Schriften: Band 3 [[Oktavausg.] Reprint 2013 ed.]
 9783111430126, 9783111064673

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

€♦ W .

Contessa' s

S c h r i f t e n . Herausgegeben von

E.

von

Houwald.

D r i t t e r Band.

Leipzig, bei

Ge o r g

Joachi m

Göschen 1326,

I n h a l t .

D e r Li e b e s - Zwi s t . Lustspiel in fünf Aufzügen, igog. S. Me i s t e r D i e t r i c h . Eine Erzählung.

i

1 8 0 9 ........................................................................—

129

2 ch b in me i n B r u d e r . Lustspiel in einem Aufzuge. 1309.

.

.

— 205

D e r

Li e b e s - Zwi s t .

Lu stsp i e l

in

fünf

Aufzügen.

(Nach M eliere le d ep il am oureux.) 1 8 0 8

Conteff. Schrift. 3. Dv

.

I

Erst er

Auf zug.

Erst e

Scene.

Erast .

Jacob.

E r äst. 9 2 un ja , ich fcerg' es nicht, ein Argwohn lastet schwer A uf meiner B ru st, und treibt mich ohne Rast umher. R un' j a , die alte Furcht quält meine Lieb' aufs neue, D aß man sie hintergeht, ja , daß selbst deine Treue D es Nebenbuhlers Gold und Lockung unterliegt, W enn nicht, daß man dich auch zugleich mit mir betrügt.

Jacob. Mag Ih re Liebe m ir's, mit G unst, nicht übel nehmen, Meint sie, daß böse K niff aus d i e s e m Kopfe kämen, S o mein' ich, daß sie sich hart gegen mich vergeht, And Physiognomie nicht sonderlich versteht.

4

Der

L i e be s - Zwi st .

Di e Leute, die ein solch Gesicht zu Markte tragen, D ie halt man, Gott sey Dank, nicht eben für ver­ schlagen, Und ehrlich halt' ich auch, was mein Gesicht verspricht. Daß man mich selbst betrügt? Kann seyn! Doch glaub' ichs nicht. Ein Esel w ill ich seyn, vermag ich es zu fassen, Von was S ie diesen Floh ins O hr sich setzen lassen. Lucilie, dacht' ich, legt ja Liebe g'nug am T ag ; S ie sehn, S ie sprechen sie mit jedem Stundenschlag; V a te r, denn der ist doch die Ursach Ih re r Grillen, Scheint wahrlich jetzo blos gelitten wider W illen. E r a st. Wohlaufgenommen heißt d'rum noch willkommen nicht! G ar oft zeigt uns ein Weib ein freundliches Gesicht, Und Maske ist es nur für eine andre Liebe. W ar's möglich, daß Vater so kalt, so ruhig bliebe, Wußt' er nicht allzuwohl, daß er geliebt ist? N ein ! Wenn er unglücklich ist, kann ich nur glücklich seyn! M it seinem Lächeln wird mein Argwohn erst ver­ schwinden ; I n seiner Unruh' nur kann ich die Ruhe finden. Jacob. Vielleicht erkennt er sein vergebliches Bemühn, Und tragt wohl jetzo gar sein Herz wo anders h in !

Erster

Aufzug.

5

Erast. Ach, ein verschmähtes Herz will sich der Q u a l ent­ ziehen, Will g a n z dem Anblick, der es sonst beglückt, ent­ fliehen. Die Gegenwart von dem, was wir einst heiß geliebt, Gleichgültig läßt sie n i e ; wenn sie nicht Haß uns giebt, Schleicht bald sich in die B rust die alte Liebe wieder; Und endlich, blaßt man noch so gut die Flamme nieder, E in Bischen Eifersucht bleibt immer doch zurück, Und ohne Kränkung sieht man nie des Andern Glück. Jacob.

S o viel Philosophie, H e rr, kann ich nicht verdauen! W as meine Augen sehn, dem will ich auch vertrauen. D a s heißt recht a u f die J a g d nach S o r g ' und Kum ­ mer gehn, Als wären's Schnepfen! S c h re i'n , eh's Unglück noch geschehn! V or dem Charfreitag schon Charfreiragslieder singen! W as I h n e n das Geschick, das wird es m i r auch bringen. Wenn die Gebieterin jetzt ihre Treue bricht, S o hält die Dienerin sie mir auch sicher nicht. Doch dfm Gedanken weich' ich a u s in weiter Ferne!

6

Der Liebes-Iwist.

Sp richt m a n : ich liebe dich, so glaub' ichs herzlich gerne, B in glücklich, ohne daß michs q u ä lt, ob M askaril Sich drob vor Eifersucht die Haar' ausraufen w ill. Lacht er, so lach' ich auch aus aller meiner M acht, Und mag die W elt dann sehn, wer m it mehr Grazie lacht!

Erast. O das Geschwätz!

Jacob. Doch halt! da seh' ich sie ja gehen.

Zweite D ie V o r i g e n .

Scene. Marinette.

Jacob.

P s t! M arinette! Marinette. He ! D u hier? Jacob. J a , wie S ie sehen!

Erster

Aufzug.

7

Marin ette. tim Ihretw illen blos' trab ich, au f meine Ehre, S e it einer S tu n d e schon herum die Kreutz und Q uere! Erast. tim mich? Mari net t e.

Ja! E r a s t.

S p ric h , von wem du abgesendet b ist! M arinette. D on einem J e m a n d , der a u f S ie nicht eben böse ist, Von meiner D am e , kurz, m it einem W ort zu sagen. Erast. Ach, M arin ette, d ü rft' ich dir zu glauben w agen! Verhehl' mir nichts, gesteh's, wenn du mitleidig bist, O b diese G unst vielleicht nur eine Täuschung ist? M arinette. mein H e rr? W as setzt S ie in B ew egung? Je ig t sie noch nicht genug des Herzens süße R eg u n g ? W as soll denn B ü rg e noch für ihre Liebe seyn?

W as ficht S ie a n ,

Jacob. Wenn sich D al-r nicht h än g t, ist alles T ru g und S c h e in !

8

D e r L i e b e s - ZwLst. M a rin e tte .

Was heißt d a s ? Jacob. Eifersucht! M a rin e tte . D as ist nicht zu ertragen! W ie? kann in Ihrem Hirn solch Unkraut Wurzel schlagen? Ich hielt auf Ihren Kopf etw as, ich muß gestehn, Und muß nun so mit Schmerz mich schwer betrogen sehn! I s t dir der Wurm etwa auch in den Kopf geflogen? Jacob.

Ich eifersüchtig? J a , .daß ich die Seelengicht Mich mager machen ließ! D a kennst du mich noch nicht! N e in , außer daß ich ganz auf deine Treue baue, S o wisse, daß ich viel zu sehr mir selbst vertraue, Um je zu glauben, daß ein Andrer dir gefallt. Wo flnd't sich einer gleich, der mir die Wage häU? Marinette. Vortrefflich, Jakob! S o muß man die Sache fassen. N ur keine Eifersucht, ihr M änner, merken lassen! Denn w as, ich bitt' euch, habt ihr dafür zum Gewinn?

Erster Aufzug.

9

Dem Nebenbuhler helft ihr selbst zum Ziele hin, Bemüht euch recht, ihn g u t, euch selber schlecht zu betten! Wenn wir an seinen Werth auch nie gedacht noch hatten, I h r macht uns aufmerksam, nun denken wir d aran ; Und kurz mit einem W ort, es sey dem, wie ihm wolle, D ie lächerlichste und die undankbarste Rolle S pielt in der Liebe doch ein eifersüchtiger M a n n ! Dies Liedchen wollt' ich nur beiläufig Ihnen singen. 6 ra s t. N un ja doch! S till davon! W as wolltest du mir bringen? Marinette. Wenn ich S ie warten ließ', so w ar das nicht zu viel. Doch nehmen S ie ! das setzt dem bösen Geist ein Ziel. ( G ie b t ihm ein B ille t.)

E r a st, liest. sagen, daß um mich Schwerste Ih re Liebe w age; Sieg erwartet S ie an diesem Tage, sie des V aters W ort für sich. L u c i l Le. D welches Glück! O du, die's freundlich mir gebracht, Die Worte haben dich zur Gottheit mir gem acht S ie D as D er H at

io

D e r L i e b e s - I wi s t .

Jacob. Nun, hah' ich's nicht gesagt? Wenn Sie auch gar nichts hoffen, Was ich gesagt, das ist doch immer eingetroffen. M a r i n et t e. Ja, hinterbring' ich ihr die Schwachheit von vorhin-----E r ast. Nein, nein! ich war ein Thor, verwirrt an Herz und S in n ! llnd du — wie soll ich denn der schönen Botin danken? Bald wahrlich sollst du sehn, daß ich erkenntlich bin? Marinette. Ach, wissen Sie, wo ich Sie noch gesucht vorhin? Erast. Nun? Marinette. Bei dem Kaufmann------Erast.

Wo? Marinette. Wo schon vor ein'gen Wochen M ir JhreGroßmuth einst den schönenRing versprochen —

Erster Aufzug.

n

E r äst.

V ersteh! Jacob. Spitzbübin! E ra s t. Längst schon w ar es meine Pflicht, D ir W ort zu halten, doch — Marinetto. Ach nein, ich sagt' es nicht, Um S ie zu treiben-----Jacob.

Ach, nein, n ein ! wer denkt daran ? E ra st (zieht einen Ring vom Finger.) S ieh , hier, mein K ind, steht dir vielleicht hier die­ ser an, S o magst du ihn indeß für den versprochnen nehmen. Marinette. S ie scherzen! Ach mein G o tt, ich müßte mich ja schämen! Jacob. D u arm verschämtes Kind, nimm und bedanke dicht, Ein N arr ist, wer verschmäht, was ihm die Leute schenken.

i2

Der Liebes-Zwi st.

Marinette. Run bonn> so trag' ich ihn zu Ihrem Angedenken. E r a st. Und wann darf ich zu ih r, sie sehn, wann?

ihr danken,

Marinette. H m , klopfen Sie vorerst doch nur beim Vater an. Erast. Doch wenn er mich verwirft? Marinette. Kommt nachher in Erwägung. Genug, wir setzen Erd' und Himmel in Bewegung; Auf welche A rt es sey, sie muß die Ihre sevn. Thun Sie nur Ihre Pflicht, für unsre steh' ich e i n ! Erast. Adieu! Noch heute will ichs wagen! (Er ließt den Brief noch einmal.)

Nun dann,

Und w ir?

wohlan!

M a r i n ette. Was wollen w ir von unsrer Liebe sagen?

Jacob. Ich w ill dich! Willst du mich?

E rster

A u fzu g.

13

M a rin ette. N u n ja , von Herzen gern! Jacob.

D ie H a n d ! - - Und gut! M a r i n ette. Leb' w o h l, mein Herz! Jacob.

Mein Morgenstern! Marinette.

D u meiner Flamme D ocht, leb' w o h l, bleib' mir gew ogen! Ja c o b.

Leb' w o h l, du mein K om et, mein Seelenregenbogen! Leb' wohl! (Marinette geht ab.) Dem Himmel D a n k , daß es so herrlich geht! D enn Albert ist wohl nicht der M a n n , der S i e verschmäht. E rast. D a kommt Daler. Jacob. D er thut mir leid. Dem geht es trübe.

14

Der

L i e b e s - Awi s t .

Dritte D a l e r.

Scene.

E r a st.

Jacob.

E r a st. N un, Herr Va'ler? Valer. R u n , H err E rast? C r a st. W as macht die Liebe? D a l e r. B ren n t Ih r e Flamme noch ? E r äst. S ie brannte stärker nie.

Dal er. Wie meine Liebe.

Erast. F ü r Lucilien?

Daler. F ür C ie !

Erster Aufzug.

15

E r äst. G ew iß , mein werther F re u n d , das muß man doch bekennen, E in M uster sind S ie von Beständigkeit zu nennen! Vater. Und S ie , mein werther F re u n d , stellt noch die F ol­ gezeit Als seltnes Beispiel au f von Unermüdlichkeit.

Erast. I n diese Liebe w ürd' ich wahrlich schlecht mich schicken, D ie so begnüglich ist, zufrieden schon m it Blicken, Und denke nun einm al nicht edel g'nng und schön, Um so geduldig fromm mich nachgesetzt, zu sehn. K u rz , wenn ich liebe, seh' ich's g e rn , geliebt zu werden. Val er. I m E rn st? M ein F reu n d , S ie sind der Einz'ge nicht au f Erden. S elbst die Vollkommenste bleibt wahrlich ungeliebt, D ie mir in freiem Tausch nicht Lieb' um Liebe giebt. E ra s t. In d eß L ucilie-----Vater.

Lucilie gewahrte A ir a lle s, w as raein Herz bescheiden nur begehrte.

1(5

Der Liebes - Zwist.

E r äst. S i e zu befriedigen ist also leicht! D a l e r. Jö n e i n !

Nicht wie S ie glauben. E ra st. Doch würd' ich nicht eitet seyn, Wenn ich Luciliens Gunst g a n z zu besitzen glaubte. Vater.

Ich weiß, daß ich darin den besten Platz behaupte. E ra st. F reund, im V e rtra u n : daß S i e nicht selbst sich hintergehn!

Vater. F re u n d , im V e rtra u n : daß S i e nicht allzuviel gesehn l Erast. Zeigt' ich den sprechenden B ew eis, daß ihrem H e r z e n -----Doch nein, ich thu' es nicht! E s würde S i e nur schmerzen.

Erster

Aufzug.

17

Vater. Wenn ich entdeckte, wie Lucilie mich liebt — Doch n ein! ich machte S ie doch allzusehr betrübt. E r a s t. W ohlan, S ie zwingen mich. Ich thu's mit W ider­ streben, Allein I h r Dünkel will die Züchtigung erleben. D a lesen S ie ! (E r giebt ihm Luciliens B illet.)

Vater, (nachdem er gelesen.)

Recht schön! Erast.

S ie kennen diese H and? Vater.

Es ist Luciliens. E ra s t. N u n , dieses Unterpfand — —• Vater, (geht lachend ab.)

I h r D iener, Freund E ra st! Tontess. Schrift. 3. Dd.

2

Der

18

LiebeS-Zwist.

Jacob, (nach einer Pause.) D e r Freund ist nicht bei S i n n e n ! — W a s w äre denn für ihn so lächerlich da d rin n e n ? Er as t .

B ei G o tt,

sehr sonderbar! Und noch seh' ich nicht ein — N e i n , ein Geheimniß muß hier wo verborgen seyn!

Jacob. D o r t oben, glaub' ich, kommt sein M ask aril gegangen. Erast.

H alt,

w ir verstellen u n s ! Vielleicht laßt er sich fangen.

Vierte Maskaril.

Scene. Erast.

Jacob.

Maskaril. Au dienen einem H e r r n , der jung ist und verliebt, D e r Himm el w eiß, daß es kein größer Elend giebt!

E rster

A u f z u g.

19

Jacob. Ei guten T a g !

Maskaril. Schön D a n k !

Jacob. W as macht e r ?

E ilt M askaril vorüber? kommt e r ? geht e r ? oder bleibt er lieber?

M a s k a r i l. E r kommt nicht, weil er noch nicht weggewesen ist, E r geht nicht, weit du ihm jetzt hier im Wege bist, Und bleibt auch nicht, weil er sogleich mit diesem Schritte Don dannen geht. E r a st. D u bist von strenger Art und S itte . R ur sachte, M askaril! Mas kar i l . Ach, gnad'ger H e r r , S ie h ie r? E r a st. W as fliehst du denn vor u n s ? W ie ? Hast du Furcht vor m ir?

20

Der

LiebeS-Iwist. Maskari l .

Von I h r e r Artigkeit laßt sich nichts Böses denken. Erast.

W ir werden jetzt nicht mehr uns gegenseitig kranken, W ir wollen Freunde seyn; denn meine Liebe gern Und willig räum t sie jetzt den Platz dem Glücklichern. Maskaril. G ott g e b 's! E ra st, (auf Jakob zeigend.) D e r w eiß, daß ich mich anders wohin wende. Jacob.

J a , Marinetten geb' ich auch in deine Hände. Mas kari l .

Laß das bei S e ite , Freund! Denn unsre Eifersucht, D a s weiß ich sicherlich, trägt keine böse Frucht. Allein belieben S ie denn wirklich nicht zu spaßen, D aß S i e entverliebt find ? Kann man sich drauf verlassen?

Erast. Ich weiß, dein Herr besitzt nun ganz Lucilien; Ich w ar' ein großer T hor, wenn ich im mindesten S o ganz umsonst bemüht um ihre Gunst noch wäre.

Erster

Aufzug.

21

' Ma s kar Ll .

Q S i e gefallen m ir m it dieser neuen M ahre? Und ziehen weislich sich aus einem schlimmen S p iel, D a s , soll ich es gestehn? m ir selber nicht gefiel. E s w ar ja leider nur zum S chein, daß man sie liebte. J a , glauben S ie m ir, H e rr, daß mich es oft betrübte, W enn ich, der alles ja doch wußte w as geschah, M it falscher Hoffnung stets S ie abgespeiset sah. 'S ist unrecht, einen M an n so bei der Nase führen! Allein wie kamen S ie d azu , es auszuspüren? Denn ausgenommen mich, und dann noch andre zwei, W ar ja kein Zeuge sonst in jener Nacht dabei, D ie den geheimen B und in ihren M antel hüllte, Und unsrer Liebenden V erlangen endlich stillte. Er äst.

D u sag st

? — Maskari l .

Ich sage, daß ich nichts zu sagen weiß, Nicht w eiß, wer es gesagt, w as w ir m it M üh und Fleiß S o schlau verborgen. E i ! wer konnt' es Ih n en sagen, D aß heimlich in der T hat die Ehe seit zwei Tagen, Fräulein Lucilien und meinen H errn vereint? E r a st. D u lügst!

22

D e r L i e b e s - Z w ist. Maskari l .

Recht g e rn , wenn Eure Gnaden m e in t! — E rast. D u bist ein Schuft! Maskaril. Ich geb' es z u ! C ra st. Die Frechheit wäre Gleich hundert P rü g e l w e rth ! Mas kari l .

E s ist mir eine E h r e ! E r äst.

Ach J a k o b ! Jakob.

Gnad'ger H e r r ! E r a st. Ach, Lügen straf' ich ihn, Und glaub' ihm nur zu sehr! D u denkst mir zu entflieh» ? M a s k a r i l. M it Nichten, gnad'ger H err!

Erster Aufzug.

23

Crast. Nun also sprich! D u sagtest — — Maskaril. Ich spaßte. E ra s t. H a, daß du mit mir zu spaßen w agtest! M a s k a r i t. N ein, nein! ich spaßte nicht! E ra s t. S o ist es wahr ? Maskaril. D as nicht! D as sag' ich nicht. E ra s t. W as sagst du denn, verdammter W icht? M askaril. G ar nichts. Ich mach es doch nicht recht. Erast.

D u sollst gestehen, Jsts W ahrheit, oder willst du mich nur hinter­ gehen ?

Maskaril.

W ie es beliebt, mein H err. Ich bin nicht darum hier, M it Ih n en über w as zu streiten. E r a st, (zieht den Degen.) D a s soll dir D ie Zunge lösen! W irst du sprechen? O hne Z audern! Maskaril. S o werd' ich noch einm al wohl etw as D um m es plaudern. N e in , lieber reichen S ie m ir hurtig ein'ge Schlage, Und ohne Mucksen geh' ich stille meiner Wege. E r a st. D u stirbst, wenn du — — Maskaril. W o h la n ! — doch wenn S i- 's böse m acht— E r ä st. D a s ist nicht deine S chuld. Doch nimm dich wohl in Acht; Und überlege wohl dein jetziges Beginnen. D enn meiner Ahndung wirst du nimmermehr ent­ rinnen, Mischt dem sich, w as du sagst, nur e i n s Lüge bei.

Erster A u f z u g .

25

Ma s kar i t .

S o sey e s ! Schlagen S ie mir Arm und B ein ent­ zwei, J a mögen S ie mir doch sogleich den G araus machen, Is t nur ein Deutchen T rug in allen diesen S ach en ! E r a st. D i? H eirath ist gew iß? Ma s k a r i l .

N un seh' ich freilich klar, D aß meine Zunge hier 'nen Tölpelstreich gebar; Indeß das D ing verhalt sich also, wie S ie sagen. Rach manchem Nachtbesuch in diesen letzten Tagen, Wo w ir als Mäntelchen S ie klüglich vorgewandt, Vereinte unser P a a r vorgestern Priestershand. S tren g sucht Lucilie nun die Liebe zu verhüllen, D ie dieses B and geknüpft. .M ein H err, nach ihm » Willen, S o ll alles was sie th u t, w as um ihn her geschieht, J a selber wenn er S ie von ihr begünstigt sieht, F ü r eine Maske nur erkennen, um den Blicken D er ganzen W ett ihr Glück so sichrer zu entrücken. Und zweifeln S ie noch jetzt an meiner Ehrlichkeit, S o halte dieser da sich mitzugehn bereit, Sobald es dunkel w ird ; so kann er selber sehen,

26

Der

L i e b e s - Z w i st. E r a st.

Aus meinen Augen, Schurke!

Maskarit. Gern w ill ich es thun. Das war's ja , was ich gleich gewollt. (Ab.)

Fünfte E r a st.

Scene. Jacob.

E r äst. Und nun? Jacob. J a nun! Ä i r haben unser T heil, hat der uns nicht betrogen. E r a st. Es ist nur zu gewiß, er hat uns nicht belogen! Es ist der höchste Schein der strengsten Wahrheit da. Dalers Betragen, als er dieses Briefchen sah, Zeigt ihr Verständniß klar, und daß sie es nun sendet, W eil es der Liebe dient, die sie an thu verschwendet.

Erster

Sechst e Di e V o r i g e n .

Aufzug.

Scene. M arinette.

M a r i n e t t e. Schon wieder stell' ich mich mit guter Botschaft ein. Lucilie wird heut' allein im Garten seyn. Erast.

D u Schlange, kannst du. noch mich anzureden w age«? Aus meinem Angesicht! Und i hr, ihr magst du sagen, D aß sie mit Briefen mich fortan in Ruhe ließ, Und dieß die Achtung fei;, die ich für sie bewieß! (E r zerreißt Luciliens B illet und geht ab.)

M a r i n e t 1 e. W as heißt d a s , lieber Freund ? W as hat ihn denn gebissen? Jacob. Mich anzureden wagst d u , W eib, das nicht Gewissen Noch Schaam im Leibe h a t ! du Krokodill voll Gift, D u H e r z , wie man es nur bei Kannibalen trift, D u Basilisk, du H lp , du T iger, du Sirene, D u M urm elthier, du Luchs, du Wölfin, du Hyäne,

28

Der

L i e b e s - Zwi s t .

G e h ', trag ' die A ntw ort h in ! Nicht N arren mehr sind w ir, Und S ie sann nur getrost zum Henker gehn mit d i r ! (G eht ab.)

Marinet t e.

Schläfst oder wachst du denn, du gute M arinette? Welch' böser Kobold treibt sein Wesen hier? W er hatte An den Em pfang gedacht für unsre Artigkeit! O d arau f ist man wohl zu Hause nicht b ereit!

Zweiter Er s t e ASkan.

Aufzug. Scene. Sophie.

Sophie.

Nun denn? S ie wiffen w ohl, wie gut ich schweigen kann. Askan. 2 a , meine Freundin — Sophie.

N u n , so sprechen S ie , w ohlan! Askan. Kommt auch Niemand ? Sophi e. N ein, n ein ! S ie dürfen sicher sprechen. Askan. Wie fällt es mir so schwer, das Schweigen dir zu brechen!

3o

Der

Li ebes - Zwi st .

Sophie. Ei ,

das Geheimniß muß fürwahr sehr wichtig seyn!

Askan. R ur zu sehr! Und selbst d ir gesteh' ichs ungern ein.

Sophi e. Sie kranken mich, Askan! M ir, die ich so viel Jahre Das Wichtigste für Sie in treuer Brust bewahre, M ir , die ich weiß, was Sie in diese Kleider zwingt— Askan. Wa§ Herkunft und Geschlecht mich zu verbergen dringt, Nun ja , du weißt es , weißt, wie ich hieher gekommen, Wie nach dem Tod Äskan's dies Haus mich aufge­ nommen, Damit die Erbschaft nicht in andre Hände kam, Die nach dem Testament sonst jener Tod ihm nahm; Du weißt's, drum soll dein Blick in diesen Busen schauen, Und was er streng verschloß, das w ill ich dir ver­ trauen. Doch eh ich spreche, nimm mir einen Zweifel ab, Der mir zu denken oft und oft zu sorgen gab: Sprich, sollte Albert selbst noch nie geahnet haben, Was ihn zuut Vater mir gemacht, und mich zum Knaben.

E rster

A u fzu g .

31

Sophie.

D er Zweifel hat bei mir sich gleichfalls schon geregt; Die Frage hab' ich oft mir selber vorgelegt. Als Alberts Frau einst den Askan, ihr K in d , ver­ loren, D a s eines Oheims G u n st, schon eh' es noch geboren, M it reichem G u t bedacht, nahm sie, so viel ist klar, Aus Furcht vor dem G em ahl, der just abwesend war, Fcmd' er ru eff ehrend um die Erbschaft sich betrogen, Von der sein H aus und er so großen Vortheil zogen, S ie nahm der A m m e Kind sogleich zu sich ins H aus, Und gab dem Vater es für das gestvrb'ne aus. Dies Kind sind S i e. V on uns hat Albert nichts erfahren, Und seine F r a u , sie starb zu schnell nach wenig Jahren, S ie hat ihm nichts entdeckt. Indessen steht er doch M it I h r e r M utter selbst stets in Verbindung noch, E r soll sogar für sie den Unterhalt bestreiten: D a s scheint doch au f etwas besonderes zu deuten. Hinwieder treibt er S ie zu einer Heirath hin, Und so wie e r will, hat es nicht Verstand noch S in n . S o llt' er den T a u s c h vielleicht, doch I h r G e s c h l e c h t nicht kennen? Doch sprechen S i e ! S i e sehn mich vor Verlangen brennen.

32

Der

L i e b e s - Zwist.

A s kan. S o p h ie , die Liebe laßt sich nimmer hinlergehn. W ard alle Welt getauscht, sie hat doch scharf gesehn, Und in der M änner - T rac h t, es schmerzlich zu ver­ wunden, Sin armes Madchenherz voll Schwachheit aufgefunden. Ich liebe. Sophie. , W ie ? A skan! Askan. Erstaune nicht so sehr! Dies thöricht schwache H e r z , es hat wohl bald noch mehr Und schwerern Anlaß zum Erstaunen dir zu geben. Sophie. N u n denn ? — Askan. V aler ist's, den ich liebe. Sophie.

W ie ? ihn eben, I h n steten S i e , A s k a n ? Ich zittre! Eben ihn, Dem S ie mit dem B etrug die Erbschaft just entziehn ? An den sie gleich zurück gegeben werden müßte,

Zweiter Aufzug.

33

D enn er auch nur ein W ort von der Verkleidung w üßte? S ie hatten recht, daß dies noch staunenswürd'ger w ar! Askan. R u n , etwas überrascht dich doch gewiß noch mehr. Sophie.

Run? Askan. Ich bin seine Frau. Sophie.

F rau ? — Askan. Ja! Sophie.

O das wird fertig M it meinem Kopfe! Askan. Sep nur beßers noch gewärtig. Sophie.

Aöie? l _ Antels. Schrift. 3- Dd.

3

34

D er

Liebes -Z wist. A s k a n.

Ich bin seine Frau, und er, er weiß es nicht, Hat über mein Geschlecht nicht das geringste Licht. So p h i e .

O weh mir! Halten Sie um Himmels willen inne, Denn Sie verwirren Streich auf Streich mir alle Sinne! Das sind ja Räthsel, die niemand begreifen samt, As kan. Soll ich sie lösen, nun, so hör' mich ruhig an. Ich sah Valeren durch Luciliens Reiz gebunden, Und hatt' ihn wohl schon oft recht liebenswerth gefunden. Konnt' ich verschmäht ihn sehn und seinen stillen Gram, Daß nicht das Mitleid Platz in meinem Herzen nahm? Ich theilte seinen Schmerz, ich horchte seinen Klagen, Ich schalt Luciliens Stotz, ihr höhnisches Betragen, Ich sprach für ihn, und ach! so oft, so warm, daß sich Die Lieb' am Ende selbst in meinen Busen schlich, Und wie sich ein Geschoß abprallend oftmals wendet, Und tödtlich da verletzt, wohin es nicht gesendet, So traf der Blick, das Wort, die er an sie gewandt,

3 weiter

Au f zug.

35

M e i n Herz, das unverwahrt ihm gegenüber stand. Es wuchs die Leidenschaft fast mit den Athemzügen; Die Flamme schlug empor: ich mußt' ihr unterliegen. Im Dunkeln traf Valer mich einst verkleidet an, Hielt für Lucitien mich, ich nutzte seinen Wahn, Gestand ihm Neigung zwar, doch um des Vaters willen Muß ich für jetzo noch sie ins Geheimniß hüllen; Gleichgültig werd' er mich wie sonst bei Tage sehn, Und als Vertraute nur die Nacht zur Seit' uns stehn. Doch laß mich übergehn, was ich noch sonst ersonnen, Wie ich den Faden mit Geschick so fort gesponnen; Genug, aufs Aeußerste trieb ich das kühne Spiel i Daler ist mein Gemat, und meine Lieb' am Z ie l!

Sophi e. Was für Talente nicht in diesem Köpfchen liegen! Wer sucht das Feuer wohl in diesen kalten Aügen? Doch wie nun weiter? Wie? Sie waren sehr geschwind. Wenn auch die Sachen jetzt noch gut gegangen sind, So ist doch klar, wenn Sie den Ausgang überlegen, Daß sie nicht lange mehr verheimlicht bleiben mögen. Askan.

36

Der

Liebes - Zwist.

So ganz mein Innerstes, um deinen Rath zu hören. S t ill! — Ach! da ist er selbst!

Zwei t e Vater.

Scene.

Die V o r i g e n . Vater. Sollt' ich hier etwa störe«,

So geh' ich wieder. As kan. Nein — nein, bleiben Sie — denn wir — Von Ihnen sprachen wir. Vat er . Sie sprechen da von mir? Und darf ich

? Aska n.

Nun ich sprach, es könnte wohl vor Allen, Wenn ich ein Mädchen war', mir doch Vater gefallen, Und liebt' er mich, so würd' ich — würd' er glücklich ftp».

Zweiter

A u f z u g.

37

V a l e r. S ehr gü tig ! Mischte sich nur nicht solch W e n n darein. W ie, wenn ich aber doch beim Wort die Freundschaft hielte? As kan. Wie — ? Vater.

Wenn ich Liebe nun für eine Andre fühlte? Und bäte meinen Freund, mir freundlich beizustehn? A s kan. S ie möchten sich getauscht in Ih rer Hoffnung sehn! Vater. E i , das ist in der That verbindlich nicht zu nennen! Askan. W ie? Sollten S ie's im Ernst von mir erwarten können? Verlangen könnten S ie von mir im Ernst, Daler, Wenn ich S ie liebte — und wenn ich ein Mädchen wär', Dann Ih re r Liebe für ein Anderes zu dienen! V a l e r. D a aber das nicht i s t ? -----

33

Der

Liebes-Zwist.

A skan. Als Mädchen sagt' ich's Ih nen , Mein Freu nd, als Mädchen, und so nehmen S ie 's auch n u n ! Vater.

Will denn der Himmel nicht ein Wunder für mich thun, S o bin ich also ganz um I h r e Gunst betrogen? Askan.

W o cs um Liebe g ilt, da wird genau gewogen! Versichern S ie mich erst ganz frei und unbedingt, D a ß gleiche Freundschaft mir I h r Herz entgegen bringt, U nd, w ar' was ich vorausgesetzt, nun keine Lüge, D aß es, m i r treu, dann nie für eine Andre schlüge. D a l e r. H m , eine Eifersucht der A rt ist wahrlich neu, Doch schmeichelhaft, und ich verspreche was es sey! Askan.

G e w iß ?

Vater.

M it Hand und M u n d ! Askan. W ohl, so versprech' ich I h n e » , N u n Ih rem Vortheil tvte dem eigenen zu dienen.

Zweiter

Aufzug.

39

Vat er . Vielleicht vertrau' ich bald sehr Wicht'ges Ihnen an, Wo dies Versprechen mir von Nutzen werden kann. A s k a n. Ach,

etwas Wicht'ges kann auch ich kaum mehr ver­ schweigen. V a l e r.

Auch Sie? As kan. Ich lieb' und darf nicht meine Liebe zeigen; Tief in der Brust nur bebt sie stumm und unerkannt. Doch Sie — Vater! Mein Glück — es liegt in I h ­ rer Hand! V a l e r. Sprechen S ie ! Vermag ich es zu gründen, So zweifeln Sie doch nicht daran, es gleich zu finden? As k a n !

Wie?

Askan. Mehr als Sie glauben, schließt dies Wort in sich, V ater! Vater. H reden S ie , wer ist es, den Sie meinen, wer?

40

D er Liebes-Zwist.

As k a n. Noch scheint es mir nicht Zeit. Doch ist's w er, darf ich sagen, D er nah' S ie angeht. Vater.

W ie? D urft1ich zu glauben wagen, D aß meine Schwester — A s k a n. Stum m muß ich für jetzt noch seyn. Erst um das Ih re tausch1 ich mein Geheimniß ein. Vater.

Ich hole mir dqzu erst eines D ritten Willen. A s kan. D ann zeitzt sich, wer sein W ort am besten wird erfüllen. Vater. W ohlan, auf W iedersehn! (E r geht ab.) A s ka n , (erst als wollte sie ihn noch zurück rufen, dann sich schnell besinnend:) Dgler — auf Wiedersehn!

Zweiter

Aufzug.

41

Sophie. Des B ruders B eistand, glaubt e r, wird ihm nicht ent­ gehn.

Dritte

Scene.

L u c i l i e , M a r i n e t t e , As k a n , S o p h i e .

Lucilie. S o ist's beschlossen! N u r an Rache will ich denken. S 0 hoff' * ich seinen S tolz am schmerzlichsten zu kranken. J a , das nur ist's, was ihn recht tief verletzen kann. D u triffst auf einmal mich verwandelt, mein Askan! Dein Wunsch wird nun erfüllt. Valeren will ich lieben. Askan. W as ? N e in ! das hieße mit der Liebe S p iel getrieben! Lucilie! W i e ? mehr ist dir Erast nicht w erth? N ein, solcher Wankelmuth ist wahrlich unerhört! Lucilie. D e i n Wankelmuth setzt mich weit mehr noch in E r­ staunen.

42

Der

Liebes-Zwist.

Du klagtest mich ja sonst des Eigensinnes, der Launen, Der Harte gegen ihn, der. Grausamkeit mich an: Nun ich ihn lieben w ill, ist's auch nicht recht gethan, J a , feindlich seh1 ich dich selbst gegen ihn dich kehren! A s kan. J a , sonst! sonst! Aber jetzt! Ich w ill es dir erklä­ ren — Sieh', eine And're liebt er jetzt — ja sicherlich! Ich weiß es ganz gewiß! — Und welcher Schimpf für dich, Hatt' er, zurückgeruft, die Rückkehr abgeschlagen! Lucilie. Für meinen Ruhm w ill ich schon selber Sorge tragen! Denn wen er liebt, das ist mir wohl bekannt, mein K in d ! Drum sag' ihm. nur getrost, wie ich für ihn gesinnt. Willst du nicht, so empfangt er die willkommne Kunde, Eh' dieser Tag vergeht, aus meinem eignen Munde. Du schweigst? Du kehrst dich weg? Wie? hab' ich recht gesehn, So seh' ich Thränen gar in deinen Augen stehn! Askan. Lucilie! Willst du des Bruders Bitte hören, B in ich dir theuer, so — c ! raube nicht Daleren

Zweiter

Aufzug.

43

Dem armen Kinde, das ihn liebt! Es ist mir werth. Nimm den Entschluß zurück! Ach, wenn sie ihn erfährt, Die Ilnglücksel'ge! — Ich nur habe ihr Vertrauen — And könntest du wie ich in ihren Busen schauen, Dem dein Entschluß M uth , Freud' und jedeHvffnung stahl ! Ach j a , ich fühle schon des armen Herzens Qual, Ich fühle ihre Brust in heißem Schmerz sich heben, Änd ja , ich fühl' es auch — sie wird's nicht über­ leben !

Lueilie. Mein Himmel,

welche G lut?

Was heißt denn das,

Askan?

Ich weiß nicht, wesien nimmst du dich so zärtlich an? Doch brechen wir jetzt ab! Vergieb, ich muß ge­ stehen, M it meinen Grillen wünscht' ich mich allein zu sehen.

Askan. Wohl!

Doch bedenk', daß du zum Aeußersten mich zwingst, Sobald du den Entschluß je zur Vollführung bringst! (Ab mit Sophien.)

44

Der

L i e b e s - Z wi s t .

Vierte

Scene.

Lucilie, M arinette. M a r i n e t t e. Mi t dem Entschluffe, dacht1 ich, w ar es schnell ge­ gangen. Luci li e.

W er

überlegt

wohl noch, der solchen Schimpf empfangen? H a , der Abscheuliche! Ach, ich ertrag' es nicht! Mar i net t e.

Ich bin noch außer m ir, sobald man davon spricht. Wie hochentzückt ward ich zuerst nicht aufgenommen! J a , bis zur Gottheit w ar's sogar mit mir gekommen, Als er das Briefchen l a s ! Und als ich wiederkam — : Ach nein, so schimpflich ward — ich brenne noch vor Scham — Kein Kammermädchen seit der Schöpfung je behandelt. W as in der kurzen Zeit nun alles so verwandelt, Und w as geschah, bleibt mir ein Räthsel in der T h a t --------Luci l i e.

Nichts ist geschehen, nichts! Abscheulichkeit, Verrath,

Zweiter Aufzug.

45

Treulosigkeit, w ie sie den M ännern allen eigen, D a s ist's! Und keinen Grund wirst du mir sonst noch zeigen, Und nichts, beim H im m el, wird ihn meinem Haß entzieht!! R e in , n e in ! Und sah' ich selbst zu meinen Füßen ihn, Und sah' ich ihn sogar bereit, mir Glück und Leben Zu B üß ung seiner Schuld bereuend hinzugeben, Und ja , auch selbst gesetzt, mein eignes Herz, es fei?, Sich zu vergessen schwach gen ug, dann steh mir bei, S te ll mir beständig vor, w as er an mir begangen, Und h ilf der Rache selbst zum Ziele zu gelangen. M a r - i n e t t e. O sorgen S ie nur nicht! Nicht minder aufgebracht B in ich, und eben so au f Rache nur bedacht, Und sollt' ich auch sogar — ein hartes Loos attf E rd en ! — S o llt' ich darüber auch zur alten Ju n gfer'w erd en !

40

Der

Liebes - Iwist.

Fünfte Al bert ,

Scene.

die V o r i g e n . Al bert .

L uritie, du gehst ja eben in das H aus — S o rufe m ir doch den M agister gleich heraus. Ich sehe den Askan nun schon seit mehrern Tagen, S o ernst, so scheu — vielleicht kann er den G rund m ir sagen.

Sechs t e

Scene.

A l b e r t , (allein.) I n welchen Abgrund doch von U nruh, A ngst, und N oth S tü r z t e i n e T h a t, die nicht die Redlichkeit gebot! W ie schwer hab' ich es schon gebüßt, m it diesem Knaben D en bösen Unterschleif aus Geitz gemacht zu h aben! B a ld denk' ich z itte rn d : jetzt entdeckt man deine List, Jetzt wird es offenbar, daß er dein S o h n nicht ist! Und sehe schon mein H aus der Schande P re is gegeben;

Zweiter

Auf zug.

47

Bald fürcht' ich wiederum, daß ihm, au dessen Leben M ir Glück und Ehre hangt, ein Zufall Schoten bringt, And wenn mich ein Geschäft vielleicht zum Ausgehn Zwingt,

So e il' ich und zugleich auch bangt mir, heimzu­ kehren, Denn immer denk' ich nur: was wirst du jetzt wohl hören? Kurz wo ich steh' und geh', schleppt bleich, mit schwe­ rem Schritt' And tief gefurchter S tirn , sich auch die Sorge mit.

Siebente Albert,

Sc e ne .

Met aphrase.

Metaphra^st. Mandfttis .obsequor tu is !

Albert. Ich wollte fraget!, M tßistpr — —.

43

Der

Liebes-Zwist.

Metaphrast. Kommt von ter und m agis , und will sagen : Dreim al so groß! Al bert .

