Die Grundsatze Der Gesetzmassigkeit Der Besteuerung Und Der Tatbestandsmassigkeit Der Besteuerung in Rechtsvergleichender Sicht (German Edition) 3428056159, 9783428056156

Revision of thesis (doctoral)--Eberhard-Karls-Universitèat Tèubingen, 1980.

142 102 26MB

German Pages 265 [266] Year 1984

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Die Grundsatze Der Gesetzmassigkeit Der Besteuerung Und Der Tatbestandsmassigkeit Der Besteuerung in Rechtsvergleichender Sicht (German Edition)
 3428056159, 9783428056156

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HARTMUT HAHN

Die Grundsätze der Gesetzm,äßigkeit der Besteuerung und der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung in rechtsvergleichender Sicht

Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht Herausgegeben von Thomas Oppermann in Gemeinschaft mit Klaus J. Hopt, Hans v. Mangoldt Wernhard Möschel, Wolfgang Graf Vitzthum sämtlich in Tübingen

Band 11

Die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung und der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung in rechtsvergleichender Sicht

Von

Dr. Hartmut Hahn

DUNCKER

&

HUMBLOT

I

BERLIN

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Hahn, Hartmut: Die Grundsätze der Gesetzmässigkeit der Besteuerung und der Tatbestandsmässigkeit der Besteuerung in rechtsvergleichender Sicht I von Hartmut Hahn. - Berlin: Duncker und Humblot, 1984. (Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht; Bd. 11) ISBN 3-428-05615-9 NE: GT

D 21 Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1984 bei Buchdruckerei A. Sayffaerth - E . L. Krohn, Berlin 61 Printed in Germany

© 1984 Dunelter

ISBN 3-428-05615-9

Meiner Mutter und meinem Vater

Vorwort Die vorliegende Untersuchung stellt die überarbeitete Fassung einer Dissertation dar, die im Juni 1980 der Juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen vorgelegen hat. Sie bezieht rechtsvergleichende Betrachtungen ein. Die Rechtsvergleichung ist im Bereich der deutschen Steuerrechtswissenschaft wenig entwickelt. Methodenfragen habe ich gleichwohl nicht erörtert. Ich fühle mich zu dieser Abstinenz legitimiert durch die Erwägung, daß im Mittelpunkt der Überlegungen der Begriff des Steuertatbestandes steht, daß dieser Begriff im wesentlichen ein rechtswissenschaftlicher Begriff ist, und daß deshalb das methodologisch kritische Terrain der Rechtsvergleichung, das Verfolgen eines Rechtsbegriffs oder eines Rechtsinstituts in alle seine Verästelungen und Funktionszusammenhänge hinein, die durch dauernde Anwendung in der Rechtspraxis sich bilden, nicht betreten zu werden braucht. Eine gewisse Willkürlichkeit der Auswahl der zu vergleichenden Rechtsordnungen kann mir vorgehalten werden. Eine solche Auswahl dürfte stets durch Vorlieben des Rechtsvergleichers und durch die Grenzen seiner Kompetenz bedingt sein. Der Reiz des französischen Steuerrechts lag in der clarte der wissenschaftlichen Darstellungen und in der Prägnanz der teilweise aphoristischen Deduktionen in der Rechtsprechung des Conseil d'Etat und in den conclusions seiner Commissaires du Gouvernement. Das spanische Steuerrecht stellt vom rechtstechnischen, kodifikatorischen Standpunkt her gesehen eine aus der französischen Rechtsordnung abgeleitete dar; deutlich zeigt sich dies jetzt wiederum am Entwurf eines Mehrwertsteuergesetzes. Die Rechtswissenschaft hingegen weist unverkennbar deutschen Einfluß auf. Diese Verbindung deutscher Rechtswissenschaft mit französischer Steuerrechtstechnik zu betrachten, stellt eine Aufgabe von besonderem Reiz dar. Ich habe vielen Personen zu danken: Daß der wissenschaftliche Ansatz meines verehrten Lehrers, Herrn Prof. Dr. iur. Hermann-Wilfried Bayer, verfolgt wurde, zeigt die Arbeit auch dort, wo dies nicht ausdrücklich hervorgehoben wurde,- und auch dort, wo ich meinte, in Einzelfragen widersprechen zu müssen. Herr Prof. Dr. Bayer hat die Arbeit angeregt und betreut. Ich sage ihm deshalb Dank, ebenso für sein stetes Interesse und seine stete Gesprächs-

Vorwort

8

bereitschaft. Meine Mutter, Frau Studiendirektorin i. R. Thekla HahnKohrs, hat die Korrekturen gelesen, die Verzeichnisse gefertigt und mich bei allen anfallenden Arbeiten unterstützt. Hierfür und für ihr Verständnis danke ich. Die Tatsache, daß die Herren Prof. Dr. iur. Dr. h.c. Thomas Oppermann und Senator E.h. Ministerialrat a.D. Prof. Dr. Dr. h. c. J. Broermann das Erscheinen der Arbeit in dieser Reihe ermöglicht haben, hat mich zur Überarbeitung und Ergänzung ermutigt. Frau Gudrun Dörgerloh hat mir sämtliche Sorgen um die ordnungs- und fristgemäße Herstellung des Manuskripts abgtmommen. Die Herstellung der vorliegenden Fassung erfolgte in meiner Freizeit. Meine Verlobte, Frau Studienrätin i.E. Kornelia Schmidt-König, hat hierfür Verständnis aufgebracht und mich unterstützt. Hagen, am Pfingstfest 1983

Hartmut Hahn

lnhaltsverzeichn is Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

TEIL I Tatbestandsmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung Abschnitt 1: Herrschende Lehre und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18

I. Der Inhalt des Grundsatzes von der Tatbestandsmäßigkeit . . . . . . . . . .

18

11. Die Kritik am Grundsatz von der Tatbestandsmäßigkeit . . . . . . . . . . . .

20

III. Vorläufige Stellungnahme zur Problematik des Tatbestandsmäßigkeitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 IV. Der Inhalt des Grundsatzes von der Gesetzmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 26 V. Die verschiedenen Auslegungen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit 29 VI. Vorläufige Stellungnahme zum Prinzip der Gesetzmäßigkeit und Kritik der herrschenden Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Abschnitt 2: Historische und rechtsvergleichende Grundlagen einer Neuinterpretation 39

I. Historische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Entwicklung in England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Aufklärung in den europäischen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39 39 42 45 47

II. Rechtsvergleichende Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2. Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 III. Deutung des Gesetzmäßigkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Lehnshoheit und Repräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Krone und Parlament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Staatsgewalt und Volkssouveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Monarchische Exekutive und Parlament . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . 5. Das Gesetz als Antrieb des Verwaltungshandeins . . . . . . . . . . . . . . . .

54 54 57 59 63 69

10

Inhaltsverzeichnis

Abschnitt 3: Das Verhältnis zwischen Tatbestandsmäßigkeitsgrundsatz und Gesetzmäßigkeilsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 I. Neuere Deutungsversuche des Tatbestandsmäßigkeitsgrundsatzes . . .

1. H. W. Kruse: Gesetzmäßige Verwaltung, tatbestandsmäßige Be-

77

steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

2. D. Jesch: Der rechtsstaatliche Gesetzesbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

3. H.-J. Papier: Das Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

II. Die Inhaltsbestimmung der Sätze von der Tatbestandsmäßigkeit und der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

TEIL II

Der Steuertatbestand Abschnitt 1: Der Begriff des Steuertatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 I. Der Begriff des Steuertatbestandes in der neueren Literatur . . . . . . . .

92

II. Der Begriff des Steuertatbestandes in der älteren Literatur . . . . . . . . .

94

III. Der Begriff des Steuertatbestandes im französischen Recht . . . . . . . . . . 98 IV. Der Begriff des Steuertatbestandes im spanischen Recht . . . . . . . . . . . .

99

Abschnitt 2: Tatbestandsmerkmale, die den Steueranspruch dem Grunde nach bestimmen . . . . .. . ........... .. ......... . . . .... ... . .. ............. . . . .. . . 102 I. Die persönliche Seite des Steuertatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

1. Terminologie, Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

a) Zur Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 b) Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 c) Der Steuerträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

2. Die Beziehung zwischen Steuersubjekt und Steuerhoheitsträger . . a) Vorbemerkung . . ........... . ...... ... ...... . .... .. . .. . . . . . . . b) Die Lehre vom Rechtsanwendungstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Merkmale zur Bestimmung des Geltungsbereichs der Steuerrechtsnorm .... .. .... .. ............... . .............. . ..... . . d) Der Begriff der Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

109 109 112 114 118

3. Die Steuerrechtsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlegung . . . . . . .. . . ... ... .. . .. . .. . . .... . . . . .. .. ·. . . . . . . . . . b) Begrenzung des Untersuchungsbereichs ..... . .. . ..... ... ..... c) Die steuerlichen Rechtssubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

123 123 125 128

Inhaltsverzeichnis

11

4. Der Steuerschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 5. Die Arten der Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 6. Der Steuergläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 7. Andere Beteiligte des Steuerschuldverhältnisses .......... ... ... . 148 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 11. Die sachliche Seite des Steuertatbestandes ..... . . . ............. . . . .. 151 1. Allgemeines, Terminologie .. ...... .. . . ...... .... .. ..... . .. . .. .. . a) Der finanzwissenschaftliche Begriff des Steuergegenstandes . . b) Der juristische Begriff des Steuergegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . c) Zur Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die räumliche Begrenzung des Geltungsbereiches der Steuerrechtsnorm durch das Steuerobjekt ..... . ... . . . .................. a) Die Begrenzungsfunktion des Steuergegenstandes . . . . . . . . . . . . b) Exkurs: Nicht unmittelbar territorial bezogene Steuergegenstände .. .. ..... .... . . . . .... . . . . .. . ......... . .. ... . .. . ... . .. . c) Die Doppelbesteuerungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

151 151 152 154 155 155 157 158

3. Der Steuergegenstand in rechtsmethodologischer Sicht . . . . . . . . . . . 160 4. Steuergegenstand und Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 5. Steuergegenstand und Steuerquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 6. Der Steuergegenstand der Umsatz- und Verbrauchsteuern . . . . . . . 176 a) Umsatzsteuer/Verbrauchsteuer und Leistungsfähigkeit .. .. . . .. 176 b) Der Umsatzsteuertatbestand im engeren Sinne (Steuergegenstand) .. . ........................... . .......... . .......... . .. 177 7. Die Steuerobjekte der Einkommensteuer . . . . . ........... ..... . . . a) Die herrschende Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einwände gegen die herrschende Lehre .. . .... . .. ·. ....... .. .. c) Stellungnahme zur herrschenden Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Zurechnungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ausländische Steuerrechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

182 182 183 184 187 190

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Abschnitt 3: Tatbestandsmerkmale, die den Steueranspruch der Höhe nach besti mmen 197

I. Die Steuerbemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

a) Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 b) Kritik der Ansichten in der Literatur . . . ... ..... . ..... . .. .... 198

2. Die Funktion des Merkmals "Bemessungsgrundlage" . . . . . . . . . . . . 200 a) Die Bestimmung des allgemeinen Maßstabes . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 b) Die Bestimmung des konkreten Ausmaßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

12

Inhaltsverzeichnis 3. Die Steuerbemessungsgrundlage aus rechtslogischer Sicht . .... . . ~ 204 4. Die Steuerbemessungsgrundlage aus rechtsdogmatischer Sicht . . . . 208 5. Die Steuerbemessungsgrundlage aus rechtsdogmatischer Sicht (Fortsetzung) ............................. .. ............ .. ...... a) Das Verhältnis zwischen Amtsermittlungsgrundsatz und Mitwirkungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung zwischen Amtsermittlung und Mitwirkungspflicht . .. ... . c) Die Ermittlung der tatsächlichen Voraussetzungen der Einkommensteuerschuld ....... . ........................ ... ..... d) Die Buchführungs- und Bilanzierungspflichten als steuerverfahrensrechtliche Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

214 214 216 218 224

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 II. Der Steuertarif .......... ... .................... . ............ .. .... 229 1. Die Funktion des Steuertarifs, Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229

2. Gestaltungsprinzipien . . . . ....... .. ... .. ............ .. ...... . . . . 232 3. Die einzelnen Bestandteile des Steuertarifs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 a) Der Steuertarif als Tatbestandsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 b) Die Elemente des Steuertarifs .. ; . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . 244 Entscheidungsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258

Abkürzungsverzeichnis a.A. abw. Abschn. A.C. AcP a.E. a. F. AktG All E.R. Anm. Ann.

AO

AöR arg. Art(t). Arr. ASA AStG Aufl.

BAO

anderer Ansicht abweichend Abschnitt Law Reports, Appeal Cases, Hause of Lords Archiv für civilistische Praxis, Neue Folge amEnde alte(r) Fassung Aktiengesetz All England Law Reports Anmerkung Annexe zum C.G.I. Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts argurnenturn Artikel, article, articulo, articolo Am~t

Archiv für schweizerisches Abgabenrecht I Archives de droit fiscal suisse Außensteuergesetz Auflage

BVG B.Y.B.I.L.

Bundesabgabenordnung (Österreich) Bayerischer Verfassungsgerichtshof Betriebs-Berater Band Bemerkung Berlinförderungsgesetz Beschluß Bewertungsgesetz Bundesfinanzhof Amt1iche Entscheidungssammlung des Bundesfinanzhofs Bundesgericht (Schweiz) Amtliche Sammlung des eidgenössischen Bundesgerichts Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bolletino oficial d'Estado (Spanien) Bundessteuerblatt Bundestagsdrucksache Bulletin des Contributions Directes (Frankreich) Bundesverfassungsgericht Amtliche Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Amtliche Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts Bundesverfassungsgesetz (Österreich) British Year Book of International Law

cap. Cass.

capitulum Cour de Cassation (Frankreich)

BayerVerfGH BB Bd. Bem. BerlinFG Beschl. BewG BFH BFHE BG BGE BGB BGBI.

B.O.E.

BStBI. BTDrs. Bull.Contr.Dir. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE

14

Abkürzungsverzeichnis

c.c. c.civ. C.G.I. Chap. C.I.C. C.I.D. Cons. d'Etat

Codice civile (Italien) Code civil (Frankreich) Code General d'Impöts (Frankreich) Chapter Codex Iuris Canonici Codice lmposte Dirette (Italien) Conseil d'Etat (Frankreich)

D.

D.F. Dir.Int. DJZ DöV D.P.T. DStR DStZ DStBl. DVBL

Digesten Der Betrieb Disposizioni Comuni in Materia di Accertamento delle Imposte sul Redditi Droit Fiscal Diritto Internazianale Deutsche Juristenzeitung Die öffentliche Verwaltung Diritto e Practica Tributaria Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuerzeitung Deutsches Steuerblatt Deutsches Verwaltungsblatt

ed. EFG EGBGB ErbStG Erk. Erl. EStDV EStG EStR

edidit, edited, herausgegeben Amtliche Entscheidungssammlung der Finanzgerichte Einführungsgesetz zum BGB Erbschaftssteuergesetz Erkenntnis Erläuterung Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuergesetz Einkommensteuer-Richtlinien

f. (f.)

folgende Seite(n) Finanzarchiv Finance Act (Großbritannien) Finanzausgleichsgesetz Finanzgericht Finanzgerichtsordnung Fußnote Finanz-Rundschau

DB D.C.A.I.R.

FA F.A. FAG FG FGO

FN

FR

GrEStG

Gewerbesteuergesetz Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung Grundgesetz Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung Grunderwerbsteuergesetz

Harv.L.Rev. HbDStR HbFinW HFR HGB h.L. Hrsg. (hrsg.) HWStR

Harvard Law Review Handbuch des Deutschen Staatsrechts Handwörterbuch der Finanzwissenschaft Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung Handelsgesetzbuch herrschende Lehre Herausgeber, herausgegeben von Handwörterbuch des Steuerrechts

I.C.T.A. I.D.I.R.P.G.

Income and Corporation Tax Act (Großbritannien) Istituzione e Disciplina dell'lmposta sul Reddito delle Persone Giuridiche (Italien) im engeren Sinne

GewStG GewStDV GG GoB

i. e. S.

Abkürzungsverzeichnis IGH I.R.C. I.R.P.E.F. i. i.

s.

s. d.

15

Internationaler Gerichtshof Commissioners of Inland Revenue Istituzione e Disciplina dell'Imposta sul Reddito delle Persone Fisiche (Italien) in Sachen im Sinne des

J.

JA JbFStR JZ

Justice Juristische Ausbildung Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Juristenzeitung

KraftStG KStG KVStG

Kraftfahrzeugsteuergesetz Körperschaftsteuergesetz Kapitalverkehrsteuergesetz

L.G.R.P.F. L.G.T. Ltd. 1. Sp. L.Q.R.

