140 12 8MB
German Pages 78 [79] Year 1983
PETER ULMER
Programminformationen der Rundfunkanstalten
Schriften zu Kommunikationsfragen Band 2
Programminformationen der Rundfunkanstalten in kartell· und wettbewerbsrechtlicher Sicht
Von
Prof. Dr. Peter Ulmer
DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Ulmer , Peter: Programminformationen der Rundfunkanstalten : in kartell- u. wettbewerbsrechtl. Sicht I von Peter Ulmer. - Berlin : Duncker und Humblot, 1983. (Schriften zu Kommunikationsfragen ; Bd. 2) ISBN 3-428-05345-1
NE:GT
Alle Rechte vorbehalten
@ 1983 Duncker & Humblot, Berlin 41
Gedruckt 1983 bei Buchdruckerei A . Sayffaerth - E. L. Printed in Gennany ISBN 3 428 05345 1
Kro~m.
Berlin 61
Vorwort Presse und Rundfunk kooperieren seit Jahrzehnten zu beiderseitiger Zufriedenheit bei der Information der Rundfunkteilnehmer über die künftigen Sendeprogramme. Dabei übernehmen die Presseverlage die Aufgabe der Vorabinformation der Teilnehmer, teils durch Abdruck in den Tageszeitungen und wöchentlich unentgeltlich beigefügten sog. Programm-Supplements, teils durch entgeltlich vertriebene, durch eigene Recherchen und Bildmaterial der Zeitschriftenverlage angereicherte Programmzeitschriften. Die Rundfunk- und Fernsehanstalten ermöglichen den Presseverlagen die Verbreitung der Informationen, indem sie ihnen rechtzeitig und unentgeltlich das erforderliche Informationsmaterial zur Verfügung stellen. In neuerer Zeit zu beobachtende Bestrebungen der Presseverlage, im Zuge der "neuen Medien" auch selbst auf dem Hörfunk- und Fernsehmarkt durch Veranstaltungen von Sendeprogrammen tätig zu werden, haben zu Überlegungen der Rundfunkanstalten geführt, ihrerseits die bestehende Zusammenarbeit bei der Programminformation einzuschränken oder aufzukündigen. Im Gespräch sind sowohl die Herausgabe eigener Programmzeitschriften durch die Anstalten als auch die zeitliche oder sachliche Verkürzung des den Verlagen überlassenen Informationsmaterials und die Berechnung eines Entgelts hierfür. Die nachfolgende, durch die Stiftervereinigung der Presse angeregte Studie hat die Aufgabe, die kartell- und wettbewerbsrechtlichen Grenzen derartiger Änderungen des Informationsverhaltens der Rundfunkanstalten aufzuzeigen. Soweit es um die Herausgabe eigener, entgeltlich vertriebener oder aus Anzeigenerlösen finanzierter Programmzeitschriften durch die Anstalten geht, stellt sich die Frage nach den Schranken der erwerbswirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand; dabei kann an die an anderer Stelle (ZHR 146 [1982], 466 ff.) angestellten Grundsatzüberlegungen angeknüpft werden. Im übrigen stehen im Mittelpunkt der Studie die Sondervorschriften des GWB gegenüber marktbeherrschenden und relativ marktstarken Unternehmen
6
Vorwort
sowie die Schranken, die sich hieraus für Änderungen der Informationspolitik der Rundfunkanstalten gegenüber den auf diese Informationen angewiesenen Presseverlagen ergeben. Die Untersuchung befindet sich auf dem Stand vom August 1982. Peter Ulmer
Inhalt A. Problemstellung
11
I. Einführung
11
II. Sachverhalt
11
1. Die Arbeitsteilung zwischen Rundfunkanstalten und Zeitungs-
verlagen bei der Programminformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
2. Die Auseinandersetzungen über die geplante Beteiligung der Verlage am Satellitenfernsehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 111. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
IV. Themenbegrenzung
................. ........ ............ .. .....
15
B. Zur Anwendung von Kartell- und Wettbewerbsrecht gegenüber den Rundfunk- und Fernsehanstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
I. Der personelle Anwendungsbereich von Kartell- und Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1. Grundsatz
........ ...................................... .. ..
17
2. Einschränkungen für die Teilnahme der öffentlichen Hand am geschäftlichen Verkehr? .... . . ....... . ......... . ........ . .. . . . 19 3. Die Unterscheidung zwischen Wettbewerbs- und Benutzungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 II. Die Teilnahme der Rundfunk- und Fernsehanstalten am geschäftlichen Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1. Allgemeines
..................... ..... ... ............ .......
22
2. Verbreitung von Programminformationen als Teilnahme am geschäftlichen Verkehr? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
111. Sondermaßstäbe bei Anwendung der GWB- und UWG-Tatbestände auf die geschäftliche Tätigkeit öffentlicher Unternehmen? 26 1. Fragestellung
26
2. Kriterien für eine Verschärfung der Beurteilungsmaßstäbe.. ..
28
3. Privilegierungskriterien
31
Inhalt
8
C. Änderungen der Informationspolitik gegenüber den Verlagen und ihre Beurteilung nach Kartell- und Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1. Denkbare Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
2. Auswirkungen für Programmzeitschriften und Tageszeitungen 32 3. Schwerpunkte der rechtlichen Beurteilung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
II. Zur beherrschenden Stellung der Anstalten auf dem Markt für Programminformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Der Markt für Programminformationen als eigenständiger
Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
2. Die beherrschende Stellung der Anstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
3. Folgerungen für §§ 22, 26 Abs. 2 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 III. Änderungen der Informationspolitik als Machtmißbrauch oder unbillige Behinderung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Beurteilungskriterien
37
2. Verkürzung der Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
3. Verringerung des Zeitabstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
4. Berechnung eines Entgelts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
IV. Sanktionsandrohung und § 25 Abs. 2 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 V. Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung von Änderungen der Informationspolitik der Anstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 D. Zulässigkeilsschranken für die Herausgabe eigener gedruckter Programminjonnationen durch die Anstalten an die Teilnehmer . . . . . . . . 48
I. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1. Die denkbaren Strategien und ihre voraussichtlichen Markt-
folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
2. Begrenzung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 II. Zur Anwendbarkeit von Kartellrecht auf die Herausgabetätigkeit der Anstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 1. Vorschriften für marktbeherrschende Unternehmen (§§ 22
Abs. 4, 26 Abs. 2 GWB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
2. Vorschriften für relativ marktstarke Unternehmen (§§ 26 Abs. 2 S . 2, 37 a Abs. 3 GWB) . . . . .. . . . . . . . .. . .. . .. . . . . . .. .. . . 53 3. Folßerunßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. • . . . . . . ... .... . . . . . . . . . . . . . . .
54
Inhalt 111. Zur Unlauterkeit der Herausgabetätigkeit nach § 1 UWG 1. Wettbewerbsrechtliche Schranken für die Aufnahme (das "Ob")
9
55
einer Unternehmenstätigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
2. Sklavische Nachahmung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
3. Autoritätsmißbrauch; Verquickung öffentlicher und erwerbswirtschaftlicher Interessen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 4. Unlauterkeit der unentgeltlichen Verteilung von gedruckten Programminformationen mit Anzeigenteil? . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Besonderheiten der Gratisverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Rechtsprechung zur Gratisverteilung von Anzeigenblättern und Fachzeitschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Problematik von Gesamtwürdigung und Einzelfallbezug d) Folgerungen für die Gratisverteilung von gedmckten Programminformationen an die Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Unlauterkeit des entgeltlichen Vertriebs einer eigenen Programmzeitschrift der Anstalten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der wettbewerbswidrige Einsatz öffentlicher Ressourcen zur Preisunterbietung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ergebnisse I. Anwendung von Kartell- und Wettbewerbsrecht gegenüber den
59 59 60 62 63 66 67 67 68 71 73
Rundfunk- und Fernsehanstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
I. Der personelle Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
2. Kartell- und wettbewerbsrechtliche Sondermaßstäbe für die Tätigkeit öffentlicher Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 II. Änderungen der Informationspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
I. Kartellrechtliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
2. Wettbewerbsrechtliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
111. Herausgabe gedruckter Programminformationen an die Teilnehmer . . .... .. .. . .. . ...... . . ... . . .. . ... . .. . .... . . .. . . . . . . . .. . . 76 1. Kartellrechtliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
2. Wettbewerbsrechtliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
A. Problemstellung I. Einführung Überlegungen der Zeitschriften- und Zeitungsverlage (im Folgenden "Verlage" genannt), sich über Satellitenfernsehen an der Ausstrahlung von privaten Fernsehprogrammen zu beteiligen oder auf sonstigem Wege mit Hilfe der "neuen Medien" Zutritt zum Hörfunk- und Fernsehmarkt zu erlangen, haben dazu geführt, daß die Rundfunk- und Fernsehanstalten (im Folgenden "Anstalten" genannt) als Reaktion hierauf eine Überprüfung ihrer bisherigen Programminformationspolitik angekündigt haben (vgl. unter li 2). Diese beruht auf einer seit Jahrzehnten bestehenden, gut eingespielten Arbeitsteilung zwischen Anstalten und Verlagen in der Form, daß die Programminformation gegenüber den Hörfunk- und Fernsehteilnehmern (im Folgenden "Teilnehmer" genannt) im wesentlichen von den Verlagen besorgt wird, die ihrerseits das hierzu notwendige Informationsmaterial rechtzeitig und unentgeltlich von den Anstalten erhalten (vgl. unter II 1). Die Untersuchung geht der Frage nach, ob die von den Anstalten ins Gespräch gebrachten Sanktionsmöglichkeiten im Falle einer Teilnahme der Verlage am Hörfunk- und Fernsehmarkt zulässig sind und welche kartell- und wettbewerbsrechtlichen Schranken die Anstalten bei Änderungen ihrer Programminformationspolitik zu beachten haben. Fragen des öffentlichen Rechts, die durch die angedrohten Sanktionen der Anstalten aufgeworfen werden, bleiben dabei ebenso außer Betracht wie die Schranken, die nach geltendem Recht dem Zutritt der Verlage zum Hörfunk- und Fernsehmarkt noch entgegenstehen (vgl. unter IV).
II. Sachverhalt 1. Die Arbeitsteilung zwischen Rundfunkanstalten und Zeitungsverlagen bei der Programminformation Für die Programminformation der Hörfunk- und Fernsehteilnehmer hat sich seit Jahrzehnten eine auf Koordination beruhende, gut eingespielte Arbeitsteilung zwischen den Rundfunk- und Fernsehanstalten sowie den anderen Medien, namentlich den Zeitschriften- und Zeitungs-
12
A. Problemstellung
verlagen herausgebildet. Danach stellen die Anstalten den Verlagen mit einem zeitlichen Abstand von 4 bis 5 Wochen vor Programmbeginn die wöchentlichen Programmübersichten sowie zusätzliche Presseinformationen unentgeltlich zur Verfügung. Die Informationen werden von den Verlagen teils unverändert, teils mit Erweiterungen oder Ergänzungen aufgrund eigener Recherchen vervielfältigt und den Teilnehmern entweder als selbständige Druckerzeugnisse oder als Teile der Tageszeitungen angeboten. Die Anstalten ihrerseits verzichten auf eine umfassende, namentlich gedruckte und frühzeitige Programminformation für die Teilnehmer; sie beschränken sich auf die Ausstrahlung von Programmhinweisen, die meist nur das Programm des jeweiligen Tages enthalten. Abgesehen von den für die Verlage bestimmten wöchentlichen Programmübersichten und sonstigen Pressediensten der Anstalten gibt es zwar eine Reihe von Programmpublikationen mit speziellen Schwerpunkten (Fernsehspiele, Spielfilme, Musik, Bildung und Erziehung u. a.) für längere, mehrere Monate umfassende Zeiträume, die ARD, ZDF oder die einzelnen Rundfunkanstalten entweder selbst veröffentlichen oder in ihrem Auftrag veröffentlichen lassen. Die Auflagen dieser meist recht aufwendig auf Glanzpapier erstellten Broschüren sind jedoch gering; sie werden den Verlagen sowie auf Anforderung auch sonstigen Multiplikatoren unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Eine Verteilung an die mehr als 20 Millionen Teilnehmer1 oder auch nur an einen Bruchteil von ihnen scheidet aus. Auf Seiten der Verlage erfolgt die Information über die Anstaltsprogramme auf dreierlei Weise, durch spezielle Programmzeitschriften, durch Abdruck (wöchentlich und/oder täglich) in den Tageszeitungen sowie - zunehmend seit den 70er Jahren - durch besondere, den Tageszeitungen wöchentlich ohne zusätzliches Entgelt beigefügte Programm-Supplements. Unter diesen Informationswegen stehen die Programmzeitschriften nach Ausführlichkeit der Information und wirtschaftlicher Bedeutung eindeutig im Vordergrund. Mit knapp 14 Millionen wöchentlicher Verkaufsauflage, verteilt auf 6 Zeitschriften aus vier Verlagen2 , bilden sie 1 Stand der Hörfunk- und Fernsehteilnehmer zum 1. 10. 1979 (Internat. Handbuch für Rundfunk und Fernsehen 80/81 - Bredow-Verlag, Hamburg): Hörfunk gebührenpflichtig 21 072 688 gebührenfrei 1 591 663 Fernsehen gebührenpflichtig 19 354 549 gebührenfrei 1317 495 2 Im 2. Quartal 1982 verteilten sich die Verkaufsauflagen der Programmzeitschriften wie folgt (vgl. ,.text-intern" vom 26. 7. 1982): Hör zu (Axel Springer) . . . . . . . . . . . . 3 775 285 Fernsehwoche (Bauer) . . . . . . . . . . . . 2 624 288 Funk Uhr (Axel Springer) . . . . . . . . 2 621 533
li. Sachverhalt
13
einen eigenständigen Markt innerhalb des Zeitschriftenangebots. Großenteils schon seit Jahrzehnten eingeführt, verfügen sie über eigene, mit erheblichem Personal besetzte Redaktionen, finanzieren sich aus Verkaufs- und Anzeigenerlösen und tragen zu Umsatz und Ertrag der beteiligten Verlage wesentlich bei. Den Käuferwünschen entsprechend erscheinen sie rd. eine Woche vor dem jeweiligen Programmbeginn und geben den Teilnehmern daher die Möglichkeit frühzeitiger Vorausinformation. Die Aufrechterhaltung dieses Angebots ist wegen des notwendigen redaktionellen und technischen Vorlaufs und wegen der erforderlichen Zusatzrecherchen durch die Verlagsredaktionen nur möglich, wenn der bisherige, aus der Sicht der Verlage ohnehin sehr knapp kalkulierte Versandtermin der wöchentlichen Programmübersichten von 4 bis 5 Wochen vor Programmbeginn nicht verkürzt wird. Im Unterschied zu den Programmzeitschriften beschränken sich die Informationen der Tageszeitungen teilweise auf den reinen Abdruck der Anstaltsprogramme, wobei dieser jedenfalls bei den täglichen Programminformationen in aktualisierter Fassung erfolgt. Teilweise bieten sie- durch die Programm-Supplements mit eigenem Text- und Anzeigenteil - auch darüber hinausgehende Informationen in Bild und Text; sie bleiben freilich sowohl in Aussagegehalt als auch in Umfang und Druckqualität deutlich hinter dem Informationsangebot der Programmzeitschriften zurück. Nur durch diesen starken qualitativen und quantitativen Unterschied erklärt es sich auch, daß die Programmzeitschriften ihren seit vielen Jahren hohen Verbreitungsgrad von über 13 Mill. Exemplaren bei etwas über 20 Mill. Teilnehmern im wesentlichen halten und neuerdings sogar noch weiter ausdehnen konnten, obwohl die Supplements sich im Lauf der 70er Jahre zunehmend verbreiteten und inzwischen eine Auflage von mehr als 7 Mill. Exemplaren erreicht haben.
2. Die Auseinandersetzungen über die geplante Beteiligung der Verlage am Satellitenfernsehen Aufgrund der seit Jahren laufenden Überlegungen von Verlegerseite, im Zuge der Entwicklung der "neuen Medien" Zugang zum Fernsehmarkt zu erlangen, erklärte der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) in einer Pressemeldung vom 25. Februar 1981 die Bereitschaft der deutschen Presse, sich über die Compagnie Luxembourgeoise de Telediffusion (CLT) am Aufbau einer neuen, über einen eigenen Fernsehsatelliten zur Ausstrahlung von Fernsehprogrammen TV Hören und Sehen (Bauer) . . . . . . 2 592 334 Bild und Funk (Burda) . . . . . . . . . . . . 1 075 954 Gong (Gong-Verlag) . . ... , . . . . . . . . 1 034 380
14
A. Problemstellung
verfügenden europäischen Fernsehgesellschaft mit Sitz in Luxemburg zu beteiligen3 • Mit dem Interesse an der Beteiligung verband sich die Hoffnung, über den neuen Satelliten auch eigene Fernsehprogramme ausstrahlen und Fernsehwerbung treiben zu können. Die Pressemeldung hatte alsbald ein außerordentlich starkes Echo, wobei kritische Stimmen vor allem von der SPD, dem DGB sowie von den Anstalten zu hören waren4 • Die Kritik beschränkte sich nicht darauf, die Pläne des BDZV zum Einstieg in das Satellitenfernsehen zu beanstanden. Vielmehr wurden alsbald auch Sanktionen ins Gespräch gebracht, mit denen die Anstalten auf die geplante Ausdehnung der Verlagsaktivitäten auf den Fernsehmarkt reagieren könnten. Die vorgeschlagenen Reaktionen reichten nach Pressemeldungen von der Ausdehnung der Hörfunk- und Fernsehwerbung durch die Anstalten5 über Veränderungen bei der Programminformation der Verlage durch die Anstalten6 bis hin zur Herausgabe einer eigenen Programmzeitschrift durch die Anstalten7 • In jüngster Zeit ist es in Kreisen der Anstalten um die genannten Sanktionsmöglichkeiten zwar stiller geworden8 • Ob die hierauf gerichteten Überlegungen aufgegeben oder zurückgestellt wurden, ist freilich nicht bekannt. 111. Gegenstand der Untersuchung
Gegenstand der Untersuchung ist die Frage, ob kartell- oder wettbewerbsrechtliche Schranken den von Parteien, DGB und Anstalten ins Gespräch gebrachten Sanktionsmöglichkeiten entgegenstehen. Die Untersuchung soll sich auf die Fragen einer Veränderung der Programm3 Vgl. FAZ vom 27. 2. 1981: "Tageszeitungen beteiligen sich am Satellitenfernsehen" . 4 Einzelheiten vgl. in dem vom Zentralausschuß der Werbewirtschaft herausgegebenen "ZAW basisdienst special" (Satellitenfernsehen Nr. 5 vom 9. 3. 1981, Nr. 8 vom 13. 4. 1981 sowie ZAW-Dossier "Satellitenfernsehen und Werbung" vom Mai 1981). 5 So DGB-Vorstandsmitglied Stephan (Die Welt v. 5. 3. 1981), SPD-Bundesgeschäftsführer Glotz (Frankfurter Rundschau v . 6. 3. 1981), WDR-Intendant Frhr. v. Sell (Die Welt v. 19. 3. 1981) und HR-Intendant Hess (Frankfurter Rundschau v. 11. 3. 1981). 6 So Glotz (a.a.O. Fn. 5) und SFB-Intendant Haus (Südd. Zeitung v. 18. 3. 1981). 7 So Stephan (a.a.O. Fn. 5), Haus (a.a.O. Fn. 6), Hess (a.a.O. Fn. 5), und der medienpolitische Sprecher der F. D. P.-Bundestagsfraktion Hirsch (FAZ v. 16. 3. 1981). 8 Immerhin hat der ARD-Vorsitzende und Intendant des Bayer. Rundfunks, Vöth, die Pläne für die Herausgabe einer eigenen Programmzeitschrift durch die ARD-Anstalten in jüngster Zeit wieder ins Gespräch gebracht (Frankfurter Rundschau v . 24. 9. 1982).
IV. Themenbegrenzung
15
information der Anstalten gegenüber den Verlagen sowie der Herausgabe einer eigenen Programmzeitschrift durch die Anstalten konzentrieren. Fragen einer Ausdehnung der Hörfunk- und Fernsehwerbung durch die Anstalten bleiben schon deshalb außer Betracht, weil sie bereits Gegenstand eingehender Erörterungen der Michel-Kommission9 waren und ein Neuaufrollen dieser komplexen Fragestellung weniger vordringlich erscheint. Im einzelnen soll sich die Untersuchung zum einen auf die Frage beziehen, ob der Berechnung eines zur Kostendeckung bestimmten Entgelts für die Programminformation Schranken des GWB oder des UWG entgegenstehen und ob es den Anstalten freisteht, Art und Umfang des Informationsmaterials zu verändern, namentlich die Informationen später und in eingeschränkterer Form als bisher herauszubringen. Zum anderen soll geprüft werden, ob und welche karten- oder wettbewerbsrechtliche Schranken der Herausgabe einer gedruckten Programminformation durch die Anstalten entgegenstehen; dabei ist zwischen den verschiedenen möglichen Arten der Programminformation der Teilnehmer (unentgeltlich/entgeltlich; reine Information oder Information mit Anzeigen- und/oder Textteil) zu unterscheiden. Dagegen bleibt die Organisationsform außer Betracht, in der die Herausgabe einer derartigen anstaltseigenen Programmpublikation erfolgt. Denn ob die Anstalten die Herausgabetätigkeit selbst oder unter Einschaltung einer Tochtergesellschaft wahrnehmen oder ob sie damit ein anderes Verlagsunternehmen beauftragen, ist karten- und wettbewerbsrechtlich solange ohne Belang, als die Herausgabe auf Veranlassung und mit den finanziellen Mitteln der Anstalten erfolgt und ihnen daher zugerechnet werden kann.
IV. Themenbegrenzung Fragen des öffentlichen Rechts, darunter die öffentlichrechtliche Zulässigkeit einer eigenen Unternehmenstätigkeit der Anstalten auf dem Programmzeitschriftenmarkt, die Problematik faktischer Eingriffe in die vom Vorgehen der Anstalten etwa betroffenen Grundrechte der Verlage sowie das Bestehen und die Durchsetzbarkeit von Informationsansprüchen der Verlage gegen die Anstalten nach Landespresserecht, bleiben für die Untersuchung außer Betracht9a. 9 Kommission zur Untersuchung der Wettbewerbsgleichheit von Presse, Funk/Fernsehen und Filmen (Bericht vom 25. 9. 1967, BT-Drucks. V/2120). 9 a Vgl. zu diesen Fragen das nach Abschluß der Untersuchung erschienene und daher nicht mehr berücksichtigte Werk von Scholz, Rundfunkeigene Programmpresse?, Berlin 1982.
16
A . Problemstellung
Ebenfalls nicht Gegenstand der Untersuchung ist die Zulässigkeit der wirtschaftlichen Betätigung privatwirtschaftlicher Unternehmen, darunter auch Verlage, auf dem Hörfunk- und Fernsehmarkt nach geltendem innerstaatlichem Recht sowie die Frage, welche Bedeutung den insoweit zu beachtenden Schranken für die Beteiligung der Verlage am Luxemburger Satellitenfernsehen zukommt. Da aufgrund des FRAGUrteils des Bundesverfassungsgerichts (NJW 1981, 1774) feststeht, daß die Veranstaltung privater Rundfunksendungen.nicht etwa durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ausgeschlossen ist, sofern gesetzliche Vorkehrungen zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit getroffen werden, wird für die folgenden kartell- und wettbewerbsrechtlichen Untersuchungen unterstellt, daß ein etwaiger Eintritt von Presseverlagen in den Hörfunkund Fernsehmarkt voll in Einklang mit dem dann geltenden deutschen Recht stehen und namentlich auch die öffentlichrechtlichen Vorschriften über Aufgaben und Tätigkeitsbereiche der öffentlichrechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten unberührt lassen wird. Daher bedarf auch keiner Erörterung, ob und unter welchen Voraussetzungen die ins Gespräch gebrachten Sanktionen der Anstalten gerechtfertigt sein könnten als Reaktion auf ein seinerseits rechtswidriges oder von den Anstalten aus sonstigen Gründen angreifbares Verhalten der Verlage.
B. Zur Anwendung von Kartell- und Wettbewerbsrecht gegenüber den Rundfunkund Fernsehanstalten I. Der personelle Anwendungsbereich von Kartell- und Wettbewerbsrecht 1. Grundsatz
GWB und UWG als die für das Wettbewerbshandeln der Wirtschaftssubjekte zentralen, dem Schutz der Freiheit und Lauterkeit des Wettbewerbs dienenden Rechtsmaterien haben einen personell grundsätzlich uneingeschränkten Anwendungsbereich. Entscheidender Ansatzpunkt für die personelle Anwendbarkeit des Kartellrechts ist der in den verschiedenen GWB-Tatbeständen10 anzutreffende Unternehmensbegriff. Er wird von der ganz h. M. in einem sehr weiten, funktional geprägten Sinn verstanden; als unternehmerisch gelten alle der Erbringung von oder der Nachfrage nach Leistungen am Markt dienenden Tätigkeiten des geschäftlichen Verkehrs einschließlich derjenigen der Landwirtschaft und der freien Berufe11 • Zu den öffentlichen Unternehmen sind in der bisherigen Praxis der Kartellbehörden daher auch die gesetzlichen Krankenkassen und anderen Sozialversicherungsträger gezählt worden, ferner Kammern freiberuflich Tätiger (Ärzte, Architekten u. a.), Bundespost und -bahn sowie Rundfunk- und Fernsehanstalten, jeweils soweit sie als Anbieter oder Nachfrager am geschäftlichen Verkehr teilnahmen12 • Die Relevanz des Unternehmensbegriffs als Kriterium zur Abgrenzung unternehmerischer Tätigkeiten von anderen Arten der Marktteilnahme ergibt sich lediglich daraus, daß die Nachfragetätigkeit sowie die sonstige Markt10 Vgl. §§ 1, 15, 18, 22, 23, 25, 26 GWB; anscheinend weitergehend nur §§ 20, 21 GWB (vgl. dazu aber Immenga in Immenga I Mestmäcker, GWB, 1981, § 1 Rdn. 33). 11 Ständ. Rspr., vgl. BGHZ 36, 91, 103; 67, 81, 84; WuWIE BGH 1325 und 1474, 1477; ebenso die ganz h. M. im Schrifttum, vgl. Immenga (Fn. 10) § 1 Rdn. 32 ff., 38 f., und Th. Schwarz, Die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand im Kartellrecht, 1969, S. 41 ff., jew. m. Nachw. 12 Vgl. Nachw. aus der Praxis der Kartellbehörden bei Emmerich in Immenga I Mestmäcker, GWB, § 98 Rdn. 42 ff., sowie Mestmäcker, Fernmeldemonopol und Nachfragemacht, in: Kommunikation ohne Monopole, 1980, s. 162, 168 f.
