Mehrelternschaft: Habilitationsschrift 9783161558078, 9783161558085, 3161558073

Nach deutschem Familienrecht hat jedes Kind höchstens zwei Eltern. Trotzdem werden mehr und mehr Personen in die Zeugung

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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Teil 1: Einleitung und Grundlegung
I. Einleitung
II. Grundlegung
1. Begrifflichkeiten
2. Elternschaft als Tatsache und als Rechtsfrage
3. Elternschaft nach geltendem deutschen Recht
a. Statusprinzip
b. Rechtliche Zwei-Elternschaft
c. Exkurs: Bedeutung des Statusdenkens im Vergleich zum englischen und schottischen Recht
d. Bedeutung der Elternschaft im deutschen Recht
e. Adoption und Mehrelternschaft
4. Streit um das Eltern-Eltern-Verhältnis
a. Familienrechtliches Verhältnis eigener Art oder gesetzliches Schuldverhältnis
b. Eltern-Eltern-Verhältnis und multiple Elternschaft
c. Privatautonome Begründung und Beendigung von Elternrechten?
d. Elternindividualität, Kindeswohl und Rechtsphilosophie
5. Verfassungsrechtliche Ebene
Teil 2: Entwicklung des Rechts der Elternschaft
I. Entwicklung von Abstammung und Elternschaft im einfachen deutschen Recht
1. Elternschaft seit 1900
a. Ganzes Haus, sittliches Familienrecht und BGB
b. Ehe, leibliche Abstammung und Mehrelternschaft – Überblick
c. Eheliche Elternschaft
aa. Eheliche Vaterschaft
bb. Anfechtung
cc. Eheliche Mutterschaft
d. Uneheliche Elternschaft
aa. Uneheliche Ein-Elternschaft 1900–1969
(1) Zahlvater
(2) Uneheliche Mutter
bb. Ehelichkeitserklärung
cc. Nichtehelichengesetz von 1970
e. Adoption und Mehrelternschaft
aa. Regelung im BGB von 1900
bb. Adoptionsgesetz von 1977
2. Elterliche Gewalt und Sorge 1900–1997
a. Keine gemeinsame elterliche Gewalt im BGB von 1900
aa. Elterliche Gewalt über eheliche Kinder
bb. Elterliche Gewalt über uneheliche Kinder
cc. Elterliche Gewalt über Adoptivkinder
b. Gründe für die Ausschließlichkeit der elterlichen Gewalt
aa. Die Rolle der Frau in der Familie
bb. Einheitlichkeit der elterlichen Gewalt
c. Gleichberechtigung und gemeinsame elterliche Gewalt
aa. Gemeinsame elterliche Gewalt der verheirateten Eltern
bb. Elterliche Gewalt nach der Scheidung
cc. Elterliche Gewalt über das nichteheliche Kind im Nichtehelichengesetz von 1970
dd. Gesetz zur Neuregelung der elterlichen Sorge 1980
(1) Sorge statt Gewalt
(2) Gemeinsame Sorge der Eltern?
(a) Geschiedene Eltern
(b) Nichtverheiratete Eltern
3. Kindschaftsrechtsreform von 1998
a. Gespaltene Mutterschaft
aa. Embryonenschutzgesetz und gespaltene Mutterschaft
bb. Abstammungsrechtliche Verhinderung gespaltener Mutterschaft
(1) Reproduktionsmedizin und Mutterschaft
(2) Ablehnung „gespaltener Mutterschaft“
b. Vaterschaft
aa. Vaterschaft des Ehemannes
bb. Vaterschaft kraft Anerkennung und Feststellung
c. Gemeinsame Sorge
d. Stieffamilien
e. Umgangsrecht
4. Weitere Änderungen
a. Kleines Sorgerecht
b. Ausschluss des Anfechtungsrechts nach Zustimmung zur Samenspende
c. Nichteheliche Väter, Scheinväter und das Bundesverfassungsgericht
aa. Anfechtungsrecht des genetischen Vaters
bb. Statusunabhängige Klärung der Abstammung
cc. Gemeinsame Sorge nichtehelicher Eltern
5. Das Kind ins Zentrum
6. Zwischenergebnis
II. Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs
1. Die Entstehung des Art. 6 GG
a. Die Rechtsinstitutsgarantie der Elternverantwortung in der Weimarer Reichsverfassung
b. Das Elternrecht im Grundgesetz
aa. Die Diskussion um die Aufnahme des späteren Art. 6 GG
bb. Ablehnung der „Staatserziehung“
cc. Inhaltliche Fragen
2. Zur Übersicht: Bedeutung des verfassungsrechtlichen Elternrechts
3. Das Dreiecksverhältnis von Eltern, Kindern und Staat
a. Die Eltern
b. Der Staat
aa. Das staatliche Wächteramt
bb. Ausgestaltung, normgeprägtes Grundrecht und Institutsgarantie
c. Das Kind
aa. Das Verhältnis Kind – Eltern: Ein Grundrecht des Kindes gegen seine Eltern?
bb. Das Verhältnis Kind – Staat: Das Grundrecht auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung
d. Zwischenergebnis
4. Der Inhalt des „dienenden“ Elternrechts gem. Art. 6 Abs. 2 GG
a. Die Besonderheit des Eltern-Kind-Verhältnisses
b. Das „natürliche“ staatsferne Elterngrundrecht
c. Der Umfang des Elterngrundrechts: Erziehung und Pflege
d. Elternrecht und Elternpflicht gem. Art. 6 Abs. 2 GG
aa. Elternrecht ausschließlich im Interesse des Kindes?
bb. Ausrichtung des Elternrechts am Kindeswohl
(1) Kindeswohl als Maximalstandard
(2) Minimalstandard des Kindeswohls für Eingriffe in das Elternrecht
(3) Abgrenzung von Eingriff und Regelung des Elternverhältnisses
(4) Interpretationsprimat der Eltern über das Kindeswohl
(5) Die Kehrseite: Ungleichheit der Elternhäuser
(6) Elternpflicht und Kindeswohl
cc. Pflichtbindung als Leitbild der Elternschaft
dd. Zwischenergebnis: Elternrecht und Elternpflicht iSd Art. 6 Abs. 2 GG
5. Der verfassungsrechtliche Elternbegriff in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
a. Einführung und aktueller Stand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
b. Probleme einer verfassungsrechtlichen Definition der Elternschaft
aa. Klarheit über den Begriff der Elternschaft?
bb. Verfassungsrechtlicher Elternbegriff auf der Grundlage von Recht und Wirklichkeit
cc. Normgeprägte Grundrechte und ihre problematische Prägung durch das einfache Recht
dd. Tatsachen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
c. Elternschaft von Ehepaaren gem. Art. 6 Abs. 2 GG
d. Gleichberechtigung der Eltern
aa. Das Urteil vom 29.7.1959 und Stichentscheid des Ehemannes
bb. Die Entwicklung zur gemeinsamen Sorge geschiedener Ehegatten
cc. Kritische Analyse: Gleichberechtigung und Konflikt zwischen verheirateten Eltern
e. Nichteheliche Eltern
aa. Nur die nichteheliche Mutter
bb. Mutter und sorgender nichtehelicher Vater
cc. Nichteheliche Mutter und nichtehelicher Vater
dd. Kritische Analyse: Gleichberechtigung und Konflikt zwischen unverheirateten Eltern
f. Adoptiveltern als Eltern im Sinne des Art. 6 Abs. 2 GG
aa. Der Beschluss vom 29.7.1968
bb. Der Beschluss vom 7.3.1995
cc. Kritische Analyse: Nebeneinander oder Beendigung und Neubegründung verfassungsrechtlicher Elternschaft
g. Leiblicher und rechtlicher Vater
aa. Problemlage: Verfassungsrechtliche Dreielternkonstellation
bb. Sachverhalt der Entscheidung vom 9.4.2003
cc. Verfassungsrechtliche Elternschaft des biologisch-genetischen Vaters
dd. Zwei Väter iSd Art. 6 Abs. 2 GG: Elternschaft und Elternrecht
ee. Nur zwei Träger des Elternrechts
h. Soziale Eltern
aa. Nur Familie
bb. Stiefeltern
cc. Kritische Analyse: Art. 6 Abs. 1 GG als zweites Elterngrundrecht
i. Gleichgeschlechtliche Eltern
j. Offene Fragen: Wunscheltern, Eizellenspenderin
6. Nur Zwei?
a. Das Bundesverfassungsgericht
aa. Elternstellung und Elternrecht
bb. Kritische Analyse
b. Multiple Elternschaft in der verfassungsrechtlichen Literatur
aa. Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerfG
bb. Elternschaft und Elternrecht
cc. Nur zwei Träger des Elternrechts
dd. Rechtliche Mehrelternschaft
c. Kritische Analyse: Zweifel am Prinzip der verfassungsrechtlichen Zwei-Elternschaft
7. Zwischenergebnis
a. Dreierverhältnis Eltern, Staat und Kind
b. Der verfassungsrechtliche Elternbegriff
c. Kritische Analyse: Zweifel an der Begrenzung des Elternrechts auf zwei Eltern
III. Elternschaft, Familie und EMRK
1. Bedeutung von Art. 8 EMRK
2. Schutz des Familienlebens
a. Familienleben als tatsächliche Beziehung
b. Tatsächliche Beziehung, nicht Blutsverwandtschaft
c. Blutsverwandtschaft und Schutz des Privatlebens
d. Kritische Analyse: Vergleich des Schutzes gem. Art. 8 Abs. 1 EMRK und gem. Art. 6 Abs. 2 GG
3. Zwischenergebnis
IV. Zwischenergebnis: Fokussierung auf gleichberechtigte Zwei-Elternschaft
1. Entwicklung zur Zwei-Elternschaft
a. Entwicklung des Familienrechts
b. Verfassungsrecht
2. Brüche im Prinzip der Zwei-Elternschaft
Teil 3: Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft
I. Mehrvaterschaft
1. Rechtlicher Vater und Vater mit Rechten
a. Anayo v. Deutschland
b. Die Reaktion des deutschen Gesetzgebers
c. Kritische Analyse: Rechte für den nichtrechtlichen Vater
d. Rechtsprechung zu § 1686a BGB
aa. Die Entscheidung des BVerfG vom 19.11.2014
bb. Kritische Analyse: Elterliche Rechte für Nicht-Eltern
cc. Der Beschluss des BGH vom 5.10.2016
dd. Kritische Analyse: Elternkonflikte
e. Diskussion der leiblichen, nichtrechtlichen Vaterschaft
f. Kritische Analyse: Mehrelternschaft im Spannungsverhältnis von rechtlichem und leiblichem Vater
2. Samenspende und Vaterschaft kraft Zustimmung
a. Geschichte und praktische Bedeutung der Samenspende
b. Begründung und Anfechtung der Vaterschaft
aa. Frau mit (Ehe)Partner
bb. Feststellung der Vaterschaft des Samenspenders
cc. Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft durch den Samenspender
dd. Konsentierte und nicht konsentierte Befruchtung
ee. Umgangs- und Auskunftsrechte des Samenspenders
ff. Kritische Analyse: Vater oder Spender?
c. Zahlvaterschaft kraft Zustimmung
aa. Das Urteil des BGH vom 23.9.2015
bb. Kritische Analyse: Verantwortung des Initiativvaters
d. Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung
e. Die Diskussion um die Elternschaft kraft Zustimmung im DJT
aa. Rechtsfolge der Einwilligung bei der offiziellen Samenspende
bb. Einwilligung bei der privaten Samenspende
cc. Rechtsnatur der Einwilligung
dd. Form der Einwilligung
f. Empfehlungen des Arbeitskreises Abstammungsrecht
g. Kritische Analyse: Wesentliche Probleme der Mehrelternschaft bei Samenspende
3. Zwischenergebnis
II. Mehrmutterschaft
1. Leihmutterschaft
a. Verschiedene Formen der Leihmutterschaft
b. Konflikte, insbesondere Leihmutterschaft in Thailand, Indien und Kambodscha
c. Ablehnung durch das deutsche Recht und der Gang ins Ausland
d. BGH vom 10.12.2014
aa. Die Entscheidung des Kammergerichts
bb. Die Argumentation des BGH
e. Kritische Analyse: Verantwortung der Initiativväter
2. Mehrmutterschaft
a. Co-Mutterschaft und Fortpflanzungstechnik
aa. Eizellenspende
bb. Co-Mutterschaft und reziproke In-vitro-Fertilisation
b. Co-Mutterschaft
aa. Anerkennung ausländischer Co-Mutterschaft
bb. Kritische Analyse: Soziale Elternschaft und potentiell genetische Elternschaft
3. Aktuelle Diskussion um die Mehrmutterschaft
a. Aktuelle Diskussion um die Leihmutterschaft
b. Diskussion um die Co-Mutterschaft
c. Kritische Analyse: Leihmutterschaft und Co-Mutterschaft
aa. Leihmutterschaft
bb. Abstammungsrechtliche Co-Mutterschaft
III. Adoption
1. Einleitung
2. Entwicklung des Adoptionsrecht
3. Offene Adoption
a. Wandel der Diskussion
b. Stiefkindadoption
c. Offene Adoption in der heutigen Praxis
d. Umgangs- und Auskunftsrechte
e. Grundrechte und EMRK – I.S. v. Deutschland
4. Kritische Analyse: Mehrelternschaft und (offene) Adoption
IV. Stiefeltern
1. Tatsächliche Situation und Herausforderungen
2. Rechtliche Situation und Diskussion
a. Kleines Sorgerecht
b. Sorgerecht und Adoption
3. Kritische Analyse: das häufigste Mehrelternverhältnis
V. Pflegeeltern
VI. Queer-Families
1. Tatsächliche Grundlagen
2. Derzeitige Regelung
a. Keine gemeinsame Elternschaft
b. Vaterschaft und Co-Mutterpaar
c. Mutter und schwules Co-Vaterpaar
d. Reformbedarf?
3. Kritische Analyse: Die offene Mehrelternschaft
VII. Embryonenspende und Embryonenadoption
1. Erzeugung von Embryonen und Embryonenschutzgesetz
2. Kritische Analyse: Embryonenspende
VIII. Reproduktionsmedizinische Perspektive: mehr als zwei genetische Eltern
1. Drei-Eltern-Kinder: Kerntransfer
2. In-vitro-Gametogenese
a. Medizinische Grundlagen
b. Kritische Analyse: Das Ende der Verbindung von Geschlecht und Elternschaft
3. Kritische Analyse und Zwischenergebnis
IX. Zwischenergebnis: Struktur von Mehrelternbeziehungen
1. Die Vielfalt der Mehrelternbeziehungen
2. Zwei-Elternschaft und Systembrüche
3. Mehrelternschaft in der Literatur
4. Struktur der Mehrelternverhältnisse
a. Anfängliche Mehrelternschaft
b. Nachträgliche Mehrelternschaft
c. Einverständliche Mehrelternschaft
d. Unfreiwillige Mehrelternschaft
e. Erste Folgerungen
5. Fortgang der Untersuchung
Teil 4: Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft
I. Tatsächliche Elternverbindungen
1. Genetische Eltern(verbindung)
2. Gestationale Eltern(verbindung) („Geburtsmutter“)
a. Die gestationale Elternverbindung der schwangeren Frau
b. Der gestationsbegleitende Beitrag des Partners der Schwangeren
3. Initiativeltern(verbindung) („Wunscheltern“)
4. Soziale Eltern(verbindung)
II. Analyse der Mehrelternschaft nach Elternverbindungen
1. Zwei Väter und eine Mutter
a. Anfängliche unfreiwillige Mehrelternschaft
b. Anfängliche einverständliche Mehrelternschaft: Samenspende und Initiativvater
c. Der wankelmütige Initiativvater und die Samenspende
2. Leihmutterschaft
3. Geburtsmutter und eine genetische Mutter
4. Co-Elternschaft, Queer-Families
5. Adoption und Stiefeltern
6. Embryonenspende
7. Zwischenergebnis
III. Grundrechtlicher Schutz aller Elternverbindungen
1. Art. 6 Abs. 2 GG und die leibliche Abstammung
2. Genetische Eltern
3. Geburtsmutter
4. Initiativeltern
a. Verursachung als Grundlage der Elternverantwortung?
b. Recht auf Fortpflanzung
aa. Verankerung des Grundrechts
bb. Reichweite des Schutzbereichs
cc. Eigene Position
c. Folgerungen für den Grundrechtsschutz der Initiativeltern
5. Soziale Eltern
a. Schutz der Familie Art. 6 Abs. 1 GG
aa. Generationsübergreifende Verantwortungsübernahme
bb. Temporäre Voraussetzungen
cc. Zwischenergebnis
b. Art. 6 Abs. 2 GG
6. Nur zwei? Die verfassungsrechtliche Stellung der Mehreltern
a. Elternstellung und Elternrecht nach der Verfassung
b. Der Verfassungsgesetzgeber und die natürliche Zeugung
aa. Zeugung durch mehr als zwei Personen
bb. Der Wille des Verfassungsgesetzgebers
c. Kompetenzkonflikte
aa. Konflikte und gleichberechtigte Elternschaft
bb. Ausgestaltung durch den Gesetzgeber, nicht Ausschluss des Schutzbereichs
d. Zwischenergebnis
7. Zwischenergebnis
IV. Zwischenergebnis: Mehrelternschaft als Gestaltungsaufgabe des Gesetzgebers
Teil 5: Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft
I. Ausgangspunkt: Die Grundrechte des Kindes
1. Das Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung
2. Der Schutz der Familie, Art. 6 Abs. 1 GG
3. Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung
a. Die Entwicklung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung
aa. Von der Rassenideologie zum Schutz der Persönlichkeit
bb. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(1) Die Entscheidung vom 31.1.1989
(2) Kritische Analyse: eine dünne Tatsachengrundlage
(3) Das Urteil vom 13.2.2007
(4) Kritische Analyse: Keine Tatsachengrundlage
(5) Das Urteil zum Recht des Kindes auf rechtsfolgenlose Feststellung der Vaterschaft vom 19.4.2016
b. Begründung eines Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung?
aa. Plausibilität der Bedeutung der Kenntnis der eigenen Abstammung für die Identitätsentwicklung
bb. Die Bedeutung der Kenntnis der eigenen Abstammung in der Rechtsprechung des EGMR
cc. Zwischenergebnis
c. Abstammung und Ursprung: der Schutzbereich
aa. Kenntnis der biologisch-genetischen Eltern
bb. Abstammung oder Ursprung? Kenntnis der Geburtsmutter
d. Zwischenergebnis: Ausgestaltung durch den Gesetzgeber
4. Zwischenergebnis
II. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Ausgestaltung der Elternpositionen
1. Eltern müssen eine Elternverbindung haben
2. Verzicht auf Elternrechte
a. Unverzichtbar?
b. Exkurs: Alleinelternschaft?
3. Mehrelternschaft als Gestaltungsaufgabe des Gesetzgebers
a. Mehrelternschaft als Eingriff in das Substrat der Institutsgarantie?
aa. Bedeutung der Institutsgarantie
bb. Zwei-Elternschaft als Kernprinzip der Elternschaft?
b. Gestaltungsvorgabe zum Schutz des Kindeswohls?
aa. Die notwendige Verbindung von Elternrechten und Elternpflichten
bb. Konfliktlösung durch Beschränkung von Elternrechten
cc. Indizien aus §§ 1686a, 1685 Abs. 2, 1687b BGB?
dd. Differenzierung zwischen einverständlicher und unfreiwilliger Mehrelternschaft
(1) Erfordernis eines Mindestmaßes an Übereinstimmung
(2) Einverständliche Mehrelternschaft und Übereinstimmung
(3) Unfreiwillige Mehrelternschaft
ee. Alloparents oder kooperative Kindererziehung
(1) Bindungsforschung und Fremdbetreuung
(2) Kooperative Kinderbetreuung und die Entwicklung zur bürgerlichen Familie
(3) Kooperative Kinderbetreuung als evolutionäre Notwendigkeit
(4) Familie als intellektuell-soziales Konzept
(5) Zwischenergebnis: Alloparents
ff. Zwischenergebnis
c. Kindeswohl und Ausgestaltung mit Blick auf die Kooperationsfähigkeit der Eltern
d. Zwischenergebnis
4. Anzahl der Elternverbindungen als ermessensleitendes Element für den Gesetzgeber
5. Zwischenergebnis
III. Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten
1. Wer sind die Eltern, deren Rechte und Pflichten zu regeln sind?
a. Grundlage Zwei-Elternschaft
aa. Festhalten am Statusprinzip
bb. Reform der geltenden §§ 1591 ff. BGB insbesondere durch Berücksichtigung des Initiativelternteils
cc. Mehrelternschaft als Gestaltungsaufgabe
b. Mehrelternschaft und Schutz des Kindeswohls
c. Elternautonomie, Kindeswohl und Konfliktlösung
aa. Die Rolle des Elternwillens und das Kindeswohl
bb. Neubegründung der Elternschaft durch Vereinbarung?
cc. Exkurs: Widerruflichkeit und Initiativelternschaft
dd. Zwischenergebnis
d. Verminderung der Zahl der Eltern durch Verzicht und Anfechtung
aa. Verzicht auf die Elternposition – Registereltern
(1) Adoption
(2) Verzicht zugunsten eines anderen Elternteils
(3) Grenze: Schutz der Rechte des Kindes
(a) Kenntnis der Abstammung
(b) Keine Flucht aus der Verantwortung
(4) Zwischenergebnis
bb. Anfechtung
(1) Anfechtung des „Schein-Elternteils“
(2) Anfechtung des Kindes, statusunabhängiges Verfahren zur Klärung der eigenen Abstammung
(3) Anfechtung durch den genetischen und Initiativvater
e. Gleichberechtigte Mehrelternschaft
aa. Gleichberechtigte Mehrelternschaft und Konfliktgefahr
bb. Einverständliche und unfreiwillige Mehrelternschaft
cc. Gleichberechtigte Mehrelternschaft und Elternvereinbarung
dd. Rechtsfolge: Rechtliche Mehrelternschaft nach familiengerichtlicher Prüfung
ee. Kindeswille
f. Nebeneltern: abgestufte Elternrechte und -pflichten
aa. Mögliche Nebeneltern
bb. Neben-Elternrechte und -pflichten
cc. Status
dd. Wechsel von der Neben- in die Hauptelternposition
g. Zwischenergebnis
2. Elterliche Sorge, Entscheidungsfindung und Vertretung
a. Entscheidungsfindung: Einstimmigkeit oder Mehrheit?
aa. Einstimmigkeit als Ausdruck der Gleichberechtigung
bb. Das Verhältnis der Eltern untereinander
(1) Gesetzliches Schuldverhältnis
(2) Anleihen aus der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der Erbengemeinschaft und der Bruchteilsgemeinschaft?
cc. Zwischenergebnis
dd. Nicht zusammenlebende Mehreltern
b. Vertretung des Kindes
c. Stellung der Nebeneltern
d. Zwischenergebnis
3. Rechte und Pflichten
a. Umgang
b. Unterhalt
aa. Gedankenspiel: Unterhalt differenziert nach Elternverbindungen
bb. Unterhalt differenziert nach Haupt- und Nebeneltern
(1) Haupteltern und Kind
(2) Nebeneltern und Kind
(a) Unterhaltsrecht nach der Volljährigenadoption
(b) Unterhaltsrecht Nebeneltern
cc. Zwischenergebnis
c. Erbrecht
aa. Gedankenspiel: Erbrecht nach Elternverbindungen
bb. Erbrecht nach dem Vorbild der Volljährigenadoption
4. Zusammenfassung und Einzelfälle
a. Grundlegende Zusammenfassung
b. Einzelfälle
aa. Kuckuckskind
bb. Samenspende, Eizellenspende und Initiativelternschaft
cc. Queer-Families und Mehrmutterschaft
dd. Leihmutterschaft
ee. Embryonenadoption
ff. Stiefeltern
Teil 6: Ergebnisse in Thesen
I. Grundlegende Fragen der Elternschaft
II. Elternschaft in der historischen Entwicklung sowie als Grund- und Menschenrecht
III. Mehrelternschaft als gesellschaftliche und rechtliche Herausforderung
IV. Elternverbindungen als Grundlage der Elternschaft
V. Verfassungskonforme Mehrelternschaft
VI. Die Ausgestaltung der Mehrelternschaft im Familienrecht
Literaturverzeichnis
Rechtsprechungsverzeichnis
1. Bundesverfassungsgericht
2. Reichsgericht
3. Bundesgerichtshof
4. Oberlandes-, Land- und Amtsgerichte (chronologisch)
5. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
6. Europäischer Gerichtshof
7. Gerichte in den USA und im Vereinigten Königreich
Sachverzeichnis
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JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 227

Anne Sanders

Mehrelternschaft

Mohr Siebeck

Anne Sanders, geboren 1977; Studium der Rechtswissenschaften in Berlin; Wiss. Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht und ­europäische Privatrechtsentwicklung an der Universität zu Köln; Stipendiatin der Studien­ stiftung des deutschen Volkes während Studium und Promotion; Masterstudium an der University of Oxford, Brasenose College; Referendariat im OLG Bezirk Köln mit Stationen an der Europäischen Kommission, Brüssel, und der Law Commission for England and Wales, London; Wiss. Mit­arbeiterin am Bundesverfassungsgericht; Mitglied des Jungen Kollegs der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste; 2013–2017 Juniorprofessorin an der Universität Bonn; seit 2014 regelmäßig Expertin für Fragen richterlicher Arbeit und Unabhängigkeit beim Europarat; seit 2018 Professorin an der Uni­versität Bielefeld. orcid.org/0000-0003-0405-2919

ISBN  978-3-16-155807-8 / eISBN  978-3-16-155808-5 DOI 10.1628/978-3-16-155808-5 ISSN  0940-9610 / eISSN  2568-8472 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbib­ liographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer­halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen aus der Garamond gesetzt und auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier ge­ bunden. Printed in Germany.