Ley del Impuesto General sobre la Renta de las Personas Fisicas (Spanien) Ley General Tributaria (Spanien) Limited linke Spalte Law Quarterly Review

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

n. NJW

numero Neue Juristische Wochenschrift

OVG öEStG

Oberverwaltungsgericht Osterreichisches Einkommensteuergesetz

pr. PrKAG PrOVG PrOVGE

preußisch Preußisches Kommunalabgabengesetz Preußisches Oberverwaltungsgericht Amtliche Entscheidungssammlung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts Entscheidungen des Königlich Preußischen Oberverwaltungsgerichts in Staatssteuersachen Preußisches Verwaltungsblatt

PrOVGSt prVBl.

R.

RAO R.D.F. R.D.F. Rec. REStG Rdz. RFH RFHE RG RGZ Rd.Nr. R.S.F. (R.S.L.F.) Rspr. RStBl.

Raseiia (Spanien) Reichsabgabenordnung Revista de Derecho Financiero y de Hacienda Publica (Spanien) Rivista di Diritto Finanziario e Scienza delle Finanze (Italien) Recueil Dalloz Reichseinkommensteuergesetz Randziffer Reichsfinanzhof Amtliche Sammlung der Entscheidungen und Gutachten desRFH Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Randnummer Revue de Science Financiere (früher: Revue de Science et Legislation Financiere) (Frankreich) Rechtsprechung Reichssteuerblatt

16

s.

Abkürzungsverzeichnis

StAnpG StbJb StPO StRK StuW

Setencia (Spanien) Seite section Recueil Sirey (Frankreich) Sammlung der Erkenntnisse und wichtigsten Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofs (Österreich) Spalte section Steueranpassungsgesetz Steuerberater-Jahrbuch Strafprozeßordnung Steuerrechtskommentar Steuer und Wirtschaft

T.E.A.C. T.L.R. T.M.A. Tom. T.S. T.U. T.V.A. Tz.

Tribunal Econ6mico-Administrativo Central (Spanien) The Times Law Reports (Großbritannien) Taxes Management Act (Großbritannien) Band Tribunal Supremo (Spanien) Testo Unico Delle Leggi Sulle Imposte Dirette (Italien) Taxe sur la valeur ajoutee (Frankreich) Textziffer

u.E. Urt. UStG UStR

unseres Erachtens Urteil Umsatzsteuergesetz Umsatzsteuerrundschau

VerwArch VerwVfG VGH VGHE(NF) VjSchrStFR Vol. VStG VVDStRL VwGO

Verwaltungsarchiv Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungsgerichtshof Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht Valurne Vermögensteuergesetz Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung

W.L.R. WRV

Weekly Law Reports (Großbritannien) Weimarer Reichsverfassung

ZBI.

Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Ziffer Zollgesetz Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Schweizerisches Recht, Neue Folge, Basel seit 1882

scil. sec. Sirey Slg. Sp.

s.

ZfbF Ziff. ZollG ZPO ZSchwR

Einleitung Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung ist Bestandteil aller rechtsstaatliehen Steuerrechtsordnungen. Hingegen scheint der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung eine Spezialität des deutschen Steuerrechts zu sein. Über die Inhalte dieser beiden Grundsätze und über ihre Abgrenzung voneinander besteht keine einheitliche Auffassung. Die Frage liegt nahe, ob nicht beide Postulate identisch sind, oder anders formuliert, ob nicht beide Postulate verschiedene Aspekte eines und desselben Grundsatzes zum Ausdruck bringen. Auf diese Fragen soll unter Einbeziehung rechtsvergleichender Betrachtungen eine Antwort versucht werden; insoweit hat die Arbeit ein staatsrechtliches Thema (Teil 1). Die Bestimmung der Inhalte der Grundsätze von der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung ermöglicht zugleich eine Bestimmung dessen, was der Steuertatbestand ist; insoweit hat diese Arbeit ein steuerschuldrechtliches Thema (Teil II). Der erste, staatsrechtliche Teil hat sich zunächst mit den in Literatur und Rechtsprechung festzustellenden Auffassungen über Inhalt und Reichweite der beiden Grundsätze zu befassen und kritisch auseinanderzusetzen (Abschnitt 1) und sodann auf historischen und rechtsvergleichenden Betrachtungen aufbauend (Abschnitt 2) eine Neuinterpretation zu versuchen und sie zueinander in Beziehung zu setzen (Abschnitt 3). Der zweite, steuerschuldrechtliche Teil befaßt sich in seinem Abschnitt 1 mit dem Begriff des Steuertatbestandes und damit zugleich mit der Konkretisierung der Grundsätze der Tatbestandsmäßigkeit und der Gesetzmäßigkeit. Der Steuertatbestand kann - damit wiederum den Inhalt dieser beiden Grundsätze präzisierend - in einzelne Tatbestandsmerkmale zerlegt werden. Eine Gruppe von Tatbestandsmerkmalen bestimmt den Steueranspruch dem Grunde nach (Abschnitt 2); es sind die persönlichen Merkmale (I) des Steuertatbestandes und die sachlichen Merkmale (II). Eine weitere Gruppe von Tatbestandsmerkmalen bestimmt den Steueranspruch der Höhe nach (Abschnitt 3); es sind die Merkmale, die die sachliche Seite des Steuertatbestandes quantitativ ausdrücken (I) und diejenigen, die den Steueranspruch quantitativ bestimmen (II).

2 Hahn

TEIL I

Tatbestandsmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung Abschnitt 1

Herrschende Lehre und Kritik I. Der Inhalt des Grundsatzes von der Tatbestandsmäßigkeit Spätestens seit Otto Mayers berühmtem Dictum darüber, wie eine Steuerordnung beschaffen sein müsse, damit die vom Bürger eingeforderten Leistungen den Namen "Steuer" und nicht die Bezeichnung "Brandschatzung" verdienen, kennt das deutsche Steuerrecht den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung1 ; zusammen mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung ist er in Literatur2 1 Mayer, Otto, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I, unveränderter Nachdruck der 1924 erschienenen 3. Auflage, Berlin 1961, S. 316; ähnlich Tixier, Gilbert/ Gest, Guy, Droit Fiscal, 2. Aufl., Paris 1978, S. 6: "Le consentement (scil. des Parlaments) est alors explicite: il est concretise par la loi d'impöt. Par contre, lorsque le pouvoir n 'a d'autre legitimite que la force ou lorsqu'il outrepasse les prerogatives qui lui ont ete accordees par le peuple, il n'y a plus impöt, il y a exaction"; bemerkenswert ist der Anklang der Formulierung Mayers an Augustinus, Aurelius, De Civitate Dei, Lib. IV, Cap. 4: "Remota iustitia quid sunt regna nisi magna latrocinia." 2 Aprath, Werner, Zur Lehre vom steuerlichen Tatbestand, in: Gegenwartsfragen des Steuerrechts, Festschrift für Armin Spitaler, Köln 1958, S. 125 ff.; Bayer, Hermann-Wilfried, in: BB 1975, S. 572; ders., Artikel "Tatbestand", in: HwSt, 2. Aufl., München 1980 (im Druck); ders., Grundbegriffe, S. 4, Rdz. 18; Brinkmann, Johannes, Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung und formeller Gesetzesbegriff, Köln 1982, S. 6 ff.; Bühler, Ottmar I Strickrodt, Georg, Steuerrecht - Bd. I: Allgemeiner Teil, 3. Aufl., Wiesbaden 1960, § 5.III, S. 93, § 12 V., S. 213, zitiert als ,Steuerrecht'; Hahn, Hartmut, Anmerkung zu FG Düsseldorf, Urt. v. 30. 8. 1976 - VIII (VII) 412/ 72 E, in: NJW 1978, S. 79; Hensel, Albert, Steuerrecht, S. 15, S. 57; Hübschmann/ Hepp/Spitaler/ Spanner, Kommentar zur Reichsabgabenordung - Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., Köln 1951/1974, Rdz. 60 zu § 1 RAO (anders wohl die Neubearbeitung dieses Kommentars, vgl. Hübschmann/ Hepp/Spitaler/Söhn, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 7. Auf!., Köln 1951-1976, Rdz. 38 und 71 zu§ 3 AO); Koch, Karl, Abgabenordnung, 2. Aufl., Köln/Berlin/ Bonn/ München, 1979, Rdz. 12 zu § 3 AO; Kamm, Hans Wilhelm, Über Grundlinien steuer-

I. Der Inhalt des Grundsatzes von der Tatbestandsmäßigkeit

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und Rechtsprechung3 eingegangen. Im Gesetz selbst hatte der Grundsatz in zwei Vorschriften seinen Niederschlag gefunden, in der Definition der Steuer in § 1 RA0 4 : Hiernach sind Steuern unter anderem dadurch charakterisiert, daß sie "allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft;", und in § 81 RAO 1918 bzw. § 3 I StAnpG: Hiernach entstehen Steueransprüche, "sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft". Die Abgabenordnung 1977 hat beide Normen in den§§ 3 und 38 inhaltlich unverändert 5 übernommen. gesetzlicher Tatbestandsbildung und steuertatbestandlieber Garantiefunktion, Köln 1976, S. 85 ff. (86); Kruse, Heinrich Wilhelm, Steuerrecht - I., Allgemeiner Teil, 3. Aufl., München 1973, § 5 II. 2.b), S. 39, zitiert als ,Steuerrecht' (Kruse hält hier seine Auffassung ausdrücklich gegenüber Vogeli Walter, Banner Kommentar, Zweitbearbeitung 1971, Harnburg 1950 ff., Anm. 133 zu Art. 105 GG aufrecht); ders., Gesetzmäßige Verwaltung, tatbestandsmäßige Besteuerung, in: Vom Rechtsschutz im Steuerrecht, Düsseldorf 1960, S. 93 ff.; Kühn, Rolf I Kutter, Heinz I Hofmann, Ruth, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., Stuttgart 1979, Anm. 2 zu § 38 AO, Anm. 1 zu § 42 AO; Mattern, Gerhard I Meßmer, Kurt, Reichsabgabenordnung, Bonn 1964, Rdz. 115 f.; Papier, Hans-Jürgen, S. 153 ff.; Paulick, Heinz, Lehrbuch des allgemeinen Steuerrechts, 3. Aufl., KölniBerliniBonni München 1978, Rdz. 167, S. 73; Schwarz, Bernhard, Abgabenordnung, Kommentar, Freiburg im Breisgau 1976 f., Rdz. 6 zu § 3 AO; Tipke, Klaus I Kruse, Heinrich Wilhelm, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., Köln 196511978, Tz. 24 zu § 3 AO; zitiert als ,.TipkeiKruse"; Tipke, Klaus, Steuerrecht, 7. Aufl., Köln 1979, S. 29 f.; Weber-Fas, Rudolf, Allgemeines Steuerrecht, Tübingen 1979, § 19 I., s. 128. 3 Zuletzt BVerfG, Beschl. v. 12. 10. 1978- 2 BvR 154174, BVerfGE 49, S. 343 (364); vgl. im übrigen: BVerfG, Beschl. v. 10. 10. 1961 - 2 BvL 1159, BVerfGE 13, S. 153 = StRK KapVStG § 3 R. 17 (m. Anm. Schadek); BVerfG, Urt. v. 14. 12. 1965- 1 BvR 571160, BVerfGE 19, S. 253 (267) = StRK GG Art. 2 R. 60; aus der Rechtsprechung der Steuergerichte vgl. zuletzt BFH, Urt. v. 8. 11. 1977 -VII R 41175, BFHE 124, S. 268 (273); ferner BFH, Urt. v. 13. 5. 58 -V 2501 57 U, BFHE 67, S. 133 (135) = BStBl. 1958, Teil III, S. 322; BFH, Urt. v. 28. 11. 1967 - II 110162, BFHE 91, S. 132 (135) = BStBl. 1968, Teil II, S. 216; BFH, Urt. v. 12. 5. 1970- II 52164, BFHE 105, S. 44 (46) = BStBl. 1972, Teil II, S. 462; BFH, Urt. v. 9. 2. 1972 - I R 205166, BFHE 105, S. 15 (20) = BStBl. 1972, Teil II, S. 455; BFH, Urt. v. 1. 3. 1972 - I R 214170, BFHE 105, S. 39 (42) = BStBl. 1972, Teil II, S. 591; BFH, Beschl. v. 18. 12. 1972 - II R 87- 89170, BFHE 108, S. 393 (425); BFH, Urt. v. 20. 11. 1973- VIII R 265172, BFHE 110, S. 561 (563); BFH, Urt. v. 16. 4. 1975 - VII R 87172, BFHE 116, S. 223 (226 f.); BFH, Urt. v. 1. 7. 1975- VII R 25173, BFHE 117, S. 120 (124); FG Düsseldorf, Urt. v. 23. 8. 1973 - XI 74173 A, EFG 1973, S. 593; aus der Rspr. anderer Gerichte vgl. BayerVerfGH, Entsch. v. 13. 10. 1951 Vf. 108- VII- 50, VGHE N. F. 4 III I 191; OVG Hamburg, Vorlagebeschluß v. 30. 1. 1954 - Bf III 8153, DVBL 1954, S. 260 (263) = StRK GG Art. 3 R. 15. 4 Im folgenden werden die Vorschriften der Abgabenordnung 1977 vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 613) mit .,AO" zitiert. Die vor dem 1. 1. 1977 in Kraft befindlichen Normen der Reichsabgabenordnung werden mit ,.RAO" zitiert. Normen aus früheren Fassungen der Reichsabgabenordnung werden mit RAO unter Zusatz der Jahreszahl zitiert, z. B. § 81 RAO 1918, § 1 RAO 1931. 6 Vgl. Thebrath, Hermann-Josef, Allgemeines Steuerrecht in Einzelsteuergesetzen, Köln 1978, S. 10. 2*

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Teil I, Abschn. 1: Herrschende Lehre und Kritik

Der Wiedergabe der vielen Formulierungen und Umschreibungen des T.atbestandsmäßigkeitsgrundsatzes bedarf es an dieser Stelle noch nicht. Ohne die Gedanken der einzelnen Autoren ungebührlich zu verkürzen, soll die Formulierung bei Tipke/Kruse 6 für alle anderen stehen: "Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit besagt, daß Steuern nur erhoben werden dürfen, wenn der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Steuerpflicht knüpft." Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, daß die steuerliche Rechtsfolge, das Entstehen des Steueranspruchs, "nicht aus sich selbst heraus" eintritt, sondern "daß ein in einem Gesetz umschriebener Tatbestand vorhanden" sein muß, "von dessen Vorliegen im Einzelfall der Eintritt der Rechtsfolge abhängig ist" 7 • Auch das Bundesverfassungsgericht geht in seinem "leading case" zu dieser Frage vom Bestehen des Tatbestandsmäßigkeitsprinzips aus8• Grundsätzlich scheint dieser Satz als Bestandteil des deutschen Steuerrechts akzeptiert zu sein. II. Die Kritik am Grundsatz von der Tatbestandsmäßigkeit Verschiedentlich und neuerdings verstärkt9 sind aber Zweifel an Sinn und Inhalt des Tatbestandsmäßigkeitsgrundsatzes geäußert worden10 • Sie werden teilweise damit begründet, daß die in § 3 I AO enthaltene Formel, aus der dieser Grundsatz hergeleitet wird, Steuern sollen "allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft", lediglich die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung in der Abgabenordnung verankere11 ; der Tatbestandsmäßigkeitsgrundsatz habe daher unter der durch das Grundgesetz geschaffenen Verfassungsrechtslage keine selbständige Funktion mehr12 , denn die Gesetzmäßigkeit und die Besteuee Tipke/Kruse, Rdz. 25 zu§ 3 AO.

Bayer, H.-W., Grundbegriffe, Tz. 16, S. 3. 1 BvR 571/60, BVerfGE 19, S. 253 (267) StRK GG Art. 2 R. 60. . u Vogel/Walter, Banner Kommentar, Anm. 132 zu Art. 105 GG; Tipke, Klaus, Zur Reform der Reichsabgabenordnung, 2. Teil, in: FR 1970, S. 327 ff. (328). 10 Einer der ,jüngsten' Kommentare zur Abgabenordnung, Klein, Franz I Orlopp, Gerd, AO Abgabenordnung, 2. Auflage, München 1979, enthält weder ein entsprechendes Stichwort in seinem Register noch wird dieser Grundsatz in den Kommentierungen zu § 3 AO oder § 38 AO erörtert. 11 Hübschmann/Hepp/Spitaler/ Söhn, Rdz. 38 zu § 3 AO; Tipke, K., FR 1970, S. 328; Klein/Orlopp, Anm. 10 zu § 3 AO. 12 So insbesondere Vogel/Walter, Banner Kommentar, Anm. 133 zu Art. 105 GG; Becker/Riewald/Koch, Kommentar zur Reichsabgabenordnung mit Ne7

a BVerfG, Urt. v. 14. 12. 1965 -

II. Die Kritik am Grundsatz von der Tatbestandsmäßigkeit

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rungsgleichheit folgten aus Art. 20 111 GG und Art. 3 GG13 sowie aus

§ 85 A014 ; teilweise wird jene Formel auch schlicht als Tautologie ange-

sehen15, sie spreche etwas Selbstverständliches aus16.

