Die Besteuerung grenzüberschreitender Altersversorgung in der EU 9783504382933

Seit fast 20 Jahren beeinflusst die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Besteuerung grenzüberschreitender A

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German Pages 423 [424] Year 2010

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Geleitwort der Herausgeber
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
1. Teil: Grundlegung und Eingrenzung des Themas
§ 1 Der Begriff Altersversorgung
§ 2 Das Entstehen von grenzüberschreitenden Altersvorsorgevorgängen
§ 3 Grundmodelle der steuerlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften
§ 4 Gang der nachfolgenden Untersuchungen
2. Teil: Rahmenbedingungen des nationalen, zwischenstaatlichen und Europäischen Rechts für grenzüberschreitende Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünfte in Europa
§ 1 Altersvorsorge in der Ersten Säule
§ 2 Betriebliche Altersversorgung
§ 3 Zusätzliche private Altersversorgung
3. Teil: Grundfreiheiten und grenzüberschreitende Altersversorgungsaufwendungen und Alterseinkünfte
§ 1 Einführung: Der Einfluss der Grundfreiheiten auf das mitgliedstaatliche Steuerrecht
§ 2 Grenzüberschreitende Altersversorgung im Schutzbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit, Art. 45 AEUV ( ex-Art. 39 EG)
§ 3 Grenzüberschreitende Altersversorgung im Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV (ex-Art. 43 EG)
§ 4 Grenzüberschreitende Altersversorgung im Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV (ex-Art. 49 EG)
§ 5 Grenzüberschreitende Altersversorgung im Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 63 AEUV ( ex-Art. 56 EG)
§ 6 Grenzüberschreitende Altersversorgung und das Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 AEUV (ex-Art. 18 EG)
4. Teil: Die aus den Grundfreiheiten resultierenden Vorgaben für die steuerliche Behandlung von grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünfte
§ 1 Problemaufriss: Gibt es eine aus dem Primärrecht ableitbare zwingende oder vorzugswürdige Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften?
§ 2 Steuerliche Behandlung der grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen
§ 3 Steuerliche Behandlung der grenzüberschreitenden Alterseinkünfte
§ 4 Zulässigkeit von Wegzugssteuern auf Alterseinkünfte
5. Teil: Ausgestaltung einer europarechtskonformen Alterseinkünftebesteuerung unter Berücksichtigung des Internationalen Steuerrechts der Mitgliedstaaten
§ 1 Status quo in den europäischen Doppelbesteuerungsabkommen
§ 2 Vorschläge für eine Neukonzeption der Alterseinkünftebesteuerung unter besonderer Berücksichtigung des Abkommensrechts
6. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse
Stichwortverzeichnis
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Die Besteuerung grenzüberschreitender Altersversorgung in der EU
 9783504382933

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Richter Die Besteuerung grenzüberschreitender Altersversorgung in der EU

Rechtsordnung und Steuerwesen

Band 38 Schriftenreihe begründet von Brigitte Knobbe-Keuk herausgegeben von Wolfgang Schön und Rainer Hüttemann

Die Besteuerung grenzüberschreitender Altersversorgung in der EU

von

Dr. jur. Cornelia Richter

2010

Vertag Dr.OftoSchmidt

Köln

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abmfbar.

VerlagDr. Otto SchmidtKG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 0221/93738-01, Fax 0221/93738-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-64237-2

02010 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfihnungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Jan P. Lichtemord Druckund Verarbeitung: Betz, Darmstadt Printed in Germany

Geleitwort Zu dieser Schriftenreihe

Seit Brigitte Knobbe-Keuk im Jahre 1986 diese Schriftenreihe in der Nachfolge von Werner Flume begründet hat, sind mehr als 30 Bände erschienen, in deren thematischen Mittelpunkt die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Steuerrecht und der allgemeinen Rechtsordnung gestellt ist. Die Entwicklung der Reihe hat gezeigt, dass die vielfaltigen Verflechtungen des Steuerrechts mit anderen Rechtsgebieten den gewählten Zuschnitt eindrucksvoll gerechtfertigt haben. Die publizierten Arbeiten nehmen Bezüge zum allgemeinen Zivilrecht, zum Gesellschaftsrecht, zum Bilanzrecht und zu den Wirtschaftswissenschaften ebenso in den Blick wie die Rahmenbedingungen des Verfassungsrechts, des Buroparechts und des Internationalen Rechts. Strafrechtliche Zusammenhänge unserer Steuerrechtsordnung werden ebenso beleuchtet wie verfahrensrechtliche Implikationen der Besteuerungspraxis. Der Erkenntnis der Begründerin der Schriftenreihe, dass in den juristischen Fragestellungen aus dem Bereich des Steuerwesens Fragestellungen aus den Teilgebieten der allgemeinen Rechtsordnung zusammentreffen, muss besonders Nachdruck in einer Zeit verliehen werden, in der die innere Stabilität unserer Besteuerungsordnung in hohem Maße gefährdet ist und der Wunsch. aus der eigenen Systematik des Steuerrechts heraus feste Leitlinien für Rechtspolitik und Rechtsanwendung zu gewinnen, hinter den fiskalischen Zwängen der öffentlichen Hand und dem Gestaltungswillen der Steuerpolitik ilmner weiter zurücktritt. Die Verankerung des Steuerrechts in der allgemeinen Rechtsordnung dient daher auch den Anliegen der Rechtssicherheit und Rationalität unseres Steuerrechts. Darüber hinaus kann durch die Anlehnung an die der Privatautonomie verpflichtete Zivilrechtsordnung sowie durch die Verwirklichung verfassungsrechtlicher und europarechtlicher Freiheitsgewährungen dem Steuerwesen ein Stück rechtsstaatlicher Liberalität zurückgegeben werden. Die Herausgeber wünschen daher, dass die Schriftenreihe in ihrer Gesamtheit einen Beitrag zur Kultur unserer Steuerrechtsordnung zu leisten vermag. München und Osnabrück, im März 2004 Wolfgang Schön

Rainer Hüttemann

V

Geleitwort

Zu dieser Schrift

Seit die Problematik grenzüberschreitender Altersvorsorge mit den grundlegenden Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahre 1992 in den belgiseben Rechtssachen "Bachmann" und "Kommission ./. Belgien" die Bühne des Europarechts betrat, hat sie die Europäischen Institutionen, die Gesetzgeber der Mitgliedstaaten und den rechtswissenschattliche Diskurs nicht mehr losgelassen. Zuletzt hat der Gerichtshof im Jahre 2009 den deutschen Gesetzgeber aufgefordert, seine gesetzlichen Regelungen zur "Riester-Rente" den Ansprüchen des Europäischen Rechts anzupassen. Bei dieser Diskussion waren von vornherein zwei (miteinander verschränkte) Sachthemen im Blick: der diskriminierungsfreie Zugang ausländischer Versicherer zu nationalen Vergünstigungssystemen und die sachgerechte steuerliche Erfassung der grenzüberschreitenden Arbeit sowie des Wohnsitzwechsels von Arbeitnehmcm und Pensionären während und nach der Erwerbsphase ihres Lebens. Davon sind zwei zentrale Säulen des Europäischen Binnenmarktes berührt: die Dienstleistungsfreiheit der Versicherer und die Arbeitnehmerfreizügigkeit (sowie die allgemeine Bewegungsfreiheit) der Marktbürger. In ihrer grundlegenden Schrift zu diesem Zentralthema des europäischen Steuerrechts entfaltet Comelia Richter eindrucksvoll dessen vielfaltige rechtliche Dimensionen: in einem ersten Schritt die Anordnungen des europäischen Sozialrechts zu Versicherungspflicht und Versicherungsschutz bei grenzüberschreitender Arbeitnehmertätigkeit, in einem zweiten Schritt die Vorgaben des europäischen Versicherungsrechts zur Anerkennung grenzüberschreitender Leistungsangebote. Damit nicht genug: Auch die steuerpolitischen Grundentscheidungen des deutschen Rechts zwischen vor- und nachgelagerter Besteuerung der Altersvorsorge sowie die intemational-steuerrechtlichen Aufteilungsregeln der Doppelbesteuerungsabkommen bilden den Rahmen der europarechtlichen Würdigung. Hier zeigt sich auch das Hauptproblem für den deutschen Gesetzgeber. Mit dem sozial- und steuerpolitisch gewünschten Wechsel zur nachgelagerten Besteuerung einerseits und der Anerkennung des Wohnsitzprinzips für die Besteuerung von Rentenleistungen andererseits verliert der Tätigkeitsstaat des Arbeitnehmers bei grenzüberschreitenden Sachverhalten weitgehend den kohärenten Zugriff auf die Altersvorsorge des Steuerpflichtigen in der Aufbau- und Auszahlungsphase. Wie dieses Dilemma europarechtlich zu würdigen und gesetzespolitisch zu bewältigen ist, bildet den Gegenstand dieser Arbeit, deren Lektüre nicht nur dem Steuerwissenschaftler, sondcm auch den Fachleuten in Ministerien, intemationalen Organisationen, Untemehmen und Beratungsgesellschaften mit Nachdruck empfohlen werden kann. München. im Februar 2010

VI

Wolfgang Schön

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2008 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation angenommen. Sie entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Rechnungslegung und Steuern des Max-Planck-lnstituts ftir Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht in München. Für die Publikation wurde die Arbeit auf den Standper 1.12.2009 gebracht. Mein besonderer Dank gilt meinem hochverehrten akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Schön. Er hat die Arbeit nicht nur thematisch angeregt und als Doktorvater betreut, sondern mich seit meinem Studienbeginn an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn mit großem Wohlwollen gefördert. Es freut mich, auf seinen Vorschlag hin die Arbeit in der Schriftenreihe "Rechtsordnung und Steuerwesen" zu veröffentlichen. Herrn Prof. Dr. Ulrich Becker, LL.M. (EHI), danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Bei Herrn Prof. Dr. Rainer Hüttemann, Dip!.-Volksw., bedanke ich mich ftir die Zustimmung zur Aufnahme der Arbeit in diese Reihe. Weiterhin richtet sich mein Dank an die Kolleginnen und Kollegen am MaxPlanck-Institut ftir Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht, die mir während des Schreibens der Dissertation fachliche Diskussionspartner und gute Freunde waren. Auch Herr Dr. Michael Myßen, Bundesministerium der Finanzen, stand mir als stets hilfsbereiter Ansprechpartner zur Verfügung. Danken möchte ich dem Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht sowie dem Forschungsnetzwerk Alterssicherung der Deutschen Rentenversicherung Bund, die für die Drucklegung einen großzügigen Druckkostenzuschuss gewährt haben. Dem Lektorat des Verlags Dr. Otto Schmidt KG danke ich für die Betreuung bei der Veröffentlichung. Schließlich danke ich meiner Familie und meinen Freunden für alle Unterstützung, die sie mir während des Schreibens der Arbeit zuteil haben werden lassen. Insbesondere Frau Dr. Stephanie Brinster, Herr Benjamin Hartmann, LL.M. (EHI), Frau Marion Hornbach und Herr Dr. Sönke Lorenz haben die Phase des Schreibens und der Drucklegung moralisch und technisch begleitet. Frau Sibylle Walter hat die mühevolle Arbeit des Korrekturlesens auf sich genommen. Gewidmet ist die Arbeit meinen Eltern und meiner Schwester. Sie haben mich nicht nur in der Dissertationsphase, sondern während meines gesamten Studiums in jeder erdenklichen Form unterstützt.

Berlin, im Dezember 2009

Cornelia Richter

VII

Inhaltsübersicht Seite Geleitwort der Herausgeber .............................................................................. V Vorwmi ............................................................................................................ VII

Inhaltsverzeichnis ............................................................................................. XI Abkürzungsverzeichnis .............................................................................. XXIII Literaturverzeichnis .................................................................................. XXVII

1. Teil: Grundlegung und Eingrenzung des Themas ........................... 1 §I

Der Begriff Altersversorgw1g ................................................................. .4

§2

Das Entstehen von grenzüberschreitenden Altersvorsorgevorgängen ......................................................................... 9

§3

Grundmodelle der steuerlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften ............................. 13

§4

Gang der nachfolgenden Untersuchungen ............................................. l7

2. Teil: Rahmenbedingungen des nationalen, zwischenstaatlichen und Europäischen Rechts für grenzüberschreitende Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünfte in Europa .................................................................... 21 §1

Altersvorsorge in der Ersten Säule ........................................................ 21

§2

Betriebliche Altersversorgung ............................................................... 37

§3

Zusätzliche private Altersversorgung .................................................... 60

3. Teil: Grundfreiheiten und grenzüberschreitende Altersversorgungsaufwendungen und Alterseinkünfte .................... 61 §1

Einführung: Der Einfluss der Grundfreiheiten auf das mitgliedstaatliche Steuerrecht... ............................................................. 62

§2

Grenzüberschreitende Altersversorgung im Schutzbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit, Art. 45 AEUV (ex-Art. 39 EG) ................. 73

IX

Inhaltsübersicht

§3

Grenzüberschreitende Altersversorgung im Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV (ex-Art. 43 EG) ........................ 90

§4

Grenzüberschreitende Altersversorgung im Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV (ex-Art. 49 EG) ....................... 95

§5

Grenzüberschreitende Altersversorgung im Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 63 AEUV (ex-Art. 56 EG) ..................... 121

§6

Grenzüberschreitende Altersversorgung und das Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 AEUV (ex-Art. 18 EG) ..................... 141

4. Teil: Die aus den Grundfreiheiten resultierenden Vorgaben für die steuerliche Behandlung von grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünfte ......................... 149 §1

Problemaufriss: Gibt es eine aus dem Primärrecht ableitbare zwingende oder vorzugswürdige Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften? ......................... 149

§2

Steuerliche Behandlung der grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen .............................................................. 15 5

§3

Steuerliche Behandlung der grenzüberschreitenden Alterseinkünfte .................................................................................... 270

§4

Zulässigkeit von Wegzugssteuern auf Alterseinkünfte ........................ 285

5. Teil: Ausgestaltung einer europarechtskonformen Alterseinkünftebesteuerung unter Berücksichtigung des Internationalen Steuerrechts der Mitgliedstaaten ............................ 317 §1

Status quo in den europäischen Doppelbesteuerungsabkommen ........ 318

§2

Vorschläge für eine Neukonzeption der Alterseinkünftebesteuerung unter besonderer Berücksichtigung des Abkommensrechts ......................................................................... 323

6. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse ........................................ 369

Stichwortverzeichnis ...................................................................................... 375

X

Inhaltsverzeichnis Seite Geleitwort der Herausgeber ............................................................................... V Vorwort ........................................................................................................... VII Inhaltsübersicht ................................................................................................ IX Abkürzungsverzeichnis .............................................................................. XXI li Literaturverzeichnis .................................................................................. XXVII

1. Teil: Grundlegung und Eingrenzung des Themas .............................. 1

§1 I. II. III.

Der Begriff Altersversorgung ............................................................... .4 Die Erste Säule der Altersversorgung ...................................................... 6 Die Zweite Säule der Altersversorgung ................................................... 7 Die Dritte Säule der Altersversorgung ..................................................... 8

§2

Das Entstehen von grenzüberschreitenden Altersvorsorgevorgängen ...................................................................... 9

I.

Grenzüberschreitende Altersvorsorgevorgänge, die durch die Inanspruchnahme der Freizügigkeitsrechte des Vorsorgesparers bzw. -empfängers ausgelöst werden ........................................................ 9 1. Ausübung der Freizügigkeitsrechte in der Ansparphase ................... 9 2. Mobilität des Empfangcrs von Altcrseinkünften in der Auszahlungsphase ........................................................................... 12 Grenzüberschreitende Altersvorsorgcvorgänge, die durch die Wahrnehmung der Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit ausgelöst werden .................................................................................... 12

II.

§3

Grundmodelle der steuerlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften ........................ 13

I. III.

Vorgelagerte Besteuerung ...................................................................... 14 Nachgelagerte Besteuerung .................................................................... l5 Mischformen in den europäischen Steuerrechtsordnungen ................... 16

§4

Gang der nachfolgenden Untersuchungen ........................................ 17

ll.

2. Teil: Rahmenbedingungen des nationalen, zwischenstaatlichen und Europäischen Rechts für grenzüberschreitende Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünfte in Europa .......................................................................... 21

XI

Inhaltsverzeichnis

§1 I.

II. III.

§2 I.

II. III.

IV. V.

VI.

XII

Altersvorsorge in der Ersten Säule ..................................................... 21 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ........................................................................... 21 1. Anwartschaftsphase für Arbeitnehmer ............................................ 25 2. Leistungsphase für Arbeitnehmer ................................................... 26 3. Altersversorgung der Ersten Säule für Selbständige ....................... 28 4. Altersversorgung der Ersten Säule für Beamte ............................... 30 5. Exkurs: Ein einheitliches Sozialversicherungssystem tlir in der EU tätige Wanderarbeitnehmer? ............................................... 31 Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 ............................................................ 32 Richtlinie 2004/38/EG ........................................................................... 35 Betriebliche Altersversorgung ............................................................ 37 Fehlende Koordinierung im Recht der grenzüberschreitenden Betrieblichen Altersversorgung .............................................................. 37 Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft ............................................ 39 Richtlinie 98/49/EG zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche von Arbeitnehmern und Selbständigen, die innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu- und abwandern ............ .40 Richtlinie 2002/83/EG über Lebensversicherungen ............................. .42 Richtlinie 2003/41/EG über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung .................................................................................... 45 Das internationale Privatrecht der betrieblichen Altersversorgung ................................................................................... .4 7 1. Das Internationale Betriebsrentenrecht (Versorgungszusage) ...................................................................... .48 a) Das Internationale Arbeitsrecht in Europa: Rom-IVerordnung ............................................................................... 48 aa) Sachverhalt mit Auslandsbezug ..................................... .49 bb) Grundsätze des Internationalen Arbeitsrechts ................. 50 (1) Prinzip der Rechtswahl... .......................................... 50 (2) Bestimmung des objektiv anwendbaren Rechts ....................................................................... 52 b) Umfang des Versorgungsstatuts ............................................... 55 c) Zwingende Sondcranknüpfung ................................................ 55 2. Das anwendbare Recht für die Ausgestaltung der betrieblichen Versorgungsprodukte (Durchführung) ...................... 56 a) Das anwendbare Recht für die Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung durch Lebensversicherungen .............................................................. 57

Inhaltsverzeichnis

b)

§3

Das anwendbare Recht tlir die Ausgestaltung betrieblicher Versorgungsprodukte durch Pensionsfonds im weiten Sinne ................................................ 59

Zusätzliche private Altersversorgung ................................................ 60

3. Teil: Grundfreiheiten und grenzüberschreitende Altersversorgungsaufwendungen und Alterseinkünfte ...................... 61

§1 I.

II.

III. IV. V. VI.

VII.

§2

I.

II.

Einführung: Der Einfluss der Grundfreiheiten auf das mitgliedstaatliche Steuerrecht ............................................................. 62 Bindung des nationalen Steuergesetzgebers an das europäische Primärrecht ............................................................................................. 62 Keine inhaltlichen Vorgaben der Grundfreiheiten für die generelle Konzeption der mitgliedstaatliehen Steuerrechtsordnung ............................................................................... 63 Gleichheitsrechtliche und freiheitsrechtliche Wirkungsweise der Grundfreiheiten ...................................................................................... 61 Erfassung des lnbound- und des Outbound-Falles ................................ 65 Der relevante Vergleichsfall ................................................................... 65 Kein Verbot einer juristischen Doppelbesteuerung des grenzüberschreitenden Sachverhalts durch kumulierende Steueransprüchezweier Mitgliedstaaten ................................................ 67 Keine grundfreiheitliche Relevanz von Belastungsunterschieden zwischen den mitgliedstaatliehen Steuerrechtsordnungen ..................... 72 Grenzüberschreitende Altersversorgung im Schutzbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit, Art. 45 AEUV (ex-Art. 39 EG) ......................................................................................................... 73 Persönlicher Schutzbereich .................................................................... 73 I. Unselbständige Tätigkcit ................................................................. 73 2. Arbeitnehmerfreizügigkeit zugunsten entsandter und überlassener Arbeitnehmer .............................................................. 76 a) Arbeitnehmerentsendung im Schutzbereich von Art. 45 AEUV (ex-Art. 39 EG) ............................................................ 77 b) Arbeitnehmerüberlassung im Schutzbereich von Art. 45 AEUV (ex-Art. 39 EG) ....................................................... 80 3. Fortwirkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit in der Ruhestandsphase ............................................................................. 80 4. Arbeitnehmerfreizügigkeit als Korrelarrecht zugunsten des Arbeitgebers .................................................................................... 83 Sachlicher Schutzbereich ....................................................................... 85 1. Die Besteuerung von Altersversorgung im Herkunftsstaat.. ........... 85 2. Die Besteuerung von Altersversorgung im Tätigkeitsstaat.. ........... 87 XIII

Inhaltsverzeichnis

§3 I. Il. I! I.

IV.

§4 I.

II. lll.

IV.

V.

XIV

Grenzüberschreitende Altersversorgung im Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AE UV (ex-Art. 43 EG) ............. 90 Grundsätze .............................................................................................. 90 Niederlassungsfreiheit und Altcrsversorgung des Selbständigen im grenzüberschreitenden Fall ............................................................... 92 Altersversorgung des Personals als Korrelarrecht in Art. 49 AEUV (ex-Art. 43 EG) .......................................................................... 94 Fortwirkung von Art. 49 AEUV (cx-Art. 43 EG) in der Ruhestandsphase .................................................................................... 95 Grenzüberschreitende Altersversorgung im Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV (ex-Art. 49 EG) ............. 95 Grundsätze der Dienstleistungsfreiheit .................................................. 96 I. Schutzbereich der DienstleistungsfreiheiL .................................... 96 2. Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot.. ............................... 98 Altersversorgung des selbständig Erwerbstätigen und Art. 56 AEUV (ex-Art. 49 EG) ........................................................................ 101 Dienstleistungsfreiheit der externen Altersvorsorgeanbieter ............... ! 03 1. Private Anbieter von betrieblicher und privater Altersversorgung ........................................................................... ! 03 2. Mitgliedstaatliche Alterssicherungssysteme der Ersten Säule .............................................................................................. l06 a) Entgeltliche Tätigkeit ............................................................. ! 07 b) Gewinnerzielungsabsicht ....................................................... !! 0 c) Tätigkeit am Markt bei obligatorischer Mitgliedschaft ......... 111 d) Exkurs: Die Debatte um die Unternehmenseigenschaft von Sozialversicherungssystemen im Europäischen Kartellrecht ............................................................................. ll3 e) Ausschluss von Art. 56 AEUV (ex-Art. 49 EG) wegen Ausübung von öffentlicher Gewalt nach Art. 51 AEUV i.V.m. Art. 62 AEUV (ex-Art. 45 EG i.V.m. ex-Art. 55 EG) ......................................................................................... ll5 f) Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit durch steuerliche Regelungen? ........................................................ 116 g) Ergebnis .................................................................................... 116 Altersversorgung von Arbeitnehmern und Art. 56 AEUV ( exArt. 49 EG) ........................................................................................... 117 1. Beeinträchtigung von Art. 56 AEUV (ex-Art. 49 EG) bei nachteiligen Regelungen für Arbeitnehmer .................................. 117 2. Beeinträchtigung von Art. 56 AEUV (ex-Art. 49 EG) bei nachteiligen Regelungen ftir Arbeitgeber ..................................... 119 Dienstleistungsfreiheit als Korrelarrccht der Arbeitnehmer ................ 120

Inhaltsverzeichnis

§5 I.

Il.

§6 I.

II.

Grenzüberschreitende Altersversorgung im Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 63 AE UV (ex-Art. 56 EG) ......... 121 Schutzbereich ....................................................................................... 121 1. Sachlicher Schutzbereich .............................................................. 121 a) Altersversorgung als Kapitalverkehrsgeschäft ....................... 122 aa) Private Altersversorgung durch Kapitallebcnsund sonstige private Rentenversicherungen .................. 122 bb) Betriebliche Altersversorgung ....................................... 123 cc) Gesetzliche Altersversorgung ........................................ l25 b) Grenzüberschreitender Bezug ................................................ 127 2. Persönlicher Schutzbereich ........................................................... 127 3. Vcrpt1ichtcte der Kapitalverkehrsfrciheit... ................................... 128 4. Abgrenzung zu anderen Grundfreiheiten ...................................... 129 a) Abgrenzung zur Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV (ex-Art. 49 EG) ...................................................................... 129 aa) Verhältnis zwischen Kapitalverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit ................................................... 13 0 bb) Kapitalverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit im Bereich Altersversorgung .............................................. 132 cc) Die persönlich Begünstigten bei einer parallelen Anwendung von Art. 56 AEUV (ex-Art. 49 EG) und Art. 63 AEUV (ex-Art. 56 EG) ............................... 133 dd) Ergebnis ......................................................................... 135 b) Abgrenzung zur Arbeitnehmerfreizügigkeit, Art. 45 AEUV (ex-Art. 39 EG) .......................................................... 135 c) Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV (ex-Art. 43 EG) ...................................................................... 136 Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot.. .................................... l38 1. Diskriminierungen ......................................................................... l38 2. Beschränkungen ............................................................................ 140 Grenzüberschreitende Altersversorgung und das Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 AEUV (ex-Art 18 EG) .................. 141 Schutzbereich ....................................................................................... 141 1. Sachlicher Schutzbereich .............................................................. 141 2. Persönlicher Schutzbereich ........................................................... 142 3. Verhältnis zu Art. 45 AEUV. Art. 49 AEUV und Art. 56 J\EUV (ex-J\rt. 39,43 und 49 EG) ............................................... 142 Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot ...................................... l44 1. Reichweite des allgemeinen Freizügigkeitsrechts ........................ 144 2. Diskriminierungsverbot in Art. 21 AEUV (ex-Art. 18 EG) .......... 146 3. Beschränkungsverbot in Art. 21 AEUV (ex-Art. 18 EG) ............. 14 7

XV

Inhaltsverzeichnis

4. Teil: Die aus den Grundfreiheiten resultierenden Vorgaben für die steuerliche Behandlung von grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünfte ............................ 149

§1

Problemaufriss: Gibt es eine aus dem Primärrecht ableitbare zwingende oder vorzugswürdige Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften? .................... 149

§2

Steuerliche Behandlung der grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen ........................................................... 155 Gleichbehandlung grenzüberschreitender Altersvorsorgeaufwendungen .............................................................. 155 1. Grenzüberschreitende Altersvorsorgeaufwendungen und vorgelagerte Besteuerung .............................................................. 156 2. Grenzüberschreitende Altersvorsorgeaufwendungen und nachgelagerte Besteuerung ........................................................... 158 a) Grundsatz der Gleichbehandlung: Steuerliche Abzugsfähigkeit ..................................................................... 159 b) Grenzen der steuerlichen G Ieichbehandlung ......................... 160 aa) Betragsmäßige Beschränkungen für die steuerliche Abzugsfähigkeit von Altersvorsorgeauf\vendungen ........................................ 161 bb) Fehlende Abzugsfähigkeit mangels eines einschlägigen nationalen Steuerabzugstatbestands für grenzüberschreitende Vorsorgeaufwendungen ........ 163 cc) Inhaltliche Anforderungen an die Vorsorgeträger und -produkte für die Abzugsfähigkeit der Vorsorgeaufwendungen ................................................. 16 7 (I) Anforderungen an die Träger bzw. Anbieter der Altersversorgung .............................................. 169 (2) Anforderungen an die Altersvorsorgeprodukte .......................................... 175 (i) Grundsatz: Steuersouveränität der Mitgliedstaaten ....................................................... 176 (ii) Anforderungen an EU-ausländische Altersvorsorgeprodukte der Ersten Säule ............... 17 6 (iii) Anforderungen an EU-ausländische Vorsorgeprodukte der Zweiten und Dritten Säule ....................................................................... 178 (iv) Exkurs: Die schwierige Behandlung des Dreiecksfalles ......................................................... 181 ( v) Generell: Interdependenz zwischen nationalem Steuerrecht und Recht der

1.

XVI

Inhaltsverzeichnis

c)

Altersversorgung im grenzüberschreitenden Fall .......................................................................... 184 dd) Steuerliche Vergünstigungen für obligatorische oder freiwillige Aufwendungcn ..................................... 186 ee) Steuerliche Behandlung von Arbeitgeberbeiträgen zur betrieblichen Altcrsversorgung ............................... 191 ff) Unterschiedlicher Umfang der steuerlichen Förderungaufgrund verschiedener Steuersätze ............ 192 gg) Ergebnis ......................................................................... 192 Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung grenzüberschreitender Altersvorsorgeaufwendungen ............ 193 aa) Die vom Gerichtshof grundsätzlich verworfenen Rechtfertigungsgründe .................................................. 196 (I) Fehlende Harmonisierung des Steuerrechts und des Rechts der Alterssicherung ....................... 196 (2) Vorteilsausgleich ..................................................... 197 (i) Innerstaatlicher Vorteilsausgleich tlir den Vorsorgesparer ........................................................ 198 (ii) Grenzüberschreitender Vorteilsausgleich unter Einbeziehung des Vorsorgeträgers ................ 199 (3) Verminderte Steuereinnahmen ............................... 203 (4) Erosion der Besteuerungsgrundlage ....................... 204 (5) Verwaltungstechnische Schwierigkeiten ................ 205 bb) Die vom Gerichtshof grundsätzlich anerkannten Rechtfertigungsgründe .................................................. 205 (1) Kohärenz der mitgliedstaatliehen Steuerrechtsordnung ............................................... 206 (i) Definition der Kohärenz und Anwendung bei der nachgelagerten Besteuerung von Alterseinkünften ..................................................... 207 (ii) Kohärenz- seit Wielockx eine bloße Leerformel? ............................................................ 21 0 (iii) Die Einbeziehung der DBA in die Kohärenzprüfung: kein freiwilliger und pauschaler Verzicht auf Kohärenz .......................... 213 (iv) Zwischenergebnis ................................................... 217 (v) Das Gebot einer kohärenten Alterseinkünftebesteuerung auch im Zuzugsfall ............................................................... 221 (vi) Auswirkungen der Manninen-Entscheidung .......... 228 (vii)Ergebnis .................................................................. 228 (2) Wirksamkeit steuerlicher Kontrollen und Gewährleistung des steuerlichen Zugriffs .............. 229

XVII

Inhaits verze i c Im i s

II.

§3 I. II. III.

XVIII

(3) Verhinderung von Steuermiss brauch. Steuerumgehung. Steuerflucht ............................... 233 (4) Funktionsfahigkeit der sozialen Sicherungssysteme ................................................. 23 5 ( 5) Schutz des Altersvorsorgesparers ........................... 241 d) Ergebnis .................................................................................. 244 Unterscheidung zwischen beschränkt und unbeschränkt steuerpflichtigen Vorsorgesparern ........................................................ 245 1. Die Schumacker-Rechtsprechung ................................................. 245 2. Schumacker-Rechtsprechung und Alterseinkünftebesteuerung .......................................................... 24 7 3. Probleme der Schumacker-Grundsätze bei Altersvorsorgeaufwendungen ....................................................... 248 a) Allgemein: Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten .......... 249 b) Konkrete Anwendung der Schumacker-Formel auf Altersversorgung von beschränkt Steuerpflichtigen .............. 253 aa) Hinreichend wirtschaftlicher Zusammenhang der Altersvorsorgeaufwendungen zu lnlandseinkünft:en? ........................................................ 253 bb) Gleichartige wirtschaftliche Belastung des beschränkt Steuerpflichtigen ......................................... 255 4. Unabgestimmte Anwendung der Schumacker-Grundsätze bei Tätigkeits- und Wohnsitzstaat ................................................. 259 5. Zuständigkeit bei Einkünften aus mehreren Staaten ..................... 263 6. Vorschlag für eine proratarische Berücksichtigung der personenbezogenen Steuervergünstigungen im Tätigkeitsstaat ............................................................................... 266

Steuerliche Behandlung der grenzüberschreitenden Alterseinkünfte ................................................................................... 270 Grundsätzliche Neutralität des europäischen Primärrechts gegenüber dem Abkommensrecht zwischen den Mitgliedstaaten ....... 270 Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot bei der Durchführung der Alterseinkünftebesteuerung .................................... 27 4 Durchführung der Besteuerungsrechte an Alterseinkünften unabhängig von der steuerlichen Behandlung der zugrunde liegenden Altersvorsorgeaufwendungen in der Ansparphase .............. 276 1. Nachgelagerte Besteuerung von Alterseinkünften unabhängig von der steuerlichen Behandlung der Altersvorsorgeaufwendungen in der Ansparphase ........................ 277 2. Kein grundfreiheitliches Gebot zur Einmalbesteuerung von Alterseinkünften in Mitgliedstaaten der vorgelagerten Besteuerung ................................................................................... 283

Inhaltsverzeichnis

3.

§4 l.

II.

III.

Ergebnis ......................................................................................... 285

Zulässigkeif von Wegzugssteuern auf Alterseinkünfte ................... 285 Beschränkende Wirkung von Wegzugssteuern .................................... 289 I. Der relevante Vergleichsfall und -zeitpunkt ................................. 290 2. Beschränkung auch bei Stundung/bloßer Festsetzung der Wegzugssteuer im Wegzugszeitpunkt ........................................... 292 Rechtfertigung von Wegzugssteuern .................................................... 297 1. Vermeidung von Steuermissbrauch und Steuerflucht ................... 298 2. Funktionstahigkeit des nationalen Steuersystems, Vermeidung der Aushöhlung des nationalen Steueranspruchs ............................................................................. 300 3. Kohärenz der Alterseinkünftebesteuerung .................................... 300 a) Grundsätze der Kohärenz in Bezug auf Wegzugssteuern ...................................................................... 30 I b) Kohärenzanforderungen im Wegzugsfall... ............................ 302 c) Kohärenzanforderungen im Zuzugsfall ................................. 303 d) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz .............................................. 305 e) Kohärenz und die territoriale Aufteilung von Besteuerungsbefugnissen an Alterseinkünften ...................... 307 aa) Urteil in der Rechtssache ..N" ....................................... 307 bb) Übertragung auf Wegzugssteuern auf Alterseinkünfte .............................................................. 308 cc) Wegzugssteuern als Verstoß gegen die bilaterale Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse ........................ 312 Exkurs: Die abkommensrechtliche Zulässigkeit von Wegzugssteuern .................................................................................... 313

5. Teil: Ausgestaltung einer europarechtskonformen Alterseinkünftebesteuerung unter Berücksichtigung des Internationalen Steuerrechts der Mitgliedstaaten .............................. 317

§1 I.

ll.

§2

I.

Status quo in den europäischen Doppelbesteuerungsabkommen ........................................................ 318 Steuerliche Behandlung von grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen .............................................................. 318 Steuerliche Behandlung von Alterseinkünften ..................................... 320 Vorschläge für eine Neukonzeption der Alterseinkünftebesteuerung unter besonderer Berücksichtigung des Abkommensrechts ........................................ 323 Steuerliche Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen ................ 323

XIX

Inhaltsverzeichnis

l.

ll.

