Bestands- Und Entwicklungsgarantien Fur Den Offentlich-Rechtlichen Rundfunk in Einer Dualen Rundfunkordnung: Eine Verfassungsrechtliche Untersuchung ... Zu Kommunikationsfragen) (German Edition) 3428064488, 9783428064489


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German Pages 123 [124] Year 1988

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Bestands- Und Entwicklungsgarantien Fur Den Offentlich-Rechtlichen Rundfunk in Einer Dualen Rundfunkordnung: Eine Verfassungsrechtliche Untersuchung ... Zu Kommunikationsfragen) (German Edition)
 3428064488, 9783428064489

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PETER SELMER Bestands- und Entwicklungsgarantien für den öffentlichrechtlichen Rundfunk in einer dualen Rundfunkordnung

Schriften zu Kommunikationsfragen Band 10

Bestands- und Entwicklungsgarantien für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in einer dualen Rundfunkordnung Eine verfassungsrechtliche Untersuchung ihrer Zulässigkeif und Reichweite

Von Prof. Dr. Peter Selmer

Duncker & Humblot · Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Selmer, Peter: Bestands- und Entwicklungsgarantien ftir den öffentlichrechtlichen Rundfunk in einer dualen Rundfunkordnung : e. verfassungsrechtl. Unters. ihrer Zulässigkeil u. Reichweite I von Peter Selmer. - Berlin : Duncker u. Humblot, 1988 (Schriften zu Kommunikationsfragen ; Bd. 10) ISBN 3-428-06448-8 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1988 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz : Werksatz Marschall, Berlin 45 Druck : W. Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3-428-06448-8

Vorbemerkung Das Hineinwachsen des Rundfunks in ein duales Rundfunksystem, in dem öffentlich-rechtlicher Rundfunk und privater Rundfunk nebeneinander tätig sind, wirft die Frage auf, wie die Beziehungen der miteinander konkurrierenden öffentlichen und privaten Veranstalter durch den Staat zu ordnen sind. Es ist nur natürlich, daß die öffentlich-rechtlichen Anstalten- denen während der langen Zeit ihrer uneingeschränkten Monopolstellung ein immenses publizistisches und wirtschaftliches Potential zugeflossen ist - ihre beherrschende Stellung auf dem Rundfunkmarkt auch unter dem Regime einer dualen Ordnung erhalten wissen möchten. Weniger natürlich ist, daß die Gesetzgeber in den einzelnen Bundesländern, zuletzt in Bestätigung des kürzlich in Kraft getretenen Rundfunk-Staatsvertrages, diesem Interesse in einer Weise Rechnung getragen haben, die den privaten Rundfunkveranstaltern offenbar nur begrenzte Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet. Von einer Kräftigung der tatsächlichen Startchancen des Privatfunks ist nur wenig zu spüren. Statt dessen hat das Thema staatlicher Bestands- und Entwicklungsgarantien für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zunehmend an Boden gewonnen - zunächst als Forderung der öffentlich-rechtlichen Anstalten und ihrer Fürsprecher, dann als Bestandteil auch der mediengesetzlichen Aktivitäten in den Bundesländern einschließlich der im Rundfunk-Staatsvertrag entfalteten. Die verfassungsrechtlichen Implikationen dieser Bestands- und Entwicklungsgarantien bilden, auch im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Positionen der privaten Rundfunkbewerber und -Veranstalter, Anlaß und Schwerpunkt des vorliegenden Beitrags. Der Beitrag ist hervorgegangen aus einem Rechtsgutachten für die Stiftervereinigung der Presse e.V., Bonn, und die Fiduziarische Stiftung "Freiheit der Presse", Frankfurt am Main. Er wurde in seinen Hauptteilen (A - E) Anfang März 1987 abgeschlossen. Die endgültige Fassung des RundfunkStaatsvertrages und die - in mancher Hinsicht irritierende - fünfte Rundfunkentscheidungdes Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 74, 297) machten eine Fortführung der Überlegungen in einem zusätzlichen Abschnitt (F) notwendig. Dasneueste Schrifttum- bis Frühjahr 1988- konnte jedenfalls noch in den Fußnoten berücksichtigt werden. Meinem Assistenten, Herrn Ref. Berend Holst, danke ich für die verständige Unterstützung bei der Vorbereitung dieser Untersuchung. Hamburg, im Mai 1988

Peter Selmer

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

8. Aniorderungen an ein gemischtes Rundiunksystem aui der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesveriassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

I.

Vorbemerkung .....•..............•... . ............. . .

15

II.

Grundfragen der Rundfunkverfassung - Eckpfeiler der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . • . • . . • . . . . . . • . . . . . . . . .

16

1. Verfassungsmäßigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunkmonopols . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

2. Die Zulassungsfähigkeit privater Rundfunkveranstalter . . . . . . .

18

3. Organisations-"Kompetenz" des Landesgesetzgebers . . . . . . . . .

19

4. Modalitäten der Zulassung privater Rundfunkveranstalter . . . .

20

5. Die spgenannte "Sondersitution" des Rundfunks . . . . . . . . . . . .

22

6. Das Verhältnis von öffentlich-rechtlichen Anstalten und privaten Rundfunkveranstaltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

7. Insbesondere: Das vierte Rundfunkurteil-neue Akzentuierungen des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Ausgestaltung einer dualen Rundfunkordnung . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . .

26

8. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

III. Determinanten des Iandesgesetzgeberischen Organisationsspielraums im Falle der einfachgesetzlichen Zulassung privaten Rundfunks . . . . • • . . . . . . . • . • . . . . . . . . . . . . • . . . . . • . • . • • . . • . . . . .

30

1. Gebot der Chancengleichheit für den Privatfunk . . . . . . . . . . . .

31

2. Gebot zur Systemgerechtigkeit und Systemkonsequenz: Liberalisierungspflicht aufgrund Liberalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

3. Kompetenzrechtliche .Grenzen der Rundfunkgesetzgebung. Zum Verhältnis von Rundfunk- und Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . .

36

Zwischenresümee . . . • . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . • • . . . . . . . .

40

IV.

8

Inhaltsverzeichnis

C. Zur verfassungsrechtlichen Position privater Rundfunkbewerber

42

I.

Doppelter Gehalt der Rundfunkfreiheit als Grundkonsens

.......

42

Il.

Insbesondere: Subjektivrechtliche Komponenten der Rundfunkfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

1. Konsensfähige subjektivrechtliche Erscheinungsformen der Rundfunkfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

2. Rundfunkfreiheit als Rundfunkgründungs- und Rundfunkveranstaltungsfreiheit . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

3. Das Verhältnis von objektivem und subjektivem Gewährleistungsgehalt der Rundfunkfreiheit Zur Ausgleichsfunktion der Organisationsgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

4. Zur Einwirkungskraft einer in Art. 5 I S. 2 GG angelegten Rundfunkgründungs- und Rundfunkveranstaltungsfreiheit . . . . . . . . .

49

D. Bestands- und Entwicklungsgarantien für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

...................

52

1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

2. Insbesondere: Bestandsgarantien für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

3. Insbesondere: Entwicklungsgarantien für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

Bestands- und Entwicklungsgarantien für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Verfassungsrechtsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

I.

JJ.

Der gegenwärtige Stand der Rechtspraxis

1. Allgemeines: Die Wirkungsweise der Garantien. Verfassungs-

rechtliche Prüfungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entwicklungsgarantien und Vorbehalt des Gesetzes

57 61

3. Entwicklungsgarantien zugunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks - Ergebnis prognostischer Defizite und unzulässige Vorausbindung künftiger Organisationsgesetzgebung? . . . . . . .

64

4. Zur Übereinstimmung von Bestands- und Entwicklungsgarantien mit den materiellen Ausgestaltungspostulaten der Grundrechte

70

Inhaltsverzeichnis

9

a) Die Grundrechtsthemen. Zum Eingriffscharakter von Bestands- und Entwicklungsgarantien. Oie grundrechtlichrechtsstaatliehen Zulässigkeitsanforderungen . . . . . . . . . . . . b) Legitimierungsansätze im Schrifttum. Die Grundversorgungsdoktrin des Bundesverfassungsgerichts als Legitimationskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insbesondere: Die .unerläßliche Grundversorgung"- Begriff, Garantie- und Begrenzungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

5. Bestands- und Entwicklungsgarantien am Maßstab des Grundversorgungsauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: Grundrechtliche Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

70

76

a) Zur Aufrechterhaltung und Ausweitung der bisherigen Sendemöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zur Aufrechterhaltung und Ausweitung der bisherigen wirtschaftlichen Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

E. Verfassungsrechtliches Resümee. Zur ergänzenden Einwirkungskraft des Wettbewerbs- und Kartellrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

F. Nachtrag: Zur jüngsten Rechtsentwicklung

98

82

I.

Der Staatsvertrag zur Neuordnung des Rundfunkwesens

. .. . . •..

98

II.