D a s mußt' ich nicht. N u n gut, mag seyn!

Ich-----

Metaphrast. Fahren S i e nur fort! Al bert .

D a s will ich auch, allein D a n n fahren S ie nicht fo rt, mich stets zu unter­ brechen. N u n denn, von meinem S o h n wollt' ich mit Ih nen sprechen, Und sagen, daß er mich nicht ohne Sorgen laßt. Ich lieb' i h n -----Metaphrast. F ilio p raeferri non potest N isi F iliu s J

Albert.

H ö rt, F re u n d , wenn wir zusammen reden, Laßt das L atein! das ist ja Futter nicht für Jeden. Metaphrast. S e h r wohl!

Z weiter

Aufzug.

49

Albert. N u n d a n n , mein S o h n — m ir scheint's, als scheu' er sich B or einer H eirath. S eh n S i e , das bekümmert mich — Metaphrast. M it Cicero’s B ru d er ist es gleichfalls so gewesen, W ie in epistolis ad Atticum zu lesen. J a , j a , m isogam os , wie das der Grieche sa g t, — Albert.

Laßt mich m it Griechen und m it Türken ungeplagt! W as hat mein S o h n m it all' dem Volke zu ver­ kehren ? Metaphrast. N un d an n , I h r S o h n ? Albert.

N un ja , ich wollte fa std 'rau f schwören, D aß etw as Wichtiges im Herzen ihn bewegt, D aß er wohl gar darin verborgene Neigung hegt; D enn als ich gestern in den frühesten M orgenstunden 2 n einem Winkel des Gebüsches ihn gefunden Im G a r te n -----Metaphrast. W i n k e l ist das rechte W ort wohl nicht, ttntefs. Schrift. 3. Bd»

4

5o

Der

Liebes-Awist.

Ei n abgelegener O r t , secessus , wie man spricht. V irgil hat so gesagt: esc in secessu locus — — Albert.

W as soll hier der V irgil und alt' der Hokus p o k u s! V on dieser Sache weiß ja der V irgil kein W o rt; D enn außer meinem S o h n und m ir w ar niemand dort. Metaphrast. w ard auch nur hier als Beispiel angegeben G ew ähltem A usdrucks, als S ie sich bedient so eben, Und nicht als Zeuge. Albert. Ach, w as B eispiel, Ausdruck! Ich, Ich hab's gesehn: das ist genug für S ie und m ich!

V irgil

Metaphrast. M an w ählt die W orte doch vorzüglicher Autoren, D enn T u v iv e n d o ------Albert.

M ensch! hast du es denn geschworen, Mich um zubringen? W ie? Metaphrast. E s giebt

Quintilian —

Zweiter

Aufzug.

51

Albert. O B e lia l! Metaphrast. E r giebt darob Verschiedenes an, Änd wissen werden S ie w ohl gern , w as er empfoh­ len ------

Albert. D er Teufel werd' ich seyn, der kom m t, um dich zu holen, / D u Mohrenangesicht! Metaphrast. M ein G o tt, w as ist denn hier? W arum sind S ie so bös'? W as wollen S ie von m ir?

Albert. Mich hören soll m an , wenn ich spreche! Metaphrast. Das ist b illig ! D enn es nichts weiter ist, ich schweige gern und w illig. Albert. S ie thun sehr klug daran.

Metaphrast. W oh lan , ich bin ganz Ohr!

52

Der

Liebes-Zwist.

Albert. N u n endlich! S o ist's recht! Metaphrast. N u n tragen S ie nur vor!

Albert. W ohl also denn — \ Metaphrast. Ich bin schweigsamer, als ich scheine. Albert. Gu t i Metaphrast. Fürchten S ie nicht mehr die Unterbrechung, meine! Albert. N u n A m en! Metaphrast. Sprechen S ie nur immer z u ! Albert. rW oh(an, Ich w ar — Metaphrast. Ich halte W ort.

Z w e ite r Aufzug.

53

A lbert. Ich gl aub' s! M etaphrast. Ein Wo rt, ein Mann! A lbert. Nun j a doch! M etaphrast. Ich bin stumm. A lbert. Gott geb's! M etaphrast. D as muß ich sagen, Jetzt haben Sie doch nicht mehr über mich zu klagen. Ich wage meinen Mund ja gar nicht aufzuthun. Albert. H a , drr Verräther!

Metaphrast. Doch vollenden Sie auch n u n ! Dchon lange hör' ich zu, und ohne Unterbrechen; Ich möchte doch nun auch ein armes Wörtchen sprechen. Albert. D Ungeheuer — ! ------

54

Der

L i e b e s - Z w ist.

Metaphrast. W ie? B ei G o t t , zu weit geht das! B in ich zuhören blos verdam mt? Albert. Du S atan as! Wie kann ich d e n n --------Metaphrast. Noch m ehr? Regt sich kein Mitleidsfunken I n dieser S eele? A h, per Jov eip , ich bin trunken! Albert.

Zum Teufel a b e r -----Metaphrast. W ie ? S o hören S ie nicht a u f? O Himmel, hemmet denn nichts dieser Zunge Lauf?

Albert. Ich berste noch vor W u t h ! Metaphrast.

O w e h ! ich muß vergehen! Um ein P a a r Worte nur muß ich doch ernstlich flehen. Ein N a r r , der gar nicht spricht, er unterscheidet sich Vom Weisen nicht, der schweigt. Albert.

D u schweigst mir sicherlich! (Ab.)

Z w e i t er

Acht e

Aufzug

55

Sc e ne .

M e t a p h r a s t , (allein.) Weshalb ich auch den Spruch sehr klug und weise nenne Des Philosophen: Sprich, auf daß man dich erkenne! Soll das Vermögen mir der Red' entzogen sepn, So büß' ich lieber gleich die ganze Menschheit ein, «nd wandle mich zum Thier! — Wenn niemand hören wollte, Was der Gelehrte spricht, wenn er stets schweigen sollte, Dann war' die Ordnung bald der Schöpfung um­ gekehrt, Dann wird es Mode, daß das Huhn den Fuchs verzehrt, Den Hund der Hase hetzt, die Lämmer Wölfe jagen, Der Narr Gesetze giebt, sich Weiber für uns schlagen, Daß der Verbrecher Recht an seinem Richter übt, Daß seinem Lehrer selbst das Kind die Ruthe giebt, Arznei vorn Kranken wird dem Arzte zugemessen, Der Esel Laute spielt, die Dichter Disteln freffen, Der Ochs den Fleischer schlagt, der Strom das Meer verschlingt, Der Teufel-----------

56

Der Liebes-Iwist.

Neunte Albert,

Scene.

Metaphrast.

(Albert kommt mit einer großen Glocke, und läutet damit dem Metaphrast in die O hren.) M e t a p h r a s t , (davon laufend.)

H ülfe! W eh! mein Trommelfell zerspringt!

Dritter Er s t e

Auf z ug . Scene.

Maskaril. -Oft giebt der Himmel zu, daß kühne That gelinge. M an zieht sich wie man kann, aus einer böse« Schlinge. Für mich, der dumm genug zu viel geplaudert hat, Für mich fand vor der Hand kein besser M ittel statt, A ls daß ich nun m ein ^ v ie l auch durchzusetzen wagte, Und. unserm alten Herrn den ganzen Handel sagte. — S ein S oh n ist nicht der M ann, der Federlesens macht: Sobald Erast erklärt, w as ich ihm hinterbracht, S o mag mein Rockchen sich nur auf ein Tänzchen schicken. Jetzt, eh' er es erfahrt, kann mir noch manches glücken; Auch tritt viel eher noch ein günst'ger Umstand einz 6 s kommen gar vielleicht die Alten überein.

58

Der

Li e be s - Zwi st .

Und dies wird nun versucht. Im Namen unsers Alten Geh ich zum Andern ohn' mich weiter aufzuhalten. (E r pocht an AlbertS Thüre.)

Zweite Albert.

Scene. Maskaril.

Albert. Wer pocht?

M as k a r i l . Gut Freund? Albert. E i, ei! Freund Maskaril! Was mag Den zu mir bringen?

Maskaril. Herr, ich komme, guten Tag Zu wünschen. Albert. Giebst dir sehr viel Muh1, bei meinem Leben! Von Herzen guten Tag ! (S r geht.)

Dritter

Aufzug.

59

Mas kar i l .

D a s heiß' ich kurz gegeben! Der M ann ist grob. (Er pocht.) Albert. W as giebts? M a s k a r i l. S ie hörten mich nicht an — Al bert.

Hast du nicht guten Tag gesagt? M a s k a r i l. J a wohl! Albert.

Nun dann, ! (Er geht, jener hält ihn auf.) Maskaril. Allein es ist mir aufgetragen, Von dem Herrn Polpdor ein Compliment zu sagen.

Recht out-n

Al be r t .

D a s ist was anders. S o ? Herr Polidor schickt dich, tim mich zu grüßen?

M a s k a r k t. 2 a. A lb e rt. S ehr schmeichelhaft für mich! S o sag', ich wünsch' ihm Glück und Segen ohne Ende. (Geht ab.) M a s k a r i l. D er M ann ist eben nicht ein Freund der Complimente. (E r pocht. Albert tritt heraus.) Noch misten S ie , mein H err, den ganzen Auftrag nicht. E r bäte S ie sehr gern um etwas von Gewicht. Albert. S o sag' ihm , daß ich ganz zu seinen Diensten stände. M a l s a r i L /itin Erlauben S ie , daß ich mit wenig Worten ende. E r wünscht, daß ein Gespräch ihm je t z t vergönnet w ar', W as wichtiges zu vertrauen, und kommt sogleich hieher. Albert. Und was denn, w as, daß es so nöthig ihm geschienen, Mich selbst zu sprechen?

D ritter

Auf z ug.

Ci

Maskaril.

O , was Großes , sag' ich Ihnen! Er drang jetzt eben erst in ein Geheimniß ein, Und ohne Zweifel wird es beiden wichtig senn. So weit mein Auftrag. (Ab.)

Dritte

Sc e n e .

Al b e r t .

O mein Gott! was. werd' ich hören ? Ich habe mit dem Mann ja wenig zu verkehren. Ja, ja, es stürmt auf mich ein Ungewitter an., Und dies Geheimniß, ach! ist meine; mich tauscht kein Wahn. Die Hoffnung des Gewinns trieb jemand zum Ent­ decken. An meinem Namen klebt von nun ein ew'ger Flecken! £> schwer verheelet sich 'S ist alles offenbar! Die Wahrheit lange Zeit. Wie besser wars für mich, Und meinen Ruf, wenn ich gerechte Furcht anhörte, Die Polidorens Gut mir zu behalten wehrte, Zurückzugeben trieb, was ich ihm schuldig bin! So ging die Sache jetzt in aller Stille hin. Allein nun ist dazu die Hoffnung mir genommen,

62

D e r Lieb e s - I w ist.

Und dieses G u t, durch List und Trug ins Haus gekommen, Nimmt es verlassend nun vielleicht mein eignes mit.

Vierte P o lid o r.

Scene. A lb e rt.

Polidor, (ohne Albert zu sehen.) Heirathet im Geheim Lucitien! Welcher Schritt! Gott gebe nur, daß ich zu meinem Zweck gelange. Mir macht des Vaters Jörn und großer Reichthum bange. Dort ist.er. Albert. Weh! er kommt. Ich scheue seinen Blick. Pol i dor. Ich zittvV ihn anzugehn. Albert. Die Furcht halt mich zurück. Polidor. Womit fang' ich nun a n ?

D ritter

Aufzug.

63

Albert. Wie soll ich jetzo handeln? P 0 li d 0 r. E r ist bewegt. Albert. Ich seh' ihn seine Farbe wandeln. P 0 l i d 0 r. An dem V erdruß, den man in Ihren Augen spürt, S eh' ich, S ie wissen schon, was mich hieher geführt.

Albert. Ach! J a ! P 0 li d 0 r. Kein Wunder, wenn die Nachricht S ie erschreckte, Ich hatt' es nicht geglaubt, was eben sich entdeckte. Albert.

V or Scham muß ich, bei G o tt, erröthen, P o lid o r! P 0 l i d 0 r. J a , diese Handlung kommt mir sehr verwerflich vor, Und dem Verbrecher kann ich selbst sie nicht verzeihen. Albert. G ott läßt Barmherzigkeit dem Sünder angedeihen.

64

D er

L ie b e s-Z w ist. Polidor.

W o h l, wohl! D a s ziehen S ie nur immer in Betracht. A lb e rt. M a n muß ja christlich seyn! Pol i dor.

D a s ist sehr schön gedacht! A lb e rt. Um G nade, P o lid o r, um Gnade muH ich flehen! Polidor.

Ich muß vor Ih n e n hier um Gnade bittend stehen. A lb e rt. S i e zu erhalten, werf' ich mich auf meine K n ie ! Po l i d o r .

I n dieser Stellung muß ich eher seyn, als S i e ! Albert. Um Mitleid muß ich S ie mit meinem Schicksal, bitten. Polidor. Ich bin der B itten de; S i e haben ja gelitten.

Albert. S i e brechen mir das Herz mit dieser T ätigkeit!

Dritter

Au f z u g.

sz

Po l i do r .

S o große Demuth setzt mich in Verlegenheit! Albert. Verzeihung/ noch einmal! Polidor. S i e muffen mir verzeihen! Albert. Mein ganzes Leben wird mich diese T hat gereuen. Po l i do r .

Ich bin darüber ganz aufs Aeußerste gebracht. Albert. Um Himmelswillen nur , daß es kein Aufsehn m acht! P o l id o r .

Ach, G o t t , mein bester F r e u n d , da s ist mein Wuns ch' und M i l l e .

Albert. Die Ehre nur geschont! Pol i dor. W ir machen's in der S t i l l e ! Albert. Be-stimmen S i e , w as noch an Geld erforderlich----Esntess. Schrift. 3* Bd.

5

66

Der

Liebes - Zwist.

Pol i dor. W as ihm I h r Wille giebt, dam it begnüg' ich mich. Ich mache S i e zum Herrn in den Vermögenssachen, Und bin zufrieden, kann ich S i e zufrieden machen. Al be r t .

O , S i e M an n G ottes! voll von S an ftm u th und voll G lim pf! P o l i d o r.

S i e selbst, wie sanftmuthvoll nach einem solchen Schim pf! Al be r t .

I m Leben schlage nie ein Unglück S ie danieder! P o l i d o r.

G o tt starke S i e ! Al be r t .

O wir umarmen uns als B r ü d e r ! P o ( i d o r. Ich thu's von Herzen gern, und bin sehr hoch erfreut, D aß Alles beigelegt in bester Einigkeit. Albert. D er Himmel ja; gelobt!

Dritter

Auf zug.

67

P o l i d o r.

Jetzt halt' ich's nicht verborgen: Ich war nicht ohne Grund vor Ihrem Zorn in Sorgen . D a von Lucilien der Fehltritt doch geschehn — Und S i e so reich an Geld und Freunden, angesehn — Albert.

Lucilie? Fehltritt? Freund, ich weiß nicht, w a s S i e sprechen! — P o l i d o r. G u t ! Besser ist es auch, davon nun abzubuchen. D en größten Antheil hat gewiß mein S o h n daran. J a , wenn es Ihnen nur zum Trost gereichen kann, Gesteh' ich, daß die Schuld allein ihm beizumessen. Lucilie hatte sich niemals so weit vergessen, Hatt' er sie nicht verlockt mit List und Schmeichelei. D rum schweigen wir. M ir daucht, das Allerbeste fei-1/

Wenn man den S ch im p f,

den er auf unsre Hauser brachte, Durch eine Heirath gut und beide glücklich machte.

A l b e r t , (für sich.) -0 welcher M ißverstand! W as sagt der P olid o r? Aus einer Unruh wachst die andre mir empor. Ich w eiß, so mannigfach bewegt, nicht w as ich sage, Und fürchte Selbstverrath, wenn ich zu sprechen wage.

68

D e r L ie b e s -Z w is t.

P o l i d o r. W as denken S i e , mein F reu nd? S ie sagen ja kein W o rt! A l b e r t. O nichts! — W ir sprechen wohl hernach noch weiter fort. Ein plötzlich Uebelsenn — ich kann nicht länger bleiben. ( G e h t ab.)

Fünf t e P o l i d c r.

Scene. Hernach V a l e r.

P o l i d o r. Mcrk's wohl das Uebetseun, das ihn davon mag treiben! Au was die Klugheit ihn auch schon geneigt gemacht, S e in innrer A erg er ist zum Schweigen nicht gebracht. Zurückgedrängter Schmerz verdoppelt seine S ta r te . D a tonnnt der Schöpfer her all' dieser feinen Werte. ( V a l e r tritt auf.) Mein feiner Zeisig! so stört jeden Augenblick' Die saubre Lebensart des V aters Ruh und Glück? S o wird mit jedem T ag ein neuer Streich geboren? S o kommt uns jeden Tag was Schlechteres zu Ohren?.

Dritter

A u fz u g.

Daler. Wa s hab' ich jemals denn Verwerfliches gethan, D a s meines V a te rs Z orn so sehr verdienen k a n n '? Po l i d o r . Ich bin sehr wunderlich, von garstigem G em üthe, D ies Kind zu t a d e l n , a c h ! voll Frömmigkeit und G ü te! Lebt wie ein Heiliger und bringt in frommer R u h ' V o n F rü h bis in die Nacht die Zeit m it B eten zu. S p ra c h ' m a n , daß er m it der N a t u r im S tre ite liege, U nd mache T ag a u s N a c h t : o welche freche L üg e! D a ß er a u f V a te r nicht und Freunde Rücksicht nahm I n hundert F a l l e n : o V erlau m dung ohne S c h a m ! D a ß er durch H e ir a th , die er wohl verheimlicht meinte, S ich a u f G eratbew ohl mit Alberto Kind vereinte, Und ihm die Folgen nicht bcachtcnowürdig sind: M a n irrt in der P e r s o n ! und das unschuldige Kind, E s weiß ja gar nicht w as ich dam it w ollte! — O M ensch! den ich zur P e in vom H im m el haben sollte, W ird es beständig denn nach deinem Kopfe g e h n ? W e rd ' ich dich denn nicht f lng vor meinem Ende sehn ? ( G e h t ab.)

V a l e r. W e r kennte diesen Streich m ir spielen? — Unter allen

7c

D e r Li e be s - Zwist.

Kann der Verdacht allein au f Maskarilen fallen. Doch ist er nicht der M a n n , der ein Bekenntniß t h u t; Hier gilt es listig seyn, und die gerechte W uth Ein wenig zwingen.

Sechs t e

Scene.

M a s k a r i l. V a t e r . V a l e r. H ö r ', ich sprach den V ater eben: E r weiß den ganzen S p a ß ; man hat ihm Wind gegeben. M a s k a r i l. Weiß a lles? V a l e r.

Ja. Maskaril. Von wem, zum Henker, w ü ßt'ers wohl? V a l e r. Ich weiß nicht, wen ich recht des Plau dern s zeihen soll;

Dritter

Aufzug.

71

Doch f)at es ein Erfolg begleitet zum Entzücken. E s fiel ihm gar nicht ein, mir Fehler vorzurücken; N e in , er entschuldigt sie, heißt meine Liebe gut, Und wissen möcht' ich doch, wer dieses W under thut, W er ihn so menschlich macht, so gütig, so gelinde. D u glaubst nicht, M ask a ril, was ich für Freud' empfinde! Ma s ka r i l .

Mein H e rr,

was sagten S ie dazu, wenn d i e s e r M ann Aus Zärtlichkeit für S ie dies Wunderwerk gethan? V a l e r. G e h , geh! du hast woh^l Lust, mir etwas weiß §u machen. Ma s k a r i l .

V on m ir, m ir,

sag' ich, weiß der alte Herr die Sachen. Ich zeugte den E rfo lg , worüber S ie sich freun. V a l e r. N e in , wirklich? Ohne S p a ß ? M a s k a r i l.j Ich will des Teufels seyn, I s t es nicht so !

72

Der

Liebeö-Zwisi.

Vat er, (ihn bei der Brust fassend.) Und mich, mich hol' er ohne Zaudern, Empfängst du nicht den Lohn für dein verruchtes P la u d e r n ! M a s ka r i t. W as soll das heißen, H e r r ? B etrug verbitt' ich m ir!

Valer. I s t das die T reue, die ich mir versprach von d ir? Und machte diese List dich jetzo nicht zu Schanden, D u hättest mir den Streich im Leben nicht gestanden. Verdammter B u b e , der mit gift'ger Zunge mir Des V aters Zorn entflammt und mich vernichtet hier, Hier stirbst du heute noch! Maskaril.

Ich bin nicht heute grade N e i n ! Haben- S i e die Gnade, Und sehn S ie den Erfolg. Nicht sonder wicht'gen G rund Macht' ich, was S ie ja selbst nur mühsam bergen, fund. E s ist ein Staatsstreich! H e r r , trifft alles recht zu­ sammen, Zum Sterben aufgelegt.

(Dritter

A u f z u g.

73

S o soll der A u sgang w ohl noch I h r e n Zorn ver­ dammen. Auch ist es imm er noch mich todtzuschlagen $zit. Allein ich bin d aru m nicht in V erlegenheit: G o t t hilft den S e in e n ja ! Voll Freud' in wenig T agen Erkennen S i e m it D an k mein seltenes B etra g e n .

Valer. Allein Lucilie? Ma s k a r i l .

S t i l l ! ihr V ater.

Siebente Albert.

E r kommt her.

Scene. V orige.

A l b e r t , (für sich.) J e mehr ich mich vorn Schreck erhole, desto mehr Empfind' ich, daß mich jetzt die Reden erst verdrießen, D ie so gefährlich mich in I r r t h u m fallen ließen. Lucilie schwört, daß m an ein Mahrchen n u r erdacht, Und ihr B etra gen selbst befreit sie vom Verdacht. (V aler erblickend.)

74

Der

Liebes-Iwist.

S in d S i e 's , mein H e rr, der sich der Frechheit unter-" windet, M it meiner Ehre spielt und diese Lüg' erfindet? Mas kar i t .

H err Albert, sprechen S i e in einem mildern Ton, Und zürnen S ie nicht so mit Ih rem Schwiegersohn! Al bert.

W a s , Schwiegersohn?

D u Schuft! D u hast mir recht die Miene Als wie das Hauptgetrieb' an dieser Schandmaschine, Und magst mir wohl zugleich auch ihr Erfinder seyn! M a s k a r i l. W as S i e so böse macht, das sch' ich gar nicht ein. Al bert .

J s t's etwa recht, den R u f des Mädchens zu beflecken, Und unser ganzes H aus mit Schande zu bedecken? M a s k a r i t. S ie sch'n nach Ih rem Wunsch zu handeln ihn bereit. Albert.

S o sag' er nichts, als w as die Wahrheit ihm ge­ beut ! W enn Lieb' und Achtung ihn für meine Tochter trieben,

D ritte r

A u fz u g.

7.5

W a r' ein anstand'ger Weg stets offen ihm geblieben. E s blieb ihm , schlicht und recht den V ater anzugehn; Doch schändlich w ar e s , sich nach Lügen umzusehn, Die E hr' und Einsam keit Luciliens verw unden! M a s k a r i l. W ie ? sie ist heimlich nicht mit meinem H errn ver­ bunden? W ie ? nicht? Al be r t .

Nein, Bösewicht! Und wird es niemals seyn! M a s k a r i l. Doch ist sie's, wollen S i e den stillen B u n d verzeihn? Al be r t .

Und ist sie's nicht, willst d u , daß man dirArm Vund Beine Zerschlagt?

Valer. S e h r leicht ist's, daß die Wahrheit klar erscheine Von dem , was er gesagt! Al be rt .

Auch der noch! Wie der Knecht, S o auch der H e r r ! O T rug - und Lügenvoll Ge­ schlecht!

76

Der

L i e b e s - Z wi s t .

M a s k a v t l. Bei meinem Ehrenwort, es ist so, wie w ir sagen. Valer. Weswegen sollten w ir Sie zu betrügen wagen ? Albert. O sie verstehen sich, so wie zur Jahrmarktszcit. Die Diebe! — M a s k a r i l. Warten S ie ! ich ende diesen S tre it. Herr Albert, lassen Sie Lucilien selbst gestehen! Albert. Und straft sie Lügen euch? Maskaril. D das wird nicht geschehen ! Gesteh'n Sie ihrem Wunsch nur die Befriedigung, S o unterwerf' ich mich der schwersten Züchtigung, Folgt das Bekenntnis; nicht von dem geheimen Bunde, Und ihrer Liebe gleich aus ihrem eignen Munde. Albert. Das müssen w ir doch sehn! (E r geht nach der Thür.) Maskaril. N un,

alles wird noch gut!

Dritter

A u f z u g.

77

Albert. H e d a ! kuci lie! ein W o r t ! V a l e r. Ic h f ü r c h t e -----Maskaril.

Muth;

Ac ht e Lucilie.

Scene. Di e

Vorigen.

M a s k a r i l. Herr Albert, wenigstens belieben S i e zu schweigen. ( Z u L uciliv.)

Nun,

endlich will das Gluck sich I h n e n günstig -eigen, Und I h r Herr V a t e r d a , bekannt mit I h r e r Gl u t , Laßt I h n e n den G c m a l , heißt I h r e Liebe gut, S o b a l d S i e nu r von jetzt an alle Furcht verbannen Und frei bestätigen, daß tvh uns nichts ersannen, D a ß alles Wa hrhei t ist. L u c i l i e. W a t will dev dreiste S c h u f t ?

78

Der

Liebes - Zwist. Maskaril.

G o ttlo b , da macht sich schon ein Ehrentitel L u f t ! L u c i l i e , (zu V aler,) W em dankt m an d e n n , mein H e r r , das witzige B e ­ streben, D ies feine Mahrchen heut zum Besten uns zu geben ? Vater. V erze ih u n g , T heuerste! durch einen fremden M u n d W a r d ohne meine S chuld jetzt unsre H eirath fund.

Lucilie. W as? Vater. M a n ist nun einm al dahinter uns gekommen, Und die Verstellung kann un s jetzo nichts mehr frommen.

Lucilie. W ie? ic h

? Vater.

S i e haben w ohl ein Recht, erzürnt zu s e y n : I n s D unkel hüllten S i e m it Fleiß die H eirath e in ; Doch weiß ich auch, daß ich m ir enge Schranken setzte,

D r itte r

A u fz u g .

79

Und daß ich Ih r Verbot auf keine Art verletzte. A lle in ------Maskaril. Nun ja , ich bins! Es ist durch mich geschehn. L u c i l i e. Hat jemand ähnliche Betrügerei gesehn? M ir ins Gesicht kann man das zu behaupten wagen? Sie hofften also mich durch List davon zu tragen? Beim Himmel, redete auch Alles jetzt für Sie, Mein Vater, das Geschick, selbst meine Neigung: nie, Nie' würd ich den Triumphs so feiger List bereiten, Geschick und Vater würd', und Neigung ich bestreiten, J a , lieber, lieber todt, als je mit dem vereint, Der auf so schlechtem Weg mich zu erhalten meint! V a l e r , (zu Maskaril.) Es ist umsonst! Sie kann durch nichts besänftigt werden. Maskaril. Ach lasten Sie mich nur! — (zu Lucilien.) Wer wird sich so geberden, Und so verstellen? Senn Sie doch nicht wunderlich, Und steifen wider die selbsteignen Wünsche sich! Wenn Ih r Herr Vater da ein Menschenfresser wäre,

8o

Der

L i e b e s - ZwLst .

Nun ja ! Allein er giebt ja der Vernunft die Ehre; Er sagte mir ja selbst, daß seine Zärtlichkeit I n Alles stimmt, sind Sie nur zum Gestehn bereit. Ich glaub's wohl, daß Sie sich ein bischen schämen mögen, Ein solch Gestandniß frei und frank hier abzulegen, Allein Sie waren nicht die erste auf der W elt, Und find die letzte nicht, wofern es Gott gefällt?

Zueilte. Mein Vater, können Sie die Schändlichkeiten hören? Und wollen Sie denn nicht dem Unverschämten wehren? Albert. Was soll ich thun? Es setzt mich in Verlegenheit. Ich bin ganz außer mir. M a s k a r Ll. Es ist die höchste Zeit, Es zu g e s te h n ! € i u 1 11 v.

Und was gestehen? M ä s k a r i l. Was gestehen? Was zwischen meinem Herrn und Ihnen ist geschehen! Sie wissen-------

D ritte r

A ufzug.

gi

Lucilie. D a s ist mehr, als ich ertragen kann! (S ie giebt ihm eine Ohrfeige und geht ab.)

Neunt e Albert,

Valer,

Scene. Maskaril.

M a s k a r i l. Ich glaube g a r , sie strich an meinen Backen a n ! Albert. D u B u b e , Schurke, geh! Recht that sie ohne Zweifel! M a s t a r i t. Und doch, mich hole gleich der erste beste Teufel, Is t nur ein Wörtchen T r u g , und ist nicht alles so! Albert. Schneidet mir die Obren ab , treibst du es länger so! M a s f a r i l. Zwei Zeugen stell' ich, H e rr, die Wahrheit zu besiegeln. «TontefT, Schrift. 3* Vv.

6

82

Der

Liebes-Zwist. Albert.

Zw ei Leute stell' ich,

S c h u f t , dich tüchtig abzu­ prügeln ! Mas kar i t . S i e keimen Schneider F l a u , der so viel K unden h a t ? Al bert .

D u kennst doch Meister S c h n ü r , Scharfrichter dieser S tad t? M a s k a r i t. And Pfeffer, den N o t a r , den m it dev rothen N a s e ? Al be r t .

Und unsern G algen auch, da draußen an der S t r a ß e ? M a s k a r i t. M i t ihren Augen sah'n die der V erbindung zu.

Albert. V o r meinen Augen hier, du S c hurk e, baumelst d u ! M a s ka r i U JO widerspenstiger M a n n ! Albert. B e trü g e r ohne S c h a n d e ! D ank 's meinem A l t e r , K e r l, daß ich nicht mehr im S ta n d e ,

Dritter

Aufzug.

83

Selbst zu bestrafen bin, was du dich unterstehst! Doch ich verspreche d ir, daß du mir nicht entgehst. (G e h t a b .)

3 e l) tt' t e

V a le r.

( S e e n c>

Vi a s f a r i l.

V a le r. Die schonen Folgen, Freund, die alles haben sollte------

Ma s k a r i l . Ich weiß mit halbem W ort, was mau da sagen wollte.! Auf mich hackt alles los! Wohin ich auch mag sehn, Da warten Prügel mein, dort seh' ich Galgen stehn. Allein ich schaff' mir Ruh' bei so verwirrten Dingen; Ich geh' und w ill hinab von einem Felsen springen, Wenn der Verzweifelung, die mir am Herzen frißt, Nur einer hoch genug für ihre Große ist! ?dje, mein H err! V a l e r. Nein, nein, die Flucht ist nicht vounöthcu, Du sollst dich lieber hier vor meinen Augen todten.

84

Der

L i e b e s - I wi s t . Maskaril.

Ich sann nicht sterben, H e r r , sieht man mich an dabei. Valer. M ir nach! Ich zeige d ir , ob Zeit zu spaßen sey. Maskari l . O du unschuldiges S ch a f! was wirst du alles heute Noch leiden müssen um die Sün den andrer Leute!

Vierter Er s t e

Auf zug. Scene.

A s k a n. S o p h i e .

Sophie. Ein ärgerlicher S tre ic h ! A s kan. . S o p h ie , ich muß vergehn! Auf mein Verderben ists vom Schicksal abgesehn. S o bleibt die Sache nicht, ist sie so weit gegangen. Lucilie und V a te r, sie werden Licht verlangen; Vernichtet ist mein P l a n , eh' er zur Reife kam! Denn sep's, daß Albert Theil an dem Betrüge nahm, S e y 's , daß man ihn zugleich mit aller W elt betrogen, W ird jetzo mein Geschlecht, mein S ta n d ans Licht gezogen, ^ n d bringt das G u t , das er genoß, in andre Hand, S o wird sein Herz gewiß auf immer mir e n tw a n d t;

86

D er

L ie b e s - Z w ist.

E r giebt dem S ta u d e mich zurück, der mich erzeugte, Und weun V aler sogar sich zur.Verzeihung neigte, Erkennt er dann mich wohl als ferne G attin an, Die arm und hülflos nur sich selbst ihm bringen k ann ? Sophie.

D a s heißt die Sachen recht vortrefflich überlegen; Doch früh er, früher w ar das alles zu erwägen! W arum geht I h n e n denn dies Licht erst jetzo a u f? Es war nicht Hexerei vonnöthen, um den Lauf D er Dinge gleich zu sehn, wie S i e ihn jetzt erst sehen, Und ich, sobald S i e mir erzählten, was geschehen, Ich sah den Ausgang gleich. A s k a n. W as soll ich aber thu n? Setz' dich an meinen P la tz , S o p h ie , und rathe nun! Sophie.

I h r Kummer thut mir weh, und gern möcht' ich ihn enden; Doch wie? wie soll man nun die Sache günstig wenden? A s kan. Wenn nichts mir helfen kann, so bleibt mir nur der Tod !

Vierter

A u f z u g.

87

Sophie. D azu ist immer Z eit, und noch thut es nicht Noth. D er Tod ist Arzenei, die immer zu bekommen, Doch wird sie gern so spat als möglich eingenommen. A s k a n. N e i n , führt dein Rath mich nicht an diesem Abgrund hin, Muß ich verzweifeln! Sophie. M ir kommt etwas in den S i n n . D ie Mutter — — H a lt! Erast! Erkannt' uns unter­ brechen. F ort, kommen S i e ! davon laßt sich im Gehen sprechen.

Zwe i t e

Scene.

E rast. J a c o b . Erast.

Verschmäht?

Jacob. N ie hörte man Gesandte schlechter an !

88

Der

Li ebes - Zwi st .

Kaum wolle ich höflich mich ihr mit der Nachricht nahn, Sie wünschten nur mit ihr ein Wörtchen noch zu reden, So riefsie, in die Brust sich werfend, mir die schnöden, Fatalen Worte zu: „Geh, geh, ich mache mir Aus deinem theuern Herrn so viel als wie aus d ir ! Er mag sich trollen!" — J a ! und ging so ihre Straße. Und Marinette drauf mit einer krausen Nase W irft schnippisch mir ein: »Laß uns, dummer Teu­ fel! hin," Und laßt mich albern stehn wie die Gebieterin. So braucht Ih r Schicksal sich vor meinem nicht zu schauten.

Erast. Die Undankbare! So die Rückkehr aufzunehmen Des Herzens, das mit Recht sich schwer beleidigt fühlt, Und glauben mu ß , daß man betrügrisch mit ihm spielt, Und doch des Argwohns G lut erstickt, die in ihm lodert, Nicht Schwur, nicht Rechenschaft vertrauend von ihr federt, Nein, wahrend alles noch in Ungewißheit schwebt,

Vierter

Aufzug.

89

Sie freispricht und sich selbst, sich zu entschuldigen strebt. Kann'so viel Liebe denn noch ihrem Blick entgehen? Statt gegen den Verdacht mir freundlich beizustehen, Der so verzeihlich ist, durch ein Wort, einen Blick, Wirft sie von neuem mich in Eifersucht zurück? So schwacher Anstoß kann das Band derLiebe lösen? Nein, wahre Liebe, nein, die ist es nie gewesen! O nur zu deutlich seh' ich ihre Falschheit ein. Von welchem Werthe kann jetzt alles für mich seyn, Womit die Laune blos der Leidenschaft geschmeichelt? Ich sag' mich los von ihr, die Liebe nur geheuchelt, Ich sag' mich los und bin von heut an kalt gleich ihr! Jacob.

Recht so! so mach' ichs auch! Recht! so gefallt es m ir!

Wir wollen böse seyn, uns nicht mehr an sie binden, Die Liebe schreiben wir ins Buch der alten Sünden. Ja, Mores lernen muß das Wetterfahngeschlecht, Muß fühlen, daß man auch Courage hat. Ganz recht! Wer sich verachten laßt, w i l l , daß man ihn ver­ achte. O war' man nur so klug, daß man sich geltend machte,

90

Der

Li ebeS- Zwi s t .

Ging' das Scherwentzeln nur und Kriechen nicht so weit, Womit man sie verdirbt in unsrer jetzigen Z e it! E ra st. Verachtung faßt mich! — Nein, der Sieg soll sie nicht freuen! Ich w ill, zur Strafe ihr, mich neuer Liebe weihen.

Jacob. Ach mich, mich gehen all' die Weiber nichts mehr an. Und thun Sie so wie-ich, so thun Sie wohl daran. Denn sehen Sie, das Weib ist, wie man's pflegt zu nennen, Ein wunderlich Geschöpf, fast gar nicht auszu­ kennen, Don dem sich die Natur gar sehr zum Bösen neigt; Und also wie ein Thier als Thier sich immer zeigt, Und Thier stets bleiben wird und bracht' es auch sein Leben Auf hunderttausend Jahr, so, wird mir zugegeben, Is t Weib beständig Weib, und wird es immer seyn, B is über diese Welt der jüngste Tag bricht ein. Drum ist ein Weiberkopf nach der Natur der Sache Der Wetterfahne gleich, die sich auf unserm Dache Nach jedem Winde dreht, und es vergleicht daher Freund Aristoteles ihn mit dem wilden Meer; Weswegen man auch sagt, daß auf der ganzen Erde

V ie r te r

A u fz u g.

91

Nichts so beständig als — das Meer gefunden werde. Nun folglich denn, ich w ill hier gleichnißweise gehn, — Das Gleichmß lehrt uns erst ein Ding recht klar verstehn, Das G le ic h n iß w ill daher auch uns Gelehrten allen Bei weitem bester noch als der De rg leich gefallen — N un, gleichnißweise denn, mein Herr, wenn es beliebt: So wie wenn Sturm entsteht, der Himmel sich betrübt, Das Meer sich schwer erbost, die Winde schrein, hatt* thieren, Die Wellen graulichen Spektakel drob verführen, Und unser Schiff, wie sehr der Schiffer widersteht, Bald auf den Boden steigt, bald in den Keller geht: So auch, wenn eine Frau die Laune kriegt, so sehen W ir ein Gewitter dann in Form des Sturms ent­ stehen, Das durch gewisse Wort' und Reden — streben thut — Und ein gewisser W ind, der — durch gewisse Fluth — So von — gewisser Art — auch Felsen ohne Zwei­ fe lWenn dann — die Weiber, kurz, sie Laugen nicht den Teufel!

92

Der

Li e b e s - Zwi s t . grast.

S e h r schön gesprochen! Jacob.

O j a , G ott sey Dank, recht schön! Allein, mein bester H e rr, dort seh' ich beide gehn. S i e kommen. S ta n d h a ft n u r ! E ra st. D u kannst ganz ruhig bleiben. Jacob. M ir schwant, er laßt sich doch ins Netz von neuem treiben.

Dr i t t e Lucilie.

Sc e n e .

M arinette.

Erast.

Jacob.

M a r i n e t t e. E r ists. Ich bitte S i e , jetzt geben S i e nicht nach! Luci l i e.

Wo denkst du h i n ? D u hältst mich auch für gar zu schwach!

Vierter

Aufzug.

93

Marinette. E r kommt. E r a fr. S ie dürfen nicht die Blicke von mir kehren; S i e sollen nicht ein W o rt von meiner Liebe hören. E s ist vorbei; ich bin geheilt und sehe klar, Wie wenig, wenig mein von Ih rem Herzen w ar. Ein so beständiger Z o r n , den keine B itten stillen, Um eines Schatten ja nur von Beleidigung willen, Setzt I h re Kalte gar zu deutlich mir ins Licht. Ein fein empfindend Herz ertragt Verachtung nicht. Einst freilich, ich gestehs, fand ich in Ih re n Blicken W as ich sonst nirgends fand , fand Leben und E n t­ zücken, Und jeder w ar mir m ehr,als einer Krone G l a n z ! Wie liebt' ich S i e ! wie lebt' ich nur in Ihnen ganz! Ach nein, ich werde nie, nie wieder etwas lieben! Doch da S ie dieses Herz so oft von sich getrieben, S o fall' ich Ih n e n heut das letztemal zur Last M it meiner Gegenwart.

Mein H err,

L u c i l i e. Noch besser scheint es fast, wenn S ie mir auch dies letztemal ersparen.

v4

D er

L ie b e s -Iw ist.