Diese Einwände gegen die Geltung eines Prinzips der Tatbestandsmäßigkeit beruhen auf der Prämisse, daß das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung bzw. der Verwaltung jenes mit umfasse, gewissermaßen konsumiere17 • Dieser Gedanke ist nicht von der Hand zu weisen. Die enge Beziehung dieser beiden Prinzipien zueinander wird den weiteren Gang der Untersuchung maßgebend bestimmen. Das Bundesverfassungsgericht18 und einige Autoren sehen in dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung eine Verschärfung des Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes im Sinne gesteigerter Anforderungen an die Tatbestandsbestimmtheit und die Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit der Rechtsfolgen19• Vogel2° will ihm "allenfalls" diese Bedeutung zubilligen. Brinkmann21 sieht im "Erfordernis einer tatbestandsmäßigen Besteuerung . . . eine spezielle Ausformung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung (Verwaltung)", und zwar dahingehend, daß ein Gesetz im formellen Sinne zur Auferlegung von Steuerschulden erforderlich ist. Dem hat zutreffend Papier22 entgegenbengesetzen, 9. Auflage, Köln/Bonn/Berlin/München 1963, Anm. 3) g) (2) und (3) zu§ 1 RAO; differenzierend hierzu Tipke/Kruse, Rdz. 24 zu§ 3 AO. 13 Becker/Riewald/Koch, Anm. 3) g) (2) zu§ 1 RAO; Koch, Rdz. 12 zu§ 3 AO; Stell, Gerold, Das Steuerschuldverhältnis, Wien 1972, S. 14; scheinbar auch Tipke, K., FR 1970, S. 327; a. A. aber Tipke/Kruse, Rdz. 24 zu § 3 AO; wenn Tipke in StuW 1971 (,Systematisierung des allgemeinen Steuerrechts'), S. 100 und dort insbesondere FN 2, eine ausdrückliche Normierung dieses Grundsatzes in der Abgabenordnung fordert, so ist damit jedoch seine Bedeutung auf eine redaktionelle Frage reduziert. 14 So Koch, Rdz. 9 und 12 zu § 3 AO; mit Recht ablehnend hierzu Thebrath, H .-J., S. 10; zutreffend Tipke/Kruse, Rdz. 6 zu § 85 AO: Es handelt sich um eine Verfahrensnorm; vgl. Weber-Fas, R., § 21 I., S. 144. 15 Becker/Riewald/Koch, Anm. 3) g) (1) zu § 1 RAO. 16 Tipke, K., in: FR 1970, S. 328. 17 Hübschmann/Hepp/Spitaler/ Spanner, Rdz. 38 zu § 3 AO, Rdz. 78 f. zu § 4 AO. 18 BVerfG, Urt. v. 14. 12. 1965 1 BvR 571 / 60, BVerfGE 19, S. 253 (267) = StRK GG Art. 2 R. 60; ähnlich für das Österreichische Abgabenrecht VGH, Erk. v . 13. 10. 1961 - G 29/60, Slg. 4035, S. 449 (451}. 19 Bühler/Strickrodt, Steuerrecht, § 5 III., S. 93; Bühler, Ottmar, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, München und Berlin 1964, S . 22; Kruse, H.-W., Steuerrecht, § 5 li. 2 b), S. 39; Wacke, Gerhard, Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit, in: StuW 1947, Sp. 26 ff.; Weber-Fas, R., § 21 I., S . 144; Debatin, Hans I Vogel, Hans, Gesellschaftssteuerpflicht für Gesellschafterdarlehen?, in: BB 1957, S. 639 (640). 20 Banner Kommentar, Anm. 135 zu Art. 105 GG. 21 s. 6 ff. u. s. 11. 22 Papier, H .-J., S. 154.

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Teil I, Abschn. 1: Herrschende Lehre und Kritik

gehalten, daß nach dieser Auffassung im Tatbestandsmäßigkeitsgrundsatz lediglich das steuerrechtliche Gegenstück zum verwaltungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt gesehen werden kann; denn damit würde auch für das Steuerrecht lediglich eine hinreichend limitierte Ermächtigungsgrundlage für steuerliche Grundrechtseingriffe - namentlich in das Eigentum - bereits als ausreichend angesehen. Wir kommen auf die Auffassung Papiers noch zurück.

Otto Mayer selbst hatte offensichtlich mit der fraglichen Formulierung bezweckt, sicherzustellen, daß die Auferlegung der Steuern "rechtssatzmäßig" und "nach einem allgemeinen Maßstabe" erfolge 23. 111. Vorläufige Stellungnahme zur Problematik des Tatbestandsmäßigkeitsgrundsatzes Diese Verschiedenheit der Meinungen kommt nicht von ungefähr. Auf einen ersten Blick hin sprechen in der Tat methodologische Erwägungen für die von Becker/Riewald/Koch vertretene Auffassung, es handele sich bei dem Tatbestandsmäßigkeitsgrundsatz um eine Tautologie24 • Diese Erwägungen bestehen in Folgendem: Wenn man mit Tipkel Kruse25 , die, wie schon erwähnt, hierin für die herrschende Lehre stehen können, dem Tatbestandsmäßigkeitsgrundsatz den Inhalt gibt, daß Steuern nur dann erhoben werden dürfen, wenn der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Steuer knüpft, so bedeutet dies übertragen in die Begriffe der allgemeinen Lehre von der Rechtsanwendung - doch nur dies: Die (steuerliche) Rechtsfolge hat zur Voraussetzung ihres Eintritts die Erfüllung des (Steuer-) Tatbestandes; mit anderen Worten, die Steuerschuld entsteht nur, wenn die Voraussetzungen ihrer Entstehung gegeben sind, oder: die Rechtsfolge tritt nur dann ein, wenn der Tatbestand erfüllt ist26 . Das alles kennzeichnet aber einen jeden Vorgang der Rechtsanwendung, ganz gleich innerhalb welcher Teilrechtsordnung er vollzogen wird, - wenigstens im Normalfall27. Nawiasky, der schon früh den § 1 RAO 1918 einer eingehenden Kritik unterzogen hat, bezeichnete den fraglichen Bestandteil der Defi23 S. 316 und dort FN 2; vgl. dazu Papier, S. 153 f. und schon Nawiasky, Hans, Beiträge zur Theorie des Steuerrechts, in: DStBl. 1925, Sp. 257. 24 Vgl. FN 15. 25 Tipke/Kruse, Rdz. 25 zu § 3 AO; Vogel, Klaus, Die Abschichtung von Rechtsfolgen im Steuerrecht, in: StuW 1977, S. 97. 28 Becker/Riewald/Koch, Anm. 3) g) (2) zu§ 1 RAO; Stoll, G., S. 11 und dort auchFN 11. 27 Den Fall, daß das Gesetz Typusbegriffe verwendet, können und wollen wir unberücksichtigt lassen; seine Einbeziehung in diese Untersuchung würde zu keinem anderen Ergebnis führen.

III. Vorläufige Stellungnahme

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nition Otto Mayers als "selbstverständlich" 28 und eliminierte ihn aus seinem Definitionsvorschlag für einen Begriff der Steuer29 • Auch die Untersuchung des in der Literatur verwendeten Begriffs des Steuertatbestandes selbst ergibt nichts für die Frage nach dem Inhalt des Grundsatzes von der Tatbestandsmäßigkeit. HenseP0 und ihm folgend Kruse31 und die herrschende Lehre32 kennzeichnen ihn als die "Gesamtheit der in den materiellen Steuerrechtsnormen enthaltenen abstrakten Voraussetzungen, bei deren konkreten Vorliegen (Tatbestandsverwirklichung) bestimmte Rechtsfolgen eintreten sollen"33 . Vergleichen wir hiermit die Erörterungen des Begriffs des Tatbestandes, wie sie unabhängig von speziell steuerrechtliehen Fragestellungen in der juristischen Methodenlehre34 geboten werden, so ergibt sich ein ähnliches Bild wie jenes, welches sich bei der Frage nach dem Inhalt des Tatbestandsmäßigkeitsgrundsatzes ergab. Larenz zum Beispiel lehrt35 : "Der für Begriffe geltende Grundsatz: immer dann und nur dann, wenn sämtliche in der Definition genannten Merkmale vorliegen, handelt es sich um einen Anwendungsfall dieses Begriffes, zwingt den Anwender (sei!. den Rechtsanwender) dazu, sich Rechenschaft darüber zu geben, ob sämtliche Merkmale des Tatbestandes hier vorliegen." 2s Nawiasky, Hans, Einiges über steuerrechtliche Grundfragen, in: VjSchrStFR 1928, S. 442 ff. 29 (FN 33), S. 444. ao Steuerrecht, S. 57. 31 Steuerrecht, § 4 li. 1., S. 26; ders., in: Vom Rechtsschutz im Steuerrecht, S. 109; Tipke auch neuerdings wieder in Tipke/Kruse, Rdz. 2 zu§ 4 AO. 32 Vgl. schon Mirbt, H., Steuerrecht, S. 87; Geyler, Friedrich, Steuer, Besteuerung und Steuertatbestand als Grundbegriffe des Doppelbesteuerungsrechts, in: Festschrift zum zehnjährigen Bestehen des Steuerinstituts an der Handelshochschule Leipzig, Leipzig und Wien 1932, S. 92; Hübschmann/ Hepp/ Spitaler/von Wallis, 1.-6. Auf!., Anm. 8 zu § 3 StAnpG; Koch, Rdz. 3 zu § 38 AO; Paulick, H., Steuerrecht, Rdz. 537-540, S. 218; Reeger, Franz I Stall, Geraid, Kommentar zur Bundesabgabenordnung, Wien 1966, Anm. 3 zu § 4 BAO; Tipke, K., Steuerrecht, S. 118; Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung - Kommentar, 7. Auf!., Köln 1965/75, Rdz. 3 zu§ 3 StAnpG; Lang, Joachim, Systematisierung der Steuervergünstigungen, Berlin 1974, S. 30. 33 Noch knapper formulierte es der nicht mehr in Geltung befindliche Art. 2 T. U. (der italienischen Kodifikation der direkten Steuern), der die Überschrift "Presupposto dell' obligazione tributaria" - Steuertatbestand - trug: "Le disposizioni relative alle singole imposte indicano i fatti e le situazioni ehe costituiscono il presupposto dell' obligazione tributaria". In der Kommentierung wird dieser Norm denn auch kein weiterer Inhalt zugemessen als die Klarstellung, daß die Steuerschuld eine obligatio ex lege ist, vgl. De Angelis, Filiberto I Potenza, Giuseppe I Testa, Angele, Testo Unico delle Leggi sulle lmposte Dirette, 3. Auf!., Milane 1964. 34 Instruktiv hierzu aber auch, ohne auf unsere Problemstellung expressis verbis einzugehen, Vogel, K., in: StuW 1977, S. 97. 35 Larenz, Karl, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 4. Aufl., Berlin/ Heidelberg/New York 1979, S. 197.

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Teil I, Abschn. 1: Herrschende Lehre und Kritik

Denn "er (scil. der Rechtssatz) ordnet dem generell umschriebenen Sachverhalt, dem ,Tatbestand', eine ebenso generell umschriebene ,Rechtsfolge' zu. Der Sinn dieser Zuordnung ist, daß immer dann, wenn der im Tatbestand bezeichnete Sachverhalt vorliegt, die Rechtsfolge eintritt, . ... Die Verknüpfung eines tatsächlichen Vorgangs, wie er im Tatbestand der Norm umschrieben ist, mit einer Rechtsfolge, die auf dem Gebiet des rechtlichen Geltens liegt ... , ist das Spezifikum des Rechtssatzes ...":w. Ähnlich führt Engisch37 aus, jeder Rechtssatz stelle einen hypothetischen Satz in dem Sinne dar, daß er nur bei Vorliegen bestimmter Tatumstände, die in den Rechtssätzen selbst enthalten seien, anwendbar sei. Wir sehen: Das, was Hensel und Kruse und die weitere Literatur über den Steuertatbestand aussagen, ist nichts anderes, als eine Definition des Tatbestandes schlechthin; diese Aussagen treffen auf einen jeden Tatbestand in einer jeden Teilrechtsordnung zu. Charakteristisch für diese Sachlage ist es denn auch, daß ein Blick in die Standardlehrbücher des Steuerrechts anderer Steuerrechtsordnungen zeigt, - bei Übereinstimmung in der Steuerdefinition i. S. des § 3 I AO im übrigen - daß ein Merkmal "Tatbestandsmäßigkeit" nirgendwo im Begriff der Steuer mitgedacht wird; ein Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit als solcher existiert- soweit ersichtlich-nicht38. 31 Dieser Teil des Zitates ist nach der 3. Auflage, Berlin/Heidelberg/New York 1975, S. 234, zitiert. Die 4. Auflage ändert trotz leichter Abweichung in der Formulierung an der Aussage nichts. 37 Engisch, Karl, Einführung in das juristische Denken, 6. Aufl., Stuttgart/ Berlin/Köln/Mainz 1973, S. 32, führt dazu aus: "Wie aber der Logiker beim sog. hypothetischen Urteil (wenn a, so b) Vordersatz und Nachsatz unterscheidet, so müssen wir auch beim konditionalen rechtlichen Imperativ Vordersatz und Nachsatz trennen. Der Vordersatz enthält die Voraussetzungen, von deren Gegebensein der Imperativ abhängt, der Nachsatz den Imperativ selbst. Der Jurist nennt den Vordersatz ,Tatbestand', den Nachsatz ,Rechtsfolge', ..."; und auf S. 35: " ... der Tatbestand umschreibt als abstrakter Bestandteil des Rechtssatzes begrifflich die Bedingungen, unter denen die Rechtsfolgeanordnung Platz greift."; vgl. ferner Wundt, Wilhelm, Logik, Band I.: Allgemeine Logik und Erkenntnistheorie, 4. Aufl., Stuttgart 1919. 38 Vgl. z. B. Laufenburger, Henri, Theorie economique et psychologique des Finances Publiques, Vol. I, 5. Aufl., Paris 1956, S. 126 ff.; Gaudemet, Paul Marie, Finances Publiques, Vol. II, Paris 1975, S. 97: "L'impöt peut etre defini comme ,un prelevement apere par voie de cantrainte par Ia puissance publique et ayant pour objectif essentiel de couvrier les charges publiques et de les repartir en fonction des facultes contributives des citoyens."'; Tiley, John, Revenue Law, London 1976, S. 1 ff.: " ... defines tax as ,a compulsory contribution to the support of government Ievied on persons, property, income, commodities, transactions etc., now at a fixed rate mostly proportionate to the amount on which the contribution is levied."'; Giannini, A. D., lstituzioni di Diritto Tributario, 9. Aufl., Milano 1965, S. 56 ff.: "L'imposta. - E Ia prestazione pecuniaria ehe un ente pubblico ha i1 diritto di esigere in virtu della sua potesta di impero, originaria o derivata, nei casi, nella misura e nei modi stabiliti dalla !egge, allo scopo di consequire un'entrata."; für die Legal-

III. Vorläufige Stellungnahme

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In seiner brillanten Bestandsaufnahme der Gegenwartsprobleme des Steuerrechts spricht J ean Claude Martinez von der Lehre vom Steuertatbestand kritisch-gerichtet namentlich gegen Blumenstein, von Myrbach-Rheinfeld und Sainz de Bujanda - als von einem Problem "quasi theologique" 39 • Das Österreichische Recht, aus geschichtlichen Gründen eng an das deutsche Steuerrecht angelehnt, sieht das Prinzip der Tatbestandsmäßigkeit, welches dort aus dem den§ 3 I StAnpG und§ 38 AO entsprechenden § 4 BAO abgeleitet wird, als einen Unterfall des Gesetzmäßigkeitsprinzips an40 . Die Bestimmung des Begriffs des Tatbestandes trifft die Österreichische Lehre ebenso wie die deutsche Steuerrechtswissenschaft41. Das Resultat unserer kritischen Prüfung kann letztlich auch nicht überraschen. Wird nämlich der Tatbestand von seiner logischen Struktur her beschrieben, also als hypothetischer Obersatz eines Syllogismus42, so wendet man damit auf ihn die Kategorien der Logik an. Diese sind notwendigerweise allgemeiner und formaler Natur. Mit ihrer Zuhilfenahme können daher auch lediglich allgemeine Aussagen über den Tatbestand als solchen und über seine logische Struktur gemacht werden, keinesfalls aber solche über eine spezifisch steuerrechtliche Rechtsfigur "Steuertatbestand". Durch diese letztere Überlegung wird nun zugleich die Erwägung nahegelegt, den Steuertatbestand mit Hilfe von inhaltlichen Begriffen zu bestimmen. Gelingt es, über ihn mehr auszusagen, als daß es sich um "die abstrakten Tatbestände" handelt, "deren konkrete Erfüllung durch reale Akte oder Rechtsvorgänge die Steuerschuld nach Grund und Höhe auslöst" 43 , so könnten wir zugleich eine besondere inhaltliche Bestimmung des Tatbestandsmäßigkeitsgrundsatzes geben. Bevor dieser Versuch unternommen wird, haben wir uns dem Gesetzmäßigkeitsgrundsatz zuzuwenden.

definition im spanischen Steuerrecht vgl. Art. 26-1 lit. c) L.G.T.: Son impuestos los tributos exigidos sin contraprestaci6n, cuyo hecho imponible esta constituido por negocios, actos o hechos de naturaleza juridica o econ6mica, que ponen de manifeste la capacidad contributiva del sujeto pasivo, como consecuencia de la posesi6n de un patrimonio, la circulaci6n de los bienes o la adquisici6n o gasto de Ia renta." 39 Martinez, Jean-Claude, Le Statut de Contribuable, Tome I, Paris 1980, s. 3 f. 40 Adamovich, Ludwig, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsrechts, I. Band, Allgemeiner und formalrechtlicher Teil, 5. Aufl., Wien 1954, S. 15 ff.; Stall, G., S. 14; Reeger/Stoll, Anm. 3 zu § 1 BAO. 41 Reeger/Stoll, Anm. 3 zu§ 4 BAO. 42 Vgl. auch Engisch, K., S. 32; aus der Sicht der mathematischen Logik, Klug, Ulrich, Juristische Logik, 3. Aufl., Berlin/ Heidelberg/New York 1956, s. 42 ff. 43 Weber-Fas, R., § 19 I., S. 129.

