Vermischte Schriften: Band 1 [Reprint 2020 ed.]
 9783112378700, 9783112378694

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VERMISCHTE

SCHRIFTEN VON

L. GOLDSCHMIDT, W E I L A N D GEHEIMEM J U S T I Z K A T H UND PBOFE9SOR A K UNIVERSITÄT

DER

BERLIN.

ERSTER BAND.

BERLIN 1901. J. G U T T E N T A G ,

VERLAGSBUCHHANDLUNG, G. M. B. H.

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er verewigte Geh. Justizrath Professor Dr. L. Goldschmidt hat mich letztwillig zum Testamentsvollstrecker ernannt und meinem besten Ermessen die Entscheidung darüber überlassen, ob die bereits veröffentlichten oder im Nachlass befindlichen unveröffentlichten Schriften zur weiteren Publikation bezw. ob sie sich überhaupt zur Publikation eignen. Gleichzeitig hat er seinen »lieben ehemaligen Schüler und Freund«, Herrn Professor Dr. Pappenheim (Kiel), ersucht, mich dabei mit seinem Rath zu unterstützen. Nach dem Tode Goldschmidts haben Herr Professor Pappenheim und ich uns zunächst der Durchsicht des ungedruckten, aus 106 Mappen bestehenden, literarischen Nachlasses unterzogen. Wir hatten uns dabei der Unterstützung des Herrn Gerichtsassessor (jetzigen Hilfsarbeiters im Reichsjustizamt) Dr. Heinrich Göppert zu erfreuen, der die mühevolle und schwierige Ordnung des gesammten Materials in liebenswürdiger Bereitwilligkeit bewirkt hat. Die Mappen enthielten überwiegend Kollektaneen zu den verschiedensten Gebieten des Rechts, von denen nur ein kleinerer Theil von Goldschmidt bei seinen Veröffentlichungen verwerthet worden ist. Der Rest bestand aus Kollegienheften, Gutachten, Entwürfen verschiedenster Art. Die Durchsicht dieses Materials musste uns mit Wehmut und Ehrfurcht erfüllen. Mit Wehmut, wenn wir bedachten, dais der Einzige dahingegangen war, der die in den Sammlungen ruhenden, durch mehr als ein Menschenalter gesammelten Schätze heben konnte. Mit Ehrfurcht, wenn wir uns der — wie Windscheid in einem Privatbrief es bezeichnete — »unglaublichen Gründlichkeit« Goldschmidts bewusst wurden, in der sich sein Wahrheitstrieb bethätigte. Bezeichnend ist, dass

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sich für einzelne Theile seiner handelsrechtlichen Vorlesungen nicht weniger als sechs vollständig selbstständige Bearbeitungen (abgesehen von Varianten, die er jährlich hinzufügte) fanden; dass zu einzelnen Paragraphen der Universalgeschichte druckfertige, von den veröffentlichten völlig verschiedene Entwürfe in Reinschrift vorhanden waren; dass Goldschmidt, um die degustatio des römischen Rechts sachgemäss behandeln zu können, sich in önologische Studien vertiefte und umfangreiche Auszüge aus önologischen Schriften anfertigte. Die Hoffnung, dass die Fortsetzung der Hauptwerke Goldschmidts sich ermöglichen lassen würde, ging nicht in Erfüllung. Für die Universalgeschichte des Handelsrechts fanden sich nur die Anfänge einzelner Paragraphen. Das S y s t e m des Handelsrechts war von Goldschmidt in den letzten Auflagen mehr und mehr durch »Ausführungen« »lehrbuchartigen« Charakters erweitert worden; in der vierten Auflage (1892) war bereits etwa der vierte Theil der Paragraphen in dieser Weise erläutert. Der Versuch, die übrigen Paragraphen aus Goldschmidts Kollegienheften zu ergänzen, musste schon desshalb aufgegeben werden, weil diese Kollegienhefte schwer zu entziffern und vielfach mit Notizen versehen waren, deren Bedeutung nicht erhellte. Wiederholt sind Kollegienhefte, die von Zuhörern nachgeschrieben waren, veröffentlicht worden; der Erfolg konnte nicht zur Nachahmung ermutigen. Gegenüber Goldschmidt musste ein solches Unternehmen um so mehr als unzulässig erscheinen, als ihm »die Rechtswissenschaft zugleich eine Kunst« war und die künstlerische und formvollendete Prägung des in mühsamer Geistesarbeit errungenen Ergebnisses wissenschaftlicher Untersuchungen ihm in hervorragendem Maasse eignete, diese Prägung aber in den Kollegienheften naturgemäss noch nicht zum Abschluss gelangt war. Was das H a n d b u c h des Handelsrechts anbetrifft, so war dessen zweite Auflage bis zu einem Punkte gelangt, wo Goldschmidt — wie er im Februar 1884 einem Freunde schrieb — neuer und besonderer Bearbeitung der B e s i t z l e h r e »als Grundlage für die Fortsetzung« seines Handbuchs zu benöthigen glaubte. Die dieses Thema behandelnde Schrift, an der Goldschmidt jahrelang gearbeitet hatte, wurde nie ver-

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öffentlicht, und dieser Umstand hat es offenbar auch verschuldet, dass das Handbuch nicht fortgeführt wurde. Im Frühjahr 1884 wurde Goldschmidt, unter dem Einfluss einer durch übermässige Arbeit eingetretenen Abspannung, von Zweifeln darüber befallen, ob die vorgenannte Schrift, die er kurz vorher als seine beste erklärt hatte, irgend einen Werth habe. Er sandte in Folge dessen die ersten Druckbogen an Windscheid und bat ihn um sein wissenschaftliches Urtheil. Trotz aufmunternder Antwort Windscheids, der sogar erklärte, dass er in der Goldschmidtschen Feststellung des Gewaltbegriffs einen Fortschritt sehe und sich ihr »mit einigem Vorbehalt anschliessen« könne, liess Goldschmidt die weitere Drucklegung einstellen. Als er dann wieder gesundete, wandte er sich in den folgenden arbeitsreichen Jahren anderen Aufgaben zu, vor Allem der Universalgeschichte des Handelsrechts. Wenn bei dieser Sachlage die Arbeit über die Besitzlehre jetzt der Oeffentlichkeit übergeben wird, so waren hierbei folgende Gesichtspunkte maassgebend. Zunächst war der Zustand des Manuskripts ein derartiger, dass die Veröffentlichung gewagt werden konnte, nachdem Herr Dr. Göppert in dankenswerther Weise es übernommen hatte, die Schrift druckfertig zu stellen und die Drucklegung zu überwachen. Die Gutachten der Herren Professoren Pernice und Lenel, welche die Goldschmidtsche Arbeit in liebenswürdigster Weise einer Prüfung unterwarfen, Hessen die volle Ueberzeugung gewinnen, dass die s. Z. von Goldschmidt selbst erhobenen Zweifel an der wissenschaftlichen Bedeutung der gewonnenen Ergebnisse lediglich auf seinen damaligen Gemütszustand zurückzuführen waren. Er selbst war auch von diesen Zweifeln später offenbar zurückgekommen. Nur so ist erklärlich, dass er vier Jahre später (1888) in der Festgabe für Gneist unter dem Titel »Studien zum Besitzrecht« einige nicht unwichtige Theile der Arbeit veröffentlichte, aus denen seine Grundanschauung immerhin erkennbar ist. Die letztwillige Verfügung, der ich mein Ehrenamt verdanke, ist von demselben Jahre, 1888. Wenn Goldschmidt die Veröffentlichung der Arbeit über den Besitz nicht ge-

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Einleitung.

wünscht hätte, so wäre es naheliegend gewesen, dass er diesen Wunsch letztwillig oder wenigstens mündlich geäussert hätte. Ich glaube daher annehmen zu dürfen, dass sie im Sinne des Heimgegangenen liegt. Nicht beeinflusst konnte die Entschliessung durch den Umstand werden, dass seit dem 1. Januar 1900 das römische Recht, zu dessen Erkenntnis unmittelbar die Abhandlung bestimmt ist, geltendes Recht im Gebiete des Deutschen Reichs nicht mehr darstellt. Denn abgesehen von der rechtsgeschichtlichen Bedeutung sind die Ergebnisse derartige, dass, wie Goldschmidt selbst annahm, »jede hier gewonnene Mehrung der Einsicht indirekt auch der Wissenschaft und Praxis des kodifizierten Rechts zu Gute« kommt. Dies um so mehr, als der »Besitzbegriff jeden Rechts ein elementarer und zwar gesellschaftlicher Urbegriff« ist oder, wie es an anderer Stelle heisst, ein »Verkehrsbegriff, welchen wir nach der Anschauung und dem Bedürfnis der Gegenwart, in dieser Beziehung dem grossen Muster der römischen Juristen folgend, zu verstehen und juristisch zu gestalten haben«. Gerade weil der Besitz ein thatsächliches Verhältnis ist, war der Begriff den römischen Juristen ein elastischer, sein Inhalt ein mit der Anschauung und Entwicklung des Verkehrs wechselnder. Der Richter hat zu prüfen, »ob diejenigen Kriterien vorliegen, an welche das (zeitige) durch Sitte und Recht beeinflusste Gemeinbewusstsein das Vorhandensein der thatsächlichen Macht (potestas) knüpft«. Da auch unser Bürgerliches Gesetzbuch sich jeder Definition des Besitzbegriffs enthält, der Besitz aber auch nach dem B.G.B, durch die Erlangung der »thatsächlichen Gewalt» erworben (§ 854), durch Verlust der »thatsächlichen Gewalt« beendigt (§ 856) wird, so steht, scheint mir, der Uebertragung der Endergebnisse der Goldschmidtschen Abhandlung auf unser neues Recht um so weniger etwas entgegen, als die Römer eben hier weder auf Grund juristischer Konstruktion noch auf Grund positivrechtlicher Normirung, sondern lediglich aus scharfer Beobachtung der Lebensvorgänge zu ihren Schlüssen gelangt sind: »Die ,Gewalt' ist civilisirt... ist aber im Wesentlichen, was sie von Urzeiten an war: thatsächliche Herrschaft nach der nur allmählich verfeinerten Anschauung des Verkehrs.« Dass übrigens die Wissenschaft des bürgerlichen Rechts an den neuen Faden, der ihr hier gereicht wird, an-

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knüpfen wird, ist um so mehr zu erwarten, als schon die »Studien zum Besitzrecht« nicht ohne Einfluss auf das erste vollendete grössere Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts gewesen sind 1 .

Goldschmidt wollte die Schrift über den Besitz nicht als gesondertes Buch, sondern als erste Abhandlung einer Sammlung vermischter Schriften veröffentlichen, die auf drei bis vier Bände berechnet war und theils neue Arbeiten, theils Neudrucke von früher veröffentlichten Arbeiten enthalten sollte. Ihm war nicht beschieden, eine solche Sammlung herauszugeben. Die Zurückziehung der »Besitzlehre« bestimmte ihn, den ganzen Verlagsvertrag rückgängig zu machen. Die jetzt zur Veröffentlichung gelangenden Bände wollen theilweise ersetzen, was damals durch widrige Umstände der Rechtswissenschaft verloren gegangen ist. Sie enthalten — aufser den Grundlagen der Besitzlehre — zum Theil unveröffentlichte Arbeiten von allgemeiner Bedeutung (I 2—5, 9); im übrigen Abhandlungen, die theils in. der Zeitschrift für das gesammte Handelsrecht, theils anderwärts veröffentlicht sind. Goldschmidt hat führend und fördernd auf den mannig-> fachsten Gebieten die Wissenschaft und die Entwicklung des Rechts beeinflusst2. Aus seinen grossen Werken — dem 1 F . E n d e i n a n n , Einführung in das Bürgerliche Recht II § 25 Anm. 5, § 29 Anm. 3. 1 Die Würdigung dieser Thätigkeit darf nicht Aufgabe dieser Vorrede sein. Indessen mag darauf hingewiesen werden, dass das Lebensbild Goldschmidts in zwei eingehenden Schriften gezeichnet ist: P a p p e n h e i m , Levin Goldschmidt (Stuttgart, Enke 1897, auch in der Zeitschrift für das ges. Handelsrecht Bd. 47 S. I ff.) und R i e s s e r , L. Goldschmidt, Gedächtnissrede (Berlin, Liebmann 1897), letztere Ubersetzt von Bruschettini (Ancona, Morelli 1898). Eine umfassende Würdigung enthält: Sacerdoti, L'opera scientifica di Levin Goldschmidt (Turin, Bocca 1898; auch Volume in onore di Francesco Schupfer Parte III). Nachrufe sind ferner veröffentlicht von L a b a n d , in der Deutschen Juristenzeitung 1897 S. 296 ff.; G r ü n h u t , Neue Freie Presse vom 20. Juli 1897; A d l e r , Juristisches Literaturblat 1897 S. 151 ff.; V i d a r i , Archivio Giuridico »Filippo Serafini« Vol. LIX fasc. 6; Anonymus in den Annales de droit commercial 1897 p. 319 s.; L y o n - C a e n , Bulletin de la société de législation comparée 1898 p. 119 s.; F. H. in der Tidsskrift for Retsvidenskab 1897.

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Handbuch, der Universalgeschichte und dem System — ist diese Rolle nur theilweise erkennbar. Wer ein Bild seiner Thätigkeit erlangen will, muss auch die zahlreichen Einzelschriften und sonstigen vielfach zerstreuten und zum Theil schwer zugängigen Veröffentlichungen berücksichtigen. So glaubte ich denn, dass die Neuveröffentlichung einer beschränkten Zahl die Lebensarbeit Goldschmidts, wenn auch in kleinem Maassstabe und in engem Rahmen, klarer hervortreten lassen wird. Diese Zwecke waren bei der Auswahl maassgebend, bei der mir Herr Professor Pappenheim mit seinem werthvollen Rath zur Seite stand. Zunächst ist thunlichst aus den Hauptgebieten seiner Thätigkeit wenigstens ein Aufsatz aufgenommen worden. In jungen Jahren hat er der w i s s e n s c h a f t l i c h e n Bedeutung des deutschen Handelsrechts die Wege gewiesen (II 1), indem er der historischen Schule zwar gerecht wurde (I 9), ohne doch die in ihrer Einseitigkeit liegenden Mängel zu verkennen. Die geschichtliche Betrachtung der einzelnen Rechtsinstitute, für die er unablässig bemüht war (II 6, 7, 8, 13), und die er in seinem Handbuch (Universalgeschichte) überall zum Ausgangspunkt nahm, befähigte ihn zu der knappen und doch tiefen Zusammenfassung der Geschichte des Handelsrechts (II 2). Entschiedener Gegner eines seichten Motivenkultus, trat er doch in dem Streit über die Bedeutung der Nürnberger Protokolle mit Energie gegen diejenigen auf, die ihnen in Wirklichkeit jede Bedeutung für die Rechtswissenschaft absprechen wollten (II 3). Auf dem Gebiet der R e c h t s d o g m a t i k wurden seine Arbeiten vielfach von grundlegender Bedeutung. Im Anschluss an Savigny verficht er bezüglich der Werthpapiere die Eigenthumstheorie, die er ausbaut und für die er mit aller Schärfe und Ueberzeugungskraft den Gegensatz von Recht und Rechtsausweis (Legitimation) entwickelt (II 5, 6). Ueber den Begriff der gemeinschaftlichen Urkunden und die Editionspflicht der Handelsbücher schafft er Klarstellung (II 9). Der Begriff der vis maior, wie er ihn für das receptum cauponum entwickelt, gab der deutschen Rechtsprechung die Richtung (II 12).

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Seine Thätigkeit als G u t a c h t e r war eine umfangreiche. Bekannt geworden ist sie besonders aus dem Lucca-PistojaAktienstreit. Die vorliegende Sammlung enthält ausser dem schon erwähnten Gutachten über gemeinschaftliche Urkunden (II 9): das namentlich auch mit Rücksicht auf die Unterschiede gegen das reichsgerichtliche Urtheil vom 5. Juni 1882 (I 291/82) interessante Gutachten über die Zulässigkeit der Verlegung des Sitzes der Rumänischen Eisenbahnaktiengesellschaft von Berlin nach Bukarest (I 3), das dem preussischen Minister der öffentlichen Arbeiten erstattete Gutachten über die Rechtsverhältnisse der unter Staatsverwaltung stehenden Privatbahnen (I 2), sowie das durch die Art der Feststellung des Parteiwillens ausgezeichnete Gutachten für die Firma Melly Forget & Co. (I 5). Der Berufsgenossen, die vor ihm dahinschieden, hat er vielfach durch N a c h r u f e gedacht, die ebenso für die Wärme seines Herzens wie für die Gerechtigkeit seines Urtheils sprechen. Die vorstehende Sammlung bringt deren drei: nämlich einen Vortrag über Savigny (I 9), einen ausführlichen Nekrolog auf Mittermayer (I 10), sowie einen kürzeren Nachruf für Stobbe (I 11), — alle drei auch deswegen von Bedeutung, weil die Urtheile über die Heimgegangenen zugleich Belege für Goldschmidt's eigene Auffassung vom Wesen des Rechts und von allgemeinen Verhältnissen des Lebens sind. Es mag dabei besonders auf die zartsinnige und doch streng objektive Würdigung der politischen Stellung Savignys hingewiesen werden. Goldschmidts Thätigkeit als R i c h t e r ist jetzt vielfach erkennbar aus seinen Andeutungen im System des Handelsrechts (vgl. 4. Aufl. S. IV) 1 . Man ersieht daraus, dass der Aufschwung der deutschen Rechtsprechung, wie er unverkennbar durch das R.O.H.G. eingeleitet wird, zum nicht geringen Theil sein Werk ist. Wie Goldschmidt seine Aufgabe als Referent bei dem höchsten Gerichtshof auffasste, lässt sein Votum über die Beweislast bei der Revalirungsklage erkennen (I 4). Die Veröffentlichung dürfte um so mehr von 1 Zusammenstellungen von Entsch. des R.O.H.G., auf welche Goldschmidt maassgebenden Einfluss gehabt hat, bei P a p p e n h e i m a. a. O. S. 1 2 Anm. 37 und R i e s s e r a. a. O. S. 39 Anm. I.

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allgemeinem Interesse sein, als in dem auf das Votum ergangenen Urtheil (Entsch. des Reichsoberhandelsgerichts VII Nr. 94 S. 351 ff.) die von Goldschmidt vertretene Ansicht über die Beweislast bei einfachem Zahlungsauftrag aus thatsächlichen Gründen für die getroffene Entscheidung unerheblich war und ihre Richtigkeit daher in den Entscheidungsgründen dahingestellt blieb. Goldschmidt hat übrigens, wie sich aus der Mittheilung Windscheids (Pandekten II § 412 Anm. 8 a) ergiebt, an seiner Ansicht festgehalten. Die Einwirkung Goldschmidts auf die G e s e t z g e b u n g war vielfach eine unmittelbare. Den schönsten Erfolg erzielte er auf dem Gebiet des Genossenschaftsrechts; er gewann nicht nur Schulze-Delitzsch für die Zulassung des Prinzips der beschränkten Haftpflicht, sondern er hatte auch im Wesentlichen Erfolg mit seiner von petitionirenden Genossenschaften dem Reichstag überreichten Schrift, durch welche die Aufhebung des Einzelangriffs gegen die einzelnen Genossen auch bei Solidarhaft und die Einbeziehung der ausgeschiedenen Genossen in das Umlageverfahren begehrt wurde (II 11); denn in das Genossenschaftsgesetz wurde die Genossenschaft mit unbeschränkter Nachschusspflicht, d. h. mit unbeschränkter, aber nur im Wege des Umlageverfahrens ohne Einzelangriff zu realisirender Haftung, eingefügt und der Einzelangriff der ausgeschiedenen Genossen wesentlich beschränkt. Goldschmidts Abhandlung »Die Kreationstheorie und der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich« (II 5) hatte nur insofern Erfolg, als die zweite Kommission für Inhaberpapiere die von Goldschmidt vertretene Eigenthumstheorie übernahm und die Besitztheorie fallen liess. Seine Schrift »Alte und neue Formen der Handelsgesellschaften« (II 10) konnte bei der Fassung des Gesetzes über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung nicht mehr berücksichtigt werden. Bei einer Reform dieses Gesetzes, das auf den wirtschaftlichen Aufschwung Deutschlands im letzten Jahrzehnt nicht geringen Einfluss gehabt und somit segensreich gewirkt hat, werden die Gedanken Goldschmidts nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Endlich war Goldschmidt auch bei der Vorbereitung des B ü r g e r l i c h e n G e s e t z b u c h s in hervorragendem Maasse betheiligt. Er war Mitglied d^r Kommission, die im Früh-

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jähr 1874 zusammentrat, um »über Plan und Methode, nach welchen bei Aufstellung des Entwurfs eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs zu verfahren sei, gutachtliche Vorschläge zu machen«. Die Grundlage der Verhandlungen und Beschlüsse bildeten die von Goldschmidt zunächst über den Gang der Verhandlungen, sodann über die einzelnen Vorschläge und deren Begründung erstatteten Berichte; es wurden in der Hauptsache die schon früher von ihm (»Im Neuen Reich« 1872 Nr. 13) entwickelten Grundsätze angenommen. Auch der dem Bundesrath erstattete Bericht rührt im Wesentlichen von Goldschmidt her. Bei dieser Sachlage erschien es angemessen, diesen für die Kennzeichnung seiner Arbeitsthätigkeit bedeutsamen Bericht in dieser Sammlung abdrucken zu lassen (I 6). Material für zukünftiges Recht bietet Goldschmidts »Reglement für internationale Schiedsgerichte« (I 8), das vom Institut de droit international mit geringen Abweichungen angenommen wurde und für Inhalt und Richtung seiner Wirksamkeit auf dem Gebiet des V ö l k e r r e c h t s charakteristisch sein dürfte. Mit der Frage der A u s b i l d u n g d e r J u r i s t e n hat sich Goldschmidt seit 1859 beschäftigt; sie war für ihn eine Herzenssache, der er sich mit besonderer Wärme widmete und für die er mit seiner ganzen Persönlichkeit eintrat. Vier Schriften hat er hierüber v e r ö f f e n t l i c h t d i e letzte dieser dem Rechtsstudium und dem Prüfungswesen gewidmeten Schriften ist in diese Sammlung aufgenommen (I 8). Nur ungern widerstand ich der Versuchung, aus den politischen Aufsätzen Goldschmidts, namentlich denen, welche für Tageszeitungen und Flugblätter bestimmt waren, Einzelnes abdrucken zu lassen; tritt Goldschmidts Persönlichkeit hier doch häufig in besonders markanter Weise hervor — so namentlich in einem während des deutsch-französischen Kriegs herausgegebenen Flugblatt »Buben und Verräter!« Indessen glaubte ich schon deswegen von einer solchen Veröffentlichung absehen zu sollen, weil sie nicht in seinem Sinne liegen dürfte. 1

Vgl. Nr. 18, 204, 255, 264 des diesem Bande vorgedruckten Verzeichnisses.

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Bietet, wie ich hoffe, die Sammlung Musterbeispiele aus Goldschmidts Hauptschaffensgebieten, so war für die Auswahl weiter der Wunsch maassgebend, durch diese Beispiele die M e t h o d e Goldschmidts zu veranschaulichen. Vergeblich würde man Goldschmidt unter eine der früheren »Schulen« unterzubringen suchen. Andererseits würde man seine Stellung vollständig verkennen, wenn man ihn als einen Eklektiker ansähe, weil er Vieles aus der Arbeitsweise der verschiedensten Schulen in sich aufgenommen hat. Seine Stellung hat er vielmehr schon frühzeitig dahin dargelegt: »Was uns noth thut, ist also nicht ein neuer Standpunkt, sondern die gleichmässige Pflege aller der verschiedenen und sämmtlich fruchtbaren Richtungen, welche neben einander in der Geschichte unserer Wissenschaft hervorgetreten sind: der wirthschaftlichen wie der geschichtlichen und dogmatischen; die genaue Beachtung wie unserer einheimischen Praxis so der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur aller auf gleicher Kulturstufe stehenden handeltreibenden Nationen; endlich auch die liebevolle Pflege und immer sicherere Ergründung der ursprünglich fremden aber mit uns verwachsenen Elemente unseres heutigen Rechts, deren wir uns weder entäussern wollen, noch die wir zu entbehren im Stande sind.« Was Goldschmidt so für erforderlich hielt, war die Erforschung eines jeden Rechtsinstituts aus a l l e n Gesichtspunkten, von denen aus es überhaupt betrachtet werden kann, d. h. die g r u n d s ä t z l i c h u n i v e r s a l e Behandlung des Rechts, wie sie vor ihm nirgends erfolgt war. Eine solche universale Behandlung hielt er erforderlich für die »Erforschung der Lebensverhältnisse, des wirthschaftlichen wie des sittlichen Thatbestandes«, welche nach seinerAuffassung die natürliche und nothwendige Basis für die beherrschenden Grundgedanken einer jeden Rechtslehre bilden. Dabei erachtete er es für nöthig, den »ursprünglichen Rechtsthatbestand der Institute möglichst rein herauszuschälen, mag es sich dabei um wesentlich ethische bezw. psychologische (etwa: Wille, Handlung, Motiv, Irrthum) oder logische und metaphysische (etwa: Bedingung, Befristung, Voraussetzung) oderwirthschaftliche(etwa: Werth, Preis, Geld) Begriffe oder um blosse Thatbestände der gesellschaftlichen Lebens- und Verkehrsgemeinschaft handeln«. Diese universale Methode ist durch Goldschmidt auf dem

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Gebiete des Verkehrsrechts die herrschende geworden. Ihr Einfluss auf die Reform der Rechtsprechung, wie sie durch die Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts eröffnet wurde, ist unverkennbar; ihr natürliches Gewicht wirkte auf das Ausland ein und schaffte der deutschen Rechtswissenschaft namentlich in Italien und Frankreich einen Einfluss, den sie vorher niemals besessen*. Und doch ist offensichtlich die Anwendung der Goldschmidtschen Methode im Rückgang. Die Nothwendigkeit, sich mit den 'zahlreichen neuen Gesetzen abzufinden, und zwar schnell abzufinden, verleitet zu einer weniger tiefen Behandlung des Rechts; die Bearbeitung eines Rechtsinstituts von a l l e n erreichbaren Gesichtspunkten aus ist naturgemäss eine überaus schwierige und zeitraubende. So mag diese Sammlung dazu beitragen, den Sinn wachzuhalten für die wissenschaftliche Eigenart Goldschmidts: den Blick weitausschauend auf das Ganze wie auf das Einzelne zu richten und doch niemals den festen Boden der Lebensverhältnisse, auf dem alles Recht ruht, unter den Füssen zu verlieren. Aehnliches gilt auch von den gesetzgeberischen Arbeiten. Wie er für die Aufgabe des Dogmatikers immer wieder auf den Satz des Paulus zurückkommt »Regula est quae rem quae e s t breviter enarrat«, so warnt er den Gesetzgeber vor »doktrinären Bedenken«, erklärt er es für unzulässig, »gesetzliche Bestimmungen davon abhängig zu machen, ob sie der häufig missverstandenen Theorie entsprechen«, und erachtet nur die Zweckmässigkeit d. h. wirtschaftliche, praktische, ethische Erwägungen für ausschlaggebend. »Die Einfachheit eines Prinzips entscheidet so wenig für die Richtigkeit wie für die Zweckmässigkeit.« Die ausgewählten gesetzgeberischen Aufsätze werden diese Grundanschauung hervortreten lassen.

Gar manche derjenigen gesetzlichen Bestimmungen, welche in den zum Abdruck gelangenden Aufsätzen enthalten sind, wurden inzwischen aufgehoben oder abgeändert. Bei der Auswahl der Aufsätze dogmatischen Inhalts sind thunlichst 1 Der in den Annales de droit commercial veröffentlichte Nekrolog räumt Goldschmidt auf dem Gebiet des Handelsrechts »la toute première place en Europe« ein (Annales 1897 p. 319).

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solche berücksichtigt, deren Inhalt mehr oder minder noch für das geltende Recht von Bedeutung ist. So wird bezüglich der Werthpapiere die Eigenthumstheorie in der ihr von Goldschmidt gegebenen Gestalt in ihren Grundgedanken als durch das Bürgerliche Gesetzbuch rezipirt anzusehen sein (§ 793 B.G.B.); so ist der Begriff der gemeinschaftlichen Urkunde (II 9) in der einschränkenden Auslegung, die Goldschmidt ihm für § 387 C.P.O. gab (II S. 300), in § 810 B.G.B, aufgenommen worden; so ist der Begriff der höheren Gewalt zwar für den Frachtführer fortgefallen (Art. 395, § 429 H.G.B.), dagegen im Uebrigen auf den verschiedensten Gebieten des Rechts von Bedeutung geworden (§§ 1996, 203, 124 B.G.B, u. a.). Der Versuch, einzelne Aufsätze auf den Standpunkt des jetzt geltenden Rechts umzuarbeiten, erwies die Unmöglichkeit eines solchen Unternehmens. Ingleichen ergab sich die Hinzufügung der neuen Gesetze, welche an Stelle der zitierten oder behandelten Gesetzesvorschriften getreten sind, als unthunlich, weil eben die neuen Gesetze vielfach einen anderen oder doch nur einen ähnlichen, nicht aber gleichen Inhalt haben. Daher ist die Bearbeitung bei der Herausgabe auf eine Nachprüfung der angeführten Stellen aus der Literatur und den Gesetzen, sowie auf Ergänzung der Citate durch Bezugnahme auf zugängige neuere Auflagen beschränkt worden. Die Zusätze sind durch eckige Klammern kenntlich gemacht. Der Herr Staatssekretär des Reichsjustizamts hat für das Votum über die Revalirungsklage (I 4), der Herr Minister der öffentlichen Arbeiten für das ihm ertheilte Gutachten (I 2), Herr Verlagsbuchhändler Otto Liebmann für den Aufsatz II 10 die Erlaubniss zum Abdruck ertheilt. Herr Professor SchäfferBoichorst hatte die Freundlichkeit, bei der Herausgabe des Aufsatzes II 6 behilflich zu sein. Ich spreche hierfür auch an dieser Stelle meinen Dank aus. Vor Allem gebührt mein Dank der Gattin Goldschmidts, die, wie sie im Leben die Arbeiten ihres verewigten Gatten mit verständnisreicher Theilnahme begleitete, so auch bei der Herausgabe dieser Sammlung ihr pietätvolles Interesse bethätigte. Herr Professor Pappenheim hat sich der mühevollen Aufgabe unterzogen, ein Verzeichnis der Schriften Goldschmidts zusammenzustellen, und freundlichst gestattet, dass es hier ab-

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gedruckt wird. Diese werthvolle Arbeit ermöglicht es erst, den Umfang der Lebensarbeit Goldschmidts zu überschauen. Möchte es mir gelungen sein, das Denkmal, das Goldschmidt sich in seinen von ihm veröffentlichten Schriften gesetzt hat, zu verschönen und zu erhöhen. B e r l i n , 28. August 1900.

Dr. Herman Veit Simon, Rechtsanwalt am Kammergericht.

INHALT DES ERSTEN BANDES1. Seite.

Verzeichniss des Schriften Goldschmidts 1. Grundlagen der Besitzlehre (1884) 2. Die Rechtsverhältnisse der unter Verwaltung des preussischen Staates stehenden Privat-Eisenbahn-Unternehmungen mit besonderer Rücksicht auf die privatrechtliche Verantwortlichkeit der staatlichen Verwaltungsbehörden und des Staats (1878) 3. Ueber die Zulässigkeit einer Verlegung des Sitzes der Rumänischen Eisenbahnen-Aktiengesellschaft von Berlin nach Bukarest (Gutachten) (1878) 4. Ueber die Beweislast bei der sogenannten Revalirungsklage des Trassaten.

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351

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Vortrag an das Plenum des Reichoberhandelsgerichts

(•872) 5. Gutachten in Sachen der Firma Melly Forget & Co. wider die Baumwollspinnerei Cham (Lieferungsvertrag, Abgangsklausel: départ décembre, Abladeklausel, Rücktritt bei nicht präzisem Lieferungstermin, Abgang mit einem speziell bezeichneten Schiffe (1866) . . 6. Ueber Plan und Methode für die Aufstellung des Entwurfs eines deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs (1874) 7. Ein Reglement für internationale Schiedsgerichte. Dem Institute für Völkerrecht vorgelegt. (Genfer Sitzung.) (1874) [190] . . . . 8. Noch einmal Rechtsstudium und Prüfungsordnung mit besonderer Rücksicht auf den praktischen Vorbereitungsdienst (1888) [264] . 9. Friedrich Carl von Savigny. (Vortrag.) (1864) 10. Zum Andenken an Carl Joseph Anton Mittermaier (1867) [120] . . 1 1 . Nachruf an Otto Stobbe (1887) [257]

459

479 511 535 575 619 651 675

1 Die in eckiger Klammer befindliche Ziffer bezeichnet bei den schon früher veröffentlichten Schriften die Nummer der Schrift in dem Bd. I S. I ff. enthaltenen Verzeichniss.

VERZEICHNIS DER

SCHRIFTEN GOLDSCHMIDTS.

G o l d s c h m i d t , Vermischte Schriften.

I

1851. 1. De societate en commandite spec. I. 8 (78 p.). Halis, typ. Gebaueriis.

Dissert. inaug.

1855. 2. Untersuchungen zur 1. 122 § 1 D. de V. O. (45,1). Geschrieben behufs der Habilitirung als Privatdozent in der juristischen Facultät der Grossh. Badischen RuprechtCarls-Universität zu Heidelberg. 8 (69 S.). Heidelberg, Bangel und Schmitt. 1856. 3. Von der Verpflichtung der Unmündigen. Arch. für die Civilistische Praxis Bd. 39 S. 417—459. 4. S c h l y t e r , Ausgabe des Wisbyschen Seerechts. Krit. Zeitschr. f. d. ges. Rechtswissenschaft Bd. 3 S. 28—56 5. Caspar Weinreichs Danziger Chronik. Herausg. und . erläutert .von Th.eo.dor H i r s c h und F . A. V o s s b e r g . Krit. Zeitschr. f. d. ges. Rechtswissensch. Bd. 3 S. 198. 1857. 6. Der Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preussischen Staaten. Krit. Zeitschr. f. d. ges. Rechtswissenschaft Bd. 4 S. 105—192, S. 2 8 9 - 3 6 3 . 7. Die Präjudicien des Königlichen Ober-Tribunals (von 1832 bis 1855). Ebd. S. 53—58. 1858. 8. Zeitschrift für das gesammte Handelsrecht*. Erster Band. Von G o l d s c h m i d t herausgegeben bis Bd. 46 Heft 1, 2 (1897), und zwar allein bis Bd. 7, mit P. L a b a n d von * Im Texte fortan als »Z.« citirt. I *

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Verzeichnis der Schriften Goldschmidts.

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10. 11.

12.

13. 14. 15. 16.