XX

Einklang zwischen Internationalen Sozialversicherungsrecht und Internationalem Besteuerungsrecht in der Ansparphase von Alterseinkünften ....... 323 2. Pauschale Unterscheidung zwischen Altersvorsorgeaufwendungen an inländischen und an EUausländische Vorsorgeträger .......................................................... 325 3. Lösungsvorschlag der OECD ........................................................ 327 a) Bilaterale Vereinbarung über die gegenseitige steuerliche Anerkennung von Altersvorsorgeaufwendungen ................................................ 327 b) Grenzen der gegenseitigen Anerkennung von Altersversorgung .................................................................... 329 c) Umfang der steuerlichen Anerkennung von Alterversorgung ...................................................................... 330 aa) Beschränkte Steuerpflicht... ........................................... 33l bb) Grenzüberschreitende Altersversorgung im ,.Dreiecksfall" ................................................................ 332 d) Ergebnis .................................................................................. 335 Steuerliche Behandlung der Alterseinkünfte ........................................ 337 I. Steuerliche Behandlung der Alterseinkünfte in Abhängigkeit von der steuerlichen Behandlung der zugrunde liegenden Altersvorsorgeaufwendungen ....................... 338 2. Limitierung des Steuerabzugs von Altcrsvorsorgeaufwcndungen. hälftige Sicherung der Besteuerung von Altcrseinkünften in der Auszahlungsphase ....... 348 3. Stärkung des Quellenstaatsprinzips bei der Besteuerung von Alterseinkünll:en ..................................................................... 349 a) Theoretische Grundlegung ..................................................... 352 b) Umsetzung aufunilateralem Wege ........................................ 354 aa) Unbeschränkte Steuerpt1icht ......................................... 355 bb) Beschränkte Steuerp±1icht. ............................................. 355 (I) Durchführung der neuen Alterseinkünftebesteuerung bei Gebietsansässigkeil der auszahlenden Versorgungseinrichtung .......................................... 3 56 (2) Durchführung der neuen Alterseinkünftebesteuerung bei fehlender Gebietsansässigkt~it der auszahlenden Versorgungseinrichtung .......................................... 357 c) Änderung der europäischen Doppelbesteuerungsabkommen ............................................. 359 d) Einordnung dieses Vorschlags in die grundsätzliche Diskussion im Internationalen Steuerrecht ............................ 362

Inhaltsverzeichnis

e)

4.

Probleme und oiTene Fragen bei einer Neukonzeption der Besteuerungsrechte an Alterseinkünften .......................... 364 aa) Berechnung der Alterseinkünfte .................................... 364 bb) Grenzüberschreitende Alterseinkünfte im Dreiecksfall ................................................................... 365 cc) Fälle außerhalb des Anwendungsbereichs eines DBA ............................................................................... 365 Verzinsliche Stundung der Steuern auf Altersvorsorgeaufwendungen ....................................................... 366

6. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse ............................................ 369 Stichwortverzcichnis ....................................................................................... 375

XXI

Abkürzungsverzeichnis a.A. ABI. EG Abi. EU AEUV AZ

anderer Ansicht Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Amtsblatt der Europäischen Union Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Aktenzeichen

BB BCI BetrAV BGBI. BR-Drucks. BStBI. BT-Drucks. Bull.Int.Tax. BVerfGE

Betriebsberater Benetits & Compensation International Betriebliche Altersversorgung Bundesgesetzblatt Drucksachen des Deutschen Bundesrats Bundessteuerblatt Drucksachen des Deutschen Bundestags Bulletin for International Taxation Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

CDFI CMLR

Cahiers de droit fiscal international Common Market Law Review

DB DBA DAV DRV DStJG DStR DStRE DStZ

Der Betrieb Doppelbesteuerungsabkommen Die Angestelltenversicherung Deutsche Rentenversicherung Veröffentlichungen der Deutschen Steuet:iuristischen Gesellschaft Deutsches Steuerrecht DStR Entscheidungsdienst Deutsche Steuer-Zeitung

EATLP EC TaxJ. EC Tax Rev. EG E. L. Rev. EU EuGRZ EuR Eur. Tax. EuZW

European Association ofTax Law Professors The EC Tax Journal EC Tax Review Vertrag über die Europäische Gemeinschaft European Law Review Vertrag über die Europäische Union Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europarecht European Taxation Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht XXIII

Abkürzungsverzeichnis

EWS

Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht

FR FS

Finanz-Rundschau Festschrift

GmbHR GS

GmbH-Rundschau Gedächtnisschrift

IFST-Schrift lnt. Tax Rev. i.V.m. IStR IWB

Schriftenreihe des Instituts ,.Finanzen und Steuern", Bonn International Tax Review in Verbindung mit Internationales Steuerrecht Internationale Wirtschaftsbriefe

JZ

Juristenzeitung

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

NJW NWB

Neue Juristische Wochenschrift Neue Wirtschaftsbriefe

ÖStZ

Österreichische Steuerzeitung

RabelsZ

Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Recht der internationalen Wirtschaft

EWG

RIW

Stbg. StuW SWI

Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts erster Instanz Die Steuerberatung Steuer und Wirtschaft Steuer & Wirtschaft International

Tax Notes lnt.

Tax NotesInternational

VR VSSR

Versicherungsrecht Vierteljahresschrift ftir Sozialrecht

ZESA

Zeitschrift für Europäisches Sozial- und Arbeitsrecht

Slg.

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

ZEUS ZIAS

Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für internationales und ausländisches Sozialrecht

Die mit ,.n. n. v." gekennzeichneten Entscheidungen des EuGH und Schlussanträge der Generalanwälte sind der Internet-Seite des EuGH (http://www.curia.eu) entnommen.

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Zuijdendorp, Bert, The N case: the European Court of Justice sheds further light on the admissibility of exit taxes but still leaves some questions unanswcred, EC Tax Review 2007, 5 fi.

XLVI

1. Teil: Grundlegung und Eingrenzung des Themas In der Vielzahl von Fragestellungen, die zur Besteuerung von Altersvorsorge derzeit diskutiert werden, nimmt die steuerliche Behandlung von Alterseinkünften im grenzüberschreitenden Fall in Europa eine besondere Stellung ein. Während im rein nationalen Kontext etwa erörtert wird, welche Grundform der Alterseinkünftebesteuerung 1 vorzugswürdig ist, in welchem Umfang steuerliche Regelungen als Anreiz zur Altersvorsorge dienen können bzw. müssen oder wie sich steuerrechtliche Vorschriften zu den übrigen Regelungen der Altersvorsorge, insbesondere zum Recht der sozialen Sicherheit, verhalten 2 , gelangen bei der europäischen Diskussion über die Besteuerung von grenzüberschreitenden Alterseinkünften andere Schwerpunkte in den Blick. Hierbei ist etwa relevant, in welchem Maße grenzüberschreitende Alterseinkünfte wie inländische Alterseinkünfte behandelt werden müssen, ob die nationalen Steuerrechtsordnungen zwischen unbeschränkt und beschränkt steuerpt1ichtigen VorsorgesparerD differenzieren dürfen oder wie eine angemessene Verteilung der Besteuerungsrechte an grenzüberschreitenden Alterseinkünften zwischen den Mitgliedstaaten erfolgen kann. Die Hauptfragen bei der Besteuerung grenzüberschreitender Alterseinkünfte in Europa stehen im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit. Es wird untersucht, inwieweit das Europäische Primärrecht3 auf die steuerliche Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altcrseinkünften einwirkt, sobald ein Altersvorsorgevorgang einen grenzüberschreitenden Bezug zu zwei Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufweist und daher unter den Anwendungsbereich des EU-Rechts fällt. Der Eint1uss, den die Arbeitnehmerfreizügigkeit gemäß Art. 45 AEUV (ex-Art. 39 EG), die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV (ex-Art. 43 EG), die Dienstleistungsfreiheit gemäß 56 AEUV (exArt. 49 EG), die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 (ex-Art. 56 EG) sowie die allgemeine Freizügigkeit der Unionsbürger gemäß Art. 21 AEUV (ex-Art. 18 EG) auf die mitgliedstaatliche Besteuerung von Altcrseinkünften haben,

2 3

Hierzu näher unter 1. Teil § 3. V gl. Höfer, Gutachten für den 65. Deutschen Juristentag, E 26 f. Der Untersuchung liegen die konsolidierten Fassungen des Vertrags über die Europäische Union (ABI. EU 2008 Nr. C 115/13 vom 9.5.2008) und des Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABI. EU 2008 Nr. C 155/47 vom 9.5.2008) zugrunde, wie sie sich nach den am 13. Dezember 2007 in Lissabon beschlossenen und am I. Dezember 2009 in Kraft getretenen Änderungen des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (ABI. EU Nr. C 30611 vom 17. Dezember 2007) ergeben. Soweit sich die zitierte Literatur und Rechtsprechung noch auf frühere Vertragsfassungen bezieht, werden inhaltliche Abweichungen gesondert gekennzeichnet.

Grundlegung und Eingrenzung des Themas

wird hierbei vorrangig anband der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Verhältnis der direkten Steuern der Mitgliedstaaten zum europäischen Primärrecht behandelt. In der Judikatur des Gerichtshofs finden sich inzwischen einige Entscheidungen, die konkret zu Fragen der grenzüberschreitenden Alterseinkünftebesteuerung. So betraf etwa die Bachmann-Entscheidung4, die als eine der ersten steuerrechtliehen Entscheidungen allgemein große Beachtung gefunden hat, die steuerliche Abzugsfahigkeit von grenzüberschreitenden Lebensversicherungsbeiträgen in Belgien. Zur so genannten zweiten Generation der Entscheidungen im direkten Steuerrecht5 gehören das Wielockx-Urteil 6 über die steuerliche Behandlung von freiwilligen Altersrücklagen in den Niederlanden sowie das Urteil in der Rechtssache Safir7, in dem schwedische Besteuerungsregelungen flir Lebensversicherungen auf dem Prüfstand waren. Auch in jüngster Zeit hat der Gerichtshof die grundfreiheitlichen Anforderungen an die Alterseinkünftebesteuerung weiter konkretisiert, wie die Entscheidungen Danner8 , Ramstedt9 , Turpeinen10, Kommission gegen Königreich Dänemark 11 sowie Kommission gegen Königreich Belgien 12 eindrücklich belegen. Jüngst ist mit dem Urteil zum deutschen § 95 EStG 13 auch über die europarechtliche Zulässigkeit von Wegzugssteuern auf Alterseinkünfte entschieden worden. Neben diesen speziell zur Alterseinkünftebesteuerung ergangenen Entscheidungen sind aber auch viele der derzeit allgemein diskutierten Problemkreise im Europäischen Steuerrecht für die nachfolgenden Untersuchungen relevant. So entspringen etwa die Diskussion über die primärrechtliche Zulässigkeit von Wegzugssteuern generell, die Frage nach einer Angleichung zwischen beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht in Europa oder auch die Problematik des so genannten Meistbegünstigungsgrundsatzes im Europäischen Steuerrecht an sich anderen Teilbereichen des direkten Steuerrechts. Dennoch sind die dafür entscheidenden Ansatzpunkte auch für die europäische Alters4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

2

EuGH vom 28.1.1992, Rs. C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, 1-249. Einteilung nach Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 385 ff, S. 480 ff. EuGH vom 11.8.1995, Rs. C-80/94 (Wielockx), Slg. 1995, l-2493. EuGH vom 28.4.1998, Rs. C-118/96 (Safir), Slg. 1998, l-1897. EuGH vom 3.10.2002, Rs. C-136/00 (Danner), Slg. 2002,1-8147. EuGH vom 26.6.2003, Rs. C-422/0 1 (Ramstedt), Slg. 2003, 1-6817. EuGH vom 9.11.2006, Rs. C-520/04 (Turpeinen), Slg. 2006, 1-10685. EuGH vom 30.1.2007. Rs. C-150/04 (Kommission gegen Königreich Dänemark), Slg. 2007,1-1163. EuGH vom 5.7.2007, Rs. C-522/04 (Kommission gegen Königreich Belgien), Slg. 2007, 1-5701. EuGH vom 10.9.2009, Rs. C-269/07 (Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland), DStR 2009, 1954.

Grundlegung und Eingrenzung des Themas

einkünftebesteuerung von Bedeutung. Daher werden im Folgenden auch die allgemeinen Fragestellungen im Europäischen Steuerrecht in einen konkreten Bezug zur Besteuerung von Alterseinkünften gestellt. Die Besteuerung von grenzüberschreitenden AltersvorsorgeaufWendungen und Alterseinkünften findet auch innerhalb der Europäischen Union nicht losgelöst von den Regelungsmechanismen statt, die das fnternationale Steuerrecht und dabei insbesondere das Recht der Doppelbesteuerungsabkommen flir die Besteuerung von Einkünften mit grenzüberschreitendem Bezug bereitstellt. Zwischen den europäischen Mitgliedstaaten besteht ein mittlerweile fast lückenloses Netz an bilateralen oder multilateralen Doppelbesteuerungsabkommen. In den einzelnen bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen sind zum Teil spezielle Verteilungsnormen flir die Besteuerung von grenzüberschreitenden Alterseinkünften verankert. Soweit auch nicht andere spezielle Abkommensnormen einschlägig sind, wird die allgemeine Auffangklausel flir andere Einkünfte auf Alterseinkünfte angewendet. Auf diese abkommensrechtlichen Verteilungsnormen ist im Folgenden nicht allein deshalb zurückzukommen. weil am Ende der vorliegenden Arbeit eine grundfreiheitskonforme Neuordnung der Alterseinkünftebesteuerung auf bilateraler Ebene vorgeschlagen wird. Der Einfluss, den das Internationale Steuerrecht einschließlich der bestehenden DBA-Verteilungsnormen auf die europäische Alterseinkünftebesteuerung hat, setzt bereits an früherer Stelle an. So ist flir die europarechtliche Überprüfung von einzelnen Besteuerungsregelungen unter anderem relevant, inwiefern die unilateralen Steuerregelungen eines Mitgliedstaats mit den bilateralen Verteilungsnormen der vorhandenen Doppelbesteuerungsabkommen kollidieren. Daneben wirken die Grundsatzfragen im Internationalen Steuerrecht auch für sich genommen auf die europäische Alterseinkünftebesteuerung und den Umfang dieser Arbeit ein. Die derzeitigen Tendenzen im Internationalen Steuerrecht, das Quellenstaatsprinzip zu stärken14 und damit die Besteuerung von grenzüberschreitenden Einkünften auch bilateral zugunsten des Quellenstaates neu zu ordnen, werden daher ebenso thematisiert wie Probleme der gegenseitigen Amtshilfe und des Informationsaustauschs in internationalen Steuerfällen. Die steuerliche Behandlung von AltersvorsorgeaufWendungen und Alterseinkünften ist nicht nur tlir den individuellen Altersvorsorgesparer, sondern auch flir dessen Arbeitgeber und den Anbieter der jeweiligen Altersvorsorgeform von Bedeutung. Im Mittelpunkt der folgenden Betrachtungen steht der einzelne Vorsorgesparer, der im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit oder aber aus privatem Anlass flir sein Alter vorsorgt. Hiermit eng verbunden ist die steuer-

14

Hierzujüngst nur Avi-Yonah, Bulletin for International Taxation 2008,471.

3

Grundlegung und Eingrenzung des Themas

liehe Behandlung von Vorsorgeaufvvendungen des Arbeitgebers, wenn dieser im Rahmen der gesetzlichen oder betrieblichen Altersvorsorge Altersvorsorgeaufwendungen leistet. Daher wird nachfolgend auch behandelt, inwiefern das Europarecht die steuerliche Behandlung dieser Beiträge beim Arbeitgeber beeinflusst. Ausgenommen bleiben hingegen alle Fragen des Steuerrechts, die die Sozialversicherungsträger oder die externen, privatrechtlich organisierten Anbieter von betrieblicher oder privater Altersvorsorge betret1en. Zwar beeinflusst auch die steuerliche Behandlung der Vorsorgeeinrichtung das steuerliche Gesamtergebnis und die Vorsorgesituation des einzelnen Vorsorgesparcrs. Da es sich hierbei dennoch um Spezialfragen mit anderen Schwerpunkten handelt, bleiben sie im Folgenden ausgeklammert.

§ 1 Der Begriff Altersversorgung Zunächst soll der Begriff Altersversorgung, der den nachfolgenden Untersuchungen zugrunde liegt, definiert werden. Eine europaweit gültiger BegriiT Altersversorgung lässt sich weder aus dem europäischen Primärrecht ableiten noch im Wege eines detaillierten Rechtsvergleichs zwischen den einzelnen mitgliedstaatliehen Rechtsordnungen ermitteln. Die mitgliedstaatliehen Alterssicherungssysteme und die darin vorhandenen Altersvorsorgeprodukte sind so unterschiedlich wie die nationalen Steuerrechtsordnungen ausgestaltet. Dementsprechend kann es in einer Untersuchung über die europarechtlichen Vorgaben ftir die steuerliche Behandlung von grenzüberschreitender Altersversorgung in der Europäischen Union von vornherein auch nicht darum gehen, auf die einzelnen Formen der Alterssicherung in den Mitgliedstaaten näher einzugehen. Vielmehr muss ein abstrakter Begriff von Altersversorgung zugrunde gelegt werden, unter den möglichst viele Formen von anerkannter Alterssicherung in den Mitgliedstaaten fallen. In allen europäischen Mitgliedstaaten kann der einzelne Vorsorgesparer mit zahlreichen Investitionen und sonstigen vermögensbildenden Maßnahmen dafür sorgen, dass er im Alter über einen angemessenen Lebensunterhalt verfügt. Es gibt dennoch spezifische Kriterien. anhand derer die Mitgliedstaaten gewisse vermögensbildende Maßnahmen in besonderer Weise als Altersversorgung anerkennen und dementsprechend auch steuerlich gesondert regeln. Trotz aller Unterschiede zwischen den mitgliedstaatliehen Alterssicherungssystemen wird Altersvorsorge typischerweise dahin definiert, dass die Versorgungsleistungen mit dem Erreichen eines gewissen Altcrs 15 gewährt werden und in spezifischer

15

4

Auf die Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung wird im Folgenden nicht näher eingegangen. Die mitgliedstaatliehen Alterssicherungssysteme sind auch in dieser Hin-

Der Begriff Altersversorgung

Weise zum Lebensunterhalt des Einzelnen beitragen. 16 Private Sparfonnen, die in keinem Zusammenhang zum Versorgungsfall Alter stehen 17 , fallen aus diesem Begriff der Altersversorgung ebenso heraus wie allgemeine Maßnahmen zur Vermögensbildung, die zwar die spezifischen Altersvorsorgezwecke erfüllen können, aber nicht zwangsläufig daran ausgerichtet sind. 18 Auch die steuerlichen Vorschriften, die in den Mitgliedstaaten für Altersversorgung bestehen, knüpfen hauptsächlich an die eben genannten Kriterien an. Demzufolge wird für die Zwecke der vorliegenden Arbeit darauf abgestellt, dass Altcrsversorgung als spezifische Leistung bei Eintritt des Versorgungsfalles Alter ausgezahlt wird und dem Lebensunterhalt des Empfangcrs dient. Für diesen Begriff der Altersversorgung ist es unerheblich, wie sich die einzelnen mitgliedstaatliehen Altersvorsorgeprodukte finanzieren oder in welcher Form die Versorgungsleistungen im Versorgungsfall ausgezahlt werden. Es bleibt mithin flir die nachfolgenden Untersuchungen grundsätzlich unerheblich, ob Altersversorgungsleistungen aus dem allgemeinen Steueraufkommen eines Staates, aus Altersvorsorgebeiträgen oder, wie bei der betrieblichen Altersversorgung in einigen Mitgliedstaaten der FalL durch steuerliche Rückstellungen in der Bilanz eines Unternehmens finanziert werden. Weiterhin wird ausgeblendet, ob bei der Finanzierung von Altersvorsorge durch AltersvorsorgeaufWendungen die Beiträge des einzelnen Vorsorgesparers konkret für die eigenen späteren Alterseinkünfte angespart werden (Kapitaldeckung) oder aber die laufenden Altersvorsorgeleistungen für die ältere Generation finanzieren (Umlageverfahren). Schließlich ist es für die europarechtlichen Fragen der Alterseinkünftebesteuerung nicht ausschlaggebend, ob die Alterseinkünfte als lebenslange Rente oder als einmaliger Kapitalbetrag ausgezahlt werden. In beiden Fällen ist das ausgezahlte Altersvorsorgekapital prinzipiell darauf gerichtet, den Lebensunterhalt des Empfängers abzusichcrn. 19 Auch wenn der Begriff Altersversorgung in den nachfolgenden Untersuchungen somit grundsätzlich in sehr abstrakter Weise verwandt wird, ist an einigen

16 17 18

19

sieht zu heterogen, um die Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung in die nachfolgenden steuerlichen Untersuchungen mit einzubeziehen. V gl. Höfer, Gutachten für den 65. Deutschen Juristentag, E II ff.; Steinmeyer, Gutachten ftir den 65. Deutschen Juristentag, F I 0 ff. Dies sind etwa Sparbücher oder Geldanlagen am Kapitalmarkt. Ein anschauliches Beispiel ftir eine Fonn der Vermögensbildung, die Altersvorsorgezwecken dienen kann, aber nicht zwangsläufig auf den Versorgungsfall Alter ausgerichtet ist, ist der Erwerb einer Wohnimmobilie. Die Anschaffung eines solchen dauerhaften Vermögenswertes stellt zwar auch im Alter einen relevanten Sicherheitsfaktor dar, ist aber dennoch nicht primär darauf ausgerichtet, den Lebensunterhalt in diesem Versorgungsfall abzusichern. Höfer, Gutachten für den 65. Deutschen Juristentag, E 23.

5

Grundlegung und Eingrenzung des Themas

Punkten nach Altcrsversorgung in der so genannten Ersten Säule, der Zweiten Säule oder der Dritten Säule zu differenzieren. Jedes mitgliedstaatliche Altcrssicherungssystem lässt sich nach dem so genannten Drei-Säulen-Modell untergliedem.20

I.

Die Erste Säule der Altersversorgung

Altersversorgung der so genannten Ersten Säule findet in allen europäischen Mitgliedstaaten durch staatliche Grundversorgungssysteme oder staatlich geregelte Sozialversicherungssysteme statt. 21 Europaweit ist die Erste Säule der Alterssicherung davon geprägt, dass sie häufig einheitlich für die Mehrheit der Bevölkerung organisiert ist. 22 fn einem sozialversicherungsrechtlichen Altersversorgungssystem der Ersten Säule beruht die im Alter ausgezahlte Rente auf den Rentenversicherungsbeiträgen, die der Einzelne in seinem Berufsleben an den Sozialversicherungsträger gezahlt hat. Dies gilt nicht nur für solche Rentcnversicherungssysteme, die im Wege der Kapitaldeckung 23 organisiert sind, sondern auch für staatliche Sozialversicherungssysteme, die im Umlageverfahren arbeiten und in denen daher die Rentenversicherungsbeiträge der jüngeren Generation die Rentenleistungen für die ältere Generation finanzieren. Auch in Systemen des Umlageverfahrens bemisst sich die Altersrente des Einzelnen individuell danach, welche Beiträge in welchem Zeitraum eingezahlt wurden. Die Bemessung der Rentenbeiträge richtet sich regelmäßig danach, wie hoch die jeweiligen sozialversicherungspf1ichtigen Einkünfte des Vorsorgesparers sind. Rentenversicherungssysteme sind daher von ihrem Leistungsumfang her prinzipiell darauf gerichtet, im Alter grundsätzlich den Lebensunterhalt abzusichern, den der Einzelne bereits in seinem Berufsleben innehatte. 24 Anders stellt sich die Situation in den Mitgliedstaaten dar, in denen die Altcrssicherung in der Ersten Säule durch eine staatliche Grundsicherung25 erfolgt. 20

21 22 23

24 25

6

Marshall/Butterworth, CML Rev. 3 7 (2000). 741; Rihm, Der supranationale Schutz von Anwartschaften aus ergänzenden betrieblichen Altersversorgungssystemen innerhalb der Europäischen Union, S. 18. Siehe hierzu auch näher Steinmeyer, Gutachten fiir den 65. Deutschen Juristentag, F. 27 f. Dürkop, Alterssicherung in der EQ S. 12. Rihm, Der supranationale Schutz von Anwartschaften aus ergänzenden betrieblichen Altersversorgungssystemen innerhalb der Europäischen Union, S. 18. Schweden ist ein Beispiel für ein kapitalgedecktes Alterssicherungssystem in der Ersten Säule, vgl. Henke, Investmentfonds in der privaten und betrieblichen Altersversorgung, S. 76. Hierzu näher ftir das deutsche Rentenversicherungssystem Birk, Altersvorsorge und Alterseinkünfte im Einkommcnstcuerrecht, S. 24 f. Im Vereinigten Königreich wird etwa eine staatliche Grundsicherungsrente gewährt.

Der Begriff Altersversorgung

Hier wird die Altersrente nicht durch Rentenbeiträge des Einzelnen, sondern aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert. Die Leistungen beschränken sich regelmäßig darauf, das Existenzminimum im Alter abzudecken. Gewöhnlich erhält jeder Einwohner die gleichen Leistungen unabhängig davon, ob und welcher der Höhe er steuerpt1ichtige Einkünfte im Berufsleben erzielt hat. Obwohl diese Systeme insofern vom Gedanken der Existenzsicherung geprägt sind, sind die ausgezahlten Renten als Leistungen der Alterssicherung und nicht als solche der Sozialhilfe einzuordnen. Denn die Gewährung der staatlichen Grundrente hängt nicht vom Vorliegen einer besonderen Bedürftigkeit ab, sondern wird jedem Einwohner ohne Berücksichtigung seiner konkreten Lebensumstände gewährt. Als Altersvorsorge der Ersten Säule gelten in vielen Mitgliedstaaten schließlich auch besondere berufsständische Versorgungssysteme, die die Grundversorgung von ausgewählten Bevölkerungsgruppen wie etwa Selbständigen absichern. Auch staatliche Pensionen, die Beamte im Ruhestand erhalten, stellen eine Form der Alterssicherung in der Ersten Säule dar. 20

II.

Die Zweite Säule der Altersversorgung

Zur so genannten Zweiten Säule der Alterssicherung gehören alle Formen von betrieblicher Zusatzversorgung. Diese Alterssicherungsmaßnahmen knüpfen in der Regel an ein bestehendes Beschäftigungsverhältnis an und stehen daher typischerweise Arbeitnehmern im weiten Sinne zur Vcrtl.igung. 27 Je nach Versorgungsgrad der Altcrssicherung in der Ersten haben betriebliche Altersvorsorgeformen in den mitgliedstaatliehen Alterssicherungssystemen einen unterschiedlichen Stellenwert. In den Mitgliedstaaten, in denen die Leistungen aus der Ersten Säule nur das Existenzminimum im Alter abdecken, sind betriebliche Zusatzversorgungen allgemein stärker verbreitet, zum Teil sogar obligatorisch. 28 Der betrieblichen Zusatzrente kommt hier eine wichtige Absicherungsfunktion zu. Gemeinsam mit der staatlichen Grundrente aus der Ersten Säule sind die Leistungen aus der betrieblichen Altersvorsorge darauf gerichtet den im Berufsleben erreich-

26 27 28

Steinmeyer, Gutachten für den 65. Deutschen Juristcntag. E II. Zur Gewährung von Betrieblicher Altersversorgung auch an Nicht-Arbeitnehmer vgl. Butt/er, Eintlihrung in die betriebliche Altersversorgung, S. I. Dies gilt etwa für Großbritannien, wo nur eine einkommensunabhängige Grundrente zur Vermeidung von Altersrente gewährt wird und die Erwerbstätigen im Übrigen in zusätzlichen Versorgungssystemen abgesicheii werden. Auch in Frankreich besteht eine obligatorische betriebliche Altersversorgung, die nach dem Umlageverfahren organisiert ist. V gl. Henke, Investmentfonds in der privaten und betrieblichen Altersversorgung, S. 78 ff, S. 93 f.

7

Grundlegung und Eingrenzung des Themas

ten Lebensstandard auch im Alter ungefahr zu halten. Dagegen haben Alterseinkünfte aus der Zweiten Säule eher eine ergänzende Funktion, wenn schon die Altersrente aus dem System der Ersten Säule darauf gerichtet ist, eine angemessene Absicherung im Alter sicherzustellen. In vielen Mitgliedstaaten mit beitragsbezogenen Rentenversicherungssystemen, die den individuellen Lebensstandard des einzelnen Vorsorgesparers grundsätzlich abdecken, stellt das Angebot von betrieblicher Zusatzversorgung daher weniger ein versorgungsrechtliches als vielmehr ein personalpolitisches Instrument flir die langfristige Mitarbeiterbindung dar. Betriebliche Zusatzversorgungen können durch externe Versorgungseinrichtungen wie etwa Pensionsfonds. Pensionskassen oder Direktversicherungen organisiert oder aber. wie in einigen Mitgliedstaaten der Fall, auch betriebsintern durch Rückstellungen des Arbeitgebers in Hinblick auf die später zu leistende Versorgungszahlungen finanziert werden. Bei der Einschaltung von externen Versorgungsanbietern zahlen der Arbeitgeber und/oder der Arbeitnehmer an den externen Versorgungsträger Beiträge. die für die Finanzierung der späteren Alterseinkünfte am Kapitalmarkt angelegt werden. Jeder betrieblichen Altersversorgung, die nicht im Rahmen der Entgeltumwandlung aus dem Arbeitseinkommen des Arbeitnehmers, sondern durch eigene Beiträge des Arbeitgebers finanziert wird, liegt eine Versorgungszusage des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer zugrunde. Diese kann individuell zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, betriebsbezogen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat oder kollektivvertraglich zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbart worden sein. 29

111.

Die Dritte Säule der Altersversorgung

Zur Dritten Säule der Alterssicherung gehören schließlich alle vermögensbildenden Maßnahmen, die der einzelne Vorsorgesparer individuell zur spezifischen Absicherung des Versorgungsfalles Alter vornimmt. Der Abschluss von privater Zusatzversorgung ist nicht daran gebunden. dass der Vorsorgesparer eine bestimmte berufliche Stellung innehat, also etwa als Arbeitnehmer beschäftigt ist oder selbständig tätigt ist. Vielmehr kann grundsätzlich jede Person zusätzlich auf privatem Wege tlir ihr Alter vorsorgen und die dafür erforderlichen Mittel aus dem allgemeinen Einkommen aufbringen. Die konkreten Durchfiihrungswege von privater Zusatzversorgung variieren in den einzelnen Mitgliedstaaten. Während in manchen Mitgliedstaaten neben privaten Rentenversicherungen vor allem gemischte Lebensversicherungen

29

Rihm, Der supranationale Schutz von Anwartschafteil aus ergänzenden betrieblichen Altersversorgungssystemen innerhalb der Europäischen Union, S. 18.

8

Das Entstehen von grenzüberschreitenden Altersvorsorgevorgängen

gewählt werden, die die angesparten Versorgungsleistungen bei Erreichen des Rentenalters an den Vorsorgenden auszahlen 30 , sind in anderen Mitgliedstaaten eher Investmentfonds oder spezielle Fonds flir die Altersvorsorge als Wege der privaten Zusatzvorsorge verbreitet31 • Auch solche Formen der privaten Altersvorsorge fallen unter die obige allgemeine Definition der Altersvorsorge. sobald die Auszahlung der Leistung in spezifischer Weise an den Eintritt des Versorgungsfalles Alter gekoppelt ist.

§ 2 Das Entstehen von grenzüberschreitenden Altersvorsorgevorgängen Grenzüberschreitende Altersvorsorgevorgänge in der Ersten, Zweiten und Dritten Säule gehen auf vielfältige Gestaltungen zurück. Für die vorliegende Arbeit, die speziell die primärrechtlichen Vorgaben für die Besteuerung von grenzüberschreitenden Altersvorsorgevorgängen untersucht, bietet sich eine Kategorisierung dieser fallgestaltungen danach an, auf welchen Entstehungsgrund der einzelne grenzüberschreitende Vorsorgevorgang zurückzufUhren ist.

I.

Grenzüberschreitende Altersvorsorgevorgänge, die durch die Inanspruchnahme der Freizügigkeitsrechte des Vorsorgesparers bzw. -empfangers ausgelöst werden

Zu der ersten Gruppe von grenzüberschreitenden Altersvorsorgevorgänge in der EU gehören alle Fälle, in denen der einzelne Vorsorgesparer entweder in der Ansparphase oder in der Auszahlungsphase der Alterseinkünfte sein europarechtlich verbürgtes Recht auf Personenfreizügigkeit ausübt und kurz- oder längerfristig in einen anderen Mitgliedstaat verzieht bzw. in einem anderen Mitgliedstaat berufstätig wird. Die Inanspruchnahme der Personenfreizügigkeit bewirkt in den meisten Fällen das Entstehen von grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen oder grenzüberschreitenden Alterseinkünften. 1.

Ausübung der Freizügigkeitsrechte in der Ansparphase

Die Fälle, in denen es schon in der Ansparphase zu grenzüberschreitenden Altersvorsorgevorgänge kommt, nehmen in der Europäischen Union beständig zu. Mehr und mehr Personen in Europa arbeiten im Laufe ihres Berufslebens in verschiedenen europäischen Mitgliedstaaten oder sind daher in einem anderen Staat als dem ihrer Berufstätigkeit ansässig. Häufig bewirkt ein berufliches

30 31

Vgl. Lowe. in: Cramer!Försler/Ruland (Hrsg.), Handbuch zur Altersversorgung, S. 252; Steinmeyer, Gutachten ftir den 65. Deutschen Juristentag, F 13. Vgl. Passow, in: Cramer/Förster/Ruland (Hrsg.), Handbuch zur Altersversorgung, S. 261, S. 269.

9

Grundlegung und Eingrenzung des Themas

Engagement im europäischen Ausland, dass der einzelne Vorsorgesparer jedenfalls zum Teil in den Zuständigkeitsbereich eines anderen mitgliedstaatliches Alterssicherungssystems fällt und dadurch grenzüberschreitende Altersvorsorge betreibt. Insbesondere in Bezug auf die Altersvorsorge der Ersten Säule tritt relativ zügig eine Verschiebung in das Rentenversicherungs- bzw. Altersgrundsicherungssystcm eines anderen Mitgliedstaates ein. Sobald ein Arbeitnehmer für einen gewissen Zeitraum für seinen inländischen Arbeitgeber oder für einen EU-ausländischen Arbeitgeber im EU-Ausland tätig wird, endet seine Zugehörigkeit zum Sozialsystem seines Heimatstaates. und er unterliegt dem System der sozialen Sicherheit im Tätigkeitsstaat. 32 Hingegen wird eine vom inländischen Arbeitgeber angebotene betriebliche Altcrsversorgung auch dann im Inland weiterlaufen, wenn der Arbeitnehmer zwar für eine längere Zeit im Ausland tätig wird, aber seine Rückkehr prinzipiell vorgesehen ist. Auch eine Lebensversicherung oder eine andere Form von privater Zusatzversorgung kann der Arbeitnehmer, der vorübergehend im EU-Ausland tätig wird, in seinem Heimatland fortführen, da es für solche Zusatzversorgungen regelmäßig unerheblich ist, wo er als Vorsorgesparer die erforderlichen Beitragszahlungen erwirtschaftet. Je länger jedoch die Berufstätigkeit im EU-Ausland andauert und je stärker dadurch auch insgesamt eine organisatorische Vert1cchtung mit dem Tätigkeitsstaat eintritt, umso eher verschiebt sich auch die Altersvorsorge des Einzelnen in Richtung des Tätigkeitsstaates. Eine Verlagerung von Altersvorsorgemaßnahmen in der Zweiten und Dritten Säule ist vor allem dann zu beobachten, wenn sich der Vorsorgesparer dauerhatl: in den Arbeitsmarkt eines anderen europäischen Mitgliedstaates integriert, beispielsweise eine Anstellung bei einem im EU-Ausland ansässigen Arbeitgeber annimmt. In diesen Fällen gliedert sich der Vorsorgesparer regelmäßig auch mit seiner Alterssicherung der Zweiten und Dritten Säule vollständig in das Alterssicherungssystem seines Tätigkeitsstaates ein. Je nach Fallgestaltung wird der Arbeitnehmer, der dauerhaft im EU-Ausland beruflich tätig wird. entweder auch seinen Wohnsitz ins europäische Ausland verlegen oder aber in seinem Herkuntl:sstaat ansässig bleiben, um als sogenannter Grenzpendler zwischen Wohnsitz- und Tätigkeitsstaat zu pendeln. Der Grenzpendler nimmt in vielerlei Hinsicht eine Sonderstellung im Recht der grenzüberschreitenden Altersversorgung ein. Durch seine berufliche Tätigkeit besteht zwar eine enge Beziehung zum Tätigkeitsstaat, was oftmals zur Durchführung von Altersvorsorgemaßnahmen nach dem Recht des Tätigkeitsstaates

32

10

Dazu näher unter 2. Teil § 1 I.