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Teil I, Abschn. 1: Herrschende Lehre und Kritik

IV. Der Inhalt des Grundsatzes von der Gesetzmäßigkeit Die Geltung des Grundsatzes von der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung als solcher wird im deutschen Steuerrecht nirgendwo in Frage gestellt. Otto Mayer behandelt ihn bereits als ein der Diskussion entzogenes Faktum44 • Auch gegenwärtig wird seine Existenz grundsätzlich nicht in Zweifel gezogen45 • Berühmt geworden ist in diesem Zusammenhang die vom Bundesverfassungsgericht übernommene Formulierung Bühlers46 , das Steuerrecht lebe "aus dem Diktum des Gesetzgebers" 47 • Rechtsprechung und Schrifttum _haben diese Formulierung und damit diesen Gedanken des öfteren wiederholt48 • Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung besagt, wie es Paulick49 lapidar formuliert, "daß der Tatbestand, an den die Leistungspflicht anknüpft, durch das Gesetz festgelegt sein muß (§ 38 AO)". Keine Klarheit besteht hinsichtlich der Frage, wo im Gesetz dieser Grundsatz seine Stütze findet. In diesem Zusammenhang ist es u. E. zurecht50 bedauert worden, daß auch die Abgabenordnung 77, die sich

s. 316. Bayer, H.-W., Grundbegriffe, Tz. 132, S. 27; Bühler/Strickrodt, § 12 V. 1., S. 213; Bühler, 0 ., Besteuerungsprinzipien und reale Wirtschaftsfaktoren in unserer Steuergesetzgebung, in: StuW 1952, Sp. 363; Becker/Riewald/Koch, Anm. 1 b) (1) zu § 2 AO; Hensel, A., Steuerrecht, S. 45; Hübschmann/ Hepp/ Spitaler/Spanner, Rdz. 78 zu § 4 RAO; Jellinek, Walter, Verwaltungsrecht, 3. Auf!., Offenburg 1948, S. 394 f.; Jesch, Dietrich, Gesetz und Verwaltung, 2. Auflage, Tübingen, 1968, S. 104 ff. (107); Koch, Rdz. 12 zu § 3 AO; Kruse, H.-W., Steuerrecht, § 5 II b), S. 37 f.; ders., in: Vom Rechtsschutz im Steuerrecht, S. 112 ff.; ders., Über Gewohnheitsrecht, in: StuW 1959, Sp. 226 ff.; Kühn/Kutter/Hofmann, Anm. 2 b) cc) zu § 3 AO; Klein, Friedrich I Paulick, Heinz, Das steuerliche Verordnungsrecht gern. § 12 Abs. 1 Satz 1 AO, in: StuW 1952, Sp. 433 ff.; Mattern/Messmer, Rdz. 124 zu § 1 AO; Paulick, H., Steuerrecht, Tz. 168, S. 74 ff.; Spanner, Hans, Artikel "Gesetzmäßigkeit", in: HwStR; Tipke, K., Steuerrecht, S. 29 f.; ders., Systematisierung des allgemeinen Steuerrechts, in: StuW 1971, S. 95 ff. (101); Weber-Fas, R., § 6, 3., S. 35 ff. 48 Bd. 1., S. 658. 47 BVerfG, Beschl. v. 24. 1. 1962 1 BvR 232/ 60, BVerfGE 13, S. 318 (328) = BStBl. 1962, Teil I, S. 306 = NJW 1962, S. 44. 48 BVerfG, Beschl. v. 3. 12. 1958- BvR 488/57, BVerfGE 9, S. 3 (11) = StRK EinfHaus VO § 2 R. 17; BVerfG, Beschl. v. 10. 10. 1961-2 BvL 1/59, BVerfGE 13, S. 153 = StRK KVStG § 3 R. 17; BFH, Urt. v. 9. 2. 1972- IR 205 / 66, BFHE 105, S. 15 (20) = BStBl. 1972, Teil II, S. 455; FG Hamburg, Urt. v. 23. 8. 1973 -XI 74/73 A, EFG 1973, S. 593; Tipke, K., Steuerrecht, S. 31; Weber-Fas, R., § 10 II., S. 85. 49 Steuerrecht, Tz. 168, S. 74. 50 Vgl. zur Problematik der Kodifizierung allgemeiner Rechtsgrundsätze Hahn, Hartmut, Zur Neukodifizierung des französischen Steuerverfahrensrechts unter besonderer Berücksichtigung der Beweislastverteilung, in: StuW 1982, S. 388 ff. (390 ff., 398); Martinez, S. 303 f.; Vanoni, Ezio, L'Esperienza della 44

45

IV. Der Inhalt des Grundsatzes von der Gesetzmäßigkeit

27

als Kodifikation des allgemeinen Abgabenrechts versteht51 , diesen allgemeinen Grundsatz nicht normiert hat52• Grund hierfür dürfte die Tatsache sein, daß er als Ausfluß höherrangigen Rechts angesehen wird53 . Aber die weitere Frage, um welchen höherrangigen Rechtssatz es sich handelt, wird verschieden beantwortet. So formuliert Bayer54 : "Nach dem Prinzip der formellen Gesetzmäßigkeit, so wie es etwa in Art. 110 ll S. 1 GG zum Ausdruck kommt, ist es ausschließlich Sache eines von den gesetzgebenden Körperschaften verabschiedeten Gesetzes, die Voraussetzungen zu umschreiben, unter denen die öffentliche Hand sich Einnahmen verschaffen darf." Nach Becker I Riewald/ Koch 55 bedeutet der Gesetzmäßigkeitsgrundsatz, "daß sich alle staatlichen Handlungen außerhalb der Gesetzgebung unmittelbar auf die Verfassung selbst oder auf ein Gesetz im formellen Sinne zurückführen lassen müssen. Hieraus ist jedoch nicht zu schließen, daß jedes Verwaltungshandeln und damit die Steuererhebung eines formellen Gesetzes bedürfte. Ausreichend ist vielmehr ein Gesetz im materiellen Sinne, das seinerseits lediglich auf ein Gesetz im formellen Sinne zurückzuführen ist." Wie Becker/Riewald/Koch sehen die meisten Autoren in dem Grundsatz von der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung einen Unterfall des allgemeinen verwaltungsrechtlichen Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes56 in Form des Gesetzesvorbehalts57• Seine Stütze im positiven Recht findet er nach dieser Ansicht im in Art. 20 111 GG normierten Rechtsstaatsprinzip58. So wie Regierungs- und Verwaltungsbehörden zur "Begrüncodificazione tributaria in Germania, in: Opere Giuridiche, Mailand 1961, Bd. ll, S. 381 ff. (408). 51 Vgl. Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, 1971, s. 41.

Thebrath, H.-J., S. 7 ff.; Tipke, K., in: StuW 1971, S. 95 ff. (100). Thebrath, H.-J., S. 7 ff.; Tipke, K., in: StuW 1971, S. 95 ff. (100). 54 Grundbegriffe, Tz. 132, S. 27; vgl. auch Kühn/Kutter/Hofmann, Anm. 2. b) cc) zu§ 3 AO. 55 Anm. 1 b) (2) zu § 2 RAO. 56 Becker/Riewald/Koch, Anm. 1 b) (2) zu § 2 RAO; Hübschmann/ Hepp/ Spitaler/Spanner, Rdz. 79 zu § 4 AO; Kruse, H. W., Steuerrecht, § 5 I I. 2. 3), S. 37; Tipke, K., in: FR 1970, S. 384; ders., Steuerrecht, S. 31; Weber-Fas, R., § 6 I., S. 35; aus der älteren Literatur: Hensel, A., Die Abänderung des Steuertatbestandes durch freies Ermessen und der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz, in: VjSchrStFR 1927, S. 63; Fleiner, Fritz, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 2. Neudruck der 8. Auf!., Tübingen 1928, Aalen 1963, 52

53

s. 420.

57 So Paulick, H., Steuerrecht, Tz. 168, 169, S. 74 f., wenn er ausdrücklich auf Eingriffe in Freiheit und Eigentum abstellt, vgl. allgemein hierzu Maunz, Theodor I Dürig, Günter I Herzog, Roman, Grundgesetz-Kommentar, 3. Aufl., München 1976, Rdz. 124 zu Art. 20 GG. 58 So auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. BVerfG, Urt. v. 14. 12. 1965- 1 BvR 571 / 60, BVerfGE 19, S. 253 (267) = StRK GG Art. 2 R. 60; kritisch zu dieser Herleitung Jesch, D., S. 190 und Thebrath, H.-J., S. 13.

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Teil I, Abschn. 1: Herrschende Lehre und Kritik

dung abstrakter oder konkreter Verpflichtungen durch Fordern eines Tuns, Duldens oder Unterlassens" sowie zur "Entziehung oder Beschränkung von Rechten . . . im gewaltengliedernden, demokratischen Rechtsstaat unmittelbarer oder mittelbarer förmlich-gesetzlicher oder gewohnheitsrechtlicher Ermächtigung" bedürfen59 , so bedarf die Finanzverwaltung, - greift sie doch in Freiheit und Eigentum des Steuerbürgers ein60 - , ebenso einer Eingriffsermächtigung61 ; auch die Österreichische Lehre versteht den Gesetzmäßigkeitsgrundsatz in diesem Sinne62 • Teilweise wird auch auf das ständische Steuerbewilligungsrecht verwiesen, welches die Besteuerungshoheit des Staates, die in älterer Zeit als eine selbständige, neben der allgemeinen Gesetzgebungshoheit stehende verstanden wurde63 , beschränkte. Im Begriff der Steuer sei also stets die Gesetzmäßigkeit der Steuerauflage mitzudenken. So folge aus dem Begriff der Steuer i.S.d. § 3 AO, den das Grundgesetz rezipiert habe, der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung64 • Wieder andere Autoren begründen den Gesetzmäßigkeitsgrundsatz aus einer analogen Heranziehung des Art. 110 II GG: Der Führungsanspruch des Parlamentes, resultierend aus dem Demokratieprinzip, gebietet, da der "Ausgabenvorbehalt" des Art. 110 II GG diesen nur unvollkommen zu gewährleisten vermag, eine Erstreckung des Parlamentsvorbehaltes auch auf die Einnahmeseite des Staatshaushaltes65 • Es müsse also die Existenz einer ausschließlichen Kompetenz des Parlaments für die Steuererhebung angenommen werden66 • Als Geltungsgrund für den Gesetzmäßigkeitsgrundsatz können nicht die §§ 38 und 85 AO angesehen werden67 • Die letztere ist eine an die Finanzbehörden gerichtete Aufgabennorm68; die erstere bezweckt eine Regelung des Zeitpunktes der Entstehung des Steueranspruchs, nicht aber eine wie auch immer geartete verstärkte Gesetzesbindung der Steuerverwaltung69• Die Entstehungsgeschichte der Norm zeigt, daß es dem Gesetzgeber darauf 59 Wolff, Hans Julius I Bachof, Otto, Verwaltungsrecht, Bd. I, 9. Aufl., München 1974, § 30 111. a) 1., S. 183. 6o So ausdrücklich Tipke, K., S. 31. 61 Becker/Riewald/Koch, Anm. 1 b) (2) zu§ 2 RAO. 8 2 Reeger/Stoll, Anm. 3 zu§ 1 BAO. ca J esch, Dietrich, Gesetz und Verwaltung, 2. Aufl., S. 105 ff. 84 Tipke/Kruse, Rdz. 25 zu § 3 AO; Kruse, H. W ., § 5 II. 2. b), S. 37 f.; offen gelassen bei Tipke, K., S. 31 f.; kritisch dazu Hübschmann/Hepp/ Spitaler/ Spanner, Anm. 4 zu§ 1 AO; Becker/ Riewald/ Koch, Anm. 2 (2) zu§ 1 RAO. 65 Bayer, H.-W., Grundbegriffe, Tz. 132, S. 27; Papier, H.-J., S. 101 ff. (103). 68 Vgl. hierzu auch Bayer, H .-W., Besprechung von Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip, in: JZ 1975, S. 264. 67 So auch neuerdings Thebrath, F.-J., S. 10. es Vgl. Klein/Orlopp, Anm. zu § 85 AO. 69 So zutreffend Papier, H.-J., S. 156 a. E., 157.

V. Auslegungen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit

29

ankam, die Entstehung der Steuerschuld von der Dauer der ihr nach älterer Theorie vorangehenden Ermittlungen abzukoppeln. Die Steuerschuld sollte unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Festsetzung entstehen7o. Andere Autoren sehen in diesen Normen weitergehend einen Ausdruck des Gesetzesvorbehaltes71 • Jedenfalls aber normieren sie diesen nicht selbst, sondern setzen ihn voraus72 • Im Gegensatz zum Tatbestandsmäßigkeitsgrundsatz, dessen Existenz als solche erheblichen Zweifeln unterliegt, ist die Geltung des Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes nicht zweifelhaft. Diskutiert wird in der Literatur lediglich seine Herleitung, ferner aber auch sein Umfang. V. Die verschiedenen Auslegungen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit

Der Umfang des Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes ist, wie schon bei den oben mitgeteilten Umschreibungen durch Bayer einerseits und Beckerl Riewald/ Koch andererseits73 zu erkennen, streitig. Bereits Mirbt74 verstand ihn dahingehend, -daß allein der Gesetzgeber selbst die "entscheidenden" Voraussetzungen der Besteuerung regeln könne; insoweit diese Voraussetzungen in Frage stehen, kann die Gesetzgebungskompetenz nicht delegiert werden. Diese Auffassung deren Differenzierung zwischen wesentlichen "entscheidenden" und weniger wesentlichen Regelungsmaterien an ältere staatsrechtliche Grundsätze anknüpft75 - geht insoweit über die allgemeine verwaltungsrechtliche Lehre vom Gesetzesvorbehalt hinaus, als daß nach jener eine Delegation von Eingriffsbefugnissen auf den Verordnungsgeber ohne weiteres zulässig ist, sofern die Grenzen des Art. 80 I 2 GG beachtet werden76• Demgegenüber führte z. B. Fleiner77 aus, daß "allein das Gesetz oder eine vom Gesetz abgeleitete Rechtssetzungsform (Verordnung, Satzung) die Abgabenpflicht" begründen könne. Er versteht den 10 Vgl. die Verhandlungen des Deutschen Reichstages, Wahlperiode 1920, Stenographische Berichte 339, Anlage 1460, Nr. 759 der Drucksachen, S. 1428. 71 Paulick, H., Steuerrecht, Tz. 168 u. 170, S. 74, 75; Weber-Fas, R., § 19 1., S. 128; § 21 1., S. 143; so bereits Merk, Wilhelm, Steuerschuldrecht, Tübingen

1926,

s. 5 f.