Erast. N un w ohl, recht wohl! Ich w ill's, will Ih n e n ganz willfahren. W ir brechen denn, und zwar a uf immer brechen wir. S i e haben es gewollt, und sterben will ich hier J u r S te lle , wenn ich je mit Ih n e n ^wieder spreche! L u c i l i e. O S i e verbinden mich! E r a st. S e y n S i e gewiß, ich breche D a s W ort nicht, das ich gab. Tilgt' ich auch schwach genug I h r B ild nicht, das ich stets in meiner Seele trug, Doch kehrt' ich nie zurück! L u c i l i e. Die M üh' war' auch verlöre«! E r a st. M it eignen Handen würd' ich diese B rust durch boren, Könnt' ich im Leben je die Niedrigkeit begehn, Nach d e r Behandlung auch nur einmal Ä e zu sehn! L u c i l i e. G u t , schweigen wir davon!

V ie r te r

A u fz u g .

95

Erast. Nun ja , ich w ill nicht sprechen! Und um mit einemmal gleich Alles abzubrechen, Und daß Sie sehn, daß ich ganz ohne Wiederkehr Aus Ihren Feffetn ging, so w ill ich auch nichts mehr Von allem, was Sie mir zurückruft, aufbewahren. Hier ist Ih r B ild zurück, mit seinem wunderbaren Und tausendfachen Reiz; — doch dieser Reiz verhüllt N ur lausend Fehler. Hier! Das wunderschöne B ild Is t ein Betrüger.

Jacob. G ut! L u c i l i e. Um Ihnen nachzustreben, Hier ist der Ring zurück, den Sie mir einst gegeben. M a r i n e t t e. Recht so! E r a st. Das Armband auch, das man mich nehmen ließ. L u c i l i e. Der Saphir, besten Blau mir Treue einst verhieß. E ra s t, (liest ein Bittet.)

»Sie lieben mich mit heißer Liebe,

96

Der

Li ebes- Aw ist.

»Und wollen, daß mein Herz sich zu erkennen giebt: »Wenn ich Erasten nicht so wieder liebe, »So lieblich wenigstens, daß mich Eraft so liebt.« »Lucilie.« Das spricht, daß Sie geneigt für meine Liebe waren, Und dieser Falschheit soll d ie Strafe widerfahren. (Er zerreißt es.) Cuci Ct e, (liest.) »Ich kenne nicht des Schicksals Schluß, »Weiß nicht, wie lang' ich werde dulden müssen, »Doch aber eins, o Theure, kann ich wissen, »Daß ich Sie ewig lieben muß.« »Erast.« Hier sagen S ie, daß stets mir Ihre Liebe blieb': Gelogen hat das B la tt, so wie die Hand, die's schrieb! (Sie zerreißt das Billet.) Jacob. Frisch ZU ! E r a st. Auch diesem soll ein Gleiches widerfahren. M a r i n e t t e. Nur fest!

Vierter

Aufzug«

97

Lucilie, (ebenfalls Briefe zerreiffend.) Es wär' mir leid, nur einen aufzusparen«

Jacob. M it allen- fo rt! Marinette. Recht so! N u r immer diesen G an g !

Lucilie. Der Letzte, da! E r äst. Und das i^ alles, Gott sey Dank! Und halt' ich nicht mein W o rt, so will ich nicht mehr leben!

Luci l i e. Der Himmel strafe mich, ist mem's umsonst gegeben !

Erast. Adieu denn! L u c i l i e. Adieu denn! Marinette. Das geht ja recht schön! Conteff. Schrift. Z. Bd.

7

98

D e r L ie b e s-Iw ist.

Jacob. S ie triumphiren, Herr! M a r i n e 11 e. Nun lassen S ie uns gehn! Ja c o b.

Jetzt fort, da S ie Beweis von Ihrem Muthe gaben. M a rin e tte . Was warten S ie denn noch? Jacob. W as woll'n S ie denn noch haben? E rast. Lucilie, bei G ott, ein Herz wie dieses war, Wird man vermissen! Lucilie.

O g ra st, auf die G efahr! Ein Herz, wie dieses, laßt sich wahrlich leicht ersetzen. E r a st. Nein, nein, Lucilie, wie gering S ie es auch schätzen, Kein andres kann für S ie so eingenommen seyn! D as sag' ich etwa nicht, um S ie zu rühren, nein, Es wäre thöricht jetzt, noch diesen Wunsch zu fassen. S ie haben sich vorher durch nichts bewegen taffen;

V ie rte r A ufzug.

99

S i e wollten brechen, wohl! a uf immer istö vorbei; Doch niemand wird nach m ir, was man auch sagt, so treu, S o wahr S i e lieben. L u e i l Le. N e in , E r a s t, liebt man die Leute, Betrachtet man sie auch von einer bessern Seite. Erast.

Liebt man die Leute, kann man bei so starkem Schein Von etwas Eifersucht wohl eingenommen seyn; Doch, liebt man sie, so kann man den Entschluß nicht fassen, S o wie S i e th a te n , sie au f immer zu verlassen. L u c i t i e. Die Eifersucht vergißt die Ehrerbietung nicht. E r a st. M a n sieht Beleidigung ans Lieb' in mildenn Licht. Lucilie.

-E rast, S i e wurden nicht von edlem Zorn getrieben. E r a st. Lucilie, bei G o t t , nie konnten S i e mich lieben! Ln ci t i e. D a s kümmert S i e gewiß sehr wenig, und ach! mir,

ioo

D e r L i e b e s - Z w ist.

M ir w a r' es besser — doch wozu dies Reden h ie r ? Ich schweige lieber ganz. E r a st. W arum ? Lucilie.

N u n , weit wir brechen! ist jetzt wahrlich nicht mehr Zeit, davon zu sprechen. L r äst. W n brechen? Es

Luci l i e.

Allerdings! I s t es denn nicht geschehn Y E r a fr. Und S i e , S i e können das mit solchem Gleiclnuuth sehn? Luci l i e.

Wie S i e ! E v a st Wie ichY Luci l i e.

J a wohl. Denn frei den Leuten zeigen, D aß ihr Verlust uns schmerzt, ist tutv der Schwachheit eigen.

V ie r te r

A u fz u g .

ic i

E ra st. Doch sind Sie Schuld daran, denn S ie , Sie wollten's ja. L u c i l i e. Ich? nimmermehr! Nein, Sie! Ih r Wille nur geschah. E ra st. Ich? Ihre Wünsche glaube ich dadurch zu erfüllen. L u c i l i e. Nein, Sie befriedigten nur Ihren eignen Willen.

Erast. Doch — wolle ich nun zurück in meine Fesseln gehn? Wolle ich trotz allem Zorn doch um Verzeihung flehn? L u c i l i e. So sehr mein Stolz dagegen stritte, Gewahre ich schwach genug zu bald nur Ihre Bitte. Das thun Sie nicht!

Erast. Nicht z u bald können Sie Gewährung zugestehn, Richt zu bald kann ich selbst um die Gewährung flehn! Lucilie, nur erst mit unserm eignen Leben Soll diese heil'ge Glut verlöschen! J a , Sie geben

102'

D e r Liebes - Zwist.

E rh ö ru n g m i r , verzeih»! N u r e i n W o r t , e i n e t t B lic k ! Lucilie!

Lucilie. B rin g e n S i e mich in das H a u s zurück. (Beide ab.)

Vierte

Scene.

M a r i n e t t e. J a c o b . Mar i net t e. Feigherzige P e rso n !

Jacob. O Schwachkopf ohne Gleichen! Marinette. Ich bin ganz roth vor Zorn. I a c o b. V o r W u th möcht' ich erbleichen ! Ich gebe mich nicht s o , das bilde dir nicht eiü. M a r i n e 1 t e. Ich werde wahrlich nicht so deine N ä r r i n seyn.

V ie r te r A ufzug.

103

Jacob. Die Nase sollst du dir an meinem Zorn ablaufen! M a rin e tte . Für wen denn hatt er u n s, mein Freund? E r mag sie kaufen, Wie er sie haben w ill! S eht doch das feine T h ie r! Den saubern Vogel! O ja, der gefiele mir! Jacob.

D u meinst es so? W a rt', w art'! D a hast du deine Spange! S ie ist nicht werth/ daß sie auf meinem Hute prange. M a r i n e 1 t e. Und daß du siehst, daß ich von Herzen gram dir bin, D a nimm nur deinen Brief Carlsbader Nadeln hin, Den du mir gestern gabst mit so viel Lärm und Prahlen. Jacob. Dein Messer auch! das Stück ist r a r , nicht zu be­ zahlen. Es kostet wenigstens an achtzehn Pfennig, baar. M a r i nette, (g ieb t ihm ein B u ch .)

Empfindsam Allerlei, gedruckt in diesem J a h r ; D as meinen schweren Zorn am letzten Jahrmarkt sühnte.

io4

Der

L i e b e s - Zwi s t .

J a c o b , (ebenso.) D as neue Taschenbuch für lustige Bediente. Marinette. Ich habe keinen jetzt von deinen Briefen hier, Doch all' ins Feuer werf ich sie, versprecht ich di.r! Jacob. Und deinen wahrlich soll was Beffers nicht geschehen! M a r i n e t t e. Daß du nicht wieder kommst, und willst um Gnade flehen! Jacob. S o rg ' „icht; — D aß uns kein Weg zur G üte offen sey, Hier ist ein S tro h h a lm , komm, den reisten wir ent­ zwei ; Beim M ann von E hr' ist dann die Sache ganz geschloffen. Mach' m|r nicht Aeugelchen! Es hat mich nun ver­ drossen. M a r i n ette. H ö r, schiele mich nicht an! Ich bin nun aufgebracht! Jacob.

S o reiß! dann ists vorbei auf immer. Reiß! — S ie lacht!

Vierter

A u f ; ug.

105

M a r in e t t e . Du machst mich lachen, du! Jacob. Daß dich, mit deinem Lachen! Mein Zorn ist ganz versüßt. — Was werden wir nun machen? He? brechen oder nicht? Mari nett e. Sieh zu! Jacob. Du! Marinette. Sieh du zu! Jacob. Ist dir's denn recht, wenn ich dich nicht mehr liebe, du? Mari nette. Was du willst, daß ich thu'! Jacob. Nein du! wie du willst! Rede! M a r i n et t e. Ich nicht!

io6

Der

L i e b e s - Z w i st.

Jacob. Noch ich dazu! M a rin e tte . S o schweigen alle Beide! Jacob.

Ach nu! Nun ließen w ir, dacht' ich, die Ziererei'n. D a , ich verzeihe d i r ! M a r i n e tte . D ir soll vergeben seyn. Jacob.

Mein G ott, wie bin ich doch so sehr auf dich ver< festen. Mar i ne t t e .

Ach, welchen Narren hab' ich. nur an dir gefressen! (Sie gehen ab.)

Fünfter Er s t e

Auf zug. Scene.

Mas kari l .

»Sobald die Dunkelheit wird a uf den S tra ß e n liegen, »Werd' ich mich still ins H aus Luciliens verfügen. »Geh du sogleich jetzt h in , und setze vor der Hand Die nöthigen Waffen, auch die Btendlatern' in S ta n d .* S o sprach e r, und mir w a rs , als ob die W ort erklangen: G eh, Hof dir einen S tr ic k , um dich dran aufzu­ hängen. H ier her, mein H err P a tro n ! denn ich w ar so erstaunt, Als S i e mir den Befehl vorhin ins O h r geraunt, D a ß mir nicht möglich w ar ein Wörtchen aufzu­ bringen. H ie r! — Sprechen will ich jetzt, und S i e zum Schweigen bringen. N u n wohl vertheidigt, F reund, und keinen Lärm gemacht!

io8

Der

Liebes - Iwist.

Lucilien wollen S ie besuchen diese Nacht? — » J a , Maskaril.« — Und wie, wie wird man S ie betrachten? »Wie einen M a n n , den Lieb' und Sehnsucht dazu brachten.« —- Wie einen Menschen, der kein Hirn im Kopfe hegt, Weil er ganz ohne Noth die H aut zu Markte t r a g t ! »Du weißt es j a , was mich dazu gebracht; noch immer »Zürnt ja Luctlte.“ — Für sie nur desto schlimmer! — »Versöhnen muß ich sie; die Liebe federt das.« — Die Lieb' ist nicht gescheidt, und will, sie weiß nicht was, Wird diese Liebe denn uns auch vor den Gefahren, Vor Vater und Rival und Bruder uns bewahren? »Meinst d u , sie thaten uns etw as, sie allzumal?« — & j a , das mein' ich stark, vor allen der Rival.« — »Mein guter M askaril, wenn auch das schlimmste wäre, »Wir sind bewaffnet, kommt uns jemand in die Quere, » S o hau'n wir uns herum.« — S o ? doch hiezu hat just I h r ganz ergeb'ner Knecht nicht die geringste Lust. Herumhau'n? J a doch! bin ich denn ein Eisenfreffer,

F ü n fte r

A u fzu g .

109

Ein Roland? He? Wie? — Nein, da kenn' ich selbst mich besser! Bedenk' ich, ich, der ich mir selbst sotheuer bin, Schon zwei üuerfinger breit schlecht Eisen reichen hin, Ein ehrlich Menschenkind, bautz! in den Sarg zu legen; Führ ich mein Eingeweid' vor Aerger sich bewegen. hülle dich von Kopf zu Fuß in Eisen ein." — Nein, nein! dann würd' ich nicht so leicht zum Lau­ fen seyn. Und keine Rüstung giebts, die so geschlossen sitze, Daß nicht ein Weg noch blieb' für eine dumme Spitze. »Allein so steht man dich für einen Feigen an!” — Wenn ich hi enteben nur noch lange kauen kann, So sen'ö! Bei Tische will ich gern für dreie stehen, Allein ich steh' für nichts, soll es zum Schlagen geben. Kurz, finden Sie es schön tu jener andern Welt, Ich finde, daß es mir auf dieser sehr gefällt; Noch kann ich Hunger nicht nach Tod und Wunden fühlen, Und Sie, Sie sollen ganz allein den Narren spielen!

.Ich

110

De r Liebes-Zwist.

Zweite Vater.

Scene. M a s karrt.

Vater. Fast glaub' ich, daß kein T ag so lang' geworden ist, Und daß die S o n n e ganz am Himmel sich vergißt. B is jene B erge sie in ihren Schoos verstecken, S e h ' ich so ewig lang noch ihre B a h n sich strecken, D aß es m ir ist, als kam' sie nimmermehr so weit. Fast zur Verzw eiflung bringt mich ihre Langsamkeit. M a s k a r i t. Und dieser E ife r, H e rr, in grausen Finsternissen E in Unglück sich vielleicht zu fischen — und S ie wissen, M it derLucilie ists nichts, es wird nichts d ra u s — ! — Val er.

D a s überflüssige Geschwatze laß zu H a u s! M ü ß t' ich, um sie zu sehn, mich in die Hölle wagen, Ich kann ihr Zürnen nun nicht langer mehr ertragen! Besanft'gen w ill ich sie, wo nicht zu G runde gehn. E s ist beschlossen.

Fü nfter

Aufzug.

m

Maskaril. Ach, die Hitze laßt recht schön! Doch übel ist's, m an muß ins H aus ganz heimlich dringen. D a l e r. R u n ja. M a s k a r i l. Ich fürchte d a n n , S ie in G efahr zu bringen. Val er.

W ie so? M a s k a r i t. D er Husten plagt mich heute fürchterlich — Und er verrath uns ganz gewiß — S ie sehen, ich — Und immer fo rt! — w as hat der Mensch nicht a u s­ zustehen ! Vater. N im m nur Lakritzensaft, dann w ird er schon ver­ gehen. M a s k a r i l. Ich glaube nicht, es wird von keinem Nutzen seyn. M it Schmerzen last' ich S ie für diese N acht allein, Untröstlich aber m üßt' ich seyn, w är' ich's gewesen, Durch den mein lieber H err ein Unglück aufgelesen.

112

Der

L i e b e s - Z w ist.

Dri tte Degen.

Scene.

Di e V o r i g e n .

Degen. Mein H e r r , von guter Hand ward mir jetzt kund gemacht, D aß Herr Erast a u f S ie gewaltig aufgebracht, Und daß H err Albert ArnV und Beine Maskarillen Zerschlagen lasten w ill, um seiner Tochter willen. Ma s k a r i l .

Zum Henker, w as geht mich die ganze Wirthschaft a n ? W a s ? Arm und B ein' entzwei? W as hab' ich denn gethan? S o ll ich denn in der S t a d t hier alle Mädchen buten ? Und die Versuchung, laßt sich über die gebieten? W as will ich armer T ropf, treibt sie — das Herz d a zu ? Va l e r .

S o böse werden sie's nicht meinen. Bleib' in R u h '! Und welchen M u th auch Lieb' und Eifersucht ihm gaben, Erast soll doch mit uns so leichten K auf nicht haben.

F ü n f te r

A u f z u g.

113

Degen. S ie wissen, Herr- D a le r, daß ich von Jugend an Ein tücht'ger B ruder w a r; ich stehe meinen M ann. Mein Arm steht -u Befehl, ists Ihnen sonst gelegen. V a l e r. £>, ich bin Ihnen sehr verbunden, mein H err D egen! Degen.

Im Nothfall hätt1 ich noch zwei Freunde mir geliehn, Die gegen jeden, wer's auch sey, vom Leder -Lehn, Und bauen dürfen S ie auf ihr honett Gemüthe. M a s k a r i l. Ich bitte, nehmen S ie sie an! Daler. Zu viele G üte! Degen.

Noch außerdem w ar1 uns der kleine Franz gewiß, Wenn ihn das Schicksal nicht so früh der Welt entriß. Wie der den Dienst verstand! Und welchen Schmerz ich fühlte!' S ie wissen ja den S treich, den die Justiz ihm spielte. H a , wie ein Casar starb der B rave! und er sprach Nicht eine S ilb 1, als man die Knochen ihm zerbrach, tontest. Schrift. Z. Vd.

8

ii4

Der

Lieb e s - Z w i s t . Dal er.

F ü rw a h r, ein solcher M a n n , von dem Verdienst, Herr Degen, I s t des Bedauerns w e rth ; doch I h r e r Hülfe wegen Dank' ich ergebenst! Degen. W o h l ! Doch sag' ich nur so viel, S i e haben noch gewiß mit ihm ein böses S p iel. V a l e r. D a m it S ie sehn, daß nicht die Furcht mich einge­ nommen, S o will ich dem, was er verlangt, entgegenkommen, Und durch die ganze S t a d t jetzt gehen ganz allein, Und niemand als er selbst soll mein Begleiter seyn. (Degen geht ab.)

Vi e r t e

Scene.

V a l e r. M a s k a r i l. M a s k a r i l. O H e rr, S ie wollen G o tt versuchen? Und S i e sehen Und hören die G e fah r, in der wir beide stehen? Don allen S e i t e n ------

F ü n fte r

A ufzug.

115

D a l e r. N u n , w as siehst du so d a h in ? M a s k a rrt. Werts nach dem P rü g e l riecht nach jener S e ite hin. Wenn S ie sich diesmat n u r von Klugheit leiten ließen! Derweilen w ir nicht m ehr, gehn w ir nach Hause, schließen W ir h art und fest uns e i n ! Vat e r .

Ein Schurke, der das sagt, Und dieser! Memmenstreich mir vorzuschlagen w agt! Mach fo rt, entschließe dich, mir das Geleit zit geben! Maskari l . Ach G o t t , mein lieber H e rr , es ist so süß zu leben! N u r einmal stirbt man j a , und au f so lange Zeit! Vater. Ich bringe dich noch u m , bist du nicht gleich bereit! Doch h a lt, da kommt Askau. Ich will ihn jetzt noch taffen, Und den Entschluß erst sehn, den er von selbst wird

ii6

Der

Li e b e s - I w ist.

Maskarit. Zum Henker mit der Lieb' und dieser Mädchenbrut, Die erst doch naschen will, und dann so zimpern t h u t !

OCbO

Fünfte A s kan.

Scene. Sophie.

As kan. I s ts möglich? T raum ' ich nicht? D a r f ich's zu glauben w agen? Erzähl' m ir, c erzähl' mir, wie sich's zugetragen! Sophie.

J a , es ist wirklich so. I n diesem Hause sind S i e nun kein Fremdling m ehr, sind Alberts wahres Kind. Ich fasse mich ganz k u rz ; gewiß in dieser S tu n d e Noch hören S ie 's genug, denn schnell von M und zu Munde Gehn Dinge dieser Art. — Nach jenem Testament, D a s einen Knaben ttur als Erben anerkennt,

Fünfter

Aufzug.

117

W ard Alberts sel'ge F rau gar nicht von einem Knaben, I n welchem W ahne w ir bis jetzt gestanden haben, D on I h n e n , nein, ward sie entbunden. Albert nahm, D a dieser Fall ihitf nicht ganz unerwartet kam, Sogleich der Amme S o h n ins H aus ganz wie den seinen, Und S i e nahm diese Frau zu sich statt ihres Kleinen. B a ld d'rauf reist Albert fort an einen fernen O r t. Indessen nimmt der Tod das arme Würmchen fort, Und Furcht vor dem Gemal und Mutterliebe lasten N u n I h r e M u tter gleich den neuen Anschlag fassen, I h r eignes Kind hinfort als wirklichen Askan I m Hause zu erziehn. Gedacht und auch gethan.' S i e werden vor der Welt als Knabe nun erzogen, Albert halt S i e für to d t, und ward bis jetzt be­ trogen. S o ist au f einmal denn nun das Geheimniß klar, D a s jene Amme, die uns I h r e M utter w ar B i s jetzt, so lang verschwieg. S ie sagt, aus welchen Gründen, Und ohne Mühe sind noch andere zu finden, D ie Ih re n Vortheil nicht zum eignen ihr gemacht, Kurz der' Besuch bei ihr that mehr als ich gedacht Zu Ih rem Wohl. S ie laßt jedweden Anspruch fahren.

118

Der

Liebes-Zwist.

D a das Geheimniß sich nicht langer ließ bewahren, S o weihten wir darin auch Ih re n V ater ein. Ein B rief von seiner F rau bestätigt obendrein, W as wir gesagt. D 'r a u f ward der Faden fortge­ sponnen, D a s Glück begünstigte, was unsre List begonnen; D er Alten V ortheil, kurz, ward so genau bedacht, Und Polidoren das so fachte beigebracht, S o klüglich wußten wir ihn dra u f vorzubereiten, D aß er ganz voller Freud' und voller Zärtlichkeit D a s B a n d bestät'gen w ill, dem S i e I h r Herz ge­ weiht. A s k a n. S o p h ie , könnt' ich doch dir mein Entzücken sagen! O welche große Schuld hab' ich dir abzutragen! S o ph i e .

D er gute M ann ist jetzt zum Spaßen sehr geneigt, Und w ill, daß man dem S o h n das alles noch ver­ schweigt.

Fünfter

Se c hs t e

Aufzug.

119

Scene.

P 0 l i d 0 r. Di e V o r i g e n . P 0 l i d 0 r. N u n meine Tochter, denn nun darf ich S ie so nennen, D a w ir das Knäbchen hier in diesen Kleidern kennen, S ie haben einen Streich gespielt so seltner A rt, D e r so viel Geist und Witz m it so viel Kühnheit p aart, D aß S ie entschuldigt sind. M ein S o h n ist zu beneiden lim diesen Schatz von Lieb' und K lugheit, und m it Freuden S a g ' ich, S ie werden mehr als eine W elt ihm sevn. A llein, da kommt er ja. Schnell gehn S ie jetzt hinein, Und rufen Alle her. Doch heißen S ie sie schweigen. Askan. Gehorchend will ich mich zuerst als Tochter zeigen.

OCbO

120

Der

Liebes - Iwist.

Siebente Polidor.

Valer.

Scene. Maskaril.

Maskaril. Ei n Unglück wird uns oft vom Himmel kund gemacht: Denn loser Perlen viel sah ich verfloßne Nacht I m T raum e, lieber H e r r , und auch zerbrochne E ie r; D a s schlägt mich nieder. Valer. G a u ch ! Pol i dor. V a le r , ein Abenteuer S te h t dir bevor, bei dem dein M uth wird nöthig seyn. Ein macht'ger Gegner stellt zum Kampf m it dir sich ein. Maskaril . Und niemand, niemand ist, der hier zu Hülfe springen, Und Menschen hindern w ill, einander umzubringen? I c h , ja, ich will es w o h l, doch wenn es nicht gelingt,

F ü n fte r

A u fz u g .

121

Und wenn ein schwarz Geschick um's einz'ge Kind Sie bringt: Ich bin nicht Schuld daran. P 0 l i d 0 r. Du kannst ganz ruhig bleiben. In diesem Falle muß ich selbst ihn dazu treiben. M a s k a r i l. Der Rabenvater, der! D a l er. Mein Vater, es verehrt Ih r Sohn die Denkungsart, ganz eines Mannes werth. Doch hoff' ich wenigstens, Sie werden dabei sehen, Wie sehr Erast mich reizt. P 0 l i d 0 r. Mein Sohn, ich muß gestehen, Ich fürchtete ihn erst; allein seit dieser Zeit Hat alles sich gewandt, und ohne Möglichkeit Ihm zu -entfliehn, tritt dir ein starkrer Feind ent­ gegen. M a s k a r i l. Kein Mittel zum Vergleich?

122

D er

LLebes - Z

w ist.

D a ler. Fliehn? Welche Meinung hegen, Mein V a te r , S i e von m ir ? Und wer könnt' es wohl seyn? Pol idor. As kan.

Valer A skan? Pol i dor. E r selbst. Sogleich stellj er sich ein. E r?

V a l e r. und doch konnt' er sich zum Beistand mir ver­ binden?

P o l i d o r. E r m eint, du hattest dich erst mit ihm abzufinden, Und Zweikampf könne hier nur die Entscheidung seyn. Auch kam ich selber schon mit Albert überein, D u solltest den Askan darob zufrieden stellen, I n aller Form, wie sich's gebührt, in solchen Fallen. Vater. Und hat Lucilie mit kaltem Herzen sich------

Fünfter

Aufzug.

123

P 0 l i d 0 r. Erast heirathet sie, und sie verurtheilt dich. S o g a r damit man sieht, wie sehr du uns betrogen, Wird die Verlobung dir im Angesicht vollzogen. Vat e r .

D a s ist Abscheulichkeit, die mich fast rasend macht! S o sagt sie aller Scham und Ehre gute R ächt!

Ac ht e

S c e n e .

A l b e r t , L u c i l i e , E r a s t , die V o r i g e n . Al bert .

N un da! die K am pfer! holt mir den , der für uns streitet! W ie steht e s ? haben S i e den Jhr'gen vorbereitet? V a l e r. Entschlossen sehn S i e m ich, aufs Aeußerste zu gehn ! M an laßt so seltene Treulosigkeit mich sehn, D aß meine Liebe nichts, nichts mehr verlangt a ls Rache. (Z u ßucttittiO Doch nicht, daß diese Lieb'an S i e noch Anspruch mache!

124

Der

L ie b e s -Z w is t.

Sie löst in Zorn und Haß sich auf; und ward durch mich Erst ihre Schande nur ganz laut und öffentlich, So will ich wenig mehr nach dieser Heirath fragen. O schändlich ist's, wie Sie sich gegen mich betragen? Kaum glaub' ich es, was selbst die eignen Augen sahn, Und sterben sollten Sie vor Scham, daß Sie's gethan! L u ci l i e. Daler, Sie sprechen hart und könnten mich beleidigen, Htand' mir nicht jemand bei, der tapfer mich vertheid'gen Und rachen wird. Da kommt mein Bruder, der Sie bald Ganz anders sprechen lehrt, und ohne viel Gewalt Und ohne Mühe.

Neunte Askan,

Scene.

Sophie, Marinette, Vori gen.

J a c o b , die

V a l er. Nein, er wird es nicht vollenden, Wenn zwanzig Arme noch mit seinem sich verbanden!

F ü n fte r

A ufzu g .

*25

E s ist mir leid, daß er für eine Schuld'ge ficht, L)och will sein I r r th u m S t r e i t , so will ich ihn auch nicht, Zugleich auch S i e , (z u Erasten) mein H eld, nicht unbefriedigt lassen.

Erast. D o r kurzem hatt1 ich Lust mich damit zu befassen, Allein S ie sehn, Askan nimmt sich der Sachen an. Und also hab' ich nun auch keinen Theil daran. Vater. Vortrefflich! Klugheit steht wohl an in jedem Falle! D o c h -----E rast. E r wird zur V ernunft S i e bringen für uns Alle. L r?

D a l e r.

P 0 l i d 0 r. J a , mein S o h n . V ertraue nirßt den- S c h e in ! D er Knak' ist eigner Art.

Vater. D ie Kopfe schlag' ich ein Den ersten, die mir noch einmal so albern lachen! J u r Sache! A ä f /» n

12 6

Der

L i e b e s - Zwr s t .

N ein ,

sehen werden S i e vielmehr wie schwach ich bin, And daß des Schicksals Hand mir Armen keinen S in n , Kein Herz gegeben h a t , mich gegen S i e zu wehren; D aß es den leichten S ieg bereitet für Vateren, Luciliens B ru der ganz zu tilgen von der Welt. J a S i e , S i e ftnfctö, durch den Asfan den Tod erhält. Doch er stirbt g ern , gern will er als ein Opfer fallen, Befriedigt S ie sein T o d , indem e r , hier vor Allen, D ie um uns stehn, zur F rau das Mädchen Ih n e n giebt, D a s I h n e n nur gehört und da£ S i e herzlich liebt. V a ler. Wenn eine ganze W elt mich auch nach d e m Betragen Und dieser Frechheit As kan.

N e in , V a te r, ich d a rf es sagen, D a s H erz, das S i e nur liebt und Ih n en angehört, I s t schuldlos gegen S i e , w ar immer I h r e r werth, E s liebt S i e rein, es hat die Treue nie gebrochen; I h r V ater selbst bezeugt's. P o l i d o r. J a , S i e hat wahr gesprochen.

Fünfter

Aufzug.

127

V i r haben deinen J ö r n , mein S o h n , genug belacht; E s ist nun J e t t , daß man dem Scherz eiü Ende macht. D a s Mädchen, sieh, m it dem du dich verband'st im Stillen, Hier steht es vor d ir, hier! Um einer Erbschaft willen Fand die Verkleidung statt von ihrer Kindheit an, Und einer z w e i t e n dan n , die Liebe sich ersann, G e l a n g t vor kurzem, daß sie z w i e f a c h dich berückte. S ie war es, die dich als Lncitie beglückte. — D er Streich verwirrt dich g a n z ; du siehst es noch nicht ein, Doch keinen Augenblick kannst du in Zweifel seyn----Val er.

Nein, nein, ich gebe mich ! Gern laß' ich mich besiegen. D ie Ueberraschung ist so süß, und von Vergnügen, Erstaunen, Liebe, fühl' ich mich zugleich bewegt! — W ar's möglich, daß ich S i e ----Al ber t .

Valer, dies Kleid verträgt Sich wohl nicht recht mit dem, was S ie ihr sagen wollen. Erst gehen S ie und zichn ein Ändres an. S ie sollen In d e ß erfahren, wie das hier zusammenhängt. Va t e r .

VerzeihtLucilie, wenn ich mannichfach bedrängt

?

i 28

Der

Liebes-Iwist.

Luci l i e. I c h kenne nichts, w as ich so leicht verzeihen könnte.

Albert. Laßt uns nach H ause gehn. D o r t macht euch Complimente, Und w ir u n s obendrein. E r a st. S i e denken nicht daran, D a s B lutvergießen geht ja eben erst recht an! S e in M ask aril, und hier mein Ja c o b , wem von beiden S o l l M a rin e tte seyn? N u r B l u t kann das entscheiden. Maskaril. M ein B l u t befindet sich hier in meinem Leib' zu gut. E r mag sie n e h m e n ; bin nicht böse, wenn er's t h u t ! I h m wird doch, so wie w ir das M arinettchen kennen, E in Fegefeuerchen schon hier a u f E rd en brennen! M a r i n e t 1 e. S t il l . Eicheldaus ! W ir sind ja doch das S a l z der Erden, Und ohne W eiber konnt ihr nimmer selig w erden!

Me i s t

er

Di et ri ch.

1 8 0 9

F o n t e s ,.

Schrift.

3-

.

%

der Kirche des Benediktiner-Klosters zu * # * befindet sich in einer Seiten-Kapelle zur Rechten ein Bildniß, vor welchem jeder gern verweilt, um sich der wundersamen Schönheit und Kirnst, die man daran bemerkt, zu erfreuen. Es hatte aber dort gar lange gehangen und ward, da es vom Rauch ge­ schwärzt und Alters wegen ganz unscheinbar gewor­ den, nicht eben viel beachtet, bis zwei Fremde, die aus Walschtand kamen, dem damaligen Abt Gerva­ sius durch Anbietung eines ansehnlichen Preises dafür endlich die Augen öffneten, so das; er sich ungesäumt entschloß, es selbst durch geschickte Hand wieder her­ stellen zu lasten und ward dieses Geschäft Meister Dietrichen, dem Maler, übertragen, der, obschon noch jung, Ln seiner Kunst dennoch wohlerfahren und in solcher mühsamen Arbeit geübt war. Es zeigte sich auch dem Mater gar bald, daß hier die Mühe auf gut?. Zinsen gelegt fei), obwohl die Arbeit wenig förderte und manche Schwierigkeit dabei war; denn da das B ild, aus Furcht vor noch größe-

M e i s t e r

D i e t r i ch.

rem S c h a d e n , nicht aus seiner Einfassung a u f dem A ltar genommen werden konnte, w a r es dem Meister nntit sonderlich zur H an d . Allein er achtete dessen nicht, sondern brachte jeden M orgen frische Lust und großen: Eifer m it an sein W erk, ja es ergriff ihn, da es a u f seinem B ild e so zu sagen anfing T a g zu w erden, und die himmlischen G estalten durch seine S o r g f a l t immer deutlicher und herrlicher wie aus der N ach t hervorgingen, eine solche Liebe zu demselben, daß er an nichts anders dachte, als wie er es ganzliri' von der S chm ach, die ihm die Zeit und Unacht­ samkeit der Menschen zu g efü gt, befreien, w as allzu­ sehr verdorben und verloren g eg an g e n , durch die Kunst des P insels ergänzen und wieder herstellen und thut so wieder zu seiner ursprünglichen Schönheit, K ra ft und G lanz verhelfen m öge, wie er es klar und frisch vor sich sah. Zu ihm n u n , wie er da arbeitete, kam des öftern ein M a n n von stattlichem Wesen und A nsehn, ob er gleich n u r in schlechter K le id u n g , fast wie ein J a g e r , cinyerging, und sah ihm stundenlang m it W o hlgefal­ le:: z u , und da derselbe die W elt w ohl zu kennen schien, auch von göttlichen und menschlichen D ingen, besonders aber von der Kunst der M alerei m it V e r ­ stand und Wissenschaft zu sprechet: w u ß t e , hörte ihm Meister Dietrich gern zu und sah ihn allezeit lieber kommen als gehen.

Me i s t e r

Di e t r i c h.

133

S o tr a f es sich denn einstmals au c h , daß die Rede d arau f fiel: „w a s f ü r d e s L e b e n s G l ü ck u n d d e s s e n A b s i c h t u n d I w e ck z u h a l t e n se v wo denn der M a te r sein Loos nicht genug preisen konnte, das ihm ein Geschäft angewiesen, an welchem er m it Treue und Liebe und allen K räften seiner S eele han g e, dazu ein braves W eib und zwei liebe K inder gegeben und so in seines Lebens Zweck und Absicht zugleich des Lebens Glück m it reichlichem M a a ß gespendet habe. — D er Grünrock lächelte. „ I h r seyd g n ü g sa m , M e iste r," sprach e r , „und das ist zu loben. E s ist auch nicht ü b el, sein H au ste in ins tiefe T h a t zu b a u e n , wo Kohl und Rüben wohl ge­ deihen; doch sind da manche, die gern ins W eite schauen, und bleiben diese freilich lieber a u f den B ergen." D e r M a le r w andte sich a u f seiner Leiter und sah ihn an. ÄI h r w und ert euch," fuhr jener f o r t : „und schaut mich a n , als wolltet I h r fr a g e n , w as in der W elt denn noch höheres und besseres sey, denn sein W eib lieb haben, Kinder zeugen und erziehen und seine T a g e , einen wie den a n d e rn , am P flu ge der gewohn­ ten Arbeit in regelmäßige Furchen legen? H a b t I h r denn niemals ein B eg ehr und V erlangen in Euch ver­ sp ü rt, von dem I h r nicht recht zu sagen wußtet, w o n a c h ? ist es Euch niemals gewesen, als fühltet 2 h r Euch n u r h a l b , und als müsse etw as ausser Euch

134

Meister

D i e t r

ch.

zu finden seyn, wodurch Euer Leben, S e y n und We­ sen erst zu einem tüchtigen Ganzen werde?« — »Lie­ ber H err,« entgegnete der M a ler: »es ist also, wie I h r sagt. W as I h r da aussprecht, hab' ich in frü­ heren Zeiten gar oft gefühlt.« »Ich wußt' es wohl,« sprach der Andere. »G laubt mir n u r, I h r seyd zu etwas Höherem ausersehen, als bis an Euer Ende den Pinsel zu führen und Euer Leben an solcher Arbeit abzunutzen; glaubt m ir, ver­ tr a u t a u f mich —- ich sag' es nicht umsonst — mit Euern G aben, mit E urer Jugend und Gestalt kann es Euch nirgend fehlen.« D er Maler sah eine Weite schweigend zur Erde. » I h r irrt Euch in n u r,« begann er dan n , »wie sich mein V ater in mir irrte. D er hatte auch gern etwas Großes aus mir gemacht und hielt mich fleißig zu der Feder an. Doch die N a tu r laßt sich nicht zwingen. Ich bin zu dem geboren, was ich bin und seitdem mir G o tt mein Weib und meine Kleinen geschenkt, ist alles eitle Treiben und Begehr von mir gewichen. H a tt' ich noch einen W unsch, so war' cs, daß mir vergönnt seyn möchte, mich auch einmal in Walschland umzuschauen.« »Dazu ließ sich vielleicht Rath schaffen,« erwie­ derte der Unbekannte. » W o l l t n u r , so k ö n n t I h r auch. D a s Sprüchlein merkt Euch, und rich­ tet Eure Augen nach oben, denn I h r seyd zu Hohem

Meister

Di e t r i c h .

133

berufen. Und so Euch über kurz oder lang ein Wunsch an träte, gedenket mein und vertraut mir. Ein Freund sann uns oft nützlich s e y n ,-w o w ir es am wenigsten vermuthen. Auch der D em ant trägt ein unscheinbar Kleid. — D a lautet's im Kloster. D ie Glocke ruft wich. Gehabt Euch w ohl!* E r hatte unter diesen Reden einen P in sel ergriffen und gleichsam damit spielend drei rothe Stern lein an die W and gem alt. Jetzt legte er ihn hin und ging. .E s möchte schwerlich zu beschreiben seyn , in welcher Gemüthstimmung der Grünrock den M aler zurückgelassen. Fast w ar ih m , als hatt1 er etw as W ichtiges vergessen, und müsse sich nun darauf besinnen, und wenn er über alles nachdachte, ver­ wirrten sich seine G edanken, und die wunderlichsten B ild er schlüpften in hellen Farben an ihm vorüber. Für heute w ar ihm alle Arbeit verleidet. Er schaute noch ein M a l kopfschüttelnd sein B ild an und machte steh langsam au f den W eg nach Hause. — Leise öffnete er die Thür und trat in die S tu b e ; da saß seine F ra u , den Knaben a u f dem A rm , zu ihren Füßen das Töchterlein m it der Puppe spielend; und w ie das Kind sein ansichtig w ard , rief e s : „der V ater kommt!" und sprang au f ihn z u , hing sich an seine Kniee und fragte ih n , ob er ihm nichts mitgebracht. D er V ater aber nahm es a u f den A rm , und da die M utter ihm entgegen kam und, sich seiner frühen

136

Meister

Di e t r i c h.

Heimkehr freu e n d , den M u n d zum Kusse b o t, setzte er sich a u f einen S t u h l neben der T h ü r e , zog sie a u f sein Knie herunter und hob das Mädchen a u f das and ere; indem öffnete der Knabe a u f der M u tte r Arm die A u g e n , er sah den V a te r und machte das zahnlose M ündlein weit a u f und jauchzte l a u t ; und der V a te r küßte i h n , und herzte die M u t te r und herzte das T öchterlein, und hatte seiner Lust kein Ende gefunden, wenn nicht die M u t te r aufgestanden w a r' und ihm den Knaben zu halten gegeben hatte: »denn heute A bend," sprach sie: „will ich dir dein Leibgericht bereiten, weil du uns so zeitig erfreut hast und fein fromm und artig bist." E s w a r nun vergessen, w as der Unbekannte zu ihm in der Kirche gesprochen und all' die wunderlichen D i n g e , die ihm durch den S i n n gegangen. Gleich wie harm los spielende Kinder trieben sich seine G e­ danken und Wünsche wieder, wie sonst, fröhlich in den engen Grenzen seiner W o hnun g umher und begehrten nim m er über die Schwelle hinaus.

