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German Pages 80 [82] Year 1982
RUPERT SCHOLZ
Rundfunkeigene Programmpresse?
Schriften zu Kommunikationsfragen Band 1
Rundfunkeigene Programmpresse?
Von
Prof. Dr. Rupert Scholz
DUNCKER
&
HUMBLOT
I
BERLIN
Alle Rechte vorbehalten
© 1982 Duncker & Humblot, Berlin 41
Gedruckt 1982 bei Buchdruckerei A. Sayffaerth - E. L. Krohn, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 05252 8
Vorwort Nicht erst im Zuge der neuen medientechnologischen Entwicklungen bahnen sich wichtige Verbindungen und neue wechselseitige Ergänzungen zwischen Presse und Rundfunk an. Solche Verbindungen und Ergänzungen bestanden und bestehen auch schon im organisatorischen Trenngefüge von privatwirtschaftlich verfaßter Presse und öffentlichrechtlich strukturiertem Rundfunk. Ein besonderes Beispiel hierfür stellen die pressemäßigen Informationen über die Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten dar, namentlich die Programmzeitschriften. Die von den Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen herausgegebene Programmpresse gehört seit langem zu den gesicherten und typischen Erscheinungen der deutschen Presselandschaft Trotz der gerade hier unbestritten guten Kooperation von Presse und Rundfunk ist doch gelegentlich die Frage aufgeworfen worden, ob die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten nicht die Aufgabe der pressemäßigen Information über ihre Programme auch selbst in pressemäßiger Form übernehmen könnten. Eine solche rundfunkeigene Programmpresse würde das Verhältnis von Presse und Rundfunk indessen schweren Belastungen, ebenso in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht, aussetzen. Gegenstand der hier vorgelegten, auf Anregung der Stiftervereinigung der Presse verfaßten Studie ist die Frage der rechtlichen Zulässigkeit einer solchen rundfunkeigenen Programmpresse. Die Studie entstand im Frühjahr 1981. Neuere Rechtsprechung und Literatur wurden eingearbeitet. Für wesentliche Unterstützung habe ich Herrn Referendar Winfried Kössinger sehr herzlich zu danken. Rupert Scholz
Inhalt A. Problemstellung
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B. Ru ndfunkeigene Programmpresse zwischen Presse- und Rundfunkfreiheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Zur tatbestandliehen Pressequalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Impliziter Ausschluß aus der Rundfunkfreiheit? . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Varianzen innerhalb der Kommunikationsverfassung und gesetzgeberischer Regelungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 C. Programmpresse und Rundfunkfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Rundfunkrecht und Rundfunkbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Programmauftrag und Annexzuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Ergänzende Verfassungsaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Rundfunkanstalt als Trägerin anderer Grundrechte? . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Allgemeine Grundrechtsfähigkeit öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 II. Keine Berechtigung zur Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Berechtigung zur wirtschaftlich-fiskalischen Betätigung? E . Grundrechtlicher Schutz der Presseunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Grundrechtsberechtigung der Presse und rundfunkanstaltliehe Grundrechtspflichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 II. Schutzstrukturen der Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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111. Schranken der Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Grundrechtsschutz aus Berufs- und Eigentumsfreiheit . . . . . . . . . .
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V. Zusammenfassung
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Inhalt
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F. Informationsanspruch der Presse gegenüber den Rundfunkanstalten 66 I. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
II. Pressegesetzlicher Informationsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Verfassungsrechtlicher Informationsanspruch G. Ergebnisse
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A. Problemstellung Rundfunk und Fernsehen sind naturgemäß auf eine rechtzeitige und möglichst breite Ankündigung ihrer Sendeprogramme angewiesen. Traditionell wird diese Ankündigungsfunktion von der Zeitschriftenpresse erfüllt. So bestehen seit jeher von Verlagen herausgegebene Programmzeitschriften, die in eingehender, redaktionell aufbereiteter und begleitender sowie kommentierender Weise die Programme der Rundfunk- und Fernsehanstalten mit entsprechendem Zeitvorlauf ankündigen und verbreiten. Diese Programmzeitschriften stehen mit den Rundfunk- und Fernsehanstalten in einem besonders engen Kooperationsverhältnis, wobei die Rundfunk- und Fernsehanstalten den Ankündigungs- und Verbreitungseffekt jener Programmzeitschriften nutzen und die letzteren von der rechtzeitigen Überlassung der Programminformationen durch die Rundfunk- und Fernsehanstalten tatsächlich abhängig sind. Daneben bestehen die fest eingeführten Ankündigungsdienste durch die Tageszeitungen, die - regional wie überregional namentlich die täglichen Fernsehprogramme sowie vielfach auch entsprechende Wochenvorausschauen zu publizieren pflegen. Überdies finden sich auch in den Tageszeitungen vielfältig redaktionelle Beiträge zu den Rundfunk- und Fernsehprogrammen, namentlich in Gestalt von Sendungskritiken. Zwischen Programmzeitschriften und allgemeinen Zeitungen, die entsprechende Programmankündigungen enthalten, stehen redaktionell abgehobene Programmbeilagen, die von Tageszeitungen namentlich am Wochenende in Gestalt entsprechender Wochenvorausschauen beigegeben werden (sog. Supplements). Von seiten der Rundfunk- und Fernsehanstalten werden in Deutschland bekanntlich keine entsprechend gedruckten oder zeitschriftenmäßig verbreiteten Programminformationen herausgegeben. Es gibt lediglich gedruckte "Programmfahnen", die aber nicht pressemäßig publiziert oder verbreitet werden, andererseits der Presse aber zu deren Information zur Verfügung gestellt werden. Die Rundfunk- und Fernsehanstalten haben sich so bisher ganz auf die Zeitungs- und Zeitschriftenpresse verlassen und von deren Publikationen profitiert. Eigene Programminformationen kennen die Rundfunk- und Fernsehanstalten im wesentlichen nur in Gestalt täglicher wie wöchentlicher Programmankündigungen innerhalb des eigenen Sendeprogramms, wobei die Annahme jedoch naheliegt, daß der tatsächliche Informations-
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A. Problemstellung
effekt ungleich mehr bei den pressemäßigen Programminformationen liegt. Die im folgenden zu untersuchende Frage ist die, ob die Rundfunkund Fernsehanstalten auch ihrerseits eine entsprechende, rundfunkeigene Programmpresse herausgeben könnten. In tatsächlicher Hinsicht wären für die Rundfunk- und Fernsehanstalten unterschiedliche Möglichkeiten pressemäßiger Programminformationen denkbar: Zum einen wäre an die (kostenlose) Herausgabe gedruckter Broschüren zu denken, die lediglich die knappe Ankündigung der geplanten Sendungen und ihrer Sendezeiten enthielte; eine solche Ankündigung könnte etwa in Form der gedruckten Vervielfältigung derjenigen Programmtafeln gedacht werden, die die Fernsehanstalten im Rahmen ihrer sendungsmäßigen Programminformationen verwenden. Zum anderen könnte auch daran gedacht werden, über derartige, inhaltlich beschränkte Programminformationeil hinaus auch redaktionell aufbereitete Programminformationen herauszugeben, bei denen auch Hintergrundinformationen, Vorabkritiken bzw. Einführungen in einzelne programmäßig geplante Themen vermittelt würden. Schließlich könnte noch daran gedacht werden, daß die Rundfunk- und Fernsehanstalten eigene Programmzeitschriften mit umfassenden redaktionellen Presseteilen herausgäben, wie sie die Programmzeitschriften der Zeitungsverlage heute kennzeichnen. Bei letzterem müßte auch ein möglicher Anzeigenteil einkalkuliert werden, den solche rundfunkeigenen Programmzeitschriften ggf. mit aufnähmen und der auch aus der Sicht des Verhältnisses von Anzeigenpresse und Rundfunk- bzw. Fernsehwerbung zu problematisieren wäre (neue Ungleichgewichte zwischen Presse und Rundfunk?). Wirtschaftlich ergäben sich desgleichen unterschiedliche Möglichkeiten: Zum einen könnte an die (bereits vorgenannte) Möglichkeit einer kostenlosen Herausgabe und Verteilung entsprechender Fragramminformationen gedacht werden; zum anderen könnte daran gedacht werden, daß die Rundfunk- und Fernsehanstalten ihre Programminformationen oder Programmzeitschriften entweder über die allgemeine Rundfunkgebühr finanzieren oder am freien Pressemarkt verkaufen, wobei hinsichtlich der Preisgestaltung wiederum zwischen den Varianten einer bloßen Schutzgebühr, eines kostendeckenden Preises und eines gewinnwirtschaftlich angelegten Preises zu differenzieren wäre. Daß von Seiten der Rundfunk- und Fernsehanstalten Überlegungen dieser Art angestellt worden ·sind oder angestellt werden, ist im Rah~ men manchen Andeutung der vergangeneu Zeit deutlich geworden. Überlegungen dieser Art scheinen namentlich im Zusammenhang rn:it
A. Problemstellung
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den medienpolitisch allgemeineren Fragestellungen einer engeren Verbindung von Rundfunk und Presse angestellt worden zu sein. Insbesondere im Hinblick auf die auch von den Zeitungsverlegern erhobenen Forderungen, an einem System privaten Rundfunks teilhaben zu können, scheinen zumindest einige Rundfunk- und Fernsehanstalten in derartige Überlegungen eingetreten zu sein. Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung ist die Frage, ob eine solche rundfunkeigene Programmpresse rechtlich zulässig wäre bzw. ob den Rundfunk- und Fernsehanstalten auch die Befugnis zustünde, eigene Programminformationen in pressemäßiger Weise herauszugeben. Aus der bisher geübten Zurückhaltung der Rundfunk- und Fernsehanstalten1 auf diesem Gebiet lassen sich naturgemäß keine zwingenden bzw. rechtlich verbindlichen Schlußfolgerungen für die Zukunft ableiten. Hier bedarf es der juristischen Diskussion bzw. der rechtlichen Abgrenzung von Rundfunk und Presse. Die Abgrenzung wird im folgenden auf der Grundlage des einfach-gesetzlichen Rundfunkrechts sowie auf der Grundlage des Verfassungsrechts vorgenommen. Fragen des Wettbewerbsrechts bleiben im folgenden ausgeklammert 2 • In tatsächlicher Richtung hätte eine rundfunkeigene Programmpresse jedenfalls eine evidente Erweiterung der wettbewerbliehen Beziehungen zwischen Presse und Rundfunk zur Folge, die nicht allein auf dem Sektor des für beide Bereiche zunächst typischen und vorgegebenen, publizistischen Wettbewerbs, sondern auch auf dem Sektor des wirtschaftlichen Wettbewerbs lägen3• Denn jede Form einer rundfunk1 Vgl. dazu z. B. Koschnick, in: Stern I Kaschnick I Schwarz I Vöth I Scholz I Knies, Rundfunk zwischen Bestand und Neuordnung, 1981, S. 5 (16). 2 Als lediglich weiterverweisender Hinweis sei bemerkt, daß nach der neueren Rechtsprechung des BGH zur Anwendung des Wettbewerbsrechts (UWG wie GWB) auf die öffentliche Hand auch wettbewerbsrechtliche Konsequenzen gegeben sind. Denn zwischen Presse und Rundfunk besteht ein nicht nur publizistisches, sondern auch ein (annexweise) wirtschaftliches Wettbewerbsverhältnis, das nach der genannten Rechtsprechung unabhängig von der öffentlich-rechtlichen Organisationsform der gegebenen Rundfunkanstalten in jedem Falle auch den Verhaltensmaßstäben des Wettbewerbsrechts zu unterstellen ist. Dies bedeutet, daß vor allem Formen des Verdrängungswettbewerbs, des Dumping-Wettbewerbs etc., die in einer rundfunkeigenen Programmpresse ggf. liegen könnten, namentlich an den Sanktionen des UWG - mit Schutzwirkung für die Presse - zu messen wären. Für die einschlägige Rechtsprechung siehe bes. BGHZ 36, 91 ff.; WuW IE BGH 1423 ff.; BGHZ 66, 229 ff.; 67, 81 ff.; 71, 180 ff.; 79, 390 ff.; BGH, GRUR 81, 823 ff.; BGH, DB 82, 1209 f.; siehe zum Ganzen weiterhin bes. Emmerich, Der unlautere Wettbewerb der öffentlichen Hand, 1969; Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand und unlauterer Wettbewerb, 1964; Hubmann, WuV 82, 41 ff.; R. Scholz, ZHR 132, 97 ff.; ders., NJW 74, 781 f.; 78, 16 ff.; von Maydell /Scholz, Grenzen der Eigenwirtschaft gesetzlicher Krankenversicherungsträger, 1980, S. 136 ff. ; jeweils m. w. Nachw. a Zu Wesen und Verhältnis von publizistischem und ökonomischen Wettbewerb im ·Medienbereich vgl. bereits R. Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, 1978, S. 44, 141 ff. m . w. Nachw. ··
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A. Problemstellung
eigenen Programmpresse würde für die zeitungs- und zeitschriftenmäßige Programmpresse eine auch wirtschaftliche Konkurrenz bedeuten. Diese Konkurrenz kann von wirtschaftlich außerordentlich großer Tragweite sein. Namentlich für die Programmzeitschriften, d. h. diejenigen Presseorgane, die von der Verbreitung der Rundfunk- und Fernsehprogramme existentiell abhängig sind, würde sich eine Form des ökonomischen Verdrängungswettbewerbs ergeben, der von den Rundfunkanstalten in Ziel wie Wirkung mit definitiven Vernichtungsfolgen für die Programmzeitschriften geführt werden könnte. Wenn die Rundfunkanstalten Programminformationen kostenlos oder zu einer Preisgestaltung herausgäben, die sich im Verhältnis zu den auf Wirtschaftlichkeit angelegten Programmzeitschriften als Dumping-Preis darstellen würde, würden die Programmzeitschriften rasch ihre existentielle Grundlage verlieren. Der gleiche Erfolg träte dann ein, wenn die Rundfunkanstalten ihre Programminformationen den Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen künftig vorenthielten oder erst so spät zur Verfügung stellen würden, daß eine entsprechende redaktionelle Bearbeitung, namentlich wie die durch Programmzeitschriften, nicht mehr möglich wäre. Auch ein solches Verhalten der Rundfunkanstalten würde in aller Regel zum Ruin zumindest der Programmzeitschriften führen. Ruinöse Folgen dieser Art würden freilich weniger auf der wirtschaftlichen Konkurrenzbeziehung zwischen Rundfunkanstalten und Presse als auf der monopolistischen Position der Rundfunkanstalten beruhen; denn diese würden in beiden Sachverhaltsvarianten von ihrem Informationsmonopol den entsprechend ruinösen oder marktverdrängenden Gebrauch machen. Ein wirklicher, ebenso publizistisch wie wirtschaftlich fairer Wettbewerb würde dagegen zwischen Rundfunkanstalten und Presseunternehmen erst dort entstehen können, wo die Rundfunkanstalten ihr Informationsmonopol nicht im vorgenannten Sinne einsetzen würden, sondern die Zeitungsverlage in der gleichen Weise wie bisher mit den nötigen Informationen über die Rundfunkund Fernsehprogramme versorgen würden und ihre Preisgestaltungen über das Prinzip einer kostendeckend arbeitenden Programmpresse mit denen der Zeitungs- und Zeitschriftenpresse vergleichbar hielten. Neben diesen politischen Wettbewerbsfaktoren wären freilich und weiterhin auch Faktoren, wie die der redaktionellen Aufmachung und der ggf. eingesetzten Anzeigentarife, von erheblicher Wettbewerbsbedeutung. Auf dieser Grundlage solcher unterschiedlichen Gestaltungsvarianten und solcher unterschiedlich möglichen Folgekonstellationen beurteilt sich auch die Frage der rechtlichen Zulässigkeit einer rundfunkeigenen Programmpresse.
B. Rundfunkeigene Programmpresse zwischen Presse- und Rundfunkfreiheit? I. Zur tatbestandliehen Pressequalität Der Begriff der "Presse" ist recht vielschichtig und bereits als solcher in manchen seiner Konturen umstritten4 • Andererseits ist der Begriff der "Presse" zumindest insoweit gesichert, als feststeht, daß er zumindest die Druckwerke umfaßt- mit der weiteren Konkretisierung, daß deren Herstellung nicht notwendig an eine Buchdruckerpresse herkömmlicher Art gebunden ist5 • Der Begriff der "Presse" wird vor allem durch das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 I 2 GG vorgegeben; und dies bedeutet, daß die "Presse" auch begrifflich zumindest insoweit entwicklungsmäßig offen ist, wie es um die Aufnahme oder Berücksichtigung solcher Wandlungen oder Fortentwicklungen geht, die funktionaler Bestandteil des Pressewesens sind6 • Der Begriff der Presse ist schließlich weit und grundsätzlich ohne Rücksicht auf material-inhaltliche Aspekte zu definieren (formaler Pressebegriff)7, so daß als geschütztes Presseprodukt nicht nur periodisch erscheinende Zeitungen bzw. Zeitschriften zu begreifen sind8 • Selbst wenn man jedoch einer gegenteiligen, mehr einschränkenden Auffassung folgen wollte, würden alle hier in Frage stehenden Formen oder Elemente einer (rundfunkeigenen) Programmpresse unter den tatbestandliehen Pressebegriff fal4 Zum Begriff der Presse siehe bes. Löffler, Presserecht I, 2. Aufl. 1969, S. 25 ff.; Presserecht li, 2. Aufl. 1969, § 1 LPG Rdnr. 33 ff.; Löffler I Ricker, Handbuch des Presserechts, 1978, S. 2 ff.; F. Schneider, Presse- und Meinungsfreiheit nach dem Grundgesetz, 1962, S. 58 ff.; I. Groß, Die Institution Presse, 1971, S. 76 ff.; Stammler, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, 1971, S. 17 ff.; R. Scholz, Audiovisuelle Medien und bundesstaatliche Gesetzgebungskompetenz, 1976, S. 39 ff.; siehe auch BVerfGE 20, 162 (174 ff.). 5 Vgl. z. B. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Stand: 1981, Art. 5 I/li Rdnr. 130. 6 Vgl. dazu bereits R. Scholz, Audiovisuelle Medien, S. 44; ders., Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 90. 7 Vgl. Forsthoff, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, 1969, S. 19 f.; Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 5 1/11 Rdnr. 129; Löffler I Ricker, Handbuch, S. 43. Für die Rundfunkfreiheit siehe im übrigen entsprechend BVerfGE 35, 202 (222). 8 Vgl. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 5 I/li Rdnr. 132; Forsthoff, Zeitungspresse, S. 13; Löffler I Ricker, Handbuch, S. 43.
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B. Programmpresse zwischen Presse und Rundfunk?
len. Namentlich würde dies auch für wöchentlich oder sonstig periodisch erscheinende Programmzeitschriften gelten. Daß Programminformationen oder Programmzeitschriften sich thematisch mit den Programmen eines anderen Mediums, nämlich des Rundfunks, befassen, spielt für die tatbestandliehe Qualifizierung als Presse deshalb keine Rolle, weil der Pressebegriff nicht nur solche Druckwerke dem Schutz des Art. 5 I 2 GG unterstellt, die sich mit allgemein-politischen Themen oder ähnlichem befassen. Der Pressebegriff ist insoweit offen oder formal; jede inhaltliche oder material-qualitative Qualifizierung würde kommunikationsverfassungsrechtliche Begriffseingrenzungen und damit auch meinungs- oder informationspolitisch relevante Einschränkungen vornehmen, die mit dem Verfassungsgut der Pressefreiheit nicht vereinbar wären. Das Grundrecht der Pressefreiheit stellt mit Recht weder auf den Inhalt eines Presseerzeugnisses noch auf die Art der Vermittlung dieses Inhalts ab. Darüber hinaus bezeichnet der Begriff der "Presse" auch die Funktion der Herstellung aller pressemäßigen Produkte, wobei erneut von einem weiten Begriffsrahmen auszugehen ist. So stellt das BVerfG mit Recht fest, daß das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 I 2 GG den gesamten Funktionsbereich "von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung" gewährleistet9 • Dieser Schutz bezieht sich auch auf den technisch-gegenständlichen Apparat der im Pressewesen tätigen Personen, der Verlage und ihrer Einrichtungen10 • In einem dritten Gewährleistungssinne bezeichnet der verfassungsrechtliche Pressebegriff schließlich den im Pressewesen tätigen Personenkreis (Grundrechtsschutz namentlich für Zeitungsverleger und J ournalisten)u. Auf dem Hintergrund dieser begrifflichen Vorgaben erweist sich jede Form von Programmpresse tatbestandlieh als Presseerzeugnis, gleichgültig von wem diese Programmpresse hergestellt und vertrieben wird. In jedem Falle der oben aufgezeigten Möglichkeiten einer rundfunkeigenen Programmpresse ginge es jedenfalls um ein informierendes Druckerzeugnis, also um ein Presseerzeugnis im rechtlich maßgebenden Sinne. Nicht beantwortet ist hiermit lediglich die Frage, ob eine Rundfunkanstalt auch Trägerin der Pressefreiheit mit der Folge sein kann, daß ihr auch das Recht zur Herstellung und Verbreitung von Presseerzeugnissen zusteht. 9
BVerfGE 10, 118 (121); 12, 205 (260).
to Vgl. z. B. Löffler I Ricker, Handbuch, S. 44.
11 Vgl. dazu u. a . BVerfGE 20, 162 (175); Rebe, Die Träger der Pressefreiheit nach dem Grundgesetz, 1969, bes. S. 46 ff.; R. Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 93 ff. m. w. Nachw.
II. Impliziter Ausschluß aus der Rundfunkfreiheit?
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II. Impliziter Ausschluß aus der Rundfunkfreiheit? Erweist sich eine rundfunkeigene Programmpresse als Presse im rechtlichen Sinne, so könnte sich zunächst die Frage stellen, ob damit der implizite Ausschluß aus dem Gewährleistungsbereich des Rundfunkrechts und der Rundfunkfreiheit im Sinne des Art. 5 I 2 GG verbunden sein könnte. Näheres Zusehen offenbart indessen rasch, daß ein derart automatischer Schluß - gleichgültig, welche Konsequenz man aus ihm ziehen wollte- unzulässig wäre. Denn die Medienrechte des Art. 5 I 2 GG sind nicht in dem Sinne alternativ beschaffen, daß die Zuordnung eines Mediums zum einen oder anderen Bereich den tatbestandlieh notwendigen Ausschluß aus dem anderen Bereich forderte oder gar voraussetzte. Begrifflich sind namentlich Pressefreiheit und Rundfunkfreiheit zwar voneinander geschieden. Andererseits ist damit aber noch nicht gesagt, daß einer Rundfunkanstalt, deren funktioneller Standort die Rundfunkfreiheit ist, von vornherein die Betätigung auf dem Gebiet des Pressewesens verboten wäre oder eine solche Betätigung gar die Konsequenz hätte, daß die Rundfunkanstalt mit dieser Betätigung notwendig aus ihrem originären Funktionsbereich, nämlich dem der Rundfunkfreiheit, herausfiele. Die tatbestandliehe Qualifizierung einer bestimmten Betätigung, hier die einer rundfunkeigenen Programmpresse als Presse im rechtlichen Sinne, besagt weder, daß die Rundfunkanstalt damit bereits die Grenzen ihres eigenen Freiheitsrechts, nämlich der Rundfunkfreiheit, notwendig überschritten hätte, noch, daß sie damit bei implizitem Ausschluß aus der Rundfunkfreiheit Bestandteil der Pressefreiheit geworden wäre. Im Gegenteil, sowohl aus der Sicht der Pressefreiheit als auch aus der Sicht der Rundfunkfreiheit bleibt juristisch zu fragen, ob eine solche rundfunkeigene Programmpresse zulässig sein kann. Diese Frage ist aus der Sicht der Pressefreiheit bisher nur soweit beantwortet, daß die rundfunkeigene Programmpresse als Presse im rechtlichen Sinne ausgemacht ist; offen ist jedoch noch die Frage, ob eine Rundfunkanstalt Trägerio der Pressefreiheit und damit berechtigte Presseproduzentin sein kann. Aus rundfunkrechtlicher Sicht ist schließlich zu prüfen, ob eine Pressebetätigung, die allein oder doch vorrangig dem Ziel dient, Rundfunkprogramme zu verbreiten, nicht ihrerseits Bestandteil (auch) der Rundfunkfreiheit ist. Sofern diese Frage zu verneinen sein sollte, wäre schließlich weiter zu fragen, ob eine Rundfunkanstalt nicht kumulativ sowohl Trägerio der Rundfunkfreiheit als auch Trägerio der Pressefreiheit sein kann. Aus der Qualifikation der rundfunkeigenen Programmpresse als tatbestandliches Presseerzeugnis läßt sich demgemäß noch nicht auf einen (impliziten) Ausschluß aus der Rundfunkfreiheit schließen.
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B. Programmpresse zwischen Presse und Rundfunk?
111. Varianzen innerhalb der Kommunikationsverfassung und gesetzgeberischer Regelungsvorbehalt Die in Art. 5 I GG garantierten Kommunikationsverfassungsrechte gruppieren sich in recht lockerer und tatbestandlieh wie funktionell recht offener Form zu einer Kommunikationsverfassung, die die Summe aller Meinungs-, Medien- und Informationsfreiheiten aufnimmt und zu einem System gesonderter Verfassungsgewährleistungen zusammenfaßt12. Dieses System ist allerdings nicht geschlossen, sondern in besonderer Weise offen. Die Grundstrukturen dieser grundgesetzliehen Kommunikationsverfassung und ihre Wirkungsweisen wurden bereits an anderer Stelle im einzelnen dargelegt13. Im hiesigen Zusammenhang ist lediglich der Hinweis wichtig, daß die grundgesetzliche Kommunikationsverfassung auch einen systematischen Kontext zwischen den einzelnen Medienfreiheiten herstellt, diese also nicht in wechselseitig isolierter oder gar funktionsmäßig definitiv abschließender Form nebeneinander stellt. Im Gegenteil, das GG geht von einer Vielfalt wechselseitiger und kooperativer Sinnbezüge zwischen den einzelnen Medienfreiheiten aus, wobei ebenso Elemente publizistischen Wettbewerbs und publizistischer Substitution wie der technologischen Medienentwicklung maßgebend sind. So offenbaren namentlich neuere Medientechnologien, daß sich auch das Verhältnis von Pressefreiheit und Rundfunkfreiheit zunehmend mehr wechselseitig wirksamen, neuen Ordnungsbezügen öffnet, die die traditionelle Entwicklung noch nicht kannte und die auch für den Grundgesetzgeber im Jahre 1949 noch nicht voraussehbar waren14. Gerade wegen solcher entwicklungsbedingten Offenheiten hat der Grundgesetzgeber jedoch weder die Pressefreiheit noch die Rundfunkfreiheit von vornherein in dem Sinne präfixiert oder auf einen tatbestandliehen Status qua festgelegt, daß nicht auch veränderte Teilzuordnungen neuer Medien- oder Informationssysteme zwischen Rundfunk und Presse vorgenommen werden 12 Zu Figur und Wesen der grundgesetzliehen Kommunikationsverfassung sowie zum Folgenden siehe bereits R. Scholz, Die Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, 1971, S. 283 ff., 286 ff., 295 ff.; ders., Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 139 ff.; ders., Löffler-Festschrift, 1980, S. 355 ff. 13 Vgl. die Nachw. vorstehend Fn. 12. 14 Vgl. hierzu sowie zum Folgenden bes. König, Die Teletexte, 1980, bes. S. 18 ff., 57 ff., 78 ff., 114 ff., 178 ff.; Bullinger, Kommunikationsfreiheit im Strukturwandel der Telekommunikation, 1980, S. 23 ff., 30 ff., 57 ff., 93 ff., 99 ff.; ders., AfP 82, 69 ff.; H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, 1978, S. 23 ff.; Tettinger, Neue Medien und Verfassungsrecht, 1980, S. 9 ff., 16 ff.; Lerche, in: Bullinger I Kühler (Hrsg.), Rundfunkorganisation und Kommunikationsfreiheit, 1980, S. 14 (44 ff., 100 ff.); Bismark, Neue Medientechnologien und grundgesetzliche Kommunikationsverfassung, 1982, S. 11 ff., 118 f., 151 f., 166; R. Scholz, Audiovisuelle Medien, S. 10 ff., 30 ff., 39 ff., 54 ff.; R. Groß, ZRP 82, 232 ff.
