alles an. Liebt E u r e M ä n n e r so viel's seyn k a n n ; V e r l a n g t von ihnen nicht zu viel, E s hat ja alles sein M a ß und Ziel. S o habt I h r a u f Erden guten N a m e n , S t r e u t für den Hi m m e l guten S a m e n , Und habt auch meinen S e g e n ! Amen,
A l m e n o r a d e . E i li T r a u e r sv i e !.
(Nach einem Sprüchmort aus ten Societe ou prove rbe »
CcntcfT, Schrift.
4- B d .
a m m e m e m de
dram.'iritjues.')
Personen
D er S u l t a n . Prinzessin Almenorade. O r c a n o r , Feldherr. F a t m e , V ertraute der Prinzessin* H a s s a n , V ertrauter des Button* O s m i n , V ertrauter des Orcanok.
Wache. D er Souffleur.
Erste Der
S e e n
Sultan,
e.
H a f s a n.
Sultan. M erk auf,
mein treuer Freund und laß, gleich stummen Fischen, Don allem was du hörst, kein Wörtlein dir enttvU schon. Hassan. den Vertrauten, H err, bin ich die wahre K rö n'; Ich hör' und muckse nicht. — Sag' ich warte schon.
Don
Sultan. Du kennst die Flammen, die mein Herz zu Asche brennen.
Und darf ich dir nicht erst Almenoraden nennen. 2ch weiß nun — ach! und doch wird sie von mir geliebt! —
ir 6
A l m en
o r a d e.
Ic h weiß, w a s vor ihr Herz mir einen Riegel schiebt. D i e G r a u s a m e verschmäht, verspottet meine Triebe Und schenkt, mir a b g e w a n d t , O r c a n o r n ihre Liebe. Hassan. I c h staune! H e r r , du g l a u b s t -----Sultan. Ich g l a u b ' s , weil ich es weiß. M i r ist sie zapfenkalt, und jenem siedehchß. D u sollst, V e r t r a u t e r , hier n u r deinen Augen trauen: O r c a n o r kommt h i e r h e r ; noch heut wirst du ihn schauen. H a ssan. W i e H e r r ? w a s willst d u ? I h n , der sich mit R u h m bedeckt, D e n ganzen O r i e n t mit seinem N a m e n schreckt, D e r furz (ich noch besiegt die stolzen Marokkaner, I h n rufst du vor das B r e t wie einen T e r t i a n e r ? B e d e n k e -----Sultan.
Sc hw eig e, S e l a v ; es ist dein Herr, der spricht! D a s Rai so nniren gilt in unserm Reiche nicht. Gesetz und S i t t e sind für Euch gemeine M a d e n :
E in
T r a u e r s p ie l .
117
W ir thun was uns beliebt; wir sind von Gottes Gnaden. Doch hörst du den Tumult, der in den Straßen lärmt ? Orcanor ists, er kommt von: Pöbel laut umschwärmt. Derrather! wie er eilt! er eilt zu ihren Füßen! Du sollst den Frevel mir m it tausend Stichen büßen! (E r legt die Hand an den Dolch.) Der Souffleur. He, Pst'! Jetzt ist e- noch nicht Zeit zum Todt stechen. Sultan. Ich weiß das wohl, Herr. Bekümmern Sie sich doch nur um Ih r Soufflircn und lassen Sie mich 'Machen.
(E r setzt sich wieder in Positur.) Da kommt jemand. Wer ists? Almenorade — h a ! Und wahrlich reizender als ich sie jemals sah.
iiß
A l m e n o r a d e.
Zwei t e
Scene.
A l m e n o r a d e , F a t m e, V o r i g e » A l m e n o r a d e. Erlaube, Herr, daß ich am festlichschönen Tage Ob deiner Waffen Glück dir meinen Glückwunsch sage. Sultan. Die Sonne keines Siegs hat mir so hold gelacht; Denn bei der Beute, die mein tapfres Heer gemacht. Sind feinsten Maroquins zwölf Kisten, roth und gelber, D ir zu Pantoffeln da; ächt aus Marokko selber. Wenn deinen zarten Fuß dies Siegeszeichen schmücktDann fühl1 ich doppelt mich durch meinen Ruhm beglückt. Und möchten diese Schuh dich sympathetisch leiten I n meine Arme, die sich dir entgegen breiten! An meine treue Brust, aus der die Liebe ächzt, An diesen heißen M und, der nach dem deinen lechzt! Du staunst ‘i Nicht langer mehr w ill ich die Zunge binden, Ich liebe dich, wie — wie — (Bei Seite zu Hassan.) Ich kann kein Gleichniß finden.
E in
T r a u e r s p ie l.
119
Schlag' mir ein Buch dort auf und nenne mir ein Wort, So helfen in der Noth sich unsre Dichter fort. (Zu 2ttmenorciben gewandt.)
Sch
liebe dick) wie — H a s s a n , (aus dem Buche.)
Schmalz —
Sultan. Wie Schmalz. (Zu Hassan.) Du bist ein Esel! D raus macht kein Dichter was, von Peking bis nach Wesel. (Z u Rlnrcnoraden.)
Genug ich liebe wie fein Sultan je gethan; Ich biete meine Hand und meinen Thron dir an; Sei; du die Herrscherin fortan in meinem Reickw. Erhöre mich — sonst siehst du heut noch eine Leiche! A l m e n 0 r a d e. I h r Götter! hör' ich recht? — Ich muß vor Angst vergehn, Du weist ja selbst. 0 Herr, mein Herz ist schon versehn»
i 2o
A lm e n o
r a d e.
V o r deinen Augen selbst erwuchs ja diese Liebe Zum starken B a u m , und trotzt nun jedem Schick salshiebe«
Sultan. Du
widerstehst
m ir?
w ie! du spottest meiner F lam m ' ? D e rra th e rin , du sollst — — Ich sage nichts, M adam ! Doch j a , noch ein- w ill ich dir und Orcanern sagen: Kein Fünkchen Hoffnung mcdr wag' er sich anzu schlagen.
(A b .)
Dritte
Scene.
A l m e n o r a d e,
F a t m e.
Almenorade. -O H im m e l,
ists ein T ra u m r was mir mein Leben lahmt, Und meiner Hoffnung Flug m it scharfem Zügel zähm t! Orcanor kommt zurück, ich dacht' es mit Entzücken; N u n muß ich, o Geschick! m it Zittern ihn erblicken. Welch W etter, G ötter, thürm t am H orizont sich a u f!
E in T rauerspiel.
121
D e r Blitze Spitze zuckt a u f unsers Schiffleins Lauf. Ach Fa tme, einen S t u h l , daß ich ein wenig weine. — N e i n , schändlicher B a r b a r , ich werde nie die deine. F a t m e. Verstellung, Fürstin, ists, w a s Klugheit hier gebeut. Tausch' ihn mit Heldern Bl ick , mit schlauer F r e u n d lichkeit. S ü ß ist es immer, wenn w i r einen M a n n betrügen, Und ist es ein T y r a n n , machts doppeltes Ver gnügen. A l m e n v r a d e. W o h l a n ! F ü r ihn wird auch dies O pf er mir nicht schwer. F ü r dich, Geliebter — H a , da kommt er selber her.
Vi e r t e O r c a n o r ,
Sc e ne . Vorige.
O r c a n 0 r. A l me nor ade, j a , ich b i n s , vom R u h m begleitet, D e r mich zurück in dir geliebten Fcsicln leitet, 2 ch w a r ein Held durch dich. I n d e m in meiner Brust Dein B i l - n i ß vor mir s t an d, empfand ich große Lust,
i 22
A l m e n e r a d e.
D i e Köpfe dutzendweise zu mahn wie welke Rü ben. Jetzt hat die Hoffnung mich, die süße, hcrgetrieben, S o viele nun mit dir zu setzen in die Welt, Al s dieser tapf re Arm dem H i mmel zugesellt. A l m e n o r a d e. Wa S sagst du ? G ö t t e r ! Or c a n o r .
Wie?
w a s muß ich hören,
frhCiV?
D u seufzest?
w ei nst ?
O weh! Kann st du mich hi nt ergehen?
A l m en o v a d e . Dich hintergeht! ? Nachdem mein Herz Von S e h n sucht schwillt? D e n Helden, dessen K r a f t , S t a a t , We lt und alles stillt, D e n sollt' ich hint erg ehn, den sollt' ich nicht mehr lieb en?
Orcanor. N u n , wenn du mich noch liebst, w a s kann dich denn b e t r ü b e n ? D i e Fackel s t a m m t ! E s winkt der offne Tempel mir, Noch heute wenn du willst st reng' ich die K ä m m n - ' thür.
E i n T r a u e r sp i e t .
123
Atmen 0 rade. A c h ! düß ich sprechen muß.' — da s Schicksal will un s trennen. Ich fühl' bei diesem W o r t mein Eingeweide brennen. D e r S u l t a n will, daß ich ihn liebe, der T y r a n n ! A n d bietet ungestüm mir H a n d und Krone an. O r c a n 0 r. H a t der B a r b a r denn g a n z , was ich ihm w a r , ver gessen ? E s ha t t ' ihn ohne mich Marokko langst gefressen. Ich bin sein Schutz und Trutz. Noch in der letzten Schlacht Lief ja sein H e e r , al s kaum der erste Schuß gekracht. D a schrie ich: B r a n d t wein h e r ! Kano nen in den Nück'en!
Euch H und e soll der To d fur's Vat e r l a n d beglücken. D e r N a m e V a t e r l a n d schlug mit Begeiferung e i n ; Desoffen stürmten sie der Feinde dichte Rcih' n. D i e Feinde standen erst und suchten br av — wie D eut sche; Doch ich kam , und sie f l e h n , wie Käl ber vor der Peitsche. — D e r U n d a n k b a r e ! H a ! und d u , du willigst e i n ? Nein.
Almen 0 rade. Auch im Tode noch, Gel iebter, bin ich dein.
124
A l m e n o r a d e.
Orcanor. N u n d a n n , so laß uns fliehn , und gleich, die Zeit ist theuer. E s winkt der Augenblick. E h noch das Ungeheuer V o n meiner Ankunft h ö r t , sind wir schon weit davon. A l m e n o r a d e. H a welch G eräusch! E s naht — O w e h ! da ist er schon. Jetzt band'ge deinen Zorn und laste dich nicht irren, V e r tr a u e meiner Lieb', ich w ill den T iger kirren.
Fünft e D er
Sultan,
Scene.
Hassan,
Wache,
und
Vori ge. Sultan. D e in Herr erwartet dich, und du verweilst dich hier? Vertreibst dir so die Z e it ? Sprich und bekenne m i r : W a s schleichst du heimlich dich a u f der Prinzessin
Zmwwv?
E in T ra u e rs p ie l.
125
Al men 0 rade.
Cr suchte dich, 0 Herr. S u ltan .
Ih r hintergeht mich immer. Der Freche ging zuerst nur seiner Liebe nach. A l m en 0r a d e. O Herr, wie irrst du dich.
Vernimm jetzt meine
Schmach.
Der Undankbare dort, den einst mein Herz erkehren, Der bei dem keuschen Mond mir ew'ge Treu ge schworen, Betrogen hat er mich. Der Held voll Stotz und Kraft Hat sich in eine Kriegsgefangene vergafft, Heirathen will er gar die marokkanische Vettel, Und wirft mein zärtlich Herz von sich wie einen Bettel, Doch rachen will ich mich an diesem Bösewicht! Sultan. Orcanor, ist es wahr? Sprich frei und lüge nicht. Sonst fürchte meinen Zorn wie tödtenden Sirocco!
A l m e n o r a d e.
12 6
L r c a n or, (ihm seine Labacksdose reichend.) D a r f ich es wagen, S ir e ? Es ist fürw ahr Marokko. — D e r holde Gegenstand,, den meine Seele meint, W ird heute noch vielleicht a u f immer m ir vereint. B o r der Prinzessin selbst wag' ich es laut zu sagen: D ie Liebe wird nur erst das G rab zu Grabe tragen. S u lta r r . S o spielet I h r m it m ir , I h r undankbares P a a r ? W a r' m ir nicht Eure Schuld schon lange offenbar! Wenn ich Euch eben nicht am Schlüsselloch behorchte! Weg m it der Nachsicht, die ich Euch zu lange borgte! Jetzt leg, o weiches H e rz , der Rache Harnisch a n ! B ew affne dich m it W u th und spann' des Zornes
Hahn. ( E r zieht seinen Dolch und geht auf Orcanor los.) D u stirbst! Der
Souffleur«.
H e , nicht doch! Sultan, (sich zu Almenoraden wendend.) D u stirbst!
Ein
Trauerspiel.
127
Souffleur.
H a l t , halt doch! was machen S ie denn» Sultan. Aber zum Teufel, ich muß doch irgend jemand t-dtstechen. S o u f f l e « r. Ich sage I h n e n aber, nein I Sul t an. Aber es steht so im Stück. Souffleur, D a steht kein SL'vvt. Sultan. D a s möcht' ich doch einmal seherr. S o u ffle u r, ( a u f das" T y e a t c r tommviiK)
D a , da lesen S ie selbst. Sultan. Aber sehen wir doch einmal ans E nde, wo die Druckfehler stehn.
128
A l m e n o r a d e. S o u f f l e u r , (sucht.) Ach j a , da steht es w a h r h a f tig ! Sultan.
N u n , daß du lernst a u f die e r m .t aufzupassen, Unglücklicher S o u f f le u r , sollst d u dein Leben lassen. ( E r ersticht ihn.)
Souffleur, (in den Armen der Wache.) Ic h sterbe; t r a g t mich f o r t ! S o w alte t das G e schick! Doch gebt am E in g an g n u r den Leuten 's Geld zurück.
L e b e n s h a r m v n i e .
(oxtess
4 B ).
(Sin Kirchhof auf einem hohen Hügel. Mitten hindurch lauft eine Straße, seitwärts eine kleine Kirche. — DiSonne geht auf. — Ein TodtengrLber macht ein Grah. Neben ihm sein spielender Knabe.)
T o d t en g r ä b er.
He, Junge, gieb den Schädel her — W irf mir die Knochen nicht kreuz und quer l Ls will doch jeder, der hier begraben, Am jüngsten Tag die seinen haben. Knabe.
Schau, wie mir der die Zahne weist. Todtengraber. Ist Schulzens Frau. Leg hin: der beißt. 'Die hat im Leben g'nug gebissen, Dis sie ins Grab hat beißen müssen.
i 32
Lebensharmoni e. Knabe.
D e r h a t kein Z ah n m e h r, sonst biß er gern. Todtengraber. I s t sicherlich von cin'm großen H errn . Marsch d a! w arst' auch der größte von allen, D em S p a t e n bist du doch verfallen.
Knabe. D a brin g t die M u t t e r Frühstück fü r dich; I s t auch fette Milch dabei für mich. ( E r läuft ihr entgegen. Todtengräberfrau seht sich auf einen Leichenstein und packt ihren Korb aus.) Frau. N u n , V a t e r , magst dich tüchtig rühren, ' S giebt wieder zu schaufeln und zu schüren. Todt e ng r a be r .
M einem H and w erk fehlt es nie an V r o d ; N icht au s der M ode kommt der Tod. Frau. H eut' N ach t ist der alte Kunz verschieden. Todtengraber. W a r reif genug zum ew'gen Frieden. D en schrieb ich m ir schon lange gut.
Leberisharmonie.
133
F ra u . Auch Nachbars Frau, das junge B lu t. Ich sah sie noch gestern vorbei stolziren Und alle Herrleins ihr nach trottiren. Todtengräber. Jung oder a lt, früh oder spat: W ir gehen alle einen Pfad. — Hast du die Wolke schon gesehn, Wie einen Sarg vor der Sonne stehn? Ich hört' auch vor Tag das Kauzlein schrein. Das bringt mir noch heut eine Leiche ein. (Ein Pilgrim kommt langsam den Hügel herauf, und bleibt oben um sich schauend, stehn.) P i l g r i m. @ott grüß' euch! Todtengräber. Dank euch! (Zu seiner Frau) der schaut noch ins Ferne: ©0 alt erlist, der stürb' noch nicht gerne. P i l g r i m. Wie weit mag'S nach dem Schlöffe seyn, Das hoch dort glänzt im Morgenschein? Todtengräber.
134
Lebens har monie.
D a - W a s ist immer ans Wie gebunden. (Der Pilger setzt sich seitwärts unter einen Baum.) Frau. D er kommt wohl recht von weitem h e r ? T o d l e n g r a b e r. I j a , das lauft über Land und Meer, M e in t, in der Fremde sey'ß Glück zu kaufen; H a t doch nur am End' ein G rab sich erlaufen. P i l g r i m. Wie klopft mein H e r z ! wie treibt mich'- fort'! N u r kurze Ruhe an diesem O r t ! — D u traute H eim ath, Iu g e n d la n d ! D es Schiffbrüchigen rettender S t r a n d ! S e h ich dich endlich, endlich wieder, S chau in des Fluffes Spiegel nieder, D er sonst vom Kahne leicht durchpflügt Ans Abendroth den Jü n g lin g oft gew iegt; S e h ', wie von N ebeln, Geistern gleich umschwebt, D e r Berge blauer Zug sich hebt, D er einst deß Knaben sehnend Ahnden weckte, Und ihm sein goldnes Wunderland versteckte! — I n Schnee gehüllt, an Leben leer, Lag greiser W inter um dich her, Als ich von Blutschuld außgetrjeben D en Rücken wandte allen Lieben. •—
L eb e n ö h arrrro n ie.
135
Nach zwanzig Jahren kehr' ich zurück Und herrlich liegst du vor meinem Blick; I n Morgenfrische, im Blüthenkranz, I n Lebensfülle und Frühtingsglanz Lächelt mir jugendlich deine Gestalt: — Doch ich bin jetzo grei- und alt. Frau. ijtorch den dort mit sich selber sprechen, Wie die Thränen aus seinen Augen brechen; Der alte M a n n , was ihm doch fehlt?
Todtengraber. Wer w eiß , was sein Gewissen quält. M a g einer die ganze W e lt durchjagen,
Seine Schuld muß er doch mit sich tragen. (E in Jüngling kommt singend den Hügel herauf geritten.)
Knabe. Sieh doch den schönen Reiter dort! Frau. Ein stattlich Bürschlein, auf mein W ort! Knabe. Schau wie das schwarze Rößlein springt!
136
Lebensharmonie.
Jüngling, (reitet singend vorüber.) Frisch auf, mein Roß, ins grüne Feld! Frisch auf in den rothen Morgen! Ich hab' mein Sach' daheim bestellt Und eingesperrt die Sorgen. W ill mir kein König die Krone leihn? Herr Detter, ich lohn's euch: die Welt ist mein. Zur Liebsten, die mich heut bestellt, W ill ich verstohlen gehen. Sie ist der Frühling, ich die W elt: Kein- mag ohn's andre bestehen. Du arme W elt, was wärst du dann, Sah dich der Frühling nicht mehr an (< Jüngst träumt' ich, mir Sanct Peter wieß Des Himmels Herlichkeiten: «Geh ein, mein Sohn, ins ParadieS, Geh ein zu ewgen Freuden!" — Allein ich sprach: bedank' mich schön! Mus; alleweil zur Liebsten gehn. Todtengraber. Dem ist gar wohl in seiner Haut. Frau. Wer weiß, er geht wohl zu seiner Braut.
Lebensharm onie.
137
Todt engr aber . Wenn er zu seinem Weibe ginge, Verging' ihm freilich das Gesinge. P i l g r i m. O Jugendlust und Liebesglück, Des Lebens freundlicher Sonnenblick, Du hast mir auf dieser Flur auch gelacht! Und sehnsuchtsvoll schau ich zurück Aus meiner einsamen öden Nacht. (Der Jüngling kommt zurück von einem Mädchen be gleitet, sein Pferd hinter sich führend.) Jüngling. Halt mich denn wirklich kein Traum gefangen? Ist mir noch einmal die Sonn' aufgegangen's Du bist eS wirklich? Ich schau dein Gesicht, Mir leuchtet dein himmlisches Augenlicht? Mädchen. Hier laß uns ruhn. Ich kann nicht mehr; So trieb mich Angst und Liebe her. (Er bindet sein Pferd an; sie setzen sich unter einenBaum.) Die Angst hast du nun wieder vertrieben — Jüngling. Allein die Lieb' ist da geblieben?
i 38
LeberrSharmonie.
Mädchen. Und wird dir bleiben immerdar, I n Luft und Glück, in Schmerz und Gefahr. Ich bin nun au f immer an dich gekettet. Todtengräber. D a hat sie sich nicht wohl gebettet. Frau. S o schweig' doch, daß mau h ö r t, w a s geschieht Todlengraber. WaS wirst du h ö ren? das alte Lied. M s td ch en . D en D e h rn , dem alles verrathen ist, H ab ich getäuscht mit schlauer List Und bin seiner W uth behend entkommen. Jüngl i ng. E s soll ihm seine Much nicht frommen. S e in Zorn an dieser B ru st zerschellt. Ich schütze dich gegen die ganze W elt. Pi l g r i m. W ie mich des Jü n g lin g s G estalt und Gemüth M i t starken Armen an sich zieht! Auch mir ward einst ein S o h n geboren — Doch mir ist S o h n und alles verloren.
Lebens Harmonie. T o d te n g rä b e r. Wie fchneA h a t sich der Him mel umzogen. F rau . Die Dögel kommen ängstlich geflogen. Todtengraber. D a - W etter kommt schnell herauf gerollt. Knabe .
ES donnert. D a ter im Himmel grollt. —* Jüngl i ng. Geliebte- Leben, liebst du mich? Mädchen.
Ich hab' nun niemand mehr als dich. Jüngling. D u hast mich ganz. Ich bin dein eigen» AlS deinen Knecht will ich mich zeigen; D u sollst die Herrscherin allein I m H a u s , so wie im Herzen seyn. I n Lust soll die Zeit vorüber rauschen; Jeden Wunsch will ich dir vom Auge lauschen, M ein Leben hangen an deinen Blick, M it meinem B l u t erkaufen dein Glück.
139
140
Lebensharmonie.
Mädchen. Ich hab' keinen Wunsch, kein ander Begehr, Als daß du mich liebst immer mehr und mehr. — Todtengräber. N u n ist wohl rief genug gegraben. (E r mißt das Grab aus.)
D er Todte will sein Recht auch haben. — P i l g r i m.
D a s T hal umzieht steh mit Nacht und G ra u e n ; E s schwärzt sich der Himmel — um mich nicht zu schauen. A u f, auf! wir muffen von diesem O rt. Die Furien erwachen und treiben mich fort. — Todtengraber. G e v a tte r, dein Häuslein steht nun fertig, M it offner Thüre dein gewärtig. Ein feines K äm m erlein, tief und kühl, Einen Arm voll Hobelspän' zum P fü h l, Eine K lafter Erde zum Deckebett — Möcht mancher wünschen, daß er's so h ä tt'! Mädchen. Wie glücklich, Geliebter, bin ich durch dich! Jüngling. Wie selig, Geliebte, machst du mich!
Lebensharmonie.
141
Mädchen. O möcht' ich in deinem Arm jetzt sterben! Was kann mir das Leben noch höhers enterben < Jüngling. An deiner B rust, welch süßer T o d ! Erwachen zum ew'gen Morgenroth, Auflodernd Opfer vereinter Flammen, Wie der Himmel ewig, von dem sie stammen! Mädc hen. Laß in die Kirche uns gehen ein. Die T h ür steht offen; es zieht mich hinein. Es drangt sich Gebet aus meiner B r u s t ; I n Andacht erblüht der Liebe Lust. (Sie gehen Hand in Hand nach der Kirche und treten hinein.) Pi l gri m. Die Glücklichen! da gehen sie hin, N u r Andacht und Liebe in Herz und S in n , Die reinen Hände zum V a te r zu heben. @te wissen von keinem S tr e it mit dem Leben. D as Rechte ist immer was ihnen gefallt, Und ein- ist ihnen Himmel und Welt. Auch ich will in die Kirche treten Und wenn ich k a n n , mit ihnen bet-n.
i42
Lebensharmonie,
(E r geht nach der Kirche; in dem Augenblick, wo er die Schwelle betreten w ill, fährt ein Blitzstrahl auf dos Dach der Kirche herab. E r sinkt auf die Kniee.) Frau. H ilf heil'ger Got t , erbarme dich! Todtengraber. O Herr sieh' auf uns gnädiglich! — (Pause.) Das schlug dort in die Kirche ein. Frau. Schau da den P ilg rim ; scheint todt zu seyn, D od t eng r aber. Du flehst ja , er regt sich. Frau. Er richtet sich auf. E r hebt die Hände zum Himmel hinauf, Todtengraber. Hast du das junge Paar nicht gesehn?
Frau. O Gott, ich sah sie in die Kirche gehn. I n die Kirche schlug der Blitzstrahl ein — Todtengraber. So werden sie beide wohl nicht mehr seyn.
Lebensharmonie.
143
(Sie gehn nach der Kirche, und nachdem sie eine Weile Bald darauf stürzt die Frau wieder heraus.)
%n der Thür gehorcht, treten sie hinein. F ra u .
Ach welcher Anblick! daß G ott erbarm l Da Liegen fie beide Arm in Arm. P i l g r i m , (aufspringend.) Erschlagen?
Frau. Sie ruhn an des Altars Stufen, Wie schlafende Kinder. G o tt hat sie gerufen. F r a u , (zum weinenden Knaben.) (Pilgrim eilt hinein.) Sey still, mein Kind, der Herr hats gesandt. D ir stehn überall in Gottes Hand. (LodtengrLber und Pilgrim tragen den Jüngling und dasMädchen heraus. Es finden sich nach und nach mehrere Menschen ein, denen die L o d ten grä berfrau den Vorgang erzählt. Der Pilgrim ist km'eeno mit den Leichen be schäftigt. Indem er dem Jüngling das Kleid öffnet, springt er plötzlich v o ll Entsetzen auf.)