M i t gewohnter Lust und Liebe ging er den andern M org en wieder an sein Tagewerk. Als er die drei S te rn te in an der W a n d erblickte, schalt er sich selber einen T h o re n , daß er a u f ein P a a r leichtfertige

Me i s t e r

Di e t r i c h.

137

W orte eines Fremden geachtet, der vielleicht nu r sei­ nen S p o t t m it ihm getrieben und nahm sich vor, ihm heute weidlich m it gleicher M ünze zu v ergelten: Allein der Unbekannte ließ heute seinen Besuch ver­ geblich erw arten und Meister Dietrich ging ärgerlich Wch Hause und mußte sich a u f den andern T a g getrosten. D e r andere T a g k a m ; Meister Dietrich w artete, aber der unbekannte Freund kam wiederum nicht; eben so wenig ließ er sich in den folgenden Tagen blicken, und je langer, je mehr jener an sei­ ner Wiederkehr verzweifelte, desto starker regte sich bei ihm der Wunsch darnach. E r m einte, dies rühre von der G ew ohnheit seines U m gangs h e r , da es doch lediglich das B eg ehr nach des Frem dlings geheimniß­ vollem W esen, und schmeichelnden W orten w ar. D a s mochte er sich aber selbst nicht bekennen. Indessen blieb er in seiner Arbeit nicht säumig. D es B ildes Schönheit wurde immer offenbarer, und zog manchen a u s der S t a d t herbei, der an solchen D ingen Gefallen hatte. S o geschah es denn auch eines M o rg e n s , als er eben a u f der Leiter stand, daß eine reichgekteidete F r a u , von einem D iener begleitet, in die Kapelle tra t. S i e t r u g , nach Landessitte, eine sammetne K a p p e , so daß er ihr Gesicht nicht sehen konnte, doch daucht' ih m , niem als edleren Wuchs, noch schönere G estalt erblickt zu haben, und da sie, ihn freundlich beg rüß end,,ih ren W unsch, das B ild n iß

138

Me i s t e r

Di e t r i c h .

zu betrachten, kund th a t, klang ihre S tim m e o wun­ dersüß, daß ihn gar sehr verlangte, den M und zu sehen, dem so lieblicher Ton zu eigen. E r stieg hur­ tig von der Leiter und räumte alles aus dem Wege, w as des Bildes Anblick hindern konnte. S i e aber schlug die Sammetkappe zurück und t r a t naher an des Altars S tu fe n . Dem guten Dietrich w ar's nicht a n d e r s , als ob die Morgensonne aus den Wolken her­ vorträte, und mit ihrem Glanz ihn selbst und den R aum um ihn her verherrliche. E r getraute sich nur verstohlen, kurze Blicke nach ihr auszuschicken, gleich als fürchtete er seine Augen zu blenden, und da sie sich von ohngefahr zu ihm w andte, ihn über etwas zu befragen, blieben sie gänzlich auf dem Boden, und er wußte kaum ein armes Wörtlein mit S to tte rn und Stam m eln zurückzugeben, so daß die schöne Gestalt lächelnd zu ihm sagte: »lieber M eister, fast muß ich glauben, meine G egenw art sey Euch ungelegen, da I h r nicht allein kein freundlich W o r t , sondern auch nicht einmal einen freundlichen Blick mir gönnt." In dem nun Meister Dietrich d arau f mit Höflichkeit zu erwiedern suchte und in der Angst nicht gleich etwas finden konnte, und seine V erwirrung dadurch immer mehr anw uchs, fuhr jene mit holdseliger Gebehrde f o r t : »wenn I h r ungelegene Besuche erhaltet, so zürnet mit Euch selbst und Eurer Geschicklichkeit, die a u f solche treffliche und fast wunderbare Art dies

Me i s t e r

Di e t r i c h .

139

Kunstwerk, welches schon gänzlich der Nacht und V er­ nichtung verfallen schien, wieder in's Licht und Leben zurückführt und ihm sein altes Recht auf die B e ­ wunderung der Menschen herstellt. Ich aber will Euch gern gestehen, daß ich weniger um des Bildes willen hergekommen bin, als weil ich Verlangen tru g , Euch selber kennen zu lernen, von dem ich, seit meiner Anwesenheit.in dieser S t a d t , schon so viel GuteS gehört und manches selbst gesehn, was den tüchtigen Meister verkündet; denn in dem Lande, wo ich erzo­ gen, liebt man solche Leute." S ie fügte hierauf noch mancherlei hinzu, waS von ungemeinem Verstände und mannichfaltiger Kennt­ niß zeugte, wie Meister Dietrichen noch niemals an einem Weibe vorgekommen w a r , so daß er darüber auch warm in der B rust wurde und sich ihm endlich Herz und Zunge löseten. Und sie hatten ihres Ge­ sprächs kein Ende gefunden, wäre nicht der von fern stehende D ien er, ein schöner junger Mensch, sehr reich auf spanisch gekleidet, mit einem gar finstern Blick auf den M a t e r , herbeigetreten und hätte erin­ nert , daß es bald M ittag sey. D a wapdte sich die schöne Frau zum Abschiede und sprach: „lebt wohl, mein lieber Meister; ich hoffe, daß unsere Bekanntschaft nicht so jung sterben werde. S eyd mein eingedenk; I h r sollt bald weiter von mir hören." D am it ging sie hastigen Schrittes

140

Me i s t e r

Di e t r i c h .

d a v o n , doch an dem E in g an g der Kapelle, wo ihr Weg sich um die Ecke drehte, schaute sie noch ein M a l zurück und winkte ihm freundlich zu. D e r schnelle Abschied aber überraschte den M a te r so sehr, daß er des geziemenden G eleits vergessend, m it starren A u­ gen und offnem M u n d e , gleich einem , der von golde­ nen Aepfeln in seiner H an d geträum t und beim E r ­ wachen nichts darin gefunden, a n s dem Fleck, wo sie ihn verlasse», ohne R egung stehen blieb, bis ihm endlich einfiel, ihr von Weitem nachzufolgen, um , wo sie wohne und w er sie sey, zu erfahren. E r hing den M a n te l um und eilte durch die Kirche h i n ; doch wie er eben a u s der T h ü r schreiten tro llte, t r a t ihm sein alter Freund Grünrock entgegen und hielt ihn auf. „Gluck z u , mein rascher J a g e r !" sprach er lachend. „Welch edles W ild verfolgt I h r so hitzig?" Und da sich Meister Dietrich ungeduldig von ihm los machen w ollte: „ I h r holt sie nicht mehr ein ," fuhr er f o r t : „deich w as I h r zu wissen v e rla n g t, kann ich Euch sagen." D em M a le r lief eine leichte Rothe über das G e­ sicht und er frag te: „ I h r habt sie gesehen und kennt sie?" „B e id e s," entgegnete jener: „und da die Menschen doch einm al m it des Schönen bloßer Erscheinung sich nicht begnügen, ja sein nicht eher froh werden mögen,

Me i s t e r

Di e t r i c h .

141

alö bis sie es in den R a h m e n irdischer V e rh ä ltnisse e in g e z w ä n g t u n d ihm N a m e n und U rsp ru n g nachge­ wiesen h a b e n , so w ill ich Euch n u r gleich v ertr a u e n , daß die schöne F r a u , die Euch eben v erlassen, d a s j u n g e G e m a t des G r a f e n R o very ist; eine Deutsche von G e b u r t , doch in I t a l i e n erzogen. E s w ird m a n ­ cherlei von der M a c h t ihrer S c h ö n h e it e rz ä h lt u n d , scheint e s , I h r w iß t selber dav on zu sprechen.* U n te r diesen R eden w a r e n sie nach der K apelle zurü ckg egan gen , wo beide schweigend vor dem B i ld e stehen b lieben, der M a t e r , ohne d a r a u f hinzusetzn, der andere a b e r , es aufm erk sam betrachtend. N ach einer W e ile hub der letzte a n : „bis h ie rh e r die R o s e n ; n u n w e rd e n w o hl die D o r n e n k o m m e n !* „ W ie m e in t I h r d a s ? " fragte M e is ter D ietrich aufblickend. „Ic h m e in e ,* erw iederte der G r ü n r o c k , „daß E u r e K u n s t u nd Geschicklichkeit a n diesen beiden K ö pfen d a u nd sonderlich a n dem F ra u e n k o p f in der M i t t e , zu S c h a n d e n w erden m ö ch te, die ja beide so schmählich zugerichtet und beschädigt sin d, daß g a r wenig v on ih re m v orm a lige n A nstande - zu erkennen. U nd doch w e rd e t I h r nichts g eth a n h a b e n , w e n n es Euch nicht g e l i n g t , in diesem K o p f die große K r a f t und S c h ö n ­ heit des Uebrigen zu erreichen, ja zu ü b e rtre ffe n ; dem: w e il dieses die H a u p t f ig u r des B i ld e s ist, so steht zu v e r m u th e n , daß der a lte M eister d a s Höchste,

142

Me i s t e r

Di e t r i c h .

w as sein In genium und seines P insels Fertigkeit verm ocht, vor allem an diese werde verwendet haben." .O ftm a ls in guten S tu n d e n ," sprach M eister Dietrich nachdenklich: „hat das ganze Werk so klar im Geiste vor m ir gestanden, daß ich hoffen durfte, es m it G ottes H ülfe herrlich zu vollenden; doch muß ich Euch bekennen, daß ich jetzo fast selber daran verzweifle." D er Grünrock reichte ihm die H and und sprach: w as eine m Menschen möglich gewesen, d a r a n s o l l k e i n M e n s c h v e r z w e i f e l n . S etzt der schönen G räfin Conterfci an die S te lle ; das wird dem Uebrigen keine Schande machen.“ .M it nichten!“ rief der M aler au S : .d er G räfin Schönheit ist zu sehr von dieser W elt. D iel eher möchte meines W eibes B ildniß an jenem O rt bestehen können." Jen er nickte m it dem Kopfe und lachte dabei a u f eine gewisse W eise, die dem M aler schon oft an ihm zuwider gewesen w ar. D a ra u f sprach er: »B ei dem allen dauert es mich am m eisten, daß I h r die schöne K raft an solches S tü c k - und Flickwesen vergeudet und überhaupt E uer ganzes Leben in den Schatten eines H andw erks setzt, von dem Euch keine Frucht f a llt, als etw a ein P a a r Holzäpfel. Doch w as geht's

Me i s t e r

Di e t r i c h .

143

mich a n ! Lebt w ohl, wenn I h r könnt. M orgen sehen w ir uns wieder." M eister Dietrich schaute ihm m ißm uthig nach und noch m ißm uthiger a u f sein B ild zurück, den je mehr er verspürte, daß der fröhliche G laube an ein wackreS Vollenden von ihm gewichen w a r, desto heftiger ver­ droß es ih n , daß der Grünrock Recht haben sollte, und er bereute, sich solcher Arbeit unterzogen zu haben. V oll Unbehagen machte er sich a u f den Weg nach Hause. W as ihm heut' begegnet w a r, hatte sein G e­ m üth zerspalten; er gewahrte dessen w o hl, doch konnte oder wollte er sich die Ursach' nicht sagen. H eut' erfreute ihn nur halb des Töchterleins K osen, des S ä u g lin g s Jauchzen und der M u tter geschäftige S o rg fa lt. D a s B ild der schönen G räfin hielt seine S in n e gefangen, tra t überall zwischen ihn und seine häusliche Lust, T hun und T reiben, daß er sie nicht erfassen konnte und seine Gedanken und Wünsche sprangen, wie des Zaum es ledige Rosse, über die engen Schranken seines bisherigen Lebens und wuch­ sen zu gespenstergleichen Riesenbitdern a u f, vor betten er selbst erschrack.

144

Me i s t e r

Di e t r i c h .

E s waren mehrere Tage verstrichen. D er unbe­ kannte Freund w a r , seines Versprechens uneingedenk, nicht erschienen. Gleichergestalt hatte es Meister Dietrichen nicht glücken wollen, der Gräfin ansichtig zu werden, obwohl ihn sein Weg gar oft vor ihrer Wohnung vorbeiführte. D a traf es sich eines M o r­ gens, als er über den Marktplatz gin g, daß eben Jahrm arkt gehalten w u rd e ; die fremden Kaufleute hatten ihre B uden aufgeschlagen und es w ar großes Gedrang' und Treiben dort. An einer von den B u ­ den aber, worin allerhand köstliche Elirire und Arz­ neien zu K auf standen, erblickte er den Grünrock, der sein ebenfalls sogleich gewahrte und ihn heranrief. »Wollt I h r Euer Leben verlängern,“ sprach er: »oder, wenn es Euch zu lang daucht, dem lieben G ott zu Hülfe kom men? I h r dürft nur sagen. G ute Freunde werden hier auf beiderlei Weise treff­ lich bedient.“ »Keins von beiden,“ entgegnete der M a t e r : »sondern wie es G o tt gefallt.“ » Ih r send ein frommer M a n n , “ lachte jener: »und solchem wird das Himmelreich. I h r könnt ein­ mal ein gut W o rt für mich einlegen. Wie steht es aber vor der Hand auf Erden? I s t die schöne E r­ scheinung Euch noch nicht wieder erschienen? — »Der M aler schüttelte den Kopf. — » Ih r wünschtet doch w ohl, sie wieder zu sehen V fuhr der Grünrock fort.

Mei st er

Di et r i ch.

145

»Was könnte mir's helfen, so es geschah' V sprach der Maler mit falschem Gleichmuth; jener .aber sah ihn an und sagte: »Eure Wangen halten nicht gute Nachbarschaft mit Eurem Munde, denn ihre Rothe straft ihn der Luge. Sagt es doch nur gerade heraus, so steht Euch vielleicht -u helfen.“ Meister Dietrich sah ihm verwundert in's Gesicht. »Ei nun,“ hub er endlich an: »ein solcher Wunsch ist niemand zu verargen, am wenigsten einem Maler, dem ja, so zu sagen, ein Paar Augen mehr gegeben sind, denn andern Leuten.“ »Wohl dann,“ erwiederte der andere: »wir werden sehn, was für Euch zu thun ist.“ — Er wandte sich darauf zu dem Kaufmann und redete ihn in einer fremden Sprache an. Der Kaufmann holte ein wohl­ verwahrtes Kastlein hervor und gab ihm daraus zwei kleine Glaser, welche er zu sich steckte und jenem dafür einen seidenen Beutel mit Geld in die Hand drückte. In dem Maler aber sprach er: »kauft doch dem wackern Mann auch etwas ab von diesem Le­ bensbalsam. Wer weiß, wo Ih r ihn brauchen sönnt.* And da dieser seine gute Gesundheit vorwandte, meinte er, der Balsam sey auch nur für die Allzugs­ sunden und er wolle nur immer ein Glaslein für ihn "witkaufen und ihm aufheben, um ihrer Freundschaft willen; ließ sich auch noch eins geben und bezahlte es. Darauf schieden beide lachend von dem KaufContess. Schrift. 3 - Nd.

10

146

Me i s t e r

Di e t r i c h.

m a n n ; der Grünrock t r a t an eine andere B u d e , der M a le r aber ging an seine Arbeit. A ls er gegen M it ta g nach Hause kehrend a u s der Kirche kam , sprach ihn eine wohtgcklcidete D irn e mit der Frage a n : ob er M eister D ietric h, der M aler, fei; ? D a er solches bejahet, sagte sie freundlich: „meine F r a u , die G räfin R overo, läßt Euch des schönsten begrüßen und m elden, daß sie diesen N ach­ m ittag E u re r gew ärtig seyn w erde, tun sich m it Euch wegen einer Arbeit zu besprechen, die sie begehrt." Meister Dietrich w ußte nicht, wie ihm geschah, d a er dies v e rn ah m , und er gedachte der heutigen W o rte des Grünrocks. D ie schlaue D irn e sah thut eine Weile in's Gesicht; doch da sie von ihm keine A n tw o rt erhielt, grüßte sie ihn lachend und ging davon. H eute wollte ihm sein M ittagbrod nicht munden, und da ihn seine F r a u u m .die Urfach1 befragte, sagte er i h r , er sey zum G rafen R overs beschicken, für den er malen solle. »W enn du sonst keine N oth hast,“ entgegnen' K unig u n d e: »es ist ja nicht das erste M al, daß du vor G ra fen und Herren siehst und wirst dich doch vor diesem Walschcn nicht scheuen." Meister Dietrich fü h lte, daß er roth w ard im Gesicht, stand au f und küßte seine F r a u a u f die S t i r n . D a r a u f

Me i s t e r

Di e t r i c h .

147

legte er seine besten Kleider an und machte sich a u f den W eg nach des G ra fen Hause. D a s Herz schlug ihm wacker, als er die breite Wendeltreppe hinanstieg und einen D iener b a t , seine G eg e n w art anzusagen. D e r D iener führte ihn in e in ' großes, m it vielen B ild e rn ausgeschmücktes P r u n k gemach und hieß ihn dort verweilen. D e r M a le r sah die B ild e r m it Erstaunen a n , denn es waren lauter herrliche Stücke au s der italienischen S c h u te , wie er deren niemals so viele und so treffliche beisammen gesehen. D ie K ra ft und der G lanz der F a r b e n , die mächtigen M asten tiefer Schatten und scharfer Lich­ te r in den Werken mancher neuern Meister blendeten, ja betäubten i h n ; m it wunderbarer M acht aber zog ihn ein Gemälde zu sich, welches in der Ecke hing. E s w a r d a r a u f eine M u tte r G ottes vorgestellt von E ng eln umschwebt, im V ordergrund zwei anbetende Figuren. E r stand eben d a v o r , da sich hinter ihm die T h ü re a u fth a t und die G räfin erschien. D a s B l u t stieg ihm a n 's H e r z , da er ihr entgegen g in g ; sie a b e r, nachdem sie ihn freundlich b eg rü ß t, fragte i h n , ob er denn dieses B ild allein von all' den a n ­ dern Meisterwerken der Betrachtung werth g efund en? »»Ich 'habe,« sprach der M aler m it Bescheidenheit: »aus diesem stolzen B lum enbeet die edle Lilie m ir erw ählt und wünschte w o h l, den trefflichen Meister zu kennen, der so Herrliches vollbracht.«

148

NL e i st e r D i e t r i c h .

„ W a s I h r so bew undert,« entgegnete die G rä fin : „ist ein Werk des R ap hael S a n z i o , den viele den Göttlichen nennen. D e r Menschen M ein u n g ist ver­ schieden und ich will keinem die seinige bestreiten.« — D a m i t führte sie ihn durch ein anstoßendes zweites G em ach, gleich dem ersten ausgeziert, und indem er schnell, wie sie vorausschritt, ihr folgte, fielen seine Augen a u f ein B ild n iß seitw ärts an der W a n d und er stand vor Erstaunen still, denn es glich dem Freund Grünrock a u f ein H a a r , obwohl er andre Kleidung t r u g , und er wollte den M u n d aufthun, die G räfin zu b e fra g e n ; allein sie stand schon in ihrem Z im m e r, hielt die T h ü r in der H a n d und winkte thut ein zu trete n ; und tvie er h in e in tra t, sah er eine aufgeschlagne S ta ffelei, m it allem , w a s zum M a le n erforderlich. „ D a draussen ,« hub die G räfin a n : „hatt' ich den M u th nicht, Euch mein V erlangen zu entdecken. D en n nicht, um Euch ein Kunstwerk aufzutragen, E u re r w ü r d ig , beschied ich Euch hierher, sondern um mein B ild n iß zu verfertiget!, das mein G em al zu haben wünscht.« D e r M a t e r , vielleicht daß ein guter Geist ihn ver­ w a r n te , erschrack im tiefsten Herzen bei diesem A n­ t r a g , so das; er erblaßte, worüber die G räfin lächelnd sprach: sie habe es wohl g ew u ß t, daß ihm ihr Art sin-

Me i s t e r

Di et ri ch.

149

neu nicht gefallen werde, zum al da er eben vom Anschaun höherer D inge komme. , »Welcher M a t e r , »entgegnete Meister Dietrich sich fastend: »möchte sich vermessen, m it aller seiner Kunst Höheres zu erreichen, als hier der liebe G o tt in sei­ nem besten S tü n d le in geschaffen h a t ? “ — D a r a u f setzte er sich an die S t a f f e l n , nachdem er der G räfin einen Sessel gerückt und sing seine Arbeit m it zittern­ den H änden an. E r sah die G räfin nun alle Tage. Und wie ci den W eintrinkern zu ergehen pflegt, die m it einem halben K ann lern anfangen zur M a h lz e it, bald aber noch eins h inzu füg en, und wieder e in s , und der D u r s t immer mehr wächst, je öfter sie ihn löschen, bis sie endlich verm einen, sie könnten nicht mehr leben, wenn sie nicht des Bacchus voll sind; so wuchs ihm auch das V e r la n g e n , die. schöne F r a u zu sehen, immer höher an das H e rz , je öfter er sie sah, und es däuchte ihm endlich jede S t u n d e verloren, die er nicht bei ihr verbracht. W ie eine P f fa n z e , die an einem sparsam erhellten O rte steht, m it allen K räften ihres Lebens nach der S e ite strebt, von w annen das Licht hereinbricht, so w aren auch seine Gedanken und alle Triebe seiner S e ele n u r nach ihr gewendet. An die Arbeit in der V enedictiner-K irche ging er n u r m it Unlust und da er jeden T ag mehr an dem glück-

i5o

Meister

Di e t r i c h .

Ctchen Vollenden verzweifelte, ließ er sie endlich ganz liegen. S e in e F ra u w ard der großen V eränderun g an ihm wohl in n e, doch da er ihren Fragen deshalb nicht Rede stand, ihr auch wohl dienstfertige Z u n g e n , wie es zu geschehen pflegt, etw as von der schönen G räfin in's O h r geraun t h a tte n , so ließ sie, überhaupt gar sanfter und in sich gekehrter G e m ü th s a rt, zuletzt kein W o rt davon mehr über ihre Lippen, und nahm den stillen G r a m geduldig in ihrem B usen auf. D e r M a ler ab e r, dem dieses Schweigen und ihres Gesichtes kummervolle Züge la u te r, denn alle V o r w ü rf e , seine S chuld vorrückten, fing an sein H a u s zu meiden und brachte die Z e it, da er nicht bei der G räfin seyn' konnte, meist in Zechstuben und S p ielh äu sern hin, machte aber dadurch sein Uebel noch ärger. E i n s m a l s , da er des Abends zeitiger als gew öhn­ lich nach Hause k a m , hörte er a u f der T r e p p e , wie seine F ra u den K naben in den S c h la f s a n g ; er hatte das Lied schon sonst von ihr vernom m en, doch dünkt' ihm h e u t', als hab' er es nimmer g eh ö rt; es fiel ihm wunderlich au f's H e r z ; er lehnte sich an die W a n d , seine Augen w urden voll W asser, indem er ihr zuhörte, und er stand noch a u f dem Flecke, da das Lied schon lange zu End e w a r. D a s Lied hieß also:

D r e i st e r

Di et ri ch.

D aß Bächlein läuft bergab geschwind, kann nicht bei dir verbleiben; die Wolken gehen m it dem W ind, wohin der W ind will treiben. D a s wird wohl ihre A rt so seyn. Schlaf ein, mein K ind, schlaf ein! D er Frühling tritt zur Knospe h in : wach a u f, Feinslieb, zur Freude! Die Knospe springt m it leichtem S in n heraus im Hochzeirkleide. D a s mag wohl ihre A rt so seyn. Schlaf ein, mein K ind, schlaf ein! Doch wie die S o n n ' zur Rüste geht, ist Frühling auch verschwunden. D er Nachtwind kom m t, die Knosp’ an w eh t; sie stirbt zur selben S tu n d e. E s mag wohl Frühlings A rt so seyn. Schlaf ein, mein K ind, schlaf ein! 'D as sang die M u tter ihrem Kind. D as Herz w ar ihr gebrochen: D er Liebste schwur, da-kam der W ind, da h a tt’ er nichts versprochen. S o mag der M änner A rt wohl seyn. Schlaf ein , mein K ind, schlaf ein!

151

152

Me i s t e r

Di e t r i c h .

E r trat still zur T hür h in e in , Bot freundlich, doch m it schwankender S t i m m e , K unigunden guten Abend und setzte sich ihr gegenüber in den alten Lehnstuhl, der so oft in der bessern J e it ihn und all' die S e in e n zugleich m it seinen Armen traulich um faßt hatte. And a ls er da saß und sein Weib mit dem Knaben a u f ihrem Schooß a n sa h , w ie die Liebe zu dem Kinde ihr bleiches Angesicht zu verklären schien, fiel ih m , er w ußte nicht w ie , plötzlich sein Gem älde in der B e n e ­ diktiner-K apelle e in ; er sah es a u f einen Augenblick ganz vollendet vor sich stehen, und in seiner B r u s t w ard ihm dabei so weh und doch so w o h l, daß er dies seltsame G efühl nicht allein zu ertragen ver­ mochte, stand daher a u f und ging hinüber zu seinem Weibe und küßte den schlafenden Knaben. K u n i­ gunde schlug die Augen laftgsaut zu ihm a u f und ein S t r o m von Thränen brach daraus hervor; er aber faßte ihre Hand und drückte sie heftig an seine B ru st, die ihr hoch entgegen schlug. D a that sich die T h ur a u f und hereintrat der Grünrock. E rstaunt und verlegen wandte sich der M a l e r , ließ seines W eibes H and und ging ihm ent­ g eg en ; doch jener schritt, a u f seine Weise lächelnd, an ihm vorüber und sprach, vor K unigunden tretend: »Vergebt m ir , werthe F r a u , wenn ich Euch störe. D a unser lieber Meister sich nicht mehr bei seiner Arbeit in der Kirche betreffen lä ß t , wähnt' ich ihn

Me i s t e r

Di e t r i c h .

153

frank. Allein indem ich Euch anschaue, kann ich es ihm nicht verargen, daß er lieber daheim bei Euch verbleibt, als seinem Handwerk auf der S tr a ß e nach* lauft.« Meister Dietrich sah ihn mit Verwunderung an, denn indem er eben den M antel ein wenig zurück­ schlug, um seinen H u t abzunehmen, gewahrte jener, daß er ein prächtiges Kleid von schwarzem S a m m e t mit einem kostbaren Spitzen-K ragen und eine goldene Kette um den H a l s , darunter trug. Doch als ob er des M alers Verwunderung nicht merkte, fuhr der F reu nd, den M antel zusammen­ schlagend, gegen ihn gewendet fort: „G laubt mir, wenn ich an Eurer Stelle wäre h wie eine Auster wollt' ich nimmer mein H aus verlassen, das mir der Herr so herrlich gesegnet h a t; am wenigsten, um etwa schöne Weiber abzukonterfeien.« Meister Dietrich wurde roth und winkte ihm mit den Augen und auch über Kunigundens Gesicht lief eine schnelle G lu t ; der Schalk aber, ohne des M alers Winken zu beachten, sprach lächelnd zu K unigunden: » I h r wißt doch, schöne F r a u , welche gefährliche Ar­ beit er unternommen? D er Gräfin Rvvero tagtäglich in die Augen schauen, bedünkt mich wieThurmdcckerWerk: nmit kann leicht schwindlich dabei werden, denn solcher Augen gibt es in der W elt nur ein P a a r ."

354

Me i s t e r

Di et r i ch.

Jedes dieser Worte war ein Dolchstich in Kuni­ gundens Herz und die Brust wollt' ihr vor Schmerz zerspringen. Da stand sie auf, drückte den Knaben an sich und eilte mit wankenden Schritten in das Schlafgemach. »Was beginnt Ih r? " sprach der M aler, ängstlich hin und herschreitend, da sie weg war. „Ich merke wohl," entgegnete jener: »daß ich mit täppischen Handen den wunden Fleck berührte, und um mich selber darob zu bestrafen, verlaß ich Euch auf der Stelle. Es wird Euch indeß nicht schwer fallen, den Frieden wieder herzustellen, wenn Ih r sonst nur die schöne Gräfin aufgeben wollt. Aber merkt wohl, was ich sage: d ie W e i b e r si nd es i n di esem Leben, di e uns h i n a u f oder h i n ­ u n t e r zi ehen. Die Wahl ist Euer! Gute Nacht." So ging er hin und nahm aus diesem Hause den Frieden auf immerdar mit sich hinweg. Dem M a­ ler entstand der M uth , seiner Frau unter die Augen zu treten und der Augenblick war vorbei, wo sein guter Geist ihm noch ein Mat die Hand geboten hatte und sollte niemals wiederkommen. Sein bethörtes Herz zog ihn am andern Morgen wieder zur schönen Gräfin, und Kunigundens B ild in seiner Brust verblaßte und verging vor dem Strahl ihrer Augen, wie der Mond am frühen Morgen, wenn sich die Sonne zeigt. ________

Me i s t e r

Di e t r i c h .

155

D ie Arbeit des M alers nahte sich ihrem E n d e; er sah mit Entsetzen die Zeit herbei kommen, wo er des täglichen Anschauene der herrlichen Gestalt verlu­ stig gehen werde, und tonnte sich dann seinen Zustand nicht anders denken, als eines Verdam m ten, der einst im Himmel gewesen. D a sprach die Gräfin eines Tages zu ihm von ihrem Gemal und erzählte unter a n d erm : daß er seinen Geheimschreiber durch den Tod verloren, und nun um einen geschickten M a n n verlegen sey. „H ättet I h r nicht Weib und K ind ,« fuhr sie lächelnd fort: „ich wollte Euch zure­ den, selbst um die Stelle zu werben. E s fehlt Euch nicht an der nöthigen Geschicklichkeit; ein K opf, wie der E uere, würde au f dieser Stelle nicht lange rasten und die Aussicht auf das Höchste wäre Euch geöffnet." „Für mich, “ sprach der M a l e r : „für mich, ist nur ein Einziges, wonach mein Leben lechzet, wie im Sonnenbrand eine Pflanze nach dem T h a u ; und ach, ich Unglücklicher! nimmer werd' ich das erlangen."' » I h r achtet Euch selber zu gering,« entgegnete die Gräfin. „Wem die N a tu r so viel gegeben, der darf von den Menschen alles hoffen.« — Sie' sah ihn mit einem Blicke a n , an dem sein B lu t sich entzündete und wie ein Feuer durch seine Adern lief-, daß er kaum athmen konnte und ihm die Hände zitterten. »Mein G e m al,« hub sie von neuem mit leiser S tim m e a n : „mein Gemal verlangt nach dem Bilde

156

Me i s t e r

Di e t r i c h .

und wie ich sehe, werdet I h r es auch in wenig T a ­ gen vollendet haben." »Ach, m it dem letzten Pinselstriche," rief der M a ­ ler : »streich' ich mich selber ans dem Buch der S e l i ­ gen und unterzeichne meine V e r d a m m u n g !“ D ie G räfin schlug die Augen nieder und schwieg eine Weile. D a n n sprach sie seufzend: »Unsern lieb­ sten Wünschen w ird in diesem rauhen Leben keine Erfüllu ng re if; wie P flanzen aus meinem schönen I t a l i e n in E uren kalten Himmelsstrich verpflanzt, höchstens blühen, doch nim m er Früchte tragen. Alles, w a s dem Volk begehrenswerth erscheint, ist m ir gew o rden: M a c h t, E h r e , Reichthum und doch kein Glück'; denn mein Herz ist arm geblieben." I h r e Augen w urden voll T h rä n e n , da sie dies sp rach; und sie lehnte sich in den Armsessel zurück, sie m it der H an d bedeckend. D a blieb der M a le r sei­ ner Leidenschaft nicht länger M eister, . w a r f sich u n ­ gestüm vor ihr a u f die K niee, streckte die Arme voll verzehrender Sehnsucht nach ihr au s und sprach m it bebender S t im m e : „£>, möcht' ich doch hier zu Eitern Füßen und in E uerm Anschaun sterben, denn zu leben vermag ich doch nicht, wenn ich Euch nicht mehr sehe." S i e blickte ihn liebreich an und reichte ihm die H and . E r ergriff sie h e ftig ; doch wie ein Blitzstrahl durchfuhr ihn die B e r ü h r u n g ; ein heftiges Z ittern überfiel ih n , hö rbar schlug ihm das Herz an

Me i s t e r

Di e t r i c h .

157

seine B r u s t , es w ard ihm schwindlich vor den Augen, wie einem T runkenen, er w a r ausser sich, um faßte ihre K niee, drückte sie an sich utlt> da sie, ihn abzu­ w ehren, sich vo rw ärts b c g , schlang er seine Arme m it M acht um den schlanken Leib, zog sie zu sich herab und seine lechzenden Lippen brannten a u f ihrem M u n d e . „W as macht I h r ! " rief die G r ä f i n , w and sich a u s seinen A rm en ,' und w a r schnell durch eine S e ite n th ü r entwichen. _ Noch lange blieb der M a te r a u f der S te lle knieen; 'oll' sein G efühl hatte sich, den übrigen K örper ver­ lassend , in seinen Lippen zusam m engedrängt, a u f denen ihm immer noch der G räfin Lippen zu glühen schienen, und n u r in dieser G l u t w a r er sich seiner selbst bewußt. D a t r a t endlich die Zofe der G räfin herein, ihn m it lautem ^Gelachter weckend. „ S o ll ich Euch beten h e l f e n r i e f sie. M eister Dietrich aber sprang beschämt empor und verließ eilig das Zim m er. Nicht weit vom H ause hielt ihn der Grünrock' an. .K o m m t I h r / sprach er lachend:, .schon so früh am T a g e vom Becher h e r ? O d e r ist es der F r a u V e ­ nu s Feldzeichen, so I h r a u f dem Gesichte t r a g t ? S i e muß Luch ein feines Handgeld gegeben haben. I h r w a r t wohl bei der G rä fin ? « V erliebte, die von ihrem Glücke kommen, sind leicht auszufragen. G a r bald hatte M eister Dietrich dem G rü n rock nichts mehr zu verschweigen.

158

Me i s t e r

Di e t r i c h .

BUnb wie nun w e ite r?" fragte dieser. »Es bkäs't ein frischer W ind in E u re S e g e l ; im M org enroth zeigt sich die goldne Küste; doch E uer Schifflein sitzt a u f einer S a n d b a n k fest. W enn I h r nicht Weib und Kinder hattet. — D e r M a le r seufzte tief auf. »Ich w e i ß / ' fuhr jener fo rt: »w as dieser Se ufze r sagen will. I h r fangt in Gedanken an über B o r d zu werfen. — W enn E ure F ra u jetzt stürbe — w as erblaßt I h r ? Erschreckt I h r vor E u ren eigenen Wünschen?'" D e r M a te r riß sich erzürnt von ihm tos und wollte gehen. Doch jener hielt ihn zurück und sp rach: » E u re O hren sind keuscher als E u e r Herz. Mich tauscht dies Zürnen nicht, m it dem I h r mich, ja Euch selbst gern betrügen möchtet. I h r wünscht es doch; krank ist sie ohnedies und wenn I h r es aussp racht, stände Euch vielleicht zu helfen.'" — Nachdem er dies ge­ sprochen, w andte er sich und ging. K unigunde w a r wirklich krank, und es sehte der G ra m um so geschäftiger ihrem Leben z u , da sie ihn in sich verschlossen auferzog und nährte. S i e fühlte ihre K räfte sinken, doch kam nimmer eine K lage darob über ihre Lippen. D a aber diese Kränklichkeit, wie sie pflegt, ihre Empfindlichkeit vermehrte und ihre sonstige G eduld und Gelassenheit verm in d erte, so fielen öfters unangenehme W orte zwischen ihr und

Me i s t e r

Di e t r i c h .

159

dem M a l e r , wodurch diesem sein H a u s immer mehr verleitet w urde.

Als M eister Dietrich am andern M o r g e n , der G räfin h arre n d , v o r d e r'S ta ffe le i sta n d , in ängst­ licher E r w a r t u n g , wie ihr E m pfang seyn werde, t r a t sie, von ihrem Genial begleitet, in das Genrach. D e r M a te r erschrak heftig und stand d a , wie ein arm er S ü n d e r , über den der S t a b gebrochen wird, denn er glaubte a u s der G räfin B eg leitung zu erken­ n e n , daß sie über seine gestrige K ühnheit zürne. D a sprach der G r a f , vor ihn hintretend: „ist dies der M a n n , von dem I h r mir gesagt?« und als die G r ä ­ fin solches m it Kopfnicken bejahte, maß er ihn m it ernstem Blick von oben bis u n te n , daß es den M a ­ ler bald heiß bald kalt überlief. D a r a u f fuhr . er f o r t , zu demselben gewendet: „ I h r w ollt also , wie ich höre, dem P in sel V ale t geben und fortan zu der Feder schwören?« — Diese W o rte stärkten-den M a te r w underbar. E r verneigte sich tief vor dem G rafen und hatte jetzo erst den M u t h , seine Augen a u f die la n g e , hagere G estalt zu erheben. D e r G ra f' aber . t r a t zu dem B ild e a u f der S ta f fe te i, und nachdem er es eine W eile aufmerksam betrachtet: „in der K u n st,« begann er von neu em : „sott m an nichts M it -

Me i s t e r

Di e t r i c h .

telmäßiges dulden. W a s nicht vortrefflich ist, ist schlecht.- M i t diesen W o rten bot er seiner Gem alin die H a n d und m it dem Kopfe nickend sprach er im A b g e h n : „ I h r habt Euch in diesen T agen a u f der Kanzlei zu melden. S e n d I h r zu brauchen, so sollt I h r m it m ir zufrieden seyn.V ergebens hatte der M a le r n u r a u f einen Vlick der G räfin gehofft; sie g in g , ohne ihn angesehn zu haben. Doch jetzt im Weggehn ließ sie eine Nelke fallen, die sie in der H an d getragen h a tte , und da er schnell b in z u sp ra n g , sie aufzuheben, gewahrte er, das; sie lächelte. S o w a r ihm denn durch des G ra fen A n tr a g , m it so rauher M a n ie r er auch geschehen, die Möglichkeit eröffnet, nicht allein seine Liebe noch ferner zuschauen, sondern sogar m it ihr in einem und demselben H ause zu w o h n e n , ja er durfte g lau b e n , daß sie es selber wünschte. O b w o h l nun aber sein Herz d a r­ über voll guter D inge w a r , nicht a n d e rs , als hatt* ihm jemand eine Leiter an den H im m el gelegt, so hing sich doch immer der Gedanke an K unigunden wie eine Centnerlasi an dasselbe und zog es zur Erde nieder. — E r sah sich überall nach dem Grünrock u m ; es w ar ih m , als müsse dieser eine« R ath für ihn h a b e n , da er sich selber nickt zu berathen w u ß te; allein der Grünrock ließ sich nirgend sehen.

Me i s t e r Di e t r i c h . S o trieben nun U n g ew iß h e it, Z w e ife l, Ungeduld, M itleid und B e g i e r , bald zurückhaltend, bald an ­ spornend, bald d a h i n , bald dorthin lenkend, ihn unablässig u m her; und da er indeß auch bei der G r ä ­ fin , wenn er sich, das B ild n iß zu vollenden, ein­ stellte, bald unter diesem, bald unter jenem D o rw and abgewiesen w u rd e, so bedünkte ihn sein Zustand mit jedem T age^un ertraglicher, und es lag a u f seiner B ru st w ie ein schweres Verbrechen, so daß er oft sich selber, sich besinnend, fragen m u ß te, ob er etwa und w a s er denn Entsetzliches began gen, das ihn wie den tfm n verfolge. E ines A b e n d s , gerade da er in sein H a u s treten w o llte , faßte ihn eine H and von hinten beim Arm und da er sich w a n dte, stand wieder der Grünrock vor ihm. „Wie geht c s , M eister?" sprach er. » S e y d I h r noch krank? D en n wahrlich trank is t, wer ewig zwischen W ollen und ^ivbülumictt hin und wieder schwankt, it'cuv der Entschlossene ist der Gesunde. I h r dauert und). I h r schwachen S e e le n fühlt die Schmerzen des G eb a ren s, und doch nimmer die Lust an dem Gebornen." „A uf Euch hab' ich gehofft," entgegnete der M aler. » I h r sollt mir rathen." „W as soll Euch mein R a th ? " versetzte jener. »W enn I h r mir Euren P in sel geb t, bin ich drum kvntess. Schrift. 3* Bd.