III. Kommunikationsverfassung und Gesetzesvorbehalt
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könnten. Am deutlichsten offenbart sich dies im Bereich der audiovisuellen Medien sowie bei den Entwicklungen von Teletext, Videotext und Bildschirmzeitung. Alle diese Formen neuer medienmäßiger Technologien sind vor allem im Bereich zwischen Presse und Rundfunk wirksam, werfen hier also neue Zuordnungs- und Begriffsprobleme auf. Im einzelnen ist diesen hier allerdings nicht nachzugehen. Hier genügt allein der abstrakte Hinweis auf die Offenheit von Presse und Rundfunk einerseits und jene neuen Problemgegebenheiten andererseits. Des weiteren ist darauf hinzuweisen, daß im Zuge dieser neuen Entwicklungen sich auch Fragen neuer Funktions- bzw. Rechtsträgerschaften stellen; so ist namentlich bei der Frage der Zulassung eines Privatrundfunks auch zu fragen, ob und inwieweit Organe der Presse, Zeitungs- und Zeitschriftenverleger, Träger oder Teilhaber der (privaten/ privatisierten) Rundfunkfreiheit sein können15 • Auch diese Frage ist hier nicht im einzelnen zu vertiefen; hier sei lediglich allgemein festgehalten, daß nach hiesiger Auffassung auch derartige Beteiligungen der Presse an einer entsprechend geöffneten Rundfunkfreiheit möglich und statthaft sein müssen. Insgesamt anerkennt das System der grundgesetzlichen Kommunikationsverfassung also vielfältige (entwicklungsbedingte) Varianzen, die auch für die hiesige Problemstellung bedeutsam sein können. Je mehr sich Rundfunk- und Pressefreiheit funktionell einander annähern oder gar miteinander teilweise verschmelzen, desto eher ist auch daran zu denken, bestimmten Zuständigkeiten oder Zuständigkeitsträgern des Rundfunkwesens Betätigungen im Bereich des Pressewesens zu ermöglichen. Andererseits bedeutet dies jedoch nicht automatisch, daß auch öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten solche (privatrechtlichen) Betätigungen im Bereich der privaten Presse erlaubt sind; denn hier kommen weitere Vorbehalte und r echtliche Grenzen ins Gespräch, die mit den differenten Organisationsformen des gegebenen Mediensystems zusammenhängen. Aus der Sicht der Rundfunkfreiheit ist schließlich auf den Gestaltungsvorbehalt des Gesetzgebers aufmerksam zu machen, den das BVerfG namentlich in seinem dritten Fernsehurteil vom 16. 6. 198116 im einzelnen ausformuliert hat. In dieser Entscheidung hat das BVerfG bekanntlich die grundsätzliche Statthaftigkeit eines Privatrundfunks festgestellt, die Bedingungen seiner Errichtung und Zulassung jedoch unter einen grundlegenden gesetzgeberischen Regelungsvorbehalt ge15 Über bestehende Initiativen dieser Art siehe etwa den Überblick bei Stock, Koordinationsrundfunk im Modellversuch, 1981, S. 147 ff. 16
BVerfGE 57, 295 ff.
2 Scholz
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B. Programmpresse zwischen Presse und Rundfunk?
stellt17• Ob sich dieser wirklich in der vom BVerfG postulierten Form aus Art. 5 I 2 GG ableiten läßt, erscheint nicht zweifelsfreP8 • Wesentlich ist andererseits jedoch, daß auf der Grundlage dieser Rechtsprechung des BVerfG zumindest für die Rundfunkfreiheit davon auszugehen ist, daß grundlegende Veränderungen oder strukturelle Neufassungen des Rundfunkwesens sicher nicht ohne die Entscheidung des Gesetzgebers erfolgen können. Die grundrechtsdogmatische Basis dieser Rechtsprechung des BVerfG liegt wohl vor allem in der vom BVerfG zu den Grundrechten allgemein vertretenen sog. "Wesentlichkeitstheorie", derzufolge alle, die Geltung, Wirksamkeit und Strukturierung grundrechtlicher Freiheiten in prinzipaler ("wesensmäßig relevanter"} Form berührenden Regelungen dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten bleiben müssen19• Hat das BVerfG einen solchen, gesetzgeberischen Regelungsvorbehalt bereits für die Struktur der Rundfunkfreiheit als solcher postuliert, so kann für das Verhältnis von Rundfunk- und Pressefreiheit, also für einen aus der Sicht der Rundfunkfreiheit übergreifenden Funktions- und Freiheitsbereich, wohl nichts anderes gelten. Sollen Zuständigkeiten des Rundfunkwesens also auch auf (originäre) Pressezuständigkeiten ausgedehnt werden, bedürfte es - zumindest nach der Auffassung des BVerfG- offenkundig der gesetzgeberischen Ermächtigung. Andererseits ist mit dieser Feststellung noch nichts darüber ausgesagt, ob der Gesetzgeber von Verfassungs wegen eine solche Ermächtigung aussprechen könnte; diese Frage beurteilt sich wiederum nach den ggf. strikten Aussagen und Abgrenzungen der Grundrechte von Rundfunkfreiheit einerseits und Pressefreiheit andererseits. Sollten diese nach Maßgabe der offenen Kommunikationsverfassung jedoch entsprechende Ausdehnungen oder Zuständigkeitsvarianzen zulassen, wäre der parlamentarische Gesetzgeber zu deren konkreter Eröffnung und Ausgestaltung berufen. Im augenblicklichen Problemzusammenhang bedeutet dies, daß Rundfunkanstalten, die eine rundfunkeigene Programmpresse herausgeben wollten, dies jedenfalls nicht allein aus eigener Entscheidung oder eigener Zuständigkeit heraus tun dürfen, sondern daß sie hierzu der Ermächtigung durch den jeweils zuständigen Gesetzgeber bedürften. Nach Maßgabe der landesrechtliehen Rundfunkhoheit20 bedeutet BVerfGE 57, 320 ff. Zur eigenen Bewertung siehe R. Scholz, JZ 81, 561 ~565 ff.). 19 Vgl. hierzu z. B. BVerfGE 47, 46 (78 f.); 49, 89 (126 f.) und im unmittelbaren Bezug hierauf BVerfGE 57, 320 f. 20 Zu dieser siehe BVerfGE 12, 205 (225 ff., 248 f.); BVerfG, NJW 81, 1774 (1776); zu den gesetzgeberischen Sonderkompetenzen für den Deutschlandfunk und die Deutsche Welle siehe Lerche, Zum Kompetenzbereich des Deutschlandfunks, 1963, S. 12 ff.; Ossenbühl, Rundfunkfreiheit und die Finanzautonomie des Deutschlandfunks, 1969, S. 33 ff. 17
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III. Kommunikationsverfassung und Gesetzesvorbehalt
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dies, daß insoweit die konkret zuständigen Landesgesetzgeber zur Regelung berufen wären; soweit es um staatsvertragliche Rundfunkgrundlagen geht, wären entsprechende vertragsrechtliche Ermächtigungen erforderlich.
C. Programmpresse und Rundfunkfreiheit Ob eine rundfunkeigene Programmpresse sich auf die kompetentiellen Ermächtigungen des Rundfunkrechts stützen kann, beurteilt sich nach den verfassungsrechtlichen wie einfach-gesetzlichen Grundlagen der RundfunkfreiheiL
I. Rundfunkrecht und Rundfunkbegriff Die Freiheit des Rundfunks wird gemeinsam mit den Freiheiten von Presse und Film in Art. 5 I GG - im übergreifenden Zusammenhang mit der Meinungs- und Informationsfreiheit - gewährleistet. Alle diese kommunikationsverfassungsrechtlichen Garantien sind von "schlechthin konstituierender" Bedeutung für die freiheitliche demokratische Ordnung21. Nach Maßgabe der oben bezeichneten Prinzipien einer offenen Kommunikationsverfassung sind alle Teilgewährleistungen des Art. 5 I GG funktionell offen bzw. funktionsplural angelegt. Der Kernbereich der Begriffe "Rundfunk" und "Presse" wurde vom Verfassungsgeber jedoch bereits vorgefunden und ist als solcher für den einfachen Gesetzgeber- auch im Rahmen des parlamentarisch-gesetzgeberischen Regelungsvorbehalts im vorgenannten Sinne- prinzipiell nicht disponibel2 2. Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff23 gliedert sich in zwei Dimensionen: zum einen in den fernmeiderechtlichen Rundfunkbegriff (Rundfunk als Sendebetrieb) und zum anderen in den kulturrechtlichen Rundfunkbegriff (Rundfunk als Programmbetrieb) 24 • Die verfassungs21 Vgl. z. B. BVerfGE 7, 198 (208); 10, 118 (121); 12, 113 (125); siehe auch z. B. P. Schneider, Pressefreiheit und Staatssicherheit, 1968, S. 23 ff., 43 ff.; Arndt, in: Löffler, Die öffentliche Meinung, 1962, S. 1 (3 ff.) ; R. Scholz, Audiovisuelle Medien, S. 28. 22 Vgl. bereits R. Scholz, Audiovisuelle Medien, S. 30. 23 Zu diesem sowie zum Folgenden siehe bes. BVerfGE 12, 225 ff., 249; Lerche, Rundfunkmonopol, 1970, S. 25 ff.; ders., Rechtsprobleme des Werbefernsehens, 1965, S. 4 ff.; R. Scholz, Audiovisuelle Medien, S. 30 ff.; Wufka, Die verfassungsrechtlich-dogmatischen Grundlagen der Rundfunkfreiheit, 1971, S. 34 ff.; Tettinger, Neue Medien, S. 21 ff.; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, 1975, S. 21 ff.; W. Schmidt, Die Rundfunkgewährleistung, 1980, S. 22 ff.; H. Klein, Rundfunkfreiheit, S. 22 ff.
I. Rundfunkrecht und Rundfunkbegriff
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rechtliche Gewährleistung der Rundfunkfreiheit in Art. 5 I 2 GG erstreckt sich nur auf die zweite Dimension; in den Rundfunk als Programmbetrieb darf demgemäß (auch) keine senderechtliche Zuständigkeit eingreifen. Im hiesigen Zusammenhang geht es allein um die Dimension des kulturrechtlichen Rundfunkbegriffs bzw. um den Rundfunk als Programmbetrieb. Denn senderechtliche Zuständigkeiten oder Fragen stehen hier nicht zur Debatte. Innerhalb des von der Verfassung vorgegebenen begrifflichen Rahmens hat der einfache Gesetzgeber den kulturrechtlichen Rundfunkbegriff konkretisiert. Gemäß Art. 1 des Staatsvertrages über die Regelung des Rundfunkgebührenwesens vom 5. 12. 197425 gilt als "Rundfunk" die "für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, in Ton und in Bild unter Benutzung elektrischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters". Diese Definition des Rundfunks ist allerdings nicht zweifelsfrei; gegen ihre begriffliche Gültigkeit sind verschiedene Bedenken geäußert worden26 • Im Kernbereich ist diese Definition jedoch auf Zustimmung gestoßen27 ; von ihr ist demgemäß auch im hiesigen Problemzusammenhang auszugehen. Praktisch bedeutet dies vor allem, daß jedenfalls von der fernmeldetechnischen Übertragung einer Aussage als begrifflichem Essentiale des Rundfunks auszugehen ist28 • Vor dem gleichen Hintergrund haben die für die Gestaltung des Rundfunkwesens zuständigen Landesgesetzgeber die Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten festgelegt.
II. Programmauftrag und Annexzuständigkeiten Zentraler Bestandteil des kulturrechtlichen Rundfunkbegriffs ist der Programmauftrag der Rundfunkanstalten29 • Sie haben "Sendungen" zu 24 Vgl. u. a. Lerche, Rundfunkmonopol, S. 25 ff.; R. Scholz, Audiovisuelle Medien, S. 30 f. 2s Vgl. z. B. BayLT-Drucks. 8147. 28 Vgl. z. B. H. Klein, Rundfunkfreiheit, S. 23, sowie die Nachw. bei R. Scholz, Audiovisuelle Medien, S. 31 Fn. 35. 27 Siehe im einzelnen, wenngleich mit teilweise unterschiedlichen Akzentsetzungen die Nachw. vorstehend Fn. 23. 28 Vgl. z. B. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 5 IIII Rdnr. 195; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 33. 29 Vgl. z. B. Art. 2 Gesetz über die Errichtung und die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts "Der Bayerische Rundfunk", BayGVBl. 1959, S. 315; § 1 ZDF-Staatsvertrag, BayGVBl. 1962, S. 111.
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C. Programmpresse und Rundfunkfreiheit
veranstalten und zu vermitteln bzw. ein entsprechendes Programm zu verbreiten. Dieser Begriff der rundfunkrechtlichen "Sendung" ist begrifflicher Kernbestandteil des (kulturrechtlichen) Rundfunkbegriffs30 • Der funktionellen Offenheit und Pluralität aller kommunikationsverfassungsrechtlichen Gewährleistungen gemäß ist der Begriff des rundfunkrechtliehen Programms grundsätzlich offen; materiell-inhaltliche Vorabbestimmungen oder präfixierende Definitionen zu Inhalt und Gestalt rundfunkmäßig ausgestrahlter Programme sind von Verfassungs wegen nicht statthaft31. Qualifizierendes Merkmal aller rundfunkmäßigen Programme bleibt jedoch das Element der "Sendung" bzw. des mit den rundfunkbegrifflich festgelegten elektronischen Mitteln ausgestrahlten Programms. Inhaltliche Eingrenzungen für das rundfunkmäßig ausgestrahlte Programm ergeben sich allein aus der institutionellen Zuordnung der Rundfunkfreiheit zur Meinungs- und Informationsfreiheit: Das Rundfunkprogramm ist zur Meinungsbildung und -Vermittlung sowie zur informierenden Berichterstattung berufen; innerhalb dieses Rahmens sind die Rundfunkanstalten jedoch nach Maßgabe ihrer eigenen Grundrechtsberechtigung prinzipiell frei. 1. Zu Abgrenzungsschwierigkeiten ist es rings um die rundfunkrechtliche Programmfreiheit bisher nur im Zusammenhang mit der Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit von Werbehörfunk und Werbefernsehen gekommen32• Denn hier werden bestimmte fiskalische Zwecke mit den Mitteln des Rundfunks verfolgt. Mit der herrschenden Auffassung ist jedoch davon auszugehen, daß derartige Werbesendungen sich auch wegen des gegebenen historischen Kontextes- bei zurückhaltender (verhältnismäßiger) Handhabung noch im Rahmen der rundfunkrechtlichen Zuständigkeiten halten3s. Voraussetzung ist allein, daß Werbehörfunk und Werbefernsehen, betrieben durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, das redaktionell gestaltete Rundfunkprogramm nicht verdrängen, aushöhlen oder manipulieren und umfangsmäßig nicht über das Stadium der (fiskalischen) Randnutzung34 hinausgehen. Betrachtet man diese Eigenarten von Werbehörfunk und Werbeso Vgl. z. B. BVerfGE 12, 260; 31, 314 (326); 35, 202 (222 f.); 57, 319 f.; Herrmann, AöR 90, 286 (312 ff.). st Vgl. BVerfGE 35, 202 (223); BVerfG, JZ 82, 366 f. 32 Vgl. hierzu sowie zum Folgenden u. a. OLG München, NJW 58, 1298 ff.; Lerche, Rechtsprobleme des Werbefernsehens, 1967; Leisner, Werbefernsehen und Öffentliches Recht, 1967; Bachof, Verbot des Werbefernsehens durch Bundesgesetz?, 1966; Ipsen, NJW 63, 2049 ff.; 63, 2102 ff. ss Vgl. z. B. Lerche, Werbefernsehen, S. 18. 84 Zur Rechtfertigung fiskalischer Randnutzungen siehe noch die Nachw. Fn. 46.
II. Programmauftrag und Annexzuständigkeiten
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fernsehen, ortet man sie namentlich im gesamten Funktionsgefüge des Rundfunks und vergleicht sie von hier aus mit der Frage einer rundfunkeigenen Programmpresse, so werden die Unterschiede rasch deutlich. Denn Werbehörfunk und Werbefernsehen sind jedenfalls Betätigungen, die mit den Mitteln des rundfunkmäßigen Sendebetriebs ausgestrahlt werden, während eine rundfunkeigene Programmpresse aus diesem Rahmen herausfiele; ihre Aussagen und Informationen werden nicht mit den Mitteln des Rundfunks, sondern mit denen der Presse (Druckerzeugnis) publiziert. Noch deutlicher wird diese Diskrepanz im Falle einer rundfunkeigenen Programmpresse mit Anzeigenteil. Dies alles bedeutet, daß eine rundfunkeigene Programmpresse prinzipiell nicht Bestandteil der rundfunkrechtlichen Programmfreiheit bzw. Fragrammzuständigkeit sein kann. Eine gewisse, freilich ggf. revisionsfähige Bestätigung findet diese Aussage im Fehlen einer gesetzlichen Entscheidung zugunsten einer rundfunkeigenen Programmpresse. Insoweit stellt sich lediglich die weitere, gesondert zu verfolgende Frage, ob die Rundfunkgesetzgeber u . U. berechtigt wären, in ihre Rundfunkgesetzgebung entsprechende Ermächtigungen zugunsten der Rundfunkanstalten aufzunehmen. 2. Die gegebenen Rundfunkanstalten sind als juristische Personen des öffentlichen Rechts konstruiert. Demgemäß stellt sich zunächst die weitere Frage, ob sich aus dieser Organisationsform eventuell autonome Funktionsbefugnisse zugunsten der Rundfunkanstalten ergeben können, namentlich in der Richtung, daß die Rundfunkanstalten auch kraft eigenen Rechts über den Umfang der gesetzgeberisch vorgezeichneten Programmzuständigkeiten disponieren können. Die gegebene öffentlich-rechtliche Form des Rundfunks wurde vom BVerfG in seiner bisherigen Rechtsprechung als eine prinzipiell legitime Form der Rundfunkorganisation anerkannt, wobei die Möglichkeiten einer privatrechtliehen und privatwirtschaftliehen Rundfunkorganisation gleichfalls bestehen, im hiesigen Zusammenhang mangels derzeit praktischer Grundlage jedoch nicht zu diskutieren sinds5• Als Anstalten des öffentlichen Rechts gehören die Rundfunkanstalten zunächst zur allgemeinen Verwaltungsorganisation38, Unterschiede zu den Vgl. BVerfGE 12, 261 ff.; 31, 325 f.; 57, 321 ff. Die öffentlich-rechtlich organisierten (Programm-)Funktionen der (öffentlich-rechtlichen) Rundfunkanstalten gehören damit zum öffentlich-rechtlichen Bereich, ungeachtet der (im einzelnen streitigen) Frage, ob die konkrete Rechtsnatur nicht (auch) privatrechtlich bestimmt sein kann (letzteres führte zum Verwaltungsprivatrecht). Vgl. bes. BVerfGE 7, 99 (104); 12, 243 ff.; 14, 121 (130); 31, 314 (327 ff.); 47, 198 (223); BVerwGE 22, 299 (306); BVerwG, DÖV 77, 65 f.; Maunz, BayVBI. 72, 169 ff.; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 300; Stern, Funktionsgerechte Finanzierung der Rundfunkanstalten durch 35
38
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C. Programmpresse und Rundfunkfreiheit
sonstigen Anstalten des öffentlichen Rechts bzw. sonstigen Verwaltungskörpern ergeben sich nur hinsichtlich des besonderen Funktionsauftrages, dem die rundfunkrechtlichen Anstaltsorganisationen dienen. Die Betreibung von Rundfunk ist nämlich keine Staatsaufgabe, sondern eine "öffentliche Aufgabe" gesellschaftlicher bzw. freiheitlich-grundrechtlicher Qualität37 • as. Mit dieser Maßgabe fungieren die Rundfunkanstalten bzw. die in ihnen amtierenden Rundfunkorgane als "Treuhänder der Gesellschaft"; das von den Rundfunkanstalten produzierte und ausgestrahlte Rundfunkprogramm stellt sich als "Leistung in treuhänderischer Freiheit" dar (F. Ossenbühl)39. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verfügen damit über einen besonderen rechtlichen Status, der sich aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundrechts der Rundfunkfreiheit ergibt und der die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von den üblichen Anstalten des öffentlichen Rechts abhebt. Sind die letzteren nämlich dadurch gekennzeichnet, daß die öffentlich-rechtliche Organisationsform ihr (regelmäßiges) Pendant in einer öffentlich-rechtlichen bzw. staatlichen Funktion (Verwaltungsaufgabe) findet, so besteht bei den ersteren, den Rundfunkanstalten, keine entsprechende staatliche bzw. öffentlich-rechtliche Kongruenz zwischen Organisationsform und Funktionsgehalt. Andererseits bedeutet dies jedoch nicht, daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten den sonstigen öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht insoweit gleichzustellen wären, wie es um allgemeine Grundsätze des anstaltliehen Organisations- und Kompetenzrechts geht. Diese allgemeinen, öffentlichrechtlich qualifizierten Grundsätze stoßen anwendungsmäßig erst dort auf Grenzen, wo die Besonderheiten eines freiheitlichen Rundfunks im Sinne des Art. 5 I 2 GG gefährdet würden. Am deutlichsten zeigt sich dies am Verbot des Staatsrundfunks, das unstreitig in Art. 5 I 2 GG mit enthalten ist40 und das naturgemäß auch den mißbräuchlichen Einsatz den Staat, 1968, S. 5; Lerche, Löffler-Festschrift, 1980, S. 217 ff.; Bethge, VerwArch 63, 152 (156); ders., Staatshaftung für den staatsfreien Rundfunk, 1978, S. 81; jeweils m. w. Nachw. zum Streitstand. 37 Vgl. BVerfGE. 12, 243 ff.; .siehe weiter hierzu u . a. Badura, Verfassungsrechtliche Bindungen der Rundfunkgesetzgebung, 1980, S. 36 ff. 38 Zur Rechtsnatur der "öffentlichen Aufgabe" (von Rundfunk wie Presse) siehe zuletzt u. a. Faller, AfP 81, 430 ff.; Kuli, · Löffler-Festschrift, 1980, S. 187 ff. ; zur eigenen Sicht siehe R. Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 49 ff., 85 f.; ders., Maunz-Festschrift, 1981, S. 337 ff.; Weiterverw. siehe bei den Vorgenannten. 39 DOV 77, 381 ff.; ziehe weiterhin Ossenbühl, in: Gesellschaft für Rechtspolitik (Hrsg.), Rundfunkrecht, 1981, S. 1 (18); vgl. auch z. B. Böckenförde, in: Essener Gespräche Bd. 13, 1978, S. 81 ff.; Böckenförde I Wieland, AfP 82, 77 (84 f.). 40 Vgl. z. B . BVerfGE 12, 262; Badura, Verfassungsrechtliche Bindungen, S. 23 f.; siehe dazu auch z. B. Lerche, in: Rundfunkorganisation und Kommunikationsfreiheit, S. 68 ff.
li. Programmauftrag und Annexzuständigkeiten
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öffentlich-rechtlicher Organisationsformen, wie der der öffentlichrechtlichen Anstalt, zu Zwecken der (rechtlichen oder auch nur faktischen) Verstaatlichung des Rundfunks ausschließt. Als Anstalten des öffentlichen Rechts gehören auch die Rundfunkanstalten (organisationsrechtlich) zum Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung. Sie sind, wie die meisten anderen Anstalten des öffentlichen Rechts auch, als Selbstverwaltungskörper verfallt, wobei sich das rundfunkrechtliche Selbstverwaltungsrecht nicht nur aus einfachem Gesetzesrecht (vgl. z. B. § 1 li ZDF-Staatsvertrag), sondern auch aus Art. 5 I 2 GG ergibt. Dieses anstaltliehe Selbstverwaltungsrecht enthebt die Rundfunkanstalten allerdings nicht von der Bindung an das staatliche Recht41 • Folgerichtig gewähren die Rundfunkgesetze das Selbstverwaltungsrecht nur im Rahmen der Bestimmungen der jeweiligen, die Anstalt konstituierenden Norm. Hieraus folgt unmittelbar, daß das Selbstverwaltungsrecht als solches lediglich den staatlichen Einfluß innerhalb des durch andere Bestimmungen abgegrenzten Funktionsbereichs abschirmt, und nicht selbst Ermächtigungsnormen für eine, der Anstalt bzw. ihren Organen zweckdienlich erscheinende Erweiterung des eigenen Aufgabenkreises bereitstellt. Ein Spielraum ergibt sich lediglich insoweit, als die Regelungsdichte des staatlich gesetzten Rechts mitunter gering ist. Die einzelne Rundfunkanstalt ist im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts grundsätzlich nur befugt, ihre Aufgaben im Rahmen von Programmauftrag und Programmverantwortung zu konkretisieren. Über diesen Funktionsbereich hinaus kann kein Selbstverwaltungsrecht einer Rundfunkanstalt reichen. Keine Rundfunkanstalt verfügt gleichsam über eine "Kompetenz-Kompetenz". Zu weitgehend ist daher auch eine Auffassung, die einer Rundfunkanstalt bereits kraft eigenen Kompetenzentscheids Betätigungen erlauben will, wenn diese - nach Auffassung der Rundfunkanstalt - bloß dem "Zweck des Rundfunks im weiteren Sinn zu dienen" bestimmt sind42 • Denn anstaltseigen entfaltete Betätigungen sind nicht erst dann unzulässig, wenn sie ausdrücklich verboten sind oder dem gesetzlichen Zweck der Rundfunkanstalt unmittelbar Schaden zufügen würden43 • Letzteres ergibt sich auch unter dem Aspekt der sog. ultra-viresDoktrin. Hiernach handeln mit Rechtsfähigkeit ausgestattete Funktionsträger des öffentlichen Rechts rechtswidrig und ggf. auch verfassungswidrig, wenn sie ihre gesetzlich vorgegebenen Kompetenzabgrenzungen überschreiten44 • Denn hinsichtlich dieses Maßes an Kompetenz41 42
43
Vgl. z. B. Wolff I Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Aufl. 1976, S. 182. So aber Maunz, DVBI. 74, 1. Anderer Ansicht Maunz, DVBI. 74, 2.