2
tnmer
18
B. Zur Anwendbarkeit von Kartell- und Wettbewerbsrecht
teilnahme privater Haushalte und das Angebot unselbständiger Arbeit mangels Unternehmensqualität der privaten Endverbraucher und Arbeitnehmer nicht vom GWB erfaßt werdenta. Für das Wettbewerbsrecht des UWG folgt die umfassende Anwendbarkeit aus den einzelnen materiellrechtlichen Verbotstatbeständen, darunter namentlich der Generalklausel des § 1 UWG. Ihr Anwendungsbereich bestimmt sich nach den beiden komplementären Tatbestandsmerkmalen des Handeins "im geschäftlichen Verkehr" und "zu Zwecken des Wettbewerbs" . Sie dienen dazu, unter Abgrenzung wettbewerblicher von nicht marktbezogenen, insbesondere rein privaten oder amtlichen Betätigungen dem Wettbewerbsrecht gegenüber allen Wirtschaftssubjekten unabhängig von ihrer Organisationsform, der Art ihrer Marktteilnahme oder der Verfolgung einer Gewinnerzielungsabsicht Geltung zu verschaffen. Dementsprechend weit werden die genannten Merkmale von der ganz h . M. auch ausgelegt. So zählen zum Bereich des geschäftlichen Verkehrs alle Tätigkeiten, die irgendwie der Förderung eines beliebigen (eigenen oder fremden) Geschäftszwecks dienen14• Ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs liegt in jedem Tun, das objektiv geeignet ist, die Wettbewerbsstellung einer als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätigen Person zu fördern, und mit dem subjektiv die Förderung eigenen oder fremden Wettbewerbs zum Nachteil anderer Mitbewerber beabsichtigt wird 15 • Dabei sind die Anforderungen an die Wettbewerbsabsicht gering. Sie braucht nicht der alleinige oder wesentliche Beweggrund zum Handeln zu sein16 ; auch wird, jedenfalls soweit es um das Verhältnis konkurrierender Gewerbetreibender geht, aus der objektiven Förderungseignung einer Handlung im geschäftlichen Verkehr nach der Lebenserfahrung auf die Wettbewerbsabsicht geschlossen17• Im Ergebnis zeigt sich somit, daß vorbehaltlich der Besonderheiten öffentlicher Wirtschaftstätigkeit (dazu unter 2) Wettbewerbs- und Kartellrecht als Marktverhaltensrecht einen grundsätzlich uneingeschränkten Anwendungsbereich haben, der alle Arten geschäftlicher Tätigkeiten mit Ausnahme der rein privaten Betätigung als Verbraucher sowie des Dienstleistungsangebots unselbständiger Arbeitnehmer umfaßt. Signifikante Unterschiede hinsichtlich der personellen Geltung der Grundtatbestände beider Gesetze sind trotz der unterschiedlich ausgestalteten Regelungen über den Anwendungsbereich nicht feststellbar. Vgl. Immenga (Fn. 10) § 1 Rdn. 34 f. m. Nachw. Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 13. Aufl. 1981, Einl UWG Rdn. 202. 15 Baumbach-Hefermehl (Fn. 14), Rdn. 208 ff. (209, 224). 16 Baumbach-Hefermehl (Fn. 14), Rdn. 226. 17 Baumbach-Hefermehl (Fn. 14), Rdn. 227. 1s
14
I. Der personelle Anwendungsbereich von Kartell- und Wettbewerbsrecht 19
2. Einschränkungen für die Teilnahme der öffentlichen Hand am geschäftlichen Verkehr? Besondere Regelungen für die Wirtschaftstätigkeit der öffentlichen Hand finden sich zwar nicht im UWG, wohl aber im Kartellrecht. Einschlägig sind hier die Vorschriften des § 98 Abs. 1 und der §§ 99 bis 103 GWB. Sie bestätigen die herrschende Auslegung zum Unternehmensbegriff des GWB, wonach grundsätzlich alle Arten der Teilnahme am geschäftlichen Verkehr als Anbieter oder Nachfrager vom Kartellrecht erfaßt werden, unabhängig von der Organisationsform der geschäftlich Handelnden. So erklärt die Vorschrift des § 98 Abs. 1 GWB das Gesetz auch auf Unternehmen der öffentlichen Hand für anwendbar; sie hat im wesentlichen nur klarstellende Bedeutung18• In die gleiche Richtung weisen die Bereichsausnahmen der §§ 99 ff. GWB für bestimmte Arten typisch öffentlicher Unternehmenstätigkeiten, wie Verkehr, Energie- und Wasserversorgung, aber auch Kreditwirtschaft und Versicherungsunternehmen; mit ihnen wird eine Einschränkung der Anwendbarkeit des Kartellrechts aus sachlichen Gründen erreicht, ohne daß der persönliche Anwendungsbereich berührt wird. Wie namentlich die Einbeziehung der Bundespost(§ 99 GWB) und der Versorgungsunternehmen (§ 103 GWB) unter die Bereichsausnahmen zeigt, wird die Anwendbarkeit des GWB im Grundsatz weder durch die Wahl eines öffentlich-rechtlichen Nutzungsverhältnisses noch auch durch die Zugehörigkeit der Wirtschaftstätigkeit zum Bereich der Daseinsvorsorge ausgeschlossen1u. Auch für das Wettbewerbsrecht gelten bezüglich seiner Anwendbarkeit auf die öffentliche Hand keine Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen, ohne daß das im Unterschied zu § 98 Abs. 1 GWB ausdrücklich geregelt ist20 • Ob das Wettbewerbshandeln von einem Unternehmen der öffentlichen Hand ausgeht, ist für die Geltung des UWG ohne Belang. Es gibt im Unterschied zum GWB auch keine Bereichsausnahmen für bestimmte Arten öffentlicher Unternehmenstätigkeiten. Die Frage, ob die Verfolgung öffentlicher Zwecke oder der Einsatz der Ressourcen der öffentlichen Hand für die Anwendung der UWG-Tatbestände bedeutsam ist und entweder zu einer Privilegierung der öffentlichen Unternehmenstätigkeit oder zu einer Verschärfung der 18 So auch Langen, Kommentar zum Kartellgesetz, 6. Aufl. 1982, § 98 Rdn. 1 ff.; Th. Schwarz (Fn. 11), S. 3 f.; ähnlich wohl auch Emmerich (Fn. 12) § 98 Rdn. 3, 43. 19 Vgl. nur BGHZ 36, 91, 101 f. Gummistrümpfe, und Baumbach-Hefermehl (Fn. 14) Allg. Rdn. 175. 20 Vgl. dazu nur Baumbach-He/ermehl (Fn. 14), Allg. Rdn. 162 ff., und Hubmann, Der unlautere Wettbewerb der öffentlichen Hand, in: Wirtschaft und Verwaltung (Beilage zum Gewerbearchiv) 1982, 41 ff.
2*
20
B. Zur Anwendbarkeit von Kartell- und Wettbewerbsrecht
UWG-Maßstäbe führt (vgl. dazu unter III), betrifft nicht den Anwendungsbereich, sondern die sachlichen Voraussetzungen für das Eingreifen der UWG-Verbote. Probleme der Anwendbarkeit des UWG können sich demgegenüber zwar insofern ergeben, als es um die Abgrenzung zwischen rein hoheitlicher und (auch) wirtschaftlicher Tätigkeit der öffentlichen Hand geht. Das beruht jedoch nicht auf etwaigen ungeschriebenen Ausnahmen für hoheitliche Tätigkeiten, sondern auf den Erfordernissen des Handeins im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs. In Grenzfällen einer Tätigkeit der öffentlichen Hand mit wettbewerbsrelevanten Auswirkungen wie etwa bei der Subventionsvergabe21 , bei der Entscheidung über den Ausschluß bestimmter hochpreisiger Arzneimittel aus der Ersatzleistung durch die gesetzlichen Krankenkassen22 oder bei der Veröffentlichung von Filmkritiken u. a. durch Rundfunkanstalten23 , kommt es für eine sachgerechte Abgrenzung vor allem auf das Merkmal der Wettbewerbsabsicht an. Denn die tatsächliche Vermutung, daß mit einer äußerlich zur Förderung eigenen oder fremden Wettbewerbs geeigneten Tätigkeit auch eine entsprechende Absicht verfolgt wird, greift hier nicht ein; auch gibt es keinen Erfahrungsschluß, daß eine objektiv den Wettbewerb eines Dritten fördernde Handlung im Wettbewerbsabsicht erfolgt24 • Insoweit bedarf es also einer Prüfung der konkreten Zwecke, die die öffentliche Hand mit ihrem jeweiligen Handeln verfolgt; es ist danach zu differenzieren, ob dieses ausschließlich auf Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe gerichtet ist oder darüber hinausgehend auch der Förderung eigenen oder fremden Wettbewerbs dient, mag die Wettbewerbsförderung ihrerseits auch im öffentlichen Interesse liegen25 • 3. Die Unterscheidung zwischen Wettbewerbsund Benutzungsverhältnis
War die Anwendbarkeit von GWB und UWG auf die Unternehmenstätigkeit der öffentlichen Hand auch seit langem im Grundsatz aner21
BVerwGE 30, 191; OLG Stuttgart WRP 1980, 101; Hubmann (Fn. 20),
s. 45.
BGH GRUR 1965, 110, 115 - Eumed. BGH GRUR 1968, 314, 316- fix und clever. 24 Baumbach-Hefermehl (Fn. 14), Einl. UWG Rdn. 227 f., 236. 25 So zutreffend die höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. RGZ 137, 57 ff., RG GRUR 1936, 806 f., BGH GRUR 1968, 314 - fix und clever, BGH NJW 1977, 1103, 1104; zu Unrecht kritisch dazu und für Abgrenzung nach dem schwerlich trennschärferen Merkmal, ob die Maßnahme der öffentlichen Hand in vollem Umfang durch ihre öffentliche Aufgabe gedeckt ist, Hubmann (Fn. 20), S. 47. Von der Frage nach den Anwendungsvoraussetzungen des § 1 UWG zu unterscheiden ist die Problematik etwaiger Ausnahmen mit Rücksicht auf das öffentlichrechtlich ausgestaltete Benutzungsverhältnis (vgl. dazu unter 3). 22
23
I.
Der personelle Anwendungsbereich von Kartell- und Wettbewerbsrecht 21
kannt, so bestanden doch namentlich im Wettbewerbsrecht Bedenken insoweit, als es um geschäftliche Tätigkeiten mit Bezug auf öffentlichrechtlich geregelte Benutzungsverhältnisse ging26 • Diese Bedenken sind inzwischen durch .zwei grundlegende Beschlüsse des Großen Senats für Zivilsachen des BGH von 197627 zu Recht überwunden. In konsequenter Unterscheidung zwischen dem öffentlichrechtlich geregelten, vertikalen Benutzungsverhältnis und dem davon zu trennenden, für die Anwendbarkeit des UWG und GWB bedeutsamen Wettbewerbsverhältnis, das seinerseits durch ein Verhältnis der Gleichordnung geprägt, also horizontaler Natur ist, hat der BGH sich für die uneingeschränkte Unterstellung dieses Wettbewerbsverhältnisses unter die Normen des UWG und GWB ausgesprochen, selbst wenn der Klageanspruch auf die Aufhebung eines Verwaltungsakts gerichtet ist oder durch ihn in sonstiger Weise auf das Handeln eines Hoheitsträgers Einfluß genommen werden soll 28 • In der Tat trägt nur eine solche Betrachtung dem grundsätzlich umfassenden Geltungsanspruch des Wettbewerbs- und Kartellrechts als Marktverhaltensrecht Rechnung. Für sie spricht auch der Umstand, daß die öffentliche Hand weitgehend frei ist bei der Entscheidung der Frage, ob sie das Verhältnis zu den Nachfragern privat- oder öffentlichrechtlich ausgestalten wi11 2&, während öffentlichrechtliche Schranken, insbesondere solche aus Art. 2 Abs. 1 GG, den vom Wettbewerbshandeln der öffentlichen Hand betroffenen Konkurrenten nur unvollkommenen Schutz gewähren. Daher ist es durchaus sachgerecht, die Anwendbarkeit von Kartell- und Wettbewerbsrecht auf das Marktverhalten der öffentlichen Hand zum Schutz von Mitbewerbern, sonstigen Marktpartnern und Wettbewerbsbestand nicht davon abhängig zu machen, ob das Verhältnis zu den Abnehmern der Waren oder Leistungen öffentlichrechtlich organisiert ist3o. 26 Vgl. etwa BGHZ 37, 1, 15 f. AKI, KG NJW 1957, 1076, 1077 - Steuerfibeln, sowie die Rspr.-Nachweise bei Baumbach-He/ermehl (Fn. 14), Allg. Rdn. 170 f.; so namentlich auch H. Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand und unlauterer Wettbewerb, 1964, S. 63 ff., und H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, 1968, S. 245; zu Recht ablehnend Emmerich, Der unlautere Wettbewerb der öffentlichen Hand, 1969, S. 12 ff., Mestmäcker NJW 1969, 1 ff., Pinger GRUR 1973, 456 ff., Scholz ZHR 132 (1969), 97, 121 ff. Für Differenzierung zwischen Wettbewerbsund Benutzungsverhältnis auch schon Gütebier, Der unlautere Wettbewerb der öffentlichen Hand, Diss. Köln 1933, S. 27 ff. 27 Vgl. BGHZ 66, 229 ff.; 67, 81 ff. So jetzt erneut BGH GRUR 1982, 425, 427 - Brillen-Selbstabgabestellen, und GRUR 1982, 433, 434 - Kinderbeiträge. Aus dem Schrifttum vgl. schon Gütebier a.a.O. Fn. 26. 28 So ausdrücklich BGHZ 67, 81 (85, 89). 29 Hierauf haben zutreffend u. a. Mestmäcker NJW 1969, 3, Emmerich (Fn. 26), S. 16 und Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 1969, S. 328 schon hingewiesen.
22
B. Zur Anwendbarkeit von Kartell- und Wettbewerbsrecht
Für das Vertikalverhältnis zwischen dem öffentlichen Unternehmen und den Benutzern (Nachfragern) bleibt es im Falle öffentlichrechtlicher Ausgestaltung demgegenüber bei der ausschließlichen Geltung des allgemeinen öffentlichen Rechts; das kann namentlich für das Kar~ tellverwaltungsrecht Bedeutung erlangen. Schutzlücken sind insoweit nicht ersichtlich; im Gegenteil zeigt die Lehre vom "Verwaltungsprivatrecht"31, daß selbst beim Tätigwerden öffentlicher Unternehmen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben in privatrechtliehen Formen ein wirksamer Schutz der Benutzer am besten über die Institute des öffentlichen Rechts zu gewährleisten ist. Wettbewerbs- und Kartellrecht eignen sich zur Anwendung im Vertikalverhältnis auch deshalb allenfalls begrenzt, weil ihr Schutzzweck nicht auf die einzelnen privaten Endverbraucher als typische Nachfrager nach Waren oder Dienstleistungen öffentlicher Unternehmen bezogen ist.
ll. Die Teilnahme der Rundfunk- und Fernsehanstalten am geschäftlichen Verkehr 1. Allgemeines a) Nach ständiger, zu Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG entwickelter Rechtsprechung des BVerfG sind die Anstalten Träger öffentlicher Gewalt und nehmen als solche Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr32 • Diese Zuordnung zur öffentlichen Verwaltung soll für das Programmangebot der Anstalten unabhängig vom jeweiligen Inhalt der Sendungen gelten; sie soll auch dann Platz greifen, wenn die Anstalten in den Formen des Privatrechts handeln33 . Wie die allgemein für Tätigkeiten der Daseinsvorsorge entwickelten Grundsätze (oben unter I 2) zeigen, steht diese hier nicht zu diskutierende öffentlichrechtliche Qualifikation der Anwendung von Wettbewerbs- und Kartellrecht allerdings nicht entgegen, soweit nur das konkret in Frage stehende Verhalten sich als Teilnahme am geschäftlichen 80 So heute ganz h. M., vgl. Baumbach-Hefermehl (Fn. 14), Allg. Rdn. 166, v. Gamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2. Aufl. 1981, § 1 Rdn. 7, Hubmann (Fn. 20), S. 41 ff. 31 Vgl. dazu Wolff-Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl. 1974, § 23 II b,
Dürig, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Abs. 1 Rdn. 480, Lerche JurA 1970, 827; aus der Rechtsprechung vgl. etwa BGHZ 29, 76, 79; 36, 91, 95 f.; 52, 325, 328. 32 BVerfG NJW 1957, 1513; NJW 1961, 547, 549; NJW 1971, 1739 f. 38 BVerfG NJW 1961, 547, 549.
li. Die Teilnahme der Anstalten am geschäftlichen Verkehr
23
Verkehr darstellt. Zwar hat das BVerfG34 bei Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Unterwerfung der Tätigkeit der Rundfunkanstalten unter die Umsatzsteuer entschieden, die Anstalten könnten nicht als Unternehmer, die eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ausüben, angesehen werden. Diese Aussage betrifft indessen nur die verfassungsrechtliche Beurteilung ihrer Stellung im Hinblick auf das Umsatzsteuerrecht. Eine Befreiung der Anstalten bei ihrer geschäftlichen Tätigkeit von den Schranken des Wettbewerbs- und Kartellrechts ist hierin zu Recht nicht gesehen worden. Im Gegenteil geht die h. M. davon aus, daß UWG und GWB jedenfalls für die Nachfrage- und Werbetätigkeit der Anstalten ebenso verbindlich sind wie für das Marktverhalten sonstiger öffentlicher Unternehmen35 ; entsprechendes hat grundsätzlich aber auch für das Programmangebot, d. h. die Sendetätigkeit zu gelten (vgl. näher unter b). Dementsprechend hat sich eine der Anstalten auch ihrerseits auf den Schutz des UWG bezogen und sich nach § 1 UWG mit Erfolg gegen ein "Schmarotzen an fremder Leistung" durch einen Kinoveranstalter gewehrt, wobei der Vorwurf des Schmarotzens sich auf das Programmangebot bezog36 • b) Im einzelnen lassen sich unter den Tätigkeiten der Anstalten aus wettbewerbs- und kartellrechtlicher Sicht vor allem drei große Aufgabenhereiche unterscheiden: die Information und Unterhaltung des Publikums (der Teilnehmer) durch Ausstrahlung des Sendeguts (Sendetätigkeit), die Nachfrage nach Sendegut der verschiedensten Art, soweit es nicht in den Anstalten selbst erarbeitet wird (Nachfragetätigkeit), sowie die Veranstaltung von Hörfunk- und Fernsehwerbung (Werbetätigkeit). Unter ihnen steht der geschäftliche, der Anwendbarkeit von GWB und UWG unterliegende Charakter der Nachfrage- und der Werbetätigkeit außer jedem Zweifel, da die Anstalten insoweit nicht nur in den Formen des Privatrechts tätig werden, sondern auch mit anderen Nachfragern nach Informations- und Unterhaltungsmaterial für das Publikum bzw. mit anderen Werbeveranstaltern in Konkurrenz treten37 • 34 NJW 1971, 1739 f. ss Vgl. zur Nachfragetätigkeit BKartA Tätigkeitsbericht 1963, 55 f.; 1964, 43; 1966, 61; 1967, 75; 1974, 75 f.; zur Werbetätigkeit Tätigkeitsbericht 1964, 43; 1965, 53 f.; 1967, 75 f.; 1968, 77; 1969, 88; 1970, 81 f.; 1971, 84; so auch Michel-Kommission (Fn. 9), S. 210 ff., Emmerich (Fn. 12) § 98 Rdn. 57, Mestmäcker NJW 1969, 1, 5 f. Allgemein für Anwendbarkeit des UWG auf die geschäftliche Tätigkeit von Rundfunk- und Fernsehanstalten auch Baumbach-He/ermehl (Fn. 14), Allg. Rdn. 166, 172, und Pinger GRUR 1973, 456 ff. A. A. - ohne nähere Begründung- noch Püttner (Fn. 29), S. 65. ss BGHZ 37, 1, 15 ff.- AKI. 37 BGH 37, 1, 18- AKI; vgl. auch die Nachw. in Fn. 35.
24
B. Zur Anwendbarkeit von Kartell- und Wettbewerbsrecht
Aber auch für die zur Information und Unterhaltung des Publikums bestimmte Sendetätigkeit ist der geschäftliche, auf die Erbringung von Leistungen am Markt und die Förderung der eigenen Marktstellung der Anstalten gerichtete Charakter zu bejahen. Dies nicht nur wegen der Komplementärbeziehungen zwischen Programm- und Werbeangebot und den von der Sendetätigkeit ausgehenden Rückwirkungen auf den Werbemarkt38, sondern auch deshalb, weil sich die Anstalten mit ihrem Programm auch um eine Ausweitung des Benutzerkreises durch Werbung weiterer, noch nicht als Teilnehmer gewonnener Publikumskreise bemühen39 • Zwar ist das öffentlichrechtlich ausgestaltete Benutzungsverhältnis zwischen Anstalten und Teilnehmern nach den oben (unter I 3) getroffenen Feststellungen dem Anwendungsbereich von GWB und UWG entzogen. Anderes gilt aufgrund der seit 1976 auch vom BGH übernommenen Unterscheidung zwischen Benutzungs- und Wettbewerbsverhältnis (oben I 3) jedoch für die Beziehungen der Anstalten zu anderen gleichgeordneten Anbietern von Publikumsinformation und -Unterhaltung in Kombination mit Werbung, darunter nicht zuletzt zu den Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen. Zu ihnen stehen sie in einem - weit auszulegenden40 - Wettbewerbsverhältnis nach § 1 UWG41 und haben als Teilnehmer am geschäftlichen Verkehr die Qualifikation öffentlicher Unternehmen i. S. von § 98 Abs. 1 GWB 41 a. Dieser Beurteilung steht auch nicht etwa das Sendemonopol der Anstalten entgegen. Denn unabhängig davon, ob gesetzliche Monopole die Anwendung von Wettbewerbs- und Kartellrecht in ihrem Geltungsbereich ausschließen42 , betrifft es doch nur die Übertragungstechnik und läßt das Informations- und Unterhaltungsangebot als solches unberührt43 •
Vgl. hierzu nur BGHZ 76, 55, 74 f.- Eibe Wochenblatt. So zutreffend die Feststellungen des Berufungsgerichts im AKI-Fall, zit. in BGHZ 37, 1, 14, und Mestmäcker NJW 1969, 4. 40 Vgl. näher Baumbach-Hefermehl (Fn. 14), Einl. UWG Rdn. 210 ff. 41 BGHZ 37, 1, 18. 4ta So auch Mestmäcker NJW 1969, 1, 3 f. (mit dem Vorbehalt, daß die Anwendung des Wettbewerbsrechts nicht die Erfüllung der den Anstalten übertragenen öffentlichen Aufgaben verhindern darf), und Michel-Kommission (Fn. 9), S. 210 ff. Zur nicht einheitlichen früheren Auffassung des Bundeskartellamts vgl. Emmerich (Fn. 12), § 98 Rdn. 58. 42 So namentlich Mestmäcker NJW 1969, 1, 3, und Emmerich (Fn. 26), S. 18 f., wohl auch Baumbach-Hefermehl (Fn. 14), Allg. Rdn. 168. Zur Problematik dieser Einschränkung vgl. P. Ulmer ZHR 146 (1982), 466, 477 ff. 43 BGHZ 37, 1, 17- AKI. Zu sonstigen, unter die Ausübung von Hoheitsrechten fallenden Vorbehalten wie namentlich die Vereinbarung über das Gemeinschaftsprogramm der ARD durch den Fernsehvertrag vom 27. 3. 1953 i. d. F . vom 24. 5. 1956 vgl. Mestmäcker NJW 1969, 4. Für die hier erörterte Problematik der Programminformation sind sie ohne Belang. 38
39
11. Die Teilnahme der Anstalten am geschäftlichen Verkehr
25
2. Verbreitung von Programminformationen als Teilnahme am geschäftlichen Verkehr? Was speziell die Verbreitung von Programminformationen durch die Anstalten angeht, sei es gegenüber den Verlagen oder mittels einer eigenen Programmzeitschrift, so fragt sich, ob sie einem der drei vorstehend (unter 1 b) genannten Tätigkeitsbereiche zuzurechnen ist und in diesem Rahmen grundsätzlich der Anwendbarkeit von Wettbewerbsund Kartellrecht mit unterfällt, oder ob sie einen davon zu unterscheidenden, ebenfalls als Teilnahme am geschäftlichen Verkehr zu qualifizierenden besonderen Tätigkeitsbereich bildet. Ein selbständiger Tätigkeitsbereich wäre jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Anstalten zur entgeltlichen Verbreitung eigener Programmzeitschriften an das Publikum übergingen, da hierin nicht nur (bei Aufnahme von Anzeigen) eine Ausdehnung der Werbetätigkeit, sondern zugleich ein besonderes, vom Angebot des Sendeguts zu unterscheidendes Angebot von Presseerzeugnissen läge und dieses Angebot in Konkurrenz zu den schon vorhandenen Programmzeitschriften träte. Anderes gilt demgegenüber, solange sich die Anstalten bei der Programminformation auf die Unterrichtung der Verlage und sonstiger Multiplikatoren beschränken, aber auch wenn sie zur unentgeltlichen Abgabe reiner, nicht um Text- oder Anzeigenteile erweiterter Programminformationen an alle Teilnehmer übergehen. Insoweit liegt es näher, hierin nur eine unselbständige Leistung im Rahmen des Angebots von Sendegut zu sehen, die zur Förderung von dessen Verbreitung und dadurch letztlich zur Stärkung der Stellung der Anstalten auf dem Informations- und Unterhaltungsmarkt sowie mittelbar auf dem Werbemarkt bestimmt ist. Da nach den bisher (unter 1 b) erzielten Ergebnissen auch die Angebotstätigkeit der Anstalten auf dem Informations- und Unterhaltungsmarkt grundsätzlich dem Wettbewerbs- und Kartellrecht untersteht, soweit es um das durch Gleichordnung geprägte Verhältnis zu den Verlagen und sonstigen Anbietern von Informationen und Unterhaltung in Kombination mit Werbung geht, kann die Frage für die Zwecke dieser Untersuchung letztlich dahingestellt bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen die Verbreitung von Programminformationen zu einer eigenständigen geschäftlichen Tätigkeit der Anstalten wird oder ob sie als unselbständige Leistung im Rahmen des Angebots von Sendegut anzusehen ist. In beiden Fällen sind hinsichtlich der Verbreitung von Programminformationen die Voraussetzungen eines Handeins im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bzw. einer Teilnahme am geschäftlichen Verkehr als Unternehmen im Sinne des GWB zu bejahen; öffentlichrechtliche Sonderregelungen für die Programm-
26
B. Zur Anwendbarkeit von Kartell- und Wettbewerbsrecht
information oder Anhaltspunkte für ein rein hoheitliches, nicht zugleich geschäftliches Tätigwerden der Anstalten in diesem Bereich sind nicht ersichtlich. Wettbewerbs- und Kartellrecht finden daher auf das Marktverhalten der Anstalten bei der Verbreitung von Programminformationen Anwendung. Für dieses Ergebnis sprechen auch die Sanktionserwägungen, die Anlaß dieser Untersuchung waren (vgl. oben A II 2); auch sie zeigen das zwischen Anstalten und Verlagen zumindest potentiell bestehende Wettbewerbsverhältnis sowie die Eignung der Programminformationen, als Kampfmittel der Anstalten gegen die Verlage Verwendung zu finden.