II

*6 2

Me i s t e r

Di et r i ch.

schon ein Mater ? Und was kann ich Euch am Ende an­ ders rathen a ls : hier laßt fahren und dort greift zu. Wer nicht entsagen kann, kann nicht besitzen." Der Maler sah zur Evt>e und jener fuhr nach einer Weile fo rt: »du bist ein Kind, Meister; ich w ill für dich sorgen, und so geh' jetzt nur hinein, du thöriges Kind, in deine Wiege, aus welcher du heraus verlangst; kommt doch die Zeit, wo du dein Herzblut darum gabst, so du noch drinn lägest." M it diesen Worten schob er ihn nach der Haus­ thür hin; doch plötzlich wieder zog er ihn zurück und sprach mit dumpfer, leiser Stimme: »Wenn ich wollte, gingst du nicht mehr hinein, nie mehr! Doch stehe da!" fuhr er mit Kopfschütteln fo rt: »ich bin ein Kind wie du. Geh nur, geh hin, unglücklicher Glücklicher. Du ahnest nicht, welch schweres Opfer ich dir bringe." Er ging, und Meister Dietrich blieb staunend und nachdenkend über sein seltsames Thun und Reden zu­ rück, und sah ihm lange nach; und da er in seine Wohnung tra t, fand er sein Weib in Thränen; doch wollte sie ihm darob nicht Rede stehen, sondern winkte ihm mit der Hand, zu schweigen; sein Töchlerlein aber zog ihn auf einen Stuhl herab und sprach leise zu ihm: »der grüne Mann ist da gewesen."

Meister

Dietrich.

i 6r

E r hatte am andern Morgen eben die T hü r m der H a n d , den Grünrock aufzusuchen, da tra t Kuni­ gunde aus ihrer Kammer und öffnete den M und, denn sie hatte in mehreren Tagen nicht mit ihm ge­ redet, und sprach: „wo willst du h in ?« Und da er sich befremdet umkehrte, gewahrte e r , daß ihre W a n ­ gen brennten wie in Fieberglut und aus ihren Au­ gen ein ungewöhnlich Feuer hervorbrach. „Ich wollte," fuhr sie fort: ».„du bliebest heut'* bei m i r , heut' n ur noch! E s ist leicht das letzte M a l , daß ich dich .bitte.« Und seine Hand ergreifend: „was würdest du mit unsern Kindern beginnen, wenn ich einst eher stürbe, als d u ? B rin g ' sie zu meiner Schwester. S i e liebt die Kinder. D o r t sind sie wohl aufge­ hoben.« „Kunigunde,« rief der M aler beängstigt a u s : „was hast du vor?« Doch wie im tiefen Nachsinnen sprach sie weiter : „Nimm dich vor dem Grünen in Acht. • Ich warne dich. E s kann sonst schrecklich mit dir enden. Ich weiß es, ein T raum hat mir's diese Nacht gezeigt. S te h ab von deinem W ege, sonst bist du hier und jenseit verloren.« D er M aler stand erschrocken und gerührt und fühlte, da er sie ansah, plötzlich sein ganzes Herz gewendet. Und sie breitete ihre Arme gegen ihn aus und rief: „Heinrich!“ in Thränen ausbrechend. P a

i64

Me i s t e r

Di e t r i c h .

nahm er sie an seine B ru st und sprach: „Lieb Weib, hör' au f mit eitlen Einbildungen dich zu quälen. Ich gehe jetzt und alles wird noch gut.“ S ie aber riß sich von ihm los und rief: „du gehst!“ — „Ich gehe,“ versetzte e r : „und wenn ich wiederkomme, ist alles anders.“ „ J a a n d ers!“ sprach sie hastig, kehrte sich von ih m , nahm den K naben, der an der Erde spielte, auf, und hob ihn hastig, mit zum Himmel gerichtetem Angesicht und A ugen, hoch empor. E r a b er, seines Vorhabens voll, achtete alles dessen nicht, dachte n u r , daß es bald anders werden solle und eilte d a v o n , solches in's Werk zu setzen. D enn es war das Gefühl seines Unrechts mir Macht über ihn gekommen, unendliches Mitleid mit seinem armen Weibe hatte ihn ergriffen, auch regte sich die alte Liebe zu ihr von neuem, und es war sein ehrlicher Wille und Vorsatz, der Gräfin auf der Stelle zu entsagen. Weil er aber theils sich selber nicht ver­ trauen mochte bei längerem V e rz u g , theils auch, weil ihm des Grünrocks wunderliche Reden immer zu S in n e lagen und eine bange Ahnung ihn deshalb auf das Herz drück're, so trieb es ihn mit G e w a lt, jenen ohne Weiten aufzusuchen, damit er nichts beginne, und dann im Hause des Grafen auf das Geheim­ schreiberamt Verzicht zu leisten und solchergestalt das Brück'lem, das ihm noch kurz vorher der Eingang

M e i.st e r

Dietrich.

165

in das Paradies geschienen, mit eignen Handen abzubrechen. Wie er nun hin und wieder lief, den Grünrock auszukundschaften, und niemand von ihm wissen wollte, fiel ihm ein, daß er ihn einsmals mit einem Mönch des Benedictiner-Klosters im Gespräch gese­ hen , nahm deshalb schnell seinen Weg dorthin, in der Hoffnung, etwas von ihm zu erfahren. Doch da auch hier sein Forschen vergeblich gewesen und er mißmuthig langsamen Schrittes über den Klosterhof zurück ging, da wollte cs sein Geschick, daß die Kirchenthür offen stand. Es kaiü ihm ein groß Ver­ langen an, sein B ild einmal wieder zu sehen und er trat hinein und ging nach der Kapelle. Eben zog ein schweres Ungewitter herauf, der Himmel bedeckte sich mit schwarzen Wolken, in die Kapelle fiel.durch die hohen, gemalten Fenster nur ein schwaches Licht; es war düster und still darin wie in einer Gruft Dem Maler drückte es das Herz zusammen, ' da er hineintrat; das B ild auf dem Altar kam ihm so fremd und seltsam vor, daß er erschrak, und da er seine Augen abkehrte, nahm er die drei rothen Stern­ lein an der Wand wahr. Das Gespräch mit dem Grünrock kam ihm wieder in den S in n , alles tpas er ihm verheißen und was nach dieser Zeit erfolgt und wie die Gräfin ihm hier zuerst erschienen, und er sah sie vor sich stehen in ihrer wunderbaren Schönheit

166

Me i s t e r

Di e t r i c h .

und hörte die himmlischen Töne ihrer S tim m e locken; es ergriff ihn ein heftiges Sehnen und Verlangen nach ih r, er fühlte, daß es unmöglich sey, ihr zu entsagen und obwohl e r, seines armen Weibes sich erinnernd, alle Kräfte seiner Seele au fb o t, dem Ge­ danken an sie zu entrinnen, vermochte er's dennoch nicht; ihr B ild blieb zulächelnd immer vor ihm stehen und ließ nicht ab von ihm. I n dieser Angst und innerlichem Kam pf wandte er sich wiederum nach dem G em älde, als wollte er dort Hülfe suchen; siehe! da daucht' ihm , die mittlere weibliche Gestatt verwandle sich in Kunigunden und wie er erschrocken hinstarrte, bewegte sie sich und streckte die gerungenen Hände nach ihm aus. Zu gleicher Zeit erschallte durch die Kapelle ein lau te s, schreckliches Angstgeschrei und wie er sich umschaute, w ar niemand zu sehen und alles wieder still. D a faßte ihn Grausen und Entsetzen, vor seinen Augen ward es dunkel, er wollte fliehen und konnte nicht, in diesem Augenblicke prasselte ei«i fürchterlicher Donnerschlag herab, und ohne B ew uß t­ seyn stürzte er zu Boden. D a er wieder zu sich kam, fand er sich in einer Zelle, auf einem B ette liegend, zu dessen Füßen ein alter Mönch ihm zugewendet saß. D er Mönch faßte seine Hand und sprach: »bleibt nur ganz still und ruhig. I h r seyd in guten Handen. Unser hochwür­ diger Abt Gervasius wird sich freuen, Euch wieder

Me i s t e r

Di et r i ch.

167

unter den Lebenden zu wissen. Der Tod stand nah an Eurem Haupte, Gottlob, daß er noch dies Mal vorübergegangen!" Es dauerte lange, ehe sich der Mater erholte und besinnen konnte, was ihm begegnet sey. M it einem Male überfiel ihn die Erinnerung des schrecklichen Augenblicks in der Kapelle und er sprang mit- einem lauten Schrei von seinem Lager auf, und da der erschrockene Mönch ihn wieder mit sanftem Zureden dahin zurückführen wollte, sprach er: »Laßt mich fort um Gottes Willen und meiner Seele Heit! Ich bin gesund. Es geht etwas Ent­ setzliches vor. Ich darf nicht langer weilen/' — riß sich damit los, rennte aus dem Gemach und lief in einem fort, bis er zu seiner Wohnung gelangte. Dies geschah in der Abenddämmerung. Da er die Thür öffnete, sah er sein Töchterlein auf einem Fußschemel sitzen, der Knabe lag schlum­ mernd auf ihrem Schoß und mit leiser' kindischer Stimme sang sie aus dem Liede, welches er einst von Kunigunden gehört, stets wiederholend die Worte: Der Nachtwind kommt, die Knosp' anweht; Sie stirbt zur selben Stunde.

»Wo ist die Mutter?" rief der Maler. - - »Sie schlaft," entgegnete die Kleine nach der Kammer zei-

i 68

Meist er

Dietrich.

gend. „Es ist gut, daß du kommst, Vater; mir wäre bald Angst geworden hier allem.“ Halb beruhigt setzte er sich, um Odem zu schöpfen. Da erzählte > nun das Töchterlein mit kindischer Ge­ schwätzigkeit: wie Mutter heut' recht wunderlich gewesen sey und sie bald zu sich gerufen, heftig an die Brust gedrückt und sie geliebkos't, bald sie wieder heftig von sich gestoßen habe. Wie sie oftmals zum Fenster hinausgeschaut und dann gesagt: „wenn er jetzt käme, wär's noch Zeit.“ — Der Maler horchte erschrocken auf. „Mich hungerte sehr,“ fuhr die Kleine fort: „da gab mir die Mutter ein Stücktein Brod und einen Apfel und sprach: warte nur, der Vater bringt dir etwas mit. Hernach kam der grüne Mann herein und wollte mit ihr sprechen; Mutter aber war sehr böse auf ihn, und da er nicht gehen wollte, lief sie in die Kammer und verriegelte sie. Der grüne Mann stand lange vor der Thür; endlich ging er fort.“ Dem Mater überkam eine große Angst, da er dieß hörte; er wollte aufstehn, sank aber erschöpft Ln den Seffel zurück. Während dem erzählte das Kind wei­ ter: Die Mutter sey nach tanger, langer Zeit wie­ der herausgetreten aus der Kammer, habe aber so seltsam ausgesehen, daß sie sich vor ihr gefürchtet. Darauf sey sie vor dem Bilde der Mutter Gottes niedergekniet und habe sie zu sich gewinkt und ihr

Mei st er

Di et ri ch.

16 9

befohlen zu beten, da sie dann alle Gebetlein herge­ sagt habe, die ihr die Mutter gelehrt; und die M ut­ ter habe auch mit lauter Stimme gebetet. Dann sey sie aufgestanden und habe den spielenden Knaben von der Erde aufgenommen, ihn geküßt, und ihn ihr auf den Schoos; gegeben und gesagt: sie solle ihm nur etwas vorsingen; der Vater werde bald kommen; sie wolle gehn imd schlafen, lind so sey sie nach der Kammer gegangen und schlafe. Der Maler riß sich mit Gewalt empor und schwankte nach der Kammer. Kunigunde tag ausge­ streckt auf ihrem Bette. Er trat hinzu und rüste sie leise bei ihrem Namen und wiederholte ihn mehrere Mat. Sie tag aber stille und regte sich nicht. Da streckte er seine Hand aus, ihre Hand zu fassen, doch sie war starr und kalt wie eines Todten. — Laut auf schrie der Unglückliche, taumelte zurück, sein Haar sträubte sich empor; ein ungeheuerer Schmerz zuckte durch sein Gebein, daß ihm die Brust zerspringen wollte und seine Augen starrend aus ihren Höhlen drangen. So stand er, wie einer, den Gottes Hand getroffen. Endlich aber erbarmte sich die mitleidige Hoffnung seiner, raunte ihm ein mitleidiges Wortlein zu und trieb ihn hinaus aus dem Gemache zur Nachbarin, die sonst oftmals Kunigunden besucht. Als nun

i7o

Meister

Di e t r i c h .

diese, die mit ihrer Tochter spinnend saß, ihn bleichen und entstellten Angesichts hereintreten, sprachlos nach der brennenden Lampe zeigen und ihr winken sah, erschrak sie heftig, ergriff die Lampe und folgte ihm mit ihrer Tochter au f der Stelle. Und da sie mit einander vor Kunigundens Bette tra te n , brachen die Weiber in lautes Wehklagen a u s ; er aber lehnte sich mit gefallenen H anden, erschöpft an die W a n d , seine Kniee schlotterten, seine Zahne schlugen in Fieberfrost an einander und wahrend die Nachbarinnen, Hülfe suchend, geschäftig w aren, nach dem Arzte schickten und die W ohnung sich allgemach mit mehreren Leuten füllte, starrte er unverwandten Blickes in das Ant­ litz der Entschlafenen, au f welchem die flüchtigen S tra h le n ab und zu wandelnder Lichter hin und wie­ der liefen und gleichsam mit dem Tode spielten. — »Ih re Seele steht vor G o tt; der wird ihr gnädig seyn," sprach Meister Ludwig, der A rzt: — »für mich ist hier nichts mehr zu thun. D o r t aber seh' ich einen, dem meine Hülfe N oth thut.“ — D a m it wandte er sich zu dem M a le r, faßte seine Hand und führte ihn aus der K a m m e r; und da er ein alter Freund der Familie w a r , redete er ihm z u , sich mit seinen Kin­ dern zu seiner Frauen Schwester zu begeben, wohl voraussehend, daß er ihrer Pflege bedürftig seyn werde, übertrug darau f der Nachbarin die S o rge für das H a u s und verließ mit den Verwaiseten, den

Me i s t e r

Di e t r i c h .

171

Knaben a u f dem A r m , die Jammerstatte. D er M a ­ ter aber ließ, wie ein Kind, alles mit sich geschehen, ttnd folgte ihm schweigend nach; doch waren sie kaum dort angelangt, als ihn heftige Fieberglut ergriff und er zu Bette gebracht werden mußte. —- D rei Wochen lang hielt ihn eine schwere Krankheit au f dem Siechen­ lag er; sein Bewußtseyn hatte ihn'verlassen und der Arzt ihn aufgegeben. D as Bächlein laust bergab geschwind, kann nicht bei dir verbleiben. Die Wolken gehen mit dem Wind, wohin der Wind will treiben. U n b e s t ä n d i g e r a b e r u n d f l ü c h t i g e r noch, denn Wasser, W ind und Wolken ist d e s M e n s c h e n Herz. Gegen Aller E rw arten w ar Meister Dietrich wie­ derum genesen, und obwohl die Besinnung bei ihrer Rückkehr ihm den herbsten Schmerz mitgebracht hatte und kein Tag vergangen war ohne heiße Thränen um Kunigunden, so ließ sich doch der Zeit gewöhnliches Bemühen gar bald spüren; das Leben machte wieder sein Recht gellend und malte das halb erloschene B ild der Gräfin nach und nach wieder mit den frische­ sten Farben aus.

172

Me i s t e r D i e t r i c h .

E r hatte es in den ersten T agen seiner Genesung hundertmal verschworen, sie jemals wieder zu sehen, allein jetzt fiel ihm zur rechten Zeit bei, daß es sich gezieme, ihr für ihre Theilnahme zu danken, da sie sich zum oftern nach seinem Befinden erkundigen las­ sen; auch sey es, meinte er, seine Schuldigkeit, we­ nigstens ihr Gemälde zu vollenden, dann aber wolle er ihr a u f immer entsagen und Kunigunden einzig und allein in seinem Herzen bewahren, das keine ande­ ren G ötter haben solle neben ihr. Allein da ihm die Gräfin bei seinem Besuch mit so liebreichem Bedauern und mit einer Freundlichkeit entgegen kam, die, gleichsam wider ihren Willen aus den feuchten Augen hervorbrechend, noch etwas mehreres zu verrathen schien, auch im Gespräch einW örtlein davon fallen ließ, daß die Geheimschreiberstelle bei ihrem Gemal noch immer unbesetzt sey, so war ihm nicht anders, als ob nach langem Winter ein warmer Frühling in seinem Herzen mit G ew alt auf­ gehen wolle; neue Blüthen drangen hervor, die wel­ ken B lä tte r — fielen a b ; seine Gedanken waren mit einem M a l gewendet und ehe noch drei Tage vergin­ gen, zog er als Hausgenosse in's H aus des G r a ­ fen ein. Die Geschäfte seines neuen Herrn ließen ihm Zeit genug, um auch nach Vollendung des Bildnisses der Gräfin mancherlei Arbeiten zu vollführen, die sie ihm

Meister

Dietrich.

173

auftrug und er g ar freudig ü b e rn a h m , da sie ihm ihre N ahe vergönnten. S i e bezeigte sich ihm auch m it jedem T ag e freundlicher und vertraulicher, so daß ihr sogar manche Klage entfiel, über ihres G em als rauhes und kaltes Wesen. D o c h , obgleich d a­ durch des M a le rs Hoffnungen immer kühner w urden, w ußte sie ihn dennoch allzeit in ehrerbietiger E n tfe r­ nung zu halten und also bald anlockend, bald zurück­ weisend seine Liebe dergestalt zu entzünden, daß alle K räfte seines Willens und G em üthes ihr Unterthan und leibeigen wurden. Eines T a g e s , als der M a le r in dem Gemach sei­ nes H errn beschäftigt w a r , der ihn e b e n a u f e i n e n Augenblick allein gelassen h a t t e , t r a t die G räfin hastig zu ihm herein, zog aus eineck Wandschrank ein P a p ie r hervor und begehrte von i h m , daß er eine Abschrift davon nehmen und ihr zustellen solle. Und als er sie d a r a u f verw undert und erschrocken ansah — denn das P a p ie r betraf eine wichtige und geheime V erhand lun g m it einem ausländischen Hofe — sprach-sie zürnend: „besinnt Euch nicht lange, sondern t h u t , w as ich befehle!“ Doch gleich m it milderm T o n e : „ I h r habt m ir oft gesagt, daß I h r mich lieb te t,“ — sehte sie lächelnd hinzu — »jetzt steht es bei E u c h , m ir den B ew e is zu geben. Weiß ich doch einen Lohn d a f ü r , der Euch lieber ist als G o l d ! “ — I n d e m hörten sie den G ra fe n , der zurück-

174

Me i s t e r

Di e t r i c h .

kehrte z schnell schob sie ihm das P a p ie r in den B u ­ sen und eilte davon. — Meister Dietrich nutzte seine Zeit und in wenig Stun den hielt sie die Abschrift in Handen. K e i n w u c h e r n d e r U n k r a u t a l s das Un­ r e c h t ! — H a t n u r er s t e i n S a m e n k ö r n l e i n W u r z e l g e s c h l a g e n , ist a u c h b a l d d e r g a n z e A c k e r ü b e r z o g e n u n d d i e S ü n d e ist seine B l ü t h e , das Ve rbr ec he n seine

Frucht. E s wurde der Gräfin nicht schwer, nachdem der erste Schritt geschehen, den M aler zu gleichem Dienste ferner zu vermögen; allein der süße Lohn, den er begehrte und erw artete, ward ihm zugleich noch immer mehr hinausgerückt. O ft wenn er von Liebe und Verlangen glühend und zitternd vor ihr stand und seine in Thränen schwimmenden Augen zu ihr flehet e n , brach sie in bittere Klagen aus über ihr Geschick, das sie mit ehernen Banden der Pflicht an die S e ite eines M annes gefesselt, der, von ihr an Alter und Gem üthsart so weit verschieden, das Leben zu einer Last für sie mache, von welcher nur der Tod a u f eine oder die andere Art sie erlösen könne, und dann zeigte sie ih m , mehr mit halben Worten und Blicken, als mit deutlichen Reden in der Ferne die Aussicht a uf den Besitz ihrer H a n d , als den P r e i s . einer Liebe und Treue.

Me i s t e r Di e t r i c h .

175

S o kehrte sich n u n des M a le rs ganzes Hoffen und S i n n e n gegen die Z u k u n ft, und seine Einbildung \vav geschäftig, sie nach Gefallen a u f s Beste auszu­ schmücken ; doch aber vermochte sie nicht eine seltsame U nruhe und B an gig keit zu beschwichtigen, die, über­ all ihm zur S e it e stehend, seine B r u s t zusammen­ drückten, und w enn er dann vergleichend w ohl ein­ m a l der Zeit gedachte, wo ihn die freundliche Gegen­ w a r t umfing wie eine G eliebte, sein H a u ste in alle seine Wünsche in sich schloß und er einfältigen und frommen Herzens seiner Kunst sich ergab und Weib und Kinder liebte ohne anderes B e g e h r, als daß morgen immer seyn möchte wie heu te, da kam ihm sein jetziges Treiben und Wesen fremd und w under­ lich v o r , gleich als hatte er sich selbst verloren, und er konnte sich oft der bittern T hrän en nicht erweh­ ren. — Ungern nahm er jetzt seinen W eg durch den B i ld e r s a a l , denn es w a r , als ob die B ild e r ihm eine Schuld vorwerfen wollten und ihre Farben wie stechende F lam m en a u f ihn eindrang en; und vor dem Werke des göttlichen R a p h a e ls , das ihn einst so erfre u t, eilte er allzeit m it niedergeschlagenen Augen vorüber. I n dieser Zeit w a r e s , daß ihm ein gewisses Lächeln an der G räfin Zofe befremdlich w u r d e , so wie die oft zornigen, oft lauernden Blicke des D ie-

i 76

Me i s t e r

Di e t r i c h .

n e r s , in dessen B egleitung er die G räfin zuerst gese­ h en , ihm manchmal zu denken gaben. D e r S o m m e r w a r v e rg an g en ; die B l ä tt e r fingen an sich bunt zu fä rben; da begab es sich, daß Meister Dietrich eines Abends im G a rte n hinter dem Hause seinen Gedanken nachhängend, sich so lange verweilte, bis es schon anfing dunkel zu w erden, und d,a er eben a u s der Laube, worin er gesessen, heraustreten w ollte, um sich a u f den Rückweg zu begeben, hörte er schnelle T ritte durch das dürre Laub herbeirauschell; nicht weit voll ihm hielten sie a n , 'und er hörte zwei S tim m e n sich leise, doch schnell und eifrig m it ein­ ander unterreden. E r konnte aber weder von dem Gespräch etw as versieben, noch in dem dunklen B o ­ gengänge die- G estatt der Sprechenden unterscheiden, t r a t daher hastig herv o r, sich näher zit unterrichten; doch ill dem Augenblick' w ar alles verstum m t, nirgend eill menschlich Wesen zu sehen, und so emsig'er auch die umliegenden Gebüsche durchsuchte, so w ar doch seine M ühe vergeblich; es regte sich nichts als der A bendwind, der die dürren B l ä tt e r von den B äu m en w a r f ; da w ard dem M a le r unheimlich zu M uthe und er eilte nach dem Hause. Als er in sein Gemach t r a t , fand er einen Zettet a u f dem Tische liegen, d a r a u f stand:

Meister

Dietrich.

177

»Der Grünrock erwartet Euch morgen früh auf dem Platze vor der Benedictiner-Abtei.« Niemand aber von der Dienerschaft wollte wissen, wie der Zettel dahin gekommen sey. Seit Kunigundens Tode hatte Meister Dietrich nichts von dem Grünrock vernommen; jetzt gedachte er dH' seines seltsamen Thuns und Treibens und sei­ ner wunderlichen Worte zu jener Zeit; er trug großes Verlangen nach einer Erklärung und beschloß sie ihm morgen ernstlich abzufordern. Die Nacht verging ihm in großer Unruhe. Aengstliche Traumbilder erschienen vor seiner Seele und mehrmals fuhr er erschrocken aus dem Schlafe in die Höhe, da ihm dann immer bauchte, ei habe ihn jemand laut bei seinem Namen gerufen. Gegen M or­ gen aber träumte ihm, er sehe Kunigunden vor seinern?Bette stehen; sie sah sehr blaß und traurig aus, und da er halb erschrocken, halb erfreut über ihren Anblick,, aufspringen wollte, fühlte er sich an allen Gliedern gelahmt und vermochte sich nicht zu rühren. Darauf fing Kunigunde an die Lippen zu bewegen und er sah, daß sie mit ihm sprach, allein er konnte keinen Laut vernehmen; sie aber gebehrdete sich immer ängstlicher und heftiger und zeigte mehrmals mit der Hand über sein Haupt hin, und da er die Augen in die Höhe schlug, gewahrte er eine riesenhafte Fanst, die hielt ein langes, breites Schwert, mit der Spitze Contess. Schrift. 3. Bd.

12

178

Meister

Di e t r i c h .

nach ihm gekehrt, und dieses S chw ert w ar ganz in B lu t getaucht, welches noch rauchte. E in ungeheures Entsetzen überfiel ih n , er wollte fliehen und konnte sich nicht rü h ren , ja er vermochte nicht ein M a l seine Augen von dem Schw erte abzuw enden, an dessen Spitze sich ein B lutstropfe sam melte, der immer größer und größer w ard und a u f sein Gesicht herab­ fallen wollte, lind so lag er und sein Herz arbeitete sich ab in immer zunehmender gräßlicher Angst. Indem aber hörte er ein leises Wehklagen und W im m ern, wie aus der Ferne h e r, und da es ihm m it großer Anstrengung gelang seine Augen nach der S e ite zu w enden, sah er Kunigunden in weiter E n t­ fernung vor sich a u f den Knieen liegend und die Handle nach ihm ausstreckend. S ie schien von den Wellen einer großen dunklen Wasserfläche getra­ gen zu w erden, die fie immer weiter und weiter von ihm nach-einem gegenüberliegenden Ufer führten, welches im G lanz der M orgensonne prangte. E r wollte sie rufen und anflehen, ihn in seiner schreck­ lichen N oth nicht zu verlassen; — da fiel der große B lu tstro p fe vom Schw erte glühend heiß a u f seine S tir n herab und darüber erwachte er. S e in Herz pochte ta u t, a u f seinem Gesichte stand kalter Schweiß und seine Zunge klebte am Gaum en. D a s M orgenroth schaute durch die Fenster, die Glocke schlug sechs. E r sprang a u f, kleidete sich an und

M e is te r

D ie tr ic h .

179

eilte aus dem Gemach, um Menschen aufzusuchen, denn ihm grauete allein. A u f der Treppe begegnete ihm die Zofe der G räfin. Kommt nur gleich m it m ir, rie f sie ihm entgegen: ich sollte Euch wecken; die G räfin w artet Eurer. — Seine Hand ergreifend zog sie ihn schnell die Treppe hinab, öffnete das Zimmer der G räfin und schob ihn hinein. W einend, m it ausgelöstem H a a r, tra t ihm die G räfin entgegen und sprach: „ I h r seyd verloren und ich m it Euch, wenn I h r nicht den M u th habt uns -u retten! D er G ra f w eiß, daß I h r von jenen P a ­ pieren heimliche Abschrift genommen h a b t; alle Um­ stände, sein ganzes Betragen lassen mich nicht zwei­ fe ln , daß er auch weiß, a u f wessen Antrieb. W as w ird E u e r, was w ird mein Loos seyn?“ Dex M a le r stand bleich und stumm und starrte sie an. S ie e rg riff seine Hand. „Schleunige Flucht,« sprach sie: „könnte vielleicht uns retten, vielleicht! Aber ich fliehe nicht. Lieber schnellen Tod von eig­ ner H a n d , als langsames Verzehren in Schand' und A rm u th ! Es bleibt uns noch ein anderes M itte t. W as denkt I h r zu th u n ? “ „B e i Euch bleiben,“ — rie f der M a te r, ihre Hand an seine B ru st drückend — „und m it Euch sterben!« D ie G räfin lächelte. „Noch sind w ir nicht so w e it, sprach sie: „noch bleibt uns eine W a h l, wenn

i go

M e iste r

Dietrich.

I h r ein Mann seyd. E r oder w Lr. Versteht Ih r mich „Um Gottes willen,“ rief der Maler voll Ent­ setzen: „wer gab Euch den Gedanken ein! Ih r wollt — Ih r verlangt von mir? — Nimmermehr!“ „Nun dann, so eile, flieh, laß mich.hülflos und rette dich, Feiger! Auf mich allein soll die Rache des Grafen fallen.“ Der Maler lief, die Hände ringend, im Gemach hin und wieder; da fiel ihm, wie ein B litz, der Gedanke an den Grünrock in die Seele, es war ihm, er wußte selber nicht warum, -als möchte jener Hülfe für ihn wissen und er wandte sich zur Gräfin und bat sie inständigst, in seiner Abwesenheit nichts zu unternehmen; er werde bald wieder zurückkehren. Damit verließ er sie schnell und eilte nach dem bestimmten O rt, wo er den Grünrock finden sollte. Als er odemlos dort anlangte, trat dieser eben in heftiger Bewegung aus dem Klosterhofe. Er sah verstört aus und in seinem ganzen Wesen war eine besondere Unruhe zu spüren. Der Mater gedachte bei seinem Anblick an Kunigundens Tod und es überlief ihn ein kalter Schauder; die gegenwärtige Noth aber unterdrückte schnell jeden Gedanken an das Vergan­ gene. Er erzählte jenem mit flüchtigen Worten alles, wie es sich begeben, und bat ihn um seinen Rath und Beistand.

Meister

Dietrich.

igi

Der Grünrock lächelte ein wenig. „ Ih r traut mir viel zu,« sprach er: „wenn Ih r vermeint/ daß Euch mein Rath zwischen dem Galgen zu Eurer Rechten und dem Verbrechen zu Eurer Linken fein säuberlich hindurch führen könne und werde. Wer in solchen Dingen Rath verlangt, dem ist nicht zu rathen. Ein Mann bedarf fremder Hülfe nicht: Thut was I h r w ollt; nur thut es ganz und schnell, so habt I h r wohl gethan. Das ist mein Rath.« — „Also auch Ih r verlangt, I h r wollt von mir« — rief der Maler. — „Ich w ill, ich verlange nichts von Euch,* unterbrach ihn jener: „Wenn ihr den Wink des Schicksals nicht selbst versteht, ich habe keinen Beruf, ihn Euch zu dollmetschen.« M it diesen Worten drehete er sich um und winkte einem Diener, der in der Ferne mit Zwei Pferden hielt und jetzt eilig herbeisprengte. „W ir haben beide keine Zeit zu verlieren,« fuhr er darauf fort: „Von dem, was ich euch sonst noch zu sagen hätte, vielleicht ein andermal. Gehabt Euch wohl!« Er setzte den Fuß in den Steigbügel, doch, als ob er plötzlich sich besänne, kehrte er sich noch einmal gegen Meister Dietrichen und sprach: „ich trage noch etwas bei m ir, was Euch gehört. W ir sehen uns sobald nicht wieder; drum nehmet es hin. Die W ir-

182

Me i s t e r Di e t r i c h .

kung ist schnell und sicher; schnell und sicher, sag' ich E u c h !c< Nachdem er dies gesagt, schwang er sich aufs P f e r d , sprengte davon und ließ M eister Dietrichen ein Fläschlein in der H and zurück, das dieser alsobald für dasselbe erkannte, welches der Grünrock einst a u f dem Jahrm arkt im Scherz für ihn gekauft und ihm aufzuheben versprochen hatte. B a l d jenem nachschauend, bald d as Flaschlein anstarrend, stand er lange gedankenlos, und konnte sich selbst nicht wiederfinden; wie ein fernes Glocken­ geläut' a ber, durch N acht und N e b e l, summten ihm die letzten W orte des Grünrocks leise vor den O h ren : die Wirkung ist schnell und sicher, schnell und sicher, sag' ich Euch! -Und so gelangte e r , ohne daß er selber w u ß te , w i e , vor des G rafen H a u s zurück. Hier fand er an der Thür die Dienerin der G r ä ­ fin seiner wartend. S i e zog ihn bei der H and in's H a u s hinein und erzählte ihm d a , unter Thränen und W eh k lagen, daß der G r a f im höchsten Zorn zu ihrer Frau gekommen sen und sie hart angefahren h ab e, doch alles in wälscher S p r a c h e , so daß sie nichts davon verstanden, und daß die G r ä fin , da seine Gebehrden immer drohender und seine Blicke immer wüthender g ew ord en , endlich in Ohnmacht gesunken s e y , und da sie ihrer Gebieterin beispringen w o lle n , habe er ihr b efehlen, sich zu entfernen,

Me i s t e r Di e t r i c h .

183

darauf selbst das Gemach verlassen, es fest verschlos­ sen und den Schlüssel zu sich gesteckt. „Auch nach Euch hat er mehrmals gefragt," fügte sie hinzu, „und mit Mienen und Gebehrden, die nichts Gutes für Euch verkünden. D reht daher nur a u f der Stelle wieder um und rettet Euch, weil es noch Zeit ist. Ich aber will mich in den Garten unter die Fenster der Gräfin schleichen, zu sehn, ob ich ihr dienen kann." — Verzweiflung ergriff des M alers Herz. Die Gräfin wollt' e r, mußt' er retten oder sterben, und ohne recht zu wissen, was er begann, eilt' er die Treppe h ipan, den Weg nach ihrem Zimmer einschlagend. S ie h e , da siel ihm , als er an der Küche vorüber lief, das wohlbekannte sil­ berne Gefäß in die Augen, welches mit dem Frühstück des G rafen, bereit ihm aufgetragen zu werden, auf dem Heerde stand. Bei dem Anblick stutzte er umvillkührlich und blieb stehen. Niemand w ar in der Küche zu schauen. Seine Blicke trafen au f das Fläschlein, das er noch in der Hand h ielt, und es läutete wieder vor seinen O h re n : »Die Wirkung ist schnell und sicher, schnell und sicher!“ und immer stärker und stärker. D a trat er. rasch, doch zitternd wie im Fieberfrost, in die Küche, öffnete das Fläsch­ lein und goß es aus in das Gefäß. Nicht anders aber, als zischte die Hölle aus dem schäumenden Trank herauf, wandte er sich voll Entsetzen, da es . geschehen

184

Me i s t e r Di e t r i c h .

w a r , und stürzte h in au s, die Treppe h in a b , aus dem Hause und so immer weiter Lief e r, allen Menscheu ausweichend, denn es w ar ihm , als las' er in allen Blicken seine T h a t , durch abgelegene S traß en und versteckte G äßlein, bis er vor's Thor hinausge­ langte ins Freie. D o rt strich e r, gebahnte Wege meidend, durch Felder und W äld er, über Berg und T h a l , im Kreise rund um die S t a d t um her, wie ein Gebannter. Wenn er seine Augen hinwendete nach ihren schwarzen M a u e rn , überfiel ihn Furcht und Schrecken und trieb ihn zur Flucht und doch wieder, wenn er die hohen Thürme nicht mehr sa h , faßte ihn unsägliche Angst und jagte ihn rückwärts nach den nahen H ü geln , daß er ihrer wiederum ansichtig würde. D e r Regen, der unablässig vom Himmel strömte, durchnäßte ihn. Keine Labung kam über seine lechzende Zunge. S o trieb er e s, bis der Abend graute. D a endlich konnte er seine 2 u a l nicht län­ ger trag e n , er wollte sie enden a u f eine oder die andere A r t , und so kehrte er entschlossenen Schrittes nach der S t a d t zurück. J e näher er dem Hause des Grafen kam, desto mehr bedünkte ihn alles fast wie ein schwerer T raum , der ihn geängstigt; ja wenn auch zuweilen mit G e­ w alt das Gefühl der Wirklichkeit verletzend hervor­ brach, so regte sich doch immer lebendiger die Hoff­ n u n g , er werde mit der Angst davon kommen, der

Me i s t e r Di e t r i c h .

185

I n h a lt des Fläschleins sey vielleicht ganz unschädlich gewesen, der Zorn des G rafen könne sich besänftigen lassen und alles sich noch zu einem leidlichen A usgang neigen. Doch als er in das H au s t r a t , w ar da große Unruhe und H in - und W iedertaufen, so daß er nicht zweifeln konnte, es sey etw as Wichtiges und Außer­ ordentliches geschehen, und da er m it klopfendem H er­ zen, ohne den M uth zu frag en , die Treppe langsam hinanstieg, rief ihn einer der D iener a n , wo er so lange verw eile; die G räfin verlange sehr nach ihm und lasse ihn überall aufsuchen. Indem sprang die Zofe der G räfin herbei und rief: »da ist er ja !" ergriff seine H and und zog ihn hastig m it sich fort. »Wie w underbar hat sich doch alles gew endet!" sprach sie im Gehen zu ihm : » Ist es nicht, a ls stundet I h r unter des Him mels besonderer O bhut, d a er den alten G rafen just so zur rechten Zeit zu sich genom m en?" D er M aler blieb stehen. »Wie sagt I h r ? " stam­ melte e r : »der G ra f — .?" » »Wie stellt I h r E uch!“ rief die D irne a u s : »W ißt I h r denn wirklich nicht, w as Ln E urer Abwesenheit hier vorgegangen ist? Wißt> I h r es wirklich noch nicht, daß der G ra f todt ist? “ D er M aler erbleichte und lehnte sich seitw ärts an die W a n d , denn seine Kniee wankten unter ihm.

186

Me i s t e r

Di e t r i c h.

»Was starrt I h r mich so a n ? « fuhr jene fort: . E r ist todt, sag' ich Euch; an einem Schtagflusse ist er gestorben, und I h r habt nichts mehr zu fürchten. Nach Adelberts Aussage überfiel ihn heut' M ittag plötzlich eine unwiderstehliche Neigung zum Schlafe; er legte sich a u f das Äuhebett und stand nicht wieder auf. Doch kommt n u r , kommt! die Gräfin wird euch alles erzählen.« E r trat allein in der Gräfin Gemach. S i e sprang au f und kam ihm entgegen; er eilte auf sie z u ; doch, als ob ein Gespenst plötzlich zwischen beide träte, blieben sie einige Schritte von einander stehen, sahen sich mit scheuen Blicken a n , beide vor einander erschreckend, und die Zunge versagte ihnen den Dienst. Endlich rangen sich aus des M alers B rust dumpf und leise die W orte: »die Wirkung ist schnell und sicher, schnell und sicher, sag' ich Euch!« D a kehrte sie sich ab von ihm , verhüllte ihr Gesicht und sprach mit Heftigkeit: »geht, geht, unser Beisammensein könnte Verdacht erwecken. Ich bitte Euch, g e h t! « — D er M aler streckte seine Arme nach ihr a u s , sie aber winkte ihm mit der H a n d , sich zu entfernen. E r sah sie lange, lange a n , feine Arme sanken — T h rä ­ nen stürzten aus seinen Augen und langsam wankte er aus dem Zimmer.

Me i s t e r

Di e t r i c h .

