Schriften: Band 6 [[Oktavausg.] Reprint 2013 ed.] 9783111586472, 9783111213002


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German Pages 283 [288] Year 1826

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Das entschlossene Mädchen.
Der Schatz.
Das Bild der Mutter. 1817
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Schriften: Band 6 [[Oktavausg.] Reprint 2013 ed.]
 9783111586472, 9783111213002

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C.

W.

Contessa's

S c h r i f t e n .

Herausgegeben von

E.

von

Ho u wa l d .

Sechster

Band.

Leipzig, bei G e o r g J o a c h i m Göschen 1826.

I n h a l t .

Das entschlossene Mädchen.

Oper in

drei Aufzügen. Nach Aloys Grafen von Brüht. i8iö»

.

.

.

S. i

D e r Schatz. Lustspiel in Einem Akt. igi6. — D a s B i l d der M u t t e r ,

igi?»

.

95

— r?5

Das

entschlossene M ä d c h e n .

Op e r

in

drei

Auf z üg e n.

Nach Alops G rafen von B rü h l. I 8 I 6.

I n Mufik gesetzt vom Kön. Kapellmeister G . A. Schneider m B erlin.

Contess. Schrift. 6. B d .

I

Personen.

L o r d J e f r i s , Commandant eines Foyts Ln Amerika. M o l l y , seine Tochter. W a l l i s , Major der Garnison. H a r r i s , Adjutant. T o n g o , Oberhaupt der Wilden. Dziambo,

sein Vater.

G i b o , ein Wilder. C i a n e , dessen Tochter, ein junges Mädchen. John,

ein alter Kammerdiener des Commandanten.

J u l i e , Kammermädchen j T o m, Bedienter Soldaten.

Bediente.

J

j.n Hause des Commanbanten.

Wilde.

Seit: der englisch - amerikanische Krieg im Jahre 1782.

Erst er

A u f z u g .

Wilde Waldgegend.

Erste

Scene.

D z i a m b o , T o n g o und ein Trupp W i l d e r sitzen rauchend um ein Feuer her; die letztem erheben sich rasch, während der Vorhang aufgeht. Chor der Wilden. E s ziehn die Wolkenschaaren Aus Westen und aus N ord, Zum S tu rm e sich zu p a a re n ; D u m p f rollt des D onners W ort. Und aus der Wolken Wogen B richt endlich W etters M acht: Entsetzen kömmt geflogen, Und Tod zuckt aus der Nacht.

4

D a s e n t s c h l o s s e n e Mä dc he n. S o kamen wir zusammen, S o saßen wir zu R a t h : N u n bricht wie Blitzes Flammen Hervor die rasche T hat. A u f, daß die Rach' uns kröne A uf blut'ger S ie g e sb a h n ! W ir sind des Tigers Söhne, Und Tongo führt uns an.

T o n g o (mit recitativer Begleitung.) W o h la n , ihr tapfern Krieger, ihr S öhne des furchtbaren T ig e rs, ich w ill, ich werde euer Führer seun! Schwört m ir, mich nicht zu verlassen in Noth und G e f a h r ! C h o r der W i l d e n . W ir schwören! Tongo. Schw ört m ir, nicht zurückzuweichen, wenn das Donnergeschoß der Feinde Feuer und Tod in unsere Schaaren schleudert? C h o r der Wilden. W ir schwören! T o n g o . S o sind wir unsers Sieges gew iß! !?ange genug hat diese Hand voll Engländer uns Ge setze vorschreiben w ollen: jetzt ist der Tag der Frei-

Erster

Aufzug.

5

f)eit gekommen, und in ihrem B lute waschen w ir uns rein von der lange erduldeten Schmach. D z i a m b 0. Recht, mein Sohn ! Bedenke, daß diese grausamen Feinde deinen Bruder fingen und lebendig verbrannten. Niemand, als du selbst, war Schuld, daß w ir die Tochter des Englischen Befehls­ habers nicht unserer W u th , unserer Rache opferten. T 0 ng 0.

Ic h , mein Vater ?

D z i a m b 0. Ir r e ich mich, so vergieb meinen Argwohn. Aber wer sonst als du hatte ihr zur Flucht helfen können? Unsere Gefangene hat, fürcht1 ich, m it ihrer Schönheit dein Herz bestrickt, und deine K ra ft gebunden. D u, von den Engländern in der Kindheit gefangen, von ihnen auferzogen: sogst du nicht m it der L u ft, die dich umgab, auch dieser Fremden Gesinnungen und ihre Schwachen ein? Doch bedenke, Tongo, dein Bruder Hanno, ein edler Krieger, wurde gemartert, um den Tyrannen unsern Aufenthalt und unsere Starke zu entdecken: er fang muthig sein Todeslicd und schwieg; er starb wie ein H eld, und du könntest------T o n g o . Ich werde ihn rachen, oder sterben wie er! H ö rt mich an. Tongo verschwieg die Wahrheit nie. J a , ich habe, ich selbst habe die Tochter des Brittischen Befehlshabers, die unsere Gefangene war, bis an die Mauern ihrer Festung gebracht, um euch

6

D a s ent schl ossene Mädchen.

die Unthat zu ersparen, eure Hände mit dem unschul­ digen Blute eines wehrlosen und schwachen Geschöp­ fes zu beflecken. S oll ich euch zum Siege führen, so verlange ich von euch das Versprechen, des Unschul­ digen und Wehrlosen zu schonen; sonst wählt euch einen anderen Führer; ich weiß auch zu gehorchen. M e h r e r e W i l d e . Nein, nein, du sollst uns anführen, kein anderer! (Sie drängen sich um ihn, und geben ihm die Hand.) D z i a m b o . Sohn, mit solcher Gesinnung sieg­ ten deine Vorfahren nicht; — dein Vater — T o n g o . Genug, mein Vater, ich weiß dich zu ehren und achte auf deinen Rath; doch was ich gesagt, ist unwiderruflich, und m i r müssen sie jetzt gehor­ chen. — Wohlan, meine Freunde, rüstet eure Schaaren. D u , ehrwürdiger Eibo, w irft mit den Deinen bei der Dämmerung an der Spitze des Waldes dich einfinden; du, Matuba, dort, wo der Berg sich nach der Ebene verläuft, und du, Hacha, bleibst mit deinen Bogenschützen und denen, die mit Feuerroh­ ren versehen sind, bei mir. Geht! Die Sonne steigt eben erst aus den Thälern; ruhet aus, bis sie sich wieder verbirgt, dann Sieg oder Tod! Chor Ted!

der W i l d e n

(abziehend.)

Sieg oder

Erster

Aufzug.

7

A uf, daß die Rach' uns kröne Auf blut'ger Siegesbahn! W ir sind des Tigers Söhne, Und Tongo führt uns an.

Z w e i t e

S c e n e .

D z i a m b 0 und T o n g o . (Pause, welche von der Musik paffend ausgefüllt wird. Endlich wendet sich Tongo zu seinem Vater.) Tongo. V a te r, zürnst du deinem S o h n e? Bester V ater, hör' mich an! D z i a m b 0. Nicht mein S ohn, du! M ir zum £ohne Sprichst du diesen Namen an. D u des fremden G ifts Erwerber, Deinem Volke ein Verderber, Bist du uns zurückgekehrt. Tongo.

Ach, dein Sohn — —

8

D a s ent schl ossene Mädchen. Dz i a mb o .

Ich habe keinen! M uß zwei S öh ne nun beweinen! Longo. Noch bin ich des Namens werth. Dz i ambo.

Nicht mein S o h n d u ! M ir zum Hohne Sprichst du diesen Namen an. Longo. V a te r, zürnst du deinem S o h n e ? Bester V a te r , hör' mich a n ! Dz i a mb o .

j D u , des fremden Gifts Erwerber, | Deinem Volke ein Verderber | Trittst du wieder bei uns ein. I Und des Tigers freie Söhne, | Daß der Fremde sie verhöhne, [_ Werden feige Sklaven seyn. L o n g o . H alt e in , V a t e r ! Unmenschlichkeit ist nicht Tapferkeit. Wehrlose würgen werd' ich n ie; aber ich werde den blutigen Schatten meines B ru ders versöhnen, der vor meinen Augen steht, und Dank sey denen, die mich erzogen, denn von ihnen hab'

Er st er

Aufzug.

9

ich ihre Kriegeskunst erlernt, und mit ihr die Kunst, sie selbst zu überwinden. D z i a m b o. Ueberwinden! D u , der Gefangene einer Gefangenen! Oder sprich, liebst du sie nicht, die Tochter des Brittischen Befehlshabers, die unsere Gefangene war? T o n g o . Ja , ich liebe sie. Es ist mein Stolz, daß ich es wagen darf, sie zu lieben. Sieh, als ich bei den Engländern gefangen war, ward ich von einem alten Diener des Commandanten erzogen. John hieß er. Er ward mein zweiter Vater; und hatte ich nicht durch einen der Gefangenen erfahren, daß du noch lebtest, nie hatte ich ihn verlassen. Dort lernte ich Mvlly kennen, ich sah sie täglich, ich ward fast mit ihr auferzogen — ach Vater, wie konnt' ich sie nicht lieben? Sahst du nie den Himmel sich Spiegeln in des See's Tiefe? Mahntest, als ob liebend dich Drunten eine Stimme riefe? Und du fühltest dich gezogen Nach der Tiefe blauen Wogen? S o , als mir ihr Auge sprach, Sah ich drinn den Himmel offen, Und nun zieht mein Sehnen, Hoffen Ewig diesem Himmel nach.

io

D a s en tsch lo ssen e M ädchen.

U n d, V a te r , wer ist eigentlich Schuld an dem Tode meines B r u d e r s ? I h r selbst. Zwanzig E ng­ länder, die ihr an einem Tage aufgehoben, wurden zerfleischt, und die noch von B l u t triefenden Glieder im Angesicht der Festung verstreut. Waren nicht vor­ her unsere Gefangenen gut behandelt w orden? Aber wer B l u t säet, der orntet B l u t ! M an wollte schrecken, und meinen armen B ru der tr a f das Loos. D z i a m b o . Schweig! Ich wende mich von dir und g ehe, meinen ältesten S o h n zu beweinen. D er w ar ein M a n n ! (Geht ab.)

D r i t t e

S c e ne .

T o n g o (allein.) E s treibt mich die Rache Erduldeter Schmach, E s zieht mich die Liebe Versöhnend sich nach. E s schwanken Gedanken, Gefühle in m i r :

Erster

Aufzug.

u

Doch ist ohne Danken Das Herz bei i h r. Doch wer kömmt dort? — Was ist das! — Ein Engländer — gebunden ? (Eibo und mehrere Wilde bringen John in ihrer Mitte geführt.

Vierte Tongo.

John.

Eibo.

Scene. Ci ane.

W ilder.

Tongo. Was fefs ich? Jst's möglich? John! mein theurer Freund!. Mein -weiter Vater! Du hier? — J o h n . J a , gefangen; aber in deinen Handen, Tongo. Willst du meinen Tod? Wohlan, hier ist meine Brust! Aber von deiner Hand allein erwarte ich ihn. T o n g o . Wie? du könntest glauben, daß Tongo (Er löst seine Bande auf.) Du bist frei, du bist in Sicherheit, bei dem Haupte eines tapfern und edeln Volkes, dem Dankbarkeit eine heilige Pflicht

i2

D a s entschl ossene Mädchen.

ist. I h r seht mich mit Verwunderung an, Freunde! Schaut in diesem Greise den nämlichen, der mich auferzogen; der mich nicht getödtet, ob er es gleich konnte; mich nicht wie einen Sclaven gehalten, ob er gleich mein Herr war ; der mich geliebt wie seinen eignen Sohn! John.

Und doch konntest du mich verlassen?

To n g o. Vergieb! Mein Vater lebte noch. Das Verlangen nach ihm bewog mich zur Flucht, und so kann ich dir denn jetzt das Leben retten, und du siehst dich mitten unter deinen Feinden geliebt und verehrt! — Nun Freunde, wackre Krieger, wer von euch möchte noch diesen Mann seiner Rache aufopfern? (Die Wilden nähern sich John, und reichen ihm die Hand.) Dank, Dank euch! Ih r seyd des Sieges werth, dem wir entgegen gehen! — Vergönnt mir jetzt einige Augenblicke, mit meinem Freunde allein zu seyn. Bereitet ihm in meiner Hütte ein Lager, und erzählt meinem Vater, was ihr gesehen. (Einige gehen ab. Eibo, Ciane und die andern treten in den Hintergrund.) J o h n . Tongo, Tongo, sind das die Wilden, die man uns als grausam reißende Thiere schildert? Tongo.