Tipke, K., in: StuW 1971, S. 95 (101, dort auch in FN 7). 1s Vgl. oben S. 22. 7' Mirbt, H., S. 71 ff. 75 Vgl. dazu Jesch, D., S. 213, m. w. N.; Schmitt, Carl, Verfassungslehre, 5. Aufl., Berlin 1970, S. 144 f. 76 Jesch, D., 8.107; Papier, H.-J., S. 17; für die frühere Rechtslage vgl. Thoma, R., HbDStR li, S. 225 ff. 77 Fleiner, F., S. 420. 7Z

30

Teil I, Abschn. 1: Herrschende Lehre und Kritik

Gesetzmäßigkeitsgrundsatz also als Unterfall des allgemeinen Gesetzesvorbehalts und damit in dem Sinne, daß - ebenso wie im Recht der allgemeinen Eingriffsverwaltung - ein jeglicher belastender Eingriff in die Sphäre des Bürgers unmittelbar oder auch mittelbar auf eine gesetzliche Grundlage gestützt werden muß1 8; er hält also zwar eine rechtssatzmäßige Auferlegung der Steuerlast für erforderlich, läßt aber ein Gesetz im materiellen Sinne genügen. Otto Mayer meinte wohl, einen formellen Gesetzesvorbehalt für die steuerbegründenden Merkmale in der Staatspraxis vorzufinden. Er formulierte in diesem Zusammenhang, Steuergegenstand und Steuermaßstab behalte "das Gesetz eifersüchtig in seiner Hand". "Nach allgemeinen Grundsätzen müßte das Gesetz in der Lage sein, den ganzen Steuerrechtssatz der Verordnung zu übertragen ...79 ."

Hensel, an sich die traditionelle rechtsstaatliche Lehre als Vorbehalt des formellen Gesetzes verstehend80 , sah in den finanzwirtschaftliehen Erfordernissen, die durch die wirtschaftliche Notlage des Reichs in den zwanziger Jahren auftraten, die Legitimation zur Begründung von Steuerpflichten oder zu ihrer Verschärfung auf dem Verordnungswege81 . Im Hinblick auf die als extrem angesehenen Steuerbelastungen gegen Ende der zwanziger Jahre konzedierte er sogar der Exekutive, "zum Ausgleich besonderer Härten" einzelaktmäßig, also im Wege des Erlasses von Verwaltungsakten, die Steuerschuld in Einzelfällen zu mindern82. Wie weit Hensel diese Auffassung lediglich quasi als steuerliches "Notstandsrecht" für legitimiert ansah, ist nicht einfach zu beantworten. Er hat wohl einzelaktmäßig-exekutivische Milderungen der Steuerpflicht als durch den Gleichheitssatz geboten angesehen83• Letzterer überspielte dementsprechend den Gesetzmäßigkeitsgrundsatz. § 85 AO stellt beide Prinzipien gleichwertig nebeneinander84 • Im ganzen gesehen teilt sich die moderne Literatur zur Frage, ob der Gesetzesvorbehalt im Steuerrecht als Vorbehalt des formellen Gesetzes zu verstehen ist oder ob ein materielles Gesetz als ausreichend anzusehen ist, in zwei Lager, die offenbar quantitativ gleich stark sind85 • Der 78 Vgl. zum Gesetzesvorbehalt im allgemeinen Verwaltungsrecht statt aller Wolff/Bachof, § 30 III a) 1., S. 183 f. 79 Verwaltungsrecht, S. 317. 80 Vgl. die zweite Auflage seines "Steuerrecht", Berlin 1927, S. 34. 8t Ebd., S. 35 ff. 82 Die Abänderbarkeit des Steuertatbestandes durch freies Ermessen und der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz, in: VjSchrStFR 1927, S. 39 ff.

(63, 64).

83 Vgl. auch Hensel, A., Verfassungsrechtliche Bindungen des Steuergesetzgebers. Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit - Gleichheit vor dem Gesetz, in: VjSchrStFR 1930, S. 441 ff. (489). 84 So auch Thebrath, H.-J ., S. 11.

VI. Vorläufige Stellungnahme

31

- schon älteren86 - Auffassung, die ein Gesetz im materiellen Sinne zuläßt, folgen auch die Gerichte87 • Das hier skizzierte Bild vom Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung ist offenbar nicht so diffus wie das sich bei der Untersuchung des Tatbestandsmäßigkeitsgrundsatzes ergebende. Gleichwohl bleibt die Frage nach der inhaltlichen Reichweite des Prinzips offen. Sie ist aus der Funktion des steuerlichen Gesetzesvorbehalts, wie er sich auch aus der Geschichte dieser Rechtsfigur ergibt88, zu beantworten. Sie ist insoweit von grundlegender Bedeutung, als daß die Annahme einer generellen Zulässigkeit des steuerbegründenden oder steuerverschärfenden, nur materiellen Gesetzes den Tatbestandsmäßigkeitsgrundsatz leerlaufen ließe. Er würde nicht mehr besagen, als daß die Steuerauflage rechtssatzmäßig89 , also nicht einzelaktmäßig-exekutivisch, zu erfolgen habe90 • Anders wäre es dann, wenn ein formeller Gesetzesvorbehalt anerkannt werden müßte. VI. Vorläufige Stellungnahme zum Prinzip der Gesetzmäßigkeit und Kritik der herrschenden Lehre Zwar ist das Prinzip, daß eine Steuer nur erhoben werden darf, wenn und soweit dies im Gesetz vorgesehen ist, durchgängig in den modernen 85 Für die Zulässigkeit steuerbegründender oder steuerverschärfender Rechtsverordnungen sprechen sich aus: Becker/Riewald/Koch, Anm. 1 b) (2) zu § 2 RAO; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Spanner, Rdz. 78 ff. zu § 4 AO; Klein/ Orlopp, Anm. 5 b) zu § 3 AO; Koch, Rdz. 12 zu § 3 AO; Maunz/Dürig/ Herzog, Rdz. 124 ff. (126) zu Art. 20 GG; Vogel/Walter, Rdz. 133 zu Art. 105 GG; Weber-Fas, R., § 6 I., S. 35. Für den Vorbehalt des formellen Gesetzes sprechen sich aus: Bühler, 0., in: StuW 1952, Sp. 361; Jellinek, W., S. 394 ff.; Jesch, D., S. 104 f.; Kühn/Kutter/Hofmann, Anm. 2 b) cc) zu § 3 AO (a. A. noch in der 11. Aufl., 1974, Anm. 1 zu § 2 RAO); Kruse, H. W., Steuerrecht, § 5 II. 2. b), S. 37; Paulick, H ., Steuerrecht, Tz. 168, S. 74; ders., Grundgesetz und Besteuerung, in: StbJb 1957/58, S. 85 ff.; ders., Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung- sein Inhalt und seine Grenzen, in: Spitaler, Probleme des Finanz- und Steuerrechts, Festschrift für Ottmar Bühler, S. 121; Papier, H.-J., S. 32 und durchgehend; Tipke/Kruse, Rdz. 26 zu § 3 AO. 86 Vgl. etwa Becker, Enno, Reichsabgabenordnung, 3. Aufl., Berlin 1924, Anm. 4 b) zu § 2 RAO; RFH, Urt. v. 17. 6. 1921 - II A 252/21, RFHEG, S. 79. 87 BVerfG, Beschl. v. 12. 11.1958- 2 BvL 4, 26, 40 /56, 1, 7/57, BVerfGE 8, S. 274 = StRK GG Art. 80 R. 40; BFH, Urt. v. 15. 5. 1974- VII R 79 / 71, BFHE 112, S. 434 (437); FG Düsseldorf, Urt. v. 23. 8. 1973 - XI 74/73 A, EFG 1973, S. 593; in einem "umgekehrten" Falle - es ging um einen Vergütungsanspruch - hielt das FG Harnburg eine Variation des Tarifs der Einfuhrumsatzsteuer für zulässig, die im Wege einer auf § 9 Abs. 2 gestützten Rechtsverordnung erfolgte, Urt. v. 25. 9. 1972- IV 11 / 70, EFG 1973, S. 3. 88 Vgl. dazu Brinkmann, S. 28 ff., dessen Ergebnissentrotz Bedenken gegen Einzelheiten seiner historischen Darlegungen zugestimmt werden kann. 89 Vgl. schon Otto Mayer, S. 316. 90 So auch Papier, H.-J., S. 154 f.

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parlamentarischen Demokratien zum Rechtssatz erhoben,- man könnte diesen Grundsatz daher als "gemeinrechtsstaatliche Institution" bezeichnen91. Der Versuch einer Würdigung und kritischen Sichtung der deutschen Lehre vom steuerlichen Gesetzesvorbehalt stößt aber sehr bald auf eine Unsicherheit hinsichtlich der Beantwortung der Frage des Umfangs des Gesetzesvorbehaltes. Diese Unsicherheit ist eine latente Unsicherheit, die durch die Fragestellung "Gesetz im formellen Sinne" contra "Gesetz im materiellen Sinne" eher verdeckt wird. Sie zeigt sich bei der Betrachtung der Steuerrechtsordnung an zwei Phänomenen, die miteinander zusammenhängen, und deren erstes man für Zwecke dieser Untersuchung mit dem Begriff "Normendefizit" bezeichnen kann und deren zweites als "Normenüberschuß". Dies soll an einigen Beispielen (die vermehrbar sind) deutlich gemacht werden. 1. Das weitaus wichtigste Beispiel stellen die Regeln über die ertragssteuerliche Gewinnermittlung dar92• Das deutsche Steuerrecht nimmt in § 5 Abs. 1 EStG die handelsrechtliehen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung in Bezug. Bekanntlich ist deren Rechtsnatur im einzelnen strittig93 • Nach wohl herrschender Lehre stellen sie einen unbestimmten Rechtsbegriff dar94• Das bedeutet, daß die Frage, ob eine Buchhaltung ordnungsgemäß ist, nicht eindeutig beantwortet werden kann. Vielmehr eröffnet ein derartiger Begriff eine Mehrzahl von in gleicher Weise rechtlich zulässigen Möglichkeiten95•

Die Gestaltungsfreiheit des Steuerpflichtigen einerseits96 und die bestehenden Spielräume, innerhalb derer eine Buchführung als ordnungsgemäß anzusehen ist97 , kommen in ihrer Wirkung ebenso wie die Unet Wacke, G., in: StuW 1947, Sp. 24; Victor Uckmar handelt den Gesetzmäßigkeitsgrundsatz unter dem Titel "Principi Comuni di Diritto Costituzionale Tributario", Fadova 1959, ab. 92 Zu diesem Problem vgl. Papier, H.-J ., S. 124 ff.; ferner Bühler, 0., Der zulässige Inhalt von Ausführungsbestimmungen zu Steuergesetzen nach der Rechtsprechung des preußischen Oberverwaltungsgerichts und derjenigen des Reichsfinanzhofs, in: Verwaltungsrechtliche Abhandlungen, Festgabe zum 50jährigen Bestehen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts, Berlin 1925, S. 29 ff. (33), zitiert im folgenden als "Ausführungsbestimmungen". n Vgl. die Nachweise bei TipkeiKruse, Anm. 2 b) zu § 162 RAO; ferner Kruse, H . W ., Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 3. Aufl., Köln 1979, s. 5 ff. 94 Herrmann, Carl I Heuer, Gerhard I Raupach, Arndt, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer einschließlich Nebengesetze, 18. Aufl., Köln 1950177, Anm. 16 a zu § 4 EStG; Littmann, E., Rdz. 81 zu §§ 4, 5 EStG; MatterniMessmer, Tz. 1034; BeckeriRiewaldi Koch, Anm. 5 b) zu § 162 RAO; TipkeiKruse, Anm. 2 b) zu § 162 RAO; Kruse, H. W., S. 149. 95 Vgl. statt aller Wolff, Hans Julius I Bachof, Otto, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl., München 1974, § 31 I c, S. 191 f. 96 Vgl. dazu statt aller Littmann, E., Rdz. 81 b) zu §§ 4, 5 EStG. 97 BFHE 90, S. 473 = BStBI. 1968, Teil II, S. 173 = HFR 1968, S. 204.

VI. Vorläufige Stellungnahme

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bestimmtheit des Begriffs der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung einer Generalklausel gleich98, - auferlegen sie doch der Steuerverwaltung und den Steuergerichten die Rechtsfortbildung99 durch Konkretisierung; um die treffende Formulierung Hedemanns zu benutzen, kann man sagen, der Gesetzgeber sei in diesem überaus wichtigen Bereich in die Generalklausel "geflohen" 100• Dann, wenn nach Maßgabe der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung verfahren wird, nehmen Verwaltungsbehörden und Gerichte, nicht aber der Gesetzgeber, die Rechtssetzung, die hier im Wege einer Rechtsfortbildung durch Lückenfüllung intra legem erfolgt, wahr101 • Für unsere Zwecke kann es offen bleiben, wie im einzelnen die rechtsdogmatische Einordnung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung zu erfolgen hat. Denn auch für die anderen zu diesem Problem vertretenen Ansichten, die in ihnen einen Handelsbrauch, eine Verkehrssitte, ein Gewohnheitsrecht etc. sehen wollen, stellt sich im Hinblick auf das Gesetzmäßigkeitsprinzip das gleiche Problem. Der Schwerpunkt der Rechtssetzung liegt hier k eineswegs beim Gesetzgeber, sondern bei den Gerichten und dem Steuerpflichtigen selbst. Der Bundesfinanzhof hat mehrfach ausgesprochen, daß bei der Anwendung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung eine rechtsschöpferische Tätigkeit des Gerichts vorliege 102 und daß daneben der Gebrauch der ordentlichen Kaufleute Erkenntnisquelle sei103• Wenn nun auch die Auffassung der GaB als Konkretisierung eines unbestimmten Rechtsbegriffs der Form nach dazu führt, das Gesetzmäßigkeitsprinzip als gewahrt anzusehen, so kann doch nicht ver~ kannt werden, daß der Sache nach gerade eine Verlagerung der Funktion der Hervorbringung von Rechtsnormen auf die Exekutive bzw. die Jurisdiktion bewirkt wird 104 ; damit aber wird die entscheidende Funktion des Gesetzmäßigkeitsprinzips getroffen105 • Die angeführten EntKruse, H. W., S. 109 ff. Kruse, H. W., S. 115. 100 Kruse, H. W., S. 139 f. 1°1 Kruse, H . W., S. 109. 102 Vgl. schon Becker, E., Bem. 19 zu § 13 EStG: "Daraus (scil. aus der Rechtsnatur der GoB) folgt, daß dem RFH auf diesem Gebiet rechtsschöpferische Aufgaben zugewiesen sind." 103 BFH, Urt. v. 31. 5. 1967- I 208/63, BFHE 89, S. 191, BStBl. 1967, Teil II, S. 607; BFH, Urt. v. 12. 5. 1966 - IV 472/60, BFHE 86, S. 118 = BStBl. 1966, Teil III, S. 371; BFH, Urt. v. 3. 2. 1969 - GrS 2/68, BFHE 95, S. 31 = BStBI. 1968, Teil III, S. 291. 104 Kruse, H. W., S. 132 ff. 105 Dubs, Hans, Die Forderung der optimalen Bestimmtheit belastender Rechtsnormen, in: ZSchwR 1974 II, S. 224, weist darauf hin, daß eine unbestimmt gefaßte Rechtsnorm den gleichen Effekt hat wie eine ausdrückliche 98 99