3. Zwischenergebnis Trotz ihrer Zugehörigkeit zur öffentlichen Verwaltung und der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben sind die Rundfunk- und Fernsehanstalten als öffentliche Unternehmen anzusehen. Sie unterliegen mit ihrer geschäftlichen Tätigkeit grundsätzlich den allgemeinen Schranken des Wettbewerbs- und Kartellrechts. Das gilt nicht nur für die Nachfrage nach Sendegut und für die Hörfunk- und Fernsehwerbung, sondern auch für das - öffentlichrechtlich organisierte - Programmangebot, soweit darin wettbewerbsbezogene Handlungen gegenüber gleichgeordneten Mitbewerbern oder sonstigen Marktpartnern zu sehen sind. Die Anwendbarkeit von Wettbewerbs- und Kartellrecht auf das Verhältnis zu gleichgeordneten Unternehmen gilt auch für die Verbreitung der Programminformationen durch die Anstalten, sei es daß diese sich als unselbständige Leistung im Rahmen der Sendetätigkeit darstellt oder - so namentlich bei der entgeltlichen Verbreitung eigener Programmzeitschriften durch die Anstalten - als besondere, von den übrigen Tätigkeitsbereichen der Anstalten zu unterscheidende Teilnahme am geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs anzusehen ist.
111. Sondermaßstäbe bei Anwendung der GWB- und UWGTatbestände auf die geschäftliche Tätigkeit öffentlicher Unternehmen? 1. Fragestellung a) Das GWB enthält in den §§ 99 bis 103 eine Reihe von Ausnahmevorschriften für bestimmte, vor allem durch die Tätigkeit öffentlicher Unternehmen geprägte Wirtschaftssektoren. Die Ausnahmen beziehen sich ganz überwiegend nur auf die für wettbewerbsbeschränkende Verträge geltenden Vorschriften der §§ 1, 15 und 18 GWB und lassen die - hier in erster Linie interessierenden - Vorschriften gegen miß-
III. Sondermaßstäbe gegenüber öffentlichen Unternehmen?
27
bräuchliches oder unbilliges einseitiges Marktverhalten (§§ 22, 26 Abs. 2 u. a. GWB) unberührt. Aber auch abgesehen hiervon ist eine analoge Anwendung der Ausnahmevorschriften auf sonstige Tätigkeiten der Daseinsvorsorge, die wie das Programmangebot der Anstalten nicht ausdrücklich in den §§ 99 ff. GWB genannt sind, mit der h. M. abzulehnen44 • Dem UWG sind Ausnahmevorschriften nach Art der Regelungen der §§ 99 bis 103 GWB unbekannt; es gibt auch nicht etwa ungeschriebene Schranken für die Anwendbarkeit der Generalklauseln der §§ 1, 3 UWG auf das Marktverhalten der öffentlichen Hand. Wohl aber ist es denkbar, daß Spezialgesetze, die die öffentliche Hand zur Verfolgung öffentlicher Zwecke im Rahmen der Daseinsvorsorge oder sonstiger sozialwirtschaftlicher Tätigkeit45 verpflichten, zu einer Verdrängung der allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften nach den Grundsätzen der Gesetzeskonkurrenz führen46 • Da die Rundfunkgesetze der Länder keine Regelungen über die Programminformation durch die Anstalten enthalten, die als Spezialgesetze gegenüber § 1 UWG in Betracht kämen 46a, bedarf auch diese Frage keiner Vertiefung. b) Nicht um sondergesetzliche Regelungen nach Art der §§ 99 ff. GWB, sondern um die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe geht es demgegenüber bei der hier zu erörternden Frage, ob die Besonderheiten öffentlicher Unternehmenstätigkeit, darunter namentlich die Grundrechtsbindung der öffentlichen Hand und ihre Verpflichtung auf die Verfolgung öffentlicher Zwecke, es erforderlich machen, besondere Beurteilungsmaßstäbe bei der Anwendung der allgemeinen UWG- und GWB-Tatbestände auf das Marktverhalten öffentlicher Unternehmen anzuwenden. Wie im Folgenden zu zeigen ist, ist eine solche Differenzierung mit der heute überwiegenden Meinung47 auch dort zu bejahen, 44 Allgemein zur Anwendbarkeit von Wettbewerbs- und Kartellrecht auch auf geschäftliche Tätigkeiten öffentlicher Unternehmen vgl. schon oben I 2. Die These von Th. Schwarz (Fn. 11), S. 204 ff., wonach trotz grundsätzlicher Anwendbarkeit des GWB auf die im Bereich der Daseinsvorsorge tätigen öffentlichen Unternehmen diese in Analogie zu §§ 103, 104 GWB von den Vorschriften der §§ 1, 15, 18 GWB freigestellt seien, hat sich zu Recht nicht durchgesetzt (vgl. nur Emmerich (Fn. 12), § 98 Rdn. 35 ff., 38). 45 Unter "sozialwirtschaftlich" wird die Verfolgung aller Arten von sozialstaatlichen Aufgaben durch öffentliche Wirtschaftstätigkeit verstanden (so im Anschluß an Scholz NJW 1974, 781 f. u. a. die heute vorherrschende Terminologie, vgl. etwa Grupp ZHR 140 (1976), 372 ff., 376). 46 Vgl. nur Baumbach-Hefermehl (Fn. 14), Allg. Rdn. 168, Emmerich (Fn. 12), § 98 Rdn. 36. 48a Vgl. dazu unten Fn. 79 sowie Scholz (Fn. 9 a), S. 21 ff. 47 Eine Maßstabsverschärfung bejahen für § 1 UWG z. B. Burmann DB 1966, 369, v. Gamm GRUR 1959, 303, 305 (wohl auch beibehalten in UWG (Fn. 30), § 1 Rdn. 11 f.), Emmerich (Fn. 26), S. 38 u. a., Dürig (Fn. 31), Art. 3 Abs. 1 Rdn. 501, Grupp ZHR 140 (1976), 382, Hoffmann-Becking in Festschr. für H. J . Wolff, 1973, S. 445, 457 ff. A. A. Baumbach-He/ermehl (Fn. 14), Allg.
28
B. Zur Anwendbarkeit von Kartell- und Wettbewerbsrecht
wo es nicht um Verhaltensweisen geht, deren typischer Unlauterkeitsgehalt wie beim Mißbrauch amtlicher Autorität oder bei der sonstigen Verquickung öffentlicher und erwerbswirtschaftlicher Interessen (vgl. S. 57 f.) auf der Sonderstellung der öffentlichen Hand als Träger hoheitlicher Gewalt und Marktteilnehmer beruht. Diese Sonderbeurteilung kann sich je nach Sachlage im Sinne einer Verschärfung (vgl. unter 2), oder auch im Sinne einer Privilegierung der Unternehmenstätigkeit der öffentlichen Hand (vgl. unter 3) auswirken. 2. Kriterien für eine Verschärfung der Beurteilungsmaßstäbe a) Im Mittelpunkt des Wettbewerbsrechts steht die Generalklausel des § 1 UWG. Ihr zentrales materielles Tatbestandsmerkmal, der Verstoß gegen die guten Sitten, ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Seine Ausfüllung erfolgt in Zweifelsfällen aufgrund einer durch Interessenabwägung vorzunehmenden Gesamtbeurteilung des angegriffenen Verhaltens unter Rückgriff auch auf grundlegende rechtliche Wertentscheidungen48. Damit ist zugleich der methodische Ansatz für die Verschärfung des Unlauterkeitsmaßstabs gegenüber öffentlichen Unternehmen gegeben. Was zunächst die Interessenabwägung angeht, so fällt bei der Wirtschaftstätigkeit der öffentlichen Hand ins Gewicht, daß für sie anders als für private Wirtschaftssubjekte ein Eigeninteresse an erwerbswirtschaftlicher Betätigung oder an der Entfaltung unternehmerischer Handlungsfreiheit nicht anzuerkennen ist. Auch wenn allgemeine Postulate nach Art des OLG München, wonach die öffentliche Hand im Wettbewerb nicht so rücksichtslos wie ein Privater vorgehen dürfe49, wenig weiterführen, steckt dahinter doch die berechtigte Erwägung, daß die Wirtschaftstätigkeit der öffentlichen Hand anders als diejenige privater Wirtschaftssubjekte ihren Selbstzweck nicht in sich trägt. Das Rdn. 175, H. Schricker (Fn. 26), S. 144 ff., D. Reimer GRUR 1964, 214, Tetzner, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2. Aufl. 1957, § 1 Anm. 18. Rechtsprechungsnachweise vgl. in Fn. 49. - Allgemein zur differenzierenden, auch die Struktur des betroffenen Marktes und die Marktmacht der beteiligten Unternehmen berücksichtigenden Anwendung von § 1 UWG vgl. P. Ulmer ZHR 146 (1982), 466, 484 ff. m . weit. Nachw. 48 Vgl. statt aller Baumbach-Hefermehl (Fn. 14), Einl. UWG Rdn. 80 ff. (82, 89, 109), sowie zu den bei Ausfüllung von § 1 UWG zu berücksichtigenden Wertungsgesichtspunkten namentlich auch G. Schricker, Gesetzesverletzung und Sittenverstoß, 1970, S. 210 ff. Ganz auf Interessenahwägung abstellend aber Kraft, Interessenahwägung und gute Sitten im Wettbewerbsrecht, 1963, insbes. S. 43 u. a. 49 OLG München NJW 1958, 1298, 1302, unter Berufung auf RG JW 1929, 2344, 2348. Ähnlich auch BGH NJW 1977, 628, 630- Abschleppunternehmen, OLG Düsseldorf WuW/E OLG 2274, 2279 f . - Errichtung von Fernmeldetürmen.
III. Sondermaßstäbe gegenüber öffentlichen Unternehmen?
29
Unlauterkeitsurteil für ein von ihr veranlaßtes, zur Behinderung von Wettbewerben führendes leistungsfremdes Verhalten liegt daher um so näher, je geringer das damit verfolgte öffentliche Interesse ist. Das gilt in besonderem Maße für Verhaltensweisen, die auf Subventionierung von Angeboten der öffentlichen Hand auf wettbewerblieh strukturierten Märkten hinauslaufen, ohne durch spezifische, von kompetenter Seite gesetzte öffentliche Zwecke gerechtfertigt zu sein50 • Über die üblichen Wettbewerbsauswirkungen hinausgehende Behinderungen privater Wettbewerber durch öffentliche Unternehmen, die nicht auf deren höherer Effizienz beruhen, sondern auf ihrer Möglichkeit, Machtmittel und Ressourcen der öffentlichen Hand für die Wirtschaftstätigkeit einzusetzen, sind daher im Zweifel auch dann unlauter, wenn sie sich weder als sittenwidrige Verquickung öffentlicher und privater Interessen darstellen noch auch zur Gefährdung des Wettbewerbsbestandes führen. Insofern kann eine Maßstabsverschärfung bei Anwendung von § 1 UWG auf leistungsfremdes Wettbewerbshandeln der öffentlichen Hand in der Tat eintreten. Eine Verschärfung ergibt sich zum zweiten auch aus der Grundrechtsbindung der öffentlichen Hand. Sie kann nicht nur im Vertikalverhältnis zu Nachfragern oder Anbietern5 t, sondern auch im Horizontalverhältnis zu Mitbewerbern Bedeutung erlangen. Soweit das Wettbewerbshandeln bereits als solches die Voraussetzungen eines Grundrechtseingriffs durch Konkurrenz erfüllt52 , folgt seine Unzulässigkeit zwar schon hieraus, unabhängig von der Umsetzung über die Generalklausel des § 1 UWG53• Von spezifisch wettbewerbsrechtlichem Interesse Vgl. dazu näher unten S. 69 f. So namentlich im Bereich des Verwaltungsprivatrechts (vgl. Rspr.Nachw. in Fn. 31); für Berücksichtigung auch bei der Beschaffungstätigkeit der Bundespost OLG Düsseldorf WuW/E OLG 2274, 2280 - Errichtung von Fernmeldetürmen. 52 Zum Grundrechtsschutz der Privatwirtschaft gegenüber konkurrenzbedingten Eingriffen öffentlicher Unternehmen vgl. etwa Dürig (Fn. 31), Art. 2 Abs. 1 Rdn. 52, Lerche JurA 1970 (OR li), 822, 834 ff., Scholz AöR 97 (1972), 301, 305, und Festschr. f. Kar! Sieg, S. 519, Grupp ZHR 140 (1976), 843 ff., Hoffmann-Becking in Festschr. für H. J. Wolff, 1973, S. 445, 457 ff., Ossenbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, 1980, S. 113 ff. Für Grundrechtsbindung der öffentlichen Hand auch bei rein fiskalischem Handeln Isensee DB 1979, 147 ff., Grupp ZHR 140 (1976), 380 ff., Stober ZHR 145 (1981), 578 f.; dezidiert ablehnend Bettermann in Festschr. f. E. Hirsch, 1968, S. 19 f., und Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, 1969, S. 113 ff.; differenzierend Püttner (Fn. 29), S. 147 ff. Weitere Nachw. zum Meinungsstand bei Wilke I Schachel, Probleme fiskalischer Betätigung der öffentlichen Hand, in: Wirtschaft und Verwaltung (Beilage zum Gewerbearchiv) 1978, 95, 109. 53 Für einen Vorrang der auf die Grundrechtsverletzung gestützten Rechtsbehelfe vor § 1 UWG besteht allerdings entgegen Grupp ZHR 140 (1976), 378, kein Anlaß. 50
51
30
B. Zur Anwendbarkeit von Kartell- und Wettbewerbsrecht
ist der Grundrechtsaspekt indessen im Vorfeld derartiger Grundrechtsverletzungen, wenn die aus dem Wettbewerbshandeln zu erwartenden Nachteile für die Konkurrenz noch nicht die Schwelle konkreter Eingriffe gegenüber bestimmten Mitbewerbern erreicht haben. Mit Recht hat etwa der BGH für die von einem städtischen Anzeigenblatt ausgehende Behinderung privater Zeitungsverlage dem Grundrecht der Pressefreiheit Bedeutung für die Unlauterkeitsprüfung zuerkannt54 , und aus ähnlichen Gründen dürfte kürzlich der Vertrieb von Brillen durch gesetzliche Krankenkassen in Konkurrenz zu den freiberuflichen Augenoptikern als unlauterer Wettbewerb qualifiziert worden sein, auch wenn Art. 12 GG in den auf § 1 UWG bezogenen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich erwähnt wurde 55 • b) Entsprechende Grundsätze gelten auch für die Anwendung der kartellrechtlichen Generalklauseln der §§ 22 Abs. 4, 26 Abs. 2 GWB. Ansatzpunkt ist auch hier die Interessenabwägung, die nach ganz h. M. 56 die Grundlage für die Beurteilung der Unbilligkeit der Behinderung oder des Vorliegens einer Diskriminierung bildet; für sie kommt es neben der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB auf das Interesse des handelnden Verbotsadressaten sowie dasjenige der hiervon betroffenen Mitbewerber und Marktpartner an57 • Gleiches gilt für die Mißbrauchsfeststellung nach § 22 Abs. 4, jedenfalls soweit es um den - hier in erster Linie interessierenden - Behinderungsmißbrauch des § 22 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 im Unterschied zum sog. Ausbeutungsmißbrauch geht58• Da ein eigenständiges Interesse öffentlicher Unternehmen daran, ihre Wirtschaftskraft zur Gewinnmaximierung oder Stärkung ihrer Marktposition unter Beeinträchtigung von Konkurrenten oder Marktpartnern zu entfalten, nicht anzuerkennen ist 58a, führt 64 BGH GRUR 1973, 530, 531 Crailsheimer Stadtblatt; so unter verfassungskonformer, an Art. 5 Abs. 1 GG orientierter Auslegung von § 1 UWG auch schon BGHZ 51, 236, 244 f. und GRUR 1971, 477,- Stuttgarter Wochenblatt I und II, jeweils im Verhältnis zu einem privaten Anzeigenblatt. Vgl. im Sinne verfassungskonformer Auslegung von§ 1 UWG weiter BVerfGE 24, 236, 251, BGH BB 1982, 1259, 1260 - Großbanken- Restquoten, OLG Düsseldorf WRP 1975, 454 und GRUR 1978, 609, LG Braunschweig WuWIE LGIAG 460; Baumbach-He/ermehl (Fn. 14), Allg. Rdn. 44 und Einl. UWG Rdn. 89, P. Ulmer, Schranken zulässigen Wettbewerbs marktbeherrschender Unternehmen, 1977, S. 66 ff. 65 BGH GRUR 1982, 425 ff. (dazu näher P. Ulmer ZHR 146 (1982), 466, 496 ff.). ss Vgl. nur Markert in Immenga I Mestmäcker, GWB, § 26 Rdn. 196 ff. m.Nachw. 57 St. Rspr. seit BGHZ 38, 90, 102 Treuhandbüro, vgl. etwa BGHZ 52, 65, 71- Sportartikelmesse II, WuW IE BGH 1391, 1395- Rossignol, 1629, 1632Modellbauartikel II. ss Zur Interessenahwägung bei § 22 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GWB vgl. Möschel in Immenga I Mestmäcker, GWB, § 22 Rdn. 114 f.; zur Problematik des Ausbeutungsmißbrauchs vgl. Möschel a.a.O. § 22 Rdn. 148 ff.
III. Sondermaßstäbe gegenüber öffentlichen Unternehmen?
31
das Fehlen eines spezifischen öffentlichen Interesses an dem beanstandeten Marktverhalten regelmäßig zum Eingreifen der Schranken aus § 26 Abs. 2 GWB, wenn sich das beanstandete Verhalten des öffentlichen Unternehmens nur objektiv als Behinderung der Konkurrenz, d. h. als Beeinträchtigung der Wettbewerbsmöglichkeiten der Mitbewerber59 , oder als unterschiedliche Behandlung der Marktpartner erweist. Ebenso wie im Wettbewerbsrecht ist somit eine Maßstabsverschärfung für die kartellrechtliche Beurteilung des Verhaltens marktbeherrschender oder relativ marktstarker Unternehmen der öffentlichen Hand im Regelfall zu bejahen. Namentlich wenn die Art und Weise der Tätigkeit bereits öffentlichrechtlich als unzulässig anzusehen ist, wird die Interessenabwägung im Rahmen von § 26 Abs. 2 GWB stets zur Unbilligkeit bzw. zum Fehlen der sachlichen Rechtfertigung führen.
3. Privilegierungskriterien Die Feststellungen unter 2 zur Verschärfung der Beurteilungsmaßstäbe sind mutatis mutandis auch für die Möglichkeit einer Privilegierung des Marktverhaltens öffentlicher Unternehmen bei der Anwendung von Wettbewerbs- und Kartellrecht maßgebend. Ein größerer Verhaltensspielraum kann sich danach aus der legitimen Verfolgung spezifisch öffentlicher Zwecke durch Teilnahme am Wirtschaftsverkehr ergeben60 • Das gilt etwa für die unentgeltliche oder doch stark subventionierte Abgabe von Waren oder Leistungen an sozial bedürftige Kreise, jedenfalls wenn die öffentliche Zweckverfolgung und der Einsatz der hierzu benötigten Mittel von der dafür zuständigen Stelle beschlossen worden sind. Ein solches Vorgehen ist, selbst wenn es privaten Wirtschaftssubjekten wegen der daraus drohenden Marktstörung wettbewerbs-oder kartellrechtlich nicht gestattet wäre 61 , mit Rücksicht auf den öffentlichen Zweck im Zweifel auch dann nicht zu beanstanden, wenn es an einer sondergesetzlichen Regelung fehlt, die gegenüber den einschlägigen UWG- oder GWB-Tatbeständen Vorrang beanspruchen könnte.
68a Vgl. dazu auch Mestmäcker (Fn. 12) S. 184 f. zur kartellrechtlichen Problematik der Ausweitung der Tätigkeit der Post im Nebenstellengeschäft. 59 Markert (Fn. 56), § 26 Rdn. 183. so So auch H. Schricker (Fn. 26), S. 154 ff., Rathjen DVBI. 1975, 649, 651; vgl. auch schon E. Ulmer JW 1933, 1948. 61 So wenn es zur Gefahr der Marktverstopfung oder zur Gefährdung des Wettbewerbsbestands führt, vgl. BGHZ 43, 278, 284- Kleenex, BGH GRUR 1969, 295, 296 - Goldener Oktober, BGHZ 81, 291, 294 - Bäckerfachzeitschrift, weitergehend noch BGH GRUR 1977,698- Feld und Wald Il.
C. Änderungen der Informationspolitik gegenüber den Verlagen und ihre Beurteilung nach Kartell· und Wettbewerbsrecht I. Fragestellung 1. Denkbare Anderungen Änderungen gegenüber der bisherigen Information der Verlage über die künftigen Sendeprogramme der Anstalten sind auf verschiedene Art und Weise möglich. Denkbar wäre zum einen die Vorenthaltung oder eine wesentliche Kürzung der zur Verfügung gestellten Informationen, etwa unter Beschränkung auf die bloßen Programmtitel und Sendezeiten. Die Anstalten könnten zum anderen den zeitlichen Vorlauf der Information der Verlage vor dem Beginn des Sendeprogramms von gegenwärtig 4- 5 Wochen einschränken. Schließlich käme auch die Erhebung eines Entgelts in Betracht, sei es für die den Verlagen über die Programmtitel hinaus zur Verfügung gestellten Zusatzinformationen oder für sämtliche Vorabinformationen unter Einschluß der bloßen ProgrammtiteL
2. Auswirkungen für Programmzeitschriften und Tageszeitungen Auswirkungen wären von einer Änderung der Informationspolitik der Anstalten vor allem für die Marktstellung der Programmzeitschriften zu erwarten, deren Hauptfunktion in der Information der Leser über das künftige Sendeprogramm liegt. Ihr Markterfolg wird wegen dieser speziellen Ausrichtung entscheidend von Änderungen bei der Programminformation beeinflußt. Sollten die Anstalten künftig die Vorabinformation der Verlage einstellen oder den Zeitraum bis zum Programmbeginn so verkürzen, daß die redaktionelle Umsetzung und die Vervielfältigung entweder ganz ausgeschlossen oder nicht mehr unter Einhaltung des von den Kunden erwarteten Mindestabstands vor Programmbeginn möglich ist, so würde dadurch der Markt für selbständige, von privatwirtschaftliehen Verlagen herausgegebene Programmzeitschriften zum Erliegen kommen. Ähnliche Folgen wären zu erwarten, wenn der Inhalt der Informationen drastisch verkürzt und
I. Fragestellung
33
den Verlagen dadurch trotz des Einsatzes eigener Recherchen die Möglichkeit genommen würde, den Informationserwartungen der Kunden zu entsprechen. Dadurch entfiele zumindest für einen großen Teil der gegenwärtig rd. 14 Mill. Käufer von Programmzeitschriften der Kaufanreiz; es wäre mit einem erheblichen, für die Verlage existenzgefährdenden Auflagenrückgang zu rechnen. Demgegenüber erhöht die Einführung eines Entgelts für die Programminformation zwar die Herstellungskosten der Verlage und schlägt sich vorbehaltlich sonstiger Rationalisierungsmöglichkeiten im Zweifel in einer Steigerung des Einzelverkaufspreises nieder. Die Auswirkungen dieser Preissteigerung auf den Programmzeitschriftenmarkt und die Marktstellung der einzelnen Verlage sind jedoch schwerer abschätzbar. Immerhin ist, wenn das Entgelt einheitlich gegenüber allen die Information beziehenden Verlagen unabhängig von deren Verkaufsauflage in Rechnung gestellt wird, bei nicht nur geringfügigen Beträgen zu erwarten, daß sich daraus relative Wettbewerbsvorteile für die Verlage mit den größten Auflagenzahlen zu Lasten ihrer kleineren Konkurrenten ergeben. Auswirkungen einer geänderten Informationspolitik für die Marktstellung von Tageszeitungen sind demgegenüber nicht oder doch nur in wesentlich geringerem Umfang zu erwarten. Das gilt namentlich für solche Tageszeitungen, die sich auf den - täglichen oder wöchentlichen - Abdruck der reinen Programminformation beschränken, da dieser für die Kaufentscheidung der Leser nur in seltenen Fällen ausschlaggebend sein und meist hinter dem sonstigen Inhalt der Zeitungen zurücktreten dürfte. Aber auch wenn es sich um Zeitungen mit Programm-Supplement handelt, ist eine andere Beurteilung im Zweifel nicht veranlaßt Denn weder ist ein deutlicher Anstieg der Verkaufsauflagen solcher Zeitungen seit Einführung der Supplements bekanntgeworden, noch haben sich die Supplements ihrerseits nachhaltig auf den Markterfolg der Programmzeitschriften ausgewirkt. Das gibt Anlaß zu der Vermutung, daß ähnlich wie beim bloßen Abdruck der Programminformation in den Tageszeitungen auch die Lieferung der Supplements von den Lesern zwar als Zusatzangebot verstanden wird, daß sie ihr Kaufverhalten aber nicht nennenswert beeinflußt. Sollte die vorherige Programminformation von den Anstalten künftig nur noch entgeltlich zur Verfügung gestellt werden und sollte dieses Entgelt bei kleinen oder mittleren Tageszeitungen nennenswert zu Buche schlagen, so wäre daher sogar mit einem Verzicht der Zeitungsverlage auf den Abdruck der Information zu rechnen, ohne daß sich damit besondere Marktwirkungen verbinden müßten. Aus diesen Gründen beschränken sich die folgenden Untersuchungen darauf, etwaige Änderungen der Informationspolitik der Anstalten im 3 Ulmer
34
C. Änderungen der Informationspolitik gegenüber den Verlagen
Verhältnis zu den Verlagen für Programmzeitschriften zu würdigen. Das Verhältnis zu den Tageszeitungen bleibt ausgeklammert.
3. Schwerpunkte der rechtlichen Beurteilung Rechtlich liegt der Schwerpunkt der Untersuchungen beim Kartellrecht, weil - wie unter li zu zeigen ist - den Anstalten hinsichtlich der Programminformation eine marktbeherrschende Stellung zukommt, so daß ihr Marktverhalten nach den für marktbeherrschende Unternehmen geltenden verschärften Vorschriften der §§ 22 Abs. 4, 26 Abs. 2 GWB zu beurteilen ist. Auf die wettbewerbsrechtliche Beurteilung gehen sie nur ergänzend ein. Die Frage nach presserechtliehen oder sonstigen öffentlichrechtlichen Informationspflichten der Anstalten gegenüber den Verlagen62 bleibt entsprechend dem privatrechtliehen Charakter des Gutachtens ausgeklammert.