Die fünfte Rundfunkentscheidung des Bundesverfassungsgerichts: Erneuter Kurswechsel oder zögernde Kontinuität? . . . . . . . . • . . . .

103

1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

103

2. Begriff und Stellenwert der sogenannten Grundversorgung . . . .

105

3. Zur Zuteilungsgerechtigkeit außerhalb der Grundversorgung

108

4. Zur Verteilung und Ausschöpfung der Finanzquellen . . . . . . . .

116

5. Insbesondere: Zur Finanzierungsform der Wirtschaftswerbung

120

6. Schlußbemerkung

122

A. Einleitung und Problemstellung Im sogenannten FRAG-Urteil seines Ersten Senats' hat das BVerfG nach den mehr tastenden Ansätzen seiner vorangegangenen beiden Rundfunkurteile2 erstmals explizit positiv über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit privater Rundfunkveranstaltungen entschieden und zugleich die für deren Zulassung durch den zuständigen Landesgesetzgeber zu erfüllenden Rahmenbedingungen erstmals näher umschrieben. Diese grundlegenden Ausführungen hat das Gericht im jüngst ergangenen 4. Rundfunkurteil 3 vollen Umfangs bestätigt und fortgeführt. In Übereinstimmung mit der sich abzeichnenden Entwicklung im Medienwesen hat die Mehrzahl der Bundesländer schon im Anschluß an das 3. Rundfunkurteil Landesmediengesetze verabschiedet, die mit der Ermächtigung zur Zulassung privaten Rundfunks den Abschied vom bisher bestehenden öffentlich-rechtlichen Rundfunkmonopol ermöglichen4• Hat mit dem FRAG-Urteil die jahrelange Kontroverse um die Zulässigkeil privaten Rundfunks als solche einen gewissen Abschluß gefunden, so verlagert sich die rundfunkverfassungsrechtliche Diskussion nunmehr auf die Problematik des zu erwartenden Konkurrenzverhältnisses zwischen privaten Rundfunkanbietern und öffentlich-rechtlichen Anstalten. Ungeachtet ihres im Hinblick auf die langjährig gewachsenen betrieblichen (sächlichen wie persönlichen) und technischen Kapazitäten und gesicherten Einnahmequellen unstreitig bestehenden Startvorsprungs in einem dualen Rundfunksystem haben die öffentlich-rechtlichen Anstalten in Anbetracht der entstehenden Konkurrenz für sich die Einräumung einer sogenannten Bestandsund Entwicklungsgarantie postuliert. Im Rahmen ihrer Verhandlungen zur BVerfGE 57, 295, 321 f. (3. Rundfunkurteil). BVerfGE 12, 205; 31,314. 3 Urteil des BVerfG vom 4.11.1986 1 BvF 1/84 - betr. das Niedersächsische Landesrundlunkgesetz, EuGRZ 1986, 577 ff.; vgl. dazu bislang Ricker, Chancen und Pflichten des Privatfunks, Folgerungen aus dem "Vierten Rundfunkurteil" des BVerfG, FAZ v. 6.1.1987, S. 7. 4 Vgl. zum aktuellen Stand der medienrechtlichen Landesgesetzgebung die instruktiven Darstellungen bei A. Hesse, Die Organisation privaten Rundfunks in der Bundesrepublik - Die Konzeption der Landesmediengesetze vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BV-=rfG -, DÖV 1986, 177 ff.; Mook, Privater Rundfunk im Spiegel der Landesrundlunkgesetze, AlP 1986, 10 ff. ; Kreuziger, Probleme bei der Gestaltung von Landesmedien- und Landesrundlunkgesetzen, DVBl 1986, 1095 ff. 1

2

12

A. Einleitung und Problemstellung

Neuordnung des Rundfunkwesens 5 sind die Ministerpräsidenten der Länder diesem Begehren offenbar weitgehend gefolgt. Der 1984 diskutierte Entwurf eines Staatsvertrages stellte in seiner Präambel ganz deutlich voran: .. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind Bestand und weitere Entwicklung zu gewährleisten. Dazu gehört seine Teilhabe an allen neuen technischen Möglichkeiten zur Verbreitung von Rundfunkprogrammen und die Erhaltung seiner finanziellen Grundlagen einschließlich des dazugehörigen Finanzausgleichs". Einige landesgesetzliche Regelungen haben zwischenzeitlich eine Bestands- und Entwicklungsgarantie für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ausdrücklich6 oder jedenfalls der Sache nach bereits normiert. Unterzieht man die konkretisierungsbedürftigen Begriffe der Bestandsund Entwicklungsgarantie einer an der bisherigen Diskussion und Rechtspraxis ausgerichteten überschlägigen Betrachtung, so wird deutlich, daß den öffentlich-rechtlichen Anstalten im Rahmen des anstehenden Wettbewerbs in der Tat eine rechtliche Sicherung ihres status quo sowie eine verbindliche Gewährleistung der Teilhabe an der weiteren (darunter auch der weiteren verbreitungstechnischen) Fortentwicklung eingeräumt werden soll. Was dabei den ersteren Aspekt anbetrifft, so soll die Bestandsgarantie den öffentlich-rechtlichen Anstalten keineswegs nur ihren rechtlichen Bestand sichern, sondern ihnen auch wettbewerbsunabhängig die weitgehende Erhaltung der wirtschaftlichen Grundlagen gewährleisten- vor allem, indem die bestehenden Senderechte sowie insbesondere die bisherigen Finanzierungsgrundlagen einschließlich des Anteils an der Werbung bzw. am Werbeaufkommen rechtlich festgeschrieben werden 7. Die Entwicklungsgarantie ihrerseits soll den öffentlich-rechtlichen Anstalten zunächst einen Anspruch auf quantitative Programmerweiterung rechtlich absichern8 . Neben diese 5 V gl. die sog ... Bremerhavener Beschlüsse" der Ministerpräsidenten betr. Konzept der Länder zur Neuordnung des Rundfunkwesens vom 18./19.10.1984, veröffentlicht bei Ring, Deutsches Presse- und Rundfunkrecht, Bd. li, F, I 1-2; vgl. auch den Entwurf eines Staatsvertrages zur Neuordnung des Rundfunkwesens (Stand: 11. bzw. 14.12.1984) -unveröffentlicht; letzterer Entwurf ist Ende 1986 um einen (gleichfalls unveröffentlichten) weiteren ergänzt worden, den die von der Union regierten Länder für die Ministerpräsidentenkonferenz vom 18.12.1986 vorbereitet hatten. 6 Vgl. insb. § 67 LRG Saarland. 7 Vgl. Schmitt Glaeser, Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlichrechtlichen Rundfunk, BayVBI1985, 97, 98 m. weit. Nachw.; vgl. ferner Kuli, Aktuelle Fragen der Rahmenbedingungen für privaten Rundfunk, AfP 1985, 265, 268 f.; Tettinger, Aktuelle Fragen der Rundfunkordnung, JZ 1986, 806, 807. 8 Vgl. § 67 LRG Saarland, Art. 15 I S. BayRFG i. V. mit Art. 37 Nr. 9 BayMEG, § 3 III WDR-Gesetz. Zur quantitativen Programmerweiterung ist nicht nur ein erweitertes Angebot in Form neuer Sender, sondern auch eine zeitliche Erweiterung oder eine fortschreitende Regionalisierung des Programmangebots zu rechnen; vgl. auch Schmitt Glaeser, BayVBI 1985, 97, 99.