197

D e r schnelle Tod des G ra fen machte viel Aufse­ hen bei H ofe und in der S t a d t ; da der G r a f aber hoch in J a h r e n stand, ihn auch schon früher einmal ein Anfall vom Schlagfluß betroffen h a tte , so regte sich nirgend der geringste A rg w o h n , daß es dabei nicht ganz nach dem natürlichen Lauf der D in g e zugegangen seyn könne. D a s B eg räbn iß w ard m it großer P r a c h t vollzogen und im H ause kehrte schein­ bar alles zur alten O rd n u n g zurück. O b w o h l nun solchergestalt die Furcht allm alig au s des M a le rs Herzen wich, so wollte doch keine Ruhe darin wieder einziehen. H in und w ieder, a u f und ab trieb er sich ohne R ast umher und w äre sich selber gern entflohen. D e r G räfin G eg e n w a rt allein vermochte den bösen G eist, der ihn verfolgte, a u f Augenblicke zu beschwören, und sie w a r es lediglich, die ihn aufrecht erhielt, daß er nicht unterging in sich selbst. S e in e Leidenschaft w a r seit dem Tode des G rafen in immer heftigerer G l u t e n tb ra n n t; in dem B ew ußtseyn der Schuld schien sie, wie in einem befreundeten E lem en te, neue K ra ft zu gew innen, ja selbst eine gewisse Scheu vor der G r ä f in , welcher er seit jener Zeit sich nicht ganz erwehren konnte, gab ihr durch einen geheimen Reiz frische N a h ru n g . N u n konnte es nicht fehlen, daß mancher nach der schönen und reichen W ittw e großes V erlan gen tru g und ihr H a u s g ar bald einem Bienenstöcke zu

188

M eister

Di et r i ch.

vergleichen w a r , zu dem die Freier m it dem Honig süßer Reden und Bewerbungen von allen S eiten em­ sig herbeiflogen; und da die Gräfin an dem Treiben und Gedränge allzugroße Lust zu finden schien, ver­ mochte der M aler seinen Anmuth darüber nicht zu verbergen, sondern gab ihn durch leise K lagen, ja wohl auch durch mürrisches Bezeigen und laute V o r­ würfe zu erkennen, w orauf sie ihm Anfangs mit Lachen, dann mit freundlichem Vertrösten antw or­ tete, endlich aber m it Ernst und S to tz ihn in seine Grenzen zurückwies, ja oftmals verständlich darauf hindeutete, daß sie die H e rrin , er der Diener sey. D e r Glaube an der Gräfin Gegenliebe, die Hoff­ nung ihres Besitzes, hatten dem M aler allein den M u th zum Daseyn erhalten; so schlug ihn nun ihr jetziges Betragen gänzlich zu Boden. Wie eine öde Wüste voll S o n n e n b ra n d , dehnte sich nun weitge­ streckt das Leben vor ihm aus und nirgend bot ein B a u m ihm Labung oder S c h a tte n ; hinter ihm aber, weit hinter ihm lag ein freundliches Land m it grü­ nenden Gebüschen und frischen Quellen, und wie der W ind von dort herüberstrich, bracht' er ihm fröhliche Weisen aus seiner Jugend mit. Doch überall, wenn er sich rückwärts wandte voll schmerzlicher Sehnsucht, t r a t ihm der Racheengel mit flammendem Schwerte entgegen und trieb ihn drohend wieder hinaus in den glühenden S a n d und immer weiter einem ungeheuren

Mei st er Di et r i ch.

139

Abgrunde zu, der in der Ferne dampfend und Losend sich für ihn öffnete. Zurückgezogen in sein stilles Gemach, verbrachte er jetzo, meist einsam, seine Z eit, und da saß er oft halbe Tage in dumpfem Sinnen, die Augen starr auf einen Fleck gerichtet. Es war aber nur ein Gedanke in seinem Geiste und mit wachsender Qual kehrte derselbe immer zu ihm zurück. Wie ein thörjger Kaufmann, der in Hoffnung unermeßlichen Gewinn's all' sein Hab und Gut an einen schlechten Handel gesetzt, hatte er seines Lebens Glück und seiner Seele Heil der Gräfin dargebracht und nichts dafür gewonnen als einen Augenblick tauschender Hoffnung und eine ganze Zukunft voll Elend und Reue. I n dieser Zeit wurde ihm gemeldet, daß sein Söhnlein sehr krank sey und seiner Frauen Schwe­ ster lbat ihn, sie zu besuchen. Doch mit düsterm Blick entgegnete er: „wohl ihm, wenn ihn ein frü­ her Tod vom Leben rettet! Ich mag die armen Kinder nicht sehen, die ich um ihre Mutter gebracht habe.« Zuweilen aber, wie einen durch dunkle Nacht Irrenden das Verlangen nach der Sonne Strahl, ergriff ihn die Sehnsucht nach dem Anblick der Grä­ fin ; die Hoffnung regte sich wieder in ihm, seine Einsamkeit wurde ihm zur Marter und er ging hin,

i9o

M e i s t e r Di e t r i c h .

sie aufzusuchen. Allein obwohl sie sich ihm stets freundlich erzeigte, wenn er seine Klagen schweigen ließ: diese Freundlichkeit zerriß ihm dennoch das H erz, und da er überdieß sie selten allein, sondern meist von fröhlicher Gesellschaft umgeben, tr a f , so kehrte er .allezeit mit getäuschter Hoffnung und desto bitterer H u a t Ln seine Abgeschiedenheit zurück. S e in Schicksal trieb ihn immer naher nach dem Abgrund und die Zeit w ar d a , wo es mit ihm enden sollte. An einem Abend, da er lange vor dem Gemach der Gräfin gestanden, wagte er es, kein Geräusch darin vernehmend, die T h ü r leise aufzumachen und tra t hinein. Die Gräfin hatte ein Fenster geöffnet und stand davor. B ei seinem E in tritt kehrte sie sich rasch u m , und da sie ihn erblickte, sprach sie unw il­ lig: „was wollt I h r , was begehrt I h r hier zu dieser S t u n d e ?« E r vermochte nicht zu antw orten, sondern stürzte zu ihren Füßen, in Thränen ausbrechend, und umschlang ihre Kniee. Entrüstet wollte sie sich von ihm losmachen, er aber hielt sie nur fester und stammelte: „Gebt mir den Tod! Ich kann das Le­ ben ohne Euch nicht länger tra g e n !“ — „Ich verstehe Euch nicht,« entgegnete sie kalt. „W as verlangt I h r denn eigentlich von um-'?« — D a anstrickten sich seine A rm e, er schlug die Hände vor das Gesicht und rief: „o G o t t , das könnt I h r fragen ? Barmherzig-

Me i s t e r

Di e t r i c h.

191

keit verlange ich von Euch, Barmherzigkeit, damit ich nicht verzweifle! Den Lohn verlange ich von Euch, den I h r mir verheißen, uut den ich mir den Himmel verscherzt, die Hölle erworben habe !« S ie reichte ihm die Hand. » S te h t a u f!“ sprach sie: » I h r seyd krank. Ich will Euch wohl, und habe lange daran gedacht, wie ich Eure Liebe und Treue gegen mich belohnen möchte. S o wie I h r seyd, dürft I h r nicht langer bleiben, das fühlt I h r selbst; und so möcht' ich Euch rathen, eine vo rteilh afte S telle anzunehmen, die ich Euch bei unserm Ge­ sandten am kaiserlichen Hofe verschafft habe.« D er M aler sprang auf und starrte sie lange a n . — »D as also Eure M e inu ng? Entfernen wollt I h r mich von E u ch ?« »Nothwendigkeit!« »D as also ist mein Lohn, daß ich ein ganzes Le­ ben voll Unschuld, Glück und Frieden Euch geopfert? das ist der P r e i s , um den ich zum Betrüger und M örder w a rd ? um den ich mein armes Weib in G ram und Tod gestoßen!« » I h r vergebt Euch, Meister Dietrich,« unter­ brach ihn die Gräfin mit stolzem Tone. »Was I h r gethan, thatet I h r um Euretwillen. M ir brachte des Grafen längeres Leben höchstens Verbannung in ein Kloster, Euch aber den Galgen. Gute Nacht!« E r faßte ihre H an d, sie zurückhaltend. »Um G ot-

192

Meister

Di et r i ch.

U i Barmherzigkeit,« rief er w ild : »laßt mich nicht also von Euch gehn!« — Sie aber riß sich los, ergriff die Klingel und schellte. »Leuchte dem Meister zu B e tt; er ist krank« — sprach sie zu der eintreten­ den Zofe und eilte in's Nebenzimmer. S tarr und betäubt stand der Maler, ihr nachschauend. Die Dirne ergriff ihn mitleidig bei der Hand und sagte leise: »man spielt ein schlechtes Spiel mit Euch; ich weiß es wohl« — und so geleitete sie ihn, der willig folgte, aus dem Gemach. Doch draußen, wie von einem Traum erwachend, schaute er sich befremdet um, sprach dann leise für sich: »gute Nacht!« und langsam die Treppe hinab­ steigend verließ er das Haus. Er mochte lange durch die Straßen geirrt seyn, als er sich endlich, zur Besinnung kommend, auf einem Kirchhofe fand, wo er vor Ermattung an einem Grabe niedergesunken war. Der Wind heulte durch die Lucken des Kirchthurms; aus einem Fenster der Kirche warf eine Lampe ihren Schein herüber. Der Maler richtete sich auf; es fing ihm alles an bekannt zu werden; seine Augen fielen auf das Kreuz über dem Hügel, wo er saß: er hub an zu lesen; bestürzt sprang er empor und trat naher; hel­ ler und heller schien die Lampe in der Kirche aufzu­ flackern; er las weiter, und mit einem Schrei des Schmerzes stürzte er sich wieder auf den Hügei.

Me i s t e r

Di e t r i c h .

193

E s w ar Kunigundens G rab. Seine Arme umfaßten das Grab und feine Hände griffen krampfhaft in die G rd e , als wollte er sich hinunter graben zu ih r , die da unten schlief. — S o lag er lange, und wie er endlich sein Gesicht erhob, richtete er es empor zum Himmel und wollte beten, aber seine Gedanken ver­ wirrten sich; es war ihm, als ob durch die schwarzen Wolken, die sich über seinem Haupte zusammenballten, seine Worte zum V ater nicht hinauf dringen könnten, und da seine -Blicke wieder nach der Erde sanken, sah er einen riesenhaften Schatten an der M a u e r weg über die G räber au f sich zuschreiten, und plötzlich erschallte eine S tim m e hinter ihm: » H eda, Gesell, was treibst du d a ? Laß die Todten schlafen.« — Und da er sich umkehrte, siehe, da erkannte er den Diener der Gräfin. »Unseliges M eistertein,«— fuhr dieser f o r t, — »bis hieher hat dich die Liebesqual getrieben? Mach' es wie ich, trink' W ein! der spühlt den G ram aus dem Herzen und alle S ü n d e n aus dem Gewissen weg. Komm mit und laß die Todten ruhen. Ich sage d ir, sie schlafen nicht so fest, wenn sie der Rechte ruft.« E r setzte sich a uf das Ä rab und zog den M aler neben sich. »H at man nicht oft gehört, daß Ermordete aus den Gräbern, gegangen und ihren Mördern erschienen sind? Ein alter Mönch sagte mir einm al, wenn Contess. Schrift. 3« Bd.

13

194

Mei st er

Di et r i ch.

man um Mitternacht sein Ohr an das Grab eines unnatürlichen Todes Verstorbenen lege, so lasse sich ein seltsames Geräusch und Gepolter darin verneh­ men/' — Auf dem Kirchthurm schlug es eben zwölf. Der Maler horchte auf. »Hört, hört," rief der andere, — „hier unter uns! habt Ih r nichts gehört?« Der Maler sprang voll Entsetzen auf. — »Beinah' kommt mir ein Grausen an," sprach jener weiter: »in diesem Gebeingartlein, wo es scheint, als woll­ ten die Gräber ihre Keime an's Licht treiben, wie Tulpenzwiebeln im Frühjahr. Wär' nicht des Weines guter Geist in mir, ich fürchtete mich vor dem Bösen und hatte meinen Weg nicht hierdurch genommen." — Er neigte sich gegen das Ohr des M alers: »ich will's Euch sagen; es liegt mir auch einer hier, dem ich ein wenig früher zur Seligkeit geholfen. Dort drü­ ben, schaut, dort liegt er! — Ich sehe nicht gern hin. Kommt! mir klebt die Junge an dem Gaumen. W ir wollen noch eins trinken." — Er faßte des M a­ lers Arm und zog ihn mit sich. An einem Grabmal, welches weiß durch die Nacht schimmerte, blieb er stehen und sprach: »das ist unseres Grafen Ruhestätte. Ich möchte wohl einmal um Mitternacht daran horchen, der liegt auch gewiß nicht still." — Darauf riß er den Maler weiter fort, der ihm in halber Be­ täubung folgte. Sie traten in ein Haus, auß dem

Me i s t e r

Di e t r i ch.

ihnen der Gesang lustiger Zechbrüder entgegenschallte. Die Stube war voll Lärm und Gedrang. Unter dem Haufen saßen einige Soldaten , die den ander» wacker zuzutrinken schienen. Sie sangen: Frisch auf Und stoßt die Vecher an! Der Mann, der trinkt, das ist ein Mann, ist reich, ein freier Fürst, und sein ist Welt und Himmel obendrein. Der Maler setzte sich in einen Winket; sein Gefährte brachte ihm Wein. »Auf's Wohlseyn aller Todten!« rief er. Ein verzehrender Durst brannte in des Ma­ lers Innerem; er trank Ln langen Zügen/ »Auf das Verderben aller buhlerischen Weiber, die schöne Grä­ fin nicht ausgeschlossen !« rief der andere von neuem und brachte es dem Mater. Der Mater starrte ihn an und wies den Becher zurück. »Armer T r o p f/ sprach jener: »du willst nicht aufs Verderben eines Weibes trinken, die dich ver­ dirbt? die wie ein unnütz gewordenes Werkzeug dich wegwirft oder zerbricht, wenn du nicht mehr für ihre Pläne taugst ? — Die einer Harpye gleich an deinem Leben saugt, bis sie es um alle Freuden, um Muth und Kraft gebracht, Und Wahnsinn oder Selbstmord es enden? — Was du ihr warst, bin ich ihr auch gewesen, und was du bist, das war ich auch: ein N arr, wie du! Es gab eine Zeit, wo ich um

i g6

Me i s t e r

Di e t r i c h .

einen freundlichen Blick von ihr meinen V ater umgebracht ha tte , wo ihr Handedruck mich zum V er­ brechen trieb, wie dich. Verfluchter Vmrr ! " — E r schlug sich mit der Faust vor die S t i r n . — „ T rin k ! D er Heuchlerin V erderben! W ir sind beide betrogen und haben, wie armselige F röhner, um einen schlech­ ten Lohn nur eines Andern Vortheil gedient. Ein Frem dling, der hier im Finstern schleicht, ein S pion des Kaisers, wenn mich nicht alles trü g t, für den sie ihr Vaterland und ihren M a n n verrathen, der schwelgt, mein Meisterlein, an der reichen Tafel, wo du das Zusehen haft. Geh nur nach H a u s ; du fin­ dest ihn bei ihr." D er M aler sprang a u f , seine Augen rollten, seine Hände ballten sich. D er Andre lachte: „H at dich das aufgeweckt? Mich kümmert's nicht mehr. Ich hab' mein vergangenes Leben von mir geworfen, wie ein altes Kleid und mir ein neues zugeschnitten. D e r wackre M ansfeld laßt jetzt w erben; ich ziehe mit. E s lebe die Freiheit! — B ist du klug, so folge mir. Doch willst du nicht, so gehe hin und rache dich und mich!a D er M aler ergriff seine Hand , drückte sie heftig und stürzte aus dem Zimmer. D ie Soldaten sangen: D ie W elt ist eitel Lumperei, häng' dich an nichts, so bist du frei.

Meister

Dietrich.

197

Gewiß ist jeglichem der Tod, drum mach' das Leben dir nicht Noth. D as H au s der G räfin w ar offen. D er M aler wankte die Treppe hinan. Alles still. E r schlich m it leisen T ritten nach der G räfin Schlafgemach. H alb­ laute S tim m en ließen sich darin vernehmen. S ein B lu t kochte. E r legte das Auge an das Schlüssel­ loch. A uf einem Ruhebette saß dieG rä fin , neben ihr ein M an n in reicher K leidung, den Rücken nach ihm gekehrt, der sie um faßt hielt. I h r Arm w ar um seinen H als gejchlungen. Indem w andte der Fremde sein Gesicht; der M aler taum elte zurück: es w ar der Grünrock. Eine H ölle erwachte in seiner B ru st. W ahnsinn umnebelte seine S in n e. M it einem F u ß tritt sprengte er die T h ü r und drang in das Zimmer. A uf dem Tische lag das S chw ert seines F ein d es; er ergriff es, riß es au s der Scheide und stürzte in blinder W uth a u f jenen los. Laut schreiend w arf die G räfin sich zwischen beide: der S ta h l fuhr in ihre B r u s t; sie sank zu B oden. Aus dem Nebenzimmer sprang die Zofe herbei und erfüllte, bei dem entsetzlichen Anblick, das ganze H au s m it ihrem Geschrei. D er Grünrock w ar verschwunden. B ew egungslos stand der M ater und starrte die W unde a n , die seine H and geschlagen und wie das strömende B f a t die weißen Lilien des B usens befleckte. — D ie D ienerschaft eilte herbei.

198

Meister

Di e t r i c h .

Ruhig ließ er sich entwaffnen, ruhig nach dem Ge­ fängniß führen, und als er am Morgen zum Verhör gebracht w urde, gestand er willig und ohne sie zu m ildern, seine T h a t , ja er gestand auch ohne B efra­ gen, daß er den Tod des Grafen verschuldet. S o konnte nun sein Urtheil nicht lange ausblei­ ben. E s fiel dahin, daß er a u s besonderer Gnade durch das Schwert vom Leben zum Tode gebracht werden solle, und da es ihm borgetesen w a r , faltete er die Hände über die B ru st und schlug die Augen zum Himmel empor, dankte darauf seinen Richtern und ging festen Schrittes und heitern Angesichts nach seinem Gefängnisse zurück. V o n diesem Augenblick w ar er in seinem inner­ sten Wesen verwandelt. D ie schwere Blutschuld, die ihn lange in rastloser Q u a l umhergetrieben, w ard nun gebüßt und er mit G o tt versöhnt und mit sich selbst. I n die Nacht seines Lebens brach von jenseit ein freundliches Morgenroth herein und er sehnte sich hinüber nach dem schönen Tage. Und wie er nun freudig dem Augenblick entgegen sah, wo seine Seele des Leibes Fesseln von sich werfen sollte und Ruhe und Heiterkeit wieder in sein Gemüth zurückkehrten, so erwachte auch der Gedanke an das Gemälde in der Kirche, an dem er einst mit so vieler Liebe gehangen, mit aller Klarheit und G ew alt wie­ derum in ih m ; es schmerzte ih n , daß er es unvol-

Me i s t e r

Di et ri ch.

199

lendet lassen sollte, und er bat seine Richter, daß sie ihm vergönnen möchten, es zu vollenden. E s ward ihm zugestanden; und so w ar er denn vom frühen M o rg e n , bis die S on n e unterging, mit Lust und Fleiß dabei. E s ging ihm mit ungewohnter Fertig­ keit von der Hand und alles glückte ihm wunderbar und ward zu seinem eigenen Erstaunen schöner noch, als es in seiner Seele vor ihm gestanden hatte. Nachdem er nun acht Tage lang mit unablässiger Anstrengung daran gearbeitet, so daß er kaum seinem Leibe die nöthige N ahrung gönnte, that er an einem Nachmittage den letzten Strich d a ran , stellte sich dann davor und schaute es lange an und seine Au­ gen füllten sich mit T hränen ; dann knieete er an des Altars S tu fe n nieder, und als er wohl eine V ie r­ telstunde im Gebet verweilt, erhob er sich, und ließ sich nach dem Rathhause bringen, tra t vor seine Richter, die da versammelt w a ren , legte Pinsel und Palette au f den Tisch vor ihnen und sprach: »es ist vollendet!" D a ra u f bat e r, es nicht länger zu ver­ schieben, daß ihm sein Recht angethan werde, und da der andere Tag dazu bestimmt worden, ging er nach seinem G ew ahrsam , ließ seine Kinder zu sich kommen, letzte sich mit ihnen und spielte mit dem Knaben, bis es Abend ward. D a küßte ed sie und segnete sie, empfahl sie nochmals der Pflege und O b h u t seiner S chw ägerin, und da diese in Klagen

200

Meister

Di et r i ch.

und Thränen ausbrach, sprach e r : »was weinst du um mich? M ir ist wohl. Morgen werde ich bei un­ serer Kunigunde seyn." D a n n verlangte e r , daß sie heim gingen, denn er sehnte sich nach dem Schlafe. Doch eben als er sich zur Ruhe legen wollte, öff­ nete sich die T h ü r seines Kerkers noch ein M al. Ein Äapu-inermönch tra t herein und bot ihm guten Abend. Die Stim m e schien ihm bekannt; da w a rf der Mönch d,ie Kapuze zurück, zog den falschen B a r t vom Gesicht und der M aler erkannte den Grünrock'. — „ I h r hat­ tet es mir schlecht zugedacht," hub dieser a n : ,,und doch will ich Euch wohl. Ich hab' Euch immer wohl gewollt, allein I h r habt mich nie verstanden. Ich komme Euch zu retten. Zieht Euch schnell an und folgt m ir ; die Thüren stehen uns offen. Ich bringe Euch in Sicherheit." — D er M aler aber wandte sich von ihm , setzte sich a u f sein B e tt und winkte ihm mit der H a n d , zu gehen, und so viel auch jener re­ dete, ihn zu bewegen, so blieb er dennoch stumm und sah ihn nicht mehr an. D a verstummte der Grünrock ebenfalls, tra t zu ih m , küßte ihn au f die S t i r n und ihm die Hand reichend: „ G u te Nacht denn für die E w igkeit!" sprach er und entfernte sich langsam. D er M aler aber überließ sich ohne Reue und ohne Verlangen dem Schlafe, der ihn sanft in seine Arme schloß. Und es mochte gegen Morgen seyn, da träumte

Meister

Dietrich.

201

ihm, er sey auf der Reise. Der Weg, auf dem er wandelte, ging durch ein angeneh)nes Wiesenthal an einem stillen Bächlein hin. Auf einmal fiel ihm seit­ wärts, hoch auf den Bergen, ein prächtiges Gebäude in die Augen, dessen Dach wie Gold in der Abend­ sonne glänzte, und es ergriff ihn eine große Begier­ de es näher zu betrachten; auch, dachte er, müsse es ihn schneller zu seinem Ziele führen, wenn er gradezu die Berge übersteige, schlug daher den nächsten Seitenweg ein und gelangte bald in ein That von hohen Felsen rings umschlossen. Es wurde Nacht; die Felsen rückten immer näher zusammen. Endlich stand er vor einer ungeheuren Bergwand; der Pfad, auf welchem er gekommen, war verschwunden und nirgend sah er einen Ausweg. Und als er nun ängst­ lich suchend hin und wieder lief, trat ihn ein Mann von fremdem Aussetzn und hohen Zügen an und sagte: „ D u suchst vergeblich; warum hast du deinen rechten Weg verlassen? Doch ich, dein Freund und Kunstgenosse, w ill mic^ dein erbarmen." Indem er also sprach, stieß er' mit einem kleinen glatten Stäbchen an verschiedenen Stellen in die Erde, und wo er hinstieß, schlüpfte ein leichter Nebel aus der Erde, der immer dichter ward und sich aufwärts zog und in mancherlei beflügelte Gestatten bildete, die endlich wie von einem inneren Lichte anfingen zu leuchten, sich bewegten und in die Höhe stiegen. Wie sie dem Him-

aoa

Meister

Di e t r i c h .

mel naher kam en, öffneten sich die Wolken über ih­ n e n , eine unbeschreibliche K larheit drang daraus her­ v o r, die Wolken senkten sich zur Erde nieder, als wollte der Him mel die Erde um arm en, und der M a ­ ler fühlte sich m it seinem G efährten in die Höhe ge­ hoben und schwebte in der G lorie aufw ärts. D a e r­ schien oben, sie zu em pfangen, eine weibliche G estatt, gleich der Heiligen a u f dem B ilde in der Kirche. D er alte M eister sprach: „ d a s ist die, welche du, wie mich, verherrlicht und wieder zu Ehren gebracht h ast." — Und da der M aler nochmals hinschaute, sah er noch eine andre an ih rer S e ite , und siehe! er erkannte K unigunden, die ihm freundlich zulächelte und ihre Arme ihttt entgegenstreckte. D a ward aber der G la n z , der sie umgab , so über alle M aßen mäch­ tig , daß seine Augen ihn nicht^ertragen konnten, und indem er eben nach seinem M an tel greifen wollte, ihn vor das Gesicht zu hatten —- da erwachte er. V o r seinem B ette stand, die Lampe in der H and, der G efängnißw ärter, hinter ihm ein Mönch aus dein B enedictiner - K loster, den .er wohl kannte und der gekommen w a r, ihn a u f seinem letzten Wege zu be­ gleiten. W ie neugeboren sprang .er von seinem Lager, um arm te freudig den M önch, kleidete sich an und kniete dann m it demselben hin, zu beten. — Als sie ihn abzuho­ len kamen, faßte-er seines B eg leiters H and und tra t m it festem S c h ritt den sauren G ang an. E s w ar ein neblicher

Meister

Dietrich.

aog

M o r g e n ; doch als sie vor das Thor gelangten, zer­ theilte sich der Nebel und die aufgehende Son ne stand in prangender Klarheit über der Herbstflur. D a fal­ tete der M aler die Hände und rief: „ d as ist ein guLes Zeichen!" Und so kamen sie zur S tä tte . Ruhig w a rf der M aler das Oberkleid a b , entblößte seinen H a l s , sendete dann noch einen Blick über die ver­ sammelte Menge nach der S t a d t h in , dann nach der S o n n e , setzte sich dann schnell, sich selbst die Augen verbindend, au f den Seffel, und ein rascher Streich vereinigte ihn mit Kunigunden. Zu seinem Bilde in der Kirche zogen lange Zeit die Neugierigen herbei aus weiter Ferne, wohin der R u f gedrungen w a r , und wer vor diesem Altar mit ernster Andacht betete, ging allzeit wunderbar ge­ stärkt von dannen.

I ch b i n

mein

Bruder-

Lustspiel in e i n e m Aufzuge. I 8 o 9-

Personen.

Albert. C a r o l i n e , seine F rau. S o p h i e , seine Nichte. S i r i l l o. Heimfeld.

An me r k . Skrillo, trägt in der ersten Scene eine gepuderte Perücke, von der achten Scene an eine schwarze, die natürliches H aar vorstellt, und .einen Rock von der­ selben Farbe wie Heimseld.

Er st e

Scene.

Das Theater stellt einen Saal vor, mit zwei Mittelthüren und einer Seitenthüre. Im Vordergründe stehe« zwei behangene Tische einander gegenüber.

A l b e r t , S i r i l l o (in Reisekleidern, sitzen an einem Tische, aus welchem ein paar Flaschen stehn, und trinken.) A l b e r t . Roch ein Gläschen, alter Freund, zum Abschiede! S i r i t t o . Noch eins. Dann aber ist es Aeit aufzubrechen; mein Pferd steht schon vor deiner Thüre. Ich wollte meine kleine Braut nur noch ein­ mal sehen, und du und die guten Freunde da auf dem Tische, ihr habt mich so lange aufgehalten. A l b e r t . E i was! ein trockner Abschied taugt nichts! Thränen oder Wein! Die Thränen für junge Verliebte, der Wein für alte Freunde. — Noch ein G la s! Herbsiluft verträgt etwas. W ir trinken ja, doch sobald nicht wieder mit einander. — Vier Wochen denkst du wegzubleiben?

208

2 ch

bin mein B ru d e r .

S i r i l l o . Drei ober vier, je nachdem mein Geschäft mich loslaßt. Ich werde nicht säumen, alter Freund; denn es bleibt dabei, wenn ich zurück­ komme — ? A lb er t. Wird meine Nichte deine Frau, oder ich zahle 3000 Thaler. Es bleibt dabei; du hast ja meine Verschreibung in Händen; und wenn auch Einwendungen dagegen gemacht würden, denn ohne Einwendungen thun die Weiber nun einmal nichts. Ich bin aber, Gott sey Dank, Herr in meinem Hause. S i r i l l o . Noch Etwas. Mein Bruder hat mir geschrieben, daß er zu meiner Hochzeit kommen will; allein er weiß nichts von dieser Reise, die sich mir so ungelegen aufdringt; es könnte daher seyn, daß er wahrend meiner Abwesenheit käme. — Al ber t. Nun dann wohnt er indessen bet mir. S i r i l . l v . Ja, das wäre mir lieb. In meinem Hause zwar-----A l b e r t. Nein, nein, er wohnt bei mir. Hin­ terlasse nur Befehl, daß. man ihn sogleich hieher weißt. S i r i l l o . Ich habe den wunderlichen Menschen seit einigen Jahren nicht gesehn, denn es war eine kleine Spannung zwischen uns; nun hat er den ersten Schritt zur Aussöhnung gethan.

I ch b i n mei n B r u d e r . A l b e r t . Das ist brav. S i r i l l o . Wenn aber der Herr Bruder seiner Zunge nicht Zaum und Gebiß anlegt, so wird der Friede nicht lange dauern. A l b e r t . Wie so? S i r i l l o . E i, es war von jeher seine A rt, alle Leute zu meistern, und da schreibt er mir schon wie­ der in seinem letzten Briefe, ich möchte doch die Hochzeit noch ein paar Wochen aufschieben, dann könnte ich sie zugleich mit meinem Zisten Geburtstage feiern. Solche einfältige Reden verdrießen mich. (Er trinkt.) Was w ill denn der Herr Bruder! Was? Is t man denn im zisten Jahre etwa zu alt zum Heirathen? Wie? A l b e r t . Dumme Reden, Herr Bruder! wenn er kommt, so soll er an meinem Beispiele sehen, daß das dumme Reden sind. Ich lief auch schon nahe an den Vierzigen herum, als ich mich noch 'zu dem Salto m o r t a le ins Ehebette entschloß, und ob ich gleich noch einmal so alt bin als meine Frau, so mußt du doch gestehn, daß ich nicht Ursache hcvbe, den Sprung zu bereuen. — Man muß aber auch seine Frau so zu ziehen verstehen, wie ich. S i r i l l o . Ach was! das denke ich eben so gut zu verstehen, und mit Gunst, - mein lieber Freund, es ist mir doch manchmal vorgekommen, als ob sich Contess. S c h rift. 3» V d .

14

210

2 ch b i n m e i n B r u d e r .

der K lip p -K lap p Ln deinem Hause ganz leise ver­ nehmen ließe. — Ich kenne die W e ib e r! h o , ich kenne sie! W a s willst du wetten, ich ziehe meine Frau bester als d u ? A l b e r t . H a tt , Freundchens Laß mir das W et­ ten w eg, sonst geschieht es schon darum nicht. D u bist nun einmal unglücklich im Wetten. H a ha h a ! G i r i t l o . O Herzchen, bilde dir nicht zu viel darau f ein, daß du unsere letzte Wette gewonnen hast. D ein P la n w ar doch schlecht angelegt, und es w ar mehr Gefälligkeit von mir — A l b e r t . P a h ! p a h ! es w ar keine Gefälligkeit. Zum Henker, nein! Besinne dich nur. W ir hatten gewettet — S i r i l l o . R u n j a , wir hatten gewettet, wer den andern am meisten überraschen würde — A l b e r t . Und ich überraschte dich, ha ha h a ! ich überraschte dich, daß dir die Augen übergingen. ' S i r i l l o . Mein lieber H err A lbert, S ie über­ raschten mich ganz und g a r nicht, aber ich wollte Ih n en den S p a ß nicht verderben. S o gar leicht fangt man mich nicht! A l b e r t . Kleinigkeit, mein lieber Herr Sirillo, Kleinigkeit! S i r i l l o . Ju n i Henker nein, mein lieber^ Herr

Ich

hin m e i n B r u d e r .

A lbert, nicht Kleinigkeit. Ic h bin den Augenblick bereit, dieselbe W ette noch einm al einzugehen, und w ir werden dann sehen, ob es Kleinigkeit ist. A l b e r t . D u verlierst sie noch e i n m a l , werthgeschatztes L a m m ! S i r i t l o . Werthgeschätztes L a m m , das sott sich -eigen. Ic h bestehe jetzt d a r a u f , daß die alte W ette erneuert w ird. A l b e r t . T h u e es nichtl D u bereust es. S i r i l l o . N e i n , schlechterdings, ich bestehe d a r­ a u f , und wette obendrein, daß du sie verlierst. A l b e r t . N u n , w enn du nicht anders w illst! Ic h kann m ir's gefallen lasten. Doch dam it du stehst, wie gewiß ich b in , daß du gegen mich m it keiner List aufkom m st, so wette ich, daß ich dir sogar in d e m A u g e n b l i c k e , wo du mich überraschen w illst, m it einer noch großem Ueberraschung zuvorkomme. S i r i l t o . H a ha h a! H e rr A lb ert, S i e sind kühn ! Aber es sey angenom m en, um dich zu bestra­ fen. Und der P r e i s — ? A l b e r t . W a r t e , ich hole D in te und Fedev. W i r wollen gleich alle B ed ing ungen niederschreiben, d am it hernach keine Ausflüchte statt finden. S i r i l l o . W o h l , w o h l, das thue. ( A lb e rt geht a b .)

Ich i in mein BruLex.

Zwei te

Sc e n e .

S i r i t l o (allein.) Halt! da ist mir ebe» eie herrlicher Gedanke durch den Kopf gefahren; — (Er hebt sein Glas empor.) Du sollst leben, du Gedan­ kenvater ! Du Poet! — Wenn ich nun meine Reise noch einen Tag heimlich aufschöbe, und, während man mich weit entfernt glaubt, hier im Hause mei­ nen Bxuder spielte — Wie? — Es könnte mir dann an Gelegenheit zur Ueberraschung auf keine Weise fehlen. — Ho, S irillo, der Gedanke ist gut! Ver­ änderte Kleidung, veränderte Sprache, eine andre Perücke, Schminke und Pinsel ein Bischen zu Hülfe genommen — es muß gehen! — Warten Sie, war­ ten Sie, .werther Freund, Sie sollen mir Ihren Hochmuth bezahlen! Ich fange Sie. — Nebenbei, s irillo , haben wir noch den Vortheil, unsre Braut in ihrem häuslichen Thun und Lassen zu beobachten, wenn sie die Brautseite nicht herausgekehrt hat. Das ist ein Vortheil, den nicht jeder Bräutigam hat, und um den mich mancher Ehemann beneiden möchte.

2 ch bin mein B ruder.

d

r

i

t

t

e

Al bert.

( S c e n e *

Sirillo.

A l b e r t . Nun- da! Setze dich. deine Niederlage festsetzen. Sirilto. Al b e r t . Sirilto.

Wiv wolle*

Das wäre leicht möglich. Aha, kommt schon die Reue? O nein, schreibe nur \

A l b e r t , (schreibt und spricht zugleich.) Endesun­ terzeichnete sind mit einander dahin übereingekommen, wechselseitig einen Preis von (Laut.) einen Preis von — ? S irillo.

Von 20 Louisd'or.

A l b e r t . Nun, ich bin's zufrieden. (Schreibt.) Preis von Lo Louisd'or auszusetzen, welche demjeni­ gen von ihnen, dem es gelingen wird, dem andern die größte Ueberraschung zuzubereiten, von diesem letztem ausgezahlt werden sollen, und zwar macht sich Unterzeichneter Albert noch besonders verbindlich, Unterzeichnetem Sirillo im Augenbl i cke selbst sei­ ner pratendirten Ueberraschung mit einer noch großem -«vorzukommen, widrigenfalls er sich für überwunden

Ich bin mein Bruder . erkennen will. Die Frist, innerhalb welcher jeder seinen Plan auszuführen hat, soll seyn — ? S i r i l l o . Um meiner Reise willen muffen wir doch wenigstens 5 Wochen setzen. A l b e r t (schreibt) Soll seyn, Z Wochen von heut' an gerechnet. (E r liest es ihm vor.) — So, da unterschreib. Ha ha ha! die 2o Louisd'or sollen gut schmecken. (Nimmt sein Glas.) — Viel Glück, Herr S irillo ! S i r i l l o . Viel Glück und viel Verstand, mein Herr Albert! (Trinkt: sie stoßen an und fangen beide an zu lachen.)

Vierte Caroline.

Scene.

Sophi e.

Vorige.

C a r o l i n e . E i, ei ! was hat denn die Herren so guter Laune gemacht*? A l b e r t . Seht da, Kinder! Ih r kommt eben recht. Ih r müßt Euch als Jeugen unterschreiben. W ir haben eine Wette gemacht, die ich gewinnen werde.

2 ch b i n m ein B r u d e r .

215

S i r L l l o . Die er verlieren wird. A lb e r t. Er w ill mich überraschen. S i r i l l o . Und ich werde ihn überraschen! C a r o lin e . So erzähle doch, was habt Ih r denn gewettet? A lb e r t . Da komm her; lies, lies. ( E r giebt ihr das Papier.)

S i r i l l o , (zu Sophien.) So ist mir denn end­ lich meine Sonne aufgegangen. Ich habe lange gehofft und geharrt. S o p h i e . Das thut mir leid, ttebrigens ist der Himmel heut recht trübe, Herr S irillo . W ir werden Regen kriegen. S i r i l l o . Thut nichts, mein kleines Brautchen. Von außen trübe, aber von innen die Liebe, und die halt warm, trotz dem besten Mantel. A l b e r t , (zu seiner Frau.) Nun unterschreib dich als Zeugin. S o p h i e , (zu Sirillo.) -Wann reisen Sie denn? S i r i l l o . Diesen Augenblick. Ich wollte mei­ ner Braut nur noch ein Lebewohl sagen. Das thue ich nuir hiemir zärtlichst und säume nicht langer. Je eher fo rt, je eher wieder. — (Zu Albert.) — Lieber Freund, eö ist die höchste Zeit. Ich gehe. Lebe

216

Ich bin

mein B ru d er.

w ohl! — (Z u Carolinen.) — U nterthanigster! — (Au Sophien.) — Liebes Engelchen, in drei oder vier Wochen sehen w ir uns w ieder, so G o tt will. S o p h i e , (m it einem Seufzer.) Ach ja! S i r i t l o , (ih r die Hand küssend.) Lassen S ie Sich die Zeit nicht lang werden. S o p h i e . Ach nein T S i r i l t o . Empfehle mich nochmals allerseits. — (G eh t noch einmal zu Sophien.) — Und hören S i e , liebes H ühnchen, denken S ie ein wenig an mich. S o p h i e . Ach ja! S i r i l l o. Empfehle mich, empfehle mich. — ( I m Abgehen -u A lbert.) — W erther H err B rud er, es ist mir beinahe, als w ären meine B eine etw as dubiös! H a ha ha! — (Sich noch einmal umwendend.) — Empfehle m ich, empfehle m ich! A l b e r t . Theures Leben, fast ist itur's auch so! D ie W ette ist uns in den Kopf gestiegen. (Gehn lachend ab.)

Ich b i n mein B r u d e r .

Fü n f t e

217

Scene.

Caroline. Sophie. S o p h i e . O , wenn er doch nie wieder käme! C a r o l i n e . De r arme M an n ! Ich glaube, dü w arst es zufrieden, wenn ihm der liebe G o tt um dei­ netwillen irgend ein mitleidiges Unglück über den H als schickte. S o p h i e . Aber S ie müssen doch gestehen, daß ich in einer sehr trostlosen Lage bin. C a r o l i n e . W ie kann ein Mädchen , daS einen B räu tig am h a t, in einer trostlosen Lage seyn? S o p h i e . D e r Onkel scheint entschlossen, sich keinen W iderspruch gefallen zu lassen. Carotine. D a s w ar' auch der grade W eg, alles a u f einm al zu verderben. E r sieht diese Hei« rath m it dem reichen S irillo als das größte Glück fü r dich a n ; überdieß weißt du j a , daß er und dei­ nes Heimfclds V ater seit langer Zeit unversöhnliche Feinde sind. H ier dürfen w ir bloß a u f unsere List vertrauen. Ich w arte nur a u f eine günstige Gelegen­ heit, um meine M ine springen zu lassen, und das Glück müßte gar nicht galant seyn, wenn es nicht a u f unsere S e ite treten wollte. S o p h i e . B is jetzt habe ich noch nicht gesehen, daß es uns begünstigte.

Ich bi n mein B r u d e r . C a r o l i n e . Rechnest du denn diese Reise deines, so Gott w ill, Bräutigams für nichts? Ich denke, wir wollen diese Frist wacker benutzen. S o ph ie . Ach, hätt' ich nur gleich dem Oheim a-lles entdeckt, hott' ich Ihnen nur nicht nachgegeben! C a r o l i n e . S till, still mein Kind! Laß mich machen! Es soll alles gut werden. Vor allen Din­ gen wünschte ich mit deinem Heimfeld zu sprechen. So ph i e . Ich habe ihm geschrieben, daß Sirillo verreisen würde, und daß der Onkel die Heirath auf seine Wiederkunft festgesetzt hat. C a r o l i n e . Nun, die Nachricht peitscht den ar­ men Menschen gewiß her. Wir wollen dann mit einander einen Operationsplan entwerfen;' und da der alte Menelaos uns das Feld frei gelassen hat, so soll der gute Schäfer seine Helena erhalten, ohne daß er seine Zuflucht zur Entführung nehmen darf. S o p h i e . Sie haben also wirklich Hoffnung, liebe Tante? C a r o l i n e . O die allergrünste, die man haben kann! S o p h i e . Ich schrieb Heimfelden, daß ich ihn noch einmal zu sehen wünschte, vielleicht, um auf immer von ihm Abschied zu nehmen. C a r o l i n e . Ei pfui! wer wird gleich so muthlos seyn. Im schlimmsten Fall bleibt dir ja immer

Ic h b in m e in B r u d e r .