Pilgrim. Was willst du Gaukelspiel der Hölle! Seht — da! — was seht ihr? auf jener StelleDort unter der Brust! Ih r seht nichts? — hier! —
i44
L e b e n s h a rm o n ie .
Es ist vor den Augen so dunkel mir — WaS seht ihr? T o d l e n g r a b e r. Ein seltsam Zeichen, traun! Is t wie zwei flammende Schwerter zu schaun.
Pilgrim . I h r lügt! (E r wirst sich neben den Leichnam und betrachtet das Maal.) Nein! nein! es w ill nicht verschwinden. O Himmel, laß diese Augen erblinden! — Vernichte mich, Himmel! räche dich! Hast du denn keinen Blitz für mich? — Zu euch w ill ich meine Hände heben: Reißt mich hinweg, nehmt mir das Leben! Es bringt euch herrlichen, himmlischen Lohn. Erbarmt euch mein! — das ist mein S o h n ! (P au se.)
Er lächelt wie von süßem Traum bewegt, Es find der Mutter Züge, die er tr ä g t. — Mein Weib! mein Sohn! — Todt, todt, all'meine Lieben! Und ich nur bin, ein Schatten, hier geblieben? — Nehmt mich hinweg, tragt mich hi^auS! Legt mich ins stille, dunkle Haus.
Lebensharmonie.
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H inab, h in a b ! drückt mir die Augen zu. Z n kühler Erde bringet mich zur R u h ! — Nicht e i n m a l sollt' ich dir ins Auge blicken, Richt einmal lebend an die B ru st dich drücken! — Als schwere Schuld ins Elend mich getrieben, D a h a tt' er mich noch V a te r nicht genannt; Jetzt kehr' ich wieder in der Heimath Land, — S o stand es in den S te rn en mir geschrieben, — Ich faste wieder meines S o hnes H a n d : Doch stumm ist diese Lippe mir geblieben Und n i e m a l s hat er V ä te r mich genannt. F ü r diesen Anblick also mußt' ich leben! Darum hat mir kein Schwert den Tod gegeben, D arum mich kein Geschoß getroffen, Für mich w ar drum kein Abgrund offen, H a t mich keine G lu t versengt, kein Meer ver schlungen, Die Pest ohnmächtig mit mir gerungen! — H in w e g ! geh jeder seinen P f a d ! Der Tod trifft jeden, der mir naht. S e h t ihr den Fluch an meine S t i r n geschrieben, Der zwanzig J a h r mich ohne Rast getrieben? Schaut mich nicht an! verweilet nicht. Hier halt der Himmel sein Gericht. -Jch bin der S ü n d e r , der Verruchte, ^.'ontess.
Schrift. 4« Bd.
IO
L ebensharmonie. Der M örder, der von G ott verfluchte! Meinen Bruder hab' ich erschlagen, Meinen Vater in Elend und Tod gebracht, Meinen Kindern die Schande zum Erbtheil vermacht, M ein Weib hat der Gram zu Grabe getragen------O V ater im Himmel, du bist gerecht! Erlöser, löse deinen Knecht! — Es wird vor meinen Augen Nacht — Heil dir Erlöser! es ist vollbracht. i@ r sinkt zu Boden. Alle stehn schweigend umher. Von der andern Seite kommt ein Leichenzug langsam mit Gesang den Hügel herauf.) Chor. Seht w ir bringen einen Müden Traurig und doch froh zugleich: Denn aus S tre it zu ew'gen Frieden, Aus der W elt in Gottes Reich, Zu dem Licht aus Nacht und Bangen Is t er herrlich eingegangen. Wen nie Sünd und B lu t befleckten, D a rf dem Throne freudig nahn. Aber auch den Schuldbefleckten Nim m t der Vater gnädig an. Friede soll dort allen werden, Denn die Schuld rächt sich auf Erden.
D i e
Gewal t
der
Reime.
i. (Rosa sitzt in einer Laube und liest in einem Buche, Wilhelm blickt verstohlen herein.) Wilhelm. S i e sind a lle in? R o s a . Wie sie sehen: allein und nicht allein. (A uf das Buch zeigend.)
W i l h e l m . I n guter Gesellschaft. R o s a , (lächelnd.) Ich w ar es vor wenig Augen blicken noch. W i l h e l m . Ich störe also w o h l? R o s a . Fast glaub' ich es. D a s Buch gefalle m ir ; ob S i e mir aber heute gefallen w erden, ist noch die Frage. W i l h e l m . Ich suche meine Rosa ü b e r a ll.------
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Lebenöharmonie.
R o s a . I h r e ? I h r Suchen ist heute sehr unglück lich im Finden. S i e ist nicht da. W i l h e l m. Endlich erfuhr ich, daß S i e im Garten waren und eilte auf den Flügeln der Unge duld hierher. R o sa. S i e haben viel daran g e th a n, mein J c a ru s . M a n wird I h n e n die Flügel beschneiden müssen. W i l h e l m . Liebe R o s a , noch immer diese B e handlung ? R o s a . W a s wollen S i e ? W i l h e l m . Ich glaube doch, daß meine Geduld endlich Über. I h r e Laune siegen wür de ; daß eine so treue Anhänglichkeit, eine so warme Liebe, als viel leicht noch kein M a n n gefühlt h a t -----R o s a . S i e sind ein M a n n ? W i l h e l m . Ich hoffe es. R o s a . D a s thut mir leid. Die Männer taugen nichts, und da S i e auch dazu gehören wollen — — W i l h e l m . Ich erspare I h n e n den Schluß. R o s a . O ich bin nicht allein dieser Meinung. D a lesen S i e ; da heißt es von den Männern (sie liest): »Ein heuchlerisch Geschlecht, voll Trug in Wort und Mienen, »Voll Laan* und Unbeftand, der Wetterfahne g l ei c h “
Lebensharmonie.
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W i l h e l m , (schnell einfallend): Ganz recht; die Fahne muß dem Winde folgsam dienen, Seyd W eiber, ihr erst g u t: — wir richten uns nach euch. R o s a . Mein werther H e r r , das klingt sehr fade! W i l h e l m . D a s wäre doch um die gute W a h r heit Schade. R o s a . O ich bitte S ie , nicht wieder mit I h r e n Reimen anzufangen. W i l h e l nt. 8 s schmückt sich Thal und Hügel voll Verlangen, Den holden Lenz recht festlich zu empfangen; Der junge Keim tritt aus der Erde dunkelm H a u -, W o ihn der strenge W inter hielt gefangen, I n s Reich des goldnen Tages froh h e r a u s ; Die Quelle t ö n t , der W ald erklinget wieder — Und in der B ru st erwachen neue Lieder. R o s a . Ich will aber das neue Lied nicht hören; allem will ich seyn. Wi l h e l m,
( t h u t , als ob er es nicht gehört hätte.) Doch dieser Frühling weckt die Lieder nicht allein. E in schöner Lenz ist mir a u f zarten W angen
LZO
Lebensharmoni e.
I n süßer Blüthe aufgegangen; Ein Auge lächelt mir durch süßen Thau, Das aus des Frühlingshimmels reinstem Blau Hold die Natur gebildet, daß Verlangen, Entzücken wechselnd mich ergreift, Daß meine Blicke sehnend an ihm hangen Und Himmelsahndung um den Busen schweift; Und dieser M u n d ------K o s ö. Hat keine Lust sich mit Ihnen zu unter halten. W i l h e l m , (seufzend.) Rosa Sie sind grausam. — Ich gehe. R o s a , (für sich.) Er dauert mich doch. (Laut.) Lieber Wilhelm — (Wilhelm kehrt sich schnell um.) (Für sich.') Er hat doch recht schöne Augen! (Laut.) Sie wollen fo rt?
Wilhelm.
Noch heute reise ich ab.
(Rosa nimmt schweigend ein Vergißmeinnicht von ihrem Busen, und reicht es ihm hin. Wilhelm ergreift cs schnell, und sinkt von seinem Gefühl überwältigt, vor ihrem Sitze auf ein Knie nieder.)
W i l h e l m . O Rosa! N ur noch einen solchen Blick. Rosst. Sie kommen bald — recht bald zurück? Wilhelm. Doch sieht auch Rosa gern mich wieder?
R 0 sa. Nun — Rosa seufzt — und schlagt die Augen nieder. W i l h e l m . Und stellt' ich lieber gleich die ganze Reise ein. Rosa. Dann bliebe Rosa nicht mit ihrem Gram allein. Wilhelm. So darf ich hoffen? W ill Rosa nun mein Glück nicht langer mehr verschieben? R 0 sa. Wer nicht zu hoffen wagt, der wag' auch nicht zu lieben. W i l h e l m . Geliebte! Theure! — meine süße Rosa, wie nenn' ich dich? wie kann — was soll ich thun, um meine Liebe dir zu zeigen? Rosa, (sich zu ihm hinabbcugend, leise.) An mei nem Herzen liebend ruhn — und schweigen. (Er umschließt sie, sie sinkt an feine Brust.) Rosa, (nach einer langen Pause.) Ach! die ent
setzlichen Reime, wohin sie einen Menschen nicht führen-können! im Scherz fing ich an, und da bin ich nun zum Ernst gek-unnrn, ich weiß nicht wie!
D i e G e w a l t der Re i me .
2
.
(.Haber, ein Kaufmann, und AmLsregistrator Schnurr sitzen und spielen Picket.)
Haber. W o doch meine Frau bleibt. Mich hungert. S c h n u r r , (spielend.) Sieben und Zwanzig, 2g, 29, 30. — sind schon mehr al- ich brauche. Wie derum ein Parthiechen! (Indem er ein Viergroschenstück, welches vor Hadern auf dem Tische liegt, in die Tasche steckt.) Wer daS Glück hat, führt die Braut heim, Herr Schwiegerpapa.
H a b e r . Ach wenn jede- Viergroschenstück eine Braut wäre, dann wäre der Herr Detter ein Teu felskerl — aber mit meiner Louise ist er noch nicht so weit. Ich weiß nicht wie es kommt, das Mäd chen kann Sie gar nicht ausstehen. S c h n u r r , (Karte gebend.) Thut nichts, thut nichts; Giebt hernach die besten Ehen«'
L e b e n s h a rm o n ie .
153
H a b e r. Ja ja ; mit mir und meiner Frau wars auch so — aber — S c h n u r r. Wenn nur der Mosje Frank nicht wcrre. Der steckt ihr im Köpfchen. H a b e r. S o? — hat er Geld? S c h n u rr. Ach Gott! e- ist ein Poet. — Sie kaufen, Herr Detter. H a b e r . Die verwünschte Komödie dauert heute so lange! Es flimmert mir vor den Augen vor Hunger. ( In die Karten sehend.) Fünf B la tt! S c h n u r r . Sieben B la tt! he he he! Sieben B la tt und eine Quinte und vierzehn Könige! ist wiederum ein merveilleuser Neunziger, und so mit die Partie! (Indem er mit einem Schwünge des Arms über den Tisch langt, und sich wieder ein Viergroschcnstück holt, halb singend.) Vom Himmel hoch da komm ich her! H a b e r , (ärgerlich.) Ach warum nicht gar! Sie und der Himmel! (Die Karte wegwerfend.) Ich habe heute weder Glück noch Verstand. Ein hungriger Mensch ist doch ein schlechter Mensch. — Ich finde es recht einfaltig von meiner Frau — Ach! da bist du ja , mein Schatz. (Madam Haber, Louise ihre Tochter, und Frank, ein junger Arzt, treten herein.)
M a d a m Ha b e r .
J a , da sind wir.
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L e b e n s h a rm o n ie .
H a b e r. Endlich! L o u is e . Guten Abend, Papachen! M a d a m H a b e r. Du hast dich nach mir ge sehnt, mein Kind? H a b e r. Nach dir und nach dem Abendbrod, mein Schatz. M a d a m H a b e r. Ich bringe einen Gast mit. Herr Doktor Frank aus L. Ich habe das Vergnü gen gehabt, ihn in der Komödie kennen zu lernen, und ihn gebeten, heute Abend bei uns fürlieb zu nehmen. H a b e r. Frank? S o ! (Seine Mütze rückend.) Freue mich — (Leise zu seiner Frau.) Gefallt mir nicht der Herr Frank; ist ein Poet; hat kein Geld. F ra n k . Der Zufall hat mir meinen Platz neben Ihrer Frau Gemahlin angewiesen, und ich kann ihm nicht genug dafür danken, daß er mir das Glück einer so interessanten Bekanntschaft verschafft hat. H a b e r . Ja , ja ; meine Frau ist zuweilen recht interessant. — Mein Kind, mich hungert. M a d a m H a b e r , (stellt den Doktor Frank dem Amtsregistrator vor: gegenseitige Begrüßungen. Louise besetzt indeß einen Tisch mit kalter Küche und einigen Bouteillen Wein. Haber schiebt sich mit seinem Lehn stuhl an den Tisch. Es wird zugelangt, getrunken, der Wein gelobt u. s. w .)
Lebensharmoni e.
155
S c h n u r r (zu Louisen.) Nun, mein schönes Wischen, erzählen Sie uns doch, was hat man Ihnen denn heute in der Komödie aufgetischt's Loui s e. Aufgetischt? Eie (offen Ihre Augen Ihre Worte wählen. Um bei dem Gleichniß zu bleiben: ein treffliches Gericht, mit einem niedlichen Desert. Die Mitschuldigen, und Scherz und Ernst. Sc h n u r r . Sind mir nicht bekannt. M a d a m H a b e r . O mein lieber Herr Detter, die sollten Sie sehen. Das sind wundernärrische Dinge. Es ist einem, als ob es nur so fei;n müßte, und doch wieder, als ob man in einer andern Welt wäre; die Leute sprechen so hübsche Sachen so natür lich hin, daß man denkt sie sprechen es einem auS der Seele heraus und doch klingt es so ganz anders, so angenehm, und reimt sich sogar. S c h n u r r . Aha! wohl gar in gereimten Versen? Loui se. Au dienen, Herr Vetter. Schnurr. Das Gott erbarm! etwaS neues auS der alten Rumpelkammer! he, he, he! Fr ank . Sie lieben die versifizirten Stücke nicht? Sc h n u r r . Lieben? nein, in der That, ich liebe derlei Schnurren nicht. Louise, (lachend.) Die Schnurren, ach, die
Lebensharmonie. Sch t t u r r , (trinkend.) N a tu r! N atur! Komödien in Versen schreiben, heißet der Natur ein Bein stellen; heißt die Natu* mit Ruthen aus dem Tempel peit schen! F r a n k . Doch wohl nur die N atur, die über haupt nicht in diesen Tempel gehört? und das wäre reiner Gewinn. H a b e r , (noch immer emsig mit Essen und Trinken beschäftigt.) Gewinn? Wer hat gewonnen? M a d a m H a b e r . Die Herren sprechen über die Natur. H a b e r , (einen Hühnerflügel anbeißend.) Natur? O ich liebe die Natur. S c h n u r r , (mit ihm anstoßend.) J a , vivat die N a tu r! F r a n k . Ich stoße gerne mit an. Sie lebe auch auf der Bühne. Aber die bessere; und dieser wird die liebliche, jedem gesunden Ohr so süße Musik des Rpthmus keinen Abbruch thun. S c h n u r r . Ach was O hr, O hr! Hier kommt es nicht auf die Ohren an — Loui s e. Wenigstens auf die langen nicht. S c h n u r r . Das Herz, werther Herr, das Herz muß der Komödienschreiber in der Klemme haben, wie der Richter den armen Sünder. Bald von der
Lebens Har moni e.
157
bald von jener Seite gepreßt, gezwickt, chikanirt, torquirt, mit unter auch etwas m altraitirt; Seuf zer, Angstschweiß, Thränen ----Ha b e r. O still, o still! Is t mirs doch, als wenn ich vor dem Amtmann Drüben stände. Sc h n u r r . Hab' ich nicht recht? Herr Vetter, Frau Muhme, habe ich nicht recht? M a d a m Haber . J a , aber es hat doch heute so herrlich geklungen — Sc h n u r r . Nun ja, da haben wir's. Kling klang, Singsang! .und nun vollends die Reime — Loui se. Nichts von den Reimen! die nehme ich in Schutz. Sie sind weiblicher Natur, und nicht blos darum, weil sie gern das letzte Wort haben. F r a n k , (gegen H ade rn ge w e n d e t.) Söller sprach zum Beispiel heut in den Mitschuldigen, indem er die Schatulle erbrechen wollte: »Komm her du Heiligthum, du (Sott in der Schatulle! »Ein König ohne dich ist eine große Nulle! »Habt Dank, ihr Dietriche, ihr seyd der Trost der W elt; „Durch euch erlang' ich ihn den großen Dietrich: Geld! * und ich frage C ie, ob das ohne die Reime-----H a b e r. Ad)! wie war das ? der große Dietrich : Geld — ohne ihn wäre der König eine große Nulle.
153
Lebensharmoni e.
O der Mann hat mir aus der Seele gesprochen. Louise schreib mir doch das Derschen auf. Louise. Oder wie es in einem andern Stückeheißt: Nicht allen gleich vertheilt der Himmel seine Gaben: Das Weib muß immer recht, der Mann stets un recht haben. so frag' ich jeden------Mad am Haber. J a , ja , Wischen, das klingt gut. L o u i s e , (Frank von der Seite ansehend.) Aber nicht bloß um des Reimes willen. F r a n k , (lächelnd.) Doch, doch! H a b e r , (für sich murmelnd.) Schatulle, König, R ulle, — Heiligthum der W e lt------S c h n u r r , (ein Glas Wein austrinkend.) Kling klang, Singsang! F r a n k e . O nein, die Reime sind nicht bloße Klange. (Lächelnd.) Um nur eines anzuführen, laßt sich wohl manchen von den närrischen Dingern eine A rt von Witz, ja sogar eine A rt von Vernunft ab sprechen? ist es z. B . nicht vernünftig, daß sich Geld auf W elt, Klug auf Betrug, — ist es nicht witzig, daß sich (Er sieht Louisen lächelnd an.) freien, auf bereuen reimt. Und wer weiß nicht aus Erfahr rung (Louisen ansehend.) daß Herz und Schmerz zu sammen gehören ?
Lebensh armonie.
1 .5 9
H a b e r . Ehe und W ehe, reimt sich das nicht auch? L o u i s e . S e h r oft wenigstens, P a p a . H a b e r . N a , sebt ih r , da hab' ich auch einen Reim gemacht. O ich sag' euch, es ist'so schwer nicht Gedichte zu machen, wenn ich erst an fa n g e -----M a d a m H a b e r . Ach d u ! geh ! g e h ! der Wein spricht au s dir. H a b e r . N u n j a , da seh mir einer, sie will es nicht einmal leiden, daß ich ein Dichter bin. S c h n u r r . D er werthe Herr V etter hat G e ld ; wer Geld hat ist alles, w as er w ill, folglich auch ein Dichter. Ohne Geld aber (M it einem Blick auf Frank) ist die Poeterei nur eine Krankheit. O ich habe vor Zeiten auch meinen V ers geliefert, trotz einem, a b e r -----H a b e r . S o ? hat der V e t t e r ? N a da wollen wir gleich ein Gedicht machen. Ich fange an zum Beispiel — nun Louise hilf mir doch ein bischen! L o u i s e , (nach einem kurzen Besinnen, pathetisch): W ohlan! wir werden Dichter seyn. ES wolle unS gnädiglich der M usengott erh ö ren ! H a b e r . N u n weiter, weiter! S chnu rr! S c h n u r r . Ich — ich — ich stimme mit in diese B itte ein. F r a n k , (schnell.) Ich seh Louisen an — und kann den G o tt entbehren.
16o
Lebensharmonie.
H a b e r. Schön! B ra vo ! Hörst du, Fiekchen, was wir für Gedichte machen? (Leise.) Der Doktor ist nicht übel. S c h n u r r , (leise zu Hadern.) Aber was der Mensch für Blicke auf die Wischen abschießt! H a b e r , (halblaut.) I , das ist beim Dichten nicht anders. (Laut.) Na Kinder, fahrt nur fort, wo wir geblieben waren. Frank, (das Wort ergreifend, indem er Louisen anblickt.) Fortfahren! soll ich es? Es treibt mich fortzufahren, Es reißt mich fo rt, was mir im Busen brennt, Was noch mein Auge nur, nicht meine Lippe nennt — Und doch! wer ein Geheimniß w ill bewahren I n tiefer Brust mit still bescheidnem Sinn, Der traue nicht des Verses leichten Wellen: — Es rauscht der Bach; bald wird er überschwellen Und das Geheimniß treibt ein leichtes B la tt dahin. S c h n u r r , (leise.) Aber, aber werther Herr Detter, hören Sie denn n ich t------Ha b e r . I n Versen, Herr Vetter, in Versen vorgetragen, was Sie mir wollen sagen! (Zu seiner Frau) Hast du vernommen, Fiekchen? Louise, (mit einem Blick aus Frank.) Ganz recht, Papa; der Vers darf manches wagen, Was ohne ihn sich weder spricht noch schreibt.
Lebensharmonie.
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F r a n k. Ach, und auch er, wie dürft' er alles sagen, Was oft das Herz zu ra schern Schlagen treibt. Der G ott, der in der Pflanze Innern schaltet, Geräuschlos thut er sich in zarter Blüthe kund, So soll von dem was mir im Herzen waltet, Der Blick nur Zeuge seyn und schweigen soll der Mund. H a b e r . Bravo , bravo, Herr Frank! S c h n u r r , (leise zu Hadern.) Aber so hören S ie doch; er macht ja rentable Liebeserklärungen. Ich sehe das nicht länger mit a n ! Entweder — H a b e r , (verdrießlich.) Ach das ist ja nur um des Reimes willen. S c h n u r r , (leise zu Madam Haber.) Aber werthe Frau M uhm e, hören Sie d en n -------M a d a m H a b e r , (la u t.) Ja, ja, es klingt recht artig. S c h n u r r , (für sich.) O ich komme um den V er stand ! (La ut.) Mamsell Wischen, es wird nun wohl genug gespielt fepn! Loui se. Genug gespielt? Herr Schnurr, ich sage nein! Der Kluge weis; im Spiel selbst tiefen Ernst zu fühlen, Und spielen Sie nicht m i t -------F r a n k , (schnell.) ® w spielen nicht allein. Gott Amor ist ein Kind, und liebt es, mitzuspielen. Contess. S c h r i f t .
4« B v .
II
162
Lebensharmoni e.
5? a b e r, (lachend.) Bravissimo! das war abge führt. S c h n u r r , (springt erbittert auf.) Das wird zu to ll! Herr Haber, man wird mich zwingen fortzugehen. H a b e r . Adieu, Herr Schnurr, auf baldiges Wiedersehen. S c h n u r r . O ich sehe wohl, man w ill mich rasend machen. Loui s e. Herr Vetter, rasen S ie , so giebt es was zu lachen. Schnurr. Verfluchte Reimerei! verwünscht seyn alle Poeten! F r a n k . Vom Schaffen leben sie, und die Justiz vom — Todten! S c h n u r r . Oh! oh! ich gehe, ich eile! fort! hinweg! hat die Pest der Poeterei einmal einen Menschen befallen, so ist keine Hülfe mehr. Adieu, werthe faselnde Versammlung! Ich eile hinweg, um nicht auch zum Narren zu werden, wie sie. (Er laust davon.) Ha b e r . Der Herr Vetter war grob, und es reimte sich nicht einmal. M a d a m Hab er . Laß den ungereimten Men schen laufen. Wenn er auch nicht wiederkommt, (Halb lauc.) es war doch kein Mann für die Wieschen — aber der Doktor da — w a s meinst du?
Lebensharmoni e.
163
H a b e r , (leise.) I n u n , der Doktor fan gt an mir zu gefallen. Frank» W ir sind a lle in , Louise, darf ich sprechen? L o u i s e , (die Augen niederschlagend.) J e n u n , ich werde S i e — nicht unterbrechen. F r a n k , (zu Hadern.) V ergönnen S i e dem S p i e l noch einen Augenblick. Louise sprach: D e r V e r s darf manches w a g e n ; S o w ag' er denn auch jetzt heraus zu s a g e n : I n I h r e n H anden ruht mein ganzes Glück. Ich sah Louisen, a ch ! und w a r gefangen, Und, immer sie zu seh n, ergriff mich das V erlangen, Und öde schien und leer mir ohne sie die W e lt — H a b e r . J a lieber Herr, haben S i e denn G eld V F r a n k , (e tw a s b e s t ü r z t , doch schnell sich wieder fassend und lächelnd.) B i s heute hat mein Feld der H im m el w o h l bestellt: noch immer ist man krank — und so wird auch a u f morgen für meinen kleinen Tisch w o h l M o d ' und Las t er sorgen. H a b e r . H e! he! — w a s spricht Louise, zu dem Freier d a 's L o u i s e . W e il es der Neim so w i l l , spricht sie $u allein j a ! M a d c i m H a b e r . M ein S c h a t z , er ist ein braver M a n n — gi-'b sie i h m h i n — laß dich bewegen.
Le b e n s h a r mo n i e .
H a b e r , (indem er lachend ihre Hände zusammen fü gt.) B e w e g e n ? d a r a u f reim t am besten sich mein Segen. M a d a m H a b e r , (ihn umarmend.) D u bist ein vortrefflicher D i c h t e r ! L o u i s e , (ihm die Hand küssend.) Ach P a p a ! es ha t noch keiner bessere Verse gemacht! H a b e r , (hebt das G l a s .) E s leben die Reim e! A l l e , (anstoßend.) E s leben die Reim e!
D e r
O r a k e l s p r u ch.
Operette in Einem Acte.
i 5 i 2
P e r s o n e n.
F l o r i n d e , eine Fee. L u c i e , ihre Tochter. M a r k o , ihr G ärtner. S y l v i o.
Ein Genius. C h o r j u n g e r Mädchen. C h o r d e r B u cklich e n.
Er s t e r
Auf t r i t t .
( E i n G arten mit dichten Baumgruppen. S e itw ä rts eine Ruhebank. I m Hintergründe eine hohe M a u e r.)