26
C. Programmpresse und Rundfunkfreiheit
Überschreitung oder eigenmächtiger Kompetenzanmaßung fehlt es von vornherein am Maß der nötigen, gesetzlich einzuräumenden Rechtsfähigkeit. Juristische Personen des öffentlichen Rechts können nämlich nur insoweit mit Rechtsfähigkeit ausgestattet sein, wie sie funktionsrechtlich mit Kompetenzen versehen sind. Soweit entsprechende Kompetenzen von Gesetzes wegen fehlen, kann sich keine juristische Person des öffentlichen Rechts - auch nicht unter Berufung auf ihr Selbstverwaltungsrecht - eigenständig Kompetenzen anmaßen oder entsprechende Kompetenzen zu den eigenen Gunsten begründen. Das Selbstverwaltungsrecht der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, also auch das der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, reicht nicht weiter, als es um die eigenverantwortliche Konkretisierung und Ausgestaltung der gesetzlich vorgegebenen Kompetenzen, d. h. bei den Rundfunkanstalten des Programmauftrages und der Programmverantwortung, geht. Das Autonomierecht auch der Rundfunkanstalten sieht sich insoweit heteronom vorabbestimmt bzw. von Gesetzes wegen abschließend eingegrenzt. 3. In diesen Ermächtigungszusammenhang autonomer Konkretisierung und Ausgestaltung des eigenen Wirkungskreises fällt auch die Möglichkeit der Annexzuständigkeit45 • Annexzuständigkeiten sind ganz allgemein gesprochen - solche Zuständigkeiten, die einem Zuständigkeitsträger kraft Sach- oder Sinnzusammenhangs mit den, vom betreffenden Funktionsträger eigentlich und primär wahrzunehmenden Hauptzuständigkeiten zufallen bzw. zufallen können. In wirtschaftlicher Hinsicht sind beispielsweise fiskalische Randnutzungen - als nähere Konkretisierung des allgemeinen verwaltungsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebots - auch als prinzipiell legitime Annexzuständigkeiten zu erkennen46 ; eine Feststellung, die beispielsweise auch für die Funktionsbereiche von Werbehörfunk und Werbefernsehen einige Geltung beanspruchen kann. Wichtiger sind jedoch noch solche Annexzuständigkeiten, die nicht nur, wie Betätigungen werbewirtschaftlicher Art, Zielen der Wirtschaftlichkeit, sondern unmittelbar den Zielsetzungen der Hauptzuständigkeit dienen sollen. In diesem Sinne sind 44 Vgl. BGHZ 20, 119 (124 f.); Leisner, Werbefernsehen, S. 64 ff.; Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963, S. 82 f.; lsensee, DB 79, 145 (146); Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl. 1973, S. 482 f.; v. Maydell I Scholz, Grenzen der Eigenwirtschaft, S. 99. 45 Zu dieser vgl. im hiesigen (rundfunkrechtlichen) Kontext bes. Maunz, DVBl. 74, 3 ff. 48 Vgl. u. a. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 1969, S. 125 ff., 141 ff.; H. Klein, Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, 1968, S. 98 ff.; Leisner, Werbefernsehen, S. 69 ff.; Wilke I Schachel, WuV 78, 95 (107); R. Scholz, ZHR 132, 99 ff. ; v. Maydell I Scholz, Grenzen der Eigenwirtschaft, S. 107 f.; R. Scholz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 12 Rdnr. 403.
11. Programmauftrag und Annexzuständigkeiten
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auch die Rundfunkanstalten bei der Erfüllung ihrer Hauptzuständigkeit, nämlich des Programmauftrags, nicht von vornherein darauf verpflichtet, überhaupt keine Maßnahmen außerhalb des engsten Sendebereichs wahrzunehmen. Wie im Rahmen der autonomen Konkretisierungszuständigkeit keine gesetzliche Einzelermächtigung für jede Maßnahme im Detail erforderlich ist, so gilt dies auch für solche Hilfs- oder Randtätigkeiten, die für die Erfüllung des Hauptauftrags erforderlich sind und sich funktionsmäßig noch im Rahmen des unmittelbar gebotenen Sach- oder Sinnzusammenhangs mit dem Programmauftrag halten. Mit Th. Maunz kann zur näheren Aufhellung dessen, was noch Sach- oder Sinnzusammenhang ist, auch davon gesprochen werden, daß es sich um ",implizite' Tätigkeiten" handeln muß, die "als eingeschlossen in der Hauptaufgabe anzusehen" sind, sei es, daß diese dazu dienen, "die Hauptaufgabe zu erreichen oder zu sichern", sei es, daß diese dazu bestimmt sind, "Hindernisse abzuwehren, die auf dem Weg zur Erreichung des Hauptzwecks auftauchen können, und dadurch den Zweck für die Zukunft zu sichern" 47 • Bei der Ausfüllung dessen fällt auch den Rundfunkanstalten das erforderliche Maß an Eigenverantwortlichkeit zu. Deren Aktualisierung findet nach dem Gesagten ihre Grenze dort, wo der legitimationsnotwendige Sach- oder Sinnzusammenhang mit der Hauptzuständigkeit nicht mehr gewahrt ist, wo es also nicht um entsprechend dienende Annexfunktionen geht, und wo bereits die Qualität einer konkurrierenden, anderen Hauptzuständigkeit erreicht wird. Letzteres kann wiederum in zweierlei Hinsicht gegeben sein: Zu einen dann, wenn eine qualitativ (wesensgemäß) ganz anders geartete Aufgabe zum Gegenstand einer Zuständigkeit gemacht wird (qualitative Grenze); zum anderen dann, wenn es sich äußerlich zwar um eine qualitativ verwandte (sachzusammenhangsmäßig legitimationsfähige) Aufgabe handelt, diese aber in ihrer umfangmäßigen Wahrnehmung die Hauptzuständigkeit überlagert (quantitative Grenze). Welche konkreten Folgerungen aus diesen Grundsätzen für Annexzuständigkeiten öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten zu ziehen sind, sieht sich bisher allerdings wenig untersucht. Lediglich Th. Maunz hat bereits den Versuch unternommen, in umfassenderer Form mögliche Typen zulässiger Annexzuständigkeiten von Rundfunkanstalten herauszuarbeiten. Hierbei hat Maunz als Formen grundsätzlich zulässiger Annexzuständigkeiten namentlich die folgenden Sachverhalte angeführt: Aufstellung von Orchestern einschließlich Konzertreisen, Verwertung von Programmteilen (z. B. Vorführung von Fernsehproduktionen in Filmtheatern, Schallplattenproduktion), Druckausgaben zur Ergänzung und Vertiefung von Sendungen (Lernmaterial für Tele47
Vgl. DVBI. 74, 3.
C. Programmpresse und Rundfunkfreiheit
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kolleg, Sprachkurse u. ä.), Beschaffung von Fernseh- und Filmproduktionen, Organisierung von Koproduktionen und Auftragsproduktionen, Aufbau und Unterhaltung von Bibliotheken, Kraftfahrdiensten usw.48 • Das hiesige Problemthema, die Frage einer rundfunkeigenen Programmpresse, hat Maunz allerdings nicht diskutiert, also auch nicht in seinen Katalog prinzipiell statthafter Annexzuständigkeiten aufgenommen. Lediglich die genannten Druckausgaben zur Ergänzung und Vertiefung von Sendungen könnten einen Vergleich gestatten, wobei Maunz auch noch allgemeiner formuliert und ausführt: "Es ist nicht ohne weiteres ersichtlich, auf welche entgegenstehenden Rechtssätze sich die Gegner von solchen Tätigkeiten des Rundfunks berufen wollen, die nicht zu seinem Kernbereich gehören, etwa wenn zu Sendungen auch begleitende Druckschriften hergestellt und an Interessenten ausgegeben werden. Ein Verbot, Druckschriften herzustellen, besteht für niemand, auch nicht für den Staat und nicht für die dem Staat eingegliederten oder nicht eingegliederten juristischen Personen des öffentlichen Rechts" 49 • Nimmt man diese, äußerst allgemein gehaltenen Formulierungen wörtlich, so könnte man geneigt sein, daraus auch auf die Zulässigkeit einer rundfunkeigenen Programmpresse zu schließen. Die nähere Konkretisierung im zusammenfassenden Katalog betont jedoch -und dies mit gutem Grund- den Bezug "zur Ergänzung und Vertiefung von Sendungen" 50• In der Tat, eine beliebige und eigenmächtige Herausgabe von Druckschriften ist den Rundfunkanstalten mit Sicherheit verwehrt. Denn insoweit handelt es sich um eine qualitativ andere Tätigkeit, nämlich um Presse. Die eigenständige Begründung von Zuständigkeiten im Pressewesen würde jedoch neben die Hauptzuständigkeit Rundfunk eine zweite (kommunikationsrechtlich gleichrangige) Hauptzuständigkeit, nämlich die der Presse, stellen; und dies würde eindeutig die qualitative Grenze statthafter Annexzuständigkeiten überschreiten. Aus diesem Grunde muß die vorgenannte Formulierung von Maunz in ihrer allzu weitgespannten Allgemeinheit erheblich eingeschränkt werden, um tragfähig zu sein. Dies fällt indessen deshalb nicht schwer, weil Maunz auch im übrigen Zusammenhang deutlich die inhaltlichen Voraussetzungen zulässiger Annexzuständigkeiten betont, namentlich dort, wo er auf die "implizite" Funktionsqualität einer legitimen Annexzuständigkeit abstellt51 • Derart "implizite" Funktionsqualitäten oder entsprechende Sachzusammenhänge bestehen zwischen den beiden kommunikationsrechtlichen Hauptzuständigkeiten Rundfunk und Presse unzweifelhaft nicht. Deshalb ermächtigt die Rundfunk48 49
50 51
DVBl. DVBl. DVBl. DVBl.
74, 6. 74, 5. 74, 6 (unter VIII Nr. 3). 74, 3.
II. Programmauftrag und Annexzuständigkeiten
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freiheit nicht zur funktionellen Ausübung von Freiheiten der Presse und umgekehrt. Beide Medienfreiheiten sind, ihrem unterschiedlichen Wesen gemäß, funktionell prinzipiell voneinander geschieden. Kein Medium darf sich kraft eigenen Beliebens über diese funktionelle Scheidung hinwegsetzen. Zur weiteren Klarstellung bzw. zur Vermeidung entsprechender Mißverständnisse sei allerdings noch auf Folgendes hingewiesen: Rundfunk- und Pressefreiheit sind, wie dargelegt, funktionell voneinander geschieden. Dieser funktionelle Unterschied setzt sich jedoch im Bereich der grundrechtliehen Rechtsträgerschaft (und damit ggf. auch im Bereich der organisatorischen Gliederung) nicht notwendig mit gleicher Konsequenz fort. Denn zwischen den (derzeitigen) öffentlich-rechtlichen Trägern der Rundfunkfreiheit und den privaten Trägern der Pressefreiheit bestehen gerade unter den Aspekten der Grundrechtsträgerschaft evidente Qualitätsunterschiede: Wo die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nur "treuhänderische" und damit gleichsam "stellvertretende" Träger der grundrechtlich geschützten Rundfunkfreiheit sind, dort sind die Träger der Pressefreiheit auch unmittelbar und ausschließlich materiell-rechtlich legitimierte Träger des Grundrechts aus Art. 5 I 2 GG selbst. Dies bedeutet wiederum, daß Rechtssubjekte, die Träger der Pressefreiheit sind, nicht von vornherein aus der (potentiellen) Grundrechtsträgerschaft der Rundfunkfreiheit ausgeschlossen werden können; denn wie jeder Bürger prinzipiell Träger eines jeden Grundrechts sein kann, so kann z. B. auch ein Zeitungs- oder Zeitschriftenverleger Träger des Grundrechts der Rundfunkfreiheit sein (sofern dieses der privaten Grundrechtsausübung eröffnet wird). Umgekehrt können die bloß "treuhänderisch" berufenen Träger der Rundfunkfreiheit, d. h. die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, mangels entsprechend materiell-rechtlicher Grundrechtsträgerschaft nicht zu Trägern auch anderer Grundrechte, d. h. hier zu dem der Pressefreiheit, erstarken. Insoweit ist mit anderen Worten zwischen der funktionellen Differenz zwischen Rundfunk- und Pressefreiheit einerseits und den nur partiellen Differenzen im Bereich der beiden Grundrechtsträgerschatten zu unterscheiden. Wesentlich ist diese Feststellung namentlich für die Beurteilung der Frage, ob und ggf. inwieweit unter dem GG bei entsprechender Öffnung des Rundfunkwesens für private Veranstalter auch Formen eines privaten Rundfunks oder Fernsehens mit Beteiligung von Zeitungs- und Zeitschriftenverlegern an Rundfunkgesellschaften zulässig sind. Diese Frage eines sog. "Verlegerfernsehens" bzw. "Verlegerrundfunks" ist vor allem politisch außerordentlich umstritten. Einer rechtlichen Auseinandersetzung mit dieser Frage bedarf es im hiesigen
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C. Programmpresse und Rundfunkfreiheit
Zusammenhang indessen nicht. Hinsichtlich des eigenen Standpunkts sei anhand der vorstehenden Feststellung lediglich und klarstellend hervorgehoben, daß in grundrechtsträgerischer Hinsicht jedenfalls kein Ausschlußverhältnis zwischen Pressefreiheit und Rundfunkfreiheit konstruiert werden kann. In der Konsequenz bedeutet dies, daß nach hiesiger Auffassung auch Formen eines verlegerisch betriebenen Privatfernsehens oder Privatrundfunks grundsätzlich verfassungsmäßig sein müssen. Diese Feststellung ist im hiesigen Zusammenhang wiederum deshalb von Bedeutung, weil zugunsten einer rundfunkeigenen Programmpresse ggf. auch in dem Sinne argumentiert werden könnte, daß Zeitungs- oder Zeitschriftenverleger, die ggf. auch an Einrichtungen eines Privatrundfunks oder Privatfernsehens beteiligt wären, sich u. U. versucht sehen könnten, bei ihrer Programmberichterstattung die Interessen des eigenen, privaten Rundfunk- oder Fernsehbereichs zu Lasten des öffentlich-rechtlichen Rundfunkbereichs zu bevorteilen. Vorausgesetzt, daß ein (künftiges) Rundfunksystem entsprechend "gemischte" Strukturen zwischen öffentlich- und privatrechtliehen Hundfunkeinrichtungen aufweisen sollte, könnte sich in der Tat die Frage stellen, in welcher Weise von den privaten Programmzeitungen oder Programmzeitschriften über die konkurrierenden Rundfunk- und Fernsehprogramme zu informieren wäre. Die Antwort auf diese Frage wird indessen vom Presserecht sowie vom Wesen der Presse selbst gegeben. Nach Maßgabe der landespresserechtlichen festgelegten Pflicht eines jeden Presseorgans zur sorgfältigen und wahren Berichterstattung (vgl. z. B. §§ 3 li BayLPG, 3 li BlnLPG)51a dürften Programmzeitungen oder -zeitschriften solcher Verleger, die an Einrichtungen eines Privatrundfunks oder Privatfernsehens beteiligt wären, ihre Programminformationen nicht manipulativ zu Lasten der ggf. konkurrierenden Programmgebote öffentlich-rechtlicher Rundfunk- oder Fernsehanstalten abfassen und verbreiten. Solche Programmzeitungen oder Programmzeitschriften realisierten überdies eine Form der monopolistischen Berichterstattung, die auch unter wettbewerbliehen Gesichtspunkten von manipulativem Charakter wäre. Und dies bedeutete wiederum, daß funktionelle Grenzziehungen oder "monopolkontrollierende" Regelungen gegenüber solchen Presseorganen zulässig, ja u. U. verpflichtend würden. Am deutlichsten würde dies dort der Fall sein, wo eine entsprechend manipulative Berichterstattung sogar die Inhalte eines Boykotts gegenüber den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten annähme; auf den letzteren Aspekt wird i. ü. noch gesondert zurückzukommen sein. 5la Vgl. näher hierzu u. a. BVerfGE 12, 113 (130); Löffler I Ricker, Handbuch, S. 209 ff.
II. Programmauftrag und Annexzuständigkeiten
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Neben dieser mehr normativ-presserechtliehen Feststellung stünden jedoch- wohl noch wirksamer- das tatsächliche Wesen und die tatsächliche Professionalität der Presse selbst, die solche Mißbräuche von vornherein bzw. faktisch ausschlössen. Denn keine Programmzeitschrift oder pressemäßige Programminformation könnte es sich realiter leisten, auf die Unterrichtung ihrer Leser über die (ggf. konkurrierenden) Programme öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten zu verzichten. Eine solche Programmzeitschrift oder Programminformation wäre nur allzu rasch ohne Leserschaft - mit den weiteren (wettbewerbliehen) Konsequenzen auf dem Pressemarkt selbst. Hierbei bedarf es noch nicht einmal des weiteren Hinweises auf den Umstand, daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehprogramme - in allen Fällen denkbarer Entwicklungen im Medienwesen - noch auf längere Zeit marktbeherrschend bleiben werden, obwohl auch dies für jede pressemäßige Programminformation bzw. jede pressemäßige "Informationspolitik" naturgemäße Konsequenzen hätte. Alles in allem erweisen sich Befürchtungen der dargelegten Art als mehr oder weniger scheinargumentative Schreckensbilder, die schon vom Presserecht und vom Wesen der (privatwirtschaftlichen und deshalb auf Absatz und Erfolg beim Leser angewiesenen) Presse selbst ausgeräumt werden. Im augenblicklichen Zusammenhang bleibt es daher bei der Feststellung, daß auch im Falle eines "Verlegerfernsehens" oder "Verlegerrundfunks" prinzipiell keine Rechtfertigung für eine rundfunkeigene Programmpresse erwachsen kann. Denn den mit derartigen Beteiligungen von Verlegern an privaten Rundfunkeinrichtungen u. U. verbundenen Gefahren einer einseitigen Berichterstattung, d. h. einer Berichterstattung zu Lasten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme, würden Presse und Presserecht schon selbst mit ihren ebenso funktionellen wie immanenten Gewährleistungen einer einwandfreien Berichterstattung begegnen. Aus der (theoretischen) Gefahr solcher Mißbräuche pressefreiheitlicher Berichterstattungen läßt sich deshalb wie überdies kein "Gegenschluß" von der Art ziehen, daß im Falle eines "Verlegerrundfunks" oder "Verlegerfernsehens" eine gleichsam "kompensatorische" Berechtigung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zur Einrichtung und Unterhaltung einer eigenen Programmpresse entstünde. Dies setzte nämlich - über den (unterstellten) Tatbestand eines entsprechend manipulativen Pressemißbrauchs hinaus - die auch grundrechtsträgerische Berechtigung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu einer solchen, eigenen Pressebetätigung voraus; und an einer solchen (potentiellen) Grundrechtsträgerschaft öffentlich-rechtlicher Rechtssubjekte zur eigenen Pressebetätigung fehlt es gemäß Art. 5 I 2 GG.
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C. Programmpresse und Rundfunkfreiheit
Dies ergibt sich auch deshalb, weil Art. 5 I 2 GG nicht nur den Staatsrundfunk, sondern auch die Staatspresse untersagt52 • Wenn öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten also ihren öffentlich-rechtlichen (anstaltliehen) Status zur Produktion und Verbreitung von Presse "in eigener Sache" ausnutzten oder mißbrauchten, würden sie funktionell wie trägerschaftlieh gegen das Verbot der Staatspresse verstoßen. Trägerschaftlieh fehlte es an der Grundrechtssubjektivität; kein öffentlichrechtliches Rechtssubjekt, also auch keine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, kann Träger des Grundrechts der Pressefreiheit sein. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind zwar nicht mit "dem Staat" identisch; auch als öffentlich-rechtlich monopolisierte Organisation gesellschaftlicher Pluralität sind sie jedoch Teil und Organ der mittelbaren Staatsverwaltung, folglich entsprechend kompetenz- und grundrechtsgebunden. Grundrechtsträger der Pressefreiheit könnten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nur dann sein, wenn sie über den entsprechend legitimierenden Grundrechts- und Kompetenzrechtsstatus verfügten, so wie bei der Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 I 2 GG selbst. Eben dies ist bei der Pressefreiheit jedoch nicht der Fall. Anknüpfungspunkt für das verfassungsrechtliche Verbot der Staatspresse ist deshalb jede staatlich-organisierte (unmittelbare wie mittelbare Verwaltungs-)Kompetenz, selbst wenn deren Substrat inhaltlich Ausdruck einer gesellschaftlichen Freiheitsverbürgung (Rundfunkfreiheit) ist52a. Funktionell handelte es sich bei jeder rundfunkeigenen Programmpresse um einen Tatbestand der Pressefreiheit im Sinne des Art. 5 I 2 GG; den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wäre auch insoweit der grundrechtliche Schutz versagt, weil das Grundrecht der Pressefreiheit jede Form einer staatlichen bzw. staatlich (öffentlich-rechtlich) organisierten (Verwaltungs-)Presse ausschließt. Sofern die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten eine rundfunkeigene Programmpresse sogar unter Ausschluß der privaten Programmpresse betrieben, indem 52 Vgl. z. B. BVerfGE 12, 205 (260); 20, 56 (99); Lerche, Verfassungsrechtliche Aspekte der "inneren Pressefreiheit", 1974, S. 56 f.; Mestmäcker, Die sichtbare Hand des Rechts, 1978, S. 109 ff.; Ehmke, Arndt-Festschrift, 1969, S. 77 (117); Forsthoff, Zeitungspresse, S. 146 f.; P. Schneider, Armbruster-Festschrift, 1976, S. 211 (219); R. Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 83. 52 a Im gleichen Sinne beurteilt die Rechtsprechung z. B. Tatbestände des wirtschaftlichen Wettbewerbs der öffentlichen (sprich: staatlichen) Hand. So sind auch Sozialversicherungsträger als öffentlich-rechtliche Träger mittelbarer Staatsverwaltung den Grenzen wirtschaftlichen Staatswettbewerbs gegenüber Privaten verpflichtet, obwohl sie (zugleich) Organisationen gesellschaftlich-sozialer (und insoweit außerstaatlicher) Selbstverwaltung sind. Vgl. dazu BGH, DB 82, 1209 f.; von Maydell I Scholz, Grenzen der Eigenwirtschaft, S. 68 ff., 119 ff., 136 ff.: Selbstabgabe von Arzneien etc. durch gesetzliche Krankenversicherungsträger als entsprechend öffentlicher (staatlicher) Wettbewerb.
II. Programmauftrag und Annexzuständigkeiten
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sie die eigenen Programme nur in Gestalt eigener pressemäßiger Fragramminformationen verbreiteten, würde es sich überdies um eine spezifisch monopolistische "Rundfunk-Presse" handeln, d. h . eine Form von Presse, die wegen der rundfunkrechtlichen Monpolstruktur der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten praktisch nur diesen zugänglich wäre. Der Monopolstatus der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gründet sich jedoch allein auf die - in den Fernsehurteilen des BVerfG53 im einzelnen umrissenen- Besonderheiten (Mangellagen) im Rundfunkwesen; auf die Presse lassen sich diese unbestrittenermaßen nicht übertragen. Dies darf weder von Gesetzes wegen noch tatsächlich geschehen- eine Beobachtung, die auch aus anderer Sicht die Richtigkeit der Feststellung belegt, daß öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten im Rahmen ihres rundfunkrechtlichen Programmauftrages und ihrer rundfunkrechtlichen Programmverantwortung keine eigene (zweite) Hauptzuständigkeit auf dem Gebiet des Pressewesens begründen oder ausüben dürfen. 4. Andererseits trägt der Aspekt der prinzipiell legitimen Annexzuständigkeit solche Funktionsüberlegungen, die auf die Unterstützung oder Sicherung des rundfunkmäßigen Programmauftrages hinweisen. Hierzu gehört unzweifelhaft die Programminformation. Denn wenn die Rundfunkanstalten den Auftrag haben, die Bevölkerung in wirksamer Weise mit einem Rundfunkprogramm zu versorgen, so ist zunächst Voraussetzung, daß der einzelne Rezipient (Rundfunkhörer, Fernsehteilnehmer) sich über das angebotene Sendeprogramm in ebenso leicht zugänglicher wie rechtzeitiger Form unterrichten kann. Namentlich aufgrund des Zusammenhangs zwischen der Ausstrahlung von Sendungen und dem Faktor Zeit ist die Sicherstellung einer vorherigen Kenntnisnahme vom Programmangebot nicht nur als zulässig, sondern sogar als geboten zu erkennen. Die Ausübung des Rechts auf ungehinderte Unterrichtung aus allgemein zugänglichen Quellen im Sinne der Informationsfreiheit gemäß Art. 5 I 1 GG, zu denen der Rundfunk gehört54 , würde durch eine unzureichende oder gar fehlende Programminformation vereitelt oder doch so sehr erschwert, daß dies einer Verhinderung oder faktischen Blockierung der Rundfunkfreiheit gleich käme. Gerade bei mehreren, zur Verfügung stehenden Rundfunk- und Fernsehprogrammen hat sich die Frage des Zugangs zur Sendung zu derjenigen einer rechtzeitigen Gewährleistung vorhersehbaren Empfangs beim Rezipienten verschoben55 ; dieser ist nicht nur als solcher
Vgl. BVerfGE 12, 205 ff.; 31, 314 ff.; 57, 295 ff. Vgl. nur z. B. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 5 1111 Rdnr. 90 f. 55 Vgl. Mestmäcker, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, 1978, s. 208. 53
54
3 Scholz
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C. Programmpresse und Rundfunkfreiheit
über ein bestehendes Sendeangebot, sondern auch über die unterschiedlichen Auswahlmöglichkeiten zu informieren. Ohne daß aus der Informationsfreiheit des Art. 5 I 1 GG eine allgemeine Informationspflicht staatlicher Stellen herzuleiten wäre, dürfte eine Ausweitung dieses Rechts von der reinen Abwehrfunktion zur auch positiven Gewährleistung von Zugang und Information zumindest unter Berücksichtigung (auch) des Sozialstaatsprinzips zulässig sein. Mit dieser grundsätzlichen Feststellung einer Informationskompetenz der Rundfunkanstalten über die eigenen Angelegenheiten, d. h. über das angebotene Programm, ist indessen noch nichts über Art und Ausmaß dieser Informationskompetenz gesagt. Im Kern dieser Kompetenz liegt die Information des Rundfunks über sich selbst innerhalb des eigenen Programms bzw. mit den eigenen programmäßigen Mitteln; dies sind die regelmäßig ausgestrahlten Programmvorschauen in Fernsehen und Hörfunk. Eine Programminformation, die die Rundfunkanstalt mit den eigenen sendetechnischen Möglichkeiten ausstrahlt, ist auch als solche unmittelbarer Bestandteil der eigenen Hauptzuständigkeit, d. h. der rundfunkmäßigen Programmfreiheit. Die Frage einer eventuellen Annexzuständigkeit sieht sich hier noch nicht gefordert. Dies ist erst dort der Fall, wo sich die Rundfunkanstalt in Ausfüllung ihrer Informationskompetenz anderer Mittel als der des eigenen Sendebetriebs bedient - namentlich beim Einsatz von Presseerzeugnissen. Nach den vorstehend entwickelten Grundsätzen von den qualitativen und quantitativen Grenzen legitimer Annexzuständigkeiten ergeben sich hierzu die folgenden Abgrenzungen bzw. Differenzierungserfordernisse: Unter dem Aspekt der Sicherung einer ausreichenden und rechtzeitigen Programminformation des Rezipienten kommen prinzipiell auch pressemäßige Programminformationen in Betracht. Denn diese sind in besonderer Weise geeignet, dem Rezipienten eine jederzeit greifbare und damit rechtzeitige Vorabinformation über das konkret von den Rundfunkanstalten angebotenes Programm zu vermitteln. In diesem Sinne sind die (qualitativen) Voraussetzungen des Bachzusammenhangs und der Funktionssicherung des Rundfunks durchaus gegeben. Andererseits ist jedoch keine entsprechende Mangellage festzustellen, der die Rundfunkanstalten durch Wahrnehmung einer entsprechenden Annexzuständigkeit ggf. zu begegnen hätten. Denn durch die Programmzeitschriften und die Tagespresse werden diese Voraussetzungen einer ausreichenden und rechtzeitigen Programminformation beim Rezipienten in absolut funktionsgerechter Weise erfüllt. Die Zeitschriften- und Zeitungspresse leistet hier dem Rundfunk traditionell ein Maß besonderer (informativer) Unterstützung, auf das die öffentlich-rechtlichen Rund-
li.