Bd. 8 bis 19 (von 12 bis 18 unter Mitwirkung für Versicherungsrecht von C. M a l s s ) , mit P. L a b a n d und E. S a c h s Bd. 20, mit F r . v. H a h n , P. L a b a n d und E. S a c h s Bd.21 und 22, mit F r . v. H a h n , H. K e y s s n e r , P. L a b a n d und E. S a c h s von Bd. 23 bis 39, mit Fr. v. H a h n , H. K e y s s n e r , P. L a b a n d und M. P a p p e n h e i m von Bd. 40 bis 45, mit H. K e y s s n e r , P. L a b a n d und M. P a p p e n h e i m Bd. 46 Heft 1, 2. Erlangen, seit Bd. 20 Stuttgart, Ferdinand Enke. Ueber die wissenschaftliche Bedeutung des deutschen Handelsrechts und den Zweck dieser Zeitschrift. Z. I S. 1—24. Der Kauf auf Probe oder auf Besicht. Ebd. S. 66—131, 262—284, 3 8 6 - 4 5 5 , 554—558. Verhandlungen der Commission zur Berathung eines allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches etc. Ebd. S. 540 bis 553. Ueber die vertragsmässige Beschränkung der Ersatzpflicht der Eisenbahnverwaltungen. Arch. f. d. Civilistische Praxis Bd. 41 S. 4 0 6 - 4 1 0 . Danziger Seerechtsquellen aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Z. I S. 295—299. J . H. B e s c h o r n e r , Das deutsche Eisenbahnrecht. Ebd. S. 195—198. L a d e n b u r g , Die Anweisung und der gezogene Wechsel. Ebd. S. 6 1 0 - 6 1 7 . Kurze Anzeigen. Ebd. S. 198—202. 1859.

17. Der Lucca-Pistoja-Actien-Streit. Handelsrechtliche Erörterungen. 8 (VIII und 283 S. m. 2 Beilagen in 4°). Frankfurt am Main, Sauerländer. 18. Das preussische Recht und das Rechtsstudium, insbesondere auf den preussischen Universitäten. Preussische Jahrbücher Bd. III S. 29—57. 19. W. K o c h , Deutschlands Eisenbahnen. Krit. Zeitschr. f. d. ges. Rechtswissenschaft Bd. 5 S. 219—225. 20. T h . H i r s c h , Danzigs Handels- und Erwerbsgeschichte unter der Herrschaft des deutschen Ordens. Z. II S. 174 bis 177.

Verzeichnis der Schriften Goldschmidts.

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21. J. E. K u n t z e , Das jus respondendi in unserer Zeit. Ebd. S. 185 f. 22. Zusatz zu S. B o r c h a r d t s Anzeige von H i e r s e m e n z e l , Zur Lehre vom kaufmännischen Commissionsgeschäfte. Ebd. S. 188 f. 23. H e i s e s Handelsrecht. Ebd. S. 457 f. 24. J. S t a u d i n g e r , Die Rechtslehre vom Lebensversicherungsvertrag. Ebd. S. 462-464. 25. A. S c h l i e m a n n , Kritische Bemerkungen zum Entwurf eines allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs. Ebd. S. 464 f. 26. W. K o c h , Deutschlands Eisenbahnen. Ebd. S. 466—470. 1860. 27. Gemeinsame deutsche Gesetzgebung und Rechtseinheit (Wochenschrift des Nationalvereins Nr. 17 S. 131—134). 28. Das receptum nautarum, cauponum, stabulariorum. Z. III S. 58—118, 329 f., 331—385. (Zuerst — vgl. S. 58 a. a. O. Anm. * — im Mai 1859 in nur 6 Exemplaren als Festschrift zu Mittermaiers fünfzigjährigem Doctorjubiläum ausgegeben und ursprünglich dazu bestimmt, eine Reihe von »Abhandlungen aus dem Civil- und Handelsrecht« zu eröffnen.) 29. Nachtrag zu der Abhandlung eines Anonymus »Zum Lucca-Pistoja-Actien-Streit«. Z. III S. 147—154. 30. Der erste preussische Handelstag. Z. III S. 520—533. 31. Gutachten über den Entwurf eines Deutschen Handelsgesetzbuchs nach den Beschlüssen zweiter Lesung. Dem Grossherzl. Badischen Ministerium der Justiz erstattet. Beilageheft zu Z. III. 8 ° (116 S.). 32. H. F i t t i n g , Die Natur der Korrealobligationen. Z. III S. 267—276. 33. G r u c h o t s Beiträge Jahrg. I—III. Ebd. S. 279 f. 34. C. D i e t z e l , Die Besteuerung der Aktien-Gesellschaften in Verbindung mit der Gemeindebesteuerung. Ebd. S. 295 bis 298. 35. Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preussischen Staaten. Nebst Motiven. Ebd. S. 306. 36. E. H o f f m a n n , Ausführliche Erläuterung der allgem. Deutschen Wechselordnung. Ebd. S. 618 f.

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Verzeichnis der Schriften Goldschmidts.

37. J . G l a s e r und J. U n g e r , Sammlung von Civilrechtlichen Entscheidungen des k. k. obersten Gerichtshofes. Ebd. S. 619 f. 38. H a m b u r g i s c h e G e r i c h t s p r a x i s . Erster Band. Ebd. S. 620. 39. B o r c h a r d t , Die Allgemeine Deutsche Wechselordnung. 2. Aufl. Ebd. S. 260 f. 40. C. G ü t e r b o c k , Ueber einige in der Praxis hervorgetretene Mängel des Preussischen Konkursverfahrens. Ebd. S. 621 f. 41. M. v. S t u b e n r a u c h , Lehrbuch des Oesterreichischen Privathandelsrechts. Ebd. S. 622—624. 1861. 42. Vorwort zu Z. IV S. III—VI. 43. Die deutsche Hansa. Preuss. Jahrbücher Bd. 9 S. 528 bis 557. 44. Nachtrag zu den handelsrechtlichen Erörterungen über den Lucca-Pistoja-Aktien-Streit. 8 ° (51 S.). Frankfurt am Main, J. D. Sauerländer. 45. Die Haftungspflicht der Eisenbahnverwaltungen im Güterverkehr. Z. IV S. 569—660. 1862. 46. Ueber 1. 11 § 6 D. quod vi aut clam. Jahrbuch des gemeinen Deutschen Rechts. Bd. 5 S. 132—136. 47. C. H. L. B r i n c k m a n n , Lehrbuch des Handelsrechts. Fortgesetzt von W. E n d e m a n n . Z. I V S. 467—472. 48. F r . A. W e n g l e r , Beiträge zur Lehre vom Speditionsgeschäft. Ebd. S. 481—484. 49. Encyclopädie der Rechtswissenschaft im Grundriss. 8 ° (VIII und 164 S.). Heidelberg, Bangel & Schmitt. 50. Das Reglement für den Vereins-Güter-Verkehr auf den deutschen Eisenbahnen. Z. V S. 588—606. 51. Der erste deutsche Handelstag. Ebd. S. 183—197. 52. Der Abschluss und die Einführung des allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs. Erster Artikel. Ebd. S. 204—227. Zweiter Artikel. Ebd. S. 515—584. 53. R. F i s c h e r , Corpus juris für Kaufleute. Ebd. S. 297 bis 299.

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54. W. R ö h r i c h , Abriss der Handelswissenschaft. Ebd. S. 299 f. 55. de V r i e s en M o l s t e r , Magazijn van handelsregt. Eerste deel. Ebd. S. 300 f. 56. Neues Archiv für Handelsrecht. I—III. Ebd. S. 301 f. 56a. Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen. Ebd. S. 302 f. 57. Hamburgische Gerichtszeitung. Ebd. S. 303. 58. M e i s s n e r , Allgemeine europäische Wechselpraktik. Ebd. S. 304—306. 59. U l l r i c h , Sammlung von seerechtlichen Erkenntnissen u. s. w. Zweites Heft. Ebd. S. 306. 60. Neue Gesetze und Gesetzentwürfe. Ebd. S. 318—322. 61. H o l t i u s , Vorlezingen (sie!) over Handels- en Zeeregt. Ebd. S. 627 f. 62. C a r n a z z a - P u g l i s i , I prineipii del diritto commerciale ecc. Ebd. S. 629 f. 63. W. A u e r b a c h , Das Gesellschaftswesen. Ebd. S. 634 bis 641. 64. H. C. H e r r m a n n, Anleitung für die Notariatspraxis. Ebd. S. 642. 65. J. W e r t h h e i m , Manuel à l'usage des consuls des PaysBas. Ebd. S. 642 f. 1863. 66. Der Abschluss und die Einführung des allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuchs. Dritter Artikel. Z. V I S. 41—64. 67. Die Einführung des deutschen Handelsgesetzbuchs im Königreich Bayern. Ebd. S. 388—412. 68. Die Literatur des allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs (Nr. I—XII). Ebd. S. 324—332. 69. J . E. K u n t z e, Deutsches Wechselrecht. Ebd. S. 334 - 3 4 3 . 70. F . S e r a f i n i , II telegrafo. Ebd. S. 625—629. 1864. 71. Handbuch des Handelsrechts. Erster Band, erste Abtheilung. 8 ° ( X X V I und 524 S.). Erlangen, Ferdinand Enke. 72. C. M. A. G a d , Handbuch des Allgemeinen deutschen Handelsrechts. Erster Theil. Z. VII S. 176—178.

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Verzeichnis der Schriften Goldschmidts.

73. W. A u e r b a c h , Das Neue Handelsgesetz. Ebd. S. 178f. 74. C. F. K o c h , Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch. Ebd. S. 179—181. 75. C. M. A. G ad, Die Haftpflicht der deutschen Postanstalten. Ebd. S. 189. 76. L. F r e u n d , Lug und Trug. Erster Band. Ebd. S. 189 f. 77. F. S e r a f i n i , Le télégraphe etc. Trad. et annot. par. L a v i a l l e de L a m e i l l è r e . Ebd. S. 190 f. 78. E. S t e r n , Die kaufmännische Buchführung und der erste Absatz des Art. 28 des allgem. Deutschen H. G. B.'s 3. Aufl. Ebd. S. 191 f. 1865. 79. S a v i g n y . In Bluntschlis und Braters Deutsch. StaatsWörterbuch. Bd. I X S. 98—109. 80. Ueber den Erwerb dinglicher Rechte von dem Nichteigentümer und die Beschränkung der dinglichen Rechtsverfolgung, insbesondere nach handelsrechtlichen Grundsätzen. Z. VIII S. 225—343. Schluss (1866): Z. I X S. 1—74. 81. Gutachten über die Aufhebung der Wuchergesetze. Verhandll. des Sechsten deutschen Juristentages. Band I. S. 227-271. 82. Die Einführung des Deutschen Handelsgesetzbuches in Hamburg. Z. VIII S. 217 f. 82a. Der Entwurf eines Schweizerischen Handelsrechts. Ebd. S. 218 f. 83. Der Entwurf eines Schweizerischen Handelsrechts und dessen Motive. Z. I X S. 633—641. 84. B l u n t s c h l i - D a h n , Deutsches Privatrecht. Z. VIII S. 200—202. 85. A. M e n s c h i n g , Das Deutsche Handelsgesetzbuch z. prakt. Gebrauch gemeinfasslich dargestellt. Ebd. S. 202 bis 204. 86. M. v. S t u b e n r a u c h , Handbuch des österreichischen Handelsrechts. Ebd. S. 204—206. 87. A. B r i x , Das allg. HGB. vom Standpunkt der österr. Gesetzgebung erläutert. Ebd. S. 206. 88. H. Mako w e r , Das allg. D. HGB. 2. Aufl. 1. Abth. Ebd. S. 206 f.

Verzeichnis der Schriften Goldschmidts.

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89. E d. S c h ö n, Das allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch und die Wiener Börse. Ebd. S. 207 f. 90. H. J a c q u e s , Die Rechtsverhältnisse der mit Zinsengarantie versehenen Eisenbahn-Actiengesellschaften und die Oesterreichische Eisenbahnpolitik. Ebd. S. 208—211. 91. F . W. L a y m a n n , Allgemeine Deutsche Wechselordnung nebst Commentar. Ebd. S. 211. 92. J . P e i 11 e r , Sammlung der wechselrechtlichen Entscheidungen des österreichischen obersten Gerichtshofes. Ebd. S. 211. 93. H. B i o d i g , Die vier ersten Bücher des allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches. Ebd. S. 649 f. 94. B r e m e r H a n d e l s a r c h i v , herausgeg. v o n B ö h m e r t Bd. II. Ebd. S. 650 f. 95. S. B o r c h a r d t , Die Allgemeine Deutsche Wechselordnung. 4. Aufl. Ebd. S. 651. 1866. 96. Ueber die Benutzung und Bedeutung der Berathungsprotokolle für die Interpretation des Deutschen Handelsgesetzbuchs. Z. X S. 40—57. 97. Die Werke des Casaregis. Ebd. S. 468—471. 98. Zur Würdigung der Preuss. Verordnung vom 12. Mai 1866 über die vertragsmässigen Zinsen. Ebd. S. 130 f. 99. F i t t i n g , Die rechtlichen Verhältnisse am Stadtschiessgraben. Krit. Vierteljahrsschrift f. Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Bd. 9 S. 147 f. 100. Zur Frage von den Handelsgerichten ( G e n s e i , H a u s e r , A. L e o n h a r d t , G ö t t i n g ) . Z. I X S. 203—208. 101. G. L e h m a n n , Der Notstand des Schädenprocesses und der Entwurf der K. Sächs. Civilprocessordnung. Ebd. S. 208 f. 102. H. M a k o w e r , Das allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch. 2. Aufl. Ebd. S. 642 f. 103. Das Handelsregister nach dem allgemeinen Handelsgesetzbuche. Gutachten u. s. w. Ebd. S. 643 f. 104. Zeitschriften und periodische Sammlungen von Rechtssprüchen. Ebd. S. 645—649. 105. A. L i n d w u r m , Grundzüge der Staats- und Privatwirthschaftslehre. Z. X S. 170—172.

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Verzeichnis der Schriften Goldschmidts.

106. R e n t z s c h , Handwörterbuch der Volkswirtschaftslehre. Ebd. S. 172 f. 107. H. P e m s e l , Die Fassung des Bucheides. Ebd. S. 173. 108. O. W ä c h t e r , Das Handelsrecht. Ebd. S. 604. 109. A. M e n s c h i n g , Abriss des deutschen Handelsrechts. Ebd. S. 604—606. 110. Die Commissionsberichte und weiteren Verhandlungen über die Einführung des A. d. H.G.B.'s in Hamburg mit dem Einführungsgesetze. Ebd. S. 606. 111. Die Errichtung des Handelsgerichts in Hamburg. Ebd. S. 607. 112. G. K r u g , Ueber den Schutz der Fabrik- und W a r e n zeichen. Ebd. S. 608 f. 113. C. P. K h e i l , Die Lehre der Buchführung. Ebd. S. 609. 114. N. W e i n h a g e n , Das Recht der Actien-Gesellschaften. Ebd. S. 610. 115. M. N e u m a n n , Beiträge zum deutschen Verlags- und Nachdrucksrechte. Ebd. S. 610 f. 116. H. J a c q u e s , Die Reform der Eisenbahngesetzgebung, im Zusammenhang mit der heutigen Oesterreich. Finanzlage. Ebd. S. 612. 117. C. E. G ü t e r b o c k , De iure maritimo, quod in Prussia saeculo X V I et ortum est et in uso fuit. Ebd. S. 612 bis 614. 118. T h . S a s k i , Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Versicherungswesens u. s. w. Ebd. S. 615. 1867. 119. Die Einrede der Litispendenz, insbesondere im Executivprozess. Arch. f. d. Civilist. Praxis. Bd. 50 S. 49—56. 120. Zum Andenken an Karl Joseph Anton Mittermaier. Ebd. S. 417—442. 1868. 121. Handbuch des Handelsrechts. Erster Band, zweite Abtheilung. 8 ° ( X X I I I und 710 S.) Erlangen, Ferdinand Enke. 122. H. J a c q u e s , Die Wuchergesetzgebung und das Civilund Strafrecht. Z. X I S. 635—638. 123. G l a s e r und U n g e r , . Sammlung von civilrechtlichen

Verzeichnis der Schriften Goldschmidts.

124. 125. 126. 127. 128. 129. 130.

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Entscheidungen des k. k. obersten Gerichtshofes. 4. Bd. mit Gesammtregister über Bd. 1—4. Ebd. S. 638. G. D i e p h u i s, Handboek voor het Nederlandsch handelsregt. Ebd. S. 638 f. T. M. C. A s s e r , Het eerste ontwerp van een Nederlandsch Wetboek van Koophandel. Ebd. S. 639. Catalogus plus quam 10000 dissertationum et orationum juridicarum etc. Ebd. S. 640. Hamburgische Handelsgerichtszeitung. Z. X I I S. 324. A. H e i n e , Abhandlung über das Warrantsystem. Ebd. S. 324. C. F. K o c h , Die Preussische Concursordnung. 2. Aufl. Ebd. S. 325. R. I h e r i n g , Der Lucca-Pistoja-Actienstreit. Ebd. S. 325—327. 1869.

131. Zur Rechtstheorie des Geldes. Z. XIII. S. 367—390. 132. Referat über die von Dr. H. Jacques beantragten Resolutionen betr. die Errichtung von Aktien- und Kommandit-Aktien-Gesellschaften und betr. die Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften. Verhandlgn. des Achten deutschen Juristentages Bd. II S. 43—53 und S. 60—72. 133. F . R e g e l s b e r g e r , Civilrechtliche Erörterungen. Erstes Heft. Z. X I I I S. 333—340. 134. A. R e n a u d , Lehrbuch des allgemeinen Deutschen Wechselrechts. Ebd. S. 340 f. 135. J . B. B r a u n , Die Lehre vom Wechsel nach der Allg. D.W.O. Ebd. S. 341—344. 136. L . B a u m b l a t t , Wechsellehre für Schule und Volk. Ebd. S. 344. 137. C. G a r e i s , Die Creationstheorie. Ebd. S. 344 f. 138. G. L o h r , Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch. Ebd. S. 345 f. 139. H. M a k o w e r , Das allg. Deutsche Handelsgesetzbuch. 3. Aufl. Ebd. S. 346. 140. L. A d l e r , Sammlung von Entscheidungen zum HandeisGesetzbuche. Ebd. S. 347. 141. G. Z a n e l l a , II dirittocommerciale austriaco. Ebd. S. 349. 142. T h . L e s s e , Die Verhandlungen des Norddeutschen

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143. 144. 145. 146.

147.

Verzeichnis der Schriften Goldschmidts.

Reichstages über die Aufhebung der Schuldhaft. Ebd. S. 349. F . H e c h t , Die römischen Calendarienbücher. Ebd. S. 350 f. C. M. J . W i l l e u m i e r , Het telegraafrecht. Ebd. S. 351. Archivio giuridico di P i e t r o E l l e r o vol. I. II. Ebd. S. 352 f. R. K o c h , Ueber die Zulässigkeit der Beschlagnahme von Arbeits- und Dienst-Löhnen. R. S c h l e s i n g e r , Die rechtliche Unzulässigkeit der Beschlagnahme des noch nicht verdienten Lohnes. Ebd. S. 646—650. (v. P l o o s v a n A m s t e l , ) Ueber die Gefahren der Erweiterung einer Zettelbank zu einer Creditanstalt. Ebd. S. 652—654.

148. F r . v. W y s s , Die Haftung für fremde Culpa nach Römischem Recht. Ebd. S. 655 f. 149. O. G i e r k e, Die deutsche Genossenschaft. Erster Band. Ebd. S. 656 f. 1870. 150. Ueber den Einfluss von Theilzahlungen eines Solidarschuldners auf die Rechte des Gläubigers gegen andere Solidarschuldner, insbesondere nach eröffnetem Concurse. Theilzahlung im Contocorrentverhältniss. Wechselschuldner. Beneficium cedendarum actionum und Subrogation zahlender Bürgen oder sonstiger Solidarschuldner. Rechts' änderungen nach erfolgter Einlassung. Ein Rechtsgutachten nach Französisch-Badischem und gemeinem Recht. Z. X I V S. 397—441. 151. Du droit commercial et des Tribunaux de commerce, principalement dans leurs rapports avec le développement du Droit allemand. Revue de droit international et de législation comparée, tome II p. 357—376. 152. Beiträge aus der Praxis.

Z. X V S. 299—325.

153. Wucher und Wuchergesetze. In B l u n t s c h l i s und B r a t e r s Deutschem Staats-Wörterbuch, Bd. X I S. 219 bis 229. 154. Entwurf einer Wechselordnung für Britisch-Indien. Z. X V S. 196 f.

Verzeichnis der Schriften Goldschmidts.

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155. Neue Italienische Literatur (Vidari, Lattes, Peruzzi, F . Serafini). Z. X I V S. 6 5 3 - 6 6 3 . 156. S. B o r c h a r d t , Die Allgemeine Deutsche Wechselordnung. 5. Aufl. Ebd. S. 670. 157. C. H a h n , Die Preussische Concursordnung und das Anfechtungsgesetz vom 9. Mai 1855. 3. Aufl. Ebd. S. 670. 158. S. P u c h e l t , Zeitschrift für Französisches Civilrecht. Erster Band, erstes Heft. Ebd. S. 671. 159. Fr. H o f m a n n , Ueber das periculum beim Kaufe. Z. X V S. 620—622. 160. K. W. H ä r d e r , Handelsrechtliche Abhandlungen. Ebd. S. 6 2 2 - 6 2 4 . 161. H. K e y s s n e r , Die Erhaltung der Handelsgesellschaft gegen die Auflösungsgründe des Allg. Deutschen Handelsgesetzbuches. Ebd. S. 624—626. 162. L. A d l e r und R. C l e m e n s , Sammlung von Entscheidungen zum Handelsgesetzbuche. Zweite Folge. Ebd. S. 626. 163. F. v. S a l p i u s , Die Ergänzungen der Allg. Deutschen Wechsel-Ordnung und des Allg. Deutschen Handelsgesetzbuchs im Gebiete des Norddeutschen Bundes durch Bundesund Landesgesetze. S. 626 f. 164. O. M ü h l b r e c h t , Uebersicht der gesammten staatsund rechtswissenschaftlichen Literatur des Jahres 1869. Ebd. S. 627. 165. 166. 167. 168.

1871. Ueber die Verantwortlichkeit des Schuldners für seine Gehülfen. Z. X V I . S. 2 8 7 - 3 8 2 . Zusatzbemerkung zu F . D a h n , Ueber Handel und Handelsrecht der Westgothen. Ebd. S. 407 f. Das Französische Wechselmoratorium. Ebd. S. 666—668. Zur Preisaufgabe der Fürstlich Jablonowski'sehen Gesellschaft für das Jahr 1873. Ebd. S. 687 f. 1872.

169. Die Notwendigkeit eines deutschen Civilgesetzbuches. Im neuen Reich Jahrg. II Bd. 1 S. 473—489 (Vortrag, gehalten in der Gemeinnützigen Gesellschaft zu Leipzig 11. März 1872).

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Verzeichnis der Schriften Goldschmidts.

170. Das internationale Wechselrecht und das Französische Wechselmoratorium. Z. X V I I S. 2 9 4 - 3 0 9 . 171. H. M a k o w e r , Das allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch. 4. Aufl. Ebd. S. 352 f. 172. A. M e y e r , Deutsches Handelsblatt. Erster Jahrgang. Ebd. S. 353. 173. S. B o r c h a r d t , Vollständige Sammlung der geltenden Wechsel- und Handels-Gesetze aller Länder. Ebd S. 666 f. 174. I. A. G r u c h o t , Die Lehre von der Zahlung der Geldschuld nach heutigem Deutschem Rechte. Ebd. S. 667 f. 175. G l a s e r , U n g e r und v. W a l t e r , Sammlung von civilrechtlichen Entscheidungen des k. k. obersten Gerichtshofes. 5. Bd. Ebd. S. 669. 176. Das Handelsregister nach dem allgemeinen Handelsgesetzbuche. Gutachten etc. II. Ebd. S. 670. 177. R. J o h o w , Die preussische Konkurs-Ordnung in ihrer heutigen Gestalt u. s. f. Ebd. S. 671. 178. K l e t k e , Das Allgemeine Wechsel- und Handelsrecht des Deutschen Reiches. Ebd. S. 671. 1873. 179. Gutachten über das Actiengesellschaftswesen. In »Schriften des Vereins für Socialpolitik« Bd. I S. 29—36. 180. Das internationale Wechselrecht und das Französische Wechselmoratorium. Z. X V I I I S. 625—643. 181. Fr. B r a n , Der Lebensversicherungsvertrag. Ebd. S.309. 182. H. K e y s s n e r , Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch. Ebd. S. 309. 183. V. Z w i n g m a n n , Civilrechtliche Entscheidungen der Riga'sehen Stadtgerichte. Ebd. S. 313 f. 1874. 184. Ueber die Statthaftigkeit der ädilitischen Rechtsmittel beim Gattungskauf. Z. X I X S. 98—122. 185. H e i n r i c h T h ö l , Das Handelsrecht. Zweiter Band: Das Wechselrecht. Ebd. S. 319—323. 186. C a r l K n i e s , Geld und Credit. Erste Abtheilung: Das Geld. Ebd. S. 323—327. 187. H. M a k o w e r , Das allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch. 5. Aufl. Ebd. S. 332.

Verzeichnis der Schriften Goldschmidts.

188. Das Centrai-Handelsregister Ebd. S. 666—668. 1875.

15

für das Deutsche Reich.

189. Handbuch des Handelsrechts. Erster Band enthaltend die geschichtlich-literarische Einleitung und die Grundlehren. Zweite, völlig umgearbeitete Auflage. 8 0 ( X X I X und 691 S.). Stuttgart, Ferdinand Enke. 190. Ein Reglement für internationale Schiedsgerichte. Dem Institute für Völkerrecht vorgelegt (Genfer Sitzimg 1874). Zeitschrift f. d. Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart Bd. II S. 714—749. Vgl. Revue de droit international et de législation comp. V I p. 421—452. 191. Die Codification des Deutschen bürgerlichen und HandelsRechts. Z. X X S. 1 3 4 - 1 7 1 . 192. H e i n r i c h T h ö l , Praxis des Handels- und des Wechselrechts. Ebd. S. 317 f. 193. Z u r L i t e r a t u r des i n t e r n a t i o n a l e n R e c h t s . Ebd. S. 6 4 7 - 6 5 1 . 194. F. M a r t e n s , Das Consularwesen und die Consularjurisdiction im Orient. Ebd. S. 652—654. 195. T h o m a s , Capitolare dei visdomini del fontego dei Tedeschi in Venezia. Ebd. S. 654—656. 196. H. M a k o w e r , Das allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch. 6. Aufl. Ebd. S. 657. 197. S. B o r c h a r d t , Die Allgemeine Deutsche Wechselordnung. 6. Aufl. Ebd. S. 657. 198. Entscheidungen des O.A.G. zu Rostock. Neue Folge. Bd. 3. Ebd. S. 657 f. 199.

200. 201. 202. 203.

1876. Herabsetzung des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft durch Ankauf und Amortisation eigener Aktien. Z. X X I S. 1—11. Das neue Ungarische Handelsgesetzbuch. Ebd. S. 164— 172. F. H e c h t , Die Mündel- und Stiftungsgelder in den Deutschen Staaten. Ebd. S. 344 f. II C a s a r e g i s , Monitore di legislazione e giurisprudenza commerciale. Ebd. S. 347 f. Nekrolog (von S a l p i u s , A n s c h ü t z , A u e r b a c h ) . Ebd. S. 348.

16

Verzeichnis der Schriften Goldschmidts.

1878. 204. Das dreijährige Studium der Rechts- und Staatswissenschaften. 8 ° (82 S.) Berlin, G. Reimer. 205. Zum Recht der Lebensversicherung. Z. X X I I I S. 179 bis 224. 206. L. v. S t e i n , Gegenwart und Zukunft der Rechts- und Staatswissenschaft Deutschlands. Ebd. S. 274—288. 207. Zur Literatur des internationalen Rechts. Ebd. S. 288 bis 293. 208. R. S c h r ö d e r , Corpus iuris civilis für das Deutsche Reich und Oesterreich. Ebd. S. 294 f. 209. F. D a h n , Deutsches Rechtsbuch. Ebd. S. 295 ff. 210. C. G a r e i s , Grundriss zu Vorlesungen über das Deutsche bürgerliche Recht. Ebd. S. 298 f. 211. H. D e r n b u r g , Lehrbuch des Preussischen Privatrechts. Bd. II Abth. 1. Ebd. S. 301—309. 212. G. L a s t i g , Entwickelungswege und Quellen des Handelsrechts. Ebd. S. 309—313. 213. Ch. L y o n - C a e n , Tableau des lois commerciales. Ebd. S. 313—315. 214. W e i g t e l , Uebersicht der Literatur des Deutschen Handelsrechts. Ebd. S. 315 f. 215. Handelsrechtliche Commentare und Compendien (Puchelt, Makower, v. Hahn, Keyssner, v. Schnierer, J . G. Kist, E. Vidari, Fr. Triaca). Ebd. S. 316—328. 216. Urtheilssammlungen. Ebd. S. 329 f. 217. Seerecht (Lewis, Cresp-Laurin, Gesetzgebung des Deutsch. Reichs, Mewes). Ebd. S. 349—359. 218. Versicherungsrecht (Reatz, Sacerdoti, Fr. Brandt, Labraque-Bordenave, v. John, Girtanner, Klang). Ebd. S. 359—369. 219. Schweizerisches Obligationsrecht mit Einschluss des Handels- und Wechselrechtes. Beilageheft zu Z. X X I I I S. 108—119. 220. Belgische Gesetzgebung über die Wechselproteste und die Einkassirung der Wechsel durch die Post. Ebd. S. 172—183. 1879. 221. H. T h ö l , Das Handelsrecht. 2. Bd.: Das Wechselrecht. 4. Aufl. Z. X X I V S. 319.

Verzeichnis der Schriften Goldschmidts.

17

222. S. B o r c h a r d t , Die Allgemeine Deutsche Wechsel-; Ordnung. 7. Aufl. Ebd. S. 320. 223. C. R o s c h e r , Zur Kritik der neuesten wirtschaftlichen Entwickelung im Deutschen Reiche. Ebd. S. 320—322, 224. G. M a n d r y , Der civiirechtliche Inhalt der Reichsgesetze. Ebd. S. 322 f. 225. Ed. C l u n e t , Questions de droit relatives ä Fexposition universelle internationale de 1878. Ebd. S. 325—327. 1880.

226. H. D e r n b u r g , Lehrbuch desPreussischenPrivatrechtes. Bd. II Abth. 2. Bd. III. Lehrbuch des Preuss. Privatrechtes und der Privatrechtsnormen des Reiches. Bd. I. 2. Aufl. Z. X X V S. 408 f. 227. H. T h ö l , Das Handelsrecht. Bd. I. 6. Aufl. Ebd. S. 409. 228. M a k o w e r , Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch. 8. Aufl. Ebd. S. 410. 1881. 229. Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft2 Bd. I, II, III 1. Z. XXVI S. 332-335. 230. Zeitschrift der Savigny-Stiftung. Bd. I. Ebd. S. 335 bis 338 (mit Nekrolog für C. G. Bruns). 231. H. T h ö l , Das Handelsrecht. Bd. III. Ebd. S. 606—613. 232. Fr. H o l t z e , Das Berliner Handelsrecht im 13. und 14. Jahrhundert. Ebd. S. 621-624. 233. H. G a b r i e l , Systematisches Generalregister zur Zeitschrift für das gesammte Handelsrecht Bd. I—XXV und Beilagehefte. Ebd. S. 633 f. 1882. 234. Erwerbs- und Wirthschafts-Genossenschaften. Studien und Vorschläge. Z. XXVII S. 1—118, 331 f. 235. Miscellen zur Theorie der Werthpapiere. Z. XXVIII S. 63—114. 236. Ursprünge des Mäklerrechts. Insbesondere: Sensal. Ebd. S. 115—130. 237. Wette und Glücksspiel. Ebd. S. 292—295. 238. H. T h ö l , Handelsrechtliche Erörterungen. Ebd. S. 441 bis 456. 239. Joachim Marquardt. Nationalzeitung Nr. 571. G o l d s c h m i d t , Vermischte Schriften.

2

Jg

Verzeichnis der Schriften Goldschmidts.

240. Entwurf einer Wechselordnung für das Russische Reich. Z. X X V I I I S. 2 7 4 - 2 8 2 . 1883. 241. Handbuch des Handelsrechts. Zweiter Band. Zweite völlig umgearbeitete Auflage. Erste Lieferung (Bogen 1—8). 8° (128 S.). Stuttgart, Ferdinand Enke. 242. Vorwort zu W. S i l b e r S c h m i d t , Die Commenda in ihrer frühesten Entwicklung bis zum XIII. Jahrhundert (Würzburg 1884). 1884. 243. Miscellen zur Theorie der Werthpapiere (Der Bankschein und das Traditions-Papier). Z. X X I X S. 18—34. 244. Ueber Editionspflicht, insbesondere betreffend gemeinschaftliche Urkunden und Handelsbücher. Ebd. S. 341 bis 412. 245. K. G. B r u n s , Kleinere Schriften. Ebd. S. 331 f. 246. Kritik und Antikritik. S t e i n b a c h , Ueber Thöl, Handelsrecht III, und Handelsrechtliche Erörterungen. Ebd. S. 623-625. 1885. 247. Zur Geschichte der Seeversicherung. In »Juristische Abhandlungen. Festgabe für Georg Beseler zum 6. Januar 1885 von Heinrich Brunner, Paul Hinschius u. s. w.« (Berlin, Wilhelm Hertz) S. 201—219. 248. Zusatz zu B a r k h a u s e n , Die Klage des Verkäufers auf Abnahme der Waare. Z. X X X S. 58 f. 249. Die Reform des Aktiengesellschaftsrechts. Ebd. S. 69 bis 89. 250. W. K i n d e 1, Die Grundlagen des Römischen Besitzrechts. Ebd. S. 2 8 3 - 2 8 9 . 251. G. M a n d r y, Der civilrechtliche Inhalt der Reichsgesetze. 2. Auflage. Ebd. S. 297 f. 252. Annuario delle scienze giuridiche, sociali e politiche. Vol. I—IV. Ebd. S. 299. 253. W i e n e r , Der Actiengesetz-Entwurf. Ebd. S. 303. 1887. 254. System des Handelsrechts mit Einschluss des Wechsel-, See- und Versicherungsrechts im Grundriss. 8 0 (62 S.). Stuttgart, Ferdinand Enke.

Verzeichnis der Schriften Goldschmidts.