Alter John,

alle Menschen find gut,

E r s t e r

A u f z u g .

13

wenn sie gut geleitet werden. — Aber, J o h n , warum habt ihr meinen B ru d e r so grausam hingerichtet? Hanno wurde als ein Krieger gefangen und wie ein Verbrecher behandelt; das trei-bt jetzt mein Volk zur Rache herbei. J o h n . Es war nicht Lord Ie fris Wille. Durch die Mehrheit der Stim m en gezwungen, mußte er das Urtheil des Kriegsgerichts mit blutendem Herzen unterschreiben. T o n g o . S o beklage ich ihn, daß er m u ß te ! Ein Befehlshaber m ü s s e n ! ? — Ich muß N i c h t s , denn ich kann sterben. — Sechs M onate nachher wurde seine Tochter 'gefangen, und ich gab sie ihm wieder. — Jo hn — was macht Modi; ? J o h n . O , das arme Mädchen ist immer tr a u ­ rig und schwermüthig gewesen, seitdem sie von dir wie­ der zurückgesendet w urde; jetzt aber ist sie sehr unglück­ lich. Lord Jc friß , sonst ein würdiger H e rr, hat sich durch die Ranke und Schmeicheleien eines M ajors W allis einschläfern und bethören lasten, und verlangt von seiner Tochter, daß sie ihm sofort ihre Hand geben soll. T o n g o . H a , beim Himmel! das soll er nicht! das wird ihm nicht gelingen! Nicht berühren soll sie der N ichtsw ürdige! J o h n . W as hast du, T o ngo?

i4

D a s ent schl ossene Mädchen.

T o n g o . Molly in den Armen eines Menschen, den sie verabscheut, der sie unglücklich macht! Nein! ru f ich, nein! so lange noch ein Hauch von Kraft die Sehnen dieses Armes spannt! — Leb' w?hl, John! J o h n . Wo willst du hin? T o n g o . Lebe wohl! — Komm naher, Eibo! (Einen Wilden winkend.) D ir Freund, vertraue ich diesen Mann an; nimm ihn in deine Hütte, laß ihn nicht von deiner Seite; alles bleibt ruhig bis zu meiner Rückkehr; rn wenig Stunden bin ich wieder hier. D u , Hacha, laß mir dort an die große Eiche bei der Löwenhöhle, den vollständigen Anzug eines getödteten Engländers bringen. — Geh, und ver­ liere keine Zeit. — Lebe wohl, John! — Noch eins, Eibo, — wenn ich nicht wieder käme, du bist der Nächste, mir in meiner Würde nachzufolgen; schwöre mir zu, lege deine Hand auf meine Brust: diesen Mann unverletzt nach der Festung zu bringen! E i b o , (die Hand auf Tongo's Brust legend.) Ich verspreche es dir! C i a n e . Auch ich verspreche es. Ich werde für ihn sorgen wie eine Tochter für ihren Vater. T o n g o . Wohl! Nun geh, nun bin ich ruhig. J o h n . Und du sagst mir nichts? Tongo.

Ich kann und darf nicht.

Lebe wohl!

Er s t e r Au f z u g .

15

J o h n . Fast errathe ich dein Vorhaben. Ich bitte dich, ich beschwöre dich, frevle nicht, setze dein Leben nicht einer unvermeidlichen Gefahr a u s ! Wirst du erkannt, so kann nichts dich retten. Der Com­ mandant selbst — T o n g o . J a , ja , das weiß ich, der m u ß — aber ich m u ß a u c h , denn ich will! Ich w ill, ich muß sie sehn! — Wenn tausend Tode sie umstünden, Gerettet muß sie seyn! Des Lebens höchsten P reis zu finden Setz' ich das Leben ein. John. Wie meine Worte dir verkünden, Weh m ir, so wird es seyn: D u wirst den T od, du wirst ihn finden. Doch nimmer wird sie dein! C i a n e (zu John.) Laß alle Sorge nur verschwinden, E r setzt sein W ort dir e in : W as Tongo's Worte uns verkünden, Vollbracht auch muß es seyn!

D a s entschlossene Mädchen. E i b o. S könnt' ich mich m it dir verbinden, An deiner S eite seyn! W enn tausend Tode dich umstünden, Ich wollte dich befrei». (Zu Ende deß Q uartette geht Tonga schnell ab.)

Fünfte John.

Ci a n e .

Scene. Eibo.

Wilde.

C i a n e . Wackrer L ongo! J o h n . O H im m el, rette ihn! D u kannst es allein. K om m , F reund, ich folge dir-, doch kehrt L ongo nicht zurück, so entbinde ich dich deine« E i­ des : Lobte m ich! D enn das Leben würde m ir dann nur zur Last seyn. C i a n e . S ey ru h ig , alter M a n » ; Longo w ird zurückkehren, und bis dahin bist du in unserm Schutz.

Er s t er Au f z u g .

Sechst e V orige.

17

Scene.

D z i a m b 0.

W ilde.

D z i a m b 0. Wo ist der E n g lä n d e r , der G e fa n ­ gene, den mein S o h n freigelassen h a t ? J o d n . H ier ist er. B ist du T o n go's V a t e r ? D z i a m b 0. Und wo ist Tongo ? E i b 0. Vielleicht in diesem Augenblick schon au f dem Wege nach der Englischen Festung. E r befahl, ifwt die Kleider eines ermordeten E ngländers nach der Löwenhöhle zu bringen. D z i a m b 0. O , so ist er verloren! S i e werden ihn m a r te r n , sie werden ihn m orden, wie seinen u n ­ glücklichen B r u d e r ! C i a n e . Fürchte nichts; Tongo ist eben so klug als m uthig. E r wird wiederkehren, und uns Kunde bringen von den Feinden. D z i a m b o . N e i n , nein! E r w ird nicht wie­ derkehren. D ie Festung der E ng län der d o rt, das ist die Löwenhöhle, aus der keine Wiederkehr ist. O , ich ahne den Zusammenhang. (Zu Jo hn.) D u hast ihm Nachricht gebracht von i hr ; du hast ihn ver­ lockt, E lender! D u hast mich um meinen S o h n be­ trog en, den einzigen, der m ir noch übrig w ar! ti'ntffT Schri'l

6. Bd.

2

Das

ent sc hl oss ene M a d c h en.

M ein Sohn, mein S o h n ! So bist auch du verloren! Entsetzliches Geschick! C i a n e. E r ist dir nicht verloren. Dein Sohn kehrt dir zurück! D z i a m b o. Zwei Söhne seh ich sterben Von fremder Mörder Hand. E r s te s C h o r d e r W i l d e n , Sie hat uns zum Verderben Der große Geist gesandt. D zi ambo. Ich rufe Fluch, Verderben A uf dieser Britten Haupt! E rs te s C h o r d e r W i l d e n , W ir rufen Fluch, Verderben A uf dieser Britten Haupt! John. Gern, Vcuer, w ill ich sterben, Is t dir dein Sohn geraubt. D z i a m b o. D u sollst den Tod erwerben, Kehrt Tong', nicht zurück.

Erster

Aufzug.

Erst es C h o r der W i l d e n . Er soll den Tod erwerben I n diesem Augenblick. John.

Gern, Vater, w ill ich sterben, Kehrt Tongo nicht zurück. E i b 0 und C i a n e. Halt ein, er soll nicht sterben! Frei sott er von uns ziehn. Z w e i t e s C h o r der W i l d e n . N ein, nein, er darf nicht sterben !

Wir schützen ihn. D z i a m b 0. Auch über ihn Verderben, Der mir den Sohn geraubt! E rs te s C h o r der W i l d e n . W ir rufen Fluch, Verderben Auf aller Britten Haupt! John. Gern, Freunde, w ill ich sterben, Is t Tongo euch geraubt. Z w e i t e s C h o r der W i l d e n . Nein, nein, wir haben es geschworen, Frei soll er wieder ziehn.

19

D a ß ent schl ossene Mädchen. Erst es C h o r d e r W i l d e n . Er ist, er ist verloren, Verderben über ihn! Z w e i t e s C h o r der W i l d e n . Wi r haben es geschworen! Erst es C h o r der W i l d e n . Er ist, er ist verloren! Z w e i t e s C h o r d er

Wi l den.

Wi r schützen ihn! John. Gern, Freunde, will ich sterben, Ist Tongo euch geraubt. Erstes C h o r der W i l d e n , Wi r rufe» Fluch, Verderben Auf aller Britten Haupt! E i b o. N ein , nein, er darf nicht sterben! Mein Wort setzt' ich zum Pfand. Auf Tongo's Brust beschworen Hab' ichs mit meiner Hand. E i b o und C i a n e. Er bat zum Schild erkohren, Zum Schutz ihn uns ernannt!

Erster Zweites

Aufzug.

Chor

der

Wi l den.

Wi r haben es geschworen, Es schützt ihn unsre Hand! D z i a m b 0. Mein Sohn! auch du verloren, Verloren bist du m ir? C i a n e. E r ist dir nicht verloren, E r kehrt zurück zu d ir ! lind drohen ihm Gefahren, Was stehn w ir zaudernd da? A u f, sammelt eure Schqaren, Und Hülfe sey ihm nah! Chor

s ä mm t l i c h e r W i l d e n .

J a , sammle» w ir die Schaaren! Was stehn w ir zaudernd da? Und drohen ihm Gefahren, Sey unsre Hülfe nah! Aus Bergesklüften Macht Sturm sich auf. Geheul ist in Lüsten, Es bangen Wald und T riften ; Es stürzen des Waldes Wipfel, Es wanken der Felsen Gipfel — Wer hemmt seinen Lauf? S o machen w ir uns auf!

21

Z we i t e r

Aufzug.

Ein Zimmer im Eommandantenhause im Fort; M ittel­ und Seitenthür; vorn ein behcmgener Lisch.

Er st e S c e n e . Tom (guckt zur Thür herein, sieht sich um, und tritt dann ein.) Äst hier wohl endlich ein ruhiges Plätzchen zu fin­ den , wo man sich ungestört mit einem guten Freunde unterhalten kann? (Er zieht eine Bouteille aus der Tasche.) Komm heraus, Geliebte, ich habe mit dir zu sprechen. Du sollst mich trösten, denn ich bin sehr bekümmert. Das ganze Fort ist in Bewegung; einer rennt wider den andern; man vermuthet, daß die Wilden den alten John aufgefangen und ohne Zweifel aufgespeist haben; — über diese Vermuthung, ich kann's nicht laugnen, ist mir eine rechte Schwer-

Zweiter

Auf z ug.

23

muth Ln die Glieder geschlagen. Nicht, daß an dem John, an dem alten Gebetbuch, viel gelegen wäre — er hat mir nie eine unschuldige Freude gegönnt-----aber wenn ich bedenke, daß einem über kurz oder lang ein gleiches Schicksal treffen kann; wenn ich bedenke, daß die Nase eines solchen verfluchten Menschenfresiers der Leichenstein seyn sott, der sich über meinem lebendigen Grabe erhebt-----------Komm her, mein Freund, verscheuche diese traurigen Gedan­ ken, die mein Gemüth umschwärzen, wie Fliegen einen Napf voll süßen Rahm! ( E r schenkt sich ein, und hält das Glas unter die Nase.) Ach — dieser köst­ liche D u ft: — das riecht schon wie lauter Muth. (Er trinkt.) Hat man einen solchen Bundesgenoffen im Leibe, dann fürchtet man sich vor dem Teufel selbst nicht. — (Trinkt.) Wenn doch alle Quellen und Bache Wein ausschenkten, es wäre mehr Begei­ sterung, es wäre mehr Tugend in der Welt! — Aber Wasser! Waffer trinken wie das liebe Vieh! Kann man sich da noch über die Bestialität der Men­ schen wundern? — Vor Alters einst zum Sterben Die Welt darnieder lag; Ringsum war Noth, Verderben Und Nacht den ganzen Tag. Vom Waffer kam das Uebel,

24

Das

entschlossene

Mädchen.

So steht es in der Bibel, Daß man's wohl glauben mag. Die Menschen tranken Wasser, Drum brach die Sündfluth e in : So trinkt, des Wassers Hasser, Jetzt lieber lauter W ein! Vom Wasser kommt das Uebel, S o steht es in der Bibel, D ru m , B rüdcr, trinket W ein! Wie mir die Courage gleich durch alle Adern lauft! Ich bin ein ganz anderer Kerl jetzt — jetzt nehme ich es mit sechs solchen Menschenfressern auf. Kommt nur an, ihr alle, wie ihr da seyd, nur her! P ah ! Pieh! P u ff! P a ff! — Teufet, ich könnte es jetzt or­ dentlich wünschen, daß es zu einem Scharmützel käme. We ter, wie wollte ich sie! P u h ! Pah! da liegt einer, und, P ah ! da noch einer! P ah ! Pich! P u ff — P a f f ! -------------

Zwei t e T o m.

