Schriften: Band 2 [[Oktavausg.] Reprint 2013 ed.] 9783111566146, 9783111194752


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German Pages 353 [360] Year 1826

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Table of contents :
Inhalt
Der Instinkt. Eine Erzählung. 1804
Der unterbrochne Schwätzer. Lustspiel in einem Akt. Nach dem Französischen des de Launay. 1805
Das Räthsel. Lustspiel in einem Aufzuge. 1805
Der Talisman. Eine Kleinigkeit. Fortsetzung des Räthsels. 1806
Der Fündling, ober die moderne Kunstapotheose. Lustspiel in zwei Aufzügen. 1807
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Schriften: Band 2 [[Oktavausg.] Reprint 2013 ed.]
 9783111566146, 9783111194752

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C. W . E o n t e s s a ' s

S c h r i f t e n .

Herausgegeben von

E. v o n

H o n w a l d.

Zweiter Band. Lei pzi g, b e i G e o r g , I o a cf; \ m G ö s c h e n

i

$26.

I n h a l t . Der I n s t i n k t .

E ine E rzählung. 1504.

D e r u n t e r b r o c h n e S c h w ä t z e r . Lust­ spiel in einem Akt. 1305. D a s R ä t h s e l . Lustspiel in einem A uf­ zuge. 1305. De r T a l i s m a n . Eine Kleinigkeit. F o rt­ setzung des R äthsels. 1306. De r F u n d t i n g , o d e r d i e m o d e r ne K u n s t a p o t h e o s e . Lustspiel in zwei A ufzügen. 1307.

S. -



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De r

I n s t i n k t Ei ne

Erzählung. I 8 o 4.

Len ress. Schrift. 2. Dd.

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Er s t e s K a p i t e l .

D e r O heim tra t in E d u a rd s Z im m er, eine Taffe Kaffee und seine Pfeife in der H a n d , wie cs seine G ew ohnheit w a r , wenn er diesem etw as vorzutragen dachte. S ch o n wieder f o r t ? fragte e r , als ihm E d u a rd m it H u t und Reitpeitsche entgegen kam. S chon wieder herum streifen? E s wird mir hier zu eng im S c h lo ß , lächelt* E d u a r d ; ich m u ß , ich m uß ins Weite.I n s W e ite , n u r immer ins W eite! sagte der H h e im , indem er seine Last in die angenehme B e ­ schränkung des Sofakiffens senkte — Als ob es dort anders w ä r e , so lange m an nicht selbst anders w i r d ! Sch liebe das nicht. M a n kann heut zu T ag e beinah kein Buch mehr aufschlagen, ohne daß einem darau s diese unendliche Sehnsucht nach der W eite und Ferne wie ein T h a u w in d ins Gesicht bliese. Auch das Höchste wird gemißbraucht, lieber Onkel. Aber werfen S i e nu r einen Blick zum Fenster hin-

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Der Insti nkt.

aus. Welche Frische, welcher Glanz nach dem nächt­ lichen Gewitter! Is t es nicht, als ob die Natur von dem Geliebten erzähle, der heut Nacht bei ihr war? — 2ch wette, Cie bekommen selber Lust zu einem Spatzicrritt. Ein andermal, Eduard. — Du bist doch zum Mittagessen wieder hier? — W ir haben Gesellschaft, und es giebt mehrere Gründe, die mich deine Gegen­ wart wünschen lassen. Vermuthlich wieder ein Gastmahl von weiblichen Vollkommenheiten zehn Meilen in die Runde? Aufs Butterbrod gestrichene Empfindsamkeit und häusliche Tugenden mit einer McerreUigsauce, daß einem die Augen übergehen; zum Nachtisch gefrorne Sentiments und Gelee von zartem Gefühl? Nicht wahr* Onkel* chen? — Oder eine Kunstausstellung von gemahlten Statuen und hölzernen Gemählden? Eine Preisbe­ werbung um meine kostbare Hand? Es wäre mir lieb, Herr Neffe, wenn du endlich anfingst, dich um ein wenig Vernunft zu bewerben. Wie lange -soll das unstate Leben ohne Zweck noch währen? Du bist einmal der Erbe meines Vermö­ gens, der Herr dieser schönen G ü te r------Mein gütiger Oheim beglückt keinen Undankbaren. Lyrum, larum ! Heirathe, bring' mir eine freund­ liche, hübsche Nichte ins Haus; das ist die teste Manier mir deinen Dank zu zeigen.

Eine E r z ä h l u n g .

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An mir liegt die Schuld nicht, wenn es nicht schon längst geschehen ist; davon sollen Sie sich heute wieder überzeugen. Ich werde die Schönen mit großer Aufmerksamkeit recognosciren; ich werde ihnen Gelegenheit geben, die Batterien aller ihrer Reizauf mich spielen zu lassen, und gelingt es einer von ihnen, meinem Herzen auch nur eine Contnsion bei­ zubringen , so gebe ich Ihnen mein Wort, ehe der Sommer vergeht, umschließ' ich das wilde Leben mit dem Pferch der heiligen Ehe und hänge meine goldne Freiheit in den Rauch, um sie mir schnittchenweise zu Beförderung der Verdauung von meiner Frau zu­ schneiden zu lasten! — Guten Morgen, lieber Onkel! Damit sprang er hinaus und warf sich auf das Pferd. Der Onkel erhob sich kopfschüttelnd und ging, seine Toilette zu machen.

Zweites Kapitel. Der Mittag war über Eduards Erwartung ange­ nehm hingegangen. Man hatte sich zwar in herge­ brachter Steifheit zu Tische gesetzt, und die erste Viertelstunde war lediglich dem Lobe des schönen Wetters und der delikaten Krebssuppe gewidmet wor­ den, allein der Wein und ein paar muntre Köpfe in

6

De r I n s t i n k t .

der Gesellschaft warfen bald Leben in das todte Meer. E duard fand übcrdicß seine blonden Nachbarinnen der Aufmerksamkeit nicht unw e rth , und der Oheim w ar selig an der Seite einer lebhaften B rünette, die seine kleinen Galanterien mit vertraulicher Neckerei erwiederte. ‘ S o stand die Sonn e schon ziemlich tief, als die Gesellschaft sich erhob, um im Garten den Kaffee zu trinken, der sie in einer geräumigen hohen Laube erwartete. M a n hatte dort die Aussicht au f das frische G rü n eines weiten Rasenplatzes, den die m an­ nigfaltigsten Banmgruppen begränzten. Welche seltsame Gestatt kommt dort au f im 5 z u ! — rief die muntre Brünette. — S ie h t der M ann nicht so fremdartig a u s , wie ein auf die Erde gefal­ lener Mondbewohner? Oder wie ein G enie, — bemerkte einer, — welcheder deutsche P atriotism us eben um des Fremdartigen willen verhungern läßt oder einsperrt. E s ist dennoch etwas nobles in der Figur — siel ein Andrer -ein. Vielleicht ein vacirender Minister oder wohl gar ein Vertriebner Kronprätendent. M a n kann heut zu Tage nicht wiffen. Unter diesen Bemerkungen hatte sich ein langer hagrer M a n n genähert, deffen Kleidung aus der T r ö ­ delbude zusammengewürfelt schien. M it abgezognem H ute und vielen Complimenten bat er um die Erlaub-

Li ne E r z ä h l u n g .

7

niß, eine hohe Gesellschaft durch ein kleines Conzert unterhalten zu dürfen. Sie tyurfce ihm mit Freuden zugestanden. Er trat hinaus und winkte mit dem Hute; drei andre Männer, zwei Knaben und zwei junge Mädchen kamen aus dem Gebüsch; eine ält­ liche Frau blieb in einiger Entfernung zurück. Sie stellten sich in einen Halbkreis um ihren Anführer, dem man jetzt eine'Violine überreichte, und gaben der Gesellschaft eine Musik, welche die angenehmste W ir­ kung nicht verfehlte. Von den beiden Mädchen, wel­ chen der schwarze Rock mit dein kurzen Leibchen von gleicher Farbe, und das rothe Mieder mit silbernen Knöpfen und Schnüren gar artig stand, spielte dis altere die Harfe, die jüngere blies die Flöte oder schlug das Tambourin, das an ihrem Gürtel hing. Wahrend die Musik nach und nach schwächer ward, zogen sich die Spielenden allmählich auf die Seite, bis auf den ältern Knaben, der mit seiner Flöte in der Mitte des Platzes stehen blieb. — Jetzt war alleS still. Der Flötenspieler fing eine langsame doch froh­ bewegte Melodie an; von Zeit zu Zeit antwortete ihm ein Waldhorn mit den übrigen Instrumenten wechselnd in gedampften Tönen. Endlich schwiegen diese gänzlich und die Flöte rufte ihnen vergebens in einzelnen Klagelauten. Die Harfenspielerin trat her­ vor und sang, sich auf ihrem Instrument begleitend, mit grober Anmuth die folgenden Verse:

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Der

Instinkt.

Wer weckt mit seinen Klagen des Waldes Wiederhall? Willst du dein Leid mir sagen, du süße Nachtigall? Du sprichst zu meinem Herzen; es hört voll Sehnsucht zu. Ich fühle deine Schmerzen, ich leide so wie du. Laß unser Leid uns sagen, du traute Nachtigall! Es töne unsern Klagen des Herzens Wiederhall. Die Harfe ging in leisen Accorden weiter. Die Flöte ließ sich noch in einigen Tönen vernehmen, dann fang der Knabe mit einer angenehmen Summe zur Antwort r In unsern Blüthctagen da tackelt uns das Gluck, da spricht aus unsre Fragen das Leben hold zurück. Bald geht der Pfad mit Neigen durch öde Wüstenein; die holden Stimmen schweigen und lassen uns allein.

Line E rz ä h lu n g .

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Hier fiel die erste Stimme mit ein, und Leide san­ gen in inniger Bewegung:

Doch sieh, durchs Herz zieht Friede, wie Mondschein durch die Nacht: es ist dem Leid im Liede ein süßer Trost erwacht. Im Liede blüht das Leben uns schöner wieder auf, und aus den Tönen schweben wir fröhlich Himmelauf. — Als nun die übrigen Instrumente in die Melodie einfallend, den Schluß machten, erschallte den Sän­ gern der allgemeinste Beifall. Jeder suchte ihnen etwas verbindliches zu sagen, und als man erfuhr, daß Idee und.Ausführung von dem allen der schönen Sängerin selbst verdankt werde, so trug dies nicht wenig dazu bei, das Jnteresie zu erhöhen, welches ihre angenehme Gestalt und ihr Gesang erzeugt hat­ ten. Eduard besonders fühlte Empfindung und Fan­ tasie aufs lebhafteste angeregt. Er wünschte sehnlich, mit diesem wunderbaren Wesen in nähere Bekannt­ schaft zu treten, und hatte dem Oheim um den Hals fallen mögen, als dieser durch eine Einladung auf fein Schloß für die Befriedigung dieses Wunsches sorgte. »Der Anführer der kleinen Gesellschaft betheuerte, daß

io

D er

I n s t in k t .

er die hohe Gnade m it dem dankbarsten Herzen zu schätzen wisse, und zur Recreation und Satisfaction einer gnädigen Versammlung alle seine Kräfte auf­ bieten werde. D arauf ließ er noch einige Musikstücks folgen, die seinen Leutem Gelegenheit gaben, die Fer­ tigkeit eines jeden aus seinem Instrumente an den Tag zu legen, und da es darüber anfing dunkel zu werden, so brach endlich alles auf und zog Paarweis unter Voraustretung der Musik nach dem Schloffzurück.

Dr i t t es Kapi t el . Am andern Morgen brachten die neuen Gaste der beim Frühstück versammelten Gesellschaft ihren M orgengrns; in einigen artigen Liedern, die sich alle durch Gefälligkeit, oft durch Neuheit und O riginalität auszeichneten. Jetzt hatte man bessere Gelegenheit, die interessan­ ten Ankömmlinge zu mustern. Die Damen fanden die halb bäurische Tracht der beiden Mädchen und die flammenden Augen des ältern Knaben, dessen GesichiSzüge die fremde Abkunft verriethen, recht hübsch; die Aufmerksamkeit der Männer ward unge­ t e i l t jenen beiden zu Theil. Wenn auch die alters

Eine Erzählung.

Xi

die regste Theilnahme für sich hatte, so zog doch daS r.unde Gesichtchcn der jungem mit der kleinen ver­ schmitzten Nase und den frischen Rosenlippen sehr viele a u f seine Seite. Eduard bemerkte mit Unruhe, daß der Onkel zu den erstem gehörte, und sich ungewohnlich geschäftig um die schöne Sängerin bewies. Unterdeß hatten sich einige an den hagern Anfüh­ rer gemacht, und ihn über seine Lebensgeschichte be­ fragt. - - Ich getraue mich zu behaupten, antwortete e r , daß meine Schicksale, mit gehöriger O rdnung und Ausführlichkeit erzählt, zu nicht geringem D iver­ tissement einer hohen Gesellschaft gereichen würden. O hne mir in Dero Augen einen Werth geben zu wollen, mag ich wohl sagen, daß ich zu gegenwär­ tigem armseligen S ta n d e nicht geboren und erzogen w a r ; allein ich schien von Jugend a u f , wenn ich mich also exprimiren d a rf, zum wahren Lastesel und Sündenbock aller N arren und Spitzbuben bestimmt zu seyn. IV est pas toujours h ciircu x , qui e*t digne de T ctre.

D ie weitem Fragen über seine Begleiter brach er kurz mit der Versicherung a b , daß sie alle zu seiner Familie gehörten. Thätig und unverdrossen sorgte er nun für die tägliche Unterhaltung der Anwesenden. Einige Dilet­ tanten unter den letztem und ein paar Bediente des O nkels, die etwas musikalisch w aren, traten der

12

Ser

Instinkt.

Fam ilie bei, und m an hatte alle Abende ein ziemlich wohl besetztes Conzert. D a s beliebteste aber blieben imm er die Lieder und S c e n e n , welche die H arfner in, von ihrer ju n g e m G efährtin und dem Flötenspieler unterstützt, zum besten gab. D ie beiden letztem fü h r­ ten auch ein p aa rm al pantomimische Tanze m it unge­ meiner Behendigkeit und Zierlichkeit auf. In d e ß w a r E du ard dem Gegenstände seiner B e w u n ­ derung und seiner Wünsche um keinen S c h ritt naher gekom m en, denn das Mädchen wich jedem Versuche zur A nnäherung, der von ihm oder von andern gemacht w u r d e , höflich aber ernst zurückweisend a u s , und er sah sich also lediglich a u f Blicke und kleine D ienst­ leistungen gestellt, um ihr den Zustand seines H er­ zens zu erkennen zu geben. D e s Abends s p a t, wenn alles im Schlöffe still w a r , schlich er sich regelmäßig in einen großen leer stehenden S a a l , in welchem alte W affenrüstungen hingen, und der an das von dem Alten m it seiner F ra u und den beiden Mädchen be­ wohnte Zimm er stieß. D o r t vergönnte ihm eine m it­ leidige S p a l t e in der T h ü r zuweilen noch den Anblick der Geliebten im züchtigen N egligee, oder ließ den W o h llau t ihrer S tim m e zu seinen entzückten O h ren gelangen. Als er eines Abends sich a u f seinen gewöhnlichen Posten begeben w ollte, w ar in dem anstoßenden Z im ­ mer schon alles still. Eine Lampe flackerte erlöschend

E in e

E r z ä h lu n g .

t3

auf dem Tische. Er schloß daraus, daß die Familie schon zu Bette sey, und war im Begriff, seinen Rück­ zug anzutreten. I n dem Augenblick öffnete sich ihm gegenüber die andere Saalthür leise knarrend; es trat jemand behutsam herein und näherte sich auf den Fehen. Es war so finster, daß Eduard durchaus nichts erkennen konnte. Er drückte sich in eine Ecke und beschloß den Ausgang abzuwarten. Die leisen Schritte des Ankömmlings gingen nach dem Orte zu, den er eben verlassen hatte, und schienen sich, nach einigen schweren Seufzern, eben wieder davon zu ent­ fernen, als plötzlich auf der andern Seite eine der alten Waffenrüstungen mit Donnergeprassel zur Erde stürzte. Ein lauter Schrei ließ sich in der M itte deS Saales hören; darauf war alles still. Eduard, dem es unheimlich zu Muthe ward, suchte tappend die große M ittelthür zu erreichen, stieß aber auf ein M al hart an jemand an. Wer da? wer da? erschallte eS hinüber und herüber, doch-erfolgte von beiden Seiten keine Antwort, und Eduard bemühte sich desto eiliger die Thür zu finden. Allein da vermuthlich die andere Person von gleichem Verlangen getrieben war, und ihren Rückzug nicht minder beschleunigte, so konnte *6 nicht fehlen, daß sie nicht beide im nächsten Augen­ blick zum zweiten Male an einander rennten. I n der Angst griff Eduard zu ; der Ergriffene aber fing gräßlich an zu schreien: wer da? Hülfe! Licht! Diebe!

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Der

I n s t i n k t .

M örder! Die Seitenthür sprang a u f, es ward hell, die ganze Künstlerfamilie stürzte erschrocken heraus. Eduards erster Blick suchte seinen Gegner und fiel auf seinen Onkel, der m it weit geöffnetem Munde, in welchem noch einige Dutzend Diebe und Mörder zu schweben schienen, ihn anstarrte. Die Zuschauer wußten nicht, was sie denken sollten. Im lächerlich­ sten Aufzuge, die Nachtlampe in der Hand, stand der Vater der beiden Mädchen unbeweglich da, und seine Beredtsamkeit hatte ihn ganz verlassen. Die runde Nachthaube unter dem Kinn zugebunden, klei­ dete seinem langen hagern Gesicht vortrefflich, und um die Schultern hatte er in der E ile, sich nicht zu erkalten, einen Unterrock seiner Frau geworfen. Der Oheim, der, jetzt erst die Frauenzimmer bemerkend, höchst verlegen die Nachtmütze abzog und sich an sie wendete, gab ihm das Leben wieder. E r irgoß sich in einen Strom von Entschuldigungen, daß er in einem so respektwidrigen Aufzug erscheine, und feine Frau suchte vergebens ihn nach dem Zimmer zurück­ zubringen. Herr Jesus, was ist das, unterbrach ihn auf ein M a l die jüngere Tochter, indem sie, sich hinter ihn versteckend, nach einem -großen Tische hinwies, der m it einem rothen Teppich bedeckt in der M itte des Saales stand — der rothe Tisch bewegt sich. Die ganze Versammlung sah erschrocken den rothen Tisch,

L in e Erzählung.

rz

dann sich unter einander an, und die Frauenzimmer machten Miene, davonzulaufen; Eduard aber erin­ nerte sich der Stimme, die er gehört hatte, ging hin, den Teppich aufzuheben, und siehe da! der Kammer­ diener des Oheims kroch beschämt auf allen Vieren hervor. Aber um GotteSwillen, fuhr ihn der Oheim an, froh, an diesem Abteiter seinen iimnuth und seine Verlegenheit entladen zu können, — was macht der Kerl da unter dem Tische? Verzeihen Sie, gnad'ger Herr, stotterte der Mensch, ich wollte — es sind immer so viele Mause hier im Saat, ich wollte eine Mausefalle aufstellen. Was schwatzt der Pinsel, schrie der Oheim, in dieser einfältigen Antwort einen Doppelsinn argwöh­ nend— jetzt in svater Nacht? und unter dem Tische? Es kam endlich heraus, daß ihm ein Mädchen auö dem Schlöffe hier eine Zusammenkunft zugesagt, und er bei dem fürchterlichen Gepraffel der Rüstung vor Schreck dorthinunter gekrochen sey. Eduarden kam diese Aussage verdächtig vor, denn er kannte diesen Menschen, der unter dem Schein der ehrlichsten Einfalt die größte Schlauheit verbarg. Aber wie konnte er jetzt daran denken? Er benutzte lieber die Gelegenheit, sich seiner Herzenskönigin zu "ahern und ihr zu sagen, daß nur sie ihn hierher­ gezogen, und so das Abenteuer veranlaßt habe. Sie

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Der

Instinkt.

schlug erröthend die Augen nieder, und schwieg. E r faßte sanft ihre H a n d , die sie nicht zurückzog, und drückte seine heißen Lippen d a ra u f; da trat der Onkel hastig hinzu, entschuldigte sich nochmals bei den Frauenzimmern, wünschte gute Nacht, und zog ihn mit sich fort. Schweigend ging er voran; Eduard fühlte nicht den mindesten B e r u f, das Schweigen zu brechen. An seiner Thüre sagte er, ohne sich umzu­ sehen: gute Nacht! und Eduard eilte selig a u f sein Jim m er. — Am andern Abend, nach dem gewöhnlichen (Kon­ zert, nahm Angelika, so nannte man die Harfnerin, schweigend ihre H arfe, und nachdem sie mit eini­ gen Accorden erwartungsvolle S tille verbreitet hatte, sang sie: W er klopft so spät an meine Zelle? wer ist's bei später Nacht? — » D ie Liebe steht auf deiner Schw elle und bittet: aufgemacht! Ich bringe süße Spenden, die lindern alle P ein ; ich w ill dein Sehnen enden, drum laß mich schnell hinein? W a s weckst du wieder das Verlangen m meiner stillen B r u st?

