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German Pages 162 [164] Year 1952
E I N E T E X T E FÜR V O R L E S U N G E N UND ÜBUNGEN B E G R Ü N D E T VON HANS
LIETZMANN
H E R A U S G E G E B E N VON K U R T
ALAND
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MEISTER ECKHARTS BUCH DER GÖTTLICHEN TRÖSTUNG UND
VON DEM EDLEN MENSCHEN (LIBER „BENEDICTUS") unter Benutzung bisher unbekannter Handschriften neu herausgegeben von
JOSEF
QUINT
BERLIN RLAG
VON W A L T E R 1952
DE
GRUYTER
& CO.
Archiv-Nr. 693 994/66 Druckgenehmigung 722/120/50 Satz und Druck: Deutsche Wertpapier-Druckerei VEB, Leipzig, 111/18/185
BERNHARD in zum
siebzigsten
GEYER Freundschoft Geburtstag
VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN Arch. II
: Arohiv für Literatur- und Kirchengesehichte des Mittelalters, hrsg. von Heinrich Denifle und Franz Ehrle, Bd. I I , 1886.
BgT
; Meister Eckharts „Buch der göttlichen Tröstung".
Blakney
• Meister Eckhart,' a modern translation by Raymond Bernard Blakney, New York and London (1941).
Brethauer
= Karl Brethauer, Die Sprache Meister Eckharts im „Buch der göttlichen Tröstung", Diss. Göttingen 1931.
Bulle
: Bulle Johanns X X I I . „ I n agro dominico" vom 27. März 1329, hrsg. von Heinrich Denifle, Arch. II, S. 636—640.
Büttner
= Meister Eckehart s Schriften und Predigten aus dem Mittelhochdeutschen übersetzt und hrsg. von Herman Büttner, 2 Bde, Jena 1903 (ich habe den Abdruck von 1919 benutzt).
CS EL
= Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum, hrsg. von der Wiener Akademie der Wissenschaften.
Daniels
= Augustinus, Daniels, Eine lateinische Rechtfertigungsschrift des Meisters Eckeh a r t (Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters Bd. X X X I I I H. 5) 1923.
DW
= Meister Eckhart, Die deutschen und lateinischen Werke, hrsg. im Auftrage der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Die deutschen Werke, 1. Bd. Meister Eckharts Predigten, Stuttgart—Berlin 1936ff.
„Gutachten"
= Franz Pelster, Ein Gutachten aus dem Eckehart-Prozeß in Avignon (Aus der Geisteswelt des Mittelalters, Studien und
VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN
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Texte, Martin Grabmann zur Vollendung des 60. Lebensjahres von Freunden und Schülern gewidmet) 1935, S. 1099—1124. Hammerieh In Eceli. In In In In
Exod. Gen. I Gen. II loh.
In Sap. Johannes v. Dambach
Jostes
Jundt
Karrer-Pieseh
Lehmann LW
Par. an.
L. L. Hammerich, Das Trostbuch Meister Eckeharts (ZfdPh 56, 1931, S. 69 —98). (Eckhart) Sermones et Lectiones super Ecclesiastici cap. 24. (Eckhart) Expositio Libri Exodi. (Eckhart) Expositio Libri Genesis. (Eckhart) Liber parabolarum Genesis. (Eckhart) In Iohannis (evangelium) = E's Johannes-Kommentar. (Eckhart) Expositio Libri Sapientiae. P. Albert Auer 0. S. B., Johannes von Dambach und die Trostbücher vom 11. bis zum 16. Jahrhundert (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters Bd. X X V I I H. 1/2) Münster 1928. Meister Eckhart und seine Jünger. Ungedruckte Texte zur Geschichte der deutschen Mystik, hrsg. von Franz Jostes (Collectanea Friburgensia Fase. IV) 1895. Auguste J u n d t , Histoire du panthéisme populaire au moyen âge et au seizième siècle, Paris 1875 — Anhang II, S. 231 bis 280: Sermons et pièces diverses de Maître Eckhart. Meister Eckeharts Rechtfertigungsschrift vom Jahre 1926, Einleitungen, Übersetzung und Anmerkungen von Otto Karrer und Herma Piesch (Deutscher Geist, I. Bd.) 1927. Walter Lehmann, Meister Eckehart (Die Klassiker der Religion, hrsg. von G.Pfannmüller, 14. und 15. Bd.) 1919. : Meister Eckhart, Die deutschen und lateinischen Werke, hrsg. im Auftrage der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die lateinischen Werke, Stuttgart— Berlin 1936ff. (die einzelnen Bände werden als LW 1, 2, 3 usw. zitiert). Paradisus anime intelligentis, hrsg. von Philipp Strauch (Deutsche Texte des Mittelalters, Bd. XXX) 1919.
VERZEICHNIS D E » ABKÜRZUNGEN
PBB
VII
Pf.
= Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur. = Meister Eckhart, hrsg. von Franz Pfeiffer, 4. unveränderte Auflage (Deutsche Mystiker des 14. Jahrhunderts, Bd. II) 1924.
PG
= Migne, Patrologia Graeca.
PL Quint
= Migne, Patrologia Latina. = Josef Quint, Die Überlieferung der deutschen Predigten Meister Eckehart s, Bonn 1932. Quint, Untersuchungen = Josef Quint, Neue Handschriftenfunde zur Überlieferung der deutschen Werke Meister Eckharts und seiner Schule. Ein Reisebericht (Meister Eckhart, Die deutschen und lateinischen Werke, hrsg. im Auftrage der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Untersuchungen, 1. Bd.) Stuttgart—Berlin 1940.
RdU
= Meister Eckharts Reden der Unterscheidung, hrsg. von Ernst Diederichs (Kleine Texte für Vorlesungen und Übungen, hrsg. von Hans Lietzmann, Nr. 117) 1913.
Roos
Heinrich Roos, Zur Datierung von Meister Eckharts Trostbuch (ZfdPh 57, 1932, 5. 224—233). Gabriel Théry, Edition critique des pièces relatives au procès d'Eckhart contenues dans le manuscrit 33 b de la bibliothèque de Soest (Archives d'Histoire Doctrinale et Littéraire du Moyen Age t. I, 1926, p. 129—268). Meister Eckharts deutsche Predigten und Traktate, ausgewählt, übertragen und eingeleitet von Friedrich Schulze-Maizier, Leipzig 1927, zweite, neubearbeitete Ausgabe o. J. (1934). Heinrich Seuse, Deutsche Schriften, hrsg. von Karl Bihlmeyer, Stuttgart 1907. = Meister Eckharts Buch der göttlichen Tröstung und Von dem edlen Menschen (Liber Benedictus) hrsg. von Philipp Strauch (Kleine Texte für Vorlesungen und Übungen, hrsg. von H. Lietzmann, II. 55, Neudruck, Berlin 1933).
RS.
Schulze-Maizier
Seuse Str.