A. Einleitung und Problemstellung

13

gesetzliche Option der Programmerweiterung durch die öffentlich-rechtlichen Anstalten in quantitativer Hinsicht treten als weitere Komponenten der Entwicklungsgarantie die Gewährleistung einer Ausdehnung öffentlichrechtlicher Anstaltstätigkeit im Hinblick auf eine wirtschaftliche Nutzung der sog. neuen Medien wie z. B. Videotext, Kabeltext oder Bildschirmtext9 sowie zumindest partiell die gesetzlich festgeschriebene Einräumung der Erweiterungsmöglichkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu wirtschaftlichen Unternehmen 10. Sind auch die wegen ihrer länderübergreifenden Wirkung bedeutsamen Staatsvertragsverhandlungen über die Neuordnung des Rundfunkwesens vorläufig als gescheitert anzusehen, so ist charakteristisch für den zu erwartenden Konkurrenzkampf im Medienwesen, daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gleichwohl, d. h. unabhängig von einer staatsvertraglich abgesicherten Bestands- und Entwicklungsgarantie expandieren. Dies gilt zum einen für eine erhebliche Erweiterung des Programmangebots durch die Einführung neuer Programme (3-Sat, ARD-1-plus, geplante bundesweite Verbreitung der Dritten Fernsehprogramme) bzw. durch eine fortschreitende Regionalisierung (z. B. Radio Stuttgart) auf dem Gebiet des Hörfunks. Hinzu kommt als wirtschaftliche Komponente eine Ausdehnung der Werbung (Hessen 3) 11 . Durch diese Aktivitäten der öffentlich-rechtlichen Anstalten werden die Startchancen der primär werbefinanzierten privaten Anbieter fraglos weiter beschränkt. Ist der wirtschaftliche Freiraum des privaten Rundfunks ohnehin im Hinblick auf das hemmende Erfordernis der Kabel- bzw. Satellitenübertragung12 und den Mangel zusätzlicher terrestrischer Frequenzen insoweit zur Zeit noch stark begrenzt, so vermag es nicht zu verwundern, wenn die privaten Anbieter die fortschreitende Expansion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als - unzulässige - gezielte Marktverstopfungspolitik bezeichnen. Auch das Bundeskabinett 13sowie die unionsregierten Länder 14 Vgl. Schmitt Glaeser, BayVBl 1985, 97, 99 f. m. weit. Nachw. §§ 3, 47 WDR-Gesetz; zum Entwurf des WDR-Gesetzes und zu den einschlägigen Bestimmungen dieses Entwurfs s. ausführlich Lerche, Verfassungsfragen zum Entwurf der LandesregierungNordrhein-Westfalen eines Gesetzes über den .,Westdeutschen Rundfunk Köln" (WDR-Gesetz), AfP 1984, 183 ff. 11 Vgl. zu alledem auch die in Anm. 10 genannten Autoren. 12 1986vermochten nuretwa 1 Mi!!. Haushalte, d. h. Sv. H. aller Fernsehhaushalte Satellitenfernsehen zu empfangen, vgl. Bulletin 1986, S. 649, 650, Anfang 1987 waren es etwa 1,5 Mi!I. (7 ,5 v. H.); eineneuere Mitteilung des Bundeskanzleramtes (vgl. FAZ v. 16.2.1988, S. 6) spricht davon, daß Ende 1987 um 3 Mill. Haushalte von der Möglichkeit des Kabelnetzanschlusses Gebrauch gemacht hätten. 13 Vgl. Programm zur Verbesserung der Rahmenbedingungen des privaten Rundfunkmarktes, Bulletin 1986, S. 649 ff. 14 Vgl. FAZ v. 29. 3. 1986, S. 7 (.. Kanalverstopfungspolitik"), ferner Interview mit W. Remmers, Hamburger Abendblatt v. 9.5.1986, S. 13 (..Okkupationsstrategie"). 9

10 Vgl. insb.

14

A. Einleitung und Problemstellung

haben die für die privaten Anbieter verminderten Wettbewerbschancen erkannt und eine Verbesserung der Rahmenbedingungen des privaten Rundfunks für notwendig erachtet. Andererseits haben sich die unionsregierten Länder nicht gehindert gesehen, in den von ihnen Ende 1986 vorgelegten weiteren Entwurf eines Staatsvertrages zur Neuordnung des Rundfunkwesens die Bestands- und Entwicklungsgarantie der Präambel des ursprünglichen Entwurfs (s. o.) unverändert zu übernehmen. Demgegenüber zeigen sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht bereit, auch nur teilweise ihre Expansionsvorhaben zugunsten der Interessen der Privaten zu reduzieren; sie sehen, wie in jüngerer Zeit mehrfach deutlich geworden ist, sie beschränkende Regelungen in Landesmediengesetzen als ihrerseits durchaus fragwürdig an 15• Die nachfolgenden Überlegungen sind auf der Grundlage der streitigen Diskussion und der bisherigen normativen Ausformungen des neueren Medienrechts der Frage gewidmet, ob und inwieweit Erscheinungsformen einer Bestands- und Entwicklungsgarantie zugunsten der öffentlich-rechtlichen Anstalten in einem grundsätzlich dualen Rundfunksystem verfassungsrechtlich zulässig sind. Damit einhergehend ist zugleich die Frage aufgeworfen, welche Startchancen den privaten Anbietern mit der Öffnung des Runclfunkmarktes im Sinne einer (auch) privatwirtschaftliehen Struktur des Rundfunks einzuräumen sind. Ausgangspunkt der Betrachtung bildet dabei vor allem die rundfunkverfassungsrechtliche Judikatur des BVerfG 16, an der sich die künftige Ausgestaltung einer gemischten Medienordnung maßgeblich auszurichten hat. Über das Abklopfen der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung hinaus bedarf indes die Konkretisierung der an eine duale Runclfunkordnung zu stellenden Anforderungen auch der Aufhellung solcher vom BVerfG bislang noch wesentlich ungeklärter Problemstellungen, wie etwa der um die Frage des Zulassungsanspruchs Privater kreisenden.

15 Vgl. exemplarisch die Auseinandersetzung vor dem BVerfG um§ 13 II S. 2 LMG Baden-Württemberg (Radio Stuttgart) - 1 BvQ 12/ 85 - ZUM 1986, 92 f. Als charakteristisch für die Auffassung der öffentlich-rechtlichen Anstalten kann insoweit die Kritik des Justitiars des Südfunks Baden-Baden Rüggeberg, BaWüVPr 1986, 73, 78, angesehen werden, der dem Landesgesetzgeber in Baden-Württemberg vorwirft, dieser habe sich beim Erlaß des LMG von der zu engen Vorstellung leiten lassen, der private Rundfunk sei eine zarte Pflanze, die geschützt und behutsam aufgezogen werden müsse. 16 Vgl. insbesondere die vier Rundfunkurteile des BVerfG, nämlich BVerfGE 12, 205 ff.; 31, 314 ff.; 57, 295 ff.; Urt. v. 4.11.1986- 1 BvF 1/84 -, EuGRZ 1986, 577ff.

B. Anforderungen an ein gemischtes Rundfunksystem auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts I. Vorbemerkung Hat das BVerfG mit seinen grundlegenden Ausführungen im FRAG-Urteil eine grundsätzliche Wende auf dem Gebiet des Rundfunkwesens in Richtung eines gemischten Rundfunksystems eingeleitet, stellt sich notwendig die Frage, in welchem Verhältnis die nunmehr nach den meisten Landesmediengesetzen zulassungsfähigen privaten Veranstaltungen und die öffentlich-rechtlichen Anstalten nach Auffassung des Gerichts zueinander stehen. In den dem 3. Rundfunkurteil des BVerfG nachfolgenden Äußerungen des Schrifttums ist dieser Fragestellung primär unter dem rundfunkverfassungsrechtlichen Blickwinkel des Art. 5 GG nachgegangen worden 17• Dabei gehen die Bemühungen nahezu einhellig in Richtung einer Interpretation des Art. 5 I S. 2 GG unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses der verschiedenen (objektiv- bzw. subjektivrechtlichen) Teilinhalte des Grundrechts der Rundfunkfreiheit zueinander. In der Tat scheint diese Problematik einschließlich der unmittelbar mit ihr verklammerten Frage einer von Verfassungs wegen anzuerkennenden Rundfunkveranstaltungsfreiheit für die Spezifizierung des Verhältnisses von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk von grundlegender Bedeutung zu sein - etwa entsprechend dem folgenden Argumentationsmuster: Fehlt es an der verfassungskräftigen Gewährleistung eines Anspruchs Privater auf die Veranstaltung von Rundfunksendungen, so stellt sich eine einfachgesetzliche Zulassung privaten Rundfunks als eine Vergünstigung dar, dereninhaltlicheAusgestaltung- gerade auch in bezug auf das Verhältnis von öffentlich-rechtlichen und privaten Veranstaltern - anderen (geringeren) Bindungen unterliegt, als wenn ein 17 Vgl. etwa Degenhart, Anmerkung zum 3. Rundfunkurteil des BVerfG, DÖV 1981, 960 ff.; Groß, Das Dritte Rundfunkurteil des BVerfG, DVB11982, 561 ff.; Kuli, Rundfunkgleichheit statt Rundfunkfreiheit- Zum dritten Fernsehurteil des BVerfG, AfP 1981, 378 ff.; Oppermann, Auf dem Wege zur gemischten Rundfunkverfassung in der Bundesrepublik Deutschland?, JZ 1981, 721 ff.; Pestalozza, Der Schutz vor der Rundfunkfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland, NJW 1981, 2158 ff.; Ricker, Freiheit und Ordnung des Rundfunks nach dem dritten Rundfunkurteil des BVerfG, NJW 1981, 1925 ff.; W. Schmidt, Anmerkung zum 3. Rundfunkurteil des BVerfG, DVBl 1981, 920 ff.; Scholz, Das dritte Fernsehurteil des BVerfG, JZ 1981, 561 ff.