Programmauftrag und Annexzuständigkeiten
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funkanstaUen seit jeher vertrauen durften und das auch vom Rezipienten offenkundig als ausreichend, geeignet und funktionstüchtig empfunden wird. Denn anders ließen sich die hohen Auflagen namentlich der Programmzeitschriften nicht erklären. Die Programmzeitschriften bilden heute wohl überhaupt die bedeutsamste Gattung im deutschen Zeitschriftenmarkt mit einer wöchentlichen Verkaufsauflage von ca. 14,5 Millionen Exemplaren; unter den fünf meist verkauften Zeitschriften sind allein vier Programmzeitschriften vertreten56• Diese Zahlen offenbaren andererseits und ebenso, daß die Programmzeitschriften auch für die Presse eine existentiell bedeutsame Aufgabe darstellen. Die von der Presse übernommenen und regelmäßig geleisteten Informationen über die Rundfunk- und Fernsehprogramme stellen also nicht nur eine unterstützende Tätigkeit für die Rundfunkfreiheit, sondern auch eine unmittelbar relevante Aufgabe der Pressefreiheit dar. Was sich aus der Sicht des Rundfunks als Annexzuständigkeit darstellen würde, offenbart sich aus der Sicht der Presse als deutliche Hauptzuständigkeit (nämlich der Presse selbst). Würde die Presse die Aufgabe der rechtzeitigen und ausreichenden Information über die Programme der Rundfunkanstalten nicht wirksam erfüllen, wäre also einer entsprechenden Mangellage oder vergleichbaren Gefahrenlage zu begegnen, würde den Rundfunkanstalten unbestreitbar das Recht der annexkompetentiellen Programminformation ggf. auch mit den Mitteln des Druckerzeugnisses zufallen. Denn ohne eine solche Form der Programminformation, wird, wie gezeigt, über die Programme von Rundfunk und Fernsehen kaum hinlänglich unterrichtet werden können. Insoweit wäre sowohl unter qualitativen als auch unter quantitativen Gesichtspunkten - zumindest zunächst - von der prinzipiellen Legitimationsfähigkeit einer rundfunkeigenen Programmpresse auszugehen. Daß eine solche Mangel- oder Gefahrenlage derzeit jedoch nicht besteht und nicht zu befürchten ist, bleibt festzuhalten. Insoweit stehen alle weiteren Überlegungen maßgebend unter dem Vorbehalt einer sich entsprechend, d. h. zu Lasten der Rundfunkanstalten und ihrer Informationsbedürfnisse verändernden Situation. Würden die Rundfunkanstalten dazu übergehen, komplette Programmzeitschriften herauszugeben, d. h. eingeschlossen redaktionelle Teile, u. U. auch Anzeigenteile, wären die Grenzen der Annexzuständigkeit jedoch in jedem Falle überschritten. Denn hier würden die Rundfunkanstalten eine neue, nämlich pressemäßige Hauptzuständigkeit begründen, für die der gesetzliche Aufgabenbereich der Rundfunkanstalten (rundfunkmäßiger Programmauftrag) keine Grundlage bietet. Auch der Aspekt einer ggf. abzuwendenden Mangel- oder Gefahren56
Quelle: IVW 9/80.
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C. Programmpresse und Rundfunkfreiheit
lage würde hieran nichts ändern. Denn einer solchen Situation könnte auch mit anderen, eher annexmäßig zu qualifizierenden Zuständigkeiten entgegengetreten werden. So könnten die Rundfunkanstalten z. B. Broschüren herausgeben, die lediglich die betreffenden Sendungen als solche ankündigten, etwa so wie die auch derzeit im Fernsehen üblichen Programmtafeln. Würden diese in gedruckter Form zur Verteilung gebracht, würde es sich zwar ebenfalls um Presse im tatbestandliehen Sinne handeln. Da es jedoch an jeder Form redaktioneller Bearbeitung und Aufmachung fehlte, würde der kompetentielle "Übergriff" in den Bereich der Pressefreiheit auf dem geringstmöglichen Maß gehalten. Dies würde jedenfalls dann gelten, wenn diese Programminformationen von den Rundfunkanstalten unentgeltlich an ihre Teilnehmer verteilt würden, wenn der Bezug also an die Zahlung bzw. den Empfang der Rundfunkgebühr gebunden wäre, wenn die Rundfunkgebühren die Finanzierung dieser Programminformationen mittrügen und wenn damit der sachliche Zusammenhang mit dem Empfang von Rundfunksendungen insgesamt gewahrt wäre57• Etwas anderes würde bereits dann gelten, wenn Programminformationen selbst dieser inhaltlich sparsamen Qualität von den Rundfunkanstalten verkauft würden. Ohne Rücksicht auf die konkrete Preishöhe: Insoweit handelte es sich tatbestandlieh bereits um ein Presseerzeugnis, das in selbständiger, von der Rundfunkfreiheit und dem Empfang von Rundfunksendungen also losgelöster Form auf den Markt gebracht werden würde. Die entsprechenden Programminformationen könnten von jedem Bürger - ggf. gar am Zeitungskiosk - käuflich erworben werden, ohne Rücksicht darauf, ob die Betreffenden tatsächlich Rundfunkteilnehmer sind, also zum Empfang von Rundfunksendungen berechtigt sind. Damit würde sich eine solche Programminformation zur selbständigen Programmpresse verwandeln; die Grenzen der bloßen Annexzuständigkeit wären auf Seiten der vertreibenden Rundfunkanstalten überschritten. Aus der Sicht der Pressefreiheit sieht sich diese Feststellung in der oben wiedergegebenen Definition der Presse im verfassungsrechtlich maßgebenden Sinne bestätigt, derzufolge die Presse nicht nur die Herstellung des Druckerzeugnisses, sondern auch deren Vertrieb mit umfaßt. Berücksicht man weiterhin, daß die Presse von Verfassungs wegen privatwirtschaftlich organisiert ist58 , der Vertrieb von Presseerzeugnissen also 57 Daß eine Rundfunkanstalt keinen öffentlich-rechtlichen (hoheitlichen) Zwang zur Abnahme einer eigenen Programmzeitschrift ihren Rundfunkteilnehmern gegenüber ausüben dürfte, bedarf keiner näheren Begründung. Denn solche Zwänge sind selbst einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ihren Mitgliedern gegenüber verwehrt (vgl. BVerwG, GewArch 82, 52 ff.). 58 Vgl. hierzu u. a. BVerfGE 20, 162 (175); Mestmäcker, Medienkonzentration, S. 13 ff., 24 ff.; Scheuner, AfP 68, 725 (727 ff.); Kaiser, Presseplanung, 1972, S. 31 ff.; Lerche, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 32, 53 ff.; R. Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 45, 82 ff.
11. Programmauftrag und Annexzuständigkeiten
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auf der Grundlage des Verkaufs erfolgt, so wird der Übergriff einer solchen rundfunkeigenen Programmpresse in den Zuständigkeitsbereich des Pressewesens noch deutlicher; die Rundfunkanstalten würden, wie gleichfalls noch näher darzulegen sein wird, in privatwirtschaftlieber Weise tätig, obwohl der rundfunkrechtliche Programmauftrag und seine Erfüllung gerade keine wirtschaftliche Aufgabe darstellen. Gegen die letztere Feststellung spricht auch nicht der Umstand, daß auch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten unter den Aspekten der Wirtschaftlichkeit zur Wahrnehmung fiskalischer Randnutzungen berechtigt sein können. Denn im Gegensatz zum Werberundfunk und Werbefernsehen, für die diese Voraussetzungen der erlaubten fiskalischen Randnutzung gegeben sein können, würde für eine fiskalische Pressetätigkeit der Aspekt der bloßen Randnutzung nicht mehr zum Tragen kommen. Denn hier würde nicht mehr mit den kompetentiellen Mitteln des Rundfunks, also dem Sendebetrieb, sondern mit den funktionellen Mitteln des Pressewesens operiert; es ginge also nicht mehr um eine Randnutzung des Rundfunks, sondern um eine außerhalb des Rundfunks liegende Nutzung von Pressezuständigkeiten. Damit würde sowohl die qualitative Grenze legitimer Annexzuständigkeiten als auch die Grenzen der - unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung- statthaften fiskalischen Randnutzung gesprengt. Würde eine rundfunkeigene Programmzeitschrift schließlich aus dem allgemeinen Haushalt der Rundfunkanstalt mit finanziert, würde dies, da das Maß einer zulässigen, annexkompetentiellen Informationsarbeit überschritten wäre, dennoch ein Eindringen in den funktionellen Pressebereich bedeuten, der der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt verschlossen ist. Denn hier würde das folgende, weitere Argument gegen die Zulässigkeit solcher Betätigungen wirksam werden: Die Rundfunkanstalten, die sich aus den Rundfunkgebühren, aus Werbeeinnahmen und ggf. aus Mitteln des Finanzausgleichs finanzieren, sind bezüglich der Verwendung dieser Einnahmen gesetzlich gebunden (vgl. z. B. Art. 15 BayRFG). Da eine qualitative Pressetätigkeit dem Aufgabenbereich der Rundfunkanstalten fremd ist, wäre der Einsatz von Anstaltsmitteln hierfür also unzulässig. Anderes würde nur in dem Fall gelten, daß die Rundfunkanstalt an die Rundfunkteilnehmer eine im übrigen unentgeltliche und entsprechend im Bezug gebundene Fragrammbroschüre der oben beschriebenen Art verteilte.
5. Unter dem Aspekt einer (impliziten) Annexzuständigkeit könnte schließlich noch das Recht der Rundfunkanstalten zur Öffentlichkeitsarbeit in eigener Angelegenheit von Bedeutung sein59• Prinzipiell ist 59 Zu Recht, Aufgabe und Rechtfertigung staatlicher Öffentlichkeitsarbeit vgl. bes. BVerfGE 20, 56 (100); 44, 125 (147 ff.); Jerschke, Öffentlichkeitspflicht
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C. Programmpresse und Rundfunkfreiheit
nämlich davon auszugehen, daß (auch) die Exekutive eine Staatsgewalt darstellt, die im demokratischen Rechtsstaat zu einem besonderen Maß an Publizität und Transparenz verpflichtet ist. Diese Verpflichtung gilt zwar nicht in dem Sinne absolut, daß etwa alle Verwaltungsvorgänge und damit auch alle Vorgänge innerhalb einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt der Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder zu publizieren wären. Die Öffentlichkeitspflicht aller verwaltenden Aufgabenträger ist vielmehr, je nach Verwaltungsgegenstand abgestuft, also auch von Seiten der jeweils betroffenen Behörde, differenziert zu handhaben. Andererseits impliziert die grundsätzliche Öffentlichkeitspflicht der Exekutive auch ein Recht zur Öffentlichkeitsarbeit bzw. zur informativen Selbstdarstellung des einzelnen Aufgabenträgers vor dem Publikum. Dieses Recht steht demgemäß auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu. Kompetenzrechtlich ist diese Befugnis in das weitere Konzert der (implizit vorgegebenen) Annexzuständigkeiten einzuordnen. Die sich hieran anschließende Frage lautet: Könnte sich eine rundfunkeigene Programmpresse auf dieses Recht der Rundfunkanstalten zur Selbstdarstellung bzw. Öffentlichkeitsarbeit gründen? Näheres Zusehen offenbart rasch, daß diese Frage für die Rundfunkanstalten negativ zu beantworten ist. Denn auch das Recht zur Öffentlichkeitsarbeit bzw. öffentlichen Selbstdarstellung eröffnet keinem staatlichen Aufgabenträger das Recht, eine eigene Pressetätigkeit von der Art zu entfalten, wie sie Gegenstand des Grundrechts der Presse gemäß Art. 5 I 2 GG ist. Das Verbot der "Staatszeitung" gilt naturgemäß und sogar in ganz besonderer Weise für jede Form staatlicher Öffentlichkeitsarbeit6°. Als disziplinierendes Kriterium ist überdies und erneut der Aspekt der Annexzuständigkeit maßgebend: Denn aus ihm ergibt sich, daß jede Form der Öffentlichkeitsarbeit nach Inhalt und Umfang an die kompetenzrechtlichen Grundbefugnisse (Hauptzuständigkeiten) des jeweiligen staatlichen Aufgabenträgers gebunden ist. Für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bedeutet dies, daß sie namentlich auf die eigenen sendetechnischen Programmöglichkeiten (auch) zur Selbstdarstellung verpflichtet sind. Darüber hinaus haben die Rundfunkanstalten natürlich das Recht, durch eigene Presseverlautbarungen Informationen über die eigenen Institutionen und Wirkder Exekutive und Informationsrecht der Presse, 1971, S. 117 ff.; Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, 1978, S. 215 ff.; ders., NJW 81, 193 (194 f .) ; Kempen, Grundgesetz, amtliche Öffentlichkeitsarbeit und politische Willensbildung 1975; ders., Staat 1970, 81 ff.; Häberle, JZ 77, 361 ff.; Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 2. Aufl. 1977, S. 396 ff.; Ricker, LöfflerFestschrift, 1980, S. 287 ff.; ders., AfP 81, 320 ff.; Murswiek, DÖV 82, 529 ff. 80 Vgl. näher hierzu die Nachw. vorstehend Fn. 59.
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samkeiten an die Öffentlichkeit weiterzugeben. Das ebenso natürliche Medium zur Publikation solcher Informationen ist jedoch die Presse und nicht etwa ein rundfunkeigenes Presseorgan. Im einzelnen sind die Grenzen legitimer staatlicher Öffentlichkeitsarbeit recht umstritten61 • Dies ändert indessen nichts daran, daß eine Öffentlichkeitsarbeit jedenfalls nicht den Schritt zur staatseigenen (hier rundfunkeigenen) Presse erlaubt. Demgemäß scheidet auch der Aspekt der Öffentlichkeitsarbeit als eventuelle Grundlage für eine rundfunkeigene Programmpresse aus.
111. Ergänzende Verfassungsaspekte Die prinzipielle Unzulässigkeit einer rundfunkeigenen Programmpresse wurde bisher vor allem auf der Grundlage des einfach-gesetzlichen Rundfunkrechts festgestellt. Aus der Sicht der verfassungsrechtlichen Garantie der Rundfunkfreiheit in Art. 5 I 2 GG ergeben sich jedoch keine anderen Feststellungen. Denn die Gewährleistung der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 I 2 GG erstreckt sich zunächst auf die sog. materielle Rundfunkfreiheit oder Programmfreiheit, die das gesamte Programm, unabhängig von Qualität, Inhalt und Art der Sendung, umfaßt. Diese verfassungsrechtliche Gewährleistung der Programmfreiheit ist jedoch mit dem einfach-gesetzlichen Programmauftrag und der dortigen eigenständigen Programmverantwortung der Rundfunkanstalten inhaltlich identisch; aus Art. 5 I 2 GG lassen sich demgemäß nicht mehr Kommunikationsrechte zugunsten der Rundfunkanstalten ableiten, als dies im allgemeinen Rundfunkbegriff bereits angelegt und von Gesetzes wegen verfestigt ist. Neben der materiellen Rundfunkfreiheit fließt aus dem Grundrecht des Art. 5 I 2 GG - zumindest unter den (Sonder-)Bedingungen eines öffentlich-rechtlich strukturierten Rundfunkmonopols - auch die sog. formelle Rundfunkfreiheit62 • Diese (wesentlich kompensatorische) Gewährleistung ist vor allem organisationsrechtlicher Qualität; sie befaßt sich also mit den Voraussetzungen eines effektiven, staatsfrei organisierten, pluralistisch gegliederten und ausgewogenen Rundfunksystems. Die formelle Rundfunkfreiheit ist in diesem Sinne vor allem institutionsrechtlich angelegt. Sie verpflichtet den Staat zur Schaffung entsprechender Organisationsstrukturen durch vor allem gesetzliche Regelungen. Diese gesetzliche Zuständigkeit liegt zum einen innerhalb der u Vgl. wiederum schon die Nachw. Fn. 59. Zum Begriff vgl. Lerche, Werbefernsehen, S. 4, 15 ff.
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sog. "Wesentlichkeitstheorie" des BVerfG, auf die bereits oben Bezug genommen wurde 63 • Zum anderen hat sich diese in das System der gesetzlichen Regelungs- und Schrankenvorbehalte gemäß Art. 5 II GG einzufügen. Dies bedeutet, daß vor allem der Rahmen der "allgemeinen Gesetze" eingehalten werden muß 64 • Dies ist namentlich dort der Fall, wo eine gesetzliche Regelung von "kommunikationsfördernder Wirkung" ist65 • Ist der Staat damit zu gesetzlichen Regelungen von Organisation und Funktionsbereich der Rundfunkanstalten berechtigt und ggf. auch verpflichtet, so folgt hieraus indessen nicht, daß er jede einzelne Tätigkeit der Rundfunkanstalten bis in das kleinste Detail normieren müßte. Im Gegenteil, eine derartige Festlegung von Detailfragen könnte sogar die Eigenverantwortlichkeit der Rundfunkanstalten und damit deren verfassungsrechtlich geschützte Position tangieren. Wie indessen bereits oben dargelegt, wäre eine kompententielle Entscheidung, die öffentlichrechtlich organisierte Veranstalter von Rundfunksendungen auch auf dem Gebiet der Presse tätig werden ließe, von derart großer Tragweite, daß ohne eine gesetzliche Regelung keinesfalls vorgegangen werden dürfte. Mit dieser letzteren Feststellung kann es indessen noch nicht sein Bewenden haben. Denn eine solche gesetzliche Regelung müßte sich nicht nur an der Rundfunkfreiheit, sondern auch an der Pressefreiheit messen lassen. Obwohl die Voraussetzungen der Pressefreiheit hier noch nicht im einzelnen diskutiert worden sind, würde doch jedenfalls feststehen, daß eine solche Gesetzgebung eine (monopolistische) "Rundfunkpresse" begründen würde, die zugunsten öffentlich-rechtlicher Aufgabenträger der privaten Presse einen bestimmten Zuständigkeitsbereich entziehen oder diesen doch konkurrierend den Rundfunkanstalten eröffnen würde und die darüber hinaus eine Form der öffentlichrechtlichen getragenen, also staatlichen Presse ermöglichen würde. Letzteres wäre mit der Garantie einer staatsfreien Presse, wie bereits erwähnt, keinesfalls zu vereinbaren. Inwieweit das erstere mit dem Grundrecht der Pressefreiheit zu vereinbaren wäre, bleibt noch der gesonderten Prüfung vorbehalten. Aus der Sicht der staatlichen Organisations- und Funktionssicherungskompetenz66 nach Maßgabe der forMit Nachw. oben Fn. 19. Zum hier maßgebenden Begriffsverständnis siehe nur BVerfGE 7, 198 (209 f.); 28, 175 (185 f.); BVerfG, JZ 82, 366 (368). 65 Vgl. hierzu näher R. Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, s. 116 ff. 66 Zu dieser siehe Stern, Finanzierung, S. 15 ff., 38 ff.; Ossenbühl, in: Rundfunkrecht, S. 15 f.; R. Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 248; ders., JuS 74, 299 (302); Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 298; Hoffmann-Riem, Hundfunkfreiheit durch Rundfunkorganisation, 1979, S. 18. 63
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111. Ergänzende Verfassungsaspekte
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mellen Rundfunkfreiheit ist jedoch jedenfalls festzuhalten, daß eine entsprechende gesetzgeberische Legitimation nicht eröffnet ist. Denn die Rundfunkfreiheit steht funktionell, wie gezeigt, neben der Pressefreiheit; beide Gewährleistungen sind insoweit gleichrangig, so daß nicht zugunsten der einen (Rundfunkfreiheit) Kompetenzerweiterungen unter Belastung der anderen (Pressefreiheit) vorgenommen werden dürfen. Die staatliche Organisations- und Funktionssicherungskompetenz kann allein im Rahmen unmittelbar rundfunkgebundener Programminformationen legitimierend tätig werden, wobei es allerdings der oben festgestellten Voraussetzungen einer zulässigen Annexkompetenz bedarf. Alle in Art. 5 I GG garantierten Medienfreiheiten stehen in einem besonderen, inhaltlich wie gewährleistungsmäßig qualifizierenden Bezug zur Kommunikationsfreiheit des Publikums bzw. zur Rezipientenfreiheit. Die kommunikationsverfassungsrechtlichen Grundstrukturen dieses Verhältnisses von Medienfreiheiten und Rezipientenfreiheit sind bereits an anderer Stelle dargelegt worden67 , so daß es an dieser Stelle bloß des Hinweises darauf bedarf, daß alle Medienfreiheiten gerade aus dem Bezug zur Rezipientenfreiheit- namentlich der Informationsfreiheit - ihren maßgebenden thematischen und kommunikationsverfassungsrechtlich qualifizierenden Sinngehalt empfangen. Für die Rundfunkfreiheit bedeutet dies, daß auch eine rechtzeitige und ausreichende Programminformation verfassungsrechtlich geboten ist; denn ohne eine solche Informationsmöglichkeit ist eine wirksame und funktionsmäßig gesicherte Ausübung der rundfunkbezogenen Rezipientenfreiheit ausgeschlossen. Andererseits bedeutet dies jedoch nicht, daß zugunsten einer möglichst breiten und umfassenden Programminformation die kommunikationsverfassungsrechtlichen Grenzen zwischen Rundfunkfreiheit und Pressefreiheit gesprengt werden dürfen. Der qualifizierende Bezug aller Medienfreiheiten zur Rezipientenfreiheit ist in jeweils gesonderter Richtung zu bestimmen. Dies bedeutet, daß das Verhältnis von Rundfunkfreiheit und Rezipientenfreiheit ebenso gesondert zu sehen und zu bewerten ist wie das Verhältnis von Pressefreiheit und Rezipientenfreiheit Kompetentielle Übergriffe von Seiten des Rundfunks zu Lasten der Presse lassen sich auch unter Berufung auf die Freiheit des Rundfunkrezipienten nicht rechtfertigen. Insgesamt ergibt sich damit, daß eine rundfunkeigene Programmpresse aus der Sicht der Rundfunkfreiheit nur in äußerst engen Grenzen und unter den äußerst strengen Voraussetzungen einer abzuwehrenden Mangel- oder Gefahrenlage in Betracht kommen kann. Eine voll ausgebildete, redaktionell ausgestaltete und wirtschaftlich betrie87
Vgl. R. Scholz, Löffler-Festschrift, S. 355 ff.
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C. Programmpresse und Rundfunkfreiheit
bene Programmpresse ist für die Rundfunkanstalten generell ausgeschlossen, wobei der evidenteste Rechtsverstoß im Falle der Aufnahme auch eines eigenen Anzeigenteils gegeben wäre. Weder das einfachgesetzliche Rundfunkrecht noch die verfassungsrechtliche Garantie der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 I 2 GG eröffnen den Rundfunkanstalten derartige Zuständigkeiten. Lediglich unter dem Aspekt der Annexzuständigkeiten kann bei entsprechender Mangel- bzw. Gefahrenlage eine gedruckte Programminformation von der Art statthaft sein, daß die Rundfunkanstalten beschränkte Angaben über Sendungen und Sendezeiten ihren Rundfunkteilnehmern ohne gesonderte Kauferfordernisse zur Verfügung stellen. Nicht statthaft wäre also ein "komplettes Presseerzeugnis", wie eine rundfunkeigene Programmzeitschrift. Angesichts der derzeit gegebenen, voll ausreichenden Versorgung der Rundfunkteilnehmer mit Programminformationen durch die Presse fehlt es jedoch und jedenfalls an einer entsprechenden Mangel- bzw. Gefahrenlage, so daß auch entsprechend beschränkte Formen einer rundfunkeigenen Programminformation derzeit nicht legitimierbar sind.
D. Rundfunkanstalt als Trägerin anderer Grundrechte? Rundfunkanstalten sind prinzipiell nur Träger des Grundrechts der Rundfunkfreiheit, wobei ohne Belang ist, ob sich diese Grundrechtsträgerschaft unmittelbar auf Art. 5 I 2 GG oder zunächst auf Art. 19 III GG und damit nur mittelbar auf Art. 5 I 2 GG gründet68 • Jedenfalls ist unstreitig, daß die Rundfunkfreiheit als grundrechtlich gewährleistete Freiheit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in "treuhänderischer" Zuständigkeit zugewiesen ist 69 , daß es sich also auch bei der Tätigkeit von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten um eine grundrechtlic..h geschützte Freiheit handelt und daß damit den Rundfunkanstalten auch selbst die Grundrechtsberechtigung zusteht. Mit dieser Feststellung sieht sich jedoch noch nicht die weitere Frage beantwortet, ob öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sich auch auf andere Grundrechte berufen können. Im hiesigen Zusammenhang geht es zum einen um das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 I 2 GG und zum anderen um die Grundrechte der freien wirtschaftlichen Betätigung (Art. 12, 14 bzw. Art. 2 I GG). Rundfunkeigene Programmpresse bedeutet nämlich, wie bereits gezeigt, tatbestandliehe Pressebetätigung; Pressebetätigung bedeutet zum anderen und in aller Regel auch privatwirtschaftliche Betätigung, hier in Gestalt einer Programmpresse, die von den Rundfunkanstalten ggf. gewerblich ausgeübt würde (gewerbliche Vertreibung von Programmzeitschriften). Ein grundrechtlicher Schutz für diese Betätigungen könnte den Rundfunkanstalten nur dann zuwachsen, wenn sie sich auf das Grundrecht der Pressefreiheit und/oder auf die genannten wirtschaftlichen Freiheitsrechte berufen könnten. Soweit Presse gewerblich betrieben wird, ist im übrigen prinzipiell davon auszugehen, daß die Grundrechte aus Art. 5 I 2 GG und aus Art. 12, 14 GG (Art. 2 I GG) miteinander in Idealkonkurrenz stehen70 • 68 Zu dieser Frage und zum eigenen Standpunkt siehe Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 5 IIII Rdnr. 210; Dürig, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 19 111 Rdnr. 33 ff.; R. Scholz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 5 III Rdnr. 124; ders., Koalitionsfreiheit, S. 247 ff., 249 f.; zur Grundrechtsberechtigung der Rundfunkanstalten vgl. zuletzt VGH Mannheim, NJW 82, 668 (669); OVG Münster, NJW 82, 670 f.; zur Rechtsprechung des BVerfG zur Frage der Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts vgl. mit entsprechenden Nachw. Bethge, AöR 104, 265 ff. 6D Siehe die Nachw. oben Fn. 39.
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D. Rundfunkanstalt als Trägerirr anderer Grundrechte?