F l o r i n d e (allein.) S e y m ir g e g rü ß t, du goldner F rühlin gsm orgen , D e in Athem w eht m ir süßen Frieden z u ; S e y m ir g e g rü ß t, du Schmuck der B lü th en b ä u m e, D ie mich um geben, wie ein F r e u n d e s - K r e i s . H ier fand ich Glück und R u h e endlich wieder, D ie m ir die W e lt hohnlachend einst g e r a u b t; H ier haben sich die W u nden erst geschlossen, D ie meiner B r u s t das rohe Leben schlug. H eil d i r , o Einsamkeit! W o Menschen wohnen, D a ist auch Lüge und V e r ra th daheim. D u aber bist des H erzens w ahre Freund in , An deinen B u s e n hab' ich mich gerettet, Und wie ein schwerer T ra u m dem T a g e weicht, S o lieg t, w a s ich e r litte n , hinter m ir. —
D e r Or a k e l s p r u c h . Ach! sonnt’ ich vor dem gift'gcn Hauch der Welt I n dieses Haines uncntivechter Stille Auch der geliebten Tochter Glück bewahren! Ach, möchte sie das unheilbringende Geschlecht der Männer niemals kennen lernen! Das harte, rohe, trüg'rische Geschlecht! Hier laß mich, mächtiges Geschick, Die stillen Tage friedlich enden, Und niemals wieder meinen Blick Hinaus sich in das Leben wenden. D ort stürzt der Bach mit wilden Güssen Lautachzend aus den Felsenrissen, Hier geht er sanft durch bunte Auen, Die Blumen und der Himmel schauen, Aus seinem Spiegel klar zurück. Hier laß mich, mächtiges Geschick, Die stillen Tage friedlich enden.
Eine
Operette.
Zwei t er Florinde.
Auf t r i t t . Lucie.
L u c ie , (hastig cintrctcnbO F lo r in d e .
169
Liebe M u tte r!
Was hast du, mein Kind? —
L u c ie . Ich habe die Himmelsspharen zerbrochen, und die Weltkugel zum Fenster hinausgeworfen. F lo r in d e . darf?
Und warum?
wenn man fragen
L u c ie . Ich w ill von alte der Gelehrsamkeit nichts wissen! sie macht mir lange Weile. F lo r in d e .
Wirklich?
L u c ie . J a , liebe M utter! und wenn du auf meinen Rath hören wolltest, so würf'st du alle deine Bücher und Instrumente auch inS Feuer, denn das ist alles höchst langweilig! F l o r i n d e . Und womit wollten wir denn unsere Jeit hinbringen in dieser Einsamkeit? Luci e. O , mit der Einsamkeit w ill ich auch nichts mehr zu thun haben, sie ist nicht minder lang weilig. — Nein, wir wollen fort von hier, wir
i7o
Der
Orakelspruch.
wollen uns ein wenig umsehen, wie es jenseits dieser häßlichen M auern, jenseits des W aldes, jenseits jener Berge aussieht, wo die M änner und die andern wilden Thiere wohnen, von denen du mir erzählt hast. F l o r i n de. Mein armes K in d , w as wolltest du mit deinem frommen H erzen, deiner Kinderun schuld dort draußen unter den Löwen und Tigern — die man Menschen n e n n t? — Dein Herz spricht eine S p rache, die jenseits dieser W älder Niemand versteht. L u c i e . O dann mag es eine neue lernen, es ist noch nicht zu a lt dazu. F l o r i n d e . D avo r bewahre es der Himmel! E rhalte dir den süßen Frieden, Und deiner Unschuld Glück. V on wem sie einmal ist geschieden, Dem kehrt sie nie zurück. Lucie. N u r einmal möcht' ich sehn und wissen, W a s Menschen sind und thu«. Fl ori nde .
W enn einmal sie dein Herz zerrissen, D a n n kann es nimmer ruhn.
Ei ne Op e r e t t e . Lucie. Wenn sie das Herz zerrissen, D a n n kann es nimmer r u h n ? — Fl ori nde.
D u möchtest sehn und wissen, W a s Menschen sind und th u n ? Beide.
178
Der
Or akel spr uch.
ein wenig mehr zu beleben. Es soll dir künftig nicht an Gesellschaft fehlen. Marko hat weibliche Gespielen für dich, und männliche Bediente für den Dienst des Hauses mitgebracht. M a r k o . Es ist eine feine kleine Bande. Die Mädchen tragen die Fröhlichkeit im Gesichte, und die Männer die Verdrießlichkeit auf dem Rücken. Soll ich sie aufmarschiren lassen? — F l o r i n de. Ja! laß sie kommen. Lucie. Mutter, du wirst doch machen, daß sie sprechen können? F l o r i n d e . D ir zu Gefallen, allerdings. M a r k o , (winkt hinter die Koulissen, dann heimlich zu Florinden.) Seyd unbesorgt, ich habe sie unter wegs schon zugestutzt, sie wissen alle, was sie zu thun und zu sprechen haben.
Eine
O p e r e tte .
Vi ert er
179
Auf t r i t t .
(Unter einem Marsch treten einige Paare junge M äd chen mit Blumen - Kränzen auf.) Chor der Mädchen.
S e y u n s gegrüßet Freundlicher H a i n ! Friede umfließet U nd schließet dich ein. F e rn von der S o r g e n Stürm ischem M eer, Zieh'n w ir geborgen Und fröhlich hierher. ( S i e legen die Kränze zu Luciens Füßen.) Eine Stimme. I n deinem H eiligthum Laß un s dir freundlich n a h n ; O nimm m it diesen B lu m e n Auch unsre Herzen a n ! Chor.
O nimm m it diesen B lu m en Auch unsre Herzen an.
Igo
Der
Orakel spruch.
fCitcie umarmt das Mädchen. — Ein andrer Marsch beginnt, unter welchem ein Ehor von bucklichen und miß gestalteten Männern tm Geschwindschritt auf der Bühne erscheint.) C h o r der Buckl i chen. Frisch aus dem Haus, Rasch durch die Welt, Wo's uns gefallt, Ruhen wir aus. Schnattern und gackeln, Laufen und wackeln, Mögen gern naschen, Lieben die Flaschen; Sind wir auch klein, Sind wir doch fein. Frisch aus dem Haus, Rasch durch die Welt, Wo's uns gefällt Ruhen wir aus! M a r k o . Diese Kerlchen sind mir alle mit Freu den gefolgt, denn sie waren vor der Konskription nicht sicher. E i n e S t r m m e der Buckl i chen. W ir kommen dir zu dienen, Gehorsam Wink und Mienen, W ir wissen uns zu schicken.
Ei ne Op e r e t t e .
181
C h o r d e r B u c k lic h e n . W ir schneidern und flicken, W ir nahen und stricken. W ir musieiren, Philosophiren, Reimen und dichten, Erzahlen Geschichten Flink und gewandt, I m m e r zur H and. M a r k o . D a s muß w ahr seyn, flinke Gesellen sind e s, und in der Aufklärung haben sie große Fortschritte gethan. S i e machen alles mit. F l o r i n de. N u n , mein K in d , wie gefallt dir unsere künftige Gesellschaft? Bist du zufrieden? — W as fehlt d ir? D u bist ja traurig geworden! M a r k o (für sich.) J a , ja ! trau rig ! ich weiß wohl, w as sie dabei denken mag. Lucie, (die in sich versunken gestanden, ohne auf ihre Mutter zu hören.) W a s willst d u , armes Herz, W a s willst du mir denn sagen? W a s soll dein banges Schlagen B e i heitrer Lieder Scherz? —
Fl or i nde. Laß an der M u tter Herz Das deine traulich schlagen, Ergieße deine Klagen, Vertrau mir deinen Schmerz.
Marko. Das arme Ach dürft' Ich wollt' Sein Leid
kleine Herz! ich es nur wagen, es ihm wohl sagen, und seinen Schmerz.
(Lucie umarmt ihre M utter, und geht mit ihr ab.) M a r k o . N a , folgt mir nur nach, kleine liebens würdige Gesellschaft; ich gehe als Euer Fourier vor aus und mache Euch Quartier. (Geht ab.) C h o r d e r M ä d c h e n u n d Bu c k l i c h e n . Sey uns gegrüßt Schattiger H a in ! Frieden umfließt Und schließet dich ein. Fern von der Sorgen Stürmischem Meer Zieh'n wir geborgen Zu dir her. (Alle ab.)
Ei ne Ope r e t t e . Fünfter
183
Auftritt.
( S y l v i o , einen Iagdspicß in der H a n d , erscheint auf der M a u e r , und steigt d a n n , sich überall umsehend vor sichtig h erab.)
Reci t at i v. Hier muß ich die Geliebte finde»/ I n diesem Garten blüht die schönste Blum e mir. M ag alles nun w as draußen liegt, verschwinden,, Denn meine W elt ist hier! Arie. Es schleicht der Ja g e r still und lauscht, W aldeinwarts geht sein Lauf, Und wie es in den Zweigen rauscht, Schlagt hoch das Herz ihm auf. Frisch a u f, im M orgengold! D a s Glück ist Ja g e rn hold! S o schleich ich hier herein. Frisch a u f , w ald w ärts! Hoch schlagt mein H erz: S ie muß mir nahe seyn! S ieh da! dort kommt eine possierliche Gestalt, die m ir, wahrend ich dies Schloß hier umstreife,
Der
Or a k e l s p r u c h .
noch nicht zu Gesicht gekommen ist. W ir wollen uns ein wenig auf die Lauer begeben. (Er versteckt sich.)
Sechst er
Auftritt.
S p l v i o , M a r k o , mit einer Flasche. M a r k o . Das muß wahr seyn! Hier bei uns ist eine wunderliche Wirthschaft. Wenn die gestrenge Frau nicht einen so gesunden Weinkeller führte, und ich nicht die Schlüssel dazu, ich wäre langst davon gelaufen oder gestorben. Als Luciens Amme noch da war, da gabs doch mitunter ein vernünftiges Wort, feit aber diese auch davon gelaufen ist, kann ich nur mit mir selbst sprechen, und das ist nicht immer das klügste Gespräch. Sechzehn Jahre lang immer das selbe, ist doch zu langweilig. — Daher kommts denn auch, daß wenn man einmal wieder Menschen und besonders Frauenzimmer zu sehen bekommt, sie einem übermäßig gefallen, wie mir z. B . die kleine Blondine, die ich mitgebracht habe. Das ist ein Püppchen! Wenn ich nur auch hübscher wäre, oder sevn dürfte. Pah! alter N a rr! schlag dirs aus dem S inn, setze dich und trinke eins für die bösen Nebel, und singe dazu! Das ist doch noch hier zu loben,
E ine
O p e re tte .
185
daß ma n singen darf. W as andere vernünftige Leute nur sprechen, das singen wir hier, und es wäre nicht das erstemal, daß mich meine gestrenge F rau per Gesang ausgehunzt hatte. (E r trinkt und singt.) V o r Alters einst zum S terben Die W elt danieder lag, Ringsum w ar N o t h , Verderben, Und Nacht den ganzen T ag. Dom Wasser kam das Uebel, S o steht es in der Bibel, D a ß m an's wohl glauben mag. S y l v i o , (die letzten Worte wiederholend.) Glauben mag. M a r k o , (sich verwundert umsehend.) 953teY — Ich glaube, der G arten fangt an junge Echos a u s zuhecken. D er H err dra u f voll Erbarmen Guckt in die W elt hinein. E s jammert ihn der Armen, D ä m m t schnell das Wasser ein. Und ganz die N oth zu heben, Erschafft er gleich die Reben, Und N oah machte Wein.' S y l v i o , (eben so wie vorhin.) Machte W ein!
D er
O ra k e ls p ru c h .
M a rk o . Das war ja ein naseweises Echochen! Muß doch einmal zusehen! — (E r erblickt Sylvio.) Aha! ein zweibeiniges! — Wohinaus? S y l v i o , (hervortretend und ihm den Spieß vor haltend.) Wohinein? — M a r k o . Ich bitte, bleibt mir mit solchen spitzi gen Redensarten vom Leibe. W ir können ja in Ver nunft mit einander sprechen. S y l v i o , (einen Beutel hervorziehend und damit klimpernd.) Zum Beispiel? — M a r k o . E i d a s laßt sich hören! das klingt weit vernünftiger! (E r nimmt den Beutel.) Was steht denn eigentlich zu Eurem Befehle? — Sylvio. Bist du in den Diensten dieses Hauses? — M a r k o . Ich bin eine ganze Welt von Dienst boten, denn dieses schlechte Kleid umschließt Koch, Kellner, Gärtner, Haushofmeister, Kammerdiener, Kammcrjungfer, Kammerherr, Gesellschafter, und erster Minister dieses Hauses, allumfassend in sich; kurz ich bin hier alles in allem, ausgenommen der Mann beider Frauen, die von den Männern gar nichts wissen wollen und rcspectiren sollen. Sylvio. Das heißt, die Tochter soll nicht, weil die Mutter nicht will. Aber warum? —
Eine
Operette.
187
G ä r t n e r . Warum? — Man muß zwar bei den Weibern niemals nach dem w a r u m fragen, weil sie die wahre Ursache ihrer Handlungen unter hundertmalen 50 mal selbst nicht wissen, und 49 mal nicht sagen mögen; indeß ist mir doch so viel be kannt, daß erstens die M utter in der Welt sehr bittere Erfahrungen gemacht hat, die sie gern ihrer Tochter ersparen möchte, und zweitens, daß ein Orakel, welches sie bei der Geburt der letzter» be tragen ließ, den wunderlichen Ausspruch gethan hat; ihre Tochter werde nur dann glücklich fei;», wenn sie in einen Stummen sich verliebe, und für einen Redenden sterben wolle! — Frau Florinde verzwei felt nun an einer solchen Möglichkeit, und w ill lieber, daß ihre Tochter ganz und gar keine Männer kennen soll, als meine Wenigkeit, der sie die Ehre anthut, sie ihrer Tochter nicht gefährlich zu halten, worin sie sich aber wohl irren könnte, und so leben wir denn seit sechzehn Jahren in der schönsten Einsamkeit, und das Mädchen hält alle Männer für stumme Bestien. S p l v i o . Für stumm! — Hör' Alter, darf ich auf dich zählen V — M a r k 0. Wenn Ih r mich für eine Eins zahlt, so sönnt, Ih r mir getrost noch einige Nullen anhän gen, ohne die Größe meiner Dienstbereitwilligkeit zu erreichen. S p l v i o . Wohlan so höre! — Mehrere Tage
188
D e r O ra k e ls p ru c h .
sind es, daß ich, mich auf der Jagd verirrend, in diesen ungeheuren Wald gerieth, der Eure Wohnung rings umschließt. Jedes Bestreben mich hinaus zu finden, führte mich nur noch tiefer hinein. Ich mußte mein ermattetes Roß zurücklassen, und setzte dann meinen Weg zu Fuße weiter fort. Endlich erreiche ich die Mauer, und sinke ermüdet unter einen Baum nieder. Da trifft eine weibliche Stimme mein Ohr, die jenseits der Mauer ein liebliches Lied singt. Alle Müdigkeit ist vergessen bei diesen wunderherr lichen Tönen; ich ersteige den Baum, der dort über die Mauer schaut; ich sehe Lucien, und ich wünsche sie ewig zu sehen. M a r k o . Das versteht sich! das ist die bekannte Ewigkeit von sechs Wochen. Sylvio. Ich bin ntm hier, und gehe nicht wieder ohne sie aus dieser Mauer. Ich w ill sie be sitzen oder sterben. Marko. Versteht sich! das ist alles in der Ordnung! Immer zu, immer gestorben! Aber wir wollen doch erst überlegen, was in der Sache zu thun ist. Damit aber hier alles hübsch in der Ord nung bleibt, so dachte ich, Ih r gingt unterdessen ein wenig wieder da hinaus, wo Ih r hereingekom men seyd.
Eine
Operette.
189
S y l v i o . Nicht von der Stelle! ich muß sie sehen! M a r k o . Versteht sich! Nun so haltet Euch wenigstens in jenem Wäldchen verborgen, wo die Thränenweiden stehen, damit Euch Frau Florinde nicht gleich w itte rt, sonst seyd Ih r verloren. Sie nracht Euch stumm und dumm, ich kann ein Liedchen davon singen. Ich w ill Euch auch etwas zu essen und zu trinken besorgen, denn ein Verliebter tragt unter seinem Herzen auch einen Magen als Zulage. S y l v io . Ich gehe und rechne ganz auf deinen Beistand! rechne du auf meine ganze volle Erkennt lichkeit. (Ab.) M a r k o . W ir wollen sehen, wer am richtigsten rechnet. Ich verhelfe Euch zu einem MultiplicationsExempel, wie es nicht jedem geboten wird.
Siebenter
21 u s t r i t t .
Matte erst allein, bann Rosa, eine der jungen Mädchen.
Marko. Unter allen zweibeinigen Thieren ist ein Verliebter doch das allcrnamschte! Gott sey Dank, daß unsereins darüber hinweg ist!
190
D e r O ra k e ls p ru c h .
R osa . Marko! M a r k o , (erschreckend.) Was da! Was da! — Ei Röschen! mein allerliebstes kleines Blondinchen! Was begehrst du von mir, Engelchen! Ich stehe vom Kopf biS auf die Füße ganz zu deinem Befehl. R osa. Vor der Hand nehme ich nur die Füße in Anspruch. Hört erst, und dann folgt m ir! M a r k o . Folgen? Ja bis an den Tod wenig stens, wenn auch nicht hinein! (F ü r sich.) Das Mädchen hat unglaubliche Augen! Ich darf nicht länger hineinsehen (L a u t.) M it deiner Erlaubniß, schönes Kind! ( E r dreht ihr den Rücken zu.) So, nun sprich, so viel du willst. Rosa. Was soll das heißen, mit Eurer Er laubniß. M a r k o . Ich werde blind, wenn ich in deine Augen sehe, und doch kann ich es dir gegenüber nicht lassen. Rosa. Braucht Eure Bequemlichkeit. Ich soll Euch im Namen unserer Gebieterin befehlen, mich mit der ganzen innern Einrichtung des Hauses be kannt zu machen, und dann — M a r k o , (der, während sie spricht, den K o p f allmäh lich nach ih r gewendet hat.) H alt! das ist noch nichts, mit deiner Erlaubniß. ( E r kehrt sie um, so daß sie ihm auch den Rücken zuwendet, stellt sich dann Himer sie
Eine
Operette.
191
ebenfalls mit dem Nucken nach ihr.) S o , nun plappere weiter, wenn es dir gefallt. Rosa. Sodann soll ich Euch verkündigen, daß mir die Führung der Wirthschaft anvertraut ist. Ih r werdet mir also die nöthigen Schlüssel über liefern. Denn die vergrößerte Hausgenossenschaft, die w ir Eurer Wahl verdanken, macht es nöthig, alles hier künftig zu verschließen. M a r k o . Meinethalben. Du sollst sie alle haben und den Schlüssel meines Herzens dazu. (Er dreht sich um sie herum, so daß er ihr wieder gegenüber steht.) Dafür bitte ich mir aber die Schlüssel zum Weinkeller aus. Ro s a . Vorteilhafter Tausch für Euch, doch nicht für mich! — Aber da seyd Ih r ja schon wieder! Marko. Ich bin die Magnetnadel, die sich immer nach einer Himmelsgegend dreht. Rosa. Eine feine Nadel, eine Pfrime! M a r k o , (mit Musikbegleitung.) Ach! Rosa. Ih r seufzt? M a r k o . Das Eis meines Herzens kracht und bricht vor dem Strahl dieser Frühlings-Sonne. — Ach! Rosa. Laßt es ein andermal brechen, und kommt jetzt zu unserer Ccbicrerin.
i92
D er O rakelspruch. M a r k o . Ach! — R o s a . Was habt I h r , was wollt I h r bettn? Mar ko.
D uett.
Was ich will, das sollst du wissen, Diese Lippen will ich küssen. Rosa. Laßt Euch nur die Lust vergehn! Marko.
Soll ich ärmster aller Zecher, V o r dem vollen Lebensbecher,
Durstend und verschmachtend stehn? — R o sa. J a , mein Freund, so solls geschehn! Marko. Nein! — R o sa. 2a ! M arko. N ein! — R o sa. Ja! — Marko. Nein! Rosa. Ja!
Eine Nein!
Operette.
,
M a rk o .
s
R osa.
J J a , du sollst, ergrauter Zecher, I Vor dem Becher durstend stehn! Ma r k o . Soll ich ärmster aller Zecher, Vor dem Becher durstend stehn ? Marko. Eine Rose abzubrechen, Kommt dem Gärtner doch wohl zu. R o sa. Nein, mein Freund, die Dornen stechen, Laß die Rose drum in Ruh.
Ma r k o , (indem er sie küssen will.) Rose, ich breche dich! Rosa. Gärtner, ich steche dich! Bei de. Eine Rose abzubrechen Kommt dem Gärtner l j gar mcht zu. Contess. Schrift. 4 » Bd.
13
i-5
D e r O r a kel spr uch . Nettt! ja! mein)
Rosa. Mar ko. Rosa. Marko, (will sie umfassen.)
Nur frisch gebrochen! Rosa. Nur derb gestochen! Marko. Nein! Rosa. Ja ! Marko. Nein? R o sa. Ja! M a r k o. Nein! Rosa. Ja! Marko, ( will sie mit Gewalt umfassen, sie jtvvt chm eme . seige.)
Nern!
Eine
Operette.
195
R o sa . S ich, die Rose hat gestochen, Und der Gärtner schreit: Au weh 5 (S ie läuft fo rt.) '
M ar k 0 , (sich die Backe haltend.)
Au weh! au weh! (Lauft ihr nach.)
j| cl) t e v
A 11 f t r i t r.
(Citcte su'tt in Gedanken versunken langsam auf, und schreitet nach dem Vorgrunde, wo sie stehen bleibt und folgendes spricht.)
L u c i e. Ich gehe rastlos unstat hin und her, Und doch ergeh' ich mir nicht Ruhe. — Wo ist die Z eit, da ich ein harmlos Kind, Im Schatten dieser Baume spielend saß? — (D ie Musik beginnt in leisen Tönen die Worte zu begl.'iten^und die Pausen auszufallen.)
Da Schlaf und S piel mein Leben schaukelten Und kein Verlangen mir den Busen hob, Das nicht die M utter liebend stillen mochte.
igö
Der
Orakel spruch
Beschrankt, doch heiter, wie ein traulich Stübchen, Lag um mich her die kleine schöne Welt. Aus klaren Kinderaugen schauten Die Blumen grüßend hin auf mich, Zu goldnen Feenschlössern bauten Hoch über mir die Wolken sich, Und von dem Sternen - Himmel nieder, Klang es wie leise Wiegenlieder! Liegt denn die Zeit so ferne schon von m ir? — (S ie setzt sich auf die Ruhebank und stützt den Kopf in die Hand. Nach einer Pause, welche die Musik mit ein zelnen Anklängen der folgenden Melodie ausfüllt, be ginnt sie zu singen.)
Drüben im Walde Gehet der Wind. Drüben im Walde Sitzet das Kind. Flink auf der Reise Wolken dort ziehn, Und es fragt leise: Saht ihr nicht i h n ? Mondschein hernieder Schlüpft in den Wald, Und es fragt wieder: Kommt er nicht bald? —
Eine
Operette.
197
Aber ach! wer soll denn kommen? ---------(Sie erblickt S y lv io , der während des letzten Verses hervorgetreten ist, und fährt mit einem Schrei auf.) O Himmel! wa- ist das? — M u tte r! H ülfe! Wo flieh ich hin? (Sylvio kniet mit bittender Geberde nieder.) Er kniet nieder, er streckt'seine Arme bittend nach mir aus. Ich soll mich nicht fürchten. — Ob das wohl auch ein Mann ist? — Fürchterlich sieht er gar nicht aus, und häßlich auch nicht! — Ob ich wohl mit ihm spreche? — Steh auf! — Ich kann ihn doch nicht da auf den Knien liegen lassen. Steh a u f! Er steht nicht auf! Warum denn nicht? Was will er denn? — So schön er ist, überfallt mich doch bei seinem Anblick eine seltsame Bangig keit. — Was willst du hier? — (Sylvio drückt beide Hände mit dem Ausdruck des Ver langens an seine Brust.) Mein G o tt, er wird doch nicht wollen, daß ich ihn aufheben soll? — (Sie nähert sich ihm zögernd, plötzlich aber kehrt sie . um und läuft auf die andere Seite des Theaters.) Nein, Gott bewahre mich! ich rühr' ihn nicht an! — Wie ist mir denn? — Wie klopft mir das Herz so ungestühm! — Meine Mutter hat mir oft von den Klapperschlangen erzählt, die blos durch
D er O r a k e l s p r u ch. ihre Blicke die kleinen Vogel so zu bezaubern wissen, daß sie wider ihren Willen sich ihnen nähern, und ihnen zur Beute werden müssen. — Ach! seine Augen ziehen mich auch wider meinen Willen zu ihm hin. — Ich weiß nicht, soll ich die Mutter rufen? — Nein, dazu wird ja noch spater hin Zeit seyn. — Aber was willst du hier? — Wie kommst du hierher? — Er antwortet nicht. — Gewiß er ist stimm», und wohl auch taub! — Steh auf! — ich w ill es, und komm naher! (Sylvio steht auf und kommt rasch auf sie zu.) H a lt! H a lt! nicht so weit! — dort bleib stehen! Er ist gehorsam, das gefallt mir. — Ach! wenn das ein Mann ist, so ists gewiß einer von den rechten, der ein Herz hat. — Wie schade, daß er stumm ist. Ich gäbe viel darum, diesen Mund sprechen zu hören. — Kannst du gar nicht sprechen? — (Sylvio schüttelt traurig den Kops.) O wie dauert mich der Arme! — Aber hat Marko nicht gesagt, die Weiber könnten die Männer sprechen lehren? — Dieser hier ist gewiß noch wenig unter den Weibern gewesen. — Das ist mir recht lieb! — Ich w ill ver suchen seine Lehrmeisterin zu seyn. Hab' ich doch meinen Papagai sprechen gelehrt. — W ir wollen den Versuch gleich machen. Sprich mir einmal nach: L. —
Eine
Operette-
199
S y l b i 0. L. —Lu cie. Recht gut! — U •
S y l v i 0. iL L u c ie . C. i. S y l v i 0. C. i. L u c ie . C. i. e. S y l v i 0. C. i. c. L u c ie . Lucie. S y l v i 0, (mit zärtlichem Kuobuut.) Lucie! Luc i e. Herrlich! Herrlich! das geht vortreff lich ! — Sprich einmal: Liebe? S y l v i o . Liebe! Luci e. Liebe Lucie! Sylvio. Luc i e. Sylvio.