19

255. Rechtsstudium und Prüfungsordnung. Ein Beitrag zur Preussischen und Deutschen Rechtsgeschichte. 8 0 (451 S.). Stuttgart, Ferdinand Enke. 256. Heidelberger Rechtslehrer. In memoriam. Z. XXXIII S. 167—176. 257. Otto Stobbe. Preussische Jahrbücher Bd. 59. S. 596 bis 600. 258. Zur Reichstagswahl vom 21. Februar und 2. März 1887. 2. Auflage. 8° (61 S.) Berlin. Puttkammer & Mühlbrecht (zum Theil zuerst in der Nationalzeitung vom 20. und 27. Februar veröffentlicht.) 259. Zusatz zu M a r t i n , Zum Andenken an Johann Friedrich Voigt. Z. XXXIII S. 205. 260. Zusatz zu L a d e n b u r g , Noch einmal die österreichischen Kouponsprozesse. Ebd. S. 250—253. 260a. Zeitschriften. Ebd. S. 457—468. 261. K. W e i d 1 in g , Das buchhändlerische Konditionsgeschäft. Ebd. S. 491—494. 262. G. H a n a u s e k , Die Haftung des Verkäufers für die Beschaffenheit der Waare. Abth. I. Abth. II Erste Hälfte. Ebd. S. 496 f. 263. F. F r e n s d o r f f , Zur Erinnerung an Dr. Heinrich Thöl. Ebd. S. 499 f. 1888. 264. Noch einmal Rechtsstudium und Prüfungsordnung mit besonderer Rücksicht auf den praktischen Vorbereitungsdienst. Preuss. Jahrbücher Bd. 61. S. 244—277. 265. Die Universitätsfeier von Bologna in ihrer Bedeutung für die italienisch-deutsche Rechts- und Staatswissenschaft. Deutsche Rundschau. Bd. LVI, S. 295—297 (unterzeichnet -m-). 266. Studien zum Besitzrecht in »Festgabe f. Rudolf von Gneist zum Doktorjubiläum am 20. November 1888, gewidmet von Heinrich Brunner, Ernst Eck u. s. w.« (Berlin, Julius Springer) S. 61—97. 267. Die Haftpflicht der Genossen und das Umlageverfahren. Beilage zu der Petition deutscher Genossenschaften an den hohen Deutschen Reichstag, betreffend den Entwurf eines neuen Deutschen Genossenschaftsgesetzes. 8° (38 S.).

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Verzeichnis der Schriften Goidschmidts.

268. Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften. Deutsches Wochenblatt. Jahrgang I. S. 410—412, 4 2 2 - 4 2 6 . 269. Haupt- und Nachbürge. Mitbürgen. Auxilium divisionis und cedendarum actionum. Theilzahlung. R.-Konk.-O. § 61. Jahrbücher f. d. Dogm. d. heut. röm. u. deutsch. Privatrechts. Bd. 26. S. 345—398. 270. Archiv für Eisenbahnen. Z. X X X I V S. 624 f. 271. G. E g e r , Das internationale Uebereinkommen über den Eisenbahn-Frachtverkehr. Ebd. S. 627—629. 1889. 272. System des Handelsrechts mit Einschluss des Wechsel-, See- und Versicherungsrechts im Grundriss. Zweite, ergänzte und durch Einzelausführungen vermehrte Auflage. 8 (248 S.) Stuttgart, Ferdinand Enke. 273. Inhaber-, Order-und executorische Urkunden im classischen Alterthum. Zeitschrift der Savigny-Stiftung f. Rechtsgesch. Rom. Abth. Bd. X S. 352—396. 274. Nach dreissig Jahren. Rück- und Vorschau. Z. X X X V S. 1—13. 275. Lex Rhodia und Agermanament. Der Schiffsrath. Studie zur Geschichte und Dogmatik des Europäischen Seerechts. Ebd. S. 37—90, 321—397 (s. dazu X X X V I S. 396). 276» Das neue Genossenschaftsgesetz. Deutsches Wochenblatt. Jahrg. II S. 149 f. 277. Lebensversicherung (Schriften von Vivante, Zammarano, Platou, Molengraaff, Rehfous, Bericht des eidgenössischen Versicherungsamts). Z. X X X V S. 2 7 4 - 2 9 0 . 278. W. S p ä i n g , Französisches und Englisches Handelsrecht. Ebd. S. 295 ff. 279. A. S c h a u b e , Das Konsulat des Meeres in Pisa. Ebd. S. 599—604. 280. Georg Beseler und Eduard Pape. Z. X X X V I S. 1—5. 281. Die Kreationstheorie und der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich. Z. X X X V I S. 124—146. 282. Zur Abhandlung von C a r 1 i n, Zeitschrift X X X V I S. 6 ff. Ebd. S. 596 f.

Verzeichnis der Schriften Goldschmidts.

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283. Systematische Darstellungen des Deutschen Handelsrechts (Endemann, Gareis, Cosack, Dernburg, Goldschmidt). Ebd. S. 303—322. 1890. 284. Die Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften nach dem Reichsgesetz vom 1. Mai 1889. X X X V I I . S. 23—42. 285. H. S i m o n s f e l d , Der Fondaco dei Tedeschi in Venedig. Ebd. S. 260—263. 286. V. C u s u m a n o , Storia dei banchi della Sicilia. Ebd. S. 263—267. 287. v. S t e n g e l , Wörbuch des Deutschen Verwaltungsrechts. Ebd. S. 572—574. 1891. 288. Handbuch des Handelsrechts. Dritte völlig umgearbeitete Auflage. Erster Band. Geschichtlich-literarische Einleitung und die Grundlehren. Erste Abtheilung: Universalgeschichte des Handelsrechts. Erste Lieferung. (A. u. d. T . : Universalgeschichte des Handelsrechts. Erste Lieferg.). 8 0 (XVIII u. 468 S.). Stuttgart, Ferdinand Enke. 289. System des Handelsrechts mit Einschluss des Wechsel-, See- und Versicherungsrechts im Grundriss. Dritte, verbesserte und durch Einzelausführungen vermehrte Auflage. 8 ° (VIII und 277 S.). Stuttgart, Ferdinand Enke. 290. Börsen und Banken. Preuss. Jahrbücher Bd. 68 S. 876 bis 887. 291. Rede zur Festversammlung des Hilfsvereins für jüdische Studirende an dessen fünfzigstem Jahrestag, den 26. Februar 1891. 8 ° (8 S.). Berlin, Druck von R. Boll. 292. Benvenuto Straccha Anconitanus und Petrus Santerna Lusitanus. Z. X X X V I I I S. 1—9. 293. Nekrologe (Franz Mittermaier, Lewis, Fleischauer). Z. X X X I X S. 261—264. 294. Zusatz zu der Abhandlung des Herrn Regierungsraths Dr. Affolter (üb. Wechseleigenthum und Wechselforderung). Ebd. S. 4 3 1 - 4 3 4 . 295. K. S c h u l z , Katalog der Bibliothek des Reichsgerichts. Z. X X X V I I I S. 350—352. 1892. 296. System des Handelsrechts mit Einschluss des Wechsel-,

22

297.

298. 299. 300. 301. 302. 303. 304.

Verzeichnis der Schriften Goldschmidts.

See- und Versicherungsrechts im Grundriss. Vierte, verbesserte und durch Einzelausführungen vermehrte Auflage. 8° (VIII und 293 S.). Stuttgart, Ferdinand Enke. Handelsgesellschaften. In »Handwörterbuch der Staatswissenschaften. Herausgegeben von Conrad, Elster, Lexis, Loening«. Bd. I V S. 285—304. Handelsrecht. Ebd. S. 329—339. Alte und neue Formen der Handelsgesellschaft. Vortrag in der Juristischen Gesellschaft zu Berlin gehalten den 19. März 1892. 8 ° (43 S.). Berlin, Otto Liebmann. Die Geschäftsoperationen auf den Messen der Champagne. (Les devisions des foires de Champagne). Z. X L S. 1 bis 32, 366. Beitrag zu »Staatsminister Jolly. Ein Lebensbild von Hermann Baumgarten und Ludwig Jolly« (Tübingen 1897). S. 29—38. A. W a h l , Traité théorique et pratique des titres au porteur français et étrangers. Z. X L S. 261—272. Erklärung der Redaktion (der Zeitschr. f. d. ges. Handelsrecht) zur Schrift des Herrn Dr. W. Stintzing: Zur Besitzlehre. Kritische Streifzüge. Ebd. S. 364 f. v. S t e n g e l , Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechts. Bd. II Liefg. 14 ff. Ergänzungsband I. Ebd. S. 6 0 1 - 6 0 3 .

1893. 305. Vorwort zu F . P a t e t t a , Ein Brief des Baldus über Wechselgeschäfte. Z. X L I S. 127 f.

VORWORT.

D

ie Monographie über den Besitz, welche hiermit aus dem Nachlasse Goldschmidt's herausgegeben wird, soll den Nachweis erbringen, dass der Besitz des römischen Rechtes ein Machtverhältniss ist, welches dem Gemeinbewusstsein als thatsächliche Herrschaft erscheint. Diese Ansicht, zu der Goldschmidt schliesslich gelangt war, nachdem er sich in der ersten Auflage seines Handbuchs des Handelsrechts (1868. Drittes Buch, Erster Abschnitt, Cap. II) im Wesentlichen noch auf den Boden der Lehre v. Savigny's gestellt hatte, wird durch die Herausgabe seines hinterlassenen Werkes nicht zum ersten Male der Oeffentlichkeit unterbreitet. In seinen Vorlesungen und namentlich in den im Jahre 1888 als Festgabe für Rudolf v. Gneist veröffentlichten »Studien zum Besitzrecht« hat er sie schon mit aller Schärfe zum Ausdruck gebracht. Neu ist aber die Beweisführung in ihrem vollen, das gesammte Quellenmaterial umfassenden Zusammenhange. Aus dieser Beweisführung hat Goldschmidt nur zwei Bruchstücke, die Lehre vom Besitzerwerbe durch Urkunden — 1. 1 C. de donat. (8,53) — sowie die Lehre vom Verluste des'Sklavenbesitzes, in welche noch einige Ausführungen über die possessio absentis eingefügt waren, in der genannten Festschrift veröffentlicht. Wie er es selbst ausgesprochen, hat er die beiden Lehren ausgewählt, weil gerade aus ihnen Folgerungen gezogen worden waren, »an welchen die Auffassung des Besitzverhältnisses als eines thatsächlichen Herrschaftsverhältnisses nothwendig scheitern musste«. Diese Auffassung aber fand

26

Besitzlehre.

Goldschmidt in dem kurz zuvor veröffentlichten Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches erster Lesung wieder. Damals schrieb er: »So seltsam es erscheinen mag, wenn in demjenigen Zeitpunkt, welcher die lange ersehnte Vollendung des deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs in nahe Aussicht stellt und die geeinte Kraft des deutschen Juristenstandes der eindringenden Kritik des nun vorliegenden Entwurfes zuwendet, die nachstehende Untersuchung auf die anscheinend völlig abwegigen und veralteten Verhältnisse römischen Sklavenrechts zurückgreift, so darf doch an dem guten Satz der historischen Rechtsschule festgehalten werden, dass jede tiefere Einsicht in die geschichtlichen Elemente unseres Rechts unmittelbar oder mittelbar der Erkenntniss des lebendigen Rechts zu Gute kommt. Dieser Satz wird seine Richtigkeit bewahren auch nach glücklicher Durchführung der deutschen Kodifikation, vornehmlich auf Gebieten, deren detaillirter positivrechtlicher Regelung gewichtige Bedenken entgegenstehen. Mit richtigem Takt und mit Einsicht in das wahre Wesen des Besitzes haben die Verfasser des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs sich der eingehenden Normirung des Besitzrechts enthalten. An der Spitze steht der jede Definition vermeidende § 797: »Der Besitz einer Sache wird erworben durch die Erlangung der thatsächlichen Gewalt über die Sache (Inhabung) in Verbindung mit dem Willen des Inhabers, die Sache als die seinige zu haben (Besitzwille)«. Dem entspricht § 810 S. 1: »Der Besitz wird beendigt, wenn dem Besitzer die thatsächliche Gewalt über die Sache entzogen wird«, verbunden mit § 806: »Der Besitz dauert fort bis zum Eintritte einer Thatsache, welche nach den Vorschriften der §§ 807 bis 813 die Beendigung des Besitzes bewirkt«. Endlich wird — denn es soll hier nicht auf Einzelheiten noch auf die vielfach bedenkliche Formulirung eingegangen werden — in den §§ 802, 803 die wichtige Unterscheidung zwischen okkupatorischem und traditionsweise erfolgendem Besitzerwerb durchgeführt, woran sich die Regelung der Stellvertretungsverhältnisse in Bezug auf den Besitz: §§ 804, 805, 811—813 knüpft. Worin aber diejenige »thatsächliche Gewalt« besteht, welche — in Verbindung mit dem »Besitzwillen« — das

Vorwort.

27

Wesen des Besitzes ausmacht, haben die Verfasser des Entwurfs v o l l k o m m e n k o r r e k t nicht definirt, vielmehr der verständigen, an L e b e n s s i t t e und E r f a h r u n g sich anschliessenden richterlichen Würdigung überlassen. Es ist so richtig der Besitzergriff aufgefasst a l s e i n s o c i a l e r G e w a l t b e g r i f f ( p o t e s t a s : 1. 55 D. de A. R. D. [41,1]); im Einzelnen, je nach der zeitigen Verkehrsanschauung zu wechselnder Beurtheilung der Thatbestände führend, auch vom positiven Recht zwar mitbestimmt (plurimum ex iure mutuatur), aber doch in der Hauptsache — und in der Gewinnung dieser Einsicht besteht trotz unzweifelhaft zu enger Definition das unverkümmerliche Verdienst des genialen Savigny'schen Werkes — eine »res facti«. Damit ist die Verkennung des Besitzcorpus, welche vornehmlich in der geistreichen Kritik v. Ihering's, weiter bei zahlreichen Neueren, z. B. Meischeider, Kindel, v. Pininski, Strohal, Hölder (Kritische Vierteljahrsschrift X X I X S. 374) zu dem Axiom eines w e s e n t l i c h und in d e r H a u p t s a c h e d u r c h R e c h t s s ä t z e bestimmten Besitzbegriffs geführt hat, beseitigt und der nothwendigen freien Würdigung der Thatbestände — freilich nicht der von jedem o b j e k t i v e n Maassstabe absehenden Willkür und Phantasterei — voller Raum gelassen.« Was Goldschmidt über den Gewaltbegriff des Entwurfs sagt, trifft auch für den Gewaltbegriff des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu, und sein Werk, das zeigen sollte, wie die Römer ihr Besitzrecht aus dem nämlichen Begriff heraus im Einzelnen gestaltet haben, wird daher nicht nur für den Rechtshistoriker von Bedeutung sein. Die Umstände, welche Goldschmidt verhinderten, seine Arbeit der Oeffentlichkeit zu übergeben, und die Gründe, aus denen die Herausgabe jetzt erfolgt, sind bereits in dem Vorworte zu der ganzen Sammlung dargelegt. Hier sollen nur noch zwei Stellen aus Briefen Goldschmidt's mitgetheilt werden, welche sich auf das Buch beziehen. Am 28. Februar 1884 schrieb er an Professor Fitting in Halle: »Ich habe diesen Winter scharf gearbeitet, eine civilistische Monographie über den Besitz vollendet, von der ich mir mannigfache Klärung verspreche, nicht allein gegen Ihering, sondern auch gegen Bekker und Andere, sowie erhebliche Berichtigungen gegen Savigny u. s. f. Auf die beliebten

28

Besitzlehre.

Themata der Besitzklagen und vieles Andere gehe ich gar nicht ein, dagegen um so mehr auf gewisse Grundfragen.« In einem Briefe an die Verlagsbuchandlung, bei der das Buch zur Eröffnung der damals geplanten Herausgabe der gesammelten Schriften Goldschmidt's erscheinen sollte, heisst es: »Diese Arbeit, rein civilistischen Inhalts, d. h. reines römisches Recht, sucht die Besitzlehre, die wohl interessanteste und schwierigste Lehre des ganzen Privatrechts, für welche Savigny, Ihering, Bruns und andere erste Juristen Hervorragendes geleistet haben, auf neue — wie ich glaube — sichere Grundlagen zu stellen; sind die hier durchgeführten Ansichten richtig, so ist damit ein sehr wichtiger Fortschritt und zwar nicht bloss für die einzelne, an sich sehr bedeutsame Lehre, sondern vermöge der angewendeten Methode darüber hinaus für das Gebiet der Rechtsdogmatik einerseits, der rechtshistorischen Entwickelung andererseits erzielt, da dem Ganzen der Gedanke zu Grunde liegt, aus den faktischen Lebensverhältnissen heraus sich die Rechtssätze entwickeln zu lassen.« Schliesslich mögen hier noch die Worte Platz finden, mit denen Goldschmidt die ersten Bogen dieser Arbeit, deren Drucklegung damals gerade begonnen war, an Eduard Zeller überreichte. »EDUARD

ZELLER

zum 22. J a n u a r gewidmet.

1884

Gestatten Sie, mein ehrwürdiger Freund, dass ich zu Ihrem heutigen Feste meine Schrift über den 'Besitz', deren Druck freilich erst beginnt, mit Ihrem Namen schmücke. Ich würde es nicht wagen, in dieser Form meiner treuen Ergebenheit für Sie Ausdruck zu geben, wenn ich nicht hoffte, dass Sie in dem Buche einigermaassen wiederfinden werden, was Ihren höchsten Anspruch auf die Verehrung der Mitlebenden wie kommender Geschlechter begründet: die Verachtung geistreichen Scheines, das rücksichtslose Streben nach Wahrheit, die redliche Weise, sie zu finden.«

Als Goldschmidt die Veröffentlichung des Buches aufgab, lagen die ersten sechs Paragraphen schon gedruckt vor. Bis

Vorwort.

29

zum § 11 war das Manuskript bereits druckfertig. Der bei Weitem grösste Theil des Werkes harrte noch der letzten Ueberarbeitung. An zwei Stellen fanden sich noch Lücken: An § 16, der die Theorie v. Ihering's behandelt, sollte sich eine Beleuchtung der anderweitigen Theorien hinsichtlich des Besitzerwerbs anschliessen; § 23 ferner, in dem eine Widerlegung der Theorie v. Esmarch's über die vacuae possessionis traditio beabsichtigt war, bricht, bevor er zu seinem eigentlichen Gegenstande gelangt, ab. Für beide Stellen liegen nur so unvollkommene Notizen vor, dass eine Ergänzung unausführbar war, wenn, worauf es hier nur ankommen durfte, der Oeffentlichkeit eine Arbeit übergeben werden sollte, die ausschliesslich von Goldschmidt herrührt. So sehr aber auch das Fehlen dieser Theile zu bedauern sein mag, so entsteht doch, da es sich nur um kritische Ausführungen handeln konnte, keine Lücke in der Darstellung der das Werk beherrschenden Grundgedanken. Diese Darstellung hatte Goldschmidt bereits in ihrem vollen Zusammenhange durchgeführt. Freilich ist, soweit Goldschmidt das Manuskript in noch nicht druckfertigem Zustande hinterlassen hat, das Fehlen der letzten Ueberarbeitung nicht zu verkennen. Hier war, wie die zahlreichen Notizen aus Quellen und Literatur erkennen lassen, noch Manches der näheren Prüfung vorbehalten, und so muss es auch hin und wieder noch an der für Goldschmidt's Arbeiten charakteristischen und auch in den vollendeten Theilen dieses Werkes stets hervortretenden feinen, tiefeindringenden Ausarbeitung und scharfen Prägung der Gedanken fehlen. Aber es handelt sich doch nur um untergeordnete Punkte, die den Gesammteindruck nicht beeinträchtigen. Die bereits im Drucke vorliegenden Paragraphen sind mit geringen Aenderungen und Weglassungen, die Goldschmidt zumeist selbst bei späterer Durchsicht angedeutet hatte, abgedruckt. Die in den »Studien zum Besitzrecht« veröffentlichten Theile finden sich an den ihnen von Goldschmidt im Zusammenhang angewiesenen Stellen wieder. Es sind hier nur die Aenderungen beseitigt, die zum Zwecke der selbstständigen Veröffentlichung vorgenommen waren. Insoweit das noch nicht druckfertige Manuskript zu benutzen war, wurde meine Aufgabe durch eine von Herrn Referendar Le Viseur mit grosser Sorgfalt angefertigte Abschrift zwar wesentlich

30

Besitzlehre.

erleichtert, jedoch fehlte es nicht an Stellen, an denen die Ermittelung der endgültigen Ansicht Goldschmidt's auf die grössten Schwierigkeiten stiess. Bei der Herausgabe dieses Theiles der Arbeit habe ich mir selbstverständlich die weitestgehende Schonung des Goldschmidt'sehen Textes zur Regel gemacht. Ich habe mich insbesondere nicht für berechtigt gehalten, Ausführungen Goldschmidt's nur deshalb wegzulassen, weil sie Anfechtung finden könnten. Kein Leser wird an die Einzelausführungen den Maassstab anlegen, als wenn das Buch von Goldschmidt selbst zur völligen Vollendung gebracht worden wäre. Eine Ausnahme habe ich nur gemacht bei den Stellen, in welchen Goldschmidt die Wortabstammung zur Unterstützung seiner Ansicht herangezogen hat. Die Ergebnisse der Sprachforschung, welche Goldschmidt damals zur Verfügung standen, sind heute zum grössten Theil veraltet, und damit haben auch die Schlüsse, die Goldschmidt aus ihnen zog, jedes Interesse verloren. Im Allgemeinen konnten diese Ausführungen weggelassen werden, ohne den Gedankengang zu stören. Nur § 11, in welchem Goldschmidt eine jetzt wohl völlig aufgegebene Etymologie des Wortes custodia für die Feststellung der Bedeutung dieses Wortes in der Besitzlehre verwerthete, ist durch die Beseitigung der bezüglichen Ausführungen etwas dürftig geworden. Jedoch wird das, was jetzt vielleicht an dieser Stelle mangelt, durch die in dem weiteren Verlaufe der Arbeit gegebenen Ausführungen, die sich nur auf das Quellenmaterial stützen, ergänzt. Aenderungen in dem Aufbau und der Fassung der Darstellung habe ich mehrfach vornehmen müssen. Trotzdem werden sich stellenweise Wiederholungen und Weitschweifigkeiten bemerkbar machen, die unter Goldschmidt's Hand verschwunden wären. Es ist dies überall da der Fall, wo eine grössere Umgestaltung erforderlich gewesen wäre, mir aber ausreichende Anhaltspunkte fehlten, um diese Umgestaltung im Sinne Goldschmidt's vornehmen zu können. Was das Buch in Folge dessen vielleicht an Lesbarkeit verliert, wird meines Dafürhaltens reichlich dadurch aufgewogen, dass ihm die Eigenart der Darstellung Goldschmidt's ganz gewahrt bleibt, mag auch diese Eigenart gerade an solchen Stellen nicht in der gewohnten Vollendung hervortreten.

Vorwort.

31

So wird das Buch in der Gestalt, in der es jetzt an die Oeffentlichkeit tritt, nicht in allen Theilen einen gleichmässigen Eindruck machen. Während die Theile, welche Goldschmidt selbst völlig fertiggestellt hatte, und namentlich die ersten Paragraphen hinter dem Besten, was er geschrieben hat, nicht zurücktreten, werden andere Theile ihren unfertigen Zustand nicht verleugnen, ein Uebelstand, dem ich nicht abhelfen konnte. Das Buch ist in den Jahren 1883 und 1884 verfasst und wird jetzt auch nur als ein damals abgeschlossenes Werk herausgegeben. Aenderungen und Zusätze mit Rücksicht auf die spätere Literatur sind deshalb unterblieben.

Dr. Heinrieh. Göppert.

INHALT. Seite

Einleitung

35

Erster Abschnitt. I.

Der geschichtliche Kunstprodukt ?

Die Grundbegriffe.

Ausgangspunkt.

Der

Besitz ein

juristisches

1. Die heutige Doktrin. § 1 2. Die Auffassung der Quellen. Besitzfunktionen im römischen Rechte. § 2 3. Der ursprüngliche Besitzbegriff. Handhafter Besitz. Naturalis possessio. § 3 . Erster Exkurs. Ueber Naturalis possessio II.

Der Besitzbegriff ein socialer (Verkehrs-)Begriff. § 4 Zweiter Exkurs . . III. Der Gewaltbegriff überhaupt (potestas). § 5 IV. Die Gewalt '(corpus) in Itet'ention- und juristischem Besitze. 1. Koordination von corpus und animus. Die 'Willenstheorie'. § 6 2. Die Detention ein Rechtsbegriff. § 7 V . Psychisches Element in der Gewalt? § 8 V I . Psychisches Element in der Gewalterlangung? § 9 V I I . Custodia und Gewahrsam. 1. Custodia. Summarische Uebersicht der Doktrin. Die Quellen. § I I 2. Gewahrsam. § 12

II.

49 57 65 68 78 83

91 97 107 115 .

123 124 128

Die Doktrin. § 13 1. Die Doppelreihe der Besitzerwerbsakte (sog. symbolischer Erwerb). § 14 2. Die Theorie v. Savigny's. § 15 3. Die Theorie v. Ihering's (überhaupt und insbesondere) hinsichtlich des Besitzerwerbs. § 1 6

141

Zweiter Abschnitt. I.

40

§ 10

.

Der Erwerb des Besitzes.

Die Quellen. 1. Allgemeines: Handhafter Erwerb und Surrogate (Präsenz, bzw. Nähe, custodia u. a. m.). § 17 2. Okkupatorischer und traditionsweiser Besitzerwerb. § 18 .

G o l d s c h m i d t , Vermischte Schriften.

3

142 145 149

163 184

34

Besitzlehre.

Inhalt.

3. Besondere Fälle. a. Besitzerwerb durch Schlüsselübergabe?

Seite Durchzeichnen?

§ 19 b. Besitzerwerb durch Uebergabe von Urkunden? § 20 . c. Besitzerwerb durch Mittelspersonen. Insbesondere Besitzkonstitut. § 2 1 d. Richterliche Besitzeinweisung. § 22 e. Vacuae possessionis traditio? § 23 III. Ergebnisse für die juristische Natur des Besitzerwerbs. § 24 . .

192 199 210 222 226 228

Dritter Abschnitt. Behauptung und Verlust des Besitzes. I. Die Theorien. Insbesondere v. Savigny, v. Ihering, Bekker. § 25 II. Die Quellen'. Allgemeines. § 26 1 . Possessio absentis. a. Der Satz: animo possessio retinetur. § 27 . . . . b. Okkupation von Grundstücken Abwesender. § 28 . . c. Besitzverlust durch Vernachlässigung? § 29 . . . . 2. Possessio praesentis. Besitzverlust corpore. a. Unmittelbar besessene Sachen. § 30 . Insbesondere Thiere. § 31 b. Mittelbar besessene Sachen. § 32 3. Verlust des Sklavenbesitzes. § 33 4. Besitzverlust animo? § 34 5. Die Paulinische Regel. § 35 I I I . .Ergebnisse für den Besitzbegriff. § 36 Schluss

231 241 244 249 265 277 287 295 303 312 335 344 347

EINLEITUNG.

D

as bewunderungswürdige Jugendwerk v. S a v i g n y ' s eröffnet die klassische Periode der deutschen Rechtswissenschaft; seither haben sich ungewöhnlich viele und beste Köpfe an den so zahlreichen Räthseln der Besitzlehre versucht. An fundamentalen Streitpunkten, historischen wie philosophischen, hat es nie gefehlt, wie denn die ganz spiritualistische »Willenstheorie«, durch G a n s und K i e r u l f f entwickelt, nicht allein von dem enthusiastischen Lenz, sondern wesentlich auch von dem vorsichtigen Bruns angenommen ist, sehr erheblich die Auffassung Puchta's beeinflusst, bei Meischeider, ja sogar bei Randa anklingt und erst neuerdings wieder in eigenthümlicher Abstraktion durch v. Liebe vertreten wird. Immerhin gelangt auch diese Theorie, wenn von der eigenthümlichen Wendung, welche ihr besonders Lenz und Baron durch die Betonung des Custodiabegriffs geben, abgesehen wird, zu wesentlich gleichen praktischen Ergebnissen. So hatte denn Rudorff (Anhang zu Savigny's 7. Aufl.) es verhältnissmässig leicht, die Einzelangriffe gegen seinen Meister abzuwehren, mag er auch in achtungswerther Pietät, und ohne selbst tiefer einzudringen, mitunter des Guten allzu viel gethan haben, und der Ausspruch Stahl's (Philosophie des Rechts, 3. Aufl.), dass v. Savigny die ganze juristische ^Erscheinung des römischen Besitzrechts in klassisch tadelloser Vollendung gegeben habe, oder, wie ich selbst es einmal ausdrückte, dass es dem grossen Meister gelungen sei, das praktische römische Besitzrecht im Wesentlichen unverfälscht aus der trümmerhaften Ueber3*

36

Besitzlehre.

Einleitung.

lieferung zu rekonstruiren, wurde vor noch zwanzig Jahren kaum bezweifelt. Erst v. I h e r i n g ' s schneidige Kritik hat die noch immer herrschende Lehre in ihren Grundlagen erschüttert, die Gegenlehre des genialen Kritikers, wie viel auch seine Gegner 1 positiv oder negativ von ihm gelernt haben mögen, freilich nur vereinzelte Anhänger gefunden. Erklärlich scheint so die immer weitergreifende pessimistische Ansicht, der Fehler liege nicht in unserer Auffassung des römischen Rechts, sondern in diesem selbst, die findbare Lösung hätte gefunden werden müssen2. So behauptet denn neuerdings B e k k e r 3 , dass den klassischen Juristen nicht allein die Rechtsformeln, sondern die Rechtsprinzipien gefehlt hätten, welche zum Aufbau eines festen Besitzrechts erforderlich gewesen wären, und er findet den Grund davon in der »mangelhaften Energie des Nachdenkens« , indem die Buntscheckigkeit des Besitzrechts gar nicht bemerkt und an die herkömmlichen »theoretischen Phrasen« darüber geglaubt worden sei. Nach meiner Ueberzeugung sind wir von den klassischen Juristen weitaus mehr zu lernen und aus dem Corpus iuris bei eindringender, in sehr wichtigen Punkten freilich noch nahezu fehlender Untersuchung weitaus festere Ergebnisse zu gewinnen im Stande, auch befugt, diese Ergebnisse für den Aufbau u n s e r e s g e l t e n d e n B e s i t z r e c h t s in Theorie, Praxis und Gesetzgebung zu verwerthen. Freilich verhielte es sich anders, wenn die römische »possessio« und der heutige »Besitz« durchaus verschiedenartige4 Begriffe wären — doch ' Zu diesen habe ich von jeher gehört: M e i n Handbuch des Handelsrechts. I. S. 1233 (1868). 1 M e i s c h e i d e r , Besitz und Besitzschutz (1876) Vorwort S . I I I , S. 19, 27, 66, 244, — s. freilich auch S. 268. Dass der römische Besitz kein einheitliches , nach Einer Idee zu konstruirendes Rechts-Institut sei, räumt auch A. P e r n i c e , Zeitschr. f. Handelsr. X X I I S. 419, ein, ohne sich die Folgerungen Meischeider's anzueignen: S . 419, 420, 424. Gegen »unsere Theorie« hinwieder, durch welche das wahre römische Recht verdeckt werde, kämpft B r u n s . Die Besitzklagen (1874) S. V, an, ohne jedoch die nach meiner Ansicht entscheidenden Grundfragen zu untersuchen. 3 B e k k e r , Das Recht des Besitzes bei den Römern (1880), z. B. S. 196, 3 3 2 . 35°. 35«. 352, 236, 390. * Ueber diese abenteuerliche These von K . J . S e i t z , Das heutige positive und nationale Besitzrecht in seiner Unabhängigkeit von der römischen possessio

Einleitung.

37

scheint mir zu diesem Sprung in die Leere glücklicher Weise kein Anlass. Der Receptionsprocess aber des wirklichen römischen Rechts war und ist zu keiner Zeit völlig abgeschlossen; Aufnahme wie Ausstossung finden statt. Nur mit dem Grundbegriff des Besitzes, dessen Elementen und deren Entfaltung in den Lehren vom Besitzerwerb und Besitzverlust befassen sich die nachfolgenden Erörterungen. Zunächst gilt es doch, festzustellen, was der Besitz ist oder, was so ziemlich auf das Gleiche hinauskommt, welches die Voraussetzungen seines Erwerbes und Bestandes sind. Die ebenso wichtige wie interessante historische Frage über den Ursprung des eigenthümlichen Besitzschutzes, die spekulative über dessen Grund, die historisch-dogmatische über dessen Umfang, die mehr systematische Frage, ob und wie sich der Besitz dem Kreise der subjektiven »Rechte« einreiht, bleibt daher ununtersucht, nebst mancherlei auch praktisch erheblichen Punkten, wie die genauere Bestimmung des Besitzwillens T, da an dieser Stelle eine auch annähernde Bestimmtheit genügt. Auf wichtige Einzelheiten, namentlich das in neuerer Zeit, und nicht allein von der Theorie, arg misshandelte constitutum possessorium2, gedenke ich bei anderer Gelegenheit zurückzukommen. 1880, s. B r i n z , Krit. Vierteljahrschr. X X I I I S. 38S. R y c k , Zeitschr. f. Handelsrecht XXVI S. 624 ff. Wenn neuerdings auch O. B a h r (Urtheile des Reichsgerichts mit Besprechungen, 1883, S. 38 ff.), in freilich anderer Richtung, einen von der römischen »possessio« verschiedenen Begriff des heutigen »Besitzes« behauptet, welchen Savigny gänzlich ignorirt habe, so ist er mindestens den Beweis schuldig geblieben, dass das »heutige« Recht n u r einen »Realbesitz« (d. h. doch wohl: einen mit »Gewahrsam« verbundenen Besitz) anerkennt, und dass andererseits das p o s i t i v e g e m e i n e Recht den allerdings sehr bemerkenswerthen, in der Hauptsache von Bähr vertretenen Standpunkt des p r e u s s i s c h e n Rechts (»unvollständiger« Besitz) einnimmt. Auf einige einschlägige Fragen ist später im Zusammenhange einzugehen: s. insbes. unten § § 3< 7> 1 0 ff- Dass das g e l t e n d e Besitzrecht wesentlich römisches R. ist, erkennen auch so hervorragende Germanisten an wie H e u s i e r , GewereS. 457 ff., S t o b b e , Deutsches Privatrecht I I , 2. Aufl. § § 75, 77 (3. Aufl. § § 89, 91). 1 R a n d a , Der Besitz mit Einschluss der Besitzklagen, 3. Aufl. (1879) § 12 (S. 367 ff.). Windscheid's u. Brinz' »Aneignungswille« versagt für die Frage vom Fortbestand des Besitzes. Eine sehr weite, wesentlich negative Formulireng versucht neuerdings M a n d r y , Arch. für civil. Praxis. Bd. 63. S. 1 ff. Vgl. unten S. 58 Not. 3. 1 S. übrigens unten Abschnitt I I , insbes. § 21 a. E .