3 Hahn

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Teil I, Abschn. 1: Herrschende Lehre und Kritik

scheidungen des Bundesfinanzhofs lassen keinen Zweifel an dieser Sachlage zu. Daß das Bilanzsteuerrecht "unmittelbar aus dem Diktum des Gesetzgebers lebe" 106 , wird sich also kaum behaupten lassen 107 • Das erstaunt um so mehr, als es gerade die Normen des Bilanzsteuerrechts sind, die in hervorragendem Maße das Ausmaß der steuerlichen Belastung determinieren108• Der Inhalt und der Umfang der Steuerschuld werden durch diese Normen entscheidend bestimmt. Von Myrbach-Rheinfeld109 meinte deshalb von der Steuerbemessungsgrundlage, es handele sich bei ihr sowohl um den schwierigsten Teil des Steuerschuldrechts als auch um denjenigen, der auf das engste mit dem Problem der Steuergerechtigkeit verbunden sei. Bedenkt man ferner, daß die Gesetzmäßigkeit der Besteuerung die Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit der Steuerauflage gewährleisten soll110 , so wäre zu erwarten, daß gerade das Bilanzsteuerrechtangesichts seiner unmittelbaren Auswirkungen auf die Steuerbelastung eingehend und auch in seinen Details kodifiziert wird. Es erstaunt in diesem Zusammenhang, daß Enno Becker selbst sich dessen bewußt war, daß die Rechtsfortbildung im Bereich des Bilanzsteuerrechts den Gerichten durch Verweisung auf die Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung und Bilanzierung überlassen werden würde111 • Weder Reichsfinanzhof112 noch Bundesverfassungsgericht113 haben anscheinend diese sozusagen "offene Flanke" des Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes erkannt. Im Schrifttum wird - soweit ersichtlich - lediglich von Jacobs und Kruse 114 auf das Problem hingewiesen, freilich in anderem Zusammenhang. Verlagerung von Entscheidungszuständigkeiten auf die Exekutive; konsequent ist es daher, wenn nach britischer Doktrin eine unbestimmte Rechtsnorm als ultra vires angesehen wird, wenn nicht gerade ausdrücklich eine Delegation gestattet ist, vgl. z. B. McEldowney v. Forde (1969), 2 All E. R. 1039. 106 Vgl. oben, FN 55 u. 56. 107 Vgl. dazu Kruse, Heinrich Wilhelm, in: StuW 1959, Sp. 237. 108 Vgl. BFH, Urt. v. 5. 11. 1964- IV 11/64 S, BFHE 80, S. 356 (361) = BStBI. 1964 III 602 = StRK EStG VOL § 1, 1 R. 9; vgl. ferner Schneider, Dieter, ZfbF 1971, S. 355 sowie - zwar in anderem Zusammenhang - Felix, Günter, Ermessensausübung im Steuerrecht, Düsseldorf 1955, S. 24. 100 Von Myrbach-Rheinfeld, Franz, Grundriß des Finanzrechts, Leipzig 1906, S. 95; so auch Papier, H.-J., S. 124. 110 Vgl. statt aller Hübschmann/ Hepp/Spitaler/Spanner, Rdz. 78-81 zu § 4 AO. 111 Becker, Enno, in: Handkommentar der Reichssteuergesetze (Besitz- und Verkehrsteuern) hrsg. von Mitgliedern des Reichsfinanzhofs, Bd. II, 1. Teil, Stuttgart 1928, Bem. 20 zu § 13 ReStG. 112 RFH, Urt. v. 8. 1. 1935 I A 82/34, StuW 1935, Nr. 112; RFH, Urt. v. 17. 10.1924- I A 60/24, RFHE 14, S. 342 (355). 113 BVerfG, Urt. v. 10. 10. 1961 2 BvL 1/ 59, BVerfGE 13, S. 153 (161) = BStBl. 1961, Teil I, S. 716.

VI. Vorläufige Stellungnahme

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2. Das französische Steuerrecht hat die sich aus der unbestimmten Fassung des einkommensteuerrechtlichen Gewinnbegriffs ergebenden115 Probleme in einer etwas anderen Weise gelöst als das deutsche Steuerrecht. Da der Gewinn eines Unternehmens im Gesetz nicht definiert ist, er andererseits aber von gewissen Unternehmerischen Dispositionen und Beurteilungen im Bereich des Rechnungswesens beeinflußt wird, hat in ständiger Rechtsprechung der Conseil d'Etat die Lehre von der action de gestion normale entwickelt, die besagt, daß bestimmte unternehmerische Entscheidungsfreiheiten und Beurteilungsspielräume nicht durch anderweitige Beurteilung durch die Finanzverwaltung oder durch Steuergerichte kontrolliert werden können116• Kontrolliert werden können lediglich die Grenzen des Unternehmerischen Ermessens. Auch hier bleibt also eine gesetzgeberische Lücke, die erkennen läßt, daß die Kompetenz des Parlaments zur Bestimmung der steuerlichen Belastung indirekt auf den Steuerpflichtigen bzw. die Rechtsprechung verlagert ist. Mit Recht ist in diesem Bereich in der franz. Lehre von einem "droit pretorien" 117 gesprochen worden, welches durch die Entscheidungen des Conseil d'Etat und die conclusions des Commissaires du Gouvernement geschaffen wurde. Gleichwohl gilt im französischen Recht hinsichtlich der Besteuerung ein Parlamentsvorbehalt; er hat Verfassungsrang118 und besagt in Art. 34 der Verfassung der V. Republik, daß die Regelung der "Besteuerungsgrundlagen", der "Steuersätze" und des "Veranlagungsverfahrens" durch das Parlament selbst erfolgen müsse119 • Aber auch Art. 39 A - 1° und Art. 39 B C.G.I. ordnen für die Ermittlung der benefices industriels et commerciaux an, daß die Besteuerungsgrundlagen nach kaufmännischen Regeln - wenn auch "moins liberalement qu'a l'etranger, notamment aux Etats-Unies ou en Allemagne federale" 120 ermittelt werden, vgl. dazu auch Art. 36 C.G.I. 121 • Diese Normen ermächtigen den Verordnungsgeber zugleich, auch die Modalitäten der Abschreibung zu regeln 122, 12s. 114 Jacobs, Otto, Zum Problem der Rechtssicherheit und Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung bei der Bilanzierung in der Ertragsteuerbilanz, in: StuW 1969, Sp. 634; Kruse, H. W., S. 3, 34 ff., 168. m Vgl. dazu Passeron, S., Un apport jurisprudentiel capital en matiere de remise en cause des impositions: la theorie de dtkisions de gestion et des erreurs, in: R.S.F., 1970, S. 257 ff. 11e Juris-Classeur Fiscal, Fase. 235-2 u. 9; Passeron, S., S. 266. 117 Passeron, S., S. 257. 118 Trotabas, Louis, Finances Publiques, 4. Aufl., Paris 1970, S. 494 f., JurisClasseur Fiscal - (Fourre) Fase. 3, S. 3. m Zitiert nach Meyer-Tasch, Peter Cornelius, Die Verfassungen der nichtkommunistischen Staaten Europas, 2. Aufl., München 1975, S. 196. 1 20 Trotabas, L., S. 407. m Vgl. dazu J. Cl. - Fiscal, Fase. 226- 1, S. 4, (Philippe). 122 Vgl. Ordonnance du 9 mai 1960, Journal Officiel de 1 aoüt, 1962, dazu auch Trobatas, L., S. 408; vgl. auch Bühler, 0. (FN 45), S. 40.

3•

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Teil I, Abschn. 1: Herrschende Lehre und Kritik

Die Reihe der Beispiele ließe sich verlängern, nicht nur im Bereich der ertragsteuerliehen Gewinnermittlung. Es sei lediglich noch für das deutsche Recht auf die §§ 1 I GewStDV und auf§ 82 EStDV verwiesen; Verordnungen sind also für das deutsche Steuerrecht durchaus wichtige Rechtsquellen124• Der Begriff des Gewerbebetriebs, der wegen § 2 I Ziff. 2, II Ziff. 1 und § 15 EStG tatbestandliehe Voraussetzung der Einkommensteuerschuld ist, wird in keinem Steuergesetz definiert. Er ergibt sich vielmehr ausschließlich aus der eben erwähnten Vorschrift der Gewerbesteuerdurchführungsverordnung. Nicht nur im Bereich der steuerbegründenden Tatbestandsmerkmale, sondern auch im Bereich derjenigen Merkmale, die die Höhe der Steuerschuld bestimmen, finden sich wichtige Regelungen in Verordnungen. So verändert z. B. § 82 EStDV das Gefüge der Regelungen der §§ 7 ff. EStG hinsichtlich der Abschreibungen für bestimmte Wirtschaftsgüter. Die dort statuierten Berechtigungen zur Vornahme erhöhter Abschreibungen haben nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Höhe der 123 Eine der deutschen und französischen Rechtslage ähnliche Regelung trifft auch das italienische Steuerrecht. Auch hier hat der Gesetzmäßigkeitsgrundsatz Verfassungsrang (Carullo, Vincenzo, La Costituzione della Republica Italiana, Milano 1959, S. 183), aber für die ertragsteuerliche Gewinnermittlung beschränkt sich der Gesetzgeber in Art. 15--4 der Disposizioni Comuni in Materia di Accertamento delle Imposte sui Redditi auf die "principi della tecnica contabile" (Art. 15--4 der D. C. lautet: "li bilancio e il conto dei profitti e delle perdite, salve le disposizioni del codice civile e delle leggi speciali metodo e secondo qualsiasi schema, perehe conformi ai principi della tecnica contabile, salvo quanto stabilito nel secondo comma dell'art. 3."). Der frühere Art. 43 T. U. war zwar Gesetz im formellen Sinne, er verwies aber ähnlich der deutschen Gesetzestechnik auf die - auch das Handelsrecht enthaltenden- Normen des Codice Civile (Art. 43 T . U. lautete: "I sogetti tassabili in base al bilancio debbono tenere, altre ai libri ed alle scritture contabili obligatorie a norma del codice civile o di leggi speciali, ..."). Dieser regelt in seinen Artt. 2214-2221 und 2424 ff. zwar ausführlicher als die §§ 38 ff. HGB bzw. die §§ 148 ff. AktG den Inhalt der Buchführungs- und Bilanzierungspflichten, aber auch hier bleibt ein unbestimmter, konkretisierungsbedürftiger Rechtsbegriff bestehen. In Art. 2219 c.c. heißt es: "Tutte le scritture devono essere tenute seconco le norme di una ordinata contabilita, ...". Und diese Normen eines "ordnungsgemäßen Rechnungswesens" werden in ständiger Rechtsprechung wie folgt gekennzeichnet (Rassenga di Giurisprudenza sul Codice Civile, Anm. 1 zu Art. 2219 c.c.): " ... ehe puo dirsi regolarmente tenuta la contabilita ehe consenta ad un terzo ehe la esamini la ricostruzione, se pur faticosa, delle esatte vecende economiche dell'azienda; . . .". Auch hier (vgl. dazu die sehr ähnliche Regel, die die deutsche Rechtsprechung hierzu entwickelt hat, z. B. BFH, Urt. v. 18. 10. 1967 - I 125/65, BFHE 90, S. 473 = BStBl. 1968, Teil II, S, 173 = HFR 1968, S. 204) räumt also das Gesetz dem Steuerpflichtigen eine weitgehende Gestaltungsfreiheit, begrenzt lediglich durch die Normen des ordnungsgemäßen Rechnungswesens, ein (vgl. de Angelis/Potenza/ Testa, Anm. 1 zu Art. 43 T.U.). 124 Vgl. auch den kurzen Hinweis bei Spital er, A., in: StbJb 1957/ 58, S. 158, auf das von ihm so bezeichnete "steuerliche Ergänzungsrecht" .

VI. Vorläufige Stellungnahme

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steuerlichen Belastung. Schließlich enthält zum Beispiel § 53 III EStG hinsichtlich des Steuersatzes eine nicht unbedeutende Kompetenzverlagerung auf die Exekutive125 • Sie betrifft die Entscheidung über das Ausmaß der steuerlichen Belastung. Der Verordnungsgeber wird hier in die Lage versetzt, den Steuertarif zu variieren. Auch in anderen Ländern werden derartige Möglichkeiten erörtert126 • Wie eng diese Frage mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung verbunden ist, zeigt die Tatsache, daß der amerikanische Kongreß die Einführung einer dem § 53 III EStG entsprechenden Regelung abgelehnt hat127. Lag in diesen Fällen ein Normendefizit, also ein Defizit an Gesetzmäßigkeit vor, indem wichtige Materien der Steuerrechts nicht im Gesetz geregelt worden sind, so kann in anderen Fällen gewissermaßen von einem "Überschießen" der tatsächlich qua Gesetz erfolgten Regelungen über das verfassungsrechtlich Gebotene gesprochen werden. Den Kern unserer folgenden Überlegung trifft am prägnantesten eine rhetorische - Fragestellung Carl Schmitts in einem zwar nicht das Steuerrecht betreffenden, aber ähnlichem Zusammenhang128 • Er verdeutlicht die Relativierung des Begriffs der Verfassung an dem Beispiel, daß, obschon beide Normen formell Verfassungsrecht darstellen, zwischen der Regelung des Art. 129 Abs. 3 Satz 3 WRV: "Dem Beamten ist Einsicht in seine Personalnachweise zu gewähren" und der des Art. 1 Satz 1 WRV: "Das Deutsche Reich ist eine Republik" ein Unterschied bestehe. Eine solche etwas maliziöse Frage kann auch an das Steuerrecht gerichtet werden: Gebietet es der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung, daß die Regelung der Amtssprache vor den Finanzbehörden durch Gesetz geregelt wird - § 87 I AO - oder die Regelung der Aufbewahrungspflicht für Geschäftsunterlagen, wie es in § 147 AO und Art. 35 L.G.T. geschieht129 ? Handelt es sich in beiden Fällen um Steuerrecht, welches dem Gesetzesvorbehalt unterfällt? Vergleichbare Normen, die offenbar reine Ordnungsvorschriften sind, finden sich in Fülle in allen Steuerrechtsordnungen. Art. 60-1 L.G.T. z. B. ordnet an, daß die Steuerzahlungen mittels gesetzlicher Zahlungsmittel oder im Giroverkehr zu bewirken sind; gern. Art. 62-2 L.G.T. gilt im Falle der 125 Dazu kritisch Kruse, H. W., Steuerrecht, § 5 11. b), S. 40; Tipke/ Kruse, Tz. 27 zu § 3 AO; Hübschmann/ Hepp/Spitaler/Spanner, Rdn. 10 zu § 4 AO, sprechen von einer "erstaunlichen Selbstentmachtung eines Parlaments". a. A., weil aus Art. 109 II GG für gerechtfertigt haltend Kirchhoff, P., in: StuW 1975, s. 364. 1211 Vgl. dazu Neumark, Fritz, Grundsätze gerechter und ökonomisch rationaler Steuerpolitik, Tübingen 1970, S. 289. 127 Bafile, Carlo, Introduzione al Diritto Tributario, Fadova 1978, S. 31. 128 Verfassungslehre, S. 12, 95 f. 129 Diese Frage scheint auch Bayer, H.-W., in: JZ 1975, S. 264, anzudeuten.

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Teil I, Abschn. 1: Herrschende Lehre und Kritik

Zwangsvollstreckung bei mehreren Steuerschulden desselben Steuersubjekts, daß der beigetriebene Betrag zunächst auf die älteste Steuerforderung anzurechnen ist. Art. 29 (2) T.U. ordnete an, daß die Steuererklärung mittels eingeschriebenen Briefes übermittelt werden kann, und daß dann der Tag der Aufgabe zur Post als der Tag der Abgabe der Steuererklärung gilt, - zweifellos eine Regelungsmaterie, die dem formellen Abgabenrecht angehört130 • Die Problematik des Satzes von der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung liegt insoweit in einer gewissen Unbestimmtheit seines Inhalts. Die hier vorgetragene Kritik an dem herrschenden Verständnis dieses Grundsatzes beruht zunächst einmal, wie nicht verhehlt werden soll, auf Plausibilitätserwägungen. Aber diese lassen es zu, eine durchaus präzise Fragestellung zu fixieren, die auch gelegentlich in der Literatur anklingt131. Wann ist eine Regelungsmaterie so peripherer Natur, daß sie im Verordnungswege geregelt werden kann? Es handelt sich- kompetenzrechtlich gedacht132 - um die Frage, ob die einzelnen Regelungsbereiche der Steuerordnung gradmäßig verschiedene Legitimationsanforderungen stellen. Aus der Sicht unserer Fragestellung ist es die Frage nach dem Geltungsumfang des Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes. Er kann nur anhand inhaltlicher Kriterien bestimmt werden, die sich aus der Gesamtheit der Steuerrechtsnormen, der Steuerordnung selbst ergeben. Die Bestimmung kann am ehesten erfolgen, wenn wir die Funktion dieses Grundsatzes erfassen.

130 Vgl. schon in diesem Sinne von Myrbach-Rheinfeld, F., S. 117; vgl. ferner die unterschiedliche Klassifikation der Steuerrechtsnormen in Commissioners of Customs and Excise v. eure & Deeley, Ltd., (1962) Q.B. 340 (348). 131 Kirchhoff, P ., in: StuW 1975, S. 364; Kruse, H. W., Steuerrecht, § 5 II. 2) b), S. 39; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Spanner, Rdz. 88 zu § 4 AO. 132 Diesen Ansatz greift neuerdings Brinkmann, J., S. 12, 135 auf. Die Arbeit Brinkmanns leidet m. E. daran, daß ihr das entscheidende Fundament fehlt: Eine begrifflich exakte Fassung des Steuertatbestandes.