Meinen Müttern – Meinen Vätern

Vorwort Die Untersuchung widmet sich den tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Elternschaft von mehr als zwei Personen. Besonderes Gewicht kommt dabei verfassungsrechtlichen Überlegungen zu. Angeregt wurde die Beschäftigung mit diesem Thema durch meine Arbeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bundesverfassungsgericht (2009–2011) sowie durch die Diskussion mit Studierenden in meinen familienrechtlichen Vorlesungen an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms Universität Bonn (2013–2017). Die Arbeit wurde im Dezember 2016 fertiggestellt und im Mai 2017 als Habilitationsleistung an der Universität zu Köln angenommen; der Abschluss der Habilitation erfolgte mit dem Habilitationsvortrag am 6.7.2017. Neuere Entscheidungen und Literatur konnten vor der Veröffentlichung noch teilweise berücksichtigt werden. Mein Dank gilt zuallererst meiner akademischen Lehrerin Prof. Dr. Dr. h.c. Barbara Dauner-Lieb. Seit wir uns vor nunmehr achtzehn Jahren kennenlernten, ist sie meine Förderin und großes Vorbild gewesen. Frau Prof. Dr. Barbara Grunewald danke ich für Ihre Erstellung des Zweitgutachtens. Danken möchte ich außerdem Prof. Dr. Nina Dethloff für ihre freundliche Aufnahme als stellvertretende Direktorin in ihr Institut. Schließlich ist Dr. Franz-Peter Gillig für die Aufnahme in die Schriftenreihe Jus Privatum und den Mitarbeitern des Mohr Siebeck Verlags für ihre Unterstützung bei der Veröffentlichung ein Dank auszusprechen. Mein Dank gilt außerdem der Johanna und Fritz Buch Gedächt­ nis-Stiftung für die großzügige Gewährung eines Druckkostenzuschusses. Für Ihre Unterstützung möchte ich schließlich weiteren Personen danken, ohne die dieses Buch nicht hätte entstehen können. Dies sind Prof. Dr. Dr. h.c. Gerd Brudermülller, Dr. Susanne Gössl, LL.M., Prof. Dr. Jan Hensmann, Damian Preisner, Prof. Dr. Heiko Sauer und Stefan Schlotter. Besonders hervorzuheben ist Ralf Treibmann, D. E. A., der wesentliche Thesen des Buches angeregt bzw. in der gemeinsamen Diskussion schärfen geholfen hat. Für Ihre tatkräftige Hilfe sei auch meinen (ehemaligen) Mitarbeiterinnen Victoria Best, Myra Rednoss und Bianca Scraback gedankt. Die Arbeit ist „meinen Müttern – meinen Vätern“ gewidmet. Damit sind zunächst meine Eltern Helma Sanders-Brahms und Thomas Mauch gemeint. Würdigen möchte ich damit aber auch die Menschen, die mich als soziale, geistige und akademische Elternfiguren auf meinem Werdegang inspiriert und ­begleitet haben. Dies sind insbesondere Prof. Dr. Jan und Elke Hensmann,

VIII

Vorwort

I­ ngeborg und Peter Braa, Wolf und Eva Uecker, Prof. Dr. Rainer Schröder s­ owie Prof. Dr. Dr. h.c. Barbara Dauner-Lieb und Prof. Dr. Manfred Lieb. Bonn/Bielefeld, im Dezember 2017

Anne Sanders

Inhaltsübersicht Teil 1:  Einleitung und Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft . . . . . . . . . . 33 I.

Entwicklung von Abstammung und Elternschaft im einfachen deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 II. Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs 103 III. Elternschaft, Familie und EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 IV. Zwischenergebnis: Fokussierung auf gleichberechtigte Zwei-Elternschaft . . . . . . 193

Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft . . . . . . . . . . . . . 197 I. Mehrvaterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 II. Mehrmutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 III. Adoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 IV. Stiefeltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 V. Pflegeeltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 VI. Queer-Families . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 VII. Embryonenspende und Embryonenadoption . . . . . . . . . . . 268 VIII. Reproduktionsmedizinische Perspektive: mehr als zwei genetische Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 IX. Zwischenergebnis: Struktur von Mehrelternbeziehungen . . . . . 275

Teil 4: Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 I. Tatsächliche Elternverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 II. Analyse der Mehrelternschaft nach Elternverbindungen . . . . . 302 III. Grundrechtlicher Schutz aller Elternverbindungen . . . . . . . . 311 IV. Zwischenergebnis: Mehrelternschaft als Gestaltungsaufgabe des Gesetzgebers . . . 338

X

Inhaltsübersicht

Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft . . . 341 I. Ausgangspunkt: Die Grundrechte des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 II. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Ausgestaltung der Elternpositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 III. Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten . . . . . . . . 385

Teil 6:  Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 I. II.

Grundlegende Fragen der Elternschaft . . . . . . . . . . . . . . . 443 Elternschaft in der historischen Entwicklung sowie als Grund- und Menschenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 444 III. Mehrelternschaft als gesellschaftliche und rechtliche Herausforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 IV. Elternverbindungen als Grundlage der Elternschaft . . . . . . . . 448 V. Verfassungskonforme Mehrelternschaft . . . . . . . . . . . . . . 451 VI. Die Ausgestaltung der Mehrelternschaft im Familienrecht . . . . 454

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 Rechtsprechungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX

Teil 1

Einleitung und Grundlegung I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1. Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2. Elternschaft als Tatsache und als Rechtsfrage . . . . . . . . . . 7 3. Elternschaft nach geltendem deutschen Recht . . . . . . . . . . 11 a. Statusprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 b. Rechtliche Zwei-Elternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 c. Exkurs: Bedeutung des Statusdenkens im Vergleich zum englischen und schottischen Recht . . . . . . . . . . . 13 d. Bedeutung der Elternschaft im deutschen Recht . . . . . . 16 e. Adoption und Mehrelternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 17 4. Streit um das Eltern-Eltern-Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . 19 a. Familienrechtliches Verhältnis eigener Art oder gesetzliches Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 b. Eltern-Eltern-Verhältnis und multiple Elternschaft . . . . . 21 c. Privatautonome Begründung und Beendigung von Elternrechten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 d. Elternindividualität, Kindeswohl und Rechtsphilosophie . 25 5. Verfassungsrechtliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

Teil 2

Entwicklung des Rechts der Elternschaft I.

Entwicklung von Abstammung und Elternschaft im einfachen deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

XII

Inhaltsverzeichnis

1. Elternschaft seit 1900 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 a. Ganzes Haus, sittliches Familienrecht und BGB . . . . . . 34 b. Ehe, leibliche Abstammung und Mehrelternschaft – Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 c. Eheliche Elternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 aa. Eheliche Vaterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 bb. Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 cc. Eheliche Mutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 d. Uneheliche Elternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 aa. Uneheliche Ein-Elternschaft 1900–1969 . . . . . . . . . 41 (1) Zahlvater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 (2) Uneheliche Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 bb. Ehelichkeitserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 cc. Nichtehelichengesetz von 1970 . . . . . . . . . . . . . . 49 e. Adoption und Mehrelternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 54 aa. Regelung im BGB von 1900 . . . . . . . . . . . . . . . . 54 bb. Adoptionsgesetz von 1977 . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2. Elterliche Gewalt und Sorge 1900–1997 . . . . . . . . . . . . . 62 a. Keine gemeinsame elterliche Gewalt im BGB von 1900 . . . 63 aa. Elterliche Gewalt über eheliche Kinder . . . . . . . . . 63 bb. Elterliche Gewalt über uneheliche Kinder . . . . . . . . 65 cc. Elterliche Gewalt über Adoptivkinder . . . . . . . . . . 66 b. Gründe für die Ausschließlichkeit der elterlichen Gewalt . 66 aa. Die Rolle der Frau in der Familie . . . . . . . . . . . . . 67 bb. Einheitlichkeit der elterlichen Gewalt . . . . . . . . . . 68 c. Gleichberechtigung und gemeinsame elterliche Gewalt . . . 70 aa. Gemeinsame elterliche Gewalt der verheirateten Eltern 71 bb. Elterliche Gewalt nach der Scheidung . . . . . . . . . . 72 cc. Elterliche Gewalt über das nichteheliche Kind im Nichtehelichengesetz von 1970 . . . . . . . . . . . . 75 dd. Gesetz zur Neuregelung der elterlichen Sorge 1980 . . 76 (1) Sorge statt Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 (2) Gemeinsame Sorge der Eltern? . . . . . . . . . . . 77 (a) Geschiedene Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . 77 (b) Nichtverheiratete Eltern . . . . . . . . . . . . . 79 3. Kindschaftsrechtsreform von 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . 80 a. Gespaltene Mutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 aa. Embryonenschutzgesetz und gespaltene Mutterschaft . 82 bb. Abstammungsrechtliche Verhinderung gespaltener Mutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (1) Reproduktionsmedizin und Mutterschaft . . . . . 84 (2) Ablehnung „gespaltener Mutterschaft“ . . . . . . . 88

Inhaltsverzeichnis

II.

XIII

b. Vaterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 aa. Vaterschaft des Ehemannes . . . . . . . . . . . . . . . . 90 bb. Vaterschaft kraft Anerkennung und Feststellung . . . . 90 c. Gemeinsame Sorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 d. Stieffamilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 e. Umgangsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 4. Weitere Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 a. Kleines Sorgerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 b. Ausschluss des Anfechtungsrechts nach Zustimmung zur Samenspende . . . . . . . . . . . . . 95 c. Nichteheliche Väter, Scheinväter und das Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 aa. Anfechtungsrecht des genetischen Vaters . . . . . . . . 96 bb. Statusunabhängige Klärung der Abstammung . . . . . 96 cc. Gemeinsame Sorge nichtehelicher Eltern . . . . . . . . 97 5. Das Kind ins Zentrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs 103 1. Die Entstehung des Art.  6 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a. Die Rechtsinstitutsgarantie der Elternverantwortung in der Weimarer Reichsverfassung . . . . . . . . . . . . . . 104 b. Das Elternrecht im Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . 108 aa. Die Diskussion um die Aufnahme des späteren Art.  6 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 bb. Ablehnung der „Staatserziehung“ . . . . . . . . . . . . 109 cc. Inhaltliche Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 2. Zur Übersicht: Bedeutung des verfassungsrechtlichen Elternrechts . . . . . . 114 3. Das Dreiecksverhältnis von Eltern, Kindern und Staat . . . . 117 a. Die Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 b. Der Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 aa. Das staatliche Wächteramt . . . . . . . . . . . . . . . . 118 bb. Ausgestaltung, normgeprägtes Grundrecht und Institutsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 c. Das Kind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 aa. Das Verhältnis Kind – Eltern: Ein Grundrecht des Kindes gegen seine Eltern? . . . . 123 bb. Das Verhältnis Kind – Staat: Das Grundrecht auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung . . . . . . . . . . . . . 125 d. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

XIV

Inhaltsverzeichnis

4. Der Inhalt des „dienenden“ Elternrechts gem. Art.  6 Abs.  2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a. Die Besonderheit des Eltern-Kind-Verhältnisses . . . . . . 128 b. Das „natürliche“ staatsferne Elterngrundrecht . . . . . . . 129 c. Der Umfang des Elterngrundrechts: Erziehung und Pflege 131 d. Elternrecht und Elternpflicht gem. Art.  6 Abs.  2 GG . . . . 132 aa. Elternrecht ausschließlich im Interesse des Kindes? . . 134 bb. Ausrichtung des Elternrechts am Kindeswohl . . . . . 134 (1) Kindeswohl als Maximalstandard . . . . . . . . . . 136 (2) Minimalstandard des Kindeswohls für Eingriffe in das Elternrecht . . . . . . . . . . . 137 (3) Abgrenzung von Eingriff und Regelung des Elternverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (4) Interpretationsprimat der Eltern über das Kindeswohl . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 (5) Die Kehrseite: Ungleichheit der Elternhäuser . . . 140 (6) Elternpflicht und Kindeswohl . . . . . . . . . . . . 142 cc. Pflichtbindung als Leitbild der Elternschaft . . . . . . . 143 dd. Zwischenergebnis: Elternrecht und Elternpflicht iSd Art.  6 Abs.  2 GG . . 144 5. Der verfassungsrechtliche Elternbegriff in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . 144 a. Einführung und aktueller Stand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . 144 b. Probleme einer verfassungsrechtlichen Definition der Elternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 aa. Klarheit über den Begriff der Elternschaft? . . . . . . . 146 bb. Verfassungsrechtlicher Elternbegriff auf der Grundlage von Recht und Wirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 147 cc. Normgeprägte Grundrechte und ihre problematische Prägung durch das einfache Recht . . . . . . . . . . . . 149 dd. Tatsachen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 c. Elternschaft von Ehepaaren gem. Art.  6 Abs.  2 GG . . . . . 151 d. Gleichberechtigung der Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 aa. Das Urteil vom 29.7.1959 und Stichentscheid des Ehemannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 bb. Die Entwicklung zur gemeinsamen Sorge geschiedener Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 cc. Kritische Analyse: Gleichberechtigung und Konflikt zwischen verheirateten Eltern . . . . . . . . . . . . . . 154 e. Nichteheliche Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

Inhaltsverzeichnis

XV

aa. Nur die nichteheliche Mutter . . . . . . . . . . . . . . . 155 bb. Mutter und sorgender nichtehelicher Vater . . . . . . . 155 cc. Nichteheliche Mutter und nichtehelicher Vater . . . . . 157 dd. Kritische Analyse: Gleichberechtigung und Konflikt zwischen unverheirateten Eltern . . . . . . . . . . . . . 159 f. Adoptiveltern als Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG . . 160 aa. Der Beschluss vom 29.7.1968 . . . . . . . . . . . . . . . 161 bb. Der Beschluss vom 7.3.1995 . . . . . . . . . . . . . . . . 162 cc. Kritische Analyse: Nebeneinander oder Beendigung und Neubegründung verfassungsrechtlicher Elternschaft . . . . . . . . . . . 162 g. Leiblicher und rechtlicher Vater . . . . . . . . . . . . . . . . 164 aa. Problemlage: Verfassungsrechtliche Dreielternkonstellation . . . . . 164 bb. Sachverhalt der Entscheidung vom 9.4.2003 . . . . . . . 164 cc. Verfassungsrechtliche Elternschaft des biologisch-genetischen Vaters . . . . . . . . . . . . 165 dd. Zwei Väter iSd Art.  6 Abs.  2 GG: Elternschaft und Elternrecht . . . . . . . . . . . . . . . 165 ee. Nur zwei Träger des Elternrechts . . . . . . . . . . . . 167 h. Soziale Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 aa. Nur Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 bb. Stiefeltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 cc. Kritische Analyse: Art.  6 Abs.  1 GG als zweites Elterngrundrecht . . . . . 175 i. Gleichgeschlechtliche Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 j. Offene Fragen: Wunscheltern, Eizellenspenderin . . . . . . 177 6. Nur Zwei? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 a. Das Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 aa. Elternstellung und Elternrecht . . . . . . . . . . . . . . 178 bb. Kritische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b. Multiple Elternschaft in der verfassungsrechtlichen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 aa. Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerfG 179 bb. Elternschaft und Elternrecht . . . . . . . . . . . . . . . 180 cc. Nur zwei Träger des Elternrechts . . . . . . . . . . . . 181 dd. Rechtliche Mehrelternschaft . . . . . . . . . . . . . . . 183 c. Kritische Analyse: Zweifel am Prinzip der verfassungsrechtlichen Zwei-Elternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a. Dreierverhältnis Eltern, Staat und Kind . . . . . . . . . . . 185 b. Der verfassungsrechtliche Elternbegriff . . . . . . . . . . . 186

XVI

Inhaltsverzeichnis

c. Kritische Analyse: Zweifel an der Begrenzung des Elternrechts auf zwei Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . 187 III. Elternschaft, Familie und EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 1. Bedeutung von Art.  8 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Schutz des Familienlebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 a. Familienleben als tatsächliche Beziehung . . . . . . . . . . 189 b. Tatsächliche Beziehung, nicht Blutsverwandtschaft . . . . . 190 c. Blutsverwandtschaft und Schutz des Privatlebens . . . . . . 190 d. Kritische Analyse: Vergleich des Schutzes gem. Art.  8 Abs.  1 EMRK und gem. Art.  6 Abs.  2 GG . . . 192 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 IV. Zwischenergebnis: Fokussierung auf gleichberechtigte Zwei-Elternschaft . . . . . . 193 1. Entwicklung zur Zwei-Elternschaft . . . . . . . . . . . . . . . 193 a. Entwicklung des Familienrechts . . . . . . . . . . . . . . . 194 b. Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 2. Brüche im Prinzip der Zwei-Elternschaft . . . . . . . . . . . . 195

Teil 3

Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft I. Mehrvaterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 1. Rechtlicher Vater und Vater mit Rechten . . . . . . . . . . . . 197 a. Anayo v. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 b. Die Reaktion des deutschen Gesetzgebers . . . . . . . . . . 200 c. Kritische Analyse: Rechte für den nichtrechtlichen Vater . 201 d. Rechtsprechung zu §  1686a BGB . . . . . . . . . . . . . . . 202 aa. Die Entscheidung des BVerfG vom 19.11.2014 . . . . . 202 bb. Kritische Analyse: Elterliche Rechte für Nicht-Eltern 203 cc. Der Beschluss des BGH vom 5.10.2016 . . . . . . . . . 204 dd. Kritische Analyse: Elternkonflikte . . . . . . . . . . . . 205 e. Diskussion der leiblichen, nichtrechtlichen Vaterschaft . . . 205 f. Kritische Analyse: Mehrelternschaft im Spannungsverhältnis von rechtlichem und leiblichem Vater . . . . . . . 207 2. Samenspende und Vaterschaft kraft Zustimmung . . . . . . . 208 a. Geschichte und praktische Bedeutung der Samenspende . . 209 b. Begründung und Anfechtung der Vaterschaft . . . . . . . . 210 aa. Frau mit (Ehe)Partner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 bb. Feststellung der Vaterschaft des Samenspenders . . . . 211

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XVII

cc. Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft durch den Samenspender . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 dd. Konsentierte und nicht konsentierte Befruchtung . . . 213 ee. Umgangs- und Auskunftsrechte des Samenspenders . . 214 ff. Kritische Analyse: Vater oder Spender? . . . . . . . . . 214 c. Zahlvaterschaft kraft Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . 215 aa. Das Urteil des BGH vom 23.9.2015 . . . . . . . . . . . 215 bb. Kritische Analyse: Verantwortung des Initiativvaters . 217 d. Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 e. Die Diskussion um die Elternschaft kraft Zustimmung im DJT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 aa. Rechtsfolge der Einwilligung bei der offiziellen Samenspende . . . . . . . . . . . . . 219 bb. Einwilligung bei der privaten Samenspende . . . . . . . 220 cc. Rechtsnatur der Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . 221 dd. Form der Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 f. Empfehlungen des Arbeitskreises Abstammungsrecht . . . 224 g. Kritische Analyse: Wesentliche Probleme der Mehrelternschaft bei Samenspende . . . . . . . . . . . . 225 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 II. Mehrmutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 1. Leihmutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 a. Verschiedene Formen der Leihmutterschaft . . . . . . . . . 229 b. Konflikte, insbesondere Leihmutterschaft in Thailand, Indien und Kambodscha . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 c. Ablehnung durch das deutsche Recht und der Gang ins Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 d. BGH vom 10.12.2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 aa. Die Entscheidung des Kammergerichts . . . . . . . . . 234 bb. Die Argumentation des BGH . . . . . . . . . . . . . . . 236 e. Kritische Analyse: Verantwortung der Initiativväter . . . . 238 2. Mehrmutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 a. Co-Mutterschaft und Fortpflanzungstechnik . . . . . . . . 241 aa. Eizellenspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 bb. Co-Mutterschaft und reziproke In-vitro-Fertilisation 241 b. Co-Mutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 aa. Anerkennung ausländischer Co-Mutterschaft . . . . . 242 bb. Kritische Analyse: Soziale Elternschaft und potentiell genetische Elternschaft . . . . . . . . . . 244 3. Aktuelle Diskussion um die Mehrmutterschaft . . . . . . . . . 245 a. Aktuelle Diskussion um die Leihmutterschaft . . . . . . . . 245

XVIII

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b. Diskussion um die Co-Mutterschaft . . . . . . . . . . . . . 246 c. Kritische Analyse: Leihmutterschaft und Co-Mutterschaft 246 aa. Leihmutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 bb. Abstammungsrechtliche Co-Mutterschaft . . . . . . . 247 III. Adoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 2. Entwicklung des Adoptionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 3. Offene Adoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 a. Wandel der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 b. Stiefkindadoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 c. Offene Adoption in der heutigen Praxis . . . . . . . . . . . 253 d. Umgangs- und Auskunftsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . 253 e. Grundrechte und EMRK – I.S. v. Deutschland . . . . . . . 255 4. Kritische Analyse: Mehrelternschaft und (offene) Adoption . 256 IV. Stiefeltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 1. Tatsächliche Situation und Herausforderungen . . . . . . . . . 257 2. Rechtliche Situation und Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . 259 a. Kleines Sorgerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 b. Sorgerecht und Adoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 3. Kritische Analyse: das häufigste Mehrelternverhältnis . . . . . 262 V. Pflegeeltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 VI. Queer-Families . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 1. Tatsächliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 2. Derzeitige Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 a. Keine gemeinsame Elternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 265 b. Vaterschaft und Co-Mutterpaar . . . . . . . . . . . . . . . . 266 c. Mutter und schwules Co-Vaterpaar . . . . . . . . . . . . . . 266 d. Reformbedarf? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 3. Kritische Analyse: Die offene Mehrelternschaft . . . . . . . . 267 VII. Embryonenspende und Embryonenadoption . . . . . . . . . . . 268 1. Erzeugung von Embryonen und Embryonenschutzgesetz . . 269 2. Kritische Analyse: Embryonenspende . . . . . . . . . . . . . . 271 VIII. Reproduktionsmedizinische Perspektive: mehr als zwei genetische Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 1. Drei-Eltern-Kinder: Kerntransfer . . . . . . . . . . . . . . . . 272 2. In-vitro-Gametogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 a. Medizinische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 b. Kritische Analyse: Das Ende der Verbindung von Geschlecht und Elternschaft . . . . . . . . . . . . . . . 273 3. Kritische Analyse und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . 274 IX. Zwischenergebnis: Struktur von Mehrelternbeziehungen . . . . . 275 1. Die Vielfalt der Mehrelternbeziehungen . . . . . . . . . . . . . 275

Inhaltsverzeichnis

XIX

2. Zwei-Elternschaft und Systembrüche . . . . . . . . . . . . . . 275 3. Mehrelternschaft in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 4. Struktur der Mehrelternverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . 278 a. Anfängliche Mehrelternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 b. Nachträgliche Mehrelternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 279 c. Einverständliche Mehrelternschaft . . . . . . . . . . . . . . 279 d. Unfreiwillige Mehrelternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 279 e. Erste Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 5. Fortgang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

Teil 4

Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft I.

Tatsächliche Elternverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 1. Genetische Eltern(verbindung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 2. Gestationale Eltern(verbindung) („Geburtsmutter“) . . . . . . 291 a. Die gestationale Elternverbindung der schwangeren Frau . 291 b. Der gestationsbegleitende Beitrag des Partners der Schwangeren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 3. Initiativeltern(verbindung) („Wunscheltern“) . . . . . . . . . . 295 ‌4. Soziale Eltern(verbindung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 II. Analyse der Mehrelternschaft nach Elternverbindungen . . . . . 302 1. Zwei Väter und eine Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 a. Anfängliche unfreiwillige Mehrelternschaft . . . . . . . . . 302 b. Anfängliche einverständliche Mehrelternschaft: Samenspende und Initiativvater . . . . . . . . . . . . . . . . 303 c. Der wankelmütige Initiativvater und die Samenspende . . . 305 2. Leihmutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 3. Geburtsmutter und eine genetische Mutter . . . . . . . . . . . 306 4. Co-Elternschaft, Queer-Families . . . . . . . . . . . . . . . . 307 5. Adoption und Stiefeltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 6. Embryonenspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 III. Grundrechtlicher Schutz aller Elternverbindungen . . . . . . . . 311 1. Art.  6 Abs.  2 GG und die leibliche Abstammung . . . . . . . . 312 2. Genetische Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 3. Geburtsmutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 4. Initiativeltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 a. Verursachung als Grundlage der Elternverantwortung? . . 317

XX

Inhaltsverzeichnis

b. Recht auf Fortpflanzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 aa. Verankerung des Grundrechts . . . . . . . . . . . . . . 320 bb. Reichweite des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . . . . 321 cc. Eigene Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 c. Folgerungen für den Grundrechtsschutz der Initiativeltern 323 5. Soziale Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 a. Schutz der Familie Art.  6 Abs.  1 GG . . . . . . . . . . . . . 324 aa. Generationsübergreifende Verantwortungsübernahme 326 bb. Temporäre Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . 328 cc. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 b. Art.  6 Abs.  2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 6. Nur zwei? Die verfassungsrechtliche Stellung der Mehreltern 331 a. Elternstellung und Elternrecht nach der Verfassung . . . . 331 b. Der Verfassungsgesetzgeber und die natürliche Zeugung . 333 aa. Zeugung durch mehr als zwei Personen . . . . . . . . . 333 bb. Der Wille des Verfassungsgesetzgebers . . . . . . . . . 333 c. Kompetenzkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 aa. Konflikte und gleichberechtigte Elternschaft . . . . . . 335 bb. Ausgestaltung durch den Gesetzgeber, nicht Ausschluss des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . 336 d. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 IV. Zwischenergebnis: Mehrelternschaft als Gestaltungsaufgabe des Gesetzgebers . . . 338

Teil 5

Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft I.