38

Besitzlehre.

Einleitung.

Bei Würdigung des Quelleninhalts handelt es sich vielleicht mehr um Begreifen als um Formuliren, sicher mehr um Aufweissung dessen, was ist, als was sein sollte Auch fragt sich, ob die Wirklichkeit, das im Laufe der Jahrtausende Gewordene nicht weiser ist als unsere noch so eindringende Spekulation, und ob wir Modernen es denn wirklich so herrlich weit gebracht haben, dass wir über Papinian und Paulus Gericht zu halten befugt sind. Die dichte Hülle philosophischer wie historischer Spekulation, in welcher man den Schlüssel für das klassische Recht zu finden glaubt, dürfte doch wenig seinen sehr einfachen Wahrheiten entprechen. Nur mit dieser Erkenntniss ist eine sichere Grundlage für die moderne, vornehmlich in der Lehre von den »Traditions-Papieren« 2 zu Tage tretende Weiterbildung zu gewinnen. Jede hier gewonnene Mehrung der Einsicht kommt indirekt auch der Wissenschaft und Praxis des k o d i f i c i r t e n Rechts zu Gute. Denn die Lehrer und Richter des preussischen, österreichischen, sächsischen, französischen Rechts gehen, und zwar nothwendig, durch dieselbe civilistische Schule; was der heutigen Civilrechtswissenschaft als überwundener Standpunkt gilt, behauptet sich, auch wenn es gesetzlich fixirt ist, nicht leicht in dem engeren Gebiet des kodificirten Rechts lebendig, weil sich die allgemeine Rechtsüberzeugung nicht territorial begrenzen lässt. Dabei laufen dann freilich auch Irrthümer mit, indem der angeblich richtigeren neuen Theorie vollkommen zutreffende Sätze des kodificirten Rechts geopfert werden 3 . Das schliessliche Ergebniss der nachfolgenden Untersuchungen lässt sich kurz dahin zusammenfassen, dass für das 1 Es erinnert an den bekannten Ausspruch eines geistreichen Königs über den »Racker von Staat«, wenn ein junger enthusiastischer Anhänger der Gans'schen Besitzlehre, stud. iur. K ö p p e , welcher sich 1839 veranlasst sab, eine Schrift Uber den Besitz zu veröffentlichen, S . 37 bedauert, dass er sich »auf dem Knüppeldamm des positiven Rechts« bewegen müsse, und man glaubt dieses. Bedauern auch aus manchen neueren Schriften znr Besitzlehre herauszulesen. 1 M e i n Handbuch des Handelsrechts I. 2 (2. Aufl. II.) § § 65 ff, insbes. § § 6 9 — 7 7 ; m e i n e Abhandig.: Zeitschr. f. Handelsrecht X X I X S. 18 ff.

3 So wird z. B. für das p r e u s s i s c h e Recht gelehrt, dass es nicht Detention ohne Willen, nicht constit. possessorium ohne erklärte causa, nicht Tradition mittelst blosser Hingabe der Schlüssel gebe u. dgl. m.

Einleitung.

39

hier abgesteckte Gebiet die G r u n d a n s c h a u u n g v. S a v i g n y ' s , freilich weitaus mehr die intuitive als die formulirte, zwar richtig erscheint, aber doch sehr wesentlicher Vertiefung bedarf, während dessen Hauptgrundsätze nur mit den eingreifendsten Modifikationen aufrecht erhalten werden können, und dass die Quellenexegese vielfache Berichtigung erfordert, — womit mein Verhältniss zu der entgegenstehenden Grundanschauung v. I h e r i n g ' s und zu dessen Hauptthesen von selbst bezeichnet ist.

ERSTER ABSCHNITT.

DIE GRUNDBEGRIFFE. I. Der geschichtliehe Ausgangspunkt. Der Besitz ein juristisches Kunstprodukt? 1.

Die heutige Doktrin. § 1.

Nicht unerheblich für die Gewinnung sicherer Ergebnisse ist der geschichtliche Ausgangspunkt der Untersuchung. Wer an das prätorische Edikt, an die durch dieses zuerst gewährten Besitzklagen anknüpft, wird geneigt sein, allein oder doch vorwiegend in dem Edikt und der anschliessenden Jurisprudenz die rechtlichen Begriffselemente und Voraussetzungen des Besitzes zu finden. Dies ist in der That die herrschende Auffassung, wie verschieden auch im Uebrigen Ausgangs- und Zielpunkte der Besitztheorieen sein mögen. So basirt zwar v. S a v i g n y den rechtlich geschützten Besitz auf die durchaus naturale Grundlage der gewollten thatsächlichen Herrschaft 1 , und diese Vorstellung beherrscht, mehr intuitiv als begrifflich formulirt, im Grunde die ganze Besitztheorie des Meisters; aber er betont doch zugleich, dass um des (prätorischen) Schutzes willen Rechtsregeln über den Erwerb und Verlust des Besitzes aufgestellt seien 2 ; weiter: 1 Das Recht des Besitzes (7. Aufl., «herausgeg. von Rudorf!, 1865, nach welcher hier citirt wird) S. 26, 43, 55, 99, 108, 205 und sonst. 1 S. SS (Zusatz der 6. Ausgabe zu § 6).

Die heutige Doktrin.

§ I.

41

er sei ursprünglich gar kein juristisches Verhältniss und habe nur eine zwiefache juristische Bedeutung bekommen1. Von dem gleichen Standpunkt aus bezeichnen P u c h t a 2 und Andere den Besitz als ein faktisches Verhältniss, welches durch die Interdikte zu einem Rechtsverhältniss geworden sei, und sagt R a n d a 3 : »durch diesen Rechtsschutz wird der Besitz Gegenstand der bürgerlichen Gesetzgebung und die Regelung der Besitzverhältnisse Theil des Civilrechts.« In Verfolgung dieses Gedankens geht v. I h e r i n g so weit, sogar die thatsächliche (naturale) Grundlage zu leugnen: »Der Grundirrthum Savigny's besteht in meinen Augen darin, dass er den Besitzbegriff mit dem der faktischen Herrschaft über die Sache identificirt« 4 • es sei eine »grundfalsche, ja fixe Idee, dass der Besitz die körperliche Innehabung der Sache sei« 5 ; das Eigenthumsinteresse bestimme den Besitzschutz »und dieser den Besitzbegriff«; nicht da, wo im Sinne der Sprache ein Besitz vorliegt, sei Besitzesschutz zu gewähren, sondern wo letzterer aus praktischen Gründen (»nach den praktischen Motiven des Verkehrslebens«) zu ertheilen, sei juristischer Besitz anzunehmen, »einerlei, ob der vulgäre Sprachgebrauch des Lebens damit übereinstimmt oder nicht« 6 . Sehr bezeichnend lehnt er, obwohl sonst überall geneigt, aus dem Sprachschatz den ursprünglichen Inhalt der Rechtsbegriffe zu entnehmen, hier jedes Zurückgreifen auf diese, doch wohl klar das Gegen-

1 S . 70 u. sonst. S . 99 heisst es, dass Begriff und Wort possessio ursprünglich gar nicht juristisch seien; S. 69 dagegen, dass auch der Begriff der naturalis p . gleich ursprünglich ein juristischer Begriff sei, nicht im gemeinen Leben entstanden sein könne. 1 Kleine civilistische Schriften (aus Weiske's Rechtslexikon I I S . 4 1 — 7 3 •Besitz« [1839]) S . 414 ff. Aehnlich v. K e l l e r , Pandekten § 115. H o l d e r , Institutionen des röm. Rechts, § 37. 3 Der Besitz, § 1 Not. 3.

• Beiträge zur Lehre vom Besitz (Jahrbücher für Dogmatik I X ) S . 136; 2. Aufl. »Ueber den Grund des Besitzschutzes» 1869, S . 161. (Im Folgenden wird die I . Aufl. einfach mit den Seitenziffern, die 2. Aufl. daneben in Klammern citirt.) 5 S . 161, 156 ff. (186, 181 ff.). Uebrigens ist schon von Anderen bemerkt worden, dass weder v. Savigny noch die herrschende Lehre den Besitz als »faktische Herrschaft' in dem sehr engen, von Ihering unterstellten Sinne verstehen. 6

S. 157 ff. (182 ff.).

42

Besitzlehre.

Erster Abschnitt.

Die Grundbegriffe.

theil seiner Hypothese ergebende Erkenntnissquelle ab 1 . Mit aller wtinschenswerthen Deutlichkeit sagt er endlich2: »Ist der Besitz, wie ich ihn auffasse, ein an sich juristisch bedeutungsloses Verhältniss, das erst vom Eigenthum eine reflectirte juristische Bedeutung erhält, so dreht sich das Verhältniss zwischen Besitz und Besitzesschutz, wie es die bisherige Lehre auffasst, geradezu um. Während letztere nämlich vom Besitz ausgeht und von ihm zum Besitzesschutz als einer Konsequenz desselben gelangt, die Frage von den Voraussetzungen des Besitzes mithin rein der Anschauung desjenigen thatsächlichen Verhältnisses zur Sache entnimmt, welches wir im Leben als Besitz bezeichnen, so ist mein Weg der gerade entgegengesetzte. Beginnend mit dem Eigenthum gelange ich zuerst zum Besitzesschutz und sodann erst zu dem Besitz. Für mich ist also die Lehre von den Voraussetzungen des Besitzes nicht durch ihn selber gegeben, sondern ausschliesslich bestimmt durch den praktischen Zweck des Besitzesschutzes, und was auch immerhin der Besitz nach der natürlichen Aufiassung des Lebens sein möge, wo er ihr zu Folge vorhanden sei, oder wo er fehlen möge, kommt fiir mich gegenüber denjenigen Rücksichten, die aus jenem Zweck sich ergeben, gar nicht in Betracht. Die völlige Unabhängigkeit des Besitzesschutzes von dem natürlichen Dasein des Besitzes, d. h. die Thatsache, dass ein Besitz im Sinne der natürlichen Auffassung des Lebens vorhanden sein kann, ohne doch vom Recht als solcher anerkannt, d. h. geschützt zu werden, sowie das Gegenstück, dass der Besitzesschutz gewährt wird, wo es an dem Besitz in jenem Sinne fehlt, — diese Thatsache hat daher nach meiner Theorie, welche über die Schutzfrage nicht die Definition des Besitzes selber, sondern das Interesse des Eigenthums entscheiden lässt, durchaus nichts Auffälliges, während sie nach der Savigny'schen in manchen Anwendungen ein reines Räthsel enthält. Wenn das Motiv, der ausreichende Grund, warum der Besitz geschützt wird, in ihm selber zu suchen ist, wie reimt es sich damit, dass das Recht diesen Schutz in Fällen versagt, wo der Besitz in jenem Sinn vorhanden ist, und ihn gewährt, wo letzterer fehlt?« • S. 159 (184). 2. Aufl. S. 143, 144 (kürzer 1 . Aufl. S. 123).

1

Die heutige Doktrin. § i .

43

Mehr an v. Savigny erinnert die Bemerkung: »In gewissem Sinne kann man sagen, dass in älterer Zeit der Begriff des Besitzes überall noch nicht existirte, denn wo nicht der Besitz als solcher Schutz und Anerkennung findet, existirt er nicht« Hiernach ist mindestens der »juristische«, auch von Ihering nicht selten dem »natürlichen« entgegengestellte Besitz ein reiner Rechtsbegriff, die Lehre von den Voraussetzungen des Besitzerwerbs wie der Besitzbehauptung ein Kunstprodukt für den angeblichen praktischen Rechtszweck, den Eigenthümer in der »Thatsächlichkeit seines Eigenthums« zu schützen 2 . Darf nun auch einstweilen von dieser letzten Grundthese und ihren wichtigen Konsequenzen abgesehen werden, so finden sich doch bei v. |Ihering selbst zahlreiche Sätze, welche weder zu dem »Kunstprodukt« noch zu der »Eigenthumsposition« stimmen. So sagt er anderswo: »Das Dasein des Besitzes ist eine einfache Erfahrungsthatsache, eine Frage des täglichen Lebens« 3; er nennt den Besitz das »realste aller Rechtsverhältnisse, ein Verhältniss, das wie kein anderes auf die Macht der Thatsache gestellt ist« *; er betont, was ja dem so energisch abstrahirenden römischen Recht bei einem reinen Rechtsbegriff kaum entsprechen dürfte, dass »die äussere Form der Thatsächlichkeit (d. h. eben der Besitz) sich verschieden bestimme nach Verschiedenheit der Sachen« 5. Täusche ich mich nicht, so liegt der Schlüssel zu dieser wie sogar zu der Grundaufstellung v. Ihering's darin, dass er, um der unzweifelhaft zu engen Savigny'schen Formulirung zu entgehen, sich von der unbestimmten Vorstellung eines sehr elastischen wirthschaftlichen Lebensverhältnisses leiten lässt, den möglichen Gewinn einer derartigen Vorstellung aber preisgiebt, indem er dieses Lebensverhältniss zu einem reinen, dem Eigenthum dienenden R e c h t s g e b i l d e gestaltet. Doch darauf soll später näher eingegangen werden. ; s. 61 (74).

*. S. 3 S. • 2. 5 S.

41 ff. 153 ff. (45 ff. 179 ff.). 163 (189). Aufl. S. 220 (weniger präcis I. Aufl. S. 193). 161, 153 ff..(187, 179 ff.).

44

Besitzlehre.

Erster Abschnitt.

Die Grundbegriffe.

Auch M e i s c h e i d e r , ungeachtet er den Ausgangspunkt v. Ihering's bekämpft, findet, dass der Besitzschutz nur an ein »juristisch bedeutungsloses Raumverhältniss« angelehnt worden sei; nur aus praktischen Gründen habe man die Thatsächlichkeit im Besitz betont, ihn schliesslich aber auch »ohne diese angenommene Grundlage« anerkannt1. Auf die Spitze treibt v. Ihering's Rechtstheorie, trotz lebhafter Polemik gegen deren Grundlagen, K i n d e l 2 . Aus der These, dass der Besitz ein Recht sei, sucht er den Nachweis zu entnehmen, dass die Bedingungen des Besitz-Erwerbs und -Verlustes durch das positive römische Recht, den »Gesetzgeber«, und zwar dadurch geschaffen seien, dass er aus den für das Eigenthum geltenden Rechtssätzen gewisse (nämlich die das corpus und den animus betreffenden!) für den Besitz abstrahirt habe. Dieser lehrreichen Konsequenz gebührt mindestens das Verdienst der Unerschrockenheit. Ein juristisches Princip formulirt auch B a r o n 3 , ein solches postulirt, ungeachtet er das »doktrinäre Schema« verwirft, E x n e r 4 . Nicht ganz die herrschende Auffassung scheint B r i n z zu theilen. Er findet in dem Besitz eine ursprüngliche, wenngleich »unter die Herrschaft des Rechts zurückgedrängte«, »civilisirte«, »rechtsähnlich modificirte« Naturseite, »sehr viel von der Natur, aber auch sehr viel vom Recht« s . Gemeint ist so anscheinend ein ursprünglich natürlicher Besitzbegriff

1

S. 6 2 ,

70;

ftlr das

»heutige« Recht wird sogar geleugnet,

Besitz an die »reale Macht über die Sache« gebunden sei. lich S. 2 7 u. S. 1 9 8

dass der

S. 1 8 0 .

die Zustimmung zur Brinz'schen Auffassung.

S. frei-

Ueber die

Verwandtschaft der M.'schen und Ihering'schen Ansichten s. übrigens schon Randa, 1

in Grünhut's Zeitschr. I I I S. 7 0 6 und Besitz § 8 Not. 9d.

Die Grundlagen

9 ff., 45, 2 1 0 ff., 2 1 7 ,

des römischen Besitzrechts

(1883),

insbes.

S. I ff.,

2 6 7 ff.

3 Jahrb. für Dogmatik V I I S.

87,

84,

1 0 6 ff.:

Der Erwerb bezw. die

Erhaltung des Besitzes durch »custodia«, von welcher mindestens als Regel für Mobilien Alles abhängen soll, beruhe auf dem Rechtsprinzip,

dass Niemand

ein fremdes Grundstück ohne den Willen des Detentors betreten d ü r f e . • Die Lehre vom Rechtserwerb durch Tradition.

1867.

S. 9 5 .

Vgl.

S. 88 fT. 5 Lehrbuch der Pandekten 1. Aufl. I S. 5 6 , 5 7 , heblich abweichenden Darstellung 2 . Aufl. I S. 4 9 2 ff.

verbunden

mit der er-

Die heutige Doktrin.

§ I.

45

— aber bereits als rechtlicher1? Das klingt übrigens an Savigny 2 an. Einen wichtigen Schritt über Savigny hinaus thut A. P e r n i e e. Er vermuthet — die versprochene weitere Ausführung steht noch aus —, dass der Besitz der klassischen Rechtswissenschaft aus zwei Formen, dem usus und der possessio, der civilen und prätorischen, zusammengesetzt, namentlich aber unter Labeo's Einfluss zu einem einheitlichen Institut: »körperliche Herrschaft über eine Sache« geworden sei 3 . Damit wäre immerhin vereinbar, was auch er lehrt, dass nach römischer (d. h. klassischer) Auffassung der »Besitz im Interdiktenschutz besteht und a u f g e h t « G i e b t es aber zwei 5 Wurzeln des Besitzrechts 6 ,• so wäre schon weniger wahrscheinlich, dass der Besitzbegriff durch das positive Recht fixirt worden. Oder sollte es gar verschiedene Besitzbegriffe gegeben haben — etwa einen civilrechtlichen durch die Zwölftafeln und einen prätorischen, durch das Edikt unterstellten oder gar festgestellten? Zu dieser Hypothese — ja, streng genommen, zu einer noch viel kühneren — greift wirklich B e k k e r , indem er, und zwar in quellenmässiger Untersuchung, eine ganz ungezählte 1 Vielleicht als »vorgeschichtlicher«? So B r i n z , Krit. Vierteljahrsschrift XXIII S. 396 — aber er scheint doch auch im historischen röm. Recht eine derartige Entwicklung anzunehmen: eod. S. 413, 414. Vielleicht giebt auch Brinz zu, dass es sich hier um einen »vor und über dem ius scriptum stehenden Rechtsbegriff« (Zeitschr. f. Rechtsgeschichte XVII [Z. der Savignystiftung, roman. Abtheil. Bd. IV] S. 172) handelt, dürfte aber eben darum die nachfolgenden Ausführungen als voreilig zurückweisen, solange nicht »das ganze Gebiet des an leges, See, edicta, const. pp. anknüpfenden Rechts umschrieben« ist. 2 S. oben S. 40, 41. 3 P e r n i c e , M. Antistius Labeo I S. 321, verbunden S. 398, 27. Aehnliche Gedanken, aber doch mit viel Verkehrtem vermischt, bereits bei B u r c h a r d i , Arch. f. civil. Praxis XX S. 14 ff. (s. darüber v. S a v i g n y S. 158 fr.). • P e r n i c e , Zeitschr. für Handelsrecht XXII S. 423 — s. übrigens S. 418, 422 daselbst einige wichtige Bedenken. 5 S. übrigens 1. 16 D. de usurp. (41,3): — quod ad r e l i q u a s o m n e s c a u s a s pertinet —. 6 Die sehr dankenswerthe Untersuchung, welche Elemente des geltenden Besitzrechts dem Edikt, welche dem Civilrecht angehören, ist noch kaum angebahnt. Vgl. z. B. B e k k e r , Besitz S. 296 ff. D e m b u r g , Entwickelung und Begriff des juristischen Besitzes des römischen Rechts. (1883.) S. 57 ff.

46

Besitzlehre.

Erster Abschnitt.

Die Grundbegriffe.

Reihe von Wurzelformen des Besitzrechts aufzudecken bemüht ist. Er stellt nämlich die Alternative, dass der Besitzbegriff durch Laienarbeit bei Ausbildung der Sprache des gemeinen Lebens oder durch Juristenarbeit, die vielleicht an einen von der Laienarbeit gegebenen Kern sich angesetzt habe, ausgebildet worden sei; er neigt offenbar der zweiten Auffassung zu und bemerkt unbestreitbar richtig, dass, je mehr die Juristen mit der Begriffsbildung zu thun bekommen, desto mehr die äussere allgemeine Gleichheit der Vorgänge zurücktrete und das Gewicht auf die Uebereinstimmung der Rechtsfolgen falle 1 . Ausführlich entwickelt er sodann, dass es schon vor dem Interdiktenschutz rechtlich relevante »Besitzarten« gegeben habe, deren Verschiedenheit in Thatbestand und Rechtsfolgen er nicht nur sehr drastisch hervorhebt, sondern von welchen er auch aussagt, dass das Bewusstsein gefehlt (?) habe, wie man nur mit verschiedenen, unter verschiedenen Namen auftretenden Erscheinungsformen desselben Grundgedankens zu thun habe. An eine dieser »Besitzarten« habe dann der Interdiktenschutz angeknüpft, und habe nunmehr die Jurisprudenz die verschiedenen Besitzarten unificirt 2 , habe endlich im Anschluss an die — übrigens in der Hauptsache verfehlte 3 — prozessualische Einrichtung die weitere Ausbildung der Besitzlehre stattgefunden4. Demgegenüber möchte ich an denjenigen Resultaten festhalten, zu welchen ich vor dem Erscheinen der Bekker'schen Schrift gelangt war. Unzweifelhaft steht der klassischen Jurisprudenz die Frage im Vordergrund, ob der »Besitz« Interdiktenbesitz ist, — womit denn auch in der Regel gegeben ist, dass er Usukapionsbesitz sein kann. Aber es erhellt nicht einmal, dass sie den B e s i t z b e g r i f f vorwiegend mit Rücksicht auf den Interdiktenschutz untersucht hat 5 ; noch weniger leuchtet 1 S. 37. In dieser Beziehung aber scheint Ihering'sehen Auffassung entfernt zu sein. 1

er nicht weit von der

S. 39 ff., 92, 3 1 8 , 319, 3 2 1 . 3 So S. 235 — noch S. 99, vgl. Aktionen I I S. 64, nennt er freilich die Erfindung der interdicta retinendae possessionis eine geradezu »geniale». • S. 99 ff., vgl. auch Aktionen I I S. 330. 5 Von den beiden grossen Traktaten Uber die Besitzlehre, welche den Grundstock des Pandektenrechts bilden, ist der weitaus wichtigste, der des P a u l u s im 54. Buch zum Edikt (1. I , 3 D . de A. v. A. P. [ 4 1 , 2 ] , !• 4 D .

Die heutige Doktrin.

§ i.

47

ein, dass die klassische Rechtswissenschaft »verschiedene Besitzarten« unificirt habe; vielmehr dürfte sie umgekehrt aus dem e i n h e i t l i c h e n B e s i t z b e g r i f f d e r a l t e n Z e i t die »genera possessionum« 1 schärfer gesondert, in ihren Voraussetzungen und Wirkungen näher bestimmt haben. B r u n s hat, soviel ich sehe, sich nirgends mit Bestimmtheit über die Entstehung des Besitzbegriffs geäussert. In seinem »Recht des Besitzes im Mittelalter und in der Gegenwart« 4 geht er, gleich v. Savigny, davon aus, dass das physische Gewaltverhältniss die natürliche, empirische Grundlage bildet, lässt aber dessen etwaige rechtliche Modifikation unberührt. In seiner Darstellung des »heutigen römischen Rechts« bemerkt er nur 3, dass das Gesetz die für Erwerb und Verlust des Besitzes maassgebende Thatsache der »physischen Gewalt« genauer fixiren und abgrenzen »könne«, also Bestimmungen über Erwerb und Verlust des Besitzes aufstellen und dabei selbst über die natürlichen Grenzen hinausgehen — nicht auch, dass der Besitzbegriff etwa von vornherein durch das positive Recht fixirt worden sei. Nur einmal, ganz kurz und gelegentlich betont er, in treffender Polemik gegen v. Ihering, dass es sich um einen »natürlichen Grundbegriff« handle, welcher durch sich selbst und die Lebensverhältnisse da sei und durch kein Gesetz gemacht werde. Auch hier lehnt Bruns sich an K i e r u l f f an, welcher hervorhebt, man müsse — und dies hätten auch die römischen Juristen gethan — die Begriffsentwickelung des Besitzes und seines Gegensatzes unabhängig von dem praktischen Interesse de usurp. [41,3], 1. 2 D. pro emt. [41,4], 1. I D . pro donato [41,6], 1. 2 D. pro derel. [41,7], 1. 2, 4 D. pro leg. [41,8], 1. 2 D. pro dote [41,9], 1. 2 D. pro suo [41,10], 1. 8 D. de vi [43,16]) ohne besondere Rücksicht auf die Interdikte, welche Paulus an ganz anderer Stelle seines Ediktkommentars, nämlich vorzugsweise im 65. und 66. Buche, darstellt (1. 2, 6, 7, 9 D. de vi [43,16], 1. 2 D. uti poss. [43,17], 1. 2, 6 D. de itin. [43,19], 1. 2 D. de rivis [43,21]), geschrieben. Dagegen sind U l p i a n ' s Erörterungen aus dessen Ediktskommentar allerdings vorwiegend im Anschluss an die Interdikte (lib. 69 ff. ad Ed.) verfasst. ' 1. 3 § 23 D. de A. v. A. P. [41,2]. Siehe unten §§ 3, 7. 1 S. 1 ff., 465 ff., 486 ff. 3 Encyklopädie der Rechtswissenschaft, herausg. von v. Holtzendorff I (4. Aufl.) S. 436. 4 Die Besitzklagen des römischen und heutigen Rechts (1874) S. 298.

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Besitzlehre,

Erster Abschnitt.

Die Grundbegriffe.

dieser Lehre vornehmen, ohne Rücksicht auf die wirklichen oder angeblichen Wirkungen des Besitzes 1 . Nur irrt freilich Kierulff durchaus in der Annahme, dass der Besitzbegriff aus Spekulationen über animus und corpus gewonnen oder zu gewinnen sei. — Sicherlich gehört es, wie zu den schwierigsten, so zu den wichtigsten Aufgaben der Rechtswissenschaft, den ursprünglichen Rechtsthatbestand der Institute möglichst rein herauszuschälen, mag es sich dabei um wesentlich ethische bezw. psychologische (etwa: Wille, Handlung, Motiv, Irrthum) oder logische und metaphysische (etwa: Bedingung, Befristung, Voraussetzung) oder wirthschaftliche (etwa: Werth, Preis, Geld) Begriffe oder um blosse Thatbestände des gesellschaftlichen Lebens, der Lebens- und Verkehrs-Gemeinschaft handeln Die Rechtsbegriffe sind überhaupt zum grossen Theil e n t l e h n t e , wenn auch eigenthümlich rechtlich ausgestaltet. In ihrer künstlerischen und zwar rechtskünstlerischen I n t u i t i o n liegt die Quintessenz klassischer Jurisprudenz, vornehmlich der römischen. Diese Intuition der klassischen Meister, welche doch wohl nur in demselben Sinne wie etwa Lionardo da Vinci oder Michelangelo als »theoretisirende Praktiker« bezeichnet werden dürften3, reicht viel weiter als die Leistungsfähigkeit abstrakter Logik und scharfsinnigster Begriffszergliederung, — läge es nur an dieser, so wären, wie der tiefschauende, uns leider zu frühe entrissene R. v. Stintzing treffend bemerkt hat 4 , die Postglossatoren Bartolus und Baldus und deren unzweifelhaft sehr scharfdenkende und vielfach sehr verdiente zahlreiche Nachfolger in allen Jahrhunderten die Rechtsschöpfer gewesen. Aber die Rechtswissenschaft ist doch zu• Theorie des gemeinen (Zivilrechts I (1839) S., 344 Not. *. Ganz darauf hinaus kommt neuerdings, vom geschichtlichen Standpunkte, a u c h B r i n z , Krit. Vierteljahrsschrift X X I I I S. 414. 1 Einige e i g e n e Versuche in dieser Richtung betreffen beispielsweise: Werth, Preis, Geld, Vertretbarkeit und generische Bestimmtheit (Handbuch des Handelsrechts I, I I ) , die gesellschaftliche Kreditbasis (Zeitschr. für Handelsrecht X X V I I S. 35 ff.), die Garantiezusage (eod. III S. 58 ff., X V I S. 124fr.), die Weinprobe (eod. I S. 73 ff.). 3 So B e k k e r S. 150, womit wohl zusammenhängt der Vorwurf ungenügender Durchdenkung der wissenschaftlichen Probleme. * Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft. Bd. I. - (1880.) S. 89, 102 ff.

Die Auffassung der Quellen. Besitzfunktionen im röm. Recht. § 2.

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gleich Kunst (ars) — sie operirt nicht lediglich formulirend und analysirend mit f e r t i g e n Rechtsbegriffen, sondern sie s c h a f f t vor Allem dieselben aus den E l e m e n t a r b e g r i f f e n , welche allem positiven Rechtssatz in Gewohnheit und Gesetz zu Grunde liegen. Ein solcher e l e m e n t a r e r und zwar unmittelbar aus dem Thatbestand des menschlichen Zusammenlebens geschöpfter1, ein g e s e l l s c h a f t l i c h e r (socialer) U r b e g r i f f 2 ist der B e s i t z b e g r i f f des römischen und eines jeden nur einigermassen entwickelten Rechts: Gewohnheit, Gesetz, Rechtspraxis determiniren und modificiren ihn wohl, sie schaffen ihn nicht.

2. Die Auffassung der Quellen. Besitzfunktionen im römischen Recht. § 2. Bereits v. Savigny hat bemerkt, dass das prätorische Edikt keine Bestimmungen über den rechtlichen Thatbestand des Besitzes, d. i. über dessen Erwerb, Behauptung, Verlust enthielt. »Bestimmungen dieser Art wurden gewiss der juristischen Theorie überlassen« 3. Demzufolge hätte der Prätor unterstellt entweder eine bereits fertige Rechtstheorie — was auch in v. Savigny's Sinne schwerlich denkbar ist — oder, was sehr auffallend wäre, eine künftige Rechtstheorie. 1 Ganz ähnlich verhält es sich mit den Leistungen römischer Rechtswissenschaft für den Werthbegriff, den Geldbegriff u. a. m. (mein Handbuch des Handelsrechts II § 64 [2. Aufl.], § 99 [1. Aufl.] — s. auch allgemein I § 5 [3. Aufl.]). 1 Ueber solche s. z. B. L e i s t , die realen Grundlagen und Stoffe des Rechts (Civilistische Studien IV, 1877). Ob die Sprach- und Rechts-Vergleichung schon ausreichend weit gediehen ist, um g e m e i n s a m e Urrechtsbegriffe auch nur der indogermanischen Völker mit Sicherheit festzustellen, lasse ich hier, wo es sich nur um einen r ö m i s c h e n Urbegriff handelt, unbertthrt. Was aber L e i s t S. 166 ff. in Beschränkung auf das römische Recht über die UnzulänglichkSt des Operirens mit nur »logischen Kategorien«, um den geschichtlichen , ja auch nur den dogmatischen Gesammtthatbestand positiver Rechtsinstitute zu erfassen, ausfuhrt, trifft völlig mit meiner wiederholt ausgesprochenen Ueberzeugung über die Nothwendigkeit einer g e n e t i s c h e n M e t h o d e zusammen (Handbuch des Handelsrechts I [2. Aufl.] § 3 4 , Zeitschr. f. Handelsrecht XXIII S. 275, XXVIII S. 451 ff.). 3 S. 42.

G o l d s c h m i d t , Vermischte Schriften.

4

50

Besitzlehre.

Erster Abschnitt.

Die Grundbegriffe.

Näher liegt, dass »die Prätoren das possidere für etwas ebenso Handgreifliches und jeder Definition Unbedürftiges hielten wie das apud quem esse« Die Thatsache2 unterliegt keinem Zweifel. Von den zwei Fassungen des interdictum uti possidetis lautet die augenscheinlich ältere, auf fundi bezügliche, Festus s. v. possessio: Uti n u n c p o s s i d e t i s eum fundum q. d. a. quod nec vi nec clam nec precario alter ab altero possidetis, ita possideatis, adversus ea vim fieri veto, t die jüngere, auf aedes bezügliche, Ulpian, 1. 1 pr. D. uti possid. (43,17): Uti eas aedes, q. d. a., nec vi nec clam nec precario alter ab altero p o s s i d e t i s , quominus ita possideatis, vim fieri veto —; vergl. dazu Gaius IV 160: Uti n u n c p o s s i d e t i s , quominus ita possideatis, vim fieri veto, verb, mit Gaius IV 150. Die Fassung des interdictum utrubi lässt sich aus 1. un. pr. D. utrubi (43,31) verb, mit Gaius IV 166, 155 dahin restituiren3: U t r u b i hie homo, q. d. a., maiore parte hujusce anni nec vi nec clam nec precario ab altero f u i t , quominus is eum ducat, vim fieri veto. Die älteste, aus dem Jahre 682 oder 683 der Stadt überlieferte Fassung des interdictum de vi lautet4, nach Cicero pro Tullio c. 19, vergl. pro Caecina c. 30: 1

B e k k e r S. 194. Freilich, meint B., könne dieser Zustand »naiver Unbefangenheit« nicht lange gedauert haben, weil nicht immer mit Händen zu greifen war »uter possessor», und so habe man nothwendig aus der possessio einen R e c h t s b e g r i f f m a c h e n müssen, wobei denn die Köpfe auseinandergingen, ein ius controversum entstand, in welchem sich die Meister der klassischen Rechtswissenschaft, insbesondere Paulus, nicht mehr zurechtzufinden wussten und schliesslich Justinian in bekanntem Unverstände aus unvereinbaren Elementen ein Ganzes zusammengeschweisst habe (S. 192 ff., 230 ff., 328 ff. und sonst). 1 Ueber die hier nicht interessirende Stellung der Besitzlehre im Edictum perpetuum s. L e n e l , Das edictum perpetuum (1883), S. 16 ff., 35, 377 ff. u. Cit. 3 L e n e l S. 391, 392. • L e n e l S. 370, 371. Vgl. B e k k e r , Besitz S. 94. Die lex agraria vom Jahre 643 der Stadt lin. 18 ( B r u n s , fontes 6. Aufl. Th. I. c. III Nr. 11

Die Auffassung der Quellen. Besitzfunktionen im röm. Recht. § 2.