Scene. Julie.

J u l i e , (die schon während des Gesanges hereingetrcten und lauschend an der Thüre stehen geblieben ist.) Ach Tom ! Tom ! liebster Tom !

Zweiter

Aufzug.

25

T 0 m. Nun, was ist? was giebt's? J u lie . Ach sie sind da! Tom. Wer ist da? J u lie . Ach die Wilden, die Wilden! Tom. Was? Julchen, mein liebstes Julchen, mache mir keine Spaße! J u lie . Ach jetzt ist keine Zeit zum Spaßen! In Hellen Haufen kommen sie aus dem Walde, sie sind schon ganz nah —- ach ich unglückliches Mäd­ chen. Steh mir bei, liebster Tom, rette mich! Tom. Alle Teufel! ja doch! versteht sich! recht gern, mit Vergnügen! die kommen mir eben recht! die sollen ihren Mann finden! Aber ist es denn wirk­ lich wahr, schönstes Julchen? J u l i e . Ach Gott, die Vordersten machen schon alle Anstalten zum Sturmlaufen — Da, da, hörst du nicht ihr fürchterliches Geheul? Ha! Ha! Hu! (Sie ahmt das Geschrei der Wilden nach.) Das ist ihr Schlachtgesang! T 0 m. Ja — ja — ich glaube du hast recht — theuerstes Kind — ich glaube — ich habe es heute so in den Gliedern — meine alte Krankheit — wahr­ haftig sehr zur Unzeit — aber warum schießen sie nicht mit Kanonen unter das Gesindel — ? Nieder mit den Hunden l Kartätschen! Kettenkugeln! es

26

D a s entschlossene M adche n ♦

muß keiner übrig bleiben. Schießt ins Teufel- Na­ men! Süße Juliane, warum schießen sie nicht? J u l i e. Ach es ist keiner von den Offiziers zu finden; auch Lord Jefns wird überall gesucht; alles ist in der größten Verwirrung, — keiner weiß, was er thun soll — geh doch hinaus — lieber Tom, stelle dich indeß an die Spitze, gieb ein Beispiel; ein ent' sch(offener Mann wie du kann viel th u n ------Tom. J a , meinst d u — ? Ja, ich gehe schon, ich w ill ein Beispiel geben — he, ein Verspiel, eng­ lische Seele — ! — J u l i e . Ja, lauf nur geschwind, es ist die höchste Zeit! Wenn die Wilden hereinkommen, — sie haben geschworen, alle Männer zu ermorden. T om. Morden? liebstes Wesen! aber die Weiber? J u l i e . Werden verschont! T o m . Verschont? allertheuerstes Julchen! Wie war's — leih mir deine Kleider, göttliches Herz! ich w ill mich lieber mit verschonen lassen, — bloß aus Liebe zu dir, um hernach dein Beschützer zu seyn.— J u l i e . Ach komm, ja, du hast recht, du sollst unser Beschützer seyn; das ist ein herrlicher Gedanke. J a , ich laufe sogleich und hole die Kleider. ( S ie läuft nach der M tte tth ü re , prallt aber, sie öff­ nend, mit Geschrei zurück, wirst die Thüre wieder zu und rennt durch eine Seitenthüre, die sie gleichfalls wie­ der hinter sich zuwirft.)

Z wei te r

Aufzug.

27

Tom . O mein gnädiger Himmel! Was ist das? was giebt's? Julchen! Was ist da draußen? Ach ich wollte, ich — wäre tausend Meilen von hiev! mir ist, als hörte ich großes Getümmel unten auf dem Platz (Er läuft nach der Mittelthür; indem macht Ju­ liane, die indeß herum gelaufen ist, wieder vor derselben den Schlachtgesang der Wilden nach: Ja! ho! ju !) — Christliche Barmherzigkeit! Was ist das ? Ich bin des Todes! (Er lauft nach der Seitenthür.) Julchen, liebstes Julchen, theuerstes Julchen, liebste Juliane; Julchen, goldnes Wesen, himmlisches Zuckerherz­ laß mich ein! O Himmel, die Thür ist Verschlossen; Wo soll ich hin? Was soll ich machen? (Er läuft in großer Angst hin und wieder.) J u l i a n e (vor der Thür.) H a ! H o ! H u ! T 0 m. Ich bin verloren! (Er kriecht schnell unter den verhangenen Tisch. Pause. Juliane tritt leise her­ ein und kommt in den Vordergrund, wo sie sich dem Tische gerade gegen über in einiger Entfernung von dem­ selben aus einen Stuhl setzt. Die Musik begleitet die folgenden Worte nach Art des Melodrama.) J u l i a n e (nach einer Weile.) Tom ! — Tom ! — wo steckst du, süßes Tetlichen ? — Bist du todt? — Ach so zeig' dich mir, geliebter Schatten, noch ein­ mal zeig' dich m ir! (Tom hebt den Vorhang langsam auf und guckt hervor.) Er ist's! Er ist's! Noch ein-

28

D a s

entschl ossene M ä d c h e n .

mal entsteigt er der Unterwelt, um mich zu sehen — Ach du Geliebter, wie ist's da unten! Du siehst sehr bleich und miserabel aus! T om. Wo — wo — sind die Wilden? J u l i a n e . Sie — sie — sind alle wieder fo rt! — Ich habe sie zurückgeschlagen — ich! T o m ( ganz hervor kommend und sich aufrichtend.) Und ich — ich — Fast w ill mir vorkommen, als war" ich am Ende der Narr bei der ganzen Geschichte. J u l i e . Ach, Tom, es kommt mir auch so vor! T om. Alle Pest! du hast dich unterstanden mich zu foppen? J u l i e . J a , lieber Tom, ich bin so frei gewe­ sen. T o m. Triumphire nicht zu sehr! der größte Held hat seine schwachen Augenblicke. Der Löwe fürchtet sich, wenn der Hahn kräht — aber deine Ver­ wegenheit muß bestraft werden. J u l i e (ihn zurückstoßend.) For t! F o r t ! Hinweg von m ir! T o nt. Einen Kuß, und ich verzeihe dir.

Jul i e. Wag' es nicht mich zu berühren!

Z w e i t e r

A u f z u g .

T 0 m. Aber so mich zu veriren! C o verwegen mich zu necken! Julie. Unterm Tisch sich zu verstecken! Bei de. Nein das ist nicht zu verzerihn, D a r f nicht ohne S tra fe seyn! Tom. J a du sollst, du mußt mich küssen! Jul i e .

F o r t , ich will von dir nichts wissen! T o m. S o verwegen mich -u necken! J u l i e. Unterm Tisch sich zu verstecken! Beide.

N e in , das ist nicht zu verzeihn, D a r f nicht ohne S tr a f e seyn! Julie.

S t i l l ! merk a u f, was ich dir sagen will:

29

3o

D a s entschlossene M ädchen.

Auf den Lippen zarter Frauen N ur zu fühlen, nicht zu schauen, In der Liebe Sonnenschein B lüht wohl eine Blüthe fein. Doch der rechte Mann allein, Der Gefahren nie den Rücken Nein, die Brust entgegen kehrt, Nur der Tapfre darf sie pflücken: — Feige sind nicht küffenswerth! (Sie macht ihm einen spöttischen Knix, und läuft davon; Tom läuft ihr nach.)

D r i t t e

Scene.

Die Musi? geht in einen ernsten schwermüthigen Cha­ rakter über. Molly tritt in Gedanken versunken herein, und schreitet langsam nach dem Vordergründe. — Die Musik schweigt. M o l l t; (aufblickend.) Schon wieder hier? Ich gehe rastlos, unstat durch die Zimmer, Und kann mir doch die Ruhe nicht ergehn. M ir ist so bang, mich drücken diese Mauern — Selbst diese Luft engt mir den Busen ein!

Zweiter

Au f z u g .

31

(Die Musik fangt an in ganz leisen Tonen ihre W orte zu begleiten.) Ach! könnt' ich doch hinaus ins Freie — Hinschweifen durch die weitgedehnten M atten, Mich tauchen in des W aldes grüne Schatten, D oll Ahndung nach den blauen Bergen schauen, AuS Abendwolken mir die Zukunft bauen, — D an n schlug' das Herz wie sonst m ir froh und frei ! — S o n st] — Armes H e rz , die Zeit ist langst vor­ bei ! V erw eht die S p ie le , die dich sonst beglückten, V erblüht die B lu m en , die dich sonst erquickten, Und n u r dein Schmerz m it jedem M orgen neu! (S ie setzt sich an den Tisch, und stützt den Kopf in die Hand. Die Musik bereitet in einzelnen Anklängen die folgende Romanze vor.) I m W ald geht leises Rauschen W ie ferner Stim m en Weh, S till durch die B la tte r lauschen D ie S te rn e aus der Höh. Lieb R ö stein , w as sagen D ie S tim m en in dem W a ld ? S ie zagen und klagen: D er S om m er zieht nun bald.

32

D a s e n tsc h lo sse n e M ädchen. Und über T h al und Haide D er Nachtwind seufzend w eht; D er M ond in bleichem Leide D o rt auf dem Hügel steht. Lieb Röslein, was sagen W ohl Mond und Nachtwind dort? S i e sagen und klagen: D ie Liebe zieht mit fort! D a s Röslein hört's voll Bangen, D a s Herz wird ihr so schwer: I s t Lieb' und Som m er gangen, S o blüh' ich auch nicht m e h r! W as flüstern, was sagen D ie Stim m en allzum al; S i e sagen und klagen: T od ist die Ros' im T hal!

Vi erte Julie.

Scene. Molly.

J u l i e . Aber theuerste M iß, immer solche schwermütbige Lieder? Im m e r die schönen Augen voll T h rä ­ nen? Und ich soll das so mit ansehen? Werd' ich

Z w e i t e r

A u f z u g .

33

denn diesen rothen Mund nie wieder lächeln sehn? — Ich weiß wohl, daß es hart ist für ein Mädchen, einen Mann zu nehmen, den der Vater und nicht das eigne Herz erwählt hat; aber es steht nun nicht zu andern. Ih r Herr Vater ist fest entschlossen; er hat sein Wort gegeben, das wissen S ie , also muH man sich fassen. Und der Major Wallis ist doch we­ nigstens ein ganz hübscher Mann. M o t ly . Ich bin gefaßt, Julie: dieser M aivt Wallis wird nie mein Mann. J u li e . Wo denken Sie hin, M iß? Lord Jefris ist von der A rt Leute, die einen Entschluß mit chuem Leben zu behaupten bereit sind. M o l ly . Ich auch, mein Kind. Ich bin seine Tochter. Auf den schlimmsten Fall liegt in diesem Dolch meine Rettung. J u li e . Ach, theuerstes Fraulein, was sagen Sie da? Um des Himmelswillen, Sie werden doch solche Gedanken nicht fassen. M o l (y. Mein Herz und meine Hand gehört allein dem Beschützer meiner Ehre und meines Lebens. J u lie . Versteh' ich Sie recht? Sie sprechen von Tongv? Ach, mein Fraulein, die Dankbarkeit ist eine schöne Tugend, aber auch eine Tugend kann man zu Weit treiben. Bedenken Sie doch, ein Selav, ein -Wilder — 1 Contess.

Schrift

6, B o.

dl

34

D a s e n tsch lo ssen e M ädch en.

M o l l y . Ein © c l a v ! E in W i l d e r ! W a r ich nicht auch seine S c la v in ? Und ist er nicht ein Fürst bei seinem V olke? Und ist er nicht bei u n s , in u n ­ sern S i tt e n auferzogen? I s t er nicht ein C h rist? — Ich weiß nichts von euren Europäischen Vorurtheilen. Ich bin eine A m erica nerin, ein Kind dieser freien W ä ld e r , und ich liebe i h n , den edelsten Menschen, den der B od en meines V aterlan d es träg t. Ach, schon d a m a ls , als er noch der G efäh rte meiner kindischen S p ie le w a r ---------Als noch am blauen Himmelsbogen D e s Lebens frühste S o n n e stand. D a schon w ard süßer Liebe B a n d U m unsre Herzen fest gezogen.

Jul i e. Doch nun ist au des H im m elsbogen, W o sonst ob goldnem Unschuldland D e r Liebe heitre S o n n e stand, E in nächtlich W etter aufgezogen. r

]

M o l l y. D ie Flamme leuchtet durch die Nacht, D ie ew'ge Liebe angefacht!