I. Allgemeine Grundrechtsfähigkeit öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten? Bei der Beantwortung der Frage, ob und ggf. inwieweit öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten auch grundrechtliehen Schutz außerhalb der Rundfunkfreiheit genießen können, ist davon auszugehen, daß die Grundrechte in erster Linie die Freiheitssphäre des einzelnen gegen Eingriffe der staatlichen Gewalt schützen (Grundrechte als Abwehrrechte)71. Dies rechtfertigt eine Einbeziehung juristischer Personen des öffentlichen Rechts in den grundrechtliehen Schutzbereich nur insoweit, wie die konkreten Betätigungen solcher juristischen Personen des öffentlichen Rechts Ausdruck bürgerlicher Freiheiten sind. Obwohl Art. 19 III GG wortlautmäßig hierzu wenig sagt, sind bei der Zuerkennung von Grundrechtsfähigkeiten an juristische Personen des öffentlichen Rechts hiernach wesentliche Einschränkungen zu machen. Daß öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Grundrechtsberechtigung aus Art. 5 I 2 GG (ggf. in Verbindung mit Art. 19 III GG) zusteht, wurde bereits erklärt; die Rundfunkanstalten sind hier in der Tat Grundrechtsträger, da sie eine gesellschaftliche (bürgerliche) Freiheit ausüben. Insoweit stellen die Rundfunkanstalten - ebenso wie etwa die Universitäten im Rahmen des Art. 5 III GG- echte Ausnahmen dar. Im übrigen stellen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als juristische Personen des öffentlichen Rechts jedoch verwaltungsrechtliche Zuständigkeitsträger dar, deren Aufgaben und Rechte nicht grundrechtlich, sondern kompetenzrechtlich abgegrenzt und gewährleistet werden72 • In diesem Sinne stehen (auch) öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten im rechtlich eingrenzenden Spannungsfeld von grundrechtlich geschützter Freiheit und staatlicher Kompetenznorm: Die Organisationsform der öffentlich-rechtlichen Anstalt erfüllt den kompetentiellen Auftrag, einen Rundfunk zu gewährleisten, der inhaltlich und strukturell "staatsfrei", d. h. Ausdruck des Freiheitsrechts aus Art. 5 I 2 GG ist. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind damit aber nicht prinzipiell oder gar allgemein grundrechtsfähige Rechtssubjekte, wie der Bürger oder eine juristische Person des Privatrechts gemäß Art. 19 III GG. Insoweit gilt der Vorbehalt der kompetenzrechtlichen Ermächtigung und damit auch der kompetentiellen Beschränkung, wie für jede 70 Vgl. näher und m. w. Nachw. R. Scholz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 12 Rdnr. 161 ff. (a. A. z. B. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 5 IIII Rdnr. 141 f.). 71 Vgl. Dürig, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG,Art. 19 111 Rdnr. 33 ff. 72 Vgl. allgemein BVerfGE 21, 362 (370); siehe auch z. B. Isensee, Staat 1981, 161 (169); grundsätzlich zum Ganzen vgl. bes. Burmeister, Vom staatsbegrenzenden Grundrechtsverständnis zum Grundrechtsschutz für Staatsfunktionen, 1971.
11. Keine Berechtigung zur Pressefreiheit
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andere juristische Person des öffentlichen Rechts auch. Dies bedeutet, daß den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten außerhalb ihres durch Art. 5 I 2 GG geschützten rundfunkrechtlichen Funktionsbereichs keine Grundrechte zustehen. Demzufolge scheidet eine Berufung der Rundfunkanstalten auf das Grundrecht der Pressefreiheit aus. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten können keine rundfunkeigene Programmpresse unter Berufung auf das Grundrecht der Pressefreiheit betreiben, da es ihnen insoweit an der Grundrechtsfähigkeit mangelt. Das gleiche gilt hinsichtlich einer wirtschaftlichen Betätigung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Auch hier ist ihnen eine Berufung auf die einschlägigen wirtschaftlichen Grundrechtsgarantien aus Art. 12, 14 GG bzw. Art. 2 I GG versagt7 3 • Teilweise wird zwar die Auffassung vertreten, daß auch juristischen Personen des öffentlichen Rechts die "Gewerbefreiheit" gemäß Art. 12 I GG zustehe. Namentlich K. A. Bettermann hat diese Auffassung vertreten74 ; freilich mit der Einschränkung, daß die öffentliche Hand nur insoweit (aus Art. 12 I GG) grundrechtsberechtigt sei, wie "auch sie der öffentlichen Gewalt wie eine Privatperson unterworfen ist" 75 • Dies bedeutet, daß auch die Berufung juristischer Personen des öffentlichen Rechts auf materielle Grundrechte nur innerhalb des ihnen jeweils eröffneten Zuständigkeitsbereichs möglich ist, daß Überschreitungen dieser Zuständigkeitsbereiche also nicht unter Berufung auf ein Grundrecht gerechtfertigt werden können. Auch nach Bettermann gilt also der Vorbehalt der kompetentiellen Ermächtigung - wirksam hier (auch) als Grenze der Grundrechtsfähigkeit.
II. Keine Berechtigung zur Pressefreiheit Tatbestandlieh handelte es sich bei einer rundfunkeigenen Programmpresse um Presse im Sinne des Art. 5 I 2 GG. Da den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten jedoch die Berufung auf das Grundrecht der Pressefreiheit verschlossen ist, dürfen diese auch keine eigene Programmpresse unter Berufung auf das Grundrecht der Pressefreiheit betreiben. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind kompetenzrechtlich und damit auch grundrechtlich auf den Bereich der Hundfunkfreiheit beschränkt. Dies bedeutet, daß Aktionen einer rundfunkeigenen Programmpresse nur im Rahmen der Rundfunkfreiheit statt73 Vgl. u. a. Isensee, DB 79, 145 ff.; Ossenbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, 1980, S. 100; Leisner, BB 70, 405 ff.; Grupp, ZHR 140, 367 (389); Bethge, AöR 104, 273 ff.; R. Scholz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 12 Rdnr. 100 f., 401 ff. 74 Hirsch-Festschrift, 1968, S. 1 ff.; vgl. auch NJW 69, 1321 ff. 75 NJW 69, 1326.
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D. Rundfunkanstalt als Trägerin anderer Grundrechte?
haft sind. Hierzu wurde bereits festgestellt, daß lediglich der Aspekt der Annexzuständigkeit - bei entsprechender Mangel- oder Gefahrenlage - die begrenzte (kostenlose) Verteilung von Programminformationen an die Rundfunkteilnehmer erlauben kann. Alle anderen Aktionen einer rundfunkeigenen Programmpresse fielen tatbestandlieh voll in den Bereich der Pressefreiheit selbst, sprengten also den Rahmen der Rundfunkfreiheit und sind damit unzulässig.
111. Berechtigung zur wirtschaftlich-fiskalischen Betätigung? Obwohl die herrschende Meinung mit Recht davon ausgeht, daß die öffentliche Hand und damit auch alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts sich nicht auf die wirtschaftlichen Freiheitsrechte aus Art. 12, 14 GG bzw. Art. 2 I GG zur Rechtfertigung erwerbswirtschaftlicher (fiskalischer) Betätigungen berufen können76, wird andererseits doch weitgehend davon ausgegangen, daß erwerbswirtschaftliche Betätigungen des Staates im System der grundgesetzliehen Wirtschaftsverfassung nicht generell ausgeschlossen sind77 • Die grundgesetzliche Wirtschaftsverfassung statuiert bekanntlich kein ordnungspolitisch geschlossenes System, d. h. auch nicht das einer rein liberalistischen Marktwirtschaft, die den Staat ggf. aus dem Bereich wirtschaftlicher Zuständigkeiten komplett ausschlösse. Die grundgesetzliche Wirtschaftsverfassung ist vielmehr "neutral" bzw. offen78 ; und dies bedeutet, daß dem Staat auch eigenwirtschaftliche Funktionen nicht allgemein untersagt sind. Dies gilt vor allem - im Zeichen der sozialstaatliehen Daseinsvorsorge - für solche wirtschaftlichen Betätigungen, die der Befriedigung öffentlicher (sozialer) Bedürfnisse genügen (Verkehr, Energieversorgung, etc.). Dieser Funktionsbereich sozialstaatlich gerechtfertigter, ggf. sogar sozialstaatlich geforderter staatlicher Wirtschaftsbetätigung läßt sich begrifflich als Bereich der sozialwirtschaftlichen Staatsbetätigung umschreiben und damit zugleich von der erwerbswirtschaftlichen Staatsbetätigung abheben, deren Ziel nicht die Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Wirtschaftsgütern o. ä., sondern allein die (fiskalische) Gewinnerzielung ist7 9• Bereits der Bezug auf das Soziaistaatsprinzip offenbart, daß es hier nicht um die Rechtfertigung wirtVgl. die Nachw. Fn. 73. Vgl. näher und m. w. Nachw. z. B. R. Scholz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 12 Rdnr. 401 f. 78 Vgl. u. a. BVerfGE 4, 7 (17 f.); 12, 341 (347); 25, 1 (19 f.); 50, 290 (336 ff.); siehe weiterhin sowie m. w. Nachw. R. Scholz, Entflechtung und Verfassung, 1981, S. 83 ff. ; R. Scholz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 12 Rdnr. 77. 79 Vgl. R. Scholz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 12 Rdnr. 402. 76
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111. Berechtigung zur wirtschaftlich-fiskalischen Betätigung?
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schaftUeher Staatsbetätigungen durch die Grundrechte geht. Denn dem Staat bleibt die Berufung auf wirtschaftliche Grundrechte in jedem Falle untersagt; hieran ändern auch die objektiven Gesetzmäßigkeiten einer Wirtschaftsverfassung nichts, die staatliche Wirtschaftsbetätigungen nicht als solche bzw. in toto ausschließt. Dies ergibt sich aus der grundgesetzliehen Wirtschaftsverfassung auch insofern, als diese jede Form staatlicher Wirtschaftspolitik - und hierzu gehört auch die Entscheidung für Formen der staatlichen Eigenwirtschaft - an die Grundrechte bindet, d. h. auch die staatliche Eigenwirtschaft ist den grundrechtlichen Schutzversprechen zugunsten des Bürgers verpflichtet, kann sich also nicht umgekehrt - gleichsam zur Rechtfertigung eigener wirtschaftlicher Konkurrenzbetätigung gegenüber dem Bürger - auf die Grundrechte berufen. Eine "staatliche Gewerbefreiheit" anerkennt auch die grundgesetzliche Wirtschaftsverfassung nicht80 . Die grundgesetzliche Wirtschaftsverfassung basiert zum anderen und maßgebend auf dem grundgesetzliehen Sozialstaatsprinzip (Art. 20 I I 28 I GG). Dies bedeutet, daß die sozialstaatliehen Leistungs- und Ordnungsermächtigungen bzw. -aufträge auch und namentlich im wirtschaftlichen Bereich gültig sind. Aus diesem Grunde steht völlig außer Zweifel, daß der Staat zur daseinsvorsorgerischen bzw. sozialwirtschaftlichen Betätigung ermächtigt, wenn nicht sogar verpflichtet ist. Solche Ermächtigungen bzw. gar Verpflichtungen sind jedoch nicht grundrechtlich, sondern kompetenzrechtlich begründet. In diesem Sinne gilt für die staatliche Eigenwirtschaft nichts anderes als für jede andere staatliche Betätigung auch: nämlich der Vorbehalt der kompetenzrechtlichen Ermächtigung81. Insoweit führt der rechtliche Zusammenhang zur früheren Feststellung von den kompetentiellen Grenzen der sog. ultra-vires-Lehre zurück (nicht zufällig ist diese namentlich im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Betätigungen der öffentlichen Hand praktiziert worden) 82 . Eine gewisse Ausnahme hiervon besteht allein im Feld fiskalischer Randnutzungen oder Hilfsgeschäfte, d. h. bei jenen staatlichen Wirtschaftsbetätigungen, die im Rahmen rechtlich bestehender Kompetenzen erfolgen, deren Rahmen aber nicht sprengen, sondern lediglich innerhalb dieser den prinzipiell legitimen Wirtschaftlichkeitsinteressen der öffentlichen Verwaltung dienen83. Hier findet sich der weitere, letztlich auch kompetentiell wirksame Ermächtigungsaspekt im Wirtschaftlichkeitsgebot der öffentlichen Verwaltung. Demgemäß werden z. B. Werbungen auf Telefonbüchern, Eisenbahnwagen, Flughäfen usw. Vgl. bereits die Nachw. oben Fn. 73. Vgl. näher R. Scholz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 12 Rdnr. 404. 82 Vgl. die Nachw. oben Fn. 44. 83 Vgl. dazu die Nachw. oben Fn. 46. 8o
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D. Rundfunkanstalt als Trägerin anderer Grundrechte?
als prinzipiell legitime fiskalische Randnutzungen verstanden. Solche Randnutzungen oder Hilfsgeschäfte dürfen jedoch nie zum Hauptzweck werden; denn in diesem Falle würde der Rahmen der zugrundeliegenden Hauptzuständigkeit (bei den vorstehenden Beispielen: Telefonversorgung, Eisenbahn- und Flugverkehr) gesprengt; die dortigen (sozialwirtschaftlichen) Zuständigkeiten würden formenmißbräuchlich in den Dienst allein erwerbswirtschaftlicher Staatsinteressen gestellt; und für derartige Staatsinteressen fehlte es wiederum an der kompetenzrechtlichen Ermächtigung. Insgesamt bemißt sich die Zulässigkeit staatlicher Eigenwirtschaft also nach den folgenden Kriterien: Sozialwirtschaftliche Staatsbetätigungen sind nach Maßgabe des Sozialstaatsprinzips bzw. auf der Grundlage dessen nach Maßgabe entsprechender spezial-gesetzlicher Zuständigkeiten prinzipiell legitim; ihre Grenze finden diese - nach Maßgabe der offenen Wirtschaftsverfassung des GG - an den ggf. betroffenen Grundrechten der Bürger. Erwerbswirtschaftliche Staatsbetätigungen sind dagegen prinzipiell unzulässig, und zwar sowohl aus Gründen der fehlenden kompetentiellen Ermächtigung als auch aus Gründen des bürgerlichen Grundrechtsschutzes. Ausnahmen gelten hier nur für fiskalische Randnutzungen oder Hilfsgeschäfte nach Maßgabe des ("kompetenzintern" wirksamen) Wirtschaftlichkeitsgebots84• Eine rundfunkeigene Programmpresse könnte hiernach nur als entweder sozialwirtschaftliche Betätigung oder als erwerbswirtschaftlichfiskalische Randbetätigung zulässig sein. Als sozialwirtschaftliche Funktion würde eine rundfunkeigene Programmpresse jedoch voraussetzen, daß ein entsprechendes Erfordernis der Versorgung der Bevölkerung mit Informationen über die Rundfunk- und Fernsehprogramme gegeben wäre. Ein solches Erfordernis bzw. eine derartige und ggf. abzuwendende Mangel- oder Gefahrenlage besteht derzeit indessen nicht. Die erforderlichen pressemäßigen Programminformationen werden von der Tages- und Zeitschriftenpresse in ausreichender und rechtzeitiger Weise erbracht. Demgemäß fehlt es bereits an den Voraussetzungen für die Begründung einer sozialwirtschaftlichen Zuständigkeit, die sich letztlich auf das grundgesetzliche Sozialstaatsprinzip - bei weiterer und entsprechender Konkretisierung durch den einfachen Gesetzgeber - gründen müßte. Selbst wenn jedoch ein derart kompetenzbegründendes Gesetz ins Auge gefaßt werden würde, würde eine von den Rundfunkanstalten wirtschaftlich betriebene Programmpresse den Tatbestand der Presse im Sinne des Art. 5 I 2 GG erfüllen, also gegen das Verbot einer staatlich veranstalteten Presse verstoßen. In diesem Sinne 84 Vgl. zum Ganzen ausführlicher R. Scholz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 12 Rdnr. 401 ff.
III. Berechtigung zur wirtschaftlich-fiskalischen Betätigung?
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würde das Grundrecht der Pressefreiheit auch als "negative Kompetenzbestimmung" wirksam. Auf die weiteren Grenzen, die das Grundrecht der Pressefreiheit in eingriffsrechtlicher Hinsicht setzen würde, ist gesondert zurückzukommen85 • In erwerbswirtschaftlich-fiskalischer Richtung kommt eine rundfunkeigene Programmpresse deshalb nicht in Betracht, weil es sich bei einer solchen Pressebetätigung nicht mehr um eine bloße Randnutzung der Rundfunkfreiheit bzw. der rundfunkrechtlichen Programmzuständigkeiten der Rundfunkanstalten handeln würde. Da eine pressemäßige Betätigung - auch unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit - nicht mehr Bestandteil einer rundfunkrechtlichen Grundkompetenz (Veranstaltung von Rundfunk) sein kann, trägt auch der Aspekt der fiskalischen Randnutzung nichts zur Rechtfertigung bei. Bereits oben wurde deutlich, daß eine rundfunkeigene Programmpresse einen anderen Tatbestand als etwa Werberundfunk und Werbefernsehen verkörpert: Wo die letzteren in der Tat als fiskalische Randnutzungen von Rundfunk und Fernsehen figurieren können, dort verläßt eine rundfunkeigene Programmpresse den Funktions- und damit auch Zuständigkeitsbereich des Rundfunks in unmittelbarer und damit kompetenzrechtlich unzulässiger Weise. Damit ergibt sich, daß eine rundfunkeigene Programmpresse sich auch nicht auf die - begrenzten - Möglichkeiten einer rechtlich zulässigen staatlichen Eigenwirtschaft berufen kann.
ss Vgl. anschließend sub E. 4 Scholz
E. Grundrechtlicher Schutz der Presseunternehmen Von der Frage, ob den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Betreibung einer rundfunkeigenen Programmpresse erlaubt ist, zu unterscheiden ist die Frage, ob den Presseunternehmen, die im Rahmen ihrer Tagespresse wie durch selbständige Programmzeitschriften über die Rundfunk- und Fernsehprogramme informieren, grundrechtliche Abwehransprüche gegen eine rundfunkeigene Programmpresse zustehen können. Im einzelnen geht es hierbei vor allem um das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 I 2 GG. Daneben sind die wirtschaftlichen Freiheitsrechte aus Art. 12, 14 GG (bzw. Art. 2 I GG) angesprochen86 •
I. Grundrechtsberechtigung der Presse und rundfunkanstaltliehe Grundrechtspflichtigkeit Ob der Presse namentlich aus Art. 5 I 2 GG ein Abwehrrecht gegen eine rundfunkeigene Programmpresse zustehen kann, beurteilt sich zunächst nach der Frage, ob die Rundfunkanstalten zum grundrechtspflichtigen Adressatenkreis namentlich des Grundrechts der Pressefreiheit aus Art. 5 I 2 GG gehören. Da die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihrerseits Träger eines Grundrechts, nämlich der Hundfunkfreiheit aus Art. 5 I 2 GG, sind, könnte andernfalls nur die Frage einer eventuellen grundrechtliehen Drittwirkung aufgeworfen werden. Für das Grundrecht der Pressefreiheit ist aber, wie auch allgemein, eine unmittelbare Drittwirkung abzulehnen87 • Die zweite Voraussetzung für einen grundrechtliehen Abwehranspruch namentlich aus Art. 5 I 2 GG ist die, daß die Herausgabe einer rundfunkeigenen Programmpresse einen tatbestandliehen Grundrechtseingriff darstellt. Wenn die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine eigene Programmpresse herausbringen, geschieht dies - zumindest zunächst - auf der Grundlage einer Konkurrenz zu den Presseunternehmen und deren ProsG Zur Idealkonkurrenz dieser Grundrechte aus Art. 5 I 2 und Art. 11, 14 GG (hinsichtlich der Freiheit zur wirtschaftlichen Betätigung) vgl. die Nachw. Fn. 70. 87 Vgl. Forsthoff, Zeitungspresse, S. 29; R. Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 103; Stober, AfP 81, 389 (390 f.); a. A. Löffler I Ricker, Handbuch, S. 49.
I. Grundrechtsberechtigung der Presse
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gramminformationen. Dies bedeutet, daß ein Grundrechtseingriff im klassisch hoheitlichen Sinne nicht gegeben ist; es handelt sich vielmehr um eine konkurrenzwirtschaftliche Maßnahme von grundrechtlicher Relevanz. Partiell anderes würde nur für den Fall gelten, daß die rundfunkeigene Programmpresse sofort mit monopolistischem Geltungsanspruch aufträte, wenn die Rundfunkanstalten also die Presseunternehmen nicht mehr über ihre Programme informierten, ihre Programme vielmehr als ausschließlichen Publikationsgegenstand für die eigene Programmpresse reservierten. Hier stellt sich die Frage, ob und inwieweit Maßnahmen der Monopolisierung als grundrechtlich relevanter Eingriff qualifiziert werden können. Obwohl die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten infolge ihrer grundrechtlich geschützten Position einer unmittelbaren staatlichen Lenkung nicht unterworfen sind, sind sie aufgrund ihrer öffentlichrechtlichen Organisation bzw. aufgrund ihres öffentlich-rechtlich monopolisierten Rechts auf Rundfunkfreiheit der öffentlichen Hand zuzurechnen88. Für den besonderen Bereich der Vergabe von Sendezeiten für Wahlkampfsendungen hat das BVerfG die Rundfunkanstalten sogar dem hoheitlichen Staatsbereich zugeordnet89. Die Grundrechte verpflichten nach Maßgabe der Generalklausel des Art. 1 III GG sämtliche Glieder der öffentlich-rechtlichen Organisation in prinzipiell allen ihren Äußerungsformen, d. h. auch die der nur mittelbaren Staatsorganisation. Dies bedeutet, daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auch ihrerseits grundrechtspflichtig sind90 ; etwas anderes gilt nur für ihren speziellen Funktionsbereich, nämlich den der gleichfalls grundrechtlich geschützten Rundfunkfreiheit (Art. 5 I 2 GG). Soweit es dagegen um die grundrechtliche Pflicht der Rundfunkanstalten gegenüber Presseunternehmen und deren Schutzansprüche aus Art. 5 I 2, 12, 14 GG geht, sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ebenso verpflichtete Grundrechtsadressaten wie jede andere staatliche Organisation bzw. jede andere juristische Person des öffentlichen Rechts. Als grundrechtsrelevanter Eingriff figuriert prinzipiell nur die hoheitliche Maßnahme, d. h. namentlich Gesetz und Verwaltungsakt. Andererseits beschränken sich grundrechtlich relevante Staatsmaßnahmen schon längst nicht mehr auf das Instrumentarium des unmittelbaren hoheitlichen Eingriffs im klassischen Sinne. Demgemäß läßt die Rechtsprechung grundrechtliche Kontrollen namentlich auch dort eingreifen, wo es sich um bloße "faktische Grundrechtsbeeinträchtigungen" hanVgl. bereits die Nachw. Fn. 36. BVerfGE 7, 99 (104). 90 Vgl. BVerfGE 31, 314 (329); OVG Münster, NJW 82, 670; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 157; Lerche, Werbefernsehen, S. 9. 88 89
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E. Grundrechtlicher Schutz der Presseunternehmen
delt91 • Das gleiche gilt für konkurrenzwirtschaftliche Maßnahmen sowie für monopolisierende Maßnahmen92 • Vor allem der Aspekt der konkurrenzwirtschaftlichen Maßnahme als relevanter Grundrechtseingriff sieht sich zunehmend erkannt; die konkurrierende Maßnahme kennzeichnet gerade im wirtschaftlichen Bereich staatliche Einschränkungen wirtschaftlicher Freiheiten und muß demgemäß prinzipiell ebenso behandelt werden wie der unmittelbar-hoheitliche Eingriff93• Wie bereits an anderer Stelle dargelegt, ist in letzterer Hinsicht auch nicht zwischen sozialwirtschaftlichen und erwerbswirtschaftlichen Konkurrenzmaßnahmen zu unterscheiden94 • Denn der grundrechtliche Beschränkungseffekt bleibt identisch; er hängt nicht davon ab, ob der Staat eine wirtschaftliche Eigenbetätigung aus Gründen sozialer Leistungen oder aus Gründen der eigenen Gewinnerzielung ergreift. Verallgemeinert ist heute davon zu sprechen, daß die Grundrechte nicht nur vor bestimmten (hoheitlichen) staatlichen Interventionen, sondern auch vor wirkungsmäßig gleichen Staatsfunktionen schützen. Auf den hier maßgeblichen Bereich des Pressewesens angewandt bedeutet dies, daß ein relevanter Grundrechtseingriff ebenso durch einen unmittelbaren Zugriff auf bestehende Presseunternehmen oder deren Tätigkeiten wie dadurch möglich ist, daß letztere durch staatliche Presseprodukte vom Markt - ganz oder auch nur teilweise- verdrängt werden.
II. Schutzstrukturen der Pressefreiheit 1. Das Grundrecht der Pressefreiheit gehört zu den unverzichtbaren Grundlagen für das wirksame Bestehen eines demokratischen Gemeinwesens95. Ihm kommt deshalb - ebenso wie den anderen kommunikationsverfassungsrechtlichen Grundrechtsgarantien - ein besonderer Stellenwert zu. Strukturell entfaltet das Grundrecht der Pressefreiheit zunächst ein individuales Abwehr- bzw. liberales Freiheitsrecht96• Dar91 Vgl. hierzu bes. Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, 1970; vgl. auch z. B. Grupp, ZHR 140, 389; Jarass, Massenmedien, S. 109 f. 92 Für die letzteren vgl. z. B . BVerfGE 21, 245 (249 ff.); BVerwGE 17, 306 (308 ff.); 39, 329 (330 ff.); BVerwG, NJW 78, 1539 f .; BVerwG, BayVBl. 81, 601 ff.; BayVGH, JZ 76, 641 (642 f.). 93 Vgl. R. Scholz, ZHR 132, 101; ders., in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 12 Rdnr. 104, 303; ders., in: Duwendag (Hrsg.), Der Staatssektor in der sozialen Marktwirtschaft, 1976, S. 113 (131 ff.; Badura, Schlochauer-Festschrift, 1981, S. 3 (21 f.); a. A. bes. Bettermann, Hirsch-Festschrift, S . 18 ff. 94 Vgl. R. Scholz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 12 Rdnr. 402 ff.; v. Maydell I Scholz, Grenzen der Eigenwirtschaft, S. 87 f ., m . w . Nachw. 95 Vgl. z. B . BVerfGE 7, 198 (208); 10, 118 (121); 12, 205 (259 ff.); 20, 56 (97 f.); 20, 162 (174 ff.); Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 5 IIII Rdnr. 118.
li. Schutzstrukturen der Pressefreiheit
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über hinaus enthält das Grundrecht der Pressefreiheit eine objektivrechtliche Wertentscheidung von besonderer Bedeutung, aus der teilweise auch institutionelle Gewährleistungen abgeleitet werden. Obwohl nach hiesiger Auffassung ein überhöht-institutionelles Verständnis der Pressefreiheit auszuscheiden hat97 , ist mit der überwiegenden Auffassung immerhin davon auszugehen, daß Art. 5 I 2 GG auch das "Institut ,Freie Presse'" gewährleistet98 • Träger des Grundrechts der Pressefreiheit sind die "im Pressewesen tätigen Personen und Unternehmen" 99• Innerhalb dieses, prinzipiell recht weit zu fassenden Personenkreises kommt dem Verleger als haftendem Inhaber, Organisator und Leiter des Presseunternehmens eine notwendig herausgehobene Stellung zu100 • Diese realisiert und begründet sich auch aus der privatwirtschaftliehen Grundstruktur des Pressewesens, wie sie Art. 5 I 2 GG mit garantiert1°1 • Eine Verstaatlichung der Presse scheidet damit ebenso wie eine staatlich betriebene (staatseigene) Presse aus1o2 , gleichgültig ob letztere unmittelbar oder auch nur mittelbar über der engeren Staatsverwaltung ausgegliederte Einheiten geschähe. Da die vom BVerfG für den Rundfunkbereich reklamierte "Sondersituation" 103 für das Pressewesen nicht besteht, würde an der Verfassungswidrigkeit einer Staatspresse auch der Umstand nichts ändern, daß staatliche Presseerzeugnisse ggf. durch einen binnenplural organisierten, dem unmittelbaren Staatseingriff entzogenen Träger, nach dem Vorbild einer Rundfunkanstalt, erfolgten. Das Konstruktionswie Legitimationsmodell der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist mit dem Grundrecht der Pressefreiheit von vornherein unvereinbarto4. Das Grundrecht der Pressefreiheit ist als kommunikationsverfassungsrechtliche Gewährleistung in dem Sinne offengehalten, daß auch entwicklungsmäßige Veränderungen von der verfassungsrechtlichen Freiheitsgarantie erfaßt oder inhaltlich umgesetzt werden. Das Grund96 Vgl. mit besonderem Nachdruck Forsthoff, Zeitungspresse, S. 9 ff., 27; Kaiser, Presseplanung, S. 31 ff.; Papier, Staat 1974, 399 (401 ff.); Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 5 IIII Rdnr. 11 ff.; R. Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 46 ff., 81 ff. 97 Vgl. R. Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 87 ff. 98 BVerfGE 20, 162 (175). 99 Vgl. Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 5 IIII Rdnr. 160 sowie bereits oben BI m. Nachw. Fn. 11. 100 Vgl. z. B. Löffler I Ricker, Handbuch, S. 42. 101 Vgl. die Nachw. Fn. 58. 102 Vgl. die Nachw. Fn. 52. toa Vgl. BVerfGE 12, 205 (260); 31, 314 (338); 57, 295 (322 f.). 104 Vgl. allerdings wohl auch Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 51111 Rdnr. 191; Jarass, Massenmedien, S. 217,271.