Liebe Lucie! Noch einmal! Liebe Lucie!
Luci e. H ätt1 ich doch nimmer geglaubt, daß ein solcher Wohlklang in meinem Namen läge. — O den Mann muß die Mutter hier behalten; er soll mein Gespiele, mein Gefährte, mein Schüler seyn; von mir soll er sprechen lernen, von mir allein; ich brauche die Kunst der Mutter nicht dazu, und wenn er auch nichts weiter lernte als: »Liebe Lucie!"
200
Der Orakelspruch.
ich würde nicht ermüden, es von seinen Lippen zu hören. Willst du bei mir bleiben? — (S ylvio kniet leidenschaftlich vor ihr nieder und küßt ihre Hand.)
O weh! mein Herz! was war das? Bist du krank? — Deine Lippen brennen ja wie Feuer. Küsse meine Hand nicht wieder, sonst werd' ich wohl gar krank. — Wirst du gern bei mir bleiben? — Willst du mich lieb haben? — (Sie knüpft ein langes Band von ihrem Kleide und schlingt es ihm um den Arm.)
Sieh, nun bist du mein Gefangner! Nun lasse ich dich nicht wieder los! — S t ill, war das nicht der M utter Stimme? — (Sie
laust von einer Seite zur andern und horcht; Sylvio folgt ihr an dem Bande.)
Nein, ich sehe sie nirgends! (Sie nimmt ihm das Band wieder ab, dabei bleibt ihre Hand verweilendeinen Augenblick auf seinem Herzen liegen. Sie ruft freudig aus:)
Ach er hat auch ein Herz! Ich fühle es schlagen! es schlägt wie das Meinige. (S vlvio wendet sich hastig von ihr ab und thut einige Schritte seitwärts.)
Eine
Oper et t e.
S y l v i 0. (für sich.) O G ott! mit ihrer Unschuld!
20z
Sie tobtet mich
Luci e. WaS ist dir? Bist du böse auf mich? — WaS hab' ich dir gethan? — Ach! du machst mich traurig! wenn du böse bist, muß ich weinen! — (S ylvio wendet sich um, und breitet im höchsten Ausdruck der Leidenschaft seine Arme nach ihr aus. Lucie öffnet von ihrer Empfindung überrascht, auch die ihrigen, läßt sie aber sogleich wieder sinken, und wendet sich nieder geschlagen von ihm ab. Nach einer kleinen Pause eilt er auf sie zu und umfaßt sie. Sie sinkt in seine Arme. I n demselben Augenblick tritt Florinde auf.)
Neunter D ie
Vorigen.
Auftritt. Florinde.
Florinde. O Himmel! was erblick' ich! Mein Kind in eines Mannes Armen! Ih r Götter habt Erbarmen, Vernichtet mich!
Lucie. O meine M utter!
Marko.
F l o r i n d e. V e r w e g n e r , der mit frechen Händ en I n meines Hauses Frieden bricht, M e i n Glück' mit einem Stre ich zu enden.. Nichts soll die Rache von dir wenden, Die jetzt dein Urtheil spri cht !
Lucie. O meine M u t t e r ! zürn' ihm nicht! F l o r i u d e, (zwischen sie treten d .)
Hi nweg von i h m ! Wie bist du hergekommen, D e r meines Kindes Glück g e n om m en; W e r bist d u ? Sp r i ch!
Lucie. A ch! diese Lippen sprechen nicht. F l o r i n d e. W i e ? er ist st u m m ? — D a s ist B e t r u g , V e r r a t h ! Doch diese Lisi soll ihm nicht frommen. Herbei! Her bei! M a r k o. I c h dacht' es gleich, so w ü r d ' es kommen! W e n n nu r nicht mir das Ungewit tcr n a h t ! ( D a s Chor der M ädchen und der Bucklichen tritt a u f.)
Ei ne
O p e r e t t e .
Florinde. F u h r t tlw fcir.»vc$! H:nweg a us 1 : 1 c Bl i cken! C h o r der B u ck lLchc ?r. F o r t ! F o r t ! Fort!! 2 tt c t e.
S o will denn grausam deine H a n d W a s mich beglückt schon wieder mir entiudv!., I m Augenblick, wo ich es f a n d 's C h o r der Buckll chcn. Fort! Fort! Fort!
2 u c t e„ Ich hab es nun gefunden, W a s mir das Herz erfüllt. D a s S e h n e n und das B a n g e n , D a s schmerzliche Verlange n, I s t alles nu n verschwunden, Und jeder Wunsch gestillt. F l o r i n d c. F ü h r t ihn hinweg! Hi nweg a u s meinen Blicken! E r ist ein M a n n , und voll V e r r a t h sein H e r z ! Chor der Bucklichen. Fort! Fort! F o rt!
Der
204
Or akel spr uch.
C h o r der Mädchen. Doch Liebende beglücken, Führt Menschen himmelwärts. L u c i e. Sieh seiner Blicke Schmerz, Sieh seine stummen Klagen! Kann ein Verräther - Herz I n diesem Busen schlagen? — C h o r der Mäd c he n. Ach, Liebende beglücken, Hebt Menschen himmelwärts. (S y lv io
kniet
vor Florinden mit nieder.)
bittender Geberde
F l o r i n d e. Verwegner, wie? du kannsts noch wagen? Verspottest du der Mutter Schmerz? — C h o r der Buck l i cht n. F ort! Fort! Fort! Marko. O weh! o weh! w ir sind geschlagen. Wär' ich nur fo rt, mir bebt das Herz!
Eine
Operette.
C h o r d er B u c k lic h e n . Verwegner fort! Auf, ihn zu fassen! Fort mit ihm, fort!
(Sie wollen ihn ergreifen und fortführen.)
Lucie. Barbaren, haltet ein! Ich werd' ihn nimmer lassen! Auf ewig ist er mein! Für ihn bin ich geboren, Ih n hat mein Herz erkohren, Mein soll er seyn! C h o r der Buckl i chen. Fort mit ihm! fort! C h o r der Mä d c h e n. Laßt den Geliebten ihr, Den sie erkohren. F l 0 r i n d e. So ist durch ihn auch mir Der Tochter Herz verloren! F ort, trennt ihn von ihr! C h o r der Buckl i chen. Fort von ihr!
205
2O6
D e r Orakel spruch.
Auf, ihn zu fassen! Fort mit ihm, fort! Chor der M a d chen. Laßt den Geliebten ihr, Den sie erkohren! Ch o r der Bucklicherr, Ohn ergreifend.) Fort! Fort! Fort! S y lv i o, (reißt sich los und zieht das Schwert.) Zurück! wer wagt es noch vermessen, Mich zu berühren, wich von ihr zu trennen?
Marko.
O weh! er hat sich vergessen. F l o r i n d e. Verrather! lern' ich dich nun kennen 1 -
Sylvio. Wer wagt es, mich von ihr zu trennen?— Chor der Bucklichen. Verrath! Verrath! S?a! wie vermessen Nun dieser Stürmer spricht.
Si ne
O p e r e t t e
207
Chor der Mädc he n.
Di e Liebenden zu trennen, Vermagst d u , M u t t e r , ni c h t ! Svlvio. M e i n ist sie, m e i n ! O Leben meines L e b e n s ! M i r drohen alle Schrecken Und selbst der To d vergebens, Nicht s kann von dir mich trennen, D u bist a u f ewig mein. Lucie u n d S y l v i a . O Leben meines Lebens, Nichts kann von dir mich trennen, Ic h bin a u f ewig D e i n !
Fl 0 rinde. W o h l a n ! so wähle zwischen ihm und n u r ! W ä h l ' zwischen deiner M u t t e r und dem Fremdling.
Lucie. Ach, meine M u t t e r ! S y t v i 0, f i n b e m er Lucicn m it sich fortziehen w ill. '
O ! komm mit m i r !
Fl 0 rinde.
Erg rei ft i h n , fuhr t ihn f o r t !
208
D e r O r a k e l spruch.
S y l v i o , (wie oben.) Zurück! Hinweg von diesem O rt! F l o r i n d e. Ich soll mein Kind mir rauben sehn? C h o r der Mädchen. Erhöre doch der Liebe Flehn! C h o r d e r Bu ck l i chen. Ergreift ihn, führt ihn fo r t!
Syl vi o. Zurück, ich kann- nicht tragen, D ir zu entsagen! Komm, folge m ir ! ich führe dich davon! (E r ist im Begriff Lucien mit sich fort zu führen.) F l o r i n d e. Verwegner, ha! nimm deinen Lohn! (Sie berührt ihn mit ihrem Stabe. Er sinkt nieder.) A l l e , außer F l o r i n d e n und S y l v i o . Weh! (Pause, welche die Musik paffend ausfüllt. Lucie steht erstarrt und regungslos.) C h o r a l l e r , (außer Florinde'Lucie und Sylvio.) Es ist geschehen!
E i n e
O p e r e t t e .
209
Wie wenn aus heitern Höhen Des Blitzes Schrecken bricht. F l 0r i n d e , (zu Lucic.) Hörst du der Mutter Stimme nicht? (Für sich.) In meinem Busen fühl' ich ihren Schmerz, Mich rühret ihre Liebe, Doch prüfen muß ich noch ihr Herz. Chor der Mädchen. =0 schaue gnädig auf uns nieder, Gieb ihn der Liebe wieder. F l 0 r i n d e. Wohlan so eilt und zaudert nicht. Ein Zweig von jenem Baum giebt chm das Leben wieder, Doch giebt er Tod auch jedem, der ihn bricht. Cbor der Mädchen und Buckl ichen. Tod jedem, der ihn bricht? Wir wollen leben, wir nahn ihm nicht! Marko.
Der Baum mag seine Zweige haben, Wir wcll'n den jungen Herrn begraben. nt fff.
4. BO.
14
2i o
Der
Orakelspruch. Lucie,
(sie ist bei der M utter letzten W orten aus ihrer Erstar rung erwacht und mit gespannter Aufmerksamkeit näher getreten.) O H im m e lsw o n n e , die dein M u n d m ir spricht! E r lebe! er lebe! ich zau d'r e nicht! —
( S ie will auf den B aum zulaufen.) F l o r i n d e. H a l t e i n ! h a lt e i n ! E in sichrer Tod ist d e i n ! H ö r ' deiner M u t t e r mahnendes W o r t ! A u f , t r a g t den T od ten f o r t ! Chor. H a l t e i n ! h a lt e i n ! H ö r ' a u f der M u t t e r W o r t , W i r tragen den T od te n fort.
Lucie.
N e i n ! n e in ! nein! D e r T o d te ist m e i n ! Ic h will ihn retten, Durch mein Verderben, W ill ihn erwachen sehn, Und f ü r ihn sterben.
F l o r i n d e u n d Chor. H a l t ein 2 h a lt e i n !
Eine
Opere tte .
211
L u c ie . Nein! nein! nein! (Sie eilt auf den Baum zu, und berührt ihn. Blitz und Donner! — der Baum öffnet sich, und heraus tritt ein Genius mit einem Zweige in der Hand, nähert sich S y lvio und berührt ihn. Sylvio erwacht langsam.) G e n iu s . Erwache! Die wahre Liebe wandelt Tod in Leben! Des Daseyns Räthsel lösen sich durch sie: Erfüllung hat sie dem Orakelspruch gegeben! (Zu Sylvio und Luden, welche zu einander hineilen.) Seyd glücklich! (Zu Florinden.) Führe sie getrost ins Leben Der wahren Liebe raubt die Welt die Unschuld nie! (Lude und Sylvio eilen zu Florindens Füßen, die sie liebevoll aufhebt und ihre Hände vereinigt.) C h o r der Mä d c h e n u nd B ucklich en . H eil! Heit! Heil! der Liebe! E rfüllt ist der Orakelspruch durch sie. F l 0 r i n d e. Seyd mir gesegnet, meine Kinder! Ts blühet nun in Eurem Glück Mein längst verlornes Glück mir wieder, tinb meine Jugend kehrt zurück.
2i2
Der Orakelspruch. C h o r. H eil! H eil! H e il! der Liebe! Sie führt den Lenz in jede Brust zurück.
Marko, (vor dem -Genius auf die Knie fallend.) Großmachtigster! Allbeglückender! S oll ich allein nur klagen? S oll denn bei diesem Fest Mein Herz nur einsam schlagen, Und ewig den Protest Ich auf dem Rücken tragen?
Genius. Wohlan! Du sollst nicht langer einsam klagen! Ein Herz, das liebt, ist ewig jung und schön. (E r berührt ihn mit dem Zweige, Marko verwandelt sich in einen Jüngling.) C h o r der Bu c k l i c h e n, (ebenfalls vor dem Genius kniend)
Woll' auf uns auch gnädig blicken, Nimm die Berg' uns von dem Rücken. Genius.
Wohlan, es soll heut Niemand traurig stehn! (E r berührt auch sie mit dem Zweige, worauf auch sie sich alle in schöne Jünglmge verwandeln.)
E i n e
O p e r e t t e .
213
M a r k o und C h o r der V e r w a n d e l t e n » H eil! H eil! H eil! Die Puppe ist zersprungen, Der Schmetterling hervorgedrungen. La§ uns Euch freundlich nahn, Nehmt uns zu Dienern a n ! Chor der Manchem. So mögen wir Euch leiden, Und nehmen nun mit Freuden Euch hier zu Dienern an. (Sie vereinigen sich. Marko und Nosa stellen sich in den Vorgrund z die andern bilden Paarweise einen Halbzirkel nach dem Hintergründe.)
Chor. Heil! Heil! Heil! der Liebe? Die, was ihr naht, beglückt. L u c i e. Von Schrecken rings umgeben Umfing uns Todesnacht! Doch aus dem Tod hat Leben Die Liebe angefacht. S y l v i 0. Du hast Geliebte für mein Leben Zum Opfer dich gebracht»
214
Der Orakelspruch.
D ru m sey es ganz dir hingegeben, Die neu es angefacht. F l o r i n d e. D er Schwermuth hingegeben, Umfing mich rings die Nacht. Doch I h r versöhnt mich mit dem Leben, Und heitrer Himmel lacht. Marko. An B lüth en leer w ar mir das Leben, N u n h at der Liebe Macht Noch B lüthen dürrem S ta m m gegeben, Den Alten jung gemacht. Rosa. Noch in der Knospe lag mein Leben, N u n h a t der Liebe Macht G a r warmen Frühlingstag gegeben, Und blühend ist's erwacht. Chor Aller. H eil! Heit! Heil! der Liebe! Durch sie sprießt aus dem Tod das Leben Und T ag wird au- der Nacht.
H a u s h a h n und P a r a d i e s v o g e l , oder d i e
G e b i r g S r e i s e .
Ein
M ä h r ch e n. I 8 I 3-
(£ r s t e 5
si x p i r e l .
» 3st> glaube g a r, Caroline, du schläfst e in !" rief der Professor. »Ach nein," gähnte seine Frau, »ich mache nur die Augen zu: hört sich so bester. Im m er weiter! Es klingt recht schön." Der Professor las weiter: »Da hatte der Verstand noch nicht geschieden, Was ewig eins aus einem Urquell stammt; Da war noch zwischen Kopf und Herzen Frieden, Kein Trieb der Brust vor dem Gesetz verdammt; Verstanden wurde noch die S chrift hienieden, Die goldnen Juges durch den Aether flammt; Es nannten Mensch und Engel sich Genosten, Und W elt und Himmel war in eins verflossen." A u f dem Hofe draußen fingen die Hühner an zu gackern. Die Professorin stand auf und lief schnell hinaus, und als sie zurückkehrte, reichte sie ihm das
2i8
H a u s h a h n und P a r a d i e s v o g e l ,
weiße E i in der weißen Hand entgegen. „Noch ganz warm !“ rief sie. „Wenn dein Paradiesvogel noch solche Eier legte!" Der Professor jedoch antwortete nicht darauf, sondern sah sie unwillig von der Seite an und fuhr fo r t: „Doch als der Welt die Sünde ward geboren, Brennt' aus dem Leben wilder. Streit hervor; Selbst wider sich und die N atur verschworen, Haust Götzen sich's aus Erdenkoth empor, Und im Geräusch des Marktes schnell verloren, Verhallt die ew'ge Harmonie dem O hr; Zerbrochen ist die goldne Himmelsleiter: Kein Engel naht dem Menschen al- Begleiter! N ur in der Dichtung dunkelklaren Träumen B lü ht eine Ahnung jener alten Zeit, N ur in der Töne Kinderlallen keimen Verlorne Laute der Unendlichkeit, Und nieder steigt, gesandt auS Himmelsraumen Vom Vater, der zum M ittle r sie geweiht. Die Liebe steigt herab den Erdensöhnen, D a- Leben mit dem Himmel zu versöhnen. Hier wurde der Professor von neuem durch einen graulichen Lärm unterbrochen, der sich kreischend, flatternd, krähend und klappernd in dem Nebenzim mer erhob. Sehr erzürnt sprang er auf; Karoline
o der
di e
Gebirgsreise.
219
folgte ihm. Welcher Anblick, alS er die Thür öff nete! Der Haushahn, der wahrscheinlich der Pro fessorin nachgelaufen war, jagte seinen Paradies vogel — er war ein Geschenk von einem aus Indien zurückkehrenden Jugendfreunde, und der Professor hielt ihn als eine große Seltenheit sehr hoch — Der Hahn jagte den Paradiesvogel mit hartnäckiger Wuth in dem Zimmer umher. Der Gehetzte, dem die Professorin heimlich vor kurzem erst die Flügel ver schnitten, flatterte ängstlich von Tisch zu Tisch und kehrte dabei mit den zwei langen Schwanzfedern alle-, was sich darauf befand, an die Erde. Der Professor stand erst eine Weile in sprach loser Erstarrung, dann aber ergriff er eine Elle, die ihm just zur Hand lag, und setzte dem Haus hahn im höchsten Zorne nach. Seine Frau, nun ebenfalls für i h r e n Liebling besorgt, folgte ihm auf dem Fuße. »Mein Vogel!« schrie er, »Mein Hahn!K schrie sie. Bei dieser Jagd gerieth der Pa radiesvogel unter die Taffen, die auf der Komode standen, und die Professorin schrie noch lauter, bald: »Meine Taffen! “ bald: »Mein Hahn!“ Der letztere aber benutzte den Waffenstillstand, welchen die fal lenden Taffen seinem Feinde abdrangen, um die Höhe eines großen Kteiderspindes zu gewinnen, von wo er, trotzig mit den Flügeln schlagend, sein Sie geslied auf den Professor herabkrähte. Dieser griff nach
22.
Haushahn
und P a r a d i e s v o g e l ,
seinem Vogel und brachte ihn schleunig in den Bauer zurück, welchem er entschlüpft war. Er warf dabei grimmige Blicke nach dem Hahn hinauf und fluchte ein wenig, aber ganz leise; denn je öfter er zugleich nach dem Unglück hinschaute, welches an der Erde, und nach seiner Frau, die daneben auf den Knieen lag, in stiller Hast die Scherben auflesend, desto beträchtlicher kühlte sein Zorn sich ab und schwand zusammen. »Noch heute soll mir das verwünschte Thier aus dem Hause! “ rief die Professorin endlich und stand auf. Der Professor stellte sich, mit einiger Bangig keit, aber doch entschlossen vor die Thür des Vogel bauers. »Was hab' ich davon ? Nichts als Schaden h fuhr sie fort. »Das ganze unnütze Vieh ist nicht so viel werth, als die Tassen, die eS mir wieder zerbrochen h a t! 5 mals, da die Rede darauf gekommen, eine Historie oder ein Mahrlein erzählt, welches ich mir, ob seiner Seltsamkeit, wohl gemerkt und bald darauf zu Papier gebracht habe. Vor tausend und tausend und aber tausend Jahren — sprach er — war dieses Land von einem andern und bessern Menschengeschlechte bewohnt, so von der Erde selbst erzeugt und aus ihr aufgesprossen. Und weil die Erde damals noch in ihrer Jugend war, und überfloß von der Ieugungskraft, die der Herr in sie gelegt, kam es, daß dieses Geschlecht sich von wundersamer Schönheit und Stärke erwies, und von der Mutter Erde hoch auf zum Himmel, als zu seinem Vater, emporragte, also daß es uns Zwerglein zu jetziger Zeit wohl ein Volk von über mächtigen und ungeheuren Riesen bedünken möchte. Alles was die Menschen heut zu Tage nur nach und nach mit sauerm Fleiß, schwerer Arbeit und mühseliger Rechnung herausgebracht, abgetheilt und in einzelne Kästlem aufgestapelt, so fle Wissenschaften nennen, der Lauf der Sonne, des Mondes und der Planeten, die Gestalt, Bewegung und Beschaffen heit der Erde, sammt andern göttlichen und mensch lichen Dingen, alles das war jenem Urgeschlecht wohl bekannt und gegenwärtig; allein sie hatten es
232
H a u e h a h n und P a r a d i e s v o g e l ,
nicht erlernt noch erworben, es war ihnen angeboren z sie wußten es, weil sie da waren, sie wußten es, weil sie lebten. Auch regierte kein S tre it zwischen dem göttlichen Gesetz, das ihnen vom Himmel stammte, und dem irdischen Verlangen in der aus Erd' und Leimen geformten B ru s t, und sie lebten darum auch unter einander in Frieden und kind licher Eintracht. Der Krieg hatte sein blutiges Panner noch nicht aufgesteckt auf der jungfräulichen Erde; der König war nicht als der Treiber einer wilden Horde, sondern als der Vater einer fried lichen Familie anzuschauen; die große Fruchtbarkeit des Bodens gab ungezwungen jeglichem, was er zu seines Lebens Nahrung und Gedeihen brauchte, und keinem Gaumen gelüstete nach dem Fleisch der Thiere. Und also lebte dies Geschlecht, und trieb sein Wesen wohl manches Hundert Jahre. „S chon! trefflich! " rief der Professor. Der Doctor nickte mit dem Kopf und fuhr fo r t: »Wie nun aber auf dieser W e lt, als welcher selbstcn keine Ewigkeit zugemessen w ard, Alles des Wechsels Unterthan und Leibeigner ist, so konnte auch dieser glückselige Zustand nicht immerdar beste hen. Und den allerersten Anstoß zur Veränderung sollen die Weiber gegeben haben, in welche durch den Willen des H errn, so zu sagen, der Sauerteig des Menschengeschlechts gelegt zu seyn scheint, der
oder die Gebi r gsr ei se.
2 33
das Gute gleichwie das Bose in selbigem erst zur Gahrung, Entwickelung und vollkommenen Gestal tung bringt. » E i, e i!" rie f der Kammerrath, »der alte Herr ist nicht g a la n t! " — »Und doch," sprach Caroline, »möcht' ich im Namen meines Geschlechts mich fü r das Compliment bedanken, wenn der Sauerteig nur nicht so häßlich klänge." Der Doctvr verzog sein wunderliches Gesicht auf eine so wunderliche A rt, daß man nicht wußte, ob er lachen oder weinen w ollte, und las weiter: »So ging denn nunmehro thörichte Unzufrieden heit mit dem Alten und Guten und unruhiges Be gehr nach Neuem und Besserem, schnöde Verachtung ursprünglicher E in fa lt und unfricdliches Streben nach eitlem Gute in allen Gemüthern allmahlig auf. Der Eigennutz nahm seine Wohnstatt unter ihnen, und ließ sein Gefolge, N eid, Habsucht und Unver träglichkeit, nicht dahinten. Dem Bösen aber ist eeigen, daß es gleich einem wuchernden Unkraut, wenn cs einmal Wurzel geschlagen, überall um sich g re ift, den Samen des Guten erstickt, wo er sich findet, und niemals stehen oder stocken bleibt, son dern immerfort wachst und treibt und in die Höhe schießt, sich selbst befruchtend bis ins Unendliche. Und darum geschah es auch, daß dieses Volk von geringem Anfang in gar kurzer Zeit zu völliger
234
H a u s h a h n und P a r a d i e s v o g e l ,
Verderbniß fortgeschritten, im Laster tief versunken war, und sich in allen schändlichen Lüsten walzte. Da erschien endlich der Herr in einem Traumgeficht dem Könige, der allein unter seinem Volke sich rein erhalten hatte von der Sünde, und sprach zu ihm: Dein Geschlecht ist reif zur Erndte; es soll verschwinden von der Erde, und einem andern Platz machen. Und wenn der letzte deines Volks gefallen ist unter der Sichel, dann sollst auch du dich nieder legen zum langen Schlafe. Es wird aber eine Zeit kommen, da dieses Land nach manchem Wechsel ein weiseres und glückliches Geschlecht bewohnt, das sein Glück durch mancherlei Noth und Trübsal er kauft und seine Weisheit aus Irrthu m und Verderb niß erbeutet hat. Dann soll meine Stimme dich erwecken, und du sollst dich aufrichten aus deinem Grabe, noch einmal diese Fluren schauen und dann auf ewig eingehen in mein Reich. Als nun der König diese Worte vernommen, erwachte er und sprach: Herr, dein Wille geschehe! Darauf verhüllte er sein Haupt vor Betrübniß. — Und es geschah also wie der Herr gesprochen. Denn er schickte ein Sterben unter das Volk, das Jung und A lt darnieder schlug. Auf dem Fleck aber, wo einen des Todes Hand getroffen, da begruben ihn die andern alsogleich, trugen Erd' und Steine von dem nächsten großen Gebirge herbei und walzten
oder
di e G e b i r g s r e i s e .