16

B. Anforderungen an ein gemischtes Rundfunksystem

verfassungsrechtlicher Zulassungsanspruch Privater zum Rundfunk anzuerkennen ist. Eine interpretatorische Würdigung der Rechtsprechung des BVerfG hinsichtlich der Anforderungen an ein gemischtes Rundfunksystem muß diesen Aspekt freilich wesentlich ausklammern. Das BVerfG hat im FRAG-Urteil die Frage nach dem Bestehen einer verfassungsrechtlichen Pflicht, privaten Rundfunk einzuführen, ebenso ausdrücklich unentschieden gelassen wie die Frage eines grundrechtliehen Anspruchs auf die Veranstaltung privater Rundfunksendungen 18. Angesichts der Deutlichkeit, mit der diese Fragen als nicht entscheidungserheblich ausgeklammert wurden, erscheinen gegenteilige Deutungsversuche des 3. Rundfunkurteilsapriori zum Scheitern verurteilt19. Hinzuzufügen bleibt, daß das 4. Rundfunkurteil an der diesbezüglichen Enthaltsamkeit, ohne sie freilich erneut zu betonen, ungeachtet hier nicht in Rede stehender ariderweiter Akzentverschiebungen20, ersichtlich festgehalten hat und der Sache nach auch festhalten konnte. Hiervon ausgehend wird nur eine auf einfachgesetzlicher Vorentscheidung aufbauende Betrachtungsweise der Judikatur des BVerfG gerecht. Mit anderen Worten und bezogen auf den vorliegenden Zusammenhang: Es gilt im folgenden der Frage nachzugehen, welchen spezifischen verfassungsrechtlichen Bindungen die Landesgesetzgeber auf der Grundlage dieser Judikatur unterliegen, wenn sie- wie zwischenzeitlich weitgehend der Fall -positiv über die Möglichkeit der Zulassung privater Rundfunkveranstalter entschieden haben. Das freilich setzt zunächst voraus eine Darlegung der wesentlichen rundfunkverfassungsrechtlichen Grundlagen in ihrer maßgeblich durch das BVerfG geprägten Ausformung.

II. Grundfragen der Rundfunkverfassung - Eckpfeiler der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Mit seinen vier Rundfunkurteilen21 hat das BVerfG ein grundlegendes, wenn auch unvollkommenes Fundament der Rundfunkverfassung gelegt, an dem sich deren einfachgesetzliche Ausgestaltung durch die zuständigen Landesgesetzgeber zu orientieren hat. Das gilt insbesondere auch für die zu 18 BVerfGE 57, 295, 318. 19 Vgl. aber die insoweit abzulehnenden Darlegungen von Pestalozza, NJW 1981, 2158, 2159. 20 So ist im gegebenen Zusammenhang bemerkenswert vor allem die (wohl nur scheinbar) selbstverständliche Beiläufigkeit, mit der das BVerfG im 4. Rundfunkurteil (EuGRZ 1986, 477, 479) eine von ihm .in ständiger Rechtsprechung betonte Entscheidung des Grundgesetzes für die Zulässigkeit privaten Rundfunks" formuliert. 21 Vgl. oben Fußn. 16.

II. Eckpfeiler der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

17

treffenden Organisationsentscheidungen im Falle der sich nunmehr vollziehenden Öffnung des Rundfunkwesens zugunsten privater Veranstalter. Gerade auch im Hinblick hierauf sei im folgenden die Rechtsprechung des BVerfG näher beleuchtet. 1. Verfassungsmäßigkeit des öffentlich-

rechtlichen Rundfunkmonopols

Sowohl im 1. als auch im 2. Rundfunkurteil hat das BVerfG herausgestellt, daß unter Berücksichtigung der derzeitigen Situation ein öffentlich-rechtliches Monopol für die Veranstaltung von Rundfunksendungen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei 22• Zeichnet man den zu dieser Einsicht führenden argumentativen Weg nach, so zeigt sich, daß für das Gericht die an Art. 5 I GG angeseilte Frage nach dem Verhältnis des Rundfunks zu den anderen Massenkommunikationsmitteln den Ausgangspunkt der nachfolgenden Ausführungen zur Rundfunkfreiheit gebildet hat. Dabei betonte das Gericht zunächst die grundsätzliche Funktionsgleichheit von Rundfunk und Presse als unentbehrliche moderne Massenkommunikationsmittel, durch die Einfluß auf die öffentliche Meinung ausgeübt werde23. Dementsprechend sei für den Rundfunk als gleichermaßen bedeutsamen Faktor der öffentlichen Meinungsbildung wie bei der Presse durch Art. 5 I S. 2 GG auch eine institutionelle Freiheit gewährleistet2 4. Diese Kongruenz zwischen beiden Massenkommunikationsmitteln ließ das Gericht indes enden bei der Frage des Weges, auf dem die Freiheit des Rundfunks im allgemeinen und der Berichterstattung durch den Rundfunk im besonderen gesichert werden müsse. Insoweit wurde vielmehr die technisch-finanzielle Besonderheit des Rundfunks gegenüber der Presse als leitend herausgestellt: Während bei letzterer eine relativ große Zahl von selbständigen und nach ihrer Tendenz, politischen Färbung oder weltanschaulichen Grundhaltung miteinander konkurrierenden Presseerzeugnissen existiere, müsse im Bereich des Rundfunks sowohl aus technischen Gründen als auch mit Rücksicht auf den außergewöhnlich großen finanziellen Aufwand für die Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen die Zahl der Träger solcher Veranstaltungen relativ klein bleiben. Diese ,.Sondersituation" im Bereich des Rundfunkwesens erfordere besondere Vorkehrungen zur Verwirklichung und Aufrechterhaltung der in Art. 5 I GG gewährleisteten Freiheit des Rundfunks 25• Da Art. 5 I GG gebiete, daß alle gesellschaftlich 22 23 24 25

BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE

2 Selmer

12, 205, 12, 205, 12, 205, 12, 205,

262; 31, 314, 328, 329. 260 f. 261. 261; s. auch BVerwGE 39, 159, 165 ff.

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relevanten Kräfte zu Worte kämen und nicht etwa der Rundfunk dem Staat oder einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert werde, bedürfe es einer diese Grundsätze sichernden Organisation der Veranstaltung von Runclfunkdarbietungen in Form eines Gesetzes26• Da eben die öffentlich-rechtlichen Anstalten diesen Erfordernissen entsprechend organisiert seien, sei in Anbetracht der dargelegten Sondersituation des Rundfunks deren Monopolstellung verfassungsgemäß, wenn auch Art. 5 GG keineswegs ein solches Monopol fordere 27 • Im Ergebnis sollte mithin ein öffentlich-rechtliches Rundfunkmonopol jedenfalls solange verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein, wie die technisch-finanzielle Sondersituation des Rundfunks Fortbestand habe. Dabei blieb das verfassungsrechtlich vorgezeichnete Schicksal jenes Monopols für den Fall des Wegfalls dieser Situation in den Aussagen des Gerichts zunächst unerläutert28.

2. Die Zulassungsfähigkeit privater Rundfunkveranstalter Mit der These, daß zwar nach Maßgabe der rundfunkrechtlichen Sondersituation das öffentlich-rechtliche Rundfunkmonopol verfassungsmäßig, indes nicht von Verfassungs wegen grundsätzlich gefordert sei, verband das Gericht schon früh eine - freilich noch recht undeutliche - Anerkennung privaten Rundfunks: Auch rechtsfähige Gesellschaften des privaten Rechts könnten Träger von Rundfunkveranstaltungen sein, wenn sie nur nach ihrer Organisationsform hinreichende Gewähr böten, daß in ihnen in ähnlicher Weise wie in den öffentlich-rechtlichen Anstalten alle gesellschaftlich relevanten Kräfte zu Wort kämen, und die Freiheit der Berichterstattung unangetastet bliebe 29. Deutete das BVerfG auf dieseWeise schon im 1. Rundfunkurteil an, daß es der Frage der Organisationsform nur sekundäre Bedeutung beimesse, sofern nur den inhaltlichen Anforderungen des Art. 5 I GG Rechnung getragen werde, so erfuhr diese Grundposition im,,FRAG-Urteil eine weiterführende > L " Konkretisierung. Der sich anbahnenden Entwicklung der Medienlandschaft in Richtung eines gemischten Rundfunksystems Rechnung tragend beschränkte sich das Gericht nicht auf die erneute Feststellung, das Grundgesetz schreibe dem Gesetzgeber keine bestimmte Form der Rundfunkorganisation vor; es komme allein darauf an, daß eine freie, umfassende und Vgl. BVerfGE 12, 205, 262, 263. Vgl. BVerfGE 12, 205, 262. 28 Vgl. BVerfGE 31, 314, 326; s. auch den Hinweis auf letztere Entscheidung in BVerfGE 57, 295, 322. 29 So bereits BVerfGE 12, 205, 262. 26

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wahrheitsgemäße Meinungsbildung durch dieses Medium gewährleistet sei 30 . Es formulierte vielmehr erstmals auch inhaltliche Postulate, denen der Landesgesetzgeber bei der Zulassung privater Rundfunkveranstalter unterworfen sei - inhaltliche Postulate, die das Gericht jüngst in seinem 4. Rundfunkurteil aufgenommen und fortschreibend akzentuiert hat. Ihnen wird noch im einzelnen nachzugehen sein31 •