Ausgangspunkt: Die Grundrechte des Kindes . . . . . . . . . . . 341 1. Das Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 2. Der Schutz der Familie, Art.  6 Abs.  1 GG . . . . . . . . . . . . 343 3. Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung . . . . . . . 344 a. Die Entwicklung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 aa. Von der Rassenideologie zum Schutz der Persönlichkeit 345 bb. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . 347 (1) Die Entscheidung vom 31.1.1989 . . . . . . . . . . . 347 (2) Kritische Analyse: eine dünne Tatsachengrundlage 348 (3) Das Urteil vom 13.2.2007 . . . . . . . . . . . . . . . 349

Inhaltsverzeichnis

II.

XXI

(4) Kritische Analyse: Keine Tatsachengrundlage . . . 350 (5) Das Urteil zum Recht des Kindes auf rechtsfolgenlose Feststellung der Vaterschaft vom 19.4.2016 . . 350 b. Begründung eines Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 aa. Plausibilität der Bedeutung der Kenntnis der eigenen Abstammung für die Identitätsentwicklung . . . . . . 351 bb. Die Bedeutung der Kenntnis der eigenen Abstammung in der Rechtsprechung des EGMR . . . . . . . . . . . . 353 cc. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 c. Abstammung und Ursprung: der Schutzbereich . . . . . . . 356 aa. Kenntnis der biologisch-genetischen Eltern . . . . . . . 356 bb. Abstammung oder Ursprung? Kenntnis der Geburtsmutter . . . . . . . . . . . . . . . 356 d. Zwischenergebnis: Ausgestaltung durch den Gesetzgeber . 357 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Ausgestaltung der Elternpositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 1. Eltern müssen eine Elternverbindung haben . . . . . . . . . . 360 2. Verzicht auf Elternrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 a. Unverzichtbar? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 b. Exkurs: Alleinelternschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 3. Mehrelternschaft als Gestaltungsaufgabe des Gesetzgebers . . 365 a. Mehrelternschaft als Eingriff in das Substrat der Institutsgarantie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 aa. Bedeutung der Institutsgarantie . . . . . . . . . . . . . 366 bb. Zwei-Elternschaft als Kernprinzip der Elternschaft? . . 367 b. Gestaltungsvorgabe zum Schutz des Kindeswohls? . . . . . 368 aa. Die notwendige Verbindung von Elternrechten und Elternpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 bb. Konfliktlösung durch Beschränkung von Elternrechten 370 cc. Indizien aus §§  1686a, 1685 Abs.  2, 1687b BGB? . . . . 371 dd. Differenzierung zwischen einverständlicher und unfreiwilliger Mehrelternschaft . . . . . . . . . . . 372 (1) Erfordernis eines Mindestmaßes an Übereinstimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 (2) Einverständliche Mehrelternschaft und Übereinstimmung . . . . . . . . . . . . . . . . 374 (3) Unfreiwillige Mehrelternschaft . . . . . . . . . . . 375 ee. Alloparents oder kooperative Kindererziehung . . . . 375 (1) Bindungsforschung und Fremdbetreuung . . . . . 375

XXII

Inhaltsverzeichnis

(2) Kooperative Kinderbetreuung und die Entwicklung zur bürgerlichen Familie . . 376 (3) Kooperative Kinderbetreuung als evolutionäre Notwendigkeit . . . . . . . . . . . 377 (4) Familie als intellektuell-soziales Konzept . . . . . 379 (5) Zwischenergebnis: Alloparents . . . . . . . . . . . 380 ff. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 c. Kindeswohl und Ausgestaltung mit Blick auf die Kooperationsfähigkeit der Eltern . . . . . . . . . . . . . 381 d. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 4. Anzahl der Elternverbindungen als ermessensleitendes Element für den Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 III. Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten . . . . . . . . 385 1. Wer sind die Eltern, deren Rechte und Pflichten zu regeln sind? 386 a. Grundlage Zwei-Elternschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 aa. Festhalten am Statusprinzip . . . . . . . . . . . . . . . 387 bb. Reform der geltenden §§  1591 ff. BGB insbesondere durch Berücksichtigung des Initiativelternteils . . . . . 387 cc. Mehrelternschaft als Gestaltungsaufgabe . . . . . . . . 389 b. Mehrelternschaft und Schutz des Kindeswohls . . . . . . . 389 c. Elternautonomie, Kindeswohl und Konfliktlösung . . . . . 390 aa. Die Rolle des Elternwillens und das Kindeswohl . . . . 390 bb. Neubegründung der Elternschaft durch Vereinbarung? 391 cc. Exkurs: Widerruflichkeit und Initiativelternschaft . . . 392 dd. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 d. Verminderung der Zahl der Eltern durch Verzicht und Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 aa. Verzicht auf die Elternposition – Registereltern . . . . 394 (1) Adoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 (2) Verzicht zugunsten eines anderen Elternteils . . . 394 (3) Grenze: Schutz der Rechte des Kindes . . . . . . . 395 (a) Kenntnis der Abstammung . . . . . . . . . . . 396 (b) Keine Flucht aus der Verantwortung . . . . . . 398 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 bb. Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 (1) Anfechtung des „Schein-Elternteils“ . . . . . . . . 399 (2) Anfechtung des Kindes, statusunabhängiges Verfahren zur Klärung der eigenen Abstammung 400 (3) Anfechtung durch den genetischen und Initiativvater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 e. Gleichberechtigte Mehrelternschaft . . . . . . . . . . . . . . 402

Inhaltsverzeichnis

XXIII

aa. Gleichberechtigte Mehrelternschaft und Konfliktgefahr 402 bb. Einverständliche und unfreiwillige Mehrelternschaft . 402 cc. Gleichberechtigte Mehrelternschaft und Elternvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 dd. Rechtsfolge: Rechtliche Mehrelternschaft nach familiengerichtlicher Prüfung . . . . . . . . . . . 405 ee. Kindeswille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 f. Nebeneltern: abgestufte Elternrechte und ‑pflichten . . . . 406 aa. Mögliche Nebeneltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 bb. Neben-Elternrechte und ‑pflichten . . . . . . . . . . . . 407 cc. Status . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 dd. Wechsel von der Neben- in die Hauptelternposition . . 409 g. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 2. Elterliche Sorge, Entscheidungsfindung und Vertretung . . . . 410 a. Entscheidungsfindung: Einstimmigkeit oder Mehrheit? . . 411 aa. Einstimmigkeit als Ausdruck der Gleichberechtigung . 411 bb. Das Verhältnis der Eltern untereinander . . . . . . . . . 412 (1) Gesetzliches Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . 412 (2) Anleihen aus der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der Erbengemeinschaft und der Bruchteilsgemeinschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 cc. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 dd. Nicht zusammenlebende Mehreltern . . . . . . . . . . . 419 b. Vertretung des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 c. Stellung der Nebeneltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 d. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 3. Rechte und Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 a. Umgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 b. Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 aa. Gedankenspiel: Unterhalt differenziert nach Elternverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 bb. Unterhalt differenziert nach Haupt- und Nebeneltern 425 (1) Haupteltern und Kind . . . . . . . . . . . . . . . . 425 (2) Nebeneltern und Kind . . . . . . . . . . . . . . . . 426 (a) Unterhaltsrecht nach der Volljährigenadoption 427 (b) Unterhaltsrecht Nebeneltern . . . . . . . . . . 427 cc. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 c. Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 aa. Gedankenspiel: Erbrecht nach Elternverbindungen . . 428 bb. Erbrecht nach dem Vorbild der Volljährigenadoption . 429 4. Zusammenfassung und Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . 431 a. Grundlegende Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . 431

XXIV

Inhaltsverzeichnis

b. Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 aa. Kuckuckskind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 bb. Samenspende, Eizellenspende und Initiativelternschaft 432 cc. Queer-Families und Mehrmutterschaft . . . . . . . . . 433 dd. Leihmutterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 ee. Embryonenadoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 ff. Stiefeltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440

Teil 6

Ergebnisse in Thesen I. II.

Grundlegende Fragen der Elternschaft . . . . . . . . . . . . . . . 443 Elternschaft in der historischen Entwicklung sowie als Grund- und Menschenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 444 III. Mehrelternschaft als gesellschaftliche und rechtliche Herausforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 IV. Elternverbindungen als Grundlage der Elternschaft . . . . . . . . 448 V. Verfassungskonforme Mehrelternschaft . . . . . . . . . . . . . . 451 VI. Die Ausgestaltung der Mehrelternschaft im Familienrecht . . . . 454

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 Rechtsprechungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 1. Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 2. Reichsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 3. Bundesgerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 4. Oberlandes-, Land- und Amtsgerichte (chronologisch) . . . . 492 5. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte . . . . . . . . . 493 6. Europäischer Gerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 7. Gerichte in den USA und im Vereinigten Königreich . . . . . 494 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495

Teil 1

Einleitung und Grundlegung I. Einleitung Das deutsche Recht geht davon aus, dass jedes Kind mindestens zwei Eltern haben muss und höchstens zwei Eltern haben darf.1 Insofern ähnelt das deutsche Konzept der Elternschaft einem Tandem, auf dem stets nur zwei Eltern fahren können. Doch dieses Prinzip der Zwei-Elternschaft wird immer fragwürdiger. Neue Formen des Familienlebens und die einer immer breiteren Masse zugänglichen Maßnahmen der Reproduktionsmedizin 2 stellen traditionelle Konzepte der ­Elternschaft mehr und mehr in Frage. Westliche Gesellschaften sind zunehmend toleranter gegenüber Scheidung, Wiederverheiratung und nichtehelicher Geburt geworden. Immer mehr gleichgeschlechtliche Paare erziehen Kinder oder möchten gern Kinder haben, wofür reproduktionsmedizinische Maßnahmen erforderlich werden. Überdies nimmt die ungewollte Kinderlosigkeit immer mehr zu und wird mit Maßnahmen der Reproduktionsmedizin bekämpft.3 ­Ungefähr 200.000 Paare im Jahr unterziehen sich in Deutschland reproduktions­ medizinischen Maßnahmen, um ihren Kinderwunsch zu erfüllen.4 All diese Entwicklungen bedeuten, dass mehr und mehr Personen in die Zeugung, Geburt und Erziehung von Kindern einbezogen werden können: Samen-, Eizellenund Embryonenspender, Leihmütter, sowie Adoptiveltern von Kindern und Embryo­nen und Stiefeltern. Wer unter dieser Vielzahl sind aber die „echten“ Eltern eines Kindes, und welche Rechte und Pflichten sollten wie vielen von ihnen im Verhältnis zu dem Kind zukommen? Während viele dieser Fragen nicht neu sind – Kuckuckskinder gab es wahrscheinlich schon immer – gewinnen sie in der heutigen Gesellschaft an Aktualität. Dem widmet sich die vorliegende Untersuchung. Sie will dabei nicht Einzelprobleme diskutieren, sondern die Grundlagen der Zuweisung von Rechten und 1  Angesichts der Festlegung, dass es „nur einen“ Vater „geben“ kann, ließe sich zugespitzt vom „Highlander-Prinzip“ sprechen. 2  Müller-Jung, FAZ.net v. 16.5.2016. 3  Verschiedene Zahlen verwenden: Dethloff, Familienrecht, 2015, §  10, Rn.  70 und Grziwotz, NZFam 2014, 1065, 1065 ff. 4  Andere Daten bieten: Dethloff, Familienrecht, 2015, §  10, Rn.  70 und Grziwotz, NZFam 2014, 1065, 1065 ff.

2

Teil 1:  Einleitung und Grundlegung

Pflichten zwischen Eltern und Kindern erörtern. Kern der Untersuchung sind die verschiedenen tatsächlichen Verbindungen zwischen Eltern und Kindern, wie die genetische Abstammung, die Schwangerschaft, die Zeugung oder auch die soziale Eltern-Kind-Beziehung. Diese Verbindungen machen das Verfassungsrecht und das einfache Familienrecht zum Anknüpfungspunkt von Rechten und Pflichten. Diese sollen vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung des Abstammungs- und Sorgerechts,5 der Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Elternschaft,6 der Rechtsprechung des EGMR 7 und der aktuellen Diskussion um Fälle mit mehr als zwei Eltern8 untersucht und zur Grundlage eines neuen Konzepts der Elternschaft gemacht werden. Dieses neue Konzept soll ein Analyseinstrument sowohl für die traditionellen Zwei-Elternverhältnisse als auch für komplizierte Fälle der Mehrelternschaft liefern, an denen sieben Personen und mehr beteiligt sein können.9 Die Untersuchung konzentriert sich auf das deutsche Recht, insbesondere das Verfassungsrecht. Arbeiten zur Rechtslage und Diskussionen in anderen Ländern werden berücksichtigt. Die Untersuchung hat aber keine speziell rechtsvergleichende Ausrichtung. Eine umfassende Berücksichtigung ausländischer Literatur und Gesetze würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen. Umfangreiche Aufarbeitungen rechtsvergleichender Literatur wurden außerdem bereits von anderen Autoren geleistet, auf deren Arbeiten aufgebaut werden kann. Die Untersuchung bezieht alle derzeit diskutierten Fälle der Mehrelternschaft wie Samen-, Eizellen- und Embryonenspende, Leihmutterschaft, die Stellung des leiblichen, nichtrechtlichen Vaters, (Stiefkind)Adoption, generell die Stellung von Stiefeltern sowie Queer-Families ein. Nicht diskutiert werden allerdings Pflegekinder. Diese finden als besondere Form der sozialen Eltern-­ Kind-Beziehung zwar immer wieder Erwähnung, werfen aber besondere Probleme gerade im Zusammenhang mit der Arbeit des Jugendamtes auf, die im Rahmen dieser Untersuchung nicht bearbeitet werden sollen. Nach einer Klärung der Begrifflichkeiten und einer Einführung in dogmatische und rechtsphilosophische Aspekte der Untersuchung in Teil 1 II, schildert Teil 2 I die Entwicklung des geltenden Familienrechts und die Stellung der Eltern in diesem System. Hier zeigt sich, dass die gleichberechtigte Stellung zweier Eltern eine relativ neue Entwicklung des Familienrechts ist. So hatte das nicht­ eheliche Kind bis zum Nichtehelichengesetz von 1970 nur einen Elternteil, seine Mutter. Das Adoptivkind hatte demgegenüber bis zum Adoptionsgesetz 1977 bis zu vier rechtliche Eltern. Erst ab diesem Zeitpunkt erfolgte eine Konzentration auf das Prinzip der zwei gleichberechtigten Eltern. Konstellationen mul­ 5 

Vgl. Teil 2 I (S.  33). Teil 2 II (S.  103). 7  Teil 2 III (S.  188). 8  Teil 3 (S.  197). 9  Teil 4 I (S.  283), II (S.  302). 6 

I. Einleitung

3

tipler Elternschaft, hier als Mehrelternschaft bezeichnet, die den Gesetz­geber bereits früher mit Kuckuckskindern sowie aufgrund reproduktionsmedizinischer Maßnahmen durch Samenspenden und Leihmutterschaft beschäftigten, wurden durch eine rechtliche Beschränkung auf zwei Eltern gelöst. Ein gutes Beispiel dafür liefert die Entwicklung des §  1591 BGB, mit dem 1998 durch Negierung einer Rechtsposition für die genetische Mutter der Geburtsmutter die alleinige Mutterstellung endgültig zugewiesen wurde. Der Teil 2 II widmet sich dem verfassungsrechtlichen Elterngrundrecht gem. Art.  6 Abs.  2 GG. Dabei wird betont, dass das Elterngrundrecht im Interesse von Kindern und Eltern gleichermaßen besteht und den Eltern in den Grenzen des staatlichen Wächteramts des Art.  6 Abs.  2 und 3 GG gestattet, über Mittel und Ziele der Erziehung des Kindes zu entscheiden. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Elterndefinition wird die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dargestellt, die im Rahmen der später zu entwickelnden eigenen Elternkonzeption kritisch zu würdigen ist. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geht davon aus, dass jedes Kind nur zwei Träger des Elternrechts haben kann. Darum steht die Auseinandersetzung mit dem verfassungsrechtlichen Elternbegriff und der Ausgestaltung des Grundrechts aus Art.  6 Abs.  2 GG im Zentrum der Untersuchung. In Teil 3 werden Fälle multipler Elternschaft geschildert, die von deutschen Gerichten zu entscheiden waren bzw. die in der Literatur diskutiert werden. Dazu gehören Fälle des Nebeneinanders biologischer und rechtlicher Eltern, Samenspende, Leihmutterschaft, Queer-Families (schwul-lesbische Co-Elternschaft), Embryonenspende, Pflege- und Adoptiveltern. Diese Fälle waren auch Gegenstand der Diskussion auf dem Deutschen Juristentag 2016 sowie im Arbeitskreis Abstammungsrecht. Dieser Teil macht deutlich, dass das Prinzip der Zwei-Elternschaft sowohl tatsächlich als auch rechtlich immer stärker an Bedeutung verliert und durch ein neues Konzept der Elternschaft ersetzt werden muss. In Teil 4 entwickelt die Untersuchung ein neues Konzept der Elternschaft, das geeignet ist, die verschiedenen Elternverbindungen abzubilden, die heute durch Reproduktionsmedizin sowie durch Stief- und Patchworkfamilien entstehen. Gesellschaftliche und medizinische Entwicklungen haben dazu geführt, dass heute mehr als zwei Personen legitime Eltern-Interessen an einem Kind entwickeln können. Ein neues Verständnis der Elternschaft verlangt daher eine sorgfältige Analyse dieser verschiedenen Verbindungen zum Kinde. Die Untersuchung illustriert diese Verbindungen mit einem Bild, das ich zu diesem Zweck gezeichnet habe.10 Dabei werden vier tatsächliche Arten von Beziehungen oder Verbindungen zwischen Eltern und Kindern unterschieden, die das Recht jeweils zum An10 

Vgl. Teil 4 I (S.  286).

4

Teil 1:  Einleitung und Grundlegung

knüpfungspunkt von Rechten und Pflichten machen kann. Zwischen dem Kind und seinen leiblichen Eltern, aber auch Samen- und Eizellenspender, besteht eine genetische Verbindung. Zwischen dem Kind und der Geburtsmutter, also der Frau, die das Kind ausgetragen und auf die Welt gebracht hat, besteht eine Verbindung, die als „Schwangerschaftsverbindung“ bzw. gestationale Elternverbindung bezeichnet wird.11 Personen, die die Zeugung des Kindes verursacht haben, sei es durch Geschlechtsverkehr oder durch den Einsatz von reproduktionsmedizinischen Maßnahmen, die auf ihre Veranlassung unternommen wurden, werden als „Initiativeltern“ (seltener „initiative Eltern“) bezeichnet. Schließlich gibt es die sozialen Eltern, die für das Kind sorgen und ihm die Wärme und Fürsorge sowie Erziehung geben, mit denen sich das Kind angemessen entwickeln kann. Traditionell bestanden diese Beziehungen zwischen einem Kind und seinen zwei Eltern, die das Kind mit ihrer Samen- und Eizelle im Geschlechtsverkehr zeugten und das von der Frau ausgetragene Kind gemeinsam aufzogen. Die moderne Pluralisierung und Segmentierung der Elternschaft12 führt jedoch dazu, dass die verschiedenen Beiträge zur Zeugung und Entwicklung eines Kindes heute teils von verschiedenen Personen übernommen werden können. Diese Beiträge sind für eine angemessene rechtliche Regelung separat zu untersuchen. Dafür liefert die vorliegende Untersuchung ein Analyseinstrument. Anschließend werden die verschiedenen Elternverbindungen grundrechtlich gewürdigt. Es wird gezeigt, dass nicht nur zwei Eltern, ein Vater und eine Mutter, Elternrechte in Bezug auf ein Kind haben können. Statt eines Tandems mit zwei radelnden Eltern, muss man sich die moderne Elternschaft eher als einen Kleinbus vorstellen. In diesem Bus können verschiedene Eltern mitfahren, die alle von Art.  6 Abs.  1 und 2 GG geschützt werden. Diese Grundrechte sind jedoch vom Gesetzgeber in Vorschriften des Fami­ lienrechts auszugestalten. Die Rechte des Kindes müssen dabei im Zentrum ­stehen.13 Von größter Bedeutung ist insofern das Recht des Kindes auf staat­liche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung, das als Gewährleistungs­ recht den Staat verpflichtet, Elternrechte auszugestalten. Der Staat muss danach 11  Abgesehen von der „Schwangerschaftsverbindung” und der genetischen Elternschaft, welche – bisher – nur durch eine Frau bzw. einen Mann und mindestens eine Frau etabliert werden können, geht die Untersuchung nicht davon aus, dass die Eltern ein unterschiedliches Geschlecht haben müssen. Auch im Bereich der genetischen Elternschaft ist die medizinische Forschung in Bewegung. Erst im September 2016 wurde über die Geburt eines Kindes berichtet, das genetisches Material von drei Eltern enthält, den Zellkern der Frau, die das Kind später austrug, und die Eizelle einer Spenderin, deren genetische Mitochondrien im Gegensatz zu der anderen Frau nicht mit einer Erbkrankheit belastet waren. vgl. Hamzelou, NewScientist v. 27.9.2016: mit Informationen zu früheren Kindern mit dem genetischen Material von mehr als zwei Eltern; vgl. auch: Baby dreier Eltern geboren, FAZ.net v. 27.9.2016; Baby mit drei biologischen Eltern geboren, SZ v. 27.9.2016. 12 Vgl. Vaskovics, RdJB 2016, 194. 13  Teil 5 I (S. 341).

II. Grundlegung

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s­icherstellen, dass das Kind Eltern hat, die ihm die Fürsorge zuteilwerden ­lassen, die es ihm erlaubt, sich zu einer eigenständigen Persönlichkeit zu ent­ wickeln. Von Bedeutung ist außerdem das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung, das sich sowohl auf die genetischen Eltern als auch auf die Geburtsmutter bezieht. Für die angemessene Ausgestaltung des Elterngrundrechts durch den Gesetzgeber entwickelt die Untersuchung anschließend Leitlinien.14 Dabei wird insbesondere die Frage diskutiert, ob eine familienrechtliche Regelung, die für ein Kind mehr als zwei Eltern vorsieht, verfassungsrechtlich zulässig wäre. Insofern ist insbesondere zu problematisieren, ob das Kind unter den zwischen mehreren Eltern auftretenden Konflikten so sehr leiden würde, dass der Staat ein Familienrecht, dass mehr als zwei Eltern zulässt, zum Schutz des Kindes nicht im BGB regeln dürfte. An dieser Stelle müssen nicht nur die Möglich­ keiten von Eltern erörtert werden, Konflikte zum Wohl des Kindes zu ver­ meiden, sondern auch die anthropologischen und historischen Grundlagen der Entwicklung der Elternschaft.15 Schließlich entwickelt die Untersuchung Diskussionsansätze für die rechtliche Regelung der Mehrelternschaft im Familien- und Erbrecht.16 Dabei werden erste Vorschläge für eine Regelung von elterlicher Entscheidungsfindung, Abstammungsrecht, Anfechtung, Umgang, Sorge, Unterhalts- und Erbrecht erarbeitet. Die Untersuchung schließt mit ersten Vorschlägen für die Ausgestaltung von Register-, Haupt-, Neben- und gemeinschaftlicher Elternschaft, mit denen ein rechtlicher Rahmen für die Wahrnehmung multipler Elternschaft geschaffen werden kann. Nur eine begrenzte Anzahl von Personen, die ihre Kooperationsfähigkeit unter Beweis gestellt haben, kann danach gleichberechtigt am Steuer des Kleinbusses der Elternschaft sitzen.