Jul i e. ! U n d , ach, es leuchtet durch die Nacht l Kein Stern von Hoffnung angefacht!

Zweiter

Auf z ug.

35

J u l i e . N e i n , niemals w ird Lord I e f r i s in eine solche V erbin dung w illig e n ! M o l l y. Ich w eiß, w as ich ihm als V ater, w a s ich m ir selbst schuldig bin. Ich werde sie nie schlie­ ßen ohne seine E inw illigung. Doch bleibt dann meine H an d auch a u f immer jedem andern M an n e ver­ sagt. — O , G o t t , da ist e r , der verhaßte W a llis ! — Laß u n s allein. Julie. M ein F r a u le in , S i e werden doch n ich t ? Molly. S e y ruhig. Ich bin kein Kind. V e r ­ laß uns. (Julie geht ab.)

F ü n f t e

Scene.

M a j o r W a l l i s. M o l l y. W a l l i s . Lord I e f r i s sendet mich v o ra u s , und wird gleich folgen. — E r hofft, daß dieser T a g der glückliche seyn w erde, der seine und meine W ü n ­ sche endlich m it der so lange ersehnten G ew äh run g krönt. M o l l y . S i e kennen bereits meinen festen E n t ­ schluß, H e r r M a j o r ; ich wiederhole es , ich kamt nie die ihrige werden. S i e haben die Knust verstanden,

3-6

D a ß e n t s c h l o s s e n e Nt a d c h e n .

einer Tochter da§ Herz ihres V aters zu entfremden; S ic haben ihn durch I h r e Heuchelei getäuscht. S i e haben sich in seine G unst gestohlen, und glauben nun mein Loos in ihrer Hand zu haben. S ie irren fich. Wer den T od nicht furchtet, ist allezeit seines Schuf* fass Herr. W a l l i s . D a s klingt sehr tragisch, meine schöne M iß. Allein die Zeiten der Lucretia find langst vor­ bei, und vch bin kein T arquiu. M o l l y . Mein V ater wird das Unglück seines Kindes nicht wollen. Herr M a jo r, wenn nur ein Funken von Edelmuth in I h r e r Seele ist, so geben S ie von selbst den Gedanken an eine Verbindung a u f , die nur Zwang schließen und Widerwille fcgleiten würde. W a l l i s . S ie scherzen, schöne Mollv. Ich sotUe ein Glück aufgeben, das ich schon in meinen Hätt* den halte? Ich habe Lord Jefris W o r t, und dieser kleine Eigensinn wird nicht unüberwindlich seyn.

Sechste S c e n e . Lord J e f r i s . Die Vorigen. W a l l i s . G u t , dafi S ie mir zu Hülfe komnmn, Milord. Ich bin in G efah r, gänzlich zurück'geschi^-9 cn zu werden.

Z w e i t e r

Aufzug.

L o r d J e f r i s. Wie d a s , mein S o h n ? W a l l i s . I h r S o h n ? M ilo rd , kein größeres Glück für mich, als wenn ich diesen Namen tragen dürste; doch ich werde, obwohl mit blutendem H er­ zen, darauf verzichten müssen. D a s Frautein beharrt bei ihrer Weigerung. L o r d J e f r i - s . W ie? G ilt deines V aters Wunsch dir so gering? Zögerst du des V aters Witten Selbst auch dann noch zu erfüllen. Wenn er bittend zu dir spricht? Mol l y. Zögern w ürd' ich nicht, mein Leben Deinem Willen hinzugeben; Aber das verlange nicht! W a l l i s (für sich.) Heißer nur beim Widerstreben Fühl' ich das Verlangen beben, D a s durch alle Schranken bricht. Lord J e f r i s . Hörst du meine B itte nicht, S o gehorche dem B efehleS egen oder Fluch erwähle, Folgen oder Widerstehn!

38

D a s ent schl ossene Mädchen. Mold;. Vater, sieh zu deinen Füßen Deine Kniee mich umschließen, Höre deines Kindes Flehn!

Wal lis. Soll ich in Begier verbrennen? Sie besitzen, mein sie nennen W ill ich, oder untergehn! M o l l y. Sieh mich hier zu deinen Füßen, Höre deines Kindes Flehn! L o r d J e f r i s (bei Seite.)

< Seh' ich ihre Thränen fließen, Kann ich doch nicht widerstehn! Wallis. Sie als mein noch heut umschließen, W ill ich, oder untergehn! L o r d J e f r i s (sie aufhebend.) Steh auf, mein K in d ! Diese Stellung ziemt Lord Jefris Tochter nicht; hier am Herzen ihres Vaters ist ihr Platz. M o l l v. Mein theurer Vater! L o r d Ie fa - i s. Hier wirst du dich besinnen, mein K in d ; du wirst deine Pflicht und meine Liebe nicht einem kindischen Eigensinn zum Opfer bringen.

Zweiter

Aufzug.

39

M o l l y . Ach, theurer V a t e r ! nicht Eigensinn — L o r d J e f r i s . N u n so nenne m ir den G ru n d deiner W eigerung. D u liebst den M a n n nicht, den ich brr bestimmt habe. Liebst du einen A n d e rn ? M o l t p . Ach, mein V a te r, ja ich liebe — w arum sollte ich es noch langer verhehlen? Ich liebe den Gespielen meiner K indheit, den Beschützer meiner E h r e , den Retter meines Lebens. L o r d J e f r i s . W i e ? höre ich recht? versteh' ich dich, mein K i n d ? du liebst T o n g o ? und du wagst, mir das zu gestehen? W a l l i s . W i e ? T o n g o , diesen S c la v e n , diesen U eberlaufer, dem unsere Gesetze die entehrendsten S t r a f e n zuerkennen? M o l l y . E r ist kein S c la v e . E r ist ein Fürst, ein König seines freien Volkes. M i t eben dem Recht könnte er mich seine S c la v in n e n n e n , denn w a r ich nicht auch in seinen H a n d e n ? Ach V a t e r , Tongo hatte den M o rd seines B r u d e r s H am m o zu rachen, und er beschützte mich gegen sein V o lk , das meinen Tod v erlangte; ja noch m ehr, er liebte mich, und er bezwang seine Leidenschaft, und gab mich dir wieder zurück. W ie könnte ich ihn nicht lieb en? Und wie könnt' ich diesen d a , den M ö rd er H a m m o 's , nicht hassen? W a l l i s . Vortrefflich! der Dienst des K önigs, unsere eigene Sicherheit verlangte ein solches B e i-

40

Das

ent schl ossene Ma dc he n.

spiel, und dafür soll ich büßen? Hat nicht Ih r Vater selbst das Urtheil unterschrieben? Lor d J e f r i s . Schweigen Sie davon! Ich ward überstimmt; W allis, Sie wissen es, wider meinen W illen, schaudernd unterschrieb ich meinen Namen. Der Diensteifer hatte Sie allerdings zu weit geführt. Sie als Vorsitzender konnten den Aus­ schlag geben — — W a l l i s . Ich erstaune, Milord, und sehe wohl, trotz dem Wort , das Sie mir gegeben, auf wessen Seite sich der Sieg lenken wird. L o r d J e f r i s . J a , Sie haben mein Wort, und nichts wird mich bewegen, es zu brechen; allein ich finde es unedel, Herr M ajor, mich in diesem Augen­ blick daran zu erinnern.

Siebente

Scene.

A d j u t a n t H a r r i s mit einigen O f f i c i e r e n . Die Vorigen. A d j u t a n t H a r r i s . Milord, ich komme, Ihnen zu melden, daß unsere Vermuthung sich leider zu bestätigen scheint. Ohne Zweifel ist Ih r Kammer­ diener John in die Hände der Wilden gefallen. Man

hat mehrere an der Spitze des W aldes erblickt, und w ir haben wohl einen Ueber soll zu befürchten. Auch Ju lie und I h r Bedienter T om , die beide vor kur­ zem das F o rt verließen , sind noch nicht wieder zu­ rück W ir kommen, I h re Befehle deshalb zu empfangen. M o l l p . W ie? J u li e ? L o r d J e f r i s . O , mein alter redlicher J o h n ! - W ie n u n , H err M a jo r, wenn nun mein alter treuer Diener m it gleichem M aaß behandelt wird wie Tongo's B ru d e r? — W a l l i s . S o hat die G arnison einen unnöthigen M und weniger zu ernähren — ein Kammerdie­ ner weniger. L o r d J e f r i s . H err M a jo r, S ie sind — doch jetzt ist der Augenblick nicht, Ih n en d arau f zu ant­ w orten. W ir wollen gehen, und uns zur V erthei­ digung bereit machen. A uf ihren P o sten , meine H er­ ren! E s ist unnöthig, S ie an das zu erinnern, w as S ie Ih re m V aterland und dem D ienst des KönigS schuldig sind. S ie sind Officiere — aber sagen S ie unsern Leuten, daß dies vielleicht die letzte Gelegen­ heit ist, sich im Dienst des V aterlandes auszuzeich­ nen. Ich erw arte täglich die Nachricht von dem ge­ schloffenen Frieden. —- Kommen S i e , meine H erren, und d u , mein Kind — lebe w o h l! —

42

D a s ent schl ossene M a d ch ett.

M o l l n , (indem sie ihm weinend nm den Hals fällt,) O mein geliebter, bester Vater! — Ich Au Eh Du

soll dich scheiden sehn, blut'gem Kampfe gehn, noch dein Mund mir spricht: zürnest nicht?

L o r d I e f r i s. Wer könnte widerstehn, Wenn eines Kindes Flehn Jum Vaterherzen spricht? — Ich zürne nicht! Wallis. Müßt' ich zu Grunde gehn, Als mein muß ich sie sehn, Eh' noch des Tages Licht I n Damm'rung bricht! Chor - der O f f i c i e r e . So laßt uns freudig gehn, Dem Feinde widerstehn! Der Ehre Stimme spricht: W ir zögern nicht! (Lord Iefris mit den Officieren geht ab.)

Zweiter

Auf z ug.

43

Achte S c e n e . Dt o l t y.

Hernach

K ongo.

M o l l y . O G o t t , beschütze i h n , beschütze dieses theure Leb en! — E r schien ger ührt — D a r f ich denn, du Kind des H i mm el s, freundliche Hoffnung, darf ich denn dich wieder aufnehmen in diesem ge­ ängsteten H e r z e n ? -----(Tongo tritt herein in der Uniform eines englischen S o ld a ten .)

Wen sucht i h r ? was wollt i h r ? T o n g o . S i n d wir a l l e i n ? M o l t y . O Himmel, welche S t i m m e ! — Ton go! T o n g o , d u ? du hi er ? — D u bist verlor en, wenn man dich entdeckt. Fl iehe, fliehe, um Gotteswillen flieh, ehe es zu spat wird! T o n g o . M o l l y ! theure M o l l y ! Nicht entfliehen, nei n, dich retten, Dich beschützen, nicht en t fli ehn! M o Uv. Nichts kann dich vom Tode r e t t e n ! H i m m e l , ach, beschütze i hn! Tongo.

Könnt' ich dich beschützend, sterben! K a n n mein Leben sich

4*

D a s entschlossene Mädchen Denn ein höheres G u t erwerben. Als den Tod für dich?-

Molly. Wähntest du allein zu sterben ? K ann dein Tod für mich Denn was anders mir erwerben, Als den Tod um dich? B e i d e. An deiner Brust-, welch süßer Tod 5 Aus banger Nacht zum Morgenroth, Zum Himmel a u f , von dem sie stammen. Auflodernd Opfer ew'ger F lam m en ! An deiner B r u s t, welch süßer Tod 5 M o l l y . J a , T o n g a , dein, im Leben und im Tode! Kein andrer wird mich je besitzen. T o n g o. D u sollst zu einer V e r b in d u n g - g e lu n ­ gen werden, die du verabscheust, MoUi;; deshalb bin ich gekommen. Ich will dich von dem Nichts­ würdigen befreien, der seine H and nach deinem B e ­ sitz auszustrecken wagt. Ich fordre den M ajor zum Zweikampfe M o l l y . Wo denkst du hin , T ongo?' Hier m it­ ten unter Engländern, wo man dich für einen Ueberläufer, für unsern größten Feind h ä lt; wo die grau­ samsten Gesetze dir Schmach und Tod drohen? — N e in , n e i n ! wenn meine B itte dir etwas g ilt, so

Zwei t er

Aufzug.