II. Zur beherrschenden Stellung der Anstalten auf dem Markt für Programminformationen
1. Der Markt für Programminformationen als eigenständiger Markt Die Marktabgrenzung als Grundlage für die Ermittlung einer marktbeherrschenden Stellung i. S. von § 22 GWB richtet sich nach dem sog. Bedarfsmarktkonzept63 • In sachlich-gegenständlicher Hinsicht kommt es danach entscheidend darauf an, welche Erzeugnisse der verständige Verbraucher für die Deckung eines bestimmten Bedarfs als gegenseitig austauschbar ansieht64 • Maßgebend ist m. a. W. die aus der Sicht der Marktgegenseite zu beurteilende funktionale Austauschbarkeil des in Frage stehenden Erzeugnisses mit anderen Waren; darauf, ob diese von gleicher oder anderer physikalisch-technischer, chemischer u. a. Beschaffenheit sind, kommt es nicht an65. Für die Abgrenzung des Marktes für Programminformationen ist danach auf die Sicht der Abnehmer dieser Informationen abzustellen, 62 Eine Informationspflicht der Anstalten gegenüber den Verlagen aufgrund der Vorschriften der Landespressegesetze wird verneint von VGH Mannheim NJW 1982, 668 f., und Scholz (Fn. 9 a), S. 67 ff. m. Nachw.; a. A. VG Köln, Urteil v. 6. 2. 1981 (6 K 161/BO, unveröff.). 63 Vgl. näher Möschel (Fn. 58),§ 22 Rdn. 24 ff. 64 St. Rspr., vgl. KG WuW /E OLG 995, 996 Handpreisauszeichner, KG WuW/E OLG 1745, 1748 - Kfz-Kupplungen, BGH WuW/E BGH 1435, 1440 Vitamin B 12. 65 Möschel (Fn. 58),§ 22 Rdn. 24m. Nachw.
II. Zur marktbeherrschenden Stellung der Anstalten
35
d. h. auf diejenige der Hörfunk- und Fernsehteilnehmer sowie - auf der vorgelagerten Marktstufe- der Verlage und sonstigen Multiplikatoren. Danach kann nicht etwa von einem einheitlichen, alle Arten von Daten und Informationen umfassenden Informationsmarkt ausgegangen werden. Vielmehr hat sich, wie namentlich das Beispiel der Programmzeitschriften zeigt, auf beiden Marktstufen ein eigenständiger Markt filr Programminformationen herausgebildet, auf dem die Anstalten als Anbieter der 1. Stufe, die Verlage als Nachfrager der 1. und Anbieter der 2. Stufe tätig sind66 . Programminformationen bilden einen typischen, für große Bevölkerungskreise relevanten und mit anderen Arten von Informationen nicht austauschbaren Markt. Die Teilnehmer sind, wenn sie sich im Interesse der Versorgung mit Nachrichten und Unterhaltungssendungen für die Begründung eines Benutzungsverhältnisses zu den Anstalten entschieden haben, darauf angewiesen, die besonderen, für die Benutzung der Programme erforderlichen Informationen zu erhalten; dieser spezifische Bedarf ist nicht durch sonstige Informationsangebote zu decken. Die Verhältnisse liegen ähnlich wie bei Ersatzteilen für reparatur- und wartungsbedürftige Waren; diese werden trotz ihres funktionalen Bezugs zur Hauptware von der ganz h. M. zu Recht als einem selbständigen Teilmarkt zugehörig angesehen, da für die Abnehmer der Hauptware, aber auch für die Reparaturbetriebe, als Folge des Inverkehrbringens der Hauptware ein Bedarf für diese Teile entsteht, der nicht durch Verweisung der Nachfrager auf andere Hauptwaren befriedigt werden kann67.
2. Die beherrschende Stellung der Anstalten Der Vergleich zum Ersatzteilmarkt zeigt nicht nur die Eigenständigkeit des Programminformationsmarktes im Verhältnis zu sonstigen Informations- und Unterhaltungsmärkten (insbesondere Hörfunk, Fernsehen sowie die verschiedenen Arten von Pressemärkten), sondern macht gleichzeitig die Notwendigkeit deutlich, innerhalb dieses Mark66 Die kartellrechtliche Frage der Abgrenzung des relevanten Marktes ist nicht zu verwechseln mit der oben (unter B li 2, S. 25 f.) erörterten Vorfrage, ob die Information der Verlage über das Sendeprogramm als geschäftliche Tätigkeit der Anstalten anzusehen ist, auf die GWB und UWG anwendbar sind, und ob sie sich als Teil der Sendetätigkeit oder als eine davon zu unterscheidende, selbständige Geschäftstätigkeit darstellt. - Zur Differenzierung zwischen dem Markt für Programminformationen der Anstalten gegenüber den Verlagen und dem das Verhältnis der Verlage und sonstiger Multiplikatoren zu den Teilnehmern betreffenden Markt für Programmzeitschriften vgl. auch unten D li 1, S. 50 ff. 67 Vgl. Rspr.- Nachweise bei Möschel (Fn. 58),§ 22 Rdn. 25.
3*
36
C. Änderungen der Informationspolitik gegenüber den Verlagen
tes zwischen den Programminformationen der einzelnen Anstalten bzw. -im Fall des Fernsehangebots der ARD- demjenigen der durch die ARD verkörperten Vereinigung zu unterscheiden. Denn ebenso wie im Regelfall die Ersatzteile für Produkte der Marke X funktional nicht austauschbar sind für den Inhaber eines Y-Produkts68 , so wenig ist auch einem Teilnehmer mit den Programminformationen einer Anstalt gedient, wenn er sich für das Programm anderer Anstalten interessiert oder sich einen Überblick über das Gesamtprogramm verschaffen will. Daher sind jedenfalls auf der 1. Marktstufe, im Verhältnis zwischen Anstalten und Verlagen, die einzelnen Anstaltsprogramme als je einem selbständigen Teilmarkt zugehörig zu unterscheiden. Wenn diese Unterscheidung für die 2. Marktstufe, im Verhältnis zu den Teilnehmern, z. Zt. ohne praktische Bedeutung ist, so nur deshalb, weil die Programme typischerweise von den Nachfragern der 1. Stufe gebündelt und als einheitliches Angebot an die 2. Stufe weitergeleitet werden. Sollte die Bündelungsfunktion der Verlage und sonstiger Multiplikatoren künftig einmal entfallen oder nur noch unvollständig wahrgenommen werden, so wäre die Aufteilung der Programminformation in selbständige Teilmärkte auch auf der 2. Stufe unverkennbar. Aus dieser Marktabgrenzung folgt, daß entsprechend den auf die einzelnen Anstaltsprogramme bezogenen Märkten für Programminformation jeder Anstalt eine Monopolstellung für die Information über ihr Programm zukommt. Soweit es sich - wie im Fall des 1. Fernsehprogramms - um ein Gemeinschaftsprogramm handelt, ist marktbeherrschend der von den beteiligten Anstalten gebildete Zusammenschluß als selbständiger Programmanbieter; dabei können das Innenverhältnis des Zusammenschlusses und seine mehr kooperative oder konzentrative Struktur dahingestellt bleiben69 • Die Marktbeherrschungsvoraussetzungen des § 22 Abs. 1 GWB sind für den Markt der Programminformationen somit bei jeder Anstalt erfüllt, die über ein eigenständiges Programm verfügt, sowie daneben bei Anstaltszusammenschlüssen nach Art der ARD. 3. Folgerungen für§§ 22, 26 Abs. 2 GWB Aus den Feststellungen zu 2 über die marktbeherrschende Stellung der einzelnen Anstalten bzw. Anstaltszusammenschlüsse auf dem Markt für Programminformationen folgt die Anwendbarkeit der gegen marktes Vgl. Nachw. in Fn. 67.
Zur Frage der kartellrechtlichen Beurteilung der ARD als kartellähnlichem Verband oder Zusammenschluß zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben vgl. Mestmäcker NJW 1969, 4 m . Nachw. 89
III. Machtmißbrauch oder unbillige Behinderung?
37
beherrschende Unternehmen gerichteten Vorschriften der §§ 22, 26 Abs. 2 GWB (vgl. dazu unter 111). Es bedarf daher auch keiner zusätzlichen Prüfung, ob - woran sachlich zumindest auf absehbare Zeit70 kein Zweifel bestehen kann- im Verhältnis zwischen den Programmzeitschriftenverlagen und den Anstalten auch die Voraussetzung der relativen Abhängigkeit i. S. von § 26 Abs. 2 S. 2 GWB erfüllt ist71 und das Verbot unbilliger Behinderung und Diskriminierung daher auch aus diesem Grunde eingreift.
111. Änderungen der Informationspolitik als Machtmißbrauch oder unbillige Behinderung?
1. Beurteilungskriterien Für das zur Behinderung anderer Unternehmen führende Marktverhalten marktbeherrschender Unternehmen war bis zur 4. GWHNovelle 1980 anerkannt, daß für die Mißbrauchsprüfung nach § 22 Abs. 4 GWB und die Feststellung einer unbilligen Behinderung i. S. von§ 26 Abs. 2 GWB die gleichen Maßstäbe gelten72 ; sie bestimmen sich entsprechend der schon erwähnten Formel der ständigen Rechtsprechung73 nach einer Abwägung der Interessen von Behinderer und Behindertem unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB. Demgegenüber wird neuerdings die Übereinstimmung des sachlichen Anwendungsbereichs der §§ 22 Abs. 4, 26 Abs. 2 GWB zwar bezweifelt, weil § 22 Abs. 4 durch die Anfügung von S. 2 im Zuge der 4. GWB-Novelle eine Ausweitung erfahren habe, die für § 26 Abs. 2 nicht ebenso gelte74• Auch wenn diese Ansicht - was hier dahinstehen kann - richtig wäre75 , so bliebe es 70 Vorbehaltlich einer allenfalls langfristig zurnutbaren Umstellung der Tätigkeit der Programmzeitschriftenverlage auf die Verbreitung anderer Informationen (zur zeitlichen Begrenzung der relativen Abhängigkeit nach § 26 Abs. 2 S. 2 vgl. Markert (Fn. 56), § 26 Rdn. 113). 71 Dazu vgl. näher Markert (Fn. 56), § 26 Rdn. 91 ff. m . Nachw. 72 Vgl. nur BGHZ 52, 65 (66, 69 ff.) Sportartikelmesse, Möschel (Fn. 58), § 22 Rdn. 135, 207, Markert (Fn. 56),§ 26 Rdn. 312, P. Ulmer, Schranken zulässigen Wettbewerbs marktbeherrschender Unternehmen, 1977, S. 62 f. 73 Vgl. Text vor Fn. 57. 14 Vgl. Nachw. bei Möschel (Fn. 58),§ 22 Rdn. 108, 135. 75 Gegen sie spricht allein schon der Umstand, daß § 22 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GWB auf eine sachlich nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung der Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen, d. h . auf Umstände abstellt, die auch für die unbillige Behinderung kennzeichnend sind, darüber hinaus aber mit dem Abstellen auf die Erheblichkeit der Beeinträchtigung für den Wettbewerb auf dem betroffenen Markt zusätzlich noch eine Marktfolgenprüfung verlangt.
38
C. Änderungen der Informationspolitik gegenüber den Verlagen
doch jedenfalls insoweit bei der Deckung des Anwendungsbereichs, als das Vorliegen einer unbilligen Behinderung nach § 26 Abs. 2 GWB zu bejahen ist, auch wenn der Mißbrauchsbegriff des § 22 Abs. 4 GWB im übrigen weiterreichen sollte. Die folgende Prüfung setzt daher bei § 26 Abs. 2 GWB an. Insoweit ist heute anerkannt, daß der Begriff der Behinderung objektiv zu verstehen und schon dann zu bejahen ist, wenn die angegriffene Maßnahme des Marktbeherrschers zu einer Beeinträchtigung der davon betroffenen Mitbewerber oder Marktpartner in ihren wettbewerbliehen Betätigungsmöglichkeiten führt7 6 • Demgegenüber ist das Merkmal der Unbilligkeil wertender Natur und dazu bestimmt, unter Rückgriff auf die Interessenahwägung die Grenze zwischen dem auch Marktbeherrschern erlaubten, für Mitbewerber oder Marktpartner nachteiligen Marktverhalten und der unter das Verbot des § 26 Abs. 2 fallenden Beeinträchtigung Dritter zu ziehen77 •
2. Verkürzung der Information Soweit es um Änderungen der Informationspolitik der Anstalten geht, die zu einer merklichen Verkürzung des Umfangs der den Verlagen zur Verfügung gestellten Programminformation führen, steht eine Behinderung der Verlage angesichts von deren Angewiesensein auf die Informationsbeschaffung außer Zweifel. Das gilt nach den Feststellungen unter CI 1 nicht nur bei völliger Einstellung der Vorabinformation, sondern auch bei Modifikation der Informationsinhalte, die eine Vermittlung von über die reinen Programmtitel hinausgehenden Zusatzinformationen der Verlage an die Teilnehmer ausschließen oder doch nicht unerheblich reduzieren. Für die Unbilligkeil dieses Vorge'hens kommt es darauf an, ob die Anstalten hierzu aus berechtigten, gegenüber dem Informationsinteresse der Verlage und dem Allgemeininteresse an einem funktionsfähigen Markt für Programminformationen vorrangigen, nicht mit geringeren Eingriffen zu verwirklichenden78 eigenen Interessen übergehen oder ob derartige vorrangige Interessen der Anstalten nicht feststellbar sind, die Änderung vielmehr auch oder gar in erster Linie durch Sanktionserwägungen der Anstalten gegenüber einem Eindringen der Verlage in den Fernsehmarkt veranlaßt sind. Des Nachweises einer Schädigungsabsicht der Anstalten bedarf 78 77
Markert (Fn. 56), § 26 Rdn. 183. Vgl. näher Markert (Fn. 56), § 26 Rdn. 195 ff. m. Nachw.
78 Zur Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Unbilligkeitsprüfung nach § 26 Abs. 2 GWB vgl. Markert (Fn. 56), § 26 Rdn. 210 m. Rspr.-Nachw.
III. Machtmißbrauch oder unbillige Behinderung?
39
es nicht78 "'; vielmehr genügt bereits das Fehlen eines anerkennenswerten, vorrangigen Eigeninteresses der Anstalten, um den Unbilligkeitsvorwurf zu begründen. Prüft man daraufhin die denkbaren Maßnahmen der Informationsverkürzung, so kann an ihrer Unbilligkeit kaum ein Zweifel bestehen. Denn berechtigte Eigeninteressen der Anstalten, die zu der Änderung Anlaß geben und gegenüber den entgegenstehenden Interessen von Verlagen und Allgemeinheit den Vorrang verdienen würden, sind nicht erkennbar. Da die Anstalten ohnehin ein Sendeprogramm erarbeiten und dies wohl schon aus innerbetrieblichen Gründen mit einem entsprechenden zeitlichen Vorlauf unternehmen, bildet die Programminformation ein Nebenprodukt, das in jedem Fall erstellt wird und daher auch an Dritte abgegeben werden kann, im Rahmen des den Anstalten übertragenen, den Teilnehmern gegenüber bestehenden öffentlichen Auftrags79 der Öffentlichkeit sogar zugänglich gemacht werden muß. Sollten mit der Vorabinformation Zusatzkosten verbunden sein, an deren Einsparung die Anstalten ein berechtigtes Interesse hätten, so könnte dem durch entgeltliche Abgabe der Information als zweifellos milderes Mittel im Vergleich zu deren Einstellung oder wesentlichen Verkürzung Rechnung getragen werden (vgl. dazu S. 41 ff.). Gegen das Vorliegen berechtigter Interessen der Anstalten an der Informationsverkürzung spricht namentlich auch der Umstand, daß entsprechende Erwägungen wohl besonders mit Rücksicht auf die Überlegungen der Verlage zum Eintritt in den Fernsehmarkt angestellt wurden. Das begründet eine starke Vermutung für ihren Sanktionscharakter, wobei die Unbilligkeit des Vorgehens sich bei normativer Wertung80 auch darin zeigt, daß die Sanktionen sich gegen einen für die Anstalten unerwünschten, nach den Prämissen dieses Gutachtens81 aber Vgl. auch Möschel (Fn. 58),§ 22 Rdn. 121. Er geht nach den einschlägigen Rundfunkgesetzen und den auf ihrer Grundlage errichteten Satzungen regelmäßig dahin, für die Allgemeinheit Nachrichten und Darbietungen in Wort, Ton und Bild über Anlagen des Rundfunks und Fernsehfunks zu verbreiten (vgl. etwa § 3 Abs. 1 des Gesetzes über den WDR i. d. F. vom 5. 7. 1974, GV NW S. 251, und § 3 Abs. 3 des Staatsvertrags über den SWF i. d. F. vom 16. 3. 1959, GBI. Baden-Württ. S. 56; ähnlich auch § 1 des Rundfunkgesetzes über den SDR i. d. F. vom 2. 8. 1951, Württ.-Bad. Reg. BI. 1951, 63, sowie § 1 Abs. 1 der SDR-Satzung, wonach die Aufgabe des SDR in der Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen für die Allgemeinheit und im Betrieb von Sendern im Gebiet Württemberg-Baden liegt). -Die Herausgabe gedruckter Programminformationen an die Verlage oder sonstigen Multiplikatoren oder auch an die Teilnehmer selbst ist, soweit ersichtlich, in keinem der Rundfunkgesetze oder Staatsverträge und in keiner der Anstaltssatzungen ausdrücklich vorgesehen; das schließt eine entsprechende Annexkompetenz freilich nicht aus. 80 Vgl. dazu Markert (Fn. 56),§ 26 Rdn. 200, 203 ff. m. Nachw. 8t Vgl. oben A IV, S. 16. 7Ba 79
40
C. Änderungen der Informationspolitik gegenüber den Verlagen
rechtlich nicht verbotenen Neuzutritt von Wettbewerbern in einen bisher nur von ihnen kontrollierten Markt richten und zu einer Art Marktzugangssperre führen sollen (vgl. auch unter IV). Auf ein etwaiges Interesse politischer Kreise, die Monopolstellung der öffentlichrechtlichen Anstalten auf dem Fernsehmarkt zu erhalten, können sich die Anstalten auch abgesehen von der Frage seiner Vereinbarkeit mit Art. 5 Abs. 1 GG jedenfalls deshalb nicht berufen, weil es sich dabei nicht um ein den Anstalten selbst eigentümliches, namentlich durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschütztes oder um ein für die Zielsetzung des GWB relevantes Interesse handelt; anderes würde dann gelten, wenn die Verlage kraft Gesetzes am Marktzutritt gehindert wären. Fehlt es aber bereits an einem anerkennenswerten, nicht mit milderen Mitteln zu realisierenden Interesse der Anstalten, so ist schon deshalb für eine lnteressenabwägung kein Raum und es bedarf keines Eingehens auf die Frage, welches Gewicht der Grundrechtsbindung der Anstalten als Inhaber öffentlicher Gewalt bei ihrem die Verlage beeinträchtigenden oder gar zum Ausscheiden der privatwirtschaftliehen Anbieter aus dem Markt für Programmzeitschriften führenden Vorgehen zukommt82 • Die Unbilligkeit der Behinderung der Verlage von Programmzeitschriften wäre im Falle einer merklichen Verkürzung der Programminformation ihnen gegenüber nach allem zu bejahen; dies würde mit Rücksicht auf das Interesse der Verlage an den Programminformationen selbst dann gelten, wenn die Anstalten dazu übergingen, die Sendeprogramme den Teilnehmern auch unmittelbar in gedruckter Form zur Verfügung zu stellen (vgl. unter D). Die gleiche Beurteilung würde aus den unter 1 genannten Gründen für den Mißbrauch i. S. von § 22 Abs. 4 gelten. Insoweit wäre namentlich auch der im Beispielskatalog des § 22 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GWB genannte Fall der mißbräuchlichen Beeinträchtigung der Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen erfüllt, da die Informationsverkürzung sich aller Voraussicht nach erheblich auf den Markt für Programmzeitschriften als eigenständigen Teilmarkt83 auswirken würde (vgl. oben I 2) und eine sachliche Rechtfertigung dafür nicht in Sicht wäre.
3. Verringerung des Zeitabstands Die vorstehenden Erwägungen (unter 2) gelten entsprechend für den Fall, daß die Anstalten die Programminformationen zwar weiter im bisherigen Umfang zur Verfügung stellen, jedoch den Zeitabstand zwi82 Vgl. zur Frage der Grundrechtsbindung der öffentlichen Unternehmen und ihrer Bedeutung im Rahmen von § 1 UWG oben B III 2, S. 29 f. 83 Vgl. dazu näher unten D II 1, S. 50.
III. Machtmißbrauch oder unbillige Behinderung?
41
sehen Vorabinformation und Programmbeginn in einem solchen Maße verkürzen sollten, daß eine den Käufererwartungen entsprechende und für den Markterfolg wesentliche rechtzeitige Erstellung der Programmzeitschriften aus redaktionellen und/oder technischen Gründen ausgeschlossen oder merklich erschwert wäre. Auch für ein solches Vorgehen wären angesichts einer seit Jahrzehnten gut eingespielten, nicht zu erkennbaren Sonderbelastungen der Anstalten führenden Praxis berechtigte Interessen der Anstalten nicht erkennbar, während die für Verlage und Allgemeinheit zu erwartenden Nachteile offensichtlich wären. An der Unbilligkeit dieses Vorgehens im Sinne von § 26 Abs. 2 GWB und an seiner Beurteilung als Machtmißbrauch nach § 22 Abs. 4 GWB wäre daher nicht ernsthaft zu zweifeln, eine Wertung, die zusätzlich durch den Sanktionscharakter der Maßnahme unterstrichen würde.
4. Berechnung eines Entgelts a) Sollte künftig zwar die reine, auf die Programmtitel beschränkte Information weiterhin unentgeltlich abgegeben, für die zusätzlichen Presseinformationen aber ein Entgelt berechnet werden, so könnte auch hierin mit Rücksicht auf die Kostensteigerung für die Verlage eine Behinderung liegen. Nicht zweifelsfrei wäre in diesem Fall allerdings die Bejahung der Unbilligkeit; dies jedenfalls dann, wenn die Höhe des Entgelts kartellrechtlich unbedenklich wäre und sich nicht als Ausnutzung einer Monopolstellung (Ausbeutungsmißbrauch) erwiese84 • Denn dem Interesse der Verlage an der Aufrechterhaltung einer jahrzehntelang eingespielten, über die Multiplikatorfunktion der Verlage auch den Anstalten selbst zugute kommenden Praxis steht deren Interesse als Anbieter von geldwerten Leistungen gegenüber, diese nicht unentgeltlich abgeben zu müssen. Daß die Programminformation eine geldwerte Leistung enthält, zeigt allein schon die Zahl von rd. 14 Mill. Programmzeitschriften, die von den Verlagen wöchentlich an die Teilnehmer gegen Entgelt abgegeben werden und deren wesentlichen Inhalt die - freilich durch eigene Recherchen der Verlagsredaktionen angereicherten - Sendeprogramme bilden. Daß die Anstalten die zusätzlichen Presseinformationen bisher unentgeltlich zur Verfügung gestellt haben, geschah in erster Linie mit Rücksicht auf ihr eigenes Interesse an der Multiplikatorfunktion der Verlage und die mittelbar auch den Teilnehmern zugute kommenden, aus deren Gebühren finanzierten Informationsinhalte. Diesem Umstand kommt auch künftig jedenfalls insoweit Bedeutung zu, als es um die B4 Zum Ausbeutungsmißbrauch vgl. § 22 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 und 3 GWB sowie Möschel (Fn. 58), § 22 Rdn. 148 ff.
42
C. Änderungen der Informationspolitik gegenüber den Verlagen
Frage einer Entgeltsberechnung für die reine Programminformation geht (vgl. unter b). Demgegenüber ist für die den Programmzeitschriftenverlagen zur Verfügung gestellte Zusatzinformation ein überwiegendes Interesse der Verlage an deren unentgeltlichem Bezug im Vergleich zum Interesse der Anstalten an einer Vergütung der ihnen entstehenden Zusatzaufwendungen nicht ohne weiteres zu erkennen. Auch das Interesse des GWB an der Offenhaltung der Märkte wird durch die Berechnung eines- seinerseits nicht mißbräuchlich festgesetztenEntgelts nicht unmittelbar betroffen. Sollte - was wenig wahrscheinlich sein dürfte - die Nachfrage nach Programmzeitschriften infolge der entgeltlichen Beschaffung der Informationen und deren Auswirkungen auf den Verkaufspreis der Zeitschriften spürbar zurückgehen, so wäre darin doch kein den Anstalten zuzurechnender Wettbewerbsnachteil der Verlage zu sehen, sondern eine wettbewerbskonforme Anpassung der Nachfrage an ein realistisch kalkuliertes, nicht länger durch Teilnehmergebühren subventioniertes Angebot. Auch sonstige Gründe gegen die Berechnung eines Entgelts für die zusätzliche Presseinformation schlagen im Rahmen von § 26 Abs. 2 GWB letztlich wohl nicht durch. Zwar ist nicht auszuschließen, daß durch die entgeltliche Abgabe der Programminformation die Verlage mit den auflagenschwächeren Programmzeitschriften gegenüber den Marktführern schlechter gestellt würden, da diese die Kosten besser als ihre kleineren Konkurrenten umlegen könnten. Hierin ist jedoch lediglich die im Wettbewerb auch sonst bekannte Folge von Größenvorteilen zu sehen; ein Argument gegen die Zulässigkeit der Einführung eines Entgelts für die besondere Presseinformation läßt sich darin nicht finden. Schließlich könnte in der Differenzierung zwischen der - weiterhin unentgeltlichen - reinen Programminformation und einer nur entgeltlich zur Verfügung gestellten zusätzlichen Presseinformation auch keine nach § 26 Abs. 2 GWB verbotene Diskriminierung der Verlage gesehen werden. Auch wenn man - was zumindest zweifelhaft ist - die beiden Arten von Informationen trotz ihres unterschiedlichen Inhalts für im Grundsatz vergleichbar hält, so wäre doch jedenfalls eine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung zu bejahen. Denn die allgemeine Information über das Sendeprogramm liegt im Interesse grundsätzlich aller Teilnehmer, so daß sich die Finanzierung der damit verbundenen Zusatzkosten für Druck, Papier, Porto u. a. aus dem Gebührenaufkommen anbietet. Dagegen sind an den vor allem für die Zwecke der Verlage bedeutsamen Zusatzinformationen in erster Linie die Leser der Programmzeitschriften sowie teilweise auch diej enigen der Programm-Supplements interessiert. Dann aber bedeutet es keinen
III. Machtmißbrauch oder unbillige Behinderung?
43
Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot, wenn diese Produkte im Unterschied zur reinen Programminformation mit den hierauf entfallenden zusätzlichen Kosten belastet werden. b) Was demgegenüber die reine Programminformation angeht, so sprechen nach dem Vorstehenden (unter a) gute Gründe dafür, daß die Anstalten sie den Verlagen und sonstigen Multiplikatoren wegen der von ihnen erbrachten, im Anstaltsinteresse liegenden Verbreitungsleistung weiterhin unentgeltlich zur Verfügung stellen. Berechtigte Interessen der Verlage an unentgeltlicher Information, die gegenüber den Interessen der Anstalten an Berechnung eines Entgelts für geschäftliche Leistungen den Vorrang verdienten, lassen sich zwar nicht allein auf die bisherige Praxis stützen, selbst wenn sich die Verlage bei ihrer Geschäftstätigkeit hierauf eingerichtet haben sollten. Denn eine Zusage auf ihre Beibehaltung auch in Zukunft kann daraus wohl nicht entnommen werden; auch haben die Verlage, soweit ersichtlich, keine ins Gewicht fallenden Investitionen im Vertrauen hierauf vorgenommen, die durch die Entgeltlichkeit der Programminformationen entwertet würden85. Und ebenso gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Zweckbindung des Gebührenaufkommens in dem Sinn, daß daraus jedenfalls die Kosten für die regelmäßige Information der Verlage und der sonstigen Multiplikatoren über das künftige Sendeprogramm getragen werden müßten. Wenn jedoch die Anstalten ohne sachlichen Anlaß und unter weiterer Inanspruchnahme der Multiplikatorfunktion der Verlage künftig zur Berechnung eines Entgelts für die Programminformation übergingen und ihnen dieses Vorgehen nur durch ihre marktbeherrschende Stellung ermöglicht würde, so wäre darin eine nach § 26 Abs. 2 GWB verbotene unbillige Behinderung der Verlage zu sehen.