II. Grundlegung 1. Begrifflichkeiten Zu Beginn ist eine kurze Klärung der Begrifflichkeiten erforderlich, die freilich in der folgenden Untersuchung immer weitergehend ausgeführt wird. Die folgende Untersuchung unterscheidet zwischen verschiedenen Aspekten von Elternschaft, die vielfach zusammenfallen, aber separat diskutiert werden können und müssen. „Elternschaft“ wird hier weit verstanden und meint die Gesamtheit aller Personen, die Eigenschaften, Rolle und Funktionen von Eltern in Bezug auf ein Kind inne haben. Diese Eigenschaften können die genetische Ab14 

Teil 5 II (S. 359). Teil 5 II 3 (S. 365). 16  Teil 5 III (S. 385). 15 

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Teil 1:  Einleitung und Grundlegung

stammung (genetische Eltern) oder die Tatsache sein, dass eine Frau ein Kind ausgetragen und geboren hat (gestationales Elternteil). Schwieriger ist die Rolle des Partners bzw. der Partnerin zu beurteilen, der bzw. die die austragende Frau dabei begleitet.17 Die rechtliche Elternschaft bedeutet, dass einer Person der rechtliche Status als Elternteil zukommt und sie aus diesem Grund Rechte und Pflichten nach dem Unterhalts-, Umgangs-, Sorge- und Erbrecht in Bezug auf dieses Kind innehat.18 Eine ausführliche Darstellung und Diskussion der verschiedenen Formen der Elternverbindungen mit einer bildlichen Illustration findet sich in Teil 4. Eine farbige Illustration liegt dem Buch bei bzw. kann bei der Autorin angefragt werden. Als soziale Eltern bezeichnet die Untersuchung jene Personen, die tatsächlich für das Kind sorgen, ihm als Hauptbezugspersonen Schutz, Nahrung und die notwendige Zuwendung geben, ohne die sich Menschen nicht entwickeln können.19 Traditionell verstand man unter dem Begriff der leiblichen Eltern den Mann, der das Kind mit seinem Samen gezeugt hatte, und die Frau, von der die Eizelle stammte und die es geboren hatte. Die Untersuchung verwendet den Begriff leibliche Eltern daher zur Bezeichnung des Mannes und der Frau, die das Kind durch Geschlechtsverkehr mit ihren Keimzellen gezeugt haben und für die Frau, die das Kind anschließend ausgetragen hat – soweit diese Aspekte der ­Elternschaft vereint sind oder im konkreten Kontext nicht zu unterscheiden sind. Mit der durch die Entwicklung der Reproduktionsmedizin möglichen Fragmentierung des Zeugungsvorgangs werden jedoch Begrifflichkeiten er­ forderlich, die eine Differenzierung erlauben. In seiner Stellungnahme zur Embryonenspende und Adoption vom März 2016 bezeichnet der Deutsche Ethikrat als genetische Eltern diejenigen Personen, von denen die Keimzellen, d. h. Samen- und Eizelle, stammen. Biologische Eltern sind danach wiederum die Personen, von denen die Keimzellen stammen und die das Kind austragende Frau.20 Daher bezeichnet die Untersuchung die Personen, von denen die Keimzellen zur Zeugung des Kindes stammen, d. h. Eizellen„spenderin“ und Samenzellen„spender“, als genetische Eltern.21 17  Die Untersuchung räumt dieser Person keine eigene Elternstellung ein, geht aber davon aus, dass diese Person einen „gestationsbegleitenden“ Beitrag leisten kann, der eine besonders gute Grundlage für die spätere Entwicklung einer sozialen Beziehung zum Kind bilden könnte. 18  Dazu Teil 1 II 3 a (S. 11). 19  Vgl. zur Elternschaft als soziales Phänomen insbesondere Willekens, RdJB 2016, 130 ff. 20  Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung, 2016, 14. 21  Dabei wird es sich üblicherweise um einen Mann und eine Frau handeln. Jedoch können und werden bereits jetzt Kinder mit den Keimzellen von mehr als zwei Personen gezeugt werden: vgl. Weltweit erstes Baby mit drei Eltern geboren, Spiegel Online v. 27.9.2016; Baby dreier Eltern geboren, FAZ.net v. 27.9.2016; außerdem ist zu erwarten, dass in Zukunft Keimzellen unter Verwendung von Körperzellen auch von einer oder mehr als drei Personen ge-

II. Grundlegung

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Die austragende Frau kann – wie im Gesetzesentwurf zum Kindschaftsrechtsreformgesetz von 1997 – als biologische Mutter bezeichnet werden.22 Um eine Verwechslung mit der genetischen Mutter, d. h. der Eizellen„spenderin“ zu verhindern, die ja auch eine biologische Mutter ist, wird aber der Begriff gestationale Mutter, gestationales Elternteil23 oder Geburtsmutter verwendet. Bei leiblicher Elternschaft sind die Personen, die die genetischen wie auch gestationale Eltern sind, auch die Menschen, die das Kind zeugen. Durch die Zeugung im Geschlechtsakt verursachen die Eltern die Existenz des Kindes. Bei einer Zeugung eines Kindes in vitro werden als Zeugungseltern oder Ini­ tiativeltern jedoch die Personen bezeichnet, für die die Vereinigung von Samenund Eizelle vom medizinischen Personal durchgeführt wird, also beispielsweise die Frau, die die befruchtete Eizelle austragen möchte, und ihr Partner – männlich oder weiblich –, der oder die ihrer Befruchtung zugestimmt hat, vgl. §  1600 Abs.  5 BGB. Die Initiativeltern können auch die Personen sein, für die eine befruchtete Eizelle erzeugt wird, die dann von einer Leihmutter ausgetragen wird. Diese Personen, die mit einer Leihmutter in eine Vereinbarung treten, werden auch als Wunsch- oder Bestelleltern bezeichnet, die Untersuchung vermeidet diese Begriffe jedoch. Als rechtliche Eltern werden die Personen bezeichnet, denen das Abstammungsrecht gem. §§  1591 f. BGB die Elternstellung zuweist.

2.  Elternschaft als Tatsache und als Rechtsfrage Die Frage, wer die Eltern eines Kindes sind, lässt sich als Tatsachenfrage oder als Rechtsfrage stellen. Als tatsächliche Eltern lassen sich die genetischen Eltern, die Geburtsmutter, die Zeugungseltern, die Wunscheltern und die sozialen ­Eltern begreifen. Als Rechtsfrage des einfachen Rechts ist die Elternschaft nach den Regeln des Abstammungsrechts zu beantworten. Der verfassungsrechtliche Begriff der Elternschaft gem. Art.  6 Abs.  2 GG prägt als Rahmen freilich auch die Ausgestaltung des einfachen Rechts. Auf der tatsächlichen Ebene verstand man als Eltern traditionellerweise die leiblichen Eltern, d. h. den Mann, der das Kind mit seinem Samen gezeugt, und die Frau, die es geboren hatte. Auf diese leibliche Abstammung stellt die Ahnenforschung, z. B. zur Ermittlung der Erben von Adelshäusern ab, wie der unten diskutierte Fall um die schottische Baronie Pringle of Stichill24 exemplarisch zeigt. Was die leibliche Abstammung medizinisch bedeutet – die Zeugung des wonnen werden können vgl. Albrecht, FAZ.net v. 28.10.2016; Suter, Journal of Law and the Biosciences, 2016, 1, 3 ff. 22  BT-Drucks. 13/4899, 82. 23  Bisher ist dies nur durch Frauen möglich und auch die Erzeugung einer künstlichen Gebärmutter ist medizinisch noch nicht möglich. 24  In the matter of the Baronetcy of Pringles of Stichill [2016] UKPC 16.

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Kindes durch Vereinigung von Samenzelle und Eizelle mit anschließender Entwicklung des Embryos bis zur Geburt – und wie die genetische Vererbung stattfindet, blieb allerdings bis ins 20. Jahrhundert unklar.25 So gingen beispielsweise Pythagoras,26 aber auch Forscher, wie z. B. Paracelsus, bis in das 18. Jahrhundert davon aus, dass allein der Vater Eigenschaften an seine Kinder vererben konnte. Vollständige Menschen im Miniaturformat (sog. Homunkuli) wurden nach dieser Ansicht im Samen des Mannes während des Geschlechtsverkehrs in den Körper der Frau appliziert, wo sie nur noch heranwachsen mussten.27 Die menschliche Vererbung über die DNA des Mannes und der Frau sowie die Mitochondrien in den Gameten wurde erst mit der Entwicklung der modernen Genetik deutlich.28 Die Feststellung der Mutter bereitete bis zur Entwicklung der Eizellenspende wenige Schwierigkeiten.29 Dies zeigt nicht nur das klassische Diktum „Mater semper certa est“, sondern auch das amerikanische Sprichwort „maternity is a matter of fact, paternity is an opinion.“30 Zur Bestimmung des Vaters verwendete man daher rechtliche Vermutungen, die an soziale Tatsachen anknüpften wie die, dass der Vater des Kindes der Ehemann der Mutter sei. Anknüpfend an solche Tatsachen wurde die Rechtsstellung von Eltern und Kindern bestimmt, die häufig, aber nicht notwendig, mit genetischer Verwandtschaft einhergingen. Umgekehrt genügte die genetische Verwandtschaft zur Etablierung eines rechtlichen Eltern-Kind-Verhältnisses nicht, wenn die Geburt außerhalb des sozial akzeptierten Rahmens einer Ehe stattgefunden hatte. Nichteheliche Kinder hatten in praktisch allen Rechtsordnungen einen Sonderstatuts.31 Sie galten z. B. in Deutschland32 bis 1961 als mit ihrem Vater nicht verwandt, andere Rechtsordnungen, insbesondere das englische Common Law, sahen sie traditi25  Vgl. zur Entwicklung der Erforschung der menschlichen Vererbung: Mukherjee, The Gene, 2016. 26 Vgl. Mukherjee, The Gene, 2016, 21. 27 Vgl. Mukherjee, The Gene, 2016, 25 f. 28  Zur Entwicklung der Erforschung der menschlichen Vererbung: Mukherjee, The Gene, 2016, 15 ff.; vgl. zu den genetischen Grundlagen der Vererbung: Jobling u. a., Human Evolutionary Genetics, 2014, 31 ff. 29  Eine Ausnahme bildet der Fall des House of Lords Douglas v. Duke of Hamilton (1769) 2 Pat 143, in dem die Abstammung einer adligen Erbin von einer zum Zeitpunkt der Geburt 48-jährigen Mutter in Frage stand; vgl. Cretney, Family Law in the Twentieth Century, 2004, 529 f. 30 Vgl. Häcker, LQR 2017, 36; vgl. Cretney, Family Law in the Twentieth Century, 2004, 529. 31  Vgl. nur: Zeller, Das Recht des nichtehelichen Kindes, 1976, 13 f.; Cretney, Family Law in the Twentieth Century, 2004, 545 ff.; zur Illegitimität im Preußen des 18. und 19. Jahr­ hunderts: Harms-Ziegler, Illegitimität und Ehe, 1991; vgl. auch Schumann, Die nichteheliche ­Familie 1998. 32  Vgl. zum römischen, gemeinen und deutschen Recht vor dem Inkrafttreten des BGB: Schubert (Hrsg.), Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB/Familienrecht Teil 3, Anlagen und Abänderungsanträge zum Familienrechtsentwurf, Anlage VIII, 1983, 154 ff.

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onell sogar als elternlos an.33 Elternrechte und -pflichten knüpften damit sowohl an eine vermutete leibliche Verbindung zwischen Kindern und Eltern als auch an die Eheschließung der Eltern an. Inzwischen erlaubt die moderne Genetik die sichere Bestimmung von Verwandtschaftsverhältnissen über Jahrhunderte hinweg.34 Trotzdem sieht das Recht auch heute nicht allein die genetische Abstammung als entscheidend für die rechtliche Zuordnung von Rechten und Pflichten zwischen Kindern und Erwachsenen an. Abgestellt wird auf soziale Beziehungen, genetische Abstammung, Zeugung, Geburt und sogar auf den schlichten Willen potentieller Eltern (intentionale Elternschaft),35 der z. B. in einer Anerkennung oder Adoption rechtliche Wirkung finden kann.36 Das deutsche Recht stellt Pflege und Erziehung durch die Eltern unter den Schutz des Grundgesetzes und macht damit die Frage, wer die Eltern eines Kindes sind, zu einem verfassungsrechtlichen Problem. Dieses Problem kann allerdings wiederum mit Blick auf das einfache Recht beantwortet werden. Wie auch im Grundrecht auf Eigentum, das denjenigen schützt, der Eigentum nach den Vorschriften des einfachen bürgerlichen Rechts erworben hat,37 sind jedenfalls die Personen Eltern im Sinne des Grundgesetzes, die das einfache Abstammungs- oder Adoptionsrecht als Eltern ausweist.38 Doch weniger als das Eigentum ist das Elternrecht gem. Art.  6 Abs.  2 GG allein durch das einfache Recht zu bestimmen. Die Beziehung zwischen Kindern und Eltern ist nicht nur eine rechtliche Konstruktion. „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“ lautet Art.  6 Abs.  2 S.  1 GG. Die Bezeichnung als „natürliches Recht“ macht deutlich, dass es sich bei dem Verhältnis von Eltern und Kindern um ein vorrechtliches auf genetischer Abstammung39 beruhendes, natürliches Phänomen und nicht eine staatlich begründete Institution handelt.40 Auch das Bundesverfassungsgericht 33 Vgl.

Cretney, Family Law in the Twentieth Century, 2004, 545 f. Vgl. z. B. Jobling u. a., Human Evolutionary Genetics, 2014, 585 ff. 35  Ein große Rolle räumen Schwenzer und Dimsey der intentionalen Elternschaft in ihrem Model Family Code ein: vgl. Schwenzer/Dimsey, Model Family Code, 2006, 98 f. 36 Vgl. zu einem Überblick zu verschiedenen Herangehensweisen an den Begriff der Eltern­schaft mit weiteren Nachweisen: Herring, Family Law, 2015, 345 ff., 390 ff. 37  Vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.6.1977 – 2 BvR 499/74, 1042/75, BVerfGE 45, 142, 179 f.; vgl. auch Beschl. d. 3. Kammer d. Ersten Senats v. 16.9.2009 – 1 BvR 2275/07, BVerfGK, 16, 207, 229 = juris, Rn.  74. 38  Adoption: BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 150; rechtliche und biologisch-genetische Abstammung: BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101; BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 79, Rn.  53. 39  v. Münch/Kunig-GG/‌ Coester-Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  69 knüpft hier bereits an die leibliche Abstammung an. 40 v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌ Robbers, 2010, Art.  6, Rn.  183; Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 110. 34 

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­ eschreibt das Elternrecht als ein nicht vom Staat verliehenes, sondern als ein b vorgefundenes Recht.41 Ist aber Elternschaft auch ein außerrechtliches Phänomen, dann kann Eltern­ schaft im Sinne des Grundgesetzes nicht allein durch das einfache Recht ­bestimmt werden. Damit bleibt zur Bestimmung des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs nur der Blick auf das Tatsächliche, d. h. auf die Erkenntnisse der Wissenschaft darüber, wer jenseits des Rechts die Eltern eines Kindes sind, z. B. die genetischen und/oder die sozialen. Das Elterngrundrecht muss jedoch vom Gesetzgeber mit Rechten wie z. B. Abstammungs-, Unterhalts- und Sorgerechten ausgestaltet werden,42 um ausgeübt werden zu können. Auch das Erbrecht, das nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in seiner Eigenschaft als Familienerbrecht grundrechtlich einschließlich des Pflichtteils gem. Art.  14 Abs.  1, Art.  6 Abs.  1 GG geschützt ist, ist vom Gesetzgeber auszugestalten.43 Dieser Doppelnatur des Elternrechts im Sinne der Verfassung entspricht es, dass Rechtsprechung und Literatur sowohl die Eltern nach einfachem Recht (häufig als „rechtliche Eltern“ bezeichnet) als auch die genetischen Eltern unabhängig von ihrer Elternstellung im einfachen Recht als Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG anerkennen.44 Damit gewinnt das Verhältnis von tatsächlicher Elternschaft und rechtlicher Elternschaft im deutschen Recht besondere Bedeutung.45 Im folgenden Abschnitt sollen zunächst knapp die einfachrechtlichen Regelungen zur Elternschaft im deutschen Recht und ihre Bedeutung in Erinnerung gerufen werden. Zur Verdeutlichung insbesondere des deutschen Statusprinzips wird anschließend ein kurzer Vergleich mit dem englischen und schottischen Recht anhand der Entscheidung des Privy Council des Vereinigten Königreichs In the matter of the Baronetcy of Pringles of Stichill 46 herangezogen werden.

41  Vgl. nur BVerfG, Urt. v. 9.2.1982 – 1 BvR 845/79, BVerfGE 59, 360, 376; BVerfG, Beschl. v. 17.2.1982 – 1 BvR 188/80, BVerfGE 60, 79, 88; vgl. Maunz/Dürig-GG/‌Badura, Stand 2013, Art.  6 , Rn.  91. 42  Vgl. zu Ausgestaltung und Institutsgarantie unten Teil 2 II 3 a (S. 117). 43  Vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.4.2005 – 1 BvR 1644/00, 188/03, BVerfGE 112, 332; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 29.1.1969 – 1 BvR 26/66, BVerfGE 25, 167, 174; BVerfG, Beschl. v. 8.12.1976 – 1 BvR 810/70, 57/73, 147/76, BVerfGE 44, 1, 18; BVerfG, Beschl. v. 3.11.1981 – 1 BvL 11/77, 85/78, 1 BvR 47/81, BVerfGE 58, 377, 389. 44 BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 100, 103; ­BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 81. 45 Zur Bedeutung des Verfassungsrechts für die vorliegende Untersuchung: Teil 1 II 4 (S. 19). 46  [2016] UKPC 16.

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3.  Elternschaft nach geltendem deutschen Recht a. Statusprinzip Elternschaft kann zwar über verschiedene Tatsachen wie die genetische Abstammung und eheliche Geburt bestimmt werden. Die Frage aber, welche Tatsachen in welcher Weise für die Bestimmung rechtlicher Beziehungen zwischen Eltern und Kindern herangezogen werden, hängt von der jeweiligen Rechtsordnung ab. Elternschaft wird im deutschen Familienrecht wie auch in anderen kontinental-europäischen Rechtssystemen als rechtlicher Status47 (Statusprinzip)48 verstanden, der durch die Regeln des Abstammungsrechts vermittelt wird.49 Als Status eines Menschen kann der in seiner Person liegende Anknüpfungspunkt eines Systems von Rechten und Pflichten seines Trägers und von recht­ lichen Beziehungen zu anderen Menschen und Institutionen bezeichnet werden. Traditionell spricht man in diesem Sinne beispielsweise vom Ausländerstatus, Beamtenstatus oder Abgeordnetenstatus. Dem familienrechtlichen Status der Elternschaft wird eine vergleichbare Ordnungsfunktion beigemessen.50 Besonderes Kennzeichen der Statusbestimmung der Elternschaft ist ihre Inter-omnes-Wirkung. Die gesetzlichen Wirkungen der Statusfeststellung bzw. einer späteren Änderung wirken für und gegen alle und haben im hier interessierenden Zusammenhang insbesondere Sperrwirkungen für ein Bestreiten oder eine Behauptung von Elternschaft außerhalb von Statusverfahren und §   1598a BGB.51 Das Abstammungsrecht ist zwingendes Recht und damit der Disposition durch die Beteiligten entzogen.52 Der Status kann im Interesse der Statusbeständigkeit nur nach den speziellen Regeln des Anfechtungsrechts und von bestimmten Personen, in einem eigenen familiengerichtlichen Verfahren beseitigt werden.53 In Deutschland geschieht dies durch ein Anfechtungsverfahren gem. §§  1599 ff. BGB.54 Das Verständnis der Elternschaft als Status und nicht als Tatsache bedeutet freilich nicht, dass Tatsachen keine Bedeutung zukommt. Das Abstammungsrecht muss vielmehr die Tatsachen bestimmen, bei deren Vorliegen der Status 47  Vgl. zum Familienrecht als Statusrecht: Windel, in: Lipp/Röthel/Windel (Hrsg.), Familienrechtlicher Status und Solidarität, 2008, 1, 6 ff. 48  Siehe z. B. Wanitzek, Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Reproduktion, 2002, 152. 49  Helms, StAZ 2014, 225, 228; Preisner spricht von einem gesetzlichen mittreuhänderischen Schuldverhältnis: Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, 2014. 50 Vgl. Brüggemann, FamRZ 1966, 530. 51  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 2010, §  52, Rn.  6 . 52  Dethloff, Familienrecht, 2015, §  10, Rn.  2. 53 Vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 2010, §  52, Rn.  4. 54  Dethloff, Familienrecht, 2015, §  10, Rn.  28 ff.

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der Elternschaft zuzuweisen ist. Das deutsche Abstammungsrecht richtet sich nicht nach dem individuellen Kindeswohl, das unter Auswertung bestimmter Tatsachen zu ermitteln wäre. Stattdessen erfolgt die Zuordnung des Status nach Tatsachen, bei deren Vorliegen im Interesse der Rechtssicherheit schnell und klar rechtliche Verantwortung von zwei Eltern für ein Kind begründet werden kann (Statusklarheit).55 Als Grundprinzip geht das Abstammungsrecht von der genetischen Abkunft als Grundlage der Verwandtschaft aus, ohne aber strikt hierauf abzustellen.56 Denn obwohl heute die genetische Abstammung in den meisten Fällen ohne Schwierigkeiten57 geklärt werden kann, stellt das Gesetz nach wie vor auch auf soziale bzw. rechtliche Tatsachen ab, wie z. B. die Ehe zwischen der gebärenden Mutter und dem rechtlichen Vater. Diese Tatsachen gehen in den meisten Fällen, aber nicht notwendig, mit der genetischen Abstammung einher.58 b.  Rechtliche Zwei-Elternschaft Rechtliche Mutter eines Kindes ist gem. §  1591 BGB die Frau, die es geboren hat. Rechtlicher Vater eines Kindes ist gem. §  1592 Nr.  1 BGB der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist. Ist die Mutter nicht verheiratet, ist Vater gem. §  1592 Nr.  2 BGB der Mann, der die Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter anerkannt hat. Ist auch dies nicht geschehen, ist Vater gem. §  1592 Nr.  3 BGB der Mann, dessen Vaterschaft in einem gerichtlichen Verfahren festgestellt wurde. Zwar wird mitunter die Vaterschaft des Ehemannes der Geburtsmutter gem. §  1592 Nr.  1 BGB als „Vermutung“ bezeichnet, doch ist dies nicht ganz richtig. Die Ehe der Mutter mit dem Mann begründet die rechtliche Vaterschaft, die nur im Rahmen eines Anfechtungsverfahrens beseitigt werden kann. In der Tat besteht in diesem Verfahren gem. §  1600c Abs.  1 BGB eine Vermutung für die Vaterschaft des anfechtenden Mannes, doch ist dies von der Wirkung der Vorschrift des §  1592 Nr.  1 BGB zu unterscheiden, die dem Kind direkt einen rechtlichen Vater zuordnet.

55  Helms, StAZ 2014, 225, 228; MüKo-BGB/‌Wellenhofer, 6.  Aufl. 2012, Abstammung Vorbem., Rn.  20; Dethloff, Familienrecht, 2015, §  10, Rn.  1; BeckOK-BGB/‌Hahn, §  1592, Rn.  1; Heiderhoff, FamRZ 2012, 1604; FamRZ 2013, 1212 argumentiert dafür, dass den Überle­ gungen zum Kindeswohl mehr Gewicht gegeben werden soll. 56 MüKo-BGB/‌ Wellenhofer, 6.  Aufl. 2012, Abstammung Vorbem., Rn.  19. 57  Fälle, in denen die Feststellung der genetischen Abstammung von lebenden Personen Schwierigkeiten bereitet, sind selten. Einen solchen Fall bildete die Feststellung der Vaterschaft von homozygoten Zwillingen, die beide in der Empfängniszeit mit der Mutter Geschlechtsverkehr hatten: BVerfG, Beschl. d. 2. Kammer d. Ersten Senats v. 18.8.2010 – 1 BvR 811/09, BVerfGK 17, 492. 58  Helms, StAZ 2014, 225, 226; MüKo-BGB/‌Wellenhofer, 6.  Aufl. 2012, Abstammung Vorbem., Rn.  20.

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Das Abstammungsrecht kennt nur die Elternschaft von zwei Eltern – einem Vater und einer Mutter.59 Gem. §  1591 BGB ist nur die Frau, die das Kind geboren hat, die Mutter des Kindes. Die genetische Abstammung, beispielsweise von einer Eizellenspenderin, ist abstammungsrechtlich irrelevant.60 Unabhängig von der medizinischen Durchführbarkeit61 wäre rechtlich auch unerheblich, ob der Embryo einen Teil seiner Entwicklung vor der Geburt bereits im Uterus einer anderen Frau als der späteren Geburtsmutter verbracht hat. Im Zusammenhang mit der Vaterschaft stellt das Zusammenspiel der §§  1593 S.  3, 4, 1594 Abs.  2, 1600d Abs.  1 BGB sicher, dass die verschiedenen Zuordnungsregeln des §  1592 BGB niemals gleichzeitig eingreifen62 und einem Kind rechtlich nicht mehrere Väter zugeordnet werden können. Hinsichtlich der Anerkennung durch mehrere potentielle Väter gilt nach h. M. das Prioritätsprinzip (§  1594 Abs.  2 BGB) um zu bestimmen, welchem Kandidaten die Vaterstellung zukommen soll.63 Im Rahmen des Anfechtungsverfahrens kann eine rechtliche Vaterschaft beseitigt werden und so rechtliche und genetische Vaterschaft wieder zur Deckung gebracht werden (Statuswahrheit). 64 Anfechtungsberechtigt sind nur der rechtliche Vater, das Kind, die Mutter und – bei Fehlen einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind – der mutmaßliche genetische Vater. 65 Eine Anfechtung der Mutterschaft ist nicht vorgesehen. Eine Sonderstellung nimmt das Verfahren gem. §  1598a BGB ein, das eine Klärung der Abstammung ohne Wirkung für den Status der Elternschaft vorsieht. c.  Exkurs: Bedeutung des Statusdenkens im Vergleich zum englischen und schottischen Recht Die Bedeutung des kontinentaleuropäischen Verständnisses der Elternschaft als Status wird im Vergleich zum Recht in Common Law Rechtsordnungen deutlich. Auch wenn in gerichtlichen Entscheidungen66 und in der akademischen Diskussion beispielsweise in England mitunter ebenfalls zwischen rechtlicher, 67 59 Palandt/Brudermüller,

76.  Aufl. 2017, Einf. v. §  1591, Rn.  1. Dethloff, Familienrecht, 2015, §  10, Rn.  5, 282; Schwab, Familienrecht, 2015, Rn.  546. 61  Die Universität Göteborg berichtete allerdings von der gesunden Geburt eines Kindes nach einer Transplantation des Uterus: Svahn, University of Gothenburg Online-News v. 3.10.2014. 62  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 2010, §   52, Rn.  5; Rauscher spricht von ­„negativer Sperrwirkung“, Familienrecht, 2008, Rn.  770. 63  M. w. N. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 2010, §  52, Rn.  5. 64  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 2010, §  52, Rn.  3. 65 MüKo-BGB/‌ Wellenhofer, 6.  Aufl. 2012, §  1600, Rn.  1; zum mangelnden Anfechtungsrecht der Großeltern: BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 23.11.2015 – 1 BvR 2269/15, FamRZ 2016, 199. 66  Vgl. nur: Baroness Hale in Re G (Children) (Residence: Same Sex Partner) [2006] UKHL 43, para 32 ff. 67  Diese kann im englischen Recht beispielsweise durch Adoption oder durch die Zustim60 

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Teil 1:  Einleitung und Grundlegung

genetischer und sozialer Elternschaft unterschieden wird,68 sieht das englische Recht (wie auch andere Familienrechte des Common Law Rechtskreises69) die Vaterschaft nicht als Statusverhältnis an, sondern grundsätzlich als die Tatsache der genetischen Abstammung.70 So wird die Vaterschaft des Ehemannes der Frau, die das Kind geboren hat, traditionell vermutet, ebenso wie die genetische Vaterschaft des Mannes, der in der Geburtsurkunde des Kindes eingetragen ist.71 Jedoch kann die Vermutung gem. Section 26 des Family Law Reform Acts 196972 in jedem gerichtlichen Verfahren, in dem die Vaterschaft eine Rolle spielt, angezweifelt und widerlegt werden. Ein Anfechtungsverfahren wie in Deutschland, in dem nur bestimmte Personen unter bestimmten Voraussetzungen die Vaterschaft mit Wirkung inter omnes beseitigen können, kennt das englische Recht nicht.73 Das bedeutet, dass jede Person, die ein rechtliches Interesse an der Feststellung der genetischen Abstammung hat, die Vaterschaft zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens machen kann. Demgegenüber begründen die §§  1591 f. BGB keine Vermutung der leiblichen Elternschaft, sondern die rechtliche Elternschaft als Status. Der Status der Vater­schaft kann nach deutschem Recht nur im Rahmen eines Anfechtungsverfahrens von bestimmten antragsberechtigten Personen innerhalb bestimmter Fristen angegriffen werden, der Status der Mutterschaft gar nicht. Innerhalb des Anfechtungsverfahrens kennt freilich auch das deutsche Recht die genetische Vaterschaft als widerlegliche Vermutung gem. §  292 ZPO. Im Anfechtungsverfahren verteilt §  1600c BGB die Beweislast dahingehend, dass es dem Antragmung zu reproduktionsmedizinischen Maßnahmen entstehen: vgl. Herring, Family Law, 2015, 355 f. 68  Vgl. m. w. N. Herring, Family Law, 2015, 344 ff.; Eekelaar, Journal of Social Welfare and Family law 13 (1991), 37; Bainham, in: Bainham/Day Sclater/Richards (Hrsg.), What is a parent?, 1999; vgl. außerdem: Callus, Family Law 38 (2008), 143; Masson, in: Spencer/du Bois-­ Pedain (Hrsg.), Freedom and Responsibility in Reproductive Choice, 2006, 131. 69  Eine Ausnahme macht insofern Article 6 US Uniform Parentage Act zuletzt geändert 2002, inzwischen in 11 Staaten angenommen. Vgl. Häcker, LQR 2017, 36. 70  Etwas anderes gilt allerdings nach S.  37 des Human Fertilisation and Embryology Act 2008 für den Mann, der mit Zustimmung der künstlich befruchteten Geburtsmutter zugestimmt hat, als Vater des aufgrund der Behandlung geborenen Kindes behandelt zu werden vgl. Herring, Family Law, 2015, 349 f., 355 f. 71  Banbury Peerage Case (1811) 1 Sim & St 153 (HL). 72  S.  26 Family Law Reform Act 1969: “Any presumption of law as to the legitimacy or illegitimacy of any person may in any civil proceedings be rebutted by evidence which shows that it is more probable than not that that person is illegitimate or legitimate, as the case may be, and it shall not be necessary to prove that fact beyond reasonable doubt in order to rebut the presumption.” 73 Vgl. Häcker, LQR 2017, 36. Vgl. demgegenüber BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 23.11.2015 – 1 BvR 2269/15, FamRZ 2016, 199. Das BVerfG entschied, dass der Schutz der Familie gem. Art.  6 Abs.  1 GG nicht verlangt, dass Großeltern ein Anfechtungsverfahren, das von ihrem Sohn zur Überprüfung der Vaterschaft gegen sein rechtliches Kind eingeleitet wurde, fortsetzen dürfen, um zu verhindern, dass ihnen rechtlich ein Enkel „aufgedrängt“ werde.