3. Organisations-"Kompetenz" des Landesgesetzgebers Schon in seinem 1. Rundfunkurteil hat das BVerfG dem Art. 5 I GG die Forderung entnommen, die Veranstalter von Rundfunkdarbietungen müßten gesetzlich so organisiert werden, daß alle in Betracht kommenden Kräfte in ihren Organen Einfluß hätten und im Gesamtprogramm zu Wort kommen könnten, und daß für den Inhalt des Gesamtprogramms Leitgrundsätze verbindlich seien, die ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisteten32 • Zweck dieser später näher ausformulierten Organisationsaufgabe des Landesgesetzgebers ist die rechtliche Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit um ihrer eigenen Sicherung willen - ausgehend von der Einsicht, daß bloße Freiheit des Rundfunks vor staatlicher Beherrschung und Einflußnahme für sich allein noch nicht bedeute, daß freie und umfassende Meinungsbildung durch den Rundfunk möglich werde. Dieser Aufgabe lasse sich durch eine lediglich negatorische Gestaltung nicht gerecht werden; es bedürfe dazu vielmehr einer positiven Ordnung, welche sicherstelle, daß die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck finde und daß auf diese Weise umfassende Information geboten werde 33 . Unmißverständlich hat das Gericht in diesem Zusammenhang klargestellt, daß die Erfüllung der Aufgabe, Rundfunkfreiheit rechtlich auszugestalten, keineswegs im Belieben des Mediengesetzgebers liege 34 • Von daher erscheint es treffender, von einer Organisationsverpflichtung anstaU von Organisationskompetenz zu sprechen. Von einer bloßen Befugnis des Landesgesetzgebers kann nur in dem Sinne die Rede sein, als es Sache seiner eigenen Entscheidung ist, "wie" er die ihm durch Art. 5 I GG auferlegte BVerfGE 57, 295, 321. Vgl. unten bei B II 4 und 5. 32 Vgl. BVerfGE 12, 205, 262 f. 33 BVerfGE 57, 295, 320. 34 Vgl. etwa BVerfGE 57, 295, 321, wo explizit von der .,Notwendigkeit ausgestaltender gesetzlicher Regelung" die Rede ist. 30

31

2"

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Ausgestaltungsaufgabe erfüllt: das Grundgesetz schreibe ihm keine bestimmte Form der Rundfunkorganisation vor 35• Resümierend lassen sich die Überzeugungen des BVerfG zur Organisationsmacht des Landesgesetzgebers - unter Ausklammerung noch der spezifischen Erläuterungen des 4. Rundfunkurteils - etwa in die folgende Formel kleiden: Freiheit des Landesgesetzgebers bei der Wahl der Organisationsform unter gleichzeitiger verfassungskräftiger Bindung an die ihm obliegende Aufgabe, die Rundfunkfreiheit zum Zwecke ihrer eigenen Sicherung rechtlich auszugestalten 36 . Der so verstandene Organisationsspielraum des Gesetzgebers liegt in Übereinstimmung mit den Ausführungen des BVerfG37 zwischen der Wahl eines öffentlich-rechtlichen oder eines privatrechtlichen Rundfunksystems. Dabei ist das Gericht ersichtlich davon ausgegangen, daß auch kombinierte Ausgestaltungen im Sinne einer gemischten Rundfunkorganisation verfassungsrechtlich zulässig sind38. Kommt dem Landesgesetzgeber mithin bei der Wahl der Organisationsform - unbeschadet noch darzulegender verfassungsrechtlicher Grenzen - ein weiter Spielraum zu, so unterliegt doch die inhaltliche Gestaltungsfreiheit im Rahmen des gewählten Organisationsmodells durchgehend den dargelegten funktionalen Bindungen. 4. Modalitäten der Zulassung privater Rundfunkveranstalter

Das Problem der auf Private anzuwendenden Zulassungsmodalitäten war im FRAG-Urteil- wie schon in den beiden vorangegangenen Rundfunkurteilen - nicht von entscheidungserheblichem Gewicht. Gleichwohl hat das Gericht in dieser Entscheidung doch einige der vom Gesetzgeber gegebenenfalls künftig zu beachtenden Grundsätze festgeschrieben 39 . Dabei ließ es sich BVerfGE 57, 295, 321. Ähnlich Lerche, Presse und privater Rundfunk, 1984, S. 23, sowie Kühler, Medienverflechtung, 1982, S. 78, die - wenn auch mit sehr unterschiedlichen Folgerungen- von einer organisatorischen Wahl, nicht aber unbeschränkten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ausgehen; eine beschränkte Gestaltungsfreiheit nimmt ferner etwa auch Starck, Die Konstruktionsprinzipien und verfassungsrechtlichen Grundlagen der gegenwärtigen mediengesetzlichen Aktivitäten in den deutschen Bundesländern, JZ 1983, 405, 406, an. 37 BVerfGE 57, 295, 321 ff. 38 Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer gemischten Rundfunkordnung fehlen zwar im FRAG-Urteil explizite Ausführungen; jedoch bezeichnete das Gericht in diesem Urteil das eine solche gemischte Organisation beinhaltende Gesetz über die Veranstaltung von Rundfunksendungen im Saarland (GVRS) als einen Weg, der der verfassungsrechtlich gestellten Aufgabe grundsätzlich genügen könne (E 57, 295, 330); vgl. auch Lerche, a.a.O. (o. Anm. 36), S. 24; Groß, Zum Verfassungsgebot der Programmvielfalt im Rundfunk, DVBl 1982, 1118, 1120. 39 Hierzu und zum Folgenden vgl. BVerfGE 57, 295, 324 ff. 35 36

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im Ansatz von der Einsicht leiten, daß es der Gesetzgeber nicht bei der Grundentscheidung zugunsten eines Organisationsmodells belassen dürfe, sondern weitere gesetzliche Bestimmungen zu erlassen habe, die im Rahmen des gewählten Modells sicherstellten, daß der Rundfunk den wesentlichen verfassungsschweren Pluralitätsanforderungen genüge, d. h. nicht einer oder einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert werde und die in Betracht kommenden Kräfte im Gesamtprogrammangebot zu Wort kommen lasse. Diese Voraussetzungen beanspruchen sowohl für die herkömmliche binnenpluralistische Rundfunkstruktur Geltung als auch für ein gleichfalls verfassungsrechtlich mögliches außenpluralistisches Modell 40 . Projiziert man sie näher auf die beiden Modelle, so dürften sich binnenpluralistisch organisierte private Sender in ihrer Struktur nicht wesentlich von den bestehenden öffentlich-rechtlichen Anstalten abheben: Es besteht die Notwendigkeit einer breitgestreuten gesellschaftlichen Repräsentation in den Organen des Senders und entsprechender Mitwirkungsrechte dieser Repräsentanten im Hinblick auf die Sicherung der inhaltlichen Ausgewogenheit des Gesamtprogramms. Nicht ohne Grund spricht Oppermann insoweit von einer ,.teilöffentlichen Institution" 41 . Demgegenüber unterliegt im Rahmen eines außenpluralistischen Systems der einzelne Veranstalter solchen, die Ausgewogenheit des Programms sicherstellenden Bindungen nicht in gleicher Weise. Da indes der Gesetzgeber bei der Einführung dieser Variante der Rundfunkstruktur den Pluralismus dadurch zu sichern hat, daß er für ein den dargelegten Geboten der Meinungsvielfalt genügendes Gesamtangebot der Programme Sorge trägt, bleiben die einzelnen Anbieter auch dort zu sachgemäßer, umfassender und wahrheitsgemäßer Information und einem Mindestmaß an gegenseitiger Achtung verpflichtet42. Die vom BVerfG formulierten Modalitäten der Zulassung privater Rundfunkveranstalterlassen im Ergebnis erkennen, daß das Gericht im Interesse der Sicherung der Rundfunkfreiheit tendenziell geneigt ist, die Interessen der zulassungsfähigen Rundfunkveranstalter den sich unmittelbar aus Art. 5 I GG abzuleitenden Anforderungen an die Rundfunkordnung unterzuordnen. Hieraus jedoch den Schluß zu ziehen, das BVerfG habe nunmehr klargestellt, daß die Rundfunkfreiheit primär dem Entfaltungsinteresse im Prozeß der Kommunikation und nicht etwa der subjektiven Entfaltung der Veranstalter diene 43, erscheint durchaus verfehlt. Solche Aspekte lassen sich insbesondere dem FRAG-Urteil nicht entnehmen. Das BVerfG hat ersichtlich mit den von ihm formulierten Modalitäten lediglich die Sicherung der Rundfunkfreiheit als solche im Auge. Das erhellt über den Gesamt40 41 42

43

Vgl. BVerfGE 57, 295, 325. Vgl. Oppermann, JZ 1981, 721, 728. Vgl. auch BVerfGE 57, 295, 326. So aber Hoffmann-Riem, AöR 109 (1984), 304, 309.