45

kehre schnell zurück zu den Deinen, halte sie Vota Feindseligkeit ab, erwarte alles Von der Zeit; noch kann alles glücklich enden. Mein Vater zwingt mich nicht ztt der Verbindung mit dem verhaßten Wallis. Ich habe ihm unsere Liebe gestanden; er war gerührt, Longo, und ach, vielleicht sogar dürfen wir noch hoffen. L o n g o . Molch, theure Molch! hoffen! Sage mir das Wort noch einmal, nur noch einmal! Ach! wenn es möglich wäre, bin ich denn dieser Hoffnung auch werth? M o Up* Longo, wenn man uns hier über­ raschte! O eile, geh, ich bitte dich! O G ott, sieh meine Angst, vielleicht ist es schon zu spät! Man erwartet einen Ucberfafl von euch. Vielleicht sind die Lhore schon geschloffen! O eile, eile! — L o n g o . Mot t n, war diese Hoffnung, die ich mit mir.zurück nehme, nicht schon allein es werth, daß ich mein Leben daran wagte? — Ich gehe, weil du.es willst, gehe zu den Meinen zurück. B a ld , fb hoffen wi r, steigt die Sonne des Friedens über un­ sere Wälder auf, und dann mit ihr auch vielleicht die Sonne meines Glücks. Ich kehre dann wieder, und werbe als das Oberhaupt eines freien, tapfern ' Volkes um deine Hand. M o t (w. Lebe wohl, Tongo. Im Leben-und vm Lode dein !

46

D a s entschlossene Mädchen.

T o n g o . Geliebte, theure M o lly , lebe wohl! M o l l y . Geschwind — mir bäucht, ich höre je­ mand kommen — geschwind durch dieses Zimmer. (S ie öffnet die Seitenthüre.) D u findest die Treppe, die dich in den G arten brin g t; der Garten fuhrt dich an das Thor. (Tongo geht ab.)

Neunte Scene. M a j o r W a l l i s.

Molly.

W a l l i s . W ie? M iß , so ganz allein, in einem Augenblick, wo sich alles zum Kampfe bereitet, an einem so im sichern Orte ? M o l l i;. Unsicher? w a r u m ? W a l l i s . M a n sagt, die Wilden hatten von den Franzosen Geschütz und Leute zu dessen Bedie­ nung erhalten; dies hochgelegene Gebäude wird ihnen zum Zielpunkt dienen. M o l l y . Noch ist keine Gefahr. W a l l i s . Und doch muß ich S ie bitten, mir zu folgen. M o l l y . Folgen? w ohin? W a l l i s . An einen sichern O rt. S o befahl I h r Darer. Kommen S i e , mein Fräulein!

Zwei ter

Auf z ug .

47

M o l t y . M ein V a t e r ? I h n e n ? unmöglich! ich bleibe hier. W a l l i s . S i e muffen m ir folgen. E s ist keine Zeit zu verlieren. Kommen S ie . — D ie S o rg e für I h r e Sicherheit liegt mir so sehr am H e rzen , daß ich nicht anstehen w erde, G e w a lt zu brauchen, wenn S ie noch tanger zögern. , M o t t l ) . G e w a l t ? S i e w agen e s ? dagegen bin ich.gerüstet. ( S ie zieht einen Dolch hervor.) Ich bleibe h ier, entfernen S i e sich. W a l l i s (nach kurzem Besinnen.) W o h l, mein F ra u le in , ich melde I h r e m V a te r I h r e W eigerung, und bin außer S chuld. Ich gehe. Doch dieser G a n g , den ich jetzt gehe, er könnte leicht mein letzter seyn. Ich kann nicht scheiden, ohne S i e versöhnt zu wissen. Ich habe S i e , und auch Lord J e f r i s beleidigt— ac h ! S i e wissen nicht, wie weh verschmähte Liebe t h u t ! — Jetzt aber h a t mein besseres Selbst die Leidenschaft besiegt, und macht mich stark g e n u g , sogar I h r e m besitz zu entsagen, wenn dies m ir wenigstens I h r e Achtung wieder erw irbt. N u r I h r e n H aß kann ich nicht e r tra g e n , und S i e senden mich in den Tod, M o lly , wenn S i e mich unversöhnt e n tla ss e n .-----V e rz eih u n g ! — V e rsö h n u n g ! (@r nähert sich ih r, als wollt' er ihre Hand küssen, springt aber schnell zu, und entreißt ihr den Dolch.)

48

D a s entschlossene Mädchen.

W a l l i s . H ab' ich dich endlich, Thörichtes Ki n d ? Folg' mir nun willig, Folge geschwind..' M o l l y . H ülfe! V errath! Feiger V errather! Schändliche T h a t! W a l l i s . H a ! unabwendlich Bist du nun mein ! Alles vergebens, Ilm Hülfe zu schrein! Niemand erhört dich, Niemand errettet dich, Alle -um S tre ite ! H a , süße B e u t e ! Ganz mir zu Willen M u ß t du nun seyn! M o l l y. s H im m el, erbarm« dich 1 I Schütze, errette mich*! W a l l i s . 1 Niemand erhöret dich! L Niemand errettet dich! M o l l y. H ü lf e ! herbei! W a l l i s . Thöricht Geschrei! Niemand erhört dich. Mein bist d u , m e in ! T o n g v (hinter der Scene.) Ich tomnre! Ich komme

Zweiter

A u f z u g.

Zehnte Scene. Di e V origen.

Gleich darauf K o n g o .

W attis. H a , welche S tim m e! K o n g o , (hereinstürzend.) Ich höre H ü l f e r u f ! -----V e rrath e r, zieh, vertheid'ge dich! W allis. D u wagst e s? — Wer — ? — V errath ! ( E r zieht gleichfalls Len Degen; sie fechten.) Molll).

O Him mel, schütze, rette mich und ihn! (Der Major wird verwundet und fällt.) Kongo.

Ich bin K ongo, erkenne mich! Erkenn' den Racher seines B r u d e r s ! Wallis. D u Kongo ? ! — W e h ! — Fluch über dich! Mo l l y .

D u bist verloren! Rette dich! tontefs. Schrift.

6. Dd.

4

5o

D a s e n t s c h l o s s e n e Ma d c h e i r » S ieh meine A ngst, erhör' mein F lehen! W illst btt dem Tob entgegen gehen? F o rt, schnell, entflieh' unb rette btchf

Wallis. Wetz! — Fluch unb Rache über bich l Tongo. Leb' w ohtf G erettet hab' ich bich, G erächt den B ru b e r nun gesehen ! Unb m üßt' ich auch zum Tobe gehen; Leb' tuohs, ich sterbe ja für bich ! Wallis. Fluch — Rache — M ö rd er, über dich l M o l k y und T o n g o. Leb' w o h l! M ag uns das Schicksal bräu'ti ? Leb' w o h l! im Tod und Leben b etn! (Longo> will abgehen; indem tritt der Adjutant H arris herein.)

S t i f t e Scene. A b j t t t a nt H a r r i s .

Vorige.

A b i u t a n t (schnell eintretend.) Lord Jc fris laßt S ie suchen, H err M ajor — M ein G o tt! w as ist

Z w e ite r

21 u f y u gv

- a s ? w as ist hier vorgegangen? — H err M ajor — -in S o ld a t den bUtt'gen Degen in der H and — — ■ Wache l W ache! (Soldaten, treten ein.) E rgreift ihn-! D o n g o. Noch könnt' ich mein Leben theuer ver­ kaufen; doch ihr w art nur unschuldige O pfer eures G ehorsam s: hier ist. mein Degen. 3R o U t> H err A dju tan t, der S o ld a t ist ganzunschuldig. — er. w ar mein R etter — lassen S ie ihn. f re i! — A d j u t a n t . Ich glaube Ih n e n ,, mein Fräulein-allein ich muß den V organg melden. W er bist d u ? ich kenne alle S o ld ate n der G arnison — doch e r lebt! er schlagt die Augen a u f — H err M a jo r ! — Geschwind, schafft Hülfe ! W a l l i.s (sich emporrichtend.) B rin g t mich hier fort,, daß ich sie beide nicht mehr sehe! D as ist Tongo — Tongo ist. mein M örder. (Die Soldaten, helfen ihm sich ausrichten, und führen: ihn fort.) A d j u t a n t . W ie?. T o n g o ? D u T o n g o ? unser entlaufner S c la v ? Tongo. J a , ich bin Tongo. Ich w ar euer G efangener, nie euer S cla v . Doch ich weiß wohl, was eure barbarischen Gesetze mir bereiten; allein ich weiß auch, zu sterben, wie mein B ru d er Hammo.

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D a s entschlossene M ädchen.

M o l l y. Tongo! — Herr Adjutant, ich beschwöre S ie, lassen Sie ihn frei! Er war der Retter wemer Ehre. Ich will die Schuld auf mich nehmen — lassen Sie ihn gehen — hier ist mein Dolch, (Sie hebt den Dolch auf, den der Major fallen läßt.) ich will sagen, ich habe ihn verwundet — mein Vater wird nicht zweifeln — ich beschwöre S i e -----A d j u t a n t . Hören Sie auf, M iß ! Sie ver­ langen die Verletzung meiner Pflicht von m ir, und deren ist ein Mann von Ehre nicht fähig. M o t t y. H a , Barbar, den keine Bitten rühren, Willst du ihn zur Schlachtbank fuhren t Wohl, du fuhrst zum Tod auch mich! (Zu Longo.) M it dir sterb' ich! — doch — nein! du sollst leben! Den Gedanken hat ein Gott gegeben. J a , du lebst! ich rette dich! (Sie eilr fort durch die Seitenthüre.) T o n g o . M o lly ! — M o lly! wohin? — 0 Him­ mel , was will sie thun! — Herr Adjutant, eilen Sie ihr nach! ich fürchte das Schlimmste. A d j u t a n t . Da ist ihr Vater.

Zweiter

Zwölfte Lord J e f r i s .

Auf zug.

53

Scene.

Gefolge.

Harris.

Tongo.

A d j u t a n t . Hi er , Mi l or d, hier ist Tongo. D er M a jo r W allis ward eben schwer verwundet wegge­ bracht. E r klagte diesen als seinen M örder a n , und Tongo leugnet die T h a t nicht, L o r d I e f r i s . W i e ? T o n g o , du hier, um einen Ä o ^ zu vollbringen? T o n g o . M ilo rd , ehe ich antw orte, senden S ie nach I h r e r Tochter. Ich fürchte alles für sie. L o r d J e f r i s . Meine Tochter? W as ist mit ihr? wo ist sie? A d j u t a n t . S i e eilte eben in der heftigsten B e ­ wegung von hier fort. L o r d J e f r i s . Wohin a b e r ? ich zittre. Gehen S i e , lieber H a r r i s , suchen S i e sie auf — sie kann nicht aus der Festung seyn — verhüten S ie jeden übereilten S c h r i t t , und bringen S ie sie ihrem V ater wieder. (Der Adjutant geht ab.) T o n g o . N un bin ich bereit, Ih n e n alles zu entdecken. L o r d J e f r i s . Sprich. , T o n g o . E s war eine Z eit, M ilo rd , wo S ie I h r e r väterlichen Zuneigung werth hielten; die

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D a s e t t t s c h l v < s e n - e M ä d c h -e n ^ .

E rin n e ru n g d a ra n giebt m ir allein den M u t h zu dem, w as ich I h n e n zu sagen habe. — Ich liebe I h r e Tochter. S i e wissen es aus ihrem eignen G estandniß. A ch, diese Leidenschaft wuchs von früher K in d ­ heit an m it meinem Leben fest z u sam m en ! U nd nie hatt' ich mich a u s diesem H ause zu entfernen ver­ mocht, w enn nicht die angeborne Liebe zur Freiheit, das V e r la n g e n , meinen V a t e r wieder zu sehen, und — w aru m soll ich es nicht gestehen? — guch die Hoffnung mich getrieben h a tte , einst a l s dAs O b e r­ h a u p t eines mächtigen und tapfern Volkes w ieder vor I h r e n Augen erscheinen, um die H an d I h r e r Tochter w erben, und zugleich der Brittischen Regierung ein festes B ündnis; m it unserm zahlreichen S t a m m e und allen ihm befreundeten N achbarstammen anbieten zu können. V i s dahin suchte ich die Rache meines V o l ­ kes, die H am m o 's T o d entflam m t hatte, zu dampfen, und da m ir dies nicht mehr g e la n g , sie wenigstens aufzuhalten und &tt leiten. D a 6 Gerücht des baldi­ gen Friedens w a r auch bis zu uns ged ru n g en ; meine Hoffnung schien ihrer E rfüllu ng nahe. D a erhielt ich hellte von J o h n die N achricht, daß Molch zu einer V erbin dung gezwungen werden solle, die sie m it Recht verabscheute. Ich eilte unter dieser Verkleidung hierher, sie von dem verhaßten Zudringlichen zu be­ freien. Ich fand Molch hier allein. Doch als ic h , über I h r e väterliche Gesinnung von ihr völlig be-

Zweiter

Aufzug.