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E. Grundrechtlicher Schutz der Presseunternehmen
recht der Pressefreiheit stellt mit anderen Worten keine (unveränderliche) Status-qua-Garantie dar105 • Ein solches Garantieverständnis widerstritte dem Wesen der grundgesetzliehen Kommunikationsverfassung und ihren Einzelgewährleistungen, zu denen die Pressefreiheit ja an zentraler Stelle gehört, schlechthin. Andererseits steht doch soviel fest, daß das Grundrecht der Pressefreiheit auf einem im Kern strikten Begriff der Presse aufbaut, zu dem jedenfalls die Print-Medien zu rechnen sind. Daß das Grundrecht der Pressefreiheit im Konzert der Medienfreiheiten insgesamt auch zum Teil andere, variierende Inhalte annehmen kann, sieht sich mit dieser Feststellung nicht ausgeschlossen. Wesentlich ist nur, daß der Bereich der Print-Medien jedenfalls der Pressefreiheit funktions- wie gewährleistungsmäßig vorbehalten bleibt. Das Grundrecht der Pressefreiheit schützt ebenso die einzelne Zeitung oder Zeitschrift wie den einzelnen Zeitungs- oder Zeitschriftenbeitrag. Im weiteren schützt das Grundrecht der Pressefreiheit auch den Typus einer Zeitung oder Zeitschrift; denn in seiner speziellen Ausbildung und Aktualisierung drückt sich gleichfalls ein entscheidendes Element einer freiheitlichen und offenen Presse aus. Hieraus folgt, daß der Schutz der Pressefreiheit sich tatbestandlieh ebenso auf die Programmzeitschriften wie auf jene, namentlich in der Zeitungspresse veröffentlichten Programminformationen erstreckt, die entweder in täglichen Informationsspalten oder in Gestalt von wöchentlichen Beilagen zu einzelnen Zeitungen zur Publikation gelangen. Im einzelnen wurde dies bereits oben bei der Frage nach der tatbestandliehen Qualität einer rundfunkeigenen Programmpresse dargelegt. Ging es dort jedoch darum, negativ festzustellen, daß eine tatbestandlieh zur Presse gehörende Betätigung nicht Bestandteil der Rundfunkfreiheit sein kann, so ist nunmehr die positive Feststellung maßgebend, daß die hiesige Programmpresse tatbestandlieh der Pressefreiheit des Art. 5 I 2 GG unterfällt. Dies bedeutet in der grundrechtliehen Zuordnung wiederum, daß die Freiheit einer solchen Programmpresse den Trägern der Pressefreiheit, also den Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen, und nicht den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zufällt. Daß Gegenstand der Programmpresse die Veröffentlichung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen ist, ändert hieran nichts. Denn das Grundrecht der Pressefreiheit erfaßt gewährleistungsmäßig nicht etwa nur bestimmte Bereiche oder Themen von Informationsvermittlung und Meinungsbildung. Im Gegenteil, thematisch sind Presse und Pressefreiheit in dem Sinne - notwendig - offen, daß die Träger der Pressefreiheit prinzipiell selbst und in eigener Verantwortung darüber entscheiden, welche Informationen und welche Meinungen sie veröffentlichen. 105
Vgl. bes. deutlich, Bullinger, Kommunikationsfreiheit, S. 81, 96.
II. Schutzstrukturen der Pressefreiheit
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Ebenso wie sich eine Zeitung oder ein Zeitungsbeitrag mit bestimmten Fragen der Rundfunkorganisation oder mit der Kritik an einer bestimmten Fernsehsendung befassen kann, so sind die Zeitungen bzw. Zeitschriften auch berechtigt, ihr Publikum über die Rundfunk- und Fernsehprogramme über deren Veröffentlichung zu informieren. 2. Das Grundrecht der Pressefreiheit begreift die Presse, wie erwähnt, in einer grundsätzlich privatwirtschaftliehen Struktur. Dies bedeutet zum einen, daß für die Presse vor allem die Verhaltens- und Ordnungsmaßstäbe des Wettbewerbs maßgebend sind. Publizistischer und ökonomischer Wettbewerb heißen die maßgebenden Strukturgesetzlichkeiten einer jeden privatwirtschaftlich organisierten Presse 106• Daraus folgt, daß jedes Presseerzeugnis sich im Wettbewerb stets aufs Neue bewähren und durchsetzen muß. Keinem Presseerzeugnis sind gleichsam von Verfassungs wegen bestimmte Marktanteile oder bestimmte "Besitzstände" garantiert. Der wettbewerblieh privatwirtschaftliehen Struktur der Presse gemäß garantiert die Pressefreiheit grundsätzlich nur die freie Chance im Wettbewerb, nicht dagegen den festen, gleichsam juristisch festgeschriebenen Markt- oder PublikationsanteiL Daraus folgt, daß sich auch keine Programmzeitschrift, die durch das Aufkommen einer anderen oder neuartigen Konkurrenz Marktanteile einzubüßen droht, gegenüber dieser Einbuße auf das Grundrecht der Pressefreiheit berufen dürfte. Solange sich Einbußen oder Risiken dieser Art auf die wettbewerbliehen und privatwirtschaftliehen Strukturgesetzlichkeiten des Pressewesens selbst gründen, kann das Grundrecht der Pressefreiheit keinen Schutz für Einbuße oder Risiko bieten. Im Gegenteil, solche Einbußen oder Risiken liegen im Wesen der Pressefreiheit selbst begründet, können also auch rechtlich nicht gleichsam gegen sich selbst mit dem Argument "Schutz der Pressefreiheit" umgewendet werden. Vor allem im publizistischen, annexweise auch im wirtschaftlichen Wettbewerb konkurriert die Presse mit den anderen Massenmedien, also vor allem mit Rundfunk und Fernsehen. Auch hier schützt das Grundrecht der Pressefreiheit ein Presseerzeugnis nicht vor Einbußen· oder Risiken, wenn etwa bestimmte Rundfunkprogramme beim Publikum mehr Anklang finden und damit bestimmte Wirksamkeiten oder Publikumserfolge der Presse - in wirtschaftlich meßbarer Form (Verlust von Marktanteilen) berühren. Andererseits sind die Rundfunkanstalten ihrerseits nicht berechtigt, mit der Presse in einen ökonomischen Wettbewerb einzutreten, der zum zielpolitischen Hauptzweck würde bzw. über die wirt106 Vgl. näher Mestmäcker, Sichtbare Hand des Rechts, S. 117 ff.; ders., Medienkonzentration, S. 13 ff., 24 ff.; R. Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 152 ff.
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E. Grundrechtlicher Schutz der Presseunternehmen
schaftliehen Annexbezüge zum (verfassungsrechtlich legitimierten oder aufgegebenen) publizistischem Wettbewerb hinausginge. Denn die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind nicht privatwirtschaftlich organisiert, verfügen also nicht über vergleichbare Aktionschancen (auch) des wirtschaftlichen Wettbewerbs. Ein wirtschaftlicher Wettbewerb zwischen Presse und Rundfunkanstalten kann und darf allenfalls dort (annexweise) stattfinden, wo die Rundfunkanstalten im Rahmen rundfunkrechtlich legitimer fiskalischer Randnutzungen oder Hilfsgeschäfte tätig werden. In der Praxis ist dies der Bereich von Werbebärfunk und Werbefernsehen, mit dem die Rundfunkanstalten der Presse auch im wirtschaftlichen Wettbewerb gegenübertreten. Denn da das Werbungs- bzw. Annoncengeschäft mit zum Bereich der verfassungsrechtlich geschützten Pressetätigkeiten gehört, ergeben sich hier in der Tat nicht nur publizistisch, sondern auch ökonomisch wirksame Konkurrenzen zwischen Presse und Rundfunk. Statthaft sind diese Konkurrenzen indes nur soweit, wie der Rundfunk nicht faktisch zu einer privatwirtschaftliehen Aktion bzw. zu einem Träger staatlicher Erwerbswirtschaft wird und wie der Presse nicht ein wirtschaftlicher Wettbewerb von Seiten der Rundfunkanstalten aufgenötigt wird, der für die Presse ruinöse Folgen haben kann. Nach der gegebenen Situation hat sich gezeigt, daß diese Voraussetzungen nur solange gewahrt bleiben, wie die Rundfunkanstalten sich mit ihrer Werbung auf das schmale Feld der fiskalischen Randnutzung bzw. des fiskalischen Hilfsgeschäfts beschränken (zwingende Begrenzung des Volumens von Rundfunk- und Fernsehwerbung). Jede Überschreitung dieser Grenzen würde im Verhältnis von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und freiheitsrechtlich geschützter Presse einen Eingriff in die Pressefreiheit mittels unzulässiger wirtschaftlicher Konkurrenz bedeuten. 3. Auf der Grundlage dieser Abgrenzungen bestimmen sich auch die presserechtliehen Grenzen einer rundfunkeigenen Programmpresse. Zunächst ist hiernach festzustellen, daß eine eigene Programmzeitschrift der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mit Monopolanspruch eindeutig gegen das Grundrecht der Pressefreiheit verstoßen würde. Denn abgesehen davon, daß es sich hierbei um eine Form unzulässiger Staatspresse handeln würde, würde damit zugleich eine ganze Branche des Pressewesens wirtschaftlich vernichtet. Bereits oben wurde deutlich, daß es sich bei den Programmzeitschriften nicht nur um einen Marginalbereich des Pressewesens handelt, dessen eventueller Untergang für das Fortbestehen einer lebensfähigen "freien Presse" als solcher unbeachtlich wäre. Die Programmzeitschriften bilden vielmehr die heute wohl bedeutsamste Gattung im deutschen Zeitschriftenmarkt mit einer wöchentlichen Verkaufsauflage von ca. 14,5 Millionen Exem-
II. Schutzstrukturen der Pressefreiheit
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plaren. Diese Zahlen offenbaren, daß die Programmzeitschriften nicht nur aus sich selbst heraus einen typischen und pressemäßig relevanten Teil der Pressefreiheit ausmachen, sondern daß diese zu einem guten Teil auch für die wirtschaftliche Basis anderer Presseerzeugnisse mit verantwortlich sind. Wenn die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eigene Programmzeitschriften aufzögen und die Herausgabe ihrer Programminformationen an die Programmzeitschriften der Presse verweigerten, auf diese Weise also den eigenen Monopolanspruch realisierten, würde das Grundrecht der Pressefreiheit eindeutig verletzt. Hieran ändert auch der Gesichtspunkt nichts, daß kein Presseerzeugnis auf den unveränderten Fortbestand bestimmter Marktanteile vertrauen darf. Denn eine monopolistisch geführte rundfunkeigene Programmpresse würde der Presse von vornherein die Möglichkeit des ihr verfassungsrechtlich mitgarantierten publizistischen Wettbewerbs nehmen. Die von der Presse herausgegebenen Programmzeitschriften müßten ihr Erscheinen schlicht einstellen, weil die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die zur Publikation benötigten Programminformationen für sich behielten und damit den publizistischen Wettbewerb mittels Monopolisierung definitiv ausschlössen. Daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten damit kein rechtliches Monopol, sondern wohl nur ein faktisches Monopol errichteten, ändert hieran nichts. Denn gerade unter den Aspekten der Abwehr grundrechtlicher Eingriffe besteht zwischen dem rechtlichen und dem faktischen Monopol deshalb kein Unterschied, weil die Grundrechte nicht danach fragen, ob eine bestimmte Freiheitsbeschränkung "rechtlich" oder nur "faktisch" begründet ist; für die Wirksamkeit grundrechtlich gesicherter Abwehransprüche ist allein die Freiheitsbeeinträchtigung als solche maßgebend. Und in dieser bestünden hier keine Unterschiede107. Das gleiche würde unter dem Aspekt eines sukzessiv entstehenden Monopols gelten. Das sukzessive Monopol ist nämlich dadurch gekennzeichnet, daß im Laufe eines gewissen Zeitprozesses ein faktisches Monopol schrittweise entsteht. Wenn die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine rundfunkeigene Programmpresse mittels entsprechender Sukzessivität zum (faktischen) Monopol ausbauten, würde aus der Sicht des Grundrechts der Pressefreiheit nichts anderes als in den Fällen des rechtlichen bzw. unmittelbar-faktischen Monopols geltentos. Die Gefahr eines Monopols würde auch alle anderen Formen einer rundfunkeigenen Programmzeitschrift kennzeichnen. Denn eine Programmzeitschrift in der Hand der Rundfunkanstalten selbst hätte von 107 Vgl. näher R. Scholz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 12 Rdnr. 408. 108 Vgl. näher R. Scholz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 12 Rdnr. 409.
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E. Grundrechtlicher Schutz der Presseunternelunen
vornherein einen evidenten Vorsprung am Markt, der die Monopolisierung bzw. die korrespondierende Existenzgefährdung der privaten Programmzeitschriften nach sich zöge: Zunächst besäße die rundfunkeigene Programmzeitschrift den unmittelbaren Informationsvorsprung, wobei noch unterstellt sein mag, daß die private Presse in unveränderter Form, d. h. wie bisher, die nötigen Programminformationen von den Rundfunkanstalten erhielte. Darüber hinaus würden jedoch für die Rundfunkanstalten keine besonderen Kosten für eigene Recherchierarbeiten anfallen, da dem rundfunkmäßigen Programmbereich auferlegt werden könnte, von sich aus über alle relevanten Aktivitäten an die Zeitschriftenabteilung des jeweiligen Funkhauses zu berichten. Aufgrund der besonderen Insiderinformationen und aufgrund des Charakters als scheinbar einziger "authentischer" Programmzeitschrift würde sich für die rundfunkeigene Programmzeitschrift überdies ein wirtschaftlich-wettbewerblicher Vorteil ergeben, der sich auf Seiten des Publikums in Gestalt einer scheinbar höheren Glaubwürdigkeit niederschlüge und damit auch im Absatz mit höchster Wahrscheinlichkeit für die konkurrierenden privaten Programmzeitschriften existenzbedrohende Auswirkungen hätte. Obwohl eine staatliche oder sonstig öffentlich-rechtliche Konkurrenz nicht von vornherein eine rechtswidrige Grundrechtsverletzung auslösen muß, wird im hiesigen Zusammenhang das konkurrierende Auftreten einer rundfunkeigenen Programmpresse in aller Regel das Grundrecht der Pressefreiheit verletzen. Das BVerfG hat zwar in einem obiter dieturn die Möglichkeit einer eingeschränkten staatlichen Pressetätigkeit für den Fall nicht gänzlich ausgeschlossen, daß hierdurch wegen der Konkurrenz mit der Fülle der vom Staat unabhängigen Zeitungen und Zeitschriften sich an dem Bild der freien Presse substantiell nichts ändern würde109• Andererseits hat das BVerfG eine Betätigung von Staatsorganen "in Bezug auf den Prozeß der Meinungs- und Willensbildung des Volkes" in Gestalt einer staatseigenen Presse prinzipiell abgelehnt110• Schon dieser letztere Satz offenbart, daß jenes obiter dieturn auch für sich genommen nicht unproblematisch ist. Ungeachtet dessen kann seine immanente Richtigkeit an dieser Stelle offenbleiben, weil die Gefahr einer substantiellen Veränderung im hiesigen Zusammenhang offenkundig wäre. Aus den dargestellten Gründen würden zumindest die Programmzeitschriften der freien Presse substantiellen Schaden nehmen. 4. Grundrechtliche Freiheitsbeschränkungen mittels staatlicher Konkurrenz sind dann verfassungswidrig, wenn sie - wie alle anderen : toB
uo
BVerfGE 12, 205 (260). BVerfGE 20, 56 (99).
II. Schutzstrukturen der Pressefreiheit
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Grundrechtsbeschränkungen auch - die Grenzen des Übermaßverbots, d. h. die Grenzen von Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit, überschreiten. Für eine rundfunkeigene Programmpresse als ggf. konkurrenzauslösendem Faktor fehlte es bereits an der Erforderlichkeit; denn die Informationsbedürfnisse der Öffentlichkeit wie der Rundfunkanstalten selbst über die Rundfunk- und Fernsehprogramme werden von den Programmzeitschriften und den regelmäßigen Informationen durch die Tagespresse in absolut ausreichender und rechtzeitiger Form befriedigt. Darüber hinaus würde eine rundfunkeigene Programmpresse zu unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen der Pressefreiheit führen, weil es mit Sicherheit nicht bei der schlichten Konkurrenz bliebe, die rundfunkeigenen Programmzeitschriften die konkurrierenden Produkte der Presse vielmehr sehr bald vom Markt verdrängen würden. Kein grundsätzlich anderes Ergebnis hätte für eine rundfunkeigene Programmpresse zu gelten, die nicht in der Gestalt einer kompletten und entgeltlichen Programmzeitschrift, sondern in Gestalt der bloßen und kostenlosen Programminformation aufträte. Auch insoweit würde es sich um ein tatbestandliches Presseerzeugnis handeln, das im Verhältnis zur privatwirtschaftliehen Presse als Konkurrenz aufträte und - gerade wegen seiner Unentgeltlichkeit oder doch evidenten Kostengünstigkeit für den Konsumenten - für die Programmzeitschriften der privaten Presse eine ebenso existenzgefährdende Konkurrenz wie die rundfunkeigene Programmzeitschrift darstellen würde111 • Aus der Sicht der Rundfunkfreiheit wurde für eine solche rundfunkeigene Programminformation allerdings oben festgestellt, daß diese bei entsprechender Mangel- bzw. Gefahrenlage für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und ihr Informationsbedürfnis noch unter dem Aspekt der Annexzuständigkeit rundfunkrechtlich gerechtfertigt sein kann. Eine solche Mangel- oder Gefahrenlage wird sich für die Rundfunkanstalten namentlich dann ergeben, wenn die private Presse die Öffentlichkeit - trotz ihrer (schon) presserechtliehen Pflicht zur wahren und sorgfältigen Berichterstattung - nicht in entsprechend ausreichender und rechtzeitiger Form über die Rundfunk- und Fernsehprogramme informiert. In diesem Sinne sind die Informationstätigkeiten und -bedürfnisse von Presse und Rundfunk miteinander identisch. Konflikte treten erst dann auf, wenn eine Mangel- oder Gefahrenlage der bezeichneten Art gegeben ist. Rechtlich handelt es sich dann um einen Tatbestand der grundrechtliehen Kollision von Presse- und Rundfunkfreiheit, dem unter den Aspekten der schrankenrechtlichen Kollisionslösung Rechnung zu tragen ist. 111
Zur insoweit vergleichbaren Konstellation im Wettbewerbsrecht siehe
BGH, GRUR 77, 668 ff. = WRP 77, 400 ff.
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E. Grundrechtlicher Schutz der Presseunternehmen
Bevor auf diese schrankenrechtlichen Fragen einzugehen ist, bedarf es noch zweier weiterer, abschließender Abgrenzungen zur Pressefreiheit: Zum einen ist auf den Aspekt der rundfunkrechtlichen Zuständigkeit zur Öffentlichkeitsarbeit zurückzukommen; hierzu wurde jedoch bereits oben erkannt, daß eine rundfunkrechtlich begründete Befugnis zur Öffentlichkeitsarbeit jedenfalls tatbestandlieh nicht soweit reichen kann, daß den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine Befugnis zur eigenen Pressebetätigung zuwächst. Zum anderen stellt sich aus der Sicht der Pressefreiheit noch die Frage, ob das Grundrecht des Art. 5 I 2 GG den Presseunternehmen ein Recht darauf verleiht, von den Rundfunkanstalten über deren Programme rechtzeitig und ausreichend unterrichtet zu werden, um diese Informationen in Gestalt der pressemäßigen Publikation zu verwenden; oder in anderer Wendung ist zu fragen, ob die Rundfunkanstalten das Grundrecht der Pressefreiheit bereits dann verletzen würden, wenn sie die private Presse über ihre Programme nicht mehr in entsprechender Weise unterrichteten. Tatbestandlieh handelt es sich bei dem letzteren Problem um die Frage nach dem Umfang und den Grenzen des Rechts der Presse auf Information. Ob und inwieweit ein solches Recht der Presse zusteht, ist gesondert zu prüfen. Im augenblicklichen Zusammenhang geht es allein um die pressemäßige Eigeninformation der Rundfunkanstalten; und diese verletzt, wie gezeigt, grundsätzlich das Recht der Pressefreiheit gemäß Art. 5 I 2 GG. 111. Schranken der Pressefreiheit Eine Rechtfertigung der rundfunkeigenen Programmpresse könnte sich aus der Sicht der Pressefreiheit lediglich noch in schrankenrechtlicher Hinsicht ergeben. Grundlagen für eine legitime Beschränkung (auch) der Pressefreiheit sind der Schrankenvorbehalt des Art. 5 II GG, hier namentlich der Vorbehalt der "allgemeinen Gesetze", und die allgemeinen Grundsätze der Grundrechtskollision. "Allgemeine Gesetze" sind solche Rechtsnormen, die sich nicht speziell gegen die Pressefreiheit richten112• Würde in ein Rundfunkgesetz eine Regelung aufgenommen, derzufolge den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten das Recht zur eigenen Programmpresse eingeräumt würde, wäre dies eine gesetzliche Regelung, die unmittelbar gegen die private Presse gerichtet wäre, die Pressefreiheit also speziell beschränkte und damit den tatbstandlichen Voraussetzungen des "allgemeinen Gesetzes" nicht genügte. Der Schrankenvorbehalt des Art. 5 112 Zum Begriff des "allgemeinen Gesetzes" vgl. bereits die Rechtsprechungsnachw. oben Fn. 64.
111. Schranken der Pressefreiheit
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II GG gibt demgemäß nichts zugunsten einer rundfunkeigenen Programmpresse her. Pressefreiheit und Rundfunkfreiheit sind beide in Art. 5 I 2 GG auf der Basis gegenseitiger Gleichrangigkeit garantiert. Dies bedeutet, daß im Falle der Kollision zwischen beiden Grundrechten ein - nach beiden Seiten hin möglichst schonender - verhältnismäßiger Ausgleich hergestellt werden muß 113• Für die Auffindung und Durchsetzung dieses Ausgleichs ist, sofern es sich um einen nicht nur punktuellen Konfliktfall handelt, der Gesetzgeber zuständig114 • Zu fragen ist demgemäß, ob Kollisionslagen denkbar sind, in denen der Gesetzgeber zugunsten der Rundfunkfreiheit bzw. zugunsten einer rundfunkeigenen Programmpresse tätig werden dürfte. In gewährleistungsmäßiger Hinsicht hatte sich bereits ergeben, daß eine rundfunkeigene Programmpresse nur bei entsprechender Mangelbzw. Gefahrenlage für die Rundfunkfreiheit - und dann nur in den engen Grenzen einer entsprechenden Annexzuständigkeit - statthaft sein kann. Selbst eine derartige Form rundfunkeigener Programmpresse stellte jedoch, wie gleichfalls bereits gezeigt, einen tatbestandliehen Eingriff in die Pressefreiheit dar. Dieser Eingriff wäre jedoch dann verhältnismäßig, wenn er zur Sicherung der rundfunkmäßigen Programminformationen notwendig wäre. Dies wäre wiederum nur dann der Fall, wenn die Presse über das Programm der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten entweder überhaupt nicht oder in zeitlich wie umfangmäßig nicht ausreichender Form informieren würde. Die Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit wären im übrigen erst recht dann gegeben, wenn die Presse etwa die Rundfunkanstalten durch Nicht-Publizierung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen zu boykottieren suchte. Da der Boykott grundsätzlich nicht zu den tatbestandliehen Gewährleistungen der Pressefreiheit gehört115 , würde ein solches Verhalten der Presse in jedem Fall ein gesetzliches Vorgehen zugunsten der Rundfunkanstalten bzw. zugunsten einer rundfunkeigenen Programmpresse im dargestellt begrenzten Sinne rechtfertigen, wenn nicht gebieten. Dies sind indessen sämtlich Ausnahmekonstellationen, die derzeit nicht gegeben sind und für deren Eintreten nicht der geringste Anschein besteht. Dies bedeutet, daß eine gesetzliche Kollisionslösung zwischen Rundfunk- und Pressefreiheit mit dem Inhalt, daß eine rundfunkeigene Programmpresse erlaubt würde, nicht in Betracht kommen kann. Es besteht keine entsprechende Mangel- oder Gefahrenlage; us Vgl. grundlegend Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 1961, S. 125 ff.,
153.
114 Siehe R. Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 118 ff. m Vgl. BVerfGE 25, 256 (263 ff.).
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E. Grundrechtlicher Schutz der Presseunternehmen
demgemäß kann ein entsprechender Eingriff in die Pressefreiheit nicht als verhältnismäßig beurteilt werden. Darüber hinaus kann eine entsprechend staatliche Pressetätigkeit auch nicht mit dem Argument gerechtfertigt werden, daß eine direkte, staatliche bzw. rundfunkeigene Information wegen der Bindung der Presse an "gewöhnliche Profitinteressen" ergänzend erforderlich sei116• Gerade im Bereich der Programmzeitschriften ist das Angebot derart vielfältig, daß eine unmittelbare Programminformation durch rundfunkeigene Presseprodukte auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer angeblich sozialstaatliehen Leistungspflicht gerechtfertigt werden kann. Auch für entsprechend komplementäre Funktionen einer solchen Eigenpublikation der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist kein verfassungsmäßiger Platz. Zusammenfassend ist nach alledem festzuhalten, daß eine rundfunkeigene Programmpresse das Grundrecht der Pressefreiheit regelmäßig verletzen würde. Eine Ausnahme kommt nur für den Fall in Betracht, daß über die Rundfunkprogramme durch die Presse nicht ausreichend und rechtzeitig informiert würde und den Rundfunkanstalten deshalb ein supplementäres Instrument der eigenen Programminformation zur Verfügung gestellt werden müßte. Dieses hätte sich nach den Grundsätzen einer verhältnismäßigen Grundrechtskollisionslösung aber an den Rahmen rundfunkrechtlicher Annexzuständigkeiten zu halten, würde den Rundfunkanstalten also nicht das Recht zur eigenen privatwirtschaftlich betriebenen Pressetätigkeit einräumen. Insoweit kämen allein begrenzte Programmankündigungen in Betracht, die die Rundfunkanstalten unmittelbar den Rundfunkteilnehmern zustellten.