VIII Tauler VeM ZfdA ZfdPh
VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN
= Die Predigten Taulers, hrsg. von Ferdinand Vetter (Deutsche Texte des Mittelalters, Bd. XI) 1910. = (Meister Eckhart) „Von dem edeln Menschen". = Zeitschrift für deutsches Altertum. = Zeitschrift für deutsche Philologie.
VERZEICHNIS DER HANDSCHRIFTEN-SIGLEN Ba2 G6 M St 4
= = = =
Basel, Universitätsbibliothek B IX 15 St. Gallen, Stiftsbibliothek 1067 München, Bibliothek der Benediktiner-Abtei St. Bonifaz Cg 1 Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek theol. et philos. 8° 13 Tr., = Trier, Stadtbibliothek 627 (Num. Loe. 1525).
VORBEMERKUNGEN Meister Eckharts „ B u c h der göttlichen. T r ö s t u n g " (BgT) und seine Predigt „Von dem e d l e n M e n s c h e n " (VeM) lege ich hier in einer neuen Edition vor, die einen kritischen Text mit ausgewähltem Varianten-Apparat und knapp gehaltenem Kommentar bietet. Da diese Ausgabe den normalen Umfang der „Kleinen Texte" erheblich überschreitet, kann ich in diesen Vorbemerkungen nur einige kurze Angaben im wesentlichen über das Verhältnis dieser Neu-Ausgabe zu den früheren Editionen machen, ohne daß ich eine Übersicht über die wissenschaftliche Literatur gebe, die sich bisher mit den durch die beiden Texte aufgeworfenen Problemen befaßte. Diese bewußte Selbstbeschränkung ist umso eher möglich, als ich die Ausgabe des kritischen Textes mit vollem Varianten-Apparat und reicherem Kommentar sowie mit eingehenderen Literaturangaben über die bisherige Forschung in Bälde in der großen Gesamt-Ausgabe der Meister-Eckhart-Kommission bieten werde. Das Manuskript dieser Ausgabe wurde bereits fertiggestellt. Der von Franz P f e i f f e r in seiner Eckhart-Ausgabe als V. Traktat gebotene Text des BgT gründet auf der einzigen, dem Herausgeber bekannt gewordenen Hs. B I X 1 5 der Baseler Universitätsbibliothek. Pfeiffer setzte diesen Text dem von ihm für die ganze Ausgabe gewählten Verfahren gemäß in ein normalisiertes Mittelhochdeutsch um unter Beibehaltung gewisser alemannischer Züge der Hs. Durch Konjekturen versuchte er, den Text an verderbten oder vermeintlich verderbten Stellen zu korrigieren. Adolf L a s s o n bot dann seinerseits Besserungs-Konjekturen zum Text Pfeiffers in der Vorrede seines Buches „Meister Eckhart, der Mystiker", Berlin 1868, und in der ZfdPh 9, S. 23f. Hermann B ü t t n e r , der in seiner Übersetzung „Meister Eckeharts Schriften und Predigten, aus dem Mittelhochdeutschen übersetzt und herausgegeben", 2 Bde, Jena 1903, dem BgT den in der Baseler Hs. unmittelbar anschließenden Text des VeM folgen ließ, konnte bereits die lateinische sogenannte „Rechtfertigungsschrift", die in der
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VORBEMERKUNGEN
Hs. 33 b der Soester Stadtbibliothek erhalten ist, einsehen, bevor sie erstmalig von A. D a n i e l s 1923 herausgegeben wurde. Büttner versuchte, den Ba 2 -Text mit Hilfe des lateinischen Textes der 15 inkriminierten Artikel der RS., die dem BgT und VeM entnommen wurden, hier und da zu bessern. Philipp S t r a u c h besorgte die erste Ausgabe des BgT und VeM in der vorliegenden Sammlung im Jahre 1910, die, mit „Berichtigungen und Nachträgen" im Anhang versehen, als 55. Heft der „Kleinen Texte" 1922 und 1933 im Neudruck erschien. I n einem Zusatz der Einleitung des Neudrucks wies Strauch auf die wichtigste seit seiner ersten Ausgabe erschienene Literatur hin, insbesondere auf die beiden Arbeiten von L. L. H a m m e r i c h und H. R o o s , die die Entstehungszeit des BgT und VeM zu datieren versuchten. Die RS., die inzwischen in den beiden Ausgaben von D a n i e l s und T h e r y im Druck zugänglich gemacht worden war, hat Strauch für seinen Neudruck ebensowenig benutzt wie den Aufsatz von L. L. H a m m e r i c h „Das Trostbuch Meister Eckeharts" (ZfdPh 56, 1931, S. 69—98), in dem Hammerich den Versuch unternahm, an einigen Stellen, an denen Strauch von der hsl. Grundlage abgewichen war, die hsl. Lesart des Strauchschen Varianten-Apparats als ursprünglicher denn Strauchs Text zu erweisen und an anderen Stellen mit Hilfe der Artikel der RS. Textbesserungen an Strauchs beiden Texten vorzunehmen. Bis dahin war das BgT nur aus der Baseler Hs., der Text des VeM zudem aus der Hs. cod. theol. et philos. 8° 13 der Stuttgarter Landesbibliothek bekannt. Strauch bot die beiden Texte nach der Baseler Hs. in diplomatischem Abdruck, nahm aber gelegentlich Konjekturen, bzw. „erwägenswerte textbesserungen" von Pfeiffer, Lasson und Büttner nicht nur „in den lesarten", wie er S. 5 des Neudrucks angibt, sondern auch in den Text auf und gab im Text des VeM gelegentlich der Stuttgarter Hs. den Vorzug vor Ba 2 gemäß seiner Bemerkung in der Einleitung S. 5: „an einzelnen Stellen wird der Baseler text (B) durch den Stuttgarter (St) gebessert". Auf meinen, für die Zwecke der Gesamt-Ausgabe der Meister-Eckhart-Kommission durchgeführten Bibliotheksreisen konnte ich zunächst in der Hs. 1067 der Stiftsbibliothek St. Gallen und dann in der Hs. 627 (Num. Loc. 1525) der
VOBBEMEKKUNGEX
XI