5. Zusammenfassung Eine unbillige Behinderung der Verlage und ein Mißbrauch der marktbeherrschenden Stellung der Anstalten wäre nach allem in solchen Änderungen der Informationspolitik der Anstalten zu sehen, die eine spürbare sachliche oder zeitliche Verkürzung der Informationsmöglichkeiten der Verlage über die künftigen Sendeprogramme zur Folge hätten und sich dadurch nachteilig auf den Markt für Programmzeitschriften auswirken würden. Gegenüber dem berechtigten Interesse von Verlagen und Allgemeinheit an Beibehaltung der bisherigen, seit 85 Zur Bedeutung des Vertrauensaspekts für zivilrechtliche Schadensersatzund Erfüllungsansprüche vgl. vor allem Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971; zur Berücksichtigung zivilrechtlicher Aspekte bei der Unbilligkeitsprüfung vgl. etwa BGH WuW/E BGH 1429, 1433 f. und
NJW 1982, 1759 f .
44
C. Anderungen der Informationspolitik gegenüber den Verlagen
Jahrzehnten bewährten Informationspolitik wäre ein anerkennenswertes oder gar vorrangiges Interesse der Anstalten an derartigen die Verlage und ihre Verbreitungsfunktion beeinträchtigenden Maßnahmen nicht erkennbar. Als Machtmißbrauch und unbillige Behinderung wäre weiter auch die Einführung eines Entgeltes für die reine Programminformation anzusehen, wenn sie ohne sachlichen Anlaß mit Hilfe der beherrschenden Stellung der Anstalten durchgesetzt würde. Anderes dürfte dagegen für die Berechnung eines Entgelts durch die Anstalten gelten, soweit es sich auf die zusätzlichen Presseinformationen beschränkt und dazu bestimmt ist, die den Anstalten im Interesse der Verlage entstehenden Zusatzkosten zu vergüten. Etwaige Nachteile hieraus für den Absatzerfolg der Programmzeitschriften müßten die Verlage angesichts des berechtigten Interesses der Anstalten an der Entgeltberechnung für die von ihnen erbrachten geldwerten Leistungen hinnehmen; aus der abweichenden bisherigen Praxis läßt sich ein Anspruch auf ihre Beibehaltung für die Zukunft nicht ableiten.
IV. Sanktionsandrohung und § 25 Abs. 2 GWB Für die kartellrechtliche Beurteilung etwaiger Änderungen des Informationsverhaltens der Anstalten gegenüber den Verlagen ist schließlich auch das Druckverbot des § 25 Abs. 2 GWB von Bedeutung. Es gilt im Unterschied zu §§ 22 Abs. 4, 26 Abs. 2 GWB für alle Arten von Unternehmen, auch solche ohne marktbeherrschende oder -starke Stellung, und untersagt ihnen die Androhung oder Zufügung von Nachteilen aller Art oder das Versprechen oder Gewähren von Vorteilen gegenüber anderen Unternehmen, um diese zu einem Verhalten zu veranlassen, das nach dem GWB oder aufgrund einer kartellbehördlichen Verfügung nicht zum Gegenstand einer vertraglichen Bindung gemacht werden darf. Sollten die Sanktionserwägungen der Anstalten darauf abzielen, die Verlage von einem Eintritt in den Fernsehmarkt trotz dessen - hier unterstellter - rechtlicher Zulässigkeit abzuhalten (vgl. oben S. 14, 16), so wäre darin im Falle einer entsprechend konkret gehaltenen Androhung86 ein Verstoß gegen§ 25 Abs. 2 GWB zu sehen, da die Androhung zur Durchsetzung einer nach §§ 1, 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB verbotenen 80 Sie erfordert das ernstliche Inaussichtstellen der Verwirklichung der angedrohten Maßnahme und unterscheidet sich dadurch von der nicht von § 25 Abs. 2 GWB erfaßten, als bloße Belehrung über andernfalls bestehende Gefahren zur verstehenden Warnung (vgl. näher Immenga (Fn. 10), § 25 Rdn. 56 f.).
V. Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung
45
Marktaufteilung zwischen Anstalten und Verlagen bestimmt wäre. Gleiches würde bei Realisierung der Sanktionen gelten, jedenfalls wenn diese keinen endgültigen Charakter hätten, sondern dazu dienen sollten, die Verlage von ihren Plänen zur Beteiligung arn Satellitenfernsehen oder zum sonstigen Eintritt in den Hörfunk- und Fernsehmarkt abzubringen87 • Ein Unterschied gegenüber dem aus §§ 22 Abs. 4, 26 Abs. 2 GWB folgenden kartellrechtswidrigen Verhalten ergibt sich bei der Beurteilung nach § 25 Abs. 2 GWB einerseits insoweit, als das Druckverbot sich bereits gegen die Androhung von Sanktionen richtet und nicht etwa deren Realisierung voraussetzt. Vor allem aber erfaßt § 25 Abs. 2 GWB alle Arten angedrohter Nachteile, also nicht nur solche, deren Praktizierung die Voraussetzungen der §§ 22 Abs. 4, 26 Abs. 2 GWB erfüllt. Nach§ 25 Abs. 2 GWB verboten wäre daher auch die Androhung einer Entgeltsberechnung für die zusätzlichen Programminformationen oder deren Realisierung, falls mit ihr das nach § 25 Abs. 2 GWB verbotene Marktabgrenzungsziel verfolgt würde.
V. Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung von Änderungen der Informationspolitik der Anstalten Die Behinderung aktueller oder potentieller Konkurrenten kann, wenn sie gegen das Behinderungsverbot des § 26 Abs. 2 GWB verstößt und einen Mißbrauch nach§ 22 Abs. 4 GWB darstellt, sich je nach Lage des Falles zugleich auch als nach § 1 UWG unlauter erweisen. Das gilt nicht nur unter dem- sachlich an den GWB-Verstoß anknüpfendenAspekt des Vorsprungs durch Rechtsbruch88, sondern auch unabhängig hiervon aufgrund der Schranken aus § 1 UWG gegen Konkurrentenbehinderung und Marktstörung89 , wobei freilich die Anforderungen an die Unlauterkeit i. S. von § 1 UWG im Regelfall höher sind als diejenigen an die Unbilligkeit nach § 26 Abs. 2 GWB. Denn die Unlauterkeit setzt entweder - als individuelle Behinderung bestimmter Mitbewerber - ein gegen sie geziertes, auf ihre Verdrängung vorn Markt gerichtetes Verhalten des Behindernden voraus90 oder- als allgemeine 87 Vgl. zur Problematik der Zweckrichtung des Handeins Immenga (Fn. 10), § 25 Rdn. 70 ff., 74. 88 So für den vergleichbaren Fall eines Verstoßes gegen das ebenfalls unmittelbar wettbewerbsbezogene Verbot des § 15 GWB BGH NJW 1978·, 2095, 2096 - 4 zum Preis von 3; vgl. dazu auch v . Gamm NJW 1980, 2489, 2491, sowie allgemein zum unlauteren Vorsprung durch Rechtsbruch Baumbach-H e/ermehl (Fn. 14), § 1 Rdn. 535 ff. 89 Dazu Baumbach-He/ermehl (Fn. 14), § 1 Rdn. 170 ff., 691 ff. 90 RGZ 134, 342 Benrather Tankstelle; vgl. dazu Baumbach-He/ermehl (Fn. 14), § 1 Rdn. 206 ff.
46
C. Anderungen der Informationspolitik gegenüber den Verlagen
Behinderung oder unlautere Marktstörung - eine objektive Gefährdung des Wettbewerbsbestands durch den Einsatz ungewöhnlicher, nicht wettbewerbskonformer Mittel wie die ständige, die konkrete Gefahr der Verdrängung von Mitbewerbern begründende Preisunterbietung91 oder das Verschenken von Originalwaren92 • Im Falle einer wesentlichen sachlichen oder zeitlichen Verkürzung der Programminformation für die Verlage, die auf Verdrängung bestimmter Anbieter von Programmzeitschriften gerichtet wäre oder den Wettbewerbsbestand auf dem Programmzeitschriftenmarkt insgesamt gefährden würde, wäre die Unlauterkeit des Vergehens der Anstalten daher auch nach allgemeinen UWG-Maßstäben zu bejahen und ein Unterlassungsanspruch der betroffenen Verlage nach§ 1 UWG begründet, auch wenn entgegen den Feststellungen oben unter II die marktbeherrschende oder relativ marktstarke Stellung der Anstalten zu verneinen sein sollte und das Eingreifen der §§ 22 Abs. 4, 26 Abs. 2 GWB hieran scheitern würde. Berücksichtigt man überdies die Grundrechtsbindungen des Verhaltens der Anstalten als Inhaber öffentlicher Gewalt, denen bei Anwendung von § 1 UWG auf öffentliche Unternehmen verschärfend Rechnung zu tragen ist (vgl. oben B III 2), sowie das Fehlen spezifisch öffentlicher, mit der Verkürzung der Programminformation durchzusetzender Zwecke, so erscheint das Marktverhalten der Anstalten bereits dann als unlauter, wenn es zwar nicht zur Verdrängung, wohl aber zur nachhaltigen Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung bestimmter Programmzeitschriftenverlage führt oder den Wettbewerbsbestand auf dem Programmzeitschriftenmarkt spürbar beeinträchtigt. Es zeigt sich also eine Annäherung der Unlauterkeitskriterien an die Unbilligkeitskriterien des§ 26 Abs. 2 GWB. Unlauter ist nach den vorstehenden Feststellungen auch die Einführung eines Entgelts für die reine Programminformation, wenn sie die Wettbewerbsstellung der Verlage oder den Wettbewerbsbestand beeinträchtigt; der Gleichlauf zwischen Unlauterkeits- und Unbilligkeitsprüfung (vgl. zu dieser S. 38 ff.) bestätigt sich auch hier. Was demgegenüber die Berechnung eines angemessenen Entgelts für die Zusatzinformation angeht, so kann sie trotz etwaiger Beeinträchtigung der Absatzchancen der Programmzeitschriften nicht ohne weiteres als unlauter angesehen werden. Die Erwägungen, die insoweit zur grundsätzlichen Verneinung der Unbilligkeit bei § 26 Abs. 2 GWB geführt hatten (S. 41 f.), gelten in noch stärkerem Maße für die ebenfalls an einer Interessenahwägung auszurichtende Unlauterkeitsprüfung nach § 1 u BGH GRUR 1979, 321, 322 - Mineralwasser; Baumbach-Hefermehl (Fn. 14), § 1 Rdn. 208. 92 BGHZ 43, 278, 284 Kleenex, BGH GRUR 1969, 295, 296 - Goldener Oktober, BGH NJW 1982, 335, 336 - Bäckerfachzeitschrift.
V. Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung
47
UWG. Auch wenn nicht jede nach § 26 Abs. 2 GWB unbillige Behinderung zugleich die Unlauterkeitsvoraussetzungen des § 1 UWG erfüllt, gilt doch umgekehrt, daß für den Unlauterkeitsvorwurf jedenfalls dann kein Raum ist, wenn es schon an der Unbilligkeit der von einem marktbeherrschenden oder relativ marktstarken Unternehmen ausgehenden Behinderung fehlt 93 • Zusammenfassend bestätigt sich somit, daß die wettbewerbsrechtliche Beurteilung eines zur Behinderung von Mitbewerbern oder Marktpartnern führenden, nach § 26 Abs. 2 GWB verbotenen Verhaltens marktbeherrschender und relativ marktstarker Unternehmen nur beschränkte, nicht über die kartellrechtliche Beurteilung hinausgehende Bedeutung hat. Das beruht auf den durch §§ 22 Abs. 4, 26 Abs. 2 GWB begründeten höheren Anforderungen an die Zulässigkeit des zur Beeinträchtigung von Mitbewerbern, Marktpartnern oder Wettbewerbsbestand führenden Marktverhaltens marktbeherrschender Unternehmen. Da andererseits ein nach § 1 UWG unlauteres Verhalten in aller Regel zugleich unbillig nach § 26 Abs. 2 GWB ist, bedarf es einer gesonderten Unlauterkeitsprüfung von Verhaltensweisen, die zur Beeinträchtigung der Marktstellung Dritter führen, nur dann, wenn entweder das behindernde Unternehmen nicht marktbeherrschend bzw. relativ marktstark ist oder wenn das Behinderungsverhalten sich auf einen anderen als den beherrschten Markt bezieht und auch sonst keinen Zusammenhang mit der Marktbeherrschung aufweist94 • Da hier keiner der beiden Sonderfälle vorliegt, bewendet es bei dem Ergebnis der kartellrechtlichen Beurteilung auch für§ 1 UWG.
BGHZ 56, 327, 336 f. - Feld und Wald I; u. Gamm NJW 1980, 2493. Vgl. zu diesem Erfordernis "normativer Kausalität" (so Möschel (Fn. 58), § 22 Rdn. 116) näher unten D II 1 b, S. 52. 93
94
D. Zulässigkeilsschranken für die Herausgabe eigener gedruckter Programminformationen durch die Anstalten an die Teilnehmer I. Gegenstand der Untersuchung 1. Die denkbaren Strategien und ihre voraussichtlichen Marktfolgen a) Sollten die Anstalten sich zur Herausgabe eigener Programminformationen in einer für die Teilnehmer bestimmten Druckschrift entschließen, so kommen hierfür vor allem die folgenden Gestaltungen in Betracht: -
die unentgeltliche Verteilung einer auf die Programminformation beschränkten Druckschrift an die Teilnehmer, entweder als reine Übersicht über die Programmtitel oder mit einem eingeschränkten redaktionellen Teil nach Art der Programm-Supplements (Falll), die unentgeltliche Verteilung von Programminformationen, sei es mit eingeschränktem oder umfassendem, den Programmzeitschriften nahekommendem redaktionellen Teil, verbunden mit einem Anzeigenteil (Fall 2),
-
die Erstellung und der entgeltliche Vertrieb einer aus Programminformationen, sonstigem redaktionellem Teil und Anzeigenteil zusammengesetzten Zeitschrift mit einem den am Markt eingeführten Programmzeitschriften vergleichbaren Inhalt (Fall3).
b) Hinsichtlich der voraussichtlichen Auswirkungen eines solchen Vergehens auf die Marktstellung der Programmzeitschriftenverlage und den Wettbewerbsbestand ist zu unterscheiden zwischen einer Strategie der Anstalten, die die bisherige Informationspolitik gegenüber den Verlagen unverändert beibehält, und einer solchen, die durch Änderungen der in Abschnitt C erörterten Art den Wettbewerb der Verlage gegenüber der Anstaltspublikation ausschließt oder erschwert. Im letztgenannten Fall würden die unter C I 2 erwähnten negativen Auswirkungen des Vergehens der Anstalten durch die Herausgabe einer eigenen Programmdruckschrift noch weiter verstärkt. Die schon unter C III bis V festgestellte kartell- und wettbewerbsrechtliche Unzulässigkeit einer sachlichen oder zeitlichen Verkürzung der den Verlagen bis-
I.
Gegenstand der Untersuchung
49
her überlassenen Programminformationen oder der Entgeltsforderung für die reine Programminformation wäre zusätzlich darauf zu stützen, daß sie mit weiteren, die Marktstellung der Verlage beeinträchtigenden Maßnahmen der Anstalten auf dem Gebiet der Programminformation verbunden würde. Auch die nach den bisherigen Feststellungen nicht ohne weiteres zu beanstandende Berechnung eines Entgelts gegenüber den Verlagen für die zusätzliche, im Verlagsinteresse liegende Presseinformation könnte unter diesen erschwerenden Umständen auf kartellund wettbewerbsrechtliche Schranken stoßen. Beschränken die Anstalten sich demgegenüber auf die Herausgabe einer anstaltseigenen Publikation in einer der unter a) genannten Formen und lassen sie im übrigen das Verhältnis zu den Verlagen unverändert, so sind zwar bei den als Fälle 2 und 3 genannten Gestaltungen spürbare nachteilige Auswirkungen auf die Marktstellung der Programmzeitschriftenverlage je nach Art des Druckschriftenangebots der Anstalten ebenfalls naheliegend. Ob das Gleiche aber auch bei der unentgeltlichen Verteilung von Programminformationen ohne Anzeigenteil anzunehmen ist, läßt sich selbst dann nicht ohne weiteres voraussagen, wenn die Druckschriften einen eingeschränkten redaktionellen Teil enthalten (Fall 1). Zwar hat die Erfahrung mit den seit den 70er Jahren in erheblichen Teilen des Bundesgebiets verbreiteten Programm-Supplements gezeigt, daß in den davon betroffenen Gebieten zumindest vorübergehend ein spürbarer Rückgang der Verkaufsauflage der Programmzeitschriften um 10 OJo oder mehr eintrat; nachhaltige Einbrüche auf dem Lesermarkt der Programmzeitschriften waren damit aber anscheinend nicht verbunden. Im Fall einer anstaltseigenen, bundesweit verteilten Programmvorschau mit redaktionellem Teil könnten diese Auswirkungen sich zwar potenzieren; mit einer Existenzgefährdung oder dauerhaften wesentlichen Beeinträchtigung der Programmzeitschriftenverlage müßte aber auch in diesem Fall wohl nicht ohne weiteres gerechnet werden. 2. Begrenzung der Untersuchung
Eine umfassende wettbewerbs-und kartellrechtliche Erörterung aller denkbaren Strategien der Anstalten bei der Herausgabe einer eigenen Programmzeitschrift würde zu einer unverhältnismäßigen Ausuferung der Untersuchung führen. Daher bietet sich beim gegenwärtigen Stand der Erörterungen eine Beschränkung auf die im Hinblick auf die Marktfolgen wichtigsten Fallgruppen 2 und 3 an, während Fall 1 wegen seiner vermutlich weniger gravierenden Auswirkungen im Folgenden außer Betracht bleibt. Ebenso wird im Grundsatz auf eine Untersu4 Ulmer
50 D. Zulässigkeitsschranken für anstaltseigene Programminformationen
chung der Kombination von eigener Programmzeitschrift der Anstalten und Verschlechterung der Informationsbedingungen für die Verlage verzichtet, da sie nicht zu wesentlich abweichenden Ergebnissen gegenüber den Feststellungen unter C führen würde. Lediglich die Herausgabe einer eigenen Programmzeitschrift unter gleichzeitiger Einführung eines Entgelts für die Programminformation gegenüber den Verlagen bedarf insoweit gesonderter Erörterung (vgl. unten S. 72).
II. Zur Anwendbarkeit von Kartellrecht auf die Herausgabetätigkeit der Anstalten 1. Vorschriften für marktbeherrschende Unternehmen (§§ 22 Abs. 4, 26 Abs. 2 GWB) Im Vordergrund der Untersuchungen zu C stand die kartellrechtliche Beurteilung, da es um die Prüfung des Marktverhaltens der Anstalten als marktbeherrschender Unternehmen auf dem von ihnen beherrschten Markt der für die Verlage und sonstigen Multiplikatoren bestimmten Programminformationen ging. Was demgegenüber die an die Teilnehmer adressierte Herausgebertätigkeit der Anstalten - ihre hier nicht zu prüfende öffentlichrechtliche Unbedenklichkeit unterstellt94a angeht, so betrifft sie den Markt für Druckschriften über Programminformationen; auf ihm sind als Anbieter von Informationen und Anzeigenraum bisher nur die Zeitschriften- und Zeitungsverlage, nicht aber die Anstalten tätig, sowie als Nachfrager die Teilnehmer und die werbungtreibende Wirtschaft. Dieser Markt unterteilt sich seinerseits in Leser- und Anzeigenmarkt96 , wobei für den Lesermarkt eine weitere Unterteilung geboten ist in einen eigenen Markt für Programmzeitschriften im Unterschied zu dem Markt für Tageszeitungen, dem die in den Tageszeitungen und Programm-Supplements enthaltenen, einen Teil des allgemeinen Informationsangebots bildenden Informationen über die Anstaltsprogramme zuzurechnen sind96 • Vgl. dagegen jetzt aber Scholz (Fn. 9 a), S. 20 ff., 39. Vgl. nur BGHZ 76, 55, 62 ff. - Eibe Wochenblatt, BGH NJW 1982, 337 Zeitungsmarkt München, und KG WuW/E OLG 2109 - Springer I Eibe Wochenblatt; zum Zusammenhang zwischen Leser- und Anzeigenmarkt vgl. Text vor Fn. 38. 96 Die Eigenständigkeit des Programmzeitschriftenmarkts stellt (freilich ohne nähere Erörterung) auch KG WuW /E 2369, 2372 - Programmzeitschriften fest; so auch schon der angegriffene Bußgeldbescheid des Bundeskartellamts (B 4 - 745 100 -VA 214/75, unveröff.). Allgemein zur Abgrenzung des Lesermarkts für Zeitschriften vgl. näher jetzt BKartA AG 1981, 264, 265 Gruner + Jahr/Zeit. 94a
95
Il. Kartellrechtliche Beurteilung der Herausgabetätigkeit
51
Eine Anwendung der kartellrechtlichen Sondervorschriften der §§ 22 Abs. 4, 26 Abs. 2 GWB für marktbeherrschende Unternehmen auf die Herausgebertätigkeit der Anstalten käme daher nur in Betracht, wenn die Anstalten entweder auch auf den insoweit relevanten Märkten eine marktbeherrschende Stellung hätten oder wenn - was dieser Voraussetzung für die Anwendung der §§ 22 Abs. 4, 26 Abs. 2 GWB zu Recht gleichgestellt wird 97 ihre marktbeherrschende Stellung auf dem Markt für Programminformationen sich auch auf diesen Märkten auswirkt, d. h. auf ihr Verhalten bei der Herausgabe von Programmdruckschriften ausstrahlt und dessen besondere wettbewerbspolitische Gefährlichkeit begründet98 • Das Vorliegen jeder dieser Annahmen ist indessen zweifelhaft: a) Eine beherrschende Stellung der Anstalten auf dem Lesermarkt
für Programmzeitschriften käme nur im Hinblick auf die Alternative
der überragenden Marktstellung i. S. von § 22 Abs. 1 Nr. 2 GWB in Betracht, da es danach nicht nur auf den Marktanteil, sondern u . a. auch auf für die Marktstellung wesentliche Ressourcen wie die Finanzkraft und den Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten ankommt. Auch wenn außer Zweifel steht, daß die Anstalten dank ihres Gebührenaufkommens, ihrer Stellung als Eigenproduzent der Programminformationen und ihrer besonders guten Einführung bei den Teilnehmern über eine starke Stellung auch bei dem Angebot gedruckter Programminformationen an die Teilnehmer verfügen würden, ist doch nicht zu verkennen, daß der Markt für Programmzeitschriften bisher durch wenige, wirtschaftlich bedeutende Verlagsgruppen geprägt ist, unter denen zwei Anbieter zudem über sehr erhebliche Marktanteile verfügen. Dann aber ist es trotz der beachtlichen Ressourcen der Anstalten zumindest zweifelhaft, ob ihnen als Newcomer auf dem Programmzeitschriftenmarkt bereits eine "im Verhältnis zu den Wettbewerbern überragende Marktstellung" zukäme, die die Anwendung der §§ 22 Abs. 4, 26 Abs. 2 GWB bereits für die Markteinführungsphase und unabhängig von der künftigen Entwicklung der Wettbewerbsverhältnisse auf dem Programmzeitschriftenmarkt gestatten würde. Für den Anzeigenmarkt ist demgegenüber zwar unverkennbar, daß die einzelnen Anstalten eine starke, wenn nicht sogar eine beherr97 Vgl. den Wortlaut von § 22 Abs. 4 S. 1 ("Markt für diese oder andere Waren") und seine Einschränkung durch das Abstellen auf die "normative Kausalität" zwischen Marktbeherrschung und Mißbrauch (so zutr. Möschel (Fn. 58), § 22 Rdn. 116); für § 26 Abs. 2 vgl. BGHZ 33, 259, 263 - Molkereigenossenschaft, BGH NJW 1982, 1759, 1760, Markert (Fn. 56), § 26 Rdn. 80, Möschel, Pressekonzentration und Wettbewerbsgesetz, 1978, S. 127 ff., und P. Ulmer (Fn. 72), S. 114 f. 98 So zutreffend Möschel (Fn. 58), § 22 Rdn.ll6.