53

ritfrtgt, eben wieder zu deil Meinen zurückeilen will, höre ich, kaum unten im G arten angelangt, Molly's R u f um Hülfe. Ich fliege zurück, ich finde den M ajor mit I h r e r Tochter ringend, die er überfallen h a t, ich sehe einen Dolch in seinen H and en; ich ziehe den D e g e n , zwinge den Nichtswürdig^n fi'ch zu ver­ theidigen ; der Himmel leitet meinen Arm und ver­ waltet sein Racheramt. durch mich. L o r d J e f r i s S o hattest du -um zweitenmal die E h re , vielleicht das Leben meiner Tochter gerettet, Tongo? ! Und dennoch darf ich dich nicht frei­ lassen! (Zu einem £) (steter.) E r ist I h r Gefangner. A d j u t a n t H-a r r i s (schnell eintretend, indem mehrere Soldaten, Bediente u. s. w. sich ihm nach­ drängen.) Ich kam zu spat, M ilo rd ,'fle ist fort! s Lo r d J e f r i s . F o rt? ^ T o n g o . Wohin ? A d j u t a n t . Vermuthlich zu den Wilden. S ie kam an den äußersten S ch la g , und bat den Offirier, einige Leute, denen sie Geld g a b , sie hinauszulassen, um ihr Leibpferd von der Weide hereinzubringen, unter dem D orw ande, daß sie es leicht verlieren könnte; der Offieier willfahrte ih r, das P f e r d , welches nahe am Graben weidete, wird herein gebracht, sie geht ihm bis vor den Schlag entgegen, schwingt sich schnell und behend au f seinen Rücken, !und indem sie dem Offieier zu ruft, Ihnen zu melden, daß I h r e r

56

D a s entschlossene Mädchen.

Tochter Leben nun an dem Leben Tongo's hange, flieht sie über die Ebene gerade nach dem Walde zu. I n dem Walde aber scheint es mit jedem Augenblicke lebendiger zu werden; auch bemerkt man zahlreiche H au fen, die sich an den Bergen herabziehen. L o r d J e f r i s . Ach, meine Tochter! Chor. F u hr uns hinaus zum Streite, Dem Feinde zu begegnen! W ir zücht'gen die Verwegnen, Und führen bald als B eute D ie Tochter dir zurück. Lord J e f r i s .

Unerforschliches Geschick', Kann denn nichts dein Zürnen wenden. Gieb die Tochter mir zurück! Tongo.

Deinen Kummer bald zu enden, Laß mich schnelle Boten senden, Dnd die Tochter kehrt zurück. Chor.

Fü h r' uns hinaus zum Streite, Dem Feinde zu begegnen! W ir zücht'gen die Verwegnen, Und führen bald als Beute Die Tochter dir zurück.

Zwei t er

Auf z ug.

Tongo.

Laß uns schnelle Boten senden — A u f, es dringt der Augenblick! L o r d I e f r i s.

N u n , so eile hinzusenden! Ach, vielleicht kehrt sie zurück. Chor.

Eile, u n s hinauszusenden, Und wir bringen sie zurück! L o r d I e f r i s.

N e in , nicht blind verwegen, Uebermachtgem Feind entgegen! I h n erwarten wollen wir. M a g an unsern Wallen Seine W uth zerschellen! Und — mein K in d ! G o tt sey mit dir. (E r geht ab mit Tongo.) Chor. E s kommen der Wogen Weißschaumende Heere Dumpfrauschend vom Meere Zum S tra n d e gezogen: E s bangen die Ufer E s zittert das Land. Doch fest steht tut Schwalle B eim donnernden Halle D e r Felsen am S tr a n d .

57

Dr i t t e r

Aufzug.

Freie Waldgegend.

Erste S c e n e . £

oiiu

J u l i e .

T v m. G e h ! f o r t ! laß m ic h! ich tritt nichts von dir triffen. D u bist Schuld an meinem Unglück, du bist die Ursache meines frühen T odes. G e h ! J u l i e . Aber, mein gutes T o m c h e n -----T o m. Ach, w as kann m ir das gute Tomchen helfen! E s wird drum nicht minder gefressen; es mag m m ein gutes oder ein schlechtes Tomchen seyn. J u l i e . A ber, mein liebes Tomchen — l — T o m . Schweig still! S p rich m ir nicht von Liebe in einer W e l t , wo ein Mensch den andern a u ffriß t! Ich kann das W o rt nicht mehr Horen, denn dies W o r t hat eigentlich meinen S a r g gezimmert. — H a t ­ test du nicht gesagt: l i e b e s Tomchen, geh m it mir

D r i t t e r A u f z u g.

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hinaus in das Wäldchen, ich habe gestern meinen Strickbeutel do rt liegen lasten. — Hattest du das nicht mit einer recht honigsüßen Stim m e gesagt, so wäre mir die unsinnige Courage nicht ins B l u t ge­ treten., und ich hatte nicht gesagt: J a , liebes J u l che«, ich will mit dir gehen! — und hatt' ich dos nicht gesagt, so wären wir nicht in das Wäldchen gegangen, so hatten uns die Wilden nicht erwischt, sy würde ich jetzt nicht um des lieben Tomchens wil­ len von ihnen aufgefressen Ach, wenn meine M u t ­ ter hatte wissen sollen, welches Ende noch einmal ihr guter S o h n nehmen w ü r d e ! D a s ist mir an mei­ ner Wiege nicht gesungen w o rd e n ! J u l i e. Schweig doch n u r , T o m , und mache mich nicht mit w ehm üthig! E s ist ja doch so arg nicht W ir sind ja bis jetzt recht freundlich und höf­ lich behandelt worden, und die Herren Wilden schei­ nen in der T h at nicht so schlimm zu sa;u, als man sie uns beschrieben h a t T o m . S o ? meinst d u ? Siehst du denn nicht, daß das alleS nur geschieht, damit wir uns nicht gram e n , und etwa mager werden sollen? Ich kenne sie besser, diese Bluthunde. Wenn dich so ein Kerl freundlich ansieht, so heißt das weiter nichts, a ls: du bist ein fetter Bissen, du sollst mir gut schmecken. Ach n e in , nein! ich sehe in jedem Bauche, der nur hier begegnet, mein lebendiges G ra b , und in jedem

6o

D a s ent schl ossene Madche n.

dieser verwünschten Gesichter mein Epitaphium. Ich werde mein liebes Vaterland nicht Wiedersehn, und du wirst eben so gut verspeist als ich; denn bei die­ sen Kerls ist kein Erbarmen. J u l i e . Geh doch! Ich bin eine rechte Narrin, daß ich dir so gutmüthig Gesellschaft leiste, und mir bange machen lasse von dir. Nein, nein, nein, guter Freund, wenn von Verspeisen die Rede ist, so trifft das Loos dich allein, mich nicht. Es wäre ja ganz gegen alle Naturphilosophie, ein hübsches Mädchen aufzuspeisen, und diese Herren Wilden sind auch viel zu galant dazu. Is t es des HimmelsW ille, daß wir hier bleiben, und du lebst heut übers Jahr noch — ja wenn du noch lebst heut übers Jahr, so sollst du dein Wunder sehen, wie ich die guten Leute in der kurzen Zeit zugestutzt habe. Rohe Kraft ist leicht zu brechen, Und die Starke weicht der List. Jeder Mann hat seine Schwachen, Wenn er auch ein Wilder ist. T o m. Stolze Wellen, werdet brechen, Wie ihr auch zu schäumen wißt! Und du wirst wohl anders sprechen, Wenn du aufgefressen bist! J u l i e . Schweig still, plumper Gesell! ich bin

D r i t t e r

Aufzug.

61

deine Königin. Dies Land gehorcht meinen Befeh­ len. Ich werde es civilistren. Friseurs, Schneider und Tanzmeister laß ich aus Europa kommen, und bald tanzen diese B aren in Schuhen und seidnen Strüm p fen, wohl friftrt und gepudert, den Chapeau­ bas unterm A rm , eine M enuet ä la R ein e zu den Füßen meines Thrones. —- Ach, da kommt schon eine von meinen künftigen Hofdamen, gewiß um meine Befehle zu vernehmen. T o m . Ei Wetter! das Mädchen steht ganz mensch­ lich aus.

Zwe i t e Ciane.

Scene.

Julie.

Tom.

Ci a n e . Ich grüße euch, meine Freunde. Mein V ater sendet mich zu euch, um zu sehn, ob ihr et­ was bedürft. W ir glauben, Tongo wird es gevtt haben, wenn wir für euch sorgen. T o m . D u liebst also wohl diesen Herrn Tongo, schönes Ki nd? C i a n e . Wie sollte ich ihn nicht lieben? E r ist der Klügste und Tapferste unseres ganzen Volkes. T o m. Also lieben die Mädchen bei euch nur die tapfern Leute?

02

Das

entschlossene

Mädchen.

Ciane. Wunderliche Frage! I s t es denn bei euch etwa anders? Tom. O nein, m it nrchien! Unsere Mädchen lieben die Tapferkeit auch, und ich selbst, ich d arf mich m der T h a t mancher Auszeichnung deshalb rühmen. — Ciane. W er bist du denn? D u bist nicht geklei­ det wie die Krieger bei deinem Volke. Tom. W er ich bin?, hm ! ich-heiße Tom Kuku, bin von guter F am ilie, habe in meinem V a te rla n d sehr verschiedene Stellen bekleidet, und genieße jetzt die E h re , ein vertrauter Diener des Englischen Com­ mandanten zu seyn. C i a n e . D u dienst dem Commandanten? D u bist also sein S c la v e ? armer T o m ! — Und du hübsches M a d i e n , du bist M o lly 's F re u n d in ? J u l i e . J a , ihre Freundin und erste D ien e rin . Ciane. Also du auch eine S c la v in ? I h r armen Leute, wie beklag' ich euch! — Doch so konnte euch ja nichts Glücklicheres begegnen, als daß ihr in un­ sere Hände fielt. N u r von euch hängt es jetzt ob, an dem höchsten G u te , das uns der große Geist ge­ schenkt, auch Theil zu nehmen. Tom. Ei n G u t ? Ich bin ein Freund von G ü ­ tern ; was ist das fü r ein G u t ? C i a n e . D ie Freiheit, armer S c la v ! Seyd fröh­ lich, ihr armen Menschen, ihr send frei , wenn ihr wollt,

Dritter

Auf zug.

93

frei wie w ir , frei wie die L uft, die uns umgiebt. I h r bleibt bei u n s, ih r rrehlnt unsre S i t t e n , unserLebensweise a n , d u , T o m , laßt dich unter unsere Krieger au fn eh m en -----T o m. I s t das nothwendig ? C i a n e. Allerdings. T o m . E s stnd doch w eiter keine Umständlichkeit ten d ab e i? Ich liebe die Umständlichkeiten nicht. C i a n e . Kleinigkeiten. E rst bringst du einige S tu n d e n in der Schw eißhütte zu , dann wirst du cm Stündchen über einem gelinden Feuer aufgehangen, und durchgeräuchert; sodann w ird dir au f Gesicht, B ru st und A nne m it spitzen N adeln und scharfen Flintensteinen eine Zeichnung eingeschnitten, m it Schießpulver und rother Farbe eingerieben, und dann au sg eb ran n t. D as dauert zwei bis drei T ag e , je nachdem die Zeichnung mehr oder weniger schön wer­ den soll. J e schöner, desto mehr Ehre für dich. S o d an n bringt man d ic h -----T o m. O , ich bitte dich, laß m ir die andern S o donn's zu Hause. Ich habe an dem Pröbchen genug, und ganz und gar keine Lust, mich um eurer Freiheit willen bei lebendigem Leibe schinden zu taffen. R ein, mein Herzchen, wenn du mich verbinden w illst, so gieb m ir lieber ein M ittel a n , wie ich schnell m it guter M anier wieder zu den Unfngen gelangen kann.

64

D a s entschl ossene Mädchen.