Stadtbibliothek Trier das BgT in zwei weiteren, allerdings fragmentarischen, hsl. Texten auffinden. Ich habe diese beiden Funde in einem „Reisebericht", der als 1. Bd. „Untersuchungen" der Gesamt-Ausgabe 1940 erschien, bekanntgegeben und eine kurze Beschreibung und Inhaltsanalyse der beiden Hss. geboten. Zudem nahm ich gleichzeitig zu Hammerichs Textänderungsvorschlägen kritisch Stellung. Im Frühjahr 1943 hatte der hochw. Abt Bonifaz W ö h r m ö l l e r die Freundlichkeit mir mitzuteilen, daß die Benediktiner-Abtei St.Bonifaz in München von Herrn Prälaten K l e i n (Dresden) eine alte Hs. als Gastgeschenk erhalten habe, in der er mit Hilfe meines „Reiseberichtes" und sonstiger Literatur Texte der altdeutschen Mystik und darunter auch EckhartTexte, zumal das BgT und VeM, in vollständigem Text identifizieren konnte. Er verstattete mir bei einem Besuch in München in großzügiger Weise Einblick in die Hs. und erlaubte mir, für die Zwecke der Edition eine vollständige Photokopie der Hs. mitten in den Wirren des Bombenkrieges anfertigen zu lassen. Ich möchte nicht verfehlen, für dieses uneigennützige und weitherzige Entgegenkommen an dieser Stelle auch öffentlich meinen aufrichtigen Dank auszusprechen. Als der jetzige Herausgeber der Sammlung „Kleine Texte", Prof. Dr. K. A l a n d und der Verlag de Gruyter mich baten, eine Neu-Ausgabe des BgT und VeM zu bearbeiten, begrüßte ich diesen an mich ergehenden Antrag um so mehr, als ich mit den Vorbereitungen für die Edition der beiden Texte in der Gesamt-Ausgabe bereits begonnen hatte. Ich sah allerdings sogleich und betonte, daß ein bloß hier und da ergänzender und berichtigender Neudruck der Strauchschen Ausgabe unter Beibehaltung des Textes der Hs. Ba2 in Wortlaut, Dialekt und Schreibweise nicht mehr in Frage kommen könne. Vielmehr war nun die Aufgabe gestellt, unter Auswertung der gesamten hsl. Überlieferung, der Artikel der RS., des „Gutachtens" und der Bulle, sowie unter möglichst reichhaltiger Benutzung von inhaltlichen und terminologischen Textparallelen aus den lateinischen und deutschen sonstigen Werken Eckharts im Bereich des Möglichen einen kritischen Text herzustellen, der als solcher nur in normalisiertem Mittelhochdeutsch gehalten sein konnte. Die Gründe, mit denen ich bei früherer Gelegenheit diese Methode zur Schaffung einer
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VORBEMERKUNGEN
kritischen Ausgabe der deutschen Werke Eckharts als die einzig mögliche zu erweisen suchte, haben, soviel ich sehe, inzwischen allgemeine Anerkennung gefunden. Für Übungszwecke werden Strauchs im ganzen zuverlässiger Abdruck des Ba2-Textes in seiner Ausgabe und die Varianten-Apparate der beiden Texte dieser Ausgabe die Möglichkeit bieten, die Dialektnuancen der hsl. überlieferten Texte zuerkennen und zu studieren. Der Vergleich der hier gebotenen neuen, kritischen Ausgabe mit den bisherigen Ausgaben von Pfeiffer und Strauch wird leicht erkennen lassen, an wie vielen Stellen der Ba2-Text und demnach auch der Text der beiden Ausgaben von Fehlern, z. T. schwerster Art, durchsetzt sind, so daß, was in den bisherigen Ausgaben stand, stellenweise sinnlos und unverständlich war und auch für die Übersetzer unverständlich blieb, so sehr sie sich bemühten, diesen Stellen doch irgendwie einen möglichen Sinn abzugewinnen. Ich verweise nur beispielsweise auf Textstellen wie unten S. 4,lff., 9ff.; 19f., 5, 6,11; 7,7; 8,10f., 16; 12,4ff.; 14,4; 15,7; 16,3f.,12f; 17,14f.; 18,10ff.; 20,3,13; 21,10ff.; 24,6,11,18; 25,4ff.; 25,11; 26,6ff.; 28,7f., 13ff.; 30,4f.; 33,l,24f.; 39,22—40,13; 43,24; 44,10; 46,3,8,13f., 17f.; 52,12; 53,17f.; 54,15ff.; 55,14; 56,1; 68,15; 72,2f.; 76,19. An diesen, wie fast an allen Stellen, für die der Varianten-Apparat eine Ba2-Variante bietet, ist mit der Ba 2 -Variante zugleich der Wortlaut der Ausgaben Pfeiffers und Strauchs gegeben. Diese und viele andere Stellen, zumal des BgT in seinen stark spekulativen Partien, werden erkennen lassen, daß die Textkritik, die sich für die Kekonstruktion des urprünglichen Wortlauts auch hier im wesentlichen, wie bei den deutschen Predigten des Meisters, auf i n n e r e Kriterien angewiesen sieht, für die beiden Texte mit nicht geringeren Schwierigkeiten zu kämpfen hat als bei den deutschen Predigten Eckharts. Das liegt z. T. darin begründet, daß das BgT und VeM, entgegen der Erwartung, in der bisher bekannten hsl. Überlieferung kaum weniger im Wortlaut schwankend erhalten ist als die Mehrzahl der deutschen Predigten, wiewohl man annehmen darf und muß, daß zum mindesten der Wortlaut des BgT in schriftlicher Aufzeichnung durch Eckhart genauer fixiert war als das gesprochene Wort seiner deutschen Predigten, für die er wohl nur Skizzen entwarf und die uns nur in Nachschriften seiner Hörer nach dem gesprochenen Wort erhalten sind.
VORBEMERKUNGEN
XIII
DIE HANDSCHRIFTLICHE ÜBERLIEFERUNG DES BgT UND DES VeM Zur Bezeichnung der Hss., in denen BgT und VeM bisher überliefert sind, benutze ich die in der Gesamt-Ausgabe eingeführten Siglen, wobei ich hier für die Münchner Hs. aus St. Bonifaz die einfache Sigle M ohne besondere Kennziffer verwende. Siehe das Siglen-Verzeichnis oben S. VIII. Das BgT steht in: Ba2 f. lra—23va; siehe S p a m e r PBB 34 S. 320, S t r a u c h , Neudruck S. 4f., H a m m e r i c h S. 70ff. G6 f. CCXVIII rb —CCXXXIva, Fragment = unten S. 3,3— 41,5 got-geborn-wesen + Schlußwendung. Der Text enthält f. CCXXIIvb ein längeres, sicher unursprüngliches Plusstück, das zwischen unten S. 19,9 wil1 und Und eingeschoben ist; siehe Anm. 55 zum BgT. Zum Text von G6 siehe Q u i n t , Untersuchungen S. 28ff. Die Hs. enthält viele Korrekturen und Ergänzungen, die z. T. auf dem Rand angebracht wurden, wie mir scheint, von einer zweiten Hand. M f. 147v—174v; die moderne Zählung hat das Blatt hinter f. 153 mit 153a bezeichnet. Tr a f. 243 r—266 v; Fragment = unten S. 9,1 Noch — 16,16 alzemdle. + 19,16 wan ich — 31,5 swenne + 44,23 Daz
wazzer — 61,20 ende, mit Auslassungen. Der Text weist hier und da Tilgungen und Ergänzungen, meist über der Zeile, gelegentlich auch auf dem Rande, von der gleichen Hand auf. Siehe Q u i n t , Untersuchungen S. 224ff. Die Angabe S p a m e r s (PBB 34 S. 376), das Textstück unten S. 61,22—62,9 ( = Pf. S. 447,12—22) finde sich auch in der Hs. Basel U. B. 0 119 f. 41 va—vb, dürfte auf einem Irrtum beruhen, bzw. die Folio-Angabe mag falsch sein, siehe Anm. 196 zum BgT. VeM steht in: Ba 2 f. 23 va—29 ra, mit Initiale an das BgT anschließend. M f. 174 v—181 v, mit Initiale und Spatium an das BgT anschließend. St4 f. lr—13v; siehe S p a m e r PBB 34 S. 413 zu 16),Strauch, Neudruck S. 4f., H a m m e r i c h S. 81ff.