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zusammenhanghinaus explizit auch daraus, daß das Gericht zwar die Normierung einer begrenzten Staatsaufsicht wie insbesondere auch freiheitseinschränkende - Zugangsregelungen für geboten hält, um zugleich hervorzuheben, daß die Einführung solcher Hemmnisse sich funktional allein auf die Gewährleistung der Rundfunkfreiheit zu beschränken hätte 44 . Insoweit erschöpft sich- parallel- auch der Zweck der aufgestellten Zulassungsvoraussetzungen in der dargelegten Sicherungsfunktion. 5. Die sogenannte .,Sondersituation" des Rundfunks

Ein für die Ausgestaltung der Rundfunkordnung in concreto wesentlicher Gesichtspunkt ergibt sich ferner offenbar aus der bereits in anderem Zusammenhang45 angesprochenen .Sondersituation" des Rundfunks im Vergleich zur Presse, die das BVerfG aus der Knappheit der verfügbaren Frequenzen und dem außergewöhnlich hohen finanziellen Aufwand für die Veranstaltung von Rundfunksendungen hergeleitet hat 46 und als in veränderter Form bestehend noch heute anerkennt47. Während nämlich das Gericht im 1. und 2. Rundfunkurteil diese Sondersituation des Rundfunks argumentativ nutzte, um den sich vom Pressebereich abhebenden Weg der Sicherung der Rundfunkfreiheit durch ein öffentlich-rechtliches Monopol plausibel zu machen, hat das Gericht im FRAG-Urteil erklärt, daß auch beim .,Wegfall" der Sondersituation das verfassungsrechtliche Erfordernis gesetzlicher Vorkehrungen zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit bestehen bleibe 48 . Es lag nicht fern, daß hieraus in der Literatur gelegentlich der Schluß gezogen wurde, die Möglichkeit des gänzlichen Ausschlusses einer privaten Trägerschaft im Rundfunk bestehe demzufolge unabhängig von der technischen und finanziellen Sondersituation des Rundfunks49 • Indes dürfte eine solche Interpretation durchaus voreilig und von den einschlägigen Darlegungen des BVerfG nicht gedeckt sein. Dabei hat man sich vor allem zu vergegenwärtigen, daß das BVerfG mit dem von ihm apostrophierten .,Wegfall" der Sondersituation ersichtlich ausschließlich das denkbare Entfallen der diese Situation begründenden Faktoren als solcher meinte, nicht aber das Entfallen der nun einmal aufgrund dieser Faktoren tatsächlich entstandenen besonderen Lage auf dem Gebiet des Rundfunks, von deren vorläufigem Fortbestehen das Gericht 44 45 46 47

48 49

Vgl. BVerfGE 57, 295, 326. Vgl. oben bei Fußn. 25-27. BVerfGE 12, 205, 261; 31, 314, 326. BVerfG, EuGRZ 1976, 577, 578 (4. Rundfunkurteil). BVerfGE 57, 295, 322. So Hoffmann-Riem, AöR 109 (1984), 304, 312.

Il. Eckpfeiler der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

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vielmehr auch für den vorstehend umschriebenen Fall unmißverständlich ausging. So legte es dar, daß, während bei der Presse die geschichtliche Entwicklung zu einem gewissen bestehenden Gleichgewicht geführt habe, so daß es heute zur Sicherstellung umfassender Information und Meinungsbildung durch die Presse grundsätzlich genügen möge, Bestehendes zu gewährleisten, von einem solchen Zustand auf dem Gebiet des privaten Rundfunks "zumindest vorerst" nicht ausgegangen werden könne 50. Gerade dieses einstweilige faktische Fortwirken der bisherigen Sondersituation auch nach Fortfall der sie bedingenden Grundursachen war dem BVerfG Anlaß für die Einsicht, daß auch für letzteren Fall der Rundfunk vorläufig nicht dem gänzlich freien Spiel der Kräfte überlassen werden dürfe. Vielmehr bedürfe es weiterhin ausgestaltender gesetzlicher Vorkehrungen zur Sicherung der Rundfunkfreiheit, zumal einmal eingetretene Fehlentwicklungen- wenn überhaupt- nur unter erheblichen Schwierigkeiten rückgängig gemacht werden könnten51 . Von dieser grundsätzliche-n Einsicht abgesehen, deutete freilich schon das FRAG-Urteil explizit die wichtige, von Hoffmann-Riem gleichermaßen nicht angemessen gewichtete Differenzierung an, daß bei Fortfall der (technisch und finanziell) unvermeidlichen Beschränkung auf wenige Träger von Runclfunkveranstaltungen Umfang und Qualität der gesetzlichen Sicherungsvorkehrungen sich der veränderten Lage anzupassen hätten 52 • Diesen bedeutsamen Ansatz hat das 4. Rundfunkurteil konsequent fortgeführt und damit weiter zur Erhellung des Funktionsgehalts der sogenannten "Sondersituation" beigetragen. Dabei konnte das BVerfG von der (sodann im einzelnen begründeten) Feststellung ausgehen, daß die besondere Situation des Rundfunks im Vergleich zur Presse zwar zwischenzeitlich nicht entfallen sei; sie habe sich jedoch- mehr in den technischen Voraussetzungen, weniger in den ökonomischen Bedingungen - in neuerer Zeit verändert53. Deutlicher noch als im FRAG-Urteil formuliert das Gericht alsdann, daß dieser technisch-finanziellen Fortentwicklung auf dem Gebiet des Rundfunkwesens eine grundlegende Bedeutung für die Auslegung der verfassungsrechtlichen Garantie der Rundfunkfreiheit und damit die Beurteilung der Anforderungen an die Rundfunkgesetzgebung der Länder zukomme54 . Damit dürfte endgültig klargestellt sein, daß eine unmittelbare Korrelation zwischen der jeweiligen realen Befindlichkeit des Rundfunks und der verfassungsrechtlich geforderten Eigenart und Intensität der die Rundfunkfreiheit ausgestaltenden landesgesetzlichen Vorschriften besteht. 50 51

52 53 54

Vgl. BVerfGE 57, 295, 323. Vgl. BVerfGE 57, 295, 322 f. BVerfGE 57, 295, 322. BVerfG, EuGRZ 1986, 577, 578. EuGRZ 1986, 577, 586.

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B. Anforderungen an ein gemischtes Rundfunksystem

6. Das Verhältnis von öffentlich-rechtlichen Anstalten und privaten Rundfunkveranstaltern

Setzte sich das BVerfG auch im 3. Rundfunkurteil recht ausführlich mit den Anforderungen an die Zulassung privater Rundfunkveranstalter auseinander, so fehlen doch dort - wie schon in den vorangegangenen beiden Entscheidungen- explizite Ausführungen des Gerichts zur Frage des Verhältnisses (etwaiger) privater Veranstalter zu den öffentlich-rechtlichen Anstalten. Soweit sich das Gericht überhaupt zu einem Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk äußert, beziehen sich die Darlegungen nicht auf ein etwaiges Konkurrenzverhältnis beider Träger, sondern dienen der Begründung durchgehender Notwendigkeit gesetzlicher Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit: An dieser Notwendigkeit ändere es angesichts der verbleibenden Möglichkeit von Gleichgewichtsstörungen durch den Privatfunk nichts, wenn die (Vielfalts-)Anforderungen der Runclfunkfreiheit als wenigstens durch die bestehenden öffentlich-rechtlichen Anstalten erfüllt anzusehen seien55. Das ließ sich nur dahin verstehen, daß das BVerfG dem im Schrifttum vorgeschlagenen Modell einer rundfunkmäßigen Grundversorgung durch die öffentlich-rechtlichen Anstalten unter gleichzeitigem freien Wettbewerb im übrigen 56 eine Absage erteilen wollte. Eine Komplementärfunktion in diesem spezifischen Sinne soll den öffentlich-rechtlichen Anstalten ersichtlich nicht zukommen. Vorstehendes bedeutet allerdings nicht, daß das BVerfG dem Gedanken des Wettbewerbs a priori und durchgehend ablehnend gegenübersteht. Freilich hat es das jeder Wettbewerbsordnung immanente Gebot der Chancengleichheit im FRAG-Urtei1 57 lediglich für das Verhältnis potentieller privater Veranstalter zueinander ausgesprochen, während entsprechende Ausführungen für das hier interessierende Verhältnis der Privaten zu den öffentlich-rechtlichen Anstalten insoweit fehlen 58 • Indes hat das BVerfG an anderer Stelle durchaus deutlich gemacht, daß einem gemischten Runclfunksystem eine Wettbewerbsordnung grundsätzlich immanent ist. Wie anders sonst ist zu verstehen, wenn ausgeführt wird, daß auch bei Fortfall der bisherigen (die Sondersituation ausmachenden) Beschränkungen die korrigierende Hand des ausgestaltenden Gesetzgebers vorläufig unentbehrlich BVerfGE 57, 295, 324. Vgl. H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, 1978, S. 80; Geiger, AfP 1977, 256, 262; Ricker, AfP 1980, 140, 145. 57 BVerfGE 57, 295, 327. 58 So wird denn auch im Schrifttum vorrangig der Bedeutung der postulierten Chancengleichheit der privaten Anbieteruntereinander (vor allem im Hinblick auf die Frage des Zugangs der Presse zum Rundfunk) nachgegangen; vgl. zuletzt Bethge, Verfassungsrechtsprobleme der Privatrundfunkgesetzgebung, JZ 1985, 308, 312 m. weit. Nachw. 55