Das Entstehen von grenzüberschreitenden Altersvorsorgevorgängen

führt. In gleichem Maße ist der Grenzpendler durch den Wohnsitz aber auch in seinen Ansässigkeitsstaat eingegliedert, so dass die Altersvorsorge schwerpunktmäßig auch im Ansässigkeitsstaat stattfinden ka1m. Außerhalb der zwingenden Vorgaben des Europäischen Sozialrechts 33 ist es für den Grenzpendler häufig vor allem eine Gestaltungsfrage, ob seine Altersversorgung vorrangig im Tätigkeitsstaat oder im Wohnsitzstaat stattfindet. Auch eine Aufteilung dahingehend, dass ein Teil der Altersversorgung im Tätigkeitsstaat und ein Teil im Wohnsitzstaat statt findet, ist beim Grenzpendler prinzipiell denkbar. So wie dem Arbeitnehmer steht es auch dem Selbständigen offen, die primärrechtlich verbürgten Rechte auf eine Berufsausübung im EU-Ausland wam·zunehmen. Macht der Selbständige von diesen Rechten Gebrauch, kann sich je nach Dauer und Ausgestaltung seiner Auslandstätigkeit auch seine Altersvorsorge verschieben. Grenzüberschreitende Altersvorsorgevorgänge werden selten schon dam1 entstehen, wem1 der Selbständige nur kleinere Aufträge im europäischen Ausland annimmt und danach wieder in seinen Heimat- bzw. Ansässigkeitsstaat zurückkehrt. Dagegen ist eine stärkere Verlagerung der Altersvorsorge in Richtung des Tätigkeitsstaates anzunehmen, wenn der Selbständige für größere Aufträge längerfristig im EU-Ausland tätig wird. Ob hierbei auch der Betrieb ins EU-Ausland verlagert wird oder aber im Heimatstaat verbleibt, weil der Selbständige prinzipiell nach Abschluss seiner Tätigkeit in den Heimatstaat und den dortigen Markt zurückkehren möchte, ist für die Zuordnung des Selbständigen zum mitgliedstaatliehen Alterssicherungssystem regelmäßig irrelevant. Ausschlaggebend sind vielmehr Ort und Dauer der tatsächlichen Tätigkeit. 34 Strebt der Selbständige eine dauerhafte Tätigkeit in einem anderen europäischen Mitgliedstaat an und verlegt er deshalb auch seinen privaten Wohnsitz in diesen Mitgliedstaat, kommt es zu weiteren Konstellationen von grenzüberschreitenden Altersvorsorgevorgängen in allen drei Säulen der Alterssicherung. Schließlich sind auch bei Beamten und Angestellten im Öffentlichen Dienst grenzüberschreitende Altersvorsorgevorgänge denkbar. Auch diese Personen können während einer gewissen Zeit in einem anderen Mitgliedstaat tätig werden, ohne dass das Beamten- oder Angestelltenverhältnis mit dem inländischen Hoheitsträger endet. In diesen Fällen wird regelmäßig auch die Altersvorsorge im Staat der anstellenden Körperschaft verbleiben. Geben Beamte oder Angestellte im Öffentlichen Dienst ihre Arbeitsstelle im Inland hingegen vollständig auf, um sich dauerhaft in den Arbeitsmarkt eines anderen Mitgliedstaates zu integrieren, wird sich auch ihre Altersvorsorge regelmäßig in diesen anderen Mitgliedstaat verlagem. 33 34

Dazu näher unter 2. Teil § I I. Vgl. unter 2. Teil§ I I. 3.

II

Grundlegung und Eingrenzung des Themas

2.

Mobilität des Ernpfaugers von Alterseinkünften in der Auszahlungsphase

Die Fälle von grenzüberschreitenden Alterseinkünften, die sich auf die Ausübung der Personenfreizügigkeit erst in der Auszahlungsphase zurückführen lassen, sind typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass Empfänger und "Quelle" der Alterseinkünfte in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sind. Hier "überschreiten'' die Alterseinkünfte also bei der Auszahlung an den Empfänger die Grenze zwischen mindestens zwei Mitgliedstaaten, wodurch das Europarecht auch flir die steuerliche Behandlung dieser Alterseinkünfte Bedeutung erlangt. Derartige Fälle können zunächst beim so genannten Wanderarbeitnehmer bzw. ,.Wander-Selbständigen'· auftreten. Der Wanderarbeitnehmer ist während seines Berufslebens in verschiedenen Mitgliedstaaten tätig und zahlt daher Altersvorsorgeaufwendungen aller Art in verschiedene mitgliedstaatliche Alterssicherungsformen ein. Daher bezieht er im Alter Alterseinkünfte aus verschiedenen mitgliedstaatliehen Vorsorgesystemen, die aus Sicht des Staates. in dem der Wanderarbeitnehmer seinen Alterswohnsitz nimmt, grenzüberschreitenden Charakter haben. Aber auch der Unionsbürger, der während seines Berufslebens stets in einem Mitgliedstaat berufstätig war und auch nur bei Anbietern dieses Staates flir sein Alter vorgesorgt hat, löst einen Sachverhalt grenzüberschreitender Alterseinkünfte aus, wenn er sich im Ruhestand dazu entschließt, dauerhaft in einem anderen Mitgliedstaat ansässig zu werden. In den letzten .Jahren ist die Zahl von Unionsbürgern, die erstmals im Ruhestand von ihrer Personenfreizügigkeit Gebrauch machen und in einem anderen als ihrem Heimatstaat wohnhaft werden, signifikant gcstiegen. 15 In gewissem Umfang hat das Phänomen des so genannten "Mallorca-Rentners"' sogar erst dazu gcflihrt, dass die Fragen der europäischen Alterseinkünftebesteuerung in das Blickfeld der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union gerückt sind. Die Altcrscinkünfte. die der "Mallorca-Rentner'· aus EU-ausländischen Quellen erhält, stellen grenzüberschreitende Alterseinkünfte dar, die vom europäischen Primärrecht erfasst werden.

II.

Grenzüberschreitende Altersvorsorgevorgänge, die durch die Wahrnehmung der Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit ausgelöst werden

Zur zweiten Kategorie von grenzüberschreitenden Altersvorsorgevorgängen gehören die Fälle, in denen der Vorsorgesparer zwar nicht selbst in der Ansparader Auszahlungsphase mobil wird, aber mit Hilfe der Dienstleistungsfreiheit 35

12

Vierter Bericht über die Unionsbürgerschaft, KOM (2004) 695 vom 26.10.2004, S. 8.

Grundmodelle

zugunsten von im EU-Ausland ansässigen Altersvorsorgeanbietern sowie aufgrund der Kapitalverkehrsfreiheit grenzüberschreitend filr sein Alter vorsorgt. Die Dienstleistungsfreiheit gibt insbesondere den privatrechtlich organisierten Anbietern von betrieblicher und privater Altersvorsorge das Recht, ihre Altersvorsorgeprodukte auch in anderen europäischen Mitgliedstaaten anzubieten.36 Die Kapitalverkehrsfreiheit gewährt dem Vorsorgesparer ein eigenes Recht, bei im EU-Ausland ansässigen Versorgungseinrichtungen filr sein Alter vorzusorgen. 37 Schließt der Vorsorgesparer mit einem EU-ausländischen Vorsorgeanbieter einen Altersvorsorgevertrag ab, dann leistet er in der Ansparphase grenzüberschreitende Vorsorgeaufwendungen aus seinem Wohnsitz- oder Tätigkeitsstaat an den im europäischen Ausland ansässigen Vorsorgeanbieter. In der späteren Leistungsphase erhält er aus dem EU-Ausland grenzüberschreitende Alterseinkünfte. Die Gründe, die zur Altersvorsorge bei EU-ausländischen Anbietern fuhren, ohne dass sich der Vorsorgesparer hierbei selbst ins Ausland begibt, sind vielfältig. EU-ausländische Vorsorgeprodukte können zunächst lukrativer sein als inländische Angebote. Grenzüberschreitende Altersvorsorge entsteht aber etwa auch dann, wenn der Vorsorgesparer im Inland für einen im EU-Ausland ansässigen Arbeitgeber tätig wird und deshalb dem System eines EUausländischen Anbietcrs betrieblicher Altersvorsorge angeschlossen wird, den der Arbeitgeber ausgewählt hat. 38

§3

Grundmodelle der steuerlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften

Die europarechtlichen Anforderungen an die Besteuerung von grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften sind zunächst davon abhängig, wie Alterseinkünfte im rein nationalen Kontext eines Mitgliedstaates besteuert werden. Da das europäische Primärrecht vor allem die Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts gegenüber dem Inlandssachverhalt verbietet39 , knüpft es notwendigerweise an die Regelungen an, die in einem Mitgliedstaat tlir den Inlandsfall bestehen. Daher ist es für die europarechtlichen Fragen der Alterseinkünftebesteuerung unerlässlich, von den nationalen Steuerregelungen der Mitgliedstaaten auszugehen. Trotz der verschiedenen Einzelregelungen, die in den mitgliedstaatliehen Steuerrechtsordnungen mit Blick auf Alterseinkünfte existieren, lassen sich al-

36 37 38 39

Dazu näher unter 3. Teil § 4 111. Dazu näher unter 3. Teil § 5 I. Vgl. Tay/or, Tax Planning International Review 2003, 7. Dazu später unter 4. Teil § 2 I.

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Grundlegung und Eingrenzung des Themas

le mitgliedstaatliehen Steuersysteme tlir Altersversorgung unter einer stark vereinfachten Betrachtung einem der beiden Grundmodelle zuordnen, die flir die Alterseinkünftebesteuerung grundsätzlich existieren. Für die nachfolgenden Untersuchungen der europarechtlichen Anforderungen reicht es prinzipiell aus, zwischen diesen beiden Grundmodellen zu unterscheiden und die jeweiligen europarechtlichen Anforderungen in diesem Sinne abstrakt zu untersuchen. Dementsprechend wird im Folgenden nur dann auf konkrete Steuerregelungen einzelner Mitgliedstaaten näher eingegangen, wenn dies für besondere Ausführungen erforderlich ist.

I.

Vorgelagerte Besteuerung

Das Modell der vorgelagerten Besteucrung40 sieht vor, dass Altersvorsorgeaufwendungen aus dem versteuerten Einkommen geleistet werden müssen, der Vorsorgesparer seine Aufwendungen also nicht steuermindernd in der Ansparphase geltend machen kann. 41 Dieses Besteuerungsmodell beruht auf der Annahme, dass Altersvorsorge lediglich eine spezielle Form der Einkünfteverwendung darstellt und Altersvorsorgeaufwendungen daher keiner steuerlichen Berücksichtigung bedürfen. 42 Für die Besteuerung der Alterseinkünfte in der späteren Auszahlungsphase bestehen in diesem Modell zwei Altcrnativen. 43 Unter der Annahme, dass die ausgezahlten Alterseinkünfte nicht allein auf den bereits versteuerten Beiträgen beruhen, sondern auch einen Kapitalertrag enthalten, der aus dem angesammelten Vermögen im Laufe der Zeit entstanden ist kann jedenfalls dieser Ertragsanteil der Alterseinkünfte in der Auszahlungsphase besteuert werden. ohne dass sich der jeweilige Steuergesetzgeber dem Vorwurf einer juristischen Doppelbesteuerung von Einkünften aussetzt. Es bedarf allein spezieller Berechnungsmethoden und der Anwendung gewisser Pauschalierungen, um den steuerpt1ichtigen Kapitalertrag in den konkret ausgezahlten Renteneinkünften zu ermitteln. Anstelle der Ertragsanteilsbesteuerung kann ein Mitgliedstaat aber auch vollständig auf den steuerlichen Zugriff der Renteneinkünfte in der

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International hat sich als Kurzbezeichnung tlir ein Steuersystem der vorgelagerten Besteuerung von Alterseinkünften die Abkürzung .,TEE" eingebürgert. Söhn!Müller-Franken, StuW 2000, 442, 443. Vgl. Birk. Altersvorsorge und Alterseinkünfte im Einkommensteuerrecht, S. 2. Auch nach der Judikatur des deutschen Bundesverfassungsgerichts erwirbt der Vorsorgesparer mittels seiner Altersvorsorgeaufwendungen Vorsorgeanwartschaften, die als Grundlage der späteren Rentenzahlungen eine vermögenswerte Rechtsposition darstellen. Daher ist eine Abzugsfahigkeit der Vorsorgeaufwendungen grundsätzlich nicht geboten. Vgl. BVerfGE 53. 257, 290; BVerfGE 69, 272, 300. Hierzu näher auch Birk. Altersvorsorge und Alterseinkünfte im Einkommensteuerrecht, S. 14 ff. Söhn!Müller-Franken. StuW 2000, 442.443.

Grundmodelle

Auszahlungsphase verzichten. Die Entscheidung, Altersbezüge komplett steuerfrei zu lassen, kann mit einer bewusst gewährten Vergünstigung oder auch damit begründet werden, dass die Alterseinkünfte durch Altersvorsorgeauf:.. wendungen aus dem versteuerten Einkommen erwirtschaftet wurden, weshalb der Verzehr dieser Einkünfte in der Auszahlungsphase einkommensteuerrechtlich neutral sein müsse.

II.

Nachgelagerte Besteuerung

Die nachgelagerte Besteuerung44 von Alterseinkünften sieht vor, dass der Steuerpt1ichtige seine Altersvorsorgeaufwendungen in der Ansparphase steuermindernd geltend machen kann, diese Aufwendungen steuerfrei sind oder eine andere Form staatlicher Förderung gewährt wird. Die Begründung flir die steuerliche Berücksichtigung, Freistellung oder Förderung von AltersvorsorgeaufWendungen variiert je nach Ausgestaltung und Systematik des mitgliedstaatlichen Steuersystems. Zunächst kommt ein zwingender Abzug von Altcrsvorsorgeaufwendungen als Erwerbsaufwendungen in Betracht, wenn steuersystematisch darauf abgestellt wird. dass die AltersvorsorgeaufWendungen auf den Erwerb der späteren Renteneinkünfte gerichtet sind und daher vorweggenommene Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben darstellen. 45 Betrachtet man Altersvorsorgeaufwendungen dagegen als indisponible Ausgaben, die der allgemeinen Existenzsicherung im Alter dienen, liegt ein Steuerabzug im Rahmen von Sonderausgaben nahe. 4" Neben allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen, die für die steuerliche Berücksichtigung von AltersvorsorgeaufWendungen sprechen können 47 , bleibt es dem nationalen Steuergesetzgeber schließlich unbenommen, die steuermindernde Berücksichtigung von Altersvorsorgeaufwendungen oder deren sonstige Förderung auch allein aus allgemeinen Förderbzw. Lenkungsgründen anzuordnen. 48 Ein hoher Verbreitungsgrad von Altersvorsorge liegt prinzipiell im Interesse des staatlichen Gemeinwesens, da dadurch die Fälle von Altersarmut in denen staatliche Sozialhilfeleistungen zur Anwendung kommen. vermindert werden.

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48

Steuersysteme der nachgelagerten Alterseinkünftebesteuerung werden international durch die Bezeichnung "EET" gekennzeichnet. Söhn/Müller-Franken, StuW 2000. 442, 445. Söhn/Müller-Franken, StuW 2000, 442, 445 ff. So wird etwa in Frankreich der Steuerabzug von Vorsorgeaufwendungen auch deshalb gewährt, weil der Vorsorgesparer andernfalls seine Altersvorsorgeleistungen schon im Vorfeld besteuern müsste, bei einem Versterben vor dem Leistungseintritt die darauf beruhenden steuerfreien Alterseinkünfte aber niemals steuerfrei erhalten könnte. Vgl. Johson, in: lvfortensen (Hrsg.), Thc future ofpensions in the European Community, S. 143. V gl. MitteEsten Scheid, Reform der Altersbesteuerung, S. 4 7 f.

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Grundlegung und Eingrenzung des Themas

Der Vorteil, der durch die steuerliche Berücksichtigung, Freistellung oder sonstige Förderung der Altersvorsorgeaufwendungen in der Ansparphase entsteht, wird im System der nachgelagerten Besteuerung durch die vollständige Besteuerung der Alterseinkünfte in der späteren Auszahlungsphase ausgeglichen.49 Es ist eine Frage der konkreten Ausrichtung im nationalen Steuerrecht, ob Alterseinkünfte als gesonderte Einkunftsart oder etwa als Bezüge aus früherer Tätigkeit qualifiziert werden. ln der Regel ist die nachgelagerte Besteuerung von Alterseinkünften in einem System progressiver Steuersätze ftir den Steuerpflichtigen günstiger, da die Höhe der steuerpflichtigen Gesamteinkünfte im Alter regelmäßig abnimmt und insofern ein Progressionsvorteil eintritt. 5° Auch wegen der Verschiebung des Besteuerungszeitpunktes und der daraus resultierenden Möglichkeit. mit den Altersvorsorgeaufwendungen zusätzliche Renditen zu erwirtschaften, kommen die meisten finanzmathematischen Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass die nachgelagerte Besteuerung ftir den Steuerpt1ichtigen vorteilhaft ist. 51

111.

Mischformen in den europäischen Steuerrechtsordnungen

Nachdem auch die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2005 die nachgelagerte Besteuerung von Alterseinkünften der Ersten und Zweiten Säule eingeführt hat besteht dieses Modell der Alterseinkünftebesteuerung in der überwiegenden Zahljedenfalls der alten Mitgliedstaaten in der EU. Nur noch das Großherzogtum Luxemburg besteuert Altcrseinkünfte überwiegend vorgelagcrt.52 Aus dieser Entwicklung in Europa kann jedoch kein allgemeiner Trend zur nachgelagerten Besteuerung abgeleitet werden. Ein internationaler Vergleich zeigt vielmehr, dass noch etliche Staaten Alterseinkünfte vorgelagert besteuern. 53 Trotz der überwiegenden Grundsatzentscheidung, Alterseinkünfte nachgelagert zu besteuern, stellen sich nahezu alle mitgliedstaatliehen Steuerrechtsordnungen als mehr oder weniger ausgeprägte Mischformen der Besteuerung von Alterseinkünften dar. 54 Soweit es im Rahmen des jeweiligen nationalen Verfassungsrechts möglich ist, ditTerenziercn etliche Mitgliedstaaten zunächst zwischen den verschiedenen Säulen der Altcrssicherung. So wird beispiels49 50 51 52 53

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Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung. S. 45 f. Birk, Stu W 1999, 321, 324; Johnson, in: Marlensen (Hrsg.), Tbc future of pensions in the European Community, S. 133. Vgl. Dorenkamp. Nachgelagerte Besteuerung, S. 48 tf, S. 64 ffjeweils mwN. Vgl. Taylor, Tax Planning International Review 2003, 7, 8. So unterliegen beispielsweise die Social Security Benefits in den USA einer Form der Ertragsanteilsbesteuerung. Siehe Seago, Taxing Social Security Receipts as Private Pensions, Tax notes. November 2003, 785 f. Dürkop, Alterssicherung in der EG. S. 258; Gutmann. Eur. Tax. 2001, 10-S.

Gang der nachfolgenden Untersuchungen

weise nach einigen Steuerrechtsordnungen nur die Altcrssicherung der ersten und zweiten Säule nachgelagert besteuert, während private Altersvorsorge in der Dritten Säule dem Regime der vorgelagerten Besteuerung unterliegt. Auch innerhalb einer Säule der Alterssicherung kann zwischen den verschiedenen Vorsorgeformen unterschieden werden, so dass etwa nur gewisse Durchführungswege in der betrieblichen Altcrsversorgung vorgelagert besteuert werden, während für andere Formen von betrieblicher Altersvorsorge die nachgelagerte Besteuerung gilt. 55 Schließlich kann auch innerhalb eines bestimmten Vorsorgeprodukts danach unterschieden werden, wie der individuelle A11ersvorsorgevertrag ausgestaltet worden ist. So differenzieren einige Mitgliedstaaten in Hinblick auf den Auszahlungsmodus bei Alterseinkünften in der Dritten Säule etwa danach, ob die privaten A11erseinkünfte als lebenslange Rente ausgezahlt werden, die regulär nachgelagert zu versteuern ist, oder ob es sich um einmalige Kapitalauszahlungen handelt, die steuerlich begünstigt werden oder bis zu einer bestimmten Grenze sogar völlig steuerfrei sind. 56 Neben Unterscheidungen nach inhaltlichen Kriterien entstehen Mischformen der steuerlichen Behandlung von Alterseinkünften auch dadurch, dass viele Mitgliedstaaten betragsmäßige Begrenzungen für den Steuerabzug von Altcrsvorsorgeaufwendungen bzw. gewisse Freibeträge für grundsätzlich zu versteuernde Altersvorsorgeaufwendungen eingeführt haben. Staaten, die Alterseinkünfte grundsätzlich vorgelagert besteuern, lassen den steuerlichen Abzug von Altersvorsorgeaunvendungen mitunter bis zu einer gewissen Höhe dennoch zu, um gewisse steuerliche Anreize für die Vornahme von Alterssicherung zu geben. 57 Umgekehrt begrenzen einige Mitgliedstaaten der nachgelagerten Besteuerung den Steuerabzug für Altersvorsorgeaunvendungen auf eine gewisse Höhe, wodurch alle Aufwendungen, die der Einzelne darüber hinaus leistet, aus dem versteuerten Einkommen zu leisten sind.

§ 4 Gang der nachfolgenden Untersuchungen Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit war unter anderem die Mitteilung der Europäischen Kommission vom 19. April 2001 zur "Beseitigung der steuerlichen Hemmnisse für die grenzüberschreitende betriebliche Altersversor-

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Siehe etwa zur unterschiedlichen steuerlichen Behandlung von Betrieblicher Altersvorsorge in Deutschland bis zur Einfiihrung des Alterseinkünftegesetz Birk, StuW 1999, 321, 323 f sowie Söhn/Müller-Franken, StuW 2000. 442, 449. Vgl. Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses, Abi. vom 8.2.2002, C 36/53, S. 54; Gutmann, Eur. Tax. 2001. 10-S. Zur Verwischung der Ertragsanteilsbesteuerung bei Sozialversicherungsrenten in Deutschland bis 2004 siehe Mitteisten Scheid. Reform der Altersbesteuerung, S. 78 f.

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Grundlegung und Eingrcnzung des Themas

gung" 58 . Daher sollten ursprünglich allein die europarechtlichen Anforderungen an die Besteuerung von grenzüberschreitenden betrieblichen Alterseinkünften näher untersucht werden. Im Laufe der Bearbeitung hat sich jedoch herauskristallisiert, dass die Besteuerung grenzüberschreitender betrieblicher Altersversorgung nicht losgelöst von den Steuerfragen grenzüberschreitender Alterseinkünfte aus den beiden anderen Säulen behandelt werden kann. Viele der hier näher zu behandelnden Gesichtspunkte gelten sowohl für betriebliche als auch tlir gesetzliche und private Altersversorgung. Darüber hinaus besteht in jedem mitgliedstaatliehen Alterssicherungssystem eine enge Verknüpfung zwischen den drei Säulen der Altersvorsorge, die auch die steuerlichen Grundentscheidungen eines Mitgliedstaats erfasst. Auch deshalb wäre es eine unsachgemäße Verengung, die wesentlichen Fragestellungen bei grenzüberschreitender Altersvorsorge nur auf betriebliche Alterseinkünfte zu beschränken. Welche Vorgaben das europäische Primärrecht für die Besteuerung von grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften macht, wird nachfolgend in genereller Weise aufgezeigt. Es wird also nicht exemplarisch tlir eine Gruppe von mitgliedstaatliehen Steuerrechtsordnungen untersucht. ob deren Regelungen für grenzüberschreitende Altersvorsorgevorgänge europarechtskonform sind. Für eine solche Vorgehensweise bedürfte es zunächst eines umfassenden Rechtsvergleich der mitgliedstaatliehen Alterssicherungssysteme und der entsprechenden Steuerregelungen, was den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. 59 Daher werden vielmehr die grundsätzlichen Linien aufgezeigt, die sich ftir die Besteuerung grenzüberschreitender Altersvorsorge ergeben und die grundsätzlich für alle mitgliedstaatliehen Steuerrechtsordnungen gelten. Der zweite Teil der vorliegenden Arbeit ist den Rahmenbedingungen gewidmet, in denen grenzüberschreitende Altersversorgung in der Europäischen Union stattfindet. Diese Rahmenbedingungen sind ftir die Besteuerung grenzüberschreitender Altersvorsorgeaufu1endungen und Alterseinkünfte von großer Wichtigkeit. So wie im reinen Inlandsfall knüpfen auch im grenzüberschreitenden Sachverhalt die einzelnen Steuertatbestände häutig daran an, welche 58 59

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Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlamente und Wirtschaftund Sozialausschuss vom 19. April2001, KOM (2001) 214 endg. Es wird auf die zahlreichen rechtsvergleichenden Publikationen zu den mitgliedstaatliehen Alterssicherungssystemen und der steuerlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünflen verwiesen. Vgl. nur Dürkop, Alterssicherung in der EG (Darstellung der Alterssicherungssysteme in Großbritannien, Niederlande. Dänemark, Irland, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Luxemburg, Belgien); Schwarz, Sandra, Altersvorsorgebesteuerung in Deutschland, USA und Europa.

Gang der nachfolgenden Untersuchungen

sozialrechtlichen, arbeitsrechtlichen oder versicherungsvertragsrechtliehen Ausgestaltungen für den konkreten Vorsorgevorgang bestehen. Auch der Umfang zulässiger steuerlicher Differenzierungen im grenzüberschreitenden Sachverhalt bemisst sich häufig danach, wie sich inländische und grenzüberschreitende Altersversorgungsialle in sonstiger Weise voneinander unterscheiden. Neben dem Europäischen Sekundärrecht, das die sozialrechtliche, arbeitsrechtliche oder versicherungsvertragsrechtliche Dimension grenzüberschreitender Altersvorsorgevorgänge vollständig oder jedenfalls teilweise regelt, hat auch das Internationale Privatrecht Einnuss auf die Ausgestaltung grenzüberschreitender Altersversorgung. Im dritten Teil wird dargelegt, in welchem Umfang grenzüberschreitende Altersvorsorgevorgänge überhaupt unter den Schutzbereich der europäischen Grundfreiheiten sowie des allgemeinen Freizügigkeitsrechts aus Art. 21 AEUV (ex-Art. 18 EG) fallen. Hiervon hängt ab, in welchen Schutzdimensionen die Grundfreiheiten und das allgemeine Freizügigkeitsrecht auch die steuerliche Behandlung von grenzüberschreitender Altersversorgung erfassen. Im vierten Teil werden die konkreten Vorgaben erarbeitet, die sich aus dem europäischen Primärrecht für die steuerliche Behandlung von grenzüberschreitenden AltersvorsorgeaufWendungen und Alterseinkünften ableiten lassen. Dies erfolgt für beide Grundmodelle der Alterseinkünftebesteuerung. Dabei werden jeweils getrennt für das System der vorgelagerten und der nachgelagerten Besteuerung zunächst die europarechtlichcn Anforderungen an die steuerliche Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen in der Ansparphase betrachtet, um sodann die Besteuerung von Alterseinküntl.en in der Auszahlungsphase untereuroparechtlicher Perspektive zu erörtern. Im fünften Teil wird schließlich untersucht, wie sich die europarechtlichen Anforderungen an die Besteuerung grenzüberschreitender Altersversorgung stimmig in den internationalen Rahmen der Alterseinkünftebesteuerung einfügen lassen. Kern dieser Ausführungen ist ein Vorschlag, der auf die Neuordnung der Besteuerungsrechte an grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften in Europa gerichtet ist. Dieser Vorschlag trägt nicht allein den primärrechtlichen Anforderungen an die grenzüberschreitende Alterseinkünftebesteuerung Rechnung, sondern berücksichtigt auch die fiskalpolitischen Interessen der Mitgliedstaaten an grenzüberschreitender Altersversorgung. Wie noch näher auszuführen sein wird, haben sich nahezu alle europäischen Mitgliedstaaten in der Vergangenheit gegenüber den europarechtlichen Anforderungen an die Alterseinkünftebesteuerung verschlossen, weil sie den Verlust von Steuereinnahmen bei grenzüberschreitenden Altcrsvorsorgevorgängen befürchten. Ein auch rechtspolitisch tragfahiges Konzept für eine europarechtskonfonne Alterseinkünftebesteuerung in Europa muss daher neben den rechtlichen Anforderungen darauf eingehen, dass die mit-

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Grundlegung und Eingrenzung des Themas

gliedstaatliehen Fisci Steuereinnahmen aus grenzüberschreitenden Altersversorgungsfällen erzielen wollen.

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2. Teil: Rahmenbedingungen des nationalen, zwischenstaatlichen und Europäischen Rechts für grenzüberschreitende Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünfte in Europa Altersversorgung lässt sich nicht einem einzigen, klar abgrenzbaren Rechtsgebiet zuordnen, sondern stellt eine Querschnittsmaterie dar, in der vielfältige Rechtsgebiete aufeinander treffen. Die grenzüberschreitenden Sachverhalte von Altersversorgung in der Europäischen Union sind daher durch eine Vielzahl von Rahmenbedingungen geprägt, die auf nationaler, zwischenstaatlicher und Europäischer Ebene angesiedelt sind und sozialrcchtliche, arbeitsrechtliche, insolvenzrechtliche oder versicherungsrechtliche Aspekte betreffen. Im Folgenden werden die Rahmenbedingungen für grenzüberschreitende Altersversorgung erläutert, die den Umfang und die Ausgestaltung von grenzüberschreitender Altersversorgung prägen und deren steuerliche Behandlung beeinflussen.

§ 1 Altersvorsorge in der Ersten Säule I.

Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit

Bei einer grenzüberschreitenden Tätigkeit stellt sich mit Blick auf die Altersvorsorge der Ersten Säule vor allem die Frage, ob der Vorsorgesparer durch eine Auslandstätigkeit in den Anwendungsbereich eines anderen mitgliedstaatliehen Systems der sozialen Sicherheit fallt oder ob er seine gesetzliche Alterssicherung im sozialen Sicherungssystem des bisherigen Tätigkeits- bzw. Heimatstaates fortsetzen kann. Angesichts der dramatischen Finanzierungsengpässe, die in vielen mitgliedstaatliehen Sozialsystemen mittlerweile bestehen, mag sich der einzelne Vorsorgesparer auch unabhängig von einer grenzüberschreitenden Tätigkeit mitunter fragen, ob er in seinem bisherigen Sozialsystem verbleiben muss oder sich nicht um die Eingliederung in ein anderes mitgliedstaatliches System der sozialen Sicherheit mit einer besseren gesetzlichen Altersvorsorge bemühen kann. Für letztere Überlegungen besteht kein Raum nach dem Internationalen Recht der sozialen Sicherheit welches für die Altersvorsorge der Ersten Säule maßgeblich ist. Die Zugehörigkeit zu einem staatlichen System der sozialen Sicherheit und damit auch zu einem gesetzlichen Alterssicherungssystem steht nicht zur Disposition des Einzelnen. Vielmehr wird die Frage des anwendbaren Rechts grundsätzlich zunächst im nationalen Sozialrecht eines Staates geregelt, woraus sich die Reichweite der nationalen Sozialrechtsordnung ver21

Rahmenbedingungen des nationalen, zwischenstaatlichen und Europäischen Rechts

bindlieh ergibt. Hinzu kommen bilaterale Sozialversicherungsabkommen, die bei grenzüberschreitenden Sachverhalten die Kollision zweier Sozialrechtsordnungen aut1ösen. Innerhalb der Europäischen Union treten diese traditionellen Instrumente der internationalen Sozialrechtskoordination allerdings seit den siebziger Jahren in den Hintergrund. Die Koordinierung der Sozialsysteme innerhalb der Europäischen Union tindet rechtsverbindlich über das Instrument einer unmittelbar geltenden Verordnung statt. Hierbei war über dreißig Jahre die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 1 maßgeblich, die aufgrund Art. 42 EG erlassen wurde und wegen des Vorrangs und der unmittelbaren Wirkung einer europarechtlichen Verordnung die zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden Sozialversicherungsabkommen ebenso wie die nationalen Vorschriften des Internationalen Sozialrechts zurücktreten liess. 2 Nach zahlreichen Änderungen und Anpassungcn der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 haben das Europäische Parlament und der Rat im Jahr 2004 eine neue Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sichcrheit3 verabschiedet, die die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 in weitem Umfang ablöst4 • Inhaltlich ist die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 im Wesentlichen auf eine Vereinfachung und Aktualisierung der Regelungen gerichtet, die bislang in der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 enthalten waren. 5 Nach jahrelangen Verhandlungen wurde die Durchtlihrungsvcrordnung zur Festlcgung der einzelnen Modalitatcn im September 2009 verabschiedet 6, so dass das neue Regelwerk tlir die europäische Sozialrechtskoordinierung ab l. Mai 2010 7 gelten wird. In den folgenden Ausführungen wird es bereits zugrunde gelegt.

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Verordnung (EWG) Nr. 1408/7! des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- oder abwandern. Ab!. L Nr. !49 vom 5.7.197!. Schulte. in: Cramer!Förs/er/Ruland (Hrsg.). Handbuch zur Altersversorgung, S. !76, S. 192. Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, Abi. Nr. L !66 vom 30.4.2004. Tm Hinblick aufbestimmte Rechtsakte der Gemeinschaft und Abkommen. bei denen die Gemeinschaft Vertragspartei ist, bleibt die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 jedoch zur Wahrung von Rechtssicherheit in Kraft, vgl. Art. 90 Abs. I Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 sowie den 44. Erwägunggrund der Verordnung (EG) Nr. 883/2004. Vgl. den Überblick über die neue Verordnung bei Spiegel, ZlAS 2006, 85 ff. Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Abi. Nr. L 284 vom 30.10.2009. Vgl. Art. 91 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 i.V.m. Art. 97 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009.

Allcrsvorsorge in der Ersten Säule

In persönlicher Hinsicht gilt die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 gemäß Art. 2 Abs. 1 für alle Staatsangehörige eines Mitgliedstaates. Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat. für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebene.s Ihrem sachlichen Geltungsbereich nach erfasst die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 die typischen Bereiche der sozialen Absicherung und damit auch die Erste Säule der Alterssicherung. Art. 3 Abs. 1 lit c) bis lit e) der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zählen mit Leistungen bei Invalidität, Leistungen bei Alter sowie Leistungen an Hinterbliebene die typischen Komponenten der mitgliedstaatlichen Altersversorgungssysteme auf. Für den verordnungsrechtlichen BegritT der Altersvorsorge ist es irrelevant, wie das Alterssicherungssystem eines Mitgliedstaates konkret ausgestaltet ist. Nach Art. 3 Abs. 2 fallen unter die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 die allgemeinen und die besonderen Systeme der sozialen Sicherheit unabhängig davon, ob die Leistungen auf Beiträgen beruhen oder beitragsfrei allen Personen zur Verfügung stehen. Daher sind sowohl die mitgliedstaatliehen Rentenversicherungssysteme als auch die in einigen Mitgliedstaaten vorhandenen Altcrsgrundsicherungssysteme von der Verordnung erfasst. 9 Weiterhin ist es für die Anwendung der Verordnung (EG) 883/2004 unerheblich, ob sich ein mitgliedstaatliches Alterssicherungssystem an die gesamte Bevölkerung oder nur an gewisse Bevölkerungsgruppen richtet. Wichtig ist allein, dass es sich gerade um ein staatliches System der sozialen Sicherheit handelt, was typischerweise nur bei Alterssicherung der Ersten Säule gegeben ist. Durch die Einschränkung von Art. 3 Abs. 1 VO (EG) Nr.