Eine E r z ä h l u n g .

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I n deinen Blumen lauschen Schlangen und bald stirbt deine Lust. Was auch dein Mund versprochen, ich lasse dich nicht ein. Du hast dies Herz gebrochen, wer kann ihm Trost verleihn? Da klopft es wieder an der Zelle. Wer ist's bei Mitternacht? „ Ein treuer Freund steht auf der Schwelle und fordert: aufgemacht! Ich bringe keine Gaben, ich bringe dir blos mich. Zwei schwarze Männer graben ein Haus für mich und dich.* Du letzter Trost, 0 sey willkommen l Mach' auf dein stilles Haus. Die Welt hat alles mir genommen; ich trete froh hinaus. Es bannt das trübe Sehnen des Todtengräbers Spruch; die letzten Kummerthränen verwischt das Leichentuch.

Die Harfe verhallte leise. Eduard sah Dhrärnn in Angelika's Augen glänzen. Sie stand auf, lehnte Contess. S c h rift

2 . Vt>.

2

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Der

Instinkt.

die Harfe an die Wand, und schlüpfte zur Thür hinaus. Ih r Vater schien unzufrieden mit ihrem Betragen; der Onkel wollte unbefangen scheinen, es gelang ihm aber schlecht, und Eduard fühlte, daß das Barometer seiner Hoffnungen beträchtlich gefallen sey. Gern wär1 er ihr gefolgt, aber cs fYtnicn' neue Gaste, die ihn zum Bleiben zwangen. Ein alter Freund des Oheims, den die Trauer um feinen im Zweikampf gebliebenen altern Sohn lange Zeit von allen Menschen entfernt hatte, besuchte jenen zum ersten M al wieder in Gesell­ schaft seines jüngcrn, der mit Eduard erzogen wor­ den und jetzt nicht langst von seinen Reisen zurück­ gekehrt war. Die Erscheinung des jungen Diethorst setzte den Zirkel der anwesenden Damen sichtbar in Bewegung. Eduard selbst mußte sich gestehn, nie einen schönern Mann, von edlerm Anstand und ruhig sicherer Haltung gesehen zu haben. Um desto befrem­ dender war es ihm, zu bemerken, daß er beim E r­ blicken von Angclika's Vater bestürzt und wirklich Ln Verlegenheit zu seyn schien. Auch der Alte war be­ troffen und r erließ sogleich das Zimmer. Eduards Freund setzte sich wahrend einiger gleichgültigen Fra­ gen nach jenem, den er vor einiger Zeit mit seiner Gesellschaft in einem Bade giteeffcn zu. haben er­ wähnte, wieder ins Gleichgewicht, und misckwe sich daun ins allgemeine Gespräch, welches er bald so

Ei ne E r z ä h l u n g .

19

zu beleben wußte, daß man erst spat aus einander schied.

Vi ert es Kapi tel . Beim Erwachen am folgenden Morgen fand Eduard auf seinem Bette eine halb aufgeblühte Rose. Um den Stiel wand sich ein kleiner Zettel jmt den Wor­ ten: Abschied und Andenken. Eine bange Ahndung fiel ihm auf das Herz. Er sprang aus dem Bette, kleidete sich eilig an und lief nach dem großen Saal. In dem Seitcnzimmer war alles still, und er wagte es endlich, anzuklopfen. Niemand antwortete. Cr klopfte starker: kein besserer Erfolg. Nun öffnete er leise die Thüre und trat — in ein leeres Zimmer. Der Anblick machte ihn starr, und heftete ihn einige Augenblicke unbeweglich auf eine Stelle; dann aber siog er in den Hof hinab, Erkundigungen einzuzichn. Man sagte ihm, Angelika seu mit allen ihren Beglei­ tern schon vor Tages Anbruch fortgegangen. Ein 'Bedienter überreichte ihm ein Billet an den Oheim, welches ihm der Alte gegeben hatte.- Es enthielt Danksagungen und Entschuldigung ihrer plötzlichen Abreise, wozu ein unvcrnnt'beter Vorfall sie gezwun­ gen. Eduard nahn; das Billet, und stürmte damit in

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D er

I n s t in k t .

des Onkels Schlafzimmer. Dieser konnte sich die Ursache ihrer Abreise eben so wenig erklären, und schien darüber fast nicht minder unruhig zu seyn. Eduard ließ sein Pferd satteln und r itt ihnen auf dem Wege nach, den sie nach Aussage der Bedienten eingeschlagen hatten. Eine Stunde weit blieb er auf ihrer S p u r, aber dann konnte ihm niemand werter Nachricht geben. Nach langem vergeblichem Umher­ irren nahm er hoffnungslos den Rückweg nach dem Schlosse. Nicht weit davon kam ihm ein Reuter entgegen­ gesprengt. Es war Diethorft. Hast du sie gefun­ den ? schrie er Eduard schon von weitem zu. Eduard verneinte mißmuthig. D u wirst mir meine schnelle Entfernung vergeben, fuhr jener fo rt, indem er sein Pferd anhielt; ein dringendes Geschäft ru ft mich nach D . . . Leb w obl, auf baldiges Wiedersehn! — E r gab seinem Roß die Sporen und jagte weiter. I m Schlosse fand Eduard bei seiner Zurückkunst den größten Theil der Gäste im B egriff abzureisen. Die Ucbrigen folgten ihnen den andern Tag. Auch der alte Diethorft brach auf. Die S tille , die nun­ mehr im Hause einkehrte, so willkommen sie sonst gewesen wäre, schien dießmal seinen Bewohnern sehr Lästig. Der Onkel war den ganzen Tag auf seinem Zimmer beschäftigt; Eduard strich auf der Jagd um­ her, und wenn beide bei Tisch zusammen kamen, gab

Eine Erzählung.

2J

eS n u r eine sehr magre einsilbige U nterhaltung. E s w a r , als ob jeder vor dem andern etwas verbergen w o llte, und seine eignen W o rte als V errather fürch­ tete. S o vergingen acht T age. E du ard konnte stun­ denlang vor der verwelkenden Rose stehen; er über­ raschte sich oft selbst über den seltsamsten' B ild e rn und T r a u m e n , und mußte' sich gestehn, daß Angelika einen tiefern Eindruck a u f ihn gemacht habe, als je ein Mädchen vor ihr. D a tra t eines M o rg ens sein B edienter m it schlauer M iene in sein Zimmer. Wissen S i e schon, gnäd'ger H e r r , fing er an — ? — W a s soll ich wi ssen? antw ortete E du ard verdrieß­ lich ! N u r heraus m it der wichtigen Neuigkeit! D u w e iß t, ich kann die V orreden nicht leiden. I daß das schöne Harfcnmadchen wiedergefunden ist, mein'ich nur, versetzte J o h a n n lächelnd. — E d u a rd sprang a u f , und faßte ihn bei beiden S chultern. — b S i e ist bei einer Schauspielertruppe drüben im Sächsischen. I n D . . . hat er sie selber gesehn." E r ? W e r d e n n ? W e r hat sie gesehn ? S o sprich doch, Pinsel. I n u n , A ugu st, den der H err Önkel weggeschickt h a t t e , ist gestern Abend? wiedergekommen und hat m irs im V ertrauen entdeckt. E r hat sie selbst gesehn.

22

Der

I n s t i n k t .

Eduard griff nach den Stiefeln und befahl dis Pferde zu satteln. — Aber, gnad'ger H err, sagte Johann säumend------Was für ein Aber? Der Herr Onkel sind ja auch verreist. S o ? — Desto besser.' - So braucht er gar nichts von meiner Reise zu er fab reu. I n einer halben Stunde saß Eduard mit seinem Johann zu Pferde, und trabte nach der Grenze.

Fünftes

Kapitel .

I n der Dämmerung des folgenden Tages zu D . . . angelangt, war seine erste Frage nach dem Komö­ dienzettel. Es wurde M aria S tu a rt gegeben, und eine fremde Schauspielerin tra t in der Rolle dev M aria auf. Das mußte Angelika stun. Cr eilte nach dem Schallspielhause. Eben trat M aria auf die Bühne. Es blieb ihm kein Zweifel, pivai* konnte er wegen der Entfernung, in welcher er stand, ihre Gesichtszüge nicht ganz deutlich erkennen, allein es war Angelika's Stimme, ihr Gang, ihr schlanker Wuchs. N u r etwas größer schien sie ihm , und ihr Haar etwas dunkler; doch ließ sich das letztere leicht aus der Wirkung des Kerzenlichtes erklären.

Ei ne E r z ä h l u n g .

23

Aber wie verschieden von dem Bilde, welches die Harfnerin in ihm zurückgelassen hatte, war der Ein« druck, den heut die Schauspielerin auf sein Herz machte. Diese Anmuth, diese Würde in W ort, Ge­ lerde und Stellung riß ihn zur Bewunderung fort. Wie eine Gottheit stand sie vor ihm im Glanze der Verklarung, und wenn er jene geliebt hatte, hatte er vor dieser die Kniee beugen und anbeten mögen.— Nickt ohne Unruhe sah er Aller Blicke auf sie gerich­ tet, und vernahm das Lob, das ihr allgemein zu Theil ward. Es war ihm, als ob diese Blicke, die­ ses Händeklatschen sie nur cntweiheten; es sollte sie niemand sehen, niemand bewundern, als er. Alle männliche Zuschauer kamen ihm als Nebenbuhler vor. Kaum war endlich Maria im letzten Akte, von Thränen und rauschendem Beifall begleitet, zum Tode gegangen, als er sich durch die Menge drängte, und nach der hintern Thür des Hauses lief, durch welche, wie man ihm gesagt, die Schauspieler zu kommen und zu gehen pflegten. Es wurde bald lebhaft auf der Straße, die Wagen rasselten, das Schauspiel war aus. Mehrere Haufen von Nachhausekehrenden gingen an ihm vorüber. Der Name Maria war auf allen Lippen. — Nun fingen auch die Schauspieler an sich zu entfernen. Cs war dunkel geworden, und Eduard fürchtete beinah, daß Angelika unbemerkt entschlüpft seyn könnte: da kommt

Der

Instinkt.

endlich ein Frauenzimmer, einen grünen Schleier übers Gesicht, am Arm eines dicken Herrn. Es ist M a ria ! er erkennt sie an Wuchs und Kleidung. Es ist Ange­ lika! Sein Herz pocht ungestüm. E r tritt ein paar Schritte hastig naher — und fliegt erschrocken dret Schritte wieder zurück: der dicke Herr war nie­ mand anders als der Onkel, nicht weniger erstaunt als er, über die unvermuthete Zusammenkunft. Bcrde sahen sich starr an; keiner wußte recht, was er thun oder was er sagen sollte. I n dem Augenblicke kommt eine Postchaise die Straße herab gerasselt und halt vor dem Hause still. Ein M ann springt heraus, in welchem Eduard seinen Freund Diethorst zu erkennen glaubt. Angelika laßt den Arm des Onkels fahren, lauft auf den Fremden zu ; dieser sagt ihr ein paar Worte ins O h r, bietet ihr seinen A rm , führt sic zum W agen, hebt sie hinein, springt-selber nach — und dahin fahren sie! Nicht leicht mögen wohl, seit dem Sündenfall unserer ersten Aeltern, zivet Menschen alberner sich gegenüber gestanden haben, als der Onkel und Eduard in diesem Moment. Eduard war ganz betäubt; der Onkel faßte sich zuerst. Wollen wir nicht in den Gasihof gehen? sagte er mit kleinlauter Stimme? Eduard folgte ihm maschinenmäßig und schweigend, und so gelangten sie, ohne ein W ort gewechselt zu haben, vor die Thür des Gasthofes.

Eine

Erzählung.

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Aber lächerlich ist die Geschichte doch, kehrte sich hier der Onkel zu Eduard, sehr lächerlich, obgleich ein wenig impertinent und unbegreiflich obendrein. Wie kommst du denn hieher, Eduard? Ich hörte gestern fruf), daß Sie verreist waren, ich hatte Langeweile zu Hause, und beschloß, einmal ein paar Tage in der Stadt zu leben, wo ich freilich rlichts weniger erwartete, als daß ich das Glück haben würde, Sie zu treffen, bester Oheim. Sehr verbunden. Mich rüste ein äußerst wichti­ ges Geschäft' hieher. Der Krieg rückt uns immer näher. W ir sprechen davon ein andermal. — Maria S tuart zog mich ins Schauspielhaus, wo du wahr­ scheinlich auch warst; ich erkenne höchst verwundert in der schönen Königin unsre schöne Angelika, wie du wahrscheinlich auch gethan hast; ich gehe am Ende deö Stücks auf das Theater; Mamsell tritt mir an­ dern Ankleidezimmer entgegen, ich gebe ihr meine Freude über dieses unvermuthete Tr.effen zu erkennen: Mamsell scheint sehr verwundert, verlegen, antwor­ tet mir keine Sylbe; ich biete ihr meine Begleitung an , Mamsell besinnt sich einen Augenblick, lacht dann laut auf, ergreift meinen Arm, fahrt mit um* die Treppe hinunter, daß ich fast den Hals breche; wir treten aus dem Schanspielhause, wo mich der liebe yteffe, wahrscheinlich auch auf Mamsell wartend, durch seine Gegenwart überrascht; die Postchaise ras-

26

Der

Instinkt.

fest, Mamsell macht sich sehr unartig von mir los, und so weiter! das ist verdrießlich zu wiederholen. Laß uns hier in die Gaststube treten und uns restauriren. Ich habe entsetzlichen Hunger. Das Gespräch an der Table d' hote war sehr leb­ haft und drehte sich abwechselnd um die neue Schau­ spielerin und um die neusten Kriegsvorfälle. Eduard und der Onkel nahmen an der andern -noch leeren Seite des Tisches Platz. Ein junger Mann, den beide sogleich für den Schauspieler erkannten, welcher heut den Mortimcr gespielt hatte, setzte sich, sie höf­ lich grüßend, ihnen gegenüber. Der Onkel knüpfte bald ein Gespräch mit ihm an, indem er einiges zum Lobe seines Spieles sagte. Sie machen da eigentlich nur der schönen Maria ein Compliment, erwiederte der junge Mensch; denn wer ihr gegenüber in meiner Rolle ein Stock bleibt, den hat der liebe Gott zum Schurzfell oder zur Elle, nicht zum Cothurn bestimmt. Den armseligsten Stüm­ per, wenn er nur Augen hat, und ein gesundes Herz über dem Magen, muß die Anmuth ihrer Person, die Herrlichkeit ihres Spiels begeistern, mit fortreißen und über sich selbst erheben. Der Oheim meinte, er sey zu bescheiden. Zu entschieden vielmehr in meinem Lobe, lächelte jener; Sie könnten ja leicht andrer Meinung seyn. Indeß ob ich gleich zu den alten Anbetern der schönen

Eine E r z ä h l u n g .

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Maria gehöre, und also wohl ein wenig parteiisch seyn mag, so siche ich doch nicht an, mich dreist auf daS eigne Urtheil der Herren zu berufen. Sie kannten sich also schon vorher? fragte Eduard lebhaft. Mas sollte ich nicht, rief der Schauspieler aus. Unsere Bekanntschaft ist nicht von gestern. O wenn Sie sie erst wie ich, in so vielen und so verschiedenen Rollen gesehen hatten, überall gleich vortrefflich----Darf ich fragen, unterbrach ihn Eduard — Dann würden Sie sie erst' bewundern, fuhr jener mit einer höflichen Verbeugung gegen Eduard fort, ohne sich jedoch im mindesten unterbrechen zu lassen. ES liegt nun einmal, ich weiß nicht, soll ich sagen, der Fluch auf dem deutschen Schauspieler, daß er sich in den heterogensten Elementen bewegen, bald Fisch, bald Vogel seyn muß. Doch möchte das noch hin­ gehn, wenn es' nur bei dem reinen Trauerspiel oder Lustspiel sein Bewenden hätte; allein da laufen bei uns noch so viele wunderliche Amphibien zwischen beiden durch, die alle wieder beinah in so viel beson­ dere Gattungen zerfallen, als es Individuen giebt, und der Schauspieler, welcher sich durch alles dies durchwindend, nicht entweder sich selbst verwirrt und derliert, oder in einer alle# über einen Leisten schla­ genden Manier untergeht, muß wabrlich kein gewöhn­ licher Mensch seyn.

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Wollen Sie mir erlauben, hub Eduard von neuem ungeduldig a n -----Ich weiß, was Sie sagen wollen, — unterbrach ihn der fertige Sprecher, dessen laute Stimme sich Zuhörer am Tisch zu werben anfing — Sie meinen, daß eben diese Nothwendigkeit, sich in so mannigfal­ tige Formen und Gestaltungen zu modeln, die Ge­ wandtheit und mechanische Fertigkeit des Schauspie­ lers in hohem Grade befördern müsse. Sie haben Recht; allein dies wird doch immer auf Kosten der wahren Kunst geschehen, wenn der Genius nicht über ihm waltet, oder die Natur ihn nicht wenigstens mit scharfer Urtheilskraft und klarer Besonnenheit be­ gabt hat. Eduard rückte ungeduldig aust seinem Stuhle hin und her, öffnete den Mund zum Sprechen, hustete; aber sein Gegner war unerbittlich. — Alle die so ver­ schiedenen Gattungen unsers Schauspiels, fuhr er fo rt, erfordern auch eine eben so verschiedene Behand­ lung. Das ist meine Meinung. Ich will hier nicht die Mannigfaltigkeit, die Beweglichkeit, das kleine Detail des Lustspiels neben die Einfachheit, die Ruhe und die breiten Massen des hohem Trauerspiels stel­ len , weil es sich hier von selbst versteht; obgleich viele berühmte Schauspieler nichts davon zu wissen scheinen, den beliebten Conversationston, wie ein an» geborues Gebrechen, in den Fürstensaal, den Tempel,

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ja in den Himmel selbst mitschleppen, und mit dem lieben Gott selbst wie mit dem Vetter Michel conversiren würden; ichw ill als Beispiel nur zwei Trauerspiele eines undeben desselben Dichters anfüh­ ren. Ich meine Schillers Wallen stein und die Braut von Messina, von denen das erste durchaus charakte­ ristische Meisterwerk offenbar eine größere Mannig­ faltigkeit und Individualität in Ton und Geberde zuläßt, ja verlangt, alö die ideale Haltung deS zweiten. Hier stand Eduard hastig aüf, und Lat den Oheim um Verzeihung, daß er ihn verlassen müsse. ES sey ihm ein Einfall gekommen, dessen Ausführung keine Verzögerung erlaube, und wovon er ihm den Erfolg bei seiner Rückkunft mittheilen werde. Hierauf ent­ fernte er sich eilig.