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II. Eckpfeiler der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

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sei, weil nicht mit hinreichender Sicherheit erwartet werden könnte, daß alsbald das Programmangebot in seiner Gesamtheit "kraft der Eigengesetzlichkeit des Wettbewerbs" den Anforderungen der Rundfunkfreiheit entsprechen werde 59. Das 4. Rundfunkurteil, von dem noch näher zu handeln ist, hat diese Sicht einer prinzipiellen Wettbewerbsordnung im Verhältnis der öffentlich-rechtlichen Anstalten und privaten Rundfunkveranstalter bestätigt60. Von ihr gehen offenbar auch die für die gesetzliche Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit zuständigen Länder aus, wie sich dem Entwurf eines Staatsvertrages zur Neuordnung des Rundfunkwesens entnehmen läßt61 . Die ausdrücklich oder doch implizit sichtbar gewordenen Überzeugungen des BVerfG zu den Bezügen von Wettbewerb (im Rahmen einer dualen Ordnung) und Rundfunkfreiheit lassen sich in die Formel fassen: Sicherung der Rundfunkfreiheit, soweit als nötig; Zulassung von Wettbewerb, soweit als fortschreitend möglich. Damit bleibt die Sicherung der Rundfunkfreiheit gewiß die primäre Größe. Der zweifelhaften Versuchung, hieran anknüpfend den die Vielfaltsanforderungen der Rundfunkfreiheit erfüllenden öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten ein wie auch immer geartetes Primat im Rahmen einer gemischten Rundfunkordnung zukommen zu lassen, ist das BVerfG nicht erlegen. Vielmehr geht das Gericht durchweg von einer prinzipiellen Gleichwertigkeit und Gleichrangigkeit von öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Organisationsform des Rundfunks aus. Hieran hat auch der (noch zu beleuchtende) "Grundversorgungs"-Vorbehalt des 4. Rundfunkurteils62 nichts geändert; er ist nach den Formulierungen des Gerichts nicht Ausdruck eines von der Verfassung getragenen grundsätzlichen Vorrangs der öffentlich-rechtlichen Anstalten, sondern ihrer gegenwärtig ("nach Lage der Dinge") tatsächlich überlegenen Potenz zu großer Versorgungsbreite und inhaltlich umfassendem Programmangebot Damit bleibt das BVerfG im Ergebnis auch hier ganz auf der Linie seiner schon im 1. Rundfunkurteil vertretenen Auffassung, die die nur (der Verwirklichung und Aufrechterhaltung der Rundfunkfreiheit) dienende, d. h. nicht selbstgewichtige Funktion der herkömmlichen öffentlich-rechtlichen Anstalten ausdrücklich herausgestellt hat63 . BVerfGE 57, 295, 322. Vgl. BVerfG, EuGRZ 1986, 577, 586 f. 61 So heißt es in der Präambel dieses Entwurfs (vgl. oben bei und in Anm. 5) u. a.: "Gleichzeitig muß für beide Rundfunksysteme den Anforderungen des künftigen nationalen und internationalen Wettbewerbs entsprochen werden". Auch sieht Art. 6 des Entwurfs vor, daß der Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks u. a. unter Zugrundelegung einer "wettbewerbsfähigen" Fortführung der bestehenden Hörfunk- und Fernsehprogramme zu ermitteln ist. Der von den unionsregierten Ländern vorgelegte weitere Entwurf (s. o. in Anm. 5) enthält insoweit keine sachlichen Abweichungen. 62 BVerfG, EuGRZ 1986, 577, 587; vgl. näher unter B II 7. 59 60

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B. Anforderungen an ein gemischtes Rundfunksystem

7. Insbesondere: Das vierte Rundfunkurteilneue Akzentoierungen des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Ausgestaltung einer dualen Rundfunkordnung Betrachtet man das bislang mehr punktuell gewürdigte 4. Rundfunkurteil64 in seiner Gesamtheit, so zeigt sich, daß das BVerfG die Überzeugungen seiner ersten drei Rundfunkurteile in ihren tragenden verfassungsrechtlichen Elementen durchweg bestätigt hat. Von einer .Kurskorrektur" 65 im Sinne eines veränderten Verständnisses insbesondere des Art. 5 l S. 2 GG kann nicht gesprochen werden. Die rundfunkfreiheitsrechtliche Dogmatik des Gerichts bleibt im Grunde unangetastet; unangetastet bleibt auch die das Gesichtsfeld einschränkende Ausgangsposition einer grundsätzlichen landesrechtliehen Zulassung von Privatfunk. Sehr viel ausgeprägter als die vorangegangenen Entscheidungen sieht allerdings das 4. Rundfunkurteil die Bewältigung der verfassungsrechtlichen Problematik des künftigen Nebeneinanders von privatrechtlichem und öffentlich-rechtlichem Rundfunk als einen dynamischen, von den realen Umweltbedingungen abhängigen und daher in ständiger Bewegung befindlichen Auslegungsprozeß. Eine solche Sicht war gewiß auch den ersten drei Rundfunkurteilen nicht gänzlich fremd. So war der Lehre von der "Sondersituation" des Rundfunks eine verfassungsrechtsgetragene potentielle Entwicklung zu einer offenen Rundfunkordnung von Beginn an gleichsam immanent; im FRAG-Urteil fanden diese Bezüge schon vorsichtige explizite Erwähnung66. Aber erst das 4. Rundfunkurteil hat die Einwirkungskraft der einschlägigen "Entwicklungen"67 auf das Verständnis der Rundfunkfreiheit nachdrücklich hervorgehoben -ausgehend von der Einsicht, daß sie "zu dem konkreten Lebenssachverhalt (gehören), auf den das Grundrecht bezogen ist und ohne dessen Einbeziehung eine die normierende Wirkung der Rundfunkfreiheit entfaltende Auslegung nicht möglich erscheint". Es lag nahe, daß das Gericht auf dieser Grundlage zu einigen Akzentverschiebungen gelangen mußte und in der Tat auch gelangte. Sie betreffen gerade die hier interessierende Proble63 Vgl. etwa BVerfGE 12, 205, 261, wo von dem öffentlich-rechtlichen Aufbauprinzip der derzeitigen Rundfunkanstalten als ,.einem" der der Rundfunkfreiheit ,.dienlichen Mittel" gesprochen wird. 64 BVerfGE 73, 118 = BVerfG, EuGRZ 1986, 577; vgl. zu ihm bislang Ricker, Chancen und Pflichten des Privatfunks, Folgerungen aus dem ,.Vierten Rundfunkurteil" des BVerfG, FAZ v. 6.1.1987, S. 7; Stock, Das vierte Rundfunkurteil des BVerfG: Kontinuität oder Wende?, NJW 1987, 217 ff. m. weit. Nachw. in Fußn. 7; Schmitt Glaeser, Das duale Rundfunksystem- Zum ,.4. Fernseh-Urteil" des BVerfG vom 4.11.1986, DVBl 1987, 14 ff. Vgl. auch die Nachw. in Anm. 336. 65 Vgl. Stock, NJW 1987, 217, 219, 223. 66 Vgl. BVerfGE 57, 295, 322; s. bereits oben bei Anm. 52. 67 Ein Begriff, der im 4. Rundfunkurteil (unter C I 2) immer wieder auftaucht (vgl. EuGRZ 1986, 586 f.).