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Die Vorgänger-Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 galt zunächst nur für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten, wurde mit der Verordnung (EG) Nr. 859/2003 zur Ausdehnung der Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 und der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 später aber auf Drittstaatsangehörige sowie deren Familienangehörige und Hinterbliebene erweitert, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 fielen und einen rechtmäßigen Wohnsitz in der Gemeinschaft hatten. Vgl. VO (EG) Nr. 859/2003 vom 14. Mai 2003, Abi. EG Nr. L 124, S. 1-3. Nunmehr fallen Drittstaatsangehörige sowie deren Familienangehörige und Hinterbliebene nicht unter die neue Verordnung (EG) Nr. 883/2004. Für sie bleibt vielmehr gemäß Art. 90 Abs. 1 Satz 2 lit a) der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 die Vorgänger-Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 in Kraft, soweit es um die Zwecke der Verordnung (EG) Nr. 859/2003 zur Ausdehnung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 und Verordnung (EWG) Nr. 574/72 auf Drittstaatsangehörige geht. Steinmeyer, in: Hanau/Steinmeyer/Wank (Hrsg.), Handbuch des europäischen Arbeitsund Sozialrcchts, § 21 Rn. 56, § 23 Rn. 165 zu dem insofern inhaltsgleichen Artikel 4 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71.

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Rahmenbedingungen des nationalen, zwischenstaatlichen und Europäischen Rechts

883/2004, wonach die Verordnung nur tl.ir alle Rcchtsvorschriften 10 über die entsprechenden Zweige der sozialen Sicherheit gilt, fallen die betriebliche und private Zusatzversorgung regelmäßig aus dem Anwendungsbereich der VO (EG) Nr. 883/2004 heraus. 11 Anders als noch in der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 erfasst die neue Verordnung gemäß Art. 3 Abs. 3 i.V.m. Art. 70 auch die mitgliedstaatliehen Systeme der Sozialhilfe und damit auch Grundsicherungssysteme, die der Sicherstellung des notwendigen Lebensbedarfs im Alter dienen. 12 Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 soll sicherstellen, dass Personen, die von ihrem Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht innerhalb der Europäischen Union Gebrauch machen, weder Nachteile noch Vorteile aus der Anwendung unterschiedlicher nationaler Rechtsordnungen haben. Datl.ir bedarf es Regelungen darüber, welche Sozialrechtsordnung bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt anwendbar ist. Indem die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 für jeden grenzüberschreitenden Fall festlegt, dass nur eine mitgliedstaatliche Sozialrechtsordnung zur Anwendung kommt, werden Soziallücken ebenso wie Doppelabsicherungen verhindert und grenzüberschreitend tätige Personen effektiv sozial abgesichert. 13 Begleitend ordnet die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 das Gebot der Gleichbehandlung aller EU-Staatsangehörigen in einem nationalen sozialen Sicherungssystem an. Endet die Zugehörigkeit zu einem mitgliedstaatlichen sozialen Sicherungssystem, etwa weil die Person in einem anderen Mitgliedstaat tätig wird, müssen die einmal erworbenen sozialrechtlichen Anwartschaften erhalten bleiben. Der Erwerb selbständiger und voneinander unabhängiger Sozialansprüche in unterschiedlichen mitgliedstaatliehen Sozial-

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Zu den Rechtsvorschriften im Sinne des inhaltsgleichen Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 gehörten die in den Mitgliedstaaten bestehenden und künftigen Gesetze. Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchfiihrungsvorschriften. Tarifvertragliche Regelungen fielen grundsätzlich auch dann nicht unter die Verordnung, wenn siekraHbehördlicher Entscheidung ftir allgemeinverbindlich erklärt worden waren, vgl. dazu Art. l j) der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71. Siehe dazu auch EuGH vom 30.6.1966, Rs. 61/65 (Vaasen-Göbbels), Slg. 1966. 584. Steinmeyer, in: Hanau/Steinmeyer!Wank (Hrsg.), Handbuch des europäischen Arbeitsund Sozial rechts, § 23 Rn. 192 zu Artikel 4 Abs. I der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71. Vgl. zum Ausschluss von Sozialhilfeleistungen Art. 4 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1408171 . Becker, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 42 Rn 13; Brechmann, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag. Art. 42 Rn. 15 ff; 1sensee, VSSR 1996. 169, 176; Steinmeyer, in: Hanau/Steinmeyer!Wank (Hrsg.), !·landbuch des europäischen Arbeits- und Sozialrcchts, § 21 Rn. I 04; ders., in: Hanau/Steinmeyer/Wank (llrsg.), Handbuch des europäischen Arbeits- und Sozialrechts, § 4 Rn. II. Jeweils zu der inhaltsgleichen Vorgängerregelung in der Verordnung (EWG) Nr. 1408171.

Altersvorsorge in der Ersten Säule

systemen wird ftir den grenzüberschreitend tätigen Vorsorgesparer schließlich dadurch erleichtert, dass Versicherungs- oder Wohnsitzzeiten in verschiedenen Mitgliedstaaten gegebenenfalls zusammenzurechnen sind. 14 1.

Anwartschaftsphase für Arbeitnehmer

In der Anwartschaftsphase von Altcrsvorsorge der Ersten Säule hängt es von der jeweils anwendbaren mitgliedstaatliehen Sozialrechtsordnung ab, ob und in welchem Umfang der grenzüberschreitend tätige Arbeitnehmer finanzielle Aufwendungen für seine späteren Alterseinkünfte aus der Ersten Säule leisten muss. Gehört er einem sozialversicherungsrechtlich ausgestalteten Rentenversicherungssystem an, zahlt er bereits während seines Berufslebens Rentenversicherungsbeiträge an den nationalen Rentenversicherungsträger und erwirbt dadurch Anwartschaften auf spätere Alterseinkünfte. Als Angehöriger eines mitgliedstaatliehen Sozialsystems. das eine beitragsfreie Mindestversorgung im Alter vorsieht, ist der Arbeitnehmer hingegen zu keiner besonderen Beitragsleistung während des Berufslebens verpflichtet, sondern trägt gegebenenfalls nur mit seinen Steuern, die er in dem entsprechenden Mitgliedstaat entrichtet, zur Finanzierung des Mindestsicherungssystems bei. In solchen Systemen bewirkt somit allein die Zugehörigkeit zu der allgemeinen mitgliedstaatlichen Sozialrechtsordnung. dass der Arbeitnehmer später auch eine Altersgrundrente aus dieser Sozialrechtsordnung beanspruchen kann. Nach Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 unterliegen Personen, ftir die die Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates. Die Kollisionsnorm des 11 Abs. 3 lit a) der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 unterwirft eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung ausübt, grundsätzlich den Rechtsvorschriften dieses Staates. Daher gilt ftir den grenzüberschreitend tätigen Arbeitnehmer auch nach der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 grundsätzlich die lex loci laboris. 15 Hierbei ist irrelevant, ob der Arbeitnehmer selbst im Tätigkeitsstaat oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist. Auch der Betriebssitz des Arbeitgebers ist nicht von Bedeutung. Das Beschäftigungslandprinzip kommt weiterhin grundsätzlich auch bei Grenzpendlern und Leiharbeitnehmern zur Anwendung. 16

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Devetzi, Die Kollisionsnonnen des Europäischen Sozialrcchts, S. 22 (noch zu Verordnung(EWG)Nr. 1408/71). Mit Hinweis auf die uneinheitlichen Kollisionsnormen der Verordnung (EWG) 1408/71 flir Erwerbstätige und Nichterwerbstätige schlug der Wissenschaftliche Beirat das Ansässigkeitsprinzip anstelle des Beschäftigungslandprinzips als Anknüpfungspunkt vor. V gl. Freizügigkeit und soziale Sicherung, Gutachten erstattet vom Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, S. 81. Dieser Ansatz der alten Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 wurde vom Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium der Finanzen bei Grenzpendlern kritisiert. Für den

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Rahmenbedingungen des nationalen, zwischenstaatlichen und Europäischen Rechts

Die allgemeine Kollisionsnorm des Art 11 Abs. 1 der Verordnung (EG) 883/2004 steht allerdings unter dem Vorbehalt speziellerer Regelungen in den Art. 12 bis 16 der Verordnung (EG) 883/2004. Wichtigste Ausnahmevorschrift ist Art. 12 Abs. 1 der Verordnung (EG) 883/2004. Danach unterliegt eine Person, die von ihrem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wird, weiterhin den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem sie gewöhnlich für Rechnung des Arbeitgebers tätig ist, solange die voraussichtliche Dauer der Entsendung vierundzwanzig Monate nicht überschreitet Während einer nur vorübergehenden Tätigkeit 17 in einem anderen Mitgliedstaat gilt somit weiterhin das Sozialsystem des Entsendestaates ( Sitzlandprinzip ). Daher leistet der Arbeitnehmer im Falle einer Entsendung aus einem sozialversicherungsrechtlich ausgeprägten Altersvorsorgesystems grenzüberschreitende Rentenbeiträge aus dem vorübergehenden Tätigkeitsstaat heraus an den Rentenversicherungsträger im Entsendestaat 18 Übt der Arbeitnehmer gewöhnlich eine Beschäftigung in mehreren Mitgliedstaaten gleichzeitig aus, ist nach Art. 13 Abs. 1 lit a) der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 das Sozialsystem des Wohnmitgliedstaates anwendbar, wenn dort ein wesentlicher Teil der Beschäftigung ausgeübt wird oder wenn die Person bei mehreren Unternehmen oder Arbeitgebern beschäftigt ist, die ihren Sitz oder Wohnsitz in verschiedenen Mitgliedstaaten haben. Wird der Arbeitnehmer hingegen für einen Arbeitgeber in mehreren Mitgliedstaaten, aber nicht wesentlich auch in seinem eigenen Wohnsitzstaat tätig, kommt das Sozialrecht des Mitgliedstaates zur Anwendung, in dessen Gebiet der Arbeitgeber seinen Sitz oder Wohnsitz hat, Art. 13 Abs. l lit b) der Verordnung (EG) Nr. 883/2004. 2.

Leistungsphase für Arbeitnehmer

Für die Leistungsphase von Alterseinkünften aus der Ersten Säule ist zunächst das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zu

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18

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Grenzpendler wurde eine Änderung zugunsten des Wohnsitzlandsprinzips präferiert. V gl. Freizügigkeit und soziale Sicherung, Gutachten erstattet vom Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, S. 25. Hierzu gehört auch die vorübergehende Entsendung als Lciharbeitnehmer, vgl. Nowak/Reiter, ZESAR 2005, 53, 55, 59 ff (zur grundsätzlich inhaltsgleichen Regelung in Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 ). Auch dann, wenn der Arbeitgeber weiterhin im Entsendestaat ansässig ist und bei der Auszahlung der Arbeitseinkünfte die geschuldeten Rentenversicherungsbeiträge automatisch zugunsten des inländischen Rentenversicherungsträgers abgezogen werden, sind die Rentenbeiträge des Arbeitnehmers in steuerlicher Betrachtung als grenzüberschreitende Rentenbeiträge anzusehen, da sie einer Tätigkeit in einem anderen Staat zugrunde liegen.

Altersvorsorge in der Ersten Säule

beachten. Hiernach haben Personen, die unter die Verordnung fallen, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Weder bei der Entstehung noch bei der Erftillung eines sozialen Leistungsanspruchs darf also darauf abgestellt werden, ob der Leistungsberechtigte auch Staatsangehöriger des jeweiligen Mitgliedstaates ist. 19 Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 verbietet weiterhin eine Diskriminierung aufrund des Ansässigkeitsort der anspruchsberechtigten Person. Ist ein Arbeitnehmer, der bei einem mitgliedstaatliehen Sozialträger Leistungsansprüche auf Alterseinkünfte aus der Ersten Säule erworben hat, später im EUAusland ansässig, etwa weil er im Ruhestand in seinen Heimatstaat zurückgekehrt ist, darf dies kein Grund ftir die Kürzung, Änderung, das Ruhen, den Entzug oder die Beschlagnahme der zu zahlenden Geldleistungen sein. Jeder mitgliedstaatliche Sozialträger muss seine Verpflichtung zur Erbringung von Sozialleistungen im grenzüberschreitenden Fall ebenso wie im Inlandsfall erftillen und die Leistungen an den im EU-Ausland ansässigen Berechtigten auszahlen (Prinzip des Leistungsexports). Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 regelt allgemein die Berechnung der grenzüberschreitend erworbenen Leistungen der sozialen Sicherheit. Bei Arbeitnehmern, die während ihres Berufslebens in verschiedenen Mitgliedstaaten berufstätig waren und daher in verschiedenen mitgliedstaatliehen Alterssicherungssystemen Anwartschaften auf Alterseinkünfte der Ersten Säule erworben haben, kann sich der Erwerb von Rentenanwartschafteil als schwierig erweisen, wenn das mitgliedstaatliche Alterssicherungssystem gewisse Mindestzeiten ftir den Erwerb, die Aufrechterhaltung, die Dauer oder das Wiederaufleben von Leistungsansprüchen vorsieht. Hierftir sieht Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ebenso wie die Vorgängerverordnung das Prinzip der Zusammenrechnung von verschiedenen Versicherungsleistungen vor. Danach sind die in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegten Versicherungszeiten wie solche im innerstaatlichen System zu behandeln, wenn der einzelne mitgliedstaatliche Träger der sozialen Sicherheit die bei ihm entstandenen Leistungsansprüche berechnet. Das Prinzip der Zusammenrechnung verhindert somit, dass der grenzüberschreitend tätige Arbeitnehmer einen Nachteil daraus erleidet, dass er in verschiedenen Mitgliedstaaten jeweils nur von kurzer Dauer tätig wurde. Die genaue Leistungsberechnung von grenzüberschreitenden Alters- und Hinterbliebenenrenten ist in den Art. 50 ff der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ge19

Steinmeyer, in: Hanau/Steinmeyer/Wank (Hrsg.), Handbuch des europäischen Arbeitsund Sozialrechts, § 4 Rn. 8 )zur inhaltsgleichen Regelung in Verordnung (EWG) Nr. 1408171).

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Rahmenbedingungen des nationalen, zwischenstaatlichen und Europäischen Rechts

regelt Auch wenn die mitgliedstaatliehen Träger der sozialen Sicherheit die in anderen Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten wie eigene Zeiten bei der Berechnung des Rentenanspruchs berücksichtigen müssen, wendet doch jeder mitgliedstaatliche Sozialträger grundsätzlich allein seine nationalen Rechtsvorschriften an, wenn er den konkret entstandenen Leistungsanspruch ermittelt 20 Bei der Berücksichtigung EU-ausländischer Versicherungszeiten erlaubt es Art 51 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004, in gewissem Umfang auch danach zu ditierenzieren, ob es sich bei dem EU-ausländischen System um ein allgemeines und ein Sondersystem der sozialen Sicherheit handelte. Eine sogenannte autonome Leistung aus einem mitgliedstaatliehen Altcrssicherungssystem wird gewährt, wenn der Arbeitnehmer die Voraussetzungen für den Leistungsanspruch bereits ausschließlich nach nationalem Recht erfüllt hat, Art. 52 Abs. 1 lit a) der Verordnung (EG) Nr. 883/2004. Andernfalls ergibt sich der Leistungsanspruch als sogenannte anteilige Leistung nach Art. 52 Abs. I lit b) der Verordnung (EG) Nr. 883/2004. Hier erfolgt die Berechnung in einem zweistufigen Verfahren. Zunächst wird gemäß Art 52 Abs. I lit b) i) der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 der theoretische Betrag ermittelt, auf den der Arbeitnehmer Anspruch hätte, wenn alle erforderlichen Versicherungsund/oder Wohnsitzzeiten im innerstaatlichen System zurückgelegt worden wären. Dieser Betrag wird sodann nach dem Verhältnis aufgeteilt, in dem die eigenen Zeiten zu sämtlichen mitgliedstaatliehen Versicherungszeiten innerhalb der EU stehen, Art. 52 Abs. I lit b) ii) der Verordnung (EG) Nr. 883/2004. Im Wege der sogenannten Proratisierung wird also der tatsächliche Betrag ermittelt, den ein grenzüberschreitend tätiger Arbeitnehmer aus einem mitgliedstaatlichen Alterssicherungssytem erhält Die tatsächliche Gesamtrente eines Wauderarbeitnehmers in der EU setzt sich im Ergebnis dann aus verschiedenen Teilrenten der einzelnen mitgliedstaatliehen Sozialsysteme zusammen. Der Arbeitnehmer bezieht aus verschiedenen mitgliedstaatliehen Alterssicherungssystemen einzelen Rentenanteile, die nach den dort geltenden Rechtsvorschriften ermittelt wurden und die konkret zurückgelegten Versicherungszeiten in demjeweiligen Mitgliedstaat abbilden. 21

3.

Altersversorgung der Ersten Säule für Selbständige

Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 bezieht wie die Vorgängerverordnung (EWG) Nr. 1408/71 auch die staatlichen Sicherungssysteme für selbständig Erwerbstätige in ihren Anwendungsbereich mit ein. Eine selbständige Erwerbstätigkeit ist gemäß Art 1 lit b) der Verordnung (EG) 883/2004 jede Tä-

20 21

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Steinmeyer, in: Hanau/Steinmeyer/Wank (Hrsg.), Handbuch des europäischen Arbeitsund Sozialrechts, § 4 Rn. 17. Devetzi, Die Kollisionsnonnen des Europäischen Sozialrechts, 99, 175 (noch zu den grundsätzlich inhaltsgleichen Regelungen der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 ).

Altersvorsorge in der Ersten Säule

tigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt. Zugunsten eines weiten Anwendungsbereichs der Verordnung ist auch hier ein sozialrechtlich geprägter weiter Selbständigenbegriff anzuwendcn. 22 Gemäß Art. 11 Abs. 3 lit a) der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 tallt der Selbständige mit seiner gesetzlichen Altersvorsorge der Ersten Säule in der Bcitragsphase unter das Recht des Staates, in dem er seine selbständige Tätigkeit ausübt. Das Tätigkeitslandprinzip beim Selbständigen entspricht dem Beschäftigungslandprinzip beim Arbeitnehmer. 23 Auch bei einer nur vorübergehenden Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat bleibt er in dem Mitgliedstaat sozialrechtlich abgesichert, in dem er seine selbständige Tätigkeit gewöhnlich ausübt, sofern die voraussichtliche Dauer der anderen Tätigkeit vierundzwanzig Monate nicht überschreitet, Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004. Bei einer gewöhnlichen Tätigkeit in mehreren Mitgliedstaaten unterliegt der Selbständige der Sozialrechtsordnung seines Wohnsitzstaates, wenn er in diesem den wesentlichen Teil seiner Tätigkeit nachgeht, ansonsten dem Recht des Mitgliedstaates. in dessen Gebiet sich der Mittelpunkt der Tätigkeiten befindet, Art. 13 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004. Im Fall einer gleichzeitigen Ausübung einer selbständigen und einer abhängigen Beschäftigung ist nach Art. 13 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 grundsätzlich die Anknüpfung an die abhängige Beschäftigung vorrangig. 24 In der Auszahlungsphase kommt es nach Art. 51 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 grundsätzlich auch bei Selbständigen zur Zusammenrechnung der Versicherungszeiten entsprechend der Vorgehensweise bei Arbeitnehmern. Allerdings ist in manchen Mitgliedstaaten die Selbständigenversorgung in separaten Systemen mit gewissen Besonderheiten geregelt. Auf diese Besonderheiten nimmt Art. 51 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Rücksicht. Wenn nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats die Gewährung bestimmter Leistungen davon abhängig ist, dass Versicherungszeiten ausschließlich in einem selbständigen Beruf zurückgelegt worden sind, für den ein Sondersystem der sozialen Absicherung besteht, so werden die nach den Rechtsvorschriften anderer Mitgliedstaaten zurückgelegten Zeiten nur dann berücksichtigt, wenn auch diese in einem entsprechenden System, oder, falls es in diesen anderen Mitgliedstaaten ein solches nicht gibt. in der gleichen selbständigen Erwerbs-

22 23 24

Steinmeyer, in: Hanau/Steinmeyer/Wank (Hrsg.), Handbuch des europäischen Arbeitsund Sozialrechts, § 21 Rn. 29 ff. Devetzi, Die Kollisionsnormen des Europäischen Sozialrechts, S. 42. Steinmeyer, in: Fuchs (Hrsg.). Kommentar zum Europäischen Sozialrecht, Art. 14d Rn. 1 (noch zur inhaltsgleichen Regelung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 ).

29

Rahmenbedingungen des nationalen, zwischenstaatlichen und Europäischen Rechts

tätigkeitzurückgelegt worden sind, Art. 51 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004. Erfüllt der Betreffende auch dann nicht die Anspruchsvoraussetzungen für die Leistungen, so werden seine Versicherungszeiten für die Gewährung von Leistungen des allgemeinen Systems oder, falls es ein solches nicht gibt, des Systems für Arbeiter bzw. für Angestellte berücksichtigt, Art. 51 Abs. 1 S. 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004. 4.

Altersversorgung der Ersten Säule für Beamte

Schließlich werden auch die beamtenrechtlichen Versorgungssyteme von der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 erfasst. 25 Gemäß Art. 1 lit d) der VO (EG) Nr. 883/2004 ist Beamter jede Person, die in dem Mitgliedstaat, dem die sie beschäftigende Verwaltungseinheit angehört, als Beamter oder diesem gleichgestellte Person gilt. Nach Art. 11 Abs. 3 lit b) der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 unterliegt ein Beamter den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, dem die ihn beschäftigende Verwaltungseinheit angehört. Für das Sozialrechtsstatut des Beamten ist somit stets der Sitz des Dienstherrn maßgeblich, und zwar auch dann, wenn der Beamte oder die ihm gleichgestellte Person zur Ausübung der Tätigkeit

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Die Beamten waren lange Zeit vom Anwendungsbereich der Vorgänger-Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 ausgenommen. Dies hielt den Europäischen Gerichtshof nicht davon ab, unter unmittelbarem Rückgriff auf das Freizügigkeitsgebot und dessen engen Zusammenhang mit der sozialen Sicherheit im grenzüberschreitenden Fall den Anwendungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 eigenmächtig auf die Beamtenversorgung zu erweitern. in dem Urteil zur Rechtssache Vougioukos, EuGH vom 22.1 1.1995, Rs C-443/93 (Vougioukas/IKA), Slg. 1995, Slg. I-4033, sahen die Richter in der fehlenden Sozialrechtskoordination für Beamte eine erhebliche Lücke in der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und bejahten eine Diskriminierung des grenzüberschreitend tätigen Beamten. Daher ordneten sie an, dass ausländische Beschäftigungszeiten in einem Sondersystem flir Beamte entsprechend den Grundsätzen der Verordnung (EWG) 1408/71 anzurechnen seien. Die Besonderheiten der Sicherungssysteme fLir Beamte, die ursprünglich der Grund flir einen Ausschluss von der Verordnung (EWG) 1408/71 waren, wurden vom EuGH nicht als hinreichender Rechtsfertigungsgrund dafiir angesehen, die beamtenrechtlichen Sondersysteme von einer gemeinschaftsweiten Koordination auszunehmen. Das Urteil wurde durch eine Erweiterung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 mittels der Verordnung (EG) Nr. 1606/98 vom 2.6.1998 umgesetzt, vgl. Verordnung (EG) Nr. 1606/98 vom 29.6.1998, Abl. EG vom 25.7.1998, Nr. L 209 S. 1. Die Vougioukas-Entscheidung wirft die Frage auf, inwieweit ein primärrechtliches Gebot zur Koordination von betrieblicher und privater Zusatzversorgung besteht. Der unmittelbare Freizügigkeitsbezug der Koordination von Altersversorgung in der Ersten Säule würde es möglicherweise rechtfertigen. auch die mitgliedstaatlichen Regelungen zur zweiten und dritten Säule der Alterssicherung gemeinschaftsweit zu koordinieren. Vgl. hierzu auch Steinmeyer, FS Krasney, S. 574.

Altersvorsorge in der Ersten Säule

kurzfristig oder auch dauerhaft in einen anderen Mitgliedstaat entsandt ist. 26 Eine Tätigkeit im EU-Ausland ändert beim Beamten also nicht die Zugehörigkeit zum Sozialsystem des Behördenstaates. Dieser Grundsatz wird auch durch Art. 13 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 bestätigt, wonach ein Beamter selbst dann den Rechtsvorschriften seines Behördenstaates unterliegt, wenn er parallel zu der Beamtentätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat eine abhängige Beschäftigung und/oder eine selbständige Tätigkeit ausübt. In der Leistungsphase erfolgt die Pensionsberechnung des Beamten gemäß Art. 60 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 grundsätzlich entsprechend der in Art. 6, 50, 51 Abs. 3 sowie Art. 52 bis 59 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 geregelten Prinzipien. Indes erlaubt Art. 60 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 den Mitgliedstaaten, in ihren nationalen Vorschriften die Zurücklegung aller Versicherungszeiten im jeweils nationalen System zu verlangen und diese Vorschriften auch anzuwenden. Kommt es dadurch zur Nichtberücksichtigung von fremdmitgliedstaatliehen Zeiten in einem Sondersystem für Beamte, sind die zurückgelegten Versicherungszeiten gemäß Art. 60 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 im allgemeinen System oder im System für Arbeiter bzw. für Angestellte zu berücksichtigen.

5.

Exkurs: Ein einheitliches Sozialversicherungssystem für in der EU tätige Wanderarbeitnehmer?

Auch wenn sich das System der Sozialrechtskoordination zwischen den europäischen Mitgliedstaaten grundsätzlich bewährt hat und eine effektive soziale Absicherung flir grenzüberschreitend tätige Personen gewährleistet, gibt es immer wieder Vorschläge, das bestehende Koordinierungssystem zugunsten eines einheitlichen sozialen Sachrechts für grenzüberschreitend tätige Personen aufzugeben. Diese Vorschläge werden auch mit der steuerlichen Problematik bei der grenzüberschreitenden Alterssicherung begründet. So wären etwa nach Pieters 27 die Probleme der grenzüberschreitenden Alterssicherung in der Ersten Säule am ehesten gelöst, wenn es für alle in der EU tätigen Wanderarbeitnehmer28 und die übrigen grenzüberschreitend tätigen Personen ein gesondertes, EU-weit geltendes System der sozialen Absicherung gäbe? 9 Der Wanderarbeitnehmer würde in ein EU-weit geltendes Sozialversicherungssystem gelangen und darin verbleiben, sobald er seinen Arbeitsplatz grenzüber-

26 27 28 29

Devetzi. Die Kollisionsnonnen des Europäischen Sozialrechts, S. 49. Pieters, ZlAS 1991, 85 ff. Dazu gehören alle Personen, die bei einer Wanderungsbewegung aus einem nationalen Alterssicherungssystem ausscheiden. Eine Übertragung dieser Idee auch auf die betriebliche Altersversorgung wurde bereits angedacht. Vgl. Rihm, Der supranationale Schutz von Anwartschaften aus ergänzenden betrieblichen Altersversorgungssystemen innerhalb der Europäischen Union. S. 217.

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Rahmenbedingungen des nationalen, zwischenstaatlichen und Europäischen Rechts

schreitend wechselt und daher aus einem mitgliedstaatliehen System der sozialen Sicherheit ausscheidet. Da dieses EU-weite Sozialsystem somit die nationalen Sozialsysteme bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ersetzen und im Ergebnis neben die mitgliedstaatliehen Systeme treten würde, bestände kein Bedarf mehr für eine Koordinierung der mitgliedstaatliehen Sozialsysteme. Die Leistungen des EU-weit geltenden Sozialsystems wären mit Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen sowie mit Zuschüssen der Mitgliedstaaten zu finanzieren und müssten im Vergleich mit den nationalen Systemen mindestens ebenso attraktiv sein. 30 Als vorteilhaft insbesondere tlir die steuerliche Problematik von grenzüberschreitender Altersversorgung wird hervorgehoben, dass das europaweit geltende Sozialsystem von allen Mitgliedstaaten auch steuerlich anerkannt werden müsste und sich dadurch die steuerliche Handhabung von grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften erheblich vereinfachen würde. Wie noch zu zeigen sein wird, ist aus steuerlicher Perspektive die Schaffung eines solchen eigenständigen EU-Sozialsystems ftir Wanderarbeitnehmer und sonstige Personen, die grenzüberschreitend tätig sind, nicht zwingend erforderlich. Die primärrechtlichen Anforderungen an die steuerliche Behandlung von grenzüberschreitender Altersversorgung können auch über die gegenseitige steuerliche Anerkennung von sozialen Sicherungssystemen gelöst werden. Insofern bleibt es der sozialrechtlichen Diskussion und den rechtspolitischen Entwicklungen in diesem Bereich überlassen, ob das gegenwärtige System der Koordinierung durch ein neues EU-weit geltendes Sozialsystem ersetzt werden sollte. 31

II.

Verordnung (EWG) Nr. 1612/68

Neben der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 prägt auch die Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft den sozialrechtlichen Rahmen ftir grenzüberschreitende Altersvorsorge der Ersten Säule. Hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereichs der Verordnung ist zunächst zu beachten, dass sich diese Verordnung allein auf Arbeitnehmer und deren Familienangehörige erstreckt. Selbständige oder Beamte werden somit nicht durch die Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 geschützt. Für sie gilt außer-

30 31

32

Pieters, Z!AS 199 L 85 f. Vgl. hierzu Eichenhofer, Sozialrecht der Europäischen Union, S. 281 ff.

Altersvorsorge in der Ersten Säule

halb des Anwendungsbereichs der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 unmittelbar das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV (cx-Art. 12 EG). 32 Die Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 schreibt in Art. 1 das Recht eines jeden europäischen Arbeitnehmers fest, ungeachtet seines Wohnortes eine unselbständige Tätigkeit auch in einem anderen Mitgliedstaat nach den dort geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften aufzunehmen und auszuüben. Übt der Arbeitnehmer dieses Recht aus, ist er als europäischer Wanderarbeitnehmer gemäß Art. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen in seinem Tätigkeitsstaat wie ein inländischer Arbeitnehmer zu behandeln. Ihm müssen nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie dem inländischen Arbeitnehmer gewährt werden. Die Diskriminierungsverbote in Art. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 untersagen jede unterschiedliche Behandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit auf tatsächlicher und rechtlicher Ebene. Das Gebot der Gleichbehandlung ist auf alles gerichtet, was mit der eigentlichen Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis im Zusammenhang steht. Unter den Begriff der sozialen Vergünstigung nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 fallen alle Vergünstigungen, die unabhängig von einer unmittelbaren Anknüpfung an den Arbeitsvertrag den inländischen Arbeitnehmern hauptsächlich wegen ihrer objektiven ArbeitnehmereigenschaH oder wegen ihres Wohnsitzes im Inland gewährt werden und deren Erstreckung auf Arbeitnehmer anderer Mitgliedstaaten der Mobilität in der Europäischen Union dient. 33 Danach ist auch Altersvorsorge in der Ersten Säule als soziale Vergünstigung anzusehen. Wegen der Überschneidung mit dem Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ist allerdings eine Abgrenzung zwischen beiden Verordnungen erforderlich. Fällt eine soziale Leistung sowohl unter die Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 als auch unter die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 34 , tritt das allgemeine Diskriminierungsverbot aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 als allgemeinere Vorschritt hinter den Anwendungsbereich der spezielleren Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zurück. 35 32 33 34

35

Steinmeyer, in: Hanau/Steinmeyer!Wank (Hrsg.). Handbuch des europäischen Arbeitsund Sozialrechts, § 22 Rn. 60 ff. EuGH vom 12.07.1984, Rs 261/83 (Castelli/ONPTS). Slg. 1- 3199. 3213 Rn. 11; EuGH vom 14.3.1996, Rs C-315/94 ( de Vos), Slg. 1-996, S. 1417. Vgl. Beispielsfälle hierzu bei Wölker!Gri!l in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Art. 39 Rn. 75 (in bczug auf die Vorgänger-Verordnung (EWG) Nr. 1408/71). Steinmeyer, in: Hanau/Steinmeyer!Wank (Hrsg.), I fandbuch des europäischen Arbeitsund Sozialrechts, § 22 Rn. II; a.A. Spiegel, Z!AS 2006, 85, 91.

33

Rahmenbedingungen des nationalen, zwischenstaatlichen und Europäischen Rechts

Dadurch ist für die große Mehrzahl der Altersvorsorgemaßnahmen in der Ersten Säule nicht die Verordnung (EWG) Nr, 1612/68, sondern nur die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 maßgeblich. Eigenständige Bedeutung für Altersvorsorge der Ersten Säule erlangt die Verordnung (EWG) Nr. 1612/68, wenn gewisse mitgliedstaatliche Alterssicherungssysteme vom Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr, 884/2004 ausgenommen sind. Da in einem solchen Falle kein Anwendungskonflikt mit der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 besteht, kommt das Gleichbehandlungsgebot in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) 1612/68 in vollem Umfang zum Tragen und gewährt dem grenzüberschreitend tätigen Wandcrarbcitnchmcr Anspruch auf angemessene Altcrsvorsorge in seinem Tätigkcitsstaat, so wie sie seinen inländischen Kollegen gewährt wird. 36 Die in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) 1612/68 außerdem genannten steuerlichen Vergünstigungen richten sich insbesondere auf lohn- und einkommensteuerrechtliche Fragen in Zusammenhang mit einer Arbeitnchmertätigkeit.37 Dazu gehören auch alle mitgliedstaatliehen Steuerregelungen, die die steuerliche Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften zum Gegenstand haben.

36

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34

In diesem Sinne hat der Europäische Gerichtshof etwa das in Belgien gewährte garantierte Mindesteinkornmen im Alter als soziale Vergünstigung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 eingeordnet und geurteilt, dass dieses Mindesteinkommen nicht von dem Erfordernis einer gewissen Wohnzeit in Belgien abhängig gemacht werden darf, auch wenn dieses Erfordernis sowohl fur eigene Staatsangehörige als auch fiir EU-Ausländer gilt, vgl. EuGH vom 12.7.1984, Rs. 261/83 (Castelli/ONPTS), Slg. 1-1984, S. 3199; EuGH vom I 0.11.1992. Rs. C-326/90 (Kommission/Belgien). Slg. 1990, 1-5517. Auch eine französische Altersbeihilfe für Personen, die keine Leistungen wegen Alters aufgrundeines Systems der sozialen Sicherheit erhalten und nicht über ein ausreichendes Einkommen verfügen, wurde als soziale Vergünstigung im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 allen in Frankreich ansässigen EUAusländern zugesprochen, vgl. EuGH vom 6.6.1985, Rs. 157/84 (Frascogna/Caisse des Depotset Consignations), Slg. 1985, I-1739; EuGH vom 9.7.1987, Rs. 256/86 (Frascogna/Caisse de Depotset consignations), Slg. 1987. 1-3431. Nachdem die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 im Gegensatz zur Vorgängerverordnung (EWG) Nr. 1408/71 nunmehr jedoch auch Leistungen mit Sozialhilfecharakter umfasst, fallen nunmehr auch Altersgrundsicherungssysteme mit Sozialhilfecharakter unter die Verordnung (EG) Nr. 883/2004, womit sich diese Rechtsprechung erledigt haben dürfte. V gl. Art. 3 Abs. 3 i.V.m. Art. 70 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 sowie Anhang X der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 988/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und zur Festlegung des Inhalts ihrer Anhänge. ABI. Nr. L. 284/43 vom 30.10.2009. Franzen. in: Streinz (Hrsg.). Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Art. 39 Rn. II 0.