2 )5
mächtige Felsen über einander, so daß bald das ganze Land umher voll Grabhügel w ard , groß und klein, jenachdem sie Alt oder Ju n g, Vornehm oder Gering bedeckten. Und als nun endlich auch den Söhnen und Töchtern des alten Königs ihr Stündlein kommen w a r, wölbte das Volk ihre Gräber gleichermaßen, und der alte König ließ auch sich und seinem Weibe das Grab bereiten mitten unter seinen Kindern, und das Volk thürmte einen gewal tigen Berg auf über den Gewölben. Als dieses geschehen, ward es allgemach immer stiller und einsamer im Lande und um den alten König her; denn der Tod rührte sich mächtig und eilte mit seiner Erndte, bis daß endlich niemand, niemand mehr um ihn w a r, als sein Weib. Und da auch diese bald darauf die Augen geschloffen, trug er sie schweigend auf seinen Armen in ihr Grab und verwahrte den Eingang. Hierauf aber stieg er lang sam auf die Höhe des Berges. D o rt schaute er um sich und sah das Land, so weit sein Auge reichte, voll von den Gräbern seine- Volks und seiner Lieben. Die Sonne, die eben zu. Aüste ging, schien freundlich auf die Hügel; seine Brust ward voll Leides, und seine Blicke löschten aus in Thränen. W ie er nun aber so des Vergangenen gedachte, stand alles so klar und lebendig vor seinem Geiste, daß es ihm mit einemmale däuchte, er habe nur in
236
Haushahn
und
Paradiesvogel,
einem bösen Traum gelegen, und seine Kinder seyen nur weggegangen und müßten jetzo wiederkommen, und er rie f: „meine K in d e r, meine K in d e r, wo seyd ih r , daß ich euch segne?" und horchte lange, ob er nicht ihre S tim m e vernähme oder das Geräusch ihrer T ritte . Aber kein Laut des Lebens kam zu ihm herauf aus der Gräberwüste, die Sonne ging unter, der Nachtwind strich kühl und feucht an ihm vor über und raschelte in den dürren, sparsamen Halmen neben ihm. D a senkte er sein H a u p t zur Erde, fiel a u f die Kniee nieder und verharrte lange also in Schweigen und Gebet. D an n aber erhub er sich, ging h in un ter, wo der Eingang zu seinem Grabe w a r , trug alle seine Schätze und die Schriftrollen, a u f welchen er die Geschichte seines Volks und einen In b e g riff seiner höhern Wissenschaft verzeichnet, in das G ew ölbe, schritt dann freudig selbst hinein, und als er den Eingang von innen mit großen Fels stücken wohl verw ahrt und versetzt h atte, legte er sich in dem stillen Kämmerlein zur Ruhe und ent schlief. D e r H e rr sandte d arauf eine große W afferfluth, die jegliche S p u r wcgtilgte von dem gewesenen G e schlechte. Doch als die Wasser sich wiederum ver laufen, lockte die Sonne neue Keime aus dem B o d e n , neue Kräuter wuchsen a u f den Bergen, neue B lum en in den Gründen, neue Bäum e streckten
oder die Gebi r gs r ei s e.
237
ihre grünen Kronen in die Lüfte, und überall war neues Leben. Da kam nun auch ein neues Geschlecht von Menschen, dem alten keinesweges vergleichlich weder an Größe, noch an K ra ft, noch an Wissen; und die Zwerglein siedelten sich lustig an auf den Riesengrabcrn, führten den Pflug darüber, wo sie konnten, und klebten ihre Hauslein daran. Eine dunkle Sage aber erhielt sich unter ihnen von den alten Bewohnern, so daß sie noch heutigen Tages von den Riesen sprechen, die unter ihren Bergen begraben liegen. Seit dem sind nun lausend und tausend und aber tausend Jahre vergangen, Noth und Trübsal, Irrthum und Derderbniß sind oftmals dagewesen, ja sie Hausiren alltäglich unter uns: das Glück und die Weisheit aber haben sich noch nicht zeigen wollen, und der alte König schlaft noch immer.“ Der Doctor legte sein Papier zusammen und sah schweigend vor sich nieder. Auch bei den andern ward kein Wort laut; jeder nach seiner A rt beschäf tigten sich alle im Stillen mit dem eben Vernom menen. „Ich merke wohl, ich verstehe! “ begann endlich der Kammerrath. „Der alte König soll das Gold bedeuten, den wahren König und Herrn der Wett, und das ganze Mahrchen will sagen, daß in unserm Gebirge ein ungeheurer Schatz desselben versteckt liege.“
238
H a u - hahn und P a r a d i e s v o g e l ,
»Ein Schatz," rief der Docter, »ja wohl ein Schatz, wie ihn euer Verstand, ihr armen Mensch lein, weder in seinem Wesen noch in seiner Größe zu fassen vermag! Die Wissenschaft aller irdischen Dinge, die Kenntniß selbst des Verborgensten, das achte, eigentliche Salz der Erde, und vor Allem der Karfunkelring, in welchem das wahre Geheimniß der W elt, der Zaum und Zügel der wider einan der streitenden Erd - und Himmelskräfte verwahrt is t “ »Karfunkel, Karfunkelring ! " unterbrach ihn der Kammerrath kopfschüttelnd mit einem feinen Lächeln. „Wie kommen Sie auf den Karfunkel, Theuerster's Das ist ein anrüchtiges W ort, womit man sich heut zu Tage nur lächerlich macht. Erzählen Sie uns lieber etwa- von den veritablen Schätzen des alten Königs. Es spricht sich schon angenehm von Silber barren, Goldstangen und Juwelen." »Ach!" seufzte Caroline, die lange still in sich versunken da gesessen hatte, „könnt' er mir nur mein verlornes Kind zurückgeben, ich begehrte nicht- von allen seinen Schätzen, so arm ich auch bin." Der Professor reichte ihr seine Hand über den Tisch hinüber. Sie sah ihn an und sprach: »Du bist doch allein Schuld an seinem Verluste." Der Professor zog schnell seine Hand zurück. »Hättest du nicht damals," fuhr sie mit weichem Tone fort,
o d e r di e G e b i r g s r e i s e . und die Thränen standen ihr dabei in den Augen, »hattest du nicht ohne Haarbeutel zum G ra f Auer gehn wollen, der zu der Jeit dein Glück machen konnte, so hatte ich — es sind nun gerade drei Jahr — im Waltherschen Garten nicht mit dir gezankt; hatte ich nicht mit dir gezankt, so wäre unser Theodor nicht unbemerkt auS der Laube gelau fen; und wäre er nicht aus-der Laube gelaufen, so hatten w ir ihn nicht verloren! " »Verloren ist verloren! Sie muffen nicht mehr daran denken,« sagte der Kammerrath. Unwillig rief der Profeffor: »Dann wäre er ja in der That für uns gestorben, während er jetzt wenigstens in unsrer Trauer, Sehnsucht und leisen Hoffnung uns noch le b t!« »Verloren,« begann der D octor, »verloren ist nichts, was man nicht selbst aufgiebt. E r lebt! ich sag' es euch: der Knabe leb t! « Der Profeffor starrte ihn an; Caroline wollte reden, allein vor dem Blick, den der Doctor auf sie w a rf, erstarb das W ort auf ihren Lippen. — »Wäre es möglich,« fing der Profeffor endlich oh, »sollten S ie vielleicht w irklich ? “ Jener unter brach ihn: »N u n , es ist wahrscheinlich, daß er noch lebt. I h r müßt den alten König darum fragen.« M it diesen Worten stand er auf und griff nach seinem H ut.
24o
H a u s h a h n und P a r a d i e s v o g e l ,
„Erlauben Sie aber,« rief der Kammerrath, „Sie haben die Hauptsache vergessen, werthester Freund. Auf welche Art gelangt man zu dem alten König?" Der Doctor sah ihn seltsam lächelnd von der Seite am „Suchet, so werdet ihr finden. Wolle nur, so kannst du auch. Gute Nacht. Ich habe noch Geschäfte. Auf Wiedersehen!" Er neigte sich gegen die Professorin und ging schnell zur Thür hin aus ; der Kamm errath aber lief hinter ihm her und bestand darauf, ihn bis an den goldnen Löwen zu geleiten. „N un, was denkst du von unserm seltsamen Gaste?" hub Caroline an, als beide fort waren. „Was ich denke, darf ich dir nicht sagen," entgegnete der Professor. „Du verstehst mich nicht." „Ach," rief jene, „diesmal verstehe ich dich sicher lich , und bin ganz deiner Meinung." „Meiner Meinung? Und welcher?" fragte der Professor. „N u n , hab' ich nicht etwa eben so gut wie du die unheimlichen Irrlichtsflammen bemerkt, die er manchmal aus den grünen Augen schoß? und das Fläschchen, das gar nicht leer werden wollte, so fleißig ihr auch zuspracht?" Sie ging mit diesen Worten nach dem Tische, und sah sich danach um, allein das Krystallflaschchen war verschwunden, und doch hatte, wie sie gewiß
o d e r d ie G c b i r g s r e i s e. wußte, steckt.
der kleine Doctor es nicht wieder
241
einge
»Da haben w ir'- j a ! K rief sie. .M ir kam gleich ein Grauen an, als er die todten Mäuse und Frö sche auspackte. Wer schon solche brodlose Künste tr e ib t ! Und Verse mag er wohl auch machen Aergerlich sprach der Professor: »ES ist ein Mann von außerordentlichen Kenntnissen und ganz besondern Gaben, wie mir der Freund aus Upsal schreibt, und wenn er obendrein Dichter wäre — das heißt ein g u t e r , denn ein schlechter ist keiner — so hatte ihm der liebe G ott nur noch eine Himmels gabe mehr, den Blumenkranz zu dem Fruchlkranze verliehen! (< »W ohl!f< unterbrach ihn Caroline schnell, denn sie sah schon eine weitere Ausführung des beliebten Themas auf seinen Lippen sitzen — »mag er seyn wer er w i l l ! Wenn er nur sonst die Wahrheit ge sprochen hätte, daß unser Theodor noch lebt. — Ach! dem Teufel selbst könnt' ich um den Hals fal len, der mir Nachricht brächte von meinem Kinde." Schnell versöhnt faßte der Professor die Hand seiner F rau; der Wachter draußen meldete die zehnte Stunde an, und nach langer Zeit wieder zum ersten male gingen sie beide zu gleicher Zeit nach dem Schlafzimmer. Couress. Schrift.
4- Bd.
.
242
Hauehahn
und P a r a d i e s v o g e l ,
Vi er t es
Kapi t el .
Di e buntesten Träume standen die ganze Nacht an Carolinen- Lager und webten ihr wunderlicheGeflecht aus goldnen und schwarzen Fäden unab lässig um die S tirn der Schlummernden, so daß sie oft auffuhr und sich m it Gewalt emporzureißen strebte; doch immer druckte der Schlaf mit Macht ihre Augenlieder nieder, und sie sank von neuem in das Gewirre der tollsten B ild e r zurück. Gegen Morgen aber sah sie sich in einer ganz unbekannten Gegend, von mächtigen Felsen rings umstarrt, über welchen noch höhere Gipfel zum Himmel aufragtenund immer näher drängten sich die Felsen, und im mer enger ward der Raum um sie her, und da sie endlich in der Angst einen der Berggipfel erklimmt hatte, sah sie wieder neue, noch höhere vor sich; zu ihren Füßen aber wühlte sich ein ungeheuerer Abgrund in die Tiefe. Schaudernd und schwindelnd bedeckte sie ihre Augen; doch eine unsichtbare Gewalt zog ihre Hände hinweg, und sie mußte wider W il len hinabschauen in den Abgrund. Und je länger sie hinabsah, desto heller ward es drunten, fremd artige Gestalten bewegten sich hin und wieder, und endlich ersah sie mitten unter den Gestalten ihren Theodor, gefesselt an Hand und F uß ; er hob die
oder di e G e b i r g s r ei se.
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gefesselten Hände flehend zu ihr empor und bat wei nend , ihn zu erlösen aus der Nacht der Tiefe. M it einem lauten Schrei erwachte sie in der heftigsten Bewegung. Sie rüste ihren Mann. Diesem hatte die verborgne Weisheit des alten Königs ebenfalls wenig Ruhe gelassen; zu gleicher Zeit aber war auch die Erinnerung an den Besuch bei dem Minister, der ihm heute bevorstehen sollte, in der Stille der Nacht bei ihm laut geworden, er füllte sein Herz mit großer Bangigkeit und ließ ihn jetzt, da seine Frau ihn aus dem Schlummer weckte, nichts anders vermuthen, als daß sie ihn antreiben wollte, aufzustehen und sich vorzubereiten zu dem sauern Gange. Er verhielt sich daher anfangs ganz still; doch als er sie endlich laut weinen hörte, rich tete er sich schnell empor und fragte sie bestürzt nach der Ursack. ,Ach mein Kind, mein unglückliches K in d !" rief Caroline, die Hände ringend. »Ich habe ihn gesehen in Ketten und Banden; ich habe seine Stimme ge hört, die mich anflehte, ihn aus dem gräßlichen Abgrund zu erlösen. Ach! in welcher entsetzlichen üage schmachtet er jetzt vielleicht irgend w o I n welcher N oth, in welcher Gefahr ruft er vielleicht in diesem Augenblick nach seiner M utter, die ihm nicht helfen, ihn nicht retten kann! « Sie erzählte ihm schluchzend den Traum, aus
244
Haushahn
und
P a r a d ie s v o g e l,
dem sie eben erwacht; und wie sehr nun auch dieser ihn selbst bewegte, wie aufrichtig auch der Schmerz seiner Frau ihn betrübte, so regte sich doch, von ihm selbst kaum bemerkt, in dem geheimsten Winkel seines Herzens eine kleine Zufriedenheit: denn über dem 'Traum e ward heute der Besuch bei dem M in i ster wahrscheinlich ganz vergessen. D e r Kamm errath stellte sich in aller Frühe ein, und fand Carolinen noch in Thränen. Als er die Ilrsach derselben vernommen h a tte , rie f e r: »Aber wie mögen S ie um solcher Kinderei willen die schö nen Augen verderben? Andrang des B lu tes nach dem H erzen! leeres S p ie l der entzügelten Fantasie! Hirngespinste! —- T ra u m e , Schaum e! nichten!« fiel der Professor ein »Wenig stens nicht immer. Traum e sind oft wahrhaftige Boden aus dem Reich der Geister, in die Nacht des Lebens hineinfallende leuchtende Blum en einer höhern V e g e ta tio n , ja o ft, wenn ich es sagen darf, eine wirkliche abgehorchte Sprache des Schicksals." » E i, e i ! " lächelte jener, »wer hatte in einem so gelehrten Kopfe solche Seifenblasen gesucht! S in d denn der gestrige Thee — ich habe selbst die ganze Nacht nicht schlafen können — unser Gespräch und die schlau hingeworfnen letzten M o rte des kleinen W underdoctors, sind das nicht hinreichende D a ta , um die Entstehung jenes Traum s zu erklären? D e r
ode r di e G e b i r g s r e i s e .
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Charlatan hat übrigens uns alle zum Besten gehabt. Der Kammerrath durchschaut ihn aber. Weil er sich im Anfang ein wenig verrathen hatte, so warf er uns nachher das alberne Mährchen von dem alten König h in , um uns von der Spur seiner wahren Absicht wegzuleiten. Es ist ein Abenteurer, ein Schatzgräber, der nach verborgenen Schätzen die ganze Welt durchläuft — denn zu welchem Ende sonst, frage ich? — und nicht vergebens, wenn die Ringe an seinen Fingern ächt sind. Daß jedoch unser benachbartes Gebirge, die edlen Steine unge rechnet, welche ehedem so häufig selbst die Italiener aus ihrem Vaterlande herbeigezogen, wirklich große, ja ungeheuere Schätze in seinem Schooß bewahrt, darüber sind mir bereits früher mancherlei anderwei tige Anzeigen an die Hand gegeben worden. Mein Großvater wußte davon besondere Dinge zu erzählen; und es wäre wohl sogar für einen vernünftigen Menschen der Mühe werth, einmal einen Versuch zu machen." Ein Klopfen an der Thür unterbrach ihn. Der Marqueur aus dem goldnen Löwen brachte ein Bittet. Es war von dem Doctor. Er meldete darin seine schleunige Abreise, die ihn selbst unverhofft und unerwünscht überrasche, und äußerte die Erwartung eines baldigen Wiedersehens im Gebirge. Noch immer hatte Caroline die leise Hoffnung
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H auftaun
und P a r a d r e s v o g e i,
gehegt, daß der Fremde wirklich um das Leben, vielleicht wohl gar um den Aufenthalt ihres Kindes wisse, und wenn er gestern m it dem Gesiandniß gezögert, ihr heule dafür eine desto freudigere Ileberraschung bereiten werde. Jetzt zerrann diese Hoffnung, dem Nebel gleich, den der Schiffer für die ersehnte heimathliche Küste gehalten; in trost loser Sehnsucht streckte sie wieder ihre Arme hinaus in die weite leere W e lt; der Schmerz überfiel sie von neuem m it verdoppelter G ew alt, und sie konnte ihrer Thränen kein Ende finden, bis der Kammerrath endlich m it dem schon lange bereit gehaltenen Vorschlag ans Licht tra t, gemeinschaftlich eine Reise nach dem Badeort zu unternehmen, der am Füße jenes Gebirges lag, wo man dann theils hoffen dürfe, des Wunderdoktors wieder habhaft zu wer den, theils auch über den O rt, wo der Schatz liegen solle und über die Möglichkeit eines Versuchs, ihn zu heben, sich naher unterrichten könne. Ein Sonnenstrahl durch Regenschauer lächelte Carolinens Auge ihm entgegen. Allein eine solche Ausgabe bei ihrer beschrankten Lage! — — Eins neue Wolke verdüsterte das liebliche Gesicht. D er Kammerrath aber, begeistert von jenem Blicke, und ihre Gedanken errathend, schlug eilig alle Bedenk lichkeiten mit der B itte nieder, die Kosten der Reise allein übernehmen zu dürfen. Der Professor konnte
o de r di e G e b i r g s r e i se.
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sicl) in seiner Freude nicht enthalten, ihn aufs herz hafteste zu umarmen und machte nur die Bedin gung, daß es ihm erlaubt seyn möge, seinen Para diesvogel mitzunehmen, den er unmöglich fremden Handen anvertrauen könne. So wurde denn auf der Stelle das weitere ver abredet, und sodann im Verlauf desselben Tages alles zur Reise benöthigte mit so beflügeltem Eifer vorgekehrt, daß schon die nächste Morgensonne sie miteinander im Wagen und auf der Straße nach dem Gebirge fand, welchem jedes von ihnen mit verschiedenen Hoffnungen und Wünschen, doch alle mit gleichem Verlangen erwartungsvoll entgegen sahen.
Fünftes
Kapi t el .
Seit mehrern Jahren hatte der Professor die Mauern der Stadt nur auf kurzen Spaziergangen hinter sich gelassen; jetzt sah er — er saß auf dem Rücksitz — mit einem behaglichen Gefühl die Ent fernung zwischen ihnen und ihm in jedem Augen blick wachsen, die schwarzen Thürme immer mehr in grauen D uft sich kleiden und endlich hinter einer kleinen Anhöhe, die der Wagen hinabrollte, ganz verschwinden. Der Morgenwind wehte ihm frischen, freien Muth entgegen, neue Lebenskraft stieg auö
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H a u s h a h n und P a r a d i e s v o g e l ,
der Erde empor, die noch von dem Segen eines nächtlichen Gewitters dampfte, und der Lerche gleich, die über ihm in den blauen Lüften hing, hatte er in lauten Jubelliedern aufschweben mögen zum Himmel. Seine Gefährten aber hatten noch die ganze Stadt mit allen ihren dortigen Verhältnissen und Bekanntschaften bei sich im Wagen und ergingen sich, von dem heitern Morgen gleichfalls angeregt, mit lebhaften Worten und besondern: Wohlgefallen darin; der Kammerrath machte verschiedne Neuig keiten fre i, die vorgestern der Besuch des Fremden, gestern die Reiseanstalten in seinem Busen gefangen gehalten hatten, und es verdroß den Professor sehr, da weder seine zahlreichen Ausrufungen, noch meh rere schöne Stellen aus seinen Gedichten, die ihm in der Begeisterung über die Lippen flössen, das Gespräch der beiden zu unterbrechen im Stande wa ren. Ja als es ihm endlich einmal gelingen wollte, in dem Gehölze, durch welches eben der Weg führte, die Aufmerksamkeit seiner Frau, auf die unmuthige Wirkung des Morgenlichts in den Baumgruppen zu lenken, und der Kammerrath, einige verdorrte Fich ten darunter gewahrend, sogleich mit einer Abhand lung, über die Möglichkeit, dem Raupenfraß zu steuern, dazwischen fiel, übermannte ihn der Aerger dergestalt, daß er seinen Sitz verließ und auf dem Bock neben dem Kutscher Platz nahm.
o der
die
G e b i r g s reise.
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Ein neuer Verdruß jedoch harrte seiner schon an dem Ort, wo M ittag gemacht wurde. Denn hier erst, da er die Sorge des E in - und Aufpackens lediglich seiner Frau und dem Kammerrath überlas sen hatte, hier erst also bemerkte er, daß hinten auf dem Wagen über dem Käfig seines Paradies vogels noch ein anderer befestigt war; und als er naher hinzu tra t, krähte ihm der feindselige Haus hahn, die Flügel auf dem Boden streifend, mit be sonderer Erbitterung daraus entgegen. Doch schwieg er für diesmal, indem er auf ein M ittel sann, sich dieses seineS Widersachers bei erster Gelegenheit zu entledigen, und ließ seinen Grimm blos an dem zähen Rinderbraten aus, der unterdessen in der Wirthestube für die fremden Gaste aufgetragen wor den war. Den wirksamsten Trost für diese und ähnliche Unannehmlichkeiten fand er stets wieder in dem Wechsel der Gegenstände, den ihm die immer mannichfaltiger werdende Gegend, die Nähe des Gebir ges verkündend, in rascher Folge vorüber führte, und endlich in dem Anblick dieses Gebirges selbst, das schon am nächsten Morgen von einer Höhe herab sich seinen Blicken offenbarte, wie ein lichtblaues, ausgezacktes Band den Horizont umsäumend. „D a hin ! dahin J“ rief er seiner Frau zu, und zeigte ihr mit dem Finger das Ziel ihrer Reise: Caroline
:.5o
Haushahn
und P a r a d ie s v o g e l,
schrie l a u t a u f vor Freuden. »Ah / sagte der Kam m errath m it zufriednem Lächeln, „nous y voila d o n c ! und nahm eine P ris e . B eide glaubten schon da zu seyn; allein der Kutscher vertröstete sie a u f morgen oder übermorgen. »W enn w ir n u r erst den großen W a ld im Rücken h a b e n !« fügte er hinzu. I m m e r höher hob sich nun d as Land u m h e r; ernst und feierlich t r a t daS mächtigere Geschlecht der B e rg e u n ter die unm uthigen H ü g e l ; von ihren w aldigten G ipfeln blickten hin und wieder die weißen T rü m m e r alte r B u r g e n ; klare Bächlein gleiteten still durch grüne M a tte n oder hüpften schaumend und rauschend über Felsenblöcke dahin. Carolinen ergötzte das ungew ohnte lebendige S p ie l der Farbe und G es ta lt, und selbst der K am m errath f a n d , zu seiner eignen V e r w u n d e r u n g , eine A rt von B eh agen d aran . E s w a r schon ziemlich spat am N a c h m itta g e , als sie den großen W a ld erreichten. I n dem letzten W irth s h a u se hatte m an ihnen z w ar g e rath en , lieber den andern T a g zu Fortsetzung der Reise zu e rw a r t e n ; der W irth hatte bedenklich den K opf geschüt t e l t , von der Leichtigkeit sich zu v e r i r r e n , - und von seltsamen Geschichten gesprochen, welche dort erst kürzlich wieder vorgefallen w a r e n ; allein da der Kutscher durchaus a u f dem W eiterfah ren bestand, des W eges w ohl kundig zu seyn versicherte und noch
oder d i e Ge b i r g s r e i s e .
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vor der Dämmerung das jenseits gelegene Städtchen zu erreichen versprach, so hatte man sich darein ergeben. Der Tag war heiß; eine erquickende Kühlung wehte ihnen aus den hohen Laubgewölben entgegen; gastlich schien der Wald sie einzuladen in seine Schat ten. Aller Furcht und Sorge ledig, fuhren sie hin ein. Der Professor, den die Hitze des Tages ein wenig niedergedrückt hatte, sog jetzt den frischen belebenden Waldduft mit vollen Zügen in sich, der seine ermattete Fantasie wieder mächtig unter der Asche hervorhauchte. Bedeutungsvoll erklang ihm der Ruf der Vögel und das weitschallende Klopfen des Baumspechts; die Baume ringsumher belebten sich ihm allgemach; sie neigten sich grüßend vor ihm, ihr leises Flüstern ward ihm mit jedem Augenblick verständlicher, und er kam sich endlich auf seinem erhabenen Sitze wie der König und Herr de- Wal des vor, der mit seinem Blick alles beherrschte, waS sein Auge ersah. — Während dessen begannen die Pferde immer langsamer fortzuschreiten; endlich blie ben sie ganz stehen. Der Professor sah sich um und bemerkte, daß sein Mitregent, der Kutscher, sich dem Schlummer überlassen hatte. Nicht unwillig darüber — denn er war ihm wachend doch bei seinen Fantasien, Betrachtungen und Selbstgesprächen, die er gern mit einer lebhaften Gestikulation begleitete,
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H a u s h a h n und P a r a d i e s v o g e l ,
zuweilen behinderlich gewesen — nahm er demselben leise die Zügel der Herrschaft aus den Handen, we niger jedoch um sie zu führen, als um sie zu halten; die Pferde setzten sich von selbst wieder Ln lang same Bewegung —- er wagte nicht, sie anzutreiben — und gingen bedächtig wie und wohin sie es für gut befanden. Caroline und der Kammerrath bemerkten, in ein interessante- Gespräch über die häusliche Gewin nung des Runkelrübensyrups vertieft, den Wechsel der Regentschaft nicht, und der Professor fuhr, und dichtete ruhig weiter. Allein nach einer Weite ward der Weg, auf welchem sie fortschritten, stets enger und holprichter, stets näher und näher rückten die Bäume von beiden Seiten; der Professor mußte sich sehr oft bücken, um den herabhängenden Zweigen auszuwei chen. Endlich streifte einer derselben dem Kutscher den Hut vom Kopfe, und er erwachte. Brummend und fluchend stieg er ab, ihn zu holen; doch kaum hatte er die Zügel wieder ergriffen und sich umge sehen, als er ausrief: »Aber zum Henker, Herr Professor, wo fahren sie hin Y das ist der rechte Weg nicht! — Wer weiß in welchen Spitzbuben schlupfwinkel dieser hier führt! “ — Es war nichts anders zu thun, als gerade wieder umzukehren: die verlassene Hauptstraße konnte nicht weit seyn.
o der dre G e b r r g ö r e i s e .