XIV
VORBEMERKUNGEN
D E R TEXT D E S BgT UND VeM Da die Texte dieser Sammlung zu Übungszwecken Verwendung finden sollen, möchte ich eine genauere Bestimmung der F i l i a t i o n der hsl. überlieferten Texte, die übrigens nicht leicht ist, textkritischen Seminarübungen offenlassen und hier nur einige Andeutungen geben. Nicht nur sind Ba 2 und M die einzigen Hss., die BgT und VeM, u. zw. übereinstimmend in der Folge BgT—VeM zusammen überliefern, sondern beide Hss. gehören auch für die beiden Texte verwandtschaftlich eng zusammen, ja, sie gehen auf eine gemeinsame Vorlage zurück, wie eine Reihe von gemeinsamen, charakteristischen Fehlern erkennen lassen: vgl. den Var.-App. unten zu S. 14,2 min herze fehlt Ba 2 M; 18,14 in1 steht in Ba 2 M doppelt; 23,21 Plustext in Ba 2 M; 37,7f. de wer mag gehindem sin werc Ba 2 M; 39,13 wer (statt werk) Ba 2 M; 39,16 ez nimet] Got minnet Ba 2 M; 43,11 gebern] geboren Ba 2 geborn M; 45,3 wünnidich] wissentliche Ba 2 wissenlich M; 45,19 gelübede] geloube Ba 2 gloubeM; 46,8 da der] der do Ba 2 der da M; 53,17 Lücke durch Homöoteleuton in B a 2 M ; 56,1 wahs] vas Ba 2 fasz M; 58,15 williche] wislichen Ba 2 wijszlich M. Auch im Text des VeM finden sich solche gemeinsame Fehler der beiden Hss., so etwa S. 72,2f.; 73,10 decke] dicke Ba 2 M; 74,11 vaz] wc Ba 2 was M; 76,6 und — ist2 fehlt (Homöoteleuton) Ba 2 M; 76,19 bosser] besser Ba 2 M. Diese Fehler müssen schon in einer gemeinsamen Vorlage der beiden Hss. gestanden haben, da eine unmittelbare Abhängigkeit eines der beiden Texte vom andern schon durch Lücken, die jeder der beiden aufweist an Stellen, an denen der andere den vollen Text in Übereinstimmung mit den anderen Hss. bietet, ausgeschlossen wird. I n Ba 2 fehlt insbesondere das Textstück unten S. 21,10 Sicherliche — 22,12 niergen. M hat fast durchgängig beiHomöoteleuton Texteinbuße erlitten. Wiewohl sein Text auch sonst Verderbnisse aufweist, die auf mangelnde Sorgfalt und oberflächliches und verständnisloses Abschreiben der Vorlage schließen lassen, ist M doch im Vergleich zu Ba 2 im ganzen verläßlicher und ursprünglicher als der Baseler Text, der sowohl im BgT wie im VeM zu bestimmten Eingriffen neigt: zu leichten Texterweiterungen durch Aufschwellung eingliedrigen zu zwei- oder dreigliedrigem Ausdruck, zumal an Text-
VORBEMERKUNGEN
XV
Abschnitt-Schlüssen, zu Anschluß mit und sowie Einfügung von ouch, zu Ersatz des einfachen finalen daz durch urnbe daz, zu Auslassung der auf das buoch ( = BgT) bezüglichen Bemerkungen. H a m m e r i c h (S. 83) hat bereits beobachtet, daß im Text des VeM Ba 2 mehrfach die anführenden Worte eines Zitats an die Spitze rückt, während St 4 sie einschaltet. Diese Einschaltung der Zitat-Einleitung in den Text des Zitats teilt nun aber M nicht nur mit St 4 an allen Stellen des VeM, sondern auch mit Tr 2 im BgT, vgl. etwa unten S. 46,5; 54,4; 55,4, während M bei den voraufgehenden Zitaten des BgT mit Ba 2 in der Voranstellung der Zitat-Einleitungen übereinstimmt. DasVerwandtschaftsverhältnis der beiden fragmentarischen Texte G6 und Tr 2 zu den Volltexten Ba 2 und M, sowie die Beziehung zwischen G6 und Tr 2 lasse ich hier auf sich beruhen. Diese Filiationsverhältnisse sind schwer zu bestimmen, da G6 und Tr 2 gegenüber Ba 2 und M, sowie untereinander weitgehend abweichen. Die gemeinsamen Fehler unten S. 27,14 tröst fehlt Ba 2 M Tr 2 und S. 57,18 dritten] andern Ba 2 M Tr 2 (siehe Anm. 186) könnten auf einen gemeinsamen, bereits fehlerhaften Prototyp der Ba 2 M-Vorlage und des Tr 2 -Textes schließen lassen. Für die T e x t k o n s t i t u i e r u n g kamen die beiden fragmentarischen Texte G6 und Tr 2 als Grundlage des kritischen Textes des BgT nicht in Frage. Für das BgT habe ich M als Führungstext gewählt. Zur Korrektur seiner Fehler und Lücken wurde Ba 2 und in großem Umfange auch G„ und Tr 2 herangezogen. Die Fragment-Texte bieten trotz ihres oft stark abweichenden Wortlautes an vielen Stellen beachtliche Varianten, bzw. das Ursprünglichere gegenüber Ba 2 M. Für VeM habe ich den Text von St 4 zugrundegelegt, der nicht nur an „einzelnen stellen", wie S t r a u c h meinte, sondern durchgehends besser ist als Ba 2 , wie die Bestätigung seines richtigeren Textes durch M zeigt, und auch als die gemeinsame Vorlage von Ba 2 M, wie insbesondere die Stelle unten S. 76,19 erkennen läßt. Das hindert nicht, daß auch St 4 Fehler aufweist, die durch Ba 2 M korrigiert werden. Zur Textkritik wurden auch die lateinischen Exzerpte aus dem BgT und VeM, die in den Artikeln der RS., des „Gutachtens" und der Bulle vorliegen, die mehr oder weniger freien Zitate aus dem BgT in des J o h a n n e s v o n D a m b a c h
XVI
VORBEMERKUNGEN