Altersvorsorge in der Ersten Säule

III.

Richtlinie 2004/38/EG

Damit eine Person bei einer grenzüberschreitenden Berufstätigkeit überhaupt grenzüberschreitende Altersvorsorgeaufwendungen tätigen kann oder aber in ihrem Ruhestand grenzüberschreitende Alterseinkünfte aus dem europäischen Ausland zu beziehen vermag, bedarf es zuallererst eines Aufenthaltsrechts in dem Mitgliedstaat, in dem die berufliche Tätigkeit ausgeübt bzw. der Ruhestand verbracht wird. Trotz der primärrechtlich verbürgten allgemeinen Freizügigkeit, die EU-Staatsangehörige genießen. besteht in der Europäischen Union kein uneingeschränktes Recht auf Wohnsitznahme an jeglichem Ort. Es ist vielmehr sekundärrechtlich genau festgelegt, unter welchen Voraussetzungen ein EU-Staatsangehöriger seinen Wohnsitz oder Aufenthalt langfristig in einen anderen Mitgliedstaat verlegen kann. Diese sekundärrechtlichen Bestimmungen zum Aufenthaltsrecht in anderen EU-Mitgliedstaaten beeinflussen damit auch den Umfang der Fälle, in denen Unionsbürger grenzüberschreitende Altersvorsorgeaufwendungen überhaupt tätigen bzw. grenzüberschreitende Alterseinkünfte beziehen können. Für alle Fälle des Aufenthalts von EU-Bürgern in einem anderen Mitgliedstaat gelten die Bestimmungen der Aufenthaltsrichtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten 38 . Mit Inkrafttreten dieser Richtlinie wurden alle zuvor ergangenen Verordnungen 39 und Richtlinien40 zum Aufenthaltsrecht der Arbeitnehmer. Selbständigen und sonstigen Personen förmlich aufgehoben, die inhaltlichen Regelungen jedoch zum Teil übernommen. In persönlicher Hinsicht gilt die Aufenthaltsrichtlinie für 38 39

40

Abi. L 158 vom 30.4.2004. S. 77-123. Verordnung (EWG) Nr. 1251/70 der Kommission vom 29. Juni 1970 über das Recht der Arbeitnehmer, nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates zu verbleiben, Amtsblatt Nr. L 142 vom 30/06/1970 S. 24- 26. Richtlinie 64/221/EWG vom 25. Februar 1964 zur Koordinicrung der Sondervorschriften fllr die Einreise und den Aufenthalt von Ausländem, soweit sie aus Gründen der öt~ fentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind. ABI. Nr. 56 vom 04/04/1964. S. 850-857; Richtlinie 68/30/EWG vom 15. Oktober 1968 zur Aufl1ebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten und ihrer Familienangehörigen innerhalb der Gemeinschaft: Richtlinie 73/148/EWG vom 21. Mai 1973 zur Aufl1ebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs; Richtlinie 90/364/EWG vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht, ABI. Nr. L 180 vom 13/07/1990, S. 26- S. 27; Richtlinie 90/365/EWG vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Arbeiternehmer und selbständig Erwerbstätigen, ABI. Nr. L 180 vom 13/07/1990 S. 28- 29; Richtlinie 93/96/EWG vom 29. Oktober 1993 über das Aufenthaltsrecht der Studenten, ABI. Nr. L 317 vom 18112/1993 S. 59 - 60.

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Rahmenbedingungen des nationalen, zwischenstaatlichen und Europäischen Rechts

jeden Unionsbürger sowie für seine Familienangehörigen, die ihn begleiten oder ihm nachziehen, vgl. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG. Sachlicher Ausgangspunkt der Richtlinie, der auch das Entstehen von grenzüberschreitender Altersvorsorge beeinflusst, ist das Recht auf Ausreise aus einem Mitgliedstaat und das Recht auf Einreise in einen anderen Mitgliedstaat, Art. 4 und Art. 5 der Richtlinie 2004/38/EG. Art. 6 der Richtlinie 2004/38/EG gibt jedem EU-Bürger das Recht, sich ohne weiteres bis zu drei Monate in einem anderen Mitgliedstaat aufzuhalten. An längere Aufenthalte in anderen Mitgliedstaaten sind grundsätzlich gewisse Auflagen geknüpft. Ein Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat aus beruflichen Gründen ist dabei in besonderer Weise privilegiert. Als Arbeitnehmer oder Selbständiger hat jeder EUBürger längerfristig ein uneingeschränktes Aufenthaltsrecht im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates, wenn er eine tatsächliche berufliche Tätigkeit ausübt, Art. 7 Abs. 1 lit a) der Richtlinie 2004/38/EG. Der Aufnahmemitgliedstaat kann hier nur das administrative Erfordernis einer Anmeldebescheinigung einfUhren und daftir den Nachweis einer Einstellungsbestätigung, einer Beschäftigungsbescheinigung oder den Nachweis der Selbständigkeit verlangen, Art. 8 der Richtlinie 2004/38/EG. Solange die Arbeitnehmer- oder Selbständigeneigenschaft im Aufnahmestaat andauert, also die berufliche Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wird, besteht ein Recht zum fortgesetzten Aufenthalt, Art. 14 der Richtlinie 2004/3 8/EG. Das Recht des Arbeitnehmers oder des Selbständigen auf Aufenthalt nach Art. 7 Abs. 1 lit a) wandelt sich nach Art. 16 der Richtlinie 2004/38/EG in ein Recht auf Daueraufenthalt um, wenn der rechtmäßige Aufenthalt als Arbeitnehmer oder Selbständiger fünf Jahre lang ununterbrochen angedauert hat. Hierbei sind vorübergehende Abwesenheiten unerheblich, vgl. Art. 16 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG. Für Personen, die erst in ihrem Ruhestand in einen anderen Mitgliedstaat verziehen möchten, gilt grundsätzlich das Aufenthaltsrecht gemäß Art. 7 Abs. 1 lit b) der Richtlinie 2004/38/EG. Danach kann sich jeder Unionsbürger in einem anderen Mitgliedstaat länger als drei Monate aufhalten, wenn er über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz sowie über ausreichende Existenzmittel verfUgt, also nicht die Gefahr besteht, dass Sozialhilfeleistungen im Aufnahmemitgliedstaat in Anspruch genommen werden müssen. Für Arbeitnehmer und Selbständige, die bereits während ihres Berufslebens in einem anderen Mitgliedstaat tätig waren, besteht unter Umständen schon gemäß Art. 16 der Richtlinie 2004/38/EG das Recht zum Daueraufenthalt das auch im Ruhestand fortgilt Ansonsten sieht Art. 17 der Richtlinie 2004/3 8/EG ftir Personen. die unmittelbar vor Erreichen der Altersgrenze eine berufliche Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt haben und nunmehr in diesem verbleiben möchten, eine besondere Regelung vor. Arbeitnehmer oder Selbständige, die zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben mindestens in den letzten 12 Monaten eine Beschäftigung in dem Hoheitsgebiet des betroffenen

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Betriebliche Altersversorgung

Mitgliedstaates ausgeübt und sich dort seit mindestens drei Jahren ständig aufgehalten haben. haben ein gesondertes Recht auf Daueraufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat welches gegenüber dem Recht zum fortgesetzten Aufenthalt nach Art. 7 Abs. 1 lit b) und dem Recht auf Daueraufenthalt aus Art. 16 der Richtlinie vorrangig ist. Der europäische Wauderarbeitnehmer oder der Selbständige, der wegen Erreichen der Altersgrenze seine berufliche Tätigkeit in einem Mitgliedstaat becndet hat und in diesem verbleiben möchte. kann daher auch ohne den Nachweis ausreichender Existenzmittel und auch schon vor Ende eines fünfjährigen Aufenthaltes in seinem Tätigkeitsstaat verbleiben. Auch Grenzpendler, die nach drei Jahren Beschäftigung und ständigem Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates eine Beschäftigung im Lohnoder Gehaltsverhältnis oder eine selbständige Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausüben, haben in ersterem Mitgliedstaat gemäß Art. 17 Abs. 1 lit. c) ein Bleiberecht wenn sie ihren Wohnsitz in diesem Staat auch während ihrer Grenzpendlertätigkeit beibehalten haben, um in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückzukehren.

§2

Betriebliche Altersversorgung

Die europarechtlichen und internationalen Rahmenbedingungen tlir grenzüberschreitende betriebliche Altersversorgung sind auf andere Fragestellungen gerichtet als die Regelungen für Altersversorgung der Ersten Säule.

I.

Fehlende Koordinierung im Recht der grenzüberschreitenden Betrieblichen Altersversorgung

Zunächst ist das Recht der betrieblichen Altersversorgung weder EU-weit harmonisiert noch - in Anlehnung an das Recht der sozialen Sicherheit - durch ein einheitliches Kollisionsrecht flir alle Mitgliedstaaten koordiniert. Vor allem mit der Vielgestaltigkeit der möglichen Durchführungswege von betrieblicher Altersvorsorge in den Mitgliedstaaten wird immer wieder begründet. dass eine EU-weite Annäherung der betrieblichen Zusatzversorgungssysteme unmöglich sei. 41 Einer Koordinierung nach dem Muster der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 stünde außerdem im Wege. dass sich die Auszahlung von Betriebsrenten nicht wie bei den staatlichen Systemen anhand der zurückgelegten Versichertenzeit, sondern anhand der konkreten Höhe der eingezahlten Beiträge berechne. Dadurch sei es schwierig. bei grenzüberschreitenden Fällen allein mit Hilfe der Zusammenrechnung von Beitragszahlungen an verschiedene

41

Steinmeyer, in: Hanau/Steinmeyer/Wank (Hrsg.), Handbuch des europäischen Arbeitsund Sozialrechts. § 23 Rn. 200.

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Rahmenbedingungen des nationalen, zwischenstaatlichen und Europäischen Rechts

Versorgungsanbieter einen EU-weiten Versorgungsverlauf zu modellieren. 42 Schließlich wird befürchtet, dass sich eine stärkere EU-weite Regulierung negativ auf die Bereitschaft der Unternehmen auswirken könnte, betriebliche Altersversorgung freiwillig anzubieten. 43 Aus europarechtlicher Sicht muss hinterfragt werden, dass diese Gesichtspunkte es auch weiterhin rechtfertigen. von einer Koordinierung der betrieblichen Altersversorgung abzusehen. Die Europäische Kommission hat bereits im Grünbuch zur ,.Zusätzlichen Altersversorgung im Binnenmarkt"44 darauf hingewiesen, dass sich die ergänzende Altersvorsorge häufig als ernsthaftes Hindernis für die Mobilität der Arbeitnehmer erweist. 45 Durch die fehlende Koordination tritt bislang häutig der Fall ein, dass flir die betriebliche Altersvorsorge das Recht eines anderen Mitgliedstaates als desjenigen maßgeblich ist, in dessen System der Vorsorgesparer seine gesetzliche Alterssicherung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 betrcibt. 46 Da sich aber erst aus dem Umfang der gesetzlichen Altersvorsorge der zusätzliche Versorgungsbedarf durch betriebliche (und auch private) Altersvorsorge ennitteln lässt führt das Fehlen eines einheitlichen Statuts für gesetzliche und betriebliche Rentensysteme in vielen grenzüberschreitenden Fällen zu Schieflagen und Versorgungsdefiziten.47 Das im nationalen Kontext erreichte Zusammenspiel zwischen der Grundversorgung in der Ersten Säule und der Zusatzversorgung in der Zweiten (und Dritten) Säule wird im grenzüberschreitenden Sachverhalt nicht mehr erreicht was ein massives Problem flir die Freizügigkeitsgewähr darstellt. 48 Auch das schon erwähnte Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Vougioukas 49 belegt, dass eine Koordination der Betriebsrenten für die Freizügigkeit in Europa bedeutsam ist. 5° Die zunehmende Relevanz der sozialen Absicherung insgesamt sowie die stärkere Rolle, die betriebliche Altersvorsorge bei der Absicherung des Versorgungsfalles Alter in allen Mitgliedstaaten einnimmt, sprechen dafür, aueh diese Zusatzversorgung EU-weit zu 42 43 44 45 46 47 48 49 50

38

Marshall/Butterworth, CML Rev. 37 (2000), 742. Vgl. Europäische Kommission, Grünbuch ,,Zusätzliche Altersversorgung im Binnenmarkt", KOM (97) 283 endg., 21. KOM (97) endg. 283. KOM (97) endg. 283, S. 3. Böhm, Die betriebliche Altersversorgung in Deutschland und das Recht der Arbeitnehmer auf Freizügigkeit in Europa, S. 126 tf.; Weerepas, EC Tax Rev. 2000, 172, 182. Weerepas, EC Tax Rev. 2000, 172. 182. Böhm, Die betriebliche Altersversorgung in Deutschland und das Recht der Arbeitnehmer auf Freizügigkeit in Europa, S. 131. EuGH vom 22.11.1995 (Vougioukas), Rs C-443/93, Slg. 1995, 4033. Siehe hierzu näher unter Teil 1, § 1 1. 4. Rihm, Der supranationales Schutz von Anwartschaften aus ergänLenden betrieblichen Altersversorgungssystemen innerhalb der Europäischen Union, S. 183.

Betriebliche Altersversorgung

regeln. Daher ist den Stimmen beizupflichten, die eine Erweiterung der Koordinierung auf die Systeme privater und betrieblicher Vorsorge fordern. 5 1

II.

Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft

Zusätzliche Altersversorgung durch betriebliche Leistungen des Arbeitgebers hat ihren Rechtsgrund im Arbeitsverhältnis. Daher findet auf Betriebsrenten zunächst die Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 AnwendungY Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Sotgiu 53 ist es hierbei irrelevant, ob die betriebliche Vorsorgeleistung des Arbeitgebers als Ergänzung zur Arbeitsvergütung aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung oder als ireiwillige Leistung erfolgt. 54 Ausschlaggebend ist allein. dass es sich um eine Leistung handelt, die aufgrund des Arbeitsverhältnisses gewährt wird. 55 Auch in der Rechtssache Peter de Vos gegen Stadt Bielefeld56 hat der Gerichtshof den Arbeitgeberbeitrag zur zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung als Teil des Arbeitsentgelts im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 bestätigt. 57 Ist somit der Anwendungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 aufbetriebliche Altersvorsorge eröffnet, greift zugunsten des europäischen Wanderarbeitnehmersvor allem das Gebot der Gleichbehandlung in Art. 7 Abs. 1 und Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68. Aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 hat der Wanderarbeitnehmer das Recht, ebenso wie ein inländischer Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber eine zusätzliche Altersversorgung zu erhalten. Die betriebliche Altersversorgung. die entweder als Lohnbestandteil oder als freiwillige Nebenleistung gewährt wird, ist jedenfalls Teil der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68. 58 Daher kann eine betriebliche Zusatzversorgung dem Wander- oder Grenzarbeitnehmer nicht mit Verweis darauf verweigert werden, dass er aus einem anderen europäischen Mitgliedstaat stammt, in ei-

51

52 53 54 55 56 57 58

Vgl. Andresen, in Schmäh! (Hrsg.). Soziale Sicherung im EG-Binnenmarkt, S. 65.; Freizügigkeit und soziale Sicherung, Gutachten erstattet vom Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, S. 99. Böhm, Die betriebliche Altersversorgung in Deutschland und das Recht der Arbeitnehmer auf Freizügigkeit in Europa, S. 21. EuGH vom 12.2.1974, Rs. 152/73 (Sotgiu), Slg. 1974. 153. EuGH vom 12.2.1974, Rs.152/73 (Sotgiu), Slg. 1974, 153, 164 (Tz. 8). Brechmann, in: Calliess/Rujferl (Hrsg.) Kommentar zu EU-Ve1irag und EG-Vertrag, Art. 39 Rn. 61. EuGH vom 14.03.1996, Rs. C -315/94 (Oe Vos), Slg. 1-1417. EuGHvom 14.03.1996,Rs.C-315/94(DeVos),Slg.l-1417, 1439(Tz.l5). V gl. Schneider/Wunderlich, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 39 Rn. 71.

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Rahmenbedingungen des nationalen, zwischenstaatlichen und Europäischen Rechts

nem anderen Mitgliedstaat noch wohnhaft ist oder im Tätigkeitsstaat nur flir einen kürzeren Zeitraum beschäftigt wird,

111.

Richtlinie 98/49/EG zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche von Arbeitnehmern und Selbständigen, die innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu- und abwandern

Die nach langen Verhandlungen am 29,6,1998 in Kraft getretene Richtlinie 98/49/EG zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche 59 ist darauf gerichtet, Ansprüche auf betriebliche Zusatzversorgung in einem Mindestmaß zu schützen, wenn sich der Anwartschaftsinhaber von einem Mitgliedstaat in einen anderen begibt, Ursprünglich war die Richtlinie 98/49/EG auf einen umfassenden Schutz von Anwartschaften betrieblicher Altersversorgung im grenzüberschreitenden Fall gerichtet Im Laufe des Gesetzgebungsprozesses 60 zeigte sich jedoch, dass eine Einigung zu den insbesondere im deutschen Recht langen Unverfallbarkeitsfristen ebenso unmöglich war wie etwa die Verständigung auf ein Modell der grenzüberschreitenden Übertragung von Anwartschaften, die grenzüberschreitende Mitgliedschaft bei Betriebsrentensystemen oder auch Regelungen zur steuerlichen Behandlung grenzüberschreitender betrieblicher Altersversorgung61. Daher dient die Richtlinie nun allein dazu, dem Wanderarbeitnehmer in Bezug auf seine ergänzenden Rentenansprüche genau den Schutz zu garan-

59 60 61

40

Ab!. L 209 vom 25.7.1998, 46-49. Vgl. hierzu Steinmeyer, in: Hanau/SteinmeyeriFVank (Hrsg.), Handbuch des europäischen Arbeits- und Sozialrechts, § 26 Rn. 49 ff. Ursprünglich sollte die steuerliche Behandlung von Beiträgen, übertragenen Ansprüchen und Leistungen im Zusammenhang mit ergänzenden Rentenleistungen für Mitglieder und ehemalige Mitglieder, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen, Gegenstand einer Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten sein. Die Mitgliedstaaten waren aufgerufen, ihre Rechtsvorschriften zu koordinieren, damit der Erwerb ergänzender Rentenansprüche aus Beschäftigungszeiten in mehr als einem Mitgliedstaat nicht dadurch benachteiligt wird, dass Beiträge und Leistungen für dieselbe Zeit der Mitgliedschaft besteuert werden. Der Aufnahmestaat sollte die an ein zugelassenes ergänzendes System entrichteten Beiträge im Entsendestaat steuerlich anerkennen. Vgl. Vorschlag ftir eine Richtlinie des Rates zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche von Arbeitnehmern und Selbständigen. die sich innerhalb der Europäischen Union bewegen, KOM 97/486 vom 8. Oktober 1997; dazu näher Reinhard, in: Kaujinann/Kessler/von Maydell (Hrsg.). Arbeits- und Sozialrecht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, S. 339; Steinmeyer, in: Beratungs-GmbH für Altersversorgung Dr. Dr. Ernst Heissmann/Deulsches Institut flir Betriebswirtschaft e.V. (Hrsg.), Betriebliche Altersversorgung in Deutschland unter dem Einfluss internationaler Faktoren. S. 67.

Betriebliche Altersversorgung

tieren, den der inländische Arbeitnehmer bei einem rein inländischen Arbeitsplatzwechsel genießt. 62 Der persönliche Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst Arbeitnehmer und Selbständige, die in einem ergänzenden Rentensystem erfasst sind. Zu den ergänzenden Rentensystemen im Sinne der Richtlinie gehören alle betrieblichen Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgungssysteme, die die gesetzlichen Sozialversicherungssysteme ergänzen und nicht schon unter die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 fallen. Art. 3 b und Art. 1 der Richtlinie 98/49/EG. 63 Gemäß Art. 1 Satz 2 gilt die Richtlinie 98/49/EG sowohl für obligatorische als auch ftir freiwillige Systeme betrieblicher Altersversorgung. Es ist irrelevant, auf welchem Rechtsgrund die konkrete betriebliche Zusatzversorgung beruht oder wie das Zusatzversorgungssystem organisiert ist. Daher kommt es für den Anwendungsbereich der Richtlinie nicht darauf an, ob die Versorgungszusage auf einem Kollektiv- oder Individualvertrag beruht 6• und das konkrete Zusatzversorgungsmodell im Umlageverfahren bzw. als kapitalgedecktes System finanziert wird, vgl. Art. 3 lit b der Richtlinie 98/44/EG. 65 Die in der Richtlinie verankerte Gleichbehandlung ftihrt dazu, dass die Bctriebsrentenanwartschaft des Wanderarbeitnehmers im gleichen Umfang wie Rentenansprüche des inländisches Arbeitnehmers geschützt ist, auch wenn er in Folge eines grenzüberschreitenden Arbeitsplatzwechsels seine Beitragszahlungen einstellt Art. 4 der Richtlinie 98/44/EG. Die begrenzte Wirkkraft der Richtlinie 98/44/EG lässt sich hieran deutlich ablesen. Die Rechtsfolgen der Beendigung von Beitragszahlungen in ein betriebliches Versorgungswerk sind von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat verschieden. Während Anwartschaften auf Betriebsrenten in manchen Mitgliedstaaten sofort unverfallbar sind, ist es in anderen Mitgliedstaaten erforderlich, dass gewisse Mindestlaufzeiten eingehalten worden sind. Der Schutz des grenzüberschreitenden Wauderarbeitnehmers reicht insofern je nach Mitgliedstaat immer nur soweit, wie das jeweilige nationale Recht auch im Inlandsfall den Verlust von Anwartschaften bei Beendigung der Beitragszahlung verhindert. 66

62 63

64 65 66

Vgl. 7. Erwägungsgrund der Richtlinie 98/49/EG. Gemäß Art. 90 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 gelten Bezugnahmen auf die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 in der Richtlinie 98/49/EG als Bezugnahmen auf die Verordnung (EG) Nr. 883/2004. Böhm, Die betriebliche Altersversorgung in Deutschland und das Recht der Arbeitnehmer auf Freizügigkeit in Europa, S. 123. Böhm. Die betriebliche Altersversorgung in Deutschland und das Recht der Arbeitnehmer auf Freizügigkeit in Europa, S. 123. V gl. Böhm. Die betriebliche Altersversorgung in Deutschland und das Recht der Arbeitnehmer auf Freizügigkeit in Europa, S. 126; Sreinmeyer, m: Ha-

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Rahmenbedingungen des nationalen. zwischenstaatlichen und Europäischen Rechts

Art. 5 der Richtlinie 98/49/EG verlangt, dass die Berechtigten die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auch im Ausland beziehen können. Steuerliche Nachteile und mögliche Transaktionsgebühren sind beim grenzüberschreitenden Rentenbezug allerdings nicht ausgeschlossen. 67 Daher hat die Richtlinie 98/44/EG keinen Einfluss darauf, wie die Mitgliedstaaten ihre steuerlichen Regelungen für grenzüberschreitende betriebliche Alterseinkünfte regeln können. Sie stellt lediglich sicher, dass es überhaupt zur grenzüberschreitenden Auszahlung von betrieblichen Alterseinkünften kommt. Für den Fall, dass ein Arbeitnehmer nur während einer vorübergehenden Entsendung in einem anderen Mitgliedstaat tätig wird, gewährt Art. 6 Abs. I der Richtlinie 98/44/EG das Recht, auch weiterhin im Herkunftsland Beiträge an ergänzende Rentensysteme zu leisten. Macht der grenzüberschreitende Arbeitnehmer von diesem Recht Gebrauch und leistet seine Beiträge flir betriebliche Altersversorgung weiterhin in seinem Herkunftsstaat, darf er nicht verpflichtet werden, auch Beiträge zu einem ergänzenden Rentensystem im Entsendestaat zu zahlen, vgl. Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 98/44/EG.

IV.

Richtlinie 2002/83/EG über Lebensversicherungen

Auch die Richtlinie 2002/83/EG über Lebensversicherungen 6s, die die drei Versicherungsrichtlinien69 neu fasst und der Durchsetzung der Dienstleistungsund Niederlassungsü:eiheit der Versicherungsunternehmen dient, hat für die EU-weiten Rahmenbedingungen grenzüberschreitender betrieblicher Altersversorgung Bedeutung. In vielen Mitgliedstaaten ist es eine anerkannte Form von betrieblicher Altersversorgung, einen kollektiven oder individuellen Versicherungsvertrag zugunsten des Arbeitnehmers zu schließen, wobei Versicherungsnehmer entweder der Arbeitnehmer selbst oder der Arbeitgeber ist. Wird ein EU-ausländisches Versicherungsunternehmen eingeschaltet, wird der grenzüberschreitende Versi-

67 68 69

42

nau/Steinmeyer!Wank (Hrsg.), Handbuch des europäischen Arbeits- und Sozialrechts, § 26 Rn. 63. Böhm, Die betriebliche Altersversorgung in Deutschland und das Recht der Arbeitnehmer auf Freizügigkeit in Europa, S. 124. Abi. L 67 vom 9.3.2002, 14. Erste Richtlinie 79/267/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Autl1ahme und Ausübung der Direktversicherung; Zweite Richtlinie 90/619/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG; Richtlinie 92/96/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung).

Betriebliche Altersversorgung

cherungsvertrag durch die Richtlinie 2002/83/EG über Lebensversicherungen beeinflusst. Dagegen kommt die sogleich zu behandelnde "PensionsfondsRichtlinie" grundsätzlich nicht zur Anwendung. Nur in Teilen können die Regelungen der Pensionsfonds-Richtlinie fakultativ von den Mitgliedstaaten auf Lebensversicherungsmodelle betrieblicher Altersvorsorge für anwendbar erklärt werden. 70 Die Lebensversicherungsrichtlinie soll gewährleisten, dass Lebensversicherungen auch bei einem Versicherungsunternehmen im europäischen Ausland abgeschlossen werden können. für betriebliche Altersversorgung bedeutet dies, dass Arbeitgeber auch bei EU-ausländischen Versicherungsunternehmen Vorsorgeverträge zugunsten ihrer Mitarbeiter abschließen können. Dies ist insbesondere für Unternehmen mit Arbeitnehmern in mehreren Mitgliedstaaten von großer Bedeutung. Sie haben die Möglichkeit. für sämtliche Mitarbeiter, die in verschiedenen Mitgliedstaaten tätig sind, einen einheitlichen Gruppenlebensversicherungsvertrag bei einem Lebensversicherer mit Sitz oder Niederlassung in der Europäischen Union abzuschließen. 71 Wäre dies nicht möglich, müsste sich das betreffende Unternehmen in jedem einzelnen Mitgliedstaat an einen nationalen Anbieter betrieblicher Altersvorsorge wenden, was mit einem erheblichem Verwaltungsaufwand und großen Zusatzkosten verbunden ist. Zur Umsetzung einer grenzübergreifenden Tätigkeit von Lebensversicherungsunternehmen legt die Richtlinie zunächst fest, dass tlir ein europäisches Versicherungsunternehmen die zulassungsrechtlichen Bestimmungen des Sitzlandes maßgeblich sind. Nach Zulassung des Versicherungsunternehmens, die gemäß Art. 4 der Richtlinie 2002/83/EG bei den Behörden des Herkunftsmitgliedstaates beantragt werden muss. gilt die Zulassung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 für das gesamte Gemcinschaftsgcbiet, wodurch das Versicherungsunternehmen seine Tätigkeiten in der gesamten Gemeinschaft ausüben kann. Alle anderen Mitgliedstaaten können dem EU-ausländischen Versicherungsunternehmen nach wirksamer Zulassung die Tätigkeit in ihrem Hoheitsgebiet nicht mehr grundsätzlich untersagen. Der gemeinschaftsweit verbindlichen Festlegung auf das Sitzlandprinzip ging die Verständigung auf gemeinsame Grundprinzipien in der Zulassungsprüfung und in der Finanzaufsicht von Versicherungsunternehmen voraus, die in den Art. 6 ff und den Art. 10 ff der Lebensversicherungsrichtlinie verankert sind. Wie noch zu zeigen sein wird, beein-

70

71

V gl. Art. 4 der Richtlinie 2003/41/EG über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung vou Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung. Abi. EG Nr. L 235/10 vom 23.9.2003. Böhm. Die betriebliche Altersversorgung in Deutschland und das Recht der Arbeitnehmer auf Freizügigkeit in Europa. S. 147.

43

Rahmenbedingungen des nationalen, zwischenstaatlichen und Europäischen Rechts

flussen diese Regelungen auch den Umfang, in dem die Mitgliedstaaten mit ihren steuerlichen Regelungen Anforderungen an EU-ausländische Versicherungsunternehmen stellen können. 72 Für die steuerliche Behandlung von grenzüberschreitender betrieblicher Altersversorgung durch Lebensversicherungen ist neben der Zulassung und Finanzaufsicht über die Versorgungsanbieter auch bedeutsam, welches Sachrecht für den grenzüberschreitenden Lebensversicherungsvertrag zur Anwendung kommt. Auch von der Frage des anwendbaren Rechts hängt häutig ab, inwieweit die europäischen Mitgliedstaaten in ihren steuerlichen Regelungen verlangen können, dass EU-ausländische Versicherungsprodukte gewisse inhaltliche Mindestvoraussetzungen erfüllen müssen. Gehen die Voraussetzungen in den steuerlichen Regelungen über das zulässige Maß der gemeinschaftsweiten Regelungen hinaus, sind sie im Licht des Sekundärrechts grundsätzlich unzulässig. Für die kollisionsrechtliche Anknüpfung bei grenzüberschreitenden Lebensversicherungsverträgen enthält Art. 32 der Lebensversicherungsrichtlinie 2002/83/EG zwar konkrete Regelungen. Diese sind jedoch mit Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das aufvertragliche Schuldverhältnisse anzuwenden Recht (Rom 1) nicht mehr auf nach dem 16. Dezember 2009 geschlossene Lebensversicherungsverträge anzuwenden, wie sich aus Art. I Abs. 2 lit j) sowie den Art. 23, 29 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 ergibt. 73 Für die noch bis zum I6. Dezember 2009 geschlossenen grenzüberschreitenden Lebensversicherungsverträge gilt jedoch Art. 32 Abs. I Satz I i.V.m. Art. I Abs. I lit g) der Richtlinie 2002/83/EG weiter. Danach ist prinzipiell das Recht des Mitgliedstaates anwendbar, in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat bzw. der Versicherungsnehmer als Juristische Person seine Niederlassung hat. Versicherungsnehmer ist bei Gruppenlebensversicherungen als betriebliche Altersversorgung in der Regel der Arbeitgeber. Soweit es das nach Art. 32 Abs. I S. I maßgebliche Versicherungsrecht zulässt, können die Parteien aber auch das Recht eines anderen Mitgliedstaates wählen, Art. 32 Abs. I Satz 2 der Richtlinie 2002/83/EG. Wenn es sich bei dem Versicherungsnehmer um eine natürliche Person handelt, die ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in einem anderen Staat als dem ihrer Staatsangehörigkeit hat, kann schließlich auch das Recht des Staates gewählt werden, dessen Staatsangehörigkeit der Versicherungsnehmer hat, Art. 32 Abs. 2 der Richtlinie 2002/83/EG.

72 73

44

Dazu näher unter 4. Teil§ 2 I. 2. b) cc). Zu den kollisionsrechtlichen Regelungen flir Lebensversicherungen nach der sogenannten Rom-I-Verordnung siehe daher sogleich unter§ 2 VI. 2. a).

Betriebliche Altersversorgung

V.

Richtlinie 2003/41/EG über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung

Die Lebensversicherungsrichtlinie erstreckt sich in ihrem sachlichen Anwendungsbereich nur auf versicherungsrechtliche Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung und erfasst daher nicht die in vielen Mitgliedstaaten bestehenden Pensionsfonds oder Pcnsionskassen. Für diese Träger betrieblicher Altersversorgung 74 gelten vorrangig die Regelungen der Richtlinie 2003/41/EG über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altcrsversorgung 75 . Die so genannte PensionsfondsRichtlinie konnte nach einem mehrjährigen Gesetzgebungsprozess im Jahr 2003 verabschiedet werden. 76 Als Teil des Aktionsplans für Finanzdienstleistungen ist die PensionsfondsRichtlinie primär darauf gerichtet, den Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung einen kohärenten gemeinschaftlichen Rechtsrahmen zu geben. 77 Sie legt zunächst verbindlich fest welcher Mitgliedstaat zur Finanzaufsicht über einen Pensionsfonds zuständig ist und welche Mindeststandards europaweit von Anbietern betrieblicher Altersvorsorge eingehalten werden müssen. Damit ermöglicht die Richtlinie, dass betriebliche Altersversorgung nunmehr auch grenzüberschreitend angeboten bzw. abgeschlossen werden kann. Unternehmen können ihren Arbeitnehmern auch im grenzüberschreitenden Fall die betriebliche Altcrsversorgung anbieten, wie sie im Inlandsfall besteht. Im Ergebnis ermöglicht es die Richtlinie also einem europaweit agierenden Arbeitgeber. für sämtliche Arbeitnehmer eine einheitliche betriebliche Altersversorgung durch einen einzigen Pensionsfonds durchzuführen. Aber auch ftlr den Arbeitnehmer bietet die Richtlinie erhebliche Vorteile: er kann, wenn er seinen Arbeitgeber innerhalb Europas wechselt in seinem angestammten betriebli-

74

75 76 77

Die Richtlinie gilt gemäß Art. 2 Abs. I RL 2003/41/EG ftir Einrichtungen der Betrieblichen Altersversorgung. Diese sind nach Art. 6 Ii! a RL 2003/4 I /EG ungeachtet der jeweiligen Rechtsform die nach dem Kapitaldeckungsverfahren arbeitende Einrichtungen, die rechtlich unabhängig von einem Trägerunternehmen oder einer TrägerBerufsvereinigungallein zu dem Zweck eingerichtet sind. auf der Grundlage einer individuellen oder kollektiven Vereinbarung bzw. aufgrund einer mit Selbständigen getrot: fenen Vereinbarung Altersversorgungsleistungen zu erbringen, die an die Ausübung einer berunichen Tätigkeit anknüpfen und daher mit dieser unmillelbar in Zusammenhang stehen. Die deutschen Unterstützungskassen sind nach Art. 2 Abs. 2 lit d der Richtlinie 2003/4 1/EG ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausgenommen. Versicherungsunternehmen können durch fakultative Erklärung der Mitgliedstaaten unter die Pensionfonds-Richtlinie fallen. Abi. L 235 vom 29.9.2003, S. 10-21. Hierzu näher Verhaegen, in: FS Andresen. S. 275 tf. V gl. 4. Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/4 I /EG.