II. Grundlegung

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steller obliegt nachzuweisen, dass der rechtliche Vater nicht auch der genetische Vater des Kindes ist.74 Solange die genetische Abstammung medizinisch nicht geklärt werden konnte, war der praktische Unterschied zwischen Elternschaft als vermutete Tatsache und als Status relativ gering. Der Nachweis anderweitiger Vaterschaft war praktisch nicht möglich. Dies änderte sich freilich mit der zunehmenden Verfügbarkeit von Gentests. Die heutige Bedeutung dieses Unterschieds zwischen Elternschaft als Status im deutschen Recht und Elternschaft als Vermutung im englischen und schottischen Recht angesichts des medizinischen Fortschritts verdeutlicht die Entscheidung des Privy Council vom 20. Juni 2016 In the ­matter of the Baronetcy of Pringles of Stichill75. Gegenstand des Verfahrens war der Anspruch auf den Titel des 11. Barons Pringles of Stichill. Die Baronie hatte König Charles II. 1683 Robert Pringle und „seinen männlichen Erben“ ver­ liehen.76 Der 8. Baron hatte 1902 geheiratet und seine Frau gut sieben Monate später einen Sohn zur Welt gebracht, an dessen Legitimität offenbar schon früh leise Zweifel geäußert wurden.77 Diesem ersten Kind folgten weitere, unzweifel­ haft legitime Söhne. Der erste Sohn, das potentielle Kuckuckskind, wurde der 9. Baron und sein Sohn hatte den Titel des 10. Barons bis zu seinem Tod 2013 inne.78 Kontrahenten im Streit um dem Titel des 11. Barons waren nun der Sohn des 10. Barons und sein Cousin, der Nachfahre des zweiten, unzweifelhaft legitimen Sohnes des 8. Barons. Dieser Nachfahre hatte zur Bestimmung des Clanchefs des Pringle Clans ein großangelegtes DNA-Forschungsprojekt gestartet und bei der Untersuchung von Speichelproben des 10. Barons und seines Sohnes festgestellt, dass diese in männlicher Linie nicht mit ihm und den übrigen Mitgliedern der Pringle-Familie verwandt sein konnten. Dies brachte ihn dazu, den Titel des Barons von Pringle of Stichill nun für sich selbst zu fordern.79 Da es sich um eine schottische Baronie handelte, entschied der Privy Council80 nach einer Anfrage der entscheidungsbefugten Königin gem. Sec 4 des Judicial Committee Act 1833, 81 die Frage nach schottischem Recht, betonte aber, dass das englische Recht zum gleichen Ergebnis kommen würde. Der Privy Council sah 74 Palandt/Götz,

76.  Aufl. 2017, §  1600c, Rn.  1. [2016] UKPC 16. 76  In the matter of the Baronetcy of Pringles of Stichill [2016] UKPC 16, Rn.  4. 77  In the matter of the Baronetcy of Pringles of Stichill [2016] UKPC 16, Rn.  5, 9. 78  In the matter of the Baronetcy of Pringles of Stichill [2016] UKPC 16, Rn.  2 , 5 ff. 79  In the matter of the Baronetcy of Pringles of Stichill [2016] UKPC 16, Rn.  12 ff. 80  Die korrekte, wenn auch unübliche Bezeichnung ist Judicial Committee of Her Majesty’s Most Honourable Privy Council (Justizausschuss des Kronrats). 81  Die Vorschrift berechtigt den Monarchen, das Judicial Committee des Privy Council um rechtliche Beratung zu ersuchen: “His Majesty may refer any other Matters to Committee. It shall be lawful for His Majesty to refer to the said Judicial Committee for hearing or consideration any such other matters whatsoever as His Majesty shall think fit; and such Committee shall thereupon hear or consider the same, and shall advise His Majesty thereon in manner aforesaid.” 75 

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Teil 1:  Einleitung und Grundlegung

keinen Grund, die DNA-Test-Ergebnisse nicht als Beweismittel zu akzeptieren. Da das Recht weder eine zeitliche noch sonstige Beschränkung für die Überprüfung der Vaterschaft vorsah, kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Nachfahre des zweiten Sohnes als Baron in die offizielle Liste einzutragen war, da nur dieser zweite Sohn vom 8. Baron abstammte. Der Privy Council äußerte zwar Sympathie für den Enkel des illegitimen 9. Barons, der genauso wie sein Vater und Großvater insgesamt über 100 Jahre in dem Bewusstsein gelebt hatte, Haupt der Familie und Erbe der Baronie zu sein, doch müsse der Gesetzgeber, nicht ein Gericht, diesen Zustand beseitigen. 82 Der Fall zeigt einerseits die Bedeutung der Elternschaft im deutschen Recht als Status, der im Interesse der Rechtssicherheit83 nur von bestimmten Personen, in einem bestimmten Verfahren, innerhalb bestimmter Fristen angefochten und beseitigt werden kann.84 Darüber hinaus wirft der Fall die hochaktuelle Frage nach der Bedeutung von Elternschaft im Recht auf. An welche Tatsachen soll das Recht zur Statusbestimmung anknüpfen? Entsprechend der Tradition adliger Häuser an die blutsmäßige Abstammung, die durch die Zeugung verursachte Existenz des Kindes, an die während der Schwangerschaft geknüpfte Verbindung, oder an die tatsächliche Übernahme von Fürsorge in der sozialen Familie? Wie der Fall Pringle of Stichill zeigt, ist dies kein neues Problem. Aber es gewinnt in einer im Wandel befindlichen Gesellschaft an Bedeutung, in der medizinische Technik nicht nur genetische Vorfahren über Jahrhunderte hinweg ermitteln, sondern auch neue Familien ohne blutsmäßige Verbindung durch die Maßnahmen der Reproduktionsmedizin schaffen kann. d.  Bedeutung der Elternschaft im deutschen Recht Die durch die Regeln des Abstammungsrechts etablierte rechtliche Elternschaft hat im deutschen Recht Bedeutung für eine Vielzahl von Rechtsfragen. Recht­ liche Eltern haben grundsätzlich ein Recht auf Umgang mit dem Kind (§  1684 BGB). Andere Menschen, die nicht rechtliche Eltern sind, haben solche Rechte und Pflichten – wenn überhaupt – nur in sehr geringem Maße. Geschwister und Großeltern haben ein Umgangsrecht gegen den Willen der Eltern nur gem. §  1685 Abs.  1 BGB, wenn dies dem Kindeswohl dient. Andere wichtige Bezugspersonen des Kindes können gem. §  1685 Abs.  2 BGB Umgang verlangen, wenn dies dem Kindeswohl dient und wenn sie für das Kind tatsächlich Verantwortung getragen haben, wie es z. B. bei Stiefeltern der Fall ist. Eltern steht auch die elterliche Sorge zu (§§  1626–1698b BGB) und ihnen kommt die Pflicht zu, das Kind zu unterhalten (§§  1601–1615 BGB). Grundsätz-

82 

In the matter of the Baronetcy of Pringles of Stichill [2016] UKPC 16, Rn.  84 f. Dethloff, Familienrecht, 2015, §  10, Rn.  28 ff. 84 Vgl. Häcker, LQR 2017, 36. 83 

II. Grundlegung

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lich müssen Eltern der Adoption ihres Kindes zustimmen.85 Die Adoption eines Minderjährigen zerstört nach dem seit 1976 in Deutschland geltenden Adoptionsrecht vollständig die Bande zur alten Familie und begründet eine neue ­Familie.86 Außerdem haben rechtliche Kinder ein gesetzliches Erbrecht (§  1924 BGB) und Pflichtteilsansprüche (§  2303 Abs.  1 BGB), wenn ihre rechtlichen ­Eltern sterben. Kinder haben auch Pflichten gegenüber ihren rechtlichen Eltern. Sie sind verpflichtet, ihnen unter bestimmten Voraussetzungen Unterhalt zu gewähren (§§  1601–1615 BGB); Eltern besitzen ein gesetzliches Erbrecht als Erben zweiter Ordnung (§  1925 BGB) und einen Pflichtteilsanspruch (§  2303 Abs.  2 S.  1 BGB). Die rechtliche Elternschaft entscheidet auch über die Zuordnung anderer Verwandter, §§  1589, 1599 BGB. 87 Großeltern im rechtlichen Sinne sind beispielsweise die rechtlichen Eltern der Eltern des rechtlichen Kindes, unabhängig von der Blutsverwandtschaft.88 Ohne statusrechtliche Folgen ist die Klärung der Abstammung zwischen den rechtlichen Eltern und ihren Kindern gem. §  1598a BGB möglich. 89 e.  Adoption und Mehrelternschaft Fälle der Mehrelternschaft sind nichts Neues. Dies zeigt sich bereits bei einem Blick auf die rechtliche Entwicklung der Elternschaft seit 1900 am Beispiel der Adoption. Aktuelle Fälle multipler Elternschaft, die heute sowohl aufgrund der Pluralisierung der Familienformen als auch der Entwicklung der Reproduk­ tionsmedizin entstehen, werden ausführlich in Teil 3 diskutiert. Die Minderjährigenadoption begründet unabhängig von der biologischen Abstammung allein durch das Recht bzw. durch gerichtliche Entscheidung das Elternverhältnis zwischen Adoptivkindern und Eltern (§§  1741 ff. BGB).90 Sie ist deshalb ein Phänomen der Mehrelternschaft, weil zu bisherigen Eltern, die 85  Siehe für einen Fall in dem der BGH diese Regel auf einen Mann, der informell sein Sperma einem lesbischen Paar gespendet hat, angewandt hat, BGH, Beschl. v. 18.2.2015 – XII ZB 473/13, NJW 2015, 1820 m. Anm. von Heiderhoff; vgl. auch Wellenhofer, JuS 2015, 653. 86  Vgl. zur Entwicklung: Neukirchen, Die rechtshistorische Entwicklung der Adoption, 2005, 127 ff. 87 Palandt/Brudermüller, 76.  Aufl. 2017, Einf. v. §  1589, Rn.  1; das BVerfG entschied, dass Großeltern kein grundrechtlich geschütztes Interesse haben, ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren ihres Sohnes nach dessen Tod weiter zu betreiben, um der rechtlichen Verbindung zu einem möglicherweise nur rechtlichen Enkelkind zu entgehen: BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 23.11.2015 – 1 BvR 2269/15, FamRZ 2016, 199; Zur Bedeutung der Verwandtschaft allgemein; Wellenhofer, Familienrecht, 2017, §  31, Rn.  3. 88 MüKo-BGB/‌ Wellenhofer, 6.  Aufl. 2012, §  1589, Rn.  10. 89  Daneben ist zur Feststellung der biologisch-genetischen Verwandtschaft die Erhebung einer Feststellungsklage gem. §  256 ZPO denkbar, vgl. MüKo-BGB/‌Wellenhofer, 6.  Aufl. 2012, §  1589, Rn.  15. 90 Vgl. zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen nur: Muscheler, Familienrecht, 2013, Rn.  712 ff.

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Teil 1:  Einleitung und Grundlegung

zumindest rechtliche Eltern waren, neue rechtliche Eltern hinzutreten. Bei der Minderjährigenadoption erlöschen allerdings die rechtlichen Verbindungen zwischen den ursprünglichen rechtlichen Eltern, die meist die leiblichen Eltern sein werden, und dem Kind, das so vollständig in die neue rechtliche Familie mit nur zwei Eltern integriert wird. Nur im Verhältnis zwischen Adoptivkind und Adoptivfamilie bestehen hiernach Unterhalts- und Erbrechte sowie die elter­liche Sorge.91 Etwas anderes gilt jedoch bei der Volljährigenadoption.92 Zwar wird das ­Adoptivkind zum Kind des Annehmenden, sodass wechselseitige gesetzliche Erb- 93 und Unterhaltsrechte entstehen. Allerdings erstreckt sich dieses Verhältnis nur auf den Angenommenen und seine Abkömmlinge,94 nicht auf die Verwandten des Annehmenden und dessen Ehegatten.95 Gem. §  1770 BGB bleiben jedoch auch die rechtlichen Beziehungen zu den Verwandten des Angenommenen grundsätzlich bestehen, sodass auch in diesem Verhältnis Erb- und Pflichtteilsrechte96 erhalten bleiben. Das Adoptivkind und seine Abkömmlinge erben damit als Erben erster Ordnung von den Adoptiveltern und von den ursprüng­ lichen rechtlichen97 Eltern des Adoptivkindes und deren Verwandten, nicht ­jedoch von den Verwandten der Adoptiveltern.98 Im Fall des Todes des Adoptivkindes erben demgegenüber die Adoptiveltern und die ursprünglich recht­ lichen Eltern nebeneinander als Erben zweiter Ordnung.99 Entsprechendes gilt bei der Erwachsenenadoption für Unterhaltsansprüche. Wechselseitige Unterhaltsansprüche entstehen zwischen dem Adoptivkind und den Adoptiveltern und bleiben gem. §  1770 Abs.  2 BGB im Verhältnis zwischen dem Adoptivkind und seinen ursprünglichen rechtlichen Eltern und sonstigen unterhaltsberechtigten Verwandten erhalten. Gem. §  1770 Abs.  3 BGB ist aller-

91  Sehr pointiert formuliert bei OLG Schleswig, Beschl. v. 30.1.2004 – 10 UF 199, 222/03, FamRZ 2004, 1057, 1058. 92  Zu den Voraussetzungen: Palandt/Götz, 76.  Aufl. 2017, §  1767; OLG Hamm, Beschl. v. 8.1.2014 – 8 UF 179/13, StAZ 2014, 362. 93 Palandt/Weidlich, 76.  Aufl. 2017, §  1924, Rn.  11; die Adoption kann allerdings eine Rolle bei der Testamentsauslegung spielen: BayObLG, Beschl. v. 30.10.1984 – BReg 1 Z 75/84, ­FamRZ 1985, 426, 428. 94 Palandt/Götz, 76.   Aufl. 2017, §  1770, Rn.  1; OLG Hamm, Beschl. v. 8.1.2014 – 8 UF 179/13, StAZ 2014, 362 f. 95 Daher verstößt eine Eheschließung zwischen dem Adoptivsohn und der genetischen Tochter seines Adoptivvaters nicht gegen das Verbot der Geschwisterehe. Diese ist gem. §  1770 BGB nicht seine Schwester: OLG Naumburg, Beschl. v. 12.3.2015 – 2 Wx 45/14, StAZ 2015, 346, 347; vgl. auch Palandt/Götz, 76.  Aufl. 2017, §  1770, Rn.  1. 96  Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.12.2011 – I-3 Wx 313/11, FamRZ 2012, 1815, 1816; Palandt/Götz, 76.  Aufl. 2017, §  1770, Rn.  2. 97  Diese werden meist die genetischen Eltern sein, doch dies ist nicht notwendig der Fall. 98  Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.12.2011 – I-3 Wx 313/11, FamRZ 2012, 1815, 1816; Palandt/Weidlich, 76.  Aufl. 2017, §  1924, Rn.  11. 99 Palandt/Götz, 76.  Aufl. 2017, §  1770, Rn.  3.

II. Grundlegung

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dings der Annehmende vor den leiblichen Verwandten des Angenommenen, d. h. auch vor seinen genetischen Eltern zur Unterhaltsleistung verpflichtet.100 Während Fälle der Mehrelternschaft im BGB für gewöhnlich so gelöst werden, dass das Recht bestimmt, welche zwei Personen Eltern sein sollen, bildet die Volljährigenadoption einen Sonderfall. Mit ihr regelt das BGB bereits seit 1900 eine Fallgestaltung der Mehrelternschaft, einschließlich wechselseitiger Rechte und Pflichten. Allerdings ist in diesem Verhältnis nicht die elterliche Sorge für ein minderjähriges Kind betroffen, für das Entscheidungen zu treffen und das im Rechtsverkehr zu vertreten ist. Auch ein Umgangsrecht ist für einen Volljährigen nicht regelungsbedürftig, weil dieser selbst entscheidet, mit wem er Kontakt halten möchte. Dies zeigt, dass das Problem der Mehrelternschaft nicht nur auf der Ebene des Abstammungsrechts zu diskutieren ist, sondern die elterliche Sorge und das Umgangsrecht mit umfassen muss. Neuere Fälle der Mehrelternschaft sind durch gesellschaftliche Veränderungen, wie die steigende Zahl von Patchworkfamilien und das zunehmend geäußerten Interesse nichtrechtlicher Väter an ihren Kindern entstanden. So bilden Stief- und Pflegefamilien, sowie Fälle, in denen ein vom rechtlichen Vater verschiedener leiblicher Vater Umgangsrechte fordert, Situationen multipler Eltern­ schaft. Die zumindest teilweise Anerkennung der Interessen solcher Mehreltern findet sich im kleinen Sorgerecht gem. §  1687b BGB, sowie in den Umgangsrechten gem. §  1685 Abs.  2 BGB und §  1686a BGB. Weitere Fälle der Mehrelternschaft sind das Ergebnis der Reproduktionsmedizin. Hier zu nennen sind die rechtlichen Folgen von Samen- und Eizellen­ spenden, Embryonenadoption und Leihmutterschaft, die im Recht bisher unterschiedlich geregelt sind. Zukünftig werden sich weitere Fälle durch den Fortschritt der Reproduktionsmedizin ergeben, die schon heute die genetische Elternschaft von drei Eltern ermöglicht.101 Nicht ausgeschlossen ist, dass in Zukunft die Produktion von Keimzellen aus Hautzellen einer nahezu beliebigen Anzahl von Personen möglich wird.102 Sowohl die genetische Elternschaft einer Einzelperson, als auch eines genetischen Elternkollektivs ist damit denkbar. Auf die sich daraus ergebenden Probleme muss das Recht Antworten entwickeln.

4.  Streit um das Eltern-Eltern-Verhältnis Zentrales Problemfeld im Zusammenhang mit der Mehrelternschaft ist das rechtliche Verhältnis der Eltern untereinander. Dieses Verhältnis bedarf auch in 100 

OLG Hamm, Beschl. v. 8.1.2014 – 8 UF 179/13, StAZ 2014, 362, 363. Weltweit erstes Baby mit drei Eltern geboren, Spiegel Online v. 27.9.2016; Baby dreier Eltern geboren, FAZ.net v. 27.9.2016. 102 Vgl. Albrecht, FAZ.net v. 28.10.2016; Suter, Journal of Law and the Biosciences, 2016, 1, 3 ff. 101  Vgl.

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Teil 1:  Einleitung und Grundlegung

der Situation traditioneller leiblicher Zwei-Elternschaft der Regelung. Neuartige Probleme der Mehrelternschaft bringen diese Probleme jedoch notwendig und zugespitzt in den Fokus. Umso größer eine Gruppe wird, umso größer können die Probleme der Abstimmung zwischen ihren Mitgliedern werden. Die Vermeidung dieser Abstimmungsprobleme im Interesse des Kindeswohls ist bisher maßgebliches Argument gegen die (weitere) Zulassung von rechtlicher Mehrelternschaft.103 Wie jedoch gezeigt wurde und zu zeigen sein wird, kann das Recht das tatsächliche Auftauchen von Konstellationen der Mehrelternschaft nicht verhindern. Umso dringender wird die Frage nach dem rechtlichen Verhältnis der Eltern untereinander und der Koordinierung ihrer Rechte. a.  Familienrechtliches Verhältnis eigener Art oder gesetzliches Schuldverhältnis Die traditionelle Koppelung jedenfalls der gesellschaftlich akzeptierten Elternschaft an die Ehe legte es zunächst nahe, auf die Regelungen der Ehe abzustellen. Auch heute noch weist das Recht die gemeinsame Sorge selbstverständlich den verheirateten Eltern zu.104 Insofern lag es zunächst nahe, zur Regelung des Verhältnisses der Eltern auf eheliche Vorschriften abzustellen.105 Das BGB von 1900 sah die elterliche Gewalt (heute Sorge) und damit die Entscheidungsbefugnis für das Kind und die rechtliche Vertretung des Kindes als ausschließlich und unteilbar an. Insofern kam nur einem Elternteil, meist dem Vater und Ehemann, die elterliche Gewalt zu. Verstarb er oder war er aus sonstigen Gründen nicht befugt, die elterliche Gewalt auszuüben, kam die elterliche Gewalt der Mutter und Ehefrau zu. Die elterliche Gewalt wurde damit nicht geteilt, sondern ähnlich einem Staffelstab weitergegeben.106 Dies änderte sich jedoch mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau und damit der Eltern durch das Grundgesetz. Es folgte die Einführung gemein­ samer Umgangs- und Sorgerechte.107 Damit und mit der Schuldrechtsreform stellte sich auch die Frage nach der rechtlichen Einordnung des Verhältnisses der Eltern untereinander und der Möglichkeit von Schadensersatzansprüchen bei der Verletzung der wechselseitigen Pflichten.108 Kann beispielsweise ein ­Vater, der zur Wahrnehmung des Umgangstermins mit seiner Tochter mit der Bahn anreist, die Kosten der Bahnfahrkarte von der Mutter ersetzt verlangen, wenn diese den Umgangstermin vereitelt? Der Bundesgerichtshof ging in seiner 103  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 103; Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 186 f.; v. Münch/Kunig-GG/‌ Coester-Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  75. 104  Schwab, Familienrecht, 2015, Rn.  631. 105  Vgl. auch Schwab, FamRZ 2002, 1297, 1298 „in die Pflichten des Paarverhältnisses sind also die Kindesinteressen eingebunden“. 106  Vgl. dazu ausführlich im Teil 2 I 2 a (S. 63), b (S. 66). 107  Vgl. zu dieser Entwicklung im Teil 2 I 2 c (S. 70). 108 Vgl. instruktiv: Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, 2014, 209 f., 243 ff.