„Consolatio theologiae" (siehe W. S t a m m l e r , Verfasserlexikon, 2. Bd., 1936, Sp. 589f., 1. Bd., 1933, S. 501), sowie die von J o h a n n e s W e n c k in seinem Werk „De Ignota Litteratura" aus dem BgT zitierte Textstelle herangezogen (siehe S p a m e r PBB 34 S. 374f. und Anm. 19 zum BgT). Der Text wurde wie die Texte der Gesamt-Ausgabe in normalisiertesMittelhochdeutsch übertragen unter Bezeichnung der Monophthong-Längen durch den Zirkumflex. Die Interpunktion ist modern. An sehr vielen Stellen, an denen Strauch, Pfeiffer und oft mit ihnen die Übersetzer durch falsche oder irreführende Interpunktion das Verständnis des Textes verbauten, weicht meine Zeichensetzung ab. Schriftzitate wurden in ' A u t o r e n z i t a t e in » « eingefaßt, jedoch nur da, wo sie im Wortlaut einigermaßen mit den Quellen übereinstimmen. Die durch Initialen gekennzeichneten Textabsätze der Hs. Ba2, die S t r a u c h in seiner Edition im ganzen beibehielt, sind z. T. willkürlich und ohne Rücksicht auf den Inhalt gesetzt. Ich habe versucht, sie der inhaltlichen Gliederung im Großen wie im Kleinen gemäß einzurichten. Ebenso habe ich, der Anregung H a m m e r i c h s (S. 88—91) folgend, versucht, die „etwa 30 Trostgründe", die Eckhart in der Einleitung des zweiten Teils seines BgT ankündigt, durch Textabsätze abzuheben, wobei ich mir allerdings bewußt war, daß überall da, wo Eckhart einen neuen Trostgrund nicht ausdrücklich als solchen ankündigt, kaum mit Sicherheit zu entscheiden sein dürfte, an welcher Stelle jeweils ein neuer Trostgrund eingeleitet und aufgeführt wird. Jedenfalls scheint der Meister nur die Hauptgründe breiter ausgeführt und viele der anderen nur ganz kurz abgetan zu haben. Ob er tatsächlich, wie Hammerich meint, genau 30 Trostgründe aufgeführt hat, wage ich nicht zu entscheiden. Ich habe denn auch darauf verzichtet, sie einzeln durch Numerierung kenntlich zu machen. Die am Innenrand des Textes stehende Zeilenzählung in Kursiv bezeichnet die Seiten und Zeilendes Strauchschen Neudruckes. DER KOMMENTAR Der am Schluß dieser Ausgabe gebotene Kommentar in Form von Anmerkungen ist aus Raummangel gegenüber dem der Gesamt-Ausgabe reduziert. Er bietet:
VOEBEMERKUNGEN
XVII
1. die aus dem BgT und VeM exzerpierten Artikel der RS. im Wortlaut und mit der oft sehr eigenartigen Interpunktion der Ausgabe von T h e r y . Hinter den Artikeln wurde auch jeweils die Antwort Eckharts, bzw. seine Stellungnahme zu den inkriminierten Artikeln, aus der RS. mitgeteilt. Zugleich wurden die Artikel des „Gutachtens" nach der Ausgabe von P eist er, sowie die Artikel der Bulle nach der Ausgabe von D e n i f l e im Archiv f. Lit.- und Kirchengeschichte d. Mittelalters, Bd. II, 1886, S. 636—640, aufgeführt. 2. die Textauszüge der „Consolatio theologiae" des Johannes von Dambach nach der Ausgabe von Auer. 3. die Nachweise der namentlichen und nichtnamentlichen Meister-Zitate, die nur zum kleinen Teil und mitunter unzutreffend im Apparat und Anhang von Strauchs Ausgabe nachgewiesen wurden. Ich habe mich für diese Identifizierungen insbesondere der Hilfe Prof. Dr. J. K o c h s , des Leiters der Abteilung „Lateinische Werke" der MeisterEckhart-Kommission, erfreuen dürfen, wie der seinen Nachweisen in Klammern beigefügte Name erkennen läßt. Ihm gebührt nicht nur für diese Hilfe, sondern darüber hinaus für den Nachweis bestimmter Schriftstellen zum Verständnis zumal des VeM, sowie für intensive mündliche und schriftliche Beratung, Anregung und kritische Diskussionen mein wärmster Dank. Dank schulde ich zudem Herrn Prof. Dr. G. R a l f s (Hamburg) und seinem Schüler Gerd S e e w a l d für das Interesse, das sie der Neu-Edition des Stückes VeM entgegenbrachten. Von Prof. Dr. Ralfs stammt insbesondere der Nachweis der Gundissalinus-Stelle mit weiteren Verweisen, die ich in der großen Ausgabe bringen werde (siehe Anm. 2 des VeM). Von Herrn Seewald wurden zu schon verifizierten Augustinus-Stellen einige weitere Parallelen beigesteuert. Ich habe auch diese Nachweise durch Hinzufügung der Namen der beiden Herren in Klammern kenntlich gemacht. Manche der MeisterZitate konnte ich mit Hilfe der Nachweise lateinischer Parallel-Autoren-Zitate in den im Druck bereits vorliegenden lateinischen Werken Eckharts verifizieren. 4. Parallel-Stellen aus den lateinischen und deutschen sonstigen Werken Eckharts zur Stützung meiner textkritischen Entscheidungen und zur Erleichterung des Ver-
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VORBEMERKUNGEN
ständnisses insbesondere der schwierigen spekulativen Textpartien. Diese lateinischen und deutschen Parallelen wurden wegen Raummangels nur z. T. im Wortlaut vorgeführt; sonst beschränkte ich mich auf die Angabe des Fundorts in den bisherigen Druckausgaben mit Angabe des jeweiligen Bandes, sowie der Seiten- und Zeilenzahl. Die dabei verwendeten Abkürzungen und ihre Bedeutung sind aus dem Abkürzungsverzeichnis zu ersehen. Bisher nicht gedruckte Parallel-Stellen aus den lateinischen Werken Eckharts wurden nach den Manuskripten der Eckhart-Kommission mit Angabe des Werkes und der Nummer des Textabschnitts, dem die Textstelle entnommen wurde, zitiert. Bei den im Wortlaut aufgeführten Textparallelen aus deutschen Predigten, die bisher in der Gesamt-Ausgabe der Eckhart-Kommission noch nicht veröffentlicht wurden, habe ich, sofern es sich um Textstellen aus der Ausgabe Pfeiffers handelte, stillschweigend die von mir in meinen „Textkritischen Untersuchungen zu den deutschen Predigten M. Eckeharts" (Bonn 1932) vorgeschlagenen Textbesserungen berücksichtigt. Die von S t r a u c h im Anhang seines Neudruckes nach H a u c k gebotenen Parallelen sind durchweg keine Text-, bzw. Inhaltsparallelen, die zum Textverständnis des BgT und des VeM beitragen könnten. 5. gelegentliche Interpretation oder interpretierende Ubersetzung schwieriger Textstellen und kritische Stellungnahme zu den von mir geprüften Übersetzungen. Ich habe nur die bekanntesten und neueren Ubersetzungen von B ü t t n e r , L e h m a n n , S c h u l z e - M a i z i e r und die vor kurzem in den USA. erschienene englische Übersetzung von B l a k n e y hier und da aufgeführt und kritisch zu ihnen Stellung genommen. So sehr und dankenswert sich die Übersetzer bemühten, die vielen Fehler und Verderbnisse des Strauchschen Abdrucks der Hs. Ba 2 zu beheben, so wenig konnte dieses Bemühen in vielen Fällen gelingen, wie die Ausführungen in den Anmerkungen dieser Ausgabe an nur wenigen Beispielen erkennen lassen. Ich werde in der GesamtAusgabe sowie in einer für den Verlag Carl Hanser, München, übernommenen neuhochdeutschen Übersetzung der deut-