52
D. Zulässigkeitsschranken für anstaltseigene Programminformationen
sehende Stellung im Bereich der überregionalen Hörfunk- und Fernsehwerbung haben. Geht man jedoch entsprechend den Feststellungen des Bundeskartellamts im Fall Burda I Springer99 von unterschiedlichen Märkten für die Werbung in Publikumszeitschriften und in den elektronischen Medien aus, da diese sich nach Wahrnehmungsform und Wirkungsweise nicht unerheblich unterscheiden und trotz der unverkennbaren, auf der Begrenzung der Werbeetats der werbungtreibenden Wirtschaft beruhenden Interdependenzen nicht ohne weiteres als nach dem Bedarfsmarktkonzept funktional austauschbar anzusehen sind, so steht den Anstalten auch auf dem Anzeigenmarkt für Publikumszeitschriften, auf dem sie noch nicht tätig sind, eine überragende Marktstellung bisher nicht zu. b) Was zum anderen die Möglichkeit einer Ausstrahlung der auf dem Markt der Programminformationen und ggf. auch auf demjenigen der Hörfunk- und Fernsehwerbung bestehenden beherrschenden Stellung der Anstalten auf die hier relevanten Märkte als alternative Voraussetzung des Eingreifens der §§ 22 Abs. 4, 26 Abs. 2 GWB angeht, so läßt sie sich zwar nicht von vornherein ausschließen. Sie setzt jedoch jeweils voraus, daß die dem Marktbeherrscher typischer Weise zukommenden besonderen Verhaltensspielräume auf Nachbarmärkten ausgenutzt werden. Die marktbeherrschende Stellung muß sich m . a. W. auf dem in Frage stehenden, seinerseits nicht beherrschten Markt auswirken und dem Verhalten des beherrschenden Unternehmens seine besondere wettbewerbliehe Gefährlichkeit verleihen100 • Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hängt entscheidend nicht zuletzt von der Art des jeweils beanstandeten Verhaltens ab. So wäre eine Ausstrahlungswirkung etwa zu bejahen, wenn die Anstalten sich durch Einschränkung der Programminformation gegenüber den Verlagen eine Vorzugsstellung auf dem Programmzeitschriftenmarkt verschaffen oder wenn sie vorteilhafte Kombinationstarife für die gleichzeitige Werbung in Funk und Zeitschriften anbieten würden 101 • Solche - ihrerseits im Zweifel als Machtmißbrauch oder verbotene Behinderung nach §§ 22 Abs. 4, 26 Abs. 2 GWB zu beurteilende - Strategien sind mit der Herausgabe und dem entgeltlichen oder unentgeltlichen Vertrieb von gedruckten Programminformationen mit Anzeigenteil jedoch nicht notAG 1982, 136, 137. Vgl. Nachw. in Fn. 97. 101 Vgl. dazu KG WuW /E OLG 1967 Kombinationstarif, betr. eine freiwillige Anzeigenkombination mit Tarifvergünstigung zwischen zwei Berliner Zeitungen der Springer-Gruppe, sowie KG WuW /E OLG 2403 - Fertigfutter, zur mißbräuchlichen Gestaltung eines der Erstreckung der marktbeherrschenden Stellung auf Nachbarmärkte dienenden Umsatzrabattsystems. Zum Ganzen näher Markert (Fn. 56), § 26 Rdn. 250 ff., 271 ff. 99
1oo
li. Kartellrechtliche Beurteilung der Herausgabetätigkeit
53
wendig verbunden. Beschränken sich die Anstalten auf eine derartige Herausgabetätigkeit, ohne zusätzliche marktbeherrschungsrelevante Aktionsparameter einzusetzen, so ist daher auch für die Anwendbarkeit der gegen marktbeherrschende Unternehmen gerichteten Sondervorschriften ihnen gegenüber kein Raum, ohne daß es auf eine sachliche Prüfung der Herausgabetätigkeit nach den Wertungsmaßstäben der §§ 22 Abs. 4, 26 Abs. 2 GWB ankommt.
2. Vorschriften für relativ marktstarke Unternehmen (§§ 26 Abs. 2 S. 2, 37 a Abs. 3 GWB)
Durch § 26 Abs. 2 S. 2 GWB wird das Behinderungs- und Diskriminierungsverbot des § 26 Abs. 2 auf relativ marktstarke Unternehmen ausgedehnt, soweit es um ihr Marktverhalten gegenüber von ihnen abhängigen Unternehmen geht. Daß eine derartige Abhängigkeit der Programmzeitschriftenverlage von den Anstalten besteht, ist im Hinblick auf die Programminformation anzunehmen (vgl. auch oben C II 3). Aus entsprechenden Gründen wie für die Alternative der Marktbeherrschung reicht diese Abhängigkeit aber nicht aus, um auch ein hiervon nicht beeinflußtes Marktverhalten des relativ marktstarken Unternehmens der Sondervorschrift des § 26 Abs. 2 GWB zu unterstellen. Auch insoweit kommt es vielmehr auf eine Ausstrahlung der relativen Marktstärke auf das beanstandete Marktverhalten an102• Wie unter 1 gezeigt, fehlt es hieran jedoch, solange sich die von den Verlagen beanstandete Tätigkeit der Anstalten auf die Herausgabe und Verbreitung von gedruckten Programminformationen einschließlich eines Anzeigenteils beschränkt und nicht durch besondere, auf die beherrschende oder relativ marktstarke Stellung zurückzuführende Umstände beeinflußt wird. Zu bedenken bleibt schließlich die durch die 4. GWB-Novelle 1980 neueingeführte Mißbrauchsaufsicht über relativ marktstarke Unternehmen; sie bezieht sich auf eine von ihnen veranlaßte unbillige Behinderung kleiner oder mittlerer Wettbewerber (§ 37 a Abs. 3 GWB). Ihr Eingreifen erfordert - neben der Eignung der Behinderungsmaßnahmen zur nachhaltigen Wettbewerbsbeeinträchtigung - ein deutliches horizontales Machtgefälle zwischen behinderndem und behinderten Unternehmen sowie die Zugehörigkeit der letzteren zur Gruppe der "kleinen und mittleren" Unternehmen103 • Zumindest das Vorliegen dieser letztgenannten Voraussetzung, das sich nach h. M. nach relativen 102 Vgl. zum Kausalitätserfordernis bei § 26 Abs. 2 S. 2 GWB näher Markert (Fn. 56), § 26 Rdn. 97, 100 f., 158 1oa Dazu P. Ulmer WuW 1980, 474, 485 ff.
54 D. Zulässigkeitsschranken für anstaltseigene Programminformationen absoluten Größenkriterien bestimmt104 , ist bei den auf dem Programmzeitschriftenmarkt tätigen Verlagen zweifelhaft. Denn für die relative Größe ist auf die Marktstellung auf dem relevanten Markt abzustellen, und hier läßt sich ein deutlicher Größenvorsprung der Anstalten nicht nur gegenüber den beiden großen Anbietern Bauer und Springer, sondern wohl auch gegenüber den beiden weiteren Beteiligten Burda und Gong nicht ohne weiteres feststellen. Zweifel ruft aber auch die Berücksichtigung der absoluten Größe der behinderten Unternehmen hervor, jedenfalls wenn man hierfür mit der überwiegenden Meinung von einer Umsatzobergrenze zwischen 50 und 250 Mill. DM ausgeht105 •
und
3. Folgerungen Angesichts der unter 1 und 2 aufgezeigten, den personellen Anwendungsbereich der kartellrechtlichen Sondervorschriften für marktbeherrschende und relativ marktstarke Unternehmen betreffenden Probleme konzentriert sich die folgende Untersuchung auf die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der Herausgabe gedruckter Programminformationen durch die Anstalten. Für diese Beschränkung spricht auch der Umstand, daß, soweit sich Schranken für die Herausgabetätigkeit bereits aus § 1 UWG ergeben, es schon deshalb keiner zusätzlichen kartellrechtlichen Prüfung bedarf. Zu beachten bleibt freilich, daß Kartellrecht einerseits dann zur Anwendung kommt, wenn die Anstalten den Versuch unternehmen, ihre Stellung auf dem Markt für Programmzeitschriften durch den Einsatz von Wettbewerbsmitteln zu verstärken, die ihnen aufgrund ihrer Marktbeherrschung auf angrenzenden Märkten zur Verfügung stehen. Zum anderen ist auf die Feststellungen unter C IV zur (nach § 25 Abs. 2 GWB) unzulässigen Druckausübung zu verweisen; sie ist allen Unternehmen verboten, unabhängig von ihrer jeweiligen Marktstellung, und greift schon dann ein, wenn mit der Androhung der Herausgabe von gedruckten Programminformationen an die Teilnehmer oder mit der Ausführung dieses Plans das Ziel verfolgt wird, auf die Verlage Druck auszuüben und diese von einem Engagement auf dem Fernsehmarkt abzuhalten.
1o• Vgl. Emmerich (Fn. 12), § 37 a Rdn. 7 e, Langen (Fn. 18), § 37 a Rdn. 13, BB ·1980, 1553, 1556 f., sowie die Nachw. bei Immenga (Fn. 10), § 5 b Rdn. 73; a. A.- für Berücksichtigung nur der relativen Größe- namentlich Immenga a.a.O. Rdn. 74, so grundsätzlich auch P. Ulmer WuW 1980, 487 f. 105 Vgl. Nachw. bei Immenga (Fn. 10), § 5 b Rdn. 73, und Langen (Fn. 18), § 5 b Rdn. 19 ff.
Friedrich
III. Zur Unlauterkeit der Herausgabetätigkeit nach§ 1 UWG
55
ßl. Zur Unlauterkeit der Herausgabetätigkeit nach§ 1 UWG 1. Wettbewerbsrechtliche Schranken für die Aufnahme (das "Ob") einer Unternehmenstätigkeit? Wettbewerbsrecht bezieht sich als Marktverhaltensrecht in erster Linie auf die Art und Weise der Marktteilnahme. Dagegen bilden die Anforderungen an den Zugang zum Markt und die Voraussetzungen für die Aufnahme wirtschaftlicher Tätigkeiten, wie sie in der Herausgabe und Verbreitung gedruckter Programminformationen mit Anzeigenteil durch die Anstalten zu sehen sind, keine typisch wettbewerbsrechtlichen Fragenkomplexe. Mit Rücksicht hierauf ist in der Literatur die These verbreitet, mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts könne nicht gegen die Aufnahme wirtschaftlicher Tätigkeiten durch die öffentliche Hand vorgegangen werden, sondern nur gegen bestimmte, als solche unlautere Arten dieser Tätigkeit106 • Damit jedenfalls im Ergebnis übereinstimmend haben Reichsgericht und BGH in ständiger Rechtsprechung an dem Satz festgehalten, es sei eine allgemein politische und wirtschaftspolitische Frage, ob sich die öffentliche Hand überhaupt erwerbswirtschaftlich betätigen dürfe und welche Grenzen ihr insoweit gesetzt oder zu setzen seien; die Lösung dieser Frage sei Aufgabe der Gesetzgebung und Verwaltung einschließlich der Kommunalaufsicht, nicht aber der ordentlichen Gerichte bei der ihnen zustehenden Prüfung von Wettbewerbshandlungen nach dem UWG 107 • Demgegenüber legen die neueren, vor allem durch die Beschlüsse des Großen Senats von 1976108 angestoßenen Entwicklungen des Wettbewerbsrechts sowie das kürzlich vom BGH ausgesprochene Verbot der Selbstabgabe von Brillen durch gesetzliche Krankenkassen109 eine Überprüfung auch dieser Grundsätze nahe. Dabei zeigt sich, daß der BGH schon früher, wenn auch in besonders gelagerten Fällen, bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten der öffentlichen Hand aufgrund von Klagen privater Konkurrenten untersagt und sich nicht damit begnügt hat, das "Wie" dieser Tätigkeit zu beanstanden. So war einem städtischen Schlachthof der Verkauf von Blockeis an die Schlachthofbenutzer verboten worden110 • Eine Landwirtschaftskammer wurde dazu verurteilt, 106 So etwa Emmerich (Fn. 12), § 98 Rdn. 1, Grupp ZHR 140 (1976), 376, Ossenbühl (Fn. 52), S. 141 f ., Püttner GRUR 1964, 361 und ders. a.a.O. (Fn. 29), S. 373, Scholz ZHR 132 (1969), 124, 134 f.
10 7 So RGZ 138, 174, 176- Haus der Jugend; BGH GRUR 1959, 244, 246Versandbuchhandlung; 1964, 210, 212 - Landwirtschaftsausstellung; 1971, 168, 169 -Ärztekammer; 1974, 733, 734 - Schilderverkauf. 1os Nachw. in Fn. 27. 109 BGH GRUR 1982, 425; hier deutet sich (S. 430 f.) auch eine vorsichtige Distanzierung von der bisherigen st. Rspr. (Fn. 107) an. uo BGH GRUR 1965, 373---, Blockeis II.
56 D. Zulässigkeitsschranken für anstaltseigene Programminformationen ihre Beteiligung an einer Messe-GmbH mit landwirtschaftlichen Ausstellungen als Tätigkeitsschwerpunkt zu veräußern111 • Über diese Sonderfälle deutlich hinaus gehen schließlich die beiden jüngst gegen gesetzliche Krankenkassen ergangenen Urteile, durch die diesen die weitere Abgabe von Brillen an ihre Mitglieder wegen der darin liegenden Bestandsgefährdung des Augenoptikerberufs nach § 1 UWG untersagt wurde112 • Wie die Beispiele zeigen, erweist sich das Dogma von der mangelnden Eignung des Wettbewerbsrechts zur Untersagung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit als solcher in dieser uneingeschränkten Form als nicht haltbar. Zu prüfen bleiben freilich die Voraussetzungen, unter denen eine derartige generelle Untersagung in Betracht kommt. Dabei bietet sich einerseits die Prüfung sklavischer Nachahmung sowie bestimmter Sondertatbestände unlauteren Wettbewerbs der öffentlichen Hand an (unter 2 und 3). Zum anderen ist zu fragen, ob die zu § 1 UWG entwickelten Schranken für die Gratisverteilung von Fachzeitschriften und von Anzeigenblättern mit redaktionellem Teil zu einem Verbot der Herausgabe gedruckter Programminformationen führen können (vgl. unter 4) und welche wettbewerbsrechtlichen Grenzen im Falle des entgeltlichen Vertriebs anstaltseigener Programminformationen unter dem Gesichtspunkt der Preisunterbietung zu beachten sind (vgl. unter 5). 2. Sklavische Nachahmung?
Programmzeitschriften bilden als Druckschriften mit spezifischem Informationsgehalt und ständiger, auf die Erwartungen und Bedürfnisse der Rundfunk- und Fernsehteilnehmer als Käufer abstellender Aufmachung ein von den derzeit auf dem Programmzeitschriftenmarkt tätigen Verlagen entwickeltes, von sonstigen Publikumszeitschriften deutlich zu unterscheidendes Angebot. Sollten die Anstalten beabsich~ tigen, eine eigene Programmzeitschrift in Konkurrenz zu den vorhandenen herauszubringen, so würden sie sich nicht nur die von den Verlagen hervorgerufene Nachfrage nach diesem Zeitschriftentyp einschließlich des damit verbundenen Anzeigenraums zunutze machen, sondern sich im Zweifel auch bei der Ausgestaltung der Zeitschrift weitgehend an das von den Verlagen erarbeitete Know how anlehnen. Eine wettbewerbswidrige sklavische Nachahmung oder eine sonstige als unlauter zu beurteilende Übernahme fremder Leistung113 wäre in BGH GRUR 1964, 210 - Landwirtschaftsausstellung. BGH, 18. 12. 1981, GRUR 1982, 425 - Brillen-Selbstabgabestellen (gegen AOK Leer/Ostfriesland) und Urteil I ZR 116/80, ebenfalls vom 18. 12. 1981 (unveröff.) gegen AOK Düsseldorf. 113 Vgl. dazu näher Baumbach-He/ermehl (Fn. 14), § 1 Rdn. 379 ff., 433 ff. 111
112
III. Zur Unlauterkeit der Herausgabetätigkeit nach § 1 UWG
57
diesem Verhalten gleichwohl nicht zu sehen. Denn zu Recht hat es die Rechtsprechung bisher abgelehnt, bereits die Nachahmung oder die Anlehnung an fremde Leistungen als solche, ohne Hinzutreten besonderer Umstände, als Verstoß gegen § 1 UWG zu werten, da sie andernfalls zur Begründung ausschließlicher Rechte über die hierfür vorhandenen Sondergesetze hinaus kommen und sich dadurch zu dem auch wettbewerbsrechtlich geschützten Interesse an einem freien und funktionsfähigen Wettbewerb in Widerspruch setzen würde114 • Derartige, ausnahmsweise die Unlauterkeit der Nachahmung begründende besondere Umstände wie die Ausbeutung des guten Rufes einer fremden Leistung, die Anlehnung an besondere, vom Verkehr mit der fraglichen Produktart verbundene Güte- oder Herkunftsvorstellungen oder schließlich die glatte Übernahme fremder Schöpfungen ohne jede eigene Leistung115 scheiden indessen bei der Herausgabe und Verbreitung einer weiteren Programmzeitschrift kraft Natur der Sache aus. Jede dieser Zeitschriften unterscheidet sich von den anderen schon rein äußerlich im Interesse des je eigenen Markterfolgs. Auch für ein schlichtes Nachdrucken ist, unabhängig von den insoweit eingreifenden urheberrechtliehen Schranken, schon deshalb kein Raum, weil der Informationsstoff und die hierauf bezogenen redaktionellen Teile der Zeitschrift sich entsprechend dem wechselnden Programmangebot der Anstalten von Woche zu Woche ändern. Die Unlauterkeit der Herausgabe einer eigenen Programmzeitschrift wegen sklavischer Nachahmung ist nach allem zu verneinen.
3. Autoritätsmißbrauch; Verquickung öffentlicher und erwerbswirtschaftlicher Interessen? Die für die Unternehmenstätigkeit der öffentlichen Hand typische Doppelfunktion als Träger hoheitlicher Gewalt und Teilnehmer am Wettbewerb hat Anlaß zur Herausbildung von zwei Sondertatbeständen typisch unlauteren Wettbewerbs der öffentlichen Hand im Rahmen von § 1 UWG gegeben: dem Mißbrauch amtlicher Autorität und der sonstigen Verquickung öffentlicher und erwerbswirtschaftlicher Interessen durch Ausnutzung amtlicher Beziehungen und Kenntnisse116 • Kennzeichen des Autoritätsmißbrauchs ist die unsachliche, auf wettbewerbsfremdem Einsatz amtlicher Autorität beruhende Beeinflussung Baumbach-He/ermehl (Fn. 14), § 1 Rdn. 380 f. m. Rspr.-Nachw. m Vgl. näher Baumbach-Hefermehl (Fn. 14), § 1 Rdn. 384, 389, 437, 440. tu Baumbach-He/ermehl (Fn. 14), Allg. Rdn. 181 ff.; vgl. auch Hubmann (Fn. 20), S. 52 ff., H. Schricker (Fn. 26), S. 168 ff., und P. Ulmer ZHR 146 (1982), 466 ff. 114
58 D. Zulässigkeitsschranken für anstaltseigene Programminformationen der Nachfrage durch die öffentliche Hand, sei es zur Förderung eigenen oder fremden Wettbewerbs. Der Mißbrauch kann namentlich beruhen auf der Inanspruchnahme des der öffentlichen Hand entgegengebrachten Vertrauens, auf der Vortäuschung der Objektivität und Neutralität von in Wettbewerbsabsicht geäußerten Empfehlungen u. a. oder auf der Nötigung der als Nachfrager in Betracht kommenden Wirtschaftskreise zum Geschäftsabschluß mit einem der öffentlichen Hand nahestehenden Unternehmen117 , d. h. also jeweils auf dem Einsatz hoheitlicher Mittel zu psychologischer Einwirkung auf die Nachfrager. Demgegenüber geht es in den Fällen der sonstigen unlauteren Verquickung öffentlicher und erwerbswirtschaftlicher Interessen um die Ausnutzung von nicht zu psychologischer Einwirkung auf die Nachfrager bestimmten spezifischen Vorteilen aus dem amtlichen Bereich zu Wettbewerbszwecken. Hierfür genügt allerdings nicht der bloße Rückgriff auf Ressourcen der öffentlichen Hand zur Preisunterbietung oder zur Ermöglichung sonstiger Maßnahmen leistungsfremden, einen Wettbewerbsvorsprung ohne bessere eigene Leistungsfähigkeit verschaffenden Wettbewerbs. Denn entsprechende Verhaltensweisen sind auch marktstarken oder finanzkräftigen privaten Wirtschaftssubjekten möglich, ohne daß es hierfür der Doppelfunktion als Träger hoheitlicher Gewalt und Teilnehmer am Wettbewerb bedarf. Auf eine gewerbliche Randnutzung von Einrichtungen, die primär öffentlichen Belangen dienen, läßt sich daher der Vorwurf unlauterer Verquickung öffentlicher und erwerbswirtschaftlicher Interessen regelmäßig nicht stützen118 • Hinzukommen muß vielmehr ein spezifischer Wechselbezug zwischen amtlicher Stellung und wirtschaftlicher Tätigkeit, der geeignet ist, dem Inhaber hoheitlicher Gewalt durch deren sachfremde Ausdehnung auf die Wirtschaftstätigkeit einen Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen119 • Bezogen auf die Tätigkeit der Anstalten als Herausgeber gedruckter Programminformationen sind ernsthafte Anhaltspunkte für das Eingreifen eines dieser Unlauterkeitsfälle wohl nicht gegeben. Das gilt namentlich für das Anzeigenangebot der Anstalten im Zusammenhang mit den Programminformationen, da auch dann, wenn die Publikation 117 RGZ 116, 28, 32 Fragebogenaktion; BGHZ 19, 299, 304 f. - Bad Ems; BGH GRUR 1964, 210, 213 - Landwirtschaftsausstellung; GRUR 1971, 168, 170- Ärztekammer; OLG Karlsruhe WRP 1976, 181, 184; VGH Bad.-Württ. GRUR 1973, 82, 83; vgl. auch Baumbach-He/ermehl (Fn. 14), All. Rdn. 181 ff., H. Schricker (Fn. 26), S. 168 ff., Hubmann (Fn. 20), S. 58 f. us Vgl. BGH GRUR 1973, 530, 531 - Crailsheimer Stadtblatt, Hubmann (Fn. 20), S. 56; so auch schon H. Schricker (Fn. 26), S. 188 ff. · 119 Vgl. BGH GRUR 1956, 227 Reisebüro, BGH GRUR 1964, 210, 213 Landwirtschaftsausstellung, GRUR 1969, 418, 421 - Standesbeamte, GRUR 1974, 733 - Schilderverkauf, sowie Baumbach-Hefermehl (Fn. 14), Allg. Rdn. 181, H. Schricker (Fn. 26), S. 181 ff., 186 ff., Hubmann (Fn. 20), S. 57.
III. Zur Unlauterkeit der Herausgabetätigkeit nach§ 1 UWG
59
selbst als quasiamtliche, von den Anstalten herausgegebene kenntlich gemacht werden sollte, der Verkehr die darin publizierten Anzeigen nicht etwa als amtliche Empfehlung der beworbenen Waren oder Leistungen verstehen wird120• Aber auch bezüglich des Informationsangebots ließe sich ein Autoritätsmißbrauch nicht ohne weiteres feststellen. Denn auch bei Hervorhebung des "authentischen", von den Anstalten geprägten Charakters der Programminformation läge darin doch nur die zutreffende Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Herausgeberschaft und nicht etwa eine die Doppelfunktion der Anstalten sachwidrig ausnutzende Werbemaßnahme; anderes könnte bei werbenden Hinweisen auf eine von den Anstalten entgeltlich vertriebene Programmzeitschrift im Rahmen des laufenden Sendeprogramms, d. h. außerhalb der Werbesendungen, gelten. Was schließlich den etwaigen Einsatz des Gebührenaufkommens der Anstalten zur Finanzierung der Programminformation angeht, so ist er nicht als solcher wettbewerbswidrig oder begründet den Vorwurf unlauterer Verquickung öffentlicher und erwerbswirtschaftlicher Interessen. Die Unlauterkeit kann sich aber daraus ergeben, daß die öffentlichen Mittel zur Gratisverteilung oder Preisunterbietung eingesetzt werden und dadurch der Wettbewerbsbestand auf dem Markt für Programmzeitschriften gefährdet wird (vgl. unter 4 d, S. 63 f., und 5 c, S. 71 f).
4. Unlauterkeit der unentgeltlichen Verteilung von gedruckten Programminformationen mit Anzeigenteil? a) Besonderheiten der Gratisverteilung Für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der unentgeltlichen Verteilung von gedruckten Programminformationen mit Anzeigenteil (oben D I 1, Fall 2) kann auf die Rechtsprechung zur Gratisverteilung von Anzeigenblättern mit redaktionellem Teil121 und zur kostenlosen Abgabe von Fachzeitschriften122 zurückgegriffen werden. Das gilt auch dann, wenn die Druckerzeugnisse nicht vollständig aus den Anzeigenerlösen, sondern teilweise auch aus den Teilnehmergebühren finanziert 120 So zutreffend BGH GRUR 1973, 530, 531 Crailshaimer Stadtblatt; anders noch LG Ellwangen GRUR 1970, 37 f . für den Fall, daß der Bürgermeister die Werbungtreibenden zum Inserieren im Amtsblatt der Gemeinde aufforderte, sowie allg. LG Wiesbaden NJW 1961, 2118, 2119. Vgl. dazu auch Kohl AfP 1981, 328. 121 BGHZ 19, 392 Freiburger Wochenbericht; BGHZ 51, 236 und NJW 1971, 2025 - Stuttgarter Wochenblatt I und li; BGH GRUR 1973, 530 Crailsheimer Stadtblatt. 122 BGH NJW 1977, 1060 Feld und Wald II; BGH NJW 1982, 335 Bäckerfachzeitschrift.
60 D. Zulässigkeitsschranken für anstaltseigene Programminformationen
und den Teilnehmern daher nicht völlig "kostenlos" zur Verfügung gestellt würden. Denn das wettbewerbsrechtlich relevante Charakteristikum der Gratisverteilung von Presseerzeugnissen liegt nicht etwa in der kostenlosen Abgabe einer geldwerten Leistung zu Werbezwekken, sondern in der Verbesserung der Stellung des betreffenden Verlages auf dem Anzeigenmarkt durch große Verbreitungszahlen des Presseerzeugnisses ohne entsprechende Anstrengungen beim entgeltlichen Vertrieb auf dem Lesermarkt123 • Ob die Empfänger die Kosten hierfür durch Kauf der beworbenen, mit dem Werbeaufwand belasteten Produkte 124 , über Teilnehmergebühren, Mitgliedsbeiträge o. ä. finanzieren, ist aus der Sicht des Vertriebswettbewerbs auf dem Lesermarkt ohne Belang. In keinem dieser Fälle ist die Entscheidung über den Bezug den Empfängern selbst überlassen; die Zusendung erfolgt vielmehr unverlangt und ohne spezifische Gegenleistung kraft ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten, von dem Verleger des Presseerzeugnisses anvisierten Zielgruppe. Die Finanzierung gedruckter Programminformationen mit Anzeigenteil unter Rückgriff auch auf Gebührenmittel steht der Anwendung der Rechtsprechung zur Gratisverteilung von Presseerzeugnissen daher nicht entgegen. b) Die Rechtsprechung zur Gratisverteilung von Anzeigenblättern und Fachzeitschriften Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der Gratisabgabe von Anzeigenblättern mit redaktionellem Teil und von Fachzeitschriften durch den BGH wies ursprünglich deutliche Unterschiede auf. Während die ständige Gratislieferung eines Teils einer im übrigen entgeltlich vertriebenen Fachzeitschrift im "Feld und Wald II"-UrteiP 25 als ständiges Verschenken von Originalware angesehen und wegen ihrer voraussichtlich nachteiligen Folgen für den Wettbewerb auf dem betroffenen Pressemarkt als im Regelfall unlauter angesehen wurde, verlangte der BGH in den verschiedenen Anzeigenblatturteilen mit im einzelnen wechselnder Begründung eine absehbare Behinderung des Wettbewerbs der übrigen Zeitungen in einem nicht unerheblichen Ausmaß 126 bzw. den konkreten Nachweis der ernsthaften Beeinträchtigung zumindest einer Tageszeitung127 ; eine bloß mögliche, aber nicht sicher feststell123 So zutreffend namentlich Kübler, Pressefreiheit als Entscheidungsfreiheit des Lesers, in Festschrift f. M. Löffler, 1980, S. 169 ff., im Anschluß an BGHZ 19, 392, 398 und BGHZ 51, 236, 243. 124 Vgl. dazu Kübler (Fn. 123), S. 178. 125 BGH NJW 1977, 1060. So dann auch OLG München WRP 1979, 576, OLG Frankfurt WRP 1980, 85, und LG Bielefeld WRP 1978, 750. A. A. LG Harnburg WRP 1979, 161. 126 BGHZ 51, 236, 244. 127 BGH NJW 1971, 2025, 2026 und GRUR 1973, 530, 531.