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Eine Stunde waren sie bereits wieder gefahren, und immer noch keine Spur davon! Der Kutscher fing von neuem an zu fluchen; der Kammerrath suchte, aus dem Wagen gelehnt, sich zu orientiren, und Caroline schalt ihren Mann aus über seinen Vorwitz, hier den Weg finden zu wollen, er, der in seinem Leben noch nie den rechten Weg gefunden habe und überhaupt gar nichts vom Fahren verstehe. Der Kutscher dachte noch einmal wieder umzukehren, aber der Kammerrath bestand darauf, die einmal eingeschlagene Straße zu verfolgen, da sie doch irgend wohin und hoffentlich irgend wohinaus führen ntüsie, nämlich aus dem Walde. Die Sonne sank indeß immer tiefer, und färbte endlich nur noch die Wipfel der Bäume mit ihrem immer röther werdenden Golde. Der Wald wollte sich nirgends lichten, sondern ward nur stets dichter und wilder und der Weg stets ungebahnter und schlechter. Endlich lag ein steiler Hügel vor ihnen, über welchen er hinweglief. D ort oben hofften sie eine Aussicht zu gewinnen. M it großer Anstrengung, und indem der Kammerrath und der Professor selbst Hand anlegten, gelang es, den Wagen hinaufzu bringen; doch ihre Hoffnung war abermals getäuscht; die Bäume verhinderten jede Aussicht, und der Kutscher, der einen erkletterte, brachte bloß die Ver sicherung zurück, daß, soviel die schon einfallende
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Haushahn
und P a r a d i e s v o g e l ,
Dämmerung zu sehen erlaube, ringsum Wald und überall nur Wald zu sehen stehe. Unten im Thale aber, fügte er hinzu, habe sich Licht gezeigt, sey jedoch gleich wieder verschwunden. Zwischen neuer Hoffnung und neuer Furcht schwebend, steuerte man nun den Berg hinab. Das Licht zeigte sich von neuem, und bald noch eins und noch eins. Mau pries sich glücklich, denn ohne Zweifel hatte man ein D orf erreicht. Allein als sie an den Fuß des Berges gelangten, machte schnell das erwartete Dorf einigen muthwilligen Irrlichtern Platz, die auf einer sumpfigtcn Waldwiese ihren Tanz hielten« Ihre Zahl mehrte sich zusehends, indem der Wagen zwi schen ihnen hin fuhr, ja plötzlich lief von dem Saum des Waldes ein großer Feuermann herüber, und machte sich das Vergnügen, den Wagen in geringer Entfernung eine ansehnliche Strecke zu begleiten. .Was ist das's" rief Caroline ängstlich und halb laut. .Brennbare Dünste! “ erwiederte der Kammerrath mit ungewisser Stimme. .Ein interessantes Schauspiel!" sagte der Pro fessor, wahrend unter seiner Mütze die Haare sich empor zu richten ansingen und ein unangenehmer Schauer seinen Rücken hinab tief. »In solchen Ge birgsgegenden indeß eine sehr gewöhnliche Erschei-
od e r die G e b i r g s reise.
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n u n g !« fügte e r , sich selbst beruhigend, hinzu und bestrebte sich zu lächeln. E s w a r nun völlig dunkel g e w o rd e n ; eine schwarze Wolke n u r , die sich über die W ipfel vor ihnen allmähtig herausschob, sendete von Zeit zu Zeit einige belle Blitze in die N ach t hinein. D e r beglei tende F e u erm a n n w a r verschwunden. D e r K am m er ra th schaute öfters aus dem W a g en und äußerte seine Besorgnis; wegen der Koffer. »Ach und mein P a r a d ie s v o g e l!" rief der Professor. » D a s verwünschte T h i e r ! “ unterbrach ihn C a r o l in e , »das ist eben an allem Unglück S c h u l d ! " Plötzlich aber w urden sie m it E rstaunen g e w a h r , daß sich die Gesellschaft, sie w ußten nicht wie, um eine P e rso n verm ehrt hatte, die neben dem Kutscher saß. D e r letztere sprach m it dem unbekannten R eisegefährten , und sie hörten, daß er ihn H err Professor nan nte. C aroline glaub te bei dem Schein der Blitze mit Entsetzen zu bemerken, daß er in der T h a t an G estalt und Kleidung ihrem M a n n e glich; als er endlich auch den M u n d öffnete, erkannte sie deutlich sogar ihres M a n n e s Sprache. D em P ro fe ss o r, welchem dies alles gleichfalls nicht entg in g , klappten die Zäh ne wie im Fieberfrost an einander und ihn bäuchte, der ganze W a ld fange an sich m it ihm im Kreise herum zu drehen. M i t einem w ahren Lachen der Verzw eiflung rief e r, nach dem Professor N r . 2 sich umschauend: »E in seltsamer
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H a u s h a h n und P a r a d i e s v o g e l ,
Gebirgsscherz! Zugleich, meine Herren, ein anschau liches Beispiel von der Gewalt des Dichtungsvermögens. Jeder Mensch setzt sich selbst; ich habe mich aber ausser mir selbst gesetzt! Es sind meine eigenen poetischen Fantasien, die Sie dort auf dem Bock sitzen sehen, durch die dem Dichter inwohnende K ra ft der Objectivirung auf der S telle, wo ich selbst vorhin saß, verkörpert. Subject im Objecte! Eine wirkliche Menschwerdung des Göttlichen! Ich habe schon lange erwartet, daß mir das einmal widerfahren würde." AlS er es aber gesprochen hatte, packte ihn mit einemmale ein so gewaltiges Grauen vor seinen eignen verrückten W orten, und vor dem Product seiner Schöpfungskraft hinter ihm , daß er schnell den Rücksitz verließ und sich zwischen seine Frau und den Kammerrath eindrängte. Indem erhub sich ein unerhörter S turm und fuhr durch den Wald, daß die Baumwipfel knarrend und krachend sich fast zur Erde neigten. Ferne Stimmen schrien dazwischen in den mannigfaltigsten Tönen. Die Pferde wurden scheu und wollten nicht von der Stelle. Und immer wüthender reifete der S turm und immer naher kamen die Stimmen, und endlich waren sie ganz nahe und zogen heulend, krächzend, schnalzend, miauend und blöckend über ihnen durch die Luft. Der Professor N r. 2. auf dem Bock
o d e r di e G e b i r g s r e i s e .
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jubelte laut mit darein. Neben dem Wagen hin aber rauschte, raffelte und klapperte eS vorbei wie eine Reiterschaar, und im rothen Licht der Blitze sahen sie fremdartige und entsetzliche Gestalten eilig vorüberziehen. Dem höllischen Getöse widerstanden die Pferde nicht langer; sie rennten, weder des Zurufs noch des Zügels mebr achtend, in tollem Schrecken quer durch den Wald. Caroline barg in Todesangst das Gesicht in ihre Hände. Der Kammerrath bejammerte laut schreiend seinen Vorwitz, der ihn in solch verwünschtes Gebirge getrieben, das ja doch eigentlich keinem vernünftigen Menschen hold fei; l Wenn sie hier nicht den Hals brachen, so müßten sie doch wenigstens alle verrückt werden! Den Professor hatte das Entsetzen gänzlich stumm und starr gemacht. — Plötzlich krachte der Wagen und neigte sich auf die Seite. Die Pferde waren damit an ein Felssiück gerannt: ein Rad war gebrochen. I n diesem Augenblick sprang seitwärts aus dem Gebüsch eine seltsame Gestalt hervor, eine Fackel in der Hand, und fiel entschlossen, mit lautem Zuruf den Pferden in die Zügel. Sie standen und zitterten. Die Gestalt näherte sich dem Wagen. Es war eine Frau von bohem Wuchs und ziemlich wildem Ansehn, doch nicht ohne Spuren ehemaliger Schönheit auf dem braunen Gesicht; sie trug ein buntfarbiges Tuch um die S tirn gebunden, unter Ci.n-.tcss. 0 d ir .f t,
4* B d .
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H a u - h a h n und P a r a d i e s v o g e l ,
welchem hervor das schwarze Haar in zwei starken Flechten auf den Busen niederfiel; ein blau tuchner Mantel hing von den Schultern herab; der eine Iip fe l war unter dem rechten Arm durchgezogen und unterhalb der Brust befestigt. »Was wollt ihr hier," fragte sie, »so weit ab von der Straße ? Wie kommt ihr hieher ? “ Der Kammerrath , zuerst wieder des Worts mächtig, entgegnete zitternd: »Auf eine sehr unschuldige A rt, Theuerste, und wahrlich ganz wider unsern W illen! Ich wünschte, ich hatte diesen verwünschten Wald nie mit meinen Augen gesehen!" — »Nun, so steigt nur a us!" fuhr jene fort. »Wenn unsere Männer zurückkehren, werden sie euch gegen ein gut Trinkgeld wohl den Wagen in Stand setzen und euch aus dem Walde geleiten. Kommt indeß hinüber zu unserm Feuer. Die junge Frau da scheint vor allem einer Herzstarkung benöthigt zu seyn." — Sie reichte mit diesen Worten Carolinen freundlich die Hand und half ihr aussteigen. »Nur getrost, Frauchen!" sprach sie. »Fürchte dich nicht. Du kommst unter ehrliche Leute." Der Kammerrath bemerkte zögernd, daß es doch wohl gerathner seyn möchte, bei dem Wagen zu bleiben: ein Blick aber, den sie aus den schwarzen Augen auf ihn schoß, brachte seinen Mund zum Schweigen und seine Beine in Bewegung. Er klettcttc schnell über den Profesior hinweg aus dem
oder di e G e b i r g s r e i s e .
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Wagen. Der Professor folgte ihm, nähert* sich dem Kutscher und fragte ihn leise: wer denn der Mensch gewesen sey, der neben ihm gesessen ? wie er auf den Bock gekommen, und wo er ansetzt geblieben? .Das weiß der Gott sey bei uns," rief jener, »wenn Sie es nicht wissen! Ich dachte, Cie waren es selbst." Indem aber kam der in Rede stehende mit den Wagen herumgelaufen und begrüßte die Gesell schaft, Verzeihung erbittend, daß er es gewagt, ohne ihre Erlaubniß, sich auf den Wagen zu setzen. Er sey gar zu müde gewesen, und da der Kutscher auf sein bescheidenes Anfragen mit dem Kopfe genickt, welches freilich, wie er hinterdrein bemerkt, im Schlummer geschehn sey, so habe er sich stillschwei gend ohne weiters neben ihn auf den Bock geschwun gen. — Die Frau nnt der Fackel beleuchtete feine Gestalt und rief: »Ei, Jonathan, Jonathan, wo kommst du einmal wieder her ?" — »Gott grüß euch siebenmal siebenmal, Frau Rebekka! “ erwiederte jener freundlich. »Der Mond hat sich auch feine Hörner noch nicht abgelaufen, und die alte Erde taumelt noch immer ein wenig schief einher: Ih r wrßr ja, daß ich der wahre Ueberall und Nirgends bin." Bei dem Fackelschein konnte Caroline wahr nehmen, daß seine Aehnlichkeit mit ihrem Manne sich, außer Sprache und Gestalt, auch auf die Ge sichtszüge erstreckte. N w war er ein wenig kleiner
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Hau-hahn
und P a r a d i e s v o g e l ,
und von einer ausnehmenden Behendigkeit der Bewegungen. Er wandte sich an den Kammerrath mit einer Verbeugung und bot seine Dienste an. Er fei; ein privatisirender Kammerjager, eigentlich aber seiner Profession ein Universalgenie — fügte er lächelnd hinzu — und die werthe Gesellschaft werde, auf ihrer weitern Reise, in ihm den klaren Profit in der Tasche haben. Der Kammerrath nickte mit dem Kopfe, denn er wagte ihm, bei seiner Bekanntschaft mit der Rebekka, keine verneinende Antwort zu geben. Der Professor konnte den Menschen noch immer nicht ohne heim liche.- Grausen ansehen, und doch fühlte er ein leb haftes Verlangen, ihn naher kennen zu lernen. Die Fackeltragerin hob die Fackel hoch empor, faßte Carolinen unter den Arm und schritt vorwärts. Die andern folgten. „Hier g ilt kein Widerstreben" flüsterte der Kammerrath dem Professor zu, „das Spitzbubengesindel hat uns in Handen." Carolinens Führerin leitete diese behutsam über die Steine und Baumwurzeln hinweg; an allzurauhen Stellen trug sie auf ihrem Arm sie leicht hinüber. — Der Sturm hatte sich gelegt; kein B la tt rührte sich an den Baumen, freundlich blickten die Sterne durch die Laubwipfel; lautlos ruhte der Wald.
oder
di e G e b i r g s r e i s e .
± 6r
Bei dem Umbiegen um eine Bergecke standen fie an dem Eingang eines kleinen T h a ls, rings von buschigen Hügeln und Felsen umgeben. I n der M itte desselben brannte ein große- Feuer. AlS sie sich näherten, bemerkten sie eine alte F rau, die vor einigen Töpfen dicht am Feuer huckte; neben ihr drehte ein Knabe den Bratspieß, m it einer A rt kleinen W ildpreis wohl versehn, welches der Kam merrath für Mause oder Hamster hielt. Ein halb erwachsenes Mädchen saß dabei und strickte an einem Netz. Mehrere andere fast nackte Kinder sprangen umher. „D a ist M u tte r ! " rief das Mädchen, legte ihre Arbeit bei Seite und kam Frau Rebekken entgegen; ein kleiner Knabe folgte ihr. Die Kinder hingen sich an ihre K leider; sie gab dem Mädchen die Fackel und nahm den Knaben auf den Arm. „N u n , Heim chen ," fragte sie jene, „sind die Kinder fein artig gewesen?" „M u tte r ," sagte das Mädchen hastig, „Nachtigall ist wieder da." Die M u tte r lächelte. „E ndlich! " sprach sie. „N un so geh und bitte, daß sie uns etwas si ngt!" Heimchen sprang m it der Fackel in das Gebüsch, sie aber befahl einem jungen Menschen, der eben herzu traf, sich nach dem Wagen zu begeben und dem Kutscher behilflich zu seyn. E r ergriff einen brennenden Kienast a*d entfernte
sich.
F r a u Rebekka holte geschäftig einige Teppiche h erb ei, die sie a u f die E rd e breitete und ihre Gaste d a r a u f niedersitzen hieß. D a n n brachte sie ein Fläsch chen, goß d a ra u s einige T ropfen in einen Becher voll W a sser, u n d C arolinen b itte n d , davon zu trin k en , sprach sie: » D a s ist ein g a r köstlich E lix ir! die K r a u te r dazu wachsen n u r a u f des alten K önigs G r a b e , und nicht jeder weiß sie zu finden." „Auch ihr w ißt von dem alten K ö n i g e ? " rief C aroline verw u n d ert a u s . — „ W a s sollt' ich n ich t!" enrgegnete jene. „ S ta m m e ich doch von ihm." I n d e m keuchte des K am m e rra th s neuer D iener m it dem Flaschenfutter und einigen V o r ra th e n heran, die er a u s dem W a g e n m itgenom m en hatte. D e r Professor fiel begierig darübe r her und ließ den Becher in die R un de gehen. D em Anblick der fröh lichen K in d e r , die alle , trotz der dunkeln H autfarbe, von ausgezeichnet schöner B i ld u n g w aren, wich seine Furcht allm ählich; H u n g er und D u rst bestanden wie der a u f ihrem alten Rechte. D a klangen H arfen tön e von den Felsen hinter ihnen h e r a b , bald mächtig anschwellend in rauschen den Akkorden, bald in leisem Geflüster zerfließend in die N acht. D e r Professor setzte den Becher hin und lauschte. Alles w as noch von Furcht und B a n gigkeit an ihm h aftete , löste sich immer m e h r, je länger er zuhörte. I n süßer W ehm uth und stillem
oder di e G e b i r g s rei se. Verlangen erbebte sein Innerstes. ob die Klange sein Herz auS der es mit sich dahin führen wollten chelnden Wellen. Endlich fiel der Gesang einer Stimme darein; die Harfentöne begleitend an sie an :
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Es war ihm als Brust locken und auf ihren schmei vollen weiblichen schmiegten sich
In Waldes grünen Schatten, I n stiller Nacht, Ist von des Tags Ermatten D i- Seele mir erwacht. Was Licht und Leben trennt, das findet, Das wird in Traumen sich bewußt; Am letzten Abendstrahl entzündet Ein Morgenroth sich in der Brust. I n Waldes grünen Schatten, I n stiller Nacht! Die Sängerin schwieg; die Töne verklangen leise. Der Professor hatte die Augen geschloffen, um ungestört in dem Nachhall zu schwelgen, der noch durch seine Brust zitterte. Frau Rebekka, die Carolinen gegenüber knieend ihre Blicke unverwandt auf sie geheftet hielt, ergriff jetzt ihre Hand. »Schönes Frauchen, blankes Frauchen," sagte sie, »du hast mir's angethan: meine Augen können nicht von dir lassen."
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H a u - h a h n und P a r a d ie s v o g .e l,
Die alte Frau, die am. Feuer saß, drehte sich um und rief: »Schmeichle ihr n u r! du hast's wohl Ursach." — Sie erhob sich und kam auf Carolinen zu. »Sie hat dir groß Leid zugefügt," fuhr sie fort, »und deinen schönen Augen viel Thränen gekostet." Und als Caroline erstaunt nach der Bedeutung dieser Worte fragte, ergriff sie ihre Hand, betrachtete auf merksam die innere Fläche derselben und rief mit wunderlichen Gebehrden: »Herrliche Linien! klar und eben, unverworren! Prächtiger Baum! goldne Krone! Laß gut seyn, Fräulein, dir steht ein großes Glück zu! Nicht Ehr und Ruhm, nicht Gut und Geld, aber etwas muß es seyn, das höher ist denn alles!" — »Ach," seufzte Caroline, »das wäre nur das Wiederfinden meines Kindes! " »Dein Kind, dein K in d !" rief die Alte mit dumpfer Stimme: »Verloren! Verloren! Weh d ir! weh m ir! Tief unten liegt es. Der Abgrund hats verschlungen. Sieh, sieh, da stürzt es! von Klippe zu Klippe, hinunter, hinunter! Ich sah es fallen. Zerrissen, zerschmettert. Fahr hin, schöner Knabe, fahr h in ! Brich, Mutterherz!" Rebekka verhüttete ihr Gesicht mit dem Mantel und schluchzte. »Ilm Gotteswitten," rief Caroline, »was ist das? was wollt ihr ? I h r wißt von meinem Kinde! Wo ist es? wo habt ihr's? Is t es todt? to d t? " Da fühlte sie sich lind umfaßt, und hinter
o de r di e G e b i r g s r e i s e . ihr sprach eine Stimme: „Es leb t!" Und als sie sich wandte, sah sie eine herrliche Jungfrau, die neben ihr kniete und mild lächelnd ihr in die Augen sah. „Es lebt, dein Kind lebt!" wiederholte sie, „du wirst es wiedersehen." „Ach, Nachtigall, du weißt nicht!" begann Re bekka schmerzlich, „du weißt n icht “ Die Jung frau unterbrach sie ernst: „Ich weiß alles, aber ich sage euch: es lebt, sie wird es wiederfinden." — Sie richtete sich mit diesen Worten empor und stand nun hoch und schlank, von einem lichtblauen Mantel in reichen Falten umschlossen, — sie war auf ähn liche Weise wie Rebekka gekleidet — in Heller Be leuchtung des Feuers, auf dem nächtlichen Hinter gründe gleich einer himmlischen Erscheinung da. „E i, das ist ein feines K in d ! “ flüsterte der Kam merrath dem Professor zu. Dieser aber antwortete nicht und horte auch nicht, denn jede Kraft der Sinne schien sich lediglich in seinen Augen zusammen gedrängt zu haben, um das Wunderbild zu erfassen und festzuhalten. An der Harfe, die neben ihr lag, erkannte er die Sängerin. Am Eingang des Thals ward es laut. Die Kinder schrien: sie kommen! sie kommen! Noch einmal neigte sich die Jungfrau gegen Carolinen, und mit der Hand nach dem Himmel hinauf zeigend sprach sie: „Vertraue und hoffe! W ir sehen uns wieder."
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Haushahn
und P a r a d i e s v o g e l ,
Dann entfernte sie sich eilig und verschwand hinter den Felsen. Ein kleiner Trupp Männer und Weiber zog das Thal herauf, der zwei beladene Esel vor sich her trieb. Alle- lief den zurückkehrenden entgegen. Auch Rebekka sprang auf, küßte Carolinen auf die S tirn und rie f: »Leb w ohl, blankes Frauchen! vertraue und hoffe! D u wirst bald mehr erfahren.' — M it diesen Worten gesellte sie sich schnell zu einem schö nen großen Manne unter den Ankommenden, welcher ihr Anführer zu seyn schien. Der Ksmmerrarh bemerkte, daß einige von den Männern Waffen unter ihren Mänteln trugen; seine Furcht regte sich von neuem. Höchst erfreulich klang ihm daher die Nachricht, daß bereits einige Leute bei dem Wagen zurückgeblieben wären, und sie durch ihre Hülfe bald im Stande seyn würden, die Reise fortzusetzen. Wirklich kam auch gleich darauf ein junger Bursche herbeigelaufen, der sie dazu auffor derte. Der Kam m errath, durch den Anblick der bewaff neten Männer zu ungewöhnlicher Freigebigkeit ge stimmt, legte seine Börse auf den Schooß der alten F rau , um welche der größte Theil der Gesellschaft, in einer fremden Sprache sich m it ihr unterredend, herumstand; dann trieb er so ängstlich und ungestüm zur A b fa h rt, daß Caroline weder sich einmal noch
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die
G e b i r g s reise.
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der Alten n ä h e rn , noch F r a u Rebekka aufsuchen konnte, die sich nicht mehr sehen ließ. Zwei M ä n n e r gaben ihnen d as G e leite; und als sie den W a g en erreicht h a t t e n , führte einer, m it der Fackel v o ra n leu ch ten d , sie bis an den S a u m des W a ld e s , wo der T h u rm des S tä d tc h e n s in geringer E n tfe rn u n g vor ihnen lag. I m W a g en herrschte große S tille . D e r K am m er ra th erhielt a u f die B em erkun gen, die er dan n und w a n n m it halblauter S t im m e w a g t e , keine A n tw o rt von seinen G efährten . C aroline w a r einzig m it den W o rten der A lte n , der seltsamen Uebereinstimmung derselben m it ihrem gestrigen T r a u m , und m it der frohen V erheißung des schönen M ädchens beschäftigt. D em Professor w ä r zu M u th wie einem T ru nken en; in verw orrenem Treiben w ogte und schwankte die ganze A ußenw elt um ihn h e r , und es w a r i h m , alS sänke allm ählig alles u n ter seinen Fü ßen in einen dunkeln K lum pen zusam m en, über welchem allein in ruhiger K la rh e it das herrliche B i ld der J u n g f r a u siegend stand. Se lb st der Kutscher und J o n a t h a n , der wieder a u f dem Bock P latz genommen h a t t e , unterbrachen d as allgemeine Schweigen kaum durch einzelne W o rte, und so erreichten sie endlich das S tädtchen und ihr N ach tq u artier.
1%
H aushahn
und
Paradiesvogel,
„ S ch lech te P o l i z e i !" r ie f der K a m m e r r a t h , a ls er in den sichern H a f t n des W i r t h s h a u s e s e in g elau fen w a r , .schlechte P o l i z e i ! S o l l t e m a n ' - g la u b e n , daß in unserm so hoch c u ltiv ir te n S t a a t e noch Z ig e u n e r b anden h a u s e n ! *
Sechstes
Ka p i t e l .
C a r o lin e n s erster B lick , a ls sie a m an d ern M o r g e n a u fg e s ta n d e n w a r , suchte die Gesichter ihrer G e fä h r t e n , der z w e ite im S p i e g e l ihr e i g e n e s : sie fand zu ihrer B e r u h i g u n g , o b w o h l ein w e n ig v e r w u n d e r t, d aß es noch dieselben und a lten w a r e n . D e m K a m m errath schien eS eben so zu gehen. D e sto mehr aber kamen beiden nach dieser Entdeckung die A b en teu er der verflossenen N a c h t w i e ein w underlicher T r a u m v o r , dessen letzte S p u r e n sie v o r den S t r a h len der M o r g e n s o n n e , die eben den H a u s g i e b e ln ihre A n k u n ft v e r k ü n d ig te , v o lle n d s hinschw inden zu sehen e r w a r te te n . S i e fingen eben a n , sich g eg e n seitig d a r u m zu b e f r a g e n , a l s der flinke J o n a t h a n h e r e in tr a t u n d sie , ein lebendig v o r ihren A u g en h e r u m w a n d e ln d e r sprechender B e w e i s v o n der W ir k lichkeit d es E r l e b t e n , w id e r ihren W ille n ü b erzeu gte. D e r K a m m e r r a t h , dem der neue Gesellschafter a l s eine sehr verdächtige P e r s o n erschien, h a tte sich gern hier schon seiner w ied e ru m e n t l e d i g t ; allein der
o d e r di e G e b i r g s r e i s e .