II. Grundlegung

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Entscheidung vom 19.6.2002 von einem „gesetzlichen Familienrechtsverhältnis eigener Art“ zwischen dem Umgangsberechtigten und dem anderen Elternteil aus, bei dessen Verletzung analog §  280 Abs.  1 BGB ein Schadensersatzanspruch in Betracht kam.109 Dagegen wurde in der Literatur teilweise scharfe Kritik laut und eine „Verschuldrechtlichung“ des Familienrechts befürchtet.110 Das Schuldrecht sei unangemessen zur Regelung persönlicher familienrechtlicher Pflichten.111 In einer Entscheidung vom 2.11.2011112 befürwortete der BGH eine „Sonderverbindung“ zwischen Eltern, auf deren Grundlage auch ein Auskunfts­ anspruch des Scheinvaters gegen die Mutter auf Nennung des biologischgenetischen Vaters gem. §  242 BGB bejaht werden könne. Zwar erklärte das Bundesverfassungsgericht diese Rechtsprechung aufgrund einer mangelnden gesetzlichen Grundlage für den Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Mutter für verfassungswidrig.113 Diese Entscheidung hat aber als solches keinen Einfluss auf die Frage nach der Qualifizierung der rechtlichen Beziehung zwischen den Eltern. In der jüngeren Literatur wird daran anschließend mit überzeugenden Gründen eine Einordnung als gesetzliches Schuldverhältnis befürwortet, auf das die §§  280 ff. BGB durchaus Anwendung finden sollen.114 Die Bezeichnung als „Sonderverbindung“ verwende der BGH in dogmatisch unscharfer Weise, um die Kritik einer Verschuldrechtlichung des Familienrechts zu vermeiden.115 Löhnig versteht die Elternschaft als Treuhandverhältnis.116 Anknüpfend daran ordnet Preisner beispielsweise die Elternverbindung als gesetzliches Schuldverhältnis zwischen den Eltern ein, begründet durch eine Mittreuhänderschaft im Verhältnis zum Kind.117 b.  Eltern-Eltern-Verhältnis und multiple Elternschaft Die Frage nach der rechtlichen Qualität des Elternverhältnisses stellt sich bei Mehrelternverhältnisse in besonderer Weise. Denn es geht nicht nur um die 109 

BGH, Urt. v. 19.6.2002 – XII ZR 173/00, BGHZ 151, 155. Schwab, FamRZ 2002, 1297 ff.; Heiderhoff, FamRZ 2004, 324 diese hält die Anwendung des Schuldrechts aufgrund familienrechtlicher Wertungen für unangebracht. Dies könne zu Streit zwischen den Eltern führen und so das Eltern-Kind-Verhältnis belasten; dem BGH zustimmend: Henrich, JZ 2003, 49. 111  Schwab, FamRZ 2002, 1297, 1303. 112  BGH, Urt. v. 9.11.2011 − XII ZR 136/09, BGHZ 191, 259, Rn.  20. 113  BVerfG, Beschl. v. 24.2.2015 – 1 BvR 472/14, BVerfGE 138, 377: vgl. Forschner, FuR 2015, 451. 114  Löhnig/Preisner, NJW 2013, 2080, 2082; für eine Einordnung der Ehe als Schuldverhältnis Budzikiewicz, in: Symposium für Schwab, 2016, 151. 115  Löhnig/Preisner, NJW 2013, 2080, 2082. 116  Löhnig, Früher hatten Eltern viele Kinder – heute haben Kinder viele Eltern, 2015, 16 ff.; vgl. dazu bereits ders., Treuhand, 2006. 117  Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer ­Elternschaft, 2014, 277 ff. 110 Kritisch:

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Teil 1:  Einleitung und Grundlegung

rechtliche Qualität eines traditionellen Zwei-Elternverhältnisses, sondern um diejenige von Verhältnissen zwischen drei und mehr Eltern. In Betracht kommen insofern Verhältnisse mit zwei rechtlichen Eltern und Nebeneltern, denen beispielsweise Rechte aus §  1685 Abs.  2 BGB oder §  1686a BGB zukommen. De lege ferenda erscheint es darüber hinaus möglich, dass künftig mehr als zwei Eltern gleichberechtigt Elternschaft und elterliche Sorge besitzen. Bei der Beteiligung von mehr als zwei Personen ist es umso dringender, den Charakter der rechtlichen Verbindung zwischen den Eltern zu untersuchen. Bei dem Gedanken an eine Mehrheit von Personen, denen gemeinsam bestimmte Rechte zustehen, geraten andere Institute des BGB zur Koordinierung gemeinsamer Rechtsausübung in den Blick, wie die Bruchteilsgemeinschaften118 und Gesamthandsgemeinschaften119, wie die BGB-Gesellschaft120 und Erbengemeinschaft. Assoziativ scheint zunächst die Bruchteilsgemeinschaft, die die ­Inhaberschaft eines Rechts durch mehrere Berechtigte regelt,121 als Anknüpfungspunkt geeignet zu sein. Sie mag besser auf die Situation eines Kindes mit mehreren Eltern mit jeweils eigenen Elternrechten passen als eine Gesamthand, bei der verschiedene Rechtsgüter einheitlich von den Mitgliedern in gesamt­ händerischer Verbundenheit gehalten werden können.122 Die BGB-Gesellschaft als gewillkürter Zusammenschluss von Personen, die einen gemeinsamen Zweck verfolgen, passt dem Anschein nach hingegen besser auf Konstellationen bewusst begründeter Mehrelternschaft, wie sie z. B. bei den heutigen Queer-­ Families vorliegen, bei denen ein homosexuelles Paar mit einer oder zwei anderen Personen gemeinsam eine Mehreltern-Familie gründen.123 Die Erbengemein­ schaft stellt demgegenüber einen Zusammenschluss mehrerer Personen dar, die ohne und mitunter auch gegen den Willen der beteiligten Erben entstanden124 und auf Auseinandersetzung ausgerichtet ist.125 Sie bietet sich assoziativ besser als Anhaltspunkt beim Nachdenken über Mehrelternkonstellationen an, die gegen den Willen der Beteiligten entstanden sind. Zu denken ist z. B. an das Kind, 118 Zur Abgrenzung zwischen Bruchteilsgemeinschaft und Gesamthand: MüKo-BGB/ ‌K arsten Schmidt, 6.  Aufl. 2013, §  741, Rn.  4 ff.; Rütten, Mehrheit von Gläubigern, 1989, 84 ff. 119  Vgl. zur Gesamthand in der BGB-Entstehung: Wächter, Die Aufnahme der Gesamthandsgemeinschaften in das Bürgerliche Gesetzbuch, 2002; insgesamt zur Gesamthand: Buchda, Geschichte und Kritik der deutschen Gesamthandslehre, 1936, 225 ff.; Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963, 131 ff.; Schulze-Osterloh, Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung, 1972, 163 ff.; Weber-Grellet, AcP 182 (1982), 316; Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders am Gesamthandsvermögen, 1992, 199 ff.; Paul, Die Gesellschafterfähigkeit von Gesamthandsgemeinschaften, 2005, 5 ff. 120  Vgl. zu Gesamthand und Gesellschaft: Flume, ZHR 136 (1972), 177; ders., AT I/1, 1977, 50 ff.; Ulmer, AcP 198 (1998), 113. 121 MüKo-BGB/‌ K arsten Schmidt, 6.  Aufl. 2013, §  741, Rn.  1. 122  Vgl. zur Abgrenzung: MüKo-BGB/‌K arsten Schmidt, 6.  Aufl. 2013, §  741, Rn.  4. 123 Vgl. dazu näher unter Teil 3 VI (S.  263). Hier nur Dethloff, Gleichgeschlechtliche ­Paare und Familiengründung durch Reproduktionsmedizin, 2016, 51 ff. 124 MüKo-BGB/‌ Gergen, 6.  Aufl. 2013, §  2032, Rn.  4. 125  BGH, Beschl. v. 17.10.2006 – VIII ZB 94/05, NJW 2006, 3715, 3716.

II. Grundlegung

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das als Folge der Affäre einer verheirateten Frau gezeugt wird und mit der Mutter und dem Ehemann als sozialem Vater aufwächst. Diese Assoziationen sind jedoch zunächst höchst vorläufig und bedürfen der weiteren Überprüfung. Dabei soll bereits an dieser Stelle nicht geleugnet werden, dass einer Qualifizierung als Gesamthands- oder Bruchteilsgemeinschaft gewichtige Argumente entgegenstehen.126 Das Argument Gernhubers, eine solche Einordnung verbiete sich, weil Elternrechte aufgrund der geschlechtlichen Verschiedenheit der E ­ ltern nicht inhaltsgleich seien,127 trägt freilich allein nicht, da diese Verschiedenheit allein aufgrund der verfassungsrechtlichen Gleichwertigkeit der Geschlechter keine unterschiedlichen Rechtspositionen begründen kann. Außerdem kommen auch in Gesellschaften unterschiedliche Gesellschafter zusammen, die auf der Grundlage des verschiedene Beiträge128 für die Gesellschaft leisten und damit den Gesellschaftszweck fördern können. Schwerer wiegt freilich der Einwand, dass in Gesamthands- und Bruchteilsgemeinschaften Vermögensrechte von mehreren Personen gehalten werden. ­Elternrechte an einem Kind sind jedoch keine Vermögensrechte. Solange man die elterliche Gewalt als „Beherrschungsrecht an einer fremden Person“ einordnete,129 konnte man dies anders sehen. Eine solche Einschätzung ist freilich mit der Rechtssubjektivität des Kindes und seiner Grundrechtsträgerschaft nicht vereinbar.130 Allerdings kommen auch jetzt den Eltern bestimmte Rechte und Interessen in Bezug auf das Kind zu, die einen gewissen Schutz genießen, der auch vermögensrechtliche Auswirkungen haben kann. So wird beispielsweise das Umgangsrecht als ein absolutes Recht im Sinne des §  823 Abs.  1 BGB angesehen,131 wenn man nicht ohnehin von einem gesetzlichen Schuldverhältnis ausgehen will,132 bei dessen Verletzung Schadensersatzansprüche in Betracht kommen.133 126 

Ablehnend bereits: Gernhuber, FamRZ 1962, 89, 95 f. Gernhuber, FamRZ 1962, 89, 95 f. 128 Vgl. Grunewald, Gesellschaftsrecht, 2014, §  1, Rn.  13 ff.; vgl. zur Förderung des Gesellschaftszwecks durch die Gesellschafter: Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, 2004, 124 f. 129  Vgl. mit Nachweisen Gernhuber, FamRZ 1962, 89, Fn.  2. 130  So bereits Gernhuber, FamRZ 1962, 89 ff. 131  AG Essen, Urt. v. 24.2.2003 – 18 C 128/02, FamRZ 2004, 52: Schadensersatz auf Ersatz nutzloser Aufwendungen für Musikunterricht; AG Essen, Urt. v. 5.6.2007 – 18 C 216/04, FamRZ 2008, 717: Ablehnung eines Schmerzensgeldanspruchs bei Umgangsvereitlung; LG Essen, Urt. v. 17.12.2007 – 3 O 442/07, FamRZ 2008, 2032: Schmerzensgeld wegen wahrheitswidriger Anzeige gegen den Vater durch die Mutter bei der Polizei; OLG Köln, Beschl. v. 16.10.2014 – 19 U 45/14, FamRZ 2015, 971: Ablehnung eines Schmerzensgeldanspruchs im konkreten Fall; vgl. zum Gesamtkomplex: Palandt/Götz, 76.  Aufl. 2017, §  1684, Rn.  2. 132 Palandt/Grüneberg, 76.   Aufl. 2017, §  280, Rn.  9; Löhnig/Preisner, NJW 2013, 2080, 2082; Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer ­Elternschaft, 2014, 293 ff. 133  Vgl. BGH, Urt. v. 19.6.2002 – XII ZR 173/00, BGHZ 151, 155; OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.4.2005 – 1 UF 64/05, NJW-RR 2005, 1339; OLG Köln, Beschl. v. 4.7.2014 – 4 UF 22/13, FamRZ 2015, 151; vgl. Palandt/Götz, 76.  Aufl. 2017, §  1684, Rn.  39. 127 

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Teil 1:  Einleitung und Grundlegung

Insofern ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, für deren Koordination und Schutz gegeneinander und gegenüber Dritten zumindest vorsichtige inhaltliche Anleihen aus dem Recht der Gesamthands- und der Bruchteilsgemeinschaft zu diskutieren. Dies wird die Untersuchung im Teil 5 III tun. c.  Privatautonome Begründung und Beendigung von Elternrechten? Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Statusbeziehung der Elternschaft, sowie die Begründung von Sorge- und Umgangsrechten134 de lege ferenda auch durch private Vereinbarung möglich sein soll. Im Ergebnis kennt bereits das geltende Recht durch die Anerkennung mit Zustimmung der Mutter die Möglichkeit, eine Elternbeziehung durch „Willenserklärung“ ohne genetische Grundlage zu begründen. Eine offene Begründung von Mehrelternschaften über Elternvereinbarungen ist derzeit jedoch Gegenstand der Diskussion.135 Damit ist nicht nur eine Qualifizierung des Elternverhältnisses, sondern de lege ferenda auch seine privatautonome Begründbarkeit zu untersuchen. Die Selbstbestimmung des Menschen gilt grundsätzlich auch für die Frage, ob Menschen Kinder bekommen möchten. Das Recht zu entscheiden, ob jemand Kinder bekommen oder nicht bekommen möchte, ist grundrechtlich geschützt.136 Ist aber die Begründung von Elternschaft als rechtlicher Kategorie auch privatautonom möglich? Spiegelbildlich stellt sich die Frage, ob Eltern auf ihr Elternrecht auch privatautonom verzichten können. Dies wird von der Literatur abgelehnt. Sie verweist dabei auf das verfassungsrechtlich so bezeichnete „natürliche“ Elternrecht gem. Art.  6 Abs.  2 GG,137 sowie den unwiderruflichen Charakter der gesetzlichen Übertragung der einfachrechtlichen elterlichen Sorge.138 Der BGH 134 Zur Bindungswirkung de lege lata: Hammer, Elternvereinbarungen im Sorge- und Umgangsrecht, 2004; Palandt/Götz, 76.  Aufl. 2017, §  1684, Rn.  40. 135  Dafür unter Verweis auf die Rechtslage in Ontario (AA v. BB. (2007) OR (3d) 561 (CA)) und British Columbia (vgl. Sec. 30 Family Law Act of British Columbia 2014) Dethloff, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung durch Reproduktionsmedizin, 2016, 53 f.; vgl. zur Rechtslage in Britisch Columbia auch: Reuß, Abstammungsrecht.de v. 15.2.2014; vgl. auch die Diskussion beim 71. DJT, 2016. 136  Vgl. zum Recht auf Fortpflanzung unten Teil 4 III 4 b (S. 320). Die Begründung ist freilich umstritten. Teilweise wird das Recht auf Fortpflanzung auf Art.  1 Abs.  1, Art.  2 Abs.  1 GG gestützt, teilweise auf Art.  6 Abs.  1 GG, vgl. hier nur: Gassner u. a., Fortpflanzungsmedizingesetz Augsburg-Münchner-Entwurf, 2013, §  3, 31 f.; stützen dieses Recht auf Art.  1 Abs.  1, Art.  2 Abs.  1 GG. Ebenfalls an Art.  1 Abs.  1, Art.  2 Abs.  1 GG mit einer Verstärkung über Art.  6 Abs.  1 GG knüpft Hieb an: Hieb, Die gespaltene Mutterschaft, 2005, 20 ff. 137  Unter Berufung auf BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 143, dass das Elternrecht nicht die negative Freiheit schütze, das Elternrecht nicht auszuüben und das Kind zu vernachlässigen; BeckOK-GG/‌Uhle, Art.  6 , Rn.  48; v. Münch/ Kunig-GG/‌Coester-Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  82; Hoffmann, FamRZ 2011, 1544, 1545; Lipp, in: Schwab/Vaskovicz (Hrsg.), Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, 121, 126. 138  Schwab, Familienrecht, 2015, Rn.  708; Löhnig, in: Schwab/Vaskovicz (Hrsg.), Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, 157, 161; Lipp, in: Schwab/Vaskovicz (Hrsg.),

II. Grundlegung

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hat den unwiderruflichen Verzicht auf das Umgangsrecht139 gegen Entgelt als sittenwidrig abgelehnt. Gegen die grundsätzliche verfassungsrechtliche Unzulässigkeit des Verzichts auf das Elternrecht spricht allerdings die – auch vom Bundesverfassungsgericht nicht infrage gestellte – Möglichkeit der Eltern, in die Adoption ihres Kindes einzuwilligen.140 Es besteht ein entscheidender Unterschied zwischen dem Verkauf von Umgangsrecht und Elternrechten insgesamt und dem unentgeltlichen Verzicht, der bei einer Adoption dem Kindeswohl dienen kann. Insofern stellt sich die Frage nach dem Inhalt des Elternrechts gem. Art.  6 Abs.  2 GG und nach Umfang und Grenzen der Privatautonomie. Wollte man die Begründung und Übertragung von Elternschaft durch privatautonome Vereinbarung zulassen, so würde sich weiter die Frage nach der Ausgestaltung stellen. Gegen die Zulässigkeit von Widerrufsmöglichkeiten und von einer gerichtlichen Inhaltskontrolle, die zu einer nachträglichen Änderung der Entscheidung führen würde, spricht jedenfalls, dass Elternschaft, einmal begründet und in Bezug auf ein Kind ausgeübt, schwerlich rückabgewickelt werden kann und im Interesse eines Kindes auch für die Zukunft nicht einfach wieder aufgehoben werden darf.141 d.  Elternindividualität, Kindeswohl und Rechtsphilosophie Die Vorbehalte gegen eine Betrachtung des Elternrechts aus der Perspektive des Rechts der Bruchteilsgemeinschaft und Gesamthand sowie als potentiellen Gegenstand privatautonomer Regelung führen in die philosophischen Grundlagen des Familienrechts und seiner Besonderheit gegenüber anderen Bereichen des Zivilrechts142 sowie seine Verbindungen zum Verfassungsrecht. Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, 121, 126; vgl. auch Brosius-Gersdorf, RdJB 2016, 136, 147. 139  BGH, Urt. v. 23.5.1984 – IVb ZR 9/83, NJW 1984, 1951, 1952. 140  Das Bundesverfassungsgericht hat die Verweigerung der Zustimmung der Adoption zum Gegenstand einer Entscheidung gemacht und entschieden, bei einer Vernachlässigung des Kindes könnte diese Einwilligung in verfassungsrechtlich zulässiger Weise ersetzt werden. Zulässigkeit der Einwilligung bei Eltern, deren Versagen nicht in dieser Weise festgestellt wurde, hat das Gericht nicht geprüft. Offenbar ging es davon aus, dass Eltern wirksam in die Adoption des Kindes einwilligen können BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119. Brosius-Gersdorf, RdJB 2016, 136, 146 f. scheint davon auszugehen, die Zustimmung zur Adoption setze voraus, dass die Eltern sich nicht um das Kind kümmern können und andernfalls das Kindeswohl gefährdet wäre. Dies entspricht jedoch nicht der geltenden Rechtslage und auch nicht der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung. 141  So auch in Bezug auf die Zustimmung zur Befruchtung des Partners: Brudermüller, Referat zum 71. DJT, 2016. Die Gewährleistung des Bestandschutzes der Adoption war wesentlicher Aspekt in der Adoptionsreform 1970 BT-Drucks. 7/3061, 36 ff.; vgl. Jayme, FamRZ 1974, 115, 116. 142  Dies wird unter dem Stichwort family law exceptionalism in den USA diskutiert: vgl. zur Debatte um den Family Law Exceptionalism: Kennedy, (2003) 3 Suffolk U L Rev 63; ders.,

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Teil 1:  Einleitung und Grundlegung

Auer hat aus rechtsphilosophischer Perspektive die Diskussionen um die Begriffe Eigentum, Ehe und Erbrecht im Spannungsverhältnis zwischen gemeinschaftsorientierten, naturrechtlichen Wertungen und Individualismus eingeordnet.143 Die Rechtsphilosophie nach Kant lehne es ab, aus einem Sein auf ein Sollen zu schließen. Damit seien naturrechtliche Begründungen für rechtliche Regeln fragwürdig geworden.144 Die einzig verbleibende Quelle von Normativität sei die individuelle Willkür des Einzelnen.145 Mit der von Auer als „normativem Individualismus“ beschriebenen Begründung rechtlicher Regeln aus dem Willen des Einzelnen ergibt sich allerdings die Schwierigkeit, allein auf der Basis individueller Willkür eine Legitimation von Gemeinschaft zu konstruieren.146 Aus diesem Spannungsverhältnis zwischen Individualisierung und Gemeinschaftsorientierung, die in naturrechtlich geprägten Begriffen gerade wie Ehe, Eigentum und Erbrecht wirken, erklären sich, wie Auer ausführt, moderne Konflikte um die Sozialbindung des Eigentums, des Ehebegriffs und der ­Legitimation des Erbrechts. Die Problematik naturrechtlicher Vorgaben für Ehe, Erbrecht und Eigentum ist unmittelbar plausibel. Ehe, Elternschaft und die Herrschaft des Hausvaters über Bedienstete in der Gemeinschaft des ganzes Hauses, dem oikos,147 bildeten beispielsweise die „drei kleinen Gemeinschaften des Naturrechts“ nach Aristoteles, die schließlich in ihrer Gesamtheit den Staat als größte naturgegebene ­Gemeinschaft begründen.148 Aus naturrechtlichen Vorstellungen könnten beispielsweise Vorgaben an die innere Ausgestaltung der Ehe, wie z. B. die Verschiedengeschlechtlichkeit der Partner als Fortwirkung des ehelichen Zwecks der Fortpflanzung und Erhaltung des Staates abgeleitet werden.149 Mit zunehmender Individualisierung der Ehe und ihrer Begründung mit einem Vertrag, den die Parteien nicht nur nach freiem Willen eingehen,150 sondern den sie auch (2010) 58 Am J Comp L 811 und die von Halley und Rittich herausgegebene Sonderausgabe des American Journal of Comparative law (2010) 58 Am J Comp L 753. 143  Auer, AcP 216 (2016), 239 ff. 144  Vgl. genauer zum deontologischen Fehlschluss m. w. N. Auer, AcP 216 (2016), 239, 244 Fn.  15, 260; zum häufig unzutreffend gebrauchten „naturalistischen Fehlschluss“ Augsberg, ARSP 94 (2008), 461 ff. 145  Auer, AcP 216 (2016), 239, 258. 146 M.w.N. Auer, AcP 216 (2016), 239, 247, 251 f. 147  Vgl. dazu ausführlich in Teil 2 I 1 a (S. 34), zum oikos und seiner Bedeutung für das Familienrecht Meder, Familienrecht, 2013, 11 ff., 129 ff. mit umfangreichen Nachweisen. 148  Aristoteles, Politik, Rolfes (Hrsg.), 4.   Aufl., 1253b 1, ff., 6 ff.; dazu auch Schwab, in: Brunner/Conze/Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd.  2, 1975, 258 ff.; Auer, AcP 216 (2016), 239, 259. 149  Auer, AcP 216 (2016), 239, 264; gegen die Maßgeblichkeit solcher Vorgaben allerdings bereits: Sanders in: Emmenegger/Wiedmann, Linien der Rechtsprechung des BVerfG, 2011, 351, 368 ff. 150  So bereits das katholische Eheverständnis: vgl. Demel, Handbuch Kirchenrecht, 2010, 137, (Can 1057, 1095–1103 Corpus Iuris Canonici CIC/1983).

II. Grundlegung

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nach Gutdünken ausgestalten151 und wieder auflösen152 können, werden Vorgaben beispielsweise hinsichtlich einer Fortpflanzungsfunktion der Ehe immer fragwürdiger. Auch die Probleme von Mehrelternschaft lassen sich durchaus als Konflikt zwischen Individuum und naturrechtlichen und damit für sich problematischen Sein-Sollens-Wertungen begreifen. Lassen sich aus der Natur des Menschen keine normativen Vorgaben für rechtliche Regeln und menschliche Institutionen ableiten,153 so muss dies zunächst auch für das Eltern-Kind-Verhältnis gelten. Wie zweifelhaft gemeinschaftliche – in der modernen Welt staatliche – Vorgaben für Fortpflanzung und Kindererziehung sein können, zeigt sowohl die Praxis im Dritten Reich als auch in der DDR.154 Von einer solchen staat­ lichen Vereinnahmung der Eltern-Kind-Beziehung distanzierten sich die Väter und Mütter des Grundgesetzes bewusst.155 Nutzen Menschen heute die Möglichkeiten der Gründung einer neuen Familie nach einer Scheidung oder mit den Mitteln der Reproduktionsmedizin, kann ihnen jedenfalls von einem individualistischen Standpunkt aus nicht entgegengehalten werden, dass sie dies unterlassen müssten, allein weil Recht und Gesellschaft dies früher immer anders gehalten hätten. Allerdings zeigt das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern156 in besonderer Schärfe das Problem, wie der naturrechtliche Gehalt der Familie abgestreift und diese in eine individualistische Privatrechtsordnung eingebettet werden kann.157 Die Ehe, die nach heutigem Verständnis auf gegenseitigem Konsens gleichberechtigter Partner in Bezug auf ihre Eingehung, Gestaltung und Auflösung beruht, lässt sich mit Kant durchaus als „gegenseitiger Vertrag zum gegenseitigen Gebrauch der Geschlechtseigenschaften des Partners verstehen“.158 Doch lässt sich dieser vertragliche Ansatz nicht auf das Eltern-Kind-Verhältnis übertragen. Das Kind ist von den Eltern tatsächlich abhängig und hat sich 151 Vgl. zur Entwicklung des kontinentaleuropäischen und englischen Eheverständnis, insbesondere hinsichtlich der freien Gestaltbarkeit durch die Partner im des Vertrags: Sanders, in: Popovici/Tremblay/Smith (Hrsg.), Les intraduisibles en droit civil, 2014, 217, 223. 152  Dethloff, Die einverständliche Scheidung, 1994; demgegenüber versteht das katholische Kirchenrecht die Ehe als unauflöslich und ein Sakrament, dass Ehemann und Ehefrau einander spenden (Can 1055 CIC/1983); vgl. dazu auch Demel, Handbuch Kirchenrecht, 2010, 137; vgl. Fischer, Ehe als Vertrag und Sakrament, 2003; Duncker, Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe, 2004. 153  Auer, AcP 216 (2016), 239, 260. 154  Vgl. zu einem historischen Überblick des Kindeswohlbegriffs im Nationalsozialismus und in der DDR: Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 27 ff.; vgl. zur DDR: Coester, Das Kindeswohl als Rechtsbegriff, 1983, 29 ff. 155  Der Parlamentarische Rat, Bd.  14/I, 823 f., 814. 156 Auf dieses Verhältnis geht Auer denn auch – trotz der verwendeten Überschrift ­„Familie“ – nicht ein. 157  Auer, AcP 216 (2016), 239, 262. 158  Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre AB 107, AA VI 277; Zu Kants Ehelehre eingehend Brudermüller, Paarbeziehungen und Recht, 2017, bes. S.  26 ff.