Zum Dank dafür w ill ich dich auch mitnehmen nach Europa, und dich ctvtfiftren. C i ane. Nach Europa? Ich habe schon so viel von dem närrischen Europa gehört, daß ich gar nicht neugierig bin, eure verkehrte Welt zu sehen. J u l i e . Hättest du nur einmal erst von diesem narrischen Europa gekostet, mein gutes Kind, du sehntest dich wahrlich nicht wieder zurück in deine Wildniß. C i a n e . Meinst du? £ o m. Ja, das mein' ich auch! Hättest du nur ein einziges M al alle diese schönen, herrlichen, prächtigen, lieblichen, anmuthigen, kostbaren, erstaunlichen und wunderbaren Dinge gesehn.und gekostet------Unsre Städte und Paläste, Häuserwälder, steinern Meer, Wo als wie zum ew'gem Feste Zahllos Volk wogt hin und her!

J u l ie . Unsre Ajsemble'n und Bälle, Und der Oper Zauberei; I n der Nacht des Tages Helle, Und die Lust beständig neu! T o m. An der Tafel dich zu laben Aller Elemente Gaben, Aller Länder Leckerei'n:

Dritter

Aufzug.

6$

Trüffeln, Austern und Lampreten, Vogelnester und Pasteten Und in Strömen edler W ein!

Julie. Was des Menschen Witz erfunden, Erd - und Meeres - Schooß entwunden, Giebt sich dir zum Schmucke hin, Und erlauschend deine Mienen Stehn die Männer, dir zu dienen, Und du bist die Königin. Bei de. Fühltest einmal du die Freuden, Einmal nur des Lebens Glück, Ach in deine öden Haiden Nimmer kehrtest du zurück! C i ane. H ört, ich muß euch bekennen, daß ich wenig von all den Herrlichkeiten verstanden habe, die ihr mir da erzählt, und denke immer, mir würde bei euern Zaubereien und steinernen Wäldern recht von Her­ zen angst und bange werden. Nein, meine Freunde-----Auf Wildes Spur das Feld durchstreifenFrüh wenn es blanke Perlen thaut; Frei über Berg und Thaler schweifen So weit der Hmimel dämmernd blaut; Im Abendroth halb träumend lauschen Was Waldes Stimme zu dir spricht, (ontess.

Schrift,

b. B d.

5

66

D a s entschlossene Mädchen. Dann freudig stehn an Stromes Rauschen, Der donnernd durch die Felsen bricht; Strom, Wald und Berge als Gespielen, Und leise Ahnung in der Brust, Selbst fernen Himmel nah sich fühlen: Das nenn' ich Leben, nenn' ich Lust! Julie.

Tom und Ci ane.

Dich 1 \ solche "1 _ A Euch } UW { eure { »u «-.den, Fallt mir wahrlich nimmer ein. Einer liebt, was andre meiden, v r * s deine "1 _ . Und so mögen ^ mFreuden Ungekostet von mir seyn! T o m. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Jeder ist seines Glückes Schmidt. Jeder nach seiner Art. Es gehen mehr Wege in den Wald als einer. Ich habe dir's gut genug geboren. Wer weiß, wenn du erst die Kinderschuhe ausgetreten hast du hast zwar keine an, mein Herzchen — wer weiß, wenn du alter bist, singst du dann nicht ein andres Liedchen! — Aber, oh weh, wer ist der alte Mann, der da mit unserm John auf uns zukommt. Der Herr hat ein barbarisches Ansehn. Ci ane. Das ist Tongo's Vater. Tom. Er scheint sehr grimmig zu seyn. Höre,

Dritter

67

Aufzug.

mein Zuckerchen, lege doch ein g u t W o rt für mich ein bei dem gnädigen H errn W i l d e n , wenn ihn etw a a u f der S te lle so ein Appetitchen anw andeln sollte, such' ihn a u f andre Gedanken zu b r in g e n ; hörst d u , mein Lämmchen? — Ich bin g ar nicht d a r a u f eingerich­ tet ------

D r i t t e S c e n e . D z i a mb o .

John.

Ei bo.

Wi l de.

Die

Vor i ge n. D z i a m b o . G ebt B efehl zum Aufbruch. Ic h ertrage diese quälende U nruhe nicht länger. W i r wollen vor die Festung ziehen, meinen S o h n zurück zu fo rd e rn , und wenn sie ihn verw eigern, ihn u n s zu holen. E i b o . D ein S o h n befahl, ihn bis zum U nter­ gang der S o n n e ruhig zu erw arten. D z i a m b o . £> w ir erw arten ihn vergebens. E r ckehrt nie zurück. Ach, mein S o h n ! — F luch , Fluch diesen E n g lä n d e r n , die auch den letzten g r ü n e n Zweig dem alten S t a m m e r a u b e n , daß er dasteht, wie ein Gespenst a u f öder H aid e!

63

D a s ent schl ossene Mädchen.

J o h n . Du bist ungerecht, Dziambo. Nicht alle Engländer sind Barbaren, und wahrlich! Lord Jefris ist unschuldig an dem Tode deines ältesten Sohnes. D z i a m b o . Schweig davon! Das B lu t kocht in meinen Adern bei der Erinnerung. Cr ein Be­ fehlshaber, und konnte nicht befehlen, den Scheiter­ haufen auszulöschen! Alter, ich hielt dich bis jetzt für werth, unter uns geboren zu seyn — mache nicht, daß ich in dir den Britten erkenne, sonst zittre ! T o m (bet Seite.) Ich bin des blaffen Todes! J o h n . Mein Leben ist in deiner Hand. Durch­ bore diese Brust, wenn die Lüge darin wohnt. T o m. War' ich doch tausend Meilen von hier! D z i a m b o . Sind das die neuen Gefangenen? — Bewahrt sie wohl! Sie haften mir für Tongo's Leben. T o m (bet Seite.) Ach, wenn doch unsere Leute nur dies einzige mal menschlich seyn wollten! Möch­ ten sie es doch nachher halten, wie sie Lust haben. J u l i e . Sey still, Tom, und fürchte dich nicht. Ich iverbe deut Alten den Kopf schon zurecht setzen. E i bo. Ein Frauenzimmer zu Pferde kommt dort gerade auf uns zu. — Sie steigt ab — sie nähert sich uns. J o h n . O Himmel! es ist Molly.

Dritter

V i e r t e M 0 lly.

Au f z u g .

69

Scene.

Die Vorigen.

J o h n . Ach, mein F r ä u le in ! Um's H im m els­ willen -----M o l l y . A u f! ihr Krieger, au f ihr alle, die ihr euern Anführer, euern Fürsten liebt, kommt mit mir, folgt mir nach, eilt ihm zu H ü l f e ! D z i a m b 0. Meinem S o h n e ? W o ist er? M o l ly . Gefangen, in den Händen seiner Feinde! Aber ich bin freiwillig zu euch gekommen, und über­ liefere mich selbst als Geißel seiner Sicherheit. J o h n . Ach, theure Miß, w as haben S i e gethan? D z i a m b o . Und wer bist du, daß du dir schmei­ cheln darfst, mit meinem S o h n in gleichem Werth zu stehen ? M o l t y . W i e ? kennst du mich nicht mehr? Kennst du M olly nicht mehr, die Tochter des Englischen Commandanten, die schon einst eure Gefangene war. D am als gab dein S o h n mich meinem Vater wieder, jetzt hoff' ich ihm mit gleichem zu vergelten. Doch eilt, es ist kein Augenblick zu verlieren. D z i a m b o . J a , Mädchen, du bist werth, daß dich mein S o h n lieb t! Reiche mir deine H a n d , daß ich fie an das Herz drücke, dem du die letzte Hoff­ nung wieder giebst.

7o

D a s entschlossene Mädchen. W ohlan, brecht au f zur H ülfe, B rü d e r! Brechet auf! W ir folgen ihr. J a , du giebst den S o h n mir wieder, M ein V ertrauen geht mit dir. Chor der Wilden. A uf, zur H ülfe, a u f, ihr B rü d e r! F ühr' uns a n ! wir folgen dir. M o l l i;.

Kehrt nicht frei dein S o h n dir wieder, Diesen Dolch dann nimm von mir, Tauch in meiner B rust ihn nieder, Und mein B l u t giebt Rache dir. T o m. Ach, mir zittern alle Glieder. W a r ' ich doch nur weit von hier! Chor der Wilden. F ü h r uns a n ! wir folgen dir. D z i a m b o. J a , du giebst den S o h n mir wieder! M ein V ertrauen geht mit dir. John.

J a , dein S o h n , er kehrt dir wieder! Frohe Hoffnung ist mit mir.

D r itt e r

A u f ; u g.

C i an e. Willig beugt mein Herz darnieder, Wack'res Mädchen, sich vor dir. J u l i e (zu Tom.) 2lchA und kehrt er doch nicht wieder, Tomchen, was wird dann aus dir i T 0 m. Weh, mir zittern alle Glieder, War' ich doch nur weit von hier! Chor der Wi lden. Auf, zur Hülfe, auf ihr Brüder! Führ uns an! wir folgen dir. Alle. Laßt uns eiten, laßt uns ziehen! Theuer ist der Augenblick. M o l l y. Ciane. Eibo. John. Dunkeln Wolken auch den Himmel, T ritt die Sonne gleich zurück, Auf! die Wolken werden fliehen, Und von neuem wieder blühen Wird uns milder Sonne Blick.

71

72

D a s ent schl ossene Mädchen. Al l e. Auf, die Wolken werden fliehen, Und von neuem wieder blühen Wird uns milder Sonne Blick. (Ab.)

Fünfte

Scene.

(Das Theater zeigt ein Thor der Festung mit einer Auf­ ziehbrücke' und einen Theil des Waldes. Vorn ein freier Platz mit Bäumen, die Drücke ist niedergelassen. Sol­ daten gehen aus und ein, und sind zum Theil im Hin­ tergründe beschäftigt, Bäume zu fällen. Schildwachen gehen auf dem Walle hin und her. — Zwei Soldaten kommen in den Vordergrund, wo sie ihre Beile hinlegen, fetzen sich an die Erde und holen eine Flasche hervor.) E rs te r S o l d a t . Unser Stück Arbeit für heute ist nun gethan. Nun wollen w ir uns zum letztenmal hier im Schatten ein wenig ausruhen. Zweiter Soldat. Aber recht schade ist es doch um das schöne Wäldchen. So ganz nahe vor dem Thore war es ein gar plaisirlicher Spatziergang. E rs te r S o l d a t . Plaisirlich hier, ptaisirlich hier! Der Dienst kennt keine Plaisirlichkeit. Run sich

Dritter

Au f z u g .

73

die Wilden wieder spüren lassen, heißt es — fort damit. Einen solchen Versteck leidet keine Festung neben sich. Haben uns denn die listigen Schurken nicht eben den Tom mit sammt der Kammerjungfer recht vor der Nase aus der Plaisirlichkeit weggeholt? D er Commandant hat die B ä u m e genug geschont und sich zu Kopfe wachsen lassen, denn es treibt und schießt ja hier so mächtig in die Höhe, als ob es Feuer unter dem Leibe h atte, und im Umsehen steht einem ein Wald vor den Beinen. Z w e i t e r S o l d a t . D a s macht, weil die hie­ sige W e lt, wie sie sagen, ein gut Theil jünger ist, als unsere da drüben, mit der es nicht mehr so recht fort will. E r s t e r S o l d a t . Ich will dir's besser berichten. D a s kommt von dem vielen Golde her, das hier überall unter der Erde versteckt liegt. D a s Gold ist hitziger N a tu r und treibt in die Höhe. D a s kannst du ja auch bei uns zu Lcinde alle Tage sehn. Bliebe mancher ein Schuft sein Lebelang, wenn's das Gold nicht t h ä t e , und ihn in die Höhe höbe. Z w e i t e r S o l d a t . Ach, schweig mir nur vom G o ld e ! W a s kann mir das todte Capital helfen da tief unter der E rd e ? Einfaltig genug, daß es da unten liegt. Rouliren und cireuliren muß es, das ist sein wahres Leben.

74

Das

entschlossene Mädchen.