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sehen Werke Eckharts auch den neuen, kritischen Text des BgT und des YeM bieten. 6. kritische Stellungnahme zu bisherigen Textbesserungsvorschlägen, insbesondere H a m m e r i c h s , dessen Textänderungen und Interpretationsversuche z. T. richtig, zum großen Teil aber verfehlt sind. ZUR ECHTHEITSFRAGE, DATIERUNG UND CHRONOLOGIE DES BgT UND VeM Die Echtheit des BgT und des VeM steht außer allem Zweifel, seitdem S p a m e r (PBB 34, S. 374f.) 1909 auf das genau formulierte Zeugnis W e n c k s in seiner gegen N i c o l a u s v. Cues gerichteten Streitschrift „De Ignota Litteratura" hinwies und nachdem dieses Zeugnis durch genaue Übereinstimmung der von Wenck zitierten Textstelle des BgT und seiner Angabe über die Veranlassung des Werkes mit dem Wortlaut des entsprechendenArtikelsder RS.undder inderÜberschrift zu den aus BgT und VeM exzerpierten Artikeln der RS. gemachten Angabe bestätigt wurde. Viele Textparallelen aus den gesichert echten lateinischen und aus ebenso gesicherten deutschen Texten erhärten die Authentizität der beiden Texte zusätzlich. Es steht fest, daß das BgT als Trostbuch für die leidgeprüfte Königin Agnes von Ungarn (um 1280—1364) verfaßt wurde (siehe Spanier PBB 34, S. 376, S t r a u c h , Neudruck S. 3, H a m m e r i c h S. 93f., R o o s S. 224). Ferner scheint mir die Zusammengehörigkeit des BgT und des VeM nicht nur durch die Tatsache, daß die RS. die beiden aus dem VeM gezogenen Artikel unmittelbar und ohne besondere Überschrift an die aus dem BgT exzerpierten Artikel anschließen läßt, sondern auch dadurch bezeugt zu sein, daß unten S. 44,17 ff. im BgT ausdrücklich auf eine Textstelle des VeM hingewiesen wird und daß sich, entgegen der Meinung Hammerichs S. 92, auch gelegentliche inhaltliche Übereinstimmungen zwischen den beiden Texten finden (siehe unten VeM Anm. 12, 28, 30, 51, BgT Anm. 51). Ich halte es auch für durchaus möglich, daß, wie Hammerich und Roos annehmen und wahrscheinlich zu machen versuchten, der sog. „Sermon" VeM v o r dem BgT in Gegenwart der und für die Königin Agnes v. Ungarn vorgetragen wurde, und zwar „im Spätjahr 1312 oder Frühjahr 1313" (Roos S. 233) und daß das BgT „etwa 1314 oder wenig
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später" (Hammerich S. 98, Roos S. 233) verfaßt wurde. Nur glaube ich, daß das Argument, das Hammerich der Textstelle des BgT unten S. 44,14ff. in der Fassung von Ba 2 für die Annahme der Entstehung des VeM v o r dem BgT entnehmen zu können meinte, auf Fehlinterpretation der Stelle beruhte (siehe Anm. 144 zum BgT) und weiterhin, daß durch meine Ausführungen in der Anm. 37 zum VeM der Datierung dieses Textes durch Roos das Hauptargument entzogen, bzw. erschüttert wird. Daß es sich in dem Text, den man „Sermon" genannt hat, um eine deutsche Predigt handelt, die nur deshalb länger ist als die meisten der sonst überlieferten deutschen Predigttexte, weil sie im Wortlaut zusammen mit dem BgT von Eckhart selbst schriftlich stärker fixiert wurde, wie wir wohl annehmen dürfen, scheint mir kaum zweifelhaft. Am Schluß dieser einleitenden Ausführungen möchte ich dem Bonner Freunde, dessen Namen die Widmung dieser Ausgabe nennt, wärmsten Dank sagen nicht nur für die tätige Anteilnahme und den helfenden Rat, die er dieser Arbeit zuteil werden ließ, sondern darüber hinaus für das nie erlahmende Interesse und die währenden Ratschläge und Hilfeleistungen, mit denen er seit mehr als zwei Jahrzehnten nun schon meine Eckhart- und sonstigen Mystikforschungen angeregt und begleitet hat. Ohne die Großzügigkeit, mit der er als Direktor des Albertus-Magnus-Instituts in Köln mir die Benutzung der Spezial-Bibliothek dieses Instituts verstattete, hätte ich diese Edition nicht zustande bringen können. Mein aufrichtiger Dank gilt auch Prof. Dr. Friedrich H e y e r in Bonn, der an ungezählten Diskussionen teilnahm und durch sein feinsinniges Einfühlungsvermögen und seinen sicheren Takt viel beigetragen hat zur Lösung textkritischer und technischer Schwierigkeiten meinem bisherigen Eckhart-Editionen. Wenn ich für die vorliegende Ausgabe nicht die gesamte Literatur herangezogen und ausgewertet habe, so bitte ich, dies im Hinblick darauf entschuldigen zu wollen, daß ich in Breslau meine gesamte Bibliothek mit allen Sonderdrucken verlor und daß mir manche der einschlägigen Arbeiten infolge von Kriegsverlusten der mir zugänglichen Bibliotheken nicht zur Verfügung gestanden haben. Saarbrücken, im Januar 1950
J. Q u i n t
LIBER
„BENEDICTUS" /
DAZ BUOCH DER GOETLICHEN
TROESTUNGE
Str.
M
B e n e d i c t u s deus et pater d o m i n i nostri J e s u Christi etc.