Abschnitt 2

Historische und rechtsvergleichende Grundlagen einer Neuinterpretation I. Historische Grundlagen

Als erstes haben wir unsere Ausgangsbasis hinsichtlich des Fragenkreises abzusichern, welche Regelungen innerhalb der Steuerordnung dem Gesetzgeber aufgrund des Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes vorbehalten sind. Diese Frage ist aus dem Sinn und Zweck dieses Grundsatzes heraus zu beantworten. Tipke und Kruse 1 führen aus, er habe zwei Grundlagen und damit auch zwei Funktionen: Es liege ihm das Demokratieprinzip2 und das Rechtssicherheitsprinzip zugrunde. Die Herleitung des Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes aus dem Rechtssicherheitsprinzip hat neuerdings Brinkmann verfeinert und zusätzlich auf prinzipielle Erwägungen gestützt. Er versteht das Tatbestandsmäßigkeitsprinzip als Spezialfal13 des Gesetzmäßigkeitsprinzips und leitet jenes aus der Erwägung her, daß die Steuerauflage ihrer Natur nach willkürlich ist, daß sie lediglich einem dezisionistischen Akt des Gesetzgebers entspringt und daher einen erhöhten, nur durch den parlamentarischen Gesetzgeber erfüllbaren Legitimationsbedarf hat'. 1. Einleitung

In allen5 modernen konstitutionellen Rechtsstaaten finden wir für den Bereich des Steuerwesens den Gesetzmäßigkeitsgrundsatz, und Kruse, H . W., Steuerrecht, § 5 II b), S. 40; Tipke, K. , Steuerrecht, S. 29. Bühler weist in der ersten Auflage seines Lehrbuchs des Steuerrechts (Berlin 1927, Bd. I, S. 64, dort auch FN 2) auf die Herkunft dieses Grundsatzes aus dem Verfassungsrecht des alten Reiches und seiner Territorien, namentlich aus dem landständischen Besteuerungsrecht hin. In der 3. Auflage des Werkes, Bd. I, S. 213, findet sich der Hinweis nicht mehr: "Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit und der Tatbestandsmäßigkeit" sei "der Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips im Bereich des Abgabenwesens", wird unter Bezugnahme auf die einschlägige Judikatur des Bundesverfassungsgerichts ausgeführt. s Brinkmann, J ., S. 11. 4 Brinkmann, J., S. 40, 116 ff. 5 So auch Bühler, 0 ., S. 22 f. 1

2

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Teil I, Abschn. 2: Historische und rechtsvergleichende Grundlagen

zwar durchweg im Range von Verfassungsrecht 6• Er ist offenbar ein elementarer Bestandteil einer jeglichen rechtsstaatliehen Steuerordnung7. Sehr eindringlich, mit einem gewissen Pathos, hat dies der Corte Suprema Argentina in einer Entscheidung zum Ausdruck gebracht, deren Kernsätze es verdienen, hier wiedergegeben zu werden8 : "Que entre los principios generales que predominan en el regimen representativo republicano de gobernio, ninguno existe mas esencial a sun naturaleza y objeto que la facultad atribuida a los representantes de Pueblo para crear las contribuciones necesarias para la existencia des Estado. Nada exterioriza mas la posesi6n de la plena soberania que el ejercicio de aquella facultad, y a que la libre disposici6n de lo proprio, tanto en lo particulas como en el publico, es el rasgo mas saliente de la libertad civil. Tadas las constituciones se ajustan al reste regime entregando a los congresos o legislaturas este privilegio exclusivo, pues, como lo ensena Cooley: ,en -todo Estado soberno el poder legislative es el despositario de la mayor suma de poder y es, a la vez, el representante mas immediate de la soberania'." Ob nun freilich der Gesetzmäßigkeitsgrundsatz eine Ausprägung des Demokratieprinzips darstellt, wie Tipke und Kruse ausführen, kann fraglich sein9 • Die ältesten Quellen dieses Rechtssatzes finden sich in England, nach den Worten Bartholinis ,la patria della teoria della consensualita dell'imposta' 10 • Loewenstein formuliert hier zurückhaltender, die britische Verfassungsgeschichte lasse sich mühelos anhand jener Gerichtsentscheidungen darstellen, welche die Besteuerung durch die Exekutive von der Zustimmung des Volkes abhängig machten, wenigstens von dem Konsens derjenigen "Sozialkräfte, ... , die als Volk galten"11. Wird man also mit der Gleichsetzung Demokratieprinzip- Gesetzmäßigkeitsgrundsatz zurückhaltend sein, so wird man doch in dieser Auffassung einen zutreffenden Kern erkennen können. Der Gesetzmäßigkeitsgrundsatz bewirkte eine Bindung und Beschränkung der Staats6 Eine Zusammenstellung findet sich bei Uckmar, Victor, Principi Comuni di Diritto Costituzionale Tributario, Padova 1959, S. 21 ff., FN 24. 7 Bayer, H.-W., in: JZ 1975, S. 264; Wacke, G., in: StuW 1947, Sp. 24; Kruse, H. W., in: StuW 1959, S. 288, Kruse macht diese Aussage übrigens auch für das Tatbestandsmäßigkeitsprinzip; Uckmar, V., S. 5, spricht in diesem Zusammenhang von "principi comuni di diritto costituzionale tributario". 8 La Mortana, S.A.c. Provincia de Buenos Ayres, zitiert nach Uckmar, V., S. 29, dort FN 14. 9 Gegenüber der 2. Aufl., § 5 b), S. 30, hat Kruse seine Ansicht in der oben zitierten 3. Auflage u. E. zurecht vorsichtiger formuliert; bejahend aber anscheinend Brinkmann, J., S. 28 ff. 10 Il Principio di Legalita dei Tributi in Materia di Imposte, Padova 1957,

s. 60.

11 Loewenstein, Karl, Staatsrecht und Staatspraxis in Großbritannien, Berlin/Heidelberg/New York, 1967, Band II, S. 288; kritisch dazu Hall, G.D.G., Impositions and the Courts 1554-1606, in: L.Q.R., 1953, S. 200 (217).

I. Historische Grundlagen

41

macht durch Einflußnahme der am Gesetzgebungsverfahren (im weitesten Sinne) beteiligten sozialen Gruppen12 • Dabei ist weiterhin zu beachten, daß auch der Begriff des Gesetzes naturgemäß Wandlungen unterlegen ist. Böckenförde13 macht darauf aufmerksam, daß die Besteuerung nicht immer durch Gesetz erfolgte, sondern, vermutlich sogar zuerst, durch zweiseitige Vereinbarungen. Man müßte dies, wollte man hier zu historischen Erkenntnissen gelangen, eingehend untersuchen. Festzustellen ist, daß die Entscheidung über die Steuererhebung durch lange Perioden der Geschichte grundsätzlich nicht einseitig erfolgte14, sondern stets irgendwo auf der Skala zwischen zweiseitiger Vereinbarung über die Zwischenstufen der Zustimmung b is hin zur Besteuerung durch das via Repräsentation als konsentiert gedachte15 Gesetz erfolgte. Diesen "Kernbestand" des Gesetzmäßigkeitsprinzips festzustellen, reicht für die Zwecke dieser Untersuchung aus. Charakteristisch für diesen ist z. B. die Auffassung Piitters in seinen Institutiones Juris Publici Germanici (Göttingen 1770): Für ihn unterscheidet sich die Gesetzgebungsgewalt gerade von der Besteuerungsgewalt durch den hoheitsrechtliehen Charakter jener - sie konnte von Inhabern des "imperium civile" ohne weiteres ausgeübt werden - und die Konsensbedürftigkeit in der Ausübung bei dieser16 • Eine summarische Betrachtung der Geschichte dieses Grundsatzes v ermag so den später folgenden dogmatischen Erörterungen ein gewisses historisches Relief zu geben, welches dessen Komponenten plastischer hervortreten läßt. Außer Betracht bleibt hier die Frage nach der Bedeutung des Prinzips der alljährlichen Neubewilligung der Steuergesetze, wie es im französischen Steuerrecht durchweg, im britischen teilweise in Geltung ist17 •

u Vgl. hierzu aus verfassungstheoretischer Sicht Schmitt, C., S. 143 ff. 1s Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Gesetz und gesetzgebende Gewalt von den

Anfängen der deutschen Staatsrechtslehre bis zur Höhe des staatsrechtlichen Positivismus, Berlin 1958, S. 55 ff. 14 Die einseitige hoheitliche Festsetzung der Steuerart wurde etwa unter der zur Zeit der Magna Charta bestehenden Rechtslage als Ausnahme angesehen: So läßt der Artikel 12 der Magna Charta eine einseitige Auferlegung nur in besonderen Ausnahmefällen zu, so zum Zwecke der Auslösung der Person des Königs. 1s Jesch, D., S. 105, 117 f. 18 Vgl. Böckenförde, E.-W., S. 57 f.; ferner auch Sainz de Bujanda, Fernando, Hacienda y Derecho, Vol. I, Madrid 1962, S. 274 ff. 17 Vgl. dazu Mirbt, H., S. 65-67; Papier , H.-J., S. 97 ff.

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Teil I, Abschn. 2: Historische und rechtsvergleichende Grundlagen 2. Die Entwicklung in England

Es gibt seit jeher im britischen Verfassungsrecht einen Grundsatz dahingehend, daß ohne Zustimmung des Parlaments, also ohne Gesetz, keine Steuer erhoben werden darf18 • Seine Herkunft ist freilich nicht ganz geklärt. Jedenfalls aber läßt er sich in der Verfassungsgeschichte sehr früh nachweisen19 • William Rufus soll im Jahre 1093 sich die finanziellen Mittel zur Eroberung der Normandie durch eine vertragliche Vereinbarung verschafft haben, wobei der König seinerseits seinen Vertragspartnern versprach, ,.to restore you bis friendship and give peace to you and yours" 20 ; wir sehen sozusagen die Assekuranztheorie im Kleide eines Vertrages. Im Jahre 1179 wurde auf dem Lateran-Konzil den englischen Bischöfen untersagt, ihren Klerus ohne dessen Zustimmung zu besteuern21 • Das berühmteste Rechtsdokument unter diesen frühen Ausprägungen des Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes ist indessen die Magna Charta Libertatum von 1215. Ihr für unsere Frage wichtigster Artikel lautet: "12. Kein Schild- oder Hilfsgeld soll in unserem Königreich erhoben werden, es sei denn nach gemeinsamer Beratung unseres Königreichs oder aber für die Auslösung unserer Person, für den Ritterschlag unseres ältesten Sohnes oder die erste Eheschließung unserer ältesten Tochter; in diesen letzteren Fällen darf jedoch die Beihilfe nicht über eine angemessene Höhe hinausgehen . .. " 22. 37mal wurde die Magna Charta Libertatum erneuert, stets mit derselben Klausel hinsichtlich der Besteuerung23 • Wir überschlagen dies. Die Petition of Right von 1627 läßt die gravamina erkennen, deren Behebung "Das Seiner Majestät von den in diesem gegenwärtigen Parlament versammelten geistlichen und weltlichen Lords und Gemeinen unterbreitete, verschiedene Rechte und Freiheiten der Untertanen bets Dicey, A. V., S. 313-315; Loewenstein, K., Bd. II, S. 288.

19 Bestechend ist hinsichtlich seiner Entstehung die These, die der Verfassungshistoriker J. G. Edwards hierzu aufgestellt hat (Edwards, Plena Potestas, in: Historical Studies of the English Parliament, ed. by Fryde, E. B., and Miller, E., Cambridge 1970, Val. I, S. 143): Ursprünglich habe die Krone ohne irgendjemandes Zustimmung besteuern können aufgrundvon Gewohnheitsrecht (vgl. auch Uckmar, V., S. 7), im Zweifelsfalle habe sie aber dementsprechend ihr Besteuerungsrecht beweisen müssen. Um dieser einer ergiebigen und effizienten Steuererhebung entgegenstehenden Rechtslage zu entgehen, habe die Krone begonnen, die Steuerauflagen vom Parlament konsentieren zu lassen. Diesem Gedanken kann und braucht hier nicht weiter nachgegangen zu werden. to Uckmar, V., S. 7. tt Uckmar, V., S. 8. 22 Zitiert nach Meyer-Tasch, Peter Cornelius, Die Verfassungen Europas, 2. Aufl., München 1975. 23 Uckmar, V., S. 12.

I. Historische Grundlagen

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treffende Gesuch und der Königlichen Majestät Königliche Antwort hierauf vor vollzählig versammeltem Parlament" bewirken sollte: "1. Unseren obersten Herrn, den König, machen wir, die im Parlament

versammelten geistlichen und weltlichen Lords und Gemeinen, untertänigst darauf aufmerksam, daß durch ein in der Regierungszeit König Edwards I. erlassenes und gemeinhin ,Statutum de Talligio non concedendo' genanntes Gesetz erklärt und verordnet ist, daß in diesem Königreich keine Abgabe oder Beihilfe durch den König oder seine Erben ohne die Zustimmung der Erzbischöfe, Bischöfe, Grafen, Barone, Ritter, Bürger und anderer freier Männer des Volkes dieses Reiches erhoben oder auferlegt werden darf; überdies ist durch die Autorität des Parlamentes, das im 25. Regierungsjahr Edwards III. tagte, erklärt und verordnet worden, daß in Zukunft niemand gezwungen werden sollte, gegen seinen Willen dem König irgendwelche Darlehen zu gewähren, weil solche in Widerspruch zu der Vernunft und zu den Gerechtsamen des Landes stünden; durch andere Gesetze dieses Reiches wurde zudem festgesetzt, daß niemand mit einer Benevalenz genannten Abgabe belastet werden sollte; durch diese vorerwähnten Statuten und durch andere gute Statuten und Gesetze dieses Reiches haben Eure Untertanen diese Freiheit ererbt, daß sie nicht gezwungen werden sollen, irgendeine Steuer, Abgabe, Beihilfe oder eine andere ähnliche Leistung zu erbringen, die nicht mit allgemeiner Zustimmung im Parlament festgesetzt worden ist.

2. Dennoch sind jüngst in mehreren Grafschaften an etliche Beamte verschiedentlich Aufträge mit Weisungen ergangen, auf Grund deren Eure Untertanen an verschiedenen Orten versammelt und aufgefordert wurden, Eurer Majestät bestimmte Geldsummen zu leihen, ... ; und in mehreren Grafschaften sind Euren Untertanen entgegen den Gesetzen und dem freien Brauchtum des Reiches von Lordleutnant, Musterungskommissionen und Friedensrichtern noch andere Leistungen auferlegt worden. 3.

0

0.

8.

9. So bitten wir denn Eure Allerhöchste Majestät untertänigst, daß in Zukunft niemand mehr gezwungen werden möge, irgendeine freiwillige Gabe, ein Darlehen, eine Benevolenz, Steuer oder ähnliche Abgabe zu leisten oder zuzugestehen, es sei denn auf Grund allgemeiner Zustimmung in einem Parlamentsgesetz ... Nachdem diese Petition verlesen und ihrem vollen Inhalte nach vernommen wurde, wurde von dem Herrn König vor versammeltem Parlament die folgende Antwort erteilt: Es geschehe Recht, wie es gewünscht ist." Im Jahre 1689 war es dann Wilhelm von Oranien, der in Art. 4 der Bill of Rights akzeptierte, daß "levying money for or to the use of the Crown by pretense of prerogative, without grant of Parliament, for Ionger time or in other manner than the same is or shall be granted is illegal" 24 • 24

Zitiert nach Uckmar, V., S. 13.