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U n d e tu — illum — in hoc anno vi deiecisti, cum ille p o s s i d e r e t , quod nec vi nec clam nec precario a te possideret, eo restituas. Dem eo des Schlusses sind in der späteren Ediktsformulirung die Worte »illum quaeque ille tunc ibi h a b u i t « 1 hinzugefügt: 1. 1 §§ 33, 34, 37, 38, vergl. 1. 1 pr. D. de vi (43,16), s. auch 1. 1 § 6 D. eod: — si quae res s i n t in fundo. Endlich das interdictum de precario, dessen Eigenschaft als possessorisches Interdikt dahingestellt bleiben darf, welches aber doch immerhin regelmässig nur gegen den juristischen Besitzer geht, lautet, nach 1. 2 pr. D. de precario (43,26): Quod precario ab illo h a b e s aut dolo malo fecisti ut desineres h a b e r e q. d. r. a. id illi restituas. Die auf uti, frui und dgl. gestellten, sicher jüngeren Interdikte der iuris quasi possessio dürfen hier übergangen werden. So viel erhellt, dass der Prätor nirgends das p o s s i d e r e , h a b e r e , e s s e , an welches er sein Verbot oder Gebot knüpft, definirt, so wenig als in dem entsprechenden Edikt das »damnum infectum«2, oder als die Lex Aquilia die Thatbestände occidere, urere, frangere, rumpere definjrt, an welche sie ihre Damnation knüpft 3 . Weiter ist zu beachten, dass der römische Sprachgebrauch das possidere, habere, apud aliquem esse als an sich 4 identisch behandelt: Labeo, Julian, Venulejus, Ulpian, 1. 2 § 3, vergl. 1. 22 § 1, 1. 19 pr. D. de precario (43,26); S. 77) hat: — ex p o s s e s s i o n e vi eiectus est, quod eius is quei eiectus est, p o s s e d e r i t , quod neque vi neque clam neque precario p o s s e d e r i t ab eo, quei eum ea possessione vi eiecerit. — 1 L e n e l S. 373. 1 1 7 pr. D. de damno inf. (39,2). Vgl. B u r k h a r d t , Die cautio damni infecti (Glück's Kommentar, Buch 39, 40 Th. II) S. 33. »Der Prätor hat diesen Begriff als einen fertigen, technischen Begriff vorgefunden und durfte ihn als einen allgemein bekannten voraussetzen.« 3 1. 2 pr., 1. 27 § 5 D. ad leg. Aquil. (9,2). Vgl. Gaius III 210, 217. A. P e r n i c e , Zur Lehre von den Sachbeschädigungen nach röm. Recht (1867) S. 15. * Vgl. auch B e k k e r , S. 92, Not. I. S. jedoch Näheres unten §§ 5, 8. 4*

Besitzlehre. Erster Abschnitt. Die Grundbegriffe.

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H a b e r e — videtur, qui possessionem — adeptus est — vergl. mit Paulus, 1. 3 § 5 D. de A. v. A. P. (41,2). Ulpian, 1. 2 § 38 D. ne quid in loco publ. (43,8): Habere eum dicimus, qui utitur et iure possessionis fruitur —. Ulpian, 1. 7 pr. D. de nox. act (9,4): Noxalis autem non alias datur, nisi apud me s i t servus — vergl. Paulus, 1. 26 § 2 D. eod.: cum eo qui possidet. Ulpian, 1. 38 § 9 D. de V. O. (45,1): — denique h a b e r e rem apud nos depositam solemus dicere. Freilich differentiirt sich das possidere wird das gleichfalls indifferente h a b e r e auch wohl in einem engeren, nur das rechtliche Haben bezeichnenden Sinne verwendet 2 , ja zwischen apud und p e n e s a l i q u e m esse unterschieden3. Ob die Ausdrücke p o s s e s s i o , p o s s i d e r e bereits der ä l t e s t e n R e c h t s s p r a c h e angehören, ist nicht zweifellos. In den Zwölftafelfragmenten begegnen sie nicht; allein dass der Ausdruck u s u s , dessen sich die Zwölftafeln für den Ersitzungsbesitz bedienen 4 , und welcher dort ebenso wenig erläutert ist als possessio u. dgl. im Edikt, der ursprünglich technische Rechtsausdruck für den Besitz überhaupt gewesen sei 5 , erhellt aus dieser Thatsache nicht, da in dem »usus« Unten §§ 3, 7. Paulus: 1. 188 pr. D. de V. S. (50,16). Ulpian bezw. Julian: 1. 38 § 9 . vgl. §§ 6, 3 D. de V. O. (45,1). Papinian: 1. 49 § I D. de A. v. A. P. (41,2): habere possidere. — Ferner die stipulatio Aquiliana: habes, tenes, possides (1. 18 § I D. de acceptil. [46,4] u. a. m.). Ueber den römischen Sprachgebrauch s. auch meine Untersuchungen zu 1. 122 § I D. de V. O. (1855) S. 47, insbes. E r m a n n , Zur Geschichte der römischen Quittungen und Solutionsakte (1883) S. 13 ff. 3 Ulpian: 1. 63 D. de V. S. (50,16): »Penes de« amplius est quam »apud te«; nam apud te est quod qualiterqualiter a te teneatur, penes te est, quod quodam modo possidetur. Vgl. »apud te« im Edikt de liberis exhibendis: D. 43,30; »penes te« vom juristischen Besitz gebraucht, z. B. 1. 15 § 4 D. de precar (43,26). * Cicero Top. c. 4. Cicero pro Caecina c. 19. Gaius I m . 5 Dies vermuthen B e k k e r , Besitz S. 4 0 , D e r n b u r g , Entwickelung S. 58. Eine weit ausgesponnene Hypothese verficht M. V o i g t , ius naturale IV S. 494 ff., vgl. jetzt auch: Das Civil- und Kriminalrecht der X I I Tafeln 1

1

Die Auffassung der Quellen. Besitzfunktionen im röm. Recht. § 2.

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jedenfalls das Mehr der dauernden Nutz-Ausübung (»Nutzgewere«) liegt 1 . Gar nichts dafür zu entnehmen ist aus Aelius Gallus bei Festus s. v. possessio: usus quidam agri aut aedifici, non ipse fundus aut ager, womit nur dem laxen Sprachgebrauch, welcher Besitz = Besitzung und Eigenthum nimmt, entgegengetreten wird, noch aus der ähnlich gedachten alterthümlich anklingenden Erläuterung von Javolenus, 1. 115 D. de V. S. (50,16): possessio ergo usus, ager proprietas loci est. Aber sicher erscheint doch, dass bereits das a l t e Recht an Haben, Geniessen, Gebrauchen bestimmte Rechtsfolgen, Berechtigungen wie Verbindlichkeiten geknüpft hat, dass es demzufolge einen r e c h t l i c h e n B e s i t z b e g r i f f , sohin auch R e c h t s s ä t z e 2 über dessen Erwerb und Behauptung gehabt haben muss, welche in den zahlreichen Gesetzen und Edikten früherer wie späterer Zeit vorausgesetzt wurden. Zunächst steht fest, dass schon die Zwölftafeln den der possessio jedenfalls nahe verwandten Begriff des usus, die Grundlage der Ersitzung, als Rechtsbegriff anerkannt haben. Es steht fest, dass es seit sehr alter Zeit eine publizistische »possessio« am Gemeinlande, einen »Lehnsbesitz« gab, für welchen irgend welcher Rechtsschutz, gleichviel ob durch die prätorischen Interdikte3 oder anderweitig, bestanden hat. Es (1883) Bd. I I S. 99 ff., 225 ff. Danach habe der alte Sprachgebrauch unterschieden: tenere = Detention, habere = juristischer Besitz; letzteres wiederum theils usus privatrechtlich im Usukapionsbesitz, theils possessio im publicistischen, dem angeblichen ursprünglichen Interdiktenbesitz des ager publicus. Die Zeugnisse, welche V. vorführt, gehören frühestens dem 7. Jahrh. der Stadt an, und auch die ältesten stehen, soviel ich sehe, seiner Behauptung eher entgegen, insbes. brauchen die lex agraria von 643 und die lex Antonia de Termess. die Ausdrücke habere, possidere, uti frui bezw. nur frui neben einander. 1

Ulpian X I X 8 : per continuationem possessionis. Ganz trifft hier zu Ulpian's 1. 41 D. de leg. ( 1 . 3 ) : T o t u m autem i u s constitit (consistit?) aut in adquirendo aut in conservando aut in minuendo: aut enim hoc agitur, quemadmodum quid cujusque f i a t , aut quemadmodum quis rem vel ius suum c o n s e r v e t , aut quomodo alienet aut a m i t l a t . Ueber den freilich sehr eigentümlichen Charakter dieser Rechtssätze s. S. 75, 76. 3 So neuerdings wieder, in scharfsinniger Ausführung, D e r n b u r g a. a. O . : Die Besitzinterdikte sollen zum Schutze dieses Lehnsbesitzes aufgestellt worden sein. Indessen leuchtet doch vor Allem nicht ein, dass der p r e k ä r e Besitz, welcher immerhin eine »Uebertragung der staatsrechtlichen possessio auf das Gebiet des Privatrechts« darstellen mag ( s o M o m m s e n , Rom. Staatsrecht. 2. Aufl. I S . 163 Not. 1 ) , die Urform des juristischen Besitzes (so Dernburg 1

54

Besitzlehre. Erster Abschnitt. Die Grundbegriffe.

muis ferner bereits im Sakramentsprozess eine Berücksichtigung, also Entscheidung der Besitzfrage stattgefunden haben, wenngleich die Vindicienertheilung nicht sowohl Entscheidung von Besitzstreit als Besitzzutheilung1 war und es, vom Freiheitsprozess abgesehen, unbekannt ist, nach welchen Grundsätzen diese interimistische Besitzregulirung erfolgte, ja ob sie auch nur für die Beweislast in Betracht kam; daher doch mehr als bedenklich, in der »Vindicienertheilung die früheste Ver anlassung zu sehen, bei der im römischen Recht der Besitz als Gegenstand rechtlicher Verfügung erscheint«a, oder gar hierbei von einem »ersten Auftreten des Besitzes in der Geschichte des römischen Rechts« zu sprechen3. Das Alter der eigentümlichen Besitzschutzmittel, der prätorischen Interdikte, ist durchaus ungewiss — vielleicht haben sie (alle?) schon zur Zeit des Plautus (Stichus 5, 4, 14. 5, 5, 9?), sicher zur Zeit des Terenz (Eun. II. 3, 27), entwickelt in ciceronianischer Zeit bestanden4. Aber wenn es immerhin vor dem Interdiktenschutz kein »Besitzrecht« gegeben haben mag, gab es denn vorher, auch abgesehen von der Ersitzung und dem publicistischen Gemeinlandbesitz, nicht einen rechtlichen Besitzbegriff?

S. 65), und dass das interd. utrubi die Vindikation von Peregrineneigenthum (so D. S. 57) gewesen sei; vielmehr spricht gegen beide Grundthesen alle Wahrscheinlichkeit; die Parallele aber von 1. a. sacramento in rem u. int. uti possid. ist für sich von geringem Gewicht. 1 Gaius IV 16: aliquem possessorem c o n s t i t u e b a t . Cicero Verr. I 45: nonne id quaeri oportet, utrum possessorem esse o p o r t e a t ? Im Besitzprozess selbst die fructus licitatio: Gaius IV 166, 167. — S. übrigens W i t t e , Interdictum uti possidetis S. 32 ff. 1 v. I h e r i n g S. 58 (72); sehr verwandt die Anschauung B e k k e r ' s , Aktionen I S. 207 ff., II S. 61 ff., Besitz S. 99 ff. Dagegen D e r n b u r g a. a. O. S. 13 ff. — jetzt wieder B e k k e r , Zeitschrift für Rechtsgeschichte XVIII (Z. der Savignystiftung. Rom. Abth. V) S. 149 ff. 3 v. I h e r i n g S. 59 (73).

* Bereits im Sakramentsprozess ? (z. B . W i t t e , Interd. uti possidetis S. 6 ff.) — vielleicht gar bald nach den Zwölftafeln? ( B e k k e r , Aktionen II S. 56); im ersten Jahrhundert derPrätur? ( D e r n b u r g , Untersuchungen über das Alter der einzelnen Satzungen des prätor. Edikts S. 107, 108). Sehr vorsichtig jetzt B e k k e r , Besitz S.92ff., 118,340; v g l . B r i n z , Zur Kontravindikation (1877) S. 131. Ueber diese Hypothesen bemerkt P e r n i c e , Zeitschrift für Handelsrecht XXII S. 425: »Zur Zeit des Legisaktionenprocesses, also in einer Zeit, welche der geschichtlichen Phantasie den weitesten Spielraum gewährt.«

Die Auffassung der Quellen. Besitzfunktionen im röm. Recht.

§ 2.

55

Die Doktrin spricht von »Rechtsfolgen« des Besitzes, über deren Art und Zahl sie von jeher uneinig war und ist T . Nun aber ist klar, dass, auch wenn wir uns Ersitzung und eigenthtimlichen Rechtsschutz des Besitzes als solchen wegdenken — wie ja beides sehr wohl möglich ist und in der einen oder der anderen Hinsicht in hochentwickelten Rechtssystemen vorkommen kann, — die rechtliche Bedeutung des Besitzbegriffs sich eben nur vermindert. Darüber lässt sich streiten, und soll hier nicht untersucht werden, was »Rechtsfolge« 2 des Besitzes ist; dagegen lässt sich gar nicht bezweifeln, dass die r e c h t l i c h e n F u n k t i o n e n d e s B e s i t z e s 3 , und zwar mit Einschluss der blossen Detention 4 , überaus mannigfaltig sind. Anders ausgedrückt: die Rechtsfrage, ob Besitz besteht oder doch einmal bestanden hat, bedarf in einer unendlichen Zahl von Fällen, wo weder Besitzschutz noch Ersitzung, und was damit zusammenhängt: publicianische Klage u. dgl., in Frage steht, der Lösung; auch von Besitzschutz und Ersitzung abgesehen ist somit der Besitz ein äusserst wichtiger rechtlicher Thatbestand, der Aufbau des Privatrechts ohne den Besitzbegriff undenkbar. Aber auch historisch findet sich keinerlei Anhalt, dass Interdiktenschutz und Ersitzung die rechtliche Grundlage des ursprünglichen Besitzbegriffs bilden. Ob im Sakramentsprocess nur gegen den erweislichen Besitzer die Vindikation ging, mag zweifelhaft sein — der Formularprocess erfordert doch mindestens Detention 5 . Die 1 Gegen die Savigny'sche Lehre von den zwei Rechtsfolgen s. z. B. bereits K i e r u l f f , Theorie des gem. Civilrechts I S. 345 Not. * S . 400. B ü c h e l , Ueber die Natur des Besitzes (1868). S. 50, 51. v. W ä c h t e r , Pandekten I I S. 34 ff. B e k k e r , Besitz S. 40 ff., 64 u. sonst. Noch schärfer B r i n z , Krit. Vierteljahrsschrift X X I I I S. 397 ff. S. übrigens auch P u c h t a , Kleine civil. Schriften S. 411, Vorlesungen zu den Pandekten § 132, A r n d t s , Pandekten § 135, W i n d s c h e i d , Pandekten I § 148. 1 In sehr absonderlicher Weise unterscheidet K i n d e l S. 82 ff., vgl. S . 59 ff., zwischen «Rechtsgarantienc und »Rechtsfolgen» des Besitzes. 3 Von d i e s e n spricht Javolenus 1. 16 D. de usurp. (41,3): quod a d r e l i q u a s o m n e s c a u s a s pertinet, qui accepit possidet. • S . unten § 7. 5 Ob Pegasus und Andere, welche die Klage sogar nur gegen den juristischen Besitzer zuliessen, 1. 9 D . de R . V. (6, i ) , den ursprünglichen Rechtsstandpunkt vertreten (Duplicilät des Sakramentsprocessesf vgl. B e k k e r ,

56

Besitzlebre.

Erster Abschnitt.

Die Grundbegriffe.

Formel der hereditatis petitio enthielt auch das possidere1. Die Formel der actio ad exhibendum, welche nur gegen den »Besitzer« ging, Gaius I V 51, und in enger Beziehung zu den Besitzinterdikten gestanden haben dürfte 2 , hat wahrscheinlich 3 Besitz oder arglistige Besitzaufgabe als Voraussetzung der Verurtheilung bezeichnet. Die Lex Atinia 4 operirt mit dem, wie sich zeigen wird, für die Besitzlehre sehr wichtigen Begriff der faktischen potestas 5 , nicht minder das Edikt über die Noxalklagen 6 . Ohne einen irgend festen Besitzbegriff ist nicht einmal die mancipatio in ihrer ursprünglichen Gestalt als unmittelbarer Austausch von Waare gegen Geld, wo das capere, mindestens für Mobilien7, ursprünglich zugleich Besitzergreifung war, denkbar. Gleiches gilt für den Kauf in seiner ursprünglichen Gestalt wie späteren Ausbildung (Obligirung zum tradere und zum habere licere praestare), für das furtum in seiner ursprünglichen8, wesentlich unserem »Diebstahl« entsprechenden Gestalt, für die Miethe (tenere), die Realkontrakte, das Faustpfand und Retentionsrecht, sogar für die Hypothek, insbesondere aber für die so wichtigen, wenn auch vielleicht ursprünglich nicht (niemals ?) mit fest anerkannten Rechtsfolgen verknüpften Eigenthumserwerbsarten der occupatio und traditio 9 . Mindestens ein Theil dieser Institute mag mit der ersten Aufstellung der Besitzinterdikte, ein anderer gar den Zwölftafeln gleichaltrig sein. Besitz S. 103, 161 ff.) oder nur, und zwar ohne Erfolg, eine Einschränkung des bestehenden Rechts versuchten, lässt sich nicht mehr ermitteln. 1 L e n e l a. a. O. S. 139. * B e k k e r , Aktionen II S. 59 ff. 3 L e n e l a . a. O. S. 173 ff. B e k k e r , Besitz S. 46. S. unten § 5 unter I I b . * S. auch S c h r ä d e r zu § 2. J . de usucap. (2,6). 5 1. 4 § 6 D. de usurp. (41,3). 1. 215 D. de V. S. (50,16). Unten § 5. 6 1. 21 § 2 D. de nox. act. (9,4). Vgl. L e n e l a. a. O. S. 124 ff. 7 Gaius I 121, I V 131a. Vgl. B e c h m a n n , Kauf I S. 69 fr., 203. 8 C. G. v. W ä c h t e r , in Weiske's Rechtslexikon I I I S. 355 u. Cit. 9 G e r a d e d i e s e Funktion des Besitzes wird in den römischen Rechtsquellen scharf hervorgehoben: 1. 20 § 2 D. de A. R . D. (41,1). 1. 8 C. de A. et R . P. (7,32). § 5 J . per quas pers. (2,9), und mit Rücksicht darauf bezw. auf die Beklagtenrolle im Eigenthumsstreit, und was damit zusammenhängt, wird die Frage, ob Besitz erworben sei, verloren sei, bestehe, v o r w i e g e n d in den Rechtsquellen erörtert. S. auch oben S. 46 Not. 5. — lieber die Hypothese RudorfTs, welche den ganzen Missionenabschnitt des edictum perpetuum auf den unterstellten »Besitzschutz* gründet, s. L e n e l S. 16 ff. u.

Der urspr. Besitzbegriff. Handhafter Besitz. Naturalis possessio. § 3.

57

Viel näher liegt, dass aus u r a l t e m Besitzbegriff sich bereits in vorhistorischer Zeit der Eigenthumsbegriff, allmählich die Unterscheidung der verschiedenen »Besitzarten« 1 herausgebildet hat. • Sicher aber ist schon in ältester Zeit der Besitz nicht ein blosser Thatbestand, Stoff des Rechts, sondern eine r e c h t l i c h d e t e r m i n i r t e Beziehung von Person zu Sache, somit ein R e c h t sverhältniss.

3. Der ursprüngliche BesitzbegrifF. Handhafter Besitz. Naturalis possessio. § 3. Der u r s p r ü n g l i c h e Besitzbegriff, wie er im Rechtsbewusstsein des Volkes vor seiner genaueren Determinirung durch Wissenschaft und Rechtspraxis lebte und, wie gezeigt, im gesammten durch Gesetz oder Edikt fixirten älteren Recht v o r a u s g e s e t z t wird, konnte nur ein sehr einfacher sein: die n a t u r a l i s possessio, das heisst eben ein Thatbestand, welcher dem naiven Volksbewusstsein als p. erschien. Es w i r d s i c h z e i g e n , d a s s um d i e s e » n a t u r a l i s p.« d i e g a n z e B e s i t z i e h r e g r a v i t i r t , und dass i m m e r w i e d e r , a u c h in d e r Z e i t h ö c h s t e n t w i c k e l t e r R e c h t s w i s s e n s c h a f t , d e r m ö g l i c h s t e n g e A n s c h l u s s an diesen » n a t u r g e m ä s s e n « B e g r i f f e r s t r e b t w i r d . Das dürfte nicht, wie neuerdings an dem Hauptdogmatiker der Besitzlehre, an Paulus, getadelt wird, ein »Kokettiren mit Archaismen« sein 2 , sondern allenfalls eine wohlbegründete Korrektur des späteren Spiritualismus, Ausfluss der tief empfundenen und gerade in dieser Lehre sich aufdrängenden Nothwendigkeit, aus der gefährlichen Selbstherrlichkeit juristischer Abstraktion zurückzugreifen auf die trotz alledem noch nicht völlig versiegte Quelle des Volksgeistes.

•über die freilich schwer erklärliche Stellung der Besitzlehre in den Ediktskommentaren ebenda S. 18, 19. Die späteren Systematiker behandeln die Lehre wesentlich in dem Abschnitt über E i g e n t h u m s e r w e r b : Gaius I I 1—96. J . I I 1—9. D. 4 1 , 2 ff. Paulus R . S. V. 2. C. 7,32 u. A. m. 1 S. unten § 3. 1 So B e k k e r , Besitz S. 231 Not. 1 .

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Besitzlehre.

Erster Abschnitt.

Die Grundbegriffe.

In diesem ursprünglichen Begriff liegt zunächst nichts als das t h a t s ä c h l i c h e Herrschaftselement des Besitzes, der blosse »Leib« ohne Rücksicht auf den »Geist« : c o r p u s = Herrschaft, Macht, Gewalt. Die feineren Nüancirungen nach der Willensseite, durch welche allein der Besitz sich rechtlich differentiirt, gehören, mindestens in klarer Erfassung, erst der wissenschaftlichen1 Entwickelung an, wie denn auch anscheinend sogar erst die Byzantiner eine prägnantere Feststellung des Besitzwillens versucht haben2, dessen dogmatische Einheit klarzustellen bisher aller Anstrengungen spottet'. Wie nun das manu capere (ad-prehendere) im Mancipationsritual4 wirkliches Ergreifen war, wie das tradere (trans-dare) ursprünglich nur Hingabe von Hand zu Hand, gleichviel, ob zu blosser Detention oder zu juristischem Besitz oder gar zu Eigenthum, bezeichnete5, so ist, nach seiner ursprünglichen, bereits von Labeo richtig erkannten Wortbedeutung, auch p o s s e s s i o = unmittelbares sinnliches Haben. Paulus, 1. 1 pr. D. h. t. (41,2): Possessio appellata est, ut et Labeo ait, a s e d i b u s , quasi positio, quia naturaliter t e n e t u r ab eo, qui ei i n s i s t i t , quam Graeci XUTO/^V dicunt6. 1

Unten § 7. Vgl. auch P e r n i c e , Labeo I I 1. Aufl. S. 192 Not. 55, 2. Aufl. S. 427 Not. 2 und Zeitschr. für Handelsrecht X X I I S. 426 fr. D e r n b u r g , Entwickelung S. 60, 67, Not. 2. ' Theophil. I I I 29 § 2, vgl. Basil. 50. 2, 61. 3 Man s. z. B. B r u n s , Besitzklagen S. 240 ff., 297 und Encyklopädie von Holtzendorff (4. Aufl.) I S. 435, 4 3 6 ; W i n d s c h e i d , Pandekten § 149 Not. 7, § 154; B e k k e r , Besitz S. 23, 161 ff.; M a n d r y , Arch. f. civil. Praxis Bd. 63 S. 16 ff.; W e n d t , Jahrb. für Dogmat. X X I S. 198 ff. Auch D e r n b u r g a. a. O. S. 66 ff. versucht nur eine praktisch - historische E r klärung. S. oben S. 37 Not. 1. * Gaius I 121. Ulpian X I X 6. 5 Daher einerseits: a) ein »tradere« im Rechtssinne, welches nicht »handhafte Uebergabe« ist, dieser meist nur rechtlich assimilirt wird. S. unten S. 63 ff.; b) erst die Jurisprudenz feststellt, dass in der Einräumung blosser Detention eine wahre »traditio« im Sinne einer Erfüllung der Kaufobligation nicht zu finden ist: 1. 17 (16) D. de P. et C. (18,6): quoniam non videtur traditus is, cuius p o s s e s s i o retinetur a venditore. 1. I i § 13, 1. 3 pr. D . de A. E . V. (19,1), vgl. 1. 26 pr. D. de donat. int. vir. et ux. (24,1). 6 S. auch Aelius Gallus bei Festus s. v. possessio und Javolenus 1. 115 D . de V. S. (50,16). — Oben S. 53.

Der urspr. Besitzbegriff. Handhafter Besitz. Naturalis possessio. § 3 .

59

Ebenso Labeo und Paulus in 1. 3 § 5 D. h. t.: tenere, stare, sedere. Es ist interessant, dass hier alle drei Worte vorkommen, welche das unmittelbare Berühren: mit Gesäss, Hand, Fuss 1 , ausdrücken. Alle und jede Rechtsverhältnisse, führt Jacob Grimm, in seiner feinsinnigen Abhandlung über »das Wort des Besitzes« 2, aus, entfalten sich auf einem sinnlichen Boden, ohne welchen sie nicht denkbar erscheinen, soweit sie allmählich von ihm abgewichen sind; hinter allem Recht liegt ein natürlicher und sittlicher Zustand, wie den Wörtern unserer Sprache eine sinnliche Vorstellung vorausgeht, aus der sie entsprungen sind. So stammt p o s - s i d e o von sedere. Es bedeutet: ich sitze dahin-dabei, gedacht von Sachen, auf die oder an die man sich setzen kann: Thieren, wohl noch eher, bei den wesentlich ackerbauenden Italikern, Haus und Feld. Völlig dem pos-sidere entspricht unser » B e s i t z e n « , goth. bi-sitan, ahd. pi-sizan, mhd. be-sitzen, be-saz, besezzen, ags. be-sittan 3 . Die gleichen sinnlichen Vorstellungen knüpfen sich an zahlreiche, mit »possidere, besitzen« gleichbedeutend gebrauchte Worte, wie: i'%tiv, h a b e r e , c a p e r e , halten 4 , während t e n e r e = halten, fassen, ursprünglich, wie tendere, den Begriff des Streckens, Dehnens gehabt zu haben scheint 5 . Das unmittelbare sinnliche Haben mag man, mindestens bei Mobilien, als h a n d h a f t e n B e s i t z 6 bezeichnen. Diesem Begriff entspricht eine freilich bisher meist übersehene und sicherlich die älteste Bedeutung von n a t u r a l i s wie von 1

v. L i e b e , Der Besitz als Recht in thesi. (1876) S. 5. 1850, jetzt Kleinere Schriften. Bd. I. (2. Aufl.) S. 123. 3 J . u. W. G r i m m , Deutsches Wörterbuch s. v. »be« und »besitzen«, «Besitz«; vor dem 17. Jahrh. ist als Rechtswort »beseez« üblicher Im Sachsensp. I I I 83 § I und I I 14 § I ist »besitten« = im Besitz bleiben. • J . G r i m m a. a. O. I S. 128 ff., 133 ff., 136. 5 C u r t i u s , Griech. Etymologie. S. 217. K l u g e , Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, s. v. »dehnen«. 6 Oesterr. b. G. B. § 426. »Körperliche Uebergabe von Hand zu Hand«. Das Wort fehlt in dieser Bedeutung noch bei G r i m m , Deutsches Wörterbuch h. v., ist aber bezeichnend. 1

60

Besitzlehre. Erster Abschnitt.

Die Grundbegriffe.

c o r p o r a l i s p o s s e s s i o 1 und von t r a d i t i o ; weiter gehören dahin: ab-treten, über-tragen, über-geben, über-weisen u. dgl. m. Am unzweideutigsten tritt dies in der äusserst wichtigen, von Savigny sehr bedenklich korrigirten und darum durchaus missverstandenen 1. 3 § 13 D. h. t. (41, 2), welche sogar den Ausgangspunkt der fehlerhaften Savigny'schen Formel für Erwerb und Behauptimg des Besitzes bildet, hervor. Der jüngere Nerva sagt hier, unter Zustimmung von Paulus, dass an beweglichen Sachen (nur) so weit Besitz stattfinde, als sie in unserer custodia seien: quatenus sub custodia nostra sint, hactenus possideri; die custodia aber erstrecke sich so weit, als wir in der Lage seien, uns beliebig den n a t ü r l i c h e n B e s i t z verschaffen zu können: id est 2 quatenus si velimus, n a t u r a l e m possessionem n a n c i s c i possimus. Es giebt somit einen wahren, sogar unmittelbar, nicht durch Vertreter geübten Besitz, d. h. wahre, thatsächliche Herrschaft — und dass dahin der Besitz durch »custodia« gehört, lässt sich gar nicht bezweifeln —, welcher gleichwohl nicht handhaft i s t , vielmehr nur handhaft werden bezw. wieder werden kann. In 1. 1 pr. h. t. bezeichnet Paulus, nach Labeo, den Besitz etymologisch als eine positio, quia n a t u r a l i t e r t e n e t u r 1 S. den e r s t e n E x k u r s am Schlüsse dieses Paragraphen. In neuerer Zeit ist gelegentlich auch auf diese Bedeutung hingewiesen, z. B. W i n d s c h e i d , Pandekten § 148 Not. 12, A r n d t s , Pandekten § 136 Not. 2, E x n e r , Tradition S. 96 Not. 21 (s. aber die Bemerkung S. 102 Not. 36), P e r n i c e , Labeo II l . A u f l . S. 340, jedoch davon für den historischen oder dogmatischen Aufbau der Besitzlehre kein Gebrauch gemacht; Übergangen ist dieser wichtige Punkt von Ihering und von Bekker. 1 Nicht »idem« , wie v. Savigny S. 341 gegen a l l e kritisch in Betracht kommenden Handschriften liest. Dies koncedirt sogar R u d o r f f , Anhang zu Savigny, Das Recht des Besitzes, Zus. Nr. 104, ohne freilich den Kern der Sache zu erfassen. S. auch L e n z , Das Recht des Besitzes und seine Grundlagen (1860) S. 260. B a r o n , Jahrb. f. Dogmat. V I I S. 95 v. I h e r i n g , Besitz Not. 188. P e r n i c e , Labeo II 1. Aufl. S. 340 Not. 4. Wenig glücklich vertritt v. Savingny's Korrektur R a n d a § 1 1 Not. I i f., § 2 1 Not 5 a: denn gerade das ihm auffällige »nancisci« passt völlig auf den Besitz durch »custodia«, und 1. 47 D. h. t. steht zu 1. 3 § 13 h. t. in keinem Widerspruch, da sie nicht von Thieren, auch nicht von solchen mit RUckkehrsgewohnheit, handelt. S. unten §§ 9 ff., 3 1 .

Der urspr. Besitzbegriff. Handhafter Besitz. Naturalis possessio.

§ 3.

61

ab eo qui ei i n s i s t i t , was ja nur vom »handhaften« Besitz gesagt werden kann. In 1. 79 D. de solut. (46, 3) führt Javolenus aus, dass eine Sache, welche der Schuldner auf Geheiss des Gläubigers vor denselben hinlegt (si in conspectu meo ponere te iubeam), demselben sofort erworben sei (quodammodo longa manu tradita): tum, quod a nullo c o r p o r a l i t e r eius rei possessio detinetur, d. h. weil Niemand (auch der Veräusserer nicht mehr) an derselben handhaften Besitz hat. Kaum minder wichtig als 1. 3 § 13 ist 1. 51 D. h. t.\ J a v o l e n u s libro quinto ex posterioribus Labeonis. Quarundam rerum animo possessionem a p i s c i n o s ait L a b e o : veluti si acervum lignorum emero et eum venditor tollere me iusserit, simul atque custodiam posuissem, traditus mihi videtur. idem iuris esse vino vendito, cum universae amphorae vini simul essent. sed videamus, in q u i t , ne haec ipsa c o r p o r i s t r a d i t i o sit, quia nihil interest, utrum mihi an et cuilibet iusserim custodia tradatur. in eo p u t o (hier beginnt Javolenus) hanc quaestionem consistere, an etiamsi c o r p o r e acervus aut amphorae adp r e h e n s a e non s u n t , nihilo minus traditae videantur: nihil video interesse, utrum ipse acervum an mandato meo aliquis custodiat: u t r u b i q u e a n i m i q u o d a m g e n e r e possessio erit aestimanda. Die Erörterung ist höchst belehrend. Labeo berichtet zunächst den Satz, es gebe gewisse Sachen, an welchen animo, d. h. solo animo (nicht auch corpore), der 1 Auch diese Stelle deutet unrichtig v. S a v i g n y S. 218, 305 (ähnlich P e r n i c e , Labeo I S. 5 1 3 — anders und richtig I I 1. Aufl. S. 340 Not. 5), und es ist unverständlich, wie er die angebliche Berichtigung des Javolenus billigen kann, da diese gerade gegen S.'s Auffassung des Besitzes sprechen würde. Nach L e n z S. 188 ff. enthält das g a n z e Fragment die Darstellung Labeo's (so auch B a r o n , Jahrb. f. Dogmat. V I I S. 105); das »Ergreifen« wird zu einer indifferenten «positiven Thätigkeit« ; Labeo und Javolenus treffe der Vorwurf ersichtlicher Unbeholfenheit, unvollkommener wissenschaftlicher Entwickelung u. dergl., in Folge mangelhafter Einsicht in die «Qualifikation des Besitzwillens« — all dies sind einfache Missverständnisse, v. L i e b e S. 152. findet in dem Schlusssatz eine »intuitiv richtige«, des Weges dahin unbewusste Entscheidung. Nach B e k k e r S. 199 berichtigt Javolenus den Labeo dahin, dass in den erörterten Fällen »auch das corpus nicht fehle« — in Wahrheit verhält es sich umgekehrt. S. unten den Text.

62

Besitzlehre. Erster Abschnitt. Die Grundbegriffe.