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Teil 1:  Einleitung und Grundlegung

– anders als ein Ehegatte – weder seine Eltern ausgesucht noch deren individueller Gestaltung der Elternschaft als Mehrelternschaft zugestimmt.159 Die Gestaltungswünsche der Eltern betreffen mit ihrem Kind vielmehr ein Individuum, das auf die Eltern für Schutz, Nahrung und Unterstützung angewiesen ist und – zumindest am Anfang – keine Entscheidung über die Art seines Aufwachsens treffen kann. Dies gilt freilich in gleicher Weise für das Aufwachsen in einer traditionellen Zwei-Elternbeziehung oder mit einem allein­erziehenden Elternteil. Elternschaft ist damit notwendig Fremdbestimmung eines sich entwickelnden Individuums durch andere Individuen. Ein individualistischer Ansatz, der in der Selbstbestimmung der Person die Legitimation des Rechts sieht, kommt jedenfalls bei Kindern an ihre Grenzen, die die Fähigkeit zur Selbstbestimmung noch nicht in vollem Umfang besitzen und elterliche Fürsorge zum Überleben brauchen. Die Verantwortung der Eltern für das Kind lässt sich philosophisch vielleicht individualistisch mit dem Verursacherprinzip erklären, nachdem die Eltern für das Kind, das sie auf die Welt gebracht haben, auch aufkommen müssen.160 Individualistisch ließe sich das Interesse der Eltern an ihrem Kind auch mit dem Wunsch der Weitergabe der eigenen Gene oder der eigenen Wertvorstellungen begreifen. Kinder wären damit ein Mittel zur Fortsetzung des Individuums in einem Anderen. Üblicherweise haben Eltern ein schon durch die Evolution begründetes Interesse daran, dass es ihren Kindern gut geht und sie sich gut entwickeln.161 Aber auch dies wird dem Eltern-Kind-Verhältnis letztlich nicht gerecht, weil es das Recht des Kindes zur Entwicklung seiner Individualität nicht berücksichtigt. Möglicherweise greifen individualistische Ansätze aber insgesamt zu kurz, schon bei der Beschreibung des Eltern-Kind-Verhältnisses,162 aber auch bei der Erfassung des Interesses der Gemeinschaft an diesem Verhältnis, das sich im staatlichen Wächteramt (Art.  6 Abs.  2 S.  2 GG) zeigt. Menschliches Leben vollzieht sich gerade in seiner rechtlichen Einbindung in der Gemeinschaft. Kinder sind künftige Mitglieder der Gemeinschaft und insofern gibt es nicht allein das Interesse der Eltern an ihnen. Studien z. B. der Verhaltensforscherin und Anth159  Das Argument, ob beispielsweise die Elternteile einer „Queer Family“ bei denen ein Kind mit drei Elternteilen aufwächst, die Bedürfnisse des Kindes ausreichend beachtet haben, taucht entsprechend in Diskussionsforen zu Artikeln, die solche Konstellationen behandeln, immer wieder auf: Vgl. Hummel, FAZ.net v. 10.9.2016. 160  Die Autorin bedankt sich für diese Anregung bei Prof. Dr. Dr. Gerd Brudermüller. Vgl. zum Verursacherprinzip als Begründung des Unterhalts auch: Willekens, RdJB 2016, 130, 132. 161  Dies bedeutet allerdings nicht, dass Eltern und insbesondere Mütter nur durch selbstlose Sorge für ihre Nachkommenschaft evolutionär erfolgreich sind. Die von frühen Evolutionsforschern propagierte Vorstellung selbstloser, passiver Mutterschaft ist ein Mythos: vgl. Blaffer Hrdy, Mother Nature, 1999, 3 ff. 162  Vgl. auch Schwab, FamRZ 1995, 513, 514 f.; Frank, AcP 200 (2000), 410, 419 f.

II. Grundlegung

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ropologin Blaffer Hrdy weisen darauf hin, dass die Kooperation zwischen Menschen, ihre Fähigkeit aufeinander einzugehen, zu teilen und die Gefühle des Gegenübers zu erkennen, für die Entwicklung des Menschen in Jäger und Sammler-Gemeinschaften notwendige Voraussetzungen waren.163 Blaffer ­Hrdys Studien weisen darauf hin, dass die Sorge für die in ihrer Entwicklung sehr langsamen Menschenkinder schon sehr früh sowohl durch Mütter als auch andere Sorgepersonen (sog. Alloparents) sei es den Vater oder weitere Personen vorgenommen wurde. Zwischenmenschliches Einfühlungsvermögen und Kommunikation entwickelte sich, weil die Kinder leichter überleben konnten, wenn sie und ihre Eltern abschätzen konnten, wer ihnen helfen würde und wer nicht. Auf dieser Grundlage, so Blaffer Hrdy, konnten sich Sprache und die auch in einer modernen Welt unverzichtbare Kooperation entwickeln, die den Menschen bis heute ausmachen. Kinder waren also von Anfang an menschliche Gemeinschaftsaufgabe. Mit der Selbstbestimmung der Eltern und der zunehmenden Selbstbestimmung des Kindes findet diese Gemeinschaftsbezogenheit heute ihren Ausdruck im staatlichen Wächteramt nach Art.  6 Abs.  2 S.  2 GG. Dieses ist aber mit dem Recht der Eltern in Ausgleich zu bringen. Will man Schaden von Kindern abwenden, um ihre Entwicklung zu einem Individuum zu ermöglichen, bedarf die Selbstbestimmung der Eltern zumindest der Möglichkeit eines Korrektivs. Die Grenzen dieser Fremdbestimmung der Eltern über ihr Kind kann in unserer Rechtsordnung letztlich nur die staatliche Gemeinschaft durch eine Fremdbestimmung wiederum der Eltern setzen. Dabei stellt sich freilich das Problem, tatsächliche Bedürfnisse von Kindern zu wahren ohne gleichzeitig das Eltern-Kind-Verhältnis zu versteinern. So brauchen Kinder tatsächlich Nahrung, Schutz und Geborgenheit, können andererseits aber sicher gut auf traditionelle Prügelstrafen verzichten. Das hier angeschnittene Problem, welche Grenzen die staatliche Gemeinschaft den Eltern setzt, wird unter dem Grundgesetz von der Ebene des einfachen Familienrechts auf die verfassungsrechtliche Ebene gehoben. Entscheidungen über Pflege und Erziehung des Kindes stehen, nach den Erfahrungen absoluter Staaten kommunistischer und faschistischer Prägung den Eltern, nicht dem Staat zu. Grenze ist freilich mit dem staatlichen Wächteramt die Gefährdung des Kindeswohls. Welches Verhalten freilich eine Gefährdung des Kindeswohls darstellt, bedarf näherer Bestimmung mit Hilfe von Fachkennt163  Blaffer Hrdy, Mothers and Others, 2011, auch andere Untersuchungen von Ökonomen, Verhaltensforschern und Neurobiologen sprechen dafür, dass Menschen, wenn schon nicht von Natur aus altruistisch, so doch auch an Kooperation mit anderen Menschen interessiert und auf diese angewiesen sind. Angesichts all dieser Ergebnisse stellt sich die Frage, ob die Idee des aristotelischen zoon politikón nicht eine gewisse tatsächliche Grundlage besitzt. Überspitzt mag man sich fragen, ob der Individualismus als Grundlage des Rechts in der Neuzeit vielleicht gerade deshalb erst zur treibenden gesellschaftlichen Kraft wurde, als eine so ausdifferenzierte Gesellschaft entstanden war, dass ein Überleben des Menschen in ihr scheinbar auch als Individuum möglich war.

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Teil 1:  Einleitung und Grundlegung

nissen der Kindesentwicklung und Kindespsychologie. Insofern stellt sich bereits die Frage, ob Mehreltern verfassungsrechtlich geschützte Eltern sind und ob und wie Gefährdungen des Kindeswohls durch eine Mehrelternschaft tatsächlich festzustellen sind. Dies wird in der Untersuchung zu diskutieren sein. Damit ist der nächste notwendige Aspekt in der rechtlichen Behandlung multipler Elternschaft angesprochen, die notwendige Verknüpfung von Verfassungsund Familienrecht.

5.  Verfassungsrechtliche Ebene Durch die gegenüber der Weimarer Reichsverfassung stärkere Bindungswirkung der Grundrechte, die durch die Verfassungsbeschwerde von jedem Bürger geltend gemacht werden können, sind Kernbereiche des Familienrechts zu Bestandteilen des öffentlichen Rechts geworden.164 Zentrale Materien des Fami­ lienrechts, wie das Unterhalts-, Sorge-, Umgangs-,165 Abstammungs- und Ehevertragsrecht wurden und werden durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestimmt.166 Dies bedeutet, dass diese Untersuchung auf der verfassungsrechtlichen Ebene mit den Begriffen verfassungsrechtlicher Dogmatik arbeiten muss, die dort gewonnenen Erkenntnisse dann aber auf der Ebene des einfachen Rechts angemessen umsetzen muss. Was dies genau bedeutet, ist trotz inzwischen langjähriger Beeinflussung des Familienrechts durch das Verfassungsrecht, insbesondere in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, freilich bis heute methodisch nicht ganz geklärt.167 Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Verfassung für das einfache Recht nur einen Rahmen setzt, der der Ausgestaltung bedarf.168 Insofern kommt dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu. Dieser orientiert sich unter anderem an gesellschaftlichen Anschauungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Das Bundesverfassungsgericht macht hinsichtlich auslegungsbedürftiger Begriffe, wie z. B. dem der „Eltern“ (Art.  6 Abs.  1 GG), einerseits Anleihen beim einfachen Recht,169 nimmt andererseits aber auch Anregungen durch die 164  Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer ­Elternschaft, 2014, 191 f. 165  Vgl. aus der Kammerrechtsprechung der letzten Jahre nur: BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 29.7.2015 – 1 BvR 1468/15, FamRZ 2015, 1686; BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 30.7.2014 – 1 BvR 1530/14, juris; BVerfG, Beschl. d. 2. Kammer d. Ersten Senats v. 13.12.2012 – 1 BvR 1766/12, FamRZ 2013, 433. 166  Vgl. zu einer Übersicht Sanders, FuR 2016, 434. 167 Vgl. Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, 2014, 191 f. 168  Vgl. zu Ausgestaltung und Institutsgarantie näher unter Teil 2 II 3 b bb (S.  119). 169  Insbesondere macht es die einfachrechtliche Elternstellung zur Voraussetzung der Trägerschaft des Elternrechts: BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 103; BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 78.

II. Grundlegung

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Rechtsprechung des EGMR auf.170 Da das einfache Recht das Verfassungsrecht jedoch aufgrund der Normenhierarchie nicht determinieren kann, muss ausgehend vom verfassungsrechtlichen Elternbegriff ein verfassungsautonomes Verständnis von Elternschaft entwickelt werden. Bei der Entwicklung und Anwendung des Begriffs stellt sich die Frage nach der Bedeutung von Konstanz und dynamischem Wandel. „Elternschaft“171 ist ein offener Begriff, der auch in seiner verfassungsrechtlichen Bedeutung immer aktuelle gesellschaftliche Vorstellungen über Eltern-Kind-Beziehungen spiegelt.172 Damit stellt sich aber zwangsläufig die Frage, wann und wie ein gesellschaftlich maßgeblicher Wandel vorliegt und wie die Verfassung gleichwohl die ihr zugedachte normative Verbindlichkeit behalten kann.173 Geht man nicht davon aus, dass das einfache Recht Elternschaft determiniert, so gewinnen in diesem Zusammenhang auch auf verfassungsrechtlicher Ebene tatsächliche Erkenntnisse an Bedeutung.174 Wissenschaftliche Erkenntnisse besitzen so eine dreifache Relevanz im Fami­ lienrecht, zunächst bei der Arbeit des Gesetzgebers, dann bei der verfassungsrechtlichen Rahmung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts175 und schließlich bei der Anwendung des einfachen Rechts etwa in psychologischen Gutachten für familienrechtliche Verfahren. Zur vorliegend zu untersuchenden Frage des Umgangs des Rechts mit dem tatsächlichen Phänomen der Mehrelternschaft hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Art.  6 Abs.  2 GG zwar mehr als zwei Eltern schützen, dass aber nicht mehr als zwei Eltern das Elternrecht gem. Art.  6 Abs.  2 GG in170 

Vgl. dazu Teil 2 III (S.  188). Germann, VVDStRL 73 (2014), 257, 275 geht allerdings davon aus, dass nur der Begriff der Familie von vornherein offen für neue Formen des Näheverhältnisses von Eltern und Kindern sei, während er für die Elternschaft mit dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 99, 101) schlicht auf das einfache Recht zur Zuweisung des Elternrechts verweist. 172  Vgl. dazu auch Auer, AcP 216 (2016), 239, 265 ff. 173 Vgl. zur Diskussion um dieses Problem den Beratungsgegenstand „Dynamische Grundrechtsdogmatik von Ehe und Familie?“ der Staatsrechtslehrertagung 2013, 73 (2014), 211 ff.; Böhm, VVDStRL 73, 2014, 211; mit umfangreichen Nachweisen: Koschmieder, Grundrechtliche Dynamisierungsprozesse, 2016; Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff (Hrsg.), Regelungsaufgabe Mutterstellung, 2016, 87 f. 174  So wertete das BVerfG zur Frage, ob die Erziehung durch ein gleichgeschlechtliches Paar dem Kindeswohl schade, im Verfahren um die Sukzessivadoption verschiedene Untersuchungen aus und hörte Experten an: BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 70, 80. 175  Zur Feststellung von Tatsachen im verfassungsgerichtlichen Verfahren kritisch: Brink, in: Rensen/Brink (Hrsg.), Linien der Rechtsprechung des BVerfG, Bd.  1, 2009, 3, 21, 23 f., 25 ff.; vgl. auch „wunder Punkt der Verfassungsgerichtsbarkeit“: Ossenbühl, in: Starck (Hrsg.), Festgabe 25 Jahre BVerfG, 1976, 458, 462 f.; vgl. auch Sanders/Preisner, DÖV 2015, 761, 767 f.; Haberzettl, NVwZ 2015, 1; Philippi, Tatsachenfeststellungen des Bundesverfassungsgerichts, 1971; Ossenbühl, in: Starck (Hrsg.), Festgabe 25 Jahre BVerfG, 1976, 458; Kluth, NJW 1999, 3513; Bryde, FS 50 Jahre BVerfG, Bd.  1, 2001, 533; Bull, FS Koch, 2014, 29; vgl. zu diesem Themenkomplex ausführlicher unten Teil 2 II 5 b bb (S. 147). 171 

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Teil 1:  Einleitung und Grundlegung

nehaben könnten. Mehr als zwei Eltern als Träger des Elternrechts widersprächen der Konzeption der Verfassung, die auf der natürlichen Zeugungssituation beruhe.176 Während die gleichberechtigte, gemeinsame Wahrnehmung der ­Elternverantwortung durch zwei Eltern dem Kindeswohl dienlich sei,177 könnten die bei mehr als zwei Eltern auftretenden Rollen- und Kompetenzkonflikte dem Wohl des Kindes schaden.178 Diese Argumentation baut sowohl auf rechtlichen Argumenten zur Konzeption von Elternschaft durch die Verfassung auf als auch auf Argumenten, die sich darauf beziehen, was tatsächlich der Entwicklung eines Kindes dienlich ist.179 Mit den Argumenten auf beiden Ebenen wird sich die Untersuchung auseinandersetzen, sodass rechtliche Argumente als auch Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie, Soziologie und Anthropologie einzubeziehen sind.

176 

BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 102 ff. BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 27, 100/58, BVerfGE 10, 59, 87; BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 103. 178  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 103 „Der Gehalt des Elternrechts setzt seiner Trägerschaft Grenzen“. 179  Das BVerfG holte in der Entscheidung von 2003 wissenschaftlichen Sachverstand allerdings vor allem durch Stellungnahmen ein, z. B. dem Verband alleinerziehender Väter und Mütter, der Wissenschaftlichen Vereinigung für Familienrecht und dem Juristinnenbund. Vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 94 f. 177 

Teil 2

Entwicklung des Rechts der Elternschaft Abgesehen von der Adoption durch gleichgeschlechtliche (Ehe-)Partner und der Elternschaft transsexueller Menschen,1 sieht das deutsche Recht nur die ­Elternschaft zweier verschiedengeschlechtlicher Menschen vor, die Elternschaft eines Vaters und einer Mutter.2 Dieses Prinzip der „Zwei-Elternschaft“ ist fest etabliert, gerät allerdings zunehmend in die Diskussion.3 Bevor das Problem multipler Elternschaft diskutiert werden kann, sind die Grundlagen des deutschen Elternrechts, seiner Entwicklung und seiner Herangehensweise an Kon­ stellationen multipler Elternschaft herauszuarbeiten.

I.  Entwicklung von Abstammung und Elternschaft im einfachen deutschen Recht Nachdem die heutige Bedeutung der Elternschaft für das deutsche Recht kurz skizziert wurde, soll die Entwicklung des deutschen Abstammungs- und Sorgerechts diskutiert werden. Dabei wird – dem Gegenstand der Untersuchung gemäß – besonderes Augenmerk auf die Entwicklung des Verhältnisses der ­Eltern zueinander und hinsichtlich der Zahl der Eltern gelegt.

1.  Elternschaft seit 1900 Zunächst soll das den Status der Elternschaft begründende Abstammungsrecht und seine Entwicklung seit der BGB-Entstehung betrachtet werden. Dabei kommt auch das Adoptionsrecht in den Blick, bei dem die rechtliche ElternKind-­Verbindung nach der Geburt unabhängig von den Regeln des Abstammungsrechts hergestellt wird.

1 

Vgl. OLG Köln, Beschl. v. 30.11.2009 – 16 Wx 94/09, FamRZ 2010, 741. Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350; Rn.  36; Palandt/Brudermüller, 76.  Aufl. 2017, Einf. v. §  1591, Rn.  1. 3  So schlägt beispielsweise das Gutachten von Helms zum 71. DJT verschiedene Modelle mehrfacher Elternschaft vor. 2  BGH,

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

a.  Ganzes Haus, sittliches Familienrecht und BGB Den nachfolgenden Überlegungen zur Regelung der Elternschaft im BGB von 1900 seien einige knappe Anmerkungen zum Familienrecht und dessen Regelung im BGB vorangestellt. Bis ins 18. Jahrhundert prägte die Gemeinschaft des „ganzen Hauses“, des oikos, als begrifflicher Vorläufer der „Familie“ seit der Antike die Diskussion um Fragen, die heute dem Familienrecht zugewiesen würden.4 So differenzierte bereits Aristoteles zwischen Ehe, Elternschaft und der Hausgemeinschaft mit Sklaven und Bediensteten drei menschliche Gemeinschaften, die zusammen den Staat als größte naturgegebene menschliche Gemeinschaft bildeten.5 Im „ganzen Haus“, wie es z. B. in der bäuerlichen Familie oder in Handwerksbetrieben zu finden war, waren Bereiche untrennbar vermischt, die nach heutigem Verständnis dem Familien- und dem Wirtschafts- und Vermögensrecht zuzuordnen wären. 6 Die Hausgemeinschaft war davon geprägt, dass sie unter der – wenn auch durchaus hierarchisch differenzierten – Leitung des Hausvaters und der Hausmutter Familienmitglieder, aber auch Lehrlinge, Mägde und sonstige Bedienstete7 umfasste. Insofern wurde das Hauswesen nicht selten mit einem staatlichen Gemeinwesen „im Kleinen“ verglichen. 8 In dieser Gemeinschaft kamen Hausvater und Hausmutter verschiedene Aufgaben zu. Die ökonomische Zusammenarbeit war in der agrarischen und teilweise kleingewerblichen Gesellschaft prägend für das Verhältnis der Ehegatten zueinander als Kern des Hauses, weniger die emotionale Nähe zwischen beiden.9 Die Grundlagen der Idee des „ganzen Hauses“, das ein zentrales Ehepaar mit Kindern und sonstigen Personen umfasst, lagen zwar bereits in der Antike, wurden aber im Mittelalter weiter entwickelt. Die Aufteilung des Landes in Hufe, d. h. Hofstellen, die mit einem Pflug von einer Familie bewirtschaftet wer­ 4 

Schwab, FamRZ 2007, 1; Auer, AcP 216 (2016), 239, 259 ff. Aristoteles, Politik, Rolfes (Hrsg.), 4.  Aufl., 1253b 1, ff., 6 ff.; dazu auch Schwab, in: Brunner/Conze/Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd.  2, 1975, 258 ff.; Auer, AcP 216 (2016), 239, 259. 6  Entsprechend betrafen die Familienverhältnisse regierender Adelshäuser in der feudalen Gesellschaft, das sogenannte Privatfürstenrecht, Bereiche, die heute dem Familien-, Verfassungs-, und Völkerrecht zuzuordnen wären: vgl. m. w. N. Hillenbrand, Fürstliche Eheverträge, 1996; Dauner-Lieb/Sanders, FS Groß, 2005, 40 f. 7  So rechnete das ALR das Gesinde zur häuslichen Gemeinschaft ALR I I §  4; vgl. mit weiteren Nachweisen zur Entwicklung des Gesinderechts aus dem Bereich des Hausrechts (und damit eines Rechtsbereichs, den wir heute als Familienrecht einordnen würden, hin zum Dienstvertragsrecht: Meder, Familienrecht, 2013, 131 Fn.  56. 8  Vgl. m. w. N. Meder, Familienrecht, 2013, 130, Fn.  5 4; die Nähe des Staates zur Familie lag in der Zeit des Absolutismus nahe, in dem sich exemplarisch Ludwig der XIV als Inbegriff des Staates selbst verstand (vom Staatsoberhaupt zum Staatoberhaupt, ließe sich hier formulieren) und das Privatfürstenrecht mit den Eheverträgen der Fürsten das Fortbestehen der dynastischen Monarchie betraf, vgl. dazu Hillenbrand, Fürstliche Eheverträge, 1996. 9  Meder, Familienrecht, 2013, 130 f. 5 Vgl.

I.  Entwicklung von Abstammung und Elternschaft im einfachen deutschen Recht

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den konnten, begünstigte zusammen mit der Christianisierung die Entwicklung einer Familienstruktur, die als „spezifisch europäisch“ bezeichnet wird.10 Prägend waren dabei die Ausrichtung auf das Bauernehepaar als Zentrum der Hofstelle mit seinen Kindern und dem Gesinde, weniger die blutsmäßigen Verbindungen innerhalb einer Großfamilie.11 Da erst mit wirtschaftlicher Selbständigkeit und der Übernahme einer Hofstelle eine Ehe eingegangen werden konnte, gingen junge Menschen üblicherweise als Gesinde in die Lehre. Umgekehrt begünstigten die späte Verehelichung (oder auch Wiederverheiratung nach Tod des Gatten, d. h. zu einem Zeitpunkt in dem die Eltern oft schon verstorben waren) und die Übernahme von Hofstellen außerhalb der Familie die Entstehung von Gemeinschaften, die weniger stark auf blutsmäßige Verwandtschaft ausgerichtet waren als Familienverbände in Asien. Die geringere Bedeutung spezifischer Positionen innerhalb der Blutsfamilie zeigt sich auch darin, dass in europäischen Sprachen im Gegensatz zu ihren indogermanischen Wurzeln differenzierende Begriffe für Verwandte auf der mütterlichen und väterlichen Seite verschwanden. Verschwägerte Verwandte erhielten Bezeichnungen wie Schwiegermutter und Schwiegervater, die an tatsächliche Verwandtschaftsverhältnisse angelehnt waren und damit die Paarzentrierung des Haussystems betonten. Entsprechend nahm die Kirche zwischen Verschwägerten auch Eheverbote an wie zwischen blutsmäßigen Verwandten.12 Die Entstehung von quasifamiliären Gemeinschaften ohne Blutsverwandtschaft wurde außerdem durch die Christianisierung und die dort verbreitete Idee „geistlicher Verwandtschaft“ befördert.13 Das Christentum stellt auf die Zugehörigkeit zum Glauben und zur Gemeinde, nicht auf eine bestimmte ­Familie ab. Väter, Mütter, Brüder und Schwestern entstanden in Klöstern und Gemeinden gerade außerhalb von Familienstrukturen. Paten wurden geistige Eltern („Godfather“, „Godmother“), mit der Folge, dass die Kirche Eheverbote zwischen Patenkind und Pate annahm. Dies alles begünstigte die Entstehung von Hausgemeinschaften, denen Personen jenseits von blutsmäßiger Verwandtschaft angehörten.14 Diese flexible, ökonomisch ausgerichtete Idee des ganzen Hauses war bis in die Naturrechtskodifikationen des 18. Jahrhunderts prägend. Naturrechtslehrer und Gesetzesredaktoren15 legten die Vorstellung vom Rechtsverhältnis von Hausvater, Hausmutter und Kindern ihren Arbeiten zum Codex Maxi­milianeus Bavaricus Civilis, zum preußischen ALR und zum österreichischen ABGB zu-

10 Vgl.

Mitterauer, Warum Europa?, 2004, 70 ff. Mitterauer, Warum Europa?, 2004, 78. 12 Vgl. Mitterauer, Warum Europa?, 2004, 80 ff. 13 Vgl. Mitterauer, Warum Europa?, 2004, 82 ff. 14 Vgl. Mitterauer, Warum Europa?, 2004, 70 ff. 15 Wie Wolff, Kreittmayr und Martini vgl. Meder, Familienrecht, 2013, 131. 11 Vgl.