( E r trinkt, dann fangt er an zu singen, der Andre stimmt mit ein.) E in M a n n faß a u f sein'm Kasten, S a h hager wie die Fasten, Bleich wie C h a rfre ita g a u s . Und in dem Kasten drinne, D a w im m ert eine S t i m m e G a r kläglich: laß mich r a u s ! D a s hört ein flinker D egen, D e r fällt alsbald verwegen D e m Alten in den B a r t , Und h a t , wie der auch wimmert, D en Kasten gleich zertrüm m ert, D a s ist S o l d a t e n - A r t! (,O meine theure M u tte r!" rief er. „So darf ich Sie doch noch nennen?" Sie neigte sich gegen ihn und küßte ihn leise aus 'die Stirn. „ J a " sprach sie sanft „ich bin noch deine M utter, wie ich es sonst gewesen; und du

212

D a s B i l d der M u t t e r .

bist meiner Liebe werth geblieben; ich weiß eS wohl; Du bist mein wackrer Georg! W ir verlassen uns nicht wieder." . »Sie sind glücklich, G räfin! " sprach eine fremde Stimme, und als Georg sich wandte, sah er den Marchese stehen, der indeß hereingetreten war. »Sie sind glücklich! * wiederholte er — » Sie haben einen Sohn! * »Ihnen, lieber Marchese" sagte die Gräfin sanft »Ihnen hat die Natur gegeben, was mir das Herz. Sie dürfen mich um mein Glück nicht beneiden." B itter lächelnd erwiederte er: »Sie unterscheiden richtig ! Die N atur hat mir einen Sohn gegeben, aber sein Herz straft die Natur Lügen. Sein Herz weiß nichts von seinem Vater! — Unglücklicher Va­ ter! Zwei Söhne und doch kinderlos! Den einen hab' ich verloren, eh' er mich lieben konnte, den an­ dern hab' ich verloren, weil er mich nie geliebt. Ver­ loren! verloren! Ich habe keinen S o h n !" Es lag etwas Herzzerschneidendes in der anschei­ nenden Ruhe und in der fast tonlosen Stimme, womit der Marchese diese Worte sprach. Georg fühlte sich von innigem Mitleid ergriffen, und er hätte vor ihn hintreten und ihm sagen mögen : Du armer Mann, laß mich dein Sohn seyn: ich w ill dich lieben! » Marchese! rief die Gräfin erschüttert — Sie ha­ ben Ihren Sohn verstoßen, wie kann er Sie lieben?"

Das

B ild

der M u tte r.

213

E r richtete sich k a lt e m p o r; doch eine schnelle G l u t , die seine W angen ü b e rflo g , zeugte von der B ew egung feines In n e r n . » D a ru rn eben! " sprach e r: »Es ist vorbei. Ic h habe keinen S o h n m e h r !" D ie T h ü re ging a u f. E in Frauenzim m er t r a t her­ e in , die G eorg sogleich fü r die G rä fin M a th ild e , N a ta lie n s Schwester, erkannte. D e r a lte Schauspie­ le r hatte nicht zu v ie l von ih r gesagt. D e r Marchese ging ih r schnell entgegen und ihre H a n d ergreifend r ie f e r : »dies ist die H and, die m ir Ersatz b rin g t fü r a lle s , w as ich v e rlo re n ; dies ist der F riedensengel, der allen S t r e it schlichten w ird in dieser B r u s t und mich sanft geleiten bis an die P fo rte seiner H e im a th ! * G eorg glaubte zu bem erken, daß M a th ild e er­ bleichte und z itte rte ; N a ta lie wendete sich ab und verbarg ih r Gesicht an dem A rm ih re r M u t t e r ; die G rä fin und der B a ro n schlugen beide schweigend und verlegen die Augen n ie d e r, und es entstand eine selt­ same bange S t ille von einigen Augenblicken, die G e o r­ gen befremdete. » N u n , M a th ild e " r ie f endlich die G rä fin m it dem sichtlichen Bestreben, eine andere W endung de- G e­ sprächs herbeizuführen — » n u n , meine K in d e r, da h abt ih r den treuen S p ie lg e fä h rte n eurer K in d h e it w ie d e r! I h r h ä tte t den kleinen G eorg w o h l nicht erkannt ‘i ”

2i 4

D a s B i l d der M u t t e r .

M athilde hob die großen, schwarzen Augen gegen ihn au f, und sagte wehmüthig lächelnd: »Es war eine gute Z eit, da wir drei noch Kinder w aren! “ D ann ging sie schnell auf N atalien zu und w arf sich an ihre B rust. N atalie schloß sie mit heftiger I n ­ nigkeit in ihre Arme, und nun eilten beide zu ihrer M u tte r, und knieten zu ihren Füßen nieder, und die M utter mit Blicken voll unendlicher Liebe und tiefer Rührung legte ihre Hände auf das H aupt der blühenden Töchter und liebkosete ihnen; Georg aber stand in dem Anschaun der reizenden Gruppe ver­ loren. »Ach, meine M utter" sprach M athilde leise »warum können w ir nicht allezeit Kinder bleiben! *

F ü n f t e s Kapi t e l . O eo rg w ar mit dem B aron hinausgegangen, den alten Diener des Marchese genauer zu befragen. Als er jetzt wieder zur Gräfin gerufen w urde, fand er den Marchese nicht mehr. E r w a r, wie es hieß, auf einige Tage verreist. »Du hast uns viel zu erzählen, mein S o h n " rief ihm lächelnd die Gräfin entgegen. » Setze dich nur zu uns. W ir haben einander lange nicht gesehen."—

D a s B i l d d e r M u tte e .

215

Und Georg setzte sich und fing an zu erzählen von seinem Pflegevater, dem Maler Lorenz Haberland; wie dieser ihn geliebt als seinen eigenen Sohn, ihn sorgsam und in frommer Sitte erzogen, und da er in ihm Neigung und Anlage zu seiner eigenen Kunst zu verspüren geglaubt, ihn ernst und treu zu derselben angeleitet; und indem er so erzählte, legte sich nach und nach das Klopfen seines Herzens, mit dem es im Anfang jedem Worte das Geleit gegeben hatte bis auf die Lippen; seine Blicke, begeistert durch die freundliche Theilnahme, die sie auf dem Gesicht des Barons und der Gräfin fanden, wagten sich nun auch mitunter seitwärts hinüber nach den schönen Spielge­ fährtinnen von ehemals, und je öfter dieß geschah, desto wärmer ward es ihm in der Brust, desto leben­ diger floß der Strom seiner Rede, und er wußte so viele Züge aus seinem Leben bei dem alten Maler so anschaulich hervorzuheben, er wußte diesen letztem selbst mit seiner schönen Begeisterung für die Kunst mit der frommen Kindlichkeit seines Herzens, mit der Liebe zu ihm, seinem Pflegling, und mit der seltsa­ men Unbehütflichkeit im gewöhnlichen Leben, so wahr, so.ergötzlich und so rührend zugleich zu zeichnen, er wußte ihn mit allen seinen Eigenthümlichkeiten und Sonderbarkeiten so treffend und mit einer solchen Fülle von Leben darzustellen, daß er seine Zuhörer dadurch in die heiterste Stimmung versetzte.

D a s B i l d der M u t t e r . » ö führ' ihn her zu uns “ rief die Gräfin »führ' ihn zu uns, den wackern Alten! Wie gern möcht' ich ihm danken für seine treue Liebe zu dir, mein S o h n !a Georg schwieg einige Augenblicke und heftete seine Blicke an den Boden; dann sagte er leise mit beweg­ ter Stimme: »Ach, liebe M utter, er lebt nicht mehr! Ich war vergangnes Jahr noch in Rom" fuhr er fort, »als ich einen B rie f von thut erhielt, worin er mich beschwor, schnell nach Deutschland zurück zu kehren: er fühle sein Ende herannahen, und wünsche sehnlich, mich vor seinem Tode noch einmal zu sehen, und mir etwas Wichtiges zu entdecken. Ich eilte sogleich zu­ rück; doch ich kam zu spat: als ich ins Haus trat, hatten sie den guten Vater schon hinaus getragen.Der Baron schüttelte nachdenkend den Kopf. »Und er hat Ihnen niemals einen Wink über Ihre Her­ kunft gegeben ?»Nein, niemals" erwiederte Georg. Und ich ahne, daß ihn weniger irgend eine Verpflichtung dazu bewo­ gen hat, als vielleicht die Furcht, an meiner Liebe zu verlieren, wenn ich erführe, daß er nicht mein Vater sey. Seine Frau war frühzeitig gestorben, und hatte ihm keine Kinder hinterlassen. Sein- Herz fühlte das Bedürfniß, irgend etwas sein zu nennen und zu lie­ ben auf der weiten Erde; es hing sich mit allen Kräf­ ten seines reichen Lebens an mich, den er seinen Sohn nannte, eine langjährige Gewohnheit und die

D as B ild der M u tte r .

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herzliche Liebe, womit ich ihm die (einige vergalt, zogen das Band immer fester, ich war wirklich sein Kind, sein Sohn geworden, er w o l l t e vergessen, wie er zu meinem Besitz gelangt war, und entfernte geflissentlich alles, was seinem Herzen diese schöne Selbsttäuschung zu rauben drohte, ja er konnte selbst den Gedanken nicht ertragen, nach seinem Tode nicht als mein Vater in meinem Andenken fortzuleben; denn nur so kann ich es mir erklären, daß ich auch unter seinen hinterlassenen Papieren nicht die geringste Rachweisung über meine wahre Herkunft fand.* „Die er doch ohne Zweifel hatte geben können! " — fuhr der Baron fort. -»Denn nach der Aussage de­ alten Dieners hat jene Frau von Wallenrodt, die w ir für Georgs Mutter halten müssen, und die einige Jahre nach Georgs Entführung von hier in einer Herrnhutherkolonie gestorben ist, kurz vor ihrem Tode dem alten Lorenz Haberland ein versiegeltes Papier mit der Aufschrift: an meinen Sohn Georg, zustellen lassen.« Die Gräfin reichte Georgen ihre Hand und sagte freundlich: »Ich kann dem guten Alten deßhalb am wenigsten zürnen. Er hat mir dadurch me i n M u t­ terrecht auf dich erhalten, und wer weiß, hatte ich ean seiner Stelle nicht eben so gemacht! " „Ach, w om it" fragte Georg gerührt „womit hab' ich so viel Güte, so viel Liebe verdient?"

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» D u sollst dir meine Liebe auch noch erst verdie­ nen “ entgegnete die G rä fin , »dadurch, daß du mich eben so herzlich wieder liebst.« » O meine M u tter« rief G eorg m it Begeisterung, und drückte die dargebotene H and an die von reiner, kindlicher Liebe und D ankbarkeit hochschlagende B ru st — » meine theure M u tte r , dann hab' ich fie schon v erd ien t!«

Sechst es

Ka p i t e l .

I n vertraulichem Gespräch und lebendiger M itth ei­ lu n g , von theuren E rinnerungen und genußreicher G egenw art gleich lebhaft in Anspruch genommen, w ar der T ag vergangen. Manche V erm uthung w ar a u f­ gestellt und verfolgt, mancher E n tw u rf für die Z u ­ kunft gemacht w orden, und G eorg fing allm ahlig an heimisch zu werden in dem schönen Kreise. Allein ob er gleich des seltsamen T raum es der vergangenen R ächt erw äh n t, und die Erscheinung seiner M u tter erzählt h atte, so entschlüpfte ihm doch kein W o rt von der entworfenen Zeichnung und von dem angefange­ nen G em älde, und dazu bewog ihn weniger künstle­ rische E itelkeit, als ein nicht ganz klares, aber eben darum desto lebhafteres G efühl in seiner B rust, w el­ ches sich dagegen sträubte, das B ild der M u tter, das

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in dem Glanze einer himmlischen Erscheinung vor sei­ ner Seele stand, als einen unvollkommenen und dürf­ tigen Entwurf vor fremde Blicke zu bringen. N ur in möglichster Vollendung, mit allen Zaubern der Kunst gerüstet, in der Verklärung der Farbe sollte es vor die Augen der Welt treten und mehr noch als ihre Bewunderung sich ihre Liebe ersiegen. Jetzt stand er spat am Abend dieses reichen Tages wieder vor dem Bilde, mit klopfendem Herzen, mit hochaufathmender Brust, von Furcht und von Hoff­ nung, von Sehnsucht und Entzücken, von Schmerz und Lust bewegt; und wie ein Schiffender, der in hen gegeneinander streitenden Wogen eines wild aufgereg­ ten Meeres unterzugehen fürchtet, zu seinem Schutz­ heiligen um Hülfe ruft, so hob er Augen und Hände flehend zu der Mutter. Der zarte Keim der Liebe, den schon das erste Zusammentreffen mit Natalien in seinem Herzen ge­ weckt hatte, war heut in dem Frühlingsathem ihrer Gegenwart, in dem milden Sonnenstrahl ihrer Blicke schnell empor geschossen, und entfaltete sehnsüchtig seine Blüthen. Allein der Gedanke an Nataliens Stand und an seine eigne zweideutige Herkunft fuhr ivie ein eisiger Nordwind darüber hin, und griff schmerzlich zerstörend an ihr innerstes Leben. „D u armer Findling" sprach er leise für sich hin — >, du armer Findling! (