li. Eckpfeiler der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

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matik des Verhältnisses von öffentlich-rechtlichen Anstalten und privaten Anbietern im allgemeinen und der an die Veranstaltung von privatem Rundfunk zu stellenden Anforderungen im besonderen. Dabei geht das BVerfG in der Weise vor, daß es der Registrierung der zwischenzeitliehen Fortentwicklung der die sogenannte .,Sondersituation" ausmachenden technisch-finanziellen Faktoren auf dem Gebiet des Rundfunks eine Realanalyse folgen läßt, die vor allem in einer Beschreibung der gegenwärtigen Potenzlage des privaten Rundfunks einerseits und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks andererseits 58 besteht und ihrerseits wiederum die Grundlage für die hier interessierenden Modifizierungen bildet. Es kann im vorliegenden Zusammenhang darauf verzichtet werden, die vom BVerfG vorgenommene Potenzbeschreibung im einzelnen der Kritik zu unterziehen. Von Bedeutung ist vor allem, daß das Gericht - ohne seine Grundüberzeugung von der prinzipiellen verfassungsrechtlichen Gleichrangigkeit und Gleichwertigkeit von öffentlich-rechtlicher und privatrechtHeher Organisationsform als solche zu verabschieden59 -allein die öffentlichrechtlichen Anstalten zur Zeit für fähig hält, der Aufgabe umfassender Information für die Gesamtheit der Bevölkerung gerecht zu werden. Dies mag mit den vom BVerfG70 angestellten Erwägungen im Ergebnis (gegenwärtig) zutreffen. Darin eine Art amtliches Armutszeugnis für den kommerziellen Rundfunk zu sehen71 , erscheint angesichts der ersichtlichen Situationsgebundenheit der vom Gericht getroffenen Feststellungen ungerechtfertigt, muß auch die teilweise apodiktische Überzeichnung der Defizite des privaten Rundfunks bei allzu euphemistischer Würdigung der Leistungskraft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verwundern 72. Diese Verzerrung, obschon der Sache nach zudem überflüssig, darf indes nicht überbewertet werden. Sie dient offenbar dem Zweck, das vom Gericht im folgenden vorgetragene Konzept einer einstweiligen .,Grundversorgung" durch die öffentlich-rechtlichen Anstalten bei realitätsnaher Herabsetzung der Angebots- und Vielfaltsanforderungen an den Privatfunk unmittelbar einsichtig zu machen. Dieser judikatorische Kunstgriff sollte nicht den Blick dafür trüben, daß das Gericht die gegenwärtige Situation durchaus für veränderungsoffen hält und dies unmißverständlich dadurch zum Ausdruck bringt, daß es die minderen Anforderungen an den Privatfunk nur für angebracht hält, .,solange und soweit" die unerläßliche Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sichergestellt ist73. Vgl. bereits kurz oben nach Anm. 62. Vgl. bereits oben bei Anm. 62; a. A. offenbar Stock, NJW 1987, 217,221 und passim. 70 EuGRZ 1986, 577, 586 f. 71 Stock, NJW 1987, 217, 220. 72 Vgl. in diesem Sinne auch ·schmitt Glaeser, DVB11987, 14, 15, 17, 19. 73 BVerfG, EuGRZ 1986, 577, 587. 68

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B. Anforderungen an ein gemischtes Rundfunksystem

In dem Maße, in dem der "Solange und soweit"-Kiausel genügt ist, soll es hinreichen, wenn der private Rundfunk einem - vom Gericht im einzelnen erläuterten-" Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt" genügt74 . Das Gericht entwickelt diese Reduktion in Verfolgung seiner zuvor geäußerten Einsicht, die von ihm angestellte Realanalye könne nicht bedeuten, "daß es dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich geboten wäre, privaten Rundfunk nur noch unter Voraussetzungen zuzulassen, die eine Veranstaltung privater Rundfunkprogramme in hohem Maße erschweren, wenn nicht ausschließen würden. Dem stünde die vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung betonte Entscheidung des Grundgesetzes für die Zulässig~eit privaten Rundfunks entgegen, der bei der Auslegung ebenso Gewicht zukommt wie den dargestellten Entwicklungen" 75. Diese Feststellung nimmt sich bei aller Beiläufigkeit im Vergleich zu den zumeist mehr verschlüsselten Äußerungen der ersten drei Rundfunkurteile gewiß eindrucksvoll aus. Sie dahin zu deuten, das Gericht habe hier ein "Gebot faktischer Zulässigkeit privaten Rundfunks" in dem Sinne formuliert, daß "für den Fall einer gesetzlichen Zulassung privaten Rundfunks die Ausgestaltung im einzelnen auch das tatsächliche Funktionieren ermöglichen muß" 76 , vermag so freilich nicht zu überzeugen. Immerhin ist richtig, daß eine solche Forderung in der unausgesprochenen Konsequenz des 4. Rundfunkurteils liegt, macht doch das Herabschrauben der rigiden Forderung an die gesetzliche Angebots- und Vielfaltssicherung auf einen entsprechenden "Grundstandard" die Ambition des Gerichts deutlich, dem Privatfunk, wenn auch keine aktive Geburtshilfe zu leisten, so doch die notwendige Atemluft nicht a priori abzuschneiden. Der auf der anderen Seite dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, abgesehen von seiner Implikation in den europäischen Rundfunkmarkt, vor allem obliegenden "Gewährleistung der Grundversorgung" 77 kommt ihrerseits eine bedeutsame Legitimationsfunktion zu. Denn wesentlich in ihr fänden, so meint das Gericht, "der öffentlich-rechtliche Rundfunk und seine besondere Eigenart, namentlich die Finanzierung durch Gebühren, ihre Rechtfertigung"; die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk insoweit gestellte Aufgabe "mache(n) es notwendig, die technischen, organisatorischen, personellen und finanziellen Vorbedingungen ihrer Erfüllung sicherzustellen". Der Stellenwert gerade der letzteren Feststellung wird in anderem Zusammenhang noch näher zu beleuchten sein.

AaO (vgl. Anm. 73). EuGRZ 1986, 577, 587. 76 Schmitt Glaeser, DVBI 1987, 14, 16. 77 BVerfG, EuGRZ 1986,577,587 (vgl. auch S. 588, wo in vorgenannter Hinsichtvon einer Wahrnehmung der "Grundlunktion" des öllentlich-rechtlichen Rundfunks die Rede ist). 74

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I!. Eckpfeiler der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

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8. Zusammenfassung

Eine gesamtwürdigende Betrachtung der rundfunkverfassungsrechtlichen Judikatur des BVerfG zeigt, daß sich das Gericht der tatsächlichen Entwicklung auf dem Gebiet des Rundfunkwesens nicht verschlossen hat. Mit der zu erwartenden Öffnung des Rundfunkmarktes zugunsten privater Anbieter hat das Gericht dem zuständigen Landesgesetzgeber zunächst einen Rahmen für die erforderliche Ausgestaltung einer private Veranstalter zulassenden Rundfunkordnung gesetzt, obschon diesbezügliche Ausführungen im konkreten Einzelfall (FRAG-Urteil) nicht entscheidungserheblich waren. Im 4. Rundfunkurteil ist zudem die Bedeutung der "Entwicklung" 78 im Medienwesen für die Auslegung des Art. 5 I S. 2 GG deutlich hervorgehoben worden. Zeigt dies schon das generelle Bemühen des Gerichts, mit grundlegenden Ausführungen die Aussagekraft der Verfassung in Einklang mit den realen Umweltbedingungen zu halten, so veranschaulichen auch die inhaltlichen Ausführungen des Gerichts dieses Bestreben: So tritt noch im FRAG-Urteil die Sorge des BVerfG um die Gewährleistung der Rundfunkfreiheit im Zuge des zu dieser Zeit sich anbahnenden Übergangs von öffentlich-rechtlichem Rundfunkmonopol zum dualen Rundfunksystem deutlich in den Vordergrund. Sämtliche dem Landesgesetzgeber für die Zulassung auferlegte Modalitäten sind im Ergebnis der Sicherung der Rundfunkfreiheit dienlich und ihr untergeordnet. Demgegenüber finden diese die Sicherung der Rundfunkfreiheit betreffenden Grundaussagen im 4. Rundfunkurteil zwar grundsätzliche Bestätigung; indessen trägt das BVerfG auch hier der tatsächlichen Lage im Rundfunkwesen Rechnung, wenn es für den Fall einer gesetzlichen Zulassung privaten Rundfunks den Anbietern einen angemessenen Freiraum zur Veranstaltung von Rundfunkprogrammen und damit die entwicklungsadäquate praktische Verwirklichung der theoretischen Zulassung ermöglicht. Die neue "Grundversorgungs" -Doktrin des Gerichts bildet den Ausgleich dafür, daß das Gericht seine strengen Anforderungen an den Privatfunk etwas abgemildert hat. Der "Solange und soweit"-Vorbehalt zeigt freilich, daß diese Abmilderung künftig von der weiteren Wahrnehmung der dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk obliegenden Grundfunktion abhängt. Sie könnte daher - da bei aller neuen Beweglichkeit nach wie vor gefordert ist, "daß das Rundfunksystem in seiner Gesamtheit dem verfassungsrechtlich Gebotenen im Rahmen des Möglichen entspricht" 79 - künftig zu modifizieren sein, sollte unter der Einwirkungskraft des Wettbewerbs (insbesondere) in programmatischer Hinsicht eine gewisse Konvergenz beider Teilsysteme stattfinden80. 78 79 80

Vgl. oben bei und in Anm. 67. BVerfG, EuGRZ 1986, 577, 587. Eine solche erwartend vgl. etwa Schmitt Glaeser, DVBI 1987, 14, 17.

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B. Anforderungen an ein gemischtes Rundfunksystem

Daß im Rahmen des zur Sicherung der Rundfunkfreiheit Notwendigen ein Wettbewerb zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk dem Wesen einer einmal entstandenen dualen Rundfunkordnung immanent ist, ist als weitere Quintessenz der bundesverfassungsgerichtli