219

«och ein festes N e i n dem Oheim entgegen zu setzen, an dem sich sein Zorn doch endlich brechen muß. — Indeß, thut es nur immerhin, Kinder; ja, ja, nehmt Abschied von einander, seyd recht aus Herzensgründe unglücklich, berauscht euch in eurem Schmerze! D ie Liebe glanzt am schönsten nach Thränen, wie die Blum e nach dem Gewitterregen. — Auch so etwas muß man in der Liebe versuchen. Wer w eiß, ob es euch zum zweiten Mate so gut geboten wird. S o p h i e . Ach, wer doch immer bei so guter 'Laune seyn könnte! C a r o l i n e . D u mußt es probiren! D ie übte Laune macht bös D ing noch schlimmer; die gute ist ein M agnet, der das Glück an sich lockt. Doch still jetzt! der Onkel kommt.

Sechste Albert.

Scene. Vorige.

A l b e r t . N a , er ist fort. Cr die Straße hinunter, daß fhm alle Nachbarschaft das ^Geleit gaben. — m al, wie gefällt dir unsre W ette? nicht M uth ?

trabte Hunde N un H e?

so frisch aus der sag' ein­ Hab' ich

220

Ich bi n mein B r u d e r .

C a r o l i n s . Ich furchte, nur allzuviel, lieber Freund. Du wirst sie Verlierern A l b e r t . Ach Possen! Ich habe ja drei Wochen Zeit, mir etwas auszusinnen, und du wirst mir beistehen. C a r o l i n e . Von Herzen gern. A l b e r t . Gieb mir die Hand darauf, Lirtchen ! C a r o l i n e . Da. A l b e r t , (die Hand streichelnd.) Ohne diese Hand ist nun einmal kein Heil für mich. C a r o l i n e . Laß das die andern Ehemänner nicht hören, sie lachen dich aus. A l b e r t . Jmnrerhin! wenn ich nur zuletzt lache. — Aber unser Nichtchen steht ja so traurig jtuu Was fehlt ihr? C a r o l i n e . I , mein Gott! der Abschied liegt ihr in den Gliedern, A l b e r t . Laß es gut seyn, mein Kind. In drei Wochen ist er wieder da, dein Bräutigam, Vielleicht noch eher. S op hi e. Vielleicht auch noch eher? C a r o l i n e . Ach, sieh doch, welche Freude das gute Mädchen darüber hat. Ja, die Liebe, die Liebe! S o p h i e . Lieber Onkel, ich muß gestehen — C a r o l i n e . Daß du ihn herzlich liebst. Wt* wissen es, wir wissen es.

Ich bin m ein B r u d e r .

S 2I

S o p h i e . N e in ,' lieber O nkel, ich ließe ihn nicht. C a r o l i n e . O sie spaßt. A l b e r t . D u liebst ihn nicht ? — J e n u n , das verlangt er auch vor der Hand noch nicht. E r will nur, daß du dich von ihm lieb haben lassest, und wenn du erst seine F rau bist, so w ird sich auch bei dir die Liebe finden. W enn man W ein trinkt, findet sich auch das Räuschchen. I h r könnt's Zerrte an meinem B e i­ spiele sehn. S o p h i e . Ich zweifle! A l b e r t . W ie so, ich zweifle? wie so ? S o p h i e . D er Unterschied der Ja h re . — A l b e r t (ih r nachsprechend.) D er Unterschied der Ja h re ! — Ju n g fe r Zweifel! S ie h t sie nicht täglich einen Unterschied der Ja h re vor sich herunispazieren, d.er alles einfältige Gerede darüber Lügen straft? C a r o l i n e . E s sind aber auch nicht alte M änner von deinem A lter so liebenswürdig und vernünftig als d u , mein Freund. A l b e r t . J a , das ist wa hr ; und nicht alle W ei­ ber von deinem Alter sind so klug und brav als du, mein Linchen. C a r o l i n e . J a , das ist auch w ahr! A l b e r t . Allein Jung fer N ichte, wo kommen

122

I ch b i n mei n B r u d e r .

denn auf einmal die Bedenklichkeiten her? Warum erfährt man denn erst jetzt etwas davon? C a r o l i n e . Laß das arme Kind. Das sind G ril­ len , Launen, Mücken, die im Sonnenschein spielen! Du weißt ja, wie wir Weiber sind. — Wollen wir nicht lieber einen Gang in den Garten machen? Du sprachst gestern von einem Rosenbosquett, das du wolltest anlegen lassen, du sagtest aber nicht, wo? — Ich bin neugierig, welchen Platz du gewählt hast. A l b e r t . So komm, komm! Ich w ill dir das Plätzchen zeigen. Du wirst mir Beifall geben. — Denk dir nur, wie herrlich das seyn w ird, wenn w ir beide darin sitzen, und die Rosen um uns her, und ich dann so, bald die Rosen, bald dich ansehe, und die Rosen nicken d a h i n , und wir nicken d o r t hin, und die ganze Wett fangt an sich wtt uns zu drehen, und w ir drehen uns am Ende mit — und — und — N a, komm, komm Linchen! W ir werden den Gärtner schon 'in voller Arbeit finden. (E r bietet ihr den Arm, sie gehen ab.)

Ich bin mein Bruder.

Siebente

22z

Scene.

S o p h i e (allein, bald darauf) H e i m f e l d . S o p h i e . So laßt sie mich nie zum Worte kom­ men, wenn ich es auch einmal versuchen w ill, den Oheim ein wenig vorzubereiten. Er war bei guter Laune, .und ich glaube, ich hatte den Muth gehabt, ihm alles zu sagen. Der grade Weg ist gewiß auch hier der beste und unsre Liebe darf ihn gehen. ( I n ­ dem fie gehen w ill, tritt Heimfeld herein.) Heimfeld! 'Ums Himmels willen, was machen Sie? Wie kom­ men Sie hier herein? H e i m f e l d . Ich erhielt Ihren B rie f gestern Abend, und er ließ mich nicht ruhen, noch rasten. Ich mußte fort und w ill nun aus Ihrem Munde hö­ ren, was ich dem Papier nicht glauben konnte. S o p h i e . Mein Gott, Sie haben mich erschreckt. Wenn man uns hier überraschte! H e i m f e l d . Ich komme ihnen ungelegen? S o p h i e . Unerwartet in diesem Augenblick. Ich habe mich mit ganzer Seele nach Ihnen gesehnt. H e i m f e l d . Um sich meiner desto eher zu ent­ ledigen. S o p h i e . S till, still! Ich sehe wohl, mein Un­ glücksschwerer B rief spukt in Ihrem Kopfe. So ganz dürfen w ir noch nicht-------

224

Ich b in mein B ru d e r.

H e im fe ld , (unterbrechend.) Es bedarf nur zwei Worte, mein Schicksal zu entscheiden. Antworten Sie nur auf meine Fragen ganz kurz, mit Ja oder Nein. S o p h ie . So fragen Sie. H e im fe ld . Ist es wahr, daß Ih r Onkel Sie an Sirillo verheirathen w ill? S o p h Le. Ja. H e im fe ld . Und er hat Ihnen seinen Witten erklärt? S o p h ie . Ja. H e im fe ld . Und die Hochzeit ist auf Sirillo's Zurückkauft festgesetzt? S o p h ie . Ja. H eun seid. Entsetzlich! und Sie wollen khn also heirgthen? S o p h ie . Nein. H e i m f e l d . Nein? Nein? -*• O wiederholen Sie mir dieses Nein noch einmal. Es führt das Leben in meine Brust zurück. S o p hi e . Wenn es Ihnen Vergnügen macht, so oft Sie wollen. H e i m feld. Und doch, beste Sophie, konnten Sie von einem Abschiede auf immer schreiben? —

2 ch b i n mei n B r u d e r .

22Z

S o p h i e . Ich schrieb vorgestern im ersten An­ laufe des Schreckens, als mir eben mein Oheim S irillo's Bewerbung und seine Zusage angekündigt hatte. . Heimfeld. Aber warum erklärten Sie ihm nicht Ihre Abneigung? Warum sprachen Sie nicht? S o p h i e . Ach, ich wußte ja in diesem Augen­ blicke kaum, daß ich eine Sprache hatte. Und er re­ dete so zuversichtlich von dem Glücke, das mir zu Theil würde; freute sich so herzlich darüber, daß es mir unmöglich war, ihm zu widersprechen. H ei m f e l d. Aber Sie werden steh doch erklären? S o p h i e . Das will die Tante nicht. Sie glaubt, daß uns nur die List zum Ziele helfen kann. Aber gehn Sie jetzt! Sie können jetzt nicht langer hier bleiben, — gehn Sie, lieber Heimfeld ! Ich sehe Sie diesen Abend im Garten, und dann sollen Sie mehr hören. Der Oheim könnte uns überraschen. H e i m fe l d. Ich habe Sie kaum wiedergefunden, da ich Sie auf immer verloren glaubte, und dachte nun meines Glücks erst recht froh zu werden — S o p h i e . Nein, nein, Sie müssen schlechterdings fort. Alles wäre verloren, wenn Sie der Oheim hier träfe. H e i m f e l d . Ich gehorche. Leben Sie wohl, beste Sophie. Ich gehe glücklicher als ich kam. tUvUifs. Lchv^t. 3‘

$5

22 6

I ch 6 1n rn e i n B r u d e r .

S o p h ie . Leben Sie wohl, auf Wiedersehn. (Sie begleitet ihn bis an die Thüre. Er ist aber kaum hinaus, als er schnell wiederkommt.) H e i m selb. Es kommt jemand die Treppe her­ auf. Ich glaube, es ist Herr Albert. S o p h i e . Mein Gott, er darf Sie nicht sehen! — Wohin? — Kommen Sie, geschwind hier hinein, in das Schlafzimmer der Tante. Schließen Sie von innen zu. Ich gehe und hole sie. (Heimfeld ins Kabinet. Sophie durch die andere Thüre ab.)

Acht e

Scene.

S i r i l l o (verkleidet. Hereinguckend.) So? — Alles leer? — Niemand da? — Hm? ich sah doch einen jungen Menschen aus diesem Zim­ mer kommen, und wie der Blitz wieder verschwinden, als er mich gewahr wurde, und es war mir fogarz als wenn ich sprechen hörte. — (E r guckt in alle Win­ kel.) — E i, ei! vor wem wird denn hier Versteckens gespielt? — (E r hebt die Teppiche an den verhangenen Tischen auf und sieht darunter.) — Ein junger Mensch,

I ch b in m ein B r u d e r .

227

der sich nicht sehen taffen will, der in diesem Zimmer mit Jemand spricht; und einen Augenblick nachher, weder dieser junge Mensch, noch dieser Jemand in diesem Zimmer zu finden? — Das sahe wunderlich aus, wenn es irgend ein Mensch gewesen wäre, da es aber ein j u n g e r Mensch war, so sieht es nicht bloß wunderlich, sondern auch bedenklich aus. Sollte wohl gar Sophie? — Nein, das ist nicht möglich. Sie sieht viel zu unschuldig aus, und so etwas war' mir auch zu Ohren gelangt. I n einer kleinen Stadt darf ein Mädchen nicht mit ihres kleinen Bruders Nußknacker liebäugeln, es kommt heraus. —- Oder etwa Alberts Frau? Hm! — Es scheint zwar, als wenn sie ihren Mann liebte; allein trau' einer den Weibern! Das ist die beste, die noch nicht in Versu­ chung gewesen ist. — W ir wollen uns bald überzeugen^ — O , gesegnet seyst du, du guter Genius des WeinS, der mir den Gedanken dieser Verkleidung zugeflüstert hat! Ich w ill auch alle Tage dir zu Ehren eine Flasche mehr trinken. — Unkenntlich genug habe ich mich wohl gemacht. — Wie war's, du gutes Kind, wenn du auch ein bischen Versteckens spieltest? Diese Tische scheinen ja dazu einzuladen. — J a , du gastliches Wesen, nimm mich auf in deine treue Seele, wie ein stilles Geheimniß; stehe vor aller Augen unbefan­ gen und bescheiden da, wie vorher, und verrathe dein Eingeweide, nicht. — (Er kriecht unter den Tisch.)

Der Himmel segne meinen Eingang. — (Steckt nach einer kleinen Pause den Kopf heraus.) — P u h ! Etwas unbequem ist es doch hier unten. — Ich glaube man kommt! — Hinunter, C irillo ! (Zieht den Kopf zurück.)

Neunte Caroline.

Sc e n e .

H ei m fe l d.

S i r i l l o.

C a r o si ne, (pocht an die Kabinetthüre.) Heim­ feld , Heimfeld! machen Sie auf. Ich bin es. H e i m f e l d ( tritt heraus.)S i r i l l o (steckt den Kopf hervor z für sich.) Alberto Frau, so wahr ich lebe! Gratülire, mein lieber Herr Albert, gratulire! C a r o t i n e . Ich komme nur auf einen Augen­ blick', um Sie willkommen zu heißen. Ich habe mich nach Ihnen gesehnt; denn jetzt muß gehandelt wer­ den, und Sie können nicht heißer wünschen, Ihre Liebe am Ziele zu sehn, als ich. H e i m f e l d . Wie soll ich Ihnen danken für diese Güte! S t r i l l o . Es ist richtig.

C a r o l i n e . Ich bin nun ganz die Ih rig e. I h r e Beständigkeit, I h r Eifer haben mich überzeugt, daß S ie wahrhaftig lieben und verdienen geliebt zu wer­ den. Ich will S i e glücklich machen, was auch mein M ann dawider einzuwenden haben möchte. S i r i l t o . B ravo! H e i m f e l d . Ich bin es schon durch diese Versiche­ rung. C a r o l i n e . Diesen Abend wird mein M a n n vermuthlich ausgehn, und da S ir illo , der Aufpasser, uns nicht im Wege ist, so werden wir ganz unge­ stört seyn. Ich habe Ih n e n viel zu sagen. S i r i l l o . O j a , ich glaub's. C a r o l i n e . S o wie die Sachen stehen, kann uns nur die List zum Zwecke führen. Ich habe auch vorläufig schon einen P la n entworfen, wie wir öS anzufangen haben. S i r i l l o . W ie ? H e i m f e l d . Ich unterwerfe mich gänzlich Ih rem W ille n ; indessen war' es doch nicht vielleicht besser, geradezu zu gehen ? S i r i l l o . W as? C a r o t i n e . Nein, nein, das geht nicht. Folgen S ie mir. — Jetzt verlasse ich Sie. Gehn S ie wie­ der in mein Zimmer, dorthin kommt niemand. Ich

230

I ch b i ri m e i n 25 r u d e r.

wünschte sie zw ar a u s ihrer Gefangenschaft zu be­ freien, allein mein M a n n ist unten im Hause. — W a rten S i e , ich will doch erst einmal h ö ren , ob er noch unten ist. ( S i e gehen nach der Thüre.) S i r i l l o. N u , mein guter A lb e rt! arm er T e u ­ fel ' du dauerst mich! Ic h glaube g a r , die F r a u will m it dem jungen Menschen davonlaufen. C a r o l i n e . Ic h höre ihn noch unten sprechen. Gehn S i e n u r wieder ins Kabinet. Vielleicht kann ich S i e bald erlösen. Adieu. H e i m f e l d . Lassen S i e mich nicht zu lange w arten. — ( E r küßt ihr die H and , sie geht. Sirillo zieht sich zurück. Als Heimfctd wieder ins Kabinet will, findet er die Thüre verschlossen.) — V erdam m ter Streich ! die T h ü re ist ins Schloß gefallen. W a s nun machen d ( E r versucht die Thüre zu offnen.) — Au, fest z u ! - ( E r lauft nach der M itte lth ü re , horcht hinaus, kömmt wieder, sieht in dem Zimmer umher, endlich geht er nach dem Tische, unter welchem Sirillo nicht steckt, und kriecht darunter.) S i r i l l o (nach einer Pause, steckt den Kops hervor.) I s t er f o r t ? — S t i l l — ich höre Geräusch. (E r ver­ kriecht sich.) H e i m f e l d , (nach einer Pause hervorguckend.) E s ist doch niemand im Z im m e r? — N ein — Ich muß mich getäuscht haben. — (Zieht den Kopf zurück.)

I ch b in m e in B r u d e r .

2 )1

S i r i l l o . Was ist denn das! Es war mir ja gar, als hört' ich sprechen. Der Galan im Kabi­ nette halt vielleicht einen Monolog zum Zeitvertreibe. (Kriecht unter.) H e i m f e l d , (bald darauf hervorsehend.) Nein, ich kann mich doch nicht getauscht haben. Eben ver­ nahm ich cs gar zu deutlich. (Sieht sich um, horcht eine Weile, dann zieht er sich zurück.) S i r i l l o . Schon wieder? — (E r hebt den Tep­ pich an allen Seiten des Tisches nach einander auf und sieht sich um. Nachdem er den Kops zurückgezogen hat, guckt Heimfeld heraus, dann wieder Sirillo. Sie wiederholen diese Bewegung noch ein paar Mal, doch in immer kürzern Zwischenräumen, endlich kommen sie Beide zu gleicher Zeit hervor. — Sie starren einander eine Weile an, dann:) H e i m f e l d . Wer sind Sie, mein Herr? S i r i l l o . Wer sind S i e , mein Herr? H e i m f e l d . Was machen Sie da unter dem Tische? Sirillo. Was machen S i e da unter dem Tische? H c i m f e l d , (herv orkriechend.) Wissen Sie wohl, mein Herr, daß cs sehr sonderbar ist, sich in einem fremden Hause unter den Tisch zu stecken, um -die Leute zu behorchen?

232

2 ch b i n me i n B r u d e r .

S i r i l l o , (hervorkommend.) Wissen Sie wohl, daß es noch viel sonderbarer ist, daß Sie in di e­ sem H a u s e etwas zu behorchen geben? H e Lm fe l d. Wie so, mein H err? S i r i l l o . Ich bin ein alter Bekannter und. Gast in diesem Hause; aber S ie, was sind Sie denn? H e i m f e l d . Ich — ich gehöre ins Haus. S i r i l l o , (lachend.) Sie haben Recht. Ich dachte nicht daran. I n einer wohl eingerichteten Haushaltung darf heut zu Tage so etwas nicht feh­ len. Indeß möchte doch Herr Albert gegen das Amt, welches Sie hier bekleiden, einige Einwendungen zu machen haben. H e i m f e t d . Was wollen Sie damit^sagen? — Erklären Sie Sich! S i r i l l o . Junger Freund, hübsch demüthia und bescheiden! Ihre Heftigkeit ist hier am unrechten Orte. Vergessen Sie nicht, daß ich unter diesem Tische gesteckt und folglich Ih r ganzes Gespräch mit Madame gehört habe. H e i m f e l d , (für sich.) then haben?

Sollten wir uns verra­

S i r i l l o . Und daß ich also alles weiß, alles. H ei m fe td. Was wissen S ie ? Sirillo.

Ihren LiebeshandeL weiß ich, den Sie

hier im Hause haben. E s ist m ir alles bekannt, alles. Gestehn S i e also ohne Z audern die reine W a h r ­ heit, und seyn S i e fein demüthig und geschmeidig, denn ich könnte I h n e n einen garstigen Streich spielen. H e i m f e ( d , (f ü r sich.) B ei G o t t , w ir haben uns verrathen. — ( Z u S irillo.) — N u n d e n n , wenn S i e alles wissen, mein H e r r , so wissen S i e , daß mich die heftigste, die reinste Liebe in dieses H a u s führt. S i r i l l o , (lachend.) D ie reinste, j a , ja. H e i m f e l d . Eine Liebe, die alle Hindernisse n u r vermehrt h a b e n ; eine Liebe, über welche die Zeit keine G ew alt haben w i r d , die aber auch keines M e n ­ schen Auge zu scheuen h a t t e , wenn nicht unglückliche Ilmstande sie z w a n g e n , sich in das Geheimniß zu hüllen. S i r i l l o . Unglückliche U m stande! — ( F ü r sich.) — J a wohl sind das für den armen Albert sehr tmglückliche Umstande. H e i m f e l d . S i e scheinen m ir viel zu vernünf­ tig , und in I h r e m Gesichte drückt sich viel zu deut­ lich ein edles G em üth a u s , als daß ich fürchtete, S i e möchten einen üblen Gebrauch von dem machen, w a s S i e wissen und gehört haben. S i r i l l o . W i r wollen überlegen, welcher G e ­ brauch davon zu machen ist. — W enn der Teufel ein solches E t in eine Wirthschaft gelegt h a t , so kömmt

234

I ch b in m ein B r u d e r .

es zwar einem Dritten nicht zu, es zu begakern; aber ich kann doch nicht schweigend zusehen, junger H err, wie Sie von eines andern Eigenthum naschen. H e im fe td. Eigenthum! Eigenthum! M it wel­ chem Rechte kann dieser Andere das herrliche Geschöpf sein Eigenthum nennen? Hier giebt die Liebe nur ein Eigenthum, und ich, ich hab' cs mir erworben. S i r i l l o . N un, nun, ich dachte doch aber —(Für sich.) — Der Mensch hat seltsame Principien. H e i m f e l d . Und wenn dieser Andere noch dazu ein Mensch ist, dessen ganzes Verdienst man — (M it der Pantomime des Geldzählens.) — durch die Finger laufen lassen kann, ein N arr, ein alter Geck — S i r i l l o , (für sich.) Wenn er cs doch hörte! H e i m selb. Wie darf dieser Rettich zur Rose sagen: du bist mein! S i r i l l o . He he he, der Rettich! H e i m sel b. Ich bin auch überzeugt, daß Herr Albert, bei einiger Ueberlegung, alles das selbst ein­ sehen wird. S i r i l l o , (lachend.) Den Henker auch! Junger Herr, Sie haben einen guten Glauben. Ich möchte Ihnen aber doch nicht rathen, darauf zu warten. H e i m f e l d . Warum nicht? Er wird, er muß es einsehen; und wenn nicht — nun dann —

2 ch bin ineirr Br ude r.

233

S i r i l l o . Und d a n n ? — W a s d a n n ? — D a n n wollen S i e sie wohl g a r en tfu h re n ? — W i e ? B ed en ­ ken S i e , junger Mensch, bedenken S i e — H e i m fe l d. Ic h bedenke eben, daß ich mich hier nicht am besten P latze befinde, und finde es g erathen er, mich I h n e n schleunigst zu empfehlen. S i r i l l o . jpörcti S i e doch, C ie haben m ir ja noch nicht g e sag t, w er S i e eigentlich sind? H e i m fe l d. E in a n d e rm a l, zur bequemern Z e i t ; jetzt begreifen S i e , daß ich Eile habe. S i r i l l o . J a , j a , das begreife ich. H e i m f e l d . Also I h r D iener. Ic h bitte S i e nochm als, zu schweigen, und nicht durch eine unzei­ tige Entdeckung ein Unruhstifter in dieser Fam ilie zu werden. D agegen soll I h r Cam pement un ter dem Tische, welches S i e , gclind' gesagt, wenigstens in den Verdacht einer unbescheidenen N eug ier brachte, ebenfalls verschwiegen bleiben. I h r D iener. (G e h t a b .) S i r i l l o , (a llein .) D ie n e r , D ie n e r! — N u n , da hatten w ir ja eine Ueberraschung in H änden, der Albert gewiß nicht den R a n g ablaufen sollte. Allein es ist ein zu bitterer E r n s t , als daß m an ihn zum Scherz gebrauchen könnte. — Schweigen kann ich aber doch nicht ganz. Einen Wink muß ich ihm geben; w a r' es auch n u r , dam it er seinen Uebermuth

136

Ich b in

m ein B r u d e r .

abzäumte und bescheiden einherginge, wie andere Leute. — Wie oft hat er nicht über den und jenen ehrlichen M a n n gespottet, dem ein solches Kräutlein im Garten gewachsen w a r , und je tz t Aber so geht's, so geht's: man sieht den andern neben sich betrogen, man lacht — ( E r lacht.) — und denkt nicht, daß man selbst betrogen ist! — N u n will ich nur gehen und mich der Familie vorstellen. (G eht lachend ab.)

Ze hnt e

Scene.

S o p h i e (kommt eilig durch eine andre T hür und öffnet das Kabinet.) C a r o t i n e ( tr itt ein.) S o p h i e , (a u s dem Kabinet.) Liebe Tante, Heimfeld ist nicht mehr im Kabinet. C a r o l i n e . Desto bester. Ich wollte ihn eben herauslassen; denn da Sirillo's B ruder gekommen ist, so kann heute Abend unser D ivan nicht statt finden. S o p h i e . Wenn ihn nur nicht etwa der Onkel hier gefunden hat. C a r o l i n e . O , dann wäre das Gewitter längst ausgebrochen. I , mein G o tt, der arme Mensch hat

I ch ti i n m e i n B r u d e r .

137

Langeweile gehabt und ist fortgegangen, odo» er hat gehungert; denn, ach, mein K ind, die guten Zeiten sind nicht mehr, wo ein Verliebter gar nicht zu essen brauchte. Heutzutage fühlt jeder unter seinem Herzen auch noch einen M agen. S o p h i e . Haben S ie Sirillo's B ru d e r gesehen? C a r o l i n e . J a . E r sieht S irillo 'n ähnlich, aber er gefallt mir besser'. D a kommen sie eben.

Ei l f t e

Scene.

Albert. S i r i l l o . Vorige. A l b e r t . Ach, hier ist ja unsere Nichte. — W er­ ther Freund, erlauben S i e , daß ich Ihn e n die B r a u t I h re s Herrn B rud ers vorstelle. S i r i l l o . D a s ist sie also, d a s ? B eim Hüm­ mel, er hat gut gewählt. Erlauben S i e mi r , daß ich die schöne Hand küssen d a rf, die meinen Bruder glücklich normen wird. C a r o l i n e , (zu Sophien leise.) Bedanke dich doch für das Kompliment. A l b e r t . M a s sagst du, Linchen?

238

Ich b i n mei n B r u d e r .

C a r o t i n e . Ich fragte, ob nicht die Aehnlichfeit mit Herrn (Binde recht groß wäre. S i r i l l o . J a , das ist wahr: wir sehen einan­ der so ähnlich, daß man unö beinahe verwechseln könnte. C a r o l i n e . Wenn Sie nicht eignes Haar trü­ gen — S o p h i e . Aber, liebe Tante, die Augen sind auch ganz anders. C a r o l i n e . Du hast recht, jetzt stnde ich es eben so. Auch die Nase, daucht mir — S o p h i e . J a , es ist eine ganz andere Nase. S i r i l l e . Erlauben Sie, ich dachte doch, es wäre dieselbe. C a r o l i n e . Verzeihen .Sie. Ih re Nase hat einen ganz andern Schnitt. S o p h i e . Und ist nicht so lang. S i r i l l o . So? — Wenn ich erst die Ehre habe, Ihnen naher bekannt zu seyn, so hoffe ich, werden Sie noch größere Verschiedenheiten in unserm Ch a ­ r a k t e r entdecken. Mein Bruder ist ein eigensinni­ ger Mensch, ein Rechthaber, -— (Er sieht alle an, alle schweigen.) — ein wenig eitel, eingebildet, bildet sich viel auf fernen Reichthum ein, halt sich für klü­ ger als andere Leute; — (Wie vorher.) — ist aussah*

I ch b i n m c t n B r u d e r .

239

rcnd, hart und manchrnal sogar ein wenig boshaft. — (Pause.) — Es scheint ja, als ob Sie mir Recht gaben. A l b e r t . O das nicht; aber S i r i l l o . Gestehen Sie mir nur ohne Verstel­ lung, nicht wahr, ich habe Recht i Caroline. Schwachen. Albert. Fehler hatte.

Mein

Gott,

es hatja jeder

Er wäre kein Mensch,

seine

wenn er nicht

C a r o l i n e . Ih r Herr Bruder ist sonst ein sehr braver Mann — A l b e r t . Den und achte —

ich von ganzem Herzen schätze

C a r o l i n e . Und dem Sie in der That zu viel Böses nachsagen. Vielleicht was die Eitelkeit betrifft, könnten Sie nicht ganz Unrecht haben. A l b e r t . H e, he, ja , er hat sich z. B . heute noch zu einer Wette mit mir verleiten lassen, die er schon einmal verloren hat. Vermuthlich wird er sie nun auch das zweite M a l verlieren. S i r i l l o.

So?

A l b e r t . Aber ohne ein gewisses Vertrauen in sich selbst bringt man ja auch nichts gutes hervor.

240

Ich bin mein Bruder.

G i r i l l o . O h n e Zweifel. — W a s sagt denn unsere kleine B r a u t d az u ? Ich muß gestehen, je langer ich in diese klaren Augen sehe, desto mehr bin ich geneigt, meinen B r u d e r zu entschuldigen; denn die W ahrh eit zu sagen, ich w ar m it seiner H eirath nicht zufrieden; jetzt aber finde ich seinen Entschluss sehr natürlich. E s ist ihm gegangen, wie einem, der zu lange in die S o n n e sieht: er kann sich bvs Niesens nicht enthalten. A l b e r t . N u n so wollen w ir freundlich, zur G e ­ sundheit, sagen. Ich wünsche ih m , das; er so glücklich leb t, als ich m it meiner F ra u . S i r i l l o , (für sich.) D a s wünsch' ich ihm nicht. (Laut.) S i e find w ohl recht sehr glücklich? A l b e r t . J a , das bin ich, und jeder w ar' es an meiner S t e l l e , der ein gesundes Herz hat. Ein geräum iges H m i s , ein hübsches V e rm ö g e n , ein ein­ trägliches Geschäft, und vor allen D ingen eine F rau , die mich von Herzen liebt — S i r i ( l o. D a s habe ich gemerkt. A l b e r t » S i e ist so klug, m it meiner Liebe in meine J a h r e zu dividiren, und so bleibt ihr als ß u o tient immer ein blutjunger Mensch. Und wenn S i e ftc erst naher kennen lernen, so werden S i e sehen, wie gut und t r e u , wie freundlich und gefällig, wie geschäftig —

Ich bin mein Bruder.

241

C a r o l i n e . H a l t , mein F r e u n d ! Ic h habe es zw ar g e rn , wenn ich gelobt werde, aber es m uß hinter meinem Rücken geschehen. — Unser G ast kommt von der Reise, und wird es sich bequem machen wellen. Ich gehe, ihm ein Zimm er in S t a n d zu setzen. K om m , S o p h i e , begleite mich. — N u n magst du mich immer noch ein bischen l o b e n ! QCb mit Sophien.)

Zwölfte

Scene.

A l b e r t . S i r i l l 0. A l b e r t . Und sehn S i e , immer m u n t e r , immer h e ite r, und immer voll Liebe und G eduld bei allen meinen Launen und N a r rh e ite n , und klug, klug — Sirillo.

D a v o n bin ich überzeugt.

A l b e r t . Aber bei alle dem , bin ich H err im Hanse. S i r i l l o . S o ? — J a , j a , eine solche Ehe ist ein Himm el an s E r d e n ; allein auch die beste hat doch immer ein W enn oder ein Aber. A l b e r t . M a g w ohl seyn. Contess. Schrift. 3» V d .

*6

242

I ch b i n m ei n B r u d e r .

S i r i l l o. Es stellen' sich Unannehmlichkeiten ein, die man oft gar nicht geahndet hat. A l b e r t . Das glaub' ich. S i r i l l o . Mein lieber Herr Albert, es ist schwer die Weiber ganz kennen zu lernen. Auf irgend einem Punkte hat man ihnen immer zu viel oder zu wenig zugetraut. A l b e r t . Sind Sie verheirathet? S i r i l l o . Ich? — ich — ja, ich bin verhei­ rathet. A l b e r t . S o, so! — (Für sich.) — Der gute Tropf hat gewiß ein rechtes Hauskreuz. S i r i l l o , (mit einer bedeutenden Pantomime.) Be­ sonders giebt es gewisse Unannehmlichkeiten — A l b e r t . Verstehe. Freilich, da hilft nur Geduld, — (Seine Hand fassend.) — Geduld, mein Freund! — (Für sich.) — Der arme Teufel! S i r i l l o . Doch wenn man seine Frau liebt? — A l b e r t . So muß nun von dem Augenblick' an aufhören, sie zu lieben. S i r i l l o . Aber die Ehre, die Ehre! A l b e r t . Hangt denn unsre Ehre von jemand ab, der selbst keine hat? S i r i l l o . Wenn man dergleichen so wenig ver-

Ich b i n mei n B r u d e r .

243

muthet — als Sie — und sich endlich für sein Ver­ trauen , seine Liebe, so belohnt sieht! Es ist bitter. A l b e r t . M uth ! M uth! der wahre Mann muß starker seyn als sein Unglück. — I n der That, ich bedauere Sie recht sehr, lieber Freund; allein das ist Schicksal, Schicksal! S i r i l t 0. Albert.

Sie bedauern mich? Von ganzer Seele, wahrhaftig!

S i r i l l o . Hören S ie, aber die Rede nicht.

Liebster, von mir ist ja

A l b e r t . Nicht? Verzeihen S ie! Ich dachte. — Nun desto bester für Sie. S i r i l l o . Und desto schlimmer für Sie. A l b e r t . Für mich? S irillo . Für Sie. Denn ohne Umschweife, Sie, Sie find der Bedaurungswürdige. Albert.

Bester Mann, was soll das heißen?

S i r i l l o . Es soll heißen — es soll heißen — daß Ihre Frau — nun daß Ihre Frau — verstehn Sie mich denn gar nicht? — N un, zum Henker, daß sie einen geheimen Liebeshandel mit einem jun­ gen Menschen hat. A l b e r t . H err! Sie sind nicht bei Sinnen!

244

2 ch bin mein Br uder .

S i r i l l o . Geduld, Geduld! ganz gelaffen an.

Hören Sie mich

A l b e r t . Noch einmal, Herr, Sie sind verrückt! — Es ist nicht wahr! nicht möglich! S i r i l l o . Muß doch möglich feint, da es wirk­ lich ist. A l b e r t . Woher wissen Sie es? Wer hat es gesehn? S i r i l l o . Ich selbst. Nur Geduld; ich erzähle. A l b e r t . Nein, erzählen Sie nicht; es ist doch nicht wahr. — Doch ja, erzählen Sie. N u n , so erzählen S ie, zum Teufet! Ich liege auf der Folter. S i r i l l o . Geduld! — Als ich, vor einer Vier­ telstunde ungefähr, die Treppe heraufkomme, tritt mir ein junger Mensch aus dieser Thüre entgegen. A l b e r t . W ie? S i r i l l o . Aus dieser Thüre entgegen; — zieht sich aber schnell wieder zurück, als er mich gewahr wird. A l b e r t . Was? S i r i l l o . Ich komme naher und höre im Zim­ mer sprechen — A l b e r t . Sprechen? S i r i l l o . Sprechen; und als ich hereintrete —

Ich b i n mei n B r u d er.

245

A l b e r t . N u n ? nun? S i r i l l o . Ist niemand da, gar niemand! A l b e r t . Wollen Sie mich zum Narren haben? S i r i l l o . Geduld! — Die Neugierde plagt mich; ich verstecke mich unter jenen Tisch! Nicht lange darauf kommt ein Frauenzimmer, und das, wohl zu merken, war Ihre Frau, geht nach jenem Kabinette, ru ft, es kommt jemand heraus, und das, wohl zu merken, war der junge Mensch. A l b e r t , (kleinlaut.) Der junge Mensch, aus dem Kabinette? S i r i l l o . Kabinette. — Es wurde nun von Din­ gen gesprochen, die gar nicht zweideutig waren: von treuer Liebe, von Belohnung, von glücklich machen und von einer Zusammenkunft diesen Abend) wenn Sie nicht zu Hause waren. A l b e r t . Zusammenkunft? S i r i l l o . Ja. — Es fielen heiße Dankergießungen, Handküsse und so weiter. A l b e r t . Und so weiter — S i r i l l o . Ja. — Ich habe zwar nichts gesehen, allein bei einem so zärtlichen Duett laßt sich das Accompagnement leicht denken. A l b e r t . Denken-—

24 6

I ch

b i n me i n B r u d e r .

S i r i t l o . Ja! Nicht so niedergeschlagen, lieber Freund. Das ist Schicksal, Schicksal. A l b e r t . Ach, ich liebte sie so herzlich! S i r i t l o . M u th ! M u th ! der Mann muß star­ ker seyn als sein Unglück. A l b e r t . Mich so zu betrügen! S i r i t l o . Hier h ilft nur Geduld, Geduld! A l b e r t . N ein, Herr, es ist nicht wahr! Sie sind ein N a rr! Sie sind rasend ! Es kann nicht wahr seyn! S i r i l l o . Ich war's zufrieden, wenn es meine Ohren nur nicht besser wüßten! — Uebrigens können Sie Sich diesen Abend ja selbst überzeugen. A l b e r t . Diesen Abend, —> also diesen Abend ist die Zusammenkunft? S i r i l l o . Ja. A l b e r t . Ich werde dabei seyn. Beim Htmmcl! ich werde dabei seyn! — Aber wo ist der Mensch — der Unmensch — der Teufel —- wo ist er? — Ich w ill ihn suchen, ich w ill ihn ermorden — nein ! nein! zu ihr w ill ich — zu ihr — ich w ill sie zu Boden schmettern — ich w ill sie vernichten mit meiner Ver­ achtung — ich w ill — S i r i l l o . Und was? Sie alles ablaugnen las­ sen, nichts dabei gewinnen, als sie noch vorsichtiger

I ch

b i n mei n B r u d e r .

247

zu machen! Warten Sie doch lieber die Zusammen­ kunft ab; überzeugen Sie Sich, und nehmen Sie ihr alle Möglichkeit, sich zu rechtfertigen. A l b e r t . Das wolle der Himmel nicht! — Doch Sie haben recht; ja ich w ill den Abend erwarten, ich will mich mäßigen, ich w ill kalt seyn. O zum Teufel, sehn Sie denn nicht? Ich weiß mich zu fassen! Ich bin schon ganz kalt! S i r i l lo. Ich sehe es.

Dreizehnte Caroline.

Scene.

Die V o r i g e n .

C a r o l i n e . N un, mein Herr, ist es Ihnen gefällig, mir zu folgen? Ich w ill Sie in Ih r Zim­ mer führen. Sirillo. Ich bin zu Ihrem Befehl. — (Au Albert.) — Noch einmal: Geduld, Geduld! — Em­ pfehle mich. A l b e r t , (der bei ihrem Eintritt auf sie zugeschos­ sen und um sie herum gegangen ist, jetzt, da sie gehen w ill:) Madame!

248

2 ch b i n me i n B r u d e r . C a r o l i n e . Rufst du mich? A l b e r t . Ja. C a r o l i n e . Ich komme gleich. (Ab mit Sirillo.)

A l b e r t , (steht eine Weile nachdenkend.) Wenn doch dieser Mensch lieber nie in mein Haus gekom­ men wäre. Ich war so glücklich, da ich nicht'' wuß­ te ! — Aber nein, nein, cs ist mir lieb, das; er mir den Slaar gestochen hat, wenn mich nun auch das Licht umbringt. — Ha, es ist entsetzlich; es ist gräß­ lich! — Die Schlange! — welchem menschlichen Ge­ sichte darf man mut noch trauen, da dieses gelogen hat! — Geh' hinaus, Albert, geh' fort, weit fort von allen Menschen, hinaus in die Wälder, unter die wilden Thiere! die fressen dich doch nur, aber sie betrügen dich nicht! (E r läuft heftig auf und ab.) C a r o l i n e , (hereintretend.) Hier bin ich, mein Kind. Was willst du? — (Albert hört nicht auf s ie .) — Mein G ott, was hast du? Was fehlt dir? — So rede doch! Du machst mir Angst. — Steh doch still und sprich, was fehlt dir? A l b e r t . Fehlen? O nein, es fehlt mir gar nichts. Ich habe nur etwas zu viel.

Car ol i ne.

Lieber Himmel, was soll daß heißen?

Ich

b in m ein B r u d e r .