Besitz, und zwar durch Tradition, erworben werde, z. B. durch Stellung eines Wächters bei einem gekauften, auf Geheiss des Verkäufers abzuholenden Holzhaufen oder Weinlager. Da es sich um grosse, nicht durch Einen körperlichen Ergreifungsakt zu bewältigende bezw. fortzuschaffende Massen handelt, so meinte man — das ist die von Labeo referirte Ansicht —, dass das Hinstellen einer Wache zwar zum (traditionsweisen) Besitzerwerb genüge, dass aber darin doch nicht eine körperliche, sondern eine unsinnliche Besitzergreifung liege. Labeo erklärt sich g e g e n diese Auffassung: es liege wahrer Besitzerwerb corpore vor (corporis traditio), — ganz wie in dem Falle, da der Käufer nicht einen Wächter hinstelle, sondern selbst die Bewachung übernehme — ; in diesem Falle muss also auch schon die ältere Ansicht trotz fehlender Ergreifimg 1 einen Besitzerwerb corpore gefunden haben. In der Gleichstellung beider Fälle und im praktischen Resultat tritt ihm sein Epitomatorund Kommentator Javolenus bei (nicht, wie v. S a v i g n y , E x n e r S. 98 Not. 28, B r i n z , Pandekten § 137 Not. 33 u. A. meinen, entgegen), aber — und hier tritt er gegen Labeo auf Seite der älteren Lehre — es sei streng genommen in beiden Fällen nicht Besitzerwerb »corpore«, dazu mangele eben die Ergreifung (corpore adprehensae non sunt), sondern gewissermassen eine unsinnliche: animi quodam genere p. e. a. Auch die Aelteren — wahrscheinlich nur zögernd —, wie Javolenus, nehmen also an, dass Besitz erworben sei; die Differenz ist lediglich, ob wahre traditio oder ein dieser nur gleichzustellender Fall vorliege, also eine Differenz der juristischen Konstruktion und damit freilich zugleich über die wichtige Principienfrage, ob wirklich nur animo et corpore Besitz erworben werden könne2. Somit findet Javolenus, gleich den Aelteren, die wahre traditio wesentlich nur in »handhafter« Besitzergreifung. Labeo vertritt bereits einen viel freieren Standpunkt. Hierhin gehört wohl auch die später eingehend zu besprechende und nur im Zusammenhange verständliche 1. 3 § 3 D. h. t. (41, 2), an welcher gleichfalls viel gesündigt worden 1 P e r n i c e , Labeo II I. Aufl. S. 340 Not. 5, führt die Konstruktion Labeo's darauf zurück, dass »naturalis p.« im Sinne von »handhaftem Besitz* vorliege — vielmehr fasst Labeo den Begriff »corporis traditio« weiter. 1 S. unten § 6 , wo auch die aus dieser Stelle gezogenen unrichtigen Folgerungen zu erwähnen sind.

Der urepr. Besitzbegriff. Handhafter Besitz. Naturalis possessio. § 3.

63

ist (s. unten § § 9 ff.). Neratius und Proculus nehmen an vergrabenen Sachen nicht v o l l e »naturalis possessio« des Grundstücksbesitzers an (quia quod d e s i t naturali possessioni) — es fehlt ihnen noch das »handhafte« —, wollen aber gleichwohl sofort Besitz erwerben lassen; Paulus korrigirt: es liege nicht (einmal) »custodia« vor, also, wenn man auch von der »naturalis p.« absehe, gar kein Gewaltverhältniss. Kaum anders als von »handhaftem« Erwerb lassen sich verstehen die Worte der 1. 25 § 2 D. h. t.: donec alius c o r p o r e i n g r e s s u s sit, ut potior sit illius c o r p o r a l i s possessio. Aehnlich sagt Paulus, 1. 8 D. de pecul. (15, 1): Non statim quod dominus voluit ex re sua peculii esse, peculium fecit, sed si tradidit aut, cum apud eum esset, pro tradito habuit: desiderat enim res n a t u r a l e m dationem. Höchst charakteristisch ist die Ausdrucksweise der Quellen bei einer nicht handhaften »Tradition«. Nicht nur, wo das »Hingeben«1 fehlt, s. z. B. 1. 6 D. de donat. (39,5), 1. 78 § 1 D. de C. E. (18,1), 1. 9 § 3 D. de iure dot. (23,3), 1. 8 D. de pecul. (15,1), sondern auch überall, wo der Besitzerwerb sich nicht durch Ergreifen u. dgl. vollzieht, heisst es sehr allgemein, vornehmlich in den ausgezeichneten Fällen der brevi manu traditio wie des constitutum possessorium: res pro tradita est (habetur), tradi videtur, perinde ac si tradita fuisset, wird von quasi traditio, quodammodo traditio u. dgl.2 gesprochen, im deutlichem Hinweis darauf, dass es sich um Fälle handelt, welche der »eigentlichen, wahren, echten« Tradition nur a s s i m i l i r t sind, um einen e r w e i t e r t e n Traditionswie Besitz-Begriff. I n s o f e r n hat, was man neuerdings übersieht, die traditionelle Auffassung von der s. g. fingirten, 1

Darüber s. a u c h E x n e r , Der Rechtserwerb durch Tradition S. 10 Not. 19. 1. I § 21 D. h. t. (41,2), 1. 62 pr. De de evict. (21,2), 1. 9 § 5 D . de A. R . D. ( 4 1 , 1 ) , 1. 9 § 1 D. de publ. act. (6,2), vgl. 1. 9 § 9, 1. 15 D. de R . C. ( 1 2 , 1 ) , 1. 8 D. de pecul. (15,1), § 44 J . de R . D. (2,1) und dazu Theophilus. 1. 77 D. de R . V. (6,1), 1. 1 § 1, 1. 2 D. pro socio (17,2), 1. 28, 3 5 § 5 C. de donat. (8,53). S. auch 1. 9 § 3 D. de iure dot. (23,3). 1

64

Besitzlehre.

Erster Abschnitt.

Die Grundbegriffe.

symbolischen Apprehension, Tradition u. s. w. nicht allein in dem Sprachgebrauch der Quellen, sondern auch in der Vorstellung der klassischen Juristen einen gewissen Anhalt, wie weit auch die letzteren von der ganz mechanischen, bereits von den Byzantinern angebahnten Auffassung der mittelalterlichen Juristen entfernt waren 1 . Dass diese Auffassung wie in dem »animo adipisci possessionem« 2, so in dem sprichwörtlichen »animo retinere possessionem«3 nachklingt, wird sich später ergeben. Auch ist nicht ohne Gewicht, dass Paulus, deswegen scharf von Neueren getadelt 4 , bei der Frage von der juristischen Möglichkeit des Solidarbesitzes mit der Unmöglichkeit gleichzeitigen handhaften Besitzes Mehrerer argumentirt, 1. 3 § 5 D. h. t.; in Wahrheit b a s i r t er den Rechtssatz nicht darauf, geht vielmehr nur von dem gleichsam normalen und ursprünglichen Besitzfall aus 5 , und es fragt sich in der That, ob nicht auch die mehr oder weniger unsinnliche Gewalt, solange sie noch überhaupt »Haben« sein soll, naturgemäss demselben Grundsatz unterliegen muss. Endlich wird sich zeigen, dass zum Besitzerwerb auch noch im g e l t e n d e n (römischen) Recht vielfach »handhafter Besitz« erfordert wird, dass insbesondere die Gleichstellung der Okkupations- mit den Traditions-Fällen durchaus quellenwidrig ist 6 . Hier genügt der Hinweis, dass in einem Falle, wo aus besonderen Gründen der Besitzwechsel ä u s s e r l i c h hervortreten muss (der Vormund tradirt eine Sache des Pupillen an sich selbst), handhafter Besitzerwerb geschehen soll: Labeo in 1. 78 D. de C. E. (18,1): — dixi tradere te tibi possessionem hoc modo posse, ut pupillus et familia eius decedat de fundo tunc demum tu ingrediaris possessionem. ' S. unten § § 1 4 ff. Unten § 6. 3 Unten Abschn. III, insbes. § 27.

1

• K i e r u l f f , Theorie S. 365 Not. * * , insbes. B e k k e r , Besitz S. 10S und oft. 5 Das erkennt richtig, trotz auch hier unzutreffender allgemeiner Gesichtspunkte, v. L i e b e S. 35 »Das reale Wesen der Räumlichkeit«. Vgl. auch L e i s t , Die realen Grundlagen S. 10. 6

Unten Abschn. II, insbes. § 18.

Der urspr. Besitzbegriff.

Handhafter Besitz.

Naturalis possessio.

§ 3.

65

Wenn daher R u d o r f f 1 den juristischen Besitz dahin charakterisirt, er sei ein »Habendürfen, zwar eingeschlossen in ein natürliches Haben, so jedoch, dass er diese seine sinnliche Hülle m ö g l i c h s t abgestreift hat«, so dürfte schon die vorstehende Ausführung ergeben, dass statt »möglichst« zu setzen wäre: »möglichst wenig«, und dass nicht, wie v. I h e r i n g meint 2 , die Auffassung des Besitzes als körperliches Innehaben eine »grundfalsche, fixe« Idee genannt werden darf. So ist denn auch weder richtig, dass die handhafte Apprehension in den Quellen gar nicht erwähnt wird (!) 3 , noch dass dieser eigentlichste Sinn von »besitzen« der »ganz unjuristische« sei 4 — vielmehr gilt in allen diesen Beziehungen das volle Gegentheil. Nicht anders verhält es sich mit traditio, investitüra, possessio, Gewere im älteren deutschen und mehr als im jüngeren römischen noch im jüngeren deutschen Recht 5 . Der Ausdruck naturalis p. in d i e s e r 6 Bedeutung hat einen Doppelsinn: er deutet auf das p h y s i s c h e , also insofern natürliche (reale) Wesen eines derartigen Besitzes, zugleich aber auf das N a t u r g e m ä s s e , gleichsam von Natur, also von Uranfang an gegebene und durchhaltende7, im Gegensatz zu aller mehr oder weniger spirituellen Einschränkung oder Ausdehnung des Begriffs. Erster Exkurs.

Ueber naturalis

possessio.

Ueber dem Bestreben, den immerhin zweifelhaften und gewiss nicht zu allen Zeiten gleichbedeutenden Gegensatz von civilis und naturalis possessio möglichst scharf abzugrenzen (z. B. v. S a v i g n y §§ 7, 10 und R u d o r f f Zus. No. 40. v. V a n g e r o w , Pandekten I § 199. B r u n s , Besitz S. 20 ff. 1

Zus. Nr. 71 S . 6 4 4 .

S . oben S . 4 1 . 3 S o L e n z S . 185. welcher höchstens die gerade zweifelhafte I. 3 C. h .

1

t. concedirt. • So E x n e r , Tradition S . 9 6 Not. 2 1 . 5 H e u s l e r , Die Gewere ( 1 8 7 2 ) S . 7, 8, 58 ff., insbes. S . 62, 278 ff. 6

S . den folgenden e r s t e n

Exkurs.

1 V g l . über die verschiedenen Bedeutungen von »naturalis« V o i g t , maturale, insbes. B d . I .

jus

L e i s t , Civilistische Studien I S . 21 ff. und I V (Die

irealen Grundlagen) S . 1 ff. G o l d s c h m i d t , Vermischte Schriften.

5

66

Besitzlehre. Erster Abschnitt. Die Grundbegriffe.

A r n d t s , Pandekten § 136. B r i n z , Pandekten I § 136. R a n d a , Besitz § 4 Not. 6 — vgl. aber auch B e k k e r , Besitz S. 151), hat man doch mancherlei sehr Wichtiges, vielleicht Wichtigeres übersehen, wie denn namentlich v. S a v i g n y S. 89 ff. die verschiedenen Bedeutungen von nat. p. nicht sicher, zum Theil nicht richtig erfasst. 1. N i e m a l s bezeichnet nat. p. in dem soeben nachgewiesenen Sinne von » h a n d h a f t e m Besitz« einen Gegensatz zur »civilis p.« — wie das gerade die ältere Lehre seit der Glossatorenzeit, die Stütze der symbolischen Besitzerwerbsarten (s. § 14) annahm (sogar »possessio civilissima«). Der handhafte Besitz k a n n auch »civilis p.« sein. 2. S e h r h ä u f i g will nat., ja corporalis p., gleichbedeutend mit res facti u. dgl., in einer der ersten zwar verwandten, aber doch weiteren Bedeutung (s. S. 73 f.) nur sagen, dass das Besitzverhältniss weniger aus dem positiven Recht, als aus der »Natur« (naturalis ratio) sein Dasein und seine Regelung empfange, seine Voraussetzungen somit durch das natürliche Gemeinbewusstsein gegeben seien (s. § 4). Einzelne Stellen lassen zweifelhaft, ob sie den Ausdruck in dieser weiteren oder in der engeren Bedeutung von »handhaftem Besitz« brauchen, z. B. 1. 3 § 3, 1. 1 § 15 D. h. t. (41,2), 1. 40 § 2 D. de pign. act. (13,7), 1. 1 § 2, 1. 8 pr. § 2 C. Th. de donat. (8,12), 1. 3 C. J. h. t. (7,32). Auch in d i e s e m Sinne bildet nat. p. n u r i n s o f e r n einen Gegensatz zu civilis p., als nat. p. vorliegen k a n n trotz Fehlens der civil, p. (s. unten sub 4): res facti, quae infirmari iure civili non potest: 1. 1 § 4 D. h. t. (41,2), 1. 12 § 2 D. de captiv. (49,15) u. a. m. 3. S e h r h ä u f i g b e z e i c h n e t nat. p. einen n i c h t durch I n t e r d i k t e geschützten »Besitz«, diejenige Unterart des genus »possessio«, welche wir blosse Detention nennen, im Gegensatz zum juristischen Besitz, der possessio schlechthin (unten § 7). D i e s e nat. p. ist niemals civilis p. 4. Endlich kann nat. p. bedeuten: Besitz, welcher nicht vom Civilrecht anerkannt ist, und zwar: a) weil ihm, obwohl Interdiktenbesitz, diejenigen Rechtswirkungen fehlen, welche das C i v i l r e c h t an den Besitz knüpft; oder

Der urspr. Besitzbegriff. Handhafter Besitz.

Naturalis possessio.

§ 3.

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b) weil er auch als Interdiktenbesitz aus Gründen, welche dem Civilrecht angehören, in der Person des »Besitzers« verneint wird. Ad a. wird civiliter possidere verneint, zunächst, wie v. Savigny lehrt, wegen Fehlens der Usucapion: so wohl 1. 7 § 1 D. ad exhib. (10,4), sicherlich: 1. 26 pr. D. de don. int. vir. et uxor. (24,1), 1. 1 § 4 D. h. t. (41,2), 1. 1 §§ 9, 10 D. de vi (43,16 — cf. v. Savigny S. 78 ff.); sodann anscheinend auch mit Rücksicht auf den Ausschluss des unbedingten Erwerbs durch einen so besessenen Menschen (Sklaven). Darauf führt 1. 23 § 2 D. h. t. (41,2) verb. »quem c i v i l i t e r in mea p o t e s t a t e non habeo«, d. h. quem civiliter non possideo (s. unten S. 83) — von Usucapion kann hier nicht die Rede sein. Dagegen sind 1. 3 § 15, 1. 4, 5 pr. D. ad exhib. (10,4), welche verneinen, dass der Pfandgläubiger civiliter besitze, und ihn insofern (dass er nur »naturaliter incumbit possessioni«) dem Depositar und Miether gleichstellen, wahrscheinlich von dem mangelnden Usucapionsbesitz gedacht, können aber auch auf den Nichterwe rb durch den verpfändeten Sklaven bezogen werden. In 1. 2 § 1 D. pro herede (41,5) s c h e i n t p. civilis j e d e n Interdiktenbesitz zu bezeichnen; indessen ist dieser Schein doch wohl trügerisch; Julian will sagen: die Regel causam possessionis neminem sibi mutare posse bezieht sich nicht allein auf die civilis p., für welche sie ja allerdings wegen der Usucapion ursprünglich aufgestellt und vornehmlich wichtig ist, sondern auch auf naturalis p., d. h. jede im weitesten Sinne, jeden »Besitz«, welcher nicht civil, p. ist, d. h. sowohl blossen Interdiktenbesitz, wie sogar die blosse Detention — diese letztere, die prägnanteste Art der p. non civilis, wird dann im Folgenden allein hervorgehoben. (Nicht ganz genau v. Savigny S. 85, 86 — s. auch unten § 7.) Ad b. Vom Sklaven, auch vom Hauskind des alten Rechts heisstes: n a t u r a l i t e r tenent, non possident. 1.24 D. h. t. (41,2), 1. 38 §§ 7, 8 D. de V. O. (45,1), 1. 93 D. de R . J . (50,17). Hinsichtlich der römischen patria potestas besteht kein Streit, dass sie dem ius civile angehört; die Gewalt über Sklaven wird zwar auf das ius g e n t i u m zurückgeführt (Gaius I 52), indessen ihre eigenthümliche Ausprägung im röm. R . , insbesondere, dass der Sklave 5*

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Besitzlehre. Erster Abschnitt. Die Grundbegriffe.

schlechthin nur Erwerbsinstrument seines Herrn ist, mindestens aber, dass der Sklave nicht einmal juristisch besitzt, ist doch ein Stück des ius civile: vgl. 1. 32 D. de R. J . (50,17) quod attinet ad ius c i v i l e , servi pro nullis habentur (s. auch v. S a v i g n y S. 87, 88, R u d o r f f S. 616, L e i s t , die realen Grundlagen S. 65). Versteht nun v. Savigny selbst das civiliter non possidere bald vom Leugnen nur des Usucapionsbesitzes, bald vom Leugnen alles juristischen Besitzes, so kann, schon nach Sprachregeln, die »civilis p.« nicht ausschliesslich den Usucapionsbesitz bezeichnen. I n s o f e r n ist die mehr negative Fassung des Begriffs civilis p. ( B r u n s , in der Hauptsache auch v. V a n g e r o w u. A. m.: ursprünglicher Besitz [also jedenfalls nur Ersitzungsbesitz] ohne civilrechtlichen Mangel in Subjekt, Objekt, causa), welche praktisch freilich im Ganzen auf das Gleiche hinauskommt, wie die positive Formulirung S's., vorzuziehen. Dagegen zeigt die vorstehende Darstellung, dass die von Cuperus, Thibaut, Kierulff, Sintenis ü. A. vertretene Ansicht, p. civilis bezeichne allen Interdiktenbesitz, p. naturalis stets den Nichtinterdiktenbesitz, völlig grundlos ist — sie hat auch nicht den Schein eines Quellenanhalts für sich.

II. Der Besitzbegriff ein soeialer (Verkehrs-)Begriff. § 4. Hat so unzweifelhaft auch die juristische Speculation der Römer in dem handhaften Besitz den Anfang, Ursprung alles Besitzes gesehen, so liegt die Vermuthung nahe, dass das älteste römische Recht n u r diesen als Besitz anerkannte, mithin Besitzerwerb nur in handhafter Besitzergreifung, Besitzverlust schlechthin in dem Verlust der handhaften Gewalt fand \ Dem entgegen bemerkt v. S a v i g n y 2 , es hätte im röm. R. von Anfang an die für das spätere Recht geltende Regel vom 1 v. I h e r i n g , Geist des Röm. Rechts I I § 4 3 . F u c h t a , Pandekt § 1 3 1 . A r n d t s , Pandekt § 135. S. auch B a r o n , Gesammtrechtsverhältnisse S. 100 und Jahrb. für Dogmatik V I I S. 140 ff. P e r n i c e , Zeitschrift für Handelsrecht X X I I S. 418, 422. 1 S. 2 1 1 Not. 1 . Aehnlich M e i s c h e i d e r S. 246 Not. 1 .

Der Besitzbegriff ein socialer (Verkehrs-)Begriff.

§ 4.

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Besitzerwerb (auch vom Besitzverlust?) gegolten, wenn auch nicht so rein und unmittelbar gedacht, sondern nur in einzelnen beschränkten Anwendungen; die späteren Juristen hätten sie bloss deutlicher ausgesprochen und von dem Zufälligen jener Anwendungen gereinigt, ohne sie selbst im Geringsten (?) zu verändern. B e k k e r will zwar verschiedene Perioden unterscheiden und, indem er von der Annahme ausgeht, dass der Besitz ursprünglich, nämlich bei der Einführung des Interdiktenschutzes, ein »bleibender Zustand« gewesen sei, unterstellt er anscheinend, dass es ursprünglich nur (wesentlich nur ?) handhaften Besitz gegeben habe 1 ; allein in welcher Weise, nach welchen Gesichtspunkten die Wandlung — deren Nichterkenntniss er den classischen Juristen zum schwersten Vorwurf macht — vor sich gegangen sei, hat er darzulegen unterlassen. Nun ist zwar unabweisbar, einerseits, dass die Entwicklung der Besitzlehre an den handhaften Besitz anknüpft und um denselben gravitirt, andererseits, dass die alte Zeit mehr am Greifbaren, Sinnlichen haftet und dass so auch der »Besitz« der alten Zeit ein mehr naturalistisches Gepräge getragen haben muss. Aber dass das h i s t o r i s c h e r ö m i s c h e Recht jemals den rein naturalistischen Standpunkt »handhaften Besitzes« behauptet habe, ist eine eben so unwahrscheinliche und unerweisliche Vermuthung, als dass diesem h i s t o r i s c h e n Recht jemals der Unterschied von Tausch und K a u f 2 unbekannt gewesen sei. Bedenken dagegen weckt der doch sicher uralte C u s t o d i a begriff 3 , welcher einen über das »handhafte« Haben hinausgehenden Besitz voraussetzt — es ist undenkbar, dass man nicht von jeher Besitz auch an solchen Sachen angenommen habe, welche sich in der »Were« befanden; nicht minder der gleichfalls uralte Besitzerwerb und Besitz durch die Glieder der Hausgemeinschaft (servi, filii familias). Denn mag auch in patriarchalischer Zeit dieser »Besitz« noch gewissermassen sinnlich greifbar hervortreten und für die naive Vorstellung nichts Absonderliches an sich tragen, so verflüchtigt sich doch, 1

S. 192 ff., 229 ff., vgl. auch die Uebersicht der Besitzkontroversen S. 340 ff. Ueber die These s. unten § 25. * B e c h m a n n , Der Kauf I S. 3 ff. 3 Unten § 10 f.

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Besitzlehre. Erster Abschnitt.

Die Grundbegriffe.

sobald Sklaven und Hauskinder als Vertreter des Gewalthabers oder gar mit ihrem quasipatrimonium, dem peculium T , äusserlich ganz wie Gewaltfreie 2 auftreten, das sinnliche Band, welches ihren Besitz an die Person des Gewalthabers knüpft; ob man sich dabei anfänglich mit dem wohl uralten (?) Besitz am servus fugitivus viel 3 Scrupel machte, darf dahingestellt bleiben. Auch hat man im historischen römischen Recht wohl schwerlich je an der rechtlichen Möglichkeit gezweifelt, den Besitz durch Miether, Depositare, Commodatare *, in gewissem Sinne durch Precaristen fortzusetzen, und eine A r t von »animo retinere possessionem« kann nie ganz gefehlt haben 5 . Der wahre Sachverhalt scheint folgender: Nicht der R e c h t s b e g r i f f des Besitzes hat sich im Laufe der Zeit verändert, wohl aber die thatsächliche Auffassung und Beurtheilung — wie des hier nicht näher zu betrachtenden Besitzwillens, so des Besitzcorpus, des factischen Herrschaftsoder Gewalt-Verhältnisses. N i e m a l s ist das corpus nur h a n d h a f t e G e w a l t 6 gewesen, niemals hat es, von einigen wenigen rein rechtlichen Modificationen abgesehen — aufgehört, t h a t s ä c h l i c h e H e r r s c h a f t (Macht, Gewalt) zu sein. Gleichwohl gilt — obwohl wir im Einzelnen die Wandlungen schwer verfolgen können 7 — einer späteren Zeit mancherlei als »Gewalt«, was die naivere Auffassung der Vorfahren darunter noch nicht begriff 8 ; der G e w a l t b e g r i f f h a t s i c h allmählich sublimirt, idealisirt. 1 Dass der Gewalthaber an Pekuliarsachen sogar ignorans Besitz erwirbt, ist freilich späteren Ursprungs. S. unten § 21. * »Servus in provincia«, z. B. 1. l § 14 D . h. t. (41,2); peregre missus: 1. 21 § 3 D. de nox. act. (9,4), 1. 5 § 6 D. ad exhib. (10,4) u. v. a. 3 Unten § 33. * S. auch P u c h t a , Kursus der Institutionen II § 228, 203, vgl. unten § 21 und Uber die wichtige 1. 47 D. h. t. (41,2) unten § 33. 5 Unten § 27. 6 Was v. I h e r i n g unter »physischer Herrschaft« zu denken scheint und von welcher er sagt, dass sie den Besitzbegriff nicht bestimmen könne: S. 155 ff. (181 ff.). 1 S. a u c h B e k k e r , Besitz S. 20. Die von demselben zusammengestellten juristischen Besitzkontroversen: S. 340 ff. treffen unsere Frage kaum. 8 J. G r i m m a. a. O. S. 124: Unter »Besitz« verstehen w i r »das Walten über einen Gegenstand, gleichviel auf welche Weise es nun zu Wege gebracht sei. Wer ein Schwert mit der Hand fasst, wem ein Ring am Finger steckt, ein Gürtel den Leib umschliesst, der »besitzt« diese Dinge, wie der sich auf

Der Besitzbegriff ein socialer (Verkehrs-)Begriff.

§ 4.

71

Den Wandlungen der Volksanschauung, welche in den Erweiterungen der Wortbedeutung zu Tage tritt, f o l g t selbstverständlich das l e b e n d i g e R e c h t und nirgends zeigt die Grösse der römischen Jurisprudenz sich greifbarer, als in der genialen Sicherheit, mit welcher sie intuitiv die d e r z e i t i g e Anschauung der G e s e l l s c h a f t (des Volkes, der Lebens- und Verkehrs-Gemeinschaft) 1 zur rechtlichen Geltung bringt. Was v. Ihering neuerdings von dem Tugendbegriff nachzuweisen bemüht ist 2 , gilt unzweifelhaft vom Besitzbegriff: »die Weite desselben hat mit der gesellschaftlichen Entwicklung gleichen Schritt gehalten.« Die Elemente dieser gesellschaftlichen (socialen) Anschauung sind nicht einfach — sie beruht auf wirtschaftlichen, ethischen, ja sogar rechtlichen Momenten; sie kann sich, je nach dem wechselnden Gehalt an diesen und dem wechselnden Inhalt dieser Momente, verfeinern, aber auch vergröbern: spiritualisiren oder materialisiren. Ja, es ist nicht ausgeschlossen, dass in der ursprünglichen naiven Unmittelbarkeit des Rechtsbewusstseins sich bereits ein hoher Grad von »Idealität« ausprägt, welcher der reflectirenden juristischen Analyse einer späteren Zeit nur mittelst mehr oder weniger gewagter Rechtsdeductionen oder mittelst Unterstellung von Zweckmässigkeitserwägungen erreichbar erscheint 3 . Wie alle begrifflich erfassten Thatbestände des Gemeinlebens bildet sich auch der Besitzbegriff auf dem Boden einer gegebenen sittlichen und Rechts-Ordnung. Aber nicht allein unter der Herrschaft hoch entwickelten Staatsschutzes, sondern schon bei lebendig wirksamer Volkssitte — einestheils gegen rechtswidrige Eigenmacht, anderentheils zur eigenmächtigen Durchsetzung bedrohten oder verletzten Rechts 4 —, insbesondere ein Pferd geschwungen hat, das Thier, obschon die s i n n l i c h e Bedeutung des Besitzes auf den letzten dieser Fälle einzuschränken bliebe.« Was hier von lauter Fällen des handhaften Besitzes gesagt wird, ist zu verallgemeinern. 1

S. den E x k u r s zum Schlüsse dieses §. Der Zweck im Recht. Bd. I I (1883) S . 2 2 3 . 5 Ob die so auffallenden Sätze von der Besitzfortdauer des furiosus, an den saltus, an dem fugitivus u. a. m. erst dem späteren Recht angehören ? Dass die juristische Doktrin sie auf Utilitätsgründe zurückfuhrt, ist offenbar dafür nicht entscheidend — obwohl das häufig genug übersehen wird. • v. I h e r i n g , Geist des Rom. Rechts I § I i . W e n d t , Jahrb. für Dogmatik X X I S. 56 ff. 1

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Besitzlehre.

Erster Abschnitt.

Die Grundbegriffe.

bei feiner Empfindung für dasjenige, was man als den Vorzug des Näherseins zur Sache bezeichnen darf *, kann als thatsächliche Gewalt, Herrschaft mancherlei gelten, was einer roheren oder doch gewaltthätigeren Zeit kaum als erster Ansatz dazu erscheint. Das moralische Band der Sitte, das zwingende Band des Rechts sind unzweifelhaft wichtige Factoren für die Ausgestaltung des Besitzbegriffs — nicht gerade darum, weil sie den Besitz »sichern«, oder gar für die »Sichtbarkeit des Eigenthums« in Betracht kommen 2 , sondern weil sie die nur sinnliche Anschauung ergänzen und corrigiren. Das moralische Band der Sitte, das zwingende Band des Rechts s u p p l i r t hier mancherlei, was an der sinnlichen Herrschaft fehlt. S c h o n insofern darf man sagen, dass der Besitz A n l e i h e n beim Rechte mache: plurimum ex iure mutuatur, non tantum corporis sed et iuris est 3 . W o r e g e l m ä s s i g Nachbarn wie Fremde die »Were« respectiren, wo Leiher, Miether, Depositare anvertrautes Gut treulich bewahren, wo das weidende Vieh auch ohne Hüter sicher zu sein pflegt, wo unbedenklich Sommer- oder WinterAlpe ohne Wache verlassen werden, wo vielleicht sogar die auf fremdem Boden gestellte Falle, Opferstock und Briefkasten auf der Strasse als ausreichender »Verschluss« erachtet wird, ja der obrigkeitliche Befehl, unter Umständen schon der urkundliche Erwerbstitel fremden Eingriffen zu wehren p f l e g t , da mögen Volksbewusstsein und Recht »Besitz« annehmen, auch wo äusserlich wahrnehmbare Gewalt nicht vorliegt. Es wird sich freilich zeigen, dass dies, insbesondere hinsichtlich des B e s i t z e r w e r b s , nicht so schlechthin gilt, wie gemeinhin angenommen wird, und dass die allmähliche Er1 Gerade die ä 11 e r e Doktrin legt darauf entscheidenden Werth: Trebatius beim Thierfang (1. 5 § I D . de A . R. D . [41,1]); Brutus und Manilius, im gewissen Sinne noch Neratius und Froculus beim Schatzerwerb (1. 3 § 3 D . h. t. [41,2]). Gegenstand des ursprünglichen Besitzstreits? So B e k k e r , Aktionen II S. 332, vgl. v. L i e b e , Besitz S. 20 ff., 34 ff.

* Darin irrt v. I h e r i n g , welcher die Bedeutung dieser Elemente für die Besitzlehre zuerst energisch betont hat: S. 154 ff. (180 ff.). Zutreffender v. L i e b e S. 7, 160 und sonst. »Wollen ist hier Recht und Recht Macht«, s. auch R a n d a § 1 1 . E x n e r S. 87 meint freilich, das corpus müsse darum «rein faktischer Natur« sein, weil der Besitz selbst Faktum ist und als solches unmöglich auf einem rechtlichen Element beruhen kann. 3 Papinian in 1. 49 pr. § I D . h. t. (41,2).

Der Besitzbegriff ein socialer (Verkehrs-)Begriff.

§ 4.

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Weiterung des Besitzbegriffs sich im Wesentlichen auf die dem Vermögens v e r k e h r dienenden Besitzerwerbsfälle beschränkt1; desgleichen, dass sogar die Lehre von der Besitzbehauptung und dem Besitzverlust keineswegs so zahlreiche »rein juristische Singularitäten« aufweist, wie die herrschende Lehre 2 behauptet. I m m e r aber b l e i b t der Besitz, zwar nicht ein »physiches«, aber doch ein f a c t i s c h e s Verhältniss zur Sache, t h a t s ä c h l i c h e Macht oder Gewalt über dieselbe. So fassen ihn, zur Zeit der höchsten Idealisirung des Besitzbegriffs, noch die classischen Juristen. Insofern jedenfalls3, als sein T h a t b e s t a n d 4 , und von diesem wiederum die »Gewalt«, das corpus5 in Betracht kommt, ist er ihnen eine r e s f a c t i , welche mit Rechtselementen nur versetzt ist: Papinian, 1. 19 D. ex quib. c. major. (4,6): — possessio p 1 u r i m u m facti habet, causa — facti — Tryphoninus, 1. 12 § 2 D. de captiv. (49,15): — facti autem causae — Ofilius, Nerva, Paulus, 1. 1 § 3 D. h. t. (41,2): — eam rem facti non iuris esse. — 1

Unten Abschn. II. Z. B. sogar B r u n s , Jahrbuch von Bekker und Muther IV S. 38 ff., vgl. unten Abschn. III. 3 Ob a u c h insofern, als er im Verhältniss zum Recht, insbesondere dem Eigenthum, »Nichtrecht« sei, darf hier ununtersucht bleiben. Ueber das «ius possessionis« s. P e r n i c e , Zeitschr. f. Handelsrecht XXII S. 420. * Das betont B e k k e r , insbesondere S. 343 ff., indessen scheint er mir damit weder dem eigentümlichen Wesen des Besitzes, für welchen der faktische »Thatbestand« doch in ganz anderer Weise in Betracht kommt, als fllr sonstige Rechtsverhältnisse, noch in seiner herben Kritik den klassischen Juristen (Papinian, Paulus und Anderen) gerecht geworden zu sein. Auch B r i n z , Krit. Vierteljahrsschrift XXIII S. 413 ff., obwohl er auf die »res facti« gebührendes Gewicht legt, koordinirt dieselbe doch m. E. viel zu sehr der »res iuris«. (Die Erwiderung von Bekker gegen Brinz, Zeitschrift für Rechtsgeschichte XVIII [Z. d. Savigny-Stiftung, Roman. Abth. V] ist für den hier erörterten Punkt ohne Gewicht.) v. L i e b e , Besitz S. 4 ff. will das »res facti« dahin verstehen, dass es sich beim Besitz immer nur um den gegenwärtigen thatsächlichen Zustand, isolirt von den ihn erzeugenden Faktoren handle — dass dies unrichtig ist, wird sich später ergeben, auch erhellt eine solche Bedeutung aus den Quellen nicht. 5 Der a n i m u s wird der res facti des corpus entgegengestellt: 1. 29 D. h. t. (41,2), 1. I § 15 D. si is qui testam. (47,4) — aber doch auch selbst als res facti bezeichnet: I. 1 § 3 D. h. t. (41,2) — s. unten § 6. 1

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Besitzlehre. Erster Abschnitt.

Die Grundbegriffe.