Der edel apostel sant P a u l u s sprichet disiu wort also: s 'gesegenet si got und der vater unsers herren Jesu Kristi, ein vater der barmherzicheit und got alles trostes, der uns trcestet 5 in allen unsern betrüepnissen'. Drierleie betrüepnisse ist, daz den menschen rüeret und drenget in disem eilende. Einez ist an dem schaden üzerliches guotes. Daz ander ist an sinen mägen 10 und an sinen vriunden. Daz dritte ist an im selben an smächeit, an ungemache und an smerzen des libes und an leide des herzen. io Herumbe hän ich willen ze schriben an disem buoche etliche lere, in der sich der mensche troesten mac in allem sinem ungemache, betrüepnisse und leide, und hat diz buoch driu 1/4—6 2 Cor. 1, 3f.: Benedictus Deus et Pater Domini nostri Iesu Christi, Pater misericordiarum, et Deus totius consolationis, qui consolatur nos in omni tribulatione nostra. das b&ch der götlichen trostung / Disz kostlich büch jnnhalt vsz der massen / vil trostung wider aller hant betrübnüsz / so den menschen aniallent an sinem gfit / an sinen fründen vnd an jm selber an schma- / cheit an vngemach vnd an schmertzen / des libs vnd hertzleid Gezogen YSZ vi- / lerlei sprüch der götlichen lerer vnd / der heiligen exempel geteilt in drij teil etc. (Vorsetzblatt) Bat ain g&te Bredy jn der ain gfit mensch jn aller BetrupNuss getröstet wirt vn vnd vint (/. CCX VIII ra Schluß) G, 1 Benedictus — etc. fehlt MGt Benedictus — 8, 25 got. fehlt Trt 3 Der — alsö: ] Der edel sant Paulus apostel sprichet vnd sprichet diese wort also M Sanctus paulus spricht (?, apostel ] lerer Ba2 alsö ] also in siner epistel JBO, 4 ein fehlt M 6 allem vnserm betr&ptnüsse Baa Nu ist drierleije b. Bat daz — 7 drenget ] de den menschen anuallet 2 8 an — vnt trenget Ba} die den menschen rürent vnd trengentö, 9 vriunden. ] an sinen {runden vnd bekanten 0 , an sinen liebsten {runden Ba 2 11 Herumbe — 4, 1 In ] Darumb sint hie drv tail jn denen sich ain mensch trösten mag J n Ge 11 Herumbe — 12 ISre, ] Hervmb so han ich willen an disem buoch celeren etliche lere Ba2 13 betrüepnisse und leide, fehlt M diz — 4, 1 hat fehlt Ba2 (Homöoleleuton)
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MEISTER ECKHART
teil. I n dem ersten hat man etliche wärheit, dar üz und da von genomen wirt, daz den menschen billiche und wol genzliche getroesten mac und sol in allem sinem leide'). Dar nach vindet man hie bi drizic Sachen und lere, in der man sich in ieglicher s wol und ganze getroesten mac. Her nach vindet man in dem dritten teile dis buoches bilde an werken und an Worten, diu wise liute hänt getan und gesprochen, als sie wären in lidenne.
1. Von dem ersten sol man wizzen, daz der wise und wisheit, wäre und wärheit, gerehte und gerehticheit, guote und güete 10 sich einander anesehent und also ze einander haltent: diu güete enist noch geschaffen noch gemachet noch geborn; mer si ist gebernde und gebirt den guoten 2 ), und der guote, als verre so er guot ist, ist ungemachet und ungeschaffen und doch geborn kint und sun der güete 3 ). Diu güete gebirt sich und allez, daz 16 si ist, in dem guoten; wesen, wizzen, minnen und würken giuzet si alzemäle in den guoten, und der guote nimet allez sin wesen, wizzen, minnen und würken von dem herzen und innigesten der güete und von i r a l e i n e 4 ) . Guot 6 ) und güete ensint niht wan ein güete al ein in allem sunder gebern und gebom-werden; doch 1 dar — 2 genomen ] die dar vs genomen Ge 2 genomen wirt, ] do uon nemen wir M wol fehlt Ba2 3 und sol fehlt Bat und sol — leide, fehlt G, 4 hie — Sachen ] Etwe vil Sachen (auf d. Rand mit Verweisungszeichen: by xxx Sachen) G, in der — 5 getroesten ] in der ieclicher alleine sich der mensche wol getroesten Ba2 5 wol und ganze fehlt Gs 6 bilde — Worten, ] bilde vnt lere an Worten vnt werken Ba2 diu — 7 wären ] von wisen luten die da warent G, 7 in liden G6 M in leide Ba2 8 Ersten ist zu wissen G6 vnd die w. G6 9 wäre — 10 anesehent. ] der war vnd die wärhaitt der gerecht vnd die gerechtigkait der güt vnd die güty sich Enander also ansechent G6 war vnt warhait güt vnd g&ti gerechtikeit vnt gerecht sich ein ander ansehent Ba2 10 und — haltent: fehlt Ba2 11 ist nit gemachet noch geschaffen noch geboren Ba2 ist weder gemacht noch geschaffen noch geboren G, 11 mer ] aber G, fehlt BatM 13 ist2 fehlt Ba2 und2 ] mer vnt Bat fehlt G„ I4f. alles das das jro ist vnd das sy selbs ist jn G, 18 wesenne Ba2 17 herzen und fehlt Ba2 innigesten ] gründe M 15 f. nutz anders denn ain G6 nit me denne ein Ba2 19 al — allem ] allain ain jn aime allain M allein Ba2 sunder — 5,1 güete ]
DAZ BUOCH DER G O E T U C H E N TROESTUNGE
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daz gebern der güete und geborn-werden in dem guoten ist al M ein wesen, ein leben 6 ). Allez, daz des guoten ist, daz nimet er beidiu von der güete und in der güete. Da ist und lebet und wonet er. Da bekennet er sich selben und allez, daz er bekennet, 5 und minnet allez, daz er minnet, und würket mit der güete in 5 der güete und diu güete mit im und in im alliu ir werk nach dem, als geschriben ist und sprichet der sun: 'der vater in mir inneblibende und wonende würket diu werk'. 'Der vater würket biz nü, und ich würke'. Allez, daz des vaters ist, daz ist min, 10 und allez, daz min und mines ist, daz ist mines vaters: sin io gebende und min nemende 7 ). Noch sol man wizzen, daz der name oder daz wort, so wir sprechen guot, nennet und besliuzet in im niht anders, noch minner noch me, wan blöze und lüter güete; dochgibet ez sich. is So wir sprechen guot, so vernimet man, daz sin güete ist im 15 gegeben,ingevlozzenund ingebornvon der ungebornengüete 8 ). Dar umbe sprichet daz ewangelium: 'als der vater hat daz leben in im selben, also hat er gegeben dem sune, daz er ouch habe daz leben in im selben'. Er sprichet 'in im selben', niht 20 20 'von im selben', wan der vater hat ez im gegeben. Allez, daz ich nü hän gesprochen von dem guoten und von der güete, daz ist ouch gliche war von dem wären und der wär7 f. loh. 14, 10: Pater autem in me manens, ipse facifc opera. 8f. loh. 5, 17: Pater meus usque modo operatur, et ego operor. 9f. loh. 17, 10: . . . et mea omnia tua sunt, et tua mea sunt: . . . 17ff. loh. 5, 26: Sicut enim Pater habet vitam in semetipso: sie dedit et Filio habere vitam in semetipso. sunder geboren gebemde vnt doch geboren kint der guti Bat ane gebern vnd geborn doch geborn der güte M 1 f. al ein ] alles ain Ge allain M allein ein Ba2 4 selben fehlt 06 5 f. in der güete fehlt M (Homöoteleuton) 6 aller werken nach Ba2 ir fehlt M 7 als — sun: ] als da spricht got der sun G6 7 als beschriben stet Vnd Ba2 7 f. vater der jn mir belibend vnd wonend (vnd wonend auf d. Rand nachgetragen) ist der würkt Ge 7 in mir fehlt M 10 und mines fehlt Ba2 10 sin — 11 nemende. ] sin geben myn neme M sin gebe vnd min neme 0 6 sin geben ist min nem Bai 12 Noch ] Doch Ba2M sö — 13 und fehlt Bat 14 sich fehlt Ba2 M 15 s6 ] vnd Ba2 fehlt M 16 ingevlozzen ] infliessende Ba2 geboren 2?aä uon dem vngebornen gut M 17 spricht Cristus als ß 6 21 Nun alles das das ietz gesait ist von dem (?6 22 von den worten wäre vnd warhait M