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

grunde. Dass man „das Haus“ und die Verhältnisse seiner Bewohner rechtlicher Regelung unterziehen könne, stand dabei nicht in Frage. Mit dem Übergang zum 19. Jahrhundert und der industriellen Revolution entwickelte sich jedoch das Idealbild der bürgerlichen Familie in Abgrenzung zur zunehmend industrialisierten Welt des Erwerbs und des öffentlichen Lebens.16 Bedeutung für die weitere rechtliche Entwicklung erlangten insbesondere17 die Überlegungen Friedrich Carls von Savigny als Grundlegung des Eheund Familienverständnisses der historischen Rechtsschule. Die Familie bildete nach der Vorstellung Savignys einen Ort, der die Person als Ganze, das heißt sowohl ihr inneres, nur der Sittlichkeit unterworfenes Selbst als auch die dem Recht unterworfenen Vermögensrechte und Obligationen berühren sollte. Dem Familienverhältnis einschließlich der Ehe schrieb Savigny entsprechend eine Doppelnatur zwischen Recht und Sittlichkeit bzw. Moral zu.18 Die Förderung von Moral und Sittlichkeit waren jedoch nicht Aufgabe des Gesetzgebers, sondern lediglich die Sicherung eines freiheitlichen Umfelds, das dessen Entfaltung ermöglichte.19 Das Familienrecht, dem möglicherweise hier eine bis heute fortwirkende Sonderstellung außerhalb des sonstigen Zivilrechts20 eingeräumt wurde, konnte damit nur in engen Grenzen und unter Berücksichtigung der in den Vorstellungen des Volkes lebenden sittlichen Substanz vom Gesetzgeber gestaltet werden.21 Diese Auflassung von Ehe und Familie als sittlichen Verhält16 Vgl. Meder, Familienrecht, 2013, 129 ff. Die Entwicklung der bürgerlichen Familie im Zuge der industriellen Revolution war keineswegs allein auf Deutschland beschränkt. Im Vereinigen Königreich, wo die industrielle Revolution früher einsetzte und mit mindestens ebenso weitreichenden Folgen wie in Deutschland wirkte, erhielt die viktorianische Familie große Bedeutung, die weitreichende Folgen für etablierte Institute des englischen Familienrechts entfalteten: vgl. Sanders, in: Popovici/Tremblay/Smith (Hrsg.), Les Intraduisibles en droit civil, 2014, 217, 237 ff.; Cretney, Family Law in the Twentieth Century, 2004, 142, 153 ff. 17  Eine Auseinandersetzung mit den philosophischen Arbeiten der Zeit zur Familie und der Rolle ihrer Mitglieder würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen, vgl. m. N. insbesondere zu den Arbeiten Schleiermachers: Meder, Familienrecht, 2013, 136 ff. 18 Vgl. von Savigny, Darstellung der in den Preuß. Gesetzen über die Ehescheidung unternommenen Reform, 1844, 5 f. (Nachdruck in FamRZ 1969, 1). 19 Vgl. von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd.  I , 1840, 332. 20  Vgl. zur Debatte um den Family Law Exceptionalism, der in dieser Sonderstellung auch einen Grund für die Entwertung der vorwiegend von Frauen geleisteten Familienarbeit sehen: Kennedy, (2003) 3 Suffolk U L Rev 63; ders., (2010) 58 Am J Comp L 811 und die von Halley und Rittich herausgegebene Sonderausgabe des American Journal of Comparative law (2010) 58 Am J Comp L 753. Aus deutscher Perspektive ist es jedoch nicht ganz überzeugend, die scharfe Trennung zwischen Wirtschafts- und Familienrecht in Common Law Rechtsordnungen auf den Einfluss Savignys zurückzuführen. Das englische Recht, das bis heute Zurückhaltung hinsichtlich des Abschlusses von Verträgen zwischen Familienmitgliedern und Eheverträgen zeigt, hat diese Trennung deutlich schärfer durchführt als das deutsche Recht, das mit dem Institut des Vertrags im Familien- und allgemeinen Zivilrecht übergreifende dogmatische Prinzipien kennt: vgl. Sanders, in: Popovici/Tremblay/Smith (Hrsg.), Les Intraduisibles en droit civil, 2014, 217, besonders 232 f. 21 Vgl. Schwab, FamRZ 2007, 1, 2.

I.  Entwicklung von Abstammung und Elternschaft im einfachen deutschen Recht

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nissen setzte sich bis zur Entstehung des BGB und darüber hinaus fort.22 In dieser Tradition führte Windscheid zum Verhältnis von Eltern und Kindern aus: „Das Verhältnis von Aeltern und Kindern steht, wie das eheliche, zunächst unter den Grundsätzen des Sittengesetzes und die Rechtsregeln, welche sich auf dasselbe beziehen, haben auch hier im Ganzen und Großen keine andere Bedeutung als die, daß durch sie das sittliche Wesen des Verhältnisses zum Ausdruck gebracht werden soll.“23

Dem Ideal der „bürgerlichen Familie“24 und dem Ansatz einer eingeschränkten Reform- und Regelungsbefugnis des Gesetzgebers folgte auch der hannoversche Richter Gottlieb Planck,25 der Redaktor des Familienrechts im BGB, das auch im Übrigen nicht als Reformgesetzbuch, sondern als Mittel der Rechtsvereinheitlichung konzipiert war.26 Das Familienrecht wurde seiner Sonderstellung entsprechend in einem eigenen Band des BGB, getrennt vom sonstigen Schuld- und Sachenrecht, geregelt. Zwar zeigen sich in den Erwägungen zum Familienrecht hin und wieder Überlegungen, die heute als sozialpolitisch eingestuft würden, doch überwiegen Verweise auf das natürlich-sittliche Elternverhältnis und auf die tatsächlichen Verhältnisse, beispielsweise zwischen nichtehelichen Vätern und ihren Kindern, die zu reformieren das Gesetz keinesfalls anstrebte. b.  Ehe, leibliche Abstammung und Mehrelternschaft – Überblick Das Recht der Elternschaft im BGB von 1900 wurde maßgeblich durch zwei zentrale Prinzipien geprägt: Die Betonung der leiblichen – heute würde man sagen biologisch-genetischen – Abstammung27 einerseits und die Bedeutung der Ehelichkeit (bzw. ihres Fehlens) als Grundlage des rechtlichen Eltern-Kind-­ Verhältnisses.28 So führt Knitschky in seinem Werk zum Rechtsverhältnis von Eltern und Kindern von 1899 aus:

22 Vgl. von Gerber, System des deutschen Privatrechts, 1882, §  2 23; Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 1868, §  490. 23  Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 1868, §  513. 24 Vgl. Wagenitz/Barth, FamRZ 1996, 577, 578 f. 25  Vgl. zu Planck: Meder, Gottlieb Planck und die Kunst der Gesetzgebung, 2010. 26  Meder, Familienrecht, 2013, 195 f. 27  Die Möglichkeiten der Feststellung der Vaterschaft waren damals noch begrenzt, man behalf sich über den Nachweis des Geschlechtsverkehrs innerhalb einer bestimmten Zeit: vgl. zur Entwicklung von Vaterschaftsfeststellungsverfahren: Fangerau, RdJB 2016, 256, 258 ff. Die Erforschung der Grundlagen der menschlichen Vererbung stand zum Zeitpunkt der BGB-Entstehung noch in den Kinderschuhen. Zwar hatte Gregor Mendel bereits 1866 seine Forschungsergebnisse zur Vererbung veröffentlicht, doch damit zunächst wenig Aufmerksamkeit erfahren: vgl. Mukherjee, The Gene, 2016, 53 ff. 28  Vgl. dazu Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, 2014, 127 f.

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

„Wenn wir von dem Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern im Allgemeinen sprechen, so denken wir dabei regelmäßig an die Beziehungen von Ehegatten und ihren gemeinschaftlichen Abkömmlingen.“29

Die zentrale Stellung der ehelichen Familie als Grundlage legitimer Elternschaft prägte nicht nur das bürgerliche Recht bis in die Gegenwart, sondern auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bis in die 1990er Jahre.30 Die „Ehe als Grundpfeiler des Familienrechts“ und lebenslange Gemeinschaft anzusehen, entsprach zum Zeitpunkt der Entstehung und des Inkrafttreten des BGBs allgemeiner Überzeugung.31 Prägnant fassten bereits die Motive die Bedeutung der Ehe zusammen: „Bei der Regelung der Rechtsverhältnisse der unehelichen Kinder ist der Entwurf davon ausgegangen, daß regelmäßig nur die durch die eheliche Abstammung vermittelte Verbindung diejenige sittliche Grundlage gewährt, welche die Voraussetzung familienrechtlicher Pflichten und Rechte bildet, daß insbesondere nur das feste Band der Ehe und das dadurch begründete Familienleben eine ausreichende Garantie für die Erfüllung jener Pflichten und die zweckentsprechende Ausübung jener Rechte bietet.“32

Ein Aufwachsen in familiärer Gemeinschaft mit beiden Eltern war damit nur für eheliche Kinder vorgesehen. Eheliche Kinder waren mit beiden Eltern verwandt, besaßen einen Unterhaltsanspruch gegen beide Eltern (§§  1601 f. BGB) und waren ihnen umgekehrt zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet. Ehelichen Kindern und ihren Eltern kam auch jeweils ein gesetzliches Erbrecht und ggf. ein Pflichtteilsanspruch im Fall des Versterbens zu. Das nichteheliche Kind hatte rechtlich grundsätzlich nur einen Elternteil, die Mutter, gegenüber der und deren Verwandten es die Stellung eines ehelichen Kindes mit wechselseitigen Unterhalts- und gesetzlichen Erbrechten einnahm. Mit dem Vater galt es demgegenüber als nicht verwandt, sodass insofern keine wechselseitigen Unterhalts- und Erbrechte bestanden. Jedoch kam dem nicht­ ehelichen Kind gegenüber seinem Vater ein spezieller Unterhaltsanspruch zu. Die Annahme an Kindes statt, die Adoption, löste im Gegensatz zur heutigen Rechtslage nicht die rechtlichen Bande zur alten Familie, sodass einem adoptierten Kind Rechte und Pflichten gegenüber mehr als zwei Eltern zukommen konnten. Damit folgte das Recht anders als heute nicht durchgängig dem Prinzip der Zwei-Elternschaft, sondern kannte Konstellationen mit nur einem rechtlichen Elternteil – beim unehelichen Kind – und mit mehr als zwei Elternteilen – beim Adoptivkind. Freilich stand dem nichtehelichen Kind gegen seinen „Erzeuger“ ein Unterhaltsanspruch zu, sodass nicht jede rechtliche Verbindung 29 

Knitschky, Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern, 1899, 1. Vgl. unten Teil 2 II 5 e (S. 154). 31  Vgl. dazu schon Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, 2014, 121 ff. 32  Motive, Bd.  I V, 851; vgl. auch Staudinger/‌ Engelmann, 2.  Aufl. 1905, Vorb. zu §  1704 ff. BGB Nr.  2. 30 

I.  Entwicklung von Abstammung und Elternschaft im einfachen deutschen Recht

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zwischen Kind und Vater geleugnet wurde. Eine rechtliche Verwandtschaft lehnte das BGB jedoch ausdrücklich ab (§  1589 Abs.  2 BGB a. F. 1900). Dies änderte sich freilich mit dem Nichtehelichengesetz von 1970, das die Verwandtschaft mit dem Vater herstellte, und dem Adoptionsgesetz von 1977, mit dem die Volladoption eingeführt und das minderjährige Adoptivkind rechtlich vollständig von seinen rechtlichen, meist leiblichen Eltern gelöst wurde. Während das BGB von 1900 damit durchaus mehrere Eltern mit Rechten und Pflichten kannte, galt die elterliche Gewalt, der Vorläufer der elterlichen Sorge, als ausschließlich, d. h. unteilbar. Die elterliche Gewalt kam immer nur einer Person zu, meist dem Vater. Dies galt nicht nur für eheliche und geschiedene Eltern, sondern auch für das Verhältnis der leiblichen Eltern zu den Adoptiv­ eltern ihres Kindes. Erst mit der Kindschaftsrechtsreform 1998 wurde die gemeinsame Sorge möglich. Diese Abweichungen von dem heute allgemein akzeptierten Grundsatz der Zwei-Elternschaft mit grundsätzlich zwei gleichberechtigten sorgeberechtigten Eltern lassen einen historischen Einstieg in das Problem der Mehrelternschaft angezeigt sein. c.  Eheliche Elternschaft aa.  Eheliche Vaterschaft Das deutsche Recht unterschied von 190033 bis zur Kindschaftsrechtsreform von 1998 zwischen ehelichen und un‑ bzw. nichtehelichen Kindern. Die recht­ lichen Beziehungen zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern und ihren Eltern waren sowohl hinsichtlich des Abstammungsrechts als auch in Bezug auf die elterliche Gewalt (heute elterliche Sorge) verschieden geregelt. Dies galt insbesondere hinsichtlich der Vaterschaft. §  1591 BGB a. F. 1900 lautete: (1) Ein Kind, das nach der Eingehung der Ehe geboren wird, ist ehelich wenn die Frau es vor oder während der Ehe empfangen und der Mann ihr während der Empfängniszeit beigewohnt hat. Das Kind ist nicht ehelich, wenn es den Umständen nach offenbar nicht möglich ist, daß die Frau das Kind von dem Manne empfangen hat. (2) Es wird vermutet, daß der Mann innerhalb der Empfängniszeit der Frau beigewohnt habe. Soweit die Empfängniszeit in die Zeit vor der Ehe fällt, gilt die Vermutung nur, wenn der Mann gestorben ist, ohne die Ehelichkeit des Kindes angefochten zu haben.

Die Vorschrift enthielt zwei Vermutungen. Zum einen die Ehelichkeitsvermutung in Abs.  1 und zum anderen die Beiwohnungsvermutung in Abs.  2. Interessant sind insoweit die Unterschiede zur Regel der Digesten 2,4,5 „Pater est quem nuptiae demonstrant“,34 nach der Vater eines Kindes der Ehemann 33  Vgl. zur Regelungssystematik des Kindschaftsrechts: Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, 2014, 129 ff. 34 Vgl. Gaul, FamRZ 1997, 1441, 1446.

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

der Mutter ist. Während die doppelte Vermutung der Ehelichkeit und der Beiwohnung des BGB vergleichbare Rechtswirkungen besitzt, knüpft sie nicht nur an den Ehestand, sondern auch an die tatsächliche Zeugung an. Dies verdeutlicht ein besonderes Interesse der Gesetzgeber des BGB an der leiblichen Abstammung als Grundlage der Elternschaft. Diese Regelung stellte allerdings keine Besonderheit des BGB dar. Der Zeitpunkt der Zeugung des Kindes war in vielen Rechtsordnungen von Bedeutung für seinen Status. Der Gesetzgeber des BGB hatte sich, entgegen des Rechts eines Teils der deutschen Staaten und des gemeinen Rechts mit dem österreichischen ABGB, dem ALR und dem Code Civil, dazu entschieden, auch das vor der Eheschließung gezeugte Kind als ehelich und nicht als legitimiertes Kind anzusehen.35 bb. Anfechtung Die Anfechtung erlaubte es dem Ehemann, der das Kind tatsächlich nicht gezeugt hatte, die Ehelichkeit des Kindes und seine Vaterstellung zu beseitigen und dient damit bis heute der Herstellung der „Statuswahrheit“, d. h. der Herstellung einer Übereinstimmung zwischen genetischer und rechtlicher Vaterschaft.36 Die Ehelichkeit des Kindes konnte innerhalb eines Jahres nachdem der Ehemann von der Geburt des Kindes erfahren hatte angefochten werden (§§  1593–1597 BGB a. F. 1900). Die Anfechtung war freilich ausgeschlossen, wenn er das Kind anerkannt hatte (§§  1598, 1599 BGB a. F. 1900). Besondere Bedeutung im öffentlichen, nicht nur privaten Interesse gewann die genetische Abstammung und die Anfechtung der Ehelichkeit während der Zeit des Nationalsozialismus. Mit dem Familienrechtsänderungsgesetz wurde 1938 die Anfechtungsfrist von einem Jahr ab Kenntnis der Geburt auf ein Jahr ab Kenntnis von den Umständen, die für die Nichtehelichkeit sprachen, verlängert.37 Mit dem Familienrechtsänderungsgesetz wurde auch ein unbefristetes Anfechtungsrecht des Staatsanwalts eingeführt (§  1595a BGB), um im öffent­ lichen Interesse die Klarstellung der Abstammung aus „rassischen“ und „erbbiologischen Gründen“ zu ermöglichen.38 cc.  Eheliche Mutterschaft Während die Bestimmung des Vaters immer schon in der Vergangenheit Probleme bereitete,39 bestand über die Mutter bis zur Entwicklung von Eizellenund Embryonenspende Einigkeit. Der Satz „mater semper certa est” galt als so 35 

Vgl. Motive, Bd.  I V, 646 f. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 2010, §  52, Rn.  3. 37 Vgl. Haferkamp, in: Dölemeyer/Mohnhaupt (Hrsg.), 200 Jahre ABGB, 2012, 159, 167. 38 Vgl. Amtliche Begründung zum Familienrechtsänderungsgesetz, DJ 1938, 619, 620; ­Badenberg, Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung, 2006, 11. 39  Vgl. zur Geschichte der Vaterschaftsfeststellung, Fangerau, RdJB 2016, 256. 36 

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selbstverständlich, dass das BGB von 1900 keine spezielle Definition der Mutterschaft enthielt. Aus der Bestimmung des §  1591 BGB a. F. 1900 ergibt sich allerdings, dass die Mutter eines ehelichen Kindes die Frau ist, die es während oder vor der Ehe vom Ehemann empfangen und nach Eingehung der Ehe geboren hat. Nach heutigem medizinischem Verständnis würde dies voraussetzen, dass die Ehefrau das Kind nicht nur geboren hat, sondern es auch aus ihrer Eizelle hervorgegangen ist. Wesentliche Unterschiede bestanden zwischen der Mutter und dem Vater hinsichtlich der „elterlichen Gewalt“, heute Sorge, die grundsätzlich – auch während bestehender Ehe – allein dem Vater zustand, während der Mutter nur das Recht und die Pflicht zukam, für das Kind tatsächlich zu sorgen. Darauf wird unten näher einzugehen sein. d.  Uneheliche Elternschaft aa.  Uneheliche Ein-Elternschaft 1900–1969 Allein die Ehe war im 19. Jahrhundert und zur Zeit der Entstehung des BGB rechtlich und gesellschaftlich akzeptierte Grundlage der Familie. „Der Vater und die Mutter des nichtehelichen Kindes treten durch die die Zeugung desselben begründete Beiwohnung in keinerlei familienrechtliche Beziehungen zueinander und stehen sich als vollkommen fremde Personen gegenüber“, formulierte denn auch Behr 1935.40 Entsprechend war die Situation des unehelichen Kindes und seiner Eltern im BGB von 1900 eine grundlegend andere als die des ehelichen Kindes.41 Allerdings unterschied das BGB von 1900 im Gegensatz zu anderen Rechtsordnungen nicht zwischen verschiedenen Arten nichtehelich geborener Kinder wie z. B. Brautkindern und im Ehebruch gezeugten Kindern.42 (1) Zahlvater Das uneheliche Kind hatte im BGB von 1900 rechtlich gesehen keinen Vater. Der leibliche Vater wurde auch als „Zahlvater“ oder „Erzeuger“ bezeichnet. Zwar beständen auch zwischen nichtehelichen Kindern und ihren Vätern die „gleichen Bande des Blutes“, doch seien die tatsächlichen Verhältnisse zwischen dem unehelichen Kind und seinem „Erzeuger“ einerseits und dem ehelichen Kind und seinem Vater andererseits zu verschieden, um diese rechtlich gleich zu 40 

Behr, Rechtsstellung der unehelichen Kinder, 1935, 56. Die Situation unehelicher Mütter und ihrer Kinder war gesellschaftlich und ökonomisch schwierig. Die Zahl der unehelichen Geburten lag von der Reichsgründung bis 1914 bei etwa 8,7 %, wobei es jedoch große regionale Unterschiede gab; vgl. im Einzelnen: Buske, Fräulein Mutter und ihr Bastard, 2004, 34 ff. insgesamt zur gesellschaftlichen Situation 31 ff. 42  Motive, Bd.  I V, 856 ff.; vgl. insgesamt zur Entstehung des Unehelichenrechts im BGB Schubert, Die Projekte der Weimarer Republik zur Reform des Nichtehelichen-, des Adoptions- und des Ehescheidungsrechts, 1986, 32 ff. 41 

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behandeln, begründete Knitschky dies beispielhaft.43 In den Motiven zum BGB wird dazu ausgeführt, entsprechend der Ehe als sittlicher Grundlage der Familie „hat der Entwurf zwischen dem unehelichen Kinde und dessen Abkömmlingen einerseits und dem unehelichen Vater und dessen Verwandten andererseits familienrechtliche Beziehungen insbes. die aus dem ehelichen Eltern- und Kindesverhältnisse sich ergebenden Pflichten und Rechte, grundsätzlich nicht anerkannt. Die durch die Natur zwischen dem Kinde und seinem Erzeuger geknüpften Bande führen in den wenigsten Fällen zu einer innigeren Verbindung zwischen beiden. Meistens steht der Vater dem unehelichen Kinde gleichgültig und fremd gegenüber. Er betrachtet es als eine Last und hat kein Interesse an seinem Wohlergehen, der körperlichen und geistigen Ausbildung desselben. An dem Familienleben und an dem Vermögen des Vaters nimmt das uneheliche Kind in den seltensten Fällen unmittelbaren Anteil (…)“.44

Entsprechend dem Verständnis der BGB-Entstehung bildete nicht nur die Ehe, sondern auch das Eltern-Kind-Verhältnis ein von Natur und Sittlichkeit geprägtes Verhältnis, das vom Gesetzgeber nur ausgeformt, nicht aber grund­ legend verändert werden könne. Da es entsprechend der zeitgemäßen gesellschaftlichen Anschauungen nur ein Band des Blutes, aber kein sittliches Verhältnis der elterlichen Fürsorge zwischen Vater und Kind gebe, könne ein solches auch nicht rechtlich hergestellt werden. Diese Auffassung setzte sich bis in die Weimarer Republik und auch die frühe Bundesrepublik fort. Klumke, der Kommentator zu Art.  121 WRV, der das uneheliche Kind unter verfassungsrechtliche Schutz stellte, formulierte entsprechend: „Die schutzbedürftige Lage des unehelichen Kindes wird zunächst dadurch gekennzeichnet, daß ihm eben jene wichtigste Grundlage aller Erziehung, das gemeinsame ­Familienleben, der Haushalt der Eltern fehlt. (…) Die nächsten Schwierigkeiten erwachsen für das uneheliche Kind aus der Stellung seiner Eltern zu ihm. Beiden ist das Kind in sehr vielen Fällen unwillkommen. Die Teilnahme, die der Vater vielleicht anfangs für Mutter und Kind besitzt, wird sehr oft durch die unbequemen wirtschaftlichen Lasten geschmälert, ja unterdrückt. Seine sittlichen Verpflichtungen, die kein Gesetz formuliert, werden von vielen gar nicht empfunden, sehr viele suchen sich auch den wirtschaftlichen, gesetzlichen Verpflichtungen zu entziehen. Bei der Mutter ist die Zuneigung zum Kind meist vorhanden, oft auch große Opferwilligkeit, aber ihr fehlen die wirtschaft­ lichen Kräfte, und die Erfahrung, die ihr bei der schwierigen Lage und den Aufgaben dieser Erziehung helfen könnten.“45

Der uneheliche Vater galt daher nicht mit seinem Kind als verwandt (§  1589 Abs.  2 BGB a. F. 1900). Allerdings bestanden Eheverbote zwischen ihm und seinen Blutsverwandten (§   1310 BGB a. F. 1900). Entsprechend der fehlenden 43  Knitschky, Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern, 1899, 1; vgl. auch Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, 2014, 129. 44  Motive, Bd.  I V, 851. 45  Klumke, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd.  II, 1930, 107, 115 f.

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rechtlichen Verwandtschaft bestanden auch keine gesetzlichen Erbrechte zwischen dem Kind und dem unehelichen Vater und den väterlichen Verwandten.46 Eine testamentarische Einsetzung des unehelichen Kindes konnte sogar gem. §  138 BGB nichtig sein, wenn die Ehefrau und die ehelichen Abkömmlinge des Mannes böswillig von der Erbfolge ausgeschlossen werden sollten.47 Das Kind hatte allerdings einen Anspruch gegen den Nachlass auf Fortzahlung des speziellen Nichtehelichenunterhalts, der sogleich dargestellt wird. Der Vater musste allerdings Unterhalt für das uneheliche Kind nach der Lebensstellung der Mutter zahlen (§§  1708–1713 BGB a. F. 1900).48 Der Anspruch war vorrangig gegenüber dem Anspruch des Kindes gegen die Mutter auf Verwandtenunterhalt (§  1709 BGB a. F. 1900). Dieser Unterhalt war gem. §  1712 Abs.  1 BGB a. F. 1900 nach dem Tod des Vaters weiterzuzahlen. Allerdings konnte gem. Abs.  2 der Erbe des Vaters das uneheliche Kind mit dem Pflichtteil abfinden, den es erhalten hätte, wenn es ehelich gewesen wäre. Dem Gesetzgeber stellte sich hier das Problem, dass Unterhaltsansprüche eigentlich mit dem Tod des Unterhaltspflichtigen enden, er andererseits aber dem nichtehelichen Kind kein Erbrecht am Nachlass des Vaters einräumen wollte. Darum erlosch der Unterhaltsanspruch nicht mit dem Tod des Vaters.49 Im Gesetzgebungsverfahren war der Unterhaltsanspruch des unehelichen Kindes umstritten.50 Befürchtet wurde, die Möglichkeit der Unterhaltsklage könne zur Unsittlichkeit führen und die Zahl der