Scaevola u. Ulpian, 1. 1 § 15 D. si is qui testam. (47,4): — quae facti est et animi. — Paulus, 1. 1 § 4 D. h. t. (41,2): — res facti, quae infirmari jure civili non potest — Ulpian, 1. 29 D. h. t. (41,2): — quod est enim facti potest amittere. — Papinian, 1. 49 pr. § 1 D. h. t. (41,2): — et plurimum ex iure possessio mutuetur: — quia possessio non t a n t u m c o r p o r i s sed et iuris est. Pomponius, Julian, Ulpian, 1. 2 § 3 D. si serv. (8,5): — alibi enim de iure, id est in confessoria actione, alibi de f a c t o , ut in hoc interdicto, quaeritur. — In d i e s e m Sinne, nicht mehr in dem Sinne handhafter Gewalt, wird von der possessio gesagt, sie sei ein n a t ü r l i c h e s Gewaltverhältniss: Marcian, 1 . 1 1 D . de A. R. D. (41,1): — possessionem quae est naturalis* — Modestin (richtiger wohl Pomponius), 1. 53 D. eod.: — quod naturaliter2 adquiritur — Javolenus, 1. 23 pr. D. h. t. (41,2): — possessio — nisi naturaliter comprehensa —, vgl. mit 1. 30 § 5 eod.: nactus possessionem, 1. 2 § 1 D. expil. hered. (47,19): — res ab herede possessae —, und wird sogar von »corporalis« possessio gesprochen: 1.' 24 D. h. t. (41,2): non corporalem possessionem, sed iustam, d. h. nicht j e d e n (natürlichen) Besitz, sondern nur den ex iusta causa erlangten. Paulus R. S. V 11 § 2 : »si rem corporaliter teneam« — negativ 1. 4 § 13 D. de usurp. (41,3): licet corporaliter eius non sim nactus possessionem. Ueber 1. 3 § 3 D. h. t. und andere zweifelhafte Stellen siehe oben S. 62 f., 66. 1 S. dazu richtig, gegen v. S a v i g n y S. 355 Not. 4 , L e n z , Besitz S. 224 und R u d o r f f Zus. 1 1 2 . 1 Dass hier nicht, wie v. S a v i g n y , System I I I S. 96, vgl. Obligationenrecht I I S. 40 ff. meint, Rechtsgeschäfte des 'ius gentium« gedacht sind, dürfte jetzt allgemein anerkannt sein.

Der Besitzbegriff ein socialer (Verkehrs-)Begriff.

§ 4.

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Wenig ergiebig ist für uns die vielbesprochene 1. 10 C. h. t. (7,32) \ All dies will sagen: die so mannigfachen Rechtsfolgen wie rechtlichen Functionen des »Besitzes« knüpfen an einen solchen Thatbestand an, über dessen Vorhandensein in der Hauptsache die natürliche2 Verkehrsanschauung entscheidet. Anders ausgedrückt: D e r r e c h t l i c h r e l e v a n t e T h a t b e s t a n d des Besitzes ist insofern ein n i c h t j u r i s t i s c h e r , als wesentlich 1

Dieses Rescript von Constantin a. 3 1 4 : Nemo ambigit p o s s e s s i o n i s d u p l i c e m e s s e r a t i o n e m a l i a m q u a e iure c o n s i s t i t , a l i a m q u a e c o r p o r e , utramque autem ita demum esse l e g i t i m a m , cum omnium adversariorum silentio ac tacitumitate firmetur: interpellatione vero et controversia progressa non posse eum intelligi possessorem, qui licet c o r p o r e teneat, tarnen ex interposita contestatione et causa in iudicium deducta super i u r e possessionis vacillet ac dubitet. will offenbar nicht, wie K i e r u l f f , Theorie I S. 344 Not. * meint, den animus als das eigentlich Juristische im Besitz hervorheben, noch ist darin, mit C u p e r u s und v. S a v i g n y S. 1 9 3 , vgl. S. 1 4 1 , ein Gegensatz von Sach- und Rechts-Besitz betont, so wenig als der Gegensatz von Besitzerwerb durch physische Herrschaft und durch Rechtsgeschäft (? So v. I h e r i n g 2. Aufl. S. 201 Not. 181 a). Vielmehr will die höchst verkttnstelte, geistreich schillernde Stellung nur sagen: In dem Besitz (sc. dem juristischen) giebt es zwei Beziehungen (Seiten): eine juristische und eine (rein) körperliche. Die juristische ist der animus (sc. domini) und zwar hier, für die Ersitzung zugleich als bona fides gedacht, die körperliche das Haben. Ist nun die ratio duplex eine »legitima«, d. h. bestehen beide innerhalb der gesetzlichen ( X I I Tafeln) Zeit, hat also weder ein (körperlicher) Besitzverlust stattgefunden, noch auch eine durch Streiterhebung eines Gegners bewirkte Erschütterung der bona fides (super iure possessionis vacillet ac dubitet), oder anders ausgedrückt, ist die duplex ratio eine unerschdtterte (omnium adversariorum silentio ac tacitumitate firmetur), so tritt, weil eben während der ganzen Ersitzungszeit possessio (sc. legitima) stattgefunden hat, Ersitzung ein, anders nicht. Auf diese Beziehung zur Ersitzung, welche hier nicht weiter zu verfolgen ist, scheint auch die (von R u d o r f f , Zus. 40 S. 618 ohne Grund als »schlechteUebersetzung« bezeichnete) Version der Basiliken 50 2,61 hinzuweisen. — Möglich wäre auch zu denken an den Gegensatz der possessio firma und minus firma (Feldmesser I S. 44 s. unten § 29 unter I 9), aber es ist doch nicht abzusehen, wie die blosse Besitzanfechtung den vielleicht festen Besitzstand erschüttern soll. — Vielleicht ist diese Constitution gemeint in § 7 J . de usucap. (2,6): longa et indubitata possessio. 2 Gerade dies scheint zu leugnen B a r o n , Jahrb. fUr Dogmatik VII S. 90, welcher die in gewisser Beziehung ganz zutreffende Analogie von 1 . 3 2 pr. D. de usur. (22,1) ausdrücklich ablehnt und behauptet, dass »genaue Principien«, worunter er doch wohl Rechtsprincipien versteht, vorhanden seien. S. auch o b e n S. 44.

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Besitzlehre.

Erster Abschnitt.

Die Grundbegriffe.

nur der R e c h t s s a t z besteht: maassgebend ist die Verkehrsanschauung. F a l l s der Besitz ein »Recht« ist — was hier nicht zu untersuchen steht, weil die nothwendige Prüfung der Gesammttheorie der subjectiven Rechte von dem Thema dieser Erörterungen zu weit abführen würde — so ist er ein Recht, dessen V o r a u s s e t z u n g e n im Wesentlichen n i c h t d u r c h d a s p o s i t i v e R e c h t n ä h e r bestimmt sind. D a h e r h a b e n die r ö m i s c h e n J u r i s t e n auch n i r g e n d s eine D e f i n i t i o n der das B e s i t z c o r p u s d a r s t e l l e n d e n G e w a l t v e r s u c h t 1 . Das erklärt sich keineswegs aus ihrem bekannten Misstrauen gegen die Korrektheit begrifflicher Formulirungen oder gar daraus2, dass der Sinn und die Anlage der römischen Juristen lediglich auf das Praktische gerichtet war und dass die reine intellectuelle Anschauung der Begriffe durchaus ausser ihrem intellectuellen Gesichtskreise lag (? !). Und wer ihnen einen Vorwurf daraus macht, dass sie »den festen Entscheid für die principielle Frage, was unter corpus zu verstehen sei«, dass sie »die Klarlegung des juristischen Thatbestandes« vermissen lassen3, dürfte eben verkennen, dass die zumal mit der Idealisirung des Besitzbegriffs nothwendig auftauchenden Schwierigkeiten und Zweifel nicht mittelst einer juristischen Formel nach den Regeln formaler Logik, sondern nur intuitiv aus einer juristischen Gesammtanschauung heraus gelöst werden können. Wenn, gleich den Aelteren 4 , sich auch die Neueren in dergleichen Formulirungsversuchen, in dem Suchen nach »juristischen Principien« erschöpfen, aber, nachdem der Glaube an v. Savigny's Formel erschüttert ist, mit dem schliesslichen Eingeständniss, dass richterliches Ermessen (ganz freies V) den Ausschlag zu geben habe 5 , womit denn alle Formulirung auf den geringfügigen Werth einer Instruction reducirt ist, so sagt schon P r o c u l u s , 1 Was v. L i e b e dafür ansgiebt »äussere Bewegung und Thätigkeit, in welcher Willensdetermination hervortritt«, genauer: »positive ortsbestimmende Handlungen« (S. 10, 95 ff.), ist eine dem römischen Recht völlig fremde, in allen praktischen Konsequenzen unrichtige spekulative Formel.

* So K i e r u l f f , Theorie I S. 342 Not. *. Richtiger darüber z. B. L e i s t , Die realen Grundlagen S. 7. 3 S o , ungeachtet er selbst z. B. S. 35, 314, 392 die Misslichkeit derartiger Formulirungen betont, B e k k e r , Besitz S. 328, 331, 365. • Gegen diese vortrefflich K i e r u l f f , Theorie I S. 380 Not. **. 5 S. den z w e i t e n E x k u r s am Schlüsse dieses § .

Der Besitzbegriff ein socialer (Verkehrs-)Begriff.

§ 4.

77

nicht »kavalierement« wie Bekker meint1, sondern in tiefster Erkenntniss des Problems, nach casuistischer Aufzählung aller denkbaren Voraussetzungen des Besitzerwerbs (an dem in der Schlinge gefangenen Eber) 2 : S u m m a m tarnen hanc puto esse, ut si in meam p o t e s t a t e m 3 pervenit, meus factus sit. Damit will der grosse Jurist, welcher ja auch sonst, nach dem Vorbild seines Meisters Labeo, den Kern schwieriger Lehren erfasst und diese so zum dogmatischen Abschluss bringt4, das G e s a m m t e r g e b n i s s seiner Untersuchung, den K e r n der ganzen Frage bezeichnen5. Das soll sagen*: Der Gewaltbegriff des »Besitzcorpus« duldet keine juristische Analyse, nur eine kasuistische Exemplifikation6. Weiter: Dieser Gewaltbegriff hat im Wesentlichen, d. h. abgesehen von immerhin vereinzelten positiven Determinirungen und Modifikationen, insbesondere aber von der durch 1

Besitz S. 183, vgl. S. 194. 1. 55 D. de A. R. D. (41,1). Auf diese wichtige, von Savigny u. Anderen kaum berührte, von L e n z S. 271 ff. in eingehender Erörterung völlig missverstandene Stelle komme ich zurück. S. insbes. Abschn. II § 17. 3 Potestas ist hier nicht, wie P e r n i c e , Labeo II (1. Aufl.) S. 340 Not. 5 meint, = naturalis p. im Sinne der 1. 3 § 13 D. h. t. (s. oben S. 6o), sondern allgemeiner — Corpus des Besitzes. t Man sehe z. B. die berühmte 1. 8 D. de P. et C. (18,6), und über Proculus, sowie dessen Verhältniss zu Labeo: P e r n i c e , Labeo I S. 463, 84. 5 So L a b e o in 1. 3 § 5 D. h. t. (41,2): quoniam in summa possessionis (das heisst nicht, wie B e k k e r S. 201 Not. I meint, »soweit die Interdikte in Betracht kommen«) non multum interest, iuste quis an iniuste possideat. Ganz ähnlich stellt P r o c u l u s selbst, gleichfalls nach kasuistischer Erörterung, in 1. 16 § 2 D. de evict. (21,2) das Princip hin: summam autem opinionis hanc esse, ut tantum ex ea stipulatione consequar, quanti mea intersit — eum servum fugitivum non esse. P a u l u s in 1. 32 § 3 D. de recept. (4,8): Summa rei est, ut praetor se non interponat, si —. M o d e s t i n u s in 1. 52 § 8 D. de O. et. A. (44,7): Ex peccato obligamur, cum in facto quaestionis summa constitit. M a r c i a n in 1. 214 D. de V. S. (50,16): Sed in summa in hoc ventum est —. U l p i a n in 1. I § 6 D. quar. rer. act. (44,5): In summa, si in continenti impositum quid sit liberto — dicendum est exceptioni locum facere. S. auch G a i u s IV 183, doch ist bei diesem Schriftsteller das »in summa« auch wohl das allgemeine Rechtsprincip: I 47, 141, II 96. 2

* Studien zum Besitzrecht. Sonderabdruck aus der Festgabe für Rudolf von Gneist S. 3. 6 Verwandt B r i n z , Pandekten I, z. B. § 135 ff., v. L i e b e , Der Besitz am Recht in thesi (1876) S. 5. Umgekehrt C o s a c k , Der Besitz des Erben (1877) S. 18.

78

Besitzlehre. Erster Abschnitt. Die Grandbegriffe.

die Stellvertretung im Besitz begründeten rein juristischen Gestaltung , worauf zurückzukommen1, unter deren Berücksichtigung man immerhin von Fällen »fingirten Besitzes«, d. h. dem Besitz rechtlich gleichgestellter Thatbestände sprechen darf, Q u e l l e und N o r m so wenig in j u r i s t i s c h e r R e f l e k t i o n und p o s i t i v r e c h t l i c h e r N o r m i r u n g als in dem n u r s u b j e k t i v e n B e w u s s t s e i n und W i l l e n des E i n z e l n e n , auf welche eine weitverbreitete Ansicht ihn zurückführen will 2 , vielmehr wesentlich in dem f r e i l i c h w e c h s e l n d e n und u n t e r d e r Z u c h t d e r M o r a l w i e d e s R e c h t s s t e h e n d e n G e m e i n b e w u s s t s e i n . Besitz ist so in der Hauptsache allerdings thatsächliche Gewalt (Macht, Herrschaft), aber n i c h t diejenige, welche der Einzelne haben will oder zu haben vermeint, sondern ein M a c h t v e r h ä l t niss, w e l c h e s d e m G e m e i n b e w u s s t s e i n a l s t h a t s ä c h liche H e r r s c h a f t erscheint. In der lebendigen Anschauung und Durchführung dieses freilich sehr elastischen Besitzbegriffs liegt die auch hier sich nirgends verleugnende Grösse der römischen Rechtswissenschaft. Seine Wiedererkenntniss vermag vielleicht die heutige Wissenschaft und Praxis über unfruchtbare Formulirungsversuche und über die blosse Gesetzeskasuistik hinaus zu der gleichen, doch nie völlig versiegenden Erkenfltnissquelle zurückzuführen. — Den Nachweis im Einzelnen sollen die folgenden Erörterungen erbringen. Doch bedarf es zuvor noch der Feststellung einiger für die richtige Auffassung des Besitzes, wie verwandter Begriffe erheblicher Punkte. Zweiter

Exkurs.

Charakteristisch und sehr wichtig erscheint, dass die neuere Theorie sich immer mehr von dem w e s e n t l i c h s u b j e k t i v e n Standpunkt der Savigny'schen Lehre entfernt. Man ringt nach einem o b j e k t i v e n Massstab, ohne freilich zu der immer wieder gesuchten festen Formel gelangen zu können. Aus diesem Ringen erklärt sich doch auch wesent1 S. unten Abschn. II, insbes. § 21. * S. unten §§ 8, 9.

Der Besitzbegriff ein socialer (Verkehis-)Begriff.

§ 4.

79

lieh die I h e r i n g ' s c h e These von der Sichtbarkeit normaler Eigenthumsposition, auf welche später zurückzukommen ist (unten § 16), wie die Verweisung auf das vernünftige richterliche Ermessen, endlich der Hinweis auf die Natur der menschlichen Lebensverhältnisse, die Auffassung des Verkehrslebens u. s. f. So verwirft bereits L e n z , Besitz (1860) S. 172 die Bezeichnung des corpus als »physische Möglichkeit« — es lasse sich im Allgemeinen nur sagen, es dürfe unserem Besitzwillen nie an objektiver oder realer Möglichkeit fehlen, und ein allgemein gültiges Princip darüber sei nicht aufzustellen, sondern immer quaestio facti. In ähnlicher Weise betont v. L i e b e (1876), S. 5ff. 13 und sonst das »Machtverhältniss« im Besitz, büsst aber, was er damit an Einsicht gewinnt, durch die ganz speculative Unterordnung der Macht unter den Willen ein. Und während noch B a r o n (Jahrb. f. Dogmatik VII [1865] S. 52 ff. 90) an v. Savigny's Theorie tadelt, dass sie nicht »bestimmte Principien« (ja sogar »genau bestimmte, nach allen Seiten hin begrenzte Regeln«) für den Besitzerwerb von Mobilien an die Hand giebt, hebt umgekehrt E x n e r , Rechtserwerb durch Tradition (1867) scharf hervor, dass der Fehler der Savigny'schen Theorie viel eher in der zu grossen Bestimmtheit der Formel liege (S. 90 Not. 10), verwirft aber doch nur das »doktrinäre Schema« und sucht ein »juristisches Princip« (S. 94, 95), aus welchem er wichtige und nicht richtige Konsequenzen herleitet (z. B. S. 99 Not. 31), indem er einerseits auf das relativ nähere Verhältniss zur Sache, andererseits (wie später v. Ihering) auf Sichtbarkeit und zugleich auf das Bewusstsein der Herrschaft Gewicht legt, schliesslich mit Lenz zu dem jede Formulirung praktisch beseitigenden Ergebniss gelangt, dass es sich um eine quaestio facti handle, welche in concreto durch das arbiträre Ermessen des Richters zu beantworten sei (S. 88 ff. vgl. S. 95, 107). — Den Grundgedanken d i e s e r Schrift habe ich bereits in einem kurzen Zusatz zu m e i n e m Handbuch des Handelsrechts (I. 2. [1868] S. 1233) freilich in noch sehr unvollkommener Formulirung ausgesprochen, nämlich: »dass für die Frage vom Besitzerwerb die i d e a l e Möglichkeit der

80

Besitzlehre. Erster Abschnitt.

Die Grundbegriffe.

Einwirkung entscheidet, d. h. eine solche, welche n a c h v e r n l i n f t i g e r L e b e n s s i t t e als eine gegenwärtige betrachtet wird«. Ich meinte, diese These als eine »leichte Modifikation der herrschenden Ansicht« bezeichnen zu dürfen, bin aber damit — worüber sich ja streiten lässt, obwohl meine Auffassung augenscheinlich der Savigny'schen G r u n d anschauung (nicht Formel) näher steht, als jede andere — auf den Widerspruch W i n d s c h e i d ' s , Pandekten I. § 153 Not. 7, 8 gestossen und habe, da ich meine Ansicht nur angedeutet hatte, manche nicht gerade glückliche Entgegnungen gefunden. So meint M e i s c h e i d e r , Besitz S. 227, Not. 1, der Satz scheine jedenfalls nicht römisch-rechtlich zu sein, strebe über das römische Recht hinaus, verleugne seine Verwandtschaft mit den späteren Rechtsbildungen (den sog. symbolischen Erwerbsarten) nicht, ohne doch bis zu der ganz unrömischen Auffassung Ihering's vorzudringen — aber man könne mit diesem (?) Satz schliesslich dahin kommen, überall da einen Besitzerwerb anzunehmen, wo der Wille zu besitzen mit dem Recht zum Besitz (?) zusammentrifft — es wird sich zeigen, dass von alledem das Gegentheil richtig ist. K i n d e l (in Gruchot's, jetzt Rassow's und Küntzel's Beiträgen zur Erläuterung des preussischen Rechts X X I I [3 F . II.] S. 575 — jetzt: die Grundlagen des Römischen Besitzrechts [1883] S. 204) fertigt sie mit der Bemerkung ab, dass unter »idealer« Möglichkeit sich füglich nur eine gegenwärtige Möglichkeit, welche eine solche nicht sei, verstehen lasse. Auch R a n d a , Besitz 3. Aufl. § 11 Not. 5, kämpft gegen meine Auffassung an, hält auch noch an der Savigny'schen Formel fest (§ 1 Not. 2 a, § 1 zu Not. 15, § 11 zu Not. 40 a, § 21 Not. 1), aber mit dem Eingeständniss, »dass wir in der Formulirung des Apprehensionsactes den Römern nicht so weit vor sind, als man gewöhnlich annimmt« ( § 1 1 Not. 5), ja er betont gleich mir die »vernünftige Lebensanschauung«, das »Gemeinübliche« als entscheidend (§11 Not. 5, zu Not. 11c, Not. 24 a), und geht schliesslich, mitExner, soweit, Alles in das vernünftige arbiträre Ermessen des Richters zu stellen (§ 11, insbes. Not. 4 a, 5, S. 322, 323, 324, 338—340).

Der Besitzbegriff ein socialer (Verkehrs-)Begriff.

81

§ 4.

Sehr ähnlich W i n d s c h e i d , Pandekten I §§ 148, 153 sowie D e r n b u r g , Preuss. Privatrecht, 3. Aufl. I § 148, insbes. Not. 6, verb. § 151 Not. 4, §§ 152, 153, obwohl unter starker Hinneigung zu v. I h e r i n g , bei welchem das gleichfalls betonte »ideale« Moment doch nur die sogenannten »moralischen und rechtlichen Garantien« bezeichnet (Besitz S. 180 [207], vgl. S. 157 [183]). Am kühnsten verfährt wohl in den dem eigentlichen Thema seiner Schrift voraufgeschickten Aphorismen: C o s a c k , Der Besitz des Erben (1877); zwar meint er (S. 18), dass das Wesen des Besitzes sich in eine Formel fassen lassen könne, doch hätten sich die römischen Juristen den Besitzbegriff nicht klar gemacht (S. 100), und seine eigene Auffassung geht dahin, dass der Besitz nichts sei als »Unterwerfenkönnen« (S. 21), so dass schliesslich nahezu Jeder jede Sache in Besitz hat (S. 20), und das »freie richterliche Ermessen« zu entscheiden hat, ob Besitz vorliegt (S. 22). Näher stehen meiner Auffassung schon insbesondere B r u n s , welcher (Besitzklagen [1874] S . V . ) sich, unter Bekämpfung der Ihering'sehen Theorie, ausdrücklich von der alten Lehre lossagt und, ohne nähere Entwicklung, die »menschlichen Lebensverhältnisse« betont, nach deren Maassgabe sich die Möglichkeit der ausschliesslichen Einwirkung bestimme (v. Holtzendorff's Encyklopädie 4. Aufl. S. 435); B r i n z , Pandekten (2. Aufl.) I § 135 »die faktische Verbindung einer körperlichen Sache mit einer Person«. B e k k e r , Actionen II S. 332, Besitz S. 190, 314, 320, vgl. S. 23; C. G. v . W ä c h t e r , Pandekten (1881) II S. 47, 48, insbes. S. 73; H o l d e r , Institutionen des römischen Rechts (1877) §§ 37, 38; E c k , in v. Holtzendorff's Rechtslexikon s. v. Besitz, Besitzerwerb, Besitzverlust (I 3. Aufl. S. 330, 331, 334). — Hinzugekommen sind neuerdings: G. B o s s e r t ( D e g e n k o l b ) , das Wesen des Servitutenbesitzes nach römischem Recht (1883), insbes. S. 69 ff.; O. B ä h r , Urtheile des Reichsgerichts mit Besprechungen (1883) S. 39 ff. Die erstgenannte Schrift enthält sehr beachtenswerthe Ausführungen in dem hier vertretenen Sinne. O. Bähr's geistvolle Aphorismen lassen seine Grundgedanken nicht sicher erkennen. Der »Besitz«, aber doch nicht der römische, G o l d s c h m i d t , Vermischte Schriften.

6

82

Besitzlehre. Erster Abschnitt. Die Grundbegriffe.

sondern der heutige, angeblich vom römischen verschieden (s. oben S. 36 Not. 4), sei dasjenige Verhältniss, »kraft dessen ich mich mit der eigenen Kraft in der thatsächlichen Herrschaft über die Sache behaupten darf«. Ob das richtig ist, hängt davon ab, was man unter »thatsächlicher Herrschaft« versteht, welche Bähr wesentlich (nach heutigem Recht) mit dem viel engeren »Gewahrsam« zu identificiren scheint (also nicht »Besitz« des abwesenden Grundeigenthtimers, an ausgeflogenen Tauben, an umherschwärmenden Bienen u. s. f. — wie verhält es sich mit der »Herrschaft« des vor der offenen Kassette stehenden Diebes ?) und wie man das »darf« versteht. Soll es gleich »kann« sein, so wäre das sicher unrichtig, z. B. hinsichtlich des vor mir in menschenleerer Strasse liegenden Fundstückes (welches ich noch nicht »besitze« — s. unten Abschn. II), und hinsichtlich der von mir bei Anderen deponirten Sachen (welche ich, auch nach Bähr S. 43, »besitze« , ungeachtet das physische Vermögen der Selbstbehauptung mir fehlt). Soll es gleich »rechtlich darf« sein, so wäre damit für die uns hier allein interessirende Frage, wann Besitz vorliegt, nichts gewonnen, denn wo das Recht »Besitz« anerkennt, gewährt es selbstverständlich auch Selbstbehauptungsrecht. Dagegen würde Bähr's Auffassung gerade auch für die römische possessio zutreffen, falls er unter »darf« versteht, was den Sinn der vorstehenden wie der nachfolgenden Ausführungen bildet: in einem Verhältniss , welches Sitte und gemeine Rechtsüberzeugung als »Herrschaft« ansehen, erscheint jeder Versuch eines Anderen, eigenmächtig in das gleiche Verhältniss zu treten, als Störung des ersten, oder, was auf das Gleiche hinauskommt, das erste ist ein Zustand, in welchem man sich durch eigene Kraft behaupten »darf«. Unrichtig aber ist Bähr's Annahme, dass die ursprüngliche Besitzvorstellung von der Abwehr fremder Eigenmacht ausgegangen sei — die Sprache, und zwar gleichmässig die römische wie die deutsche zeigt, dass Besitz an und für sich nichts ist, als sinnliches Haben, Herrschen, an welches sich dann ja selbstverständlich die Möglichkeit der Abwehr Dritter knüpft. —

Der Gewaltbegriff überhaupt (potestas).

83

§ 5.

III. Der Gewaltbegriff überhaupt (potestas). § 5Für den Begriff der »Gewalt« (potestas)T, mit welchem Proculus in 1. 55 D. de A. R. D. (41,1) operirt, fehlt es nicht an anderweitigem quellenmässigem Anhalt. Sie wird im gemeinen und juristischen Sprachgebrauch als das charakteristische Merkmal des Besitzes, ja als geradezu synonym mit diesem erachtet: es besitzt, wer (sc. thatsächliche) Gewalt hat. I. In der Besitz- bezw. Eigenthumslehre selbst begegnet der Ausdruck wiederholt: N e r a t i u s , 1. 14 pr. D. de A. R. D. (41,1): — nec dissimilis condicio eorum est atque piscium et ferarum, quae simul atque adprehensae sunt, sine dubio eius, in cuius potestatem pervenerunt, dominii fiunt. P o m p o n i u s , citirt von Ulpian, spricht in 1. 44 D. eod. (41,1) davon, dass: piscis, aper, avis »potestatem nostram« evasit, d. h. hier = custodia, wie die Parallelstellen2 ergeben. J a v o l e n u s 1. 23 § 2 D. h. t. (41,2) behandelt die Frage, ob Jemand einen Freien, welchen er gefesselt hat, besitze. Diese Frage wird verneint: eum te possidere non puto, und darauf der Schluss gegründet, dass noch viel weniger die Habe dieses Freien von dem faktischen Gewalthaber besessen werde: neque enim rerum natura recipit, ut per eum aliquid possidere possimus, quem civiliter in mea potestate non habeo, d. h. die hier vorliegende potestas (faktische Gewalt = Besitz) ist nicht durch das Civilrecht anerkannt, vielmehr von diesem gemissbilligt 3 . Der Ausdruck fehlt im A. L . R . »Macht« hat Oesterr. b. G. B. § 309. Unten § n . 3 S. oben S. 67. Dass Javolenus nicht etwa an die j u r i s t i s c h e Gewalt des Herrn über den Sklaven denkt, ergibt sich daraus, dass man auch ohne solche Gewalt, nämlich ex re possessoris oder ex operis erwerben kann. 1

1

6*

34

Besitzlehre.

Erster Abschnitt.

Die Grundbegriffe.

S c a e v o l a , 1. 37 § 3 D. de leg. III. (32): — in rerum natura aut in potestate esse desissent (es handelt sich u. a. um Grundstücke nebst Inventar) 1 . II. An sich ist potestas, was keiner Belege bedarf 2 , indifferent rechtliches o d e r thatsächliches Herrschen. Denn alle, auch die jetzt strengjuristische Gewalt leitet ihren Ursprung aus einer thatsächlichen, zunächst durch die Sitte anerkannten Gewalt her 3. Den weitesten Horizont eröffnet auch hier wieder P a u l u s , libro sing, ad leg. Fufiam Caniniam, 1. 215 D. de V . S. (50,16): Potestatis verbo plura 4 significantur: 1) in persona magistratuum imperium 5 : in persona liberorum patria potestas: in persona servi dominium. 2) At cum agimus de noxae deditione cum eo qui servum non defendit, praesentis corporis copiam facultatemque significamus. 3) In lege Atinia in potestatem domini rem furtivam venisse videri, et si eius vindicandae potestatem habuerit, Sabinus et Cassius aiunt. Eine e i g e n t h ü m l i c h e Bedeutung von potestas für die Besitzlehre erwähnt Paulus nicht, wie er sich auch dieses Ausdruckes in der Besitzlehre nicht bedient zu haben scheint. Offenbar aber ist es Paulus nicht um Aufzählung aller juristisch 1 Allenfalls auch G a i u s , 1. 7 pr. D . de A. R . D. (41,1): — qui tarnen (liberi homines) si evaserint hostium potestatem, recipiunt pristinam libertatem. Dagegen nicht von Besitz, auch nicht durch Schlüsselübergabe (wie R u d o r f f Zus. 36 meint) spricht die donatio F l . Artenüdori: clavis eius monumenti potestatem facturum se dixit. 1 z. B . 1. 19 D. de procur. (3,3): in hostium praedonumve potestate. Die Gewalt der Feinde ist, nach antikein Völkerrecht, eine rechtliche, die der Räuber eine nur thatsächliche. 3 Dies gilt vom Herrscher, vom Familienhaupt, von dem Eigenthümer (dominus d. i. der Zähmende, Bändiger, Bezwinger: C u r l i u s , Griechische Etymologie S. 232. F i c k , vgl. Wörterbuch I S . 101 ff., S. 123 ff.). S. auch B e r n h ö f t , Staat und Recht der römischen Königszeit (1882)

s. 161 fr.

* Aehnlich sagt vom h a b e r e Ulpian 1. 38 § 9 D . de V. O. (45,1): dupliciter accipitur und Paulus I 188 pr. D. de V. S. (50,16): duobus modis dicitur. S. dazu E r m a n , Zur Geschichte der römischen Quittungen (1883) S . 13 ff. (oben S. 52). 5 M o m m s e n , Rom. Staatsrecht I (2. Aufl.) S. 22.

Der Gewaltbegriff überhaupt (potestas).

§ 5.

85

erheblichen, sondern nur der juristisch eigentümlichen, in einem besondern Sinne zu verstehenden Bedeutungen zu thun, und wie er nicht von potestas hostium, praedonum u. s. w. spricht, so hatte er auch keinen Anlass darauf hinzuweisen, dass in der Besitzlehre der Ausdruck potestas, wenn verwendet, so verstanden werde, wie er normalerweise zu verstehen ist, d. h. als thatsächliche Macht oder Herrschaft. Folgen wir aber der Paulinischen Aufzählung, so finden wir: Ad. 1. Beispiele rechtlicher (sc. römisch-), dem Staatsoder dem bürgerlichen Recht angehöriger Macht, einen rein j u r i s t i s c h e n Begriff 1 . Ad. 2. a. Im Sinne des prätorischen Edikts über die n o x a e d e d i t i o ist potestas = faktische Verfügungsmöglichkeit, somit = Besitz, aber doch mit eigenthümlichen Nüancen. Das Edikt nämlich über die Noxalklage hat eine doppelte potestas im Auge: einmal die rechtliche (über Sklaven, Hauskind) 2 sodann die faktische 3 : Ulpian, 1. 21 § 2 D. de nox act. (9,4): Si is in cuius potestate esse dicetur, negabit se in sua potestate servum habere — 1. 21 § 3 eod.: »In potestate« sie aeeipere debemus, ut f a c u l t a t e m et p o t e s t a t e m e x h i b e n d i eius habeat. 1. 21 pr. eod.: — si in potestate habeat dolove malo fecerit quominus habeat. Paulus, 1. 22 § 4 eod.: — in potestate esse vel dolo eius factum quominus esset. 1 Vgl. die Zwölftafelstelle bei Cicero de invent. I I 50: agnatum gentiliumque in eo pecuniaque eius potestas esto. Paulus in 1. 1 pr. § I D. de tut. (26,1): Tutela est, ut Servius definit, vis ac potestas. — S. Überhaupt Gaius I I 62 und sonst. Im späteren Sprachgebrauch wird auch eine auf Besitzrecht und Fruchtgenuss beschränkte rechtliche Macht so bezeichnet. I. 2 C. Th. de bon. mat. (8,18): ita eas haberi in parentum potestate, ut dominium tantum possessionis usurpent. 1 z. B. 1. 16 pr., 1. 5 D. de interr. in iure (11,1). Gaius IV 77, § 5 J . de noxal. act. (4,8). S. L e n e l , Das prätorische Edikt S. 127 und Nachträge. 3 L e n e l a. a. O. S. 124 ff., s. auch B e k k e r , Besitz S. 48 ff. Auf das nur für die Noxalklagen interessante Detail ist hier nicht einzugehen.

86

Besitzlehre.

Erster Abschnitt. Die Grundbegriffe.