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Rahmenbedingungen des nationalen, zwischenstaatlichen und Europäischen Rechts

chen Versorgungswerk abgesichert bleiben, wenn der neue Arbeitgeber die betriebliche Zusatzversorgung beim gleichen Versorgungsträger weiter ftlhrt. 78 Obwohl der vorsorgerechtliche Schutz des Arbeitnehmers und steuerliche Fragen nicht im Mittelpunkt der Pensionsfonds-Richtlinie stehen, hat sie dennoch auch ftir die hier relevante Thematik große Bedeutung. Ebenso wie bei der Lebensversicherungsrichtlinie bewirken auch hier die Festlegung von Mindeststandards und die Abgrenzung von Aufsichts- und sonstigen Zuständigkeiten, dass die Mitgliedstaaten bei der steuerlichen Behandlung von Altersversorgungsprodukten EU-ausländischer Pensionsfonds nur noch nach gewissen Kriterien differenzieren dürfen. 79 Nach den Art. 9 ff der Richtlinie 2003/41/EG ist grundsätzlich der Herkunftsstaat daftir zuständig, die Zulassung und die umfassende Aufsicht über Einrichtungen zur betrieblichen Altersversorgung zu regeln. Als Herkunftsstaat gilt gemäß Art. 6 lit i) der Richtlinie 2003/41/EG derjenige Staat, in dem die Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung ihren Sitz oder ihre Hauptverwaltung hat. Sobald ein Versorgungsträger in seinem Herkunftsstaat die Voraussetzungen der Richtlinie 2003/41/EG crftlllt kann er seine Dienstleistungen gemeinschaftsweit anbieten und daran von den übrigen Mitgliedstaaten nicht mehr mit aufsichtsrechtlichen oder sonstigen Mitteln gehindert werden. Auch in der Pensionsfonds-Richtlinie folgt aus der Verständigung auf das Herkunftslandprinzip, dass sich die Mitgliedstaaten auf gewisse inhaltliche Mindestanforderungen bei der Ausgestaltung der Versorgungsträger und ihrer Produkte verständigt haben. Diese Mindestanforderungen sind in den Art. 9 ff der Richtlinie 2003/41/EG geregelt, ihre Einhaltung hat der Herkunftsstaat sicherzustellen. Für die grenzüberschreitende Tätigkeit von Pensionsfonds gelten die besonderen Vorgaben nach Art. 20 der Richtlinie 2003/41/EG. Danach müssen die europäischen Mitgliedstaaten zunächst sicherstellen, dass die in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Unternehmen bei der Durchftlhrung von betrieblicher Altersversorgung auch auf in anderen EU-Mitgliedstaaten zugelassene Einrichtungen betrieblicher Altersvorsorge zurückgreifen können. Gleichermaßen dürfen die Mitgliedstaaten ein grenzüberschreitendes Tätigwerden der in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung nicht behindern. Art. 20 Abs. I der Richtlinie 2003/41 /EG gewährleistet also sowohl mit Blick auf den Ansässigkeitsstaat des Arbeitgebers als auch mit Blick auf den Ansässigkeitsstaat der Vcrsorgungscinrichtung, dass eine grenz-

78 79

46

Böhm, Die betriebliche Altersversorgung in Deutschland und das Recht der Arbeitnehmer auf Freizügigkeit in Europa, S. 145. Siehe dazu unter 4. Teil § 2 I. 2. b) cc ).

Betriebliche Altersversorgung

überschreitende betriebliche Altersvorsorge zwischen zwei Mitgliedstaaten stattfinden kann. Mit Blick auf die steuerlichen Untersuchungen an anderer Stelle ist allerdings schon hier darauf hinzuweisen, dass Art. 20 der Richtlinie 2003/41/EG unter dem Vorbehalt der sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften steht, die in dem Ansässigkcitsstaat des Arbeitgebers über die Gestaltung der betrieblichen Altersversorgungssysteme einschließlich der Bestimmungen über die Pflichtmitgliedschaft und etwaige Tarifverträge existieren. Der einzelne Mitgliedstaat kann daher auch von EU-ausländischen betrieblichen Versorgungsträgern verlangen, dass seine auf nationaler Ebene verankerten sozial- und arbeitsrechtlichen Bestimmungen zur betrieblichen Altersversorgung eingehalten werden. Die Art. 20 Abs. 2-10 der Richtlinie 2003/41/EG verlangen dafür vom Herkunfts- und vom Tätigkeitsstaat der Versorgungseinrichtung ein umfangreiches Prüfverfahren, welches gemeinsam vor einer grenzüberschreitenden Tätigkeit durchzuführen ist.

VI.

Das internationale Privatrecht der betrieblichen Altersversorgung

Wie eine betriebliche Altersvorsorge im grenzüberschreitenden Sachverhalt ausgestaltet ist hängt schließlich sowohl von den rechtlichen Beziehungen zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer (Versorgungszusage) als auch- bei Einschaltung externer Versorgungsträger-von dem Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber/Arbeitnehmer und Versorgungsträger (Durchführung) ab. Die Mitgliedstaaten nehmen häufig in ihren steuerlichen Regelungen für betriebliche Altersversorgung auf die Gestaltungen in diesen beiden Rechtsbeziehungen Bezug. Dies erfolgt im rein nationalen Kontext, um zwischen verschiedenen Produkten betrieblicher Altcrsvorsorge gegebenenfalls auch steuerlich zu differenzieren. Im grenzüberschreitenden Fall ist es für die steuerliche Einordnung EU-ausländischer Vorsorgeprodukte umso mehr erforderlich, die konkrete Ausgestaltung von EU-ausländischen Vorsorgeprodukten zu betrachten. Daher sind auch die Grundzüge des Internationalen Privatrechts der betrieblichen Altersvorsorge, die über Möglichkeiten und Grenzen solcher Ausgestaltungen entscheiden. flir die nachfolgenden steuerlichen Untersuchungen bedeutsam.

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Rahmenbedingungen des nationalen, zwischenstaatlichen und Europäischen Rechts

1.

Das Internationale Betriebsrentenrecht (Versorgungszusage)

Jede betriebliche Altersversorgung ist zunächst an das Vorliegen einer Versorgungszusage gebunden, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer macht. 80 Eine solche Versorgungszusage kann einen individualrechtliehen (durch einseitige oder vertragliche Zusage), kollektivrechtlichen (durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung) oder normativen (durch Betriebliche Übung und Gleichbehandlungsgrundsatz) Rechtsgrund haben. 81 Da eine betriebliche Versorgungszusage individualrechtlicher Natur nicht ohne Arbeitsverhältnis denkbar ist 82 , ist sie grundsätzlich akzessorisch zum Arbeitsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. 83 Folglich ist auch auf die Versorgungszusage grundsätzlich das Recht anwendbar, das für die arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer maßgeblich ist. Der Gleichlauf zwischen anwendbarem Arbeitsrecht und anwendbaren Recht für die Versorgungszusage gilt sowohl für Versorgungszusagen, die auf eigene Versorgungsleistungen durch den Arbeitgeber gerichtet sind, als auch tlir Vcrsorgungszusagen. die die Einschaltung eines externen Versorgungsträgcrs vorsehen (mittelbare Versorgungszusage). 8" Somit bestimmt sich das maßgebliche Recht tlir die Versorgungszusage nach den Kollisionsregeln des Internationalen Arbeitsrechts. a)

Das Internationale Arbeitsrecht in Europa: Rom-1- Verordnung

Grundsätzlich gelten ftir Arbeitsverhältnisse mit Auslandsberührung die Bestimmungen des internationalen Schuldrechts. Neben den allgemeinen Kollisionsregeln für Vertragsverhältnisse sind hierbei jedoch einige Sonderbestimmungen zu beachten, die die Besonderheiten von Individualarbeitsverhältnissen berücksichtigen. In der EU war das internationale Schuldrecht zunächst durch das 1991 in Kraft getretene europäische Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldver-

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Zur kollisionsrechtlichen Behandlung von Versorgungszusagen an Nicht-Arbeitnehmer oder von Nicht-Arbeitgebern im Konzern vgl. Bittner, Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht, S. 263 ff. Unterscheidung nach Birk, in: FS Müller, S. 31, S. 34 ff. An dieser Stelle soll nur die individualrechtliche Zusage näher behandelt werden. Zur Bestimmung des anwendbaren Rechts bei kollektivrechtlichen und normativen Versorgungszusagen siehe näher Birk. in: FS Müller, S. 31, S. 36 tf; Bittner, Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht S. 414 ff. Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil Rz 109 ff; Bittner, Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht, S. 261 ff; Böhm, Die betriebliche Altersversorgung in Deutschland und das Recht der Arbeitnehmer auf Freizügigkeit in Europa. S. 127; aA: Birk, in: FS. S. 31, S. 35. Bittner, Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht, S. 312.

Betriebliche Altersversorgung

hältnisse anzuwendende Recht (EVÜ, Römer Übereinkommen) vereinheitlicht.85 Als völkerrechtlicher Vertrag wurde es durch Ratifikation Teil des unmittelbar geltenden Rechts der einzelnen Vertragsstaaten. 86 Die jüngst in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-I-Verordnung) 87 ersetzt die Regelungen des Römer Übereinkommens tlir die Mehrheit der europäischen Mitgliedstaaten. Für alle Verträge, die nach dem 18.12.2009 geschlossen werden. ist die Rom-I-Verordnung maßgeblich. 88 Von der räumlichen Anwendbarkeit der Rom-I-Verordnung sind lediglich das Königreich Dänemark und das Vereinigte Königreich ausgenommen, in diesen Mitgliedstaaten gilt das EVÜ weiter. 89 Da das EVÜ kraft Ratifikation ebenso wie die Regelungen der Rom-IVerordnung unmittelbar geltendes Recht in den Vertrags- bzw. Mitgliedstaaten sind, wird im Folgenden direkt auf die Regelungen des EVÜ bzw. der Rom-IVerodnung eingegangen. aa)

Sachverhalt mit Auslandsbezug

Die Vorschriften des Römer Übereinkommens bzw. der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 gelten ±Ur vertragliche Schuldverhältnisse, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen. Wann eine so genannte Auslandsberührung vorliegt, ist weder im EVÜ noch in der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 geregelt. Nach den allgemeinen Grundprinzipien des Internationalen Privatrechts weist ein Schuldverhältnis eine Auslandsberührung aut~ wenn die Vertragsparteien eine unterschiedliche Staatsangehörigkeit haben oder aber der Wohnsitz bzw. der Unternehmenssitz der Vertragsparteien in unterschiedlichen Staaten belegen ist. 90 Auch die ausländische Belegenheit des gewöhnlichen Er-

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Zu den Reformbestrebungen. die Regelungen des EVÜ in eine europäische Rom-IVerordnung zu überfUhren, vgl. Basedow!Scherpe, in: FS Heldrich, S. 511; Fricke. VersR 2005, 726. Allein Deutschland hat eine besondere Form der Umsetzung des EVÜ gewählt. Noch bevor die Ratifizierung wirksam wurde, hat der deutsche Gesetzgeber die Bestimmungen des EVÜ als Teil der !PR-Reform in die Artikel 27-37 EGBGB übernommen. Daher wurde im Zustimmungsgesetz zum EVÜ festgelegt. dass die Artikel l-21 EVÜ innerstaatlich keine unmittelbare Anwendung finden. Zur Kritik an der so genannten Kopiermethode siehe Max-Pianck-lnstitut, RabelsZ 47 (1983), 602,665 ff. Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom 1), Amtsblatt L 177/6 vom 4.7.2008. Zu der widersprüchlichenfassungvon Art. 28 Rom-I-Verordnung und Art. 29 Rom-IVerordnung vgl. Pfeijfer, EuZW 2008, 622. V gl. Pfi!iifer, EuZW 2008. 622, 623. Ahrend!Förster!Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil Rz 42.

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ftlllungsortes flir eine der Hauptleistungen reicht aus, um einen Auslandsbezug zu bejahen. 91 Hiernach kann bereits eine Fallgruppe grenzüberschreitender Altersversorgung ausgeblendet werden, bei der es zwar zur Zahlung grenzüberschreitender betrieblicher Altersvorsorgeaufwendungen kommt, bei der aber noch kein hinreichender Auslandsbezug vorliegt. Wird ein inländischer Arbeitnehmer von seinem inländischen Arbeitgeber nur kurzfristig ins europäische Ausland geschickt ist mangels eines ausländischen Erftillungsortes kein hinreichend relevanter Auslandsbezug gegeben und der Anwendungsbereich des EVÜ bzw. der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 daher nicht eröffnet. Insofern bleibt fi.ir das Arbeitsverhältnis und die fortgeführte betriebliche Altersversorgung das inländische Arbeitsrecht anwendbar. 92 Dagegen liegt ein hinreichender Auslandsbezug etwa dann vor, wenn ein Arbeitnehmer für eine Tätigkeit in seinem Heimatstaat mit einem EUausländischen Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag eingeht oder aber im EUAusland flir einen EU-ausländischen Arbeitgeber tätig wird. In diesen Fällen ist das anwendbare Arbeitsrecht nach den Grundsätzen des EVÜ bzw. der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 auch dann zu ermitteln. wenn es zu kurzfristigen Aufenthalten in wiederum anderen Mitgliedstaaten kommt. Eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten liegt auch dann vor, wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber zwar die gleiche Staatsangehörigkeit haben und auch der Erftillungsort in diesem Staat belegen ist, aber einer der Vertragsparteien im EUAusland ihren Wohnsitz bzw. Unternehmenssitz hat. Auf Arbeitnehmerseite sind dies typischerweise die Grenzpendlertalle. Schließlich wird das anwendbare Recht auch dann nach dem EVÜ bzw. der Rom-I-Verordnung bestimmt, wenn inländischer Arbeitnehmer und inländischer Arbeitgeber einen Vertrag schließen, der von vornherein darauf gerichtet ist. im EU-Ausland erfüllt zu werden, der Arbeitnehmer also etwa in der EU-ausländischen Zweigstelle eingesetzt werden soll. bb)

Grundsätze des Internationalen Arbeitsrechts

(1)

Prinzip der Rechtswahl

Nach dem Römer Übereinkommen bzw. der Rom-I-Verordnung können die Parteien bei Fallgestaltungen mit hinreichendem Auslandsbezug grundsätzlich das anwendbare Recht frei wählen. Gemäß Art. 3 Abs. I Satz I EVÜ, der flir alle Schuldverhältnisse gilt, unterliegt ein Vertrag grundsätzlich dem von den 91 92

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Ahrend!Förster!Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil Rz 42. Da in der Regel eine kurzfristige Auslandstätigkeit auch noch keine steuerliche Zuständigkeit für den Tätigkeitsstaat begründen wird, wird eine solche Ausgestaltung auch noch steuerlich als reiner Inlandsfall einzuordnen sein.

Betriebliche Altersversorgung

Parteien gewählten Recht. Dieser Grundsatz ist auch in Art. 3 Abs. I Satz 1 der Rom-I-Verordnung beibehalten worden. Das Prinzip der freien Rechtswahl gilt auch ftir Individualarbeitsverträge, wie Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 verdeutlicht. Im Falle einer fehlenden Rechtswahlvereinbarung ist nach Art. 4 Abs. 1 Satz I EVÜ das Recht des Staates anwendbar. zu dem der Vertrag die engsten Verbindungen aufweist. Art. 4 Abs. 2 EVÜ stellt die Vermutung auf, dass ein Vertrag die engste Verbindung zu dem Staat aufweist, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung erbringt, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder - im Falle einer Gesellschaft, eines Vereins oder einer juristischen Person - ihre Hauptverwaltung hat. Für Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse von Einzelpersonen enthält das EVÜ daneben Sonderbestimmungen. Zunächst darf gemäß Art. 6 Abs. I Satz 1 EVÜ in Arbeitsverträgen die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird. der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des objektiv anwendbaren Rechts gewährt werden würde. Das mangels Rechtswahl objektiv anwendbare Recht ist gemäß Art. 6 Abs. 2 lit a) EVÜ grundsätzlich das Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet selbst wenn er vorübergehend in einen anderen Staat entsandt ist. Erftillt der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat, ist nach Art. 6 Abs. 2 lit b) EVÜ objektiv das Recht des Staates anwendbar, in dem sieh die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat. Diese beiden objektiven Anknüpfungen stehen nach Art. 6 Abs. 2 a.E. EVÜ unter dem Vorbehalt, dass sieh aus der Gesamtheit der Umstände nicht ergibt, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist. In diesem Fall ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden. 93 Diese Grundprinzipien sind im Wesentliehen auch in die Rom-I-Verordnung übertragen worden. Gemäß Art. 8 Abs. 2 der Rom-I-Verordnung ist das mangels Rechtswahl objektiv anwendbare Recht grundsätzlieh das Recht desjenigen Staates, in dem oder andernfalls von dem aus der Arbeitsnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlieh seine Arbeit verrichtet. Der "Verrichtungsstaar' wechselt auch dann nicht, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit vorübergehend in einem anderen Staat ausübt. Kann nach diesen Grundsätzen das anwendbare Recht nicht bestimmt werden, unterliegt der Individualarbeitsvertrag gemäß Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 dem Recht des Staates, in dem sieh die einstellende Niederlassung befindet, es sei denn, der Vertrag

93

Zum Verhältnis der Regelanknüpfungen in Art. 6 Abs. 2 EVÜ untereinander und zur Ausweichklausel näher Junker, in: FS Heldrich, S. 719. S. 720.

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weist aus der Gesamtheit er Umstände eine engere Verbindung zu einem anderen Staat auf, vgl. Art. 8 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008. Die parallele Anknüpfung für das Internationale Betriebsrentenrecht und das Internationale Arbeitsrecht führt dazu, dass eine Rechtswahl der Parteien ft.ir das Arbeitsverhältnis grundsätzlich auch die Versorgungszusage umfasst es sei denn, ftir diese wurde ausdrücklich ein anderes Rechtsstatut gewählt. 94 (2)

Bestimmung des objektiv anwendbaren Rechts

Es ist bereits ausgeftihrt worden, dass bei Fehlen einer Rechtswahl für das Arbeitsverhältnis gemäß Art. 6 Abs. 2 lit a EVÜ bzw. Art. 8 Abs. 2 Satz l der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vorrangig das Recht des Staates objektiv anwendbar ist, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Eine vorübergehende Entsendung in einen anderen Staat ist unschädlich. Nur wenn der Arbeitsort des Arbeitnehmers ständig wechselt, ist das Recht des Staates maßgeblich, in dem sich die einstellende Niederlassung befindet, vgl. Art. 6 Abs. 2 lit b) EVÜ bzw. Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008. Der Ort der einstellenden Niederlassung ist in der Regel unschwer zu ermitteln. Hierfür kommt es nicht auf den Ort des Vertragsabschlusses, sondern darauf an, wo der Arbeitnehmer erstmalig in die vom Arbeitgeber bestimmte Organisation eingegliedert wurde. 95 Dagegen kann die Bestimmung des gewöhnlichen Erfüllungsortes eines Arbeitsverhältnisses bei grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen schwierig sein, insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer in verschiedenen Staaten tätig wird. Bei Auslandstätigkeiten wird allgemein zwischen einer kurzfristigen Tätigkeit im Rahmen einer Dienstreise oder einer Abordnung, einer mittelfristigen Tätigkeit durch Delegation oder befristete Versetzung und einer langfristigen Auslandstätigkeit durch unbefristete Versetzung oder Übertritt unterschieden. 96 Eine Dienstreise an einen anderen Ort, an dem die arbeitsvertraglich geschuldeten Leistungen erbracht werden sollen, dauert maximal drei Monate. 97 Eine Abordnung liegt dagegen vor, wenn eine auftragsbezogene Tätigkeit über den Zeitraum von drei Monaten bis zu zwei Jahre statttindet. 98 Der Arbeitnehmer kann in einer anderen Organisationseinheit des gleichen Arbeitgebers oder ei-

94 95 96 97 98

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Ahrend!Förster!Röjller. Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil Rz I 09 ff; Birk, in: FS Müller, S. 3 L S. 35 f. Bittner, Europäisches und internationales Betriebsrcntenrecht, S. 278. Ahrend!Förster!Röjller, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil Rz 51. Ahrend!Förster!Röjller, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil Rz 55. Ahrend!Förster!Röjller, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil Rz 56.

Betriebliche Altersversorgung

ner gemeinsamen Einrichtung verschiedener Träger tätig werden. 99 Sein Arbeitsverhältnis zum Stammhaus bleibt hierbei jedoch bestehen, er wird also nicht in eine andere Organisationseinheit eingegliedert, sondern aufgrund einer Vereinbarung mit seinem inländischen Arbeitgeber cntsandt. 10 Folgerichtig bleibt der gewöhnliche Erfüllungsort des Arbeitsvertrages bei der Abordnung ebenso wie bei der Dienstreise grundsätzlich im Inland. Der Arbeitnehmer erfüllt seine arbeitsvertragliehen Verpflichtungen nur gelegentlich im Ausland. 101 Objektiv anwendbar bleibt daher das Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich tätig wird.

°

Die Delegation als mittelfristige Auslandstätigkeit ist dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitnehmer im Auftrag seines inländischen Arbeitgebers für ein ausländisches Unternehmen tätig wird, aber nicht dauerhaft in das ausländische Unternehmen integriert wird. 102 Der Arbeitsvertrag mit dem ursprünglichen Arbeitgeber besteht fort. 103 In der Regel verbleibt der gewöhnliche Arbeitsort beim inländischen Arbeitgeber, auch wenn die Delegation mehrere Jahre andauern kann und ab einem gewissen Zeitpunkt hinterfragt werden muss, ob tatsächlich noch eine nur vorübergehende Entsendung im Sinne des Art. 6 Abs. 2 lit a) EVÜ bzw. Art. 8 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vorliegt. 104 Bei der befristeten Versetzung kommt es zu einer vergleichsweise stärkeren Verschiebung. Zwischen dem Arbeitnehmer und dem EU-ausländischen Unternehmen wird gewöhnlich ein eigener Arbeitsvertrag geschlossen, der Arbeitnehmer wird in den ausländischen Betrieb integriert und erhält einen festen Arbeitsplatz. 105 Dieser Vertrag unterliegt durch die Belegenheit des gewöhnlichen Erfüllungsortes im Ausland objektiv dem ausländischen Recht. 106 Nur soweit besondere Sachverhaltsmerkmale eine engere Anbindung an den Ort des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses begründen, ist eine Anknüpfung an das Recht der engeren Verbindung gemäß Art. 6 Abs. 2 a.E. EVÜ bzw. Art. 8 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 möglich. 107 Die Hauptpflichten des

99 Ahrend!Försler!Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung. 9. Teil Rz 56. I 00 Ahrend!Förster/Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil Rz 57. I 0 I Ahrend!Förster!Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil Rz 57; Junker,, in: FS Heldrich, S. 719, S. 738. I 02 Ahrend!Förster!Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil Rz 57. I 03 Ahrend!Förster/Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil Rz 60; Bittner, Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht, S. 273. I 04 Dazu näher Ahrend!Förster!Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil Rz 65 f; Bittner, Europäisches und internationales Betriebsrentenrccht, S. 273 tf. I 05 Ahrend!Förster!Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil Rz 61. 106 Ahrend!Förster/Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil Rz 75. 107 Ahrend!FörstenRößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil Rz 71.

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Rahmenbedingungen des nationalen. zwischenstaatlichen und Europäischen Rechts

Arbeitnehmers aus dem bisherigen Arbeitsvertrag mit dem Stammhaus kommen bei der befristeten Versetzung durch vertragliche Vereinbarung zum Ruhen. Der Arbeitsvertrag als solcher besteht latent fort, da die Rückkehr des Arbeitnehmers nach der Versetzung grundsätzlich vorgesehen ist 108 Für das anwendbare Recht dieses ruhenden Arbeitsvertrages mit dem ursprünglichen Arbeitgeber tritt die Bedeutung des Arbeitsortes zurück. Durch ein Abstellen auf den gewöhnlichen Arbeitsort bis zum Eintritt des Ruhens 109 , den Ort des Vcrtragsschlusses, die vorgesehene Rückkehr und Wiedereingliederung oder auch nur die nähere Verbindung ist in der Regel das Recht des Staates maßgeblich, in dem der ursprüngliche Arbeitgeber ansässig ist 110 Da in den Fällen der befristeten Versetzung häufig auch eine Betriebsrentenzusage des ursprünglichen Arbeitgebers auf Grundlage eines fiktiven Inlandsgehalts aufrechterhalten wird 111 , ist auf diese Zusage gleichermaßen das ursprüngliche Recht anwendbar. Im Ergebnis unterliegen daher bei der befristeten Versetzung beide Arbeitsverträge dem jeweiligen Ortsrecht 112 Auch die Versorgungszusage im jeweiligen Arbeitsverhältnis wird davon erfasst 113 Eine langfristige Auslandstätigkeit kann auf einer unbefristeten Versetzung vom Stammhaus ins Ausland, auf einem Übertritt in ein Auslandsunternehmen oder schlicht auf einer gezielten Einstellung für den Auslandseinsatz beruhen. Bei der unbefristeten Versetzung wird ein unbefristeter Vertrag mit dem ausländischen Arbeitgeber abgeschlossen, wobei der Zeitpunkt tlir eine Rückkehr zum Stammhaus offen ist 114 Auch beim Übertritt bestehen vertragliche Beziehungen allein zwischen dem ausländischen Arbeitgeber und dem dort tätigen Arbeitnehmer, die Bindungen zum Stammhaus werden beendet 115 In beiden Fällen fUhrt die Anknüpfung über den gewöhnlichen Arbeitsort in der Regel zur Anwendung des ausländischen Rechts. 116 Wird bei der Einstellung für den

108 Ahrend/Förster/Rößler. Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil Rz 61, Rz 70. I 09 Bittner, Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht, S. 274. II 0 Ahrend/Försler/Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil Rz. 73

tl III Bittner, Europäisches und internationales Betriebsrcntenrecht, S. 273 f. 112 Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil Rz 75. 113 Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil Rz. 112. Die Anknlipfung für das ruhende Arbeitsverhältnis im Entsendungsfall bewirkt die fortfiihrung der betrieblichen Altersversorgung ohne Statutenwechsel, womit den Anforderungen von Art. 6 der Richtlinie 98/41/EG Genüge getan ist. V gl. Bittner, Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht. S. 276. 114 Ahrend/Förster/Rößler. Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil Rz 80. 115 Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung. 9. Teil Rz 84. 116 Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil Rz 80, Rz 84.

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Betrieb! iche Altersversorgung

Auslandseinsatz eine weitere Verwendung im Inland ausgeschlossen, handelt es sich von vomherein um ein rein ausländisches Arbeitsverhältnis, auf das das ausländische Arbeitsrecht angewendet wird. 117 Daher unterfallen auch Versorgungszusagen innerhalb dieser Arbeitsverhältnisse objektiv dem ausländischen Recht. b)

Umfang des Versorgungsstatuts

Neben den wichtigsten Anknüpfungen ftir das auf das Arbeitsverhältnis und die Versorgungszusage anwendbare Recht stellt sich für die Zwecke der weiteren Ausführungen auch die frage nach dem Umfang des Versorgungsstatuts. Grundsätzlich unterliegt eine betriebliche Altersversorgungszusage nicht allein der privatautonomen Ausgestaltung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. sondern auch gewissen gesetzlichen Vorschriften. Das durch subjektive Rechtswahl oder objektive Anknüpfung maßgebliche Statut der Versorgungszusage erfasst auch diese gesetzlichen Bestimmungen, da es sich gewöhnlich um Regelungen arbeitsrechtlicher Natur handelt. die das ArbeitnehmerArbeitgeber-Verhältnis betreffen. 118 Auch solche gesetzlich zwingenden Regelungen können flir die steuerliche Einordnung einer betrieblichen Altersvorsorge relevant sein. c)

Zwingende Sonderanknüpfung

Zwingende Sonderanknüpfungen für die Versorgungszusage kommen dagegen nur im Falle einer wirksamen Rechtswahl für die Versorgungszusage in Betracht. Hierbei geht es darum, ob nicht trotz der wirksamen Wahl eines bestimmten Rechts gewisse unabdingbare Schutzvorschriften des abgewählten, objektiv anwendbaren Rechts zur Anwendung kommen, vgl. Art. 6 Abs. I Satz I EVÜ bzw. Art. 8 Abs. I Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008. Auch solche zwingenden Bestimmungen können grenzüberschreitende Altersvorsorgeprodukte prägen und damit fUr die steuerliche Einordnung grenzüberschreitender betrieblicher Altersvorsorge relevant wcrden. 119 Ob eine konkrete mit-

117 Ahrend/Förster/Rößler. Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil Rz 90. 118 Birk. in: FS Müller, S. 31. S. 45 f: Bittner, Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht, S. 298. 119 Zu den unabdingbaren Regelungen im deutschen Gesetz zur Betrieblichen Altersversorgung zählen etwa die Unverfallbarkeit von Anwartschaften, der vorzeitige Bezug der Betriebsrente und die Insolvenzschutzbestimmungen. Vgl. Birk, in: FS Müller, S. 31, S. 47; Bitrner, Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht, S. 309; Böhm, Die betriebliche Altersversorgung in Deutschland und das Recht der Arbeitnehmer auf Freizügigkeit in Europa, S. 43, S. 129. Auch derartige Vorgaben können die steuerliche Einordnung eines Altersvorsorgeprodukts beeinflussen.

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Rahmenbedingungen des nationalen, zwischenstaatlichen und Europäischen Rechts

gliedstaatliche Regelung zu den zwingenden Vorschriften zu zählen ist, muss jeweils einzeln untersucht werden. 1211 2.

Das anwendbare Recht für die Ausgestaltung der betrieblichen Versorgungsprodukte (Durchführung)

Wie soeben gezeigt, hat eine betriebliche Altersversorgung immer schon dann einen hinreichenden Auslandsbezug, wenn in der arbeitsvertragliehen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber das Recht mehrerer Staaten berührt wird. Unabhängig davon ist aber auch dann ein Auslandsbezug in der Betrieblichen Altersversorgung gegeben, wenn diese mit einem externen Versorgungsträger durchgeführt wird, der im europäischen Ausland seinen Sitz hat. 121 Dann weist unabhängig davon, ob sich das arbeitsrechtliche Verhältnis auf das Recht eines oder mehrerer Staaten bezieht, die Rechtsbeziehung zwischen dem Vorsorgeträger und dem Arbeitgeber bzw. Arbeitnehmer einen hinreichenden Auslandsbezug auf. Folglich ist auch das maßgebliche Recht flir die Durchführung der Betrieblichen Altersversorgung getrennt vom Betriebsrentenstatut zu ermitteln. Es muss nicht zwangsläufig dem flir die Versorgungszusage anwendbaren Recht folgen. 122 Da es ftir die steuerliche Einordnung eines konkreten Vorsorgeprodukts auch darauf ankommt, welche Regelungen im Verhältnis zwischen Vorsorgesparer bzw. Arbeitgeber und externem Vorsorgeträger zur Anwendung kommen, sollen an dieser Stelle kurz die Grundsätze erläutert werden, nach denen das anwendbare Sachrecht für das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber bzw. Arbeitnehmer und Versorgungsträger bestimmt wird. Hierbei ist danach zu unterscheiden. ob die betriebliche Altersversorgung durch eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers oder durch Einschaltung eines Pensionsfonds oder einer dazu vergleichbaren Vcrsorgungseinrichtung 123 durchgeführt wird.

120 V gl. hierzu näher Bittner. Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht S. 286 f. 121 Auch wenn das Arbeitsverhältnis ebenfalls einen Auslandsbezug hat, kann der für die betriebliche Altersversorgung eingeschaltete Versorgungsträger, also etwa ein Versicherungsunternehmen oder ein Pensionsfonds, wiederum in einem anderen europäischen Mitgliedstaat seinen Sitz haben. wodurch die Rechtsbeziehung zwischen dem Versorgungsträger und dem Arbeitnehmer einen eigenständigen Auslandsbezug hat, der von einem etwaigen Auslandsbezug des Arbeitsverhältnisses unabhängig ist und daher eigenen Kollisionsregelungen folgt. V gl. auch Bittner, Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht, S. 314. 122 Birk. in: FS Müller, S. 31, S. 40; Bittner, Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht, S. 313. 123 Mit dem Pensionsfonds vergleichbar ist insbesondere die deutsche Pensionskasse. Der in Deutschland daneben noch existierende Durchflihrungsweg der Unterstützungskasse

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Betriebliche Altersversorgung

a)

Das anwendbare Recht für die Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung durch Lebensversicherungen

Bei einer betrieblichen Altersversorgung durch eine Lebensversicherung stellt sich das Rechtsverhältnis zwischen dem externem Versicherungsunternehmen und dem Arbeitgeber bzw. dem begünstigten Arbcitnchmer 124 als ein versicherungsrechtliches Rechtsverhältnis dar. 125 Das materielle Versicherungsvertragsrecht in der Europäischen Union ist in seinen wesentlichen Punkten noch nicht harmonisiert, was die Entwicklung eines echten Versicherungsbinnenmarktes und die gemeinschaftsweite steuerliche Anerkennung von versicherungsrechtlichen Produkten maßgeblich erschwcrt. 126 Grenzüberschreitende Versicherungsverhältnisse unterliegen dem mitgliedstaatliehen Sachrecht, welches nach den Grundsätzen des Internationalen Versicherungsvertragsrechts zu ermitteln ist. Die Kollisionsregelungen flir das Versicherungsvertragsrecht waren lange nicht im EVÜ verankert, sondern durch die Richtlinie 2002/83/EG über Lebensversicherungen vorgegeben. 127 Sie sindjüngst in die Rom-I-Verordnung 128

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gestaltet sich dagegen anders. Siehe zu den kollisionsrechtlichen Fragen bei der Unterstützungskasse näher Bittner. Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht S. 328 ff. Je nach Finanzierung der Betrieblichen Altersversorgung ist zu unterscheiden. Während bei einer Betrieblichen Altersversorgung durch Entgeltumwandlung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Versorgungsunternehmen ein eigenes Versicherungsverhältnis besteht. liegt bei einer rein arbeitgeberfinanzierten Betrieblichen Altersversorgung ein Versicherungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Versorgungsträger als Deckungsverhältnis vor, an das sich das Bezugsverhältnis des begünstit,>ien Arbeitnehmers jedoch anlehnt und das daher dem Versicherungsvertragsstatut folgt. V gl. Bittner, Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht S. 316. Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 9. Teil Rn. 117. V gl. Basedow/Scherpe, in: FS Heldrich. S. 511, S. 520: Floridi, Perspektiven flir eine Vereinfachung des Europäischen Versicherungsrcchts, S. 8; Reichert-Facilides, in: FS Drobnig, S. 119, S. 131 f. Anders dagegen die Einschätzung in den Erwägungen zur Richtlinie über Lebensversicherungen, wonach die Harrnonisierung des für den Versicherungsvertrag geltenden Rechts keine Vorbedingung für die Verwirklichung des Binnenmarktes im Versicherungssektor ist. Vgl. 44. Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/83/EG über Lebensversicherungen, Abi. L345/l vom 19.12.2002. Zu den historischen Gründen flir diese Trennung und den derzeitigen Überlegungen, das Kollisionsrecht ftir Versicherungsverträge in eine Rom-I-Verordnung zu integrieren näher Basedow/Scherpe. in: FS Heldrich, S. 511 n; Fricke, VersR 2005, 726 ff. Eine inhaltliche Annäherung des Versicherungskollisionsrechts an das EVÜ hätte auf die steuerlichen Fragenstellungen im Zusammenhang mit betrieblicher und privater Altersvorsorge enorme Auswirkungen. Das Prinzip der Rechtswahlfreiheit würde es erlauben, mittels einer einheitlichen Rechtswahl europaweit einheitliche Produkte anzubieten,

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Rahmenbedingungen des nationalen, zwischenstaatlichen und Europäischen Rechts

inkorporiert worden. Da jedoch manche Mitgliedstaaten von dem räumlichen Anwendungsbereich der Rom-I-Verordnung ausgenommen sind 129 , wird an dieser Stelle daneben noch auf die Lebensversicherungsrichtlinie eingegangen. Nach den Art. 32 ff der Lebensversicherungsrichtlinie 130 ist eine Rechtswahl zwischen den Parteien eines Versicherungsvertrages nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen möglich. Grundsätzlich steht eine objektive Anknüpfung in der Lebensversicherungsrichtlinie im Vordergrund. Gemäß Art. 32 Abs. I S. I der Richtlinie 2002/83/EG kommt grundsätzlich das Recht des Mitgliedstaates der Verpflichtung zur Anwendung. Als Mitgliedstaat der Verpflichtung gilt der Staat, in dem der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz bzw. seine Niederlassung hat (Prinzip der Risikobelegenheit). 131 Bei einer arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung ist der Arbeitgeber selbst Versicherungsnehmer, sodass das Recht zur Anwendung kommt, in dem sich das jeweilige Unternehmen, die Betriebsstätte oder die Einrichtung befindet. 132 Das Rechts des Staates, dessen Staatsangehöriger der Versicherungsnehmer ist, kann nach Art. 32 Abs. 2 der Richtlinie 2002/83/EG nur gewählt werden, wenn der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz in einem anderen Staat als dem seiner Staatsangehörigkeit hat. 133 Dies bedeutet, dass ein Arbeitgeber als Versicherungsnehmer für alle Arbeitnehmer in seinen verschiedenen europäischen Niederlassungen eine einheitliche betriebliche Zusatzversorgung nach dem Recht des Staates abschließen kann, in dem sich seine Hauptverwaltung betindet. 134 Darüber hinaus macht Art. 32 Abs. 1 S. 2 der Richtlinie 2002/83/EG die Wahl eines anderen Sachrechts davon abhängig, dass das Recht des Staates der Verpflichtung nach Art. 32 Abs. 1 S. 1 der Richtlinie

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was der steuerlichen Anerkennung dieser Produkte in den verschiedenen Mitgliedstaaten zuträglich wäre. Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), Abi. LI 77/6 vom 4.7.2008. Vgl. Pfeiffcr, EuZW 2008, 622, 623. Die Richtlinie ist für die Fälle maßgeblich, in denen das versicherte Risiko im europäischen Wirtschaftsraum belegen ist, also Versicherungsnehmer und Versicherungsunternehmen im europäischen Wirtschaftsraum ansässig sind. Basedow/Scherpe, in: FS Heldrich, S. 511, S. 514; Floridi, Perspektiven für eine Vereinfachung des Europäischen Versicherungsrechts, S. I 0; KeKel/SchuriK, Internationales Privatrecht, S. 687. Bittner, Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht, S. 317 ff. Vgl. auch die Definition des Mitgliedstaats der Verpflichtung in Art. 1 Abs. I lit g) der Richtlinie 2002/83/EG. Näher zu den übrigen Regelungen und Reformüberlegungen Floridi, Perspektiven für eine Vereinfachung des Europäischen Versicherungsrechts, S. 10 ff. Bittner, Europäisches und intemationales Betriebsrentenrecht, S. 319 f.