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Mensch bezeigte, trotz einer auffallenden Ungeschick lichkeit und Unbeholfenheit in manchen Dingen, doch soviel guten Willen und behende Dienstbarkeit, daß selbst die Professorin sich für ihn verwendete, ob wohl sie, bei der allzugroßen Aehulichkeit mit ihrem Manne, sich einer gewissen Scheu vor ihm noch immer nicht erwehren konnte. Der Tag ging ohne weitere Reiseabenteuer hin und neigte sich schon beträchtlich, als sie von der Hohe eines Bergrückens auf einmal ein weites Thal im mannigfaltigsten Schmuck der Farben zu ihren Füßen liegen sahen und der Kutscher ihnen den weißen Thurm des Badeorts, des ersten Ziels ihrer Reise, tief unten im Grunde zeigte. Jenseit- des Thales aber hob sich weithingedehnt das hohe Gebürge, vom Abendlicht in dunkel glühendes Violet gekleidet, mächtig empor. Der Professor hatte zu Fuß den Berz erstiegen; jetzt gesellten sich, aus Furcht vor der steilen Hinab fahrt, auch seine Frau und der Kammerrath zu ihm, der letztere von Jonathan geführt und, des Schwindels wegen, mit zugemachten Augen. Und in der That, sie hatten wohl gethan sich lieber ihren Füßen als dem Wagen anzuvertrauen; denn dieser, im letzten Nachtquartier nur nothdürftig hergestellt, erlag jetzt den Stößen des holprichten Weges von neuem, eben als sie das Städtchen
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H a u s h a h n und P a r a d i e s v o g e l ,
erreichten, wodurch die Gesellschaft genöthig wurde, ihren Einzug darin ebenfalls zu Fuß zu halten. Da man nicht wußte, wie bald eö möglich seyn würde den Wagen nachzubringen, so griff der Kammerrath nach dem Flaschenfutter und seiner Pfeife, der Professor vor allen Dingen nach seinem Para diesvogel, Caroline nach ihrer Reisetoilette und dem Haushahn, und nachdem sie ihrem Mann noch ein Paar Schachteln unter den Arm geschoben, setzte sie an der Spitze des Zuges sich in Bewegung. Sie mußten bei der großen Promenade vorbei. Der heitre Abend hatte dort viel elegante Welt ver sammelt. Die seltsame Karawane zog aller Augen auf sich. Einige Herren, begierig so wohl den I n halt der beiden großen Käfige, als auch die schöne Trägerin des einen naher kennen zu lernen, kamen aus der Haupt-Allee herüber, und da sie den bunt gefiederten Vogel erblickten, erinnerte sich einer von ihnen, eine Abbildung desselben einst gesehen zu haben, und schrie plötzlich: ein Paradiesvogel! ein Paradiesvogel! Dieser Ruf flog schnell die Prome nade hinab; hundert Kehlen wiederholten: ein Para diesvogel! ein Paradiesvogel! Der Professor sah sich mit seinen Begleitern bald überall von Neugie rigen umringt, bescheidene und unbescheidene Fragen stürmten von allen Seiten auf sie ein, und nur mit Mühe gelang es ihnen sich Platz zu machen durch
ode r di e G e b i r g s r e i s e . das Gedränge. Als sie aber das Ende der Prome nade erreichten, hatte das Gerücht von dem wunder baren Vogel auch schon unter der dort auf dem Platze spielenden Jugend um sich gegriffen; sie wur den also auch hier, nur noch lauter, von dem Ge schrei: ein Paradiesvogel! ein Paradiesvogel! em pfangen und verfolgt; der Haufe wuchs mit jedem Augenblicke, alle Fenster öffneten sich, die Leute eilten aus den Hausern herbei, das halbe Städtchen kam in Aufruhr, bis sie endlich, eines Gasihofes ansichtig werdend, schnell sich dort hinein retteten. Der Kammerrath bat den W irth inständigst, die Hausthür zu verschließen. Doch lange noch erschallte es draußen auf der Straße: ein Paradiesvogel, ein Paradiesvogel! .Ein sauberer Einzug!« rief Caroline mit zornglühendem Gesicht, als sie sich auf ihrem Zimmer allein sahen. — Der Professor suchte den scheu ge wordenen Vogel mit liebkosenden, jedoch ganz leisen Worten zu beruhigen. .Den Hals dreh' ich diesem abscheulichen Thiere noch heute um ! ■ fuhr jene fort. .An allem Unglück ist es Schuld ! “ Der Kammerrath stopfte eine Pfeife, setzte sich auf den Sofa und sprach: »Die Schuld an allem Unglück ist der Vorwitz. Wer sich in die Gefahr
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H a u s h a h n und P a r a d i e s v o g e l ,
beaiebt, der kommt darin um. Ein vernünftiger Mensch bleibt zu Hause und ich in Zukunft auch!" „Aber ein Beweis ist doch," — sagte der Pro fessor , als seine Frau am Schluß einer langen Phi lippika das Zimmer verließ — „ein Beweis, daß man hier den Werth eines Paradiesvogels zu schätzen versteht." Am folgenden Morgen erschien eine Einladung zum Thee von einer fremden Fürstin, die ebenfalls hier das Bad gebrauchte. Die Professorin machte in der Ueberraschung dem goldbeblechten Bedienten einen tiefen Knix. Doch, setzte dieser hinzu, möchten der Herr Professor ja den Paradiesvogel nicht vergessen m it zubringen. „Siehst du mein K ind," rief der Professor triumphirend, „was es mit einem Paradiesvogel auf sich hat !" Bestens geschmückt, der Professor mit Haarbeutel und seidene Strümpfen, begaben sich alle drei gegen Abend nach der Wohnung der Fürstin. Jonathan folgte mit dem Vogel. Als die Flügelthür sich öffnete, schien die zahlreich versammelte Gesellschaft sie schon zu erwarten. Alles drängte sich mit neugierigen Blicken um sie her. Die Fürstin begrüßte sie mit vieler Herablassung, fragte nach dem Zweck ihrer Reise und nach der A rt, wie sie zu dem seltnen
o d e r di e G e L i r g s r e i s e .
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Vogel gekommen. Darauf wurde ein Tisch in die M itte des Zimmers geschoben und der Käfig darauf gesetzt, um allen zugleich bequem zu werden. Die Damen überboten einander in Ausrufungen des Ent zückens über das prachtvolle Gefieder; ein sehr be liebter Dichter, der sich in der Gesellschaft befand, bezeigte laut seine ungemeine Zufriedenheit, hier endlich durch den Augenschein die alberne Fabel widerlegt zu sehen, daß der Paradiesvogel keine Füße habe und immer in den Lüften schwebe; einige andere Herrn aber, des Anschauens müde, traten den Professor bescheiden an und ersuchten ihn, doch nun auch etwas von den Kunststücken zum Besten zu geben, die ohne Zweifel in des Vogels Vermögen standen; und als jener mit einigem Unwillen ver sicherte, der Werth de-selben bestehe in etwas ganz anderm, als in Kunststücken, die er nicht verstehe, zog die Fürstin ihn auf die Seite und sprach: sie wissen wohl, wie der Besitz eines solchen Vogels von unschätzbarem Werthe sey, und wie besonders die Eier desselben von wunderbarem Wohlgeschmack und äußerst nährender Kraft wären; wenn er daher einige von diesen Eiern ihr überlassen wolle, so werde sie mit Vergnügen sich zu einer sehr reellen Erkenntlichkeit verpflichtet fühlen. Dem Professor brach der Angstschweiß aus, und kaum hatte er die Entschuldigung hervorgestottert, daß der Vogel in Contess. Schrift. 4« Vd.
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H a u ö h a h n und P a r a d i e s v o g e l ,
feinem jetzigen Zustande der Gefangenschaft keine Eier lege, da näherte sich ihm eine Deputation der jungen Frauenzimmer in der Gesellschaft, an ihrer Spitze der Fürstin Tochter, eröffnete ihm den Ent schluß der anwesenden Damen, beim nächsten Balle mit Paradiesvogelfedern in den Ohren zu erscheinen, und ihre zuversichtliche Hoffnung auf seine Artigkeit, daß es jeder von ihnen vergönnt werde, sich auf der Stelle eine oder zwei der kostbaren Federn auszu rupfen. — D er Professor wußte nicht was er an fangen sollte und war keines Wortes mächtig. Die jungen Frauenzimmer, seine ängstlich verlegenen Bücklinge für höfliche Einwilligung haltend, eilten nach dem K ä fig ; die andern Damen blieben nicht zurück; jede wollte die erste seyn, ihn zu öffnen und die Rupfung zu beginnen. D er Professor stürzte herbei, und da all' sein Abwehren, all' sein Bitten und Betheuern vergeblich w a r, machte er in der Verzweifelung endlich mit G ewalt sich P latz, ergriff den Käfig und rennte damit wie ein Besessener zur Thür hinaus, nicht ohne noch das schadenfrohe Lächeln seiner Frau und des Kammerraths im V o r überstreifen wahrgenommen zu haben. Von diesem Augenblick an war der Paradies vogel um seinen ganzen R u f gekommen. Kein Mensch wollte mehr von einem so unnützen Thiere wissen, das weder Kunststücke machen, m?ch Eier legen, mit
oder d ie G e b i r g s r e i s e . dessen Federn sogar man sich nicht einmal schmücken tonnte. Auf der andern Seite hatte auch dieser Abend dem Professor alle vornehmen Gesellschaften plötzlich verleidet, und obgleich Karolinens muntres und gefälliges Betragen und ihr hübsches Gesicht, noch mehr aber der Reichthum des Kammerraths, ?on welchem indeß Nachricht eingelaufen war, ihnen >te Ehre neuer und wiederholter Einladungen zuiOg, so blieb doch wahrend der ersten acht Tage ede Mühe verloren, ihn noch einmal wieder zum Nitgchen zu bewegen. Zum Unglück siel bald nach ihrer Ankunft übles Better ein; besonders hauchte gegen Abend gewöhnich ein heftiger naßkalter Wind von dem Gebirge erab, der jeden Spaziergang untersagte. Unter iesen Umstanden, ohne Bücher, und da er sein Gemüth viel zu zerstreut fühlte, um an der V olndung seines neuesten, zu diesem Ende mitgenomenen Gedichts zu arbeiten, blieb dem Professor, seiner Einsamkeit von langer Weile heimgesucht, chts als die Zuflucht zu Jonathans Unterhaltung mg. Die unheimliche Empfindung, welche die Ge nwart des letzteren im Anfang bei ihm erregt itte, war allmählich verschwunden und hatte sogar ier Art von Zuneigung gegen ihn Platz gemacht. :tzt entdeckte er zu seinem großen Erstaunen auch
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t z a u s h a h n u r. t> P a r a d i e s v o g e l ,
einen in allem, was nicht daö praktische Leben be rührte, vielseitig gewandten und in den meisten Fachern des menschlichen Wissens wohl bewanderten Geist in ihm, der, wie es schien, oft wider seinen Willen, ja fast ohne sein Wissen in Hellen Blitzen aufleuchtete. Allein was dabei des Professors Ver wunderung noch höher trieb, war eine gewisse rohe Sinnlichkeit, die, zuweilen in der That an wirk liche Bestialität grenzend, jene geistige Bildung durchbrach und gewissermaßen in Stücken riß. Vor züglich ward der Ausdruck seiner Begehrlichkeit bei dem Anblick irgend einer Leckerei oder eines Glases guten Weins mitunter in Worten und Bewegungen zur seltsamsten Karrikatur. Diese letztere Neigung jedoch sah ihm der Professor am willigsten nach, da sie mit einer eignen schwachen Seite wunderbar zu sammen fiel. Daher kam es denn auch, daß eines Abends, als jener ihm mit feuriger Zunge eine höchst anlockende Beschreibung von einem trefflichen Weine machte, den der W irth im Keller habe, er der Versuchung nicht widerstehn konnte, ihn auf der Stelle zu kosten. Jonathan ward gesandt, eine Flasche davon herbeizuschaffen und hierauf freundschaftlich einge laden, sie mit leeren zu helfen, da der Professor solcher edlen Gabe sich stumm und allein zu freuen durchaus nicht vermochte.
o d e r die G e b i r g s r e i s e .
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»Du herrlicher Sohn der Erde und der Sonne! " rief Jonathan, als er das erste Glaö getrunken, und hob das zweite gegen das Fenster, durch wel ches ein brennender Abendhimmel schaute — »Ponderableö Feuer! Verkörperter Himmelsgeist! " Du steigst herab, gesandt aus Himmelsraumen Vom Vater, der zum M ittler dich geweiht, Du steigst herab den armen Erdensöhnen Das Leben mit dem Himmel zu versöhnen! Der Professor sah ihn erstaunt an. »Woher zum Teufel, Lieber," rief er endlich, »woher haben Sie das?" .Woher?" entgegnete Jonathan. »Ja, werthe ster Herr Professor, wenn ich das wüßte! Es strei fen gar mancherlei Dinge durch meinen Kopf, von denen ich nicht weiß, woher ich sie habe. Geht es denn aber uns Menschen überhaupt gerade mit dem Besten, was in uns ist, nicht eben so?" Der Professor schüttelte den Kopf und trank. Jonathan schenkte ihm schnell ein frisches Glas ein und fragte: »Wie schmeckt ihnen der Wein?" Der Professor meinte nie einen bessern getrunken zu ha ben ; Jonathan meinte dasselbe. Gegen diese Ueber einstimmung der Meinungen aber konnte die erste Flasche sich nicht lange halten. Jonathans Vorsicht
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Haushahn
und P a r a d i e s v o g e l ,
hatte schon für eine zweite gesorgt, die er aus dem Nebenzimmer herbeilangte. Die Unterhaltung stieg indeß mit jedem Glase zu höherer Lebendigkeit. Der Professor fing nach seiner Gewohnheit an, Gedichte zu recitiren, wel ches Jonathan auf gleiche Weife aus dem Stegreif beantwortete, und ob jenem gleich hierbei sehr auf fallende Reminiscenzen aus seinen eignen Gedichten merklich wurden, so verwunderte er sich doch jetzt fast gar nicht mehr darüber; bald nachher, als er seinen Gesellschafter ein Trinklied anstimmen hörte, welches er selbst ganz kürzlich erst gemacht, dünkte ihm dies sogar vollkommen, als müßte es so seyn. Denn immer außerordentlicher entwickelte sich ein so behendes Zusammentreffen ihrer beiderseitigen Em pfindungen und Gedanken, daß einer stets dem an dern die Worte aus dem Munde nahm und, wie zwischen zwei im magnetischen Rapport stehenden, jedem des Gefährten innerstes Wesen gleich einem aufgeschlagenen Buche vor Augen zu liegen schien, in welchem er sprechend las. Der Professor glaubte sich selbst zu hören, wenn Jonathan redete, und so wieder umgekehrt; und indem die dritte Flasche, die der letztere nebst einer vierten mit ziemlich utisicherm T r itt herbeigeholt hatte, zugleich mit den Dingen um sie her auch das Bewußtseyn der Persönlichkeit ins Schwanken zu bringen begann, kam es dem
oder
die
GebirgSreise.
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Professor in der T h a t v o r, als sah' er sich s e l b s t am Tisch sich gegenüber sstzen; ja, als vollends J o n a than nach einer beträchtlichen P a u s e , die in der Un terhaltung entstand, ihn plötzlich fra g te: »Liebster J o n a th a n , w as fehlt I h n e n ? w arum so nachden ken d?" — da zweifelte er nicht m ehr, daß er wirk lich Jo n a th a n und dieser der Professor sey, und an t wortete sehr ernst: ,,Bester H err Professor, mich beschäftigt eine wichtige Untersuchung. Ich denke eben darüber nach, ob ich wirklich ich bin, und ob es nicht möglich ist zugleich ich und zugleich du zu seyn! Jo n a th a n zog die Augenbraunen in die Höh', wie der Professor zu thun pflegte, wenn er sprach. „Mein guter J o n a t h a n , " hub er a n , „das find F ra g e n , an welchen sich die Weisen aller Zeiten die Köpfe eingestoßen haben. Ich rathe euch, sie nicht weiter zu verfolgen, denn sie führen directe zur N arrheit. „ I n der T h a t , " fuhr er nach einem Augenblick Nachsinnen lächelnd f o r t, „wenn ich be denke, wie ich außer dem Professor, der ich wirklich, auch noch zugleich J o n a th a n , eigentlich aber eine gewisse dritte Person bin, die ich trotz der kleinen N uance von Besoffenheit, in der meine Seele schwimmt, euch doch nicht nennen m a g , so macht mir diese Dreieinigkeit den Kopf so schwindlich, daß mein ganzes Wesen m i r *
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H a u ö h a h t t und P a r a d i e s v o g e l ,
»Wie ein Schatten, wie ein Traum vorkommt!" fiel der Professor ein. »Richtig, Jonathan!" rief jener, „das war's, was ich sagen wollte. Schatten! Traum ! Ich confundire mich sogar dergestalt auch mit andern Dingen der Außenwelt, daß es meinem Bewußtseyn schwer wird, aus diesem Haufen Spreu mich selbst, gleich einem edlen Gerstenkorn, heraus zupicken." Der Professor nickte beifällig und sprach: »So ist mir auch zu M uth, theurer Professor! Doch muß ich gestehen, von der dritten Person und der Dreieinigkeit, die Sie vorhin erwähnten, finde ich in mir keine Spur, sondern — " „Das hat auch seine gute Ursach," unterbrach ihn Jonathan, »die ich aber, wie gesagt, nicht sagen m ai]!” — «Son dern , " fuhr der Professor fo rt, »es ist vielmehr eine Iweieinigkeit, ein Doppeltes, was ich in mir fühle, zu welcher Doppelansicht denn, wie mir eben in dieser Stunde der Begeisterung klar w ird, meine ganze Natur überhaupt eine große Neigung zu ha ben scheint: denn doppelt sehe ich diese Flasche, doppelt seh' ich dieses Glas, und doppelt sitzen Sie, geehrter Freund, in diesem Augenblick mir gegen über !" »Wie könnt' ich's ander- seh'n und fühlen, Ge liebter!" rief Jonathan. »Ich fühle mich e i n s und doch auch zwei in meiner Liebe zu dir, ja nur in-
o d e r di e G e b i r g s r e i s e .
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dem ich doppelt mich fühle, b i n ich e i n s , denn du bist die Ergänzung meines Wesens, und also bin ich wahrhaft ich und du zugleich!" y>0 Id e a l der wahren Freundschaft!" schrie der Professor a u f, „du edler Dualismus edler Seelen! du allein nicht verwerflicher, denn du strebst zur E inheit, ja du bist sie selbst! Wie begeisterst, wie entzündest du mich, und hebst mich zugleich mit dem Geliebten hinaus über das Leben in die Unend lichkeit! "
E r erhob sich bei diesen W orten, um über den Tisch seinen Freund zu umarmen, allein er stieb dabei so heftig an den Tisch, daß dieser anfing zu schwanken: Jonathan, welcher ihn halten wollte, verlor darüber selbst das Gleichgewicht und fiel, den selben nach sich ziehend, vom Stuhle. Der P ro fessor jedoch, unerschüttert und nur seinen Zweck im Auge, ließ sich auf der Stelle neben den Liegenden nieder, richtete ihn auf , und so, beide nebeneinan der an der Erde sitzend, umarmten sie sich zärtlich. Jonathan fischte aus den Gläser - und Flaschen trümmern die einzige ganz gebliebene auf, fand noch eine Neige darin, trank, und reichte sie dem P ro fessor hin. Wenn jetzt, rief dieser mit einem kleinen boshaften Lächeln, indem er die Flasche an den Mund setzte, „wenn jetzt die Frau Professorin da-
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H a r.shahtt und P a r a d i e s v o g e l ,
zu käme, sie würde doch eine ungemeine Freude haben!« „Ich wünsche nicht, daß es geschehe!« entgegnete Jo n a t h a n . »Tie Weiber haben keinen S i n n weder für Begeisterung noch für die Freundschaft, und wenn meine F ra u uns also sitzen sähe — es ist dir nicht entga ng en, Geliebter, daß ich ein wenig unter ihren Pantoffel stehe (< »Wie überhaupt in unsrer schmählichen Zeit die Idee unter dem gemeinen Leben!« ergänzte der Professor. J o n a t h a n sing an zn singen: »Gaudeam us igiiur, coelibcs d u m s u m u s ! “ Jubelnd stimmte der P r o fessor mir ein. D a öffnete sich plötzlich die Thür, und hereintrat die Professorin wirklich, begleitet von dem Kammcrrath und dem Doctor Schachthei mer, den sie in der Gesellschaft getroffen hatten. Be i dem Anblick des letzteren kroch J o n a t h a n schnell und ängstlich unter eins von den B e t t e n , die im Zimmer standen; der Professor aber schaute mit großer Freundlichkeit den Eintretenden entgegen und t a t , gleichfalls Platz zu nehmen. »Ums Himmelswillen, wa s ist d a s ? " rief Caroline. M i t lallender Zunge sprach der Professor: »Sie suchen den Herrn Ge m ahl ? D o r t ist er unter dem Be tt . Belieben S i e zu hören, wie er bellt!“
o d e r d ie G e b ir g s r e is e . I n der That steckte Jonathan den Kopf unter dem Bette hervor, und knurrte und bellte wie ein Hund. „T tt, d u !« rief der Doctor Schachtheimer drohend: sogleich zog jener den Kopf zurück und war still. Caroline rang die Hände und schien ganz außer sich. Der Doctor aber sprach mit einem schadenfro hen Lachen: „Da hat sich ja das Ideal wirklich ein Und lachend half mal zur Erde niedergelassen! ihm der Kammerrarh den Professor emporheben und zu Bett bringen, wo ibm, unter beständigem Pro testiren, daß es sich für ihn nicht schicke, bei der Frau Professorin zu schlafen, endlich die Augen zu fielen und er ruhig der morgenden Gardinenpredigt entgegen schlummerte. Jonathan war, als man nachsah, gleichfalls ein geschlafen. Der Kammerrath beschloß, ihn zur Strafe die Nacht auf seinem Bivouac zubringen zu lassen.
Siebentes
Kapi tel.
Der Professor schämte sich den andern Tag vor sich selber, und das triumphirende Lächeln des Kam merraths, so wie die Tröstungen des Doctors, in welchen er nur versteckte Bosheit sah, verletzten ihn um desto empfindlicher, je mehr er fühlte, wie sehr er beiden das Nccht dazu in die Hände gegeben
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Haushahn
und
Paradiesvogel,
halte. I n seinem Unmuth darüber ertrug er di« Vorwürfe seiner Frau und ihre schonungslosen An spielungen nicht mit gewohnter Gelassenheit: es kam oft zu harten Worten, welche die Spaltung zwischen beiden Gemüthern noch mehr vergrößerten. Der Doctor schien geflissentlich bemüht, den leise glim menden Funken der Erbitterung durch mancherlei hingeworfene Aeußerungen zur hellen Flamme anzu fachen. So entfernten sie sich immer weiter von einander, und entschiedener, als es bis jetzt gesche hen, ging jedes seinen eignen Weg. Da Jonathan gleich am andern Morgen nach jenem A u ftritt verschwunden war, und sich nicht wie der sehen ließ, streifte jetzt der Professor ganze Tage lang, Pflanzen und Steine suchend, einsam in der Gegend umher. I n dieser Einsamkeit aber tra t auf dem düstern Grunde seiner Unzufriedenheit das B ild der Sängerin im Walde um desto mächti ger und m it erneueter G lu t der Farben hervor, und seine ganze Seele war ihm zugewandt in heißer Sehnsucht. — Caroline flog indeß, berauscht von dem Zauber der Gesellschaft und von der H uldi gung, die ihr der männliche Theil derselben dar brachte, von Vergnügen zu Vergnügen. Der Kam merrath und der Doctor waren dabei ihre unzer trennlichen Begleiter, und wenn jener oft ziemlich sauer dreinsah, war dieser hingegen unabläßig be-
oder die Ge b i r g s r e i s e .
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müht, ihr neue Triumphe zu bereiten und in allen Stücken gefällig zu seyn. So hatte er sich unter andern, viele Mühe gege ben, ihren Hahn zu einigen artigen Kunststücken abzurichten. Die Gelehrigkeit des Schülers entsprach der wunderbaren Geschicklichkeit des Meisters. Als daher einst, auf seinen Antrieb, die Professorin in einer Abendgesellschaft damit hervortrat, der Hahn manierlich krähend die Stunden anzugeben, gravi tätisch aus einem Haufen beschriebener Zettel auf jede Frage eine passende Antwort herauszuscharren verstand, mit liebäugelndem Kopfdrehen den Damen das Futter aus der Hand zu picken wußte, ja als endlich sogar aus einigen ihm untergelegten Eiern in kurzer Zeit lebendige Küchlein zum Vorschein kamen, da ward ihr der angemessenste Beifall dafür zu Theil, das kunstreiche Thier selbst aber, zu ihrer Freude und zu großem Ergötzen des Doctors, auf Unkosten des ungeschickten Paradiesvogels bis in den Himmel erhoben. Auf diese Art schien der Professor sowohl, als seine- Frau den eigentlichen Zweck ihres Hierseyns gänzlich auS dem Gesicht verloren zu haben. Sogar die Ankunft des Doctors vermochte Carolinen nicht dem Strudel der Vergnügungen zu entreißen; sie war vielmehr sehr zufrieden, als jener ihr zwar eine gemeinschaftliche Entdeckungsreise versprach, sie
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H aushahn
ans v a v a b i c £ v o g e l,
aber zugleich bis in den folgende:: M onat, als der zu einem Besuch des Gebirges schicklichsten Zeit, vertröstend hinaus schob. Nicht so der Kammerrath. Ihm schwebten die Schatze des alten Königs noch uitverrückt vor Augen, und er hatte wahrend dieser ganzen Zeit nach ver schiedenen Seiten hin gehorcht und gefragt. Doch soviel man ihm auch von dem Daseon eines m u t willigen Bergkobolds zu erzählen mißte, der unter mancherlei Gestalten sich das Vergnügen mache, Reisende zu necken, Vorwitzige zu bestrafen und Dürftige zu beschenken, so wenig ivelfte man jemals von dem alten Könige und seinem Grabe gehört haben. Ein Fremder, der sich für einen ehemaligen Hauptmann in neapolitanischen Diensten ausgab, hatte allein einige Kenntniß um die Sache. Ob ihm gleich der Eingang zu dem Grabe des alten Königs nicht minder unbekannt war, als allen an dern, so eröffnete er doch dem Kammerrath bei ge nauerer Bekanntschaft, wie er nicht zweifle, mittelst seiner trefflichen Wünschelruthe den rechten Fleck zu treffen. Der Kammerrath erwiederte auf der Stelle Vertrauen mit Vertrauen. Beide verbanden sich zu einem Versuche, der jedoch ohne Zuziehung des Pro fessors und seiner Frau gemacht werden sollte, und sobald das Wetter sich günstig wieß, trat der Kammer rath, unter dem Verwunde einer kleinen Reise nach
oder die Gebi r göcer se.