III. Zur Unlauterkeit der Herausgabetätigkeit nach § 1 UWG
61
bare Entwicklung auf dem Anzeigenmarkt, durch die der Bestand des freien Pressewesens ernsthaft beeinträchtigt werden könnte, sah er nicht als ausreichend an, um den Unlauterkeitsvorwurf zu begründen128 • Da ein solcher Nachweis offenbar nicht zu führen war, sind auf § 1 UWG gestützte höchstrichterliche Urteile gegen die Gratisverteilung von Anzeigenblättern mit redaktionellem Teil nur in einem Ausnahmefall, bei Vorliegen zusätzlicher Unlauterkeitsmerkmale129 , bekannt geworden130 • Was die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der Gratisverteilung von Fachzeitschriften angeht, hat sich der BGH durch das "Bäckerfachzeitschrift"-Urteil vom 3. 7. 198P30a inzwischen zu einer Korrektur entschlossen. Er sieht sie nun - ebenso wie im Fall der Anzeigenblätter mit redaktionellem Teil- nur ausnahmsweise, beim Vorliegen zusätzlicher Umstände, als unlauter an. Entscheidend soll eine Gesamtwürdigung aller Einzelumstände des konkreten Falles auf der Grundlage der für die betreffende Branche anerkannten und anzuerkennenden Regeln unter Berücksichtigung der Interessen der Leser, der Verleger und der Inserenten sein. Als besonders zu berücksichtigende Umstände werden genannt die Auffassung des redlichen Durchschnittsgewerbetreibenden der betreffenden Branche, die Auswirkungen der Gratisverteilung einschließlich ihrer möglichen Nachahmung durch Mitbewerber auf den Wettbewerb um Leser und Anzeigenkunden und die damit verbundene Gefahr einer erheblichen, hieraus drohenden Wettbewerbsstörung, sowie schließlich die voraussichtlichen Auswirkungen der Finanzierung aus Anzeigenerlösen auf die Qualität des redaktionellen Teils. Der Frage einer Qualitätsbeeinträchtigung soll dabei um so mehr Gewicht zukommen, je größer die Bedeutung des redaktionellen Teils für den Leser ist und je stärker sich der Qualitätsverlust dementsprechend störend auf die Meinungsvielfalt auswirken kann; das läßt auf den Fortbestand einer gewissen, wenn auch weitgehend nivellierten Differenzierung in der wettbewerbliehen Beurteilung zwischen Anzeigenblättern und Fachzeitschriften schließen.
BGH a.a.O. (Fn. 127). So BGH GRUR 1977, 668 ff. - WAZ-Anzeiger, wegen des Einsatzes eines Anzeigenblattes durch den Verleger einer Tageszeitung im Wettbewerb mit einer konkurrierenden Tageszeitung. 13° Für generelle Zulässigkeit Mestmäcker, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, 1978, S. 142 ff. A. A. Kohl AfP 1981, 329, der in Überinterpretation der BGH-Rechtsprechung die Unlauterkeit der Herausgabe von Anzeigenblättern schon dann bejaht, wenn sie periodisch erscheinen, einen dem Leser umfassend erscheinenden redaktionellen Teil und Anzeigen enthalten sowie unentgeltlich verteilt werden. 1soa BGH NJW 1982, 335. 12s 129
62
D. Zulässigkeitsschranken für anstaltseigene Programminformationen
c) Die Problematik von Gesamtwürdigung und Einzelfallbezug Eine eingehende Auseinandersetzung mit den Grundsätzen dieser Rechtsprechung und namentlich auch ihrer Neuorientierung für den Bereich der Fachzeitschriften durch das Urteil von 1981 ist hier nicht möglich131 • Die starke Betonung des Einzelfallbezugs und die Hervorhebung einer Vielzahl von Umständen, die für die Gesamtwürdigung zu berücksichtigen seien, werden die Anwendung von § 1 UWG auch dann vor erhebliche Probleme stellen, wenn man von den spezifischen Prognoseschwierigkeiten bei der vorausschauenden Beurteilung der Auswirkungen eines umstrittenen Verhaltens absieht132 • Auf keinen Fall sollte darüber der methodische Ansatz der auf den Eintritt oder die Gefahr einer Marktstörung abstellenden Unlauterkeitsfälle, unter denen die Gratisverteilung von Presseerzeugnissen einen wichtigen Unterfall bildet133 , aus dem Auge verloren werden. Entsprechend dem allgemein im UWG zu beobachtenden Wandel von einer mehr individualrechtlichen zu einer stärker die Belange der Allgemeinheit betonenden Betrachtungsweise geht er bekanntlich dahin, daß der Einsatz "bedenklicher", wenn auch für sich gesehen nicht schon als unlauter anzusehender Wettbewerbsmittel dann den Unlauterkeitsvorwurf begründet, wenn daraus eine gemeinschaftsschädliche Störung der Wirtschajtsordnung134, eine Gefahr für den Wettbewerbsbestand zu befürchten ist, eine Wertung, die für den Wettbewerb auf dem Pressemarkt noch zusätzlich durch die Berücksichtigung des Interesses der Allgemeinheit am Bestand eines leistungsfähigen Pressewesens im Rahmen von § 1 UWG unterstrichen wird1as. Was insbesondere das wettbewerblieh "Bedenkliche" der Gratisverteilung von Presseerzeugnissen angeht, so beruht es aus der Sicht einer am Leistungswettbewerb als Schutzgut des UWG orientierten Rechtsanwendung darauf, daß die Verleger sich durch Gratisverteilung auf dem Lesermarkt einen nicht durch die bessere redaktionelle Leistung er131 Zur Kritik an der Anzeigenblattrechtsprechung vgl. nur Kübler (Fn. 123), S. 172 f., Kull JZ 1969, 796 f., Schmitt-Glaeser NJW 1971, 2012 ff., sowie Passauer, Anzeigenblätter und ihre Auswirkungen im Wettbewerb wettbewerbs-und verfassungsrechtliche Aussagen zur kostenlosen Verteilung von Anzeigenblättern mit redaktionellem Textteil, Diss. Gießen 1976, S. 174 ff. m . umfass. Nachw. Kritisch zu BGH NJW 1977, 1060 - Feld und Wald li namentlich G. Schricker GRUR 1980, 194 ff. m. Nachw., zu BGH NJW 1982, 335- Bäckerfachzeitschrift Assmann I Brinkmann NJW 1982, 312 ff. 132 So zu Recht Assmann I Brinkmann NJW 1982, 312 ff. 133 Vgl. dazu Baumbach-He/ermehl (Fn. 14), § 1 Rdn. 691 ff., 695 ff. 134 So ausdrücklich etwa BGH NJW 1971, 2025, 2026- Stuttgarter Wochenblatt li, GRUR 1977, 668 (669, 670, 671) - WAZ-Anzeiger, GRUR 1979, 321, 323 - Mineralwasser; vgl. dazu auch Lehmann GRUR 1979, 379, und Schricker GRUR 1980, 199. 135 So namentlich BGHZ 51, 236, 247 ff. Vgl. dazu auch Kohl AfP 1981, 330.
III. Zur Unlauterkeit der Herausgabetätigkeit nach§ 1 UWG
63
zielten Wettbewerbsvorsprung auf dem Anzeigenmarkt verschaffen136 . Auch wenn man nicht so weit geht, mit Kübler137 den Schutz der Wahlund Entscheidungsfreiheit der Leser als ein verfassungsrechtlich gewährleistetes Strukturelement der privatwirtschaftlich verfaßten Presse anzusehen und mit dieser Begründung die Gratisverteilung schon dann für unlauter zu halten, wenn sie "den Entfaltungsraum der sich dem Vertriebswettbewerb aussetzenden herkömmlichen Zeitungen beeinträchtigt" 138 , ist die Grenze der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit der Gratisverteilung doch jedenfalls dort zu ziehen, wo der Vertriebswettbewerb, d. h . der Wettbewerb um Bezieher auf dem Lesermarkt, nachhaltig gefährdet zu werden droht und das Geschehen auf dem Pressemarkt letztlich nur noch durch den Anzeigenwettbewerb bestimmt wird139. d) Folgerungen für die Gratisverteilung von gedruckten Programminformationen an die Teilnehmer Für die Beurteilung der Wettbewerbswidrigkeit einer Gratisverteilung von gedruckten Programminformationen an die Teilnehmer folgt
daraus, daß der Unlauterkeitsvorwurf ohne Hinzutreten besonderer Umstände weder auf die unentgeltliche Abgabe als solche noch auch auf den mehr oder weniger großen Umfang des redaktionellen Teils gestützt werden könnte. Selbst wenn die unentgeltlich verteilten Fragramminformationen in einer über den Umfang von Supplements hinausgehenden Art, mit einem den Programmzeitschriften vergleichbaren Inhalt ausgestaltet wären, wäre dieses Verhalten nach der neueren BGH-Rechtsprechung jedenfalls dann nicht per se unlauter, wenn es von privatwirtschaftliehen Verlagen ausginge; ob anderes für die Anstalten wegen ihres Charakters als öffentliche Unternehmen und der insoweit gebotenen differenzierenden Anwendung des Wettbewerbsrechts140 anzunehmen ist, erscheint beim Fehlen besonderer Umstände immerhin zweifelhaft. Für die Unlauterkeil würden bei der gebotenen Gesamtwürdigung allerdings folgende Umstände sprechen:
136 Vgl. Nachw. in Fn. 123. 137
A.a.O. (Fn. 123), S. 178 ff., 182; zust. Assmann I Brinkmann NJW 1982, 313.
138 Kübler (Fn. 123), S. 183. 139 Zu der einer Gratisverteilung von Presseerzeugnissen innewohnenden
Tendenz, längerfristig den Wettbewerber in der aktuellen Spitzenstellung zu begünstigen und die redaktionelle Leistung in den Hintergrund zu drängen, vgl. zutr. A ssmann I Brinkmann NJW 1982, 314. Für Berücksichtigung des Einflusses der Gratisverteilung auf die Qualität des redaktionellen Teils bei der Wertung nach § 1 UWG auch BGH NJW 1982, 335, 336 - Bäckerfachzeitschrift. 140 Vgl. dazu oben B III 2 und 3, S. 28 ff.
64 D. Zulässigkeitsschranken für anstaltseigene Programminformationen die Benutzung der beherrschenden Stellung auf dem Sendemarkt und der dem öffentlichrechtlichen Benutzungsverhältnis entspringenden Beziehungen zu den Teilnehmern zur Durchsetzung von Wettbewerbsvorteilen gegenüber den Verlagen auf dem Anzeigenmarktl41. die zweckwidrige Verwendung der aus dem Gebührenaufkommen stammenden öffentlichen Mittel zur Finanzierung einer über die reine Programminformation deutlich hinausgehenden, einer entgeltlich vertriebenen Programmzeitschrift nahekommenden Gratispublikation142. der auf dem Programmzeitschriftenmarkt bisher allgemein anerkannte Grundsatz, daß Erzeugnisse dieses Marktes trotz des darin enthaltenen Anzeigenteils nur gegen Entgelt abgegeben werden143 • die Bedeutung des redaktionellen Teils für den Leser, zumal wenn er eine über die Wiedergabe der Programmtitel deutlich hinausgehende Information über das künftige Sendeprogramm umfaßt, und die mit einer massiven Gratisverteilung solcher Informationen durch die Anstalten verbundene Gefahr für die Meinungsvielfalt auf dem Programmzeitschriftenmarkt144. die Gefahr einer gemeinschaftsschädlichen Störung des Wettbewerbsbestands auf dem Lesermarkt für Programmzeitschriften und ggf. auch auf dem Anzeigenmarkt145. Als rechtfertigender Umstand käme demgegenüber das Interesse der Anstalten an optimaler Information der Teilnehmer über das künftige Sendeprogramm in Betracht. Es wäre allerdings solange von nur untergeordneter Bedeutung, als - wie gegenwärtig - die Information der Teilnehmer über das Sendeprogramm rechtzeitig, umfassend und objektiv durch die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage sichergestellt wird und ein zusätzlicher Informationsbedarf, der durch eine an die Teilnehmer ohne besonderes Entgelt verteilte anstaltseigene Programmin141 Es handelt sich um Wertungsgesichtspunkte aus der Fallgruppe der unlauteren Verquickung öffentlicher und erwerbswirtschaftlicher Interessen (vgl. oben S. 58); zur Anwendbarkeit von §§ 22 Abs. 4, 26 Abs. 2 GWB in derartigen Fällen einer Auswirkung der beherrschenden Stellung auf einem nicht beherrschten Markt vgl. S. 51 f. 142 Zur Unlauterkeit des zweckwidrigen Einsatzes öffentlicher Mittel im Wettbewerb mit privaten Unternehmen vgl. namentlich RGZ 138, 174, 178 f . - Haus der Jugend, aber auch BGH GRUR 1982, 433, 436 - Kinderbeiträge. 143 Vgl. die oben (Fn. 2) genannten Zeitschriftentitel dieses Marktes, die sämtlich nur gegen Entgelt abgegeben werden. Die Bedeutung der branchenspezifischen Betrachtung bei der Gesamtwürdigung der Gratisverteilung betont auch BGH NJW 1982, 335, 336 - Bäckerfachzeitschrift. 144 Dazu BGH NJW 1982, 335, 336 Bäckerfachzeitschrift. 145 Vgl. dazu Nachw. in Fn. 134.
III. Zur Unlauterkeit der Herausgabetätigkeit nach§ 1 UWG
65
formation mit umfangreichem redaktionellem Teil gedeckt werden müßte, nicht erkennbar ist. Das gilt auch dann, wenn man die Programminformation gegenüber den Teilnehmern wegen ihres Sachzusammenhangs mit dem Programmauftrag der Anstalten als Teil ihres satzungsrechtlichen Aufgabenbereichs ansieht, für dessen Erfüllung sie in geeigneter Weise Sorge tragen müssen146 • Denn einerseits ist auch in diesem Fall ein begründeter, bei der Abwägung nach § 1 UWG zu berücksichtigender Anlaß zum eigenen Tätigwerden nur insoweit anzuerkennen, als die Erfüllung des Auftrags nicht schon anderweitig, ohne zusätzlichen Einsatz öffentlicher Mittel, in einer für Anstalten und Teilnehmer voll zufriedenstellenden Weise sichergestellt ist. Zum anderen hat sich die Art und Weise der Wahrnehmung dieser Aufgabe nach dem - auch wettbewerbsrechtlich bedeutsamen147 - Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu richten; er steht jedenfalls solchen anstaltseigenen Publikationen entgegen, die einen über das gewöhnliche Informationsbedürfnis der Teilnehmer hinausgehenden Inhalt haben und geeignet sind, den Wettbewerb auf dem Programmzeitschriftenmarkt zum Nachteil der privatwirtschaftliehen Konkurrenz spürbar zu beeinträchtigen, und fällt bei der Interessenahwägung nach § 1 UWG zum Nachteil der Anstalten ins Gewicht, auch wenn die Unlauterkeit der Herausgabe einer anstaltseigenen Programminformation und ihrer kostenlosen Verteilung an die Teilnehmer nicht allein darauf gestützt werden kann, daß die Grenzen der Verhältnismäßigkeit überschritten sind. Ob sich eine andere Beurteilung für den Fall ergeben könnte, daß die Programmzeitschriftenverlage ihrerseits unmittelbar oder mittelbar als Rundfunkveranstalter tätig würden, ist gegenwärtig noch nicht voll absehbar. Die Frage wäre nur dann zu bejahen, wenn die Programmzeitschriften als Folge des Markteintritts der Verlage nicht mehr umfassend und objektiv über das Sendeprogramm auch der Anstalten berichten, sondern die Programme des Privathörfunks und -fernsehens besonders herausstellen würden. Sollte eine solche Entwicklung eintreten, so könnte sie den Anstalten berechtigten Anlaß geben, unter Einsatz von Mitteln aus dem Gebührenaufkommen eigene Programminformationen zu publizieren und an die Teilnehmer zu verteilen, ohne daß dadurch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt würde. Die bloß 146 Vgl. zu dieser Frage Nachw. in Fn. 79. Gegen die Erstreckung des Programmauftrags auf die Informationstätigkeit sowie gegen deren Qualifikation als Annexkompetenz aber Scholz (Fn. 9 a), S. 21 ff. 147 Als Ausdruck der Grundrechtsbindung der öffentlichen Hand (vgl. oben B III 2, S. 29 f.). Die öffentlichrechtliche Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Wirtschaftstätigkeit der öffentlichen Hand heben vor allem hervor Dürig (Fn. 31), Art. 2 Abs. 1 Rdn. 52, Scholz in Festschr. f. Karl Sieg, 1976, S. 524, Grupp ZHR 140 (1976), 386 ff. , Hoffmann-B ecking (Fn. 47), S. 448 ff., und Ossenbühl (Fn. 52), S. 121 f. A. A. für die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit aber Badura in Festschr. f. Schlochauer, 1981, S. 19.
5 Ulmer
66 D. Zulässigkeitsschranken für anstaltseigene Programminformationen
abstrakte Gefahr einer Verletzung der Objektivität und Neutralität der Programminformationen durch die Verlage würde allerdings nicht ausreichen, um eine eigene Publikation der Anstalten zu rechtfertigen. Hinzukommen müßten vielmehr konkrete Anhaltspunkte für eine entsprechende Informationsstrategie der Verlage und ein daraus drohendes, durch eine anstaltseigene Publikation zu behebendes Informationsdefizit der Teilnehmer. Denn die Wahrscheinlichkeit für eine derartige, einseitig die privaten Anbieter von Sendeprogrammen begünstigende Informationspolitik der Programmzeitschriften ist schon deshalb sehr gering, weil die Lesererwartungen sich auch bei Einführung privaten Rundfunks nach wie vor in erster Linie auf die Information über die öffentlichen Sendeprogramme richten würden. Die Zeitschriften könnten es sich schon aus diesem Grunde gar nicht leisten, den Privatfunk in den Vordergrund zu stellen, wenn sie nicht Gefahr laufen wollten, am Markt vorbei zu produzieren und dadurch erhebliche Teile ihrer Leserschaft zu verlieren. Dementsprechend bestünde grundsätzlich auch kein rechtfertigender Anlaß für eine anstaltseigene, unentgeltlich an die Teilnehmer zu verteilende Programmpublikation. e) Zusammenfassung Eine eindeutige Antwort auf die Frage, wo die Unlauterkeitszone bei der Herausgabe gedruckter Programminformationen durch die Anstalten und ihrer Gratisverteilung an die Teilnehmer beginnt, ist angesichts der auf den konkreten Einzelfall abstellenden, die Notwendigkeit einer Gesamtwürdigung aller Umstände betonenden neueren BGHRechtsprechung zwar nicht möglich. Wohl aber läßt sich die Feststellung treffen, daß der Unlauterkeitsvorwurf um so eher begründet ist, je weiter die Publikationstätigkeit der Anstalten über die reine Programminformation hinausgeht, ohne von ihrem Anstaltszweck gedeckt zu sein, je mehr sie sich hierzu öffentlicher, aus dem Gebührenaufkommen stammender und für andere Zwecke bestimmter Mittel bedient und je stärker sie dadurch sowie durch den Einsatz der Beziehungen der Anstalten zu den Teilnehmern die Wettbewerbsstellung der konkurrierenden Verlage auf dem Programmzeitschriftenmarkt beeinträchtigt und den Wettbewerbsbestand auf diesem Markt gefährdet. Eindeutig unlauter ist danach die Gratisverteilung von Druckschriften mit Programminformationen, die nach Art und Umfang den entgeltlich vertriebenen Programmzeitschriften gleichstehen oder nahekommen. Demgegenüber sind gegen wesentlich knappere, mit den Programmzeitschriften funktional nicht austauschbare anstaltseigene Programminformationen wettbewerbsrechtliche Bedenken nur dann und insoweit anzumelden, als sie - ohne durch das Informationsbedürfnis
III. Zur Unlauterkeit der Herausgabetätigkeit nach § 1 UWG
67
der Teilnehmer veranlaßt zu sein- zum Nachteil der Konkurrenz nach Art und Umfang gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen oder aus sonstigen Gründen, namentlich mit Rücksicht auf einen damit verbundenen Anzeigenteil und seine besondere, auf der großen Verbreitung der Programminformation beruhende Attraktivität, zu einer ernsthaften Gefahr für die Existenz der konkurrierenden Verlage und für den Wettbewerbsbestand auf dem Leser- und Anzeigenmarkt werden.
5. Unlauterkeit des entgeltlichen Vertriebs einer eigenen Programmzeitschrift der Anstalten? a) Allgemeines Ein Rechtsgrundsatz, wonach der öffentlichen Hand die Aufnahme konkurrierender Tätigkeiten auf privatwirtschaftlich strukturierten Märkten generell untersagt wäre, ist dem geltenden Wettbewerbsrecht fremd. Das gilt nach h. M. auch dann, wenn ein besonderer öffentlicher Zweck, der mit der Unternehmenstätigkeit verfolgt würde, nicht erkennbar ist, jedenfalls solange daraus keine spürbaren Nachteile für Mitbewerber und Wettbewerbsbestand drohen148• Selbst beim Vorhandensein besonderer, die Wirtschaftstätigkeit der öffentlichen Hand regelnder Vorschriften haben die Gerichte bisher einen Verstoß hiergegen nur ausnahmsweise zugleich als wettbewerbswidrig angesehen149 • Gleiches wird man für die Überschreitung des Anstaltszwecks oder die sonstige Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit ohne ausreichende Rechtsgrundlage anzunehmen haben; ihre Beanstandung ist in erster Linie Sache der Aufsichtsbehörden und Verwaltungsgerichte 150• Auch für den entgeltlichen Vertrieb von Programminformationen durch die Anstalten gelten daher mutatis mutandis die vorstehend (unter 4) getroffenen Feststellungen, daß seine Beurteilung als unlauter nur unter zusätzlichen, erschwerend ins Gewicht fallenden Umständen veranlaßt ist. Solche Umstände können sich einerseits - mit Rücksicht auf die Grundrechtsbindung der öffentlichen Hand und die hieraus folgende verschärfte Beurteilung ihres Handeins auch nach Wettbewerbsrecht - aus der mit der Konkurrenztätigkeit etwa verbundenen Verdrängungswirkung zum Nachteil privater Unternehmen sowie aus der us Vgl. nur Baumbach-Hefermehl (Fn. 14), Allg. Rdn. 162 ff., 175. Speziell zur Betätigung der öffentlichen Hand im Medienbereich auch Kohl AfP 1981, 326 ff. 148 Vgl. BGH GRUR 1965, 373 Blockeis II, wo der Verstoß gegen gemeinderechtliche Beschränkungen öffentlicher Wirtschaftstätigkeit wegen der besonderen Umstände des Falles als unlauter angesehen wurde (vgl. dazu auch P. Ulmer ZHR 146 (1982), 466, 496 ff.). 150 SoRG und BGH in ständ. Rspr., vgl. Nachw. in Fn. 107.
s•
68 D. Zulässigkeitsschranken für anstaltseigene Programminformationen
Gefährdung des Wettbewerbsbestands ergeben151 ; die Wahrscheinlichkeit hierfür ist freilich solange nicht groß, als das öffentliche Unternehmen nicht über spezifische Wettbewerbsvorteile aus seiner Doppelfunktion als Inhaber öffentlicher Gewalt und Teilnehmer am Wettbewerb verfügt oder in der Lage ist, die Ressourcen der öffentlichen Hand ohne höhere eigene Effizienz zur Förderung des eigenen Wettbewerbs und Überflügelung der Konkurrenz einzusetzen (vgl. unter b). b) Der wettbewerbswidrige Einsatz öffentlicher Ressourcen zur Preisunterbietung Eine nachhaltige Gefahr für die Marktstellung der Programmzeitschriftenverlage, die über die normalen, auch im Verhältnis zu öffentlichen Unternehmen hinzunehmenden Wettbewerbswirkungen hinausgeht, könnte daraus drohen, daß die Anstalten ihre Zeitschrift teilweise unter Einsatz öffentlicher, aus Gebühren erzielter Mittel finanzieren oder daß sie Räume, Personal u . a. für den Zeitschriftenvertrieb unentgeltlich zur Verfügung stellen und den dadurch gewonnenen Bewegungsspielraum zur Unterbietung der Bezugs- und/oder Anzeigenpreise der privaten Konkurrenz verwenden. Das führt zur Frage der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von Preisunterbietungen152 • Sie ist nach allgemeinen UWG-Maßstäben grundsätzlich zulässig, auch wenn sie auf einer Mischkalkulation, d. h. auf dem Einsatz von Gewinnen aus anderen Tätigkeitsbereichen unter Subventionierung des fraglichen Angebots beruht153 • Ein Verstoß gegen § 1 UWG ist freilich dann zu bejahen, wenn die Preisunterbietung entweder dazu dient, den Verkehr über die Preisstellung des sonstigen Angebots des Preisunterbieters irrezuführen154 • 151 Vgl. die Rechtsprechung zu den Anzeigenblättern mit redaktionellem Teil und zur Gratisverteilung von Fachzeitschriften (Fn. 121, 122), aber auch BGH GRUR 1982, 425, 430- Brillen-Selbstabgabestellen. 152 Zur kartellrechtlichen Problematik derartiger unternehmens- oder konzerninterner, Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz begründender Unterstützungsleistungen vgl. auch OLG Stuttgart WuW /E OLG 2386 Stuttgarter Wochenblatt. Dort hob das OLG eine auf § 26 Abs. 2 S. 1 GWB gestützte Verfügung der LKartB Baden-Württemberg auf, mit der der Stuttgarter Wochenblatt GmbH untersagt worden war, einem mit ihr konzernmäßig verbundenen Reisebüro Anzeigenraum kostenlos oder zu günstigeren Bedingungen als vergleichbaren Anzeigenkunden zur Verfügung zu stellen. Die vom BGH gegen die OLG-Entscheidung zugelassene Rechtsbeschwerde wurde nicht weiter verfolgt, nachdem die Beteiligten eine einvernehmliche Lösung erzielt hatten. Der Kostenentscheidung BGH DB 1982, 2395 läßt sich entnehmen, daß der BGH in der Sache dem OLG folgt und konzerninterne Unterstützungsleistungen für grundsätzlich unbedenklich hält. 153 Vgl. Baumbach-Hefermehl (Fn. 14), § 1 Rdn. 204, 207m. Rspr.-Nachw. ts 4 BGH GRUR 1974, 344, 345 Intermarkt, GRUR 1978, 649, 651 - EibeMarkt.