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MEISTER ECKHART
heit, von dem gerehten und der gerehticheit, von dem wisen und der wisheit, von gotes sune und von gote dem vater, von allem dem, daz von gote geborn ist und daz niht enhät vater üf 25 ertriche, in daz sich niht gebirt allez, daz geschaffen ist, allez, daz niht got enist, in dem kein bilde enist dan got blöz lüter aleine. Wan also sprichet sant J o h a n n e s in sinem ewangeliö, daz 'allen den ist gegeben maht und mugent, gotes süne ze so werdenne, die niht von bluote noch von vleisches willen noch von mannes willen, sunder von gote und úz gote aleine geborn sint' 9 ). Bi dem bluote meinet er allez, daz an dem menschen niht undertsBnic ist des menschen willen. Bi des vleisches willen 35 meinet er allez, daz in dem menschen sinem willen undertaenic ist, doch mit einem widerkriege und mit einem widerstrite und neiget nach des vleisches bcgerunge und ist gemeine der séle und dem libe und enist niht eigenliche in der séle aleine; und M da von werdent die krefte müede, krank und alt 10 ). Bi dem willen des mannes meinet sant J o h a n n e s die hoehsten krefte der séle, der natúre und ir werk ist unvermischet mit dem vleische, und stänt in der séle lüterkeit, abegescheiden von s zit und von stat und von allem dem, daz ze zit und stat kein zuoversiht hat oder smak, die mit nihte niht gemeine enhánt, in den der mensche nach gote gebildet ist, in den der mensche gotes geslehte ist und gotes sippe. Und doch, wan sie got selben niht ensint und in der séle und mit der séle geschaffen sint, so 10 Iii. loh. 1,12f.: . . . dedit eis potestatem filios Dei fieri, his, qui credunt in nomine eius: qui non ex sanguinibus, ñeque ex volúntate carnis, ñeque ex volúntate viri, sed ex Deo nati sunt. 2f. all dem das da von got allain geborn ist(?6 3 eDhat kein uatter Bat 4 sich ouch nit Bat 5 dem ouch kein bilde nit enist Bat 6 Wan — 8 werdenne, ] won allen denen ist gewalt gegeben gottes kinder ze werden ö 6 6 also so sprichet ouch s' iohannes J?a2 6f. sprichet das ewangelium Das M 8f. nit vs blut Noch vs willen des flaisch Noch vs willen des mannes sunder die vs got allain G0 8 von dem willen des fleisches Ba, 11 meinet er ] verstant Gfi an fehlt Gt 13 meinet er ] verstant Ge 14 doch — 15 neiget ] doch mit widerkriegen vnd mit widerstriten vnd naiget (?, vnd doch mit einem widerstritte vnd neigunge Bat 17 mude vnt kranc Bi Bai 18 mannes verstant die hochen kreftG, 19 ir fehlt Gt 20 stat Ge 2 séle fehlt M 21 und — stat fehlt M (Homöoteleulon) kein ] klein M vtzitGe MGe Baß«
22 d i e ] d e B a 2
enh&nt, ] hat Ba2M
n&ch—menschefehlt M (Homöoteleuton) dermensche2]ErG6
24doch—25und1
23 d e n ] dem Bat
in 2 ]anSo 2 den 2 ] dem
fehltM(IIomöoteleuton)
DAZ BUOCH DER GOETLICHEN TROESTUNGE
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müezen sie ir selbes entbildet werden und in got aleine überbildet und in gote und üz gote geborn werden, daz got aleine vater si; wan also sint sie ouch gotes süne und gotes eingeborn is sun 11 ). Wan alles des bin ich sun, daz mich nach im und in sich gliche bildet und gebirt. Ein sögetän mensche, gotes sun, guot der güete sun, gereht sun der gerehticheit, also verre als er aleine ir sun ist, so ist si ungeborn-gebernde, und ir geborn 20 sun hat daz selbe eine wesen, daz diu gerehticheit hat und ist, und tritet in alle die eigenschaft der gerehticheit und der warheit 12 ). Uzer aller dirre lere, diu in dem heiligen ewangelio geschriben ist und sicherliche bekant in dem natürlichen liehte der vernünftigen sele, vindet der mensche gewären trost alles leides. 2s Sant Augustinus 1 8 ) sprichet: gote enist niht verre noch lanc. Wiltu, daz dir niht verre noch lanc ensi, so vüege dich ze gote, wan da, sint tüsent jär als der tac hiute. Also spriche ich: in gote enist niht trüricheit noch leit noch ungemach. Wiltu ledic sin alles ungemaches und leides, so halt dich und köre 30 dich lüterliche ze gote aleine. Sicherliche, allez leit kumet da von, daz du dich niht enkerest in got noch ze gote aleine 14 ). Stüendest du in gerehticheit gebildet aleine und geborn, wser17 Vgl. Ps. 89, 4 : Quoniam mille anni ante oculos tuos, tamquam dies hesterna, quae praeteriit ; 2 Pelr. 3, 8 : . . . quia unus dies apud Dominum sicut mille anni, et mille anni sicut dies unus. 1 muos Bat M sie fehlt M 2 und 1 fehlt Bat Ge jn im vnd vs jm geborn G 6 3 sin wir gottes M sie fehlt G, gotes 1 fehlt Ba2 3 f . aingebornen sune M eingeboren sune Bat sun aingeborn G 6 4 daz — 5 gebirt. ] das nahe jme vnd jn jme mich gebildet vnd gebirt M 5 sich bildet glichet vnd gebert G 6 Ain sollich mensch G 6 So getan menschen M mensch ist g. Ba2 sun ] kind (v. and. Hd. über d. Zeile: sun) G 6 6 gereht sun ] Gerecht (dahinter über d. Zeile v. and. Hd.: sun) vnd ain sun G 6 gerecht sune Ba2 gerecht sun M 7 ir 1 fehlt Bas M si ] er Bat ir 2 ] er Ba, 8 daz selbe ] desselben M eine fehlt Bat M 9 die fehlt Ba% M 13 der mensche ] man G 6 alles sines 1. Bat 14 lidens M 15 gote ] got Ba2 M G 6 16 lange Ba2 M Wiltü — ensi, fehlt G 6 (abgeglitten) noch lanc fehlt M 17 tage der htit ist Also jBo, Alsö — 18 ungemach. ] Also da Enist nit laet noch vngemach Noch trurigkait G, 18 W i l t ü — 19 s6 ] wiltu des alles ledig sin so G 6 20 dich in got vnt zuo gotte allein Ba2 Sicherliche, — 21 aleine. fehlt G s