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einem benachbarten Städtchen, dre Bergwanderung mit seinem Gefährten an. .E r entlauft uns nicht!:: sprach der Doktor mit einem seltsamen Lächeln, als Caroline scherzend einige Bemerkungen über den so geheimgehaltenen Zweck dieser Reise machte. „ 3ch halt ihn fest!« fuhr er fort, „und früher sollt ihr mit ihm wieder zusammen kommen, als euch lieb seyn w ird/ —. In seinen Augen flackerte bei diesen Worten die unheimliche Glut empor, vor der Carolinen graute, und welche sie seit dem ersten Tage ihrer Bekanntschaft nicht wieder an ihm wahrgenommen hatte. Allein eben mit der Vollendung ihrer Toilette zu dem heutiges großen Conzert beschäftigt, achtete sie nicht weiter darauf. Der Doktor hatte, trotz seinem oft geäußerten Widerwillen gegen alle Musik, dennoch ihrem Wunsche nachgegeben und wollte sie begleiten. Jetzt entschloß sich auch der Professor dazu, fast mehr noch durch die Abwesenheit des Kammerratys, dessen Aufmerk samkeiten gegen seine Frau doch nicht aufhörten ihm die Gatte zu erregen, als durch das Verlangen bewo gen, wieder einmal gute Musik zu hören. Nach der Ankündigung des Conzerts durfte man sich etwa mehr ats Gewöhnliches davon versprechen. Eine Symphonie von Beethoven rauschte ihnen bei dem Eintritt in den hellen Saal entgegen. Sie
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Haushahn
und
Paradiesvogel,
zog den Professor bald allgewaltig mit sich fort durch das romantische Labyrinth ihrer Harmonien. Die verborgensten Gefühle seines Innern richteten im Sturm der Töne mitklingend sich in seinem Busen auf und entrückten ihn seinen äußern Umgebungen. Desto unwilliger aber fühlte er sich durch eine dar auffolgende sogenannte Bravourarie mit ihren Rou laden, Trillern und Staccatos wieder in die Wirk lichkeit zurückgerissen, und während der Saal von Beifallsklatschen wiederhallte, flüsterte er aufge bracht dem Doctor zu: »Welche elende Seiltänzer kunststückchen! Welche Entweihung!" Ein Violinkonzert diente nicht ihn zu besänftigen, so wenig als eine Scene aus einer beliebten neuern Oper mit ihren Gaffenhauermelodien und ihrer arm seligen Harmoniespielerei. »Cherubschwert in Kna benhänden ! (< zürnte er von neuem : »Heilige Sanskritta in Poissardenmunde!" — Der Doctor nahm die Baumwolle aus den Ohren und lächelte über des Professors Zorn. Da schwebten die Kronenleuchter in die Höhe und verschwanden in der Decke des Saals. Halb durchsichtige Glaslampen traten an ihre Stelle, ringsumher eine rosenfarbene Dämmerung verbrei tend; die übrigen Lichter verlöschten; alles ward still. »Sie kommt! da ist sie!" lief ein Geflüster durch die Menge. Eine hohe verschleierte Gestalt erschien,
oder die Gebirgsreise.
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die Harfe im Arm. Kein Athemzug regte sich. Dem Professor klopfte das Herz in froher Ahnung. Die Harfe erklang, erst leise, dann immer lauter und mächtiger; in rauschenden Akkorden anschwellend bis zum gewaltigsten Fortissimo schlugen die Töne wie Meeresbrandung an jede B ru s t, daß sie erbebte. Caroline sah sich nach dem Professor um ; ihre Wan gen glühten. Indem mischte sich der Gesang in das Harfenspiel: da drückte sie die gefalteten Hände an die hochklopfende B ru s t, Thränen drangen aus ihren Augen, und sie rie f leise: «Sie ist t i ! “ Auch dem Professor blieb kein Zweifel, daß es die Sängerin im Walde sey. E r vernahm die Worte nicht, die sie sang; nur den entzückenden Tönen lauschte er, die wie Himmelsthau niedersanken in sein lechzendes Herz. Er bemerkte es kaum, daß der Doctor neben ihm auf einmal seinen Sitz verließ und sich durchdrängend nach der Thür eilte. Die Sängerin hatte geendet und verschwand. Dock kein Laut regte sich im ganzen S aale; bis endlich die Lichter wieder entbrennten und die Em pfindung, von der alle Herzen voll waren, jetzt erst -um Bewußtseyn kommend, sich in dem ungemessensten B eifa ll entladete. Die Frage: wer ist sie ? flog nun von Munh zu Mund. Allein obwohl den meisten ein Gerücht von ihrem ergreifenden Gesang und dem mächtigen Harfenton schon früher zu Ohren gekomContess. Schrift. 4 - Vd. 19
2po
HauShahn und P a r a d i e s v o g e l ,
men w ar, so hatten doch wenige nur sie wirklich gesehen und gehört, und keiner von allen wußte zu sagen, wer sie sey, noch woher sie stamme. Caroline stand auf und verließ den Saal. Der Professor folgte ihr. I n dem Gedränge aber ward er bald von ihr getrennt, und nur nach langem Suchen fand er sie in einem Nebenzimmer im Ge spräch mit der Sängerin. Bei seinem E in tritt be rührte diese Carolinen- S tirn mit einem leisen Kuß: »Glaube, liebe, hoffe!« sprach sie und entzog sich schnell durch eine Seitenthür seinen Blicken. Caroline war in der heftigsten Bewegung. Sie verlangte auf der Stelle nach Hause zurückzukehren. An ihrem Busen bemerkte der Professor eine Passions blume, eine Rosenknospe und eine kleine Ranke von Immergrün. Sie waren, wie sie sagte, ein Geschenk der Unbekannten und von dem unschätzbarsten Werthe. Worin dieser jedoch eigentlich bestand, daS wollte sie eben so wenig gestehen, als überhaupt den In h a lt ihres ganzen Gesprächs mit jener. Sie machte sich, in Thränen zerfließend, nur immer selbst die härte sten Vorwürfe, daß sie, in eitler Lust befangen, ihres unglücklichen Kindes ganz vergessen, und be stand darauf, sogleich mit dem morgenden Tage die so lange aufgeschobene Reise ins hohe Gebirge zu unternehmen, um daS Grab des alten Königs auf zusuchen, wo sie ja, nach der Verheißung der Unbe-
» d e r d ie G e b ir g s r e is e .
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kannten sowohl als des Doctors, Aufschluß über das Schicksal ihres Theodors finden sollte. Der Pro fessor mußte noch denselben Abend einen gebirgs kundigen Führer dingen, und Caroline traf emsig alle Vorkehrungen zur Wanderung. Der Doctor ließ sich nicht wiedersehen und war selbst am folgenden Morgen nicht in seiner Wohnung zu finden. Man mußte sich daher entschließen ohne ihn zu reisen. An seiner Stelle aber fand sich uner wartet Jonathan wieder ein, welcher sogleich bereit war zur Begleitung. Ihm sey, versicherte er, jeder Baum und jeder Stein bekannt im Gebirge, und er werde sie sicher an den reckten O rt führen. Doch warne er sie, weil es jetzt noch Zeit sey: wer das Reich des goldnen Tages verlasse, der verfalle den unterirdischen Mächten, die keines Menschen Freunde seyen. Carolinens Entschluß aber stand zu fest, als das; diese Warnung, mit so ungewöhnlichem Ernste sie auch ausgesprochen wurde, ihn hätte erschüttern können.
A ch r e s
K a p i t e l.
I n den Thälern lagerte der Nebel; die Bergspitzen glühten im Frühlicht. Eine dichte Wolkenmaffe rollte wie ein Vorhang von der Ainnc des hohen Gebirges
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H a u S h a h n und P a r a d i e s v o g e l ,
nieder, und nur durch die Lücken, welche der frische Morgenwind von Zeit zu Zeit Hineinriß, schaute diese-, tiefblau, bald hier, bald da hervor wie ein dunkle- Geheimniß. Caroline ging schweigend und in sich gekehrt mit hastigen Schritten vorauf. Der Professor folgte ihr frohen Muthes und mit gleicher Eilfertigkeit; denn in seine Seegel blies die Hoffnung, durch einige Worte seiner Frau erzeugt, dort im Gebirge die schöne Sängerin wiederzufinden. „Immer bas! immer bas! * ) rief ihnen der Führer zu, welcher zuletzt schritt. „M it solcher E il kommt man Hierlandes nicht weit/" — Der Weg hob sich immer steiler; sie fanden bald durch ihre gänzliche Erschöpfung des Mannes Rede bestätigt und mußten sich bequemen langsamer zu gehen. Jonathan, welcher unermüdlich hin und wieder sprin gend bald der Professorin eine seltene Blume, bald ihrem Manne einen merkwürdigen Stein zutrug, lachte sie weidlich aus. Es offenbarte sich an ihm heut überhaupt eine ganz besondere Art von Lustigkeit und wilder Laune, die stet- ausgelassener ward, je weiter sie in das Gebirge vordrangen. Er war alle Augenblicke ein mal von ihrer Seite verschwunden und begrüßte sie *) B a s , bei den dortigen Gebirgsbewohnern fCtt l ä n g s fl m , a l l tn d d> 11 ch.
gebräuchlich
oder di e G e b i r g s r e i s e .
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dann unerwartet von der Spitze eines hohen Fel sens herab mit gellendem Zuruf, der weit umher den Wiederhall weckte, oder ließ aus dem Wipfel eineö Baums ein wunderliches Conzert von Dogelstimmen erschallen, die er auf das täuschendste nach zuahmen verstand. „G ott grüß euch, Gevatter! Guten Morgen, Base! w hörten sie ihn oft hinter sich rufen; und wenn sie umschauten, wem der Gruß gelte, sahen sie ihn vor einem mächtigen Felsblock oder einer schlank emporragenden Birke stehen, mit welchen er unter lebhaften Bewegungen leise zu sprechen schien. Dabei kam es dem Professor zu weilen wirklich vor, als neigten die Bäume ihre Zweige gegen ihn und regten flüsternd ihre B lä tte r; ja als ihr Weg sie bei einem Wasserfall vorüber führte, schwoll der Waldstrom sichtlich, auf Jona thans Anrufen, zu doppelter und dreifacher Stärke und braußte mit so gewaltigem Ungestüm über die Klippen herab, daß sie, in Wasserstaub eingehüllt, den Boden zittern fühlten, auf welchem sie standen. .S ie machen da eine interessante Bekanntschaft! * sagte Jonathan zum Professor. „Das ist Herr Kühleborn, Undinens Oheim. * ) Als sie eine Strecke weiter gegangen waren, ka men ihrken einige Bäuerinnen mit eilenden Schritten *) S . daS reizende M ährchen: U n d in e , von Fouque.
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Haushahn
und P a r a d i e s v o g e l ,
entgegen. S ie trugen leere Körbe auf dem Rücken und sahen ängstlich und erschrocken aus. »Geht nicht weiter! geht nicht w eiter! “ riefen sie. „D as ist heut kein guter Tag. Seht ihr nicht, wie das Ge birge braut? Der Professor stutzte und blieb stehen. Doch Jonathan sprach: »Kinderpossen! Was dort oben gebraut wird, das trinken die dort unten; w ir nicht.“ Und so schritten sie weiter. D er Führer folgte brum mend. Ueber eine Weile aber begegnete ihnen ein Trupp Holzhauer, die in großer Hast den Berg hinab liefen. „ I h r thatet auch w ohl, wenn ihr wieder umkehrtet!“ riefen diese gleichfalls. »Das haust und braust und heult dort oben heut, als ob die Hölle los wäre.“ »Laßt's gut seyn!“ sagte Jonathan: »Wenn die Hölle los ist, so wollen w ir sie wieder anbinden. Ich verstehe mich darauf, solche Ungewitter zu Paaren zu treiben.“ Allein der Führer meinte, wenn sie ihre Haut zu Markte tragen wollten, so stehe dies in ihrem Belieben: er habe keine Lust, sich von dem Berggeiste den Hals umdrehen zulassen. D am it bat er um seine Bezahlung, legte die Reise nothwendigkeiten, m it denen er belastet w ar, an die Erde, stellte daneben die beiden Käfige mit dem Hahn und dem Paradiesvogel, von welchen ihre
o de r d ie G e b ir g s r e is e .
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Besitzer sich auch jetzt nicht hatten trennen wollen, und lief aufs eiligste den Holzhauern nach. Jonathan sparte kein Zureden, um den bestürzten Professor wieder zu ermuthigen und in Bewegung zu bringen; Caroline schien ohne dies unter allen Umstanden zu Fortsetzung der Reise entschlossen. Der erstere belud seinen Rücken mit dem was der Führer abgeworfen hatte; Caroline nahm ihren Hahn, der Professor endlich auch seinen Paradiesvogel, und so traten sie ihren Marsch von neuem an. Der Wolkenvorhang rollte indeß immer tiefer an dem Gebirge herab. Ein ferne- Rauschen und Brausen ließ sich vernehmen, das fortwährend näherkam; der Wind, der ihnen frisch entgegen blies, ward zum S turm ; sie hörten da- Krachen der Bäume, die er niederwarf, und mußten hinter einem Felsen Schutz suchen vor seiner Wuth. Plötzlich sahen sie sich rings von einem dichten Nebel umgeben. »Nun sind w ir mitten in den Wolken!« rief Jonathan lachend. „W erw eiß, ob euer Pegasus euch je so hoch getragen hat, Herr Professor!« — Er kletterte lustig den Felsen hinauf; sie sahen durch den Nebel die schwankenden Umrisse seiner Gestalt in Riesengröße auf der Spitze stehen, und es schien ihnen, als raffte er mit den langen Armen den vorüberziehenden Nebel in ungeheure
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Bälle zusammen, die er jauchzend den Abhang hinuntcrschleuderte. Wahrend dessen war es um sie her ganz ruhig und still geworden; Jonathan trieb herabsteigend zum Weitergehen. Die Wolken, in denen sie fort schritten, wurden aber bald so dicht, daß man kaum zwei Schritte weit vor sich sehen konnte; sie mußten einander öfters zurufen, um sich nicht zu verlieren. Caroline fühlte sich ermüdet und wünschte ein paar Stunden zu ruhen. Jonathan tröstete sie mit der Versicherung, daß eine von den einzeln im Gebirge zerstreuten Wohnungen in der Nähe seyn müsse. Wirk lich hörten sie eine Weile nachher das Läuten der Kuhglocken, bald sogar das Bellen eines Hun des, und steuerten frischen Muthes darauf zu. Allein so wacker sie auch schritten, der willkommene Schall wollte nicht näher kommen, sondern schien vielmehr, bald rechts, bald links ertönend, immer in gleicher Entfernung vor ihnen her zu ziehen. Werden w ir bald da seyn? fragte die Professorin oft. »Bald, bal d! " tröstete Jonathan, wobei er allzeit heimlich vor sich hin lachte. So waren sie bereits ein paar Stunden bergauf und bergab gestiegen; vor ihnen war es ganz still geworden; kein Laut des Lebens ließ sich spüren, keine menschliche Wohnung zeigte sich. Indeß be merkten sie, daß der Nebel mit beschleunigter Ge-
o d e r die G e b i r g s r e i s e .
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schwindigkeit an ihnen vorüber a bw ärts trieb; es ward Heller um sie her, und nach einer Viertelstunde waren sie gänzlich außer den Wolken. Ueber ihnen wölbte sich rein und heiter der blaue Him m el; zu ihren Füßen aber ruhte weithingedehnt da- Gewölk, wie ein im krausen Wellenschlag erstarrtes Meer. Die S o n n e , die schon tief im Westen stand, strömte ihr rothes Gold über die weiße Fläche, einzelne Bergspitzen ragten wie Inseln d arau s hervor. J o n a th a n erkletterte, einem Eichhörnchen gleich, den W ipfel einer T a n n e , sah sich u m , und kehrte mit der Nachricht zurück, daß er sich verirrt habe, und eigentlich nicht wiffe wo sie sich befänden. Dabei wollte er sich ausschütten vor Lachen über die V o r w ürfe, in welche der Professor ausbrach, und über dessen Aengstlichkeit, sprang wie ein Besessener im Kreise um her, ja alS Caroline endlich auch zürnend f ra g te : w as denn nun aus ihnen werden solle in dieser E in ö d e ? da nahm er in seiner tollen Lustig keit plötzlich den Kopf zwischen die Beine und kol lerte so den steilen Abhang einer Felsschlucht hinab, an welcher sie eben standen. Caroline schrie laut auf vor Entsetzen. D er Professor faßte erbleichend die Hand seiner Frau und b a t , sie möchte doch lieber a u f der S telle mit ihm umkehren, als sich länger der Führung dieses aberwitzigen Kobolds überlassen. In d e m aber stand dieser auch schon lachend wieder
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bei ihnen, kniete vor Carolinen nieder und beschwor sie, nicht zu zürnen: er könne nun einmal heut seinem Hang zum Necken nicht widerstehen; doch wolle er sich jetzt bestreben, vernünftig zu seyn wie ein Professor, und sie ohne weitern Aufenthalt an das Ziel ihrer Reise führen. Damit setzte er sich hin, öffnete den Speisekorb und ersuchte, gleichfalls zuzulangen, um sich zu Fortsetzung der Reise zu starken: der Weg in die Felsschlucht hinab, der ihnen jetzt bevorstehe, sey ein wenig ermüdend, wo fern sie nicht Lust hatten, denselben auf die schnelle und bequeme Art zurückzulegen, die er ihnen eben gezeigt. Als die Professorin an den Abhang tra t, bebte sie zurück vor der jähen Tiefe. Jonathan sprach ihr Muth ein. „Verlaßt euch nur ganz auf mich! a sprach er, ihr seine Hand reichend. „Es sind nun wohl schon über 320 Jahr her — es war grade an dem Tage, da Doctor Luther zu Eisleben geboren ward, — seitdem ist eö mir nicht wieder begegnet zu straucheln, ob ich gleich seit der Zeit merklich schwacher auf den Beinen geworden bin.* Er führte Carolinen schnell und sicher, und sie hatten bereits das Ende des Abhangs erreicht, alS sie zurückblickend noch an seinem Anfang den Pro fessor ängstlich herumrutschen sahen. Jonathan kehrte um und holte auch ihn herab.
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Indeß brach die Dämmerung mächtig ein. Der Weg war rauh und ungewiß. Jonathan zog eine große papierne Laterne hervor. »Ich habe gute Freunde hier in der Nähe," sprach er, »die uns mit Feuer aushelfen werden." Als sie um eine Felsenecke bogen, zeigten sich ihnen seitab in einem Winkel einige Irrlichter. Jener pfiff auf dem Finger, und sogleich kam, gehorsam wie ein Hündlein, eins der selben herübergehüpft, an welchem er sein Licht an steckte. Dem Professor lief es kalt über den Rücken. »Meinen schönen Gruß, Jüngelchen, an den Herrn Vater und die Frau M u tte r! “ rief Jonathan. »Stehe bei Gelegenheit wieder zu Diensten." Der Irrwisch hüpfte zurück, und sie schritten weiter. Die hohen Felsen, welche sie nahe zu beiden Seiten des Weges begleitet hatten, fingen jetzt an ausein ander zu laufen; der Pfad hob sich allmählich wieder, und mit einemmale stand der Mond wie ein leuch tendes Panier über der Zinne der Felsen zur linken Hand. »Nun wäre mein Licht überflüßig!" sagte Jona than. »Allein ich finde es spaßhaft, mit der papie renen Laterne dem Monde zu leuchten, und mich dünkt, es ist dies ein treffendes B ild eurer modernen Aufklärung. Als sie so über die gewölbte Fläche des Berghangs hingingen, aus welcher hiev und da, weißglänzend
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im Mondenlicht, die alten Stam m-und Wurzelreste gefällter Bäume wie gebleichte Riesengebeine her vorragten, fiel dem Professor die Sage von den Gräbern der Riesen ein, und mit halblauter Stimme erinnerte er auch seine Frau daran. » H m ,' sagte Jonathan ernst, »ist denn nicht die ganze Erde ein ungeheures Grab? Stehen wir denn nicht überall auf dem Staube von tausend unter gegangenen Pflanzen - Thier-und Menschengeschlech tern, unter welchen der Riesenkörper der alten Zeit begraben liegt? * I n diesem Augenblick ließ sich unter ihren Füßen ein dumpfes Rauschen und Rollen vernehmen. Jona than blieb stehen und horchte auf. »Wir sind zur S te lle !" rief er. »Der Schooß der Erde öffnet sich. Meine Hand kann euch nicht zurückhalten, denn euch treibt eine mächtigere. Fahret w o h l!" — Ihnen gegenüber zeigte sich ein Licht; es schien ihnen schnell entgegen zu kommen. Jonathan löschte seine Laterne auS, und plötzlich stand vor ihnen ein kleiner Mann in Bergknappentracht, das roth flatternde Grubenlicht an der Mütze, in der Hand einen schwe ren Fäustel tragend. Caroline erkannte sogleich den Doctor Schachtheimer. »Weh, weh! ' schrie Jona than mit entsetzlicher Stimme. »Wahre deine drei Blumen wohl, Frau, sonst seyd ihr verloren!' Der Doctor hob den Hammer drohend gegen ihn,
oder die Gebi r görei se.
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da Loderte er in einer blauen Feuergarbe hoch empor, schoß mit Blitzesschnelligkeit durch die Felsschlucht hinab, und sie hörten noch lange seinen gräßlichen Weheruf, den der Wiederhall hundertstimmig nach rief; so wie er aber das weißglanzende Wolkenmeer tief unter ihnen erreicht hatte, tauchte er hinein. Ein prasselnder Dounerschlag erschütterte den Boden; in der Wolkenmasse fing es an zu gahren und zu toben, hohe Wogen bäumten sich empor und stießen krachend an einander, rothe Blitze zischten nach ihnen herauf, der Sturm heulte durch die Klüfte, von den Bergen herab stürzten ungeheure Felstrum» wer. »Unmachtiger Z o rn !« rief der Doctor, faßte Carolinens Hand und führte sie seitwärts nach dem wettklaffenden Eingang einer Höhle, die sie nun erst bemerkten. Ein hohes Portal von Basaltsaulen baute sich drüber in die Höhe. »Basalt mitten im G ranit!"' sprach der Professor, dem trotz seiner Furcht die mineralische Merkwürdigkeit nicht entging, kopfschüttelnd und mit klappernden Zahnen für sich hin. Der Doctor führte sie im Innern der Höhle weiter und begann: „ Ih r befandet euch in schlechter Gesell schaft; denn dieser Jonathan war niemand anders als der narrische Kobold, welcher hier im Gebirge als Wahrwolf, als Alp, und sonst unter tausend andern Gestalten sein albernes Wesen treibt. Ich
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sah ihm zu, in jener Nacht im Walde, als er aus einem Feuermanne und einigen andern Ingredienzen seine letzte Gestalt zusammenknetete, um euch zu necken. Da der Wagen eben vorti6erfuhr, kamen eure poetischen Ausdünstungen, Herr Professor, mit unter den Teig, und dies mag wohl Schuld seyn an der großen Ähnlichkeit mit euch.« Der Professor sowohl als seine Frau waren noch bis jetzt nicht recht zur Besinnung gekommen und folgten dem Doctor nur maschinenmäßig. Doch endlich blieb Caroline stehen und fragte: »Aber wohin führen Sie uns, Doctc-r ? das muß ich wissen ehe ich weiter gehe?« — „Nun, ich meinte," erwie derte dieser gelassen, »e- wäre euch drum zu thun, etwas von eurem Kinde zu erfahren.« Caroline rief: .Wenn das ist, dann weiter in Go t t e s Namen!« Der Doctor schnitt eine seltsame Fratze bei diesen Worten, wandte sich und murmelte etwas vor sich hin. Dem Professor klangs als spräche er: „die alte Erde ist sich selber Got t ! Wir brauchen keinen an dern.« Da kam er sich auf einmal erst recht ver lassen vor in dieser unterirdischen Einöde, und wie ein vom Zufall hingeworfener B a ll, und es war ihm als würde sein Innerstes starr wie die Felsen um ihn her. Der Doctor aber schien ihn zu erra then und auf andre Gedanken führen zu wollen, kehrte sich um und sprach: »Wie froh bin ich, daß
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ihr kein FLrianzminister oder sonst ein Kameralist seyd: die schöne Ruhe und Stille hienieden möchten sonst am längsten gedauert haben. W ir befinden uns hier in einer mächtigen Gneißschicht, durch welche überall und in allen Richtungen die reichsten Gänge setzen. Seht hier, und hier, und d a !