III. Zur Unlauterkeit der Herausgabetätigkeit nach § 1 UWG oder mit der Absicht der Vernichtung oder Verdrängung von bewerbernverbunden isvss. -
69 Wett~
oder trotz fehlender Vernichtungsabsicht doch objektiv die konkrete Gefahr der Verdrängung der Wettbewerber oder der nahezu völli~ genAufhebungdes Wettbewerbs begründet1ss. Diese allgemeinen Maßstäbe haben bei Preisunterbietungen durch
öffentliche Unternehmen zu Recht schon wiederholt eine Verschärfung
erfahren. So hat schon das Reichsgericht157 es der beklagten Stadtgemeinde aufgrund der Klage eines Hotelbesitzervereins untersagt, in dem von ihr mit städtischen Mitteln betriebenen, zur Beherbergung durchreisender Jugendlicher bestimmten "Haus der Jugend" gewerbsmäßig Personen aufzunehmen, die nicht zum Kreis der bestimmungsgemäß Begünstigten gehörten. Zwar sei auch die öffentliche Hand nicht grundsätzlich gehindert, im Wettbewerb mit Privaten die Preise zu unterbieten, jedenfalls wenn ihr dieses aufgrund eines rationelleren Angebots in einem nach kaufmännischen Grundsätzen geführten Geschäftsbetrieb möglich sei. Anderes habe jedoch dann zu gelten, wenn Gewerbesteuermittel dazu verwendet würden, außerhalb der öffentlichen Zweckbestimmung die Preise konkurrierender Gewerbetreibender zu unterbieten. Mit ähnlicher Begründung hat erst kürzlich der BGH 158 ungewöhnlich niedrige Preise eines Sozialversicherungsträgers für die freiwillige Krankenversicherung von nicht der Versicherungspflicht unterfallenden Personen für wettbewerbswidrig erklärt. Er hat der Unterlassungsklage eines Verbandes privater Krankenversicherer unter anderem deshalb stattgegeben, weil die gegen sozialversicherungsrechtliche Grundsätze verstoßende Preisgestaltung der beklagten Krankenkasse Parallelen aufweise zur Unterbietung der Preise privater Gewerbetreibender durch öffentliche Unternehmen unter zweckwidrigem Einsatz öffentlicher MitteP 59 • Auch im Fall "Brillen-Selbstabgabestellen" (BGH GRUR 1982, 425) wurde zur Begründung der Unlauterkeit der Abgabe preisgünstiger Brillen durch gesetzliche Krankenkassen an ihre Mitglieder unter anderem darauf abgestellt, daß die RGZ 134, 342 - Benrather Tankstelle. BGH GRUR 1979, 321, 322 - Mineralwasser; vgl. auch BaumbachHe/ermehl (Fn. 14), § 1 Rdn. 208 zum ständigen Verkauf bestimmter Waren unter Einstandspreis. Weitergehend jetzt namentlich Sack WRP 1983, 63 ff. m RGZ 138, 174, 178 f.- Haus der Jugend. 158 GRUR 1982, 433, 436 Kinderbeiträge; vgl. auch schon BGHZ 66, 229, 234 - Studenten-Krankenversicherung, und OLG Karlsruhe WRP 1976, 181, 183. 159 Die wettbewerbsrechtlichen Grenzen einer Preisunterbietung durch öffentliche Unternehmen unter Einsatz öffentlicher Mittel betonen auch H. Schricker (Fn. 26), S. 188 ff., und Hubmann (Fn. 20), S. 55 f. Zurückhaltend aber Emmerich (Fn. 26), S. 40 f., und H. Klein (Fn. 26), S. 242 ff., 258 ff. 15 5
156
70
D. Zulässigkeitsschranken für anstaltseigene Programminformationen
AOK beim Brillenverkauf, anders als die Augenoptiker, nicht auf die Erzielung von Überschüssen angewiesen sei, sondern sich aus den ihr zufließenden Beiträgen finanzieren könne (a.a.O. S. 430). Wendet man die oben (unter B III) herausgearbeiteten, für die Wirtschaftstätigkeit der öffentlichen Hand geltenden besonderen Maßstäbe auf den Fall der Preisunterbietung durch Angebote unter Selbstkosten an, so ist eine zur Behinderung privater Mitbewerber führende Preisunterbietung durch öffentliche Unternehmen dann als unlauter anzusehen, wenn sie ermöglicht wird durch -
den zweckwidrigen Einsatz öffentlicher Mittel zur Finanzierung von Angeboten unter Selbstkosten im Wettbewerb mit privaten Anbietern160,
-
die Subventionierung von Angeboten auf wettbewerblieh strukturierten Märkten unter Heranziehung von Mehrerlösen aus Bereichen, in denen die öffentliche Hand über eine gesetzliche Monopolstellung verfügt1 61 ,
-
die erwerbswirtschaftliche Randnutzung von öffentlichen Zwecken gewidmeten Einrichtungen zu einem unter dem Marktpreis oder unter vergleichbaren Angeboten der Privatwirtschaft liegenden Preis162 •
Gemeinsames Unlauterkeitskriterium ist bei allen Gruppen, daß das günstige, der Stärkung der eigenen Marktstellung dienende Preisangebot nicht auf der höheren Effizienz des öffentlichen Unternehmens, sondern darauf beruht, daß dieses von den ihm aus der hoheitlichen Stellung zugänglichen finanziellen Vorteilen in einer nicht durch öffentliche Zwecke gebotenen Weise zur Förderung des eigenen Wettbewerbs unter Behinderung privater Mitbewerber Gebrauch macht. Eine Ausnahme gilt nach den Grundsätzen über die wettbewerbsrechtliche Privilegierung des Marktverhaltens der öffentlichen Hand (oben unter B III 3) dann, wenn die Preisunterbietung aufgrund eines Gesetzes erfolgt, das Art der Leistung und Kreis der Begünstigten in verfassungskonformer Weise selbst regelt oder hierzu eine Verordnungsermächtigung, von der wirksam Gebrauch gemacht ist, bereit160 RGZ 138, 174, 178 f. Haus der Jugend; BGH GRUR 1982, 425, 430Brillen-Selbstabgabestellen. 161 Es handelt sich um einen Sonderfall des Mißbrauchs einer Monopolstellung (dazu H. Schricker, Fn. 26, S. 202 ff.), der namentlich auch gegen die Wertungen der§§ 22 Abs. 4, 26 Abs. 2 GWB verstößt. 162 Z. B. bei Unterbietung der Anzeigenpreise durch städtische Amtsblätter oder der Marktpreise für die Vermietung von Omnibussen durch öffentliche Verkehrsbetriebe. A. A. wohl H. Schricker (Fn. 26), S. 188 f., freilich ohne Berücksichtigung der daraus drohenden Gefährdung des Wettbewerbsbestands.
III. Zur Unlauterkeit der Herausgabetätigkeit nach § 1 UWG
71
stellt163 , oder wenn sie auch ohne besondere Gesetzesgrundlage durch die hierfür zuständige Stelle in Verfolgung öffentlicher Zwecke beschlossen und in den Grenzen dieses Beschlusses von der öffentlichen Hand oder in ihrem Auftrag ausgeführt wird 164 • c) Folgerungen Sollten die Anstalten zur Herausgabe und zum entgeltlichen Vertrieb einer in Art und Umfang den Programmzeitschriften vergleichbaren, mit ihnen konkurrierenden Programmpublikation mit Anzeigenteil übergehen, so wäre das wettbewerbsrechtlich nur dann zu beanstanden, wenn zusätzliche, die Unlauterkeit begründende Umstände hinzuträten. Solche Umstände bilden nach den vorstehend erzielten Ergebnissen: -
die mißbräuchliche Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung auf dem Markt für Programminformationen zur Sicherung eines Wettbewerbsvorteils gegenüber den konkurrierenden Verlagen, insbesondere durch Erschwerung des Zugangs zu den Programminformationen für die Konkurrenz (vgl. unter C 111, S. 38 ff. und D I 1 b, s. 48 f.).
-
die unlautere Verquickung öffentlicher und privatwirtschaftlicher Interessen, etwa durch Einsatz der Möglichkeiten der Anstalten bei der Gestaltung des Sendeprogramms zur Werbung für die anstaltseigene Zeitschrift (vgl. unter D III 3, S. 59).
-
die Unterbietung der Bezugs- und/oder Anzeigenpreise der Verlage durch zweckwidrigen Einsatz öffentlicher, für die hoheitlichen Aufgaben der Anstalten bestimmter Mittel (vgl. vorstehend unter b, S. 68 ff.), sowie schließlich
-
die Verdrängung privater Konkurrenten und die Gefährdung des Wettbewerbsbestands auf dem Programmzeitschriftenmarkt als Folge der- nach Art, Umfang oder Preisstellung nicht durch spezifische öffentliche Zwecke gebotenen - Herausgabetätigkeit der Anstalten (vgl. vorstehend unter a, S. 67 f.).
163 Das folgt bereits aus dem Vorrang solcher Vorschriften vor § 1 UWG, aber auch aus der Berücksichtigung der damit verfolgten öffentlichen Aufgaben. 164 Vgl. RGZ 138, 174, 176 f. Haus der Jugend, BGH GRUR 1971, 168, 169 - Ärztekammer, BayVGH JZ 1976, 641 - kommunale Wohnungsvermittlung, bestätigt durch BVerwG NJW 1978, 1539; zweifelhaft aber KG NJW 1957, 1076, 1077- Steuerfibeln (Anwendbarkeit des UWG vom KG wegen des im Verkauf der Steuerfibeln durch die Finanzämter liegenden "Aktes staatlicher Fürsorge" verneint). Für wettbewerbsrechtliche Unbedenklichkeit derartiger subventionierter Angebote auch H. Schricker (Fn. 26), S. 192 f . unter Hinweis auf öffentliche Zuschüsse für kulturelle Einrichtungen, Verkehrsbetriebe oder Zwecke der Volksgesundheit.
72 D. Zulässigkeitsschranken für anstaltseigene Programminformationen
Besonderer Erwähnung bedarf in diesem Zusammenhang schließlich die Einführung eines Entgelts für die Programminformation der Verlage durch die Anstalten. Sie war oben (unter C III, V) als nach Kartellund Wettbewerbsrecht im Grundsatz unbedenklich beurteilt worden, soweit sie sich auf die zusätzliche Programminformation beschränkt und die Entgeltshöhe nicht ihrerseits mißbräuchlich festgesetzt würde. Sollten die Anstalten freilich die Berechnung des Entgelts mit der Herausgabe einer eigenen Programmzeitschrift verbinden oder hierzu zu einem späteren Zeitpunkt übergehen, so müßten sie bei ihrer Kalkulation der Bezugs- und Anzeigenpreise auch ihrerseits ein entsprechendes Entgelt für die Nutzung dieser zusätzlichen Programminformation in Ansatz bringen, da andernfalls die Wettbewerbsneutralität nicht gewahrt und in der Entgeltsforderung ein indirektes Mittel zur Preisunterbietung zu sehen wäre. Umstände, die zugunsten größerer Handlungsfreiheit der Anstalten bei dem entgeltlichen Vertrieb einer Programmzeitschrift und für eine Privilegierung gegenüber den allgemeinen UWG-Maßstäben berücksichtigt werden könnten, sind demgegenüber nicht ersichtlich. Namentlich läßt sich der öffentliche, auf die Programmgestaltung und die Sendetätigkeit der Anstalten bezogene Auftrag nicht dahin verstehen, daß er auch die Herausgabe einer entgeltlichen Programmzeitschrift in Konkurrenz mit den vorhandenen Publikationen dieser Art umfaßt. Soweit die Teilnehmer nicht bereits durch die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage sowie durch die von den Anstalten ausgestrahlten Programmhinweise hinreichend über das Sendeprogramm informiert würden, könnten die Anstalten ihrem Auftrag schon durch Verteilung gedruckter Programmübersichten an die Teilnehmer Rechnung tragen, ohne zu dem unverhältnismäßigen Mittel des entgeltlichen Vertriebs einer konstenintensiven, für die Programmnutzung entbehrliche Programmzeitschrift greifen zu müssen. Das gilt selbst für den - wenig wahrscheinlichen (S. 66) - Fall, daß der Inhalt der Programmzeitschriften künftig, nach Einführung von privatem Rundfunk, über das Sendeangebot der öffentlichen Anstalten weniger umfassend oder objektiv informieren würde als bisher. Eine derartige Entwicklung könnte den Anstalten zwar berechtigten Anlaß geben, zum entgeltlichen oder unentgeltlichen Vertrieb eigener gedruckter Programminformationen überzugehen. Für eine Unterbietung der Preise der privaten Konkurrenz durch zweckwidrigen Einsatz öffentlicher Mittel oder unter Gefährdung des Wettbewerbsbestands sind jedoch auch in diesem Fall Rechtfertigungsgründe nicht gegeben.
E. Ergebnisse I. Anwendung von Kartell- und Wettbewerbsrecht gegenüber den Rundfunk- und Fernsehanstalten 1. Der personelle Anwendungsbereich a) Kartell- und Wettbewerbsrecht sind als Marktverhaltensrecht auf grundsätzlich alle Arten geschäftlicher Tätigkeit zur Förderung eigenen oder fremden Wettbewerbs anwendbar, unabhängig von der Organisationsform der Beteiligten und ihrer Zugehörigkeit zum privat- oder öffentlichrechtlichen Bereich. Die grundsätzliche Anwendbarkeit des GWB auf öffentliche Unternehmen ist in § 98 Abs. 1 GWB ausdrücklich klargestellt. Nichts anderes gilt für die Vorschriften des UWG, auch wenn es dort an einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung fehlt (S. 19 f.). Eine Einschränkung ist demgegenüber zwar für Verhaltensweisen öffentlicher Unternehmen im Rahmen solcher Benutzungsverhältnisse zu machen, die ihrerseits öffentlichrechtlich ausgestaltet sind. Sie betrifft aber nur das Benutzungsverhältnis als solches und führt dort zur ausschließlichen Geltung des öffentlichen Rechts. Anderes gilt dagegen für das durch Gleichordnung geprägte Verhältnis der öffentlichen Unternehmen zu Mitbewerbern und sonstigen Marktpartnern; insoweit bewendet es trotz öffentlichrechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnisses bei der Anwendbarkeit von GWB und UWG (S. 20 ff.). b) Auch die Rundfunk- und Fernsehanstalten gehören trotz ihrer Wahrnehmung öffentlicher, der Daseinsvorsorge dienender Aufgaben bei ihrer geschäftlichen Tätigkeit zu den öffentlichen, den Verhaltensanforderungen des GWB und UWG unterliegenden Unternehmen; Bereichsausnahmen sind für sie nicht vorgesehen (S. 22 ff.). Die geschäftliche Tätigkeit der Anstalten bezieht sich nicht nur auf die Nachfrage nach Sendegut und die Teilnahme am Werbemarkt. Vielmehr erfüllen sie auch die ihnen als öffentliche Aufgabe übertragene, auf Verbreitung von Nachrichten und sonstigen Darbietungen gegenüber der Allgemeinheit gerichtete Sendetätigkeit unter Teilnahme am Geschäftsverkehr, indem sie gegen Entgelt Informationen und Unterhaltung gegenüber dem Publikum anbieten und dadurch zu anderen Anbietern des Unter-
74
E. Ergebnisse
haltungsmarktes, darunter auch zu Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen, in ein Wettbewerbsverhältnis um Teilnehmer bzw. Nachfrager sowie mittelbar um Anzeigenkunden treten (S. 24 f.). Auch beim Angebot von Programminformation werden die Anstalten geschäftlich tätig. Dies gilt für das mit der Herausgabe entsprechender Druckschriften ggf. verbundene Angebot von Anzeigenraum als Teil der Werbetätigkeit der Anstalten, aber auch für die Programminformation als solche. Um eine den Vorschriften von GWB und UWG unterfallende, selbständige geschäftliche Tätigkeit handelt es sich dabei jedenfalls dann, wenn die Anstalten die Programminformation entgeltlich nach Art von Programmzeitschriften an die Teilnehmer verbreiten (S. 25). Aber auch wenn sie sich darauf beschränken, die Verlage und anderen Multiplikatoren über das künftige Programm zu informieren oder wenn sie Programminformationen unentgeltlich an die Teilnehmer abgeben, sind die Voraussetzungen für eine geschäftliche, kartellund wettbewerbsrechtlich relevante Tätigkeit doch schon wegen des Sachzusammenhangs mit der ebenfalls dem GWB und UWG unterfallenden Sendetätigkeit der Anstalten gegeben (S. 25 f.).
2. Kartell- und wettbewerbsrechtliche Sondermaßstäbe für die Tätigkeit öffentlicher Unternehmen In GWB und UWG gibt es nicht nur spezifische Vorschriften bzw. Fallgruppen im Rahmen der Generalklausel des § 1 UWG für das Marktverhalten öffentlicher Unternehmen (S. 26 f., 57 ff.). Vielmehr können die Besonderheiten öffentlicher Unternehmenstätigkeit auch abgesehen hiervon zu einer gegenüber den allgemeinen GWB- und UWG-Maßstäben differenzierenden Beurteilung führen, sei es im Sinne einer verschärfenden oder einer großzügigeren, die öffentliche Wirtschaftstätigkeit privilegierenden Anwendung (S. 28 ff.). Ansatzpunkte für eine Verschärfung ergeben sich vor allem daraus, daß es anders als im Falle privater Wirtschaftstätigkeit bei der Marktteilnahme der öffentlichen Hand an anerkennenswerten erwerbswirtschaftlichen Interessen fehlt, die bei der kartell- und wettbewerbsrechtlich gebotenen Interessenahwägung zugunsten der Zulässigkeit des umstrittenen Marktverhaltens berücksichtigt werden könnten, sowie aus der für öffentliche Unternehmen als Teil der öffentlichen Hand geltenden, bei Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des GWB und UWG zu berücksichtigenden Grundrechtsbindung (S. 28 ff.). Demgegenüber kommt eine Privilegierung der öffentlichen Unternehmenstätigkeit namentlich dann in Betracht, wenn diese der Verfolgung spezifisch öffentlicher, durch die zuständige Stelle festgesetzter Zwecke im
II. Änderungen der Informationspolitik
75
Einklang mit den hierfür geltenden Grundsätzen des öffentlichen Rechts dient (S. 31). II. Änderungen der Informationspolitik
1. Kartellrechtliche Beurteilung Mit der Herausgabe von Programminformationen an Verlage und sonstige Multiplikatoren werden die Anstalten als öffentliche Unternehmen auf einem Sondermarkt tätig, auf dem sie - als einzige Anbieter solcher Information - jeweils über eine Monopolstellung verfügen (S. 34 ff.). Ihr Marktverhalten unterliegt daher den für marktbeherrschende Unternehmen geltenden kartellrechtlichen Sondervorschriften der §§ 22 Abs. 4, 26 Abs. 2 GWB. Ein Machtmißbrauch und eine unbillige Behinderung im Sinne dieser Vorschriften sind in solchen Änderungen der Informationspolitik gegenüber den Verlagen zu sehen, die eine spürbare sachliche oder zeitliche Verkürzung der Informationsmöglichkeiten der Verlage über das künftige Sendeprogramm zur Folge haben und sich dadurch nachteilig auf den Markt für Programmzeitschriften und die Wettbewerbsstellung der Verlage auswirken, auch wenn die Herausgabe der Programmzeitschriften durch die Verlage noch möglich bleibt (S. 37 ff.). Anerkennenswerte Interessen der Anstalten an einem derartigen Vorgehen, namentlich solche, die gegenüber den berechtigten Interessen der Verlage und der Allgemeinheit an der Beibehaltung der bisherigen Informationspraxis Vorrang beanspruchen könnten, sind nicht feststellbar (S. 39 f.). Demgegenüber ist die Einführung eines - seinerseits nicht mißbräuchlich festgesetzten - Entgelts für Zusatzinformationen über das Sendeprogramm im Interesse der Programmzeitschriftenverlage kartellrechtlich im Grundsatz unbedenklich (S. 41 f.); anderes gilt dann, wenn das Entgelt ohne sachlichen Anlaß auch für die reine Programminformation erhoben (S. 43) oder wenn es von den Anstalten als Mittel eingesetzt wird, um sich bei der Herausgabe und dem entgeltlichen Vertrieb einer anstaltseigenen Programmzeitschrift einen Wettbewerbsvorsprung vor den Verlagen zu verschaffen (S. 72). Eine Kartellrechtsverletzung ist im übrigen bereits in der Androhung einer der vorgenannten Maßnahmen gegenüber den Verlagen zu sehen, wenn sie dazu bestimmt ist, die Verlage vom Zutritt zum Fernsehmarkt abzuhalten. Ein solches Vorgehen ist auf eine kartellrechtswidrige Marktaufteilung gerichtet und verstößt daher gegen das Druckverbot des § 25 Abs. 2 GWB (S. 44 f.).
76
E. Ergebnisse
2. Wettbewerbsrechtliche Beurteilung Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung einer zur sachlichen oder zeitlichen Verkürzung der Programminformation gegenüber den Verlagen führenden Änderung der Informationspolitik der Anstalten sowie der Berechnung eines Entgelts für die reine Programminformation bestätigt die bereits nach Kartellrecht erzielte Beurteilung als Gesetzesverstoß; eigenständige Bedeutung kommt ihr dabei nicht zu (S. 45 f.). Gleiches gilt umgekehrt für die Berechnung eines angemessenen Entgelts für die Zusatzinformation; sie kann mangels besonderer Umstände auch nicht als unlauter i. S. von § 1 UWG gewertet werden (S. 46 f.) .
111. Herausgabe gedruckter Programminformationen an die Teilnehmer
1. Kartellrechtliche Beurteilung Mit der Herausgabe und Verteilung gedruckter Programminformationen an die Teilnehmer, sei es durch die Anstalten selbst, durch Tochtergesellschaften oder unter Einschaltung selbständiger Verlage mit finanzieller Unterstützung der Anstalten, werden die Anstalten auf den bisher den Presseverlagen vorbehaltenen Lesermärkten für Tageszeitungen und/oder Programmzeitschriften sowie - bei Verbindung mit einem Anzeigenteil - auch auf den betreffenden Anzeigenmärkten tätig. Insoweit kommt ihnen derzeit eine marktbeherrschende oder relativ marktstarke Stellung gegenüber den Verlagen wohl nicht zu (S. 50 ff.). Sehen sie bei der Herausgabetätigkeit auch davon ab, solche Wettbewerbsmittel einzusetzen, die ihnen die Möglichkeit verschaffen, daß ihre marktbeherrschende Stellung auf dem Sendemarkt oder auf dem Markt für Programminformationen sich auch auf den relevanten Märkten der Programmdruckschriften auswirkt und ihnen dadurch q1achtbedingte Wettbewerbsvorteile vor den Mitbewerbern verschafft, so ist für ein Eingreifen der §§ 22 Abs. 4, 26 Abs. 2 GWB kein Raum (S. 52 f.). Auch für den neugeschaffenen Tatbestand der mißbräuchlichen Behinderung der Konkurrenz durch relativ marktstarke Unternehmen (§ 37 a Abs. 3 GWB) dürften die Voraussetzungenangesichts der Marktstruktur auf dem Markt für Programmzeitschriften nicht nachweisbar sein (S. 53 f.). Kartellrechtlich ist eine etwaige Herausgabetätigkeit der Anstalten daher nur relevant, wenn entweder zusätzliche, zur Ausstrahlung der marktbeherrschenden Stellung der Anstalten auf ihre Pressetätigkeit führende Umstände hinzutreten (S. 54) oder wenn das Verhalten als
III. Herausgabe gedruckter Programminformationen an die Teilnehmer 77 eine gegen das Druckverbot des § 25 Abs. 2 GWB verstoßende Sanktionsandrohung oder -durchsetzung zu beurteilen sein sollte (S. 54).
2. Wettbewerbsrechtliche Beurteilung Bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung scheidet die Fallgruppe der sklavischen Nachahmung aus (S. 56 f.). Gleiches gilt mangels Vorliegens besonderer Umstände für die für das Marktverhalten öffentlicher Unternehmen anerkannten Sondertatbestände des Autoritätsmißbrauchs und der Verquickung öffentlicher und erwerbswirtschaftlicher Interessen (S. 57 ff.). Hiervon abgesehen können sich wettbewerbsrechtliche Bedenken im Hinblick auf den Tatbestand der marktbezogenen Unlauterkeit und die verschärfte Verhaltensbindung der öffentlichen Hand je nach den Einzelfallumständen einerseits gegen die unentgeltliche Verteilung von Programminformationen mit Anzeigenteil (vgl. unter a), zum anderen gegen den entgeltlichen Vertrieb einer anstaltseigenen, in Wettbewerb zu den vorhandenen Programmzeitschriften tretenden Programmzeitschrift ergeben (vgl. unter b). a) Die Gratisverteilung gedruckter Programminformationen mit Anzeigenteil an die Teilnehmer beurteilt sich nach den Rechtsprechungsgrundsätzen über die unentgeltliche Verteilung von Presseerzeugnissen; der etwaige Rückgriff der Anstalten auf Gebührenmittel zur Finanzierung der Druckschrift steht nicht entgegen (S. 59 ff.). Maßgebend ist danach eine Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, darunter einerseits der Interessen von Mitbewerbern, Lesern und Inserenten, der Branchengewohnheiten sowie der voraussichtlichen Auswirkungen des umstrittenenVorgehensauf die Qualität des redaktionellen Teils, andererseits des zweckwidrigen Einsatzes öffentlicher Mittel sowie der Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung der konkurrierenden Verlage und der Gefährdung des Wettbewerbsbestands auf dem Programmzeitschriftenmarkt (S. 63 ff.). Eindeutig unlauter ist danach die Gratisverteilung von Druckschriften mit Programminformationen, die nach Art und Umfang den entgeltlich vertriebenen Programmzeitschriften gleichstehen oder nahekommen. Demgegenüber sind gegen wesentlich knappere, mit den Programmzeitschriften funktional nicht austauschbare anstaltseigene Programminformationen wettbewerbsrechtliche Bedenken nur dann und insoweit anzumelden, als sie zum Nachteil der Konkurrenz nach Art oder Umfang gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen oder aus sonstigen Gründen, namentlich mit Rücksicht auf einen damit verbundenen Anzeigenteil und seine besondere, auf der großen Verbreitung der Programminformation beruhende Attraktivität, zu einer
78
E. Ergebnisse
ernsthaften Gefahr für die Existenz der konkurrierenden Verlage und für den Wettbewerbsbestand auf dem Leser- oder Anzeigenmarkt werden (S. 66 f.). b) Auch der entgeltliche Vertrieb einer Programmzeitschrift durch die Anstalten ist nicht grundsätzlich, sondern nur beim Vorliegen besonderer Umstände unlauter (S. 67). Als solche Umstände haben sich vor allem die über die normalen Wirkungen des Wettbewerbs deutlich hinausgehende, zum Ausscheiden von Mitbewerbern aus dem Markt führende Verdrängungswirkung zum Nachteil privater Konkurrenz S. 67 f.) sowie die wettbewerbsfremde, gegen die verschärften Verhaltensbindungen öffentlicher Unternehmen verstoßende Unterbietung der Bezugs- oder Anzeigenpreise der privaten Konkurrenz durch zweckwidrigen Einsatz öffentlicher Mittel (S. 68 ff.) erwiesen. Eine abschließende vorausschauende Beurteilung ohne Kenntnis der Einzelfallumstände ist nur für eindeutige Fälle der genannten Art möglich.