Betriebliche Altersversorgung

2002/83/EG eine Rechtswahl zulässt (indirekte Rechtswahl). 135 Die Möglichkeit einer weitergehenden Rechtswahl hängt somit im Ergebnis von dem IPR des Staates ab, dessen Recht objektiv gemäß Art. 32 Abs. I S. I der Lebensversicherungsrichtlinie anwendbar ist. Da die mitgliedstaatliehen Kollisionsregeln eine Rechtswahl unterschiedlich regeln, sind hier viele Konstellationen denkbar. 136 Eine Sonderanknüpfung zwingender Bestimmungen ist nach Art. 33 der Richtlinie 2002/83/EG möglich. Art. 7 Abs. 3 der Rom-I-Verordnung erlaubt die Wahl des Rechts des Mitgliedstaats, in dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses das Risiko belegen ist, in dem Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder dessen Staatsangehörigkeit der Versicherungsnehmer besitzt. Bei Fehlen einer Rechtswahl unterliegt der Vertrag dem Recht des Mitgliedstaats, in dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses das Risiko belegen ist. b)

Das anwendbare Recht für die Ausgestaltung betrieblicher Versorgungsprodukte durch Pensionsfonds im weiten Sinne

Bei einer betrieblichen Altersversorgung durch einen Pensionsfonds oder damit vergleichbare Einrichtungen besteht zwischen dem abgesicherten Arbeitnehmer und dem Pensionsfonds zunächst ein Mitgliedschaftsverhältnis, welches dem Personalstatut der Einrichtung unterliegt. 137 Inhaltlich wird das Mitgliedschaftsverhältnis durch die Satzung des Pensionsfonds bestimmt. 138 Sieht die Satzung des Pensionsfonds auch die Mitgliedschaft von im EU-Ausland ansässigen Arbeitnehmern vor, gelten die satzungsrechtlichen Bestimmungen auch für diese. Neben das Mitgliedschaftsverhältnis tritt ein Versicherungsverhältnis zwischen Pensionsfonds und Arbeitgeber. Für dieses Versicherungsverhältnis gilt das Versicherungsvertragsstatut, das sich aus dem jeweils nationalen Kollisionsrecht entsprechend der Lebensversicherungsrichtlinie bzw. aus der Rom-IVerordnung ergibt. 139

135 Basedow/Scherpe, in: FS Heldrich, S. 511, S. 514. 136 Basedow/Scherpe, in: FS Heldrich, S. 511, S. 513 f. 137 Bittner, Europäisches und internationales Belriebsrentenrechl, S. 324 für die Pensionskasse. 138 Bittner, Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht, S. 325 für die Pensionskasse. 139 Siehe dazu näher Bittner, Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht, S. 325 ff mit (auf den Pensionsfonds übertragbaren) Ausführungen zur Pensionskasse.

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Rahmenbedingungen des nationalen, zwischenstaatlichen und Europäischen Rechts

§3

Zusätzliche private Altersversorgung

Zusätzliche private Altersvorsorge beruht auf einem individuellen Vorsorgevertrag zwischen dem Vorsorgeanbieter und dem Vorsorgesparer, Die in den Mitgliedstaaten möglichen Formen privater Alterssicherung sind sehr unterschiedlich. Während etwa in der Bundesrepublik Deutschland vor allem Lebens- und Rentenversicherungen als private Vorsorgeformen gewählt werden, sind im Vereinigten Königreich spezielle Bank- und Investmentprodukte vorherrschend.140 Dementsprechend sind auch die steuerlichen Regelungen für die einzelnen Vorsorgeformen unterschiedlich ausgestaltet. Da in dieser Arbeit nicht alle privaten Altersvorsorgeprodukte thematisiert werden können, wird nur auf die Lebens- und Rentenversicherung als eine sehr verbreitete Form der privaten Altersvorsorge in allen Mitgliedstaaten näher eingegangen. Auch private Lebens- und Rentenversicherungen fallen unter die Richtlinie 2002/83/EG über Lebensversicherungen. Für die steuerliche Einordnung von grenzüberschreitenden Lebens- und Rentenversicherungen ist daher auf die Regelungen abzustellen, die entsprechend der Richtlinie 2002/83/EG bzw. der Rom-!- Verordnung zu Anwendung kommen.

140 Dürkop, Alterssicherung in der EG, S.40.

60

3. Teil: Grundfreiheiten und grenzüberschreitende Altersversorgungsaufwendungen und Alterseinkünfte Die Grundfreiheiten des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie das allgemeine Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 AEUV ( ex-Art. 18 EG) erfassen in zunehmendem Maße auch die steuerlichen Regelungen der Mitgliedstaaten. 1 Seit den ersten Entscheidungen, die zum Verhältnis zwischen Grundfreiheiten und nationalem Steuerrecht in den 90er Jahren ergangen sind 2, hat sich die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kontinuierlich weiter entwickelt. Mittlerweile stehen neben konkreten Einzelregelungen auch viele Grundpfeiler der mitgliedstaatliehen Steuerrechtsordnungen vor einer primärrechtlichen Überprüfung. Für die Zukunft wird erwartet, dass sich die Sprengkraft der Luxemburger Rechtsprechung gegenüber tradierten Prinzipien im nationalen Steuerrecht weiter erhöhen \Vird. 3 Inwieweit die Grundfreiheiten und das allgemeine Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 AEUV (ex-Art. 18 EG) die grenzüberschreitende Alterseinkünftebesteuerung beeint1ussen und daher den Handlungsrahmen der mitgliedstaatliehen Steuergesetzgeber eingrenzen, hängt zunächst davon ab, in welchem Umfang grenzüberschreitende Altersversorgungsvorgänge generell unter die Normen des Europäischen Primärrechts fallen. Nur wenn sich der Schutz der Grundfreiheiten und des allgemeinen Freizügigkeitsrechts auf grenzüberschreitende Altersversorgung erstreckt, hat auch die steuerliche Behandlung dieser Vorgänge eine grundfreiheitliche Dimension. Daher soll im folgenden Kapitel aufgezeigt werden, in welchem Maß die Grundfreiheiten auf grenzüberschreitende Altersvorsorge und deren Besteuerung Anwendung finden. Hierbei wird neben spezifisch steuerlichen Fragestellungen auch generell die Reichweite der Grundfreiheiten in Bezug auf grenzüberschreitende Altersversorgung abgesteckt.

2 3

Hierzu umfassend Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht. S. 822 ff. Vgl. hierzu umfassend Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 480 tf. V gl. hierzu beispielsweise Gosch, lStR 2007, 1553 ff, der von "massiven Einbrüchen" der primärrechtlich verbürgten Freiheitsrechten in die Geschlossenheit des mitgliedstaatlichen Steuerrechts spricht.

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Grundfreiheiten und grenzüberschreitende Altersversorgung

§ 1 Einführung: Der Einfluss der Grundfreiheiten auf das mitgliedstaatliche Steuerrecht Einführend soll zunächst kurz umrissen werden, wie die Grundfreiheiten auf die mitgliedstaatliehen Steuerrechtsordnungen generell einwirken. 4 Es wird dabei vorrangig auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs eingegangen, da dieser das Auslegungsmonopol auf dem Gebiet des EU-Rechts innehat, Art. 267 AEUV (ex-Art. 234 EG).

I.

Bindung des nationalen Steuergesetzgebers an das europäische Primärrecht

Alle Betrachtungen zum Verhältnis zwischen den Grundfreiheiten und dem nationalen Steuerrecht der Mitgliedstaaten beginnen mit der stets wiederholten FormeL dass das nationale Steuerrecht nach dem gegenwärtigen Stand des europäischen Primärrechts zwar im ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten liegt, die Mitgliedstaaten aber dennoch an die Vorgaben des Primärrechts gebunden sind, wenn sie Vorschriften im Bereich der direkten Steuern erlassen. 5 Die Grundfreiheiten durchdringen also auch die steuerlichen Regelungen einer mitgliedstaatliehen Rechtsordnung. Bei einer Kollision zwischen Grundfreiheiten und nationalem Steuerrecht sind die unmittelbar anwendbaren Grundfreiheiten des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorrangig und schränken die mitgliedstaatliehen Steuervorschriften ein. 6 Ihrem sachlichen Anwendungsbereich nach schützen die Grundfreiheiten praktisch jede wirtschaftliche Betätigung. die innerhalb der Europäischen Union mit einem grenzüberschreitenden Bezug stattfindet. 7 In vielen Fällen sind sogar mehrere Grundfreiheiten auf unterschiedliche Facetten eines grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Sachverhalts anwendbar. Stehen bei einem grenzüberschreitenden Vorgang private Motive im Vordergrund, kann das allgemeine Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 AEUV (ex-Art. 18 EG) zur Geltung kommen, das in seinem Schutzumfang parallel zu den Grundfreiheiten verläuft.s Aus dem Ziel der Grundfreiheiten und des allgemeinen Freizügigkeits-

4 5 6 7 8

62

Siehe hierzu etwa Borgsmidt, IStR 2007, 802 ff. EuGH vom 7.9.2004, Rs. C-319/02 (Manninen). Slg. 2004, 1-7477 (Tz. 19). Hierzu näher Cordewener, DStR 2004, 6, 12. Cordewener, DStR 2004, 6, 7. Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 30. März 2006, Rs. C-470/04 (N ./. Tnspecteur van de Belastingdienst Oost/kantoor Almelo), Slg. 2006, T-7409 (Tz. 65 ff). Lang, Die Rechtsprechung des EuGII zu den direkten Steuern- Welcher Spielraum bleibt den Mitgliedstaaten?, S. 22.

Einführung

rechts, innerhalb der Europäischen Union den grenzüberschreitenden Verkehr von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital uneingeschränkt zu ermöglichen, folgen mehrere Grundkonstanten für das Verhältnis zwischen Europäischem Primärrecht und mitgliedstaatlichem Steuerrecht.

II.

Keine inhaltlichen Vorgaben der Grundfreiheiten für die generelle Konzeption der mitgliedstaatliehen Steuerrechtsordnung

Zunächst lässt sich den Grundfreiheiten und dem allgemeinen Freizügigkeitsrecht keine Aussage darüber entnehmen. ob und wie wirtschaftliche Sachverhalte im grenzüberschreitenden Fall besteuert werden müssen oder sollten. Die Mitgliedstaaten können im Rahmen ihrer vom Europäischen Primärrecht unangetasteten Steuersouveränität darüber entscheiden. welche Steuern sie erheben und wie sie die Besteuerung im Einzelnen durchflihren. 9 Weder die Erhebung von Steuern noch die generelle Ausgestaltung einer mitgliedstaatliehen Steuerrechtsordnung kann daher als curoparcchtlich unzulässig angesehen werden. 10 Dementsprechend lässt sich aus den Grundfreiheiten auch flir Alters\'crsorgung kein bestimmtes Besteuerungsmodell ableiten. welches von den Mitgliedstaaten aus primärrechtlicher Perspektive zwingend umzusetzen wäre. Es ist der Entscheidungsbefugnis des mitgliedstaatliehen Steuergesetzgebers überlassen, innerhalb des jeweiligen Yerfassungsrechtlichen Rahmens zu bestimmen, ob und wie Altersversorgung auf mitgliedstaatlicher Ebene besteuert werden soll. Nichtsdestotrotz gibt es in der Literatur immer wieder Vorschläge für eine europarechtlich vorzugswürdige Besteuerung grenzüberschreitender Altervorsorgc.

111.

Gleichheitsrechtliche und freiheitsrechtliche Wirkungsweise der Grundfreiheiten

Aufgrund der prinzipiell autonomen Entscheidungsbefugnis der Mitgliedstaaten, die Besteuerung von Altersversorgung im nationalen Kontext autonom zu gestalten, kommen die Grundfreiheiten und das allgemeine Freizügigkeitsrecht erst in einem zweiten Schritt zum Tragen und entfalten gegenüber den mitgliedstaatliehen Steuerrechtsordnungen dann gleich in zweifacher Weise Wirkung.

9 l0

Schön, lStR 2004. 289. Cordewener, DStR 2004, 6. 8.

63

Grundfreiheiten und grenzüberschreitende Altersversorgung

In ihrer gleichheitsrechtlichen Dimension 11 stellen die Grundfreiheiten ein umfassendes Diskriminierungsverbot tlir den grenzüberschreitenden Sachverhalt auf. 12 Hieraus resultiert nicht allein das Verbot, grenzüberschreitende Sachverhalte steuerlich schlechter als Inlandsfälle zu behandeln, sondern auch die positive Verpflichtung, die auf nationaler Ebene bestehenden steuerlichen Vergünstigungen auch auf vergleichbare grenzüberschreitende Sachverhalte anzuwenden. 13 Die Unterscheidung zwischen offenen Diskriminierungen anhand der Staatsangehörigkeit und versteckten Diskriminierungen anhand anderer Merkmale, die sich vor allem zu Lasten EU-ausländischer Staatsangehöriger bzw. grenzüberschreitender Sachverhalte auswirken, ist für den Bereich des Steuerrechts regelmäßig nicht von Bedeutung. In den mitgliedstaatliehen Steuerrechtsordnungen wird nur noch selten nach der Staatsangehörigkeit des Steuerpflichtigen, sondern vorwiegend nach der von der Staatsangehörigkeit unabhängigen Ansässigkeit des Steuerpflichtigen difterenziert. 14 Dies kann nach der obigen Definition zu einer versteckten Diskriminierung EUausländischer Staatsangehöriger fUhren. In ihrer freiheitsrechtliehen Dimension 15 verlangen die Grundfreiheiten sowie Art. 21 AEUV (cx-Art. 18 EG), dass grenzüberschreitende Sachverhalte auch nicht in sonstiger Weise durch mitgliedstaatliche Maßnahmen erschwert oder behindert werden. Die grundfreiheitlichen Beschränkungsverbote stehen mitgliedstaatliehen Regelungen entgegen, die zwar unterschiedslos sowohl tlir Inländer als auch für EU-Ausländer gelten, aber in besonderer Weise gerade den grenzüberschreitenden Sachverhalt gegenüber dem Inlandssachverhalt benachteiligen. Mitunter werden diese Fälle auch als versteckte Diskriminierung oder beschränkende Diskriminierung angesehen - hiernach sind Beschränkungen nur noch solche mitgliedstaatliehen Maßnahmen, die ohne das Element einer Ungleichbehandlung zu spezifischen Hindernissen für den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr ftihren. 16 Da sich die Terminologie im Schrifttum jedoch einerseits erheblich unterscheidet 17 und anderseits eine II 12 13 14 15 16 17

64

Siehe hierzu grundlegend Cordewener. Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 175 ff. V gl. Cordewener. Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 824 ff. Cordewener, DStR 2004, 6, 12. V gl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 826. Siehe hierzu grundlegend Cordewener. Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht S. 175 ff. Vgl. hierzu näher Cordewener. DStR 2004, 6, 7 f; Cordewener!Schnitger. StuW 2006, 50. 55. Wieder anders beispielsweise Hey, StuW 2004. 193, 195, die allein Unterscheidungen nach der Ansässigkeil des Steuerpflichtigen als Diskriminierung wertet und dagegen Beschränkungen bejaht, wenn an den Auslandssachverhalt gegenüber der rein binnenstaatlichen Aktivität irgendwie geartete Nachteile geknüpft werden.

Einführung

klare Einordnung von mitgliedstaatliehen Regelungen nicht immer möglich ist, wird in dieser Arbeit der Unterscheidung gefolgt, die der Europäische Gerichtshof in seiner Rechtsprechung verwendet. Als Beschränkung der Grundfreiheiten werden daher solche unterschiedslosen Maßnahmen der Mitgliedstaaten verstanden, die zu einer spezifischen Schlechterbehandlung des grenzüberschreitenden Sachverhalts flihren. 18 Ob die Grundfreiheiten darüber hinaus auch Regelungen entgegenstehen, die ohne benachteiligende Wirkung in anderer Weise den grenzüberschreitenden Sachverhalt behindern. ist für das Steuerrecht noch nicht grundsätzlich entschieden 19 und wird flir die nachfolgenden Untersuchungen ausgeblendet.

IV.

Erfassung des lnbound- und des Outbound-Falles

Die Grundfreiheiten entfalten sowohl in ihrer gleichheits- als auch in ihrer freiheitsrechtliehen Dimension nicht allein Schutzwirkung bei einem grenzüberschreitenden Engagement aus dem EU-Ausland in das Inland hinein (lnbound-Fall), sondern auch umgekehrt bei einem grenzüberschreitenden Vorgang aus dem Inland in das EU-Ausland (Outbound-Fall). 20 Daher ist nicht allein der Zuzugs- bzw. Zielstaat eines grenzüberschreitenden Sachverhalts gehindert, diesen Vorgang in besonderer Weise steuerlich zu belasten. Auch der Wegzugs- bzw. Ursprungsstaat darf keine diskriminierenden oder beschränkenden Maßnahmen gegenüber dem grenzüberschreitenden Vorgang ergreifen, der aus seinem Hoheitsgebiet heraus stattfindet. Dies gilt auch gegenüber eigenen Staatsangehörigen. Daher ist es beispielsweise bei einem grenzüberschreitenden Wohnsitzwechsel einer natürlichen Person sowohl dem Herkunfts- als auch dem Aufnahmestaat grundsätzlich untersagt, an den grenzüberschreitenden Wohnsitzwechsel stärkere steuerliche Belastungen zu knüpfen als an den vergleichbaren Inlandssachverhalt Im Falle einer grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung dürfen weder der Herkunftsstaat noch der Bestimmungsstaat der Dienstleistung Maßnahmen ergreifen. die den Dienstleistungsvorgang besonders erschweren.

V.

Der relevante Vergleichsfall

Sowohl in der gleichheitsrechtlichen als auch in der freiheitsrechtliehen Dimension der Grundfreiheiten kommt es vor allem darauf an, den relevanten

18

19 20

V gl. zuletzt Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 30. März 2006, Rs. C470/04 (N. gegen Inspecteuer van de Belastingdienst Oost/kantoor Almelo), Slg. 2006, 1-7409 (Tz. 65) m.w.N. V gl. hierzu näher Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht. S. 843 ff. Cordewener!Schnitger, StuW 2006, 50. 53 ff.

65

Grundfreiheiten und grenzüberschreitende Altersversorgung

Vergleichsmaßstab zu ermitteln, mit dem sich die besondere Beeinträchtigung des grenzüberschreitenden Sachverhalts erst begründen lässt. Dies ist in der langjährigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs grundsätzlich der vom jeweiligen Mitgliedstaat geregelte lnlandssachverhalt. 21 Bei der Überprüfung einer mitgliedstaatliehen Steuemorm, die den grenzüberschreitenden Sachverhalt diskriminiert oder beschränkt, kommt es somit primär darauf an, wie der vergleichbare Fall im rein nationalen Kontext steuerlich behandelt wird. Die Grundfreiheiten werden vom Europäischen Gerichtshof grundsätzlich nur in Bezug auf eine mitgliedstaatliche Rechtsordnung angewandt. 22 Daher ist es tl.ir das Vorliegen einer grundfreiheitswidrigen Beeinträchtigung des grenzüberschreitenden Falles in einer mitgliedstaatliehen Steuerrechtsordnung grundsätzlich unerheblich, ob und welchen steuerlichen Belastungen der betreffende Sachverhalt in einer anderen mitgliedstaatliehen Rechtsordnung unterliegt. 23 In der Ende 2006 ergangenen Denkavit-Entscheidung24 hat der Gerichtshof allerdings angedeutet, dass die beschränkende Wirkung einer mitgliedstaatliehen Steuernorm im Einzelfall durch die Regelungen eines anderen Mitgliedstaates für den betreffenden grenzüberschreitenden Fall .,neutralisiert" werden kann. 25 Konkret ging es um die französische Quellensteuer auf die Dividendenzahlung einer französischen Tochtergesellschaft an ihre niederländische Muttergesellschaft. In dieser Entscheidung war tl.ir den Gerichtshof in einem ersten Schritt zunächst allein maßgeblich, dass die Quellensteuer nur bei Dividendenzahlungen an gebietsfremde Anteilseigner erhoben wurde, während Dividenden an gebietsansässige Anteilseigner keiner Quellenbesteuerung unterlagen. 26 War der relevante Vergleichsfall für die vom Gerichtshof bejahte Verletzung des Art. 49 AEUV (ex-Art. 43 EG) somit zunächst der reine Inlandssachverhalt, erwog der Gerichtshof in einem zweiten Schritt, ob eine eventuelle Anrechnung der französischen Quellensteuer in den Niederlanden die Belastungswir-

21

22 23 24 25 26

66

Für das Beschränkungsverbot in Art. 45 AEUV (ex-Art. 39 EG) zuletzt etwa EuGH vom 17.3.2005, Rs. C-1 09/04 (Kar! Robert Kranemann/Land Nordrhein-Westfalen), EuZW 2005, 305, 306 Tz. 25 n; zum Beschränkungsverbot von Art. 21 AEUV (ex-Art. 18 EG) zuletzt Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 30. März 2006, Rs. C470/04 (N . ./. lnspecteuer van de Belastingsdienst Oost/kantoor Almelo) Slg. 2006, l7409 (Tz. 65). Ygl. hierzu auch Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 829 ff; Cordewener!Schnitger, StuW 2006, 50. 54. Vgl. Ohler, Europäische Kapital- und Zahlungsverkehrfreiheit, Art. 56 Rn. 257. V gl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 829 ff. EuGH vom 14. Dezember 2006, Rs. C-170/05 (Denkavit), Slg. 2006, 1-11949. V gl. Anmerkung Rainer, lStR 2007, 66. EuGH vom 14. Dezember 2006. Rs. C-170/05 (Denkavit), Slg. 2006, 1-11949 (Tz. 26 ff).

Einfiihrung

kung der französischen Quellensteuer wieder aufheben würde. 27 Da letzteres in concreto jedoch nicht der Fall war, weil die niederländische Mutter in den Niederlanden von der Steuer auf ausländische Dividenden befreit war, blieb diese Frage unbeantwortet.n Dazu im Gegensatz steht das praktisch zeitgleich ergangene Urteil Kerckhaert/Morres.29 Jn diesem hat der Gerichtshof bei der Entscheidung über die belgisehe Besteuerung von ausländischen Dividenden allein auf die Besteuerung inländischer Dividendeneinkünfte und damit auf den Inlandsfall abgestellt.30 Explizit wurde eine Verletzung der Kapitalvertragsfreiheit abgelehnt, weil das belgisehe Steuerrecht eine ausländische Quellensteuer auf ausländische Dividendeneinkünfte lediglich zum Abzug zuließ und keine Steuergutschrift gewährte. Auch wenn das Urteil Kerckhaert/Morres damit im Kern die Frage betraf, ob es ein grundfreiheitliches Verbot einer juristischen oder wirtschaftlichen Doppelbesteuerung durch kumulierende Steueransprüche zweier Mitgliedstaaten gibt, ist die Fokussierung allein auf die inländischen Regelungen in diesem Urteil doch auch für die Frage des jeweils relevanten Vergleichsfalles relevant.

VI.

Kein Verbot einer juristischen Doppelbesteuerung des grenzüberschreitenden Sachverhalts durch kumulierende Steueransprüche zweier Mitgliedstaaten

Das Problem des Zusammenwirkens Z\veier mitgliedstaatlicher Rechtsordnungen spitzt sich im Europäischen Steuerrecht auf die Frage zu, ob es grundfreiheitlich zulässig ist, wenn der grenzüberschreitende Sachverhalt im juristischen oder wirtschaHliehen Sinne doppelt besteuert wird, weil es zur kumulierenden Anwendung zwei er mitgliedstaatlicher Steuerrechtsordnungen kommt. Eine solche Doppelbesteuerung entsteht, wenn zwei Mitgliedstaaten Besteuerungsansprüche an demselben grenzüberschreitenden Sachverhalt erheben und entweder kein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den Staaten besteht oder aber ein vorhandenes DBA keine vollständige Vermeidung der Doppelbesteuerung bewirkt. Bei der juristischen Doppelbesteuerung wird derselbe Steuergegenstand zweifach bei demselben Steuersubjekt erfasst, während bei einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung auf dasselbe Steuerobjekt bei verschiede27 28 29 30

EuGH vom 14. Dezember 2006, Rs. C-170/05 (Denkavit), Slg. 2006, 1-11949 (Tz. 42 tl). EuGH vom 14. Dezember 2006, Rs. C-170/05 (Denkavit), Slg. 2006. 1-11949 (Tz. 4 7). EuGH vom 14. November 2006, Rs. C-513/04 (Kerckhaert/Morres), Slg. 2006, 110967. EuGH vom 14. November 2006, Rs. C-513/04 (Kerckhae1i/Morres), Slg. 2006, 1-10967 (Tz. 17).

67

Grundfreiheiten und grenzüberschreitende Altersversorgung

nen Steuersubjekten zugegriffen wird. Für den Bereich der Alterseinkünftebesteuerung ist weiterhin zu berücksichtigen, dass es zu zeitlich versetzten Doppelbesteuerungen kommen kann. Die steuerliche Mehrfachbelastung eines grenzüberschreitenden Sachverhalts muss bei Altersversorgung nicht allein auf einem zeitgleichen steuerlichen Zugriff durch zwei Mitgliedstaaten beruhen, sondern kann auch dadurch entstehen, dass zwei Mitgliedstaaten dasselbe Steuerobjekt zeitlich versetzt besteuern. Alle Kategorien von Doppelbesteuerungen des grenzüberschreitenden Sachverhalts stellen keine Ungleichbehandlung, sondern eine faktische Benachteiligung dar31 , was die grundfreiheitliche Einordnung dieser Fälle erschwert. In Stellungnahmen der Europäischen Kommission 32 und im Schrifttum zum Europäischen Steuerrecht33 wird die Doppelbesteuerung eines grenzüberschreitenden Sachverhalts durch das Zusammenspiel von zwei diskriminierungsfrei ausgestalteten mitgliedstaatliehen Steuerrechtsordnungen häufig als grundfreiheitswidrig angcsehen. 34 Die mehrfache steuerliche Belastung eines wirtschaftlichen Sachverhalts durch zwei Mitgliedstaaten stelle eine spezifische Benachteiligung des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs gegenüber dem Inlandssachverhalt dar und beeinträchtige den Binnenmarkt. 35 Hierbei ist zwar richtig, dass das Binnenmarktziel, den grenzüberschreitenden Austausch von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital zu gewährleisten, nicht allein durch steuerliche Regelungen einzelner Mitgliedstaaten, sondern erst recht durch die Kollision mehrerer mitgliedstaatlicher Steueransprüche und die daraus folgende Überbesteuerung beeinträchtigt wird. 36 Die doppelte 31 32

33 34

35

36

68

Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 861. Vgl. Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss, .,Beseitigung der steuerlichen Hemmnisse ftir die grenzüberschreitende betriebliche Altersversorgung". KOM(200 1) 214 endg. vom 19.4.200 1. S. 21 f. Kojler. Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 154 ff. Brügelmann/Fuest, Besteuerung der Altersvorsorge und Alterseinkünfte. S. 47; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 876 ff; Dautzenberg, DB 1994. 1542. 1543 ff; Englisch, Dividendenbesteuerung, S. 253 f.; Mick, in: Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts. § 24 Rn. 10; Schön. in: ders. (llrsg.), GS Knobbe-Keuk, S. 743, S. 762; ders., EWS 2000,281, 290; Schönfeld, StuW 2005, 158, 158 ff; ders., StuW 2006, 79, 80; van Thiel, Free movement of Persansand lncome Tax Law: Thc European Court in search of princip1es, S. 41, S. 313 ff. Schlussanträge des Generalanwalt Colomer vom 26.10.2004, Rs. C-376/03 (D.), Slg. 2005, 1-5821 (Tz. 85); Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 861; Schön, in: ders. (Hrsg.), GS Knobbe-Keuk, S. 743, S. 762; ders., EWS 2000, 281, 290. Vgl. Schön, GS Knobbe-Keuk. S. 743, S. 762.

Einftihrung

steuerliche Belastung von grenzüberschreitenden Einkünften durch zwei Mitgliedstaaten stellt gegenüber der Besteuerung des vergleichbaren Inlandsfaltes durch nur einen Mitgliedstaat auch eine Schlechterbehandlung dar. 37 Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Mitgliedstaaten jeweils einzeln den Verpflichtungen aus Art. 21 AEUV ( ex-Art. 18 EG), Art. 45 AEUV ( ex-Art. 39 EG), Art. 49 AEUV (ex-Art. 43 EG), Art. 56 AEUV (ex-Art. 49 EG) und Art. 63 AEUV (ex-Art. 56 EG) unterliegen. Eine quasi "gesamtschuldnerische·' Haftung der Mitgliedstaaten für Verstöße gegen die Grundfreiheiten lässt sich nicht begründen. Dagegen spräche vor allem die vom europäischen Primärrecht grundsätzlich anerkannte Steuersouveränität der einzelnen Mitgliedstaaten.38 Wäre der kumulierende Steuerzugriffzweier Mitgliedstaaten auf einen grenzüberschreitenden Sachverhalt als Verstoß gegen die Grundfreiheiten zu ahnden, würde dies positiv gewendet bedeuten, dass sich jeder Mitgliedstaat bei der Ausgestaltung seiner Steuerrechtsordnung daran orientieren müsste. wie die übrigen Mitgliedstaaten ihr Steuerrecht für grenzüberschreitende Fälle ausgerichtet haben. Eine Pflicht zur Anpassung an das Steuerrecht anderer Staaten steht der Steuersouveränität des einzelnen Mitgliedstaat diametral entgegen und ist darüber hinaus im Prozess der Steuergesetzgebung nicht durchführbar.39 Die Europareehtswidrigkeit einer mitgliedstaatliehen Steuernorm kann nicht vom Bestehen oder Nichtbestehen einer Steuerregel in einem anderen Mitgliedstaat abhängen. Andernfalls könnte ein EU-ausländischer Normsetzer altein durch Veränderungen seiner eigenen Steuerrechtsordnung darüber bestimmen, ob und in welchem Umfang die steuerlichen Regelungen anderer Mitgliedstaaten EU-rechtskonform sind. 40 Auch mit den mitgliedstaatliehen Steuereinnahmeninteressen ist es nicht vereinbar, wenn ein Mitgliedstaat die Ausgestaltung seiner Steuerrechtsordnung daran anlehnen müsste, ob und wie sich das Steuerrecht in anderen Mitgliedstaaten gestaltet. 41 Gerade letzterer Gesichtspunkt wird auch von den Autoren anerkannt, die es beflirworten, Doppelbesteuerungen des grenzüberschreitenden Sachverhalts durch zwei Mitgliedstaaten als Grundfreiheitsverstoß einzustufen. Denn auch

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Englisch, IStR 2007. 68. So auch Lang, in: Gassner!Lang/Lechner, Doppelbesteuerungsabkommen und EURecht, S. 27, S. 37. So auch Kokott/Henze. BB 2007, 913. 914; Lang, in: Gassner/Lang/Lechner, Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Recht. S. 27, S. 37. Jüngst hierzu auch dezidiert und im Kontext der steuerlichen Behandlung von grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungcn BFH vom 24.9.2009, AZ: X R 57/06, DStR 2009, 1799, 1802. Lang, in: Gassner!Lang/Lechner, Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Recht, S. 27, S. 37. In diese Richtung auch Lang, in: Gassncr/Lang/Lechner. Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Recht. S. 27. S. 37.

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Grundfreiheiten und grenzüberschreitende Altcrsversorgung

diese Stimmen räumen ein, dass es bei kumulierenden Steueransprüchen letztlieh zufällig sei, welcher Mitgliedstaat vor dem Europäischen Gerichtshof für den Grundfreiheitsverstoß verantwortlich gemacht wird. 42 Da sieh aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union kein prioritäres Besteuerungsrecht eines von mehreren Mitgliedstaates ermitteln lässt, kann im Falle .,überlappender"' mitgliedstaatlicher Steueransprüche nicht der Mitgliedstaat bestimmt werden, dem ein "besseres"' Recht auf den steuerliehen Zugriff zusteht und der sich daher gegenüber dem Besteuerungsanspruch eines anderen Mitgliedstaates durchzusetzen vermag. 43 Auch weil es im Europäischen Binnenmarkt vicltaltige Rechtfertigungsstränge für mitgliedstaatliche Besteuerungsansprüche gibt und das europäische Primärrecht den mitgliedstaatliehen Anknüpfungspunkten für die Besteuerung grundsätzlich neutral gegenüber steht4", kann keinem von zwei Mitgliedstaaten vorgeworfen werden, dass gerade er mit seiner Regelung einen Europarechtsverstoß begeht. 45 Auch im Einzelfall kann nicht anhand der sachlichen Zuordnung der Besteuerungsgrundlagen der:jenige Mitgliedstaat ausgemacht werden, der als Verursacher der Doppelbelastung seinen Besteuerungsanspruch zurücknehmen muss. 46 Im Gegensatz zum Recht der sozialen Sicherheit, das in der EU gemeinschaftsweit nach bestimmten Grundprinzipien koordiniert ist und für jeden grenzüberschreitenden Sachverhalt gerrau eine Rechtsordnung beruft, bestehen für die Verteilung von grenzüberschreitenden Besteuerungsobjekten keine EU-weit einheitlichen und von allen Mitgliedstaaten anerkannten Grundsätze. 47 Die Mitgliedstaaten regulieren das Problem von kollidierenden Besteuerungsansprüchen im grenzüberschreitenden Sachverhalt durch bilaterale Doppelbesteuerungsabkommen. die sieh erheblieh voneinander unterscheiden und denen keine gemeinschaftsweit anerkannten Prinzipien bei der steuerlichen Zuteilung von grenzüberschreitenden Besteuerungssubstraten zugrunde liegen. Nicht selten kommt es in den europäischen DB/\ nicht zu einer vollständigen Vermeidung. sondern nur zu einer i\bmilderung einer juristischen oder wirtschaftlichen Doppelbe-

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Hey. StuW 2004, 193, 198. Anders dagegen van Thiel, Frcc movement of Persons and Jncome Tax Law: The European Court in sem·ch of princip1es. S. 316, wonach beide an der Doppelbesteuerung mitwirkende Mitgliedstaaten wegen das Primärrecht verstoßen. Kokott/Henze, BB 2007, 913, 914. Zu den steuerlichen Rechtfertigungslehren im Lichte des europäischen Primärrechts vgl. näher Schön, !StR 2004, 289, 290 ff. Zur Neutralität des Primärrechts gegenüber der Allokation der Besteuerungsrechte zwischen den Mitgliedstaaten Cordewener!Schnitger, StuW 2006, 50, 57. Vgl. hierzu auch Kokott/Henze, 88 2007, 913. 914: Lehner, in: FS Wassermeyer, S. 241, S. 25 7 f. So aber Schön, in: GS Knobbe-Keuk, S. 743, S. 762. Kokott/Henze, BB 2007, 913, 914: vgl. hierzu auch näher Lehner. FS Wassermeyer, S. 241, S. 252 ff.