R. S. II 31 § 3 7 : — quia in potestate eum non habet. G l e i c h b e d e u t e n d damit wird gebraucht: A p u d me e s s e : U l p i a n , 1. 7 pr. D. de nox. act. (9,4): Noxalis autem non alias datur, nisi a p u d me 1 s i t servus. Possid ere: Paulus, 1. 26 § 2 eod.: — cum eo qui possidet, an praetoria cum eo qui desiit possidere. Paulus, 1. 12 eod.: — qui servum in potestate habeant aut dolo fecerint, quominus haberent, quia per hoc adhuc possidere videntur. Gaius, 1. 23 eod.: — in potestate habere — ex nova possessione. 1. 13 eod.: Non solum adversus bona fide possessorem sed etiam adversus eos qui mala fide possident, noxalis actio datur. Ebenso stellt Alles auf possidere: Justinian in 1. 21 C. de furtis (6,2). Das in potestate esse, habere, apud aliquem esse ist somit = thatsächliches Haben, Besitz. Aber die Institute des juristischen Besitzes und der potestas im Sinne d i e s e s Edikts haben sich differentiirt; die Jurisprudenz hat anerkannt, dass dem Geiste und Zwecke dieses Edikts eine vollkommen gleiche Behandlung nicht entsprechen würde. Darin liegt freilich kein Unterschied, dass dolose aufgegebener Besitz dem bestehenden rechtlich gleichgeachtet wird, denn die gleiche Regel » f i n g i r t e n Besitzes« gilt ja auch für die vindicatio, die hereditatis petitio und sonst 2 , und es handelt sich dabei überall nicht um Besitzfortdauer im 1 S. die entsprechende Formel des interdictum utrubi, das »esse« im interdictum de vi und das «habere« im int. de vi und dem int. de precario: oben S. 50, 5 1 . » 1. 20 § 6 c . , 1. 25 § 8 D. de H. P. (5,3), 1. 27 § 3 , 1. 36 pr. D. de R . V. (6,1), 1. 1 3 1 , 157 § 1 D. de R . J . (50,17). - Vgl. 1. 3 § 5, 1. 4 pr. §§ i , 2, 4 D. de alien. iu;genera

Die Detention ein RechtsbegrifT. erst

durch

unterscheidende

Zusätze1

101

§ 7.

wird

klar,

in w e l c h e m

bestimmten Rechtssinne das W o r t verstanden werden will, und sicher

gehört erst

Rechtssprache

der ausgebildeten

Technik

der

römischen

die r e g e l m ä s s i g e 2 B e d e u t u n g v o n possessio

=

possessionum« 1. 3 § 23 D. h. t. zählt. S. unten Not. 2 u. P e r n i c e , Zeitschr. für Handelsrecht X X I I S. 426. 1 Sibi-alteri, suo-alieno nomine und dergl., z. B. 1. 18 pr. D. h. t. (41,2), und oft weniger deutlich civiliter-naturaliter, da ersteres mehr als den blossen juristischen Besitz, letzteres auch den juristischen, insbesondere den handhaften (s. oben S. 65 ff.), bezeichnet. Dass in possessione esse, welches nicht, wie Kierulff, Theorie S. 340 Not. **, meint, heisst »auf oder an der Sache verweilen«, sondern »im Besitz sein«, kann auch den juristischen Besitz bezeichnen : 1. II § 13 D. quod vi (43,24), 1. 2 C. h. t. (7,32), § 5 J. de interd. (4,15). Es heisst vom Sklaven, Depositar, Kommodatar, Miether, Usufructuar, aber auch vom Faustpfandgläubiger, dass sie naturaliter (auch corporaliter, corpore) tenent, in possessione sunt, naturaliter possessioni incumbunt, aber auch dass sie naturaliter p o s s i d e n t , p o s s e s s i o naturalis haben; es wird auch das alieno nomine haben, ja der Besitz des Sklaven als possidere bezeichnet und durchgehends die possessio naturalis (welche bald Interdiktenbesitz, bald blosse Detention ist — s. oben Exkurs S. 65 ff. — ) als species des g e n u s »possessio« behandelt. 1. 12 pr., 1. 18 pr., 1. 24 D . h. t. (41,2), 1. 3 § 15, 1. 5 pr. § 1 D. ad exhib. (10,4), 1. 38 § 10 D. de usur. (22,1), 1. 5 § 2 D. ut in poss. leg. (36,4), 1. 38 § § 7, 8 D. de V . O. (45,1), 1. 2 § 1 D. pro her. (41,5), 1. 1 C. comm. de usucap. (7,30). So zeigt Ulpian, dass »possidere« im Sinne des Edikts über die rei vindicatio jeden Fall des tenere et habere restituendi facultatem begreift, nicht (wie Pegasus meinte) >eam solam possessionem, quae locum habet in interdicto uti possidetis vel utrubi«: 1. 9 D . de R. V. (6,1), vgl. § 4 J. de interd. (4,15) und dazu Schräder. Sehr charakteristisch 1. 12 D. quib. ex c. in poss. (42,4): — in possessionem nos mittit, non possidemus — überhaupt die missio in p . , welche nicht p. giebt. S. auch P e r n i c e , Labeo II I. Aufl. S. 343 ff. 1 1- 3 § 23 D. h. t. (41,2) — non possessionem — possidere nobis. 1. 9, 1. 10 § 1 eod. — nos possidere — non ut possideret — possidere — possident. 1. 13 § 12, 1. 22, 24, 49 § 1, 1. 52 pr- eod., 1. 33 § 1 D - de usurp. (41,3), 1. 6 § 2 D. de prec. (43,26), 1. I i § 13 D . de A . E . V . (19,1), 1. 7 pr. D. de damno inf. (39,2), 1. 6 pr. D. de div. temp. praescr. (44,3). Gaius IV 153. Wenn Paulus es als »ineptissimum« bezeichnet, dass Q. Mucius auch die durch missio in p. sc. custodiae causa erworbene Detention »inter genera possessionum« stellt, 1. 3 § 23 D. h. t. (41,2), so ist klar, dass eben erst seit Q. Mucius — s. auch Pegasus 1. 9 D. de R . V. (6,1), Pomponius 1. 10 § 1 D. h. t. (41,2) — sich der technische Sprachgebrauch ausgebildet hat (s. auch B e k k e r S. 68 ff., D e r n b u r g , Entwicklung S. 60 ff.); auch die Formel der stipulatio Aquiliana: tenes, possides, habes? ist ja nicht älter; s. auch Cicero de lege agraria III 2, 8; 4, 14: habere, tenere, possidere und Plin. ep. I 16, 1 : tenet, habet, possidet. — Dass auch noch später der Sprachgebrauch nicht fest war, zeigen (gegen Savigny S. 70, 89) die der jüngeren Zeit an-

102

Besitzlehre.

Erster Abschnitt.

Die Grundbegriffe.

juristischer, d. h. durch die Besitz-Interdikte geschützter Besitz — nicht »Nichtbesitz« 1 — an. Vor Allem aber ist die weitverbreitete, nahezu herrschende Vorstellung abzuweisen, als sei die des Besitzwillens im technischen Sinne ermangelnde thatsächliche Herrschaft ein blosses factum, d. h. ein juristisch indifferenter Thatbestand. So nennen nicht nur die Vertreter der »Willenstheorie« dieselbe ein blosses, nicht juristisch in Betracht kommendes Faktum, welches juristischer Bestimmungen unfähig sei 2 , und will Puchta sie nicht einmal als »ausschliesslich menschlichen«, vielmehr auch gehörigen Stellen S . 101 Not. I. Auch beim Servitutenbesitz wird bald »possessio« im technischen Sinne negirt und nur quasi possessio oder gar nur tenere (Ulpian, 1. i § 8 D. quod leg. [43,3]) anerkannt, bald unbefangen von possessio gesprochen; ähnlich bald »traditio« verneint, bald bejaht. ( B o s s e r t , Das Wesen des Servitutenbesitzes [1883] S. 3 ff.) Von den G r i e c h e n sagt Paulus 1. 1 pr. D . h. t. (41,2), dass possessio bei ihnen xaro^-rj heisse, also »detentio«; die Byzantiner begreifen jedenfalls unter voutj, vi/jta&at auch die blosse Detention : das (pvaixtös xaTfyeiv oder XQetreiv: Basil. 50, 2, 61 ; s. auch vom colonus (aXlq> vtfitrtu): Schol. zu Basil. 60, 17 § § 12, 17 (Heimbach V . p. 574, 575) und den Anonymus (Julian?) zu 1. 3 § 15 D . ad exhib. (Zachariae, supplem. ed. Basil. p. 53. Schol. 25: vo/jal: ivvofioi xal noXiTixal — ¡xovov ¡•vvo/uoi — (pvaixaC — aber xvqltoi vofirj toxi ipvxjj SeonöCovtos xaTO%q. Schärfer, aber wie gezeigt, auch gegen den späteren Sprachgebrauch will freilich Theophilus III 29 § 2 unterscheiden: äiatfoga yug 10C xpartTv xal rov vffiecr&at. avii), SrixQaTttv tan tpvotxios xar^ftv, vtfieo&ai ravrrjv avalaßelv, navofxat tf/g vo/Arjg (sed et si possessionem dedero ea lege ut eam recipiam, desino possidere). Das gegensätzliche aXla wird durch die Handschriften der Pandekten nicht bestätigt, aber wichtiger ist das xaV: a u c h in diesem Falle. — Ob auch in anderen Fällen die von Ulpian vorausgesetzte negative Parallele yon Eigenthum und Besitz zutrifft, kann unerörtert bleiben. Es genügt, dass derjenige Fall, wo unzweifelhaft gleicher Thatbestand und verschiedener Rechtseffekt vorliegt, n i c h t ein Fall der Besitzentäusserung b e i f o r t d a u e r n d e r D e t e n t i o n ist. Die Stelle verliert damit für unsere Frage jede Beweiskraft. 1

S. oben S. 248. Brevi manu traditio auch nur p o s s e s s i o n i s z. B. an den Mandatar, welchem ein Pfandrecht bestellt wird, wie umgekehrt brevi m. traditio auch nur des Eigenthums an die juristisch bereits besitzende Mittelsperson möglich ist: 1. 21 § 1 D. de A. R . D. ( 4 1 , 1 ) , 1. 46 D. de R . V. (6,1). Vgl. v. S a v i g n y , Besitz S. 242 ff., 244 Not. 1 (Zus. der 7. Ausg.). 1

Besitzverlust animo?

§ 34.

331

P a u l u s libro 54 ad Ed., 1. 3 § 6 D. h. t.: In amittenda quoque possessione affectio eius qui possidet intuenda est: i t a q u e si in f u n d o s i s et tarnen nolis eum possidere, protinus amittis possessionem. igitur amitti et animo solo potest, quamvis adquiri non potest. P a p i n i a n u s libro 23 quaestionum, 1. 44 § 2 D. h. t . ' : Hierher gehört nur der Zwischensatz: — nam eius quidem, quod corpore nostro teneremus, possessionem amitti v e l animo v e l e t i a m corpore, si modo eo animo inde digressi fuissemus, ne possideremus —. Paulus setzt unzweideutig voraus, dass nicht solo animo possidetur (si in fundo sis, s. auch die sogleich folgenden §§ 7, 8 »Sed et si a n i m o s o l o possideas —.«), gleichwohl geht der Besitz »solo animo« verloren. Papinian sagt, dass animo der Besitz unmittelbar besessener Sachen (Grundstücke) verloren geht, und zwar anscheinend animo solo, da den Gegensatz bildet das W e g g e h e n von dem Grundstück mit Absicht der Besitzaufgabe. Versteht man diese Stellen so allgemein, wie es die herrschende Meinung thut und wie sie ja auch die soeben erörterte 1. 17 § 1 h. t. von Ulpian auffasst 2 , so wäre der Beweis geliefert, dass die drei grossen Juristen, mindestens Papinian und Paulus, in der That das behauptete Dogma lehren. Indessen würde doch wohl selbst Savigny von dieser Annahme zurückgeschreckt sein, hätte er auch nur diejenige Analyse des anderweitigen so reichen Quellenmaterials, welche vorstehend versucht ist (insbes. 1—8), selbst angestellt. Weiter ist sehr merkwürdig, dass so hervorragende und anscheinend unbedingte Vertreter der Savigny'sehen Lehre, wie Puchta und Keller, als Beispiel des »itaque si in fundo sis« bei Paulus ein constitutum possessorium setzen, also nicht ein nacktes possidere nolle, sondern einen T r a d i t i o n s f a l l 3 ! S. über diese Stelle Überhaupt oben § 28 S. 256. So z. B. v. S a v i g n y S. 330, 337 ff. 3 P u c h t a , Kursus der Institutionen II § 228 Not. h. i., K e l l e r , Pandekten § 122 (S. 234). So auch, in ausführlicher Deduktion, dass nur dieser 1

1

332

Besitzlehre. Dritter Abschnitt. Behauptung und Verlust des Besitzes.

Schärfer lässt sich ja die praktische Unbrauchbarkeit der herrschenden Lehre kaum demonstriren. Hat sich nun vorher, insbesondere bei Betrachtung des so häufigen »omittere possessionem«, auch bei Erörterung der 1. 17 § 1 h. t., klar gezeigt, dass dabei an eine Besitzdereliktion solo animo nicht gedacht ist, noch gedacht sein kann, so lässt sich auch hier der trügerische Schein einer derartigen Besitzdereliktion beseitigen. Papinian führt, wie bei Betrachtung der 1. 44 § 2 bis 1. 46 in ihrem Zusammenhange dargethan ist, den Unterschied zwischen dem immittelbar und dem mittelbar geübten Besitz aus: der m i t t e l b a r geübte Besitz geht nur durch B e m ä c h t i g u n g (eines Dritten, möglich auch der Mittelsperson selbst), dann aber auch sofort (domino ignorante) verloren, also nicht solo animo der Mittelsperson; ob solo animo des juristischen Besitzers, wird nicht erörtert. Der u n m i t t e l b a r geübte Besitz geht nicht schon durch Bemächtigung eines Dritten, sondern nur bei hinzutretender scientia und gewissermaassen voluntas des Besitzers verloren, wie denn auch der Besitzer diesen Besitz ohne Bemächtigung eines Dritten durch s e i n e voluntas, sei es solo animo, sei es durch gleichzeitiges Verlassen des Grundstückes, verlieren kann. Nur diese Fragen interessiren hier Papinian; wie der Verlust solo animo beschaffen sein muss, ob er allgemein oder nur unter besonderen Umständen eintreten kann, wird an diesen Stellen nicht erörtert und brauchte nicht erörtert zu werden. Papinian k o n n t e bei dem vorausgesetzten Verlust des unmittelbar geübten Besitzes an einen Fall der possessio absentis, oder, noch wahrscheinlicher, an die sogleich zu erörternden Fälle denken. Schwer begreiflich aber wäre vom Standpunkt Papinian's eine Entscheidung im Sinne der herrschenden Ansicht. Derselbe Jurist, welcher in der mit unserer Stelle ein ursprüngliches Ganzes bildenden 1. 46 h. t. aus dem Axiom der Korrespondenz vom Entstehungs- und Aufhebungsgrund folgert, dass, was solo animo besessen wird, nicht ignoranti, d. h. in der Sprache Papinian's (s. oben § 28) solo Fall gemeint sei, K i n d e l S. 289 ff., welcher hier das Gegenstück des angeblichen Besitzerwerbs durch blosse Willenserklärung (nämlich durch const. poss.) annimmt, daher von einem Besitzverlust »solo animo« spricht.

Besitzverlust animo?

§ 34.

333

corpore verloren gehen kann, konnte doch unmöglich sagen: was corpore (et animo) besessen wird, geht solo animo verloren ! Ein solcher grober Denkfehler ist doch mindestens bei Papinian undenkbar. P a u l u s stellt das Axiom auf, dass auch für den Besitzv e r l u s t (nicht nur für den B e s i t z e r w e r b , wovon er u n m i t t e l b a r v o r h e r 1. 3 §§ 1 bis 3 — unter Einschaltung einiger anderer Punkte §§ 4, 5 — gehandelt hatte), der Wille (affectio) des Besitzers in Betracht kommt. Dieses Axiom stellt er — was, wie sich an anderer Stelle zeigen wird (§ 35), von Bedeutung ist — an die Spitze (1. 3 § 6) der Lehre vom Besitzverlust: 1. 3 §§ 6 bis 18. Er erläutert es zunächst § 6 für den Fall, dass der Besitzer gegenwärtig ist (possessio »praesentis«), sodann §§ 7, 8 possessio absentis; § 9 traditio; § 10 Besitzverlust an Sklaven, wo unter Umständen die Frage des Verlustes animo sich aufwerfen lässt (si diu in libertate moratur); § 11 anderer Fall der possessio absentis (saltus); § 12 ist die Konstruktion des mittelbaren Besitzes eingeschaltet; § 13 ff. Fälle des Besitzverlustes an Sachen in custodia, wo unter Umständen auch anscheinend ein Stück animus mitspielt, u. a. m. Das Axiom nun, von welchem Paulus ausgeht, dass a u c h für den B e s i t z v e r l u s t der animus in Betracht kommt, hat eine doppelte Seite: n e g a t i v , dass nicht (immer) corpore solo der Besitz verloren geht, vielmehr animo retinetur (so §§ 7, 8, 11 — in gewissem Sinne auch §§ 13, 16); sodann p o s i t i v , dass der Besitz solo animo verloren geht, aber auch doch gewiss nicht i m m e r , sondern unter gewissen Umständen. Untersuchen wir nun diejenigen möglichen Fälle, in welchen bei possessio »praesentis« durch den Willen, nicht zu besitzen, Besitz verloren gehen kann, so ergiebt sich eine dreifache Reihe: a. Fälle der wirklichen und vollendeten T r a d i t i o n . Hier geht zwar juristisch s t e t s animo et corpore der Besitz verloren, aber äusserlich häufig nur animo. So nicht allein im Falle des constitutum possessorium, sondern auch falls der Besitzerwerber auf dem Grundstücke anwesend ist oder in dessen Nähe sich befindet (sog. longa manu traditio), aber dem Veräusserer gestattet, auf dem Grundstück zu bleiben.

334

Besitzlehre.

Dritter Abschnitt.

Behauptung und Verlust des Besitzes.

Gegen die Beziehung auf solche Fälle scheint freilich zu sprechen, dass erst in § 9 der Traditionsfall erwähnt wird: E t si alii t r a d i d e r i m , amitto possessionem. nam constat possidere nos, donec aut nostra voluntate d i s c e s s e r i m u s aut vi d e i e c t i fuerimus; indessen ist schon früher dargethan, dass insbesondere im const. poss. zwar juristisch ein echter Traditionsfall liegt 1 , dass aber dieser Fall unter »tradere« im eigentlichen und technischen Sinne nicht begriffen wird 2 , und dass unter »tradiderim« h i e r Paulus nur die m i t v ö l l i g e r A u f g a b e d e r e i g e n e n D e t e n t i o n verbundene Tradition versteht, ergiebt sich schon aus der Erläuterung: nam — d i s c e s s e r i m u s . b. Fälle der u n f e r t i g e n Tradition. Der bisherige Besitzer erklärt den Traditionswillen, der Destinatar hat noch nicht Besitz ergriffen. Nach der von Paulus wiederholt gebilligten Lehre des Celsus ist dem ungeachtet der Besitz verloren: solo animo 3 ; freilich, wie früher gezeigt, nur in dem Falle, dass auch corpore der Besitz aufgegeben war; vielleicht aber vertrat Paulus die weitergehende Ansicht, dass dies auch dann gelte, wenn der Besitzer noch auf dem Grundstück verweilte. P a p i n i a n freilich kann dies nicht angenommen haben, da er überhaupt, mit Ulpian, das Celsinische Prinzip verwirft. c. Fälle der O k k u p a t i o n . Erwägt man, dass § 9 den Traditionsfall erörtert und dazu in Gegensatz stellt das »vi deiecti fuerimus«, dass weiter die §§ 7, 8 gerade von solchen Dejektionsfällen handeln, oder der deiectio absentis, so ist mehr als wahrscheinlich, dass § 6 einen der Dejektion sehr nahestehenden Fall betrifft, welcher aber doch nicht wahre (vi) Dejektion ist. Der vorausgesetzte Fall wäre: Der Besitzer ist auf dem Grundstück anwesend (si in fundo sis) und lässt die Besitzergreifung des Dritten o h n e den i h m m ö g l i c h e n W i d e r s t a n d sich vollziehen, indem er erklärt, e r w o l l e n i c h t b e s i t z e n . Hier liegt weder deiectio, noch traditio vor, aber ein b e i d e n verwandter Fall des Besitzverlustes. 1

Oben § 21. S. oben S. 63. 3 S. oben S. 3 1 9 ff.

1

Die Paulinische Regel.

§ 35.

335

G e n a u an d i e s e n F a l l hat aller Wahrscheinlichkeit nach, wie gerade der Zusammenhang der Stelle ergiebt, auch P a p i n i a n gedacht. So viel steht fest, dass Papinian wie Paulus an zahlreiche Fälle, wo a n s c h e i n e n d solo animo der Besitz auch praesentis verloren geht, indem erst durch den animus non possidendi der c o r p o r e n o c h u n f e r t i g e B e s i t z v e r l u s t s i c h v o l l e n d s r e a l i s i r t 1 , gedacht haben können; Paulus an alle drei erörterten Gruppen, Papinian an die erste und die dritte. Aber nichts deutet darauf hin, vielmehr spricht Alles dagegen, dass sie den Satz allgemein auch von B e s i t z d e r e l i k t i o n s m o n o l o g e n und dgl. verstanden haben könnten. Das Dogma »possessio solo animo amittitur«, genauer, der juristische Besitz k a n n durch die blosse Aeusserung des animus non possidendi verloren gehen, hat somit ein sehr w e i t e s , i n s b e s o n d e r e , wenn in g e w i s s e m Sinne verstanden, alle Fälle der possessio absentis, wohl auch alle Fälle des mittelbaren Besitzes, sodann schlechthin manche andere eigenthümliche Fälle umfassendes Gebiet, aber es ist nicht ein a l l g e m e i n e s A x i o m der Besitzlehre; in den Normalfällen geht vielmehr regelmässig entweder nur corpore (Dejektion u. dgl.), oder nur corpore e t animo (Tradition) der Besitz verloren. 5.

Die Paulinische Regel. § 35.

Paulus, unter den späteren klassischen Juristen der Hauptdogmatiker der Besitzlehre, welche ihre wissenschaftliche Ausbildung vor ihm wohl vorzugsweise den genialen Leistungen der Proculianer: Labeo, Proculus, Nerva filius, dann, wie überall, dem grossen Sabinianer Julian, verdankt, hat mit seinem berühmten Satze: Non ex regula ius sumatur, sed ex iure, quod est, regula fiat (1. 1 D. de R. J.) den richtigen Standpunkt für die Beurtheilung seines eigenen Dogmas vom Besitzverlust gegeben. Es soll damit nicht etwa ein D o g m a 1

Mail könnte den Satz des Proculus: quia quod desit naturali possessioni id animus implet, umgekehrt anwenden, indem man statt naturali possessioni einsetzte : corpori nämlich hinsichtlich des Besitzverlustes.

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Besitzlehre. Dritter Abschnitt. Behauptung und Verlust des Besitzes.

im Sinne heutiger Doktrin aufgestellt werden, sondern, wie das die vorherrschende Art der klassischen Juristen überhaupt bildet, eine begriffliche Zusammenfassung einzelner bereits fest anerkannter rechtlicher Erscheinungen. Ganz sicher haben sie, wie Leist (s. unten) richtig bemerkt, damit nicht ein P r i n z i p hinstellen wollen, aus welchem sie nun beliebige Schlüsse hergeleitet hätten. Fassen wir zunächst zusammen, was die vorstehende Darstellung für den Antheil der beiden Besitzelemente1 an dem Besitzverlust ergiebt, so stellt sich heraus: 1. Geht der Besitz durch t r a d i t i o verloren, so erlischt er corpore et animo, und zwar hört die Gewalt des Tradenten auf und hört der Besitzwillen des Tradenten auf durch Verwandlung in ihr Gegentheil: an Stelle der Gewalt tritt Nichtgewalt, an Stelle des Willens, für sich zu besitzen, der Wille, nicht für sich zu besitzen, der animus non possidendi; ja, der letztere genügt nach der, wenigstens von Ulpian und Anderen vertretenen Lehre, nicht einmal zum Besitzverlust; denn, weil er nicht nackter "animus non possidendi, sondern der engere animus tradendi ist, so bildet ein Element desselben die Realisinjng der gewollten Tradition, somit der Besitzerwerb des Traditionsempfängers Nur anscheinend verhält es sich anders in den Fällen der sogen, brevi manu traditio und des constitutum possessorium: der wirkliche Verlust des corpus wird in diesen wahren Traditionsfällen verdeckt durch den Umstand, dass entweder der Besitzerwerber das corpus bereits hatte oder dass der Besitzentäusserer das corpus behält. Beides aber nur äusserlich, denn das arischeinend schon vorhandene corpus des Besitzerwerbers war juristisch in Wahrheit ein corpus nicht des Detinenten, sondern des Besitzentäusserers, welcher selbst »corpore alieno« besass; das anscheinend fortdauernde corpus des Besitzentäusserers ist juristisch zu einem corpus des Besitzerwerbers geworden, welcher nun »corpore alieno« besitzt. Diese a l l e m m i t t e l b a r e n B e s i t z zu Grunde liegende R e c h t s r e g e l hindert einmal die Anwendung der gleichsam naturalen Besitzregeln, bewirkt aber auch gleichzeitig, dass ein wahrer Verlust corpore eintritt. Aeusserlich freilich 1 S. oben § 6. » S. oben § 34 S. 319 ff.

Die Paulinische Regel.

337

§ 35.

liegt Besitzverlust solo animo vor, in Wahrheit animo e t corpore 1 . Nicht anders verhält es sich in anderweitigen Fällen, welche wir früher unter dem Gesichtspunkt von »Traditionssurrogaten« betrachtet haben. Hier erlangt überall der Erwerber die »Gewalt« (corpore) nach der Gemeinanschauung, und verliert entsprechend in dem gleichen Augenblicke der Veräusserer die »Gewalt«; es liegt Verlust nicht solo animo, sondern corpore et animo vor. So bei der Besitzentäusserung durch »Schlüsselübergabe«, durch Uebergabe der älteren Eigenthums- oder Kauf-Urkunden geschenkter bezw. manumittirter Sklaven (oben §§ 19, 20). »Corpore« geht auch verloren der Besitz in dem § 22 erörterten Falle magistratischer Ueberweisung; den fehlenden animus non possidendi aber s u r r o g i r t hier ausnahmsweise der magistratische Befehl. 2. Die T r a d i t i o n s f ä l l e nebst ihren erweiternden Surrogaten bilden die N o r m a l fälle wie des Erwerbs so des Verlustes des Besitzes; sie sind die erwünschten und in geordneten Rechtszuständen die regelmässigen. An sie r e i h e n sich jedoch zahlreiche anders beschaffene Fälle des Besitzverlustes an, dem Recht zwar unerwünscht, aber doch vom Recht nicht zu ignoriren, soll anders der Besitz nicht aufhören, »thatsächliche Gewalt« zu sein. Unter diesen Fällen findet sich, wie gezeigt, k e i n e i n z i g e r , wo in Wahrheit s o l o a n i m o der Besitz verloren geht, sondern überall findet sich zugleich ein Besitzverlust corpore, wenngleich mitunter ein corpore noch unfertiger Besitzverlust durch den animus non possidendi ergänzt wird, noch häufiger ein derartig corpore noch unfertiger Besitzverlust dadurch zu einem fertigen wird, dass die mögliche Aufrechterhaltung der gleichsam dahinschwindenden Gewalt unterlassen wird. Diese Fälle sind im Vorstehenden genau analysirt2. Es hat sich gezeigt, dass von Fällen dahinschwindenden Besitzes, welcher nur noch gewissermaassen unsinnlich festgehalten wird, die Formel gebraucht wird: possessio animo retinetur, und dass der in solchen Fällen schliesslich, bei unterlassenem Gebrauch der zur Aufrechterhaltung ' S. oben §§ 21, 32, 33. 1 Insbes. § 34, §§ 27 bis 29, 31, 33. G o l d s c h m i d t , Vermischte Schriften.

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Besitzlehre. Dritter Abschnitt. Behauptung und Verlust des Besitzes.

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des Besitzes geeigneten Mittel (Dejektion des Okkupanten, Wiederergreifen der Sache etc.), eintretende Besitzverlust als Verlust a n i m o bezeichnet wird, dass insbesondere Papinian auf solchen Fall in 1. 46 D. h. t. (41,2) das sogleich zu erörternde Kongruenzgesetz (animo retinetur — also nicht sine animo amittitur) anwendet. Es entsteht so freilich der S c h e i n eines Verlustes solo animo, aber dieser »animus« ist in Wahrheit, bis auf vereinzelte Fälle (s. § 34 S. 324 f.), gar nicht der wahre animus non possidendi, sondern nur ein Stück Wollen, genauer etwas mehr als ein blosses Nichtwollen. Man darf von demjenigen, welcher den Okkupanten nicht vertreibt, den verlassenen Acker nicht bestellt, nicht sagen, dass er den Besitz nicht wolle, aber allenfalls, dass er nicht den Besitz wolle, da sein Verhalten dem Willen des Besitzers wenigstens regelmässig widerstreitet. 3. Unzweifelhaft giebt es Besitzverlustfälle n u r c o r p o r e : durch Dejektion des possessor praesens, durch furtum, durch Naturereignisse, Tod u. s. w.; immerhin aber bilden sie gegenüber der breiten Masse der Traditionsfälle, sofern man die soeben erwähnten Fälle hinzunimmt, wo doch gewissermaassen auch animo — nach der Lehre der römischen Juristen sogar unzweifelhaft — der Besitz verloren geht, die Ausnahme, und rechnet man den Besitzverlust durch Tod ab, welcher ja doch nicht einmal Ersitzungsunterbrechung bewirkt, endlich einen besonders wichtigen Fall des furtum, nämlich des servus fugitivus, ferner alle Fälle des furtum durch eigene Sklaven oder Hauskinder, welche überhaupt nicht Besitzverlust bewirken, so stellen sie sogar nur die v e r s c h w i n d e n d e Ausnahme dar. Man könnte statistisch sagen: von 100°/o Besitzverlustfällen vollziehen sich 95 (oder wieviel?) animo et corpore, und man darf, nicht statistisch, sondern dem römischen Recht entsprechend, sagen: k e i n e i n z i g e r Fall des Besitzverlustes vollzieht sich s o l o a n i m o in c o n t r a r i u m a c t o , sondern wo immer ein Besitzverlust »solo animo« angenommen wird, beruht dies auf gleichzeitigem, noch unfertigem Verlust corpore; eine Besitzdereliktion nudo animo giebt es nicht. Betrachten wir nunmehr die Paulinische Regel, welche ja selbstverständlich nicht als eine verkehrte Abstraktion1 einfach aus der Welt zu schaffen ist. 1

So I h e r i n g S. 221.

L i e b e S. 12.

Die Paulinische Regel.

§ 35.

339

Paulus libro 65 ad Ed., 1. 8 D. h. t.: Quemadmodum nulla possessio adquiri nisi animo et corpore potest, ita nulla amittitur, nisi in qua utrumque in contrarium actum est. Die Varianten der für die Textrezension allein in Betracht kommenden Handschriften sind für den Sinn unerheblich. 1. 153 D. de R. J . (50,17 [libro 65 ad Ed.]): Fere quibuscumque modis obligamur, isdem in contrarium actis liberamur, cum quibus modis adquirimus, isdem in contrarium actis amittimus. ut igitur nulla possessio adquiri nisi animo et corpore potest, ita nulla amittitur, nisi in qua utrumque in contrarium actum est. Es ist wohl kein Zweifel, dass die letzte Stelle die vollständige ist, und dass in der ersten statt ut igitur von den Kompilatoren, welche den Vordersatz hier, weil nicht in die Besitzlehre gehörig, wegliessen, quemadmodum gesetzt ist (s. auch Mommsen zu 1. 8 D. h. t.). Die Basiliken geben die erste Stelle in der hier nur auszugsweise erhaltenen Version wieder: 50. 2,7: ^äoyi L . 21 § 6; 1. 4 3 ; 1. 32 § 15, D. de receptis 4, 8. 35*

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Ein Reglement für internationale Schiedsgerichte.

gültiger Schiedsvertrag abgeschlossen werden könne 1 , weder in den Quellen des gemeinen Rechts noch in dem Gerichtsgebrauch eine erkennbare Stütze. Noch enger wird Art. 1006 des Code de procédure in der neueren Praxis des französischen Cassationshofes verstanden 2 , und das englisch-amerikanische Recht gesteht nur den über bereits bestehende Streitigkeiten eingegangenen Schiedsverträgen rechtliche Wirkung zu 3 . Gleichwohl hat es kein Bedenken, i n t e r n a t i o n a l e n Schiedsgerichtsklauseln a l l g e m e i n s t e Geltung beizulegen, somit auch solchen, welche sich auf a l l e künftigen Streitfälle beziehen. Denn einmal darf der ernstliche Und überlegte Wille, sich bindend zu verpflichten, für S t a a t e n Vereinbarungen niemals in Zweifel gezogen werden. Sodann wird durch die blosse Schiedsgerichtsklausel freilich das Belieben der Staaten erheblich eingeengt, aber keineswegs auf Kosten der ordentlichen Jurisdiction, vielmehr ein Surrogat derselben erst geschaffen. Sie ist daher zu begünstigen. Ist freilich nicht mindestens ein Weg bezeichnet, auf welchem auch wider den Willen einer Partei zur Bildung eines Schiedsgerichts zu gelangen ist, so versagt aus d i e s e m Grunde die Klausel (cf. § 5). Von welchen anderweitigen materiellen und formellen Voraussetzungen die Gültigkeit eines internationalen Schiedsvertrags abhängt, ist eine einerseits völkerrechtliche, andererseits nach dem Staatsrecht jedes kontrahirenden Theiles zu beiirtheilende Frage. In der ersten Beziehung genügt es, auf die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts über die Voraussetzungen der Staatsverträge zu verweisen 4 . In letzterer Beziehung kommt insbesondere in Betracht, wie weit die Repräsentanten der kontrahirenden Staatsgewalten der Z u s t i m m u n g ihrer Volksvertretungen, sei es zur Eingehung des Schiedsvertrags 5 , sei es zur Ernennung von Schiedsrichtern bedürfen 6 . 1 Z. B . W i n d s c h e i d , Lehrbuch des Pandektenrechts [8. Aufl.], Bd. IT, § 4 1 6 a E . — s. jedoch A n d r é a. a. O. S. 26 ff. 1 D a l l o z , répertoire s. v. Arbitrage, ch. V I I no. 431 ff. 3 B o u v i e r , A law dictionary, adapted to the constitution and laws o f the United States of America. 14 éd. Philadelphia 1870, vol. I I s. v. Submission, no. 6. 4 H e f f t e r , Völkerrecht [8. Aufl.], § § 81 ff. — C a l v o , Droit international, § § 548 ff. [4- Aufl. I I I § § 1567 ff.]. 5 E r n s t M e y e r , Ueber den Abschluss von Staatsverträgen. Leipzig 1874. 6 P i e r a n t o n i , Gli arbitrali internazionali, p. 8—9.

Ein Reglement far internationale Schiedsgerichte.

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Die Notwendigkeit u r k u n d l i c h e r F i x i r u n g des Schiedsvertrages entspricht der Wichtigkeit des Gegenstandes Tind der Praxis des Völkerrechts. Die Regeln des § 4 ergeben sich unmittelbar aus der Natur des Schiedsvertrages und sind allgemein anerkannt \ Welche Streitigkeiten unter einer allgemeinen Bezeichnung, z. B. »Alabama Claims« gemeint sind, ist Sache der Auslegung des Schiedsgerichts. (Cf. § 18.) Entwurf. § 5. Aus dem gültigen Schiedsvertrag entspringt für jeden der kontrahirenden Theile das Recht, das im Schiedsvertrag bezeichnete Schiedsgericht um Entscheidung des Streites anzugehen. Bezeichnet der Schiedsvertrag die Person des Schiedsrichters oder der Schiedsrichter nicht, so regelt sich das behufs der Bildung des Schiedsgerichts einzuhaltende Verfahren nach der im Schiedsvertrag oder durch anderseitige Uebereinkunft getroffenen Bestimmung (cf. § 6). Fehlt es an einer solchen Bestimmung, so ist jeder der Kontrahenten befugt, seinerseits einen Schiedsrichter zu wählen. Vermögen die gewählten Schiedsrichter sich Uber den Schiedsspruch nicht zu einigen, so steht ihnen die Wahl eines Obmannes zu, s o f e r n sie dazu durch