Sechstes K a p i t e l . AuS der Ungewißheit was er thun solle, welche ihn biS dahin unter der Leitung des Onkels gelassen hatte, riß ihn nämlich jetzt auf einmal der Gedanke, daß -er vielleicht auf der Post erfahren könne, auf welchem Wege ihm der Fremde, den er für Diethorst gehalten, die schöne Angelika entführt habe. Er fand

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auch in der That dort feine Schwierigkeit. Man nannte ihm die nächste S taren , und cs fiel ihm so­ gleich ein, das, dies der Weg nach dem Gute deö alten Diethorst sey. Eine gemischte und eben dar­ um desto mächtigere Empfindung von Liebe und Erbit­ terung bewegte seine Brust, und trieb ihn an, den Flüchtlingen zu folgen. Ehe ihm selbst'noch sein Vorsatz klar geworden war, hatte er schon Postpferds bestellt, und war nach dem Gasthofe zurückgeeilt, um seinem Bedienreu einige Befehle, und eine Nachricht für den Oheim zurückzulassen, und fuhr in raschem Trabe zum Thore hinaus. Die frische Nachtluft kühlte ihn zwar bald von außen ein wenig ab, und schlug auch dadurch aus der wallenden Mischung von Gedanken und Empfin­ dungen in seinem Innern einige ernste Reflerionen über den eigentlichen Zweck dieser Spazierfahrt nie­ der, allein sie hatten keine andere Wirkung auf ihn, als daß er nach einiget* Zeit, sich dem weltbeherrschen­ den Zufall gläubig vertrauend, in einen sanften Schlummer fiel, aus welchem ihn erst das Horn des Postillons vor dem Posthaufe erweckte. Von Station zu Station verfolgte er nun die Spur der Ungetreuen, und langte so.am andern Tage gegen Abend in einem Städtchen an, wo alles in größter Verwirrung und Bestürzung zu sevn schien. M it leichenblassem Gesicht erzählte ihm der Postmeister

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auf seine Frage: daß eben ein verwundeter Hrrsar mit der Schreckensnachricht zum Thor hereingesprengt sey, der Feind streife in der Nahe herum, und müsse unfehlbar bald hier seyn. N u r mit der größte« Mühe gelang es Eduard, dem ängstlich Hin - und Herlaufenden noch einen Bescheid auf seine weitere Erkundigungen abzupressen. Ein Herr und ein jun­ ges Frauenzimmer, brachte er endlich heraus, waren allerdings vor einigen Stunden angekommen; da aber schon gegen Mittag das Gerücht von der Annä­ herung des Feindes sich verbreitet, habe man ihnen Postpferde verweigert, und könne nun nicht wissen, ob sie irgendwo in einem Gasthofe geblieben, oder etwa eine andere Gelegenheit zum Fortkommen benutzt hatten. Eduard , dem die ungeduldige Erwartung das Herz zu raschern Schlägen trieb, begann eilig von Gasthof zu Gasthof zu wandern; allein bei der allgemeinen Verwirrung glückte es ihm nicht, irgend jemand zu finden, der ihm Rede gestanden hatte. I n den mei­ sten Hausern war man mit Einpacken und Verstecken der besten Sachen beschäftigt; der Marktplatz wim­ melte von Menschen, die theils hin - und herlaufend, theils in einzelnen Gruppen versammelt, Besorgnisse, Ahndungen und schreckliche Gerüchte gegen einander austauschten, und, indem sich jeder dabei der Lebhaf­ tigkeit seiner aufgeregten Einbildungskraft überließ,

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Der I ns t i nkt .

die allgemeine Bestürzung und Angst mit jeder M inute steigerten. Don der einen Seite drängten sich flüch­ tende Landleute mit ihren Habseligkeiten in die S ta d t, wahrend einzelne beladene Wagen au f der entgegen­ gesetzten davon eilten. E s sing an dunkel zu werden. D ie Weiber rangen die H ände, die Kinder schrieen, und die M änner hatten nicht üble Lust es ihnen noch» zuthun. Auf dem Rathhause versammelte sich der M a g istrat, um ju überlegen, was zu th u n , damit der S t a d t kein Schaden geschehe. D er muthvolle Spnd icus schlug vor, die Thore zu schließen, und die Tapferkeit der B ü rg er zur Vertheidigung aufzufor­ dern; allein der Bürgermeister hielt ihm die nieder­ schlagende Bemerkung entgegen, wie diese Tapferkeit, die freilich gestern, da man den Feind noch weit ent­ fernt geglaubt, stolz in die Wolken gegriffen habe, seit heute M ittag auf's jämmerlichste zusammenge­ schrumpft, ja seit einer halben S tu n d e gänzlich in Angstschweiß zerflossen scheine, und man fand endlich nach reiflicher E rw äg ung , das Beste, was man thun könne, sei; — gar nichts zu th u n , sondern in gedul­ diger Ergebung den V erlauf der Sache abzuwarten. E d u a r d , dem, nach langem vergeblichen Umher­ laufen, die Nothwendigkeit den männlichen Entschluß a u fd ra n g , kehrte endlich m ü de, hungrig und verdrieß­ lich in dem nächsten Gasthof ein. E r glaubte nicht an die Nahe feindlicher T ru p p en , höchstens, meinte

Eine

Erzählung.

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er, könnten es einzelne Versprengte seyn, die sich bis hierher verirrt hoben möchten. Indeß wenn auch wirklich die Furcht an ihm ihre ansteckende Kraft aus­ geübt hatte, so spornte ihn doch jetzt der Hunger zu Mächtig an, um nicht den Leuten im Wirthshause mit der Beredtsamkeit eines Demosthenes die Richtigkeit und Leerheit aller dieser Schreckensgerüchte zu bewei­ sen — denn es galt ein Abendbrodt. Da sein Bestre­ ben nun durch die Ruhe, in welcher Viertelstunde 'auf Viertelstunde verfloß, aufs wirksamste unterstützt wurde, so spendete endlich auch die Küche der W ir­ thin seiner Beredtsamkeit den ersehnten Preis. Welche Ueberraschung, welche Freude aber, als ihm das bedienende Hausmädchen unter andern Vor­ fällen des Tages erzählte, es sey auch heute ein frem­ der Herr mit einer Dame hier angekommen, der Herr aber bald darauf auf einem für schweres Geld gemie­ theten Pferde weiter geritten, nachdem er die Dame der Vorsorge und Obhut der Frau vom Hause ange­ legentlich empfohlen, und versprochen habe, morgen wieder hier zu seyn. A uf der Stelle mußte das Mädchen hin, und die fremde Dame, die niemand anders seyn konnte als Angelika, in seinem Namen, um die Erlaubniß bit­ ten, ihr einen Augenblick aufwarten zu dürfen; allein sie kehrte sogleich mit der Botschaft zurück, daß die fremde Dome eben im Begriff sey, zu Bett zu gehen, Contess. Schrift. Bd. 3

und keinen Besuch annehme, auch übrigens gar nicht die Ehre habe ihn zu kennen. Sie hat nicht die Ehre mich zu kennen! rief Eduard ergrimmt aus. Unerhörte Falschheit! aber sie soll mich kennen lernen, sie soll mich sehen, und mein Anblick sie und ihren Geliebten wenigstens beschämen. Der Hausknecht wurde herauf beschieden, versprach gegen ein gutes Trinkgeld, ihn sogleich von der Rück­ kehr des fremden Herrn zu benachrichtigen — und Eduard, dem nun vor der Hand nichts weiter zu thun übrig blieb, begrub seinen Zorn und seine Liebe in die weichen Kissen des hochgethürmten Bettes.

Si e b e n t e s K a p i t e l . Es mochte gegen Mitternacht seyn, als ein hefti­ ges Klopfen an der Hausthür den Schläfer erweckte. Schlaftrunken fahrt er in die Höhe; sein Zimmer ist von rother Gluth erleuchtet, die durch die Fenster bricht; im Hause hört er hin - und herlaufen, Thü­ ren zuschlagen, Geschrei, auf der Straße laute S tim ­ men, verworrenes Getöse. Er springt aus dem Bette, anS Fenster; über die jenseitigen Häuser wirbeln ihm Rauch und Flammen entgegen; es fallt ein Schuß, und noch einer und wieder einer, Reiter sprengen

L in e E r z ä h lu n g .

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durch die Straßen , Thüren krachen, aus den benach­ barten Hausern tönt wildes Jauchzen, Fluchen und Jammergeschrei durch einander. Eduard, die Wahrheit ahnend, w irft sich in dfe Kleider, und eilt die erste Treppe hinab. Ein gräßliches Getümmel schallt aus dem Hause herauf. Auf der zweiten Treppe begegnet ihm ein Soldat, ein ohnmächtiges Frauenzimmer in seinen Armen tragend. Gott, wenn das Angelika wäre! Er kehrt um, er folgt dem Soldaten, der mit seine? Beute in ein offenstehendes Zimmer eilt, worin eine Lampe brennt, und sie dort'auf ein Sofa niederlegt, ohne Eduard zu bemerken, der hinter ihm steht. Die aufgelösten Haare weichen aus dem Gesicht des Frauen­ zimmers zurück: es ist Angelika! M it einem kräfti­ gen Stoße wirst Eduard den überraschten Räuber zu Boden, ergreift die Ohnmächtige, und ehe sich jener aufraffen kann, ist er mit ihr aus dem Zimmer, und hat die Thüre von außen verschlossen. Das Glück begünstigte ihn wunderbar. Hart an der offenen Wirthsstube, worin die Plünderer tobten, führte es ihn vorbei, über die Straße hinweg in ein enges Gaßchen. Dort war alles still und öde. Schon glaubte er sich in Sicherheit, als plötzlich-ein wildes Geschrei in seine Ohren dringt, und hinter ihm sich ein Haufen Verfolgender zeigt. Die Angst treibt ihn rascher an, allein mit jedem Augenblick hört er die

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Der

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Stinnnen näher und näher. Eine offene Thür bietet sich ihm dar, er springt hinein, durcheilt das Haus, den Hof, ein Garten stößt daran, mit einem Fuß­ tritt öffnet er sich den Eingang, gelangt an das andere Ende— da hemmt eine Mauer, sich weit hin­ dehnend, seine Schritte, und schneidet ihn von jeder Hoffnung ab. Entsetzen greift ihm an das Herz, seine Brust hebt sich krampfhaft empor. — Ihm allein gelang' es vielleicht, die Mauer zu erklimmen, doch wie könnte er sie zurücklassen! — Schon werden die Stimmen seiner Verfolger von neuem laut. Er legt die theure Last an die Erde, und sucht in gräßlicher Angst noch einen Ausweg. Vergebens! Ueberall weisen undurchdringliche Mauern ihn verspottend zurück. Er sieht Fackeln durch das Gebüsch schimmern, sich nähern, schon streckt der Wahnsinn der Verzweiflung seine Hand nach ihm aus; doch das Glück ist ihm treu geblieben. An einen Baum gelehnt, erblickt er in dem Augenblick eine Leiter. Es wird wieder hell vor seiner Seele. Er ergreift die Leiter, stellt sie an die Mauer, nimmt mit frischem Muth die Geliebte, dis Gerettete auf den starken Arm, und indem diese durch die Bewegung aus der Ohnmacht erwachend, abex noch halbbewußtlos, sich fest an ihn anschließt, und ihm so die Last erleichtert, schwingt er sich von Spross^ zu Sprosse. Nur das noch, das noch! ruft er sich selbst z u , wenn seine Kraft zu sinken beginnt. Die

Eine

Erzählung.

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Mauer ist nicht hoch: er ist oben! Behend wird die Leiter nachgezogen, auf der andern Seite wieder hin­ abgelassen — noch zwei Minuten — und er fühlt festen Boden unter seinem Fuß und steht sich im Freien. Doch war dort noch keine Sicherheit für ihn. Ohne Säumen eilt er den Abhang hinunter, durch Wies' und Feld , und erreichte die Landstraße, die nämliche, aus welcher er gestern gekommen. Hier aber verließen ihn die-Kräfte, die Kniee brachen unter ihm ein, und er sank gänzlich erschöpft zu Boden. D a lag nun hinter ihm das unglückliche Städtchen, in welchem das Feuer immer weiter um sich zu greifen schien; die dunkeln Wolken zogen, von der Gluth geröthet, über ihm hin, und deutlich drang das Jammer­ geschrei der gcängstigten Einwohner zu seinen Ohren. Ilm ihn her aber war cs still und friedlich; leise schlüpfte der Nachtwind durch die flüsternden Zweige, im nahen Gebüsche flötete die Nachtigall, und freund­ lich ging dort über dem Hügel der Mond auf. W o bin ich? lispelte seine Gefährtin, indem sie die Augen aufschlug, und staunend um sich her sah. Gerettet! sprach Eduard mit matter Stim m e, und drückte ihre Hand fest an seine bochaufschlagende Brust.

IS

De r I n s t i n k t .

Acht es

Kapitel.

D a s Rasseln eines W a g en s, der von der S ta d t herzukommen schien, belebte ihn von neuem. E r sprang empor und rüste den W agen an. E r hielt. Eine kurze D arstellung seiner Lage, noch mehr aber vielleicht der volle B e u te l, womit er seine W orte unterstützte, verschafften ihm und seiner B egleiterin einen Platz a u f dem Fuhrwerk. D er Eigenthüm er w ar ein Einw ohner des S tä d t­ chens, der ebenfalls sich und die S einigen in Sicher­ heit brachte, und sein H aus getrost der P lünderung P re is gegeben hatte. V erloren geht doch, w as verloren gehen soll, sagte der alte M a n n , und meine N achbaren, die so fest an ihren Schneckenhäusern klebten, werden duviun nicht w eniger' einbüßen. Ich aber habe wenigstens mich und die M einigen aus den Fausten der Menschen g erettet, die schwerer lasten als G ottes H and. Aber das Frauenzimmerchen wird sich erkälten, fuhr er fort, sich zu seiner F rau w endend, gieb doch meinen blauen M an tel h e r, M u tte r, die -Nachtluft ist kalt. Und S i e , junger H e rr, nehmen S ie einen Schluck aus der Korbflasche; das macht frisches B lu t.

Eine

Erzählung.

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Eduard erzählte nun umständlich das Abenteuer der letzten Stunde und seine Rettung. Gerührt drückte ihm die Gerettete die Hand. W ie soll ich Ihnen danken! sprach sie, S ie haben sich zwei M en­ schen auf Lebenszeit verpflichtet. — I n Thränen aus­ brechend hob sie darauf ihre Augen gen Himmel und rief: O G o tt, wo mag er jetzt seyn! Werd' ich ihn jemals wiedersehen! Ih re H and, jünger H e rr, sagte der A lte, S ie sind ein braver Mann. D a5 thut Ihnen nicht jeder nach, da nehmen Sie I h r Geld zurück. Ich müßte mich ja schämen. Eduard aber lächelte bitter und schwieg, denn Angelika's letzte Worte hatten aufs neue einen Stachel in sein Herz gedrückt.

Neunt es Kapi t el . I n Osten kündigte sich der Tag an, als der Alte einem einsam stehenden Wirthshause zu halten, und die ermüdeten Pferde zu füttern befahl. Ein fremder Reisewagen stand vor der Thüre, der Eduarden ganz und gar nicht fremd vorkam; ihn naher zu untersuchen stieg er ab, und beim Himmel! er hatte sich nicht getäuscht, es war des Oheims Wagen! Vor



Der

Instinkt.

Nichts hatte ihn freudiger überraschen können. Hastig eilte er ins Haus. Da saß der gute Oheim ruhig beim Kaffee; ihm gegenüber ein Unbekannter, in einen Mantel gehüllt. Eduard, schrie der Oheim vor Er, staunen, ist es dein Geist? Sie haben Recht, mich so zu fragen, entgcgnete Eduard lächelnd; beinah war' ich auf eine Geistervisite bei Ihnen reducirt worden. Unglücklicher Don Ouixote, fuhr der Onkel fort, welcher Prinzessin bist du nachgelaufen, wahrend dein glücklicher Oheim sich an der Seite deiner Dulcinee wohl befand? M it großen Augen sah ihn Eduard an , und fragte: Wie meinen Sie das? Ich meine, rief jener, daß du ein großer Narr warst, hinter einer Lüge her inS Blaue hinaus zu rennen. Eine Lüge? Wie so? Du kannst noch fragen? Oder hast du etwa ge­ funden, was du suchtest? Allerdings, mein guter Oheim; das hab' ich. So? Gratuliere! Ich glaubte, du warst etwa der schönen Angelika nachgelaufen, und muß dir gestehn, daß ich dich ein wenig auslachte, als ich eben dieser schönen Angelikg gestern früh auf der Straße be­ gegnete. Sie begegneten ihr? Gestern früh? Die wirkliche

Eine E r z ä h l u n g .

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A ngelika? S ie ? — Erlauben Sie. m ir, lieber Onkel, daß ich nun auch ein wenig lache. -D e r Onkel zog die S tirn e kraus. Ich sehe nicht ein , w as dabei zu lachen ist, sprach er ärgerlich, wenn ich einem hübschen Mädchen begegne. Aber ich muß dem Gelächter des H errn Neffen zum Trotz nur sagen, daß ich ihr nicht allein begegnet, sondern auch den ganzen T ag beinah nicht von ihrer S eite gekom­ men b in , ja daß sie m it m ir und unserm alten Freunde da in einem W agen bis hierher gefahren ist, wo ich das unerw artete V ergnügen habe, den lieben Neffen anzutreffen. Eduard w arf einen Blick au f den Frem den, der, schnell von seinem S itze aufspringend, ihn begrüßte. E s w ar der alte hagre V iolinspieler, Angelika's an­ geblicher V ater. Ich freue mich S ie wieder zu sehen, w andte sich E duard zu ihm , besonders da ich so glücklich gewesen bin, I h re r Tochter einen wesentlichen Dienst zu leisten. S ie ist bei m ir, und ich eile sie zu holen. D er Onkel ergriff ihn beim A rm :Wen willst du holen, E d u a rd '? W er ist bei d ir? W er anders als Angelika! Ich sage Ih n en ja, daß ich sie gefunden habe, ja w as noch m ehr, ich habe sie gerettet. Kopfschüttelnd sahen der Onkel und der Alte sich an.

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Da ist sie selbst, rief Eduard aus, und eilte der Eintretenden entgegen. Kommen Sie, liebe Ange­ lika; Sie finden hier alte Bekannte. Ih r Dater erwartet Sie, und mein Oheim freut fich gewiß herzlich, Sie so unerwartet wiederzufinden. Angelika erröthete, und sah ihn befremdet an; der Onkel schien zu versteinern. Tine böse Zauberin müssen Sie doch seyn, fuhr Eduard fort, da Sie an zwei Orten zugleich seyn können. Wahrend Sie diese Nacht ohnmächtig in meinen Armen hingen, wahrend ich mit Ihnen über die Mauer flüchtete, haben Sie zu gleicher Zeit auch, wie mein Oheim behauptet, ruhig neben ihm in sei­ nen Wagen gesessen. E i, ei, daS ist nicht fein, die teute so zu foppen. Er sah alle dreie einen nach dem andern mit triumphirendem Lächeln an, aber niemand wollte mitlächeln; vielmehr kam es ihm vor, als ob ein heim­ liches Grauen die Verwunderung auf ihren Gesichtern ablösete. Aber Eduard, brach der Oheim endlich los, was redest du für wunderliche Dinge? Besinne dich. Ent­ weder du sprichst im Traume oder Er trat ein paar Schritte von ihm zurück. — Sagen Sie ihm doch, Angelika, wo Sie diese ganze Nacht gewesen sind, vielleicht erweckt ihn Ihre Stimme.

Ei ne E r z ä h l u n g .

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Die Sache würde wirklich sehr sonderbar seyn, lächelte Angelika, ja sehr ernsthaft, wenn sie nicht ein Scherz von ihm wäre. Ih r Herr Neven möchte mich wacker auslachen, wenn ich ihm noch obendrein betheuern wollte, die ganze Nacht nicht von Ihrer Seite im Wagen gekommen zu seyn. Nun kam die Reihe zu versteinern an Eduard. M it schlaff herabhängenden Annen und halb geöffne­ tem Munde starrte er Angelika an, und es war in der That für seinen Verstand zu befürchten. Siehe, da öffnete sich die Stubenthüre zum zweitenmal, und herein trat die Lösung des Räthsels — eine zweite Angelika nämlich, der ersten an Gestalt und Gesichts-ügen beinahe völlig gleich; und wenn sie auch etwas größer und weniger blond schien als diese, so hob doch die ähnliche Kleidung, — beide waren in dunkelfar­ bige Ueberröcke gehüllt — diesen Unterschied für den ersten Anblick wieder auf, und machte die Verwechse­ lung um so möglicher. Die beiden Frauenzimmer flogen einander in die Arme. Der Alte ging auf sie zu, umfaßte sie beide, und drückte freundlich einen Kuß auf die Stirn der Zuletztgekommenen. Sodann wandte er sich an die beiden erstaunten und sprachlosen Zuschauer. Sie sehen in diesen beiden Mädchen zwei Zwiltmgsschwestern und meine Nichten. Ihre Mutter ist meine Schwester. Der Augenschein wird es Ihnen

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erklärlich machen, wie der Herr Neveu behaupten konnte, in Angelika's Gesellschaft angekommen zu seyn, und — indem er sich zu Eduard wandte — S ie hat er ohne Zweifel schon belehrt, daß S ie sich getauscht, und daß nicht Angelika'n, sondern ihrer Schwester Mariane das Glück Ih re r Begleitung zu Theil geworden ist. Also du bist wirklich mit der andern da gekom­ men? fragte der Onkel. Eduard nickte mit dem Kopfe, ohne seinen Blick von den Schwestern zu wenden. Aber wie ist denn das alles zugegangen, fuhr jener fo rt; wo hast du sie getroffen? wie denn? und war­ um — sprich doch, Eduard, erkläre mir — Eduard schüttelte den Kopf. D u willst nicht? D u willst mir nicht erzählen? nicht erklären? O du mußt durchaus! Eduards Gefährtin erhob sich von Angelika's Brust, ging auf Eduard zu, und ergriff seine Hand. Wenn die Bescheidenheit, sprach sie, Ihnen die Erzählung Ih re r großmüthigen Handlung verbietet, so fordert das Herz sie von mir. V o r allem aber nochmals meinen heißen Dank meinem edlen Beschützer und Erretter. Vereinige deine Worte mit den meinen, Angelika, wenn du deine Schwester liebst; vielleicht erhallen sie dadurch großem Werth für ihn.

Eine Erzählung.