IV. Grundrechtsschutz aus Berufs- und Eigentumsfreiheit Obwohl das Grundrecht der Pressefreiheit gemäß Art. 5 I 2 GG auch die wirtschaftlich-gewerbliche Seite des Pressewesens gewährleistungsmäßig mit umfaßt, sieht sich diese auch in den Grundrechten der Berufs- und Gewerbefreiheit gemäß Art. 12 I GG und der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, hier in Gestalt des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, verankert. Wie bereits oben dargelegt117, konkurrieren diese Grundrechtsbestimmungen mit Art. 5 I 2 GG insoweit ideal. Dies bedeutet, daß die Verfassungsmäßigkeit einer rundfunkeigenen Programmpresse auch an den Grundrechten aus Art. 12 und Art. 14 GG zu messen ist. Darüber hinaus könnte an das 116 So aber Plenge, Die Zulässigkeit staatlicher Zeitungen und Zeitschriften, Diss. jur. Kiel 1975, S. 32 ff. 111 Vgl. die Nachw. oben Fn. 70.
IV. Grundrechtsschutz aus Berufs- und Eigentumsfreiheit
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Hauptfreiheitsrecht des Art. 2 I GG gedacht werden, sofern man in diesem die Gewährleistung der Freiheit zur wirtschaftlich-unternehmerischen Betätigung mit angelegt sieht. Nach hiesiger, an anderer Stelle118 näher dargelegten Auffassung gilt der Grundsatz der Spezialität der Rechte aus Art. 12 I und Art. 14 GG jedoch auch für das Grundrecht der wirtschaftlich-unternehmerischen Betätigung; Art. 2 I GG ist insoweit subsidiär, also auch im hiesigen Zusammenhang nicht neben Art. 5 I 2 GG zu prüfen. 1. Art. 12 I GG schützt sowohl die freie Wahl aller Presseberufe als auch deren Ausübung119• Beide Freiheiten können jedoch gemäß Art. 12 I 2 GG durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden. In den Rahmen der hiernach möglichen Beschränkungen könnte demgemäß auch eine durch Rundfunkgesetz zugelassene rundfunkeigene Programmpresse fallen. Das Grundrecht der Berufsfreiheit konstituiert nämlich kein (absolutes) Funktionsverbot des Inhalts, daß konkurrenzwirtschaftliche Maßnahmen staatlicher Aufgabenträger generell verboten wären. Im einzelnen wurde dies bereits im Zusammenhang mit der grundgesetzliehen Wirtschaftsverfassung dargelegt. Andererseits müssen sich alle konkurrenzwirtschaftlichen Maßnahmen des Staates innerhalb der vom BVerfG namentlich im Apotheken-Urteil 120 entwickelten Schrankenregeln halten; des weiteren müssen gesetzliche Regelungen, die in Ausführung des Regelungs- und Gesetzesvorbehalts gemäß Art. 12 I 2 GG ergehen, ihrerseits verfassungsmäßig sein, d. h. sie dürfen nicht gegen andere (formelle oder materielle) Verfassungsnormen verstoßen121 • In letzterer Hinsicht hatte sich bereits gezeigt, daß eine gesetzliche Regelung, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auch eine pressemäßige Betätigung gestatten wollte, mit Ausnahme der Regelungskonstellation einer zulässigen Annexzuständigkeit über den Regelungs- und Kompetenzbereich der Rundfunkfreiheit hinausgriffe und gegen das Grundrecht der Pressefreiheit verstieße. Dies bedeutet, daß eine solche gesetzliche Regelung auch nicht in Art. 12 I 2 GG ihre verfassungsrechtliche Deckung finden kann. Aus Art. 12 I 2 GG folgt demgemäß keine Ermächtigung für den staatlichen Gesetzgeber, den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine rundfunkeigene Programmpresse von der Art zu gestatten, daß namentlich eigene Programmzeitschriften herausgebracht würden. Im 11s Vgl. R. Scholz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 12 Rdnr. 114 ff. 119 Vgl. R. Scholz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 12 Rdnr. 162. 120 Vgl. BVerfGE 7, 377 (405 ff.); 21, 245 (249 ff.). 121 Vgl. BVerfGE 9, 83 (87 f.); 29, 327 (333); 38, 61 (79); R. Scholz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 12 Rdnr. 229, 317.
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übrigen gelten die Maßstäbe des Apotheken-Urteils. Hiernach ist insbesondere die Errichtung eines - rechtlichen oder auch nur faktischen -Monopols unter Verdrängung der als Beruf ausübbaren Wirtschaftstätigkeit der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger nur dann legitim, wenn dies zur Abwehr einer unmittelbaren Gefahr für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut geschieht1 22 • Als Gemeinschaftsgut in diesem Sinne könnte allein die Erhaltung der Rundfunkfreiheit gelten. Diese sieht sich jedoch in keiner Weise von Seiten der Presse gefährdet, so daß die monopolisierende Zulassung einer rundfunkeigenen Programmpresse auch aus der Sicht des Grundrechts der Berufsfreiheit nicht zu rechtfertigen wäre. 2. Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG schützt mit dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb die organisierte und substantielle Gesamtheit der sächlichen, persönlichen und sonstigen Unternehmensmittel, eingeschlossen alle maßgebenden wirtschaftlichen Erscheinungsformen und Ausstrahlungen, die in der Hand des Unternehmers zu einer geschlossenen und als solche wirksamen ökonomischen Funktionseinheit zusammengeiaßt sind123 • Nicht geschützt sind durch dieses Recht "bloße Gewinnchancen, Zukunftshoffnungen oder sonstige Erwartungen und Aussichten" 124• Diese können erst dann in den Schutzbereich des Art. 14 GG fallen, wenn mit der Entziehung dieser Positionen gleichzeitig die Grundlage für eine wirtschaftliche sinnvolle (rentable) Eigentumsnutzung schlechthin entfällt125 • Demgemäß schützt das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb grundsätzlich nicht vor Konkurrenz, auch nicht vor solcher des Staates oder seiner Einrichtungen126 • Das gleiche gilt im übrigen aus der Sicht des Art. 12 I GG; auch das Grundrecht der Berufs- bzw. Gewerbefreiheit schützt nicht vor der Zulassung von Konkurrenz 127• Schrankenrechtlich gelten für die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG weitgehend die gleichen Maßstäbe wie für die Berufsfreiheit des Art. 12 I GG128 ; denn beide Grundrechte konkurrieren wiederum ihrerseits Vgl. BVerfGE 21, 249 ff. Vgl. nur z.B. BVerfGE 1, 264 (277); 13,225 (229); 45, 142 (173); BVerwGE 3, 254 (256); BGHZ 33, 157 (162 ff.); 49, 231 (236 ff.); Papier, VVDStRL 35, 55 (81 ff.); Badura, AöR 98, 153 ff.; Friauf I Wendt, Eigentum am Unternehmen, 1977, bes. S. 22 ff., 45 ff. 124 BGHZ 48, 58 (61); siehe auch z. B. BVerfGE 30, 292 (335); 39, 210 (237). 125 Vgl. näher bereits sowie m. Nachw. v. Maydell I Scholz, Grenzen der Eigenwirtschaft, S. 128 ff. 128 Vgl. BVerwGE 17, 306 (314); v. Maydell I Scholz, Grenzen der Eigenwirtschaft, S. 130. 127 Vgl. BVerfGE 7, 377 (408); 11, 168 (188 f.); R. Scholz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 12 Rdnr. 40, 353. 122 123
V. Zusammenfassung
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und sehen sich in ihrer Gesamtheit als grundrechtliche Zentralverbürgung aller wirtschaftlichen Freiheiten angelegt129• Dies bedeutet, daß eine Verletzung der Eigentumsgarantie hier namentlich dann vorliegt, wenn durch die monopolistische Zulassung oder Durchsetzung einer rundfunkeigenen Programmpresse einzelne Zeitungen oder Programmzeitschriften in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht bzw. ruiniert würden130 • V. ··Zusammenfassung
Insgesamt ergibt sich, daß die Zulassung und Aufnahme einer rundfunkeigenen Programmpresse nicht nur und regelmäßig die funktionellen Grenzen der Rundfunkfreiheit überschreitet, sondern auch die Grundrechte der Pressefreiheit, der Berufsfreiheit und der Eigentumsgarantie verletzt. Eine Ausnahme hiervon kommt nur dann in Betracht, wenn auf Seiten der Öffentlichkeit ein echter Informationsmangel besteht oder eine akute Gefahr des Inhalts besteht, daß die Öffentlichkeit über die Rundfunk- und Fernsehprogramme nicht ausreichend und rechtzeitig unterrichtet wird. Sofern die Presse diese von ihr bisher wahrgenommenen Aufgaben also nicht mehr erfüllt oder erfüllen kann, wäre der Gesetzgeber berechtigt, im Rahmen der geltenden Rundfunkgesetze eine entsprechende Annexzuständigkeit zugunsten einer un-' mittelbaren ("pressemäßigen") Programminformation durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zugunsten ihrer Rundfunkteilnehmer zuzulassen. Eine solche Programmpresse müßte sich nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der rundfunkrechtlichen Annexzuständigkeit aber auf die bloße Information beschränken, sie müßte im Rahmen des rundfunkrechtlichen Nutzungsverhältnisses zwischen Rundfunkanstalt und Rundfunkteilnehmer vollzogen werden (unmittelbare Verteilung von Rundfunkanstalt an Rundfunkteilnehmer) und dürfte damit am allgemeinen Pressemarkt nicht konkurrierend teilnehmen.
128 Vgl. näher R. Scholz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 12 Rdnr. 142. 129 Vgl. näher wiederum R. Scholz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 12 Rdnr. 122 ff. l3o Vgl. auch z. B. BVerwGE 17, 306 (313 f.).
5 Scholz
F. Informationsanspruch der Presse gegenüber den Rundfunkanstalten I. Fragestellung Von der Frage nach der Zulässigkeit einer rundfunkeigenen Programmpresse zu unterscheiden ist die Frage, ob und ggf. inwieweit die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihrerseits verpflichtet sind, die Presse über die Rundfunk- und Fernsehprog~;amme zu informieren und dieser damit die Möglichkeit zur eigenen Publikation sowie zur Betreibung einer eigenen Programmpresse zu geben. Bisher haben die Rundfunkanstalten den interessierten Presseherausgebern in langjähriger Übung alle Programminformationen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung gestellt. Damit ist jedoch noch nicht die Frage entschieden, ob die Rundfunkanstalten hierzu auch rechtlich verpflichtet sind. In der Vergangenheit hat die Zusammenarbeit zwischen den Rundfunkanstalten und der Presse zu keinen Schwierigkeiten geführt. Den Rundfunkanstalten war es bisher einerseits möglich, entsprechend den Notwendigkeiten des pressemäßigen Herstellungs- und Publikationsprozesses die Presse rechtzeitig über ihre Programmvorhaben zu informieren; andererseits führte die Herausgabe der "Programmfahnen" und ggf. weiterer Informationen, wie etwa ergäru:enden Textmaterials, der Monatsvorschauen und Fotos, zu keiner Belastung der Rundfunkanstalten, die zu irgendwelchen Beeinträchtigungen für den eigenen Aufgabenhereich geführt hätte. Würden die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten diese Informationspraxis beenden, würde sich für die Presseunternehmen die Frage stellen, ob sie ihrerseits einen Rechtsanspruch auf entsprechende Information durch die Rundfunkanstalten haben. Damit sieht sich die Problematik der presserechtliehen Informationsansprüche erreicht131 .
131 Zu dieser Umfrage sowie zum Folgenden siehe bes. Jerschke, Öffentlichkeitspflicht, S. 168 ff.; Löffler, NJW 64, 2777 ff.; Löffler I Ricker, Handbuch, S. 94 ff.; Stober, AfP 81, 389 ff.; ders., DRiZ 80, 3 ff.; Wenzel, LöfflerFestschrift, 1980, S. 391 ff.; R. Groß, ZBR 77, 62 ff.; Kürschner, DRiZ 81, 401 ff.
II. Pressegesetzlicher lnforma tionsanspruch
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II. Pressegesetzlicher Informationsanspruch Die Pressegesetze der Länder gewähren in ihrem jeweiligen § 4 (Ausnahme Hessen: § 3) der Presse gegenüber den staatlichen Einrichtungen einen grundsätzlichen Auskunftsanspruch. Dieser ist, unterschiedlich von Land zu Land, gewissen Einschränkungen unterworfen. Während die bayerische Regelung in § 4 II BayLPG eine Ausnahme lediglich für die Fälle beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Verschwiegenheitspflichten zuläßt, anerkennt z. B. § 4ll BadWüLPG zusätzlich auch die Vereitelung, Erschwerung, Verzögerung oder Gefährdung der sachgemäßen Durchführung eines Verfahrens sowie die Verletzung eines überwiegenden öffentlichen oder schutzwürdigen privaten Interesses als Grund zur Auskunftsverweigerung132• Daß darüber hinaus teilweise gefordert wird, die Presse müsse ihr Auskunftsverlangen in den Dienst der Erfüllung ihrer "öffentlichen Aufgabe" stellen133, kann hier unbeachtlich bleiben. Denn ungeachtet der besonderen rechtlichen Problematik dieses Funktionsbegriffs134 und der Methode, hieraus allein rechtliche Folgerungen in Bezug auf gültige Anforderungen an eine auskunftsberechtigte Presse zu ziehen, kann die pressemäßige Erfragung und Veröffentlichung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen auch nach einer restriktiven Deutung des presserechtlichen Auskunftsanspruches nicht ausscheiden. Denn die "öffentliche Aufgabe" der Presse orientiert sich jedenfalls an einem Maß von Allgemeinheitsbezug und Öffentlichkeitsinteresse; und dies ist in Gestalt des Publikumsinteresse an der Information über Rundfunk- und Fernsehprogramme unbestreitbar gegeben. Auskunftspflichtig sind nach den einschlägigen Regelungen der Landespressegesetze "die Behörden". Dieser verwaltungsrechtliche Begriff135 bezeichnet gemäß der Legaldefinition des § 1 IV VwVfG "jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt". Hierunter fallen also nicht nur die Verwaltungsbehörden im organisatorischen Sinne, sondern auch alle anderen Einrichtungen, die auf der Grundlage von Vorschriften des öffentlichen Rechts mit der Befugnis zu einem nach öffentlichem Recht zu beurteilenden Handeln ausgestattet sind. Daß eine solche Stelle daneben auch zum Handeln aufgrund oder in den Formen des Privatrechts befugt ist oder sogar überwiegend in 132
Vgl. dazu Kürschner, DRiZ 81, 401 ff.; Löffler I Ricker, Handbuch,
s. 99 ff.
133 Vgl. dazu in allgemeinerer Kritik bereits R. Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 49 ff. m. w. Nachw. m Vgl. hierzu die jüngsten Nachw. oben Fn. 38. 1ss Vgl. Löffler I Ricker, Handbuch, S. 98; Wolff I Bachof, Verwaltungsrecht II, S. 81 ff.
s•
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F. Informationsanspruch der Presse
dieser Weise tätig wird, ist tatbestandlieh ohne Belang136. Dies bedeutet, daß auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unter den gesetzlichen Behördenbegriff fallen. Zweifel an der Behördeneigenschaft der Rundfunkanstalten lassen sich nicht etwa darauf gründen, daß diese infolge des Verfassungsgebots der "Staatsfreiheit" des Rundfunks aus dem Organisationsbereich der unmittelbaren Staatsverwaltung ausgegliedert sind. Denn unter den Behördenbegriff fallen auch alle Träger mittelbarer Staatsverwaltung bzw. auch solche Träger öffentlicher Verwaltung, die mit Selbstverwaltungsrechten ausgestattet sind137. Wie bereits oben ausgeführt wurde, gehören die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten - ungeachtet ihres besonderen, "staatsfreien" Funktionsauftrages - zu diesen Trägern mitttelbarer Staatsverwaltung bzw. Verwaltungsträgern mit Selbstverwaltungsrecht. Selbst wenn man jener Auffassung nicht folgen wollte, die die Rundfunkanstalten von vornherein bzw. ohne weiteres als Verwaltungsträger ansehen, bleiben die Rundfunkanstalten doch zumindest Verwaltungsträger im organisatorischen Sinn. Denn sie haben als öffentlich-rechtliche Anstalten zugleich Anteil an hoheitlichen Befugnissen, wie sie sich z. B. in der Gebührenhoheit und in der Zuteilung von Wahlkampfsendezeiten ausdrücken. Wenn die Anwendung von Landesverwaltungsverfahrensgesetzen auf die Rundfunkanstalten ausgeschlossen wird, so z. B. gemäß Art. 2 I 2 BayVwVfG, so ändert dies an der Behördeneigenschaft der Rundfunkanstalten nichts. Im Gegenteil, zieht man ergänzend den verwaltungsverfahrensgesetzlichen Behördenbegriff heran (siehe hier § 1 II BayVwVfG), so wird deutlich, daß eine Ausnahmeklausel, wie die des Art. 2 I 2 BayVwVfG gerade deshalb nötig ist, weil die Rundfunkanstalten ansonsten bzw. wensensgemäß unter den (allgemeinen) Behördenbegriff fallen. Gegenstand des hier in Frage stehenden Auskunftsanspruch ist die Programmtätigkeit der Rundfunkanstalten. Diese ist als solche an sich keine staatliche Aufgabe, sondern eine (bloße) "öffentliche Aufgabe", die lediglich aus den bekannten rundfunk-politisch-strukturellen Gründen in die Organisationsform der juristischen Person des öffentlichen Rechts übergeben wurde. Demgemäß ist die Programmtätigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auch nicht als Verwaltungsaufgabe im originären Sinne oder als genuin hoheitliche Aufgabe zu begreifen. Andererseits handelt es sich auch nicht um ein bloß fiskalisches Handeln im engeren Sinne. Es handelt sich bei der Programmtätigkeit des Rundfunks vielmehr um ein entweder öffentlich-rechtliches oder verwaltungsprivatrechtliches Handeln13s, das jedoch und jedenfalls dem gesetzlichen Auskunftsanspruch 136 137 138
Vgl. z. B. Kopp, VwVfG, 2. Aufl. 1980, § 1 Rdnr. 21. Vgl. z. B. Meyer I Borgs-Maciejewski, VwVfG, 1976, § 1 Rdnr. 30. Vgl. dazu bereits die Nachw. oben Fn. 36.
11. Pressegesetzlicher Informationsanspruch
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zu unterstellen ist139; denn in jedem Falle handelt es sich bei der Programmtätigkeit um die "behördliche Zuständigkeit" der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten. Die Auskünfte, zu denen eine Behörde auf Anfrage der Presse prinzipiell verpflichtet ist, werden teilweise von der sog. "Eigeninformation" abgehoben140• Hiernach sollen die Behörden lediglich verpflichtet sein, die von den Vertretern der Presse gestellten (zulässigen) Fragen zu beantworten, nicht aber dazu verpflichtet sein, die Presse von sich aus zu unterrichten ("Eigeninformation"). Ob dies in dieser allgemeinen Form richtig ist, kann zweifelhaft erscheinen. Im Ergebnis kann diese Frage hier aber deshalb offenbleiben, weil angesichts der Regelmäßigkeit, mit der die Programmzeitschriften und die Tageszeitungen die Rundfunkund Fernsehprogramme zu veröffentlichen pflegen, zumindest von einer regelmäßigen Auskunftsanfrage ("Daueranfrage") auszugehen wäre, auf die die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wiederum mit entsprechender Regelmäßigkeit zu antworten hätten. Hier auf einem ausdrücklichen wöchentlichen Auskunftsersuchen zu bestehen, stellte sich als überflüssiger und damit belangloser Formalismus heraus. Der bisherige Umfang der Vorabinformationen der Presse durch die Rundfunkanstalten über deren Programme hat offenkundig nicht zu einem Aufwand geführt, der die Rundfunkanstalten übermäßig belastet hätte. Hinsichtlich aktuell erforderlich werdender Programmänderungen sind die Rundfunkanstalten ohnehin durch ihre Vorabinformationen nicht gebunden. Sollten die Rundfunkanstalten ihre Pflicht zur Programminformationen als lästig empfinden, wäre dies deshalb bedeutungslos, weil die bloße Lästigkeit keinen Ausschließungsgrund verkörpert141 • Auch in wirtschaftlicher Hinsicht entstehen den Rundfunkanstalten offenkundig keine Kosten, die etwa ein Argument wirtschaftlicher Unvertretbarkeit begründen könnten. Den Rundfunkanstalten ist es des weiteren offenkundig auch möglich, die Presse so rechtzeitig und so vollständig von den geplanten Sendeprogrammen zu unterrichten, daß diesen noch die - infolge der Herstellungsdauer unerläßliche - Mindestzeit für die eigene Tätigkeit verblieb. Auch insoweit sind also keine Gründe erkennbar, die ein Abrücken der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von der bisherigen Auskunftspraxis plausibel machen könnten. Dies bedeutet, daß den einschlägigen Presseunternehmen nach geltendem Presserecht ein einfach-gesetzlicher Auskunftsanspruch auch hinsichtlich der Rundfunk- und Fernsehprogramme zusteht. Dieser Anspruch kann von den Presseunternehmen im 139 a. A. VGH Mannheim, NJW 82, 668 f.; ebenso wie hier aber VG Köln, E . vom 6. 2. 1981 (6 K 161/80). 140 Vgl. BVerwGE 47, 247 (251). 141 Vgl. Löffler I Ricker, Handbuch, S. 103.
F. Informationsanspruch der Presse
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Wege der allgemeinen Leistungsklage vor den Verwaltungsgerichten durchgesetzt werden142. 111. Verfassungsrechtlicher Informationsanspruch Das Bestehen eines einfach-gesetzlichen Auskunftsanspruchs der Presse enthebt indessen nicht von der weiteren Frage, ob der Presse darüber hinaus nicht auch ein verfassungsrechtlicher Auskunftsanspruch zusteht. Oder anders ausgedrückt: Es ist zu fragen, ob die einfachen Gesetzgeber (Landespressegesetzgeber, Landesrundfunkgesetzgeber) ggf. berechtigt wären, zugunsten einer rundfunkeigenen Programmpresse den pressegesetzlichen Auskunftsanspruch der Presse einzuschränken. Daß im übrigen auch nach geltendem Recht Lücken im pressegesetzlichen Auskunftsrecht auftreten können, belegt die Konstellation in einem Falle, den der VGH Mannheim unter dem 5. 10. 1981 zu entscheiden hatteus. Ob der Presse ein verfassungskräftiges Informationsrecht zusteht, ist umstritten144. Das BVerfG tendiert offenkundig zur Anerkennung eines solchen Auskunftsrechts, wenn es in seiner Entscheidung vom 5. 8. 1966 zur verfassungsrechtlichen Garantie des "Instituts ,Freie Presse"' ausführt: "Der Staat ist ... verpflichtet, in seiner Rechtsordnung überall, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen. Freie Gründung von Presseorganen, freier Zugang zu den Presseberufen, Auskunftspflichten der öffentlichen Behörden sind prinzipielle Folgerungen daraus; . .." 145• Andererseits stellt sich diese Äußerung des BVerfG mehr als bloßes obiter dieturn dar; es handelt sich mit anderen Worten um keine Aussage, die als tragender Entscheidungsgrund an der Rechts- und damit Gesetzeskraft der verfassungsgerichtlichen Entscheidung teil hätte. Demgemäß wird von anderen Gerichten, namentlich vom BVerwG, die Frage eines verfassungskräftigen Auskunftsanspruch der Presse offengelassen146. 142
Vgl. BVerwGE 47, 247 ff.; VG Köln (Fn. 139); Löffler I Ricker, Handbuch,
s. 105 f.
Vgl. NJW 82, 668 f. Für ein verfassungsgarantiertes Informationsrecht siehe bes. Löffler, NJW 64, 2287; Löffler I Ricker, Handbuch, S. 94 f.; R. Groß, ZBR 77, 63 ff.; Jerschke, Offentlichkeitspflicht, S. 223 ff.; Wenzel, Löffler-Festschrift,S.393 f.; Stober, AfP 81, 391, 393 f. (allerdings nicht aus Art. 5 I GG). Gegen ein solches Recht siehe bes. VGH Mannheim, NJW 82, 669; Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 5 1111 Rdnr. 122 ff., 137; Scheuner, VVDStRL 22, 1 (72); Forsthoff, Zeitungspresse, S. 54; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 92; Ridder, Handbuch der Grundrechte, Bd. II, 1954, S. 243 (276). 145 BVerfGE 20, 162 (175 f.). 148 Vgl. BVerwGE 47, 252 f. 143 144
111. Verfassungsrechtlicher Informationsanspruch
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Als mögliche Rechtsgrundlage eines verfassungskräftigen Auskunftsanspruchs der Presse wird das Grundrecht der Pressefreiheit selbst gemäß Art. 5 I 2 GG und daneben auch das Grundrecht der Informationsfreiheit gemäß Art. 5 I 1 GG diskutiert. 1. Unmittelbar läßt sich ein verfassungsrechtlicher Auskunftsanspruch der Presse gegenüber Behörden und damit hier auch gegenüber öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht auf das Grundrecht der Informationsfreiheit gemäß Art. 5 I 1 GG stützen147 • Denn Gegenstand der Informationsfreiheit ist das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten; und allgemein zugänglich ist in diesem Sinne eine Informationsquelle nur dann, "wenn sie technisch geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit Informationen zu verschaffen"148. Dies ist namentlich bei den Massenmedien der Fall. Andererseits gehört "der behördliche Bereich ... nicht zu den einem unbestimmten Personenkreis faktisch und damit allgemein zugänglichen Quellen" 149• Des weiteren folgt aus der Informationsfreiheit auch keine Pflicht des Staates, seinerseits weitere oder neue Informationsquellen im Sinne der Allgemeinzugänglichkeit zu eröffnen150 ; eine derart positiv-gewährleistungsrechtliche (sozial-grundrechtliche) Komponente kennt das liberale Freiheitsrecht der Informationsfreiheit nicht. Die Besonderheit des hiesigen Zusammenhangs besteht andererseits darin, daß hier als ggf. auskunftspflichtige Behörde mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ein Massenmedium selbst in Frage steht. Es fragt sich mit anderen Worten, ob eine Behörde dann zum grundrechtspflichtigen Adressaten der Informationsfreiheit wird, wenn sie nach Aufgabe und Organisation Massenmedium im Sinne der medienrechtlichen Garantien des Kommunikationsverfassungsrechts ist. Nach hiesiger Auffassung ist diese Frage im Ergebnis jedoch deshalb zu verneinen, weil sich hier Medien- und Informationsrecht überlagern bzw. mittelbar verschränken. Dies bedeutet, daß ein behördlich organisiertes Massenmedium natürlich der Informationsfreiheit insoweit unterliegt, wie es um die unmittelbare Zugänglichkeit aller derjenigen Personen geht, die aus dem Grundrecht der Informationsfreiheit direkt berechtigt sind; in diesem Sinne unterliegen selbstverständlich alle öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dem Recht aller Bürger auf 147 Vgl. BVerwGE 47, 252; R. Groß, ZBR 77, 63; Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 5 Illl Rdnr. 138; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 74 f.; Löffler I Ricker, Handbuch, S. 95; in entgegengesetzter Richtung siehe Wenzel, Löffler-Festschrift, S. 395 f. 148 BVerwGE 47, 252. 149 BVerwGE 47, 252; siehe auch Löffler, NJW 64, 2278; Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 5 1111 Rdnr. 81, 90. 150 Vgl. BVerwGE 47, 252; Herzog, in: Maunz /Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 5 IIII Rdnr. 101; R. Groß, ZBR 77, 64.