Einführung

steuerung im grenzüberschreitenden Fall. Auch das OECD-Mustcrabkommen, welches die meisten europäischen Doppelbesteuerungsabkommen beeinflusst, ist als Modellabkommen ohne verbindliche Wirkung nicht geeignet, als Maßstab für die primärrechtliche Betrachtung von Doppelbesteuerungsfällen zu dienen. 48 Es muss als Richtschnur Hir die grundfreiheitliche Betrachtung von Doppelbesteuerungen auch deshalb ausscheiden, weil es nicht alle Fälle von Doppelbesteuerungen auflöst, sondern in vielen Fällen ein Nebeneinander von mehreren nationalen Besteuerungsansprüchen zulässt. 49 Der Europäische Gerichtshofhat sich viele Jahre lang nicht explizit zur juristischen Doppelbesteuerung im Europäischen Steuerrecht geäußert. 50 In der Rechtssache Kerckhaert/Morres 51 , die im Jahr 2004 anhängig und Ende 2006 entschieden wurde, hat der Gerichtshof erstmals geurteilt, dass in der parallelen Anwendung von zwei mitgliedstaatliehen Steuerrechtsordnungen kein gleichheitswidriger Verstoß gegen die Grundfreiheiten vorliegt. 52 Konkret stand das belgisehe Steuerrecht auf dem Prüfstand, das bei der Besteuerung von ausländischen Dividendeneinkünften keine Steuergutschrift für die im Ausland gezahlten Quellensteuern einräumt. sondern diese Quellensteuer nur zum Abzug zulässt. Ausländische Dividenden unterliegen in Belgien damit im Ergebnis zwar der gleichen Besteuerung wie inländische Dividenden. Durch den bloßen Abzug der ausländischen Quellensteuer kommt es im Ergebnis jedoch zu einer höheren Steuerbelastung als bei rein inländischen Dividendeneinkünften. Der Gerichtshof erinnerte in Bezug auf diese klassische Doppelbesteuerung jedoch lapidar daran, dass der Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen dazu dienen würde. die negativen Wirkungen aus dem Nebeneinander nationaler Steuersysteme zu beseitigen oder abzumildern. 53 Da das Primärrecht in Bezug auf die Beseitigung der Doppelbesteuerung keine allgemeinen Kriterien flir die Verteilung der Steuerkompetenzen vorschreibe, sei es Sa-

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Lang, in: Gassner!Lang/Lei der Vorsorgevertrag objektiv dem Sachrecht des Tätigkeitsstaates des Steuerpflichtigen, so dass die besonderen Voraussetzungen fiir die steuerliche Begünstigung der Vorsorgeaufwendungen gegeben sein werden.

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Die aus den Grundfreiheiten resultierenden Vorgaben

scherweise anders ausgestaltet ist als inländische Versorgungswege, stellt sich aus EU-rechtlicher Perspektive die Frage, ob die innerstaatlichen Voraussetzungen für die steuerliche Begünstigung von Altersvorsorge auch auf die grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen angewendet werden können. Dann wäre den grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen, die die innerstaatlichen Bedingungen nicht erfüllen, die steuerliche Anerkennung zu versagen. Auch für diese Frage muss zunächst wiederum der Umfang der sekundärrechtlichen Vorschriften betrachtet werden. Soweit das Europäische Sekundärrecht regelt, ob und inwieweit die europäischen Mitgliedstaaten auf Vorsorgeprodukte ausländischen Rechts ihre Regelungen anwenden können, wirkt sich dies auch auf den zulässigen Umfang steuerlicher Regelungen aus. Beruft das europäische Sekundärrecht dagegen abschließend eine mitgliedstaatliche Rechtsordnung dazu, die spezifischen Voraussetzungen für ein Altersvorsorgeprodukt zu regeln, können weitergehende Voraussetzungen eines anderen Mitgliedstaates auch nicht über den Umweg von steuerlichen Regelungen durchgesetzt werden. Aus der Pensionsfonds- und der Lebensversicherungsrichtlinie ergibt, inwieweit das private oder betriebliche Vorsorgeprodukt eines EU-ausländischen Vorsorgeträgers im Tätigkeitsstaat den innerstaatlichen Regelungen unterworfen werden kann, obwohl es dem Sachrecht eines anderen Mitgliedstaates unterliegt. Art. 45 der Lebensversicherungsrichtlinie kann jeder Mitgliedstaat von einem EU-ausländischen Versicherungsunternehmen die Einhaltung der natoinalen Vorschriften über die Versicherungsverträge verlangen, wenn das Unternehmen seine Versicherungsprodukte im Inland anbieten will. Gemäß Art. 20 der Pensionsfonds-Richtlinie können die Mitgliedstaaten auch die Durchführung von betrieblicher Altersversorgung durch EU-ausländische Pensionsfonds in ihrem Hoheitsgebiet davon abhängig machen, dass ihre jeweils nationalen sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften über die Gestaltung der Altersversorgungssysteme eingehalten werden. 72 Der Begriff des Altersversorgungssystems umfasst nach Art. 6 lit b) der Richtlinie 2003/41/EG einen Vertrag, eine Vereinbarung, einen Treuhandvertrag oder allgemein die Vorschriften über die Art der Versorgungsleistungen und die Bedingungen, unter denen sie gewährt werden. Daher ist nach Art. 20 der Richtlinie 2003/41/EG nicht allein für das Rechtsverhältnis zwischen Versorgungseinrichtung und Arbeitgeber73, sondern auch für das Rechtsverhältnis zwischen Versorgungseinrichtung und begünstigtem Arbeitnehmer die Möglichkeit eröffnet, die Einhaltung der

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So auch Verhaegen, in: FS Andresen, S. 275, S. 283. So aber Arnot, Directive 2003/4!/EC on the Activities and Supervision of Institutions for Occupational Retirement Provision. C ommentary on Art. 20 ( 1).

Steuerliche Behandlung der grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen

arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften des Tätigkeitsstaates zu verlangen.74 Die Durchsetzung dieser nationalen Regelungen ist prinzipiell auch über das Steuerrecht möglich. Aus sekundärrechtlicher Perspektive können die Mitgliedstaaten bei ihren Regelungen für die Berücksichtigung von Altersvorsorgeaufwendungen der Zweiten und Dritten Säule folglich die Einschränkung machen, dass nur solche Altersvorsorgeaufwendungen steuerlich berücksichtigt werden, die die jeweiligen inländischen (arbeits- und sozialrechtlichen) Bestimmungen erfüllen. Dadurch werden die EU-ausländischen Anbieter gezwungen, die nationalen Besonderheiten des Tätigkeitsstaates einzuhalten. Dieses fl.ir die Ebene des Europäischen Sekundärrechts gültige Ergebnis wirkt sich auch auf die primärrechtliche Betrachtung aus. Wenn es auf sekundärrechtlicher Ebene zulässig ist, dass die Mitgliedstaaten die steuerliche Anerkennung von grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen davon abhängig machen, dass gewisse innerstaatliche Vorgaben auch bei den EUausländischen Vorsorgeprodukten vorliegen, dann stellen die entsprechenden steuerlichen Begünstigungstatbestände aus primärrechtlicher Sicht zwar dennoch weiterhin eine spezifische Beschränkung75 des grenzüberschreitenden Altersvorsorgevorgangs dar. Davon sind die Grundfreiheiten des Altersvorsorgesparers, des EU-ausländischen Vorsorgeträgers sowie die des Arbeitgebers berührt Diese Beschränkung ist jedoch gerechtfertigt, da die Einhaltung der innerstaatlichen Regelungen dem (im Sekundärrecht zum Ausdruck kommenden) anerkannten Allgemeininteresse dient, Altersvorsorgesparern einen spezifischen Schutz nach inländischen Vorstellungen zuteil werden zu lassen. 76 (iv)

Exkurs: Die schwierige Behandlung des Dreiecksfalles

Nicht ohne weiteres können diese Grundsätze auch auf EU-ausländische Vorsorgeprodukte im "Dreiecksfall" angewendet werden. Unter einem Dreiecksfall, der nicht ausdrücklich von der Lebensversicherungs- und der Pensionsfonds-Richtlinie geregelt ist, ist ein Altersversorgungsvorgang zu verstehen, der Berührungspunkte zur mehr als zwei mitgliedstaatliehen Rechtsordnungen aufweist. Bei einer privaten Altersvorsorgemaßnahme kommt es dazu etwa dann, wenn der in Mitgliedstaat A ansässige Vorsorgesparer einen Vorsorge74

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Die Bedeutung der Pensionsfonds-Richtlinie liegt darin, dass ein einziger Rechtsträger mit einem ungeteilten Vermögen verschiedene nationale Altersvorsorgeprodukte anbieten kann. Vor der Verabschiedung der Pensionsfonds-Richtlinie musste dagegen jeweils ein nationaler Rechtsträger gegründet werden, um in einem Mitgliedstaat Betriebliche Altersvorsorge anzubieten. Vgl. Verhaegen, in: FS Andresen, S. 275, S. 283. V gl. dazu näher Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 323 ff. Dazu später unter 4. Teil § 2 I. 2. c) bb) (5).

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Die aus den Grundfreiheiten resultierenden Vorgaben

vertrag mit dem in Mitgliedstaat B ansässigen Versorgungsunternehmen abschließt, die Vorsorgeaufwendungen jedoch in Mitgliedstaat C steuerlich anerkennen lassen will, weil er entweder in Mitgliedstaat C als beschränkt steuerpflichtiger Grenzpendler seine gesamten Einkünfte zu versteuern hat oder weil er seine Ansässigkeit nach Abschluss des Vorsorgevertrages von Staat A in Staat C verlegt hat. Bei einer Betrieblichen Altersversorgung entsteht ein Dreieckssachverhalt darüber hinaus auch dann, wenn der Arbeitnehmer für seinen in Staat A ansässigen Arbeitgeber dauerhaft in Staat B tätig wird, die betriebliche Altersversorgung jedoch durch einen in Staat C ansässigen Pensionsfonds durchgeführt wird. In solchen Konstellationen ist es fraglich, ob der jeweils für die Besteuerung des Altersvorsorgesparers zuständige Mitgliedstaat zugleich als "Tätigkeitsstaat" des EU-ausländischen Versorgungsträgers im Sinne der Pensionsfonds- und Lebensversicherungsrichtlinie angesehen werden kann und daher berechtigt ist, über seine steuerlichen Regelungen für Altersvorsorgeaufwendungen seine nationalen (arbeits- und sozialrechtlichen) Schutzbestimmungen durchzusetzen. Bejaht man dies, dann könnte etwa beim Wanderarbeitnehmer der jeweils aktuelle Besteuerungsstaaf 7 seine steuerlichen Bedingungen auf die grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen des Vorsorgesparers anwenden. Der EU-ausländische Vorsorgeträger müsste theoretisch sein Altersvorsorgeprodukt jeweils an das nationale Recht des Mitgliedstaates anpassen, in dessen Steue~jurisdiktion der Vorsorgesparer aktuell seine Vorsorgeaufwendungen steuerlich geltend machen möchte. Insbesondere die Altersvorsorgeprodukte des mobilen Vorsorgesparers, der in kürzeren Abständen von einem Mitgliedstaat in den nächsten zieht, wären stetig neuen Anforderungen unterworfen. Aus einer systematischen Auslegung der Lebensversicherungs- und Pensionsfonds-Richtlinie ergibt sich, dass der ,.Tätigkeitsstaat" eines EU-ausländischen Vorsorgeunternehmens nicht jeweils der Mitgliedstaat ist, in dem der Vorsorgesparer beruflich tätig wird und der daher in der Regel auch zur Besteuerung der Vorsorgeaufwendungen berufen ist. Die Art. 1 Abs. 1 lit f) bis h) der Richtlinie 2002/83/EG, die den Mitgliedstaat der Zweigniederlassung, den Mitgliedstaat der Verpflichtung sowie den Mitgliedstaat der Dienstleistung definieren. stellen beim Begriff des Tätigkeitsstaates erkennbar jeweils auf den Mitgliedstaat ab, in dem der Vorsorgesparer im Zeitpunkt des Eingehens des Vorsorgevertrages ansässig ist. Daher ist auch der nach Art. 40 Abs. 4 bzw. Art. 46 Abs. 2 zur Anwendung seiner Regelungen berechtigte Mitgliedstaat nur derjenige, der im Verhältnis zum Vorsorgesparer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses

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Als Besteuerungsstaat wird hier entweder der jeweils aktuelle Ansässigkeilsstaat des Vorsorgesparers oder der Staat verstanden, in dem der Vorsorgesparer beschränkt steuerpflichtig ist.

Steuerliche Behandlung der grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen

als Mitgliedstaat der Zweigniederlassung oder Mitgliedstaat der Dienstleistung angesehen werden kann. Auch aus den Erwägungsgründen der Lebensversicherungsrichtlinie lässt sich die Ausrichtung der Richtlinie auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ablesen. Im Mittelpunkt der Richtlinie steht jeweils der Abschluss von Neuverträgen, die die europäischen Versicherungsnehmer mit EU-ausländischen Anbietern abschließen können sollen. 78 Schließlich ist auch Art. 20 der Pensionsfonds-Richtlinie in Bezug auf Neuverträge formuliert, wenn es darin heißt, dass die Mitgliedstaaten es EU-ausländischen Vorsorgeträgem unbeschadet ihrer nationalen sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften ermöglichen, in ihrem Hoheitsgebiet tätig zu werden 79 . Ist somit allein der Ansässigkeitsstaat des Vorsorgesparers im Zeitpunkt des Vorsorgevertragsabschlusses berechtigt, die Einhaltung seiner Schutzbestimmungen auch bei grenzüberschreitenden Altersvorsorgeverträgen zu verlangen, bedeutet dies für die steuerliche Behandlung von grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen im Dreiecks fall, dass nicht jeder flir die Besteuerung der Altersvorsorgeaufwendungen zuständige Mitgliedstaat befugt ist, seine inländischen Anforderungen an Altersvorsorgeprodukte oder-anbieterauch durchzusetzen. Nur der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Vorsorgesparer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ansässig ist, kann über das Steuerrecht der Altersvorsorge seine innerstaatlichen Voraussetzungen auf das EUausländische Vorsorgeprodukt anwenden. Das Interesse der anderen Mitgliedstaaten, auch beim Wauderarbeitnehmer einen gewissen Mindeststandard in der Altersvorsorge mit steuerlichen Differenzierungen durchzusetzen, weicht dagegen zugunsten der Grundfreiheiten zurück, auf die sich der mobile Altersvorsorgesparerund sein Altersvorsorgeträger berufen können. Dieses aus dem Europäischen Sekundärrecht abgeleitete Ergebnis entspricht dem Lösungsansatz, den die Europäische Kommission ftir den Bereich der Betrieblichen Altersversorgung vertreten hat, ohne dass diese Ditlerenzierung näher begründet wurde. Nach der Mitteilung zur "Beseitigung der steuerlichen Hemmnisse flir die grenzüberschreitende betriebliche Altersversorgung" soll der Zeitpunkt des individuellen Abschlusses eines Versorgungsvertrages sowie die Person des Vorsorgesparers über die Anwendung der steuerlichen Voraussetzungen für Steuervergünstigungen im Gastland entscheiden. 80 Die Kommis78 79 80

V gl. etwa 3. Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/83/EG über Lebensversicherungen. Hervorhebung nicht im Original. Vgl. Mitteilung der Kommission ,.Beseitigung der steuerlichen Hemmnisse ftlr die grenzüberschreitende betriebliche Altersversorgung", KOM (2001) 214 endg .. S. 12; zustimmend Committee on Petitions, EP 304.717, S. 23. Auch einige Mitgliedstaaten differenzieren bei der Abzugsfähigkeit von grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen in ihren nationalen Besteuerungsregelungen danach. ob der Vorsorgevertrag bereits vor Zuzug in ihr Hoheitsgebiet bestand, vgl. Gutmann, Eur. Tax. 2001, 11-S f.

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Die aus den Grundfreiheiten resultierenden Vorgaben

sion sieht es grundsätzlich als zulässig an, wenn die Mitgliedstaaten bei Neuverträgen auch von den EU-ausländischen Systemen die Einhaltung ihrer nationalen Voraussetzungen verlangen. 81 Voraussetzung sei allein, dass die betreffenden Regelungen noch nicht Gegenstand einer unionsweiten Harmonisierung und mit den Verträgen auch insofern vereinbar sind, als sie legitimen sozialpolitischen Zielen dienen und die Grundfreiheiten nicht übermäßig einschränken.82 Anders beurteilt die Kommission jedoch den Fall des Wanderarbeitnehmers, der bereits vor seinem Aufenthalt im jeweiligen Mitgliedstaat einem EU-ausländischen Versorgungssystem angehörte. Hier könne die Einhaltung der nationalen Bedingungen des Gastlandes ftir die steuerliche Anerkennung der grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen nicht erwartet werden. Das mitgliedstaatliche Interesse an der Einhaltung der nationalen Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung müsse zurücktreten, um den Wanderarbeitnehmer nicht unangemessen in seiner Freizügigkeit zu beeinträchtigen. 83 (v)

Generell: fnterdependenz zwischen nationalem Steuerrecht und Recht der Altersversorgung im grenzüberschreitenden Fall

Dass die Mitgliedstaaten auch EU-ausländische Vorsorgeprodukte unter gewisse inländische Regelungen stellen können und deren Einhaltung wiederum über das Steuerrecht durchzusetzen vermögen, verdeutlicht, wie sehr die Probleme der steuerlichen Behandlung von grenzüberschreitenden AltersvorsorgeaufWendungen und Alterseinkünften mit den verschiedenen Konzepten der Alterssicherung in den europäischen Mitgliedstaaten verbunden sind. Das Steuerrecht und das Recht der Altersversorgung im weiten Sinne bedingen einander, wenn es um die steuerliche Behandlung von grenzüberschreitenden AltersvorsorgeaufWendungcn geht. Einerseits hängt die steuerliche Gleichbehandlung von grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen maßgeblich davon ab, dass die mitgliedstaatliehen Alterssicherungssysteme einander angenähert werden. Die aufgezeigten Sperrwirkungen, die momentan durch innerstaatliche Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung grenzüberschreitender Aufwendungen auftreten, könnten durch EU-weit gleiche Standards in den Altersvorsorgeprodukten vermieden werden. 84 Andererseits ist eine grenzüberschreitende Organisation von Altersversorgung nicht ohne eine Hannonisie-

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Vgl. Mitteilung der Kommission "Beseitigung der steuerlichen Hemmnisse flir die grenzüberschreitende betriebliche Altersversorgung", S. 12. Vgl. Mitteilung der Kommission "Beseitigung der steuerlichen Hemmnisse flir die grenzüberschreitende betriebliche Altersversorgung", S. 12. Vgl. Mitteilung der Kommission "Beseitigung der steuerlichen Hemmnisse flir die grenzüberschreitende betriebliche Altersversorgung", S. 12. Bittner, ZIAS 2001, 297, 308 zum Bereich der Betrieblichen Altersversorgung.

Steuerliche Behandlung der grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen

rung der Steuerregelungen möglich. 85 Auch aufgrund der unterschiedlichen steuerlichen Regelungen für Altersversorgung in den Mitgliedstaaten kommt es bislang in der Praxis zu komplizierten Altersvorsorgegestaltungen. Vor diesem Hintergrund ist der Vorschlag 86 der European Federation for Retirement Provisions zu begrüßen, wonach europaweite Versorgungseinrichtungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung geschaffen werden sollen. 87 Nach diesem Vorschlag sollen die Beschäftigten von multinationalen Unternehmen unabhängig vom Ort ihrer Beschäftigung in eine europaweit agierende Versorgungseinrichtung der betriebliehen Altersversorgung einzahlen können. Diese Einrichtung wäre von sämtlichen Mitgliedstaaten anzuerkennen. Die grenzüberschreitende Anrechnung von Dienstzeiten wäre bei einem solchen europäischen Versorgungsmodell ebenso möglich wie die grenzüberschreitende Übertragung von Versorgungsanwartschaften. 88 Als weiterer Vorteil wird insbesondere die herbeizufuhrende Kompatibilität mit den mitgliedstaatlichen Steuerregelungen zur Altersversorgung hervorgehoben. Der so genannte paneuropäische Pensionsfonds ließe die Eigenständigkeit und Vielgestaltigkeit der mitgliedstaatliehen Steuerrechtsordnungen grundsätzlich unberührt.89 Er wäre insofern "steuerneutral", weil die Entscheidung über die steuerliche Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften, die an bzw. aus dieser europaweiten Versorgungseinrichtung fließen, weiterhin im Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten verbliebe. Die Verständigung auf den paneuropäischen Pensionfonds würde jedoch gewährleisten, dass dieses Versorgungssystem von allen mitgliedstaatliehen Steuerrechtsordnungen grundsätzlich anerkannt werden würdeY 0 Damit wäre dem mitgliedstaatliehen Interesse an einer effizienten steuerlichen Kontrolle und der Vermeidung von Steuerflucht gedient. 91 In mitgliedstaatliehen Steuersystemen der nachgelagerten Besteuerung müssten die Beiträge an den paneuropäischen Pensionsfonds

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Bittner, ZIAS 2001, 297, 308 zum Bereich der Betrieblichen Altersversorgung. "European Institutions for Occupational Retirement Provision - The EFRP model for pan-European pensions", European Fcderation for Retirement Provision, Oktober 2003, abrufbar unter www.efrp.org. So auch die Europäische Kommission, Mitteilung zur ''Beseitigung der steuerlichen Hemmnisse ftir die grenzüberschreitende betriebliche Altersversorgung", S. 18 ff. Bittner, Europäisches und internationals Betriebsrentenrecht, S. 507. .,European Institutions for Occupational Retirement Provision", European Federation for Retirement Provision, Oktober 2003, abrufbar unter www.efrp.org, S. 9. Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung zur "Beseitigung der steuerlichen Hemmnisse ftir die grenzüberschreitende betriebliche Altersversorgung'', S. 18 f. ,.European Institutions for Occupational Retirement Provision", European Federation for Retirement Provision, Oktober 2003, abrufbar unter www.efrp.org, S. 9.

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Die aus den Grundfreiheiten resultierenden Vorgaben

ebenso wie Beiträge an inländische Systeme steuerlich anerkannt werden. 92 Die Verzerrungen, die bisher bei der Umsetzung der grundfreiheitlich gebotenen Gleichbehandlung von grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen dadurch entstehen, dass die mitgliedstaatliehen Steuertatbestände unterschiedliche Voraussetzungen haben, wären vermieden. 93 Solange eine umfassende Harmonisierung der mitgliedstaatliehen Alterssicherungssysteme wegen des Fehlens der entsprechenden Kompetenznonnen flir die Europäische Union scheitert und auch der Weg der so genannten offenen Methode der Koordinierung im Sozialrecht eher auf zwischenstaatlichen Austausch als auf die Schaffung unionsweit verbindlicher Mindestanforderungen gerichtet ist, muss jedoch betont werden, dass die Pensionsfonds- und die Lebensversicherungsrichtlinie bereits einen wichtigen Beitrag auch ftir die Klärung der europäische Rentenbesteuerungsproblematik geleistet haben. Beide Richtlinien wirken positiv auf die grenzüberschreitende Rentenbesteuerung in Europa ein, da die Festlegung gewisser Mindeststandards in Teilbereichen der Altersversorgung sowie die verbindliche Einigung auf das Herkunftslandprinzip bewirken, dass jedenfalls in diesen Bereichen eine steuerliche Ungleichbehandlung grenzüberschreitender Fälle auch primärrechtlich ausgeschlossen ist.

dd)

Steuerliche Vergünstigungen für obligatorische oder freiwillige Aufwendungen

In vielen mitgliedstaatliehen Steuerrechtsordnungen wird die steuerliche Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen auch davon abhängig gemacht, ob es sich um obligatorische Vorsorgeaufwendungen oder um eine freiwillige Altersvorsorge handelt. Da es flir diese Frage keine sekundärrechtliche Regelung

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Europäische Kommission, Mitteilung zur "Beseitigung der steuerlichen Hemmnisse ftir die grenzüberschreitende betriebliche Altersversorgung", S. 19. Es sei jedoch an dieser Stelle angemerkt, dass der Vorschlag des EFRP nur ein erster Schritt in die richtige Richtung ist. Zunächst betrifft der Vorschlag allein die Betriebliche Altersversorgung. Die Erwägungen, die ftir eine Verständigung auf ein einheitliches Versorgungsmodell sprechen, sind aber gleichermaßen auch auf die Alterssicherungssysteme der Ersten und Dritten Säule anwendbar. Auch innerhalb der Betrieblichen Altersversorgung wird nur ein Teilbereich der möglichen grenzüberschreitenden Fälle abgedeckt, da der paneuropäischen Pensionsfonds als Versorgungseinrichtung ftir Beschäftigten eines multinationalen Unternehmens vorgeschlagen worden ist, die wechselnd in verschiedenen Mitgliedstaaten tätig sind. Die Ausführungen im zweiten Kapital haben jedoch gezeigt, dass auch dann, wenn Altersvorsorgesparer während ihres Berufslebens in einem Mitgliedstaat verbleiben, grundfreiheitlich geschützte Interessen an einer grenzüberschreitenden betrieblichen Altersvorsorge haben. Die Europäische Kommission weist insofern berechtigterweise auf die Weiterenhvicklung dieses Vorschlags hin. Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung zur "Beseitigung der steuerlichen Hemmnisse ftir die grenzüberschreitende betriebliche Altersversorgung", S. 19.

Steuerliche Behandlung der grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen

gibt, ist diese Unterscheidung als Folge der nichtharmonisierten Alterssicherungssysteme und Ausdruck der mitgliedstaatliehen Steuersouveränität grundsätzlich auch aus grundfreiheitlicher Perspektive zulässig. Ist somit nach dem Recht des für die Besteuerung zuständigen Mitgliedstaates die Abzugsfahigkeit bzw. Steuerfreistellung von VorsorgeaufWendungen an eine gesetzliche Verpflichtung zu diesen Aufwendungen gebunden 94 , dann gilt dies auch für grenzüberschreitende AltersvorsorgeaufWendungen. 95 Zukunftssicherungsleistungen an EU-ausländische Anbieter, die nicht auf gesetzlicher, sondern etwa auf tarifvertraglicher Grundlage geleistet werden, kann daher die steuerliche Abzugsfähigkeit bzw. Steuerfreistellung verwehrt werden, ohne dass hierin ein Verstoss gegen die Grundfreiheiten liegt. 96 Der primärrechtliche Anspruch auf Gleichbehandlung reicht wie grundsätzlich in allen anderen Bereichen immer nur so weit, wie das nationale Steuerrecht Vergünstigungen auch für den lnlandssachverhalt vorsieht. Die Beurteilung, ob grenzüberschreitende Vorsorgeaufwendungen aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung erbracht werden oder aber freiwillig sind, muss prinzipiell aus der Perspektive des zur Besteuerung zuständigen Mitgliedstaates erfolgen. Fallen also der zur Besteuerung zuständige Staat und der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Vorsorgesparer seine AltersvorsorgeaufWendungen tätigt, auseinander, muss der zur Besteuerung zuständige Staat tragen, ob die grenzüberschreitenden AltersvorsorgeaufWendungen aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung erfolgen, die mit seinen gesetzlichen Bestimmungen ungefahr ungefahr vergleichbar ist. 97 Auf die besonderen Umstände im grenzüberschreitenden Sachverhalt muss dabei in angemessener Weise Rücksicht genommen werden. Gerade weil die mitgliedstaatliehen Alterssicherungssysteme auch hinsichtlich des Obligatoriums von zusätzlicher Altervorsorge stark voneinander abweichen, kann es also nicht darauf ankommen, dass die grenzüberschreitenden Alterssicherungsaufwendungen im gleichen Umfang wie inländische Aufwendungen verpt1ichtend sind. Liegt bei den obligatorischen grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen eine ungefähre Vergleichbarkeit mit der inländischen Verpflichtung vor, kann es auch passieren, dass der zur Besteuerung zuständige Staat die obligatorischen grenzüberschreitenden Vorsorgeaufwendungen sogar in größerem Umfang vergünstigen muss, als dies bei einem reinen Inlandssachverhalt regelmäßig vorkommt. Die zulässige Unterscheidung zwischen einer obligato-

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Vgl. etwa§ 3 Nr. 63 EStG für die Bundesrepublik Deutschland. Vgl. BFH vom 18. Mai 2004 (AZ: VI R 11/01), HFR 2004, 964; BFH vom 28.05.2009 (AZ: VI R27/06), DStR2009, 1845. BFH vom 28. Mai 2009, AZ: VI R 27/06, DStR 2009, 1845. FG des Saarlandes vom 17. November 2000 (AZ: I K 106/99), EFG 2001, 201.

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Die aus den Grundfreiheiten resultierenden Vorgaben

rischen und freiwilligen Altersvorsorge sowie das Kriterium der ungefahren Vergleichbarkeit können umgekehrt bewirken, dass grenzüberschreitende Altersvorsorgeaufwendungen aus der steuerlichen Vergünstigung in einem anderen Mitgliedstaat herausfallen. Sobald der Vorsorgesparer nach dem Recht eines Staates zu gewissen Vorsorgeformen verpflichtet ist, dieser obligatorische Alterssicherungsschutz aber nicht ungefahr vergleichbar ist mit der obligatorischen Altersvorsorge in dem zur Besteuerung zuständigen Mitgliedstaat, kann der zur Besteuerung zuständige Mitgliedstaat die steuerliche Anerkennung der grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen aus diesem Grund verweigern. Ein Beispiel für eine solche Konstellation ist der Fall, in dem ein Vorsorgesparer einer obligatorischen betrieblichen Altersversorgung in einem Mitgliedstaat angehört, die Aufwendungen dazu aber in einem anderen Mitgliedstaat steuerlich geltend machen will oder muss, etwa weil er Grenzpendler und in seinem Ansässigkeitsstaat steuerpflichtig ist. In einigen Mitgliedstaaten ist die Altersahsicherung auf betrieblicher Ebene verpflichtend, weil etwa das Versorgungsniveau der Ersten Säule der Alterssicherung (zumeist Grundsicherungssysteme) nicht für einen angemessenen Altersvorsorgeschutz ausreicht. 98 Kennt der fiir die Besteuerung des Vorsorgesparers zuständige Mitgliedstaat keine obligatorische betriebliche Altersversorgung, dann sind aus dem Blickwinkel seiner Rechtsordnung die grenzüberschreitenden Aufwendungen nicht vergleichbar mit etwaigen inländischen Aufwendungen, die steuerlich begünstigt sind. Anders muss entschieden werden, wenn es um grenzüberschreitende Rentenversicherungsbeiträge der Ersten Säule der Alterssicherung geht. In manchen Mitgliedstaaten ist auch die Rentenversicherung der Ersten Säule nicht verpflichtend für alle auf dem Hoheitsgebiet tätigen Personen vorgesehen. Entscheidet sich der Vorsorgesparer, der aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 der Sozialrechtsordnung eines solchen Mitgliedstaates zugeordnet ist, freiwillig zur Rentenversicherung in diesem Rentenversicherungssystem, dann müssen seine Rentenbeiträge in dem anderen, für seine Besteuerung berufenen Mitgliedstaat auch dann anerkannt werden, wenn dieser für die steuerliche Begünstigung auf obligatorische Rentenversicherungsbeiträge abstellt. Der Umstand, dass der Vorsorgesparer in der für ihn zuständigen Sozialrechtsordnung freiwillig rentenversichert ist, kann in dieser Konstellation nichts an dem grundfreiheitlichen Anspruch auf die steuerliche Gleichbehandlung in dem zur Besteuerung zuständigen Mitgliedstaat ändern. Wie bereits ausgeführt wurde, können sich Kriterien der mitgliedstaatliehen Besteuerungsregelungen, die auf die unterschiedliche Konzeption der mitgliedstaatliehen Alterssiche-

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In Frankreich und im Vereinigten Königreich ist die betriebliche Alterssicherung beispielsweise verpflichtend ftir alle Arbeitnehmer vorgesehen.

Steuerliche Behandlung der grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaufwendungen

rungssysteme der Ersten Säule Bezug nehmen, jedenfalls dann nicht zu einer Schlechterbehandlung des grenzüberschreitenden Falles führen, wenn der Vorsorgesparer aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 einem bestimmten mitgliedstaatliehen Alterssicherungssystem zugeordnet ist. Aus der Neutralität des Europarecht gegenüber den verschiedenen mitgliedstaatliehen Alterssicherungssystemen der Ersten Säule einerseits sowie der verbindlichen Zuweisung eines jeden Vorsorgesparers an ein mitgliedstaatliches Sozialrechtssystem andererseits folgt, das die Altersvorsorgeaufwendungen, die aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 gezahlt werden, in jedem Fall in dem zur Besteuerung zuständigen Mitgliedstaat ebenso wie inländische Rentenbeiträge behandelt werden müssen. Zu einem anderen Grenzfall bei der steuerlichen Gleichbehandlung von grenzüberschreitenden Altersvorsorgeaut\vendungen kommt es im Zusammenhang mit obligatorischem oder freiwilligem Alterssicherungsschutz dann, wenn der einzelne Vorsorgesparer speziell aufgrund seiner grenzüberschreitenden Tätigkeit zusätzliche AltersvorsorgeaufWendungen leistet. Solche zusätzlichen und insoweit ,,freiwilligen"' AltersvorsorgeaufWendungen werden insbesondere in der Ersten und Zweiten Säule der Alterssicherung getätigt. Grenzüberschreitend tätige Personen leisten dabei nicht nur Beiträge in das für sie nach Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zuständige Rentenversicherungssystem eines Mitgliedstaates bzw. in die Versorgungseinrichtung ihres aktuellen Arbeitgebers, sondern tätigen daneben auch weitere Alterssicherungsaufwendungen, indem sie etwa freiwillig eine gesetzliche Rentenversicherung bei dem Rentenversicherungssystem ihres Heimat- oder Herkunftsstaates weiterführen oder zusätzlich Beiträge an die betriebliche Versorgungseinrichtung leisten, die beim vormaligen Arbeitgeber angesiedelt ist. Die Ursachen für ein solchermaßen überobligationsmässiges Vorsorgeverhalten in grenzüberschreitenden Sachverhalten sind vielf