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Teil I, Abschn. 2: Historische und rechtsvergleichende Grundlagen

In England wurden diese Grundsätze in den gerichtlichen und politischen Auseinandersetzungen mit der Krone als Kampfmittel angewendet, namentlich die Magna Charta25 • Die Linie, die im Jahre 1606 mit dem Case of Impositions bereits auf eine gewisse Tradition zurückblicken konnte26 , setzte sich mit dem Five Knight's Case (1627) und Re v. Hampden im Jahre 1637 fort 27 bis zu den modernen Entscheidungen, die mit präjudizieller Wirkung den Gesetzmäßigkeitsgrundsatz im strengen Sinne festlegen: Nur das Parlament, nicht der Verordnungsgeber kann eine Steuer auferlegen2s. Die bisher wiedergegebenen Rechtsquellen zeigen zwei Aspekte, gewissermaßen zwei "Stoßrichtungen" des Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes, der von den Ständen, später vom Parlament gegenüber der Krone angewandt wird: Der eine ergibt sich unverhüllt aus den Formulierungen der Petition of Right: Die Macht der königlichen Exekutive soll durch die Bindung an das Gesetz beschränkt und in genau abgegrenzte Bahnen gelenkt werden. Die Ausübung der königlichen Prärogative soll unter Ausschluß jeglichen Ermessens durch die königlichen Beauftragten erfolgen. Zum anderen, das ist der zweite Aspekt, sollte der parlamentarische Konsens sicherstellen, daß das Ausmaß der Steuerauflage im voraus festgelegt wurde. Daß es darauf ankam, nur gemessene Belastungen schulden zu müssen, zeigt auch die Formulierung des Artikel 12 der Magna Charta, der auch nicht konsensbedürftige Abgaben vorsieht. Hier wurde durch eine ausdrückliche Klausel die Angemessenheit der Steuerauflage erforderlich29 gemacht. Im übrigen gewährleistete das Erfordernis des Konsens zwischen Steuergläubiger und Träger der Steuerlast die Angemessenheit30 • Der Gesetzmäßigkeitsgrundsatz zielte auf eine Begrenzung der Machtbefugnisse des Monarchen31. Ein anderer, dritter Aspekt tritt uns in der staatsrechtlichen Literatur entgegen. Blackstone führte bereits aus32 , daß 25 Vgl. zu Bate's Case (Case of Impositions) Hall, G. D. G., Impositions and the Courts 1554-1606, in: L. Q. R., 1953, S. 200 (201). 26 Hall, G. D. G., S. 206 ff.; vgl. auch Historical Studies of the English Parliament, Vol. li., S. 136 f. 27 3 St. Tr. 1 (1927) und 3 St. Tr. 825 (1637). 28 Attorney-General v . Wilts United Dairies, Ltd., (1922) 38 T.L.R. 781 (782); Commissioners of Customs and Excise v. Cure & Deeley, Ltd., (1962) Q. B. 340 (369). Vgl. ferner hierzu Whiteman and Wheatcroft on Income Tax, S. 27 ff.; Loewenstein, K., S. 289. 29 So auch Gneist, Rudolf, Englische Verfassungsgeschichte, Berlin 1882, s. 246. 30 Vgl. dazu Brinkmann, J ., S . 46 ff. 3t Vgl. Hall, G. D. G., S. 202 f. 32 Commentaries on the Laws of England. Book the First. By William Blackstone, EsQ., Oxford, Printed at the Clarendon Press, MDCCLXV, S. 135 ff.

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"nor is this the only instance in which the law of the land has postponed even public necessity to the sacred and inviolable rights of private property. For no subject of England can be constrained to pay any aids or taxes, even for the defence of the realm or the support of the government, but such as are imposed by bis own consent or that of bis representatives in Parliament". Hier tritt der Schutz des Individuums und seines Eigentums gegenüber der Krone in den Vordergrund. 3. Die Aufklärung in den europäischen Staaten

Der aufkeimende Gedanke der Volkssouveränität zeichnet sich deutlich bei Hobbes ab. In seinem "Dialogue of the Common Laws" mißt er dem Gesetzmäßigkeitsgrundsatz die Funktion zu, Machtmittel des Parlaments als Gegengewicht gegen einen Machtmißbrauch des Königs zu sein33 • "Those statutes are in themselves very good for the King and the people, as creating some kind of difficulty for such Kings as, for the glory of conquest, might spend one part of their subject lives and estates in molesting other nations, ..." Es zeichnet sich hier bereits die Tendenz ab, qua Steuergesetz auf die politische Staatsleitung Einfluß zu nehmen. Auch die deutsche Aufklärung und mit ihr einhergehend die deutsche Naturrechtslehre kennen diesen Grundsatz. So legt Christian Wolf! in seinem "Jus Naturae" dar, daß der rector civitatis kraft seines dominium eminens über Eigentum und Vermögen seiner Untertanen verfügen kann34, deshalb auch Steuern auferlegen kann35 ; dieses ius eminens entsteht aber - entsprechend dem naturrechtliehen Gedanken von der Volkssouveränität - durch den Zusammenschluß, den stillschweigenden Konsens der Einzelnen36 • Auch hier tritt uns also- wenigstens von der gedanklichen Konstruktion her - das vertragliche Element der Besteuerung entgegen. Dementsprechend gilt für die Ausübung des Besteuerungsrechtes, daß das 33 The English Works of Thomas Hobbes of Malmesbury, Vol. VI., London MDCCCXL, Second Reprint 1966 Aalen, S. 17. 34 Christiani Wolffi Jus Naturae edidit et curavit Marcellus Thomannus; Christian Wolff, Gesammelte Werke, hrsg. von J. Ecole, J. E. Hofmann, M. Thomann, H. W. Arndt, II. Abteilung, Lateinische Schriften, Bd. 24, 25; § 111. 35 § 925: Superiori enim competit dominium eminens, vi cuius de rebus propriis civium salutis publicae causa in casu necessitatis disponere potest, et in hoc consentiunt, qui in civitatem coeunt. Ex ea igitur ratione ab imperio seiungi nequit ius imponendi et exigendi onera Reip. a subditis ferenda. Superior onera imponens et exigens nil facit, nisi ut impera ea, ad quae praestanda sese obligarunt singuli universis, quarum ius habet et exercet. 38 Vgl. § 118.

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Teil I, Abschn. 2: Historische und rechtsvergleichende Grundlagen "ius tributa nova indicendi per Ieges fundamentales Rectori Civitati adernturn, ... , id fieri debere vel cum consensu populi, vel eorum, quos Ieges istae designant"37 •

Der Akzent des Gesetzmäßigkeitsprinzips liegt hier wiederum als Folge des naturrechtliehen Gedankens von der Volkssouveränität auf dem Gedanken der Konsensbedürftigkeit der Eingriffe in Freiheit und Eigentum des Einzelnen38 • Auf diesen Gesichtspunkt stellt auch Locke ab: "For if any one shall claim a Power to lay and levy Taxes on the people by his own Authority, and without such consent of the People, he thereby invades the Fundamental Law of Property ...39." Da der Endzweck der Regierung die Sicherung des Eigentums des Einzelnen sei, dieser aber aufgehoben werde, wenn die Regierung ohne Konsens des Einzelnen in dessen Eigentum eingreifen könnte, ist die Besteuerung an die Zustimmung des Parlaments gebunden40 • Da das Parlament nur aufgrund der ihm erteilten Macht handelt, wenn es Steuergesetze erläßt, kann es diese Machtbefugnis auch nicht delegieren41. Auch die französische Aufklärung kennt den Gedanken der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung. Wie bei Locke steht auch bei Rousseau der Gedanke des Schutzes des individuellen Eigentums im Vordergrund der Erwägungen: "Il faut se ressouvenir ici que le fondement du pacte social est la propriete; et sa premiere condition, que chacun soit maintenu dans la paisable jouissance de ce qui lui appartient. Il est vrai que, par le meme traite, chacun s'oblige, au moins tacitement, a se cotiser dans les besoins publics 42 ."

Dabei wird die spezifische Problematik der Lehre von der volonte generale deutlich, die, wie die Rousseau-Philologie ergeben hat, darin ihren Ausdruck findet, daß an der nachfolgend zitierten Stelle der EcoVgl. § 480. Vgl. auch Johan Althusii, U. J . D. Politica Methodice Digesta atque exemplis sacris et profanis illustrata, Editio tertia quabus prioribus multo auctior., Herbornae Nassoviorum 1614; Nachdruck Aalen 1961: Cap. XI, 17, 18: Quantum ius est cura et potestas murrerum admittendorum et distribuendorum. Quae ab universaH consociatione pendet. Munus est officium impositum, quod civis, seu municeps in regni territorio, ad utilitatem consociati corporis ejusdem consensu vel permissionem gerit; vgl. dazu auch J esch, D., S. 117 ff. 89 John Locke, Two Treatises on Government, by Peter Laslett, 2nd Edition, Cambridge 1964, li § 140; vgl. dazu auch Jesch, D., S. 117-120. 40 li § 139. 41 li § 141; zur modernen Staatspraxis in England vgl. Loewenstein, K., s. 359. 42 The Political Writings of Jean Jacques Rousseau, ed. by C. E. Vaughan, Oxford 1962, S. 265; vgl. dazu die Vorbemerkung des Herausgebers, S. 234 f. 87

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nomie Politique im Manuskript von 1780 ein Hinweis auf Locke, Civil Government, II., § 138- § 140 enthalten war, der in den publizierten Ausgaben fehlt. Locke spricht an der in Bezug genommenen Stelle von der Zustimmung der zu Besteuernden als deren "own consent". Hier sah Rousseau wohl die Divergenz der Auffassung Lackes zu seiner eigenen, im Contract Social entwickelten43 : "Mais cet engagement ne puvant nuire a la loi Iondamentale et supossant l'evidence du besoin reconnue par les contribuables an voit que, pour etre legitime, cette cotisation doit etre volontaire: non d'une volonte particuliere, comme s'il etait necessaire d'avoir le consentement de chaque citoyen, et qu'il ne dut fournir que ce qu'il lui plait, ce qui serait directement contre l'esprit de la confederation, mais d'une volonte generale, a la pluralite des voix, et sur un tarif proportional qui ne laisse rien d'arbitraire a l'imposition." Der Gedanke der Repräsentation des Volkes, also auch der zu Besteuernden, tritt zurück zugunsten der Konstituierung eines über der Summe der Einzelwillen stehenden Gemeinwillens. Auch der Gedanke der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung führt, wie hier erkennbar, in das Zentrum der Philosophie und Staatstheorie Rousseaus. Von hier aus geht die in großen Zügen gezeichnete Entwicklungslinie44 weiter zu den Verfassungen der französischen Revolution45 • Artikel 14 der Declaration des Droits von 1789 lautet: "Taus les citoyens ont le droit de constater, par eux-memes ou par leur representants, la necessite de la contribution publique, de la consentir librement, d'en suivre l'emploi, et d'en determiner la quotite, l'assiette, le recouvrement et la duree46." Neben die Beschränkung der staatlichen Besteuerungsgewalt tritt hier der Gedanke der Teilhabe an der Staatsgewalt auf dem Wege über die Konsentierung der Abgaben: Der Bürger stellt die Notwendigkeit der Abgabenerhebung fest 47 • 4. Deutschland

Von der französischen Revolution nahm der Konstitutionalismus in Europa seinen Ausgang. Zuvor aber werfen wir noch einen Blick auf die politische und staatsrechtliche Realität in Deutschland. Auch hier hat der Gesetzmäßigkeitsgrundsatz ältere Wurzeln48 • So sehen wir bei43

s. 265.

Vgl. zu den Einzelheiten Uckmar, V., S. 18 f. 45 Jesch, D., S. 121; vgl. auch Böckenförde, E.-W., S. 48. 48 Zitiert nach Trotabas, L. I Cotteret, J. M., S. 465. 47 Vgl. dazu auch Jesch, D., S. 29; Trotabas, L. I Cotteret, J . M., S. 465. 48 Vgl. die Darstellung bei Brinkmann, J., S. 28 ff. 44

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Teil I, Abschn. 2: Historische und rechtsvergleichende Grundlagen

spielsweise im Jahre 1653 die Landstände der Mark Brandenburg ihr Steuerbewilligungsrecht ausüben. Die für den Unterhalt des stehenden Heeres erforderlichen Mittel konnten nur durch Erhebung von Steuern aufgebracht werden. Nur gegen die Konzession, daß, wie es im Landtagsrezeß vom 26. Juli 1653 hieß, in den Dingen, "doran des Landes Gedeih oder Verderb gelegen", nichts ohne die Zustimmung der Landstände geschehen durfte, wurde die Steuererhebung gebilligt49 • Der vertragliche Charakter der Begründung von Steuerpflichten klingt hier noch an. Wir finden uns hier an dem Schnittpunkt zwischen der Tendenz, sich auf den Gesetzmäßigkeitsgrundsatz als bloßes Mittel zur Restriktion fürstlicher Finanzforderungen zu berufen, und der Tendenz, in ihm ein Mittel zur Teilhabe an den politischen Entscheidungen des werdenden Staates zu sehen50 • In Württemberg trieben sogar die Kämpfe zwischen den Landständen und den absolutistische Tendenzen verfolgenden Landesherren in den Jahren vor 1770 in die Nähe einer Reichsexekution. Sie sind mit dem Namen des Rechtskonsulenten der Landstände, Johann Jakob Maser, verbunden. Die Steuerverweigerung der Stände veranlaßte schließlich unter Vermittlung einer vom Reichshofrat eingesetzten kaiserlichen Hofkommission den württembergischen Herzog im Erbvergleich vom 27. Februar 1770, die Landesfreiheiten und damit auch das Steuerbewilligungsrecht der Stände wieder herzustellen51. Durch das Zeitalter des Absolutismus hindurch - dort wohl etwas in den Bereich der staatstheoretischen Literatur abgedrängt, im Kern aber nicht beeinträchtigt - lebt der Gedanke der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung im Zeitalter des Frühkonstitutionalismus wieder auf. Die süddeutschen Verfassungen jener Zeit verbürgten ein Steuerbewilligungsrecht der Stände52 ; Friedrich Wilhelm III. von Preußen gewährte in seinem Patent vom 3. September 1847 dem preußischen Landtag ein Steuerbewilligungsrecht. "Der Beginn des konstitutionell-liberalen Preußens" 53 sollte damit gemacht werden. Die Paulskirchenverfassung vom 28. März 1849 wie auch die preußische Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850 legen in dem § 102 und Artt. 99 ff. die Prärogative des Parlaments im Hinblick auf Budget und Steuererhebung fest. § 102 der Reichsverfassung vom 28. März 1849 lautet: "Ein Reichstagsbeschluß ist in folgenden Fällen erforderlich: 1) . . . . 2) Wenn der Reichshaushalt festgestellt, ... , wenn das Reich eine im Budget 49 Hartung, Fritz, Deutsche Verfassungsgeschichte, 9. Aufl., Stuttgart 1969, S. 102 ff.; vgl. dazu auch Mirbt, H., S. 15. 5o Vgl. Jesch, D., S. 173. 51 Hartung, F., S. 134 ff. s2 Hartung, F., S. 199; Böckenförde, E.-W., S. 72. 53 Hartung, F., S. 253.

li. Rechtsvergleichende Grundlagen

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nicht vorgesehene Ausgabe übernimmt oder Matrikularbeiträge oder Steuern erhebt." Art. 99 der preußischen Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850 lautet: "Alle Einnahmen und Ausgaben des Staates müssen für jedes Jahr im voraus veranschlagt und auf den Staatshaushaltsetat gebracht werden. Letzteres wird jährlich durch ein Gesetz festgestellt." Art. 100 lautet: "Steuern und Abgaben für die Staatskasse dürfen nur, soweit sie in den Staatshaushaltsetat aufgenommen oder durch besondere Gesetze angeordnet sind, erhoben werden." Die späteren Verfassungen des Reichs regelten die Besteuerung überwiegend unter dem Aspekt der Kompetenzverteilung zwischen Reich und Ländern, so etwa in den Artt. 35 ff. der Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. April1871 und in den Artt. 83 f. WRV. Seitdem stellt die deutsche Verfassung den besonderen Ausnahmefall unter den modernen Verfassungen dar, der darin besteht, daß der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung in ihr nicht expressis verbis enthalten ist, sondern im einfachen Gesetz in der Legaldefinition der Steuer normiert ist. Dies dürfte die Erklärung dafür sein, daß sich der Rechtsgrundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung scheinbar mehr oder weniger neben dem allgemeinen Gesetzmäßigkeitsgrundsatz herausgebildet hat, ohne daß Reichweite und Abgrenzung dieser Grundsätze je eindeutig geklärt worden wären. II. Rechtsvergleichende Grundlagen 1. Frankreich

Die von Rousseau erhobene Forderung, daß die Auferlegung von Steuern als Ausfluß der volonte generale nur durch Gesetz erfolgen könne und damit "domaine reserve" 54 des Parlamentes sei, hat ihren Niederschlag in Artikel 14 der Declaration des Droits de l'Homme gefunden55. Der girondistische Verfassungsentwurf und die Constitution montagnarde von 1793 wiesen den Bereich der Besteuerung ebenfalls dem Gesetzgeber zu 56 . Unter der 3. Republik galt diese Vorschrift nicht. 54 So Jeze, Gaston, Jurisprudence Judiciaire, in: R.S.F., 1908, S. 362; vgl. auch Moranges, Georges, L'exercise du pouvoir reglementaire en matiere fiscale, in: R.S.F., 1953, S. 667. ss Vgl. oben S. 47. 58 Vgl. dazu Guieze, Jean-Luc, Le partage des competences entre la loi et le reglementaire en matiere financiere, Paris 1974, S. 16 ff.

4 Hahn

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Teil I, Abschn. 2: Historische und rechtsvergleichende Grundlagen

Man konnte daher von einer "del