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F. Informationsanspruch der Presse
Informationsfreiheit. Umgekehrt bedeutet dies jedoch nicht, daß sich aus der Informationsfreiheit ein privilegierendes Auskunftsrecht der Presse, d. h. eines anderen und konkurrierendes Massenmediums, herleiten ließe. Die Presse ist vielmehr aus der Informationsfreiheit nicht mehr und nicht minder aktivlegitimiert, wie jeder andere Bürger auch. Das Auskunftsrecht der Presse geht also nicht weiter, als die Pflicht der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt zur Publikation als allgemein zugängliche Informationsquelle reicht. Dies bedeutet wiederum, daß die Presse selbstverständlich auch ein Recht auf Teilnahme am Rundfunkprogramm und auf Kenntnisnahme von den Rundfunkprogrammen hat. Andererseits bedeutet dies jedoch nicht, daß die Presse ein Recht auf Vorabinformation über die Rundfunkprogramme von der Art hätte, wie es dem Bürger sonst nicht zusteht. Insoweit stellt auch eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt eine Behörde dar, die nicht zur kompletten Auskunftserteilung über ihre behördeninternen Vorgänge verpflichtet ist. Die anstaltsinternen Vorbereitungen von Rundfunk- und Fernsehprogrammen stellen als solche noch keinen Tatbestand dar, der bereits als allgemein zugängliche Informationsquelle anzusehen wäre. In diesem Sinne verfügen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aus der Sicht der Informationsfreiheit über einen ambivalenten Status: Zum einen sind sie Massenmedium und damit der Informationsfreiheit verpflichtet; zum anderen sind sie aber auch Behörde und als solche nicht allgemein zugängliche Quelle im Sinne der Informationsfreiheit. Zwischen beiden Eigenschaften der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kann nur nach Maßgabe der konkret geforderten Auskunft bzw. nach Maßgabe der dieser konkret zugrundeliegenden (massenmedialen oder behördlich-internen) Funktion abgegrenzt werden. Soweit es um die Vorabinformation über geplante und damit künftige Rundfunk- oder Fernsehprogramme geht, verfügt diese noch nicht über die Eigenschaft der Allgemeinzugänglichkeit; allgemein zugänglich werden sie erst dann, wenn ihnen die Rundfunkanstalt durch entsprechend öffentliche Ankündigung den Inhalt der allgemein zugänglichen Informationsquelle verleiht. Für ein presserechtliches Auskunftsrecht bedeutet dies wiederum, daß dies - will man es auf die Informationsfreiheit stützen- jedenfalls nicht früher als zu diesem Zeitpunkt entstehen kann. Aus dem Grundrecht der Informationsfreiheit gemäß Art. 5 I 1 GG läßt sich demgemäß kein verfassungskräftiges Auf:lkunftsrecht der Presse ableiten, das inhaltlich über die allgemeinen Informationsrechte aller Bürger gegenüber den Massenmedien hinausreichte. Mit dieser Feststellung sieht sich der Bedeutungsgehalt der Informationsfreiheit allerdings noch nicht ganz abschließend ausgeschöpft. Denn
111.
Verfassungsrechtlicher Informationsanspruch
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die Informationsfreiheit bildet gemäß Art. 5 I 1 GG, verbunden mit der dort ebenfalls garantierten (allgemeinen) Meinungsfreiheit, auch die Grundlage der kommunika:tionsverfassungsrechtlich garantierten Publikums- oder Rezipientenfreiheit151 • Der einzelne Bürger steht im Mittelpunkt aller Kommunikationsverfassungsrechte; auch die Medienrechte im Sinne des Art. 5 I 2 GG stehen vorrangig im Dienste der individualen Meinungs- und Informationsfreiheit gemäß Art. 5 I 1 GG. Die letzteren bilden- als Publikums- bzw. Rezipientenfreiheit- die maßgebenden Bezugspunkte der Medienfreiheiten von Presse, Rundfunk und Film; und dies bedeutet wiederum, daß sich die strukturellen Anlagen und kommunikativen Wirksamkeiten bzw. Aufgaben der Massenmedien wesentlich aus der Sicht der Publikums- bzw. (individualen) Rezipientenfreiheit bestimmen. Gerade im Sinne einer möglichst funktionsoptimierenden Auslegung der Medienfreiheiten müssen Reichweite und Begrenzbarkeiten der Medienfreiheiten mit Rücksicht auf die individualen Freiheiten des Art. 5 I 1 GG geregelt und interpretiert werden. Dieser, im einzelnen an anderer Stelle152 näher begründete Zusammenhang von Medienfreiheiten und Publikums- bzw. Rezipientenfreiheit führt im vorliegenden Zusammenhang zwar nicht dazu, daß der Presse ein verfassungskräftiges Informationsrecht gegenüber den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nach Maßgabe der Informationsfreiheit einzuräumen wäre. Andererseits ist das hier in Frage stehende Verhältnis von Presse und Rundfunk jedoch auch im Lichte der Interessen des Publikums bzw. der einzelnen Rezipienten zu begreifen. Dies bedeutet, daß den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zumindest ein besonderes Maß an Rücksichtnahme auch auf die Presse dort abzufordern ist, wo die Presse ihrerseits wiederum Informationsfunktionen übernimmt, die dem Publikum bzw. dem einzelnen Rezipienten gerade in seinen medienrechtlichen Kommunikationschancen nützt. In diesem Sinne ist vor allem davon auszugehen, daß auch ein funktionierendes Kooperationsverhältnis von Presse und Rundfunk den Kommunikationsinteressen des Publikums in besonderer Weise entgegenkommt; und dies muß wiederum auch von den Massenmedien hier von Rundfunk und Presse - in ihrer Informations- und Kommunikationspolitik berücksichtigt werden. Ohne daß aus dieser vor allem kommunikationspolitischen Pflicht zur Rücksichtnahme ein unmittelbares (subjektiv-rechtliches und klagbares) Recht auf Auskunftserteilung zugunsten der Presseunternehmen anzuerkennen wäre, im Gesamtzusammenhang der Kommunikations- und Medienrechte aus Art. 5 I 1, 2 GG bleibt dervorbezeichnete Sinnzusammenhang zumindest als Interpretationskriterium mit maßgebend. 151 152
Vgl. dazu bereits R. Scholz, Löffler-Festschrift, S. 355 ff. Löffler:,.Festsehrift, a.a.O. :
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F. Informationsanspruch der Presse
2. Läßt sich ein verfassungskräftiges Auskunftsrecht der Presse nicht auf die Informationsfreiheit gemäß Art. 5 I 1 GG stützen, so kann ein solches Auskunftsrecht doch aus der Pressefreiheit gemäß Art. 5 I 2 GG unmittelbar folgen. Interpretationsmäßig wirkt verstärkend in diesem Sinne der vorbezeichnete Zusammenhang von Informations- und Rezipientenfreiheit. Soweit ein verfassungskräftiges Auskunftsrecht der Presse aus Art. 5 I 2 GG abgeleitet wird, werden zur Begründung vor allem die "öffentliche Aufgabe" der Presse und deren freiheitlich-demokratische Funktion als Vermittler des Informations- und Kommunikationsprozesses zwischen Staat und Bürger herangezogen153• Nach hiesiger Auffassung trüge der Aspekt der "öffentlichen Aufgabe" allerdings relativ wenig bei; denn die "öffentliche Aufgabe" der Presse ist nicht von normativ-juristischer, sondern prinzipiell nur von tatsächlich-soziologischer Qualität154 • Aus ihr können demgemäß dogmatische Schlußfolgerungen auf ein entsprechendes (verfassungsmäßig-eigenständiges) Auskunftsrecht der Presse schwerlich gezogen werden. Anders steht es dagegen mit der freiheitlich-demokratischen Informations- und Kommunikationsfunktion der Presse - namentlich im Zusammenhang mit der oben dargestellten Rezipienten- und Publikumsfreiheit. Denn hier handelt es sich um einen auch normativ wirksamen Begründungsansatz von unmittelbarem Verfassungsrang. Auf der anderen Seite bleibt allerdings zu beachten, daß das Grundrecht der Pressefreiheit prinzipiell nur liberales Freiheitsrecht und nicht soziales Teilhaberecht ist. Dies bedeutet, daß sich aus der Pressefreiheit keine positiven Leistungsansprüche zugunsten der Presse gegenüber dem Staat oder einzelnen staatlichen Aufgabenträgern ableiten lassen. Aus Art. 5 I 2 GG läßt sich demgemäß kein unmittelbares, positives Auskunftsrecht der Presse des Inhalts herleiten, daß die Presse unbeschränkt gegenüber allen staatlichen Aufgabenträgern (Behörden) auskunfts- bzw. informationsbefugt wäreus. Soweit reicht namentlich auch die Öffentlichkeitspflicht des Staates nicht156 ; folgerichtig kann auch die informations- bzw. kommunikationsvermittelnde Funktion der Presse nicht mehr Öffentlichkeitserfordernisse begründen, als dem jeweils betroffenen, konkret angesprochenen staatlichen Aufgabenträger bereits kraft eigener Öffentlichkeitspflicht obliegt. Die Presse hat - ihrer medialen Aufgabe gemäß - grundsätzlich nur eine t53 Vgl. Löffler I Rick:er, Handbuch, S. 95; R. Groß, ZBR 77, 63; Jerschke, Offentlichkeitspflicht, S. 223 ff.; Stober, AfP 81, 391, 393 f. 154 Vgl. bereits R. Scholz, Pressefreiheit und Arbeitsverfassung, S. 49 ff. 155 Vgl. Scheuner, VVDStRL22, 72; a, A. Löffler I Rick:er, Handbuch, S. 95. 156 Vgl. hierzu bes. Jerschke, Öffentlichkeitspflicht, S. 55_ff;, l17 ff.
III. Verfassungsrechtlicher Informationsanspruch
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vermittelnde Informations- und Kommunikationsfunktion zwischen Bürger (Zeitungsleser) und Staat bzw. Behörden. Dies bedeutet, daß allein aus der gleichsam "zwischengeschalteten" Informations- und Kommunikationsfunktion der Presse kein höheres Maß an Informationspflichten der Öffentlichkeit gegenüber resultieren kann, als dies auch ohne entsprechende "Zwischenschaltung" der Presse gegeben wäre. Der Presse stehen mit anderen Worten Auskunftsbefugnisse nur soweit zu, wie auf Seiten der Behörden Öffentlichkeitspflichten gegeben sind. Insoweit besteht zwischen pressemäßiger Auskunftsbefugnis und behördlicher Öffentlichkeits- bzw. Informationspflicht inhaltliche Akzessorietät. Diese inhaltliche Akzessorietät führt auf der anderen Seite nicht dazu, daß Behörden, die um bestimmte Auskünfte ersucht werden, ihrerseits unter Berufung darauf, daß keine absolute Öffentlichkeitspflicht der öffentlichen Verwaltung besteht, nach eigenem Ermessen darüber entschieden, ob der Presse eine bestimmte Auskunft gegeben wird oder nicht. Das Ermessen der öffentlichen Verwaltung ist insoweit vielmehr durch die grundsätzliche Öffentlichkeitspflicht und die rechtlich vorgegebenen Ausnahmen (Schweigepflicht, Geheimnisschutz etc.) tatbestandlieh fixiert und damit auch rechtlich gebunden157• Dies führt wiederum dazu, daß der Presse - gerade unter den Aspekten von grundrechtsoptimierender Effektivität - auch ein verfassungskräftiges Auskunftsrecht zustehen muß. Gerade um ihre vermittelnde Funktion wirksam wahrnehmen zu können, kann die Presse nicht auf ein mehr oder weniger beliebiges Maß an Öffentlichkeitsgewährung oder Informationsverteilung durch die öffentliche Verwaltung verwiesen werden; der Presse muß vielmehr ein prinzipiell eigenes, also ggf. auch klageweis durchzusetzendes Recht auf Auskunftserteilung zustehen. Am deutlichsten wird dies dort, wo Behörden oder komplette Verwaltungen überhaupt keine Auskünfte erteilten. Eine solche, mehr oder weniger generelle Informationsabstinenz der Exekutive würde bereits den Grundsätzen des demokratischen Staatswesens und seiner Pflichten zur Transparenz und Öffentlichkeit widersprechen. Andererseits offenbart sich eine solche generelle Informationsabstinenz als Extremfall, von dem sich nur bedingt her argumentieren läßt. Der maßgebende Lösungsansatz liegt bei der Einsicht in die nur relativen Öffentlichkeitspflichten des Staates. Jede behördliche Auskunft oder Veröffentlichung kann in den Widerstreit unterschiedlicher Rechtsgüter geraten; angefangen von den Diskretionspflichten bestimmter Behörden gegenüber privaten Persönlichkeitsrechten etc. bis hin zu staatlichen Sicherheitsinteressen muß jeweils in rechtlich möglichst unangreifbarer Weise 157
Vgl. hierzu bes. Jerschke, Offentlichkeitspflicht, S; ll7ff.; 135 ff., .223 ff.
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F. Informationsanspruch der Presse
zwischen Publikation und Geheimhaltung abgewogen werden. Dieser Abwägungsprozeß dirigiert auch den Umfang presserechtlicher Auskunftsbefugnisse. Soweit das Ergebnis eines solchen Abwägungsprozesses für die Publikationsmöglichkeit eines bestimmten Sachverhalts streitet, ist auch das Auskunftsrecht der Presse anzuerkennen. Diese Relativität des verfassungskräftigen Auskunftsrechts der Presse führt notwendig zum Erfordernis der gesetzgeberischen Ausgestaltung. Dieser Aufgabe haben sich die (für das Presserecht zuständigen) Landesgesetzgeber mit ihren oben geschilderten Regelungen zum pressegesetzlichen Auskunftsanspruch angenommen. Diese Regelungen stellen sämtlich Konkretisierungen eines von der Verfassung im Kern anerkannten Auskunftsrechts der Presse dar, wobei die gewählten Einund Abgrenzungen durchaus verfassungsmäßig sind. Dies bedeutet für den vorliegenden Zusammenhang, daß sich die zum einfach-gesetzlichen Auskunftsrecht der Presse getroffenen Feststellungen auch in verfassungsrechtlicher Sicht bestätigt finden. Andererseits ist damit noch nicht die Frage beantwortet, ob die landesrechtliehen Presse- oder Rundfunkgesetzgeber nicht zu Lasten der Presse und zugunsten einer rundfunkeigenen Programmpresse weitere Einschränkungen des pressegesetzlichen Auskunftsrechts vornehmen können. Da das Auskunftsrecht der Presse im vorbezeichneten Rahmen verfassungsrechtlich qualifiziert ist, kann der Gesetzgeber - auch zugunsten einer rundfunkeigenen Programmpresse - das Auskunftsrecht der Presse nur soweit beschneiden, wie dies dem Grundrecht der Pressefreiheit gegenüber verhältnismäßig ist. Diese Voraussetzungen sind wiederum nur dann gegeben, wenn die konkrete Beschränkung des Auskunftsrechts rechtlich geboten ist bzw. zugunsten eines rechtlichen Schutzgutes erfolgt, das die allgemeinen Grundsätze der exekutivischen Pflicht zur Öffentlichkeit verdrängt. Bereits nach dem oben zum einfachen Gesetzesrecht Gesagten tritt das Auskunftsrecht der Presse dann zurück, wenn es sich um Eigeninformationen des betreffenden Verwaltungsträgers der betreffenden Behörde handelt. In diesem Sinne hat auch das BVerwG in seiner Entscheidung vom 3. 12. 1974 das Bestehen eines verfassungskräftigen Auskunftsrechts der Presse mit der Begründung offengelassen, daß sich jedenfalls "ein Rechtsanspruch der Presse auf Versorgung mit Eigeninformationen von seiten der öffentlichen Hand über alle die Öffentlichkeit interessierenden amtlichen Vorgänge . .. aus der grundrechtlich gewährleisteten Pressefreiheit nicht ableiten" läßt158• Diese Begründung trifft auch nach hiesiger Aufus BVerwGE 47, 253.
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fassung zu. Ein presserechtliches Auskunftsrecht läßt sich gerade angesichts der begrenzten Öffentlichkeitspflichten der öffentlichen Verwaltung nicht auch auf den Bereich der Eigeninformationen erstrecken. Andererseits hatte sich zur hiesigen Problemstellung bereits oben ergeben, daß eine Verweigerung von Auskünften der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten über ihre Programme sich jedenfalls nicht auf das Argument der (nicht informationspflichtigen) Eigeninformation stützen läßt. Demgemäß würde auch eine entsprechende gesetzliche Regelung diesen Inhalts ausscheiden. Der VGH Mannheim hat in seiner Entscheidung vom 5. 10. 1981 einen verfassungsrechtlichen Anspruch der Presse gegen die Rundfunkanstalten verneint, "über Betätigungsbereiche Auskünfte zu erteilen, die der verfassungsrechtlich garantierten, organisatorisch staatsfrei strukturierten Rundfunkfreiheit (Art. 5 I 2 GG) unterliegen" 159 • Konkret ging es um ein Auskunftsbegehren eines pressemäßigen Informationsdienstes darüber, in welchem Umfang Bundes- und Landesbehörden oder diesen zuzuordnende juristische Personen mit öffentlichen oder satzungsmäßigen Mitteln Leistungen an Rundfunkanstalten zur Fragrammfinanzierung erbringen. Dieser Aspekt des Bezuges zur rundfunkrechtliehen Programmfreiheit veranlaßte den VGH Mannheim zur Verneinung des presserechtliehen Auskunftsanspruches; soweit es "um den Bereich der Programmgestaltung mit allen vorbereitenden und ausführenden Tätigkeiten einschließlich der Mittelverwendung" ginge, sei wegen der Gleichrangigkeit von Presse- und Rundfunkfreiheit ein Auskunftsanspruch der Presse nicht anzuerkennen160• Gegen diese Feststellung spricht indessen der Umstand, daß die Programmgestaltung der Rundfunkanstalten jedenfalls eine schlicht hoheitliche Tätigkeit oder zumindest eine verwaltungsprivatrechtliche Tätigkeit darstellt, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Qualität einer "Behörde" als Adressat des Auskunftsanspruchs zuzurechnen ist. Das Rundfunkprogramm und seine Publikation, um die es hier geht, gehört des weiteren zu den klassisch öffentlichen Gegenständen des Rundfunkwesens; insoweit bestehen also keine Gründe, die von den Rundfunkanstalten zur Rechtfertigung einer Auskunftsverweigerung angeführt werden könnten. Im Gegenteil, es gibt wohl wenig Gegenstände im Bereich der öffentlichen Verwaltung (im weiteren Sinne), die so sehr öffentlichkeitsbezogen und öffentlichkeitspflichtig sind wie die Rundfunk- und Fernsehprogramme: Dies hat der VGH Mannheim mit seiner sehr weiten, eben zitierten Abgrenzungsformel verkannt. Dennoch kann dem VGH Mannheim nicht bestritten werden, daß er für den kon1so NJW 82, 668 (LS 2). 160
NJW 82, 669; a. A. VG Köln (Fn. 139).
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kreten Fall durchaus zutreffend entschieden hat. Denn die Finanzierung der Rundfunk- und Fernsehprogramme gehört sicher zu denjenigen Angelegenheiten, über die die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dem Publikum und damit auch der Presse nicht zur Auskunft verpflichtet sind; insoweit steht den Rundfunkanstalten durchaus das Recht der Geheimhaltung zu. Öffentlichkeitsbezogen und öffentlichkeitspflichtig sind die Rundfunk- und Fernsehprogramme selbst sowie deren Ankündigung; öffentlichkeitsbezogen und öffentlichkeitspflichtig sind dagegen nicht die rundfunkinternen Vorbereitungen und Finanzierungen der Rundfunk- und Fernsehprogramme. Beachtet man dies, so erweist sich die Entscheidung des VGH Mannheim als für den vorliegenden Problemzusammenhang nicht weiterführend. Der VGH Mannheim greift jedoch in seiner übrigen Begründung auf ein weiteres Argument zurück, das für den hiesigen Problemzusammenhang vielleicht eher von Bedeutung sein könnte. Der VGH verweist nämlich auf das Verhältnis der Konkurrenz, der Gleichartigkeit und der verfassungsrechtlichen Gleichrangigkeit von Presse und Rundfunk: "In dieses Konkurrenzverhältnis" würde man "dadurch eingreifen ..., daß man den Rundfunk bezüglich der Programmgestaltung einem Auskunftsanspruch der Presse - direkt und undifferenziert aus Art. 5 I 2 GG abgeleitet - unterwerfen würde, dem die Presse ihrerseits umgekehrt nicht unterliegt" 161 . Im übrigen werde "die Öffentlichkeit, deren Informationsinteresse ein Auskunftsanspruch der Presse letztlich dienen soll, durch die verfassungsrechtlich vorgegebene ,pluralistische Binnenstruktur' der Rundfunkanstalten" gewahrt162 • Richtig ist hieran zunächst, daß die Rundfunk- und Pressefreiheit in der Tat gleichrangig sind, daß beide Medien miteinander konkurrieren und daß dem Rundfunk umgekehrt kein Auskunftsrecht gegenüber der Presse zusteht. Letzteres erklärt sich jedoch ausschließlich aus der öffentlich-rechtlichen und monopolistischen Struktur der gegebenen Rundfunkverfassung, die insoweit eben keine ganz gleichartige Position wie die Presse hat. Daß der Gesetzgeber auch Auskunftspflichten der Presse gegenüber dem Rundfunk begründen könnte, läßt sich im übrigen ebensowenig anzweifeln. Keinesfalls trägt jedoch die umgekehrte Beweisführung, derzufolge aus dem fehlenden Auskunftsanspruch des Rundfunks gegenüber der Presse auch auf das angebliche Erfordernis einer Verneinung eines presserechtliehen Auskunftsanspruchs gegenüber dem Rundfunk geschlossen wird. Der Rundfunk ist in seiner gegebenen Struktur öffentlich-rechtlich verfaßt, gehört insoweit zur staatlichen Verwaltungsorganisation; er ist Behörde im Sinne des presserechtliehen 161
NJW 82, 669.
m NJW 82, 669.
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Auskunftsanspruchs. Folgerichtig sehen sich die Rundfunkanstalten den landespressegesetzlichen Regelungen des Auskunftsrechts mit unterstellt. Wäre die Argumentation des VGH Mannheim zu Art. 5 I 2 GG schlüssig, so müßten jene landespressegesetzlichen Regelungen verfassungswidrig sein; diese Behauptung stellt jedoch auch der VGH Mannheim nicht auf. Im übrigen überschätzt und verfremdet der VGH Mannheim den Sinn und die Rechtfertigung der rundfunkrechtlichen Binnenpluralität. Diese dient nach der gegebenen Rechtsprechung des BVerfG163 allein dazu, die monopolistische Position der Rundfunkanstalten und das damit verbundene Fehlen einer konkurrierenden und wechselseitig neutralisierenden Außenpluralität zu kompensieren. Die "pluralistische Binnenstruktur" der Rundfunkanstalten dient jedoch nicht dem Zweck, Informationsansprüche der Öffentlichkeit, d. h. des Publikums, zu befriedigen oder gar zu kompensieren. Eine solche Deutung impliziert einen gravierenden Trugschluß. Selbstverständlich sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nach außen, d. h. dem Publikum gegenüber, zur Öffentlichkeit und Information verpflichtet; dies ergibt sich bereits aus der Informationsfreiheit gemäß Art. 5 I 1 GG, auf die der VGH Mannheim allerdings nicht eingeht. Da der Auskunftsanspruch der Presse sich wesentlich aus der informations- und kommunikationsvermittelnden Funktion der Presse ergibt, sich rechtlich also mit aus der Informations- und Publikums- bzw. Rezipientenfreiheit speist, sind Erwägungen über die Struktur der Rundfunkanstalten und deren organisatorische Binnenpluralität für den Auskunftsanspruch der Presse von vornherein ohne Belang. Denn der Auskunftsanspruch richtet sich gegen die öffentlich-rechtliche Einrichtung oder Behörde als solche - gleichgültig, in welche Organisationsform diese nach innen oder nach außen eingefaßt ist. Die Argumentation des VGH Mannheim kann deshalb nur dann tragen, wenn sich aus der "staatsfreien" Struktur der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ergäbe, daß diese nicht als Behörden im Sinne des presserechtliehen Auskunftsanspruchs zu begreifen seien. In diese Richtung weist das Abstellen des VGH auf die "Staatsfreiheit" des Rundfunks 164• Indessen hatte sich bereits oben ergeben, daß die Staatsfreiheit des Rundfunks allein dessen Funktion, nicht aber dessen Organisation und damit auch dessen rechtliche Stellung als Träger mittelbarer Staatsverwaltung betrifft. Die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten sind kraft ihrer Organisation Behörden. Sie sind demgemäß dem presserechtliehen Auskunftsanspruch ohne Rücksicht darauf verpflichtet, ob ihre Funktionen gesellschaftlicher (staatsfreier) oder staatlicher (nicht-gesellschaftlicher, nicht-grundrechtlieber) Qualität sind. 163 164
Grundlegend BVerfGE 12, 205 (260 ff.). Vgl. NJW 82, 669.
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Damit ergibt sich, daß die Argumentation des VGH Mannheim nicht schlüssig ist. Aus ihr läßt sich kein Argument gegen den verfassungskräftigen Auskunftsanspruch der Presse herleiten. Es ist vielmehr festzuhalten, daß der Auskunftsanspruch der Presse auch gegenüber den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und damit auch hinsichtlich deren Programminformationen besteht. Da die letzteren über einen besonderen Öffentlichkeitsbezug und damit über ein besonderes Maß an Öffentlichkeitspflicht verfügen, kann auch der Presse- oder Rundfunkgesetzgeber keine Regelung treffen, die den Rundfunkanstalten im hiesigen Informationsbereich ein Recht zur Auskunftsverweigerung gegenüber der Presse gäben.
G. Ergebnisse 1. Eine rundfunkeigene Programmpresse überschreitet grundsätzlich die Grenzen der Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 I 2 GG.
2. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten können gedruckte Programminformationen allein im Falle einer entsprechenden Mangeloder Gefahrenlage unentgeltlich an die Rundfunkteilnehmer ausgeben. Eine solche Befugnis gründet sich auf den Gedanken der rundfunkrechtlichen Annexzuständigkeit. Solange eine ausreichende und rechtzeitige Versorgung der Bevölkerung mit Informationen über die Programme von Rundfunk und Fernsehen durch die Presse gewährleistet ist, solange kommen jedoch auch derart beschränkte rundfunkeigene Programminformationen nicht in Betracht. 3. Eine wirtschaftlich betriebene rundfunkeigene Programmpresse würde die Grenzen zulässiger Eigenwirtschaft der öffentlichen Hand ü herschreiten (wirtschaftsverfassungsrechtliche Unzulässigkei t). 4. Jede Form der Programmpresse stellt Presse im Sinne der Pressefreiheit gemäß Art. 5 I 2 GG dar und ist damit der privatwirtschaftliehen Presse prinzipiell vorbehalten. 5. Eine wirtschaftlich betriebene rundfunkeigene Programmpresse kann die konkurrierenden Presseunternehmen nicht nur in ihrem Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5 I 2 GG), sondern auch in ihren Grundrechten der Berufs- und Eigentumsfreiheit (Art. 12, 14 GG) verletzen. 6. Den Presseunternehmen steht nach geltendem Landespresserecht ein grundsätzlicher Anspruch auf Auskunft über die von den Rundfunkanstalten geplanten Programme zu. Dieser presserechtliche Auskunftsanspruch findet seine prinzipielle Bestätigung auch im Grundrecht der Pressefreiheit gemäß Art. 5 I 2 GG.