Goethe’s Schriften: Band 2 [Reprint 2020 ed.]
 9783111430188, 9783111064734

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Schriften Zweyter Band.

Leipzig, bey Georg Joachim Göschen.

Goethe's W- 2. Band.

Personen. Der Wirth. Sophie, sein« Techtec, Söller, ihr Mann, Alcest. Ein Keller.

Der Schauplatz ist im Wirth-hause.

Erster Aufzug. Die

Wirths-Stube.

Erster

Auftritt.

Söller im Domino an einem Tischchen, eine Bouteilte Wein vor sich. Sophie gegen über, eine weiße Feder auf einen Hut nähend. Der Wirkh kommt her.-

ein.

Im Grunde steht ein Tisch mit Feder,

Dintr und

Papier, daneben ein Großvaterstuhl.

Wirth. Schon wieder auf den Balll Im Ernst, Herr Schwiegersohn, Zck bnR’ Sein Rasen satt, und dächt' Er blieb' davon. Mein Mädchen hab' ichZhm wahrhaftig nicht gegeben, Um so in Tag hinein von meinem Geld zu leben. Zch bin ein alter Mann, ich sehnte mich nach Ruh, Ein Helfer fehlte mir, nahm ich Ihn nicht dazu? Ein schöner Helfer wohl, mein Bißchen durchzubringen! Söller

summt ein Liedchen in den

A r

Bert.

Wirth.

4

Die Mitschuldigen. Wirth.

Ja, sing'Er, sing' Er nur, ich will Ihm auch eins singen!

Er ist ein Taugenichts, der voller Thorheit'steckt, Spielt, säuft und Tabak raucht, und tolle Streiche heckt. Die ganze Nacht geschwärmt, den halben Tag imDette; Kein Herzog ist im Reich, der besser Leben hätte.

Da sitzt das Abenteu'r mit weiten Ermeln da.

Der König Hasenfuß I Söller

trinkt.

Ihr Wohlergehn, Papa! Wirth. Ein saubres Wohlergehn! das Fieber möcht' ich kriegen.

Sophie. Mein Vater, seyn Sie gut!

Söller

.trinkt.

Mein Fickchen, Dein Vergnügen! Sophie. Vergnügen! Könnt' ich Euch nur einmahl einig sehn! Wirth.

Wenn er nicht anders wird, so kann das nie geschehn. Ich bin wahrhaftig längst des ew'gen Zankens müde.

Doch wie er'S täglich treibt, da halt' der Henker Friede t

Er ist ein schlechter Mensch, so kalt, so undankbar; Er sieht nicht was er ist, er denkt nicht was er war, Nicht an die Dürftigkeit, aus der ich ihn gerissen,

An seine Schulden nicht, die ich doch zahlen müssen. Man sieht, es bessert auch nicht Elend, Reu' noch Zeit;

Einmahl ein Lumpenhund, bleibt man'S in Ewigkeit. Sophie.

Die Mitschuldigen.

5

Sophie. Er ändert sich gewiß. Wirth.

Muß er's so lang' verschieben? Sophie. Das ist nun Jugendart.

Söller

must.

Ja, Fiekchen, was wir lieben?

Wirth. Zum einenOhr hinein, zum andern flugö heraus I Er hört mich nicht einmahl. Was bin ich denn im Hau«? Ich hab' nun zwanzig Jahr mit Ehren mich gehalten.

Meint Er, was ich erwarb, damit woll' Er nun schalten.

Und woll' es nach und nach vertheilen? Nein, mein Freund, Das laß' Er Sich vergehn! So bös ist's nicht ge­ meint! Mein Ruf hat lang gewährt, und soll noch länger währen, Es kennt die ganze Welt den Wirth zum schwarzen

Dären. Es ist kein dummer Dar, er conservirr sein Fell; Jetzt wird mein Haus .-t wablt, und dann heiß' ich's

Hotel. Da rcgnet's Cavalicrs, da kommt Las Geld mit Haufen;

Doch da gilt'S fleißig seyn, und nicht sich dumm zu

saufen!

Nach

6

Die Mitschuldigen.

Nach Mitternacht zu Bett', und Morgens aufbey Zeit,

So heißt's da! Söller. Dis dahin ist es noch ziemlich weit. Ging's nur so seinen Gang, und war' n.chk tätlich

schlimmer —

Wer kommt denn viel zu uns? Da droben stehn die

Zimmer. Wirth.

Wer reks't denn jetzt auch viel? Das ist nun so einmahl, Und hat nicht Herr AIcest zwey Stuben und de» Saal? Söller.

Za, ja, das ist schon was, das ist ein guter Kunde; Allein Minuten sind erst sechzig eine Stunde,

Und dann weiß Herr Alcest warum er hier ist. Wirth. Wie? Söller. Ach apropos, Papa! Man sagt mir heute früh,

Zn Deutschland gab's ein Corps von braven jungen Leuten, Die für America Succurs und Geld bereiten. Man sagt, es waren viel, und hätten Muth genug.

Und wie das Frühjahr käm', so geh' der ganze Zug. Wirth.

Ja, ja, beym Glase Wein hört' ich wohl manchen prahlen,

Er

ließe Haut und Haar für meine Provinzialen: Da lebt' die Freyheit hoch, war jeder brav und kühn, Und wenn der Morgen kam, ging eben keiner hin.

Söller.

Die Mitschuldigen. Söller.

Ach es gibt Kerls genug, bey dcnen'S immer sprudelt; Und wenn so einen denn die Liebe weidlich hudelt,

Da müßt'S romanenhaft und wohl erhaben stehn,

So mit dem Kopf voran, in alle Welt zu gehn. Wirth. Wenn einen nur die Lust von unsern Kunden triebe,'

Der auch hübsch artig war'und dann uns manchmahl

schriebe, Das wär' doch noch ein Spaß! S'ölle r. Es ist verteufelt weit. Wirth.

Eh nun, was liegt daran ? Der Brief läuft eine Zeit.' Ich will doch gleich hinauf in kleinen Vorsaal gehen. Wie weit's ist, ungefähr auf meiner Karte sehen, a».

Zweyter Auftritt, Sophie.

Söller.

Söller. Ha, es ist nichts so schlimm, die Zeitung macht'S doch

gut.

Sophie. Za, gib ihm immer nach! Söller.

Zch hab' kein schnelles Blut, Das ist sein Glück! Denn sonst mich so zu kujoniren! A 4

Sophie

8

Die Mitschuldigen. Sophie.

Zch bitt' Dich ! Söller. Nein, man muß da die Geduld verlieren!

Zch weiß das alles wohl, daß ich vor einem Jahr Ein lvck'rer Passagier und voller Schulden war —

Sophie. Mein Guter, sey nicht bös. Söller.

Er schildert mich so gräulich. Und doch fand mich Sophie nicht ganz und gar ab­

scheulich. Sophie.

Dein ew'ger Vorwurf läßt mich keine Stunde froh. Söller.

Zch werfe Dir nichts vor, ich meine ja nur so. Ach eine schöne Frau ergehet unü unendlich.

Es sey nun wie ihm will!

Siebst Du, man ist er­

kenntlich. Sophie, wie schön bist Du, und ich bin nicht von Stein, Zch kenne gar zu wohl das Glück Dein Mann zu seyn;

Zch liebe Dich — Sophie. Und doch kannst Du mich immer plagen?

Söller. O geh, was liegt denn dran? Das darf ich ja wohl sagen: Daß Dich Alcest geliebt, daß er f'ir Dich gebrannt.

Daß Du ihn auch geliebt, daßDu ihn lang' aekannr.

9

Die Mitschuldigen. Sophie. Ach;

Söller. Nein, ich wüßte nicht, was ich da böses faße!

Ein Däumchen, das man pflanzt, das schießt zu seiner Höhe, Und wenn es Früchte bringt, ey I da genießet sie

Wer da ist; über'sJahr gibt's wieder. Ja, Sophie, Ich kenne Dich zu gut, um was daraus zu machen,

Zch find's nur lächerlich. Sophie.

Ich finde nicht« zu lachen.

Daß michAlcest geliebt, daß er für mich gebrannt,

Daß ich ihn auch geliebt, daß ich ihn lang' gekannt. Was ist's nun weiter?

Söller. Nichts! Das will ich auch nicht sagen,

Daß es was weiter ist.

Denn in den ersten Tagen,

Wenn Dir das Mädchen keimt, da liebt sie eins zum

Spaß, Es krabbelt ihr um'ü Herz, und sie versteht nicht was.

Man küßt beym Pfänderspiel, und wird allmählich größer,

DerKuß wird ernstlicher und schmeckt nun immer b> fser. Und da begreift sie nicht, warum die Mutter schmält,

Voll Tugend wenn sie liebt, ist'S Unschuld wenn sie fehlt. Und kommt Erfahrenheit zu ihren andern Le en,

So,sey ihrMann vergnügt ein klugcSLeib zu haben! Sophie. Du kennst mich nicht genug.

A 5

Söller.

IO

Die Mitschuldig en.

Söller. 0 laß das Immer seyn. Dem Mädchen ist ein Kuß, was uns ein Glas mit Wein, Eins, und dann wieder eins, und noch eins, bis wir

sinken. Wenn man nicht taumeln will, so muß man gar

nicht trinken i Genug Du bist nun mein!— Ist es nicht vierthalb Zahr,

Daß Herr Alcest Dein Freund und hier im Hause twt Wie lange war er weg? Sophie. Drey Zahre, denk' ich. Söller.

Drüber. Nun tst er wieder da, schon vierrehn Tage — Sophie.

Lieber Zu was dient der Diseurs?

Söller.

Eh nun, daß man was spricht. Denn zwischen Mann und Frau redt sich so gar viel

nicht. Warum ist er wohl hier?

Sophie. Eh nun, sich zu vergnügen.

Söller. Zeh glaube wohl, Du magst ihm sehr am Herzen liegen. Wenn er Dich liebte, hei gäbst Du ihm wohl Gehör? Sophie

u

Die Mitschuldigen.

Sophie. Die Liebe kann wohl viel, allein die Pflicht noch mehr.

Du glaubst? —

Söller. Zch glaube nichts, und kann das wohl begreifen.

Ein Mann ist immer mehr, als Herrchen die nur

pfeifen. Der allersüßte Ton, den auch der Schäfer hat. Es ist doch nur ein Ton, und Ton, den wird man satt.

Sophie.

Za Ton! Nun gut, ihr Ton! doch ist der Deine besser?

Die Unzufriedenheit in Dir wird täglich größer.

Nicht einen Augenblick bist Du mit Necken still. Man sey erst liebenswerth, wenn man geliebt sey» will. Warst Du denn wohl der Mann ein Mädchen zu

beglücken?

Erwarbst Du Dir ein Recht mir ewig vorzurücken, Was doch im Grund' nichts ist ? Es wankt das ganze

Hau«, Du thust nicht einen Streich, und gibst am meisten aus. Du lebst in Tag hinein; fehlt Dir'S so machst Du

Schulden,

Und wenn die Frau was braucht, so hat sie keinen Gulden, Und Du fragst nicht darnach, wo sie ihn kriegen kann;

Willst Du ein brave« Weib, so sey ein rechter Mann! Verschaff' ihr was sie braucht, hilf ihr die Zeit »er

treiben. Und um das übrige kannst Du dann ruhig bleiben. Söller.

12

Die Mitschuldigen. Söller.

Eh, sprich den Vater an *

Sophie.

Dem käm' ich eben recht.

Wir brauchen f o genug, und alles geht so schlecht. Erst gestern mußt' ich ihn nothwendig etwas bitten. Ha, rief er, Du kein Geld, und Söller fährt im

Schlitten? Er gab mir nichts und lärmt'mir noch die Ohren voll. Nun sage mir einmahl, woher ich'« nehmen soll? Denn Du bist nicht der Mann sär eine Frau zu sorgen. Söller.

O warte, liebe« Kind, vielleicht empfang' ich morgen Von einem guten Freund-----------------

Sophie.

Wenn er ein Narr ist, ja!

Zum Hohlen sind zwar oft die guten Freunde da;

Doch einen, der was bringt, den hab'ich noch zu sehen! Nein, Söller, siehst Du wohl, so kann's nicht weiter gehen Söller.

Du hast ja was man braucht. Sophie. Schon gut, das ist wohl wa«: Doch wer nie dürftig war, der will noch mehr als das. Das Glück verwöhnet uns gar leicht durch seine Gaben, Man har so viel man braucht und glaubt noch nichts

zu haben. Dis

iz

Die Mitschuldigen. Die tu|t, die jede Frau, die jedes Mädchen hat,

Ich bin nicht hungrig drauf, doch bin ich auch nicht satt.

Der Putz, der Ball'.— Genug, ich bin ein Frauen« zimmer.

Söller. Eh nun, so geh doch mir: sag' ich Dir's denn nicht immer?

Sophie. Daß wie die Fastnachtslust auch unsre Wirthschaft sey.

Die kurze Zeit geschwärmt, dann auf einmahl vorbey? Viel lieber sitz' ich hier allein zu ganzen Zähren! Wenn Du nicht sparen willst, so muß die Frau wohl

sparen. Mein Vater ist genug schon über Dich crbcßt: Zch stille seinen Zorn und bin sein ganzer Trost. Nein, Herr! ich helf' Zhm nicht mein eignes Geld

verschwenden: Spar' Er eS erst an Sich, um es an mich zu wenden! Söller. Mein Kind, für dießmahl nur laß mich noch lustig seyn.

Und wenn die Messe kommt, so richten wir uns ein.

Ein Keller

tritt auf,

Herr Söller!

Söller. He, was gibl'S?

Keller.

Der Herr von Tirinette!

Sophie. Der Spieler? Söller.

14

Die Mitschuldigen. Söller. Schick' ihn fort! Daß ihn der Teufel hätte!

Keller. Er sagt, er muß Sie sehn.

Sophie.

Was will er denn bey Dir? Söller.

Ah, er verreist —

Zum Keller, ich

komm'! —

Zu Sophie, und er empfiehlt sich mir.

Dritter Auftritt. Sophie

allem.

Der mahnt ihn ganz gewiß! Er macht im Spiele Schulden,

Er bringt noch alles durch, und ich, ich muß es dulden.

Da« ist nun alle Lust und mein geträumtes Glück!

Solch eines Menschen Frau! so weit kamst du zurück ! Wo ist sie hin die Zelt, da noch zu ganzen Schaaren Die süßen jungen Herrn zu deinen Füßen wäret»? Da jeder sein Geschick in deinen Blicken sah? Zch stand im Ueberfluß wie eine Göttinn da;

Aufmerksam rings umher die Diener meiner Grillen; Es war genug, mein Herz mit Eitelkeit zu füllen. Und ach! ein Mädchen ist wahrhaftig übel dran!

Äst man ein Bißchen hübsch, gleich steht man jedem an. Da summr uns unser Kopf den ganzen Tag von Lobe! Und welches Mädchen halt wohl diese Freuerprobe?

Ähr

Di< Mitschuldige n.

15

Ihr konnt so ehrlich thun, man glaubt euch gern auf« Wort,

Zhr Männer! — auf einmahl führt euch der Henker

fort. Wenn'« was zu naschen gibt, sind alle flugS beym

Schmause, Doch macht ein Mädchen Ernst, so ist kein Mensch zu Hause. So geht'S mit unsern Herrn in dieser schlimmen Zelt;

Es gehen zwanzig drauf, bis daß ein halber freyt.

Zwar fand ich mich zuletzt nicht eben ganz verlassen; Mit vier und zwanzigen ist nicht viel zu verpaffen.

Der Söller kam mir vor—Eh, und ich nahm ihn an;

Es ist ein schlechter Metssch, allein eS ist ein Mann. Da sitz' ich nun, und bin nicht besser als begraben. Anbether somit’ ich wohl noch in der Menge haben;

Allein, was sollen sie? Man quälet, sind sie dumm.

Zur Langenweile nur mit ihnen sich herum; Und einen klugen Freund ist es gefährlich lieben.

Er wird die Klugheit bald zu euerm Schaden üben. Auch ohne Liebe war mir jeder Dienst verhaßt, — Und jetzt — mein armes Herz, warst du darauf

gefaßt? Alcest ist wieder hier.

Ach welche neue Plage'.

Za vormahls, war er da, wie «aren's andre Tage!

Wie liebt' ich ihn! — Und noch — Ich weiß nicht was ich will! Zch weich' ihm ängstlich aus, er ist nachdenkend, still.

Zch fürchte mich vor ihm; die Furcht ist wohl ge­ gründet. Ach

16

Die Mitschuldigen.

Ach wüßt' er was mein Herz noch iht für ihn em­ pfindet ! Er kommt. Ich zittre schon. Die Brust ist mir so voll, Ich weiß nicht wa« ich will, viel wen'ger was ich soll.

Vierter Auftritt.

Sophie. Alcest

anzekleidet, ohne -Hut und Degcu.

A l c e st. Verzeihen Sie, Madam, wenn ich beschwerlich falle. Sophie. Sie scherzen, Herr Alcest! dieß Zimmer ist für alle. A(cest. Ich fühle; jetzt bin ich für Sie wie jedermann. Sophie. Zch seh' nicht wie Alcest darüber klagen kann. Alcest. Du siehst nicht, Grausame? Ich sollte das erleben? Sophie. Erlauben Sie, mein Herr! ich muß mich wegbegeben. Alcest. Wohin? Sophie? wohin? — Du wendest Dein Gesicht? Versagst mir Deine Hand? Sophie, kennst Du mich nicht? Sieh her 1 es ist Alcest, der um Gehör Dich bittet. Sophie.

Die Mitschuldigen.

17

Sophie. Weh miet Wie ist mein Herz, mein «rmes Her! zerrüttet!

Alcest. Bist Du Sophie, so bleib.

Sophie. Ich bitte, schonen Sie! Ich muß, ich muß hinweg. Alcest. Unzärtliche Sophie!

Verlassen Sie mich nur. — In diesem Augenblicke,

Dacht' ich, ist sie allein; du nahst dich deinen» Glücke. Zehr, hofft' ich, redet sie ein freundlich Wort mit dir.

O gehn Sie, qehn Sie nur! — In diesem Zimmer hier Entdeckte mir Sophie zuerst die schönsten Flammen, Die Liebe schlang uns hier das erstemahl zusammen.

An eben diesem Platz — erinnerst Du Dich noch?— Schwurst Du mir ew'ge Treu!

Sophie. O schonen Sie mich doch!

Alcest. Ein schöner Abend war's—ich werd' ihn nie vergessen! Dein Auge redete, und ich, ich ward vermessen. Mit Zittern bothst Du mir die süße Lippe dar:

Noch fühlt meinHerz zu sehr, wie ganz ich glücklich war. Da war Dein Glück mich sehn, Dein Glück an mich zu denken:

Und jetzo willst Du mir nicht eine Stunde schenken? Du siehst ich suche Dich, Du siehst ich bin betrübt —

Geh nur Dn falsches ^erz, DU hast mich nie geliebt!

Goethe'- W. 2. Band-

B

Sophie.

Die Mitschuldigen. Sophie. Ich bin geplagt genug, willst Du mich auch noch plagen?

Sophie Dich nie geliebt! Alcest, das darfst Du sagen? Dn warst mein einiget Wunsch,

Du warst mein

höchstes Gut, Für Dich schlug dieses Herz, Dir wallte dieses Blut!

Und dieses gute Herz, das Du einst ganz besessen,

Kann nicht unzärtlich seyn, es kann Dich nicht vergessen. Ach die Erinnerung hat mich so oft betrübt!

Alcest! — ich liebe Dich — noch, wie ich Dich geliebt. Alcest. Du Engel l bestes Herz! Er »ui sie umarmen. Sophie. Zch höre jemand gehen.

Alcest. Auch nicht ein einzig Dort! das ist nicht auszustehen. So geht's den ganzen Tag I.Wie ist man nicht geplagt l

Schon vierzehn Tage hier, und Dir fein Wort gesagt! Ich weiß, Du liebst mich noch; allein das muß mich

schmerzen, Niemahls sind wir allein, und reden nie von Herzen $ Nicht einen Augenblick ist hier im Zimmer Ruh,

Bald ist der Vater da, bald kommt der Mann dazu. Lang bleib'ich Dir nicht hier, das ist mir unerträglich. Allein, Sophie, wer will, ist dem nicht alles möglich?

Sonst war Dir nichts zu schwer, Du halfest uns ge­

schwind ; Es war die Eifersucht mit hundert Augen blind.

O wenn Du wolltest — Sophie.

Die Mitschuldigen.

19

Sophie. Was?

Alcest. Wenn Du nur denken wolltest,

Daß Du Alcesten nichr verzweifeln lassen solltest l Geliebte, suche doch uns nur Gelegenheit

Zur Unterredung auf, die dieser Ort verbeut.

O höre, heute Nacht; Dein Mann gebt ans demHause, Man meint ich gehe selbst zu einem FastnacbtSschmause;

Allein, das Hinterthcr ist meiner Treppe nah — Es merkt'S kein Mensch im Haus' und ich bin wie«

der da.

Die Schlüssel hab' ich hier, und willst Du mir erlau« den —

Sophie. Alcest, ich wundre mich —

Alcest. Und ich, ich soll Die glauben,

Daß Du kein hartes Herz, kein falsches Mädchen bist?

Du schlägst das Mittel aus das uns noch übrig ist? Kennst Du Alcesten nichr, Sophie? und darfst Du zaudern In stiller Nacht mit ihm ein Stündchen zu verplau­ dern? Genug, nicht wahr, Sophie, heut' Nacht besuch' ich Dich?

Doch kommt Dir'ö sichrer vor, so komm, besuche mich. Sophie. Das ist zu viel 1

B i

Alcest.



Die Mitschuldigen,

Alcest. Zuviel! zuviel! 0, schön gesprochen! Verflucht! -u viel I zuviel! Verderb'ich meine Wochen Hier so umsonst? — Verdammt! was hält mich dieser Ort, Wenn mich Sophie nicht hält? Zchgehe morgen fort. Sophie.

Geliebter! Nester! Aleest. Nein, Du kennst, Du siehst mein Leiden, Und Du bleibst ungerührt! Ich will Dich ewig meiden!

Fünfter Auftritt. Die Vorigen.

Der Wirth.

Wirth. Da ist ei« Brief; er muß von jemand hohes seyn, Das Siegel ist sehr groß und bas Papier ist fein.

Alcest reijt den Brief auf. Wirth vor sich. Den Inhalt möcht' ich wohl von diesem Briefe wissen!

Aleest ver den Bries flüchtig überlesen -ak. Zch werde morgen früh von hier verreisen müssen! Die Rechnung! Wirth. Ey! so schnell in dieser schlimmen Zeit Verreisen? — DieserDriefist wohl von Wichtigkeit? Darf man sich unterstehn und Zhro Gnaden fragen? Alcest.

Die Mitschuldigen, Alcest. Nein! ju Sophien.

Wirth

Frag' ihn doch einmahl, gewiß D i r wird er's r, HUtv Nacht,

apa ich will zu Bette gehn.

Wirth. Gut' Nacht, Sophie.' Söller. Schlaf wohl; Ihr nachsehend. Nein, sie isi warsich schön! Er läuft ihr nach, und küßt sie noch einmahl an der Wir.

Schlaf wohl, mein Schäfchen! Ium Wirth. Nun, acht Er nicht auch zu Bette?

Wirth. Da ist ein Teufelsbrief; wenn ich hm Brief nur hätte Su Höller. Nun, Fastnacht! gute Nacht! Söller. Dank's! angenehme Ruhl

Wirth. Herr Teller, wenn Er gehr, mach' Er das Thor recht zu l ab.

Söller. Za, sorg«» Sie für nichts.

Sk

Die Mitschuldigen.

25

Siebenter Auftritt. Söller

«Uefn.

Was ist nun anzufangen? Q das verfluchte Spiel! 0 wär' der Kerl gehangen • Beym Abzug war's nicht just; doch muß ich stille seyn, Er haut und schießt sich gleich! Ich weiß nicht aus noch ein. Wie wär's? —- Alcest hat Geld — und diese Dietrich' schließen. Cr har auch große Lust bey mir was zu genießen! Er schleicht um meine Frau, das ist mir lang ver« haßt; Eh! nun, da lad'ich mich einmahl hey ihm zu Gast. Allein, käm' eS heraus, da gäb' dir'S schlimme Sa­ chen Ich bin nun in der Noch, was kann ich anders machen? Der Spieler will fein Geld, sonst prügelt er mich aus. Courage! Söller! fort! Es schlaft das ganze Haus. Und wird es ja entdeckt; bin ich doch wohl gebettet: Denn eine schöne Frau' hak manchen Dieb gerettet, ah.

D 5

Zwey-

Zweyter Aufzug. Das Zimmer Alcestens. Da- Theater ist von vorn nach dem Fond zu getheilt in Stube und Alkoven. An der einen Seite der Stube Keht ein Tisch, darauf Papiere und eine Schatulle. Im Grund' eine große Thür, und eine kleine dem Alkovey gegen über. Erster

Auftritt.

Söller

Domino, die Maite vorm Gesicht, in Strümpfen, eint tvlendlaterne in der Hand, kommt zur kleinen Thür herein, keuchtet furchtsam im Zimmer herum; dann tritt er gefaßter hervor, nimmt die Maske ab, mischt den Schmeiß und spricht r im

(j?6 braucht'- nicht eben just, daß einer tapfer ist,

Man kommt auch durch die Welk mit Schleichen und

mit List. Der eine gehr euch hin, bewaffnet mit Pistolen, Sich einen Sack voll Geld, vielleicht den Tod zu hohlen, Und spricht: „Den Deutel her, her ohne viel zu sterr'n!"

Mit so gelaßnem Blut al« sprach' er: Prost, ihr Herrn!

Ein

Die Mitschuldige»,

«7

Ein andrer zieht herum, mit zauberischen Händen

Und Volten wie der Blitz die Uhren zu entwenden;

Und wenn ihr'S haben wollt, er sagt euch in'S Gesicht:

Ich stehle!

gebt wohl Acht l Er stiehlt, und ihr sehl's nicht.

Mich machte die Natur nun freylich viel geringer; Mein Herz ist allzuleicht, zu plump find meine Finger r Und doch kein Schelm zu seyn ist heul zu Tage schwer!

Das Geld nimmt täglich ab, und täglich braucht was mehr.

Du bist nun einmahl drin; nun hilf dir au« der Fallet

Ach alles meint im Haus', ich sey die Nacht beym Basse. Mein Herr Alcest — der schwärmt, — mein Weib

chen schläft allein — Die Constellation, wie kann sie schöner seyn?

Sich dem Tisch nahend, Okomm, duHeiligthum! du Gott in derSchatullel Ein König ohne dich ist eine große Nulle.

Habs Dank, ihr Dietriche! ihr seyd der Trost der Welt: Durch euch erlang' ich ihn, den großen Dietrich; Geld«

Indem er die Schatuhe zu eröffnen versucht. Zch hatt' als ÄeccM einmahl beym Amr gelauert,

Doch hat auch da mein Fleiß nicht eben lang gedauert. Das Schreiben wellte nicht, mir war'« zu einerley;

Erst in der Ferne Brot, und täglich Plackcrey, Dos stand nur gar nicht an— Ein Dieb ward ein« gefangen,

Die Schlüssel sanden sich, und er, er ward gehangen. Nun weiß man die Justiz bedenkt zufördeist sich;

Ich war nur Subaltern, das Eisen kam au mich. Ich

s8

Die Mitschuldige«.

Ich hob es auf.

Ein Ding scheint euch nicht viel zu nützen, ES kommt ein Augenblick, man freut sich'S zu besitzen! Und jetzt — Das Schloß springt auf. O schön gemünzt! ha! das ist wahre Lust ’ tzk steckt ein.

Die Tasche schwillt von Geld, von Freuden meine Brust —Wenn es nicht Angst ist. Horch! Verflucht, ihr feigen Glieder! Was zittert ihr? —■ Genua! - tzx fleht noch einmahl m di« Schatulle und nimmt noch. Noch eins! Nun gut! tzk macht sie zu und fährt zusammen.

Schon wieder! E- geht was auf dem Gang'! e« geht doch sonst nicht um — Der Teufel har vielleicht sein Spiel— Das Spiel wär' dumm l Zst'S eine Katze? Nein! das wär' ein schwerer Kater. Geschwind! es dreht am Schloß — E, springt in »en Alkoven.

Zweytrv Auftritt. Der Wirth, mit einem Wachsstock, zur SeitettthUo. herein.

Söller.

Söller. Behüt'! mein Schwiegervater?

Die Mitschuldigen. Wirth. ES ist ein närrisch Ding um ein empfindlich Blut; CS pocht, wenn man auch nur halbwrg war böse« thut. Neugierig bin ich sonst Mein Tage nicht gewesen, Dächt' ich nicht in dem Dries war wichtige« zu lesen. UNd mir der Zeitung ist'S ein ew'ger Aufenthalt, Das neuste waö man hört ist immer monarhsalt.

Und dann ist- da« auch schon ein unerträglich Wesen, Wenn jeder spricht: O ja, ich hab' es buch gelesen.

Wär' ich nur Cavalier, Minister müßt' ich seyn, Und jeglicher Courter ging' bey mir aus und ein. Ich find' ihn nicht, den Dries! Hak er ihn mitge* nommen? E-ist doch ganz verflucht! man soll zu gar nicht« kommen! Söller eoe sich.

Du guter alter Narr I ich seh' wohl, H hat dich Der Dieb«, und Zeitungsgott nicht halb so lieb wie

mich. Wirth. Ach find' ihn nicht!— O weh! — • Hör' ich auch

recht? -- Daneben

Am Saale! Söller. Riecht er mich vielleicht?

Wirth.

Es knistert eben Als wär'S ein Weiberftbuh.

Söller. Schuh! Nein, das bin ich nicht. Wirth

Zr>

Die Mitschuldigen. Wirth

Lläs't dm Machsstock aus, und da er in der Verlegenheit daLchloß der ttemen Thur nicht aufmachen kann, läßt er ihn fallen.

Jetzt hindert mich das Schloß noch gar! Er stoßt die Thur auf und fort.

Dritter

Auftritt.

Svphie jttv Hinterthür mit einem Lichte herein. Söller. Söller im Alkoven vor sich.

Ein Weibsgeflcht! Höll! Teufel! meine Frau! Was soll mir das?

Sophie. Ich bebe

Bey dem verwegnen Schritt. Söller. Sie ist'«, so wahr ich lebe I

Gibt das ein Rendez • vous! — Allein, gelten Falls Ich zeigte mich! — Za dann — es krabbelt mir am Hals! S ophiev Za, folgt der Liebe nur! Mit freundlichen Geberben

Lockt sie euch Anfangs nach — Söller., Ich möchte rasend werden!

Und darf nicht — Sophie. —- Doch wenn ihr Einmahl den Weg verliert.

Dann führt kein Zrrlichk euch so schlimm als sie euch führt.

Söller.

Die Mitschuldigen.

gi

Söller. Ja wohl, dir war' ein Sumpf gesünder als das Zim« mer! Sophie. Bisher ging's freylich schlimm, doch täglich wird t< schlimmer. Mein Mann macht's bald zu toll. Bisher gab's wohl Verdruß, Jetzt treibt er es so arg, daß ich ihn hassen muß. Söller.

Du Hexe! Sophie. Meine Hand hat er — Alcest inzwischen Besitzt, wie sonst, mein Herz. Söller. Zu zaubern. Gift zu mischen.

Ist nicht so schlimm!

Sophie. Dieß Herz, das ganz für ihn geflammt. Das erst durch ihn gelernt ^vas Liebe sey — Söller. Verdammt! Sophie. Gleichgültig war'6 und kalt, eh' es Alcest erweichte. Söller. Ihr Männer, ständet ihr nur all'einmahl so Beichte! Sophie. Wie liebte mich Alcest! Söller. Ach, das ist nun vorbey j Sophie,

Die Mitschuldigen.

Sophie. Wie herzlich liebr' ich ihn! Söller. Pah! das war Kinderev!

Sophie. Du Schicksal,, trenntest uns, und ach! für meine Sünden Mußt' ich mich — welch ein Muß! — mit einem Vieh verbinden. Söller.

Ich, Vieh? — 2a wohl ein Vieh, von dem gehörn­ ten Vieh! Sophie.

Was seh' ich?

Söller. War Madam? Sophie. Des Vaters Wachsstock! Wie Kam er hirher? -- Doch nicht? -— Da werd' ich fliehen müssen! Vielleicht belauscht er uns i — Söller. 0 seh' ihr zu, Gewissen!

Sophie. Doch das begreif' ich nicht, wie er ihn hier verlor. Söller. Sie scheut den Vater «icht, mahl' ihr den Teufel vor! Sophie.

Die Mitschuldigen.

33

Sophie.

Ach nein,

das ganze Haus liegt in dem tiefsten

Schlafe. Söller.

Die Lust ist mächtiger als alle Furcht der Strafe.

Sophie. Mein Vater ist zu Bett — Wer weiß wie das ge­ schah?

Es mag drum seyn! Söller.

0 weh! Sophie. Alcest ist noch nicht da?

Söller.

O dütft' ich sie! Sophie. Mein Herz schwimmt noch in bangem Zweifel,

Zch lieb' und fürcht' ihn doch. Söller.

Zch fürcht' ihn wie den Teufel Und mehr noch.

Käm'er-nur, der Fürst der Unterwelt,

Ich bath' ihn: chohl' mir sie, da hast du all mein Geld!

Sophie.

Du bik zu redlich, Herz! was istdenn dein Verbrechen ? Versprachst du treu zu seyn? und konntest du ver­

sprechen ? Dem Menschen treu zu seyn, an dem kein gutes Haar,

Der unverständig, grob , falsch? — «vethe's W.

Band.

C

Söller

Die Mitschuldigen.

34

Söller. Das bin ich? Sophie. Fürwahr, Wenn so ein Scheusal nicht den Abscheu g'nug ent­ schuldigt, So lob'ich mir das Land, wo man dem Teufel huldigt. Er ist ein Teufel! Söller. Was? ein Teufel? Scheusal! — Zch? Ich halt'S nicht länger aus! Er macht Getzerde herborzuspringen.

Vierter Auftritt. Alcest

angekleidet mit Hu! und Degen, »en Mantel drüber,

»en er gleich ablegt.

Die Vorigen.

Alcest. Du wartest schon auf mich? Sophie. Sophie kam Dir zuvor.

Älrest. Du zitterst?

Sophie. Die Gefahren! Alcest. Nicht! Weibchen! Nicht! Söller. Du! Dir! das sind Präliminaren. Sophie.