249

Bist du frans? Hast du vielleicht wieder einmal Zahnschmerzen? A lb e r t. Kopfschmerzen! Kopfschmerzen! C a r o l i n e . So wollen wir nach dem Doktor schicken. Meinst du nicht? Meinst du? A l b e r t . Stell dich einmal dorthin, mir gegenüber; sich mir grade in die Augen! Car ol i n e . N un? Albert Es ist nicht möglich! Es sind Lügen, lauter Lügen! — (Geht auf sie zu, bleibt aber plötzlich frelicn.l — N ein! Geh! geh! wende diese heuchleri­ schen Augen von mir weg. Sie sollen mich nicht mehr zum Kinde machen. C a r o l i n e . Albert! Albert! ich bitte dich, was ist das? A l b e r t . O eine Kleinigkeit, eine wahre Klei­ nigkeit ! Ein bischen Heuchelei, Betrug, Abscheulich­ keit, Schändlichkeit, Seelenmerd! Aber das ist ja was altes, was ganz alltägliches ! Wer. wird sich darüber wundern? Ein ehrlicher, alter Narr wird für sein Vertrauen, seine Liebe unerhört betrogen. Aber es geschieht ihm ganz fccht. Warum war der Narr nicht klüger! C a r o l i n e . Albert, ich beschwöre dich! sprich deutlicher f 3ch verstehe dich nicht.

25o

2 ch b i n m e i n B r u d e r .

A l b e r t . M adam e verstehen mich nicht? O M a ­ dame thun sehr wohl d a r a n , sich in diese Unbefan­ genheit zu kleiden; sie steht Ih n e n sehr wohl! — C a r o l i n e . W a h rh a ftig , du wirft mich endlich böse machen, wenn du dich nicht erklärst! A l b e r t . Böse machen? Recht so! bravo! W er­ den S i e recht böse! D a s ist der gewöhnliche Kunst­ griff der W eiber, wenn sie sich auf ihren B etrüge­ reien ertappt sehen. C a r o l i n e . Mein H e r r , S ie werden u n a rtig ! A l b e r t . U n a r tig ? O j a , gewisse Leute mögen allerdings weit artiger seyn! C a r o l i n e . Wenn S i e fortfahren in diesem Tone zu reden, so werde ich Ih n e n gar nicht mehr antworten. A l b e r t . Nicht mehr an tw o rten? Nicht mehr antw orten! G u t , M a d a m e ; ich will S i e und mich in eine Lage setzen, wo ich des Sprechens und S i e des Antwortens ganz uberhoben sepn werden. C a r o l i n e . T hun S i e , was S i e nicht lassen können! A l b e r t . Ich will es th u n , so wahr ich lebe! Ich liebe S i e nicht mehr. C a r o l i n e . D a s thut mir leid ! A l b e r t . O es soll Ih n e n leid th u n , es wird

I ch b i n

mei n B r u d e r .

251

Ihnen bei Gott leid thun. — (Pause, während wel­ cher er sie von der Seite ansieht; dann mit milderm Tone.) — Sie werden niemand finden, der Sie so herzlich liebt, als ich es gethan habe, niemand. C a r o l i n e . Wer weiß, mein Herr! A l b e r t . Wer weiß? Wer weiß? — Nun denn, wohl, Madame: Wer weiß! So wissen Sie denn: ich liebe Sie nicht allein nicht mehr, ich Haffe Sie, ich verabscheue Sie. Nicht langer w ill ich mit I h ­ nen unter einem Dache seyn; noch heute w ill ich fort, noch diese Stunde — diesen Augenblick; — ich gehe! — (E r geht hastig fort, seine Schritte aber werden langsamer, je näher er der Thüre kommt, endlich bleibt er stehen und wendet sich.) — W ie? — (Kommtwieder naher; mit barscher Stimme.) — Was sagten Sie? C a r o l i n e . Nichts. A l b e r t , (näherkommend.) Gar nichts? Du sag­ test gar nichts? — Du willst nicht reden? Du wen­ dest deine Augen von mir? C a r o l i n e (steht unentschlossen ängstlich.) A l b e r t . So ist es denn vorbei! vorbei! —- Leb' wohl! — Caroline — Linchen — Engel— Schlange! — Teufel! Du siehst mich nicht wieder! Adieu auf immer! (E r geht eilig ab.)

2 ch h i n

mein B r u d e r .

Carotine. Er gehl wirklich — Mein er ist fort! — Ich muß ihm nach. (S ie

folgt ihm hurtig.

Sophie.

Gott.!

Sophie begegnet ihr in der Thüre.

Liebe Tante — liebe T an te!

(Caroline läuft ohne zu hören bei ihr vorbei)

Vierzehnte Sophie

(allein.)

Scene. Dann

Sirillo.

S o p h i e . S ie hört und steht nicht; und draußen kommt mir der Oheim entgegengelaufen, rennt mich beinahe um, und stürmt die Treppe hinunter. D a ist gewiß wieder einmal ein Zank gewesen. — D a ­ bin ich gewohnt. Ehe die Sonne untergeht, versöh­ nen sie sich doch wieder. Ich weiß nicht, wie cs kommt, ich habe nette Hoffnung, seitdem Sirillo 's Bruder hier ist. Er scheint mir ein recht artiger und vernünftiger M a n n ; sollte er die Sache nicht am beste» vermitteln kön­ nen ? E r ist mit seinem Bruder und mit der Her­ rath nicht zufrieden. Wenn ich ihm alles offenherzig Lkstehe, sp hilft uns vielleicht. D a kommt er.

I ch b i n m e i n B r u d e r . M uth , Sophie! ich w ill wenigstens einen Versuch machen und leise anklopfen. (S irillo tritt ein.^) S i r i t l o . E i, ei, da ist ja unsere kleine Braut, und ganz allein? Wo find denn Herr Albert und Madame? S o p h i e . Sie machen einen Spaziergang mit einander. S i r i l l o . Spaziergang? S o ! — Es ist mir lieb, Sie allein zu treffen, mein schönes Kind! Ich w ill Ihnen etwas vertrauen. S o p h i e . So begegnen wir uns ja auf einem Vorsalze: ich w ill Ihnen ebenfalls etwas vertrauen. S i r i l l o . Sie mir? — So taffen Sie hören, lassen Sie hören. Ich bin ganz Neugier. S o p h i e . Man beschuldigt uns Frauenzimmer, daß wir gern Vorreden machen; ich w ill aber offen und ohne Vorrede mit Ihnen sprechen. Ih r erster Anblick hat mir ein ganz besonderes Zutrauen einge­ flößt, dessen Ursache ich mir kaum zu erklären weiß. S i r i l l o . I n der T hat? — N u n ? S o p h i e . Es ist meines Oheims W ille, daß ich Ihren Herrn Bruder hcirathen soll. S i r i l l o . Und Sie w o l l e n ihn auch glücklich machen? Nicht wahr?

254

I ch b i n m e i n B r u d e r .

S o p h i e . Ich weiß nicht, ob ihn mein Besitz glücklich machen würde. Er verdient eine bessere Frau, als ich ihm seyn könnte. Ich schätze, ich ver­ ehre ih n ; allein-, Ihnen darf ich es wohl sagen, ich liebe ihn nicht. S i r i l l o . Sie lieben ihn nicht? — Und warum nicht, wenn man fragen darf? S o p h i e . Kann man seinem Herzen gebieten ? Und die Wahrheit zu sagen, er hat sich auch wenig Mühe gegeben, mein Herz für sich zu gewinnen. S i r i l l o . E i , ei ! S o p h i e . Ich bin überzeugt, daß sie ihm daS nicht wieder sagen. Beleidigen möchte ich ihn nicht. S i r i l l o . Ach, ich sag' es ihm nicht wieder! S o p h i e . Sie werden es freilich sonderbar fin­ den, daß ich Ihnen bei einer noch so jungen Be­ kanntschaft mit einem solchen Gestandniß entgegen komme, aber, wie gesagt, Ih r erster Anblick hat mich mit Zutrauen erfüllt. Ich fühlte mich gleich zu Ihnen hingezogen. Sie schienen mir nicht fremd, es war mir, als hatten wir uns schon langst gekannt. S i r i l l o . Wirklich! wirklich? — (Für sich.) — Ich glaube gar, diese veränderte Edition meines Ichs gefallt der kleinen Unschuld. S o p h i e . Ich würde mich vielleicht dem Willen

I ch b i n me i n B r u d e r . meines Oheims gefügt haben, ob ich gleich Ihren B ru ­ der nicht liebe; doch Ihre Ankunft hat mir ganz an­ dere Gedanken eingegeben, sie hat mir eine neue Hoff­ nung ausgeschlossen, S i r i l t o . Also seitdem ich hier bin, ich, seitdem wollen Sie meinen Bruder nicht mehr? S o p h i e , (ihn bei der Hand fassend.) Ich gebe mich und mein Schicksal in Ihre Hände. Bei Ihnen soll es nun stehen, bei Ihnen allein, mich glücklich zu machen. S i r i t l o (für sich.) So wahr ich lebe, sie ist in mich verliebt, und denkt, sie liebt meinen Bruder. Nun das ist lustig, das giebt einen Spaß. Sophie. Meine Lage erlaubt kein Zaudern; sie zwingt mich, alle Zurückhaltung, alle Schüchtern­ heit meines Geschlechts zu überwinden und Ihnen ge­ radezu zu gestehen — daß ich — o Sie vermuthen es doch schon — S i r i l l o. Ja, ja, ich vermuthe es wohl, Täub­ chen, aber nur heraus mit der Sprache. So etwas ist süß zu hören. S o p h i e . Nun denn, so gestehe ich Ihnen — daß ich einen andern liebe. S i r i l l o . Und dieser glückliche Andere? Wie? — Werden Sie nur nicht roth, mein Engelchen! Ich

256

Ich b i n m e i n B r u d e r .

will I h n e n die Verlegenheit ersparen, ihn zu nennen. Ich weiß alles, weiß alles! I h r e Aeugetchen haben eher gesprochen, als I h r M und. S o p h i e . W i e ? S i e wissen? — S i r i l l o . S t i l l , still, süße kleine Unschuld! Dergleichen kann ein Mädchen so wenig verbergen, als das Feuer die Hitze. — Nicht wa hr , dieser An­ dere ist in der Nahe ? S o p h i e . J a , vermuthlich ganz in der Nahe. S i r i l l o . Und ist heute erst angekommen? S o p h i e (für sich.) Gewiß hat er Heimfelden gesehen! — (L aut.) — J a . S i r i l ( o . E r tragt einen blauen Rock? S o p h i e . J a , j a , ganz Recht. S i r i l l o. H a t schwarze H a a r e ? S o p h i e . Und schöne schwarze Augen. S i r i l l o . Kindchen, sie sind zwar ein klein B is ­ chen g ra u , aber er hat einen ganz angenehmen Blick. S o p h i e . I s t gut gewachsen. S i r i l l o (sich .besehend.) J a , j a , er macht sich recht leidlich. S o p h i e . M it einem W orte, sehr liebenswür­ dig.

Ich b in m e in B r u d e r .

257

S i r i l l . ' o (ihr die Hand küssend.) Ach und verliebt, verliebt! S o p h i e . Ich sehe w ohl, S ie wissen alles. — M uß ich Ih n en nun erst noch sagen, was ich von Ih n e n verlange? S i r i l l o . J h , das Uebrige versteht sich ja von selbst. — (F ü r sich.) — D a s Mädchen geht verdammt rasch zu Werke. Sophie. machen?

S ie wollen mich also wirklich glücklich

S i r i l l o . Englisches Hühnchen, ich bin ja der­ jenige, den S ie vom Kopf bis zu den Füßen zu lau­ ter Glück machen! Sophie. sagen?

W as wird aber I h r H err B ru der dazu

S i r i l l o . Ach, da wir so schön mit einander einig geworden sind, so laßt sich mein B ru der alles gefallen. Ich gebe Ih n e n mein W o r t, er ist damit zufrieden, hoch zufrieden. — Ich habe ein P ap ier in der Tasche, womit ich I h re n Oheim überraschen wollte. — S ie wissen ja von der W ette, die er mit meinem B ruder eingegangen is t; und nun giebt es Conteff. Schrift. 3. Dd.

17

2.38

I ch b i n mei n B r u d e r .

eine doppelte Ueberraschung; herrlich! Sophie.

ha ha ha! das wird

R un, und dieses Papier?

S i r i l l o . Geb' ich Ihnen, und Sie geben es diesen Abend, wenn wir alle versammelt sind, dem glücklichen Jemand, der von Ihnen geliebt wird, und der Sie zärtlich wieder liebt, mit den grauen oder schwarzen Augen und dem blauen Rocke, he he he! Es wird sich dann alles zu Aller Zufriedenheit und sehr spaßhaft entwickeln. — Leben Sie wohl, himmlisches Kindchen, ich höre jemand draußen auf dem Vorsaale; man darf kein Einverstandniß zwischen uns muthmaßen. Ich lege mich Ihnen zu Füßen, mein Engelchen! Leben Sie.wohl. ( Im Abgehen.) Der Herr Albert wird Augen machen! Augen! (Indem Sirillo durch die eine Mittelthüre abgeht, tritt Caroline zur andern herein.)

Ich bi n m e i n B r u d e r .

F ü n f z e h n t e Caroline.

259

Scene«

Sophie.

C a r o l i n e (sich auf einen S tu h l werfend.) Ach! ach! ich kann nicht m e h r! Sophie. Athem. Caroline. ihm nach — Sophie.

Wa s ist I h n e n ? S ie sind ganz außer S e i t einer Viertelstunde — lauf' ich W e m ? dem O nkel?

C a r o l i n e . J a . Trepp a u f , Trepp a b ; auf den B o d e n , in den Hof, in alle Winkel; — er voran, ich immer hinterdrein, die Thüren stiegen auf und z u , alle Leute im Hause sehn uns voll Verwunderung nach; ich frage, bitte, ich beschwöre i hn, nur we­ nigstens still zu stehn; er steht einen Augenblick, sieht mich von der S eite a n , und stürmt dann weiter, als ob ihn die Furien peitschten. S o hab' ich ihn noch nicht gesehen. Sophie. Carotine.

W as giebt es denn? W a s hat er? G o tt w eiß! — D a s beste ist, man

2 6o

I ch bi n mei n B r u d e r .

laßt ihn austoben, und wartet, bis seine Vernunft wiederkommt. — Doch vermuthe ich beinahe, es hat ihm jemand Heimfelds Hierseyn und unsere ganze kleine Intrigue verrathen. S o p h i e . Das fürcht' ich auch. S irillo's B ru ­ der wenigstens wußte um mein Verständniß mit Heim­ feld. Caroline.

S irillo's Bruder?

S o p h i e . Eben verließ er mich. Ich glaubte, daß er uns am besten helfen könnte, da er mit seinem Bruder und mit der Heirath nicht zufrieden is t; ich faßte mir also ein Herz, und entdeckte ihm alles. Caroline.

Du entdecktest i h m? —

S o p h i e . Es war ihm.alles schon bekannt, und der wunderliche Mann schien darüber sehr erfreut. Er versprach m ir, daß die Sache sich zu Aller Zufrie­ denheit entwickeln sollte. Dieses Papier soll ich Heim­ feld diesen Abend geben. Es hat Bezug auf die Wette, und enthalt vermuthlich die Entwicklung. C a r o l i n e . Sonderbar! Wenn hier nur kein Mißverstandniß zum Grunde liegt. S o p h i e . N un, wir werden ja sehen, diesen Abend muß es sich zeigen.

2 ch b i n m e i n B r u d e r .

Sechzehnt e

Scene.

A l b e r t mit H e i m f e l d .

Vorige.

A l b e r t . Nu r hier herein, mein H e r r, nur hier herein! W ir finden Gesellschaft. S o p h i e . Mein G o tt! Heimfeld und der Onkel! W ir sind verloren! A l b e r t . Ich bringe Ihnen einen angenehmen G a st, M adam e, den ich zufälliger Weise im Garten traf. Wahrscheinlich ist er ein Liebhaber der G ä r t­ nerei; ich fand ihn nicht weit von den jungen ge­ pfropften Kirschbaumen im Gebüsche stecken. O , nicht w a h r, es ist doch herrlich, zu sehn, wie jetzt im Frühling alles sproßt und treibt, und so gewal­ tig in die Höhe schießt, daß man des Teufels wer­ den möchte vor V ergnügen? Nicht w ah r, mein junger F reund ? — S tehn S ie nicht da wie ein armer S ü n d e r! S ie fürchten sich doch vor Frauen­ zimmern nicht? Treten S ie doch naher. — M adame kennen den H e r r n ? Caroline.

J a , lieber M a n n , ich — ich —

202

u a; o t n m ein ’o n i o e r.

A lb e r t. Noch weiß ich nicht, was mir die Ehre seines Besuchs verschafft hat, aber ich bitte ihn jetzt dringend, freundschaftlichst, sich darüber zu erklären. Caroline. Sophie.

Lieber Albert — Lieber Onkel —

H e i m f e l d. Herr Albert — A l b e r t . Sie schweigen beiderseits, und Sie sprechen, junger Herr! Alsonoch einmal: was wol­ len, was machen Sie hier? Caroline. Albert. Sophie.

Er wird vermuthlich —

S t ill, Madame! Ohne Zweifel hat er —

A l b e r t . S till, Mamsell! — N u n , H err, beliebt es? Ich warte auf Antwort.

junger

H e i m f e l d . Herr Albert, ich bitte Sie, nicht zu glauben, daß mich ein Bewußtseyn von Schuld oder unreiner Absicht einen Augenblick verlegen und stumm gemacht hat. Es war bloß die Ueberraschung

2 ch 6 t ii m e i n B r u d e r .

263

und die Furcht vor Ih re m Mißfallen. Die Ursache, warum ich hier b i n , ist rein und lauter. A l b e r t , (fü r sich.) E i verflucht über die Lau­ terkeit ! H e i m fe l d. Und ich darf mich nicht schämen, sie laut und frei zu bekennen. A l b e r t , (für sich.) D a s ist ein unverschämter K e r l! H e i m f e l d . D a s einzige Vergehen, dessen ich mir bewußt b in, ist, so lange geschwiegen, hinter Ih re m Nucken gehandelt zu haben. W ir sollten I h ­ nen langst alles entdecken, und S ie hatten gewiß unsre Liebe durch I h r e Einwilligung beglückt. A l b e r t . Zum Teufel, H e rr, sind S ie verrückt? Meine E in w illig u n g ! H e i m s e i d . Ich weiß wohl, daß uns manche Hindernisse im Wege liegen, allein ich habe auch das feste V ertrauen auf I h r e G ü te , au f I h r e Klug­ heit, daß S ie der Stim m e der Liebe und der V er­ nunft Gehör geben werden. A l b e r t . N u n sind V ernunft und Geduld bei mir bald zu Ende!

264

2 ch

bin

mein

Bruder.

H e i m f e l d . Ich kann nur einen G rund anfüh­ re n , der für mich spricht, aber es ist der mächtigste. Ich liebe sie von ganzer S e e le , und habe die süße Gewißheit, eben so geliebt zu werden. A l b e r t . W a s ? S i e haben die Frechheit, mir das ins Gesicht zu sagen. H e i m f e l d . W arum soll ich das nicht? W arum soll ein G efühl, das in meinem Herzen w ohnt, nicht auch über meine Lippen gehn? Unsre Liebe darf kei­ nes Menschen Auge scheuen. A l b e r t . Jetzt, H e r r, jetzt thun S ie mir den Gefallen und machen, daß S i e fortkommen. H e i m f e l d . N un denn, ich sehe wohl, daß jetzt nicht der Augenblick ist, zu sprechen, und ich gehe; doch hatte ich für eine so bescheidne B itte, für eine so ehrliche Bewerbung einen andern E m ­ pfang erwartet. I n d e ß , ich verzeih diese Heftigkeit 3ent einem M a n n e , den ich als den zweiten V a ter meiner Geliebten verehre. A l b e r t . Gehn S i e zum Henker! S ie sind ein N a r r mit Ih rem zweiten V a te r, ein unverschämter Mensch! den Augenblick gehn S ie —

Ich b in m e in B r u d e r .

265

j? et nt selb. Ich gehe; und noch einmal, ich verzeihe Ihnen Ihre Beleidigungen. — Sie werden bei kälterem Blute einsehen, wie grausam es ist, das Glück zweier Menschen einer eigensinnigen Grille aufzuopfern, denn ohne Sophiens Besitz giebt es kein Glück, — (Ihre Hand ergreifend.) —- ohne diese liebe Hand hat das Leben keinen Werth für mich! Albert.

W a ------------ ?

Sophie.

Bester Oheim!

Albert.

Bester Vater!

Wie?

C a r o l i n e . Auch ich, lieber Albert, ich bitte dich, laß die armen Kinder nicht schmachten! Gieb ihm Sophien. Er verdient sie. Albert.

Was?

S o p h i e , (seine Hand fassend.) — Wenn Ihnen die Zufriedenheit, das Leben Ihrer Nichte etwas g ilt — Ich werde niemals einen andern lieben. A l b e r t . Wie ist mir denn? Versteh' ich Euch recht? — Also diese da, Sophien, meine Nichte, d ie lieben Sie? H eim feld.

Wen sonst?

266

I ch b i n mei n B r u d e r .

C a r o l i n e . Albert, Albert, ich fange an zu ahnen — Is t es möglich! Welcher böse Geist hat dich besessen? Kennst du deine Caroline so wenig? A l b e r t — aber zum Henker! — (Er zieht sie bei Seite.) — Er hat ja in deinem Schlafzimmer gesteckt. C a r o l i n e . Das war eine Unvorsichtigkeit von Sophien, die ihn dort versteckte. A l b e r t , (wie vorhin, halblaut.) Aber S irillo's Bruder hat ja mit seinen eignen Ohren gehört, wie du von Belohnung der Liebe, von Glücklichmachen und von einer Zusammenkunft gesprochen hast. C a r o l i n e . Er hat recht gehört, aber falsch verstanden, wie du siehst. — Und du konntest den Ohren eines Fremden ohne Untersuchung mehr trauen, als dem Herzen, das du endlich doch kennen solltest ? — Albert! Albert! A l b e r t . Es wäre also wirklich! D arf ich's denn glauben? — (Er stellt sich vor Heimfeld und Sophien und sieht ihnen in die Augen.) — Aus diesen vier Augen spricht die Liebe — und also die Wahr­ heit; — (Er geht zu seiner Frau.) — und diese zwei

2 ch bi n

mei n B r u d e r .

267

— nein, sie lügen nicht, so wahr ich lebe, sie können nicht lügen! — Linchen, höre Linchen, ich habe also wohl Unrecht? Wie? — Gieb mir deine Hand. — Du bist böse, recht böse? C a r o l i n e . Ich sollt' es wohl, und keine an­ dere ehrliche Frau würde sich die schöne Gelegenheit entschlüpfen lassen, wenigstens vier Wochen lang zu schmollen; allein da ich mich doch nicht ganz rein von oller Schuld fühle — A l b e r t (läßt ihre Hand fahren und tritt ein paar Schritte zurück.) Also doch — doch! C a r o l i n e . Erschrick nur nicht. So ist es nicht gemeint. — Sieh, diese Leutchen lieben einander schon seit einiger Je it; — S o p h i e . J a , lieber Onkel, in 6 Wochen wird es ein Jahr, daß wir uns kennen. C a r o l i n e . Mich hatten sie zu ihrer Vertrau­ ten gemacht, und theils die Scheu, dir gradezu zu widersprechen, theils die kleine Eitelkeit, dich ein wenig zu überlisten, bewogen mich, den ganzen Handel vor dir geheim zu halten und eine Intrigue hinter deinem Rücken zu spielen. Das ist mein Ver­ brechen. Verzeihst du mir es?

268

I ch b i n m e i n B r u d e r .

A l b e r t . Höre Kindchen! Liebchen! — Eine I n ­ trigue hinter meinem Rücken — mich überlisten! — Es ist viel — aber es sey drum! — Ich verzeih dir's! Wer im Wasser gelegen hat, den macht der Regen nicht naß. Caroline.

Also wir heben mit einander auf?

A l b e r t . Topp! von ganzem Herzen! — Uff! wie leicht wird es mir auf der Brust. So muß es einem zu Muthe seyn, der von der Hölle geträumt hat, und im Himmel aufwacht. Goldlinchen, die Freude zappelt mir in den Beinen, daß ich gleich tanzen möchte! C a r o l i n e . Lieber Freund, dort stehn auch ein Paar, die ein Tänzchen mitmachen, wenn du ihnen nur aus dem rechten Tone «aufspieltest. Wie wird es mit ihnen? A l b e r t . Ja so, die hatt' ich rein vergessen. — R un, junger Freund, wie heißen, wer sind Sie denn eigentlich? H e i m f e l d . Ich wünschte, meinen Rauten ver­ schweigen zu dürfen. Er wird Ihnen keine ange­ nehmen Erinnerungen wecken. Ich heiße Heimfeld.

I ch

bin

me i n B r u d e r .

A l b e r t . Heimfeld? Sie sind also der Sohn? — Heimfeld! J a , ja , S ie haben Recht; der Name klingt mir nicht angenehm. Vor zehn Jahren waren w ir gute Freunde, I h r Vater und ich; jetzt sind w ir es freilich nicht mehr. — Doch ich kenne S ie , dem Rufe nach, alseinen braven, gescheidten, jungen M a n n , und da S ie mir den Gefallen gethan haben, sich in meine Nichte zu verlieben, und nicht — hm! — und ich in diesem Augenblicke so froh bin, daß ich die ganze W elt verschenken möchte, und mich selbst obendrein, so thut es mir wahrlich recht leid, daß ich Ihnen Sophien nicht geben kann. Allein es geht nicht. Ich habe sie Sirillo'n versprochen, und wenn ich zurücktrete, verliere ich 3000 T h a le r: doch das wäre kein G rund, I h r Glück zu verhindern, wenn ich sie ihm nur nicht versprochen hatte. C a r o l i n e . 3000 Theiler! E i, ei, liebes Männchen, kann man denn eines Mädchens Herz und Hand ver­ sprechen und verhandeln, wie eine Waarenkiste, oder wie die Fürsten Land und Leute? A l b e r t . Warum habt I h r es durch Eure Geheimnißkramerei so weit kommen lasten? Warum habt I h r nicht gleich die Wahrheit gesagt? Nun müssen wir wenigstens Sirillo's Jurückkunfl abwar­ ten, und dann sehen, ob er freiwillig abtreten will.

27o

I ch 6 1 n m e i n

Bruder.

Bi s dahin, Herr Heimfeld, bitte ich S ie , mein Haus — und meinen Garten nicht zu betreten. S o p h i e . Lieber Onkel, vielleicht ist es nicht nöthig, Sirillo's Zurückkunft abzuwarten. Sein B r u ­ der, dem ich Alles entdeckt habe — fAlbert.

Was?

L S o p h i e . Gab mir hier dieses Papier, welches die ganze Sache zu Aller Zufriedenheit entwickeln sollte. Albert.

S irillo's B rud er?

S o p h i e . Ich soll es dem geben, den ich liebe; also hier, Heimfetd, nehmen S ie es, und lesen S ie. Freilich sollte das erst diesen Abend geschehen, wenn w ir alle zusammen waren, allein auf einen Augen­ blick früher oder spater kommt es wohl nicht an. Albert.

N u n , nun! lesen S ie , lesen S ie !

H e i m f e l d (bricht das Papier auf und durchläuft es*) Him m el! seh' ich recht! Jst's möglich? Hö­ ren S ie ! — (Liest) — »Der Unterzeichnete, durch wichtige Gründe bewogen, tritt hiermit feierlich und wohlbedachtig alle erworbene und noch zu erwer-

I ch bi n

mei n B r u d e r .

bende Ansprüche und Rechte auf die Hand und den Besitz der Demoiselle Sophie, Nichte des Herrn Albert, ohne Vorbehalt an denjenigen ab, welcher dieses Papier ans den eignen Handen der Demoi­ selle Sophie empfangen w ird, und entbindet den Herrn Albert gänzlich seines deßfalls gegebenen Wortes. Sirillo.« A l b e r t . Was ist denn das? Geben Sie doch her! — So wahr ich lebe, seine Hand und sein Siegel! 3H! was tausend, soll das heißen? C a r o l i n e . M ir fallt etwas ein. Ware es nicht möglich, daß S irillo um Sophiens Verständniß mit Heimfeld gewußt, diese Abtretung schon langst beschlossen hatte, und nun sich der Gelegenheit be­ diente, um durch eine Ueberraschung Eure Wette zu gewinnen? A l b e r t . Nicht ganz unwahrscheinlich — du hast Recht; es wäre möglich, wenn nur die gcxx) Thaler nicht waren. S o p h i e . Es ist gewiß, lieber Onkel. Sein Bruder sagte selbst, daß es um der Wette willen geschahe.

272

Ich b i n

m ei n B r u d e r .

A l b e r t . Sagte er? — er mich doch gefangen? — hend.) — Wie konnte mich eifersüchtig machen wollen, Wie? Caroline.

Hm! hm! — Also hatt' (Carolinen bet Seite zie­ denn aber der Mensch wenn er das wußte?

Ein Scherz vielleicht; Neckerei!

A l b e r t . E i, hol der Henker den Scherz! Solche Scherze lieb' ich nicht, die so tief ins Leben­ dige hineinsiechen. Es hatte übel ablaufen können, wenn ich nicht ein so guter Narr wäre. C a r o l i n e . Und ich eine so gute Narrin. — Wie ist es nun aber mit den Beiden da? A l b e r t . I nun, die Sache wird sich ja auf­ klaren. Wenn es S irillo zufrieden ist, und die 3ooo £ho(er fahren laßt, bin ich es auch; und so mögen Sie das Mädchen in Gottes Namen hin­ nehmen. (Er führt Sophien Heimfelden zu.) f S o p h i e . Bester Onkel! I H e i m f e l d . Herr Albert! Albert.

Versteht sich,

junger Freund,

nur

Ich

bin w e i n B r u d e r .

27a

unter der B edingung, daß S ie die Einwilligung Ih re s V aters erhalten. Heimfeld. verweigern.

O , er wird mir sie gewiß nicht

Siebzehnte

Scene.

S i r i l l o . Die V o r i g e n . S i r i l l 0 (tritt schnell herein, bleibt aber in der Thüre stehen.) A l b e r t . A h, kommen S ie , kommen S iek Ich bekenne mich für überwunden. I h r Bruder hat die Wette gewonnen. S i r i l l o (nähert sich, immer von der Seite auf Heimfelden hinblickend.) W ie ? W as sagen S i e ? A l b e r t . Auf eine Ueberraschung von d e r Art war ich freilich nicht gefaßt. S i ri t t 0. Wie meinen S ie — ? Contess. Schrift. 3« Bd.

IZ

274

Ich

bin

mei n B r u d e r .

C a r o l i n e . Eine solche Großmuth hatte ich in der That nicht von Ihrem Herrn Bruder erwartet. S irillo .

Großmuth — wie denn — ?

A l b e r t . Ich muß gestehen, auf eine solche Art verlier' ich die Wette von Herzen gern. S irillo .

Haben Sie denn — ?

S o p h i e . Das Papier sollte zwar spater erst erbrochen werden, allein die Umstande waren so dringend — S i r i l l o . Ah! — S o , so! Nun versteh' ich. Die kleine Lose hat zu frühzeitig aus der Schule geschwatzt. Herr Albert weiß also — Albert. S irillo .

Ja, ja; ich weiß alles. Und geben Ihre Einwilligung?

A l b e r t . I , warum nicht? wenn Ih r Bruder selbst zurücktritt, so habe ich nichts dawider. S i r i l l o . N un, meine kleine B ra u t, so geben Sie mir denn Ih r Händchen und Sie — (Zu Albert.) — Ihren Segen dazu.

Ich

Albert.

bin

mei n B r u d e r .

275

Wa s ?

Caroline.

Wie?

S i r i l l o . Was foUerr da noch die Umstande? W ir sind ja mit einander einverstanden. Caroline. Albert.

Was soll das heißen?

Was fallt Ihnen ein?

S i r i l l o . I , mein Gott, wie stellen Sie Sich denn? Mein Bruder hat mir seine Braut abgetre­ ten , und w i r sind mit einander einig, und S i e geben Ihre Einwilligung, also — Albert.

Aber —

H e i m f e l d . M it Erlaubniß, mein H err; wir wissen nichts von einer Abtretung an Sie. S i r i l l o . Was? Was haben Sie darein zu reden? — (Zu Albert.) — Lieber Freund, was macht der Mensch hier? Das ist ja der — A l b e r t . S till, still! Jetzt wissen wir das Späßchen. Es hat mir heiß genug gemacht.

276

Ic h b i n m e i n B r u d e r .

C a r o l i n e . Ich hatte Lust mit Ihnen darüber zu zanken; indessen da es so gut abgelaufen ist, mag es Ihnen dießmal noch hingehen. S i r i l l o , (zu Albert heimlich.) Mein guter Herr Albert, wie ich sehe, haben S ie Sich also doch einen blauen Dunst vormachen lassen? A l b e r t . Ach gehn S ie doch, gehn S ie! Wie ich sehe, sind S ie ein Schalk, lieber Freund. S ie haben ja die ganze Sache von Anfang an gewußt. I h r Bruder hat S ie ja von allem unterrichtet S i r i l l o. Von was denn? Ich verstehe S ie nicht. A l b e r t . Hören Sie auf, hören S ie auf! Der S paß laßt sich nun nicht weiter fortsetzen. Es ist ja klar, daß S ie alles wissen mußten. S i r i l l o. S o möge der Himmel nichts von mir wissen, wenn ich weiß, was ich wissen soll! A l b e r t . I , mein G ott, wie konnten S ie denn sonst das Papier meiner Nichte geben, damit sie es den jungen Freund da erbrechen ließe? S i r i l l o (steht mit offnem Munde und sieht einen nach dem andern an.)

Ich bin m ein B r u d e r .

277

S o p h ie . Und alö ich Ihnen vorhin mein Ver­ hältniß mit Heimfeld gestehen wollte, versicherten Sie ja , es sey Ihnen schon bekannt. H e i m f e l d . Und nach unsrer Rencontre unter den Tischen dort, sagten Sie mir ja das nämliche. C a r o l i n e . So laßt doch, Kinder! ja wohl, daß es sein Spaß ist.

2hr

seht

S i r i l l o . O ! — 0! zum Teufel, nein! es ist mein Spaß nicht! — (Sich vor die Brust schlagend.) — Dummkopf! Dummkopf! — (Zu Heimfeld.) — Heraus mit dem Papiere, junger Herr! her damit! H e i m f e l d . H alt! das Papier werde ich nur mit meinem Leben lassen. Ich fange jetzt an, zu begreifen. Sirillo. Sie haben es damit! Das gilt nicht!

erschlichen.

Heraus

A l b e r t . Freund, es ist ja Ihres Bruders Wille, daß es der junge Mensch da erhalten sollte. S i r i l l o . Nein, nein, nein, sein Wille nicht. Sophie.

Mein Himmel,

sag' ich!

es ist

sprachen Sie nicht

278

I ch b i n in ei n B r u d e r .

selbst, ich sollte es dem geben, den ich lieble? und das hab' ich gethan. H e i m fe l d. Es erhellt aus dem Papiere selbst ganz deutlich, daß es Ihres Herrn Bruders Wille ist. S i r i l l o . Zum S atan , nein! — Ich muß doch besser wissen, was mein Wille ist? C a r o l ine. Von Ihrem Willen ist ja aber gar nicht die Rede. Ihres Herrn B r u d e r s W ille---------Sirillo. Nein, nein! mein Bruder ist i ch! ich bin nicht mein Bruder! ich bin ich! Al b e r t . Mein Gott, daran zweifeln wir nicht. Eben deßwegen------S i r i l l o . -O zum Teufel, nein! ich bin n ic h t ich! ich bin eben e r! ich bin j e n e r — nein, ich bin nicht j en er! — Ich bin di e se r , der hier vor Euch steht — ich bin eben dieser Bruder — ja

Caroline. !

Nun ja doch, j a,

das wissen wir

S i r i l l o . Nein, Höllenelement! das wißt Ih r nicht — ich bin nicht E u e r Bruder, ich bin m e i n B ruder! — Ich bin jener — o geht alle zum Hen­ ker ! Ih r macht mich wahnsinnig! Ich bin ic h — ich

bin S i r i l l o ! ( E r wirst die falschen Haare ab und steht mit kahlem Kopfe da.) W i e ? was ? Wer bin ich'? W e r ? ( D a s folgende schnell hintereinander. Sirillo kann nicht zum Worte kommen.) A l b e r t . A h , b r a v o ! b r a v o ! Lieber, bester S irillo, laß dich umarmen! D er Streich ist vortrefflich. Klug und schon! D u machst da ein paar glückliche Menschen, und hast die Wette recht brav gewonnen. Sirillo.

Ah was — !

H e i m f e l d . Wie soll ich Ih n en danken, Herr S ir i llo , für I h r e G ü te , I h re n E d e lm u th ? S ie ha­ ben das Glück meines Lebens gemacht. S o p h i e . I n der T h a t, Herr S ir i llo , ich bin beschämt und verlegen. I h r e Großmuth schlagt mich nieder. Caroline. Nehmen S ie meinen herzlichsten Dank. Die Ueberraschung ist so sinnreich, als edel. E s ist, als ob S ie mein eignes Glück gemacht hat­ ten. S i r i l l o . Ach w as! Ich bin nicht großmüthig, ich bin nicht edel, ich bin nicht klug, ich will nicht klug seyn! D a s Mädchen will ich! Albert.

Aber bedenke doch, mein Brüderchen,

'28o

Ic h

b itt m e i n B r u d e r .

Lu hast meine Nichte freiwillig an Herrn HeimfetL. abgetreten. — Heimfeld. Handen.

D ie Verzichtleistung ist in meinen

S i r i l l o . Das ist ja eben das teuflische M ißver­ ständnis! S ie soll nicht in seinen Handen seyn, jun­ ger Herr; sie ist für ihn nicht bestimmt. M ir gehört sie, für mich hab' ich sie geschrieben! Albert.

Nun, das ist lustig.

Für dich selbst?

S i r i l l o . Mein Got t , j a! Kannst du denn das nicht begreifen? Ich schrieb sie um unsrer Wette w il­ len ; die kleine Schlange da sollte sie mir in meiner Verkleidung geben, und ich freute mich, wie ein K in d, auf die köstliche Ueberraschung. — O du Bund S tro h , daß du auch gar nichts merktest! A l b e r t . Ah ! a h ! — Nun wird es mir klar vor den Augen. — Aber, lieber Freund, du siehst wohl, wie die Sachen stehn. D ie jungen Leute lieben ein­ ander schon seit einem Jahre, und wo die Liebe den Segen gesprochen hat , da thun wir Alten am besten, Amen zu sagen. S i r i l l o . Muß ich denn nicht am Ende? Bei dieser teuflischen Wirthschaft? He? Was hilft hier

I ch bi n me i n B r u d e r .

231

aller Widerstand? — Allein — allein — Sie da, Herr, (Zu Heimfeld.) haben Sie mir nicht selbst ge­ standen, daß S i e ? He i mf e Ld . Was Sie verstanden haben, weiß ich nicht; indeß auf jeden Fall war es ein Mißverstandniß von Ihrer Seite. S i r i l l o . Und S ie , Madame! ich habe ja mit meinen Ohren gehört, wie S i e ------C a r o l i n e . Wie Sie aber jetzt gehört haben, war das auch ein Mißverstandniß. S i r i l l o . Und Sie, — ( I u Sophien.) Sie — haben mir doch gesagt, daß — daß Sie mich liebten. S o p h i e . Lieber Herr S irillo , auch ein Mißverstandniß!

das war wohl

S i r i l l o . Mißverstandniß ! — Mißverstandniß! H a! Ich fange an zu merken, daß ein zijahriger Liebhaber den Mißverständnissen gewaltig unterwor­ fen ist. C a r o l i n e . Damit nun aber das letzte nicht schlimmer werde, als die ersten, so dacht' ich, Herr Sirillo — S i r i l l o , (nach einer kurzen Pause.) Nun ja ! ja!

282

I ch 6 1n m e in B r u d e r .

ja ! Sie haben Recht, Madame; es wäre von allen meinen dummen Streichen der dümmste, wenn ich eine Frau haben wollte, die mir als Aussteuer einen Liebeshandel ins Haus brachte. Also bleibt mir nichts übrig, als fein geschmeidig und geduldig, als ob ich ein Ehemann wäre, zu tanzen, wie mir aufgespielt wird. Albert.

Bravo, alter Freund, bravo!

S i r i l l o. Aber unsre Wette ? A l b e r t . N un, wie du siehst, die habe ich ge­ wonnen. Denn wir sind dir doch in der That im Augenblicke, wo du mit deiner Ueberraschung losbre­ chen wolltest, mit einer weit großem zuvorgekom­ men. Sirillo. Nun ja ! ja! I n Gottes Namen! Amen! Amen! Ich w ill gern bezahlen, nur erinnert mich nicht weiter daran. (Zu Sophien.) Seyn Sie glücklich, mein schönes Kind. Ihrem Manne wünsche ich: — daß Sie ihn niemals überraschen! Die Über­ raschungen taugen in der Regel nicht viel!