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Macht mir doch den jungen Menschen nicht über­ m üthig, rief der Onkel, schob S tü h le für die beiden Frauenzimmer an den Tisch, und schenkte Kaffee ein ; erzählen S ie uns lieber, wodurch er so glücklich ge­ wesen ist, einen solchen Dank zu verdienen. Doch erst noch eine F r a g e : S ie waren also die M a ria S t u a r t vorgestern Abend in D . . . ? Ich war es, antwortete M ariane erröthend, und wenn ich nicht irre, so waren S i e -----D er T ro p f, den S i e sammt jenem Coridon mit langer N ase, vor dem Schausvielhause stehen ließen. Vielleicht entschuldigt e s . meine U nart ein wenig, lächelte M a ria n e, wenn ich Ih n en sage, daß der F re u n d , der mich Ih n en so schnell entführte, mich zu einer geliebten M utter bringen wollte, von der ich durch ihn Nachricht erhalten hatte. Unsre M u tte r ? unterbrach sie Angelika; was sagst d u ? Auch ich empfing vor kurzem Nachricht von ihr, und war im Begriff zu ihr zu reisen. Wo ist sie? D a s sollst du und der Oheim nachher erfahren; w ir haben uns viel zu sagen. W arum aber hat mir denn die schöne Angelika nicht gleich von ihrer schonen Schwester gesagt? rief der Onkel. Es war doch ein wenig boshaft, mich so lange im Irr th u m herumtappen zu lasien. Doch ich-bitte, fahren S ie in I h r e r Erzählung fort, schöne Mariane.

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Die Erzählung meines Abenteuers ist sehr kurz, hub Mariane an. W ir kamen auf unsrer Reise nur biS in jenes Städtchen, einige Meilen von hier, wo man uns wegen der angeblichen Nähe des Feindes die Mittel zum weitern Fortkommen verweigerte. W ir beschlossen, also, dort zu bleiben, indem wir nicht zwei­ felten, der kommende Morgen werde die Furcht zer­ streuen , die alle Gemüther wie eine drohende Wetter­ wolke umzogen hatte. Indeß ob wir gleich für uns noch nichts fürchteten, so mußte doch die Lage des O rts, wo meine Mutter sich aufhielt, dem Kriegs­ schauplatz um mehrere Meilen näher, uns mit Besorg­ nissen erfüllen, und mein Begleiter wurde durch meine Angst bewogen, noch an demselben Tage auf einem theuer genug gemietheten Pferde die Reise fortzu­ setzen. Ich blieb also allein zurück. — Mitten in der Nacht weckt mich ein fürchterlicher Lärm im Hause und auf der Straße. Ich eile aus meinem Zimmer, die Treppe hinunter; ein Schwarm fremder Soldaten kommt mir mit Geschrei entgegen, ich will umkehren, ein nerviger Arm umfaßt mich, hebt mich empor, und die Sinne vergehen mir. Was nachher vorgegangen, werden Sie am besten aus dem Munde niemes Ret­ ters erfahren, denn als ich wieder zu mir kam, fand ich mich im Freien, gerettet uitti sicher in seinen Armen.

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Nun Eduard, rief der Onkel, wie hast du daS angefangen ? Ich sitze auf Kohlen. Eduard ergänzte die Erzählung mit kurzen Wor­ ten. Als er geendet hatte, reichte ihm der Onkel die Hand über den Tisch: das war nicht übel, Eduard, mein braver Junge! Beim Himmel, es war brav und edel, rief der Alte und faßte seine andre Hand. Ich finde, sagte Eduard halb verdrießlich, bei der ganzen Geschichte nichts besonderes und verwunder­ liches , als eben diese Verwunderung darüber, die dem menschlichen Geschlecht ein schlechtes Kompliment macht u nd------Mariane fiel ihm ins W o rt: Sie werden mir durch alle diese Bescheidenheit meinen Dank nicht verküm­ mern, und wenn Sie auch für meine Schwester zu handeln glaubten, so verringert ihn doch auch dies nicht im mindesten, sondern macht Sie mir nur noch viel werther. Angelika stand mit feuchten Augen, und bis an die Fingerspitzen roth, von ihrem Stuhle auf, nahm ihre Schwester bei der Hand, und verließ mit ihr das Zimmer. Der Alte folgte ihnen. Jetzt, bester Oheim, fing Eduard an, als sie allein waren, jetzt erlauben Sie mir nun auch die Frage, auf welche Art Sie hieher kommen?

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Auf die natürlichste von der Welt, Eduard. Deine plötzliche Abreise überraschte und beunruhigte mich, denn sie sah einem dummen Streiche impertinent ähn­ lich. Um vielleicht üble Folgen zu verhüten — was lachst du denn? — beschloß ich, dir nachzureisen, um so mehr da dein Weg auch der Weg nach dem Gute meines alten Freundes Diethorst ist, dem ich zugleich seinen Besuch zu erwiedern dachte. Im Begriff abzu­ reisen begegne ich der schönen Angelika und unserm Alten. Mein Erstaunen kannst du dir denken. Ich lasse etwas von meiner Reise fallen; sie wollen auch nach dieser Gegend h in : Du kennst mich, ich diene gern ohne Ansetzn der Person — ich weiß nicht, was er zu lachen hat! — ich kann nun einmal niemand etwas abschlagen, nun — und so sind wir denn da. Hier trat der Alte wieder herein. Er schien sehr bewegt, und als seine Nichten ihm nach einer Weile folgten, suchten sie vergebens ihre rothgeweinten Augen zu verbergen. Es wurde nun gerathschlagt, was zu thun sey, und die Männer hielten es einstimmig für das zweck­ mäßigste und sicherste, auf der Stelle nach D . . . zu­ rückzukehren, da weiteres Vordringe« theils tollkühn, theils unmöglich, ja selbst längeres Bleiben gefähr­ lich sey, und sich in D . „ . am ersten die nöthigen Nachrichten erwarten ließen, um fernere Maßregeln zu bestimmen. Nachdem es hierauf dem Onkel gelun-

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gen war, die Besorgnisse der Frauenzimmer, beson­ ders Marianenö, einigermaßen zu zerstreuen, gab er Befehl zur Abreise, und die Gesellschaft trat in seinem Wagen den Rückweg nach D . . . an.

Zehntes Ka p i t e l . Don Fieberschauern ergriffen war Eduard ange­ langt, und nach einer halb schlaflos, halb in schweren Traumen zugebrachten Nacht, fand er sich am andern Morgen unvermögend das Bette zu verlassen. Der herbeigerufene Arzt machte eine bedenkliche Miene, die noch um vieles bedenklicher wurde, als er in der Geschichte der zwei letzten Tage die wahrscheinliche Ursache der Krankheit erfahren. Auch Mariane befand sich nicht wohl, und der der Onkel den Alten vermocht hatte, zwei cm die seinigen anstoßende Jittimer in demselben Gasthofe zu beziehen, so konnte Angelika mit Bequemlichkeit ihre Sorgfalt zwischen ihrer Schwester und dem kranken Freunde

HMen. Indeß waren auch die besten Nachrichten in Anse* hung der feindlichen Armee eingelaufen. Was jenes Städtchen in Angst und Schrecken versetzt hatte, war pur ein Streiftprps gewesen, welches sich vor Anbruch «ontrss. e ehrtft. 2. V d . 4

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In stinkt.

des TageS schleunig wieder zurückzog. Auch hatte der Onkel die Freude, den Schwestern die bestimmte Ver­ sicherung bringen zu können, daß der O rt, wo ihre Mutter sich aufhalten sollte, gänzlich außerhalb der Richtung seines Weges gelegen war. Obgleich von dieser Seite beruhigt, peinigte doch Marianen jetzt der Gedanke an die ängstliche Unge­ wißheit, in welcher ihr Freund und Begleiter um Lhrentwillen seyn mußte. Sie verhehlte es nicht mehr, daß dieser Freund der junge Diethorst sey, und der Onkel sendete auf der Stelle Eduards Bedienten mit einem Briefe von Marianens Hand an ihn ab. Er brachte bei seiner Rückkehr einige Zeilen von Diethorst m it, deren Inhalt Marianens Wiederher­ stellung aufs wunderbarste beschleunigte. Sie konnte nun die Sorge für den kranken Eduard mit Angelika theilen, und die A rt, wie sie dies that, so wie die muntere Laurre, die jetzt wieder sich enthüllend ein­ zelne Strahlen zu schießen anfing, erwarben ihr den ersten Platz nach Angelika in dem Herzen des Onkels, der stets geschäftig, theils für Eduards Pflege, theils für die Unterhaltung feiner reizenden Pflegerinnen be­ sorgt, sich in der Gesellschaft der letztem ungemein glücklich zu fühlen schien. Eines Abends, als er bei einer Bowle Punsch — die er des kühlen Wetters wegen, wie er vorgab,

Line Erzählung.

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eigentlich aber nur um sich und die andern ein wenig zu begeistern, in Vorschlag brachte — der Gesellschaft auS einem Lafontaimschen Romane mit vielem Feuer vorgelesen und seinen Zuhörerinnen Thränen entlockt hatte, versagte ihm sein Bette hartnäckig die sonst so willig gewährte Ruhe. Gefühle und Gedanken, die schon lange schlummernd in seinem Herzen lagen, waren jetzt aufgeweckt worden, und traten mit einer Keckheit und Lebendigkeit vor ihn, vor welcher er fast erschrak; die heimliche Sehnsucht ward jetzt erst sich ihrer selbst bewußt, und sprach sich dreist in Wün­ schen aus, und die Hoffnung, welche muthlos in einem Winkel gesessen hatte, hob den Kopf empor, und entfaltete die Flügel. Er sprang aus dem Bette, warf den Schlafrock über, und das Zimmer mit großen Schritten messend,' machte er seinem Herzen in Ausrufungen und abge­ rissenen Sätzen Luft, während denen er sich selbst unbewußt das Zimmer verlassen hatte, und leise über den Vorsaal nach Eduards Zimmer geschlichen war, wo Angelika am Krankenbette wachte. Er horchte; im Zimmer war alles still; behutsam öffnete er die Thüre: Angelika saß, den Rücken nach ihm gekehrt, am Bette des schlafenden Eduard; der Bediente des Letzter» schnarchte auf einem Lehnstuhl im Hinter­ gründe. Unbemerkt stand der Onkel eine Weile mit hochklopfendem Herzen, und wagte kaum zu athmen.

52

Der

Instinkt.

E duard regte sich;Angelika, geliebte Angelika, rief er träum end und breitete die Arme aus. Angelika kniete leise an seinem B ette nieder, faßte seine H and, und drückte sie an ihre B ru st und küßte sie und weinte laut. D er Onkel fühlte es sich eiskalt wie Fieberschauer den Rücken hinablaufen, und wie m it einem Schlag w ar die G lu t ausgelöscht, die ihn hier­ her getrieben hatte. H alb bewußtlos zog er sich nach der T hüre zurück, und wollte eben hinausschlüpfen, als er den V orsaal öffnen und jemand leise naher kommen hörte. D ies riß ihn aus der B etäubung, und die Furcht entdeckt zu w erden, trieb ihn hinter einen Bettschirm, den man zufällig dicht an die T hüre geschoben hatte. Kaum w ar dies geschehen, als P h i­ lip p , sein K am m erdiener, behutsam a u f den Zähen ins Zimmer tra t. E r stutzte, wie es schien, über die S cene am B ette und stand still; da aber in diesem Augenblick E duard erwachend die Augen aufschlug, gab ihm ein böser D äm o n , in G estalt des Schreckens, den Gedanken e in , sich ebenfalls hinter den B e tt­ schirm zu verbergen. D as Unglück w ollte, daß er a u f diesem hastigen Rückzug den Fuß des Onkels a u f sei­ nem Wege tr a f , und dessen Hühneraugen so unsanft begrüßte, daß der Schmerz dem Onkel einen lauten Schrei abzwang. E duard und Angelika fuhren er­ schrocken em por, der Bediente taumelte vom Lehnstuhl a u f , und der Onkel sich entdeckt sehend, packte roüthmfc

Ei ne E r z ä h l u n g .

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feinen Kammerdiener von hinten an beiden Armen, und fuhr so, ihn vor sich herschiebend, zur Thür hin­ aus, doch ohne daß es einem halben Blick nach dem Bette entgangen wäre, wie Eduard seinen Arm ver­ traulich um Angelika's Nacken geschlungen hatte. Auf dem Vorsaal angelangt, ließ der Ergrimmte seine Beute nicht fahren; der Kammerdiener aber, halb­ todt vor Schreck, dachte an keinen Widerstand, und so langte das unglückliche Paar, schiebend und gescho­ ben, in großer Schnelligkeit auf dem Zimmer des Onkelö an. Hier ließ er ihn los, und warf sich erschöpft in einen Stuhl. Wie ein Schlastrunkncr stand Philipp an der Thür, und schien sich selbst verloren zu haben. Es erfolgte eine lange Pause. Aber was zum Teufel, fuhr der Onkel endlich auf, was hatte Er denn so spat dort zu suchen t Philipp sah seinen Herrn eine Weile starr an, dann überzog allmählich ein freundliches Grinsen sein Gesicht. Gnäd'ger Herr, stotterte er endlich heraus, es hat eben jedes Ding seine Ursach. Freilich, Pinsel, rief der Onkel ungeduldig; die Ursach will ich eben wissen. Philipps Gesicht ward noch freundlicher. Wenn fcev gnäd'ge Herr es nicht ungnädig vermerken wollen^ hub er an, eS trifft doch jeden die Reihe — früh oder

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Der

Instinkt.

spät — aufgeschoben ist nicht aufgehoben — das Heirathen mein' ich nämlich. Der Onkel sah ihn verwundert von der Seite an. — Mein Stündlein hat nun auch geschlagen, fuhr Philipp fort; die Mamsell scheint mir nicht ab­ geneigt zu sevn; sie ist immer sehr freundlich und zurhatig gegen mich — die Mamsell Angelika mein' ich nämlich — und weitn der gnad'ge Herr nichts da­ wider haben Der Onkel sprang auf und stellte sich dicht vor P h ilip p , ihm starr ins Gesicht sehend. Philipp fuhr fort; das Leben taugt doch nicht viel; und ich wette, der gnad'ge Herr hat auch schon manchmal so gedacht — das Jungaesellenleben mein' ich nämlich; und da ich sechs und dreißig Jahr alt bin, so hab' ich die höchste Z eit, denk' ich, und wollte mich vorhin gegen die Mamsell erklären; denn wenn man erst die vierzig auf dem Rucken hat, so ist man ein Esel, denk' ich — Hier faßte ihn der Onkel beim Arm , und führte ihn nach der Thüre. D u bist ein N a r r , — sagte er innerlich höchst ergrimmt, aber mit einer sehr freund­ lichen, ja weichen Stimme — D u bist ein N a r r , lie­ ber P h ilip p , denk' ich, oder du bist besoffen, guter Junge! Pack dich zum Teufel, liebe Seele! gute Nacht! D am it schob er ihn zur Thür hinaus, und verrie­ gelte sie.

Eine E r z ä h lu n g .

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Ei l f t eS Kapi t el . Als der Onkel am folgenden Tage ein Geschichtchen von einem vergeßnen Buche mit vieler Anstrengung spaßhaft zu seyn, vortrug, und sich befliß, das Lächer­ liche bei dem gestrigen Vorfall lediglich den Schultern seines Philipps aufzuwalzen, schien man ihm gern zu glauben, ja man war sogar gutmüthig genug, ein tvenig darüber zu lachen. Indeß ließ sich doch bald bemerken, daß in die bisherige Harmonie der Gesell­ schaft eine schwere Dissonanz gefallen war. Der Onkel zog sich von Angelika immer mehr zurück, seine ganze Aufmerksamkeit Marianen schenkend, und Eduard und Angelika waren ihm gegenüber sichtbar verlegen. Die Ankunft des jungen Diethorst, die tun diese Zeit erfolgte, ob sie gleich neues Leben brachte, mußte doch, indem sie auf die Verhältnisse durchaus verän­ dernd einwirkte, die Spannung immer noch mehr erhöhen. Es war dem Onkel so wenig als Eduard entgangen, wie heftig Diethorsts überraschender Ein­ tr itt ins Zimmer Angetika'n erschreckt und alles B lu t von ihren Wangen gejagt hatte, und wie umgewan­ delt von diesem Augenblick an ihr Betragen war. Wenn fi- sich mit Eduard allein befand, zeigte sie

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Der

Instinkt.

sich unruhig und ängstlich, versank oft in stilles Nach­ denken, ihre Augen schwammen in Thränen, und wenn Eduard sie bat, sich ihm zu vertrauen, schien der Klang seiner Stimme sie aus einem schweren Traum zu wecken, ihr Blick senkte sich freundlich auf ihn, sie ergriff seine Hand, die Lippen öffneten sich zum Sprechen, plötzlich aber wieder, als ob sie sich be­ sänne, wandte sie das Auge, stand hastig auf und verließ weinend das Zimmer. Wenn alle sich bei Eduard versammelt hatten, nahm sie keinen Theil an der allgemeinen Unterhaltung, die überhaupt ihr kärg­ liches Leben nur durch Diethorsts und des Alten Be­ mühung fristete, sondern saß in sich gekehrt, und nur selten flog ein Blick nach Diethorst oder Eduard auf. Ueberdieß waren beide Schwestern sehr oft in heimlichem Gespräch mit Diethorst, und schon zwei­ mal hatte sich dieser mit ihnen unter dem Vorwande eines Spatziergangs auffallend lange Zeit entfernt. Nach einigen Tagen benutzte der Onkel einen sol­ chen Spatzicrgang zu einem ungestörten Besuch bei Eduard. Es war ihm schon beim Eintritt anzusehn, daß er etwas auf dem Herzen hatte. Wie geht es mit d ir, Eduard? fing er an, sich neben ihn auf dem Sofa niederlassend. Wirst du bald die Reise vertragen können ? Ich denke, das Beste für uns ist, wir gehen nach Hause. Ich muß dir -estehn., mir kommt es vor, alS ob wir beide hier,

E in e E r z ä h lu n g .

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(eit der Ankunft unser- jungen Freundes, eine kläg­ liche Rolle spielen. Eduard seufzte tief. Hab' ich nicht recht ? fuhr der Onkel fort. Man hat große Geheimnisse für uns, man macht verdäch­ tige Spatziergänge, und läßt uns allein, man hat für niemand Augen und Ohren als für den jungen Herrn, Ven Herzenstürmer, den Jehnzölligen Alexander— die Weiber messen ja doch eigentlich, wie ein preußischer Unterofftcier, männliches Verdienst nur nach Jollen. Du dauerst mich, ehrlicher Junge, aber ich w ill Was­ ser trinken bis an mein Ende, wenn die Mädchen nicht beide in den Menschen verliebt find. —- Du dauerst mich, aber glaube deinem Onkel, den die Erfahrung weise gemacht hat: wer den Weibern ver­ traut, baut Häuser aus Märzschnee; wer den Wei­ bern vertraut, w ill auf einem Regenbogen in den Himmel steigen, oder Gold destilliren auö der Abendröthe; wer den Weibern vertraut, sucht die Weisheit im Narrenhause; oder kurz, der Weise, welcher den Weibern vertraut, gehört selbst ins Narrenhaus, und wenn wir aufrichtig seyn wollen, so müssen wir alle beide dem Schicksal Dank sagen, daß eö uns noch hier auf dem Sofa sitzen läßt. Hier unterbrach der eintretende Diethorst die Her­ tensergießungen des Oheims. Ich freue' mich, lieber Eduard, hub er an, dich außer dem Bette und dem

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D e r

I n s t i n k t .

Anschein nach keiner Pflege m ehr bedürftig, zu fin d en ; ich freue mich darü b er um so m e h r, da du heut deine sorgsame F reu n d in und P fleg erin verlierst. E d u a rd erb laß te; der O nkel sprang a u f und stellte sich dicht vor den Sprechenden. D ieser fu h r gelaffen f o r t: A ngelika's und M a ria n e n 's M u tte r ist h ier, wie S ie beiderseits w ohl schon verm uthet haben w erden. S ie ist krank, und w ir fanden heute ihren Z ustand so bedenklich, daß A ngelika es fü r P flich t h ie lt, sich keinen Augenblick m ehr von ih r zu trennen. Ic h habe daher den A u ftra g , ihre E n tsch u ld ig u n g , ihren D an k und ih r herzliches Lebewohl d ir sowohl a ls Ih n e n zu überbringen. D a s klingt ja wie ein förm licher Abschied, rüste der O nkel a u s. W ill denn die schöne Angelika sich a u f im m er u n s en tzieh en ? D a s scheint ihre A bsicht, erw iederte D ieth orst. D e r O nkel w a rf einen bedeutenden Seitenblick a u f E d u a rd . S o llte cs denn nicht erlau b t senn, fragte er w e ite r, die M u tte r eines so interessanten S chw estern­ p aares kennen zu le rn e n ? S ch w erlich , sagte D ieth o rst lächelnd. Ich erin ­ nere S ie d a ra n , daß sie krank ist. E d u ard blieb seiner maNnichfach aufgereizten E m pfin­ dungen nicht langer M eister. S ie brachen in W o rte a u s , die den Freund h a rt verletzen m ußten. D ieth orst an tw o rtete A nfangs m it G elassenheit, u n d suchte ihm

Eine

Erzählung.

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sein Unrecht darzuthun; allein je mehr dies Eduard selbst fühlte, desto mehr erbitterte ihn die Ueberlegenheit, welche jener durch seine Kaltblütigkeit über ihn auch hier errang, und wie das Gefühl eines began­ genen Unrechts leicht zu einem zweiten treibt, so ließ er, vom Onkel kräftig unterstützt, nicht eher ab, als -iS auch Diethorst aus seiner Fassung tretend, ihre unziemlichen Reden auf gleiche Art beantwortete, wor­ auf Eduard ihn bat das Zimmer zu verlassen, und steh vorbehielt, ihn auf eine andere Art zur Rechen­ schaft zu ziehen, so bald es seine Gesundheit er­ laubte. Recht wohl, erwiederte Diethorst; ich bitte, mich von Ih re r völligen Wiederherstellung zu benachrich­ tigen, und werde dann beide Herrn, ersuchen, einen kleinen Spatziergang mit mir zu machen. — Hierauf entfernte er sich. Dumme Geschichten, brummte der Onkel, hastig auf unh ab schreitend, dumme Geschichten! Sind es die Weiber wohl w erth, daß man fich um ihrentwillen den Hals brechen soll? —

6o

Der

Instinkt.

Zwö l f t e s Ka p i t e l . Eduard, von Sehnsucht, Ungeduld, Eifersucht und Liebe ohne Ablaß schmerzlich bewegt, mit jeder Minute Angelika's Abwesenheit unerträglicher und die Erbit­ terung gegen Diethorst, den er für den Urheber der­ selben hielt, immer lebendiger fühlend, sah kaum nach einer schlaflosen Nacht den Morgen des dritten Tages nach jenem Vorfall anbrechen, als er einen Zettel mit der Nachricht an Diethorst sandte, daß er sich stark genug zu einem Spatziergang glaube. Des OnkelS Vorstellungen und Einreden waren vergeblich. Dict« Horst schrieb zurück, daß er um vier Uhr Nachmittag die beiden Herrn abholen werde. Aber Eduardchen, sagte der Onkel erblassend, als dieser seinem Johann befahl, die Pistolen in Stand zu setzen, glaubst du denn, daß die Sache so ernst­ lich gemeint ist*? Ich halte Diethorst nicht für den Mann — Ich halte Diethorst für den Mann, unterbrach ihn Eduard, der selbst ein Mann ist, und auch uns für Männer hatt. Zur bestimmten Stunde erschien Diethorst. Sie folgten ihm schweigend. Schweigend führte er sie

E in e E r z ä h lu n g .

6t

durch die Stadt nach einer entlegenen Vorstadt. Hier, da sie eben an einem öffentlichen Garten vorüber gin­ gen, bat er sie einen Augenblick, einzutreten, und ihn zu erwarten, weil ihm noch ein nothwendige- Geschäft zu besorgen übrig sei;.— Der Garten war wenig be­ sucht. Der Onkel nahm in einer Laube Platz; Eduard, dem die Unruhe in seiner Brust keine Ruhe verstat­ tete, schlenderte weiter fort in der-schattigen Allee, die in ein kleines Gehölz führte. Auf einmal schlagen die Accorde einer Harfe an sein O hr; er dringt seitwärts durch das Gebüsch, ein hoher Zaun halt ihn auf; die Harfentöne klingen fo rt, sie kommen aus einem jenseits gelegenen Garten. E r bleibt horchend stehen; die Melodie ist ihm be­ kannt. Jetzt fallt eine weibliche Stimme ein, deren erster Anklang seinem Ohre süß tönt, ein Freundes W ort in fremdem Lande — und dieses Lied — von Angelika'- Lippen hat er eö vor wenig Tagen erst gehört — Angelika, ruft er aus, vor Freude bebend: in einem Augenblick ist der Zaun überstiegen, er liegt zu Angelika - Füßen, er umfaßt ihre Kniee, bedeckt ihre Hände mit Küssen. Eduard! stammelt die Ueber* raschle, und die Arme, die ihn zurückstoßen wollen, ziehen den Glücklichen an die hochklopfende B ru st! — Doch dieses süße Selbstvergessen war nur ein kurzer Sonnenblick aus trüben Wolken. Angelika fuhr bald erschrocken empor, wand sich heftig aus seinen Armen,

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D e r - I n s t i n k t .

und rief in Thränen ausbrechend au s: Auch diesen Kampf soll ich noch bestehen! Eduard, wenn meine B itte , meine letzte Bitte Ihnen werth ist, so verlas­ sen S ie mich. Ich glaubte nicht, S ie jemals wieder­ zusehen. Angelika, sprach Eduard mit Heftigkeit, ich habe dich wieder, du bist mein, ich lasse dich nicht! M it aller Kraft eines Wesens lieb' ich dich und deine Augen, ja sie haben es mir gesagt , das; du mich wie­ der liebst! Ich verlasse dich nicht! S ie müssen es, sagte Angelika ernst, um Ih re r Ehre und meiner Ruhe willen. Ich sah Ih re wachsende Zuneigung zu m ir, ich fühlte, daß dieses thörichte Herz sie erwiederte und floh, um Ihnen und mir eine zu späte Reue zu ersparen. Wenn auch I h r Stand S ie nicht von mir entfernte, so dürfte doch auch nur ein reines unentwcihtcs Herz das Opfer Ih re r Liebe anzunehmen wagen, ein Herz von keiner unglücklichen Leidenschaft gebrochen, und das kann ich Ihnen nicht mehr bieten. — Ich w ill in dieser Stunde, wo w ir uns zum Letztenmale sehen, kein Geheimniß mehr vor Ihnen bewahren; drum hören Sie mich an. Der altere Bruder des jungen Diethorst lernte mich bei meiner M utter kennen; er gewann mich lieb, und bot mir seine Hand. Diese unglückliche Neigung ent­ zweite ihn mit seinem V ate r, und ach! sie war es auch, die ihm den Tod brachte. Eine rohe Aeußerung

Ei ne Er z ähl ung.

ein^S Freundes über sein V erhältniß m it m i r , veran­ laßte ein en -Iw e ik a m p f, in welchem er blieb. N u n wissen S i e alles. E d u a r d , nun gehen S i e ! Ich be­ schwöre S i e , mich zu verlassen — und keinen Versuch m eh r, mich jemals wieder zu sehn! — S i e stand auf. E d u a rd hielt sie zurück. Angelika, G eliebte, edles M ädchen, ich lasse dich jetzt um so weniger! rief er aus. In d e m erschallte es jenseits des AauneS: E d u a r d ! E d u a r d ! wo steckst d u ? — E r sprang a u f , und stampfte m it dem Fuße. A u f W iedersehn, .Angelika! ich verlasse dich einen Augenblick, aber w ir sehn uns w ieder! I s t dir mein Leben w e rth , so denke daran, daß w ir uns wiedersehen m üssen! E r kletterte eilig über den Zaun zurück, und ver­ einigte sich m it D iethorst und dem O n k e l, die ihn suchten. Alle Kampflust w a r in seinem B u sen erlo­ schen, und er hätte Diethcrsten um -den H a ls fallen, und ihm sein Unrecht abbitten mögen. — E s ist doch a n d e rs , als w ir dachten, flüsterte er dem Oheim ins O h r . D e r Oheim sah ihn m it großen Augen an, und blieb stehen; allein Diethorst bat zu eilen, und schritt so wacker z u , daß jener der A nstrengu ng, ihm zu fo lg en , seine Neugierde unterordnen mußte. Als sie durch einige Nebenstraßen vor ein ansehn­ liches Gebäude gelangt w a r e n , öffnete D iethorst die T h ü r e , und winkte m it der H a n d , hineinzutreten.

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Der

Instinkt.

W ohin wollen S ie uns führen? fragte der O heim .— S ie werden hier einen alten Bekannten finden, erwie­ derte D iethorst, der S ie zu sehen wünscht. D er Oheim wollte abermals vor V erw underung stehen blei­ ben, allein D iethorst nahm ihn bei der H an d , und führte ihn die Treppe hinauf. E r klopfte an eine T h ü r, sie wurde geöffnet, und der alte Oheim der beiden Schwestern empfing sie. I n froher E rw artung tra t Eduard ein, weil er auch Angelika zu finden g lau b te; allein seine Augen durchliefen vergebens das Jim m er. D iethorst schlug die G ardinen eines B ettezurück, und E duard erblickte darin ein Frauenzimmer von etw a vierzig J a h re n , dessen blaffeö Gesicht noch die S p u re n einer hohen Schönheit trug. D er Onkel näherte sich dem B ette m it B efrem dung; sie streckte ihm die Hand entgegen; plötzlich blieb er stehen, sein Gesicht veränderte sich. — O mein G o tt, rief er höchst bewegt m it schwankender Stim m e. Welche Iü g e sind dies? J s t s möglich ? Amalie! — E r ergriff die dargebotne H an d , und drückte sie an seine B rust. Vergeben S ie meinem Herzen den W unsch, S ie noch einm al zu sehen, sprach jene m it schwacher S tim m e ; der herannahende Tod bricht alle Bedenk­ lichkeiten, die mich so lange von Ih n en entfernt haben, und ich entschließe mich, für meiner Kinder Glück zu th u n , w as nie die S o rg e für mein eignes über mich erhalten haben würde. E s sind nun zwei und zwtinzig

Eine

Erzählung.

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Ja h r; daß ich S ie kennen lernte — der Befehl Ihres Vaters entfernte S ie bald nachher plötzlich von mir, ich weiß e s ------Ach an welche glückliche Zeit erinnerst du mich, Am alie! unterbrach sie der Oheim ; aber auch an wel­ ches Unrecht, welche Grausamkeit, mich nie ein W ort von dir hören, mich in dem Wahne zu lassen, du seyst langst gestorben! Gott ist mein Zeuge, mir wel­ cher Unablaßigkeit ich, als mein Vater todt w ar, nach dir geforscht, wie ich G eld, Mühe und Freunde in Bewegung gesetzt, Nachricht von dir zu erhalten, und doch alles vergebens! D ie Schande war nun einmal über mich einge­ brochen, erwiederte Amalie; ich hatte nun schon bei meiner herannahenden Entbindung, meiner Aeltern Haus und meine Vaterstadt verlassen, und mein E n t­ schluß stand fest, todt für dieW elt zu seyn, und nur der Erziehung meiner Kinder zu leben. Die Unter­ stützung meiner M u tte r, und nach dem Tode meines Vaters das mir zugefallne kleine Erbtheil, ließen mir keine Nahrungssorgen nahen, und ich war zu stolz, mich Ihnen aufdringen, mich in Verhältnisse eindran­ gen zu wollen, in die ich nicht gehörte, oder wohl gar von dem Mitleid zu erpressen, was mir die Liebe Nicht freiwillig gewahrte. Ach Amalie, rief der Oheim, wie war es möglich, mich so zu verkennen? Cvnrrss. Schrift. 2. B d. 5

L6

Der

Instinkt.

Ic h glaube w o h l, lächelte A m alie, daß ich Unrecht h a t t e ; indeß wer w eiß, ob es zu bereuen ist. M eine K inder sind aufgewachsen, ohne den N am en ihres V a te rs zu kennen, und w ürden ihn auch nie von m ir erfahren h a b e n , wenn nicht die G ew ißheit, sie bald verlassen zu m uffen, die S o r g e für ihre Z ukunft und, ich will es nicht la u g n e n , auch der W u nsch, S i e noch einmal zu sehen, mich umgestimmt und bewogen h a t t e n , mich dem H errn von Dtethovst zu entdecken.— S i e kennen meine Kinder b e r e its : Angelika und M a ria n e sind meine Töchter. D ie Ueberraschung schien den Onkel zu lahmen. E r sank a u f einen am B e t t stehenden Sessel, und starrte eine Weite unbeweglich Amalien an. D iethorst öffnete ein N ebenzim m er, und führte M aria n e n und Angelika heraus. I h r kanntet euren V a t e r , ohne ihn zu kennen, sprach Amalie. Erst heute hat M a ria n e das Geheim ­ niß ihrer G ebu rt erfahren, und Angelika in diesem Augenblicke erst von ihrer Schwester. Angelika w a r heftig erschüttert, und kniete weinend vor den Onkel h in ; M a ria n e faßte seine H a n d , und süßte sie. D e r Onkel saß schweigend, und seine in T h rän en schwimmenden Augen fielen bald a u f Aunilien, bald a u f seine Kinder. — Endlich erm annte cv sich, hob Angelika a u f , küßte sie und M aria n e n a u f die S t i r n , und tra t vor ihre M u tte r .

Eine

Erzählung.

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Geliebte Amalie, sprach er, ihre Hand fassend, welch "köstliches Geschenk machst du mir mit diesen Kindern! Die Sorge für dein und ihr Gluck soll von nun an das heiligste Geschäft meines Lebens seyn. — Doch für Angelika ist wohl schon gesorgt, fuhr er fo rt, sich zu Eduard wendend; tritt naher, Eduard. Mein Neffe liebt sie, und wenn ihre M utter nichts dagegen hat ------Ich weiß es, sagte Amalie, und habe des armen Mädchens Kampf gesehn. — S ie fügte Angelika'S unh Eduards Hände zusammen. Und wenn S ie , Herr V ate r, nichts dagegen haben, rief Diethorst, und mir die heutige Ueberraschung ver­ geben können, so ist für Marianen auch gesorgt. M e i­ nes Vaters Einwilligung habe ich bereits. — E r führte Marianen dem Onkel zu, der lächelnd ihre Hände ver­ einigte. — Ich lernte schon vor drei Jahren, fuhr er fort, mit meinem Bruder zugleich die beiden Schwestern kennen, und so viele, und so schöne Weiber ich auch seitdem sah, so kehrt' ich doch, bei meiner Rückkehr nach Deutschland, auch zu meiner ersten Liebe zurück. Aber ein wunderbares D in g , Kinder, sagte der Oheim, ist es doch um den Instinkt! Ich. liebte doch die Angelika gleich vom ersten Anblick an, und nun kommt es heraus, daß dies lediglich die Stimme der N a tu r war. — Es folgten nun Erklärungen und Erzählungen, und der Onkel drang endlich darauf,

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De r

Instinkt.

Amalien und seine Töchter bald a u f sein G u t zu füh­ ren. Auch ließ ihm dieser Gedanke keine Ruhe mehr, und da am folgenden Tage Amalie sich besser zu be­ finden schien, reiste er allein ab, um auf dem Schlosse alles zu ihrer Reise und zu ihrem Empfang in B ereit­ schaft zu setzen. D o ch, mitten in seiner frohen Ge­ schäftigkeit, traf ihn nach wenig Tagen die Nachricht von Amaliens Tode. Zu sehr erschöpft halten selbst die frohen Gemüthsbewegungen der letzten Zeit un­ günstig a u f sie gewirkt. I n den Armen ihrer- Kinder w ar sie verschieden, und Diethorst und Eduard führ­ ten , nach einigen Wochen, dem aufs neue verwaisten Herzen des Onkels seine Kinder zu. Aber beim Himmel — sagte der Onkel noch oft, wenn er Ancfelika'n ansah — es ist doch eine wunder­ bare Sache um den Instinkt!

D e r u n t e r b r o c h n e S c hw ä t z e r . L u s t s p i e l i n e i n e m Ak t . Nach dem Französischen des de L a u n a y . I 8 o 5*

Personen. B crtram.

Dessen Bruder. J u l i e , dessen Tochter, v. S c h m ä l t , Juliens Bräutigam . T h a l h c Lm. Li f e t t e , Juliens Kammermädchen. J o h a n n , Thalhcims Bedienter.

Die Scene ist auf B e rtra m s Landgute. Ein S a a l mit drei T h ü re n ; rechts die T h ü r von B ertram s Kabin e t, links die T hür der Bibliothek; über beiden ein rundes Fenster, wovon das über der Bibliothek-Thüre zum öffnen ist.

Erst e

S c e n e .

Lisette.

Joha n n.

(Durch verschiedene Thüren eintretend.)

Lisette. W i e ? D u Jo h a n n ! D u bist's? — Welch glücklich Ungefähr! M a s macht dein H e rr? Johann.

E r fotmtti, und stets verliebt kommt e r , Und ich stets tut Galopp. S o pflegen wirs zu halten. Lisette.

S o kommt I h r zum Geburtstag unsers Alten, Und auch zu unsrer Hochzeit eben recht. Johann. Z u ----Lisette. Juliens Hochzeit, ja.

72

D e r u n t e v 6 r o cf; n e S c h w ä t z e r . Johann.

O h o , ergebner Knecht? Wenn der P a p a Geburtstag machen wollen, Recht schön L allein der B ra u t'g a m kann sich trollen, Denn Hochzeit macht der nicht! Lisette. E r h ä l t ----Johann. Ich sage, nein. L i s e t t e. Verlobung heut! Johann. N ein! fi i f e t t e . N e in ? Johann.

Mein Herr soll B raut'gam seyn. W ir lieben J u l i e n , mit einem W ort zu sagen. Wer fühlt sein Herz vor ihr nicht starker schlagen? Wie bitter w a rs, wie schmerzt es uns so tief, Als das Verhangniß uns von ihrer S eite rief! — Ach! Viele riß der Krieg aus süßen Liebesbanden, Und manche trennten sich, die nie sich wiederfanden! —

D e r u n te rb ro c h n e S c h w ä tze r.

73

Doch w ir , als kaum der Friede frisch und grün Aus blutbedeckten Feldern aufgeschossen, W ir setzten uns zu Pferd' und ritten unvcvdVo(Ten, Und ritten Tag und Nacht und kamen nach Berlin. Doch J u l i e nicht d a ! S ie ist aufs Land gezogen. — Die Tante nahm uns a u f, sie ward uns bald gewogen, Der V ater meines Herrn stimmt unsern Wünschen bei: — W as will der Herr 9uv meines Vaters Herz, cs w ar m ir immer offen,

Und seine J u lie darf alles von ihm hoffen. Und Thalhcim ist so gut — der Onkel hat ihn lieb, D ie Tante schätzt ihn hoch, wie sie mir heut noch schrieb ; E r wird geehrt, geschätzt, geliebt von allen: D a ru m , mein V a te r, sollt1 er nicht auch m ir gefallen-? Bertram. Wenn du ihn liebtest, war's der Tochter Psiicht------------

Julie. D e r Onkel wußt' es; zürnen S ie m ir nicht! D ertram. D ie ?

i 24

D e r u n t e r brochne Schwätzer. Onkel. J a , wem Freund , man zog den Onkel ins V er­ trauen.

Siebzehnte Scene. Schmäl t .

Die Vorigen.

Johann. D er kommt just recht! S ch m a l t. ( E r giebt B ertram ein P apier.) N u n da ! belieben S ie zu schauen. Ich bringe den C ontract. Julie. Dem Him mel fei/6 geklagt! B e r t r a m , ( lesend.) W a s ? Hölzchen — P av illon — und T h al — ! Schmält. Ich hab's gesagtBertram. S o ! schön 5 w as bleibt denn m ir?

D e r unterbrochne Schwätzer.

125

Onkel. V oraus schon -u erzwingen, P a s man erwarten soll, das mag nicht Ehre bringen. Schmäl t .

S ie wollen nicht?

Auch gut.

B e r t r am. N ein! £ i f e t t e , ( halblaut.) N ein ! S ch rn a l t. Ich zieh' mein W o rt zurück! Bertram.

Onkel. Nim m Thalheim an.

S r wird geliebt.

Lisette. Z a , er verdient das Glück. Onkel. Julie.

Und er verdient geliebt zu werden. Johann.

Wnd weniger als er, spricht Niemand auf der Erden.

ii6

D e r u n te rb ro c h n e S ch w ätze r. B e r tr a m .

So sey er dein! S ch m a l t. H a ! was i Ein Nebenbuhler? Wie? Wer wagt's? — Wer ist so frech!

Achtzehnte Scene. D ie

Vorigen.

T h a l h e i m.

(Erscheint an dem runden Fenster über der Thür der SSibliutl;ct:J

T h a lh e i m. Heda, ertauben S ic! M it Gunst, mein Herr, ich muß Sie unterbrechen. M ir baucht, ich habe hier ein Wörtchen mitzusprechen. £ t f c 11 c. Dom Himmel fallt er uns herab zu unsrer Pein! T h a l h ei m ,

( auf

das Papier zeigend.)

Is t das ein Eh'contract? Das möchten Sie bereu'n! Ich war hier eingesperrt, doch fand ich wider Hoffen Zwar beide Thüren zu, allein dies Fenster offen.

D e r u n te r b r o c h ne S c h w ä tz e r.

127

S o hat ein W u n d e r mich au s meiner H as t befreit. Ich hörte reden hier, ich kam zur rechte« Zeit, Und endlich w ird m an m ir doch auch ein W o rt erlauben. LisetLe. ES ist um uns geschehn. O n k e l.. W e r konnte das auch glauben! T ha theim, ( mit großer Geläufigkeit.)

H err B e r t r a m , unterbrechen S i e mich nicht. Jetzt da die S t u n d e m ir , die ich ersehnt, geschlagen. E in guter Engel m ir die B a h n zum Sprechen bricht Jetzt will ich auch w as ich, wie einer W elt Gewicht, A u f meinem Herzen stets m it m ir herumgetragen, Mit ungestörtem M u th und wenig W orten sagen. Ich liebe J u li e n schon länger als ein J a h r . W er liebt sie nicht? O ! wer dies Auge mild und klar, D es M u n d e s Lieblichkeit, der Lippen süße Rede J e kalt gesehn, gehört, der ist ein S a m o je d e ! Doch bin ich etw a s blöd', und ich gesteh' es ein, E s -ist ein F e h le r, j a , m an kann nicht alles seyn; D ru m h a t mein Auge n u r und nicht mein M u n d gesprochen. Doch w ard ich dam als nicht von J u lie n unterbrochen.— ^ a ld rief mich weit hinweg das feindliche Geschick:

128

D e r U ttte rb ro c h n e Schw ätzer.

Der Leib ging fort, die Seele blieb zurück. Jetzt endlich .da ein Jahr, mit bleiernem Gefieder Dahin gezogen ist, jetzt komm' ich endlich wieder. Die Liebe leitet mich, die Hoffnung kommt mit mir, Die Sehnsucht war voraus — doch was, was find' ich hier? Ach, alles feindlich kalt, und wider mich verschworen! Verschlossen jedes Herz, verschlossen alle Ohren! Man laßt mich nicht zu W ort, man hört nicht auf zu schrein. Ja endlich da ich denk', ich finde Sie allein, Und öffne schon den M und, um mich des Glücks zu freun, Zieht der beim Rock mich fort, und jener sperrt mich ein, Da sehn Sie sie nur an, wie sie verlegen stehen, Sich Zeichen machen und vor Aerger fast vergehen, Weil ich ein Wörtchen sprach. Man argre sich nur fein, N ur immer zu, ich werde dennoch sprechen, Und keine Erdenmacht soll jetzt mich unterbrechen. Der Freche, der Sie liebt, Sie Julie, soll's bereun, Und Sie (Z u Bertram.) Sie werden selbst mich an der Falschen rachen. (E r verschwindet vom Fenster, während er spricht, machen alle Zeichen der Ungeduld. Bertram steht erstaunt und betäubt, und hält sich endlich mit beiden Händen die Ohren zu.)

D e r unter br och ne Schwätzer.

129

B e r t r a m. Barmherzigkeit! O welche Ohrenqual! S ch m a l t. Ich bin noch ganz betäubt — das war der Herr Rival? Onkel .

Jetzt, gerade jetzt uns so die Ohren vollzuplärren! Johann, (er geht die Thür zu öffnen.)

Nun brauchen wir ihn wohl nicht langer einzusperren. Berrram. Heirathen! Dieser dich? Nein, nie in Ewigkeit! Julie. Mein V a ter-----L i se t te , (leise zu Julien.)

S till! ich halt' ein Mittel noch bereit.

tmtelT, Schrift. 2. Bd.

9

i3o

D e r u n t e r b r o c h n e Schwät z er .

N e u n z e h n t e Scene. D ie V o r ig e n

und T h a lh e im .

(Wie Bertram Thalheim erblickt, tritt er einige Schritte vor, das Gesicht nach den Zuschauern gekehrt.) T h a l h e i m. D a bin ich! fe t t e ,

(heimlich.)

Ih r Geschwätz macht Sie und uns zu Schanden. Schon war dem Vater alles eingestanden-------

J o h a n n , ( leise.) Sie kriegten Julien.

T b a l h e i m , (bestürzt.) Wie? S i f c t t e , ( leise.) Schweigen Sie jetzt fein!

( Laut.) B ra v , brav, Herr Thalheim, brav!

(Leise zu den Uebrigen.) Frisch! stimmen Sie mit ein! Alle,

( außer Bertram, in die Hände klopfend.) B ra v , brav!

D e r unt er br ochne Schwätzer.

131

S ch m a l t. Ich schreie mit, bloß weit sie alle schrein.

2 1 f et t e, (zu Bertram.) 68 war ein Scherz! Er gab so uns, als unsern Gasten, Weil Ih r Geburtstag ist, das kleine Spiel zum besten. Es war-einJnpromptü, das ihm der Herr nicht gönnt. (Sie zeigt auf Schmält.) Was, ich — ?

S ch m a l r. J o h an n.

O ! wie der Neid ihm aus den Augen brennt. Schweig' er!

S ch m a l t.

J ohann. Ja ja, man' lernt wohl seine Leute kennen; Man weiß es, daß Sie kaum die Luft dem Nächsten gönnen. Der Diener lügt.

S ch m a l t.

Johann. Nein, nein, die Leute haben Recht, Der Geldsack ist sein Gott. Schmält.

Ein unverschämter Knecht!

132

D er u n t e r b r a c h n e S c h w ä t z e r .

Johann. S i e gehn -gern a u f die J a g d , j a , doch gestehn die Leute, 31u f Hasen lau in fv g e r n , als a u f die reichen B r au te. S ch in a l t. D e r Bursche schwatzt mich t e i l !

Johann. Ich schwatzte? J ed es .Rind Weif; j a , das; S i e , S i e selbst der größte Schwätzer sind. S ch ui a l t. Ich duld' cs länger nicht. D e r Mensch bringt mich von S in n e n . Ern ©chtvatzer! — Domestik — £ i f e t t e , ( leise.) Ach b r a v ! er wird b e g in n e n ! Schmält,

C zu Bertram mit immer zunehmender Schnelligkeit.) W ill man denn gar nicht s e h n ? H a t man den schwar­ zen S t a a r ? V o n diesen Reden all' ist keine S i l b e wahr. D e r Bursch ist Echo n u r , denn im Complot find alte. J a alle gegen u n s ! und man geht in die F a lle ?

D e r unterb' rochne Schwätze r.

133

Der feine Herr da ist — wie stumm er sich jetzt stellt — Der König aller Schwäher auf der Welt. Wie? Was? (Zu Thalheim.) Was haben Sie darauf zu sagen? Kein W o rt! — Und S ie , Herr Bertram, welch Betragen? Is t das erlaubt? — Wer glaubt man, daß ich sey? B e r t r a m. O hören Sie doch auf, mich tödtet das Geschrei. Schmält,

(zornig sprudelnd und stotternd. Ich w ill mit Ihrem Thal und Wald und Jagd mich nicht beladen. Bin ich kein Mann für Sie, so ist's Ih r eigner Schaden. Es giebt noch Orte, wo sich's bester jagen laßt. Und dann Ih r Pavillon gleicht einem Schwalben­ nest! — Ein Wort statt hundert, denn Geschwätz kann ich nicht leiden, Zieht man den Herrn mir vor; ich werd' ihn nicht beneiden. Ich bin modest, doch wenn man so mit mir verfährt, @0 kenn' ich auch trotz andern meinen Werth. 3ch spreche wenig, doch zu rechter Zeit und Stunde;

i34

D e r u n te rb ro c h n e S c h w ä tze r.

D a s scheidet weisen M und von eines Thoren Munde. E r nehme sie! S o llt' ich etwa nach Weibersinn Mich stutzen lasten? N e in , ich bleibe wie ich bin. Nie w ar ich gleich der Fahne au f dem Dache, lind stutzen lasten w ar nie meine Sache. B e r t r a m , (zornig.) Weiß einer was er w i l l ? den dort (A u f Thalheim zeigend.)

versteht man doch. Onkel. I s t er dein Schwiegersohn, so bessert er sich noch.

Bertram. Mein Schwiegersohn? I h m sollt' ich meine Tochter geben ? Onkel.

N un ja. L ja!

L i s e t t e.

Johann. Mein H err! Julie.

Mein V ater!

D e r u n te r b r e c h n e Schwätzer.

135

Thalheim. M ein B estreb en -----( S ie sprechen dies alle rasch hintereinander.) Bertram, (hastig, indem der Onkel ihn beruhigen w ill.) S precht alle a u f einm al! schreit alle a u f mich ein! T aub bin ich schon, bald werd' ich rasend seyn. H at m an sich'm ir zum Untergang verbunden? H a t sich dies Schwätzerheer darum hier eingefunden? D ie ? meine Tochter? (Zum Onkel.) F reund , verlier' kein W ort mehr d 'ru m ! D er ernste Ehestand ist nicht für solche N arren. Ich mußte meine F rau m it Schweigen m ir erharren, Und w ar als B räutig am sechs ganzer M onden stim m t! Doch solcher M änner Frau w ar schmerzlich zu beklagen; S ie stürb' hinweg, eh's ihr geläng' ein W ort zu sagen. M ein G o tt bewahr' mich vor den Schwiegersöhnen da! D enn hätte diese E h' des S egens sich zu freuen, S o würden bald den lieben G roßpapa D ie lieben Enkelchen von H aus und Hofe schreien. Sch m a l t . D a s fü r Geschwätz! E r denkt noch immer in der T hat, D er gute M a n n , er sitzt im M agistrat.

136

Der unt er br ochne Schwätzer. B e r t r a m , (heftig schreiend.)

Geschwätz? Sie schwatzen, Sie! und finden gar kein Ende. Und wenn man nur sein Schwatzen noch verstände! So aber, sprudelt er ein armes Wort herbei, So stottert er ihm erst noch das Genick entzwei. Sc h mä l t , (zornig und stotternd.) Was?

sprudeln, stottern? ich? der in der ganzen Runde Für einen Sprecher gilt, dem lauter aus dem Munde Gleich einem goldnen Strom die Rede sich ergießt? Dem jedes Wort klar von den Lippen fließt, lind dessen Töne stets so zart, so deutlich bleiben, Daß sie noch nie verfehlt — Bertram. Die Hörer zu betäuben. O schweigen Sie! mich foltert jedes Wort, lims Himmelswillen — still! sonst geh' ich fort. S chm a l t. Ich schweigen? Gehen Sie!

D e r u n t e r b r o c h n e S c h w ä tz e r.

137

B e r t r a m .| (Beide kurz hintereinander.) S c h m ä l t , j S ie können sich erfrechen! (Zugleich.) Mein G o tt, der Mensch wird noch nach seinem Tode sprechen. Onkel (zwischen sie tretend.) S t ! liebe Herrn! S till, still! was fallt euch ein? Herr Bruder! Ei! D u kannst recht artig schrei'n, Und wirst wohl, hoff' ich, jetzt die Schwätzer nicht verdammen. L i s e t t e. N ein , nein , S ie sprachen ja mehr als wir all' zusammen. Ju l i e .

D'rum seyn S ie auch gerecht — Bertram,

(ärgerlich.)

J a , doch! was hilft's einmal? bleibt unter Schwätzern mir doch immer nur die W ah l.

138

D e r un te rb ro ch n e Schwätzer. S ch m a l 1.

S o ! so! Es ist genug. Adieu! Ich gehe lieber. Sonst laust mir wahrlich noch die bitt're Galle über. Thut was ihr wollt, und schwatzt bis an den jüng­ sten Tag, Bis die Gerichtsposaun' euch überschreien mag. Wo anders werd' ich Frau und Jagd zu finden wissen, Und einstens wird man noch mit Thränen mich ver­ missen. (Er läuft ab.)

Der uuterbrochne Schwätzer.

139

Zwanzigste Scene. Die V o r i g e n , ohne Schmält. T h a l h ei m. Herr Bertram, darf ich B e r t r a m , (zu Julien.) Nun, du liebst ihn, er sey dein. Thal he im. Von nun an titt ich stimmt. B e r t r a m , ( zu Julien.) Deß sollst du Bürge seyn. J u l i e , (lächelnd.) Spricht er zu viel, wir Frau'n verstehn zu unter­ brechen. T h a l h ei m. 9tein, nein, von nun an werd' ich weniger sprechen, Doch lieben immer mehr, mit jedem Augenblick. Und kehrt des alten Trieb's Versuchung mir zurück, werd' ich meinen Blick in Juliens Auge schlagen,

i4o

D e r unterbrvchne Schwätzer.

D arin den Himmel sehn und nicht nach Worten fragen, Doch — ( Der Vorhang fängt an zu fallen. E r blickt in die Höh.) A ch ! ( M t einer kleinen Beugung vorwärts, an die Zuschauer.) N u n , künftig hoff' ich Ih n en mehr zu sagen.

D a s

R ä t h s e l .

L u s t s p i e l i n ei n e i n ? l u f z u g e. 1 8 0 ,3 ,

Personen.

El i se. Carl. Dessen O h e i m .

Das Theater stellt einen Saal vor mit einer Thüre im Hintergründe und einer Seitenthüre. Vorn zwei Tische einander gegenüber.

Erst e

S c e n e .

D er O h ei m , (tritt in Gedanken herein, und bleibt endlich vor der Seitenthüre stehen.) Schon wieder hier? — Bin ich denn hergebannt? Da steh' ich, wo ich kaum vor zwei Minuten stand.— Ich laufe hin und her, die Treppen auf und nieder, Und bin am Ende doch vor dieser Thüre wieder! — Und was, was treibt dich denn zu diesem Zeitver­ treib ? Was führt dich her? — Gesteh's und schäm- dich — ein Weib! So wär' ich wohl verliebt? — Verliebt? Daß Gott bewahre! Sch bin erschrocken! Hm! die Lieb' und graue Haare! Ein Blumenbeet im Winter angebaut! Verliebt! und ach! in wen? — In meines Neffen Braut. Er führt Elisen her; ich soll sie sehn und preisen —

Rur halb erfreut ein Glück, das nicht der Freund auch kennt — Und ich, um kräftig ihm den Beifall zu beweisen, Verliebe mich in sie beim ersten Kompliment? P fu i! — Pfui? — Nicht p fu i! — Was wollte mau sich gramen? Wem fiel es jemals ein, des Essens sich zu schämen? Warum der Liebe denn? — Man ist ja nicht von Eis. Wem trieb Elise nicht das Herz zu raschern Schlägen? Ach, wenn der Frühling kommt, und Flur und Wald sich regen, Treibt auch der alte Stamm wohl noch sein grünes

Reis. Mein Reff' allein ist Schuld.

Er mußte mich doch kennen, Und wissen, daß am Licht die Mücken sich verbrennen. Was bringt er sie mir her! — Nun ist's einmal ge­ schehn ! Was sie wohl macht? — Ich will ein bischen horchen gehn. (E r legt den Kopf an die Thüre.) S t ! da vernahm ich was. — Nein. Ich hab' nichts vernommen. Sie ist gewiß allein, mein Neffe wird nicht kommen; Ich klopfe an. — Doch halt! Gesetzt, sie ruft: herein, Was mach' ich dann? — Nun dann geh' ich hinein.

D a s

R ä th s e l.

( E r geht wieder nach der Thüre. entfernend.)

145

Dann sich wieder

Doch wenn ich drinnen bin, was werd' ich ihr dann sagen? 6 i nun, ich werde sie nach dem Befinden fragen, Sie dankt; sie macht mir P latz; ich setze mich — und dann — Und dann — dann findet si'ch's! Ich geh' und klopfe an. (Indem er nach der Thür geht, tritt Earl herein.) Verdammt!

Zwei t e Oheim.

Carl,

Scene.

( einen B rief in der Hand.)

Carl . Ach recht! Oheim,

(fü r sich.)

Nein, schlecht! C a r l.

I c h suchte

M an hat mich her gewiesen. S ie. — Sie wollten zu Elisen? O h e i m.

I c h ? meinst

du mich?

Evliteff. Schrift, 2. Dd.

zo

146

Das

Räthsel.

Carl. Wen sonst? O h ei m. Ich zu Elisen? — Rein. Ich hörte nur Geräusch. C a rl. Bei ih r? Is t sie allein? O h e i nt. Doch wohl.

C a rl. Erlauben S i e ; so will ich fragen gehen. O h e i m , (ih n zurückhaltend.)

Nein — bleib! S ie schlaft. C a rl. S ie schläft? — S o haben Sie's gesehen? O h e i m. N e i n d o c h ! ich meinte nu r .

Carl, (nach der T hür gehend.)

S ie haben nur gemeint — O h e i m , (ihn haltend.) Mein Gott , sie könnte ja doch schlafen, lieber Freund.

D a s

R a t h f e l .

147

D u könntest meinethalb sie aus dem Traume wecken.— D u suchtest mich ? — D u hast mir etwas zu entdecken ? C a rl. N u r mitzutheilen. Eine Kleinigkeit. E s ist ein Scherz. — Den B rie f bekam ich heut. Ein F re u n d , dem wir schon manch Vergnügen danken, Schickt uns ein Räthsel z u , und ruft uns in die Schranken. DH ei m. Dich und E lisen? C a rl. J a , weil sie die Räthsel liebt, Gleich gern sie selber löst, und sie zu lösen giebt. O h e i m. J a , j a , das merk' ich wohl. Carl. Wie viele schöne Stund en S in d uns bei diesem S p ie l oft allzuschnell verschwun­ den ! D a ward gelacht, geküßt, geschmollt auch — wie es f i e l :

Denn zwischen Liebenden ist S p ie l ja mehr als Spiele

145

Das

Räthsel.

O h e i m. Und Leben n u r ein Spiel. Ach, wohl sind's goldnc Tage! J a , Jugend hat die Lust, und Alter hat die Plage. Carl. D a ist sie selbst.

Dr i t t e Scene. Die

Vorigen.

Elise.

Elise, (a u s der Seitcnthüre tretend.) Sieh da! S o einsam beide hier? Carl .

Doch war uns beiden w ohl; wir redeten von dir. Elise. Wie konntest du so lange von mir bleiben? Carl. Zu meiner Q u a l mußt' ich drei lange Briefe schreiben.

Elise. Und auch mein Onkel laßt mich böslich aus der Acht. Ich dacht', er kommt gewiß; — ich hatte falsch gedacht.

D as

Räthsel.

149

-Oheim.

J a , wenn man immer w a r ', wo man am liebsten w äre! Ich wollte just, da kam mir — jemand in die -Quere* E lise . Auf S i e hatt' ich gehofft. Ich w ar ungern allein. Mein Papagei ist krank; dem Azor schmerzt das Bein — D a s arme Thier ist mir heut' früh vom Schooß ge­ fallen — Und Bücher möcht' ich nicht; mir ekelte vor allen. N e in , in der T h a t, ein Buch befriedigte mich nicht. Wenn man eins plaudern w ill, so will man ja nicht lesen. W as sollt' ich mit dem unbequemen Wesen, D a s immer fort doeirt, sich niemals unterbricht, Nicht widersprechen laßt, und selbst nicht widerspricht? Q hei m. J a , j a , ich kenne d a s, und kann's am besten fühlen. Auch ich, ich finde jetzt kein B u c h , das mich erfreut, Das'Trauerspiel zu lang, das Schauspiel gar zu breit, I n wenig Dichtern Geist und Langeweil' in vielen. Romane möcht' ich wohl, allein nicht lesen — s p i e ­ len! Carl.

D a kommt mein Räthsel ja zu recht geleg'ner Zeit.

i 5o

D as

R äthsel. Elise.

Ei n Räthsel? O zeig' her! W er hat es dir gegeben? Carl. H ie r, dieser Brief. E r bracht' es mir so eben. Freund Wilhelm schickt es uns. E lise . H a d e r ! D er Ueberklug. S o zeige doch! C a r l. Noch nicht! D u weißt noch nicht genug. Eh' du das Räthsel liest, mußt du den B rie f erst hören. E lise . W ozu? Carl.

D a s wirst du sehn. E r giebt uns gute Lehren. E lise . N u n j a , so lies ihn nur. W ir Arm en, wie I h r wißt, Gehorchen immer gern. O h e i m , (bei Seite.) Wenn es gut Wetter ist. C a r l , (liest.) . . M e i n F reund, ich sende dir ein Räthsel, mU

Das

Rät hsel .

I5X

ches so eben meinen Händen entsprungen ist, und empfehle es besonders dem Scharfsinne deiner liebens­ würdigen Elise. Morgen denke ich selbst deinem bra­ ven Oheim einen Besuch zu machen, und dem glück­ lichen Oedip den Preis zu ertheilen, tim aber indeß deine Standhaftigkeit und Elisens Ergebung auf eine kleine Probe zu setzen, lege ich die Auflösung in einem wohl versiegelten Zettel bei, welcher, wohl zu merken, vor meiner Ankunft nicht erbrochen werden darf. Ich glaube du wirst mir Dank wissen für diese Vorübung -um Ehestände. Adieu. Ich zweifle nicht, morgen den Zettel noch eben so wohl versiegelt aus deinen Händen zurück zu erhalten.* “ E lis e . Mein Gott, der weise Mann, mit seinen Wunder­ gaben. Er ist doch gar zu klug! (Für sich.) Den Zettel muß ich haben. C a rl. Hier ist das Räthsel. E lis e . Nein, .ich mag das Räthsel nicht. M ir ist nicht wohl. O weh! Wie mich's im Kopfe sticht — Und hier — —

i 5*

Das

R äthsel.

Carl. S o lies es doch. D a s würde dich zerstreuen. E li se. Ach nein. (F ü r sich.) D en weisen H errn soll der T rium ph nicht freuen. ( E s entsteht eine kleine Pause.) O h e i m , ( f ü r sich.) A ha! D er Teufel sa't sein Unkraut in das Feld! — In d e ß mein Neffe hier die reiche Lese halt, M öcht' es gerathen seyn, daß w ir uns still entfernten, W ir kommen dann zurück den W atzen einzuerndten. ( E r schleicht sich unter öfterm Umsehen davon.)

Vierte Carl.

Scene. El ise.

Carl.

E s scheint, daß W ilhelm 's Scherz dir ungelegen w ar. E lis e . O nein. Car l . Doch beut sich dir ein leichtes M ittel dar, D en Schadenfroh um seine Lust zu prellen.

Das

Räthsel.

153

E l i s e , (für sich.) Auf eine solche Probe mich zu stellen! Glaubt dieser Mensch, ich sey erst vierzehn Jahr? Carl. Du liest das Räthsel durch; du hast den Sinn ge­ funden — Wie flöh er dich? Hältst du nicht jeden Sinn gebun­ den? — Freund Wilhelm kommt; es wird der Zettel ihm gebracht; Er sieht, daß dir sein Witz nicht tief genug gelegen, Um nur einmal die Neugier dir zu regen; Er ist beschämt und wird brav ausgelacht. E l i s e , (gezwungen lachend.) Gewiß, er hat's verdient.

Ha, ha! W ir wollen lachen! — Doch — sollte man ihm nicht die Strafe härter machen? Beim Himmel! Scheint es nicht, als wollt' er uns entzwei'n? Wer weiß, mein Freund; man muß behutsam seyn, Der W olf steckt heutzutage oft mitten unter Schafen. Wach ist die Hinterlist, die Klugheit darf nicht schlafen. Nein, sieh, da fallt mir gleich ein bessrer Vorschlag ein. Du mußt in meine Hand den Zettel übergeben,

154

Das

Räthsel.

Und so vereiteln wir auf einmal sein Bestreben. Er sicht, daß du mit Fleiß nicht seines Raths gedacht, Und ärgert sich weit mehr, als würd1 er ausgelacht. Carl,

(fü r sich.)

O Eva.! — Nein, ich kann den Zettel ihr nicht geben. Ich schämte mich, vor ihm die Augen aufzuheben. Ich mußte wie ein Kind vor seinem Spotte stehn.

Elise. D u denkst dem Vorschlag nach? — So wird und muß es gehn. C a r l. Ja — doch — fürwahr! Du scheinst ihn zu verkennen. Es ist ein Scherz. E lis e . Es fei; nun Scherz, sey Ernst zu nennen, Du giebst den Zettel mir. Nicht so? Carl. Allein, mein Kind — Elise. Dein Kind, es bittet dich : den Zettel — ! o geschwind! C arl. Bedenke doch — was wird dann Wilhelm von uns denken ?

D as

R

ä

t H. s e t.

155

El i se.

L i , was er mag und kann! — Theil' mir den Zet­ tel mit. W as zögerst d u ? Geschwind! — Es heißt uns wenig schenken, Wenn das Geschenk dem Wunsch nicht an die Ferse tritt. C a r l. W ie? Laßt die Neugier denn so wenig sich bezähmen? E lise . Der Neugier hatt' ich mich nie weniger zu schämen. Carl. Vielleicht der Eitelkeit? Elise.

D a s geb' ich dir zurück; Denn deine Eitelkeit zeigt sich dem ersten Blick. D u willst dich als ein M a n n von fester S tirn e zeigen, Dem Weiberwille sich und Weiberklugheit beugen. Carl. And d u , gesteh's, du zeigtest gern an miV, D er M a n n , er sey doch nur ein dienstbar folgsam Thier, Sobald es euch gefällt den Zauberstab zu rühren. 'E r p ra h lt und pocht — ein W in k : —

er kriecht a u f

allen Vieren!

J56

Das

Räthsel.

Elise.

I h r schwachen S e e le n , die ihr glatten Worten traut, Von Männerliebe trä u m t, auf Männerschwüre baut, Wacht auf! — Noch ist kein M a n n , der wahrhaft liebt, geboren.' M it tausend Eiden wird euch Liebe zugeschworen; M a n girrt von T re u ', Ergebung, ew'ger G lut, M a n möchte gern das Leben für euch wagen, G ern gäb' man alles h in ; — allein es bleibt beim S agen, Und ihre Lieb' ist nichts als heißes B lu t. W ollt ihr vielleicht nach der Erfüllung fragen, Vielleicht wohl bitten n u r , so hat der Held den M uth, E in elend Stück Papier euch trotzig abzuschlagen. ( Sie setzt sich in hastiger Bewegung an den Tisch, und stützt den Kops in die Hand.) C a rl. Elise! N e in , bei G o tt! Dies ist zu viel. D er S c h w u r, den ich gethan, er war kein loses Spiel, D a s blos der Trieb des Augenblicks erfunden. W as meine Lippe sprach, was meine B rust empfunden, Empfinde, sprich' ich noch. Dein eigen bin ich ganz. Nicht säumt' ich eine Krone auszuschlagen F ü r deines Lächelns Reiz, für deiner Blicke Glanz, W enn sie halb schüchtern mir und halb verlangend sagen,

D a s Räthsel.

157

Was keine Zunge svricht, das Herz kaum wagt zu schlagen. Für dich, o glaube mir, gab' ich der Augen Licht, Ich gab' für dich mit Freuden selbst mein Leben----E l is e , (aufstehend.) Mein Carl, so willst du mir den Zettel wirklich geben? Carl. Den Zettel? Nein, den Zettel geb' ich nicht. Elise.

0 schändlich! Unerhört! Das ist nicht zu erdulden. (Sie setzt sich nieder.) Carl. Bedenke wohl, hier kommt dir Eitelkeit zu Schulden Und Eigensinn, mein Kind; hier kommt es darauf an, Zu seh'n, ob du das Weib und ich der Mann; Ob es nicht umgekehrt; ob du mich wirst besiegen, du dich wirst als Weib in deine Schranken fügen; Ob ich als Mann dir werde widersteh'n, Ob ich mich werde still an deinem Fadchen dreh'n. Ein kleiner Wunsch, vom Mann, dem Weibe abgeschlagen Jur rechten Zeit, hat ihm oft gokdne Frucht getragen. Elise. zu, mein Herr! Sie predigen sehr schön. ®iir ist, als sah ich Sie mit-Mantel und mit Kragen.

Das

i 58

Räthsel.

C a r l , (ärgerlich.) Wer in den dürren Sand gesa't, der erndtet nie, Und Weibern predigen'------E lis e . Das ist verlorne M üh'! O ja.

Carl. O ja! Der Kluge weif, zu schweigen. Ach ja!

E lis e .

Carl . Und daß tch'v kann, das w ill ich Ihnen zeigen. (E r setzt sich ihr gegenüber. Pause. Endlich fängt er mit dem Stuhle an zu rücken, dann zu husten.) H m ! — H m ! — Elise! — Wie? Du bist wohl bof auf mich? Um diese Kleinigkeit? Es ist doch lächerlich, Daß unter Zank und Streit die Stunden uns ent­ fliehen, Die schönen, die für uns nicht zweimal blühen — Und unter Streit um nichts! E lis e . Wer ist denn Schuld daran? Ich nicht.

D as Ich nicht!

R äthsel.

159

C a rl. Elise.

J a , du. D u spielst den starken M an n, Und krankst mich bitterlich. Den Zettel wollt' ich lesen; N un j a , cs war' zum Scherze nur gewesen; Vielleicht las ich ihn nicht einm al: — er weigert sich, Und will mich lieben! — Ach ! Mein Kopf, wie schmerzt er mich! Carl, (tr a g t seinen S tu h l neben Elisen.)

Elise, hör' mich an. Gestehn wir unsre Schwachen, Und lasten wir V ernunft und Liebe wieder sprechen. Vergiß das unglückselige P apier. Gieb mir die Hand. E l i se. Gieb erst den Zettel mir. Elise — !

Carl. El i s e .

N e in , ich werd' ihn nicht vergessen. Nach der Ergebung n u r , s u fn sich die Liebe messen. Der liebt mich nicht, der nicht nach meinem Willen thut. - . E lise!

C a rl.

Das

Rät hs el .

Elise. S p a re dir die Worte. Kurz und g u t ; D u giebst mir das P a p ie r, sonst will ich gar nichts

w issen. Carl, (nachdem er sie eine Weile von der Seite angesehen.) Welch böser Geist hat sich denn heute losgerissen? ( E r trägt seinen S tuhl' geschwind wieder auf die andre S eite.) Verdammt sey jedes W o rt, das ihr mein Herz ge­ schenkt ! Beim H im m el! W er sein Glück an Weiberlaunen hangt, D er hatte bester sich am ersten Strick gehangen. Elise, (nach einer kleinen P au se, für sich.)

Zu hastig war ich wohl. Ich bin zu weit gegangen. E r ist beleidigt. — J a — ich lenke wieder ein. (L a u t.)

Wie ist's? Kommt heute noch Gesellschaft her? Carl.

Ich wünschte nicht.

Kann seyn. Elise. Mich schmerzt der Kopf noch immer.

D as Mich auch.

Rathset.

i6x

C a r k.

E lise . E s ist heut' warm.

Carl. Besonders hier im Zimmer.

Elise. Und dennoch muß ich noch zum Rosenstock h inaus; Wenn man ihn nicht beg ie ß t-----C a rl. S o geht er aus. E lise . 2ch muß gesteh'n, das würde mich betrüben. C a rl. J a , ja. E lise . Dich nicht ? C a rl. O ja. E lise . Wo ist die Zeit geblieben? b e it wir ihn pflanzten, flnd acht Tage schon vorbei, tinb dennoch ist es m ir, als ob es gestern sey. Wohl Flügel haben sie, die S tu n d e n ; es weilt' keine. Conteff. S c h r i f t .

2. V d .

II

162

Das

Räthsel.

C a r l. Ach, nur die schlimmen nicht; die haben ja kaum Beine.

Elise. Erinnerst du dich noch? Der Abend war so schön; Gepflanzt war unser Stock; wir blieben vor ihm stehn, Sahn auf das Rosenpaar, vereint an einem Stiele, Das traulich nickend stand, und in des Windes Spiele Sich süße Worte zuzuflüstern schien; Dann ging's zum Brunnen h in -----C a r l , ( seufzend.) J a , ja , wir gingen hin. E l i s e , t aufstehend.) Doch nein, du gingst allein. — C a r l , (aufstehend.) Ich war allein gegangen, Um Wasser aus dem Brunnen aufzuziehn, Allein du kamst mir nach. Elise. Da scherzten wir und sangen, Und gingen zu dem Stock, und wir begossen ihn — Und du, du sahst mich an — Carl. Und sah auf deinen Wangen

Das

Rät hs el .

Der Liebe stilles, zärtliches Verlangen, Go wie das Abendroth auf unsern Rosen, glüh'n — Und dann — E lise, ach! D er Abend ist vergangen; Doch konnte mir mit ihm auch deine Lieb' entflieh'n? Elise,

(m it dem Finger drohend.) Gelungen w ar' es dir beinah' sie fortzutreiben. (S e in e Hand fassend.)

Doch n u n , nun bleibt sie d a, und wird dir ewig bleiben. Carl. O laß uns alles das. vergessen und verzechn? Laß mir die liebe H a n d ! — N un bist du wieder mein. R un sott sich zwischen uns kein böser Geist mehr drängen. Mein Witte sott an deinen Lippen hängen. 3ch denke nur an dich — ich lebe nur in dir! .

Mein Carl!

Elise.

C a rl. Geliebtes W eib! El i se.

Wie theuer bist du m ir!

Das

Räthsel.

N u n samt ich wieder meinen Freund erkennen, Und keine Zwietracht soll uns jemals wieder trennen. Ich werde freudig t h u n , was nur dein Wink begehrt. (Gart drückt ihre Hand an seine Dreist.) J a , G üte und V ertraun sind in dein Herz gekehrt! Ich fühle deine B rust vor Freud' und Liebe beben. J a nun — o j a ! — nun wirst du mir den Zettel geben. Carl, (ihre Hand loslassend.) Mein G o t t , Elise! Jetzt! Wie fallt dir jetzt das ei n? I n diesem Augenblick? El i s e .

Richt w a h r ? N u n ist er nietn ? Carl.

Kann ein Gedanke noch an ihn sich bei dir regen? El i s e .

Wie du gesehn, o ja. Carl. S o schlecht ist dir gelegen An meiner Liebe, daß du sie und mich vergißt Um das P a p ie r ?

Elise.

N ein , weil mir d'ran gelegen ist.

Das

Räthsel.

165

Will ich die Ueberzeugung nicht verschieben; Denn wenn du mir's versagst, kannst du mich auch nicht lieben. Carl.

Elis', ich bitte dich, du gehst zu weit. Der Starrsinn zeugt von mehr als bloßer Eitelkeit H a! I n dem Augenblick, wo ich gutmüthig träumte, Daß jeder fremde Wunsch ihr Herz der Liebe vatmtte/ Verzeihung bittend ihr zu Füßen sinken will, Denkt sie an das Papier u n d ----E lise. S t i l l ! Ich bitte, still! Es braucht der Worte nicht. Ich will nur eins dich fragen: Willst du auch jetzt den Zettel mir versagen? Carl. Elise, hör' mich an. El i se.

D u giebst ihn also nicht? Carl .

Hat meine Bitte nichts, was dir zu Herzen spricht? 3 ch bitte, hör' mich an! Elise. Du willst mir ihn nicht geben? Nicht? Nicht?

1 66

Das

Räthsel. C a rl.

Elise! E lis e . NichtC a rl. Nun denn, bei meinem Leben! Nein! Nein! Ich geb' ihn nicht. E l i s e , (spöttisch.) E i, ei, das ist ja hart. — Nun, so entziehen Sie mir Ihre Gegenwart; Ich bitte Sie, mein Herr. Ca rl . £> ja, ich werde gehen. Nicht Ehre bringt es mir, noch länger hier zu stehen.

Elise. So geh'n und suchen Sie sie draussen vor der Thur. Carl. Ich geh', Madam; doch diesen Zettel hier Stell' ich dem Oheim zu. In schwachen Augenblicken Gelang' cs Ihnen doch vielleicht mich zu berücken; Drum setz' ich vor mir selbst mich so in Sicherheit. El ise. O gehn Sie doch geschwind, noch eh' es Sie gereut. —

D as

R äthsel.

167

S o gehen S i e ! — M ein G o t t , was stehn S i e denn noch immer ? (E r scheint etwas sagen zu w ollen, unterdrückt eS aber und geht hastig fort. S ie lacht hinter ihm drein. kehrt schnell zurück.)

Er

Carl. M adam S i e s i n d ----E lise . Und w a s , mein H e rr? Carl. Ein Frauenzimmer! (E r geht.)

Fünf t e Scene. E l i s e , (allein.) N u r z u , mein Freund, nu r zu! S ie triumphiren nicht. S i e zeigten sich zu früh in Ih re m wahren Licht. E s war noch viel zu frü h , den Ehemann zu spielen. Und sollt1 ich mich vielleicht gewöhnen vor der Aeit, S o zeigt die Rechnung nicht von großer Schlauigkeit: D e r Weiber fangen w ill, muß treffen, doch nicht zielen. Noch bin ich frei und wählen kann ich noch.

D a s

R a t h s e

t.

W er sich ein Joch erwählt, ja der verdient das Joch. W ir leben G o tt sey D a n k ! in aufgeklarten S ta ate n , Und wollen eben thun wie unsre M ü tter th ate n ! D er M ann beherrscht die W elt und wir den M a n n : S o ist es wie es soll. T hu' jeder was er kann. — N u n muß ich aber sehn, den Zettel zu bekommen. Dem Onkel giebt er i h n ? — D a s soll ihm wenig frommen. Wie könnte mir der Onkel widerstehn? W enn achtzehn J a h r mit fünfzig Jahren kriegen; J s t's kaum ein K rieg ; es ist ein Kom m en, S e h n und Siegen. Ich hör' ihn — nun so laßt uns gleich die Probe sehn.

Sechst e E lise .

Scene.

DerOheim.

O h e i m. E i , ei, mein K ind, was ist denn hier geschehn? M ein Neffe kommt yu mir mit Wüthen und mit Schnauben, Spricht mir von Lieb' und Gift, von Schlangen und von Tauben, Versichert, daß er es nicht langer dulden kann,

Das

Räthsel.

169

Füllt dann mit Ach und O's mein ganzes Zimmer an, Drückt einen Zettel mir bedeutend in die Hände-----^ Sie haben ihn?

E lis e .

O h ei m. Und statt daß er mir Rede stände, Stürmt er an mir vorbei. — E lis e . Gottlob! Sie haben ihn. Ich hab' ihn nicht.

O h ei nt.

E lis e . Nicht? Nicht? O h ei m. Ich wollte mich bemühn Ihn aufzuhalten, ihn zu Stand und Rede zwingen; Doch leichter könnte man den Wind zuüt stehen bringen: Hui! war er fort! — Wohin? Das weiß ich nicht.

Elise. Ach wissen Sie doch nicht einmal, wovon man spricht. Den Zettel meint' ich ja. O h e i nt. S o ! — Ich — ich ließ ihn Liegen.

i 7o

D as

S o holen S ie ihn.

R äthsel. E lise .

L H ei m. Gern wollt' ich mich Ih n e n fügen, Allein mein Neffe hat mir's untersagt. E lise . Schon wieder er und er! W er hat nach ihm gefragt? Ich bitte S i e , nicht mehr von ihm zu sprechen. Ich höre nichts von ihm , ich kenne ihn nicht mehr. Beleidigt hat er mich, und ich, ich will mich rachen! W er sich zu rächen w eiß, ist der Bcleid'gung Herr. L h e i m. G ew iß, so that' ich auch. E lise . Ich werde Leute finden, Die gern mit mir zur Rache sich verbinden. L h e i m. M ein Täubchen, suchen S i e die Leute nicht zu weit. S i e steh n und warten schon, zu Rath und T h a t bereit. E lise . E in Andrer wird dies Herz nach seinem Werthe achten. Ohei m.

Anbeten wird er es und zärtlich nach ihm schmachten.

E lise . Jlub am Gehorsam werd' ich seine Liebe seh'n. Ohe i m.

Ach G o tt! Gehorsam, ja, vom Kopf bis a u f dieZeh'n. E lise . N e in , nie, nie hat ein Weib so Hartes noch erduldet! O h e t m. Um Rache schreit es laut. E ltse . Wie haben wir's verschuldet, D aß unser Schicksal liegt in rauher M änner H a n d Als schaffend die N a tu r das Weib erfand, D a schuf sie weiter fo rt, auf daß auch M änner waren, Doch ach! D er Teig schlug um und uns zur P ein entstand Ein häßlich Mittelding vom Affen und vom B ären. O h e i nt. M ein Nichtchen ist recht spaßhaft, wie es scheint. E lise . O nein, mein Onkelchen war nicht gemeint. Mein Onkelchen ist gut, ist sanft in W ort und Mienen, 2st ohne Eigensinn, stets willig uns zu dienen, behorcht gern, wenn er m u ß, ist weise, wenn er kann.

172

D as

R äthsel.

K u r z , für die beste Frau der allerbeste M ann. C ie würden ohne S t r e it und wie im Himmel leben. O h e i m. Ach j a , nur erst die Frau, der Himmel wird sich geben. E lise . Kaum hat sie nein gesagt, so ist sein Nein schon d a ; Kaum nickt sie mit dem K o p f ------ O h e i m. C o spricht er freundlich: j a ! El i se.

E s ist ein Leben, wie im Paradiese! Doch n u n , damit er sich des Lobes werth bewiese, N u n dacht' ich, ging er h in , und holte das Papier. O h e i m. E r g e h t , er lau ft, er fliegt!— M it nichten! E r bleibt hier. E lise . W ie ? O h e i m. Denn er fühlt etwas au f seinem Herzen liegen, Wie ein Gewissen schwer, das hindert ihn am Fliegen. El i se.

S o werfen S i e es weg.

D a s

R ä t h s e l .

173

Oheim. J a , heben S ie es a u f ? E lise . Wer w e iß ? N u r z u ! O h e i m. E s kommt. Ich taff' ihm freien Lauf. E lise . Ich mache Platz. O heim.

Ach nein, es laßt sich doch nicht sagen. ^ E lise . S o brummen S ie's. O h e i nt. Ich will es durch die Blume wagen. Elise. Nur z u!

Oheim. Ein Fabelchen. Elise. M ein O h r ist ganz bereit. O h e i nt. Es lebt' einmal in grauer Fabelzeit, D a zwischen Mensch und Thier noch Red' und Umgang w a r e n ------

174

Das

Räthsel.

C lise . Der Anfang lautet w ohl; ich bitte fortzufahren. O h e i m. Es w ar einmal in dieser guten Zeit Ein alter B a r — doch nein — ein B a r in besten Jahren. E l i s e , (drohend.) E i , e i, was hat mein Onkelchen im S i n n ?

Oheim. Und zu derselben Zeit w ar eine Schäferin, Schön wie das Morgenroth und mild gleich Frühlingslüsten. — E lise . Wie dichterisch! O h et m. S i e trieb einst ihre Heerde hin, Wo tief in eines Felsens dunkeln Klüften, Und einsam unser B ä r verborgen tag. D er gute Petz! I h m ist, als ob ein neuer T ag M i t einemmal den düstern W ald erhelle! E r sieht; er staunt; er bleibt a u f einer Stelle, D es S e h 'n s sich nur bewußt, wie angeschmiedet steh'n und se u fz t-----E lise . D er B ä r ?

D as

Räthsel.

175

O h e i m. D er B ä r. Und fühlt bei diesem Seh'ri, W ie immer wachsend ihm ein nie gefühltes Feuer Durch alle Adern flie g t------

Elise. D a s arme U ngeheuer! I s t denn kein Wasser d a ? O h e i nt. Und will vor G lu t vergehn, Und endlich unterliegt er seines Herzens D range, E r stürzt h e rv o r -----E lis e . O weh! N u n wird m ir wirklich bange. O h e i m. Und w irft sich vor der schönen Schäferin N i t zärtlicher Geberde bittend hin. S ie läu ft davon?

E l i se.

O h e i m. O nein, ich seh' sie bleiben. D xauf faßt er ihre H and — sie wird sich doch nicht sträuben? Küßt sie — ( E r küßt ihre Hand.)

176

Das D er B ä r ?

Räthsel. E lise .

O h e im . D er B ä r . Rückt n ä h e r -----

Elise.

H a lt! ©te schreit!

Oheim.

Behüte! N e in , das w ar nicht Mode zu der Zeit. Rückt näher u n d ----E lise . Und w a s ? Oheim.

Besiegt von seinem Triebe, Erklärt er laut und f r e i: — daß er sie zärtlich liebe. Und sie?

El ise. Ohe i m.

J a , sie — sie sprach — ich weiß cs doch nicht mehr. W as sprach' Elise wohl, wenn sie das Mädchen w ä r '? E l i s e , (lächelnd.) I n u n , sie ließ' etwa ihr Sprüchlein so erschallen: Mein lieber V a r , du bist ein art'ger B a r, Und wenn er artig ist, kann auch ein B ä r gefallen. M a n liebt Gestalt und Jugend nicht allein;

Es schmeichelt sich Verstand und Herz auch bei uns ein, Und der Gehorsam ziert so Mensch als Bar vor allen. D'rauf geht der Bär geschwind und holt den Zettel her, Und ist sodann mit ihm ein doppelt art'ger Bär. ( Sie geht ab.)

Siebente

Scene.

D e r O h e im , (allein.) Habt ihr's gehört, ihr hochbeglückten Ohren? Man liebt Gestalt und Jugend nicht allein. Schlürf, altes Herz, mit Lust die süße Rede ein, Zaum' deine Wünsche auf, gieb deinem Muth die Sporen, Und laß der Hoffnung Raum von ihr geliebt zu seyn! — M it meinem Morgen war der Liebe Stern verschwunden; Da blickt er freundlich mir am Abend wieder auf! So hätt' ich unverhofft noch eine Frau gefunden? Und kriegte wohl auch gar noch Kinderchen im Kauf? — Elch Gott! Ich seh' sie schon, die lieben fügen Kleinen! Ich hör' sie lachen, schrein, wohl auch ein bischen weinen; Der zarten Füßchen Laut vernehm' ich: tipp, tipp, tapp, Eonress, Schrift. 2 . B v.

12

178

Das

Räthsel.

Tapp, tapp, tipp, tipp, im Zimmer auf und ab! — Die Mutter sitzt und wiegt das Kleinste auf den Handen; Ein zweiter blonder Schelm kriecht jauchzend an den Wanden; Ein Drittes dort baut still und ernst sein Karten­ haus ; Und um das häusliche Gemälde zu vollenden Sitz' ich als Vater hier und bcff're Windeln aus. Und wie ich sitze, horch! tönt's lieblich da herüber: Papa! Papa! — Ich laufe stracks hinüber: — Was willst du, Engelchen? — Doch kaum, kaum bin ich da, So ruft's von dorther auch: Papa, komm her Papa! Und wie ich mich nach dieser Seite wende, Da strecken sich nach mir h ie r ein paar kleine Hände, Und wieder lallt's: Papa! — Ich bin bald hier, bald dort: Papa! — Papa! — Papa! — Bei jedem möcht' ich weiten, Vermag's doch nicht, ruft mich der andre fort, Und wünsch', ich könnt' mich selbst, wie meine Liebe, theilen. Ih r süßen Kleinen, euch gäb' ich um keinen Thron! So schön, so zart, so gut! — Ach! Hätt' ich sie nur schon! Jetzt fort zu ihr, den Zettet hin zu tragen!

Das

Rät hs el .

179

Ich hab' ihn hier, doch wollt' ich's ihr nicht sagen, Denn dem Erwarteten wird um so größerer Lohn. ( E r geht auf die Seitenthür lo s, indem kommt Carl.)

Achte S c e n e . Oheim.

Carl.

O h e i m. S s muß mich dieser heut' beständig unterbrechen? Carl. S ie sind allein? M ir w ar, als Hort' ich gehn und sprechen. O h e i m. Ich macht' auf eigne Hand mir etwas M otion. C a r l , (sich überall umsehend.) D am it das Essen schmeckt. J a , ja , verstehe schon. (F ü r sich.) Elise war gewiß so eben hier im Zimmer. O h e i m , (fü r sich.) Der arme Schelm ! Er dauert mich dock, immer. Bereit' ich ihn d'rauf vor? Ja. Doch wie bring' ich's an?

i g o

D

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l »

C a r l , ( f ü r sich.) E r überlegt; was gilt's? S ie schickt den guten Mann, E r soll mit guter Art den Mittler bei mir spielen. S ie mag nun endlich wohl ihr schweres Unrecht fühlen. O heim.

Freund, im Vertraun, — ich hab' dir etwas zu vertraun. C a rl. S o , so! N ur zu! Ich höre. ( F ü r sich.) Laßt doch fchaiyt. O h e i nt.

Doch kurz ist meine Je it, und kurz muß ich es geben. C a rl. O so gewinnen w i r : kurz seyn heißt lange leben. Oheim. D u weißt, der Mensch — er ist nicht gern allein. Carl. Der Mensch thut übel d 'r a n , und schafft sich nichts als Pein. O h c t m. Und — (Für sich.) N ein, so geht es nicht. Ich will es anders fasten. —( E r räuspert sich.)

D as

R äthsel.

i gi

De r M a n n , der wahre M a n n , mein Freund, bleibt stets gelaffen. Krieg, Hagelschlag und P e s t, den B ra n d im eignen H aus, S ie h t er gelaffen a n ; er steht von fremden Handen. Eich seinen größten Schatz, sein liebstes G u t entwen­ den -----Carl. Und prügelt seinen Dieb gelaffen tüchtig *aus. O h e iin . Mein H im m e l! wirst du mich denn ewig unterbrechen? C a rl. Don nun an werd' ich ungefragt nicht wieder sprechen. O h e i in. Ich bin h e ra u s! ( F ü r sich.) Linksum! wo anders lenk' ich hin. (L au t.) Mein F re u n d , dir ist bekannt, daß ich dein Oheim b in ? Carl,

(läc h eln d .)

3a, meine M utter sprach's, und auch mein V ater meint' es. O h e i m. Und daß du folglich auch mein Neffe bist?

iS2

Das

Räthsel. C a rl.

So scheint es. Ohei m. Doch auch, daß uns das Herz mehr als das B lut verband? Ich reichte frühe schon als Freund dir meine Hand. Ungleiche Jahre ließ uns gleicher Sinn vergessen — Und ist das Atter denn nach Jahren bloß zu messen ? — Genug, ich bin dein Freund; für meinen acht^ich dich; Doch nur im Handeln zeigt als acht die Freundschaft sich : Des Schiffes fester Bau erprobt sich auf den Wellen. Noch konnten wir uns ja auf keine Probe stellen. Carl .

Wozu denn that' es Noth? Die Probe zeigt gar oft Weit mehr, als wir begehrt und minder, als gehofft. In Lieb' und Freundschaft auch muß Gl aube selig machen. O h ei m. Nicht so, mein Freund. Der Glaube gilt bei Schwachen. Wer seiner selbst gewiß, scheut die Gewißheit nicht. O könnt' ich doch was hier ( Auf die Brust deutend.) für dich so zärtlich spricht, Durch eine That für dich erklären nnd verklären! C a r l , (fü r sich.) Was wird die Zärtlichkeit denn endlich noch gebaren? Wo will er denn hinaus?

O h e i m. Doch aber würdest d u , — G alt's eine T h a t , und trieb der Augenblick dazu, — Für deinen Freund ein Opfer auch nicht- scheuen? W ie sollt' ich?

Carl.

O h e i m. Nicht zu rasch! E s könnte dich gereuen, Denn ohne Umschweif, F reund, der Augenblick ist da. Carl.

Ich auch und was es sey, ich spreche willig ja. O h e i in. Nicht länger will ich meine- B ru st verschließen. C a rl. N un wohl! — Ohei m.

Und mit Vertraun will ich mein Herz ergießen. Carl. S o gießen S ie . Ohei m.

Ich thu's. — I h r habt Euch hart entzweit, C lif und du — C arl,

( f ü r sich.)

Aha! N u n kommt's.

Oheim. Und dieser S tre it Is t keiner, wie sie sonst zu Liebenden sich finden, Und die, den Wölkchen gleich, die oft zu Sommerszeit Die S onne selber bildet und zerstreut, Durch Liebe bloß entstehn und auch durch sie ver­ schwinden, Und schöneres W etter nur, gleich jenen, uns verkünden: Es ist ein böser S tre it und kann von Folgen seyn. Die Weiber büßen oft ein Recht mit Freuden ein, Allein ein Unrecht nie u n d -----C a r l , ( lächelnd.) O heim , S ie vergeben. Ich wußte lange schon, wonach sie streben; Ich kannte das Geschäft, das S ie bei mir besorgt. O h e t uu D u w eißt? Is t's möglich? W ie? S o hast du uns behorcht? Carl. Beinah. Doch war ja auch in Ihrem Blick und Wesen Don Anfang an der ganze P la n zu lesen.

Das Räthsel .

ig3

Carl. D aß S i e nun nicht langer sich bemühn, S o sag' ich Ih nen gleich: Elisen ist verziehn. O h e i m. D u weißt und du verzeihst? O Neffe sonder Gleichen! O treffliches G e m ü th ! — Und willst — und willst mir weichen? Carl. Dem Freunde weicht man gern.

Oheim. Und willigest darein? N u n ja!

Carl. O h e t nt.

E s dringt auf mich ein ganzer Himmel ein, Und vor der Hoffnung selbst steh' ich am schönsten Ziele! Wie zeig' ich meinen D a n k ? Wie nenn' ich was ich fü h le ? Carl. Wozu den D ank! Ich muß gestehen — doch ins O h r S i e kommen in der T h at nur meinem Wunsch zuvor.

ißö

Das

Räthsel. Carl.

H a tt' Elise nicht die B a h n gebrochen, Ich hätte selber dann zuerst davon gesprochen. O h e i m. D u h ä tt e s t

? Carl. 2a. O h e i m. Und hast auch mir verziehn? C a rl.

Verziehn! Den wärmsten Dank erheischt I h r redliches Bemühn. O heim.

O las; dich, theurer Freund, in diese Arme schließen! N u n kann ich erst mein Glück mit frohem M uth genießen.

Das Rät hs el .

Ne unt e El i se.

187

Scene. Vo r i g e .

( S ie bleibt unschlüssig in -er Thür stehen. Der Oheim eilt auf sie gu.) O h eim . H a , sieh! Elise selbst. — O kommen S ie geschwind. E r wußte schon wie weit wir mit einander sind. E lise . W ie w eit? W as meinen S i e ? O h eim . lind alles ist verziehen. El ise.

V erziehn? W as i s t -----C a rl. Laß die Verstellung fliehen! D u hast ihn abgeschickt. J a , j a , verhehle nicht, W as mir so laut, so schon für deine Liebe spricht. W as soll d a s ?

El ise.

C a rl. Doch du bist mir bloß zuvorgekommen.

i 88

Das

Räthsel.

Nach deinem Zimmer schon h a t t 'ich den Weg genommen, Als dein Gesandter kam. E lise . E rfah r' ich was das heißt? Herr O h e im , sprechen S ie . Oheim. Ei n u n , ich war so dreist, W as S i e dem B a r gesagt, zu Gunsten m i r zu deuten, Und wollte auf mein Glück den Neffen vorbereiten. E lise . S ie ko nnten

? C a rl. H ör' ich recht?

Oheim. E s w ar ihm schon bekannt. D er Schelm bat uns behorcht, wie er mir halb gestand, Und halb mich merken ließ, und nichts ist ihm ent­ gangen. C r weiß, daß dieser Blick mein armes Herz gefangen, Und daß Elise meine Zärtlichkeit Nicht ohne Hoffnung lieb — und weiß es ohne Neid Und ohne G ro ll, und hat mir gern verziehen, Erkennt sogar mit Dank mein redliches Bem ühen; J a mehr noch, er gestand m ir selbst ins O hr,

W ir kamen in der That- nur seinem Wunsch zuvor. J a , ja, ich wußt' es langst, und heute wird's bewiesen: (Z u Elisen tretend.) (Z u Carln gehend.) C lip ist nicht für ihn — du bist nicht für Elisen. C a rl. B e i G o tt! Wie zwischen T rau m und Wachen steh ich hier. H err O nkel, faseln S i e ? W as wollen S ie mit m ir ? O h e i m. H err Neffe, ja, es scheint, daß du nicht ausgeschlafen. W a s ? Laugnen willst du m ir? — D u willst mich Lügen strafen? C a rl. Elis', ich bitte dich, gesteh' es endlich ein: D u sandtest ih n , er sollte M ittler seyn. D u hattest mich gekrankt, dein Unrecht schlug dich nieder, Die Laune wich, es sprach die Liebe wieder; D u wünschtest mich versöhnt, verziehn was du gethan — E lise . M ein H e rr, S ie irren sich. Ich dachte nicht daran. S i e haben mich gekrankt, S i e Unrecht, hm ! und meinen, Ich werd' als Bittende vor Ih rem Stolz erscheinen? S ie irren sehr, mein Herr.

190

Das

Räthsel. C a r l. Ich irrte mich in dir.

Ach ja! Das seh' ich ein. (Sich zum Oheim wendend.) Doch S ie , Sie sagten m ir------O h e i m. Sie irren sehr, mein Herr. Carl,

(zu Elisen.)

Sein eigenes Bekenntniß------Eli se. Ein Mißverstandniß! Carl,

(zum Oheim.)

H err, und S ie ------O h e i m. Ein Mißverständnis. EL, ei, du glaubtest wohl in Unschuld, wie es scheint, Die Rede fei; von d ir: — ich sprach von mir, mein Freund. Carl. O welche Sympathie in diesen Seelen waltet, Und sich in Wort und Thun bewundernswerth entfaltet! Ich wünsche Glück, Herr Ohm; das Ziel ist nicht mehr weit.

Das

Räthsel.

191

Elise. Und schneller als der Trotz geht die Gefälligkeit. C a r l , ( z u Elisen.) I h r großes Glück bewundr' ich fast nicht minder. Wie kann ein Herzenssteg wohl schneller, schöner sevn? Die Thore öffnen sich von selbst dem Ueberwinder, Und Alexander zieht ins alte Babel ein.

Elise. Und thut es ungestört vom Witze mancher Leute. Oheim. Und wer's nicht leiden kann, der gehe fein bei Seite. Elise. Denn vier und zwanzig J a h r gefallen nicht allein. O h et nt. M a n nippt vom jungen Most und trinkt vom alten Wein.

Elise. Schon mancher glaubte fest in unsrer Gunst zu stehen — O heim.

D a ließ man plötzlich ihn mit langer Nase gehen. Die Lieb' ist nicht allein der Jugend schöner P r e i s ; Doch immer jung ist der, der noch zu lieben weiß. ( E r küßt Elisens Hand.)

i92

Das

R a t h sel.

C arl. O weh! Die Zärtlichkeit wird stark von beiden S e ite n ! Ich geh' und laß ihr R aum , sich weiter auszubreiten. Adieu, Madam! E lise . Adieu. O h e i m. Adieu! Carl. Ich werde gehn — E lise. Adieu! Lheim. Adieu! C a rl. Und nie dich wiedcrsehn! Adieu!

Ohei m.

( Er laust hastig fort; unter der Thür aber bleibt er, von den andern unbemerkt, stehen.)

Elise. E r g e h t----Ohei m. N un ja. E r mag in Frieden ziehen. Der Sieger bleibt; die Ueberwund'nen fliehen.

E lis e . E r schien sehr aufgebracht. Oheim. Geschlag'ne Kinder schrei«, E r wollte fort —

Elise.

Oheim. I n u n , er läßt S ie nicht allein. Elise. W as meinen S ie , er wird doch wiederkommen? O h e im * Und kam' er nicht, was hat er Ihnen mitgenommen? Ein Herz voll Unbestand, voll Trotz und Eitelkeit, D as nichts als herrschen will und sich nur Weihrauch streu t! Und was ist Ihnen zum Ersatz geblieben? Ein Herz, das sich vergißt, ganz von sich selber schweigt, R u r von Elisen spricht, und von dem Glück zu lieben; — S o wie der klare S e e , den keine Wellen trüben, Den blauen Himmel nur und seine Sonne zeigt — D as zärtlich — Elise, (die nachdenkend gestanden, wendet sich plötzlich, und wird Carln gewahr.) Ah! € 0 n i e ff. S c h r i f t .

2, Dd.

13

194

D a s

R ä th s e l. Ohe i m.

Wa s i st ? ( C a r l zieht sich etwas zurück.) E l i s e , (fü r sich.) E r ist noch nicht gegangen. E r steht und horcht.

Oheim. W a s g a b 's ? E lise . Ich fühlte so befangen, Beklommen meine B r u s t und plötzlich w ard es mir I n meiner B r u s t so leicht!

Oheim. A ch, einer steht noch hier, D e m ist es nicht so leicht; der fühlt sich noch beklommen; D em ist die Last vom Herzen nicht genommen — E li se, (lächelnd mit einem Seitenblick auf Carln.) J a , j a , ich seh' ihn stehn.

Oheim. Noch quälen Zweifel ihn — — E lise . Ic h glaub' es wohl, doch bald soll jeder Zweifel fliehn.

D a s

R ä t h s e l .

195

0 h e i m. Ei n kleines Wörtchen nur giebt Tod ihm oder Leben; E in kleines Wörtchen kann zum Gotte ihn erheben. O sprechen S ie es aus! E lis e . Ich sprach' es selber gern. O h e i m. Ach G o tt! W as zögern S ie ?

Elise. E r steht m ir noch zu fern. Oheim, E r e i l t -------Elise,

(a u f sie zu eilend.) (ih n zurückhaltend )

Nicht doch! E r w eilt.

Gezwungen muß ich schweigen,

Denn er versteckt sich j a , und w ill sich m ir nicht zeigen. O h e i m. Versteckt? Elise scherzt. H a t sie, was tie f versteckt I n seinem Vusen la g , zur Sprache nicht geweckt? M u ß t' ihrem Blick sich nicht sein Innerstes entfalten? W enn er nicht lauter sprach, hat Furcht ihn nur gehalten, D ie Furcht, Elise werd' ihm nicht verzeih», W enn e r --------

i-6

Das

Räthsel.

E lis e . Ach, alles soll ihm nun verziehen seyn! Oheim. S o d a rf er sprechen? D a rf die Liebe frei sich zeigen? O nehmen S ie ihn h in ! E r ist nun ganz ihr eigen. A uf immer hat er Ih n e n sich gew eiht; E r lebt und stirbt in süßer Dienstbarkeit, Und diesen Zettel hier will er als erstes Zeichen D er treuesten Ergebung überreichen. E lis e . D en Z ettel? N e in , ich will ihn gar nicht seh'n. Ich w ar ein K in d ; nun ja , das mag ich gern gesteh'n. Allein das sey genug. Recht thun ist leicht zu nennen; Doch Unrecht haben schwer; am schwersten, es bekennen! ( Carl nahet sich etw as.) Auch ohne das P a p ier weiß ich, daß er mich liebt. O b e i m. Und daß er Alles gern hin für Elisen giebt! E lis e . Auch ohne das P a p ier werd' ich ihn immer lieben. O h e i m. V on gleicher Leidenschaft ward noch kein Mensch ge­ trieben. C