Die Mitschuldigen. Sophie. Du fühltest/ was dieß Her; i.m Delnetwisten litt, Du kennst dieß ganze Herz, verzeih' ihm diesen Schritt! Alcest. Sophie! Sophts. Verzeihst Du ihn, so fühl' ich keine Rens, Söller. Za, frage Mich einmahl, ob ich dir ihn verzeihe? Sophie. Was führte mich hieher? Gewiß, ich weiß es kaum. Söller, Zch weiß es nur zu wohl j Sophie. £6 ist mir wle eiti Traum. Söller. Zch wollt' ich träumte! Sophie. Sich, ein ganzes Hetz voll Plaget» Bring' ich zu Dir.

Älcest. Der Schmerz vermindert sich lM Klagest. Sophie. Eist sympathetisch Herz wie T eines fand ich nie. Söller. Wenn ihr zusammen gähnt, das nennt ihr SyMpaihie! Vortrefflich! Sophie. Mußf ich nur Dich so vollkommen finden, UM Mit drM Wi'derspiel von Dir mich zu verbinden? Zch hab' ein Herz, das nicht todt für die Tugend ist. C « Ä l r e st.

Die Mitschaldigen.

z6

Alcest. Ich kenn'«! Söller. Ja, ja, ich auch!

Sophie.

So liebenswerth Du bist,

Sh hättest nie von mir ein einzig Wort vernommen, Wär'diese« armeHerz nicht hoffnungslos beklommen.

Ich sehe Tag vor Tag die Wirthschaft untergehn, Da« Leben meine« Manns! Wie können wir bestehn? Ich weiß, er liebt mich nicht, er fühlt nicht meine

i

Thränen;

Und wenn mein Vater stürmt, muß ich auch den versöhnen!

Mit jedem Morgen gehr ein neue« Leiden an. Söller

gerührt auf seine Art.

Nein doch, die arme Frau ist warlich übel dran! Sophie. Mein Mann har-keinen Sinn für halb ein menschlich Leben;

Wa« hab' ich nicht geredr, wa« hab' ich nachgegeben!

Er säuft den vollen Tag, macht Schulden hier und dorr. Spielt, stänkert, pocht und kriecht, das gehr an Einem fort! Sein

ganzer Witz erzeugt nur Albernheit

und

Schwänke,

Wa« er für Klugheit hält sind ungeschliffne Ränke,

Er lügt, verläumdet, trügt.

Die Mitschuldigen. Söller. Ich sch, sie sammclt schon Die Personalien zu meinem Leichsermen.

Sophie. O glaub', ich hätte mich schon lange todt betrübet, Wußt' ich nicht —

Söller. Nur heraus J Sophie. Daß mich Alccst noch liebet.

Alcest. Er liebt, cr klagt, wie Du.

Sophie, Las lindert meine Pein, Bon Einem wenigstens, von Dir beklagc zu seyn. Alcest, bey dieser Hand, der theuern Hand, beschwöre Ich Dich, behalte mir Dein Herz beständig 1

Söller.

Höre, Wie schön sie thut!

Sophie. Dieß Herz, das nur für Dich gebrannt.

Kennt keinen andern Trost als nur von Deiner Hand. Alcest. Jch'kenne für Dein Herz kein Mittel.

Er faßt Sophien in den Arm uni) küßt sie. Söller. Weh mir Armen!

Will könn kein Zufall nicht sich über mich erbarmen! Das Herz, das macht mir bang'!

E z

Sophie.

38

Dir Mitschuldigen Sophie. Mein Freund!

Söller! Nein, nun wird'S matt; Ach bin der Freundschaft nun in allen Gliedern satt, Und wollte, weil sie sich doch nichts -u sagen wissen, Sie ging' nun ihren Weg und ließe mir das Küsse»; Sophie, Grausamer, laß mich los.

Söller. Verflucht, wie sie sich ziert| „Grausamer! laß mich los!" das ist kavitulirt. „ Pfui, schämen Sie Sich doch! “ die abgedroschne Leyer, Wenn'S nun Berg unter geht —• Ich gäbe keinen Dreyer Für ihre Tugend! Sophie sich losmachend.

Freund, noch diesen letzten Kuß, Und Hann leb wohl!

Alcest, Du gehst? Spphie. Ick gehe

• denn ich muß,

Alcest. Du liehst mich, Wb Du gehst? Sophie. Ich geh' — weil ich Dich liebe. Ich würde einen Freund verlieren, wenn ich bliebe. Es

Die Mitschuldigen.

99

Es strömt der Klagen Lauf am liebsten in der Nacht,

An einem sichern Ort, wo njcklS uns zittern macht. Man wird vertraulicher, je ruhiger man klaget;

Allein für mein Geschlecht ist es zu viel gewaget. Zu viel Gefahren sind in der Vertraulichkeit.

Ein schmerzerweichtes Herz in dieser schönen Zeit Versagt dem Freunde nicht den Mund zu Freund-» schaftSküssen.

Ein Freund ist auch ein Mensch — SöllerSie scheint eS gut zu wlffen.

Sophie.

Leb wohl« und glaube nur, daß ich die Deine sey. Söller.

Das Ungewitker zieht mir nah' am Kopf vorbey.

Sophie ad. Alcest begleitet sie durch die Mittelthür, di« offen bleibt. Ma» steht sie beyde in der Fern« zusammen stehn. Söller. Für dießmahl nimm fürlieb!

hier ist nicht viel zu

sinnen, Der Augenblick macht Luft, nur frisch mit dir von hinneni

M dem Altoden und schnell durch die Seltenm» Fh.



Di» Mitschuldigen. Fünfter Alcest

Auftritt. jUriickkommend.

WaS willst bir nun mein He» z? — Es ist doch wun«

derbar! Dir bleibt das liebe Weib noch immer was sie war. Huer ist die Dankbarkeit für jene gvldne Stunden

DeS ersten Liebeglücks nicht ganz hinweggeschwunden. Was hab'ich nicht gedacht! Was hab' ich nicht gefühlt!

Und jenes Bild ist noch nicht hier herausgespült. Wie mir die Liebe sie vollkommen herrlich zeigte,

DgS Dild, dem sich mekr.Herz in tiefer Ehrfurcht neigte.

Wie ander« ist mir's nicht? wie heller seil der Zeit? Und doch bleibt dir ei« Restv^n jener Heiligkeit. Bekenn' eS ehrlich nur was dich hleher getrieben, Nun wendet sich das Blatt, fängst wieder an zu lieben,

Und die Freygeisterey, und was du fern gedacht, Der Hohn, den du ihr sprachst, der Plan den du ge-

macht — Die anders sieht das aus!

Wird dir nicht heimlich

bcueae? Gewiß eh' du sie fängst, .so h« sie dich schon lange Nun das ist Menichenloos ! Man rennt wohl öfters an,

Und wer vjpj drüber sinnt, iff nvck weit übler dran.

Nur jetzt das nöthigste! Ich muß die Art erdenken.

Um ihr gleich morgen stuft was innre« Geld zu schenken.

Zm Grund' ist's doch verflucht —

Ihr Schicksal

druckt mich sehr.

Ihr Mann, der Lumpenhund, macht ihr das Leben schwer.

Ich

DK Mitfchul-izen.

41

La- sehn-k Ja, es wird reichen. War' ich auch völlig fremd, sie müßte mich erweichen:

Zch hab' just noch so viel.

Allein es liegt mir nur zu tiefstn Herz und Sinn, Daß ich gar vieles Schuld an ihrem Elend bin. — Das Schicksal wollt' es so! Zch konnr's einmahl

nicht hindern; Was ich nicht ändern kann, da« will ick immer lindern, tzr mache die Schatulle auf. Was Teufel? was ist das? Fast die Schatulle leer! Von allem Silbergeld ist nicht das Viertel mehr. Das Gold hab' ich bey mir. Ich-hab' die SchläM

immer; Erst seit dem Ngchmittag l Wer war denn wohl in» Zimmer? Sophie.? — Phtij — Za , Geyhieff Ullwürb'gt Grille fort! Mein Diener? — £>! telkgtxiniänem sichern Ort p Er schläft. — Der gute Kerl eo ist gewißj mcho schuldtgL Allein wer sonst? — Dey Gon! Es macht mich unMuldqr

Dritter

Die Mitschuldigen.

45

Dritter Aufzug. D i e

WirthS-Stube,

Erster

Auftritt.

Der Wirth ty» Schlafrock, im Sessel neben dem Psch, ryorauk ein balabgebranntes Licht, Kaffeezeug, Pfeifen, und die Zeitungen. Nach den ersten.Versen steht er auf, und zieht sich in diesem Austritte und dem Anfänge des folgenden an.

Ach- der verfluchte Brief bringt mich um Schlaf und

Ruh! Eü ging wahrhaftig nicht mit rechten Dingen zu! Unmöglich scheint es mir da« Räthsel aufzulösen: Wenn man was böse« thut, erschrickt man vor dem

Bösen.

Es war nicht Wein Beruf, drum kam die Furcht mich an; Und doch für einen Wirth ist es nicht wohlgethan

Au zittern wenn'« im Haus' rumort und geht und knistertz Denn mit Gespenstern sind die Diebe nah verschwistert. E« war kein Mensch zu Hau«, nicht Söller, nicht Aleest; Der Keller konnt's nicht seyn, die Mäghe schliefen fest.

Doch

Die Mitschuldigen.

43

Doch halt! — Zn aller Früh', so zwischen drey und viere Hört' ich ein leis Geräusch, eS ging Sophiens Thürs. Sie war vielleicht wohl selbst der Geist, vor hem ich floh. Es war ein Weibertritt, Sophie geht eben so. Allein, was that sie dq?— Man weiß, wie'S Wei« ber machen, Sie visitircn gern und sehn der Fremden Sachen Und Wäsch' und Kleider gern. Hätt' ich nur dran gedacht, Zch hätte sie erschreckt und dann sie ausgelacht. Sie hätte mit gesucht, der Brief wär' nun gesunde»! Jetzt ist die schöne Zeit so ungebraucht verschwunden! Verflucht! zur rechten Zeit fällt einem nie was ein, Und was nym gutes denkt, kommt meist erst hinter« drein. - --

Zweyter

' *-4



4

Auftritt.

Der Wirth.

Sophie.

Sophie,

Min Vater! denken Sie! —. Wirth. Nicht einmahl guten Morgen? Sophie.

Verzeihen Eie, Papa l Mein Kopf ist yollxr Sorgen.

Die Mitschuldigen.

4*

Wirth.

Warum 'i Sophie. Alcestens Geld, das er nicht lang erhielt, Ist miteinander fort. Wirth. Warum hat er gespielt? Sie bleiben nicht davon 1

Sophie. Nicht doch! es ist gestohlen l Wirth.

Me? Sophia, vom Zimmer weg!

Wirth. Den soll der Teufel hohlen, Den Dieb! Wer MI"Seschwind! Sophie. Wer's wüßte! Wirth.

Hier im Haus? Sophie. Za, von Aleestens Tisch, aus der Schatull' heraus. Wirth.

Und wenn? Sophie. Hem Rächet Wirth

Die Mitschuldigen.

45

Wirth vor «ich. Das ist für meine Neugkersünden k Die Schuld kommt noch auf mich, man wird den

Wachestock finden. Sophie vor sich.

Er ist bestürzt nnd murrt. Hark' er so was gethan?

Im Zimmer war er doch, der Wachsstock klagt ihn an. Wirth vor sich.

Hat es Sophie wohl selbst? Verflucht! das wär'noch

schlimmer! Sie wollte gestern Geld, und war heur Nacht im

Zimmer. Laut.

Das ist ein dummer Streich l gib Acht! der thut uns weh:

Wohlfeil und ficher seyK ist unsre Renommee. Sophie. Ja' Er verschmerzt es wohl, uns wird es ficher

schaden,

Es wird am Ende doch dem Gastwirth aufgeladen.

Wirth. Das weiß ich nur zu sehr. Es bleibt ein dummer

Streich. Wenn's auch ein Hausdieb ist, ja, wer entdeckt ihn

gleich? Das macht uns viel Verdruß!

Sophie, Es schlägt mich völlig nieder. Wirth

»6

Die Mitschuldige».

Wirth

VSr sich.

Aha, es wird ihr bang. Saut, etwaö verdrießlicher,

Zch wollt', er hätt' es wieder! Ich wär' recht froh.

Sophie vor sich. Es scheint die Reue koMwr ihm ein. Saut. ltnb wenn er's wieder hat, so wag der Thäter seyn Wer will, wan sagt'S ihm nicht, und ihn beküm» merr's weiter Auch nicht. Wirth vor sich. Wenn sie's nicht hat, bin ich ein Bärenhäuter i Laut.

Du bist ein gutes Kind und mein Vertrau'n zu Dir —Wart nur! Cr gebt nach der Thiiv Zu sehen. Sophie vor sich.

Bey Gott! er kommt und offenbart sich mir!

Wirth. Zch kenne Dich, Sophie, Du pflegtest Nie zu lügen—» Sophie. Eh' hab' ich aller Welt als Ihnen was verschwiegen. Drum hoff' ich dießmahl auch wohl zu verdienen —■

Wirth. Schön! Du bist mein Kind, und was geschehn ist, ist geschehn.

-Sophie, ES kann das beste Herz in dunkeln Stunden fehlen. Wirth.

Die Mitschuldigen.

41

Wirrh. Mr wollen uns nicht mehr mit dem Vergangnen quälen. Daß Du im Zimmer warst, das weiß kein Mensch als ich. Sophie erschrocken.

Sie wissen? —

Wirth. Ich war drin, Du kamst, ich Hirte Dich.' Zch wußt' nicht wer es war, und lief als käm' der Teufel. Sophie vor sich. Za ja, er hat das Geld! Nun ist es aüßer Zweifel.

Wirth. Erst jetzo fiel mir ein, ich hört' Dich heute früh. Sophie. Und was vortrefflich ist-es denkt kein Mensch an Sie. Ich sand den Wachsstock. — Wirth. D«? Sophie» Zch' Wirth. Schön, bey Meinem Lehm l Nun sag', wie machen wir's, daß wir's ihm wieder« geben? Sophie. Sie sagen: Herr Alcest! verschonen Sie mein Haus, Das Geld ist wieder da, ich hab' den Dieb heraus; St»

Die Mitschuldige«.

48

Sie wissen selbst, wie leicht Gelegenheit verführet; Doch kaum war e« entwandt, so war er schon gerührer, Dekanni' und gab et mir. Da haben Ske'6 I Verzeih« Sw ihm! -— GewiD, Alccstwird gern zufrieden seyn.

Wirrh. So was zu fädeln, hast Du eine seltne Gabe, Sophie. Za, bringen Sie's ihm so! Wirth. Gleich! wenn ich's nur erst habe.

Sophie. . Wirth. Ey nein! Wo hatt' ich es denn her?

Sic haben's nicht?

Sophie. Woher?

Wirth. Nun ja * woher? Gabst D« mir'S denn ?

Sophie,

Und wer chat'S denn? Wirth.

Wer'S hat?

Sophie. Za wohl! wenn Sie'S nicht haben? Wirrh.

Possen.; Sophie. Wo thaten Sie's denn hin?

Wirth.

Die Mitschuldigen.

49

Wirth. Ich glaub', Du bist geschossen 1 Hast Du's denn nicht?

Sophie. Zch?

Wirth. Za! Svphre. Wie käm' ich denn dazu? Wirth.

Eh!

Er macht ihr pantomimisch tas Stehlen »ort

Sophie. Zch versteh' Sie nicht! Wirth. Wie unverschämt bist Du !

Jetzt, da Du'S geben sollst, gedenkst Du auszaweichen. Du hast'S ja erst bekannt.

Pfui Dir mit solchen Streichen!

Sophie. Nein, das ist mir zu hoch! Jetzt klagen Sie mich an,

Und sagten nur vorhin, Sie hätten'S selbst gethan!

Wirth. Du Kröre! Jch's gethan! Ist das die schuld'ge Liebe, Die Ehrfurcht gegen mich? Du machst mich gar zum Diebe,

Da Du die Diebinn bist!

Sophie. Mein Vater!

Goethe's W.

Band.

D

Wirth.

50

Die Mitschuldigen. Wirth.

Warst Du nicht

Heut früh im Zimmer? Sophie. 2a! Wirth. Und sagst mir iu’< Gesicht, Du hättest nicht das Geld? Sophie. Dewels't das gleich?

Wirth. 3a.

Sophie. Waren

Sie denn nicht auch heut früh —

Wirth. Ich faß' Dich bey den Haaren, Wenn Du nicht schweigst und gehst! Sie geht weinend ab.

Du treibst den Spaß zu weit, NichtSwürd'ge! — Sie ist sott! Es war ihr hohe Zeit! Vielleicht bildt sie sich ein mit Läugnen durchzukom« men; Das Geld ist einmahl fort, und g'nug, sie hat'6 genommmen!

Die Mitschuldigen.

51

Dritter Auftritt. Aleest m Gedanken, im Morgenfrack. Der Wirth,' Wirth verlegen und bittend.

Ick bin reckt sehr bestürzt, daß ich erfahren muß! —1 Zch sehe, gnäd'ger Herr I Sie sind nock voll Verdruß. Doch bitt' ich, vor der Hand es aüiigst zu verschweigen.

Ich will das meine thun.

Ich hoff' cs wird sich zeigen.

Erführt man's in der Stadt, so freun die Neider sich. Und ihre Bosheit schiebt wohl alle Schuld auf mich.

Es kann kein Fremder seyn! Ein Hausdieb hat's ge«

nommc»! Seyn Sie nur nicht erzürnt, es wird schon wieder« kommen. Wie hoch beläuft sich'S denn?

Aleest. Ein hundert Thaler!

Wirth. Ey!

Aleest. Doch hundert Thaler — Wirth.

Pest! sind keine Kinderey! Aleest. Und dennoch wollt' ick sie vergessen und entbehren, Müßt' ich, durch wen und wie sie weggekommen wären. Wirth. Ey wär' das Geld nur da, ich fragte gern nicht mehr,

Ob's Michel oder Hanns und wenn und wie er'ö wär'? D 1

Aleest

52

Die Mitschuldigen. 2( l c e ft vor sich.

Mein alter Diener! nein! der kann mich nicht be«

rauben, Und in dem Zimmer war — Nein, nein, ich mag's

nicht glauben. Wirth. Sie brechen Sich den Kopf? Es ist vergebne Müh,

Genug, ich schaff' das Geld. Aleest. Mein Geld?

Wirth.

Ach bitte Sie,

Daß niemand nichts erfahrt I Wir kennen uns so lange. Und g'nug, ich schaff'Ahr Geld.

Da seyn Sie gar

nicht bange! Aleest.

Sie wissen also? — Wirth. Hm! Ich bring's heraus das Geld. Aleest. E», sagen Sie mir doch —

Wirth. Nicht gm die ganze Welt!

Ascest. Wer nahm's, ich bitte Siel Wirth. Zch sag' ich darf's nicht sagen. Aleest. Doch jemand aus dem Haus?

Wirth.

Die Mitschuldigen. Wirth. Cie werden'« nicht erfragen.

Alcest. Vielleicht die junge Magd? Wirth. Die gute Hanne! Nein.

Alcest. Der Keller hat's doch nickt? Wirth. Der Keller kann's nicht seyn. Alcest. Die Köchinn ist gewandt

Wirth. Hm Sieden und im Braten. Alcest.

Dxr Küchenjunge Hann« ? Wirth.

E« ist nun nicht zu rathen!

Alcest. Der Gärtner könnte wohl — Wirth. Nein, noch sind Sie nicht da! Alcest. Der Sohn des Gärtnere?

Wirth. Stern. Alcest, Vielleicht — D 3

Wirth

54

Die Mitschuldige,!. Wirth halb vor sich.

Der Haushund? — Za.

Alcest vor sich. Wart nur, du dummer Kerl, >ch weiß dich schon zu kriegen! kaut.

So hab' es denn wer will! Daran kann wenis liegen, Wenn s wiederkommt! Er thut als ging et weg. Wirth.

Za wohl! Alcest als wenn ihm etwas einfiele. Herr Mrth! mein Dincenfaß Zst leer; und dieser Dries verlangt expreß — Wirth.

Ey was? Erst gestern kam er an, und heute schon ju schreiben! ES muß was wichtig- seyn. Alcest. Er darf nicht liegen bleiben.

Wirth. Cs ist G'n großes Glück, wenn man correspondirt. Alcest. Nicht eben allemahl! Die Zeit, die man verliert, Zst mehr werth als der Spaß. Wirth. O das gehr wie im Spiele, D« kommt ein einz'ger Dries und tröstet uns für viele. Verzechn Sie, gnäd'ger Herr! der gestrige enthält Biel wichtigs. Dürst' kch w»hl? — Alcest.

Die Mitschuldigen. Alcest. Nicht um die ganze Welt! Wirth. Nichts aus America?

Alcest. Ich sag', ich darf'S nicht sagen.

Wirth. 5(1 Friedrich wieder krank? Alcest. Sie werden'S nicht erfragen.

Wirth. Ans Hessen, bleibt'S dabey? gehn wieder Leute — Alcest.

Nein! Wirth. Der Kaiser har was vor? Alcest. Ja, das kann möglich seyn. Wirth. Zn Norden ist's nicht just! Alcest. Zch wollte nicht drauf schwören. Wirth. ES gährt so heimlich nach.

Alcest. Wir werden manches hören.

Wirth. Kein Unglück irgend wo? Alcest. Nur zu! bath sind Sie da! D 4 Wirth.

56

Die Mitschuldigen.

Wirth. Gab's wohl beym letzten Frost —,

Alcest. Ersrvrne Hasen? — Za!

Wirth.

Ske scheinen gar nicht viel auf Ihren Knecht zu bauen, Alcest. Mein Herr, Mißtrauischen pflegt mAn nichr zu v«c trauen. Wirth. Und was verlangen Sie für cinVertrau'n von mir?

Alcest. Wer ist der Dieb? Mein Brief steht gleich zu Dien­ sten hier; Sehr billig ist der Tausch, zu dem ich mich erbiethe. Nun, wollen Sie den Dries? Wirth (pnfuntlct und begierig.

Ach allzuoiele Güte * Vor sich. Wär'« nur nicht eben oae, was er von mir begehrt, Alcest. Ske sehen doch, ein Dienst ist wohl den andern werth. Und ich verrathe nichts, ich schwör's bey meiner Ehre. Wirth »ec sich. Wenn nur der Brief nicht gar zu appetitlich wäre! Allein wie? wenn Sophie— Eh nun! da mag sie sehn! Die Reihung ist zu groß, kein Mensch kann widerstehn! Er wässert mir das Maul wie ein gebeitzter Hase. Alcest

Die Mitschuldigen.

57

Alcest vor sich, So stach kein Schinken je dem Windhund in die Nase.

Wirth deschämt, nachgebend und noch zaudernd. Sie wollen's, gnäd'gerHerr, und Ihre Gütigkeit —>

Alcest vor sich, Jetzt beißt er an. Wirth.

Zwinat mich auch zur Vertraulichkeit,

Zweifelnd und halh bittend. Versprechen Sie, soll ich auch gleich den Brief be­ kommen ?

Al test

reicht den Brjef hin,

Den Augenblick! Wirtb

der sich langsam demANest mit unverwandten Augen auf den Pries nähert. Der Duh — Alcest,

Der Dieb! Wirth.

Der's weggenymmeyz

Zst Alcest. Nur heraus! Wirrh.

Ist mei —• Alcest.

Nun 1

D 5

Kirth

58

Die Mitschuldigen. Wirth

mit einem herzhaften Ton, und fährt zugleich zu, und reißt Alceften den Brief aus der Hand.

Meine Tochter! Alcest erstaunt.

Wie?

Wirth führt herber, reißt bet geschwindem Aufmachen bas Sondert in Stücken und fängt an zu lesen.

„Hochwohlgcborner Herr" Alcest

kriegt ihn bey der Schulter.

Sie war's? Nein, sagen Sie

Die Wahrheit! Wirth

ungeduldig.

Ja, sie ist'«! O, er ist unerträglich! Er liest.

t

„Jnsondcrr" — Alcest

«eie «den.

Nein, Herr Wirth! Sophie! das ist unmöglich!

Wirth reißt sich los, und fährt ohne ihm ju antworten fort.

„ Hochzuverehrender "

Alcest

«eie oben. Sie hätte das gethan!

Ich muß verstummen.

Wirth. „Herr" — Alcest

Die Mitschuldigen. Alcest

59

wie oben.

So hören Sie mich an I

Wie ging die Sache zu? Wirth. Hernach will ich's erzähle«. Alcest.

Ist'S denn gewiß? Wirth.

Gewiß!

Alcest

im Abgehen zu sich.

Nun, denk'ich, svü's nicht fehlen!

Vierter Auftritt. Der Wirth

liest und spricht dazwischen.

„Und Gönner"— Ist er fort? — „Dieviele Gütigkeit

„ Die mir so manchen Fehl verziehen hat, verzeiht „Mir, hoff'ich, dießmahl auch."— Was gibt'S denn zu verzeihen? „Ich weiß eS, gnäd'ger Herr, daß Sie Sich mit

mir freuen.“ Schon gut! — „Der Himmel hat mir heut ein Glück geschenkt,

„Wobey mein dankbar Herz an Sie zum ersten denkt.

„ Er hat vom sechsten Sohn mein liebes Weib ent­ bunden." Ich bin des Todes! „Früh hat er sich ringe«

fmideki,

„Der

6o

Die Mitschuldigen.

„DerKnab"—Der Balg! Der!—O! er­ sauft! erdrosselt ihn« ,-ttnd Ihre Nachsicht macht mich armen Mann so

kühn " —

Ach ich ersticke fast! In meinen alten Tagen Soll mir so was geschehn? Es ist nicht zu ertragen ’

Wart' nur! das geht dir nicht so ungenossen aus, Alccst! ich will dich schon! Du sollst mir aus dem Haus! Mich, einen guten Freund, so schändlich anzusühren!

Dürst' ich ihn wieder nur wie er's verdient tracnren. Doch meine Tochter! O! das Henkersding geht schief! Und ich verrathe sie um den Gevatterbries! Er faßt sich in die Perücke.

Verfluchter Ochsenkepf! bist du so alt geworben • Der Pries! Das Geld! Der Streich! Ich möchte

mich ermorden * Was fang' ich an? Wohin? Wie räch' ich diesen Streich? Er ^wischt einen Stock, und läuft auf dem Theater herum,

Tret' einer mir zu nah', ich schlag' ihn lederweich!

Hätt' ich sie nur jetzt hier, die mich sonst schikaniren,

Ich würd' sie alle'Herr i Wie wollt ich sie curiren! Ach sterbe, wenn ich nicht

Ich gäh', ich weiß

nicht was, Zerbrach' der Junge mir gleich jetzt ein Stengelglas.

Ich zehr' mich selber auf— Und Rache muß ich haben | Er stößt auf seinen Sessel pnd prügelt ihn aus.

Ha! bist du staubig? komm! An dir will ich mich laben j

Fünfter

Die Mitschuldigen. Fünfter

6i

Auftritt.

Der Wirth schlügt immer zu.

Söller kommt

herein und erschrickt; er ist im Domino, die Maske auf Den

Arm gebunden, und hat ein halbes Räuschchen.

Söllcr. Was gibt's? Was? Zst er toll? Nun sey auf dei­ ner Hm, Das wär' ein schön Emploi, des Sessels Substitut!

Was für ein böser Geist mag doch den Alten treiben? Das beste war', ich ging'! Da ist nicht sicher bleiben.

Wirth ohne Söllern zu sehn. Ich kann nicht mehr! o weh! es schmerzt mich Rück und Arm! Er wirft sich in den Sessel.

Ich schwih' aw ganzen Leib.

Söller »er sich. Za, ja, Motion macht warm. Er zeigt sich dem Wirth.

Herr Vater! Wirth. Ah, Mosje! Er iebr die Nacht im Sause,

Zch quäle mich zu Tob', und Er läuft aus dem Hause ? Da tragt der Fastnachlünarr zum Tanz und Spiel

sein Geld, Und lacht, wenn hier im Haus der Teufel Fastnacht

hält! Söller.

So aufgebracht! Wirth. O wart', ich will mich nicht mehr quälen.

Die Mitschuldigen.

62

Söller.

Was gab's? Wirth. Alcest! Sophie! Soll ich'S Ihm noch erzählen? Söller.

Nein! Nein! Wirth. Wär't Ihr gehöhlt, so hält' ich endlich Nuh, Und der verdammte Kerl mit seinem Brief dazu! ad.

Sechster Auftritt. Söller

mit Caricatur von Angst.

Was gab'e? Weh dir! vielleicht in wenig Augen­

blicken —

Gib deinen Schädel Preis! parire nur den Rücken! Vielleicht ist'6 'raus! o weh! o wie mir Armen graust,

Es wird mir siedend heiß. So war's dem Docror Faust Nicht halb zu Much! Nicht halb war's , so Richard

dem Dritten! Höll' da!

der Galgen da!

Der Hahnrey in der

Mitten l Cr läuft wie unsinnig herum, endlich besinnt er sich.

Ach des gestvhlnen Guts wird keiner jemahls froh!

Geh, Memme, Bösewicht! Warum erschrickst du so? Vielleicht ist'S nicht so schlimm.

Ich will eS schon

erfahren. Er erblickt Alcestelr und lauft fort.

O weh! er ist'S! er ist'S! Er faßt mich bey den

Haaren.

6z

Die Mitschuldigen. Siebenter Auftritt. A l c e st

Solch

«»gekleidet, mit Hut und Degen.

einen schweren

Streit empfand dieß Herz

noch nie. Das seltene Geschöpf, in dem die Phantasie

Des zärtlichen Alcests das Bild der Tugend ehrte.

Die ihn den höchsten Grad ter schönsten liebe lehrte, 2hm Gottheit, Mädchen, Freund, in allem alles war;

Jetzt so herabgesetzt! Es überläuft mich! Zwar Ist sie so ziemlich weg, die Hoheit der Ideen; Ich laß sie als ein Weib bey andern Weibern stehen; Allein so lief! so tief! das treibt zur Raserey.

Mein widerspenstig Herz steht ihr noch immer bey.

Wie klein!

Kannst du denn das nicht über dich ver,

mögen?

Ergreif das schöne Glück! es kommt dir ja entgegen. Ein unvergleichlich Weib, bas du begierig liebst. Braucht Geld.

Geschwind, Alcest! Der Pfennig, den du gibst,

Tragt seinen Thaler.

Nun har sie sich's selbst ge­

nommen — Schon gut! Sie mag mir noch einmahl mit Tugend

kommen! Geh, faß dir nur ein Herz, sag'ihr mit kaltem Blut:

Madam, Sie haben doch das Geld genommen? Gut!

Es ist mir herzlich lieb.

Sie Sich des wenigen.

Nur ohne Furcht bedienen Was mein ist, ist auch Ihnen —

Dann den vertrauten Ton so halb wie Mann und Fra» —.

Un

64

Die Mitschuldigen.

Und selbst die Tugend nimmt nicht alles so genau, Wenn man hübsch sachte geht.

Weit eher wird sie

weichen. Sie kommt! Du bist bestürzt? Das ist ein schlimmes

Zeichen! Du glaubst dich lasterhaft, allein noch ist es Trug; Dein Herz ist übrig bos, nur noch nicht stark genug.

Achter Auftritt. Alcest.

Sophie.

Sophie. Was machen Sie, Alcest! Sie scheinen mich zu fliehen — Hat denn die Einsamkeit so viel Sie anzuziehen?

Alcest. Für dießmahl weiß ich nicht, was mich besonders zog, Und ohne viel Raison gibt's manchen Monolog. Sophie. Zwar der Verlust ist groß, und kann Sie billig

schmerzen.

Aaltest. Ach! es bedeutet nichts und liegt mir nicht am Herzen!

Wir habcn'S ja; was ist denn nun das Bißchen Geld! Wer weiß, ob eü nicht gar in gute Hände fällt.

Sophie. Ja, Ihre Gütigkeit laßt uns nicht drunter leiden.

Alcest, Mit envaö Offenhenheit war alles zu vermeiden.

Die Mitschuldigen,

65

Sophie. Wie soll ich da« verstehn ?

Alcest lächeln».

Da«? Sophie. Za, wie paßt da« hier?

Alcest. Sie kennen mich, Sophie, seyn Sie vertraut mir mir! Das Geld ist einmahl fort! Wo'S liejt, da mag eS liegen! Hätt' ich es eh' gewußt, ich hätte still geschwiegen,

Da sich die Sache so verhält — So phie erstaune.

So wissen Sie? Alcest mit Zärtlichkeit; er ergreift ihre -and und küßt ste.

Zhr Vater!— Za, ich weiß, geliebteste Sophie.

Sophie verwundert und deschämk. Und Sie verzechn?

Alcest. Den Scherz, wer macht den zum Verbrechen?

Sophie.

Mich dünkt — Alcest. Erlaube mir, daß wir vom Herzen sprechen. Du weißt es, daß Alcest noch immer für Dich bcennr. Das Glück entriß Dich mir, und hat ttne nicht aetrennt;

Dein Herz ist immer mein, meins immer Dein ge­

blieben.

Goethe'« W. a. Band.

E

Mein

Die Mitschuldigen.

66

Mein Geld ist Dein, so gut als wär' es Dir verschrieben; Du hast ein gleiches Recht auf all mein Gut wie ich. Nimm, was Du gerne ma ist, Sopbke, nur liebe mich. Er umarmt sie und sie schweigt.

Befiehl! Du findest mich zu allem gleich erböthig. Sophie stvlj, indem sie sich von ihm losreißt.

Respect vor Ihrem Geld'allein ich hab's nicht nöthig. War ist das für einTon? Ich weiß nicht,faß' ich'- recht? Ha! Sie verkennen mich. —

Alcest

xiqulkt.

O, Ihr ergebner Knecht Kennt Sie nur gar zu wohl, und weiß auch was er fodert. Und sieht nicht ein, warum Ihr Zorn so heftig lodert. Wer sich so >veit vergeht —

Sophie erstaunt. Vergeht? Wie bas? Alcest.

Madam! Sophie aufgebracht. Was soll das heißen, Herr?

Alcest. Verzeih» Sie meiner Scham: Zch liebe Sie zu sehr, um so was laut zu sagen. Sophie mit Jom.

Alcest!

Alcest. Belieben Sie nur den Papa' zu fragen. Der weiß, so scheint es — Sophie.

Die Mitschuldigen.

«7

Sophie mit einem Aus-bruche von -Hesti-keit. L as ? ich will eö wissen, was? Mein Herr, ich scherze nicht! Alcest. Er sagte, daß Sie das — Sophie wie oben.

Nun! bas! Alcest. Eh nun! baß Sie—daß S ie das Geld genommen. Sophie mit Wuth und Thränen, indem sie sich wegwendet. Er darf? 0 Gott! Ist es so weit nut ihm gekommen ? Alcest dittend. Sophie!,

Sophie weggewendek. Sie sind nicht werth — Alcest »ie »den. Sophie!

Sophie. Mir vom Gesicht)

Alcest. Verjekhn Siet

Sophie. Weg von mir! Nein, ich verzeih' es nicht! Mein Vater scheut sich nicht die Ehre mir zu rauben. Und von Sophien? Wie? Alcest, Sie konnten'« glauben? Ich hätt' e« nicht gesagt um alle« Gut der Welt —* Allein, es muß heraus! — Mein Vater hat das Geld. Eilig av.

Neun»

Die Mitschuldigen.

68

Neunter Auftritt. 2s 11 e ft.

Hernach

Söller.

Alcest.

Nun wären wir gescheit!

Das ist ein tolles Wesen!

Der Teufel mag das Ding nun aus einander lesen!

Zwey Menschen, beyde gut und treu ihr Lcbenlang, Verklagen sich— Mir wird um meine Sinne bang.

Das ist das erstemahl, daß ich so was erfahre. Und kenne sie nun doch die schöne lange Jahre. Hier ist ein Fall, mo man beym Denken nichts gewinnt; Man wird nur tiefer dumm, je tiefer daß man sinnt.

Sophie! der alte Mann! die sollten mich berauben 3

War'Söller angeklagt, daß ließ' sich eher glauben! Fiel' auf den Kauhen nur ein Fünkchen von Verdacht I

Doch er war auf dem Ball die liebe lange Nacht. Söller

in

gewöhnlicher Kleidung mit einer Weinlaune.

Da sitzt der Teufelskerl und ruhet aus vom ©ct mausen. Könnt' ich ihm nur anHals, wie wollt' ich ihn zerzausen! vor sich.

Alcest

Da kommt er, wie bestellt.

Laut.

Wie steht's, Herr

Söller 3

Söller. Dumm! Es geht mir die Musik noch so im Kopf herum. Er reibt die Stirn,

Er thut mir gräulich weh.

Alcest. Sie waren auf dem Dalle;

Viel Damen da? Söller.

Die Mitschuldigen.

69

Söller. Wie sonst! DieMauS läuft nach der Kalle, Weil Speck drin ist. Alcest. Ging's brav? Söller. Gar sehr! Alcest. Was tanzten Sie? Söller. Ich hab' nur zugesehn. Bor sich. Dem Tanz von heute früh.

Alcest. Herr Söller nicht getanzt? Woher ist das gekommen? Söller. Zch hatte mir es doch recht ernstlich Vorgenommen. Alcest. Und ging es nicht? Söller. Eh! nein! Im Kopse drückt' eS mich Gewaltig, und da war's mir gar nicht tanzerlich.

Ey!

Alcest.

Söller. Und das schlknimstc war, ich konnte gar nicht wehren, Ze mehr ich hört' und sah, verging mir Sehn und Hören.

Alcest. So arg? Da« ist mir leid I Das Uebel kommt ge­ schwind l Söller. E r

70

Dir Mitschuldige«.

Söller. O nein, ich spür' es schon seitdem Sie bey UNS sind, Und länger. Alcest. Sonderbar!

Söller. Und ist nicht zu vertreibe».

Aleest. Ey, laß Er Sich den Kopf mit warmen Tüchern reiben. Vielleicht verzieht e« sich;

Laut.

Söller »m sich. Ich glaub'er spottet noch! Ja, das geht nicht so leicht.

Alcest. Am Ende gibt sich'S doch. Und es geschieht Ihm recht. Es wird noch besser kommen • Er har die arme Frau nicht einmahl mitgenommen, Wenn Er zum Dalle ging. Herr, das ist gar nicht fein; Er läßt der jungen Frau das kalte Detl allein.

Söller. Ach! Sie bleibt gern zu Hau« und läßt mich immer schwärmen; Denn sie versteht die Kunst sich ohne mich zu wärmen. Alcest. Das wäre doch curios! Söller. 0 ja, wer'« Naschen liebt, Der merkt sich ohne Wink, wo'S was zum Besten gibt. Alcest

Die Mitschuldigen.

71

Alcest piquirk. Wie so verblümt? Söller. ES ist ganz deutlich, was ich meine. Exempli gratis: des Vaters alle Weine Trink' ich recht oern; allein er rückt nicht gern heraus, Er schont das Seinige; da trink' ich außerm Haus.

Alcest mit Ahndung, Mein Herr, bedenken Sie! — Söller mit Hohn. Herr Freund von Frauenzimmern, Sie ist nun meine Frau; was kann Sie das bekümmern? Und wenn fie auch ihr Mann für sonst was anders hält.

Alcest

mit zurückgehaltenern Zorne.

Was Männl Mann oder nicht! ich trotz'der gan­ zen Welt; Und unterstehn Sie Sich noch einmahl war zu sa­ gen —

Söller

erschrickt.

Dor flch.

O schön! Ich soll ihn noch wohl gar am Ende fragen, Wie tugendhaft sic ist? kaut. Mein Herd bleibt doch mein Herd i Trotz jedem fremden Koch! Alcest. Er ist die Frau nicht werth! So schön! so tugendhaft! so vielen Reitz der Seele I So vlel Zhm zugebracht l nichts was dem Engel fehle! E 4 Söller.



Die Mitschuldigen.

Söller. Sie hat, ich hab's gemerkt, besondern Reitz im Blut, Und auch der Kopfschmuck war ein zugebrachteS Gut. Ach war prädcstinirt zu einem solchen Weibe, Und war zum Hahnrcy schon gekrönt in Mutterleibe.

A l c e st

Herausdrechen».

Herr Söller! Söller

keck.

Soll er was?

Al erst

zurlickhalten».

Ich sag' 2hm, sey Er still! Söller. Zch will doch sehn, wer mir das Maul verbiethen will ? Alcest. -Hätt' ich Ihn anderswo, ich wies'Ihm wer cs wäre! Söller

hat» taut.

Er schlüge Sich wohl gar um meiner Frauen Ehre. Alcest. Gewiß! Söller wie erst. Es weiß kein Mensch so gut wie weit sie geht.

Alcest.

Verflucht!

Söller. 0 Herr Alcest 1 wir wissen ja wie's steht. Nur still I ein Bißchen still! Wir wollen uns ver­ gleichen. Und da versteht sich schon, die Herren Ihresgleichen Die schneiden meist für sich daS ganze Kornfeld um, Und lassen dann dem Mann dar Spitilegium. Alcest.

Die Mitschuldigen. Alcest. Mein Herr, ich wundre mich, daß Sie Sich unter» fangen — Söller. 0, mir sind auch gar oft die Augen übergangen, Und täglich ist mir'S noch als rech' ich Zwiebeln. zornig und entschlossen.

Alcest

Wie? Mein Herr, nun geht'S zu weit! Heraus! was wol­ len Sie? Man wird Ihm, seh'ich wohl, die Zunge lösen müssen. Söller

herzhaft.

Eh, Herre, was man sieht, das, dächt' ich, kann man nassen. Alcest. Wie, sieht? Wie nehmen Sie das Sehen?

Söller. Wie man's nimmt, Dom Hören und vom Sehn.

Alcest.

Hal Söller. Nur nicht so ergrimmt I

Alcest

mit dem entschlossensten Zorne.

Was haben Sie gehört? Was haben Sie gesehen?

Söller erschrocken,«!« stch «egdegeden. Erlauben Sie, mein Herr! Alcest

ihn zurückhaltend.

Wohin?

E 5

Söller.

74

Die Mitschuldigen. Söller.

Beyseit zu gehenAlcest. Sie kommen hier nicht los! Söller vor sich. Ob ihn der Teufel plagt l Alcest. Was hörten Sie? Söller. 2ch? Nicht«. Man hat mir'« nur gesagt! Alcest dringend zornig. Wer war der Mann? Söller. Der Mann das war ein Mann — Alcest heftiger, und auf ihn loSgehend. Geschwinde. Söller in Angst. Der'» selbst mit Auqcn sah. Herzhafte». Zch rufe dem GestNde! Alcest kriegt ihn beym Krage». Wer war'»? Söller will sich ioökeiße«, Was? Hölle! Alcest hiilt ihn fester. Wer? Sie übertreiben mich? Er zieht den Degen. Werkst der Bösewicht? der Schelm? der Lügner? Söller fällt vor Angst auf di« Kni«. Alcest

»rohen».

Wa» habe« Sie gesehn? Söller

Die Mitschuldigem Söller

75

furchtsam.

Ey nun, das sieht man immer: Der Herr, das ist ein Herr, Sophie ein Frauenzimmer. A l c e st nie öden. Und weiter? SSller. Nun, da gehk's denn so den Lauf der Welt, Wie'S geht, wenn sie demHerrn und ihr derHerr gefällt. Alee st. Das heißt? — Söller. Ich dächte doch. Sie wüßten'- ohne Fragen. Alcest. Nun? Söller. Man hat nicht das Herz, so etwas zu versagen. Alcest. So etwas? Deutlicher! Söller. 0 lassen Sie mir Ruh t Alcest immer wie oben. Es heißt? Beym Teufel! Söller.

Nun, es heißt ein Rendez - von«. Alcest erschrocken.

Er lägt! Söller vor sich. Er ist erschreckt. Alcest vor sich. Wie bat er das erfahren? Lr steckt den Degen ein. Söller

Die Mitschuldigen,

j6

Söller

vor sich.

Courage! Alcest

vor sich.

Wer verrieth, daß wir beysammen waren? Erhohlt.

Was meinen Sie damit? Söller trotzig. 0 wir verstehn uns schon. Das Lustspiel heute Nacht! ich stand nicht weit davon. Alcest

erstaunt.

Und wo?

Söller. Zm Cabinet!

Alcest. So war Er auf dem Dalle > Söller. Wer war denn auf dem Schmaus? Nur still und ohne Galle Zwey Wörtchen: Was man noch so heimlich treiben mag, Ihr Herren, merkt's Euch wohl, es kommt zuletzt an Tag. Alcest. Es kommt noch wohl heraus, daß Er mein Dietz ist. Raben Und Dolen wollt' ich eh' in meinem Hause haben, Als Ihn. Pfui l schlechter Mensch! Söller. Ja, ja, ich bin wohl schlecht; Allein, Ihr großenHerrn,Jhr habt wohl immer Recht! Ihr wollt mit unserm Gut nur nach Belieben schalten, Ihr haltet kein Gesetz, und andre Men's halten? Das

Die Mitschuldigen.

77

Das ist sehr einerley, Gelüst nach Fleisch, nach Gold.

Seyd erst nicht Hängenswerth, wenn Zhr uns hän­ gen wollt. Alcest. Er untersteht Sich noch — Söller. Ich darf mich unterstehen:

Gewiß, es ist kein Spaß gehörnt herum zu gehen. In Summa, nehmen Sie's nur nicht so gar genau. Ich stahl demHerrnSein Geld und Er mir meine Frau.

Alcest

rro-eii».

Was stahl ich?

Söller. Nichts, mein Herr! es war schon längstZhr eigen.

Noch eh' ich's mein geglaubt. Alcest. Soll — Söller. D a muß ich wohl schweigen.

Alcest. 'An Galgen mir dem Dieb'!

Söller. Erinnern Sie Sich nicht. Daß auch ein scharf Gesetz von andern Leuten spricht ?

Alcest. Herr Söller! Söller macht «in Zeichen des Köpfen«. Za, man hilft euch Näschern auch vom Brote.

Alcest. Zst Er ein Practicus und hält das Zeug für Mode? Gehangen wird Er noch, zum wenigstcn gestäupt.

S-ö l l e r

zeigt auf die Stirn»

Gebrandmarkt bin ich schon.

....

Letzter

7$

Die Mitschuldigen.

Auftritt. Der Wirth. So phke.

Letzter

Die Vorigen.

Sophi e

im Fond.

Mein harter Vater bleibt

Auf dem verhaßten Ton. Wirth im Fond. Das Mädchen will nicht welchen» Sophie. Da ist Alcest. Wirth

erblickt Aleesten.

Aha! Sophie. Es muß, e« muß sich zeigen! Wirth >U Attesten. Mein Herr, sie ist der Dieb! Sophie

auf 6er andern Seite.

Er ist der Dieb, mein Herr! Alcest fielt fit beyde lachend an, bann sagt er in einem Tone to* fie, auf Söllern deutend.

Er ist der Dieb! Söller

»or fich-

Nun Haut, nun halte fest! Sophie. Er? Wirth.

Er? Alcest. Sie haben's beyde nicht; er hat'6!

Wirth. Schlagt einen Nagel 2hm durch den Kopf, auf's Rad l Svphse.

Die Mitschuldigen.

7,

Sophie. Du? Söller vor sich. Wolkenbruch «nb Hagel I Wirth. Ich möchte Dich — Alcest. Mein Herr! ich bitte nur Geduld t Sophie war im Verdacht, doch nicht mit ihrerCchuld. Sie kam, besuchte mich. Der Schritt war mvhl ver­ wegen; Doch ihre Tugend darf's — Zu Söllern.

Cie waren ja zugegen! Sophie erstaunt.

Wir wußten nichts davon,vertraulich schwieg dieNacht, Die Tugend — Söller. Za, sie hat mir ziemlich warm gemacht.

Alcest zum Wirth.

Doch Sie? Wirth. Aus Neugier war ich auch hinauf gekommen, Don dem verwünschten Dries war ich so eingenommen. Doch Ihnen, ^err Alcest, hätt' ich's nicht zugetraut! Den Herrn Gevatter hab'ich noch nicht recht verdaut. Alcest. Verzeih» Sie diesen Scherz! Und Sie, Sophie, ver­ geben Mir auch gewiß! Sophie. Alcest! Alcest.

8o

Die Mitschuldigen.

Attest. Ich zweifl' in meinem Leben An Ihrer Tugend nie. Verzeih» Die jenen Schritt • So gut wie tugendhaft — Söller. Fast glaub' ich'« sechsten mit. Attest zu Sophien. Und Sie vergeben dock auch unserm Söller? Sophie. Gerne r

Sie gibt ihm die -Hand. Dal

A l c e st ium Wirth. Allons! W ikth gibt Söllern die Hand. Stiehl nicht mehr!

Söller. Die Länge bringt die Ferne! Aleest. Allein, wa« macht mein Geld? Söller. O Herr, e« war au« Noth. Der Spieler peinigte mich Armen fast zu Tod;

Ich wußte keinen Rath, ichstabl und zahlte Schulden, Hier ist da« übrige, ich weiß nicht wie viel Gulden. Aleest. Was fort ist, schenk' ich Ihm. Söller. Für dießmahl wär'« vorbey * Aleest. Allein ich hoff', Er wird fein höflich, still und treu!

Und untersteht Er Sich noch einmahl anzufangenl— Söller. So 1 — Dießmahl bleiben wir wohl alle ungehangen.

Iphigenie auf Tauris. Ein

Schauspiel.

Goethes W- 2, Band.

Perfaueu. Jphkgenlr.

ThoaS,

Ksiüg lu taiiiii»,

Orest. Pylade«.

Arkas.

Schauplatz.

Hain rer Dianens Tempel.

Erster Aufzug. Erster

Auftritt,

Iphigenie.

heraus in eure Scharren, rege Wipfel

Des alten, heil'gen, dichtbelaubten Haines, Wie in der Göttinn stilles Heiligthum, Tret' ich noch jetzt mit schauderndem Gefühl, Als wenn ich sie zum erstenmal beträte, Und es gewöhnt sich nicht mein Geist hierher. So manches Jahr bewahrt mich hier verborgen Ein hoher Wille, dem ich mich ergebe; Doch immer bin ich, wie im ersten, fremd. Denn ach mich trennt das Meer von den Geliebten, Und an dem Ufer steh' ich lange Tage, Da- Land der Griechen mit der Seele suchend; Und gegen meine Seufzer bringt die Welle Nur dumpfe Töne brausend mir herüber. § » Weh

84

Iphigenie auf Taurrs.

Weh dem, der fern von Eltern und Geschwistern

Ein einsam Leben führt! Ihm zehrt der Grain DaS nächste Glück vor seinen Lippen weg.

Ihm schwärmen abwärts immer die Gedanken Nach seines Vaters Hallen, wo die Sonne Zuerst den Himmel vor ihm aufschloß, wo

Sich Mitgeborne spielend fest und fester Mit sanften Banden an einander knüpften.

Zch rechte mit den Göttern nicht; allein Der Frauen" Zustand ist beklagenswerth. Zu Haus' und in dem Kriege herrscht der Mann Und in der Fremde weiß er sich zu helfen.

Ihn freuet der Besitz; ihn hont der Sieg; Ein ehrenvoller Tod ist ihm bereitet.

Wie eng - gebunden ist des Weibes Glück! Schon einem rauhen Gatten zu gehorchen,

Ist Pflicht üitd Trost; wie elend, wenn fle gar

Ein feindlich Schicksal in die gerne treibt!

So hält mich ThoaS hier, ein edier Mann,

In ernsten, heil'gen Sklavenbanden fest. .0 wie beschämt gesteh' ich, daß ich dir Mit stillem Widerwillen diene, Göttinn, Dir meiner Retterinn! Mem Leben sollte

Zu freyem Dienste dir gewidmet seyn. Auch hab' ich stets auf dich gehofft und hoffe

Nach jetzt >apf dich, Diana, die du mich.

Des größten Königes verstoßne Tochter,

In deinen heii'gen, sanften Arm genommen. Ja, Tochter Zeus., wenn du den hohen Manu, Den du, die Tochter fodernd, ängstigtest,

Wem;

Iphigenie auf Tauris.

85

Wenn du den Mtetgleichen Agamemnon, Der dir sein Liebstes zum Altare bradyte,

Von Troja'S umgewandten Mauern rühmlich Nach seinem Vaterland zurück begleitet,

Die Äartinn ihm, Elekiren und den Sohn, Die schönen Schätze, wohl erhalten hast;

So gib auch mich den Meinen endlich wieder,

lind rette mich,

die du vom Tod' errettet,

Auch von dem Leben hier, dem zweyten Tode.

Zweyter Auftritt. Iphigenie.

A r k a «:

Arkas. Der König sendet mich hieher und beut Der Priesterinn Dianens Gruß und Heil.

Dieß ist der Tag, da Tauris seiner Göttin»

Für wunderbare neue Siege dankt. Ich eile vor dem König' und dem Heer,

Zu melden, daß er kommt und daß es naht.

Iphigenie. Wir sind bereit, sie würdig zu empfangen,

Und unsre Göttinn sieht willkomm'nem Opfer Von Thoas Hand mit Gnadcnblick entgegen.

Arkas. O sand' ich auch den Blick der Priesterinn,

Der werthen, viclgeehrten, deinen Blick, 0 heil'ge Jungfrau, Heller, leuchtender, F 3

Uns

86

Iphigenie auf LauriS.

Uns allen gutes Zeichen! Noch bedeckt Der Gram geheimnißvoll dein Innerstes;

Vergebens harren wir schon Jahre lang Auf ein vertraulich Wort aus deiner Brust. So lang' ich dich an dieser Stäke kenne,

Ist dieß der Blick, vor dem ich immer schaudre;

Und wie mit Eisenbanden bleibt die Seele In'« Innerste des Dusen« dir geschmiedet.

Iphigenie. Wie'- der Vertriebnen, der Verwais'ten ziemt.

Arka«. Scheinst du dir hier vertrieben und verwaks't?

Iphigenie.

Kann uns zum Vaterland' die Fremde werben? Arkas.

Und dir ist fremd da« Vaterland geworden. Iphigenie.

Da« ist'S, warum mein blutend Herz nicht heilt.

In erster Jugend, da sich kaum die Seele An Vater, Murrer und Geschwister band; Die neuen Schößlinge , gesellt und lieblich, Vom Fuß der alten Stämme himmelwärts Zu dringen strebten; leider faßte da

Ein fremder Fluch mich an und trennte mich Von den Geliebten, riß das schöne Band

Mit ehrnec Faust entzwey.

Sie war dahin,

Der Jugend beste Freude, das Gedeih«

Der ersten Jahre.

Selbst gerettet, war 24

Iphigenie auf Taurtr.

«7

Zch nur ein Schatten mir, und frische Lust Des Leben» blüht in mir nicht wieder auf. Arkas. Wenn du dich so unglücklich nennen willst. So dqrf ich dich auch wohl undankbar nenyen. Iphigenie. Dank habt ihr stets. Arka«. Doch nicht den reinen Dank, Um dessentwillen man die Wohlthat thut; Den frohen Blick, der ein zufriednes Leben Und ein geneigtes Herz dem Wirthe zeigt. Als dich ein tief« geheimnißvolles Schicksal Bor so viel Jahren diesem Tempel brachte, Kam ThoaS, dir als einer Gvttergeb'nen Mit Ehrfurcht und mit Neigung zu begegnen. Und dieses Ufer ward dir hold und freundlich. Das jedem Fremden sonst »oll Grausens war. Weil niemand unser Reich vor dir betrat, Der an Diayenü heil'gen Stufen nicht Nach altem Brauch, ein blut'ges Opfer , fiel. Iphigenie. Frty athmen macht das Leben nicht allein. Welch Leben ifft, das an der heil'gen Stäte, Gleich einem Schatten um sein eigen Grab, Zch nur vertrauern muß? Und nenn' ich da» Ein fröhlich selbstbewußte« Leben, wenn Un« jeder Tag , vergebens hingeträumt, Zu jenen grauen T«gm vorbereitet,

84

Die

8T

Iphigenie ans Seuttf.

Die an dem Ufer Lethe«, ftibstvergessend, Die Trauerschaar der Abgeschiednen feiert? Ein unnütz Leben ist ein früher Tod;

Dieß Frauenschickfal ist vor allen mein'«. Arkas. Den ebeln Stolz, daß du dir selbst nicht g'nügest, Verzeih' ich dir, so sehr ich dich bedaure;

Er raubet den Genuß de« Lebens dir.

Du hast hier nichts gethan seit deiner Ankunft? Eder hat de« Königs trüben Sinn erheitert?

Wer bat den alten grausamen Gebrauch, Daß am Altar Dianen« jeder Fremde

Sein Leben blutend laßt, von Jahr zu Jahr Mit sanfter Ueberrebung aufgehalren, Und die Gefangnen vom gewissen Tob'

In'« Vaterland so oft zurückgeschickt?

Hat nicht Diane, statt erzürnt zn seyn Daß sie der blut'gen alten Opfer mangelt,

Dein sanft Gebeth in reichem Maß erhört ?

Umschwebt mir frohem Fluge nicht der Sieg Da« Heer? und eilt er nicht sogar vorau«? Und fühlt nicht jeglicher ein besser Loo«, Seitdem der König, der un« weis' und tapfer

So lang geführet, nun sich auch der Milde

Zn deiner Gegenwart erfreut und uns De« schweigenden Gehorsam« Pflicht erleichtert?

Das nennst du unnütz? wenn von deinem Wesen Auf Tausende herab ein Balsam träufelt?

Wenn du dem Volke, dem ein Gott dich brachte.

De« neuen Glücke« ew'ge Quelle wirst. Und

Iphigenie auf Tauris.

89

Und an dem unwirthbaren Todes - Ufer

Dem Fremden Hell und Rückkehr zubereitest? Iphigenie.

Da« Wenige verschwindet leicht dem Blick, Der vorwärts sieht, wie viel noch übrig bleibt.

Arkas.

Doch lobst du den, der was er thut nicht schätzt? Iphigenie. Man tadelt den, der seine Thaten wägt.

ArkaS. Auch den, der wahren Werth zu stolz nicht achter. Wie den, der falschen Werth zu eitel hebt. ^Glaub' mir und hör' auf eines Mannes Wort,

Der treu und redlich dir ergeben ist:

Wenn heut der König mit dir redet, so Erleichtr' ihm, was er dir zu sagen denkt.

Iphigenie.

Du ängstest mich mit jedem guten Worte; Oft wich ich seinem Antrag mühsam aus,

Arkas.

Bedenke was du thust und was dir nützt. Sendern der König seinen Sohn verloren, Vertraut er wenigen der Seinen mehr,

Und diesen Wenigen nicht mehr wie sonst.

Mißgünstig fleht er jedes Edeln Sohn Als seines Reiches Folger an, er fürchtet Ein einsam hülfloS Alter, ja vielleicht

Verwegnen Ausstand und frühzcit'gen Tob. ' F 5

Der

90

Iphigenie auf TanriS.

Der Scythe setzt in'« Reden keknenVorzug, Am wenigsten der König. Er, der nur Gewohnt ist zu befehlen und zu thun, Kennt nicht die Kunst, von weitem ein Gespräch Nach seiner Absicht langsam fein zu lenken. Erschwer'« ihm nicht durch ein rückhaltend Weigern^ Durch ein vorsehlich Mißverstehen. Geh. Gefällig ihm den halben Weg entgegen.

Iphigenie. Soll ich beschleunigen was mich bedroht? Arka«. Willst du sein Werben eine Drohung nennen?

Iphigenie. ES ist Pie schrecklichste von allen mir.

Arkas. Gib ihm für seine Neigung nur Vertraun.

Iphigenie. Denn er von Furcht erst meine Seele los't.

Arka«. Warum verschweigst du deine Herkunft ihm? Zphigenie. Weil einer Priesterinn Geheimniß ziemr. Arka«. Dem König' sollte nicht« Geheimniß seyn; Und ob er'ü gleich nicht fordert, fühlt er'« doch Und fühlt e« tief in seiner großen Seele, Daß d« sorgfältig dich vor ihm verjährst.

Zphi«

Iphigenie auf Tauri».

91

Iphigenie. Nährt er Verdruß und Unmuch gegen mich?

Arkas.

So scheint es fast.

Zwar schweigt er auch von dir $

Doch haben hingeworfne Worte mich Belehrt, daß seine Seele fest den Wunsch

Ergriffen hat, dich zu beffhen. O überlaß ihn nicht sich selbst!

Laß, damit

In seinem Dusen nicht der Unmuth reise Und dir Entsetzen bringe, du zu spät An meinen treuen Rath mit Reue denkest. Iphigenie.

Wie? sinnt der König, was kein edler Many, Der seinen Nahmen lieb; und dem Verehrung Der Himmlischen den Dusen bändiget,

Ze denken sollte? Sinyt er vom Altar

Mich in stin Dette mit Gewalt zu zieh«? So ruf' ich alle Götter und vor allen Dianen, die entschloßne Göttinn an. Die ihren Schutz der Priesterin« gewiß,.

Und Jungfrau einer Jungfrau, gern gewähr;.

Arkas. Sey ruhig! Ein gewaltsam neues Dlut

treibt nicht den König, solche Jünglingsthar

Verwegen auszuüben.

Wie er sinnt.

Befürcht' ich andern harten Schluß von ihm, Den unaufhaltbar er vollende» wird: Denn seine Seel' ist fest und unbeweglich.

Drum bitt' ich dich, vertrau' ihm, sey ihm dankbar» Wenn du ihm weiter nichts gewähren kannst.

Jvhi«

92

Iphigenie auf Tauri-, Iphigenie.

O sage was dir weiter noch bekannt ist.

Arkas.

Erfahr'« ton ihm. Ich seh' den König kommen; Du ehrst ihn, und dich heißt dein eigen Herz, Ihm freundlich und vertraulich zu begegnen. Ein edler Mann wird durch ein gute« Wort Der Frauen weit geführt.

Iphigenie a«ein. Zwar seh' ich nicht, Wie ich dem Rath de« Treuen folgen soll. Doch folg' ich gern der Pflicht, dem Könige Für seine Wohlthat gutes Wort zu geben, Und wünsche mir, daß ich dem Mächtigen, War ihm gefüllt, mit Wahrheit sagen möge.

Dritter

Auftritt.

Iphigenie.

Thoa«.

Iphigenie.

Mit königlichen Gütern segne dich Die Göttinn! Gie gewähre Sieg und Ruhm Und Reichthum und da« Wohl der Deinigen Und jede« frommen Wunsche« Fülle dir! Daß, der du über viele sorgend herrschest, Dn auch vcr vielen seltne« Glück genießest. Tboa«.

Iphigenie auf Tauris.

93

ThoaS. Zufrieden wär' ich, wenn mein Volk mich rühmte:

Was ich erwarb, genießen andre mehr Als ick.

Der ist am glücklichsten, er sey

Ein König oder ein Geringer, dem

Zn seinem Hause Wohl bereitet ist. Du nähmest Theil an meinen kiesen Schmerzet;,

Als mir das Schwert der Feinde meinen Sohn,

Den letzten, besten, von der Seite riß. Co lang' die Rache meinen Geist besaß.

Empfand ich nicht die Oede meiner Wohnung;

Doch jetzt, da ich befriedigt wicdcrkehre, Zhr Reich zerstört, mein Cohn gerochen ist. Bleibt mir zu Hause nichts das mich ergehe. Der fröhliche Gehorsam, den ich sonst

AuS einem jeden Auge blicken sah, Zst nun von Sorg' und Unmuth still gedämpft.

Ein jeder sinnt was künftig werden wird, Und folgt dem Kinderlosen, weil er muß.

Nun komm' ich heut in diesen Tempel, den

Za; ost betrat um Sieg zn bitten und Für Sieg zu danken.

Einen alten Wunsch

Trag' ich im Dusen, der auch dir nicht fremd, Noch unerwartet ist: ich hoffe, dich

Zum Segen meines Volks und mir zum Segen, Als Braut in meine Wohnung einzuführen.

Iphigenie.

Der Unbekannten biethest du zu viel, O König, an.

E« steht die Flüchtige

Beschämt

94

Iphigenie auf Tauris.

Beschämt vor dir, die nichts an diesem Ufer Al« Schuh und Ruhe sucht, die du ihr gabst. Thoa«.

Daß du in da« Geheimniß deiner Ankunft Vor mir wie vor dem Letzten stets dich hüllest, War' unter keinem Volke recht und gut.

Dieß Ufer schreckt die Fremden: das Gesetz Gebiethet'S und die Noth.

Allein von dir.

Die jedes frommen Recht« genießt, ein wohl Von un« cmpfangner Gast nach eignem Sinn

Und Willen ihre« Tages sich erfreut, Don dir hofft' ich Vertrauen, da« der Wirth

Für feine Treue wohl erwarten darf. Iphigenie.

Verbarg ich meiner Eltern Nahincn und Mein Haus, o König; war's Verlegenheit,

Nicht Mißtrau'«.

Denn vielleicht, ach wüßtest du,

Wer vor dir steht, und welch verwünschtes Haupt Du nährst und schützest; ein Entsetze« faßte Dein großes Herz mit seltnem Schauer an,

Und statt die Seite deine« Throne« mir

Zu biethen, triebest du mich vor der Zeit Aus deinem Reiche; stießest mich vielleicht,

Eh' zu den Meinen frohe Rückkehr mir Und meiner Wandrung Ende zugrdacht ist.

Dem Elend zu, bas jeden Schweifenden,

Von seinem Haus' Vertriebnen überall Mit kalter fremder Schreckenshand erwartet.

Thoas^

Iphigenie auf Tauris.

w

Thoa«. Was aüch der Rath der Götter mit dir sey,

Und was sie deinem Haus' und dir gedenken;

So fehlt es doch, seitdem du bey »NS wohnst Und eines frommen Gastes Recht genießest.

An Segen nicht, der mir von oben kommt. Ich möchte schwer zu überreden seyn, Daß ich an dir ein schuldvoll Haupt beschütze. Iphigenie.

Dir bringt die Wohlrhat Segen, nicht der Gast. ^hoaS. Was man Verruchten thut, wird Nicht gesegnet. Drum endige dein Schweigen und dein Weigern; Es fordert dieß kein ungerechter Mann.

Die Göttinn übergab dich meinen Händen;

Wie du ihr heilig warst, st> warst du'S mir.

Auch sey ihr Wink noch künftig mein Gesetz: Wenn du nach Hause Rückkehr hoffen kannst,

So sprech' ich dich von aller FordruNg los.

Doch ist der Weg auf ewig dir versperrt, Und ist dein Stamm vertrieben, oder durch Ein ungeheures Unheil auSgelöschr, So bist du mein durch mehr als Ein Gesetz.

Sprich offen! und du weißt, ich halte Wort. Iphigenie. Vom eiten Bande löset ungern sich

Die Zunge lo«, ein langvcrschwlegeneS Geheimniß endlich j« entdecken.

Denn

Ein«

HS

Iphigenie auf Tauris.

Einmahl vertraut, verläßt e« ohne Rückkehr

Des tiefen Herzen« sichre Wohnung, schadet, Wie eck die Götter wollen, oder nützt.

Vernimm! Ich bin aus Tantalus Geschlecht. Thoa«.

Du sprichst ein großes Wort gelassen aus. Nennst du Den deinen Ahnherrn, den die Welt

Als einen ehmahls Hochbegnadigtcn Der Götter kennt? Ist'« jener Tantalus, De« Jupiter zu Rath und Tafel zog,

An dessen alrerfahrncn, vielen Sinn

Verknüpfenden Gesprächen Götter selbst Wie an Orakelsprüchen sich ergetzren? Iphigenie.

Er ist cs; aber Götter sollten nicht

Mir Menschen, wie mir ihre« Gleichen, wandeln; DaS sterbliche Geschlecht ist viel zu schwach

In ungewohnter Hohe nicht zu schwindeln. Unedel war er nicht und kein Verräther; Allein zum Knecht zu groß, und zum Gesellen

De« großen Donn'rer« nur ein Mensch.

So war

Auch sein Vergehm menschlich; ihr Gericht

War streng, und Dichter singen: Uebermuth Und Untreu stürzten ihn von Jovis Tisch Zur Schmach des alten Tartarus hinab.

Ach und sein ganz Geschlecht trug ihren Haß!

Thoas.

Trug es die Schuld M Ahnherrn oder eigne? Zphü

Iphigenie auf Tauri-.

97

Iphigenie.

Zwar die gewalr'ge Brust und der Titanen Kraft»vllr< Mark war seiner Söhn' und Enkel

Gewisse« Erbtheii; doch es schmiedete Der Gott um ihre Stirn ein ehern Band.

Rath, Mäßigung m b Weisheit und Geduld

Verbarg er ihrem scheuen düstern Blick;

Zur Wuth ward ihnen jegliche Begier, Und gränzenlos drang ihre Wuth umher.

Swen Pelops, der Gewaltig - wollende. Des Tantalus geliebter Sohn, erwarb Sich durch Verrath und Mord das schönste Weib,

Des OenomauS Tochter, Hippodamien.

Sie bringt den Wünschen des Gemahls zwey Söhne, Thyest und AtreuS.

Neidisch sehen sie

Des Vaters Liebe zu dem ersten Sohn

Aus einem andern Bette wachsend an. Der Hatz verbindet sie, und heimlich wagt Das Paar im Brudermord die erste That. Der Vater wähnet Hippodamien Die Mörderinn, und grimmig fordert er Von ihr den Sohn zurück, und sie entleibt

Sich selbst —

Thoas. Du schweigest? Fahre fort zu reden!

Laß dein Vertraun dich nicht gereuen! Sprich 1

Zphkgenie. Wohl dem, der seiner Väter gern gedenkt, Der froh von ihren Thaten, ihrer Größe Goethe'« W. r. Band-

G

Den

98

Iphigenie auf Tauri-.

Den Hörer unterhalt, und still sich freuend

An'S Ende dieser schönen Reihe sich Geschloffen sieht! Denn es erzeugt nicht gleich

Ein Haus den Halbgott noch bas Ungeheuer; Erst eine Reihe Böser oder Guter

Dringt endlich das Entsetzen, bringt die Freude

Der Welt hervor. — Nach ihres Varers Tode

Gebiethen Atreus und Thyest der Stadt, Geimeinsarn - herrschend. Die Eintracht dauern.

Des Bruders Bette. Ihn aus dem Reiche.

Lange konnte nicht Bald entehrt Thyest

Rächend treibet AtreuS Tückisch hatte schon

Thyest, auf schwere Thaten sinnend, lange Dem Bruder einen Sohn entwandt und heimlich Ihn als den seinen schmeichelnd auferzogcn. Dem füllet er die Brust mit Wmh und Rache

Und sendet ihn zur Königsstadt, daß er Im Oheim seinen eignen Vater morde.

Des Jünglings Vorsatz wird entdeckt; der König

Straft grausam den gesandten Mörder, wähnend

Er tobte seines Bruders Sohn.

Zu spät

Erfahrt er, wer vor seinen trunknen Augen Gemartert stirbt; und die Begier der Rache AuS seiner Brust zu tilgen, sinnt er still Auf unerhörte Thar. Er scheint gelassen.

Gleichgültig und versöhnt, und lockt den Bruder

Mit seinen beyden Söhnen in das Reich

Zurück, ergreift die Knaben, schlachtet sie. Und setzt die ekle schaudervolle Speise Dem Vater bey dem ersten -Mahle vor. Und

Iphigenie auf Tauris.

99

Und da Thyest an seinem Fleische sich

Gesättigt, eine Wekmuch ihn ergreift.

Er nach den Kindern fragt, den Tritt, die Stimme Der Knabe» an des Saales Thüre schon

Zu hören glaubt, wirft Atreus grinsend

Zhm Haupt und Füße der Erschlagucn hin. Du wendest schaudernd dem Gesicht, o König:

So wendete die Sonn' ihr Antlitz weg Und ihren Dagen aus dem ew'gen Gleise.

Dieß sind die Anherrn deiner Pricstcrinn; Und viel unseliges Geschick der Männer,

Viel Thaten des verworrnen Sinnes deckt Die Nacht mit schweren Fittigen und läßt Uns nur die grauenvolle Dämmrung sehn.

Thoas. Verbirg sie schweigend auch.

Es sey genug

Der Gräuel! Sage nun, durch welch ein

Wunder

Von diesem wilden Stamme Du entsprangst.

Iphigenie.

Des Atreus ältster Sohn war Agamemnon; Er ist mein Barer.

Doch ich darf es sagen,

Zn ihm hab' ich seit meiner ersten Zeit

Ein Muster deS vollkommnen Manns gesehn. Zhm brachte Clytemnestra mich, den Erstling

Der Liebe, dann Elektrcn.

Ruhig herrschte

Der König, und es war dem Hause TanralS

Die lang' entbehrte Rast gewährt.

Allein

Es mangelte dem Glück der Eltern noch

Ein Sohn, und kaum war dieser Wunsch erfüllt,

ioo

Iphigenie auf Tauri-.

Daß zwischen beyden Schwestern nun Orest

Der Liebling wuchs; als neue« Uebel schon Dem sichern Hause zubereicet war.

Der Rus des Krieges ist zu euch gekommen, Der, um den Raub der schönsten Frau zu rächen. Die ganze Macht der Fürsten Griechenlands

Um TrojenS Mauern lagerte.

Ob sie

Die Stadt gewonnen, ihrer Rache Ziel Erreicht, vernahm ich nicht. Mein Vater führte Der Griechen Heer. 3» Aull« harrten sie Auf günst'gen Wind vergeben«: denn Diane, Erzürnt auf ihren großen Führer, hielt

Die Eilenden zurück und forderte Durch Kalcha« Mund des Königs ältste Tochter.

Sie lockten mit der Mutter niich in's Lager; Sie rissen mich vor den Altar und weihten Der Göttinn dieses Haupt. — Sie war versöhnt; Sie wollte nicht mein Blut, und hüllte rettend In eine Wolke mich;

in diesem Tempel

Erkannt' ich mich zuerst vom Tode wieder. Ich bin e« selbst, bin Iphigenie, De« Alreu« Enkel, Agamemnon« Tochter, Der Göttinn Eigenthum, die mit dir spricht.

ThoaS. Mehr Vorzug und Vertrauen geb' ich nicht Der Königstochter als der Unbekannten.

Ich wiederhohle meinen ersten Antrag: Komm, folge mir und theile was ich habe.

3pht«

Iphigenie auf Tauris.

ioi

Zphkgenie.

Wie darf ich solchen Schritt, o König, wagen? Hat nicht die Göttinn, die mich rettete,

Allein das Recht auf mein geweihtes Leben? Sie hat für mich den Schutzen ausgesucht.

Und sie bewahrt mich einem Vater, den' Sie durch den Schein genug gestraft, vielleicht

Zur schönsten Freude seines Alter« hier. Vielleicht Ist mir die frohe Rückkehr nah;

Und ich, auf ihren Weg nicht achtend, hätte Mich wider ihren Willen hier gefesselt? Ein Zeichen bath ich, wenn ich bleiben sollte.

Thoa«.

Da« Zeichen ist, daß du noch hier verweilst. Such' Ausflucht solcher Art nicht ängstlich auf. Man spricht vergebens viel, um zu versagen; Der andre hört von allem nur das Nein.

Iphigenie.

Nicht Worte sind es, die nur blenden sollen; Zch habe dir mein tiefstes Herz entdeckt. Und sagst du dir nicht selbst, wie ich dem Vater, Der Mutter, den Geschwistern mich entgegen Mit ängstlichen Gefühlen sehnen muß?

Daß in den alten Hallen, wo die Trauer

Noch manchmahl stille meinen Nahmen lispelt,

Die Freude, wie um eine Neugeborne,

Den schönsten Kranz von Saul' an Säulen schlinge. O sendetest du mich auf Schiffen hin! Du gäbest mir und allen neues Leben. T h o a s.

los

Iphigenie auf Tauris.

ThoaS. So kehr' zurück! Thu' was dein Herz dich heißt;

Und höre nicht die Stimme guten Raths Und der Vernunft.

Sey ganz ein Weid und gib

Dich hin dem Triebe, der dich zügellos Ergreift und dahin oder dorthin reißt. Wenn ihnen eine Lust im Dusen brennt.

Hält vom Verräther sie kein heilig Band, Der sie dem Vater oder dem Gemahl Aus langbewahrten, treuen Armen lockt;

Und schweigt in ihrer Brust, die rasche Gluth, So dringe auf sie vergebens treu und mächtig

Der Ueberredung goldne Zunge los. Iphigenie. Gedenk, o Köni'g, deines edeln Wortes» Willst du mein Zutrau'n so erwiedern? Du

Schienst vorbereitet, alles zu vernehmen.

Thoas. Auf's Ungehoffke war ich nicht bereitet; Doch fbttf ich's auch erwarten: wußt' ich nicht. Daß ich mit einem Weibe handeln ging? Iphigenie. Schilt nicht, o König, unser arm Geschlecht. Nicht herrlich wie die euer», aber nicht

Unedel sind die Waffen eines Weibes. Glaub' es, darin bin ich dir vorzuziehn,

Daß ich dein Glück mehr als du selber kenne.

Du wähnest, unbekannt mit dir und mir,

Ein näher Band werd' uns zum Glück vereinen. Voll guten Muthes, wie voll guten Willens, Dringst

Iphigenie auf Tauris.

103

Dringst du in mich, daß ich mich fügen soll; Und hier dank' ich den Göttern, daß sie mir Die Festigkeit gegeben, dieses Bündniß

Nicht einzugehen, das sie nicht gebilligt. Thoas.

Es spricht kein Gott; es spricht dein eignes Herz.

Iphigenie. Sie reden nur durch unser Herz zu uns.

Thoas.

Und hab' Ich, sie zu hören, nicht das Recht? Iphigenie.

Es überbraust her Sturm die zarte Stimme.

Thoas. Die Priesterinn vernimmt sie wohl allein? Iphigenie. Vor allen andern merke sie der Fürst«

Thoas. Dein heilig Amt und dein geerbtes Recht An Jovis Tisch bringt dich den Göttern näher.

Als einen erdgebornen Wilden. Iphigenie.

So Büß' ich nun das Vertrau'n, das du erzwangst. Thoae. Ich bin ein Mensch; und besser ist'S wir ende». So bleibe denn mein Wort: Sey Priesterinn

Der Göttinn, wie sie dich erkoren hat;

Doch mir verzeihe Diane, daß ich ihr Bisher mit Unrecht und mit innern Vorwurf

G

4

Die

io*

Iphigenie auf Tauris.

Die alten Opfer vorenthalten habe. Kein Fremder nahet glücklich unserm Ufer;

Von Alters her ist ihm der Tod gewiß. Nur Du hast mich mit einer Freundlichkeit,

Zn der ich bald der zarten Tochter Liebe, Bald stille Neigung einer Braut zu sehn

Mich tief erfreute, wie mit Aauberbanden Gefesselt, daß ich meiner Pflicht vergaß.

Du hattest mir die Sinnen eingewiegt, Das Murren meines Volks vernahm ich nicht;

Nun rufen sie die Schuld von meines Sohnes Frühzeit'gem Tode lauter über mich.

Um deinetwillen halt' ich langer nicht Die Menge, die das Opfer dringend fordert.

Iphigenie.

Um meinetwillen hab' ich's nie begehrt. Der mißversteht die Himmlischen, der sie Blutgierig wähnt; er dichtet ihnen nur

Die eignen grausamen Begierden an. Entzog dir Göttinn mich nicht selbst dem Priester? Zhr war mein Dienst töillkommner, als mein Tod.

Thoas. Es ziemt sich nicht für uns, den heiligen

Gebrauch mit leicht beweglicher Vernunft Nach unserm Sinn zu deuten und zu lenken,

Thu deine Pflicht, ich werde meine thun.

Zwey Fremde, die wir in be# Ufers Höhlen Versteckt gefunden, und die meinem Lande

Nichts gutes bringen, sind in meiner Hand.

Mit

105

Iphigenie auf Tauri-.

Mit tiefen nehme

deine Göttinn wieder

Ihr erste«, rechtes, lang' entbehrte« Opfer ’

Ich sende sie hierher; du weißt den Dienst.

Vierter Austritt. Iphigenie

allein.

Du hast Wolken, gnädige Retterinn, Einzuhüllen unschuldig Verfolgte,

Und auf Winden dem ehrnen Geschick sie

Au« den Armen, über da« Meer, Ueber der Erde weiteste Strecken Und wohin es dir gut dünkt zu tragen. Weise bist du und siehest da« Künftige;

Nicht vorüber ist dir das Vergangne,

Und dein Blick ruht über den Deinen Wie dein Licht, da« Leben der Nächte,

Ueber der Erde ruhet und waltet. O enthalte vom Blut meine Hände! Nimmer bringt es Segen und Ruhe;

Und die Gestalt des zufällig Ermordeten Wird auf des traurig - unwilligen Mörders

Döse Stunde lauern — und schrecken.

Denn die Unsterblichen lieben der Menschen

Weit verbreitete gute Geschlechter, Und sie fristen das flüchtige Leben Gerne dem Sterblichen, wollen ihm gerne

Ihres eigenen, ewigen Himmels

Mitgenießendes fröhliches Anschau'» Eine Weile gönnen und lassen.

G 5

Zwey-

io6

Iphigenie auf Tauri-.

Zweyter Aufzug. Erster O r e st.

Auftritt. Pylade«.

Orest. Es ist der Weg des Todes, den wir treten:

Mir jedem Schritt wird meine Seele stiller. Als ich Apollen bath , das gräßliche Geleit der Rachegeistcr von der Seite

Mir abzunehmen, schien er Hüls' und Rettung Im Tempel seiner vielgeliebten Schwester, Die über Tauris herrscht, mit hoffnungsreichen

Gewissen Götrerworten zu versprechen;

Und nun erfüllet sich's, daß alle Noch Mik meinem Leben völlig enden sog. Wie leichr wird's mir, dem eine Götterband Das Herz zusammendrückr, den Sinn beraubt,

Dem schönen Licht der Sonne zu entlagen. Und sollen Arreus Enkel in der Schlacht Ein siegbekröntes Ende nicht gewinnen; Soll ich wie meine Ahnen, wie mein Vater,

Als Opferthier im Jammertode bluten:

So sey es! Besser hier vor dem Altar, Als im verworfnen Winkel, wo die Netze

Der nahverwandte Meuchelmörder stellt. Laßt

Iphigenie auf TauriS.

107

Laßt mir so lange Ruh', ihr Unterird'schen,

Die nach dem Blut' ihr, das von meinen Tcittetr Hernieder träuftnd meinen Pfad bezeichnet.

Wie iosgelaßne Hunde spürend hetzt. Laßt mich, ich komme bald zu euch hinab;

DaS Licht des Tags soll euch nicht sehn, noch mich. Der Erde schöner grüner Teppich soll

Kein Tummelplatz für Larven seyn.

Dort unter»

Euch' ich euch auf: dorr bindet alle dann

Ein gleich Geschick in ew'ge matte Nacht. Nur dich mein PyladeS, dich, meiner Schuld

llnb meines Danns unschuldigen Genossen,

Wie ungern nehm' ich dich in jenes Trauerland Frühzeitig mit! Dein Leben oder Tod

Gibt wir allein noch Hoffnung oder Furcht. Pylade».

Ich bin noch nicht, Orest, wie du bereit, Zn jenes Schattenreich hinabzugehn.

Zch sinne noch, durch die verworrnen Pfade,

Die nach der schwarzen Nacht zu führen scheinen. Uns zu dem Leben wieder auszuwinden.

Zch denke nicht den Tod; ich sinn' und horche, Ob nicht zu irgend einer frohen Flucht Die Götter Rath und Wege zubereiren.

Der Tod, gefürchtet oder unqefürchter, Kommt unaufhaltsam.

Wenn d e Priesterin«

Schon, unsre Locken weihend abzuschneiden,

Die Hand erhebt, sc st dein' und meine Rettung Mein einziger Gedanke seyn.

Erheb«

Von

iog

Iphigenie auf Lauris.

Von diesem Unmuth deine Seele; zweifelnd

Beschleunigest du die Gefahr. Apoll Gab uns das Wort: im Heiligthum der Schwester Sey Trost und Hülf und Rückkehr dir bereitet. Der Götter Worte find nicht doppelsinnig. Wie der Gedrückte sie im Unmuch wähnt. O r e st.

Des Lebens dunkle Decke breitete Die Mutter schon mir um das zarte Haupt, Und so wuchs ich herauf, ein Ebenbild Des Vaters, und es war mein stummer Blick

Ein bittrer Vorwurf ihr und ihrem Buhlen. Wie oft, wenn still Elektra meine Schwester

Am Feuer in der tiefen Halle faß,

Drängt' ich beklommen mich an ihren Schoo«, Und starrte, wie sie bitter weinte, sie

Mit großen Augen an. Dann sagte sie Von unserm hohen Vater viel: wie sehr Verlangt' ich ihn zu sehn, bey ihm zu seyn;

Mich wünscht' ich bald nach Troja, ihn bald her.

ES kam der Tag —

Pylade«. O laß von jener Stunde Sich Höllengeistcr nächtlich unterhalten!

Uns gebe die Erinnrung schöner Zeit Zu frischem Heldenlaufe neue Kraft. Die Götter brauchen manchen guten Mann Zu ihrem Dienst auf dieser weiten Erde.

Sie haben noch auf dich gezählt; sie gaben Dich

Iphigenie auf Tauris.

log

Dich nicht dem Vater zum Geleite mit, Da er unwillig nach dem Orcus ging.

Orest. O wär' ich, seinen Saum ergreifend, ihm

Gefolgt! Pyl'ades.

So haben die, die dich erhielten. Für in i ch gesorgt: denn was ich worden wäre, Wenn Du nicht lebtest, kann ich mir nicht denken;

Da ich mit dir und deinetwillen nur

Seit meiner Kindheit leb' und leben mag. Orest. Erinnre mich nicht jener schönen Tage,

Da mir dein Hau« die freye Stäte gab, Dein edler Vater klug und liebevoll

Die halb erstarrte junge Blüthe pflegte; Da du ein immer munterer Geselle, Gleich einem leichten bunten Schmetterling'

Um eine dunkle Blume, jeden Tag Um mich mit neuem Leben gaukeltest,

Mir deine Lust in meine Seele spieltest. Daß ich, vergessend meiner Noth, mit dir Zn rascher Jugend hingerissen schwärmte.

Pylades. Da fing mein Leben an, als ich dich liebte.

Orest.

Sag: meine Noth begann, und du sprichst wahr.

Dar ist das Aengstliche von meinem Schicksal, Daß ich, wie ein verpesteter Vertriebner,

Gehei«

ne

Iphigenie auf Tauris.

Gebeimen Schmerz und Tob km Dusen trage;

Daß, wo ich den gesund'sten Ort betrete, Gar bald um mich die blühenden Gesiebter Den Schmerzenszug langsamen Tod's verrathen.

PyladcS. Der nächste wär' ich diesen Tod zu sterben.

Wenn je dein Hauch, Orest, vergiftete.

Din ich nicht immer noch voll Muth und Lust? Und Lust und Liebe sind die Fittige Zu großen Thaten.

Orest.

Große Thaten? Ja,

Ich weiß die Zeit, da wir sie vor uns sahn Wenn wir zusammen oft dem Wilde nach Durch Berg' und Thäler rannten, und dereinst

An Brust und Faust dem hohe»» Ahnherrn gleich Mit Keul' und Schwerr dem Ungeheuer so, Dem Räuber auf der Spur zu jagen hofften;

Und dann wir Abend« an der weiten See

Uns an einander lehnend ruhig saßen, Die Wellen bis zu unsern Füßen spielten, Die Welt so weit, so offen vor uns lag; Da fuhr wohl einer manchmahl nach dem Schwert,

Und känst'ge Thaten drangen wie die Sterne Rings um uns her unzählig aus der Nacht.

Pyladeö. Unendlich ist das Werk, das zu vollführen

Die Seele dringt.

Wir möchten jede That

So groß gleich thun als wie sie wächst und wird,

Wenn

Iphigenie auf Tauris.

m

Wenn Jabre lang durch Länder und Geschlechter Der Mund der Dichter sie vermehrend wälzt. ES klingt so schön was unsre Väter thaten, Wenn eö in stillen Abeiwschatccn ruhend

Der Jüngling mit dem Ton der Harfe schlürft! Und waS wir thun ist, wie es ihnen war,

Voll Müh' und eitel Stückwerk! So laufen wir nach dem was vor uns flieht. Und achten nicht des Weges den wir treten, Und sehen neben uns der Ahnherrn Tritte Und ihres Erdelebens Spuren kaum.

Wir eilen immer ihrem Schatten nach, Der göttergleich in einer weiten Ferne

Der Berge Haupt auf gvldnen Wolken krönt. Ich halte nichts von dem, der von sich denkt Wie ihn das Volk vielleicht erheben möchte.

Allein, o Jüngling, danke du den Göttern, Daß sie so früh durch dich si> viel gethan. Orest. Wenn sie dem Menschen frohe That bescheren,

Daß er ein Unheil von den Seinen wendet. Daß er sein Reich vermehrt, die Gränzen sichert, Und alte Feinde fallen oder fliehn; Dann mag er danken! denn ihm hat ein Gott

Des Lebens erste, letzte Lust gegönnt.

Mich haben sie zum Schlächter auserkoren, Zum Mörder meiner doch verehrten Mutter,

Und eine Schandthat schändlich rächend, mich

Durch ihren Wink zu Grund' gerichtet.

Glaube,

Sie

112

Iphigenie auf Tauris.

Sie haben es auf Tantal» Hau« gerichtet. Und ich, der Letzte, soll nicht schuldlos, soll Nicht ehrenvoll vergehn.

Pylade».

Dte Götter rächen

Der Väter Missethat nicht an dem Sohn; Ein jeglicker, gut oder böse, nimmt

Sich seinen Lohn mit seiner That hinweg. E« erbt der Eltern Segen, nicht ihr Fluch. Orest.

Uns führt ihr Segen, dünkt mich, nicht hierher.

Pylades. Doch wenigstens der hohen Götter Wille. Orest. So kst'S ihr Wille denn, der uns verderbt.

Pylades. Thu' was sie dir gebiethen und erwarte. Dringst du die Schwester zu Apollen hin.

Und wohnen beyde dann vereint zu Delphis,

Verehrt von einem Volk das edel denkt;

So wird für diese That das hohe Paar Dir gnädig seyn, fie werden aus der Hand Der Unrerird'schen dich erretten.

Schon

Zn diesen heil'gen Hain wagt keine sich. Orest. So hab' ich wenigsten» geruh'gen Tob.

Pylade«. Ganz anders denk' ich, und nicht ungeschickt Hab' ich bas schon Gescheh'ne mit dem Künft'gen

Ver«

uz

Iphigenie auf TauriS. Verbunden und im stillen ansgelegt.

Vielleicht reift in der Götter Nach schon lange Das große Werk.

Diane sehnet sich

Von diesem rauhen Ufer der Barbaren

Und ihren blut'gen Menschenopfern weg. Wir waren zu der schönen Thar bestimmt, Uns wird sie auferlegt, und seltsam sind

Wir an der Pforte schon gezwungen hier. Orest.

Mit seltner Kunst stichst du der Götter Nach

Und deine Wünsche klug in eins zusammen. Pylades. WaS ist des Menschen Klugheit, wenn sie nicht

Auf Jener Willen droben achtend lauscht? Zu einer schweren Thar beruft ein Gott

Den cbelli Mann, der viel verbrach, und legt Ihm auf was uns unmöglich scheint zu enden. Es siegt der Held, und büßend dienet er Den Göttern und der Welt, die ihn verehrt.

Orest. Din ich bestimmt, zu leben und zu handeln; So nehm' ein Gott von meiner schweren Stirn

Den Schwindel weg, der auf dem schlüpfrigen, Mir Mutterbluk besprengten Pfade fort Mich zu den Todten reißt.

Er trockne gnädig

Die Quelle, die, mir aus der Mutter Wunden

Entgegen sprudelnd, ewig mich befleckt. Goethe'-W.Band.

H

Pyla«

H4

Iphigenie auf TauriS, PyladeS.

Erwart' es ruhiger! Du mehrst das Uebel

Und nimmst das Amt der Furien auf dich. Laß mich nur sinnen, bleibe still! Zuletzt,

Bedarfs zur That vereinter Kräfte, dann

Ruf' ich dich auf, und beyde schreiten wir

Mit überlegter Kühnheit zur Vollendung» Orest.

Zch hör' Ulyssen reden. PyladeS.

Spotte nicht. Ein jeglicher muß feinen Helden wählen,

Dem er die Wege zum Olymp hinauf

Sich nacharbeitet.

Laß es mich gestehn:

Mir scheinet List und Klugheit nicht den Mann Zu schänden, der sich kühnen Thaten weiht.

Orest. Ich schätze den, der tapfer ist und g'rad. PyladeS. Drum hab' ich keinen Rath von dir verlangt.

Schon ist ein Schritt gethan. Von unsern Wächtern

Hab' ich bisher gar vieles ausgelockr. Zch weiß, ein fremdes, göttergleiches Weib

Hält jenes blutige Gesetz gefesselt;

Ein reines Herz und Weihrauch und Gebeth Dringt sie den Göttern dar.

Man rühmet hoch

Die Gütige; man glaubet, sie entspringe Vom Stamm der Amazonen, sey geflohn, Um einem großen Unheil zu entgehn.

Orest.

115

Iphigenie auf Tauri-, Orest.

Es

scheint, ihr lichtes Reich verlor die Kraft

Durch de« Verbrechers Nähe, den der Fluch

Wie eine breite Nacht verfolgt und deckt.

Die fromme Blutgier los’t den alten Brauch Von seinen Fesseln los, uns zu verderben. Der wilde Sinn des Königs tobtet uns;

Ein Weib wird uns nicht retten, wenn er zürnt. P y l a d e S.

Wohl uns, daß es ein Weib ist! denn ein Mann, Der beste selbst, gewöhnet seinen Geist An Grausamkeit, und macht sich auch zuletzt Aus dem, was er verabscheut, ein Gesetz,

Wird aus Gewohnheit hart und fast unkenntlich. Allein ein Weib bleibt stät auf Einem Sinn, Den sie gefaßt-

Du rechnest sicherer

Auf sie im Guten wie im Dösen. — Still!

Sie kommt; laß uns allein.

Ich darf nicht gleich

Ihr unsre Nahmen nennen, unser Schicksal

Nicht ohne Rückhalt ihr vertrau'».

Du gehst.

Und eh' sie mit dir spricht treff' ich dich noch.

Zweyter Auftritt. Zphigenie.

PyladeS.

Iphigenie. Woher du seyst und kommst, 0 Fremdling, spricht

Mir scheint es, daß ich eher einem Griechen

Als einem Scytben dich vergleichen soll. S;e nimmt ihm die Ketten ah, H r

Gesähr-

n6

Iphigenie auf Tauri-.

Gefährlich ist die Freyheit, die ich gebe; Die Gotter wenden ab was euch bedroht!

Pylade«. O süße Stimme!

Vielwillkommner Ton

Der Muttersprach' in einem fremden Lande • Des väterlichen Hafens blaue Berge Seh' ich Gefangner neu willkommen wieder

Vor meinen Augen.

Laß dir diese Freude

Versichern, daß auch ich ein Grieche bin! Vergessen hab' ich einen Augenblick,

Wie sehr ich dein bedarf, und meinen Geist Der herrlichen Erscheinung zugewender.

O sage, wenn dir ein Vcrhängniß nicht Die Lippe schließt, aus welchem unsrer Stämme Du deine götterglekche Herkunft zählst. Iphigenie. Die Priesterinn, von ihrer Göttinn selbst

Gewählet und geheiligt, spricht mit dir. Das laß dir g'nügcn; sage, wer du seyst

Und welch unselig - waltendes Geschick Mit dem Gefährten dich hierher gebracht.

PyladeS.

Leicht kann ich dir erzählen, welch ein Uebel Mir lastender Gesellschaft uns verfolgt.

O könntest du der Hoffnung frohen Blick Uns auch so leicht, du Göttliche, gewähren!

Aus Kreta sind wir, Söhne dcS Adrasts:

Zeh bin der jüngste, CephaluS genannt,

Und er Laodamas, der älteste

Des

Iphigenie auf Tauris. Des Hauses.

117

Zwischen uns stand rauh und wild

Ein mittlerer, und trennte schon im Spiel

Der ersten Jugend Einigkeit und Lust. Gelassen folgten wir der Mutter Worten, Co lang' des Vaters Kraft vor Troja stritt;

Doch als er beutereich zurücke kam Und kurz darauf verschied, da trennte bald

Der Streit um Reich und Erbe die Geschwister. Ich neigte mich zum Aeltsten.

Er erschlug

Den Bruder. Um der Blutschuld willen treibt Die Furie gewaltig ihn umher. Doch diesem wilden Ufer sendet uns Apoll, der Delphische, mit Hoffnung zu. 3m Tempel seiner Schwester hieß er uns Der Hälfe segensvolle Hand erwarten. Gefangen sind wir und hierher gebracht. Und dir als Opfer dargesiellt.

Du weißt's.

Iphigenie.

Fiel Troja? Theurer Manu, verficht' es mir.

P y l a d e s. ES liegt. O flch're du uns Rettung zu! Beschleunige die Hülfe, die ein Gott

Versprach.

Erbarme meines Bruders dich.

O sag' ihm bald ein gutes holdes Wort; Doch schone seiner wenn du mit ihm sprichst, Das bitt' ich eifrig: denn es wird gar leicht

Durch Freud' und Schmerz und durch Erinnerung

Sein Innerstes ergriffen und zerrüttet. Ein fieberhafter Wahnsinn fallt ihn an, H 3

Und

ns

Iphigenie auf Tauris.

Und seine schöne freye Seele wird

Den Furien zum Raube hingegeben. Iphigenie.

So groß dein Unglück ist, beschwör' ich dich» Vergiß e», bis du mir genug gethan. P y l a d e S.

Die hohe Stadt, die zehen lange Jahre

Dem ganzen Heer der Griechen widetstand, Liegt nun im Schutte, steigt nicht wieder auf.

Doch manche Graber unsrer Besten heißen Uns an das Ufer der Barbaren denken.

Achill liegt dort mit seinem schönen Freunde.

Iphigenie. So fepd ihr Götterbilder auch zu Staub!

PyladeS. Auch Palamede«, Ajax TelamonS,

Sie sahn des Vaterlandes Tag nicht wieder. Iphigenie.

Er schweigt von meinem Vater, nennt ihn nicht Mit den Erschlagnen.

Jaer lebt mir noch 1

Ich werd' ihn sehn! 0 hoffe, liebes Herz!

PyladeS. Doch selig sind die Tausende, die starben Den bittersüßen Tod von Feindes Hand k Denn wüste Schrecken und ein traurig Ende

Hat den Rückkehrenden statt des Triumphs

Ein feindlich aufgebrachter Gott bereitet. Kommt denn der Menschen Stimme nicht zu euch?

So weit fie reicht, trägt sie den Ruf umher Von

Iphigenie auf Tauri-«

nj

Bon unerhörten Thaten die geschah'«.

So ist der Jammer, der Mycenens Halle« Mit immer wiederhohlten Seufzern füllt.

Direin Geheimniß? — Klytemnestra hak

Mit Hüls' Aegisthens den Gemahl berückt, Am Tage seiner Rückkehr ihn ermordet l —

Ja tu verehrest dieses Königs Haus 1

Ich sch' es, deine Brust bekämpft vergebens

Das unerwartet ungeheure Wort. Bist du die Tochter eines Freundes? bist Du nachbarlich in dieser Stadt geboren?

Verbirg es nicht und rechne mir's nicht zu. Daß ich der erste diese Gräuel melde.

Iphigenie. Sag' an, wie ward die schwere Thar vollbracht?

Pyla de«. Am Tage seiner Ankunft, da der König Vom Bad' erquickt und ruhig, sein Gewand

Aus der Gemahlinn Hand verlangend, stieg, Warf die Verderbliche ein faltenreich Und künstlich sich verwirrendes Gewebe

Ihm aus die Schultern, um das edle Haupt $ Und da er wie von einem Netze sich

Vergebens zu entwickeln strebte, schlug Aegisth ihn, der Verräther, und verhüllt

Ging zu den Tobten dieser große Fürst. Iphigenie. Und welchen Lohn erhielt der Milverschworne?

Pylades. Ein Reich und Bette, das er schon besaß. H *

Aphkr

iso

Iphigenie auf Tauris.

Iphigenie. So trieb zur Schandthar eine böse Lust?

Pylades. Und einer alten Rache tief Gefühl. Iphigenie. Und wie_belei'digte der König sie?

Pylades. Mit schwerer That, die, wenn Entschuldigung DeS Mordes wäre, sie entschuldigte. Nach Aulis lockt' er sie und brachte dort, Als eine Gottheit sich der Griechen Fahrt

Mit ungestümen Winden widersetzte, Die ältste Tächter Iphigenien Vor den Altar Dianens, und sie fiel

Ein. blutig Opfer für der Griechen Heil. Dieß, sagt man, hat ihr einen Widerwillen

So rief in's Herz geprägt, daß sie dem Werben Aegisthens sich ergab und den Gemahl

Mit Netzen des Verderbens selbst umschlang. Iphigenie sich

ES ist genug.

verhüllend.

Du wirst mich wiedersehn. Pylades

allein.

Bon dem Geschick des Königs - Hauses scheint Sie tief gerührt.

Wer sie auch immer sey,

So hat sie selbst den König wohl gekannt

Und ist, zu unserm Glück, aus hohem Hause Hierher verkauft.

Nur stille, liebes Herz,

Und laß dem Stern der Hoffnung, der uns blinkt,

Mit frohem Muth uns klug entgegen steuern.

Dritter

Iphigenie auf Tauris.

121

Dritter Aufzug. Erster Auftritt. Iphigenie.

O r e st.

Zphigenie. Unglücklicher, ich löse deine Bande

Zum Zeichen eines schmerzlichern Geschicks. Die Freyheit, die das Hciligthum gewährt,

Ist wie der letzte, lichte Lebensblick DcS'schwer Erkrankten, Todesboche.

Noch

Kann ich es mir und darf eS mir nicht sagen. Daß ihr verloren seyd I Wie könnt' ick euch

Mir mörderischer Hand dem Tode weihen? Und niemand, wer eS sey, darf euer Haupt,

So lang' ich Priesterinn DianenS bin, Berühren.

Doch verweigr' ich jene Pflicht,

Wie sie der aufgebrachte König fordert;

So wählt er eine meiner Iungfraun mir Zur Folgerinn, und ich vermag alsdann

Mit heißem Wunsch allein euch beyzustchn. O werther Landsmann! Selbst der letzte Knecht,

Der an den Herd der Vatergötter streifte, Ist uns in fremdem Lande hoch willkommen;

Wie soll ich euch genug mit Freud' und Segen Empfangen, die ihr mir das Bild der Helden,

H 5

Die

122

Iphigenie auf Tauris

Die ich von Eltern her verehren kernte,

Entgegen bringet und das innre Herz Mit neuer schöner Hoffnung schmeichelnh labet! Orest.

Verbirgst du deinen Nahmen, deine Herkunft

Mil klugem Vorsatz? oder darf ich wissen, Wer mir, gleich einer Himmlischen, begegnet?

Iphigenie. Du sollst mich kennen.

Jetzo sag' mir an,

WaS ich nur halb von deinem Bruder horte, Das Ende derer, die von Troja kehrend

Ein hartes unerwartete» Geschick Auf ihrer Wohnung Schwelle stumm empfing.

Zwar ward ich jung an diesen Strand geführt;

Doch wohl erinnr' ich mich des scheuen Blick«, Den ich mit Staunen und mit Bangigkeit Auf jene Helden warf.

Sie zogen aus,

Als hätte der Olymp sich aufgethan Und die Gestalten der erlauchten Vorwelt Zum Schrecken Ilions herabgefendet,

Und Agamemnon war vor allen herrlich I

O sage mir! Er fiel, sein Hau« betretende Durch seiner Frauen und Aegisthus Tücke? Srest. Du sagst's! Iphigenie. Weh dir, unseliges Mycen I

So haben Tantals Enkel Fluch auf Fluch

Mit vollen wilden Händen ausgesät! Und

Iphigenie auf Lauris.

isz

Und gleich dem Unkraut, wüste Häupter schüttelnd

Und tausendfältigen Samen um sich streuend.

Den KindcLkindern nahvcrwandte Mörder Zurcw'gen Wechselwuth erzeugt! —

Enthülle,

Was von der Rede deines Bruders schnell Die Finsterniß des Schreckens mir verdeckte.

Wie ist des großen Stammes letzter Sohn, Das holde Kind, bestimmt des Vaters Rächer

Dereinst zu seyn, wie ist Orest dem Tage Des DlutS entgangen? Hat ein gleich Geschick

Mit deS Avernus Netzen ihn umschlungen?

Ist er gerettet? Lebt er? Lebt Elektra? Orest.

Sie leben.

Iphigenie. Goldne Sonne, leihe mir

Die schönsten Strahlen, lege sie zum Dank Vor Jovis Thron!

denn ich bin arm und stumm. Orest.

Bist du gastfreundlich diesem Königs - Hause,

Bist du mit nähern Banden ihm verbunden,

Wie deine schöne Freude mir verräth: So bändige dein Herz und halt es fest!

Denn unerträglich muß dem fröhlichen Ein jäher Rückfall in die Schmerzen seyn.

Du weißt nur, merk' ich, Agamemnvnü Tod. Iphigenie. Hab' ich an dieser Nachricht nicht genug?

Orest.

i24

Iphigenie auf Tauris. Orest.

Du hast deS Gräuels Hälfte nur erfahren.

Iphigenie. WaS fürcht' ich noch? Orest, Elektra leben.

Orest. Und fürchtest du für Klyremnestren nichts?

Iphigenie.

Sie rettet weder Hoffnung, weder Furcht. Orest.

Auch schied sie aus dem Land der Hoffnung ab.

Iphigenie. Vergoß sie reuig wüthend selbst ihr Blut?

Orest. Nein, doch ihr eigen Blut gab ihr den Tod.

Iphigenie. Sprich deutlicher, daß ich nicht länger sinne.

Die Ungewißheit schlägt mir tausendfältig Die dunkeln Schwingen um das bange Haupt.

Orest. So haben mich die Gotter ausersehn Zum Bothen einer That, die ich so gern

Zn's klanglos - dumpfe Höllenreich der Nacht

Verbergen mochte? Wider meinen Willen

Zwingt mich dein holder Mund; allein er darf

Auch etwas schmerzlich's federn und erhält'S. Am Tage da der Vater fiel, verbarg

Elektra

Iphigenie auf TauriS.

125

Elektra rettend ihren Bruder: Strophius, Des Vaters Schwäher, nahm ibn willig auf, Erzog ihn neben seinem eignen Sohne, Der, Pylades genannt, die schönsten Bande

Der Freundschaft um den Angekommnen knüpfte. Und wie sie wuchsen, wuchs in ihrer Seele Die brennende Begier des Königs Tod Zu rachen.

Unversehen, fremd gekleidet,

Erreichen sie Mycen, als brachten sie Die Tcauernachricht von Orestens Tode

Mit seiner Asche.

Wohl empfanget sie

Die Königinn; sie treten in das HauS. Elckrren gibt Orest sich zu erkennen;

Sie bläs't der Rache Feuer in ihn: auf, Das vor der Mutter heil'ger Gegenwart

In sich zurückgebrannt war.

Stille führt

Sie ibn zum Orte, wo sein Vater fiel,

Wo eine alte leichte Spur des frech

Vergoßnen Blutes oftgewaschnen Boden Mit blaffen ahndnngsvollen Streifen färbte. Mit ihrer Feuerzunge schilderte

Sie jeden Umstand der verruchten That,

Ihr knechtisch elend durchgebrachtes Leben, Den Uebermuch der glücklichen Verräther, Und die Gefahren, die nun der Geschwister

Von einer stiefgewordnen Mutter warteten; Hier drang sie jenen alten Dolch ihm auf, Der schon in Tantals Hause grimmig wüthete,

Und Klptemnestra fiel durch Sohnes - Hand.

2phi

126

Iphigenie auf Tauris. Iphigenie.

Un^rbliche, die tbt den reinen Tag

Uns immer neuen Wolken selig lebet, Habt chr nur darum mich so manches Jahr

Von Menschen abgesondert, mich so nah

Den euch gehalten, mir die kindliche Beschäftigung, des heil'gen Feuers Gluth Zu nähren, aufgetragen, meine Seele

Der Flamme gleich in ew'ger frommer Klarheit

Au euer» Wohnungen hinaufgezogen.

Daß ich nur meines Hauses Gräuel später

Und tiefer fühlen sollte ? — Sage mir Vom Ungläcksel'gen! Sprich mir von Orest l —■ Orest. £> könnte man von seinem Tode sprechen !

Wie gährcnd stieg aus der Erschlagnen Blur Der Murrer Geist Und ruft der Nacht «rasten Töchtern zu:

„Laßt nicht den Muttermöcder entfliehn!

Verfolgt den Verbrecher! Eueh ist er geweiht! * Sie horchen auf, es schaut ihr hohler Blick Mit der Begier deS Adlers um sich her. Sie rühren sich in ihren schwarzen Höhlen,

Und aus den Winkeln schleichen ihre Gefährten, Der Zweifel und die Reue, leis' herbey. Vor ihnen steigt ein Dampf vom Acheron;

Zn seinen Wolkenkreisen wälzet sich Die ewige Betrachtung des Gescheh'nen

Verwirrend um des Scku'd'gen Haupt umher,

Und sie, berechtigt zum Verderben, treten

Der

Iphigenie auf Tauris.

127

Der goltbesären Erde schönen Boden,

Von dem ein alter Fluch sie längst verbannte. Den Flüchtigen verfolgt ihr schneller Fuß;

Sie geben nur um neu zu schrecken Rast. Iphigenie. Unseliger, du bist in gleichem Fall,

Und fühlst was er, der arme Flüchtling, leidet! Orest.

Waö sagst du mir? Was wähnst du gleichen Fall!

Iphigenie. Dich drückt ein Brudermord wie jenen; mir

Vertraute dieß dein jüngster Bruder schon.

Orest. Zch kann nicht leiben, daß du große Seele

Mir einem falschen Wort betrogen werdest. Ein lügenhaft Gewebe frtüpf’ ein Fremder Dem Fremde», sinnreich und der List gewohnt,

§ur Falle vor die Füße; zwischen uns Sey Wahrheit.'

Zch bin Orest! und dieses schuld'ge Haupt Senkt nach der Grube sich und sucht den Tob;

In jeglicher Gestalt sey er willkommen! Wer du auch seyst, so wünsch' ich Rettung dir Und meinem Freunde; mir wünsch' ich sie nicht.

Du scheinst hier wider Willen zu verweilen; Erfindet Rath zur Flucht und laßt mich hier. Es stürze mein entseelter Leib vom Fels,

Es rauche bis zum Meer' hinab mein Blut,

Und

mg

Iphigenie auf Tauris.

Und bringe Fluch dem Ufer der Darbaren! Vehr ihr, daheim im schönen Griechenland'

Ein neues Leben freundlich anzufangen.

er entfernt sich. Iphigenie.

So steigst du beim, Erfüllung, schönste Tochter Des größten Vaters, endlich zu mir nieder!

Wie ungeheuer steht dein Bild vor mir! Kaum reicht mein Blick dir an die Hände, die Mit Frucht und Segenskränzen angefüllt

Die Schätze des Olympus nicderbringen.

Wie man den König an dem Uebermaß Der Gaben kennt: denn ihm muß wenig scheinen

Was Tausenden schon Reichthum ist; so kennt Man euch, ihr Götter, an gesparten, lang' Und weise zubereiteten Geschenken.

Denn ihr allein wißt was uns frommen kann,

Und schaut der Zukunft ausgedehntes Reich, Wenn jedes Abends Stern und Nebeihülle

Die Aussicht uns verdeckt.

Gelaffen hört

Zhr unser Flehn, das um Beschleunigung

Euch kindisch bittet; aber eure Hand Bricht unreif nie die gvldnen Himmelsfrüchte; Und wehe dem, der ungeduldig sie

Ertrotzend, saure Speise sich zum Tod' Genießt. 0 laßt das lang' erwartete,

Noch kaum gedachte Glück nicht, wie den Schalten

Des abgeschiednen Freunde«, eitel mir Und dreyfach schmerzlicher vorübergehn!

Orest

Iphigenie auf Tauris. Ore(t

is-

tritt wieder ju ihr.

Rufst du die Götter an für dich und Pylade«,

So nenne meinen Nahmen nicht mit euerm. Du rettest den Verbrecher nicht zu den» Du dich gefell'st, und theilest Fluch und Noch.

Iphigenie. Mein Schicksal ist an deines fest gebunden. Orest. Mit Nichten) Laß allein und unbegleitet

Mich zu den Todten gehn.

Verhülltest du

Zn deinen Schleyer selbst den Schuldigen; Du birgst ihn nicht vor'm Blick der immer Wachen,

Und deine Gegenwart, du Himmlische, Drängt sie nur seitwärts und verscheucht sie nicht.

Sie dürfen mit den ehrnen frechen Füßen Des heil'gen Walde« Boden nicht betreten ; Doch hör' ich aus der Ferne hier und da

Ihr gräßliches Gelächter.

Wölfe harren

So um den Baum, aus den ein Reisender

Sich retrere.

Da draußen ruhen sie

Gelagert; und verlaß' ich diesen Hakn, Dann steigen sie, die Schlangenhänpter schütteln-, Von allen Seiten Staub erregend auf Und treiben ihre Deute vor sich her. Zphigenke.

Kannst du, Orest, ein freundlich Wort vernehmen? Orest. Spar' e« für einen Freund der Götter ans. Eoethe'S W.Band.

Z

Zphi«

IZ»

Iphigenie auf Tauris.

Iphigenie.

Sie geben dir zu neuer Hoffnung Licht, Orest.

Durch Rauch uttd Qualm seh' ich den matten Schein Des TvdtenflusseS mir zur Hölle leuchten.

Iphigenie.

Hast du Ekektren, Eine Schwester nur? Orest. Die Eine sannt' ich; doch die ältste nahm

Ihr gut Geschick, das uns so schrecklich schien,

Dey Zeiten aus dem Elend unsers Hauses. £) laß dein Fragen, und geselle dich Nicht auch zu den Erinnyen; sie blasen

Mir schadenfroh die Asche von der Seele, Und leiden nicht, daß sich die letzten Kohlen Von unsers Hauses Schreckensbrande still

In mir verglimmen.

Soll die Gluth denn ewig,

Vorsetzlich angefacht, mit Höllenschwefel

Genährt, mir auf der Seele marternd brennen? Iphigenie.

Ich bringe süßes Muchwerk in die Flamme. O laß den reinen Hauch der Liebe dir Die Gluth des Dusens leist wehend kühlen. Orest, mein Theurer, kannst du nicht venehmen? Hat das Geleit der Schreckensgötrcr so

Das Älut ist deinen Ädern aufgctrvcknet?

Schleicht, wie vom Haupt der gräßlichen Gorgone, Versteinernd'dlr-ein ZaubÄdurch die Glieder?

O wenn

Iphigenie auf Tauris.

rzr

iO wenn vergvßncn Mi^terblurcs Stimme

Zur Holl' hinab mit dnmpsen Tonen ruft: Soll nichr der reinen Schwester Cegenswott

Hülfteiche Götter vom Olympus rufen? Orcst.

Es ruft! es tust! So willst du mein Verderben?

Verbirgt in dir stch eine Rachcgöktinn ?

Wer bist du, deren Stimme mir entsetzlich Das Innerste in seinen Tiefen wendet?

Iphigenie.

Es zeigt sich dir im tiefsten Herzen an: Orcst, ich bin's ! sieh Zphigenien! Ich lkbe! Orest.

Du! Iphigenie. Mein Bruder!

Orest. Laß! Hinweg!

Ich rathe dir, berühre' nicht die Locken!

Wie von Kreusa'S Brautkleid zündet sich Ein unauslöschlich Feuer von mir fort. Laß mich! Wie Herkules will ich Unwürd'ger Den Tod voll Schmach, in mich verschlossen, sterben.

Iphigenie. Du wirst nicht untergchn ! O daß ich nur

Ein ruhig Wort von dir vernehmen könnte! O löse meine Zweifel, laß des Glückes,

I 2

Des

iz2

Iphigenie auf Tauris.

Des lang' erflehten, mich auch sicher werden. ES wälzet sich ein Rad von Freud' und Schmerz

Durch meine Seele.

Von dem fremden Manne

Entfernet mich ein Schauer; doch es reiß't Mein Innerstes gewaltig mich zum Bruder.

Orest.

Zst hier Lyäens Tempel? und ergreift Unbändig - heii'ge Wuth die Priesterinn ?

Iphigenie. £> höre mich I 0 sieh mich an, wie mir

Nach einer langen Zeil das Herz sich öffnet,

Der Seligkeit, dem Liebsten, was die Welt

Noch für mich tragen kann, das Haupt zu küssen, Mit meinen Armen, die den leeren Winden Nur ausgebreieet waren, dich zu fassen.

O laß mich! Laß mich! Denn es quillet heller

Nicht vom Parnaß die ew'ge Quelle sprudelnd Von Fels zu Fels in'S gvldne Thal hinab,

Wie Freude mir vom Herzen wallend fließt. Und wie ein selig Meer mich rings umfängt.

Orest! Orest! Mein Bruder!

Orest. Schöne Nymphe,

Zch traue dir und deinem Schmeicheln nicht. Diana fordert strenge Dienerinnen

Und rächet das entweih're Heiligthum.

Entferne deinen Arm von meiner Brust 1 Und roenh bu einen Jüngling rettend lieben, Das schöne XKlück ihm zärtlich biethen willst;

So

izz

Iphigenie auf Tauris. S» wende meinem Freunde dein Gemüth,

Dem würd'gern Manne zu.

Er irr't umher

Auf jenem Felsenpfade; such'ihn auf, Weis' ihn zurecht und schone meiner. Iphigenie.

Fass«

Dich, Druder, und erkenne die Gefund'ne! Schilt einer Schwester reine Himmelsfreude

Nicht unbesonnene, strafbare £r.,t. O nehmt den Wahn ihm von dem starren Auge, Daß uns der Augenblick der höchsten Freude

Nicht dreyfach elend mache! Sie ist hier, Die längst verlorne Schwester.

Vom Altar

Riß mich die Göttinn weg und reitete

Hierher mich in ihr eigen Heiligrhum. Gefangen bist du,

dargestellt zum Opfer,

Und findest in der Priesterin« die Schwester. Orest.

Unselige! So mag die Sonne denn

Die lehren Gräuel unsers Hauses sehn I Ist nicht Elektra hier? damit auch sie Mit uns zu Grunde gehe, nicht ihr Leben

Zu schwererem Geschick' und Leiden friste. Gut, Priesterinn! ich folge zum Altar:

Der Brudermord ist hergebrachte Sirre

Des alten Stammes; und ich danke, Götter,

Daß ihr mich ohne Kinder auszurotten

Beschlossen habt.

Und laß dir rathen, habe

Die Sonne nicht zu lieb und nicht die Sterne; I 3

Komm,

i34

Iphigenie auf Tauris.

Komm, folge wir in's dunkle Reich hinab!

S5te sich vom Schwefelpfuhl' erzeugte Drachen Bekämpfend die verwandte Drut verschlingen.

Zerstört sich selbst das wüthende Geschlecht; Komm kinderlos und schuldlos mir hinab! Du siehst mich mit Erbarmen an? Laß ab!

Mir solchen Blicken suchte Klyiemnestra

Sich einen Weg nach ihres Sohnes Herzen; Doch sein geschwungner Arm traf ihre Brust. Die Mutter fiel! — Tritt auf, unwill'ger Geist!

Im Kreitz, geschlossen tretet an, ihr Furien, Und wohnet dem wtllkommnen Schauspiel bey,

Dem letzten, gräßlichsten, das ihr bereiter! Nicht Haß und Rache schärfen ihren Dolch;

Die liebevolle Schwester wird zur That

Gezwungen.

Weine nicht! Du hast nicht Schuld.

Seit meinen ersten Jahren hab' ich nichts

Geliebt, wie nh dich lieben köe.nte, Schwester. Za, schwinge deinen Stahl, ve^cdone nicht,

Zerreiße diesen Busen, und eröffne

Den Strömen die hier finden einen Weg« Er sinkt in Ermattung.

Iphigenie. Allein zu tragen dieses Glück und Elend

Vermag ich nicht. — Wo bist du., PyladeS? Wo find' ich deine Hülfe, theurer Mann?

Sie entfernt sich suchend.

Zwey.

Iphigenie auf Tavrtr.

135

Zweyter Auftritt. Örest «11S feilte# Beiäul-ung erwachend und sich aufrichtenR, Noch einen! reiche mir ans Lethe'S Fluthen

Den letzten kühlen Decher der Erquickung! Duld ist der Krampf des Lebens aus dem Busen

Hinweggespült; bald fließet still mein Geist,

Der Quelle des Vergessens hingegeben. Zu euch, ihr Schatten, in die ew'gen Nebel. Gefällig laßt in eurer Ruhe sich

Den «mgetriebnen Cohn der Erde laben! — Welch ein Gelispel hör' ich in den Zweigen, Welch ein Geräusch aus jener Dämmrung säuseln?—

Sie kommen schon den neuen Gast zu sehn!

Wer ist die Schaar, die herrlich mit einander Wie ein versammelt Fürstenhaus sieb freut?

Sie gehen friedlich, Alt' und Junge, Manner Mit Weibern; göttergleich und ähnlich scheinen Die wandelnden Gestalten.

Za, sie sind'S,

Die Ahnherrn meines Hauses. — Mit Thyesten

Gehr AtreuS in vertraulichen Gesprächen, Die Knaben schlüpfen scherzend um (ie her.

Ist keine Feindschaft hier mehr unter euch? Verlosch die Rache wie das Licht der Sonne?

So bin auch ich willkommen, und ich darf

In euern feierlichen Zug mich mischen. Willkommen, Väter! euch grüßt Orest,

Don euerm Stamm der letzte Mann» Was ihr gesä't, hat er geärntet:

3 *

Mir

rz6

Iphigenie auf Tauris.

Mir R(ud) belade» stieg er herab.

Doch leichrer träget sich hier jede Bürde: Nehmt rhn, o nehmt ihn in euern Kreis I Dich, AtreuS, ehr' ich, auch dich Thyesten;

Wir sind hier alle der Feindschaft los. — Zeigt mir den Vater, den ich nur Einmahl

Zm

Leben sah! — Bist du'S, mein Vater? Und führst die Mutter vertraut mit dir? Darf Klot"mnestra die Hand dir reichen;

So darf 'resi auch zu ihr treten Und darf ihr Gnen: sieh deinen Sohn! —•

Seuc euern Pc 'N; H^ißr ihn willkommen. Anf Erden wär in unGn-m Hause Der Gruß des Mordes g.wiis. i'cfung,

Und das Geschlecht des alcen Tantalus

Hat seine Freuden jenseits der Nacht.

Zhr ruft : ,Willkommen! und nehmt mich aufi O führt zum Alren, zum Ahnherrn mich J Wo ist der Alre? daß ich ihn sehe,

Das theure Haupt, das vielverehrte, Das mit den Göttern zu Rathe saß. Zhr scheint zu zaudern, euch weqzmvenden? WaS ist es? Leidet der Göttergleiche?

Weh mir! es haben die Ucbermächt'gen Der Heldenbrust grausame Qualen

Mit ehrnen Ketten fest aufgeschmiehet.

Iphigenie ans Tauris.

Dritter Auftritt. Srest.

Iphigenie.

Pylade«.

Orest.

Seyd ihr auch schon herabgekommen? Wohl Schwester dir! Noch fehlt Elektra: Ein «üt'ger Gort send' uns die Eine

Mit sanften Pfeilen auch schnell herab. Dich, armer Freund, muß ich bedauern!

Komm mit! komm mit! zu Pluto'« Thron-

Als neue Gäste den Wftth zu grüßen. Zphigenie. Geschwister, die ihr an dem weiten Himmel

Da« schöne Lichr bey Tag und Nacht herauf Den Menschen bringet, und den Abgeschiednen

Nicht leuchten dürfet, rettet un« Geschwister! Du liebst, Diane, deinen holden Bruder Vor allem, was dir Erd' und Himmel biethet, Und wendest dein jungfräulich Angesicht

Nach seinem ew'gen Lichte sehnend still. O laß den einz'gen spatgefundnen mir Nicht in der Finsterniß des Wahnsinn« rasen! Und ist dein Wille, da du hier mich bargst,

Nunmehr vollendet, willst du mir durch ihn Und ihm durch mich die sel'ge Hülfe geben;

Eo los ihn von den Banden jenes Fluch«, Das- nicht die theure Zeit der Rettung schwinde.

3 5

Pyla-

izz

Iphigenie auf Taüri-. PyladeS.

Erkennst du uns und diesen hekl'gen Hakn

Und dieses Licht, das nicht den Tobten leuchtet? Fühlst du den Arm des Freundes und der Schwesters Die dich noch fest, noch lebend halten? Faß'

Uns kräftig an; wir sind nicht leere Schatten.

Merk auf mein Wort! Vernimm es! Raffe dich Zusammen! Jeder Augenblick ist theuer, Und unsre Rückkehr hangt an zarten Fäden,

Die, scheint es, eine günst'ge Parze spinnt. Orest zu Iphigenien.

Laß mich zum erstenmahl mit freyem Herzen In deinen Armen reine Freude haben!

Ihr Götter, die mir flammender Gewalt Ihr schwere Wolken auszuzchrcn wandelt. Und gnädig - ernst den lang' erflehten Regen Mit Donnerstimmen und mit Windes Brausen

An wilden Strömen auf die Erde schüttet; Doch bald der Menschen grausendes Erwarten Zn Segen auflös'r und das bange Staunen Zn Freudeblick und lauten Dank verwandelt.

Wenn in den Tropfen frischerquickter Blätter

Die neue Sonne tausendfach sich spiegelt,

Und ZriS freundlich bunt mit leichter Hand Den grauen Flor der letzten Wolken trennt;

O laßt mich auch an meiner Schwester Armen,

An meines Freundes Brust, was ihr mir gönnt Mit vollem Dank genießen und behalten. Es löset sich der Fluch, mir sagt'6 das Herz.

Die

139

Iphigenie auf Tauris. Die Eumenidcn zieh«, ich höre sie.

Zum Tartarus und schlagen hinter sich Die chrnen Thore fcrnabdonnernd zu. Die Erde dampft erquickenden Geruch

Und ladet mich auf ihren Flächen ein,

Nach Lebensfreud' und großer That zu jagen: Pylades. Bersaunit die Zeit nicht, die gemessen istl Der Wind der unsre Segel schwellt, er bringe

Erst unsre volle Freude zum Olymp.

Kommt! Es bedarf hier schnellen Rath und Schluß»

Vier-

i4o

Iphigenie ans Tauris.

Vierter Aufzug. Erster

Auftritt.

Iphigenie.

Denken die Himmlischen Einem der Erdgebornen

Viele Verwirrungen zu, Und bereiten sie ihm

Von der Freude zu Schmerzen

Und von Schmerzen zur Freude Ties' erschütternden llebergang; Dann erziehen sie ihm Zn der Nähe der Stadt,

Oder am fernen Gestade,

Daß in Stunden der Noth

Auch die Hülfe bereit sey, Einen ruhigen Freund.

O segnet, Götter, unsern Pylade« Und was er immer unternehmen mag!

Er ist der Arm des Jünglings in der Schlacht, Des Greises leuchtend Aug' in der Versammlung:

Denn seine Seel' ist stille; sie bewahrt Der Ruhe heil'ges unerschöpfces Gut, Und den Umhergetriebnen reicher er Au« ihren Tiefen Rath und Hülfe.

Mich

Riß er vom Bruder los; den staunt' ich an

Und

Iphigenie auf Tauris.

14!

Und immer wieder an, und konnte mir Das Glück nicht eigen machen, ließ ihn nicht

Aus meinen Armen los, und fühlte nicht Die Nähe der Gefahr die uns umgibt.

Jetzt gehn sie ihren Anschlag auszufühlen Der See zu, wo das Schiff mit den Gefährten

In einer Bucht versteckt auf's Zeichen lauert, Und haben kluges Wort mir in den Mund Gegeben, mich gelehrt was ich dem König' Antworte, wenn er sendet und das Opfer

Mtr dringender gebiethet.

Ach! ich sehe wohl,

Ich muß mich leiten lassen wie ein Kind. Ich habe nicht gelernt zu hinterhalten.

Noch jemand etwas abzulisten.

Weh!

O weh der Lüge! Sie bcfreyet nichr.

Wie jedes andre wahrgesprochne Wort, Die Brust; sie macht uns nicht getrost, sie ängstet

Den der sie heimlich schmiedet, und sie kehrt, Ein losgcdruckter Pfeil von einem Gotte Gewendet und versagend, sich zurück

Und trifft den Schützen.

Mir durch die Brust.

Sorg' auf Sorge schwankt

Es greift die Furie

Vielleicht den Bruder auf dem Boden wieder

Des ungeweihten Ufers grimmig an? Entdeckt man sie vielleicht? Mich dünkt, ich höre

Boche

Gewaffnete sich ttahen! — Hier! —> Der Kommt von dem Könige mit schnellem Schritt.

Hs schlägt mein Herz, es trübt sich meine Seele, Da ich deS Mannes Angesicht erblicke,

Dem ich mit falschem Wort begegnen soll. Zwey«

.

Mariens Herz selbst für ihn spräche.

Wiederzu­

kommen, und warum denn jetzt? -r-

jetzt? —»

Mußt' er ivarten, bis ein tapferer Bruder käme,

dessen Racbe er fürchten nmß, um wie ein Schul-

knabe zu kommen Md Abbitte zu thun?-^- Ha! er ist so feig', als er nichtswürdig ist! Ihr redet wie ein Spanier und

Guilbrrr.

als wenn ihr die Spanier nicht kenntet. Wir schwe­ ben diesen Augenblick in einer großem Gefahr, als ihr alle nicht seht. Marie.

Bester Guilbekt!

G u l l b e r t.

Ich ehre die unternehmende Seele

unsers Bruders, ich habe im stillen seinem Helden­

gänge zugesehn, und wünsche, daß alles gut ausschlagen möge, wünsche, daß Marie sich entschließen könnte, Ckavigo ihre Hand zu geben,'denn — lächelnd

ihr Herz har er doch. —»

Marie.

Ihr seyd grausam.

Hör' ihn, ich bitte dich, hör' ihn!

Sophie.

Dein Bruder hat ihm eine Erklä­

Guilbert.

rung abgcdrungen, die dich vor den Augen aller Welt rechtfertigen soll, und die wird uns verderben. Buenco.

Wie?

Marie.

0 Gott!

Guitberk.

Er stellte sie aus in der Hoffnung,

dich zu bewegen.

Bewegt er dich nicht, so muß er

alles, amvenden, um das Papier zu vernichten; er

O 4

kann'-,

E l a v i g p.

Ii6 kann's, er wird's.

Dein Bruder will eS gleich nach

seiner Rückkehr von Aranjuez drucken und aiisstreuen.

Zch fürchte, wenn du beharrest, er wird nicht zurück­

kehren. Lieber Guilbert!

Sophie.

Marie.

Zch vergehe!

Clavigo kann das Papier nicht

Guilbert. auskommen lassen.

Verwirfst du seinen Anrraa und

er ist ein Mann von Ehre, so geht ec deinem Bruder entgegen und einer von beyden bleibt;

und dein

Bruder sterbe ober siege, er ist verloren. Ein Frem­ der in Spaniens Mörder dieses geliebten Höflings!— Schwester, es ist ganz gut, daß man edel denkt und fühlt, nur sich und die Seinigen zu Grunde zu rich­

ten — Marie.

Rathe mir, Sophie, hilf mir!

Guilberr. Und Buenco, tviderlegen Sie mich. B u e n c o.

Er wagt's nicht, er fürchtet für sein

Leben; sonst hätt' er gar nicht geschrieben, sonst both'

er Marien seine Hand nicht an. Guilbert.

Desto schlimmer; so findet er hun­

dert, die ihm ihren Arm leihen, hundert, die unserm

Bruder tückisch auf dem Wege das Leben rauben, Ha! Buenco. bist du so jung? Ein Hofmann sollte keine Meuchelmörder im Sold haben?

Buenco.

Guilbert.

Der König ist groß und gut.

Auf denn! durch alle die Mauern,

die ihn umschließen, die Wachen, das Ceremonie!,

und

»17

C I a v i g e.

und alle bas, womit dieHosschranzen ihn von seinem

Volke geschieden haben, dringen Sie durch, und ret­ ten Sie uns. — Wer kommt?

Clavlgo

kommt.

Zch muß l Ich muß! Marte thut einen Schrey, und fällt Sophien in die

Arme.

Sophie.

sehen Sie uns.

Clavigo.

Grausamer, in welchen Zustand ver­ Vuilbert und Bucnc» treten zu ihr.

Za Sie ist's! Sie ist's!

Und ich

bin Clavigo. — Hören Sie mich, Beste, wenn Sie Mich nicht ansehen wollen.

Zu der Zeit, da intch

Guilbert mit Freundlichkeit in sein Haus aufnahm, da ich ein armer unbedeutender Junge war, da ich

in

meinem Herzen eine unüberwindliche Leidenschaft für Sie fühlte, war's da Verdienst an mir? Öder

war's nicht vielmehr innere Uebereinstimmung der

Charaktere, geheime Zuneigung des Herzens, daß auch Sie für mich nichr unempfindlich blieben, daß

ich

nach einer Zeit mir schmeicheln konnte, dieß Herz

ganz zu befihen? Und nun — derselbe?

bin ich nicht eben

Warum sollt' ich nicht hoffen

dürfen?

Warum nicht bitten? Wollten Sie einen Freund, einen Geliebten, den Sie nach einer gefährlichen,

unglücklichen Seereise lange für verloren geachtet, nicht wieder an Ihren Dusen nehmen, wenn er un«

vermuthet wiederkäme, und sein gerettetes Leben zu Ihren Füßen legte? Und habe ich weniger auf einem

O 5

stürmi-

218

C l a v i g o.

stürmischen Meere diese Zeir geschwebet? Sind nn
elenden Augenblicke unser« Lebens wieder zu fühlen!

Fabrice. Dein Schicksal geht mir immer zu Herze». Sie hinterließ eine Tochter, erzähltest du mir, die ihrer Mutter leider bald folgte. Wenn d i e nur leben geblieben wäre, bu hättest wenigsten« etwas von ihr übrig gehabt, etwas gehabt, woran sich deine Sorgen und dein Schmerz geheftet hätten. Wilhelm stch lebhaft nach ihm «enden». Ihre Tochter? Es war ein holdes Dlürhchen. Sie über­ gab mit's — Es ist zu viel, was da« Schicksal für mich gethan hat! — Fabrice, wenn ich jdir alles sagen könnte —

Fabrice.

Wilhelm.

Wenn btt’« einmahl um'« Herz ist.

Warum sollt'ich nicht —

Marianne mit einem «nahen. Er will noch gute Nacht sagen, Bruder. Du mußt ihm kein R 5 finster

s66

Die Geschwistt«

finster Gesicht machen,

sagst immer,

und mir auch nicht.

Drt

du welltest heirarhen, und mochtest

gerne vieie Kinder haben. D i e hat man nicht im» wer so am Schnürchen, daß sie nur schreyen, wenn'S dich nicht stört. Wenn's meine Kinder sind.

Wilhelm.

Marianne.

Das mag wohl auch ein Unter*

schied seyn.

Fabrice.

Meinen Sie, Marianne?

Marianne.

Das muß gar zu glücklich seyn!

Sie kauert sich zum Knaben und küßt

ihn.

Ich

habe

Christel» so lieb! Wenn er erst mein wäre! — Er

er lernr's bey mir.

kann schon buchstabiren;

Und da meinst du, deiner könnte

Wilhelm. schon lesen?

Marianne. Ja wohl! Denn da that' ich mich

Len ganzen Tag mit nichts abqcben, als ihn ausund anziehen, und lehren, und zu essen geben, und

putzen, und allerley sonst.

Fabrice.

Und der Mann?

Marianne.

Der thäte mitspielen: der würd'

ihn ja wohl so lieb haben wie ich. Christel muß nach Haus' und empfiehlt sich. Si- führt ihn zu Wilhelmen. Hier, gib eine schöne Hand, eine rechte Pacscl).

handi

Fabrice hör sich.

Sie ist gar zu licb, ich muß

mich erklären.

Marianne

Die Geschwister. Marianne

267

das Kind zu Zadricen führend.

Hier

dem Herrn auch.

Wilhelm

Sie wird dein seyn! Dir

vor si».

wirst — ES ist zu viel, ich verdien's nicht. — Laut.

Marianne, schaff' das Kind weg; unterhalt'

Herrn Fabriken bis zum Nachtessen;

ich will nur

ein paar Gassen auf und ablaufc»;

ich habe den

ganzen Tag gesessen. Marianne ab.

Wilhelm. Unter dem Sternhimmel nur einen freyen Athemzug! — Mein Herz ist so voll,

bin gleich wieder da!' F a b r i c e.

ich

ad.

Mach' der Sache ein Ende, Fabrkce.

Wenn du's nun immer länger und länger trägst,

Du hast's beschlossen.

wird'« doch nicht reifer.

Es ist gut, es ist trefflich! Du hilfst ihrem Drü­ ber weiter, und sie '— sie liebt mich nicht wie ich

sie liebe.

Aber sie kann auch nicht heftig lieben.—

Liebes Mädchen! — Sie vermuthet wohl keine an­ dere al« freundschaftliche Gesinnungen in mir! —

Es wird uns wohl gehen,

Marianne! — Ganz

erwünscht und wie bestellt,

die Gelegenheit! Ich

muß mich ihr entdecken— Und wenn mich ihr Herz ''nicht verschmäht — von dem Herzen des Bruders

bin ich sicher. Marianne undFabrice.

Fabrice.

Haben

Eie

den Kleinen wegge­

schafft? Marianne.

Die Geschwister.

268

Marianne.

Ich hätt'ihn gern da behagten;

ich weiß nur, der Bruder hat'« nicht gern, und b* unterlaß' ich's. Manchmahl erbettelt sich der kleine Dieb selbst die Erlaubniß von ihm, mein Schlafkam­

merade $u seyn.

Fabrice.

Ist er Ihnen denn nicht lästig?

Marianne.

Ach gar nicht.

Er ist so wild

den ganzen Tag, und wenn ich zu ihm in'« Bette komm', ist er so gut wie ein Lämmchen! Ein Schmei­

chelkätzchen und herzt mich was er kann; manch­ mahl kann ich ihn gar nicht zum Schlafen bringen. Fabrice halb vor sich.

Marianne.

Die liebe Natur I

Er hat mich auch' lieber als seine

Mutter.

Fabrice.

Sie sind ihm auch Mutter.

Marianne steht in Gedanken. Fabrice steht sie eine Zeit lang an.

Macht Sie der

Nahme Mutter! traurig?

Marianne.

Nicht traurig,

aber ich denke

nur so.

Fabrice. Marianne.

nichts.

War, süße Marianne? Zch denke — ich denke auch

Es ist mir nur manchmahl so wunderbar.

Fabrice.

Sollten Sie nie

gewünscht ha­

ben? — Marianne.

Was thun Sie für Fragen?

Fabrice.

26-

Die Geschwister. Fabri'ce wird'« doch dürfen?

Fabrike.

Gewünscht nie, Fabrice.

Marianne,

Und

wenn mir auck einmahl so ein Gedanke durch den Kopf

fuhr, war er gleich wieder weg.

Meinen Bruder

zu verlassen, wäre mir unerträglich—unmöglich,—

alle übrige Aussicht möchte auch noch so reihendsseyn.

Fabrice. Da« ist doch wunderbar! Wenn Sie

in Einer Stadt bey einander wohnten, hieße da« ihss verlassen? * ' O nimmermehr!

Marianne.

Wer

sollte

seine Wirthschaft führen?

wer für ihn sorgen? —

Mit einer Magd? —

oder gar heirathen? —.

Nein, da« geht nicht!

Konnte er nicht mit Ihnen ziehen ?

Fabrice.

Könnte Ihr Mann nicht sein Freund sein? Könnten Sie drey nicht eben so eine glückliche, eine glücklichere

Wirthschaft führen?

Könnte Ihr Bruder nicht da­

durch in seinen sauernGeschäften erleichtert werden?—-

WaS für ein Leben könnte da« seyn! Marianne.

Man sollt'« denken. Wenn ich's

überlege, ist'« wohl wahr.

Und hernach ist mir'«

wieder so als wenn'« nicht anginge. Fabrice.

Ich begreife Sie nicht.

Marianne.

aufwache,

E« ist nun so. — Wenn ich

horch'ich, ob der Bruder schon auf ist»

rührt sich nicht«,

Huy bin ich au« dem Bette in der

Küche, mache Feuer an, daß das Wasser über und über

Die Geschwister.

27s

über kocht, bis die Magd aussteht, und er seinen Kaffee hat wie er die Augen aufthur.

Favrkee.

Hausmütterchcn! Und dann setze ich mich hin und

Marianne.

stricke Strümpfe für meinen Bruder, und hab' eine

Wirthschaft, und messe sie ihm zehnmahl an, ob sie auch lang genug sind, ob die Lade recht sitzt,

ob

Fuß nicht ju kurz ist, daß er manchmahl ungedul­

dig nn'rd.

Es ist mir auch nicht um'6 Messen, cs

ist mir nur, baß ich was «m ihn zu thun habe, daß er mich einmahl anschen muß, wenn er ein paar

Stunden geschrieben hat, und er mir nicht Hypochon­ der wird.

Denn es thut ihm doch wohl, wenn er

mich ansieht; ich seh's ihm an den Augen ab, wenn

er mirs gleich sonst nicht will merken lassen.

Ich

lache manchmahl heimlich, daß er thut als wenn er

ernst wäre oder böse.

Er thut woht;

ich peinigte

ihn sonst den ganzen Tag. F a b r i c e.

Er ist glücklich.

Marianne.

Nein i c h bin's.

picht hätte, wüßt'ich nicht, anfangen sollte.

Wenn ich ihn

was ich in der Welt

Zch thue dock auch alles für mich,

und mir ist als wenn ich alles für ihn thäte, weil ich auch bey dem was ich für mich thue immer an ihn denke. Fabrice.

Und wenn Sie nun das alles für

einen Gatten thäten, wie ganz glücklich würde er

ftyn!

Wie dankbar würde er seyn,

und welch ein

häuslich Leben würde das werden l

Marianne.

Die Geschwister

271

Manchmahl stell' ich mkr's auch

Marianne.

vor, und kann mir ein langes Mahrchen erzählen, wenn ich so sitze und str-'cke oder nahe, wie alles

gehen konnte und gehen mochte.

hernach auf'6 Wahre zurück,

Komm' ich aber

so will'S immer nicht;

werden. Warum?

Fabrice. Marian ne.

Wo wollt' ich einen Gatten fin«

den, der zufrieden wäre, wenn ich sagte: „ich will euch lieb haben," und müßte gleich dazu sehen: „lieber als meinen Bruder kann ich euch nicht

haben, für den muß ich alles thun dürfen, wie bis» her." —------ Ach, Sie sehen, daß dar nicht geht! Fabrice^

Sie würden nachher einen Theil für

den Mann thun. Sie würden die Liebe auf ihn übe« tragen. —

Maria n n e. Da sitzt derKnotcn I Ja, wenn sich Liebe heküber und hinüber zahlen ließe wie Geldoder 6ch Herrn alle Quartal veränderte wie eine schlechte Dicnstmagd. Dey einem Manne würde das alles erst werden müssen, was hier schon ist,

was nie so wieder werden kaun.

Fabrice.

Es macht sich viel.

Marianne. Ich weiß nicht. Wenner si» bey Tische "sitzt: und den Kopf auf die Hand stemmt,

niedersiehr, und still ist in Sorgen — ich kann halbe stunden lang sitzen und ihn ansehen. Er ist nicht schön, sag' ich manchmahl so zu mir selbst,-und mir

Die Geschwister.

37*

mir ist's so wohl, wenn ich ihn ansehe. — Frey­

lich fühl' ich nun wohl, daß es mir für mich ist, wenn er sorgt; freylich sagt mir das der erste Blick, wenn

er wieder aussieht, und das thut ein großes. F a b r i c e.

Alles, Marianne.

Und ein Gatte

der für Sie sorgte! — Da ist noch eins; da sind eure

Marianne.

Launen. Wilhelm Hal auch seine Launen; von ihm

drücken sie mich nicht, von jedem andern wären sie mir unerträglich. Er hat leise Launen, ich fühl' sie doch manchmahl. Wenn er in unholden Augen­ blicken eine gute teilnehmende liebevolle Empfindung ivegstößt. — Es trifft mich! freylich nur einen Au­

genblick; und wenn ich auch über ihn knurre, so ist'S mehr, daß er meine Liebe nicht erkennt, als daß ich

ihn weniger liebe.

Fabrice.

Wenn sich nun aber einer fände,

der r« auf alles das hin wagen wollte, Ihnen seine

Hand anjubiethen?

Marianne.

Er wird sich nicht finden! Und

dann wäre die Frage, ob ich's mit ihm wagen dürfte!

Fabrice.

Warum nicht?

Marianne. Fabrice.

Er wird sich nicht finden!

Marianne, Sie haben ihn!

Marianne.

Fabrice!

Fabrice.

Die Geschwister.

573

Sie sehen ihn vor Sich.

Fabrice.

Soll ich

eine lange Rede halten? soll ich Ihnen hinschätre« was mein Herz so lange bewahrt? Ich liebe Sie, das wissen Sie lange; ich biethe Ihnen meine Hand

an, das vermutheten Sie nicht.

Nie hab' ich ein

Mädchen gesehen, daß so wenig dachte, daß eS Ge« fühle dem der sie sieht erregen muß,

Marianne,

als Dich

es ist nicht ein feuriger,

—1

unbedachter

der mit Ihnen spricht; ich kenne Sie,

Liebhaber,

ich habe Die erkoren,

mein Haus ist eingerich-et,

wollen Sie mein seyn? — — — Ich habe in der Liebe mancherley Schicksale gehabt, war mehr als Einmahl entschlossen, mein Leben als Hagestolz

Sie haben mich nun — Widerstehe«

zu enden.

Sie nicht! — Sie kennen mich; ich bin Ein« mit

Zhrem Bruder; Sie können kein reinere« Band den« ken. — Oeffnen Sie Ihr Herz! — Ein Wort, Marianne!

Marianne.

Lieber Fabrice, lassen Sie mir

Zeit, ich bin Ihnen gut.

Sagen Sie, baß Sie mich lieben!

Fabrice.

Zch lasse Ihrem Bruder seinen Plah; ich will Bru« der Ihres Bruders seyn,

schlagen ,

wir wollen vereint für

Mein Vermögen,

ihn sorgen.

zu dem seinen ge­

wird ihn mancher kummervollen Stunde

Aberheben,

Marianne,

er wird Muth kriegen, er wird



ich möchte Sie nicht gern überreden.

Er faßt ihre Hand. Goethe'« W. 2. Band.

®

Ma-

374

Die Geschwister. Fabrice, es ist mir nie eingefal«

Marianne.

len — Sn welche Verlegenheit sitzen Sie mich! — Nur Ein Wort! Darf ich hoffen?

Fabrice.

Reden Sie mit meinem Bruder!

Marianne.

Fabrice

fniet.

Marianne

Engel! Allerliebste!

«inen Augenblick

hab'ich gesagt! Fabrice.

M.

Gott! was

a».

Sie ist Dein! — — — Ich

kann dem lieben kleinen Narren wohl die Tändeley mit dem Bruder erlauben; das wird sich so nach und nach herüber begeben, wenn wir einander naher ken« nen lernen, und er soll nichts dabey verlieren.

E


— Mich? — Du? —

Mich?

Sie ruckt mit dem Messer noch dem Gemählde.



Fernan«

do! — Sie «endet sich ab, das Messer fällt, sse stiirrt mit einem Ausbruch von Thränen vor den Stuhl nieder.

Liebster! Liebster! — Vergebens r Vergebens! — Bedienter kommt. Gnädige Frau! wie Sie befahlen, die Pferde

sind an der Hintern Gartenthür.

Ihre Wäsche ist

Vergessen Sie nicht Geld!

aufgepackt. Stella.

Das Gemählde!

Bedienter nimmt da- Messer auf, und schneidet Sas Gemählde von der Rahme und rvllt's.

Stella.

Hier ist Geld.

Bedienter.

Aber warum —

Stella «inen Moment stiustehen», auf und umher -lickend.

Komm!

ad.

Saal.

Stella.

352

Saal. Fernando.

Laß mich! Laßmkch! Sieh! da

faßt's mich wieder mit all' der schrecklichen Verwor­

renheit ! — So kalt, so graß liegt alles vor mir — als wär' die Welt nichts «— ich hätte drin nicht«

verschuldet —* —- Und fiel — Ha! bin ich nicht

elender als ihr? Was habt ihr an mir zu fordern? — Was ist nun des Sinnes Ende?

— Hier! und

hier! Von einem Ende zum andern!

durchgedacht!

und wieder durchgedacht! und immer quälender! im­

mer schrecklicher!—--— Sich die Stirn haltend. Wo'S zuletzt wlderstößt! Nirgends vor, nicht hinter sich!

Nirgends Rath und Hülfe! — Und diese zwey? Diese drey beste weibliche Geschöpfe der Erde — elend durch mich! — elend ohne mich! — Ach! noch elender mit mir — Wenn ich klagen könnte, könnt'

verzweifeln, könnt' um Vergebung bitten — könnt' in stumpfer Hoffnung nur eine Stunde hinbringen — zu ihren Füßen liegen, und in theilnehmendcm Elend

Seligkeit genießen! ■— Wo sind sie? -— Stella! du liegst auf deinem Angesichte, blickst sterbend nach dem Himmel, und ächzest: „Was hab' ich Blume

verschuldet,

daß mich dein Grimm so niederknickt ?

WaS hatte ich Arme verschuldet, baß du diesen Bö­

sewicht zu mir führtest?" — Cecilie ! Mein Weib! v mein Weib! — Elend! Elend! tiefes Elend! — Welche Seligkeiten vereinigen sich,

zu machen! Gatte! Vater!

besten,

um mich elend

Geliebter! —

edelsten weiblichen Geschöpfe!

Die

— Dein!

Dein?

Stella. Dein?

353

Kannst du das fassen, die dreyfache, un«

sägliche Wonne? — Und nur die ifP«, die dich so ergreift, die dich zerreißt! — Jede fordert mich ganz — Und ich? — Hier ist's zu! — tief!

unergründlich! — — Sie wird elend seyn! — Stella! bist eiend! — Was hab* ich dir geraubt? Das Bewußtseyn dein leibst, dein junges Leb n —— Stell?.! — Und ich bin so kalt? — St nimmt «int Pistol« vom Tisch.

Doch, auf alle Fälle! —Er ladet.

Ereilte kommt. Mein Bester! rote ist's uns? —

Pistolen,

®i« geht ty

Das stehl ja reisefertig aus r

Fernando legt fit niete».

Cecilie. lassener.

Mein Freund! Du scheinst mirge«

Kann man ein Wort mit dir reden?

Was willst du, Cecilie? Was

Fernando.

willst du, mein Weib?

Cecilie.

Nenn' mich nicht so, bis ich ausge«

redet habe. .Wir sind nun wohl sehr verworren; sollte das nicht zu lösen seyn? Ich hab' viel gelitten,

und drum nichts von gewaltsamen Entschlüssen. Ver­

nimmst du mich, Fernando? Fernando.

Zchhöre!

»oethe'S W. 3. Baad.

2

Ceci«

Stella.

354 Cecilie.

Nimm's zu Herzen.' Zch bin nur

«in Weib, ein kummervolle«, klagende« Weib; aber Entschluß ist in meiner Seele. — Fernando —

ich bin entschlossen — ich verlasse dich!

Fernando

Ceci lie.

spottend.

Meinst du,

Kurz und gut?

man müsse hinter der

Thür Abschied nehmen, um zu verlassen, was man liebt?

Fernando. Cecilie.

Cecilie.'

Zch werfe dir nichts vor; und glaube

nicht, baß ich dir so viel aufopfere.

ich deinen Verlust,

Bisher beklagte

ich härmte mich ab, über da«

was ich nicht andern konnte: Ich finde dich wieder, deine Gegenwart floßt mir neues Leben, neue Kraft

ein.

Fernando, ich fühle, daß meine Liebe zu dir

nicht eigennützig ist, nicht die Leidenschaft einer Lieb­ haberinn, die alle« dahingabe, den erflehten Gegen­

stand zu besitzen.

Fernando! Mein Herz ist warm

und voll für dich; die au« Liebe,

selbst ihre Liebe htnzugeben vermag.

Fernando.

Cecilie.

Nimmer! Nimmer!

Du fährst auf?

Fernando. Cecilie.

es ist da« Gefühl einer Gattinn,

Du marterst mich!

Du sollst glücklich seyn!

Zch habe

meine Tochter — und einen Freund an dir.

Wir wolle«

6 t et t a.

355

wollen scheiden, ohne getrennt zu seyn! Ich will entfernt von dir leben, und ein Zeuge deines Glücks bleiben. Deine Vertraute will ich seyn, du sollst Freude und Kummer in meinen Dusen auSgießen. Deine Briefe sollen mein einziges Leben seyn, und die meinen sollen dir als ein lieber Besuch erscheinen— Und so bleibst du mein, bist nicht mit Stella verbannt, in einen Winkel der Erde, wir lieben un«, nehme« Theil an einander! Und so, Fernando, gib mir deine Hand drauf. Fernando. Als Scherz wär'S zu grausam; al« Ernst ist's unbegreiflich! — Wie'« nun will. Beste! — Der kalte Sinn lest den Knoten nicht. Was du sagst, klingt schon, schmeckt süß. Wer nicht fühlte, daß darunter weit mehr verborgen liegt; daß du dich selbst betrügst, indem du die martemdste« Gefühle, mit einem blendenden eingebildeten Troste schweigen machst. Nein, Cecilie! Mein Äeib,

nein! — Du bist mein — ich bleibe dein — Wa« sollen hier Worte? was soll ich die Warum'S dir vortragen? Die Warum'- sind so viel Lügen. Zch bleibe dein, oder —

Cecilie.

Nun denn * — Und Stella? —

Fernando fährt auf uni geht will auf uni al.

Cecilie. Wer betrügt sich? Wer betäubt seine Qualen durch einen kalten, ungefühlten, ungedach­ ten, vergänglichen Trost? Za ihr Männer kennt

euch.

3 -

L".

(Stella.

356

Ueberhebe dich nicht deiner Ge-

Fernando.

lassenheir! —- Stella! Sie ist elend! Sie wird ihr

Leben fern von mir und dir ausjammern.

Laß sie!

Laß mid>!

Ceci lie.

Wohl,

glaube ich,

würde ihrem

^herzen die Einsamkeit thun; wohl ihrer Zärtlichkeit,

im« wieder vereinigt zu wissen.

Jetzo macht sie sich

bittere Vorwürfe.

Sie würde mich immer für un­

glücklicher ballen,

wenn ich dich verließ,

als ich

wäre; denn sie berechnete mich nach sich. Sie würde Nicht ruhiq leben,

wenn sie fühlte,

nicht lieben können,

der Engel!

daß ihr Gluck Raub wäre.

Es

Ist ihr besser —

Fernando.

Laß sie fliehen! Laß sie kn ei«

Kloster! C e c i l i e.

Wenn ich nun aber wieder so denke:

warum soll sie denn eingemauert seyn? Was hat sie verschuldet,

um eben die blühendsten Jahre,

die

Zahre der Fülle, der reifenden Hoffnung hinMrau-

ern, verzweifelnd am Abgrund' hinzujammern? ge­

schieden seyn von ihrer lieben Welt? — von dem, den sie so alühend liebt? — von dem, der sie — Nicht wahr, du liebst sie, Fernando?

Fernando. Ha! was soll das? Bist du ein böstr Geist, in Gestalt meines Weib« ? Was kehrst du mein Herz um und um?

Was zerreißest du da«

Zerrissene? Din ich nichr zerstört, zerrüttet genug ?

Der«

® t C l l A«

357

Berlaß mich! Ueberlaß mich meinem Schicksal? —

und Gott erbarme sich euer!

s» wirft sich in einen

Sessel.

Cecilie ttltt ju ihm und nimmt ihn bey der -and. ES war einmahl ein Graf —

Fernand o will aufspringen, sie hält ihn. Ceciiie.

Den trieb

Ein Deutscher Graf.

«in Gefühl frommer Pflicht von seiner Gemahlinn, von seinen Gütern, nach dem gelobten Lande —

Ha!

Fernando. Cecilie.

Er war ein Biedermann;

er liebte

fein Weib, nahm Abschied von ihr, empfahl ihr sein Hauswesen, umarmte sie, und zog.

Er zog durch

viele Länder, kriegte, und warb gefangen.

Seiner

Sklaverei) erbarmte sich seines Herrn Tochter;

loste seine Fesseln,

sie flohen.

sie

Sie geleitete ihn

aufs neue durch alle Gefahren des Kriea« — Der

liebe Waffenträger! — Mit Sieg bekrönt, ging's

nun zur Rückreise! — zu seinem edel» Weibe! — Und sein Mädchen? —- Er fühlte Menschheit! —

er glaubte an Menschheit, und nahm sie mit. —-

Sieh da, die wackre Hausfrau, die ihrem Gemahl entgegen eilt, sieht all' ihre Treue,

trauen,

ihre Hoffnungen belohnt,

ihren Armen.

all' ihr Ver« ihn wieder in

Und dann daneben seine Ritter, mit

stolzer Ehre von ihren Rossen sich auf den vaterlan-

3 3

dischm

Stella.

358

bischen Doden schwingend;

seine Knechte abladend

die Beute, sie zu ihren Füßen legend; und sie schon

in ihrem Sinn da« all' in ihren Schränken aufbe-

wahrend, schon ihr Schloß mit auszierend, ihre Freunde mit beschenkend — Edle«, theures Weib,

der größte Schatz ist noch zurück! —- Wer ist'«,

die dort verschleyert mit dem Gefolge naht? Sanft steigt sie vom Pferde------------ „Hier!" — rief

der Graf, sie bey der Hand fassend, sie seiner Frau

entgegen führend, — „Hier! sieh das alles —-

und sie! nimm'« aus ihren Händen — nimm mich aus ihren Händen wieder! Sie hat die Ketten von

meinem Halse geschlossen, sie hat den Winden befoh­ len ,

sie har mich erworben — hat mir gedient,

mein gewartet! — Was bin ich ihr schuldig? —Da hast du sie! — Belohn' sie. “

Fernando

liegt schluchzend mit den Armen übet«

risch gebreitet. Cecilie.

An ihrem Halse, rief das neue Weib,

kn tausend Thränen rief sie: , Nimm alle«, was ich

dir geben kann! Nimm die Hälfte deß,

der ganz

dein gehört — Nimm ihn ganz! Laß mir ihn ganz. Jede soll ihn haben,

ohne der andern was zu rau­

ben — Und rief sie an feinem Halse, zu seinen

Füßen: Wir sind dein!"

— —Sie faßten seine

Hände, hingen an ihm — Und Gott im Himmel freure sich der Liebe,

und sein heiliger Statthalter

sprach seinen Segen dazu.

Und ihr Glück,

und

ihre

Stella.

359

ihre Liebe faßte selig. Eine Wohnung, Ein Delk,

und Ein Grab. Gort im Himmel,

Fernando.

Engel sendest in der Noth,

der du unr

schenk' uns die Kraft,

diese gewaltige Erscheinungen zu tragen!-----------Mein Weibl

— 6t fällt wieder zusammen.

Cecilie

eröffnet die Thüre des eadinet« und tust:

Stella!

Stella

ihr um den -al« fallend.

Fernando Ceci Ile

Gott!

Gott!

springt auf in »er Bewegung zu fliehen.

faßt ihn.

Stella!

nimm die HÄste

deß, der ganz dein ist — Du hast ihn gerettet — von ihm selbst gerettet — Du gibst mir ihn wieder!

Fernando. Stella.

Er neigt sich zu ihr.

Zch faß' e< nicht!

Cekille.

Du fühlst^.

Stella an C e c l U e.

Stella!

seinem-als«.

Zch darf? —»

Dankst du mlr'S, daß Ich dich Flücht»

ting zurückhielt?

Stella an ihrem-als».

ODu! —

z6o

©teilst.

Fernando »eyde nmarmen».

Mein! Mein!

Stella feine --an» fakend, an ihm hangend. Ich bin dein! Cecille sein» --and fassen», endlich hört man eine Trompete in der Ferne.

Andraso n. Lato.

Aha!

Es wird aufgetragen.

Andrason.

Es heißt zu Pferde, und zu Ti»

sche! DeydeS eine schöne Einladung. Kommt! dies«

Empfindsamkeit zuletzt hat mich hungriger gemacht, als meine Reisen bisher.

Zwey.

376

Der Triumph der Empfindsamkeit.

Act.

Zweyter

Saal,

in Chinesischem Geschmacke, der Grund gelb mit bunten Figuren.

Mana un» Sora. Mana. N"u das heiß' ich ein Gepäcke! Der ganze Hof

ist voll Kisten, Kasten,

Mantelsäcke und ungeheu­

rer Verschläge. Sora

läuft an's Fenster.

Wir werden ihm den

ganzen Flügel des PallasteS geben muffen, nur seine Sachen unterzubrkügen.

Mana.

sonen reisen,

Es ist abscheulich,

wenn Mann-per­

als wenn sie Wöchnerinnen wären.

Ueber uns halten sie sich auf, daß,

wenn wir doch

auf vier Wochen in'S Bad gehen,

der Schachteln,

Kästchen, Pappen und Wachstücher kein Ende wer­

den will; und sich erlauben sie's!

Sora.

Wie mehr Sachen, liebes Kind,

die

sie uns übel nehmen.

Ein

Der Triumph der Empfindsamkeit,

Ein

Bedienter

37$

kommt.

Der Cavalier des Prinzen läßt sich melden. Mana. Führt ihn herein. B-dieiuer ab. Sieh zu, es ha: sich doch nichts an meinem ^opfputze verschoben? Sora. kommt.

Halte! — Die Locke hier — Er

Merkulo

tritt herein.

Vollkommene Damen l Es sind nicht viel Augen» blicke meines Leben-, worin ich mich so glücklich fühlte, als in dem gegenwärtigen. Sonst werden wir arme Diener meistemheil- bey verdrießlichen Angelegenhei­ ten vorgeschoben, bey angenehmen Ereignissen stehen wir zurück; aber dießmahl erhebt mich mein Prinz über sich selbst, indem er mich voraus in die Woh­ nung des Vergnügens und der Reitze sendet. Mana.

Sie find sehr gütig.

Sora. Und recht willkommen. Wir haben so viel Gutes von dem Prinzen gehört, daß wir vor Neugierde brennen ihn zu sehen.

Merkulo. Mein Fürst ist glücklich, daß er' schon in der Entfernung Ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen können; und wenn er, wie ich nicht an­ ders hoffe, durch seine Gegenwart Ihre Gunst erhal­ ten sollte; so kann er sich als den glücklichsten der Menschen preisen. Dürste ich indeß Ihrer Prinzess sinn nicht aufwarten, an die er mir eine Unzahl Verbind'ichkeiten ausqetragen hat? Goethe'- W. 2, Band. Db Ma-

378

Drr Triumph der Empfindsamkeit.

Mana.

Sie werden ihr bald vorgestellt wer­

den können.

Cie har uns besohlen, Ihnen diese

und die anstoßende Zimmer anzuweiscn.

Bedienen

Sie Sich davon so viel und wie Sle'e nöthig finden.

M e r k u l o.

Wollen Sie mir erlauben, daß ich

unsere Geräthschaften,

deren freylich nicht wenige

find, herein und in Ordnung bringen lasse-

Nach Ihrer Bequemlichkeit.

Mana.

Merkulo mit einer Verbeugung ab.

Sora.

Wir wollen bleiben.

Zch bin gar zu

«eugierig, was sie alles milbringcn.

E« läßt sich ein lebhafter Marsch hören, und es kommt ein Zug. Merkulo voraus, der Oberste, die W a ch f, sodann Trabanten, welche Kasten von verschiedener Größe tragen, vier Mohren, die eine Laube bringen, und Gefolge. Sie umgehen das Theater. Die Kasten werden auf bcvden Seiten, die Laube in den Grund, und ein großer Kasten auf die Laube gesetzt. Die stummen Aersonen gehn alle ab, der Marsch hört auf. Cs bleiben:

Sora.

Sora.

Mana.

Merkulo.

Wer sind denn die hübschen bewaffneten

jungen Leute, und wer ist der Herr,

der uns salu-

ritte?

Merkulo.

Das ist der Oberste über de« Prin-

zen Kriegsvolk, und die andern sind junge Edelleute,

militärische Edelknaben meines gnädigsten Herrn, und

lose Vögel. Mana.

Wirerstaunen, mein Herr! Sie füh­

ren Dekorationen mit Sich i Wollen Sie etwa eine

Komö-

Der Triumph der Empfindsamkeit.

379

Komödie spielen? Vermuthlich ist die Theater-Gar»

dervbe in diesen Kasten? Merkulo.

Verzeihen Sie, meine Damen! —>

Eigentlich sollte ich den Finger auf den Mund legen,

und Sie mit guter Art bitten,

diesen Saal,

der

von nun an ein Platz der Geheimnisse wird, zuver» lassen:

allein wie vermag ich das gegen Ihre Güte

und gegen ihre Reitze! Nur vor nnheiligen fremden

Augen bewahren wir unsere heiligen Empfindungen; nicht vor so angenehmen Seelen,

de.en Theilneh«

mung wir wünschen.

Sora.

Sagen Sie uns um'S Himmels willen,

was soll die Laube?

Merkulo. Kinder,

An diesem Zug,

meine schönen

können Sie einen großen Theil des Cha­

rakters meines liebenswürdigen Prinzen erkennen. Er,

der empfindsamste Mann von allen Männern,

der für die Schönheiten der Natur ein gefühlvolle-

Herz trägt, der Rang und Hoheit nicht so sehr schätzt, als den zärtlichen Umgang mit der Natur Sora.



Ach das ist ein Mann für unsl Wie

gehn auch gar zu gern im Mondschein spatzieren, und

hören die Nachtigallen lieber als alles.

Merkulo.

Da ist Eins zu bedauern, meine

vortreffliche Damen 1 Mein Prinz ist von so zärtli­

chen, äußerst empfindsamen Nerven, daß er fich gar

sehr vor der Luft, und vor schnellen Abwechselungen

der Tageszeiten hüten muß.

Freylich unter freyem

Himmel kann man'« nicht immer so remperirr haben,

Db 1

wie

3ßo

Der Triumph der Empfindsamkeit,

wie man wünscht.

Die Feuchtigkeit de« Morgen»

und Abendthaues halren die Leibärzte für lischst schäd­ lich,

den Dust de« Moose« und der Quellen bey

heißen Sommertagen für nicht minder gefährlich!

Die Ausdünstungen der Thäler, wie leicht geben die einen Schnupfen! Und in den schönsten, wärmsten • Mondnächten sind die Mücken just am unerträglich­

sten.

Har man sich auf dem Rasen seinen Gedanken

überlassen, gleich sind die Kleider voll Ameisen, und

die zärtlichste Empfindung in einer Laube wird oft durch eine herabfahrende Spinne gestört. Der Prinz

hat durch seine Akademien Preise ausgesetzt, erfahren, ob diesen Beschwerden,

um zu

zum Besten der

zärtlichen Welt, nicht abgeholsen werden könne? Es

sind auch verschiedene Abhandlungen gekrönt worden; die Sache aber ist bis jetzo noch um kein Haar weiter. .Sora.

0, wenn je ein Mittel gegen die

Mücken und Spinnen erfunden werden sollte, machen .

Sie e« doch ja gemeinnützig!

Denn wenn man oft

in himmlischen Entzückungen aufqefahren ist,

erin­

nert einen das leidige Geziefer mit seinen Stacheln und krabligen Füßen gleich wieder an die Sterblichkeit.

Merkulo.

Inzwischen, meine schöneDamen,

hat der Prinz,

der seinen Genuß weder verschoben

noch unterbrochen haben will, den Entschluß gefaßt,

durch tüchtige Künstler sich eine Welt in der Stube zu verschaffen.

Sein Schloß ist daher auf die ange­

nehmste Weise anSgezickt,

seine Zimmer

gleichen

Lauben, seine Säle Wäldern, seine Cabinette ©rot»-

ten.

z8r

Der Triumph der Empfindsamkeit.

ten, so schön »nd schöner als in der Natur; und

dabey alle Bequemlichkeiten,

die Stahlfedern und

Ressorts nur geben können. Sora.

Das muß scharmant seyn ’

Merkulo. Und weil der Prinz so sehr dran gewöhnt ist, wie er denn tu jedem Lustschloß seine Natur har: so haben wir auch eine N eisen arur,

die wir auf unsern Zügen überall mit herumführen. Unser Hof- rtnt ist mit einem sehr geschickten Manne

vermehr t worden, dem wir den Tirel als N a t u r m e b ster,

Directeur de la nature,

gegeben

haben.

Dieser har eine große Anzahl von Künstlern unter sich. Ein würdiger Schüler von ihm ist dieser Mann

hier,

der unsere Natur auf der Reise besorgt,

und

den ich die Ehre habe Ihnen in dieser Qualität zu präsentiren.

Was uns allein noch abgeht, das sind

die kühlen Lüftchen.

Die Versuche davon sind im­

mer noch unvollkommen; wir hoffen aber aus Franke

reich auch diesem Mangel nächstens abgeholfen zu sehen.

Sora.

Um Vergebung, wa« ist in den Kasten

da? Darf man's wissen? Merk ul o. lein ,

Geheimnisse,

Geheimnisse!

meine schöne Fräu­

Aber Sie haben das Geheim­

niß gefunden, die Geheimnisse meines Herzens auf, zulösen, so daß Ihnen eben weiter nicht- verborgen

bleibt.

Hier führen wir die vorzüglichsten Glückse­

ligkeiten empfindsamer Seelen bey uns.

Zn diesem

Kasten sind sprudelnde Quellen.

Bb 3

M a>

§82

Der Triumph der Empfindsamkeit'.

Mana.

0!

Hier in diesem ist der Gesang, der

Merkulo.

lieblichste Gesang der Vögel verborgen.

M a n a.

Darum nicht gar?

Merkulo.

Vi.b hier in diesem grkßern ist

Mondschein elngepackt.

Dora.

Es ist nlchr möglich! Lassen Cü'öunS

doch sehn. Merkulo.

Es steht nicht in meiner Gewalt.

Der Prinz allein weiß diese Herrlichkeiten in Bewe, gung und Leben zu sehen.

Er ganz allem darf sie

fühlen; ick könnre Ihnen nur den groben Stoss sichtbar machen.

Mana.

O wir müssen

den Prinzen bitten,

daß er uns die Maschinen einmahl spielen laßt» Merkulo.

Um's Himmels willen lassen Sie

Sich nichts merken! Und besonders unter dem Titel

von Spielen würde der Prinz seine Liebhabereyen Jeder Mensch, meine schone Fräu­

nicht erkennen.

lein, treibt seine Liebhabereyen sehr ernsthaft, mei­

stens ernsthafter als seine Geschäfte.

Indessen halte

Ich für Schuldigkeit, Ihr Vergnügen, so viel an mir

Ist,

zu befördern-,

und wollte Ihnen gern unsre

Raritäten, wenn gleich nur leblos, vorzeigen, wäre

nur die Deeorativn des Saales einigermaßen mit dieser elngeschloßnen Natur übereinstimmend. Mana.

So vollkommen muß man die Illusion

nicht verlangen.

Sora.

Der Triumph der Empfindsamkeit

z8z

Sora. Dem ist leicht abzuhelfen. Wir haben ja die gewirkten Tapeten, die nichts als Wälder und Gegenden verstellen.

M e r k u l o.

Das wird allerliebst seyn.

Sora. He! Ein Bedienter kommt. Sagt dem Hostapezicr, er soll die gewirkte Waldtapete gleich herunter lassen!

M erknl o.

An mir soll's auch nicht fehlen.

Musik. Er gibt ein Zeichen, und in dem Augenblicke als sich die Scene in Wald verwandelt, verwandeln sich die Kaffen in Rasenbffnke, Felsen, Gebüsche und so weiter. Der Kaffen über der kaube in Wolken. Der Dccorateue wird sorgen, daß das Ganze übereinstimmend und reißend sey, unp mit der verschwindenden Dekoration einen recht fühlbaren Lontrast mache. Merkulo. Sora.

Bravo! Bravo!

O wie schön!

Sie besehen alles auf das emsigste s» lange die Muflk ftrtdauert.

Mana.

Die Decorarion ist allerliebst.

Merkulo. Um Vergebung, nichtDecoration, sondern künstliche Natur nennen wir da«; denn das Wort Natur, merken Sie wohl, muß überall dabey seyn. Sora.

Scharmant! Allerliebst!

Merkulo. Da muß ich Sie noch ein Kunst« wort lehren, mit dem weit zu reichen ist. Schar« mant! Allerliebst! das könnten Sie allenfalls auch Db 4 von

384

Der Triumph der Empfindsamkeit,

von einer Florschiirze, von einem Häubchen sagen. Nein, wenn Cie etwas erbiicken, es sey waS es wolle, sehn Sie eS steif an, und rufen: 2id) was das für einen Effect auf mich macht! — Es weiß zwar kein Mensch was Sie eigentlich sagen wollen; denn Sonne, Mond, Fels und Wasser, Gestalten und Gesichter, Himmel und Erde, und ein Stück lanzleinewand, jedes macht seinen eignen Effect; was für einen, das ist ein Bißchen schwerer auszudrücken. Halten Sie Sich aber nur an'ö Allgemeine: Ach l paS da« für einen besondern Effect auf mich macht! — Jeder der dabenstebt sieht auch hin, und stimmt in den besondern Effect mit ein; und dann ist's ausgemacht — daß die Sache einen besondern Effect thut.

t

Mana. Mit allen dem scheint mir Ihr Prinz Liebhaber vom Theater.

Merkulo. Sehr! sehr! Das Theater und unsere Natur sind freylich nahe mit einander ver­ wandt. Dabey ist er ein trefflicher Schauspieler. Wenn Sie ihn bereden könnten etwas vor Ihnen aufzuführen! Sora.

Haben Sie denn eine Truppe bey Sich ?

M e rku lo. Das nicht! Wir sind aber alle eine Art von Komödianten. Und dann agirt der Prinz, wenn'S dazu kommt, meistentheilS allein. Sora.

Ach! davon haben wir schon gehört.

Merkulo.

Ey! — Sehen Sie, meine Des men,

Dsr Triumph der Empfindsamkeit.

385

men, das ist eine Erfindung, oder vielmehr eine Wiederauffindung, die unsern erleuchteten Zeiten anfbebalten war. Denn in den alten Zeiten, schon auf dem Römischen Tbearer, waren die Monodra­ men vorzüglich eingcsührr. Exempel vom Nero —

Mana.

So lesen wir zum

Das war der böse Kaiser?

Merkulo. Es ist wahr, er taugte von Haus ,au« nichts; war aber drum doch ein excellenter Schau­ spieler. Er spielte bloß Monodramen. Denn erst­ lich sagt SuetoniuS — Nun das werden Sie alles in der trefflich gelehrten Schrift eines unserer Akademisten über diese Schauspielart lesen! Sie wird auf Befehl unsers Prinzen geschrieben und auf seine Kosten gedruckt. Wir führen aber auch die neusten Werke wie man sie »on der Messe kriegt: Monodramen zu zwey Personen, Duodramen zu dreyen, und so weiter.

Sora.

Wird denn aiich drin gesungen?

Merkulo. Ey gesungen und gesprochen! Ei­ gentlich weder gesungen noch gesprochen Es ist we­ der Melodie Gesang drin, deswegen es auch manchmahl Melodram genannt wird. Sora.

Meist das?

Merkulo Gelegentlich!

Gelegentlich,

meine Fräulein!

Sora. Nun, wir hoffen, der Prinz soll guc Freund mit uns werden. Wir hoffen, Sie sollen Db ;

z86

Der Triumph der Empfindsamkeit,

recht lange bey uns bleiben.

Sie bleiben doch recht

lange bcn uns?

Merkulo. glauben konnte,

Gar zu gütig! —

Ach!

wer

daß so eine Einladung aus einem

so schönen Herzen käme!

Es ist aber leider eins der

gewöhnlichen Hofeomplimenke, Fremden bewillkommt,

womit man einen

nur um sich zu versichern,

daß er bald wieder Weggehen werde.

Warten Sie nur,

Mana.

wir haben dem

Prinzen schon allerley Scherze von unsrer Art zuge« dacht, die ihn gewiß unterhalten sollen.

M e r k u l o.

Meine Fräulein, ,'ch wünsche Zh«

nen Glück und uns allen I Möchten Sie sein Herz,

sein zärtlich Herz gewinnen,

und ihn durch Ihren

Licbreih aus der sanften Traurigkeit ziehen,

in der

er verschmachtet!

Sora.

Ach! Wir haben auch zärtliche Herzen,

da« ist just recht unsere Sache. Mana.

Dringen Sie uns nicht auch neue Lied«

chen mit?

Sora.

Za,

wir haben'ö in der Art,

wenn

wir eine hübsche Melodie finden, singen wir sie meist todt, daß sie kein Mensch mehr hören mag.

Kein Liedch en an den Mond?

Mana.

Merkulo.

0 deren haben wir verschiedene.

Zch kann gleich mir einem aufwarten. Sora.

ThunSie'sja!

Mer«

Der Triumph der Empfindsamkeit.

Z87

Merkulo sing», Du gedrechselte Laterne, Ueberleuchtest alle Sterne,

Und an deiner kühlen Schnuppe Trägst du der Sonne mildesten Glanz.

Sora.

O Psui! das ist gar nichts empfindsa­

mes!

Merkulo.

Schones Kind,

um'S Himmel­

willen , es ist au- dem Griechischen!

Mana.

ES gefällt mir ganz und gar nicht.

Merkulo.

Daran ist wohl die Melodie schuld,

ich hab' eS immer gedacht. Das Lied an sich selbst ist gewiß vortrefflich, hören Sie nur! Er singt'- auf die Melodie: Menseigneur, veyes ins leit wes, und die Fräulein sangen an mitzusingen. Bediente.

Der Prinz kommt! maneiltihm

entgegen!

Merkulo «n» sie Fraulein zehn singend ah.

Drit-

388

Der Triumph der Empfindsamkeit,

Dritter Act. Wald, dle Laube im Grunde wie zu Ende des vorigen Act«. Die vier Fräulein führen den Prinzen unke« einer sanften Musik herein. M e r k u l o folgt ihnen. Oie Frauenzimmer bemühen sich in einem gefälligen Tanze um den nachdenklichen und in sich selbst versunkenen Äiikömmfing; er antwortet ihren Freundlichkeiten nur gezwungen. Da die Musik einen Augenblick pausirt, spricht:

Merknlo

vor sich.

Das find recht Homerische Sitten, wo die schö«

nen Töchter des Hauses sich um die Fremden bemü­ hen.

Ich l ätte wohl Lust, mich in'« Bad zu setzen

und mich abreiten zu lassen.

Die Musik geht fort; endlich da die Fräulein ihre Bemühungen ganz vergeblich sehn, eilen sic verdrießlich davon, und es bleiben: Prinz und Merkulo. Gesegnet serst du,

Prinz.

licbe Einsamkeitt

Wie erbärmlich habe ich mich seit dem Eintritt in die­

se« Hau« zwingen müssen!

Merkulo. bekennen,

sen ist,

Da« muß ich Eurer Durchlaucht

das, mir’« manchmahl unbegreiflich gewe­

wie Sic Sich an einer wvhlbesehten Tafel

und

Der Triumph der Empfindsamkeit

z8-

und zwischen liebenswürdigen Frauen können?

ennuylren

!s§s ist nicht Langeweile,

eS ist die

Prinz.

Gefälligkeit dieser angenebmen Geschöpfe,

-ngstet.

schlechte zur Qual geschaffen seyn? kann

die mich

Ach! warum muß ich dem weiblichen Ge«

mein Herz

besitzen, und

Denn nur Eine

die

übrigen —-

Ach!---------Die hab' ich schon oft bedauert!

Merkulo.

und ich hab' ihnen auch gelegentlich mein Mitleidest auf eine so überzeugende Arr zu verstehn gegeben,

baß ich wirklich sagen kann: habt,

ich habe das Glück ge­

einigen da« Leben zu fristen,

Sprunge standen,

die auf dem»

durch Ihre Grausamkeit in di«?

Elysäischen Felder vertrieben zu werden.

Prinz.

Rede davon nicht!

vermehre nich

meinen Kummer!

Merkulo. Ich sage nichts! denn wenn man Ihren hohen Stand, und Ihre trefflichen Qualität ken zusammen nimmt,

so ist's evident,

daß Einer

Ihrer Blicke ganz unglaubliche Bewegungen in schönen Herzen hervorbringen muß. Prinz.

einem

Meinen Stand erwähnst du, Unglück«

licher? Was ist mein Stand gegen dieses Herz? M er knlo.

Halt.-n Siemir'özu Gnaden. Wir

wollen der Sache ihr Recht amhun.

Liebe ist z. E. was vortreffliches;

Eine wahre

aber eine wahre Liebe

39o

Der Triumph der Empfindsamkeit.

Liebe mit einem wvhlgespickten Deutel,; darüber geht

gar nichts.

So auch, was den Stand betrifft —• Rede nur nich

Prinz.

nmer!

nicht solche

Dinge 1

Merkulo.

Nein, ich müßte undankbar seyn,

wenn ich es nicht gestände, nicht bekennte! In Ihrer

Nähe, mein Gebiether, bin ich ohnehin sicher. Ihre Fürstliche Gegenwart zieht,

wie ein Gewitterablei«

ter, alle Elektricität zärtlicher Herzen ay sich, daß Wir andern vor'm Einschlagen ganz gesichert sind. P r i n z.

Zst es bald eilst?

Merkulo.

Es wird gleich seyn, und lch gehe,

«m SieJhrcn Empfindungen in der feierlichen Stunde der Mitternacht allein zu überlassen.

vortreffliche neuere Erfindung,

Es ist eine

daß jeder Stunde,

feder Tagszeit ihre eigne Gefühle

gewidmet sind.

Darin waten die Alten rechte Tröpfe.

Zn ihren

Schauspielen konnte das Feierlichste, Schrecklichste

bey Hellem Tage und unter freyem Himmel vorgehn;

unter eilst und zwölfe thun wir's aber gar nicht,

und ohne Särge, Kirchhöfe und schwarze Tücher läßt sich nichts rechts ausrichten.

Prinz.

Sind meine Pistolen geladen?

Merkulo.

Auf Ihren Befehl,

wie immer.

Aber ich bitte Sie um Gottes willen, erschießen Sie Sich nicht einmahl!

Prinz.

Sey ruhig! E< schlägt «m«. Erschlägt!

Merkulo.

Sie haben hier eine Glocke,

die

gar

Der Triumph der Empfindsamkeit.

3^1

gar keinen feierlichen Ton hat. ES klingt als wenn manaufDlechhämmerte: mich könnte nun so etwas gleich vollkommen aus meiner zärtlichsten Fassung bringen. Die Musik gibt einige kaute und entfernte Melodien zum folgenden an.

Prinz.

Schweige, Unheiliger! und entflieh!

Merkulo.

Ab!

a».

Prinz.

Vergebens sucht ihr mich durch eure Schönheit, durch euer einschmeichelndes Wesen »bzrrziehen, von den Gedanken wegzuwenden, die ich immer mit den Armem meiner Seele umschlungen halte. Fohre wohl, ihr sterbliche Mädchen! Das Unsterbliche um­ schwebt meine Stirne, und die Geister steigen herab, meine Wohnung zu beleben und mein Herz zu be­ seligen. Die feierliche Musik geht fort, die Wasserfälle fangen an zu rauschen, die Mgcl zu singen, der Mond zu scheinen. Prinz.

Dich ehr' ich, heiliges Licht, Reiner hohen Gefühle Freund! Du, der du mir Der Liebe stockende Schmerzen Zm Dusen auf zu sanften Thränen lösest! Ach welche Seligkeiten säuselst du mir

3«'s

z-L

Der Triumph der Empfindsamkeit.

Zn'S tiefe Heiligthum der Nacht, Und deutest mir Auf der geheimnißvollen Liebe Ruhestatt! Ach verzeih! Ach mein Herz Kühlt nicht immer gleich! Verzeih dem trüben Blick auf deine Schönheit! Verzeih dem flüchtigen! Nach der Laube gekehrt.

Hier, hier wohnt meine Gottheit, Die ganz mein Herz nach ihrem Hetzen zieht! Dieß Pochen und dieß Zittern! Ha J es schlägt dem Augenblick entgegen. Wo die Zauberey Die Seligkeit des Wahren überflügelt! O ben Genuß, ihr Götter, gabt ihr mir! O! den Genuß bewahret mir, ihr Götter! Die Laube thut sich auf, man siebt ein Frauenzimmer darin sitzen $ sie muß vollkommen an Gestalt und Kleidung der Schauspielerinn gleiche», die nachher als Mandan, baue auftritt. Prinz. Himmel sie ist's! Himmel sie ist's! Seligkeit thauet herab. — — Deine Hand an dieses Herz, Geliebte, süße Freundinn! Du ganz für mich geschaffne. Ganz durch Sympathie gefundene, Gewählte! In dieser schönen Stimmung unsrer Herzen Wird mir ein Glück, das nur die Götter kennen. Ach

Der Triumph der Empfindsamkeit-

393

Ach in hohen Himmelsfreuden Fühl' ich schaudernd niich verschweben! Ha! vor Wonne stockt mein Leben, Stockt der Athem in der Brust! Ach umweht mich, Seligkeiten! Lindert diese« heiße Streben, Und in wonnevolle« Leben Löset auf die schöne Lust!

Während der letzten Labenz, da die Instrumente die Stimme zu lange nachahmen, setzt sich der Prinz auf eine Rasenbank, und schläft endlich ein. Man gibt ihm vcr, fchiednemahl den Ton an, damit er einfallen und schließen möge; allein er rührt fich nicht, und et entsteht eine Der, legenheit im Orchester; endlich sieht sich die erste Violine genöthigt die Labenz zu schließen, die Instrumente fallen ein, die taube geht zu, ter mittlere Vorhang fällt nie, der, und e« zeigt stch:

Ei« Borsaail. Feria und die Vier Fräulein. Feria.

Mich dünkt, der Prinz pflegt feiner Ruhe ziem« lich lange. E« soll nicht gesagt seyn, daß ein Mann in unserm Schlosse ungestraft die Morgenröthe her­ beygeschlafen habe! Sind die Klappern bey der Hand und die Rasseln? Wir wollen ihm ein Schariwark machen, und die fatale Schläfrigkeit, unsre verhaßte Nebenbuhlerinn, von seinen Auaen peitschen.

Lebhafter Tanz zu fünfen mit Castagnetten und Metall, decken; mitunter tanzt Feria solo. Der Oberste kommt, die Prinzessinn zu bitten, daß sie des Prinzen Ruhe nicht stören möge, indem die Wache die Fräulein Goethe'« W. 2, Band. Le dl|f#

394

Dee Triumph der Empfindsamkeit,

aufhalten will. Diese machen immer ärgern kckrm. Oer Hintere Vorhang gehr auf; das -'Heater ist wieder wie zu Anfang des Acts; M e r k u l o tritt zu gleicher Zeit her­ ein , der Prinz fährt bewegt von seiner Rasenbank in die Höhe, ergrimmt und singt:

Ja ihr seyd'ü Erinnyen, MänadeN k

Ohne Gefühl für Liebe,

Ohne Gefühl für Schmerzt Ich hofft'im Arm der Grazien zu baden, Und ihr zerreißt mein Herz! Mein Herz! mein Herz |

Zerreißt mein leidend Herz!

Während der Arie begibt sich Feria, die Fräulein und die Wache, eins nach dem andern, auf die Seite; vbleiben allein:

Prinz und Merkulo. M e r k u l o.

Prinz.

Mein Prinz, fassen Sie Sich.

Mein Freund, welche tödtliche Wunde!

Merkulo.

Gnädiger Herr, nur Schariwari!

Ich will weg! diesen Augenblick mich

Prinz.

in die Einsamkeit des Gebirges verlieren. Merkulo.

Was wird die Prinzessinn, was

werden die Damen denken? Prinz. sich haben.

Denken sie doch auch nicht wen sie vor Ohne das mindeste Gefühl für das Hohe,

Ueberirdische meiner Stimmung,

raffeln sie mir

knirschenden Tinen der Vorhille drein.

Ach ihr

goldnen Morgenträume, wo seyd ihr hin? auf ewig l

auf ewig!

Mer',

Der Triumph der Empfindsamkeit.

395

Es war nicht böse gemeint. Schon

Merkulo.

vor Sonnenaufgang waren die Mädchen geschäftig, ein Dejeune im Garten zurecht zu machen; wir ha­ ben auch wirklich den Morgenstern mit Bratwürsten

in der Hand und einem vortrefflichen Glas Cyperwein bewillkommt.

Man fürchtete, es möchte alles und wir wollten Ihr an­

kalt werben, verderben,

genehmes Gestcht im Glanz der ersten Morgen-Sonne genießen.

Prinz.

Ja mit Schellen und Klapperblechen

genießt man den

Morgen!

— Fortt —

Leb

wohl!

Merkulo. Prinz.

Gnädiger Herr!

Du weißt,

meine Entschließungen,

find rasch und fest. Merkulo »or fich.

Prinz.

Leiber!

Ich gehe nach dem Orakel! Laß auf­

schärfste dieses Heiligkhum bewachen, daß unter kei­

nem Vorwand eine lebendige Seele einen Fuß her­

ein sehe!

Merkulo. Prinz.

Bleiben Sie beruhigt.

Leb wohl.

a».

Ee »

396

Der Triumph der Empfindsamkeit,

A e t.

Vierter

AndrasonsSchloß,

elne

rauhe und felsige Gegend,

Höhle im Grunde.

MandanbanensKammerdieneralSAskalaphus tritt auf mit einem Reverenz, und spricht den Prvlogus.

Herrn und Frauen allzuqlcich,

Merkt wohl,

das hier ist Pluto's Reich,

Und ich, wie ich rnich vor euch stelle,

Das ich zuerst bedeuten muß, Zch nenne mich AökalaphuS, Und bin Hofgärtncr in der Hölle.

Die Charge ist hier unten neu: Denn eh'mahls war Elysium dadrüben.

Die rauhe Wohnungen dahüben, Man ließ es eben so dabey. —, Nun aber kam ein Lord herunter,

Der fand die Hölle gar nicht munter,

Und eine Lady fand Elysium zu schön. Man sprach so lang', bis daß der seltne Gusto siegte. Und Pluto selbst den hohen Einfall kriegte.

Sein altes Reich als einen Park zu sehn.

Da

Der Triumph der Empfindsamkeit.

397

Da schleppen nun Titanen ohne Zahl, Den alten SisnphuS mit eingcschlossen,

Rastlos geschunden und verdrossen.

Gar manches schone Berg und Thal Zusammen. Aus den fluchenden Flammen

Des Acherons herauf

Müssen die ewigen Felsen jetzt!

Und, gält'S tausend Hande, Sie werden an irgend einem Ende Alö Point de vue zurecht gesetzt.

Um Eins nur ist es Jammerschade, Um's schöne Erdreich in Elysium!

Aber es ist keine Gnade, Wir gehn damit ganz stündlich um.

Sonst dankt man Gott, wenn man die Steine Vom Acker hat:

Aber hier! sechs Meilen herum sind keine Zu finden mehr, und wir haben es noch nicht satt;

Damit verschütten wir den Boden,

Wo das weichste Gras, Die liebsten Blümchen blühen, und warum das?

Alles um des Mannigsaltigcn willen.

Ein frischer Wald, eine feine Wiese, Das ist uns alles alt und klein;

Es müssen in unserm Paradiese Dorn und Disteln seyn.

Dafür aber auch graben wir in den Hainen

Elysiums die schönsten Bäume aus,

Cc 3

Und

ZY8 Der Triumph der Empfindsamkeit. Und setzen sie, wo wir es eben meinen.

An manche leere Stelle Herüber in die Hölle,

Um des Cerberus Hundehaus,

Und formiren das zu einer Kapelle. Denn, Notabene! in einem Park

Muß alles Ideal seyn, Und, Salva Venia, jeden Quark

Wickeln wir in eine schöne Schal' ein. So verstecken wir zum Exempel, Einen Schweinstall hinter einen Tempel; Und wieder ein Stall, versteht mich schon,

Wird geradeswegs ein Pantheon.

Die Sach' ist, wenn ein Fremder drin spatziert, Daß alles wohl sich präsentier; Wenn'S dem denn hyperbolisch dünkt,

Posaunt er's hyperbolisch weiter auS. Freylich de» Herr vorn HauS

Weiß meistens wo es stinkt. Wie ich also sagte: unsre Elysische Bäume

Schwinden wie Elysische Träume, Wenn man sie verpflanzen will.

Ich bin zu allen Sachen still: Demi in einem Park ist alles Prunk;

Verdorrt ein Daum und wird ein Strunk, Ha! sagen sie, da seht die Spur,

Wie die Kunst auch hinterdrein der Natur Im Dürren ist. — Ja leider stark!

Was ich sagen wollte! Zum vollkommnen Park Wird

Der Triumph der Empfindsamkeit.

399

Wird uns wenig mehr abgehn. Wir haben Tiefen und Höhn, Eine Musterkarte von allem Gesträuche, Krumme Gänge, Wasserfälle, Te>che, Pagoden, Höhlen, Wieschen, Felsen und Klüfte,

Eine Menge Reseda und andres Gedüste, Weimuthsfichken, Babylonische Weiden, Ruinen, Einstedler in Löchern, Schäfer im Grünen, Moscheen und Thürme mit Cabinettcn,

Bon Moos sehr unbequeme Denen, Obelisken, Labyrinthe, Triumphbögen, Arkaden, Fischerhütten, Pavillon« zum Baden,

Chinesisch-Gothische Grotten, Kiosken, Tings,

Maurische Tempel und Monumente, Gräber, ob wir gleich niemand begraben, Man muß es alle« zum Ganzen haben. Ein einzige« ist noch zurücke, Und drauf ist jeder Lord so stolz: Das ist eine ungeheure. Drücke

Von Holz Und Einem Dogen von Hängewerk, Die ist unser ganzes Augenmerk.

Denn erstlich kann kein Park bestehn Ohne sie, wie wir auf jedem Kupfer sehn. Auch in unsern toleranten Tagen

Wird immer mehr drauf angetragen. Auf Communication, wie bekannt,

Dem man sich auch gleich stellen muß;

Elysium und ErebuS Werden vice versa tolerant.

Cc 4

Wir

4oo

Der Triumph der Empfindsamkeit.

Wir freuten un< der Drücke schon;

Doch leider Acheron und Periphlegekvn Speyen ewige Flammen, Da fehlt'« uns an gefcheidten Leuten;

Und bringen wir die Drücke nicht zusammen, So will der ganze Park nichts bedeuten;

Das Costume leidet weder Erz noch Stein, Von Holz muß so eine Brücke seyn.

Aber warum ich komme! ohne Zeit zu verlieren:

Pluto'S schönes junges Weib

Geht gewöhnlich hierher fpahieren, Denn drin ist nicht viel Zeitvertreib.

Da sucht sie bey den armen Todten So schöne Gegenden, wie auf Sickliens Boden;

Wir haben'« aber nur in Gedichten.

Dann fraat sie tä stich nach herrlichen Früchten; Wir haben aber keine zu reichen:

Pfirscken, Trauben, darnach liefen wir weit; Holzbirn, Schleen, rothe Beerchen und dergleichen

Ist alle«, was bey uns gedeiht. Zwey höllische Geister bringen einen Granatenbaum in einem Kübel.

Drum hab' ich zu einem Treibhaus gerathen,

Und brüte,

zum Exempel, diese Granaten

In einem frostbedeckten Haus

Mir unterirdischem Feuer aus; Den will ich in die Erde kleben,

sr

Der Triumph der Empfindsamkeit.

401

Er macht alles zurecht wie er's sagt. Mit Felsen, Rasen, Moos umgeben.

Daß meine Königinn vermeine, Es wüchse alles aus dem Steine,

Und wenn sie den Betrug verspürt, Den Künstler lobe, wie sich'ö gebührt.

ah.

Vorbereitende Musik, ahndend seltene Gefühle.

Mandandane als

P r 0 s e r p i n a. Halte! halt' einmahl, Unselige! Vergebens

Irrst du in diesen rauhen Wüsten hin und her 1

Endlos liegen vor dir die Trauergefilde, Und was du suchst, liegt immer hinter dir.

Nicht vorwärts, Aufwärts auch soll dieser Blick nicht steigen!

Die schwarze Höhle dcS Tartarus

Verwölbt die liebe Gegenden des Himmels, Zn die ich sonst

Nach meines Anherrn froher Wohnung

Mir Liebesblick hinauf sah!

Ach! Tochter du des Jupiters,

Wie tief bist du verloren! —

Cc 5

Ge«

402

Der Triumph der Empfindsamkeit.

Gespielinnen! Als jene blumenreiche Thäler Für uns gesummt noch blühten,

Als an dem himmelklaren Strom de» Alphcu» Wir plätschernd noch im Abendstrahle scherzten, Einander Kranze wanden,

Und heimlich an den Jüngling dachten, Dessen Haupt unser Herz sie widmete;

Da war uns keine Nacht zu tief zum Schwätzen, Keine Zeit zu lang. Um freundliche Geschichten zu wiederhohlen, Und die Sonne Riß leichter nicht aus ihrem Silberbette

Sich auf, als wir voll Lust zu leben Früh im Thau die Nosenfüße badeten. — O Mädchen! Mädchen! Die ihr, einsam nun, Zerstreut an jenen Quellen schleicht.

Die Blumen auflest, Die ich, ach Entführte! Aus meinem Schoose fallen ließ, Ihr ficht und seht mir nach, wohin ich verschwand!

Weggerissen haben sie mich,

Die raschen Pferde deS Oreus;

Mit festen Armen Hielt mich der unerbittliche Gott! Amor! ach Amor floh lachend auf zum Olymp — Hast du nicht, Muthwilliger,

Genug an Himmel und Erde,

Mußt

Der Triumph der Empfindsamkeit, Mußt du die Flammen der Hölle

Durch deine Flammen vermehren? —

Herunter gerissen

Zn diese endlose Tiefen! Königinn hier! Königinn? Vor der nur Schatten sich neigen!

Hossnungslos ist ihr Schmerz! Hoffnungslos der Abgeschiedenen Glück,

Und ich wend' eü nicht. Den ernsten Gerichten Hat das Schicksal sie übergeben;

Und unter ihnen wandl' ich umher, Göttinn! Königinn! Selbst Sklavinn des Schicksals • Ach das fliehende Wasser Möcht' ich dem Tantalus schöpfen.

Mit lieblichen Früchten ihn sättigen!

Armer Alter! Für gereihtes Verlangen gestraft! —

Zn Jrlons Rad möcht' ich greifen, Einhalten seinen Schmerz!

Aber was vermögen wir Götter Ueber die ewigen Qualen! Trostlos für mich und für sie.

Wohn' ich unter ihnen und schaue

Der armen Dänakden Geschäftigkeit!

Leer und immer leer,

403

404

Der Triumph der Empfindsamkeit.

Nicht Einen Tropfen Wassers znm Munde, Nicht Einen Tropfen Wassers in ihre Wannen!

Leer und immer leer! Ach so ist's mit dir auch, mein Herz!

Woher willst du schöpfen? — und wohin? —

Euer ruhiges Wandeln, Selige, Streicht nur vor mir vorüber; Mein Weg ist nicht mit euch!

In euern leichten Tänzen, Zn euern tiefen Hainen, Zn eurer lispelnden Wohnung, Rauscht's nicht von Leben wie droben.

Schwankt nicht von Schmerz zu Lust

Der Seligkeit Fülle. —

Jst's auf seinen düstern Augenbrannen,

Zm verschlossenen Blicke? Magst du ihn Gemahl nennen?

Und darfst du ihn anders nennen? Liebe! Liebe! Warum öffnetest du sein Herz Auf einen Augenblick?

Und warum nach mir.

Da du wußtest, Es werbe sich wieder auf ewig verschließen?

Warum ergriff er nicht eine meiner Nymphen,

Und setzte sie neben sich Auf seinen kläglichen Thron?

Warum mich, die Tochter der Ceres?

Der Triumph der Empfindsamkeit.

405

O Mutter! Mutter!

Wie dich deine Gottheit verläßt

Im Verlust deiner Tochter, Die du glücklich glaubtest,

Hinspielend, hintändelnd ihre Jugend! Ach du kamst gewiß

Und fragtest nach mir, WaS ich bedürfte?

Etwa ein neues Kleid, Oder goldene Schuhe?

Und du fandest die Mädchen

An ihre Weiden gefesselt.

Wo sie mich verloren. Nicht wieder fanden, Ihre Locken zerrauften,

Erbärmlich klagten,

Meine lieben Mädchen! ~ Wohin ist sie? Wohin? rufst du?

Welchen Weg nahm der Verruchte? Soll er ungestraft Jupiters Stamm entweihen?

Wohin geht der Pfad feiner Rosse?

Fackeln her I

Durch die Nacht will ich ihn verfolgen! Will keine Stunde ruhen, bis ich sie finde, Will keinen Gang scheuen, Hierhin und dorthin. —

Dir blinken deine Drachen mit klugen Augen zu. Aller Pfade gewohnt folgen sie deinem Lenken:

In der unbewohnten Wüste treibt dich'S irre — Ach

4o6

Der Triumph der Empfindsamkeit.

Ach nur hierher, hierher nicht.

Nicht in die Tiefe der Nacht, Unbetreten den Ewigiebenden,

Wo bedeckt von beschwerendem Graus Deine Tochter ermattet! Wende aufwärts,

Aufwärts den geflügelten Schlangenpfab,

Aufwärts nach Jupiters Wohnung •

Der weiß es. Der weiß es allein, der Erhabene,

Wo deine Tochter ist! — Vater der Götter und Menschen!

Nutzst du noch oben auf deinem goldnen Stuhle,

Zu dem du mich Kleine So oft mit Freundlichkeit aufhobst,

Zn deinen Händen mich scherzend Gegen den endlosen Himmel schwenktest, Daß ich kindisch droben zu verschweben bebte?

Bist du'S noch, Vater? — Nicht zu deinem Haupte,

In dem ewigen Blau DeS feuerdurchwebten Himmels» Hier! hier! — -— Leite sie her!

Daß ich auf mit ihr

Aus diesem Kerker fahre!

Daß mir Phöbus wieder

Seine lieben Strahlen bringe, Luna

Luna wieder Aus den Silberlocken lächle t

O du hörst mich, Freundlichlieber Vater, Wirst mich wieder, Wieder aufwärts heben; Daß, befreyt von langer, schwerer Plage, Ich an deinem Himmel wieder mich ergehe $ Hetze dich, verzagtes Herz! Ach! Hoffnung! Hoffnung gießt Zn Srurmnacht Morgenröthel

Dieser Boden Ist nicht Fels, nicht Moos mehr; Diese Berge Nicht voll schwarzen GrauseS! Ach hier find' ich wieder eine Blume l Dieses welke Blatt, Es lebt noch, Harrt noch, Daß ich seiner mich erfreue»

Seltsam! seltsam! Find' ich diese FrMht hier? Die mir in den Gärten droben Ach! so lieb war — Sie »eicht den Granatapfel a»y Laß

408 Der Triumph der Empfindsamkeit. Laß dich genießen, Freundliche Frucht! Laß mich vergessen Alle den Harm 1 Wieder mich wähnen Droben in Jugend, In der verraumelten Lieblichen Zelt, In den umduftenden Himmlischen Blüthen, Zn den Gerüchen Seliger Wonne, Die der Entzückten, Der Schmachtenden ward! — Sie ißt einig« K«r»er,

Labend! labend! Wie greift's auf einmahl Durch diese Freuden, Durch diese offne Wonne, Mit entsetzlichen Schmerzen, Mit eisernen Händen Der Hölle durch! — — War hab' ich verbrochen, Daß ich genoß? Ach warum schafft Die erste Freude hier mir Qual? Oas ist's? was ist's? —

Ihr Felsen scheint hier schrecklicher herabzuwinken, Mich fester zu umfassen! Ihr

Der Triumph der Empfindsamkeit.

409

Ihr Wolken, tiefer mich zu drücken! Im fernen Schosse des Abarunds Dumvfe Gewirrek kosend sich zu erzeugen! Und ihr weiren Reiche der Parzen, Mir zuzuiufen t Du bist unser! Die Parzen

unsichtbar.

Du bist unser! £t(t der Rachschluß deines Ahnherrn! Nüchtern solltest wlederkehren; Und der Biß des Apfels macht dich unser I Königinn, wir ehren dich!

Proserpina. Hast du's gesprochen, Vater? Warum? warum? Was that ich, daß du mich verstößest? Warum rufst du Mich nicht Zu deinem lichten Thron aufi Warum den Apfel? 0 verflucht die Früchte! Warum sind Früchte schön, Wenn sie verdammen?

Parzen. Bist nun unser! Darum trauerst du? Sieh, wir ehren dich, Unsre Königinn!

Goethe'-W.». Band.

Dd

Pro«

4U> Der Triumph der Empfindsamkeit. Proserpina. 0 wäre der Tartarus nicht eure Wohnung,

Daß ich euch hin verwünschen könnte!

0 wäre der Kocyt nicht euer ewig Dad, Daß ich für euch Noch Flammen übrig hätte! Ich Königinn,

Und kann euch nicht vernichten! In ewigem Haß sey ich mit euch verbunden! So schöpfet, Danaiden! Spinnt, Parzen! wüthet, Furien!

Zn ewig gleich elendem Schicksal! Zch beherrsche euch, Und bin darum elender als ihr alle.

Parzen. Du bist unser! Wir neigen uit< dir!

Bist unser l unser t Hohe Königinn!

Proserpina. Fern! weg von mir

Sey eure Treu' und eure Herrlichkeit!

Wie haß' ich euch I Und dich, wie zehnfach haß' ich dich — Weh mir! ich fühle schon

Die verhaßte» Umarmungen!

Der Triumph der Empfindsamkeit.

411

Proserpina. Warum reckst du sie nach mit? Stecfe sie nach dem AvernuS! Stufe die Qualen aus Stygifchen Nachten empor J Sie steigen deinem Wink entgegen. Nicht meine Liebe. Wie haß' ich dich. Abscheu und Gemahl, O Pluto! Pluto! Gib mir das Schicksal deiner Verdammten! Stenn' es nicht Liebe! — Wirf mich mit diesen Armen Zn die zerstörende Qual! Parzen. Unser! unser! hohe Königinn! Anbeason erscheint bey den Worten: Abscheu und Gemahl re. Mandandane richtet die Apostrophe an ihn, und sticht vor ihm mit Entsetzen. Er erstaunt, sieht sich um, und folgt ihr voster Verwunderung.

Dd r

Fünf-

4iü

Der Triumph der Empfindsamkeit.

Fünfter Act. B o r s a a l. Mana.

Sora.

Lato.

Mela.

Sora. 5«6e Schwestern, es koste was es wolle, wik

müssen in des Prinzen Zimmer. Mana.

Aber die Wache?

Sora. Die hindert uns nicht; es find Man­ ner. Wir wollen ihnen schon thun, und Wein ge­ ben ; damit führen wir sie wie wir wollen. Lato.

Laß sehn!

Sora. Zch habe vom süßen Wein genommen, und ihn mit Schlaftrunk gemischt. Denn, ihr Kin­ der, e< liegt viel dran. Mela.

Wle so?

Sora. Wer nicht neugierig ist, erfährt nichts. Mir brannt' cs auf dem Herzen zu wissen, rvie's im Zimmer wohl seyn mochte, wenn die schönen Sa­ chen alle spielten. Gegen Mitternacht schlich ich mich an, und guckte durch einen Ritz in der Thür, den ich von Alkers her wohl kenne. Mana.

Der Triumph der Empfindsamkeit. 41z Was sahst du?

Mana.

Was ihr nicht denkt! Nun glaub'ich

Sora.

wohl,

daß der Prinz gegen uns so unempfindlich

blieb, so verachtend von uns wegging!

Lato. Ach! er ist ein schöner Geist von der neuen Sorte, die sind alle grob.

Er führt seine Gr«

Das nicht allein.

Sora.

liebte mit sich herum.

Nicht möglich!

Mana-

Lato.

Ey wie? Wenn ich euch nichts aufspürte! Zn

Sora.

dem verfluchten Kasten, in der gehcimnißvollen Laube sitzt sie.

Mich wundert nur,

wie sie sich mag so

Herumschleppen lassen, so stille sitzen! Drum wurde das Ding von Maul­

Mana.

eseln getragen! Mela.

Wie sieht sie aus?

Sora.

Zch habe nur einen Zipfel vom Kleide

sehen können, und daß der Prinz ihre Hand nahm

Gar nichts weiter.

und küßte.

Hernach entstand

ein Geräusche; da ruscht' ich fort. O laßt uns sehen *

Lato.

Mana. Sora. erfahren.

Wenn sich's nur schickte! Es ist ja Nacht, kein Mensch wird es

Zch habe schon den Hauptschlüssel.

spielt mit der Wache hübsch die Mädchen.

Nun

Der Triumph der Empfindsamkeit,'

4T4

Musik. Die Frauenzimmer spielen unter sich kleine Spiele. Die von dec W ache kommen einzeln herein und sehen zu; sie rufen einander herbey, endlich mischen flc sich in die Spiele. Die Fräulein thun erst fremd, dann freund» lich, endlich bringen sie Wc',n und Früchte; Die Jung» linge lassen sich's wohl schmecken, Tanz und Scherz geht sott, bis die Wache anfdngt schläfrig zu werden; sie tau# mein hin und her, zuletzt in die Coulissen, und die Mild» chen behalten das Feld. Nun fc'sch ohne Zeitverlust in'S Zim-

Sora

wer! Laßt uns die Verwegene aus ihrer Dunkelheit reißen, ihre Schande zu unserm Triumph offenbaren!

Alle ab.

Der Hintere Vorhang geht auf, das Theater verändert sich in die Waldscene. Nacht ohne Mondschein- Um die Laube ist alles düster und fii'lr- Oie vier Fräulein kommen mit Fackeln: Pantominv' u >d Tanz, worin sie Neugierde und Verdruß «»«drücken. Sie eröffnen die Laube, leuchten starrend hinein, und fahren zurück.

Sora. Lato.

Was ist das? Maudandane!

Ein Gespenst oder Andrasons Gemah­

linn! Mela.

Eine Maske.

Das steckt darnnter?

Sie nähern sich wieder allmählig. Mana.

Wir wollen sie anrufcn.

Lato.

Heda, junge Dame!

Sora.

Sie rührt sich nicht.

Mela. kch fürchte, Sora.

Ich dächte, wir blieben aus dem Spiele,

es steckt Zauberey dahinter. Ich muß es doch naher beseh«.

Mana.

Der Triumph der Empfindsamkeit. 415

Mana. Nimm dich in Acht! wenn'S auf« fährt — Lato. Sie wird dich nicht beißen. Mela. Zch gehe meiner Wege. Sora die es amiihrtund jiirückfährt. Haß Mana.^ Was gibt's? Mela. Es ist warlich lebendig! Sollt' es denn Mandandane selbst seyn? Es ist nicht möglich! Lato indem sie sich Immer »eiter entfernt. Wir müsscn'S doch heraus haben. Mela. So redet es doch an! Sora di« sich furchtsam nähert. Wer du auch seyst, seltsame, unbekannte Gestalt, rede! rühre dich! und gib uns Rechenschaft von deinem abenteuerlichen Hierseyn! Mana. Es will sich nicht rühren. Lato. Geh' eins hin und nehm' ihr die Maske ab. Sora. Zch will einen Anlauf nehmen! Kommt alle mit! Sie halten sieb an einander, und es rerrt eine die andre nach sich, bis zur Laube. Mana. Wir wollen am Sessel ziehen, ob's leicht oder schwer ist? Sie ziehen am Sessel und bringen ihn mit leichter Mühe bis ganz hervor an's Theater; sie gehen drum he« um, machen allerley Versuche, die Maske fällt herunter, und sie thun einen allgemeinen Schrey. Mana. Eine Puppe! Dd4

So«

4'6 Dee Triumph der Empfindsamkeit. S v i st

Laro.

So> a.

Sine ou-gestopfte Nebenbuhlerinn!

O ein schönes Gehirn! Wenn sie eben so ein Herz hat.

Mana. Die soll uns nicht umsonst vexirt ha« ben! Ausbleiben soll man sie und in den Garren steh (en, die Vögel damit zu scheuchen.

Lato. So tW ist mir in meinem Leben nicht Vorgekommen. Mela. Es ist doch ein schönes Kleid. Mana. Man sollte schwören, es gehöre Man» dandanen. Mela. Ich beg.eife nicht was der Prinz mit her ‘T'unpe w'll Sie versuchen an der Puppe verschiedenes, entlich brin­ gen sie aus der sr>ru|t einen Sack hervor, und erheben ein lautes Geschrey, Sora. Mas ist in dem Sack? Laßt sehn, was ist in dem Sack? Mana. Häckerling ist drin, wie sich's anfüh« len laße. Sora. Es ist hoch zu schwer —Lato.

Meist,

Es ist auch etwas feste« drin. Diuixc ihn auf; laßt sehn ( Andrason kommt,

Ihr Kinder, wo seyd ihr? Ich such'euch überall, ihr Kinder. Man«.

Der Triumph der Empfindsamkeit.

Mana, Da stehl

Du kommst eben zur gelegenen Zeitl

Andrason. Was Teufel ist bas? Frauen Kleider? meiner Frauen Gestalt? Mana au-gestopft.

417

jeigentz.

>hm

meiner

Mit Hackerling

Sora. Sieh dich um; das ist die Natur, wo» xin her Prinz lebt, und das ist seine Geliebte. Andrason «uffahem»,

Sora.

Ihr großen Götter!

Mach nur den Sack auf?

Andrason au» tiefen Gedanke». Mana.

Halt!

Was ist dir, Andrason?

Andrason. Mir ist, als wenn mir in dieser Finsterniß ein Licht vom Himmel käme.

Sora.

Du bist verzückt.

Andrason. Sehr ihr nichts, ihr Mädchen? Begreift ihr nichts?

Mana. Za, ja! das Gespenst, das uns ge­ ängstet hat, ist begreiflich genug, und der Sack, heu ich in meinen Armen habe, dazu. Andrason. Sora. lachen.

Verehre die Götter!

Du machst mich mit deinem Ernst zn

A n h r a so n. Seht ihr nicht die Hälfte des mir Glück weissagenden Orakels erfüllt! —

Mana,

Daß wir nicht darauf gefallen find!

418

Der Triumph der Fmpfindsainkeit. Andraso n.

Wenn wird ein greifllch Gespenst vost schönen Händen entgeistert.

Sora.

Nichts kann klärer seyn *

Anbrason. Und der leinene Sack sein weide gibt her!

Eingee

Nun aufgemacht, ihr Kinder, laßt uns vor allem sehn, was der enthält! Sie binden ihn auf, und wie ste ihn umschütteln, fällt eine ganze Parthit Bücher, mit Häckerling vermischt heraus. A n d r a so n • Gebt Acht, das werben Zauber» büchcr seyn. Sr hebt «ins auf. Empfindsam« feiten!

Mana.

O gebt's her!

Die andern haben indessen die übrigen Bücher aufge­ hoben. Andrason. Was hast du? Siegwart, eine Klostergeschichte, in drey Bänden. Mana. S das muß scharmant seyn ’ Gib her, das muß ich lesen. — Der gute Jüngling.' Lato.

Sora.

Den müssen wir kennen lernen. Da ist ja auch ein Kupfer dabey!

Mela. Das ist gut, da weiß man doch, wie er ausgesehen hat. Lato. Er hat wohl recht traurig, recht inte« ressanr ausgesehn.

&

Der Triumph d«r Empfindsamkeit.

419

Es bleibt den Schauspielern Überlassen, sich hier auf -ure Art über ähnliche Schriften lustig zu machen.

A n d r a so n. «em Herzen! Mela. ein?

Eine schone Gesellschaft unter Ei«

Wie kommen die Bücher nur da her«

Audrason. Laßt sehn! Ist das alles? sr »en-et den Sack völlig um, es fallen noch einig» Diicher und

»iit -inkerUng h„«uj.

Da kommt erst die Grund­

suppe !

Sora.

O laßt sehn!

Andrason. Die neue Heloisel—wel« ter! — Die Leiden des jungen Wer­ thers! — Armer Werther!

Sora. seyn.

0 gebt's! das mußjja wohl traurig

Andrason. Zhr Kinder, da sey Gott vor, daß ihr in das Zeug nur einen Blick thun solltet! Gebt der! Er packt die Bücher wieder In den Sack Mam­ men, thut den Häckerling dazu und bindel's um.

Mana. Es ist nicht artig von euch, daß ihr uns den Spaß verderben wollt! wir hätten da manche schöne Nacht lesen können, wo wir ohnedem nicht schlafen.

A n d r a so n. Es ist zu euerm Besten, ihr Kin­ der! Ihr giaubt's nicht, aber es ist warlich zu eu« erm Besten. Nur in'S Feuer damit!

Mana.

Laßt sie nur erst der Prinzessinn sehn. An«

420

Der Triumph der Empfindsamkeit.

Andrason. Ohne Barmherzigkeit! Nach ein« Pause. Aber was erscheinen mir für neue Lichter auf dem dunkeln Pfade der Hoffnung! Ich seh'! ich seh', die Gotter nehmen sich meiner an.

Sora.

Was habt ihr für Erscheinungen?

A n d r a so n. Hört michDiese Bucher sollen nicht in'S Feuer!

Mana.

Daö ist mir sehr lieb.

Andrason.

Sora.

Und ihr sollt sie auch nicht haben!

Warum?

Andrason. sagt har;

Hört, was das Orakel ferner ge­

Wird die geflickte Draur mit dem Verliebten vereinet; Dann kommt Ruhe und Glück, Fra­ gender, über dein Haus.

Daß von dieser lieblichen Braut die Rede sey, da­ ist wohl keine Frage mehr. Wie wir sie aber mit dem lieben Prinzen vereinen sollen, das seh'ich noch nicht ein. Zch will auch nicht darüber Nachdenken: das ist der Götter Sache! Aber geflickt muß sie zu­ erst werden, das ist klar, und das ist unsere Sache!

Er thut den Sack wieder an den vorigen Ort, die Mäd­ chen helfen dazu, und man bittet, daß alles mit der größ­ ten Decenz geschehe. Darauf wird die Maske wieder vor« gebunden und die Puppe in gehörige Positur gefetzt,

Sora. Ich verstehe noch von allem dem kein Wort; und das, was mir an dem Orakel nicht ge­ füllt,

Der Triumph der Empfindsamkeit. Mt.

ist,

411

daß es von so gemeinen Sachen mir so

niedrigen Ausdrücken spricht.

Liebes Kind, die gemeinen Sa­

Andrason.

chen haben auch ihr hohes Znteresse,

und ick ver­

zeihe dir, daß du den riesen Sinn des Orakels nicht rinsiehst.

Mana.

Nun, so seyd nicht so gehelmnißvoll,

erklirrt einem was.

Zst eS nicht deutlich, meine schone

Andrason.

Kinder, daß in diesen Papieren eine Art von Talis­

man steckt; daß in ihnen diese magische Gewalt liegt,

die den Prinzen an eine abgeschmackte ausgestopfre Puppe fesselt,

'wozu er die Gestalt von eine« ehrli­

chen Mannes Frau geborgt hat?

Seht ihr nicht,

daß, wenn wir diese Papiere verbrennten, der Zau­ ber aufhören,

und er seine Geliebte als ein hohles

Bild der Phantasie gleich erkennen würde? Die Göt­ ter haben mir diesen Wink gegeben,

ihnen,

und ich danke

daß ich sie nicht mißverstanden habe.

O

hu liebliche, holde, geflickte Braut, möge die Kraft aller lügenhaften Träume auf dich herabsteigen! möge

dein papiernes Her;, deine leinene Gedärme so viel Kraft haben, den hoch und fein empfindenden Prin­ zen an sich zu ziehen,

geweihte Kerze»,

wie sonst magische Zeichen,

Alraune und Todtenköpfe,

Gei­

ster und Schähe an sich zu ziehen pflegen! — Die

Laube war wohl der Aufenthalt dieser himmlischen Nymphe? Kommt! wir wollen sie verwahren, alle­

in Ordnung bringen,

niemand etwa- davon ent­

decken,

432

Der Triumph der Empfindsamkeit,

decken, und derMilwirkung der Götter für's folgende gewiß seyn. Mana.

nun kommt mir's erst

Andrason,

wunderbar vor, daß ihr da seyd. Ein seltsames verdrängt die Em«

Andrason.

pfindung des andern. Sora.

Wie kommt ihr so schnell wieder, und

in tiefer Nacht bey uns an.

Andrason.

euch sagen

Laßt's

meine liebe Kinder.

und klagen,

Als ich von euch wegging, eilte Ich machre den Weg in

ich gerade nach Haufe. ziemlich kurzer Zeit;

das Verlangen,

mein Haus,

meine liebe Frau wieder zu sehen, wurde immer größer bey mir.

Ich fühlte mich schon in ihren Armen,

und letzte mich für die lange Abwesenheit recht herz­ Wie ich in meinen Schloßhof hinein trete, ihr Kinder, höre ich oben ein Gebrause, ein Getöne, lich.

Rufen, hohles Anschlägen und eine Wirthschaft durch einander» daß ich nicht anders dachte, als der wilde Zäger sey bey mir ekngezogen.

Zch gehe hinauf;

es wird immer ärger; die Stimmen werden unver«

nehmlicher und hohler,

je näher ich komme;

meine Frau höre ich schreyen und rufen,

sie unsinnig geworden wäre. ich in den Saal.

nur

als wenn

Ganz verwundert tret'

Zch finde ihn finster wie eine

Höhle, ganz zur Hölle decorirt und mein Weib fährt

mir in ungeheurer Leidenschaft und mit entsetzlichem

Fluchen auf den Hal«,

tractirt mich als Pluto, als

Scheusal, und flieht endlich vor mir,

daß ich eben wie

Der Triumph der Empfindsamkeit.

42z

tvle versteint dastehe und kein Wort hervorzubringen

weiß.

Mana.'

Aber um Gottes willen,

was war

Ihr denn? Andrason.

Wie ich's beym Licht besah, war'S

«in Manodramaj Mela.

Das muß doch ganz curios seyn.

Andrason. Nun muß ich euch noch eine Neuig­

keit sagen: sie ist mit hier.

Mana.

Mit hier?

Sora.

0 laßt uns gleich zu ihr gehen! Wik

haben sie doch alle recht lieb. Mana.

Wie kommt's denn aber, daß ihr sie

da ihr wißt,

der Prinz wird

Zhr kennt ja,

«eben Kinder,

mir hierher bringt,

wieder durchkommen? Andrason.

meine alte Gulmüthigkeit.

Wie sie sich aus ihrer

poetisch-theatralischen Wuth ein Bißchen erhohlt hatte,

war sie wieder gefällig und gut gegen mich.

Ich

«rzählte ihr allerley um sie zu zerstreuen, erzählte ihr

allerhand von euch und meiner Schwester; sie sagte, sie hatte längst gewünscht euch wieder einmahl zu sehn; ich sagte ihr, daß eine Reise ihr sehr gut seyn

würde, und weil die schnellsten Entschlüsse die besten

seyn, sollte sie sich gleich in de» Wagen setzen. nahm's an,

Sie

und erst hinterdrein fiel mir ein, daß

ich einen dummen Streich gemacht Hane, sie, ehe es

424

Der Triumph der Empfindsamkeit,

es nöthig war, mit dem Prinzen wieder zusammen zu bringen.

Doch war's gleich mein Trost,

wie

gewöhnlich, daß ich dachte, es entsteht viell-ickt etwas

gutes daraus.

Und wie ihr seht,

gelegner hätten

wir nicht kommen können. Mandandane,

Mana.

Sey

Feria

komme».

uns willkommen,

Mandan«

dane t Willkommen, meine Freun«

Mandandane.

diimen 1

Feria.

Das war

eine recht

unvermuthete

Freude. — Was macht ihr in des Prinzen Zim«

mer? Mandandane. Feria.

Ast das sein Zimmer?

Was gibt's denn da? was ist das?

Mandandane.

Wie?

Meine

Gestalt?

Meine Kleider? Wie wird das ausgehn 1

Andrason »orsich. Mana.

Wir haben diese ausgestopfte Puppe

die der Prinz mit sich her«

in der Laube gefunden, umschleppt. Sora.

Dieß ist die Göttinn,

die feine voll«

kommene Anbethung hat. Mandandane.

Mann,

Es istVerläumdungI Dee

dessen Liebe ganz in geistigen Empfindun«

gen schwebt, sollte sich mit so einem schalen Puppen« werk abgeben? Zch weiß, daß er mich liebt;

aber

eS

Der Triumph der Empfindsamkeit. es kst meine Gesellschaft,

435

die Unterhaltung, die er

für seinen Geist bey mir findet. — Ihn mit so

einem kindischen Spiel im Verdacht haben, heißt ihn und mich beleidigen!

Sora.

daß er euer An«

Man könnte sagen:

denken so werth hält, und euer Bild überall mit stch herum trägt,

um sich mit ihm wie mir ruck selbst

zu unterhalten.

Andrason leise ju ihr.

Halte dein verwünsch«

tcS Maul! Feria.

Ich weiß nicht was ich dazu sagen soll.

Mandaudane.

Nein; Sollte sein Anden«

teil so eine erlogene, abgeschmarkte Nahrung brau« chen; so müßte seine Liebe selbst von dieser kindischen

Art seyn; er würde nicht mich, sondern eine Wolke

lieben, die er nur nach meiner Gestalt zu modeln Belieben trüge.

Andrason.

Wenn du wüßtest,

womit

sie

«m-gestopft ist. Mandandane.

Mana.

Es ist nicht währ!

Wo sollten wir

Wir betheuern'-.

denn die Puppe her nehmen?

Sieh hier noch bet»

Platz, wo sie gesteckt hat. Andrason.

Wenn du es nicht glauben willst,

so ist das beste Mittel; wenn wir merken, baß de« Prinz wiederkommr,

nimm die Maske vor, sehe

dich selbst in die Laube,

Goethe'-W. 2. Band«

thue,

al- seyst

Ee

du mit Häcker«

426

Der Triumph der CmpsindsamkrE

Häckerling ausgestopft, und steh alsdann zu, ob wir wahr reden.

Die Äiidchm fetze» indeß die Puppe wieder in die SaUtzk: Mandandane. Wag.

Das ist ein seltsamer Vor»

tzeria. Laßt nnS gehen, eh' der Tag und je» tnanb von seinen Leuten uns überrasche

Lille ad di« auf Andrason, der Sora jüriickhäich AndrasoU. Sora.

Soras

Herr! Ich bin in der größten Kerl«

Andraso«. zenheic.

Sora.

Wie?

Andrason. Der fünfte Act geht zu Ende und tyir sind erst recht verwickelt! Sora.

So laßt den sechsten spielen!

Andrason.

Das ist außer aller Art.

Sora. Ihr seyd ein Deutscher, und auf dem Deutschen Theater geht alle« an.

A n d r a so n. Das Publicum bauert mich nur; « weiß noch kein Mensch woran er ist.

Sora.

Das geschieht ihnen oft.

Andrason. Sie könnten denken, wir wollte sie zum Besten haben. Sora.

Würden sie sich sehr irren?

Der Triumph der Empfindsamkeit.

Andrason. wir uns selber.

Sora.

427

Freylich! denn eigentlich spielen

Ich habe so etwas gemerkt.

Andrason. Ärulh gefaßt! — O ihr Gbt« ter! Seht wie ihr euerm Orakel Erfüllung, dem Zuschauer Geduld und diesem Stück eine Entwick« tung gebt! denn ohne ein Wunder weiß ich nicht, wie wir auf gute Art aus einander kommen ftllen.

428

Der Triumph der Empfindsamkeit,

Sechster Act. und

Wald

Laube.

Prinz und Merkulo. Prinz auf Sem Rasen liegens.

Merkulo vor sich.

Der Besuch beym Orakel

ist meinem Prinzen nicht wohl bekommen.

vorher betrübt, so ist er jetzt außer sich.

War e» Könnt' ich

seinen Schmerz nur zu Worten bringen! Zum Prinzen. Theuerster Herr!

Har die kurze Abwesenheit Ihr

Herz so gegen mich zugeschloffcn, daß Sie mich nicht würdigen, der Vertraute Ihres Schmerzes zu seyn,

da ich so oft der Vertraute Ihres Entzückens gewe­

sen bin? Prinz.

Zch verstehe nicht was sie sagen —:

und doch ist mir's,als wenn die Götter etwas großes

über mich verhängten.

Mein Gemüth ist von un­

bekannten Empfindungen durchdrungen. Merkulo.

Wie lauter der Ausspruch des Ora­

kels?

Prinz.

Seine Worte sind zweydeutig,

und

was mich am meisten verdrießt, ihnen fehlt der Stem­ pel

Der Triumph der Empfindsamkeit.

429

pel der Ehrfurcht, den meine Fragen und mein Zu« stand selbst den Göttern einflößen sollten. Ich bath sie mit gerührtem Herzen, mir zu entwickeln: Wann

denn diese stürmische Bewegung meines Herzens end­ lich aufhören, wann dieses Tankalische Streben nach

ewig fliehendem Genuß endlich crsättiget werden, würde? wann ich, für meine Mühseligkeiten und Leb> den endlich belohnt, die Entzückungen mit der Ruhe,

und diese holde Traurigkeit mit einem bestätigten Her­ zen würde verbinden können? Und was gaben fit

mir für eine Antwort! Ich mag sie meinem Ge­ dächtniß nicht wieder zurück rufen! Nimm und lies. Er gibt ihm eine Rolle.

Merkulo liest: Wird nicht ein kindisches Spiel »om:

ernsten Spiele vertrieben,

Wird dir lieb nicht und werth,

was

du besitzend nicht hast, Gibst entschlossen dafür, was du nicht habend besitzest; Schwebt in ewigem Traum,

Armer,

dein Leben dahin.

Ein witziges Orakel l

ein antithetisches Orakel!

er liest «eiter:

Was du thöricht geraubt, gib du dem Eigener wieder;

Eigen werde dir dann, was dufo ängst­ lich erborgst.

Ee z

Oder

chzs

Der Triumph der Empfindsamkeit.

Oder fürchte den Zorn der überschw« beyden Götter!

FL rchte Tantals Geschick hier und übe^ dem Fluß. Prinz.

Warum mußt' ich Thörichter frageu,

ha ich nunmehr wider meinen Willen folgen,

oder

her Götter Zorn auf mich laden muß!

Merkulo kann nach Belieben den Orakelspruch rote* verhohlen, Anmerkungen machen rc- bis er glaubt, daS Mublicum hake die Worte genugsam gehöre.

Bey dieser Gelegenheit,

Merkulo.

dächt'

ich, könnten Sie Sich immer mit der Unwissenheit denn ich sehe wenigstens nicht, wie

entschuldigen;

Las Orakel prätendiren kann,

daß man's verstehen

soll. Prinz.

Ich versteh'es nur zu wohl!

-ke Worte; aber de» Sin».

Nicht

Gegen »le Laube gekehrt.

Dich soll ich weggeben! Dich soll ich aufopfcrn' Als,

wenn ich Ruhe der Seele und Glück erwerben könnte,,

wenn ich mich ganz zu Grunde richte! Merkulo.

Freylich lassen sich allenfalls bla

Worte des Orakels dahin deuten.

Prinz. Es ist allzugrausam!

Wegzugeben was ich habe« Götter ach! ist allzuviel. Mer-

Der Triumph der Empfindsamkeit. 43t Merknlo. Nenn«« doch die hohe Gabe Götter selbst ein Kinderspiel!

Prinz. Ich verliere diese Freuden! Mir verschwindet diese« Licht!

Merkul0

vor sich,

O wahrhaftig! zu beneiden Sind die Seligkeiten nicht» Prinz.

Götter neiden dieß Entzücken« Nnd ste neunen cs ein Spiel.

Merknlo. Uns weit besser zu erquicken Gibt's noch andrer Sachen viel.

Prinz. Es ist ein entsetzlicher Entschluß, -erin meiner Seele sich hin und her bewegt, und was für Empfindungen auf- und absteigen, die mir die­ sen Entschluß bald zu erleichtern, bald zu erschwe­ ren scheinen! — Laß mich allein, und sey bereit, auf meinen Wink alle meine Leute, alle Bewohner dieses HauseS zusammen zu rufen r denn was ich thun will, ist eine große und männliche That, und leidet de« Anblick vieler Zeugen. Merknlo. hange.

Bester Herr,

Sie machen mke

Ee 4

Prtnzr

tz»

Der Triumph der Empfindsamkeit. Erfülle deine Pflicht.

Prinz.

im Weggehen itmfebrtnk

Merkulo

Noch eins!

Andreson ist wieder hier; wollen Sie den auch zum Zeugen haben? Himmel! Andrason!

Prinz.

Merkulo.

Er selbst.

Zch hab' ihn, wie ich

ausstanh, mit seiner Schwester am Fenster gesehen. Laß mich allein! — Meine Sinnen

Prinz.

verwirren sich; ich muß Luft haben, um die tausend

Gedanken, die in mir durch einander gehn, zurecht

zu legen.

Merkulo ab. Prinz

allein, nach einer Panse.

Fasse dich! entschließe dich: denn du mußt! —

Weggeben sollst du das,

was beth ganzes Glück

macht; aufgeben, was die Götter wohl Spiel nen­

weil ihnen die ganze Menschheil ein

nen dürfen,

Spül zu seyn scheint. Laude auf.

filzt drin.

Dich weggeben!

Er macht di«

Mandand ane mit einer Maske vor dem Gesicht

Es. ist ganz unmöglich!

ich nach meinen» eignen Herzen, reißen! und doch 1 —

Es ist als griff' um es heraus;»«

Er fährt zusammen und von der

Was ist das in mir! wie unbegreiflich» Wollen mir die Götter meinen Entschluß erleichtern ? Laube «eg.

Soll ich mir's läugnen ober gestehn? Zum erstcnmahl

fühl' ich den Zug, Gestalt zieht,

der mich nach dieser himmlischen

sich verringern!

Diese Gegenwart

umfängt mich nicht mehr mit dem unendlichen Zau­

ber, der mich sonst vor ihr mit himmlischen Nebels bedeckte!

Dee Triumph der Empfindsamkeit. 433 bedeckte I

in meinem Herzen ent­

5(1’6 möglich?

wickelt, bestimmt sich das Gefühl: du kannst, du willst

sie weggeben! — Es ist mir unbegreiflich!

Sc geht

Geliebtcste! Er «endet kurz «jeder nmNein, ich belüge mich! Mein Herz ist nicht hier! auf sie l»S.

Zn fremden Gegenden schwärml'S herum, und sucht nach voriger Seligket —

Mir ist's, als wenn du

tS nicht mehr wärest, als wenn eine Fremde mir untergeschoben wäre.

O ihr Götter!

die ihr so

grausam seyd, welche seltsame Gnade erzeigt ihr mir

wieder, daß ihr mir das so erleichtert, was ich auf «uern Befehl thuet — Za, lebe wohl! Von un­ gefähr ist Andrason nicht hier.

Zch hatte ihm die

beste Hälfte seines Eigenthum« geraubt; hier nehme er sie wieder!

Und ihr,

himmlische Geister,

gebt

euerm folgsamen Sohn au« den Weiten der Welp neue»unbekannte« Glück! Erruft:

Mcrkulv!

Merkulo kommt.

Prinz.

Dringe sie zusammen, die Meinigen,

da« HauS: könnt' ich die Welt zusammen rufen, sie sollte Zeuge der wundervollen That seyn!

Merkulo ah.

Oer Prinz verschließt die Laube. Unter einer feierli­ chen Musik kommen, der Oberste, die Wache, da­ ganze Gefolge, nach ihnen die Fräulein, alles stellt sich zu beyden Seiten, wie sic stehen müssen, um da« Schluß-Pallet aozufangcn. Zuleyt kommen Feria, und Andrason mit Merkulo. OieMusik hört auf. Prinz.

Tritt näher,

Andrason,

mid) einen Augenblick geruhig an.

und höre

Bisher sind wir

nicht die besten Freunde gewesen: nunmehr haben die

Ee 5

Göt-

434

Der Triumph der Empfindsamkeit«

Götter nvt die Augen geöffnet.

Das Unrecht, seh*

war auf meiner Seite; ich raubte dir die bests Hälfte des Weibes das du liebst. Auf Befehl der Unsterblichen qe6* ich dir sie zurück. Nimm als ein Hciügthum wieder, was ich als ein Heiligthum 6c* wahrt habe; und verzeih' das Vergangne meiner" Noth, meinem Zttlhnm, niemer Jugend, und meH ner Liebe! ich,

Andrafon laut. Was soll das heiße»? Pvr sich. Was wird daS geben? Prinz evoflnct d>; Laube, mau sieht MandaiitaNe sitzen.

Hier, erkenne das Geheimniß und empfange sie zu»

rück! Andrason. Meine FrauI Du entführst mirweine Frau? schleppst sie mit dir herum? beschlm» pfest mich öffentlich, da du sie mir vor den Auge« aller Welt zurückgibst? Prinz. Dieß sey dir ein Beweis der Heilig­ keit meiner Gesinnungen, daß ich jetzt das Licht nicht

scheue! Andraso n. rächen

Himmel und Hölle! Ich wist eS

Er greift nach dem Schwert, Ferra hält ihn, ei

-»richt teile zu ihr.

Laß seyn! Ich Muß ja so thun.

Prinz. Entrüste dich nicht! Mein Schwert hat auch eine Schärfe. Sey stille, gib der Vernunft Gehör! Du kannst nicht sagen: Es ist mein Weib; M es ist doch dein SB(?i6. A-

Der Triumph der Empfindsamkeit. Andrason.

435

Ich hasse die Räthsel t Nach einem

Airgenblick, stille vor NH.

Zch erstaune! Wieder enr«

bindet sich in meiner Seele ein neuer Verstand, eine

Erklärung der letzten Worte des Orakels! Wär' es

möglich? O helft mir, gütige Gotter!

raut.

Ver­

zeih'! ich fühle, daß ich dir Unrecht thue.

Hierin

ist Zauberey oder eine andere geheime Kraft, die der

Menschen Sinne zwiespältig mit sich sechsten macht. Was soll ich mit zwey Weibern thun?

Ich verehre

den Wink des Himmels und deinen Schwur. Diese Nehm' ich wieder an; aber gern geb' ich dir jene da­ gegen , die ich gegenwärtig besitze.

Prinz.

Wie?

Andrason.

Bringt sie her!

Die Sklaven ab,

Prinz.

Sollte ich nach so viel Leiden noch

glücklich werden können? Andrason.

Vielleicht thun hier die Himm­

lischen ei» Wundep, bringen.

um uns beyde zur Ruhe zu

Laß uns diese beyde als Schwestern be­

trachten, jeder darf Eine besitzen, und jeder die sei« »ige ganz.

Prinz.

Ich vergeh' in Hoffnung!

Andrason.

Komm du auf mein Theil, immev

gleich Geliebte. Die Mohren heben den Sessel aus derkauke und setzen tyn an die linke Seife des Grundes.

Man-

4Z6

Der Triumph der Empfindsamkeit.

Mandandane im Begriff die Maske abzuwerfeit, an AndrasaiiS Hals. Andrason

nehmen läßt.

O Andrason! der ste nicht aufstehn noch di« Maske ab«

Still Püppchen! Stille Liebchen! Er

naht öit entscheidende Augenblick! Die Sklaven bringen die Poppe, der Print auf sie lo«. und füllt vor ihr nieder. Prinz.

Himmel sie ist'«.'

Himmel sie i|t’

48z.

Epilog. Der erste, der den Inhalt dieses Stücks Nach seiner Weise auf's Thearer brachte, War Aristophanes, der ungezogne Liebling der Granen. Wenn unser Dichter, dem nichts angelegner ist, Als euch ein Stündchen Lust Und einen Aug nb ick Beherzigung Nach seiner Weise zu verschaffen, In ein und anderem gesündigt hat; So bittet er durch meinen Mund Euch aUseitö um Verzeihung. Denn, wie ihr billig seyd, so werdet ihr erwägen, Daß von Atbcn nach Ettersburg Mit einem Salto mortale Nur zu gelangen war. Auch ist er sich bewußt, Mit so viel Gutmüthigkeit und Ehrbarkeit Des alten declarirren BosewichtS Verrufene Späße Hier eingeführr zu haben, Daß er sich euere Beyfalls schmeicheln darf. Dann bitten wir euch, zu bedenken. Und etwas Denken ist dem Menschen immer nütze, Daß mit dem Scherz es wie mit Wunden ist, Die ni mabls nach so ganz aemeßnem Maß Und reinlich abgezogenem Gewicht geschlagen werden. Wir

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D i e B ö g e l.

Dir haben, nur gar kurz gefaßt. Des ganzen Werkes Eingang Zur Probe hier demüthig vorgestellt» Sind aber auch erböchig, Wenn es gefallen hat, Den-weiteren weitläufigen Erfolg Von dieser wunderbaren doch wahrhaftigen Geschichf Nach unsern besten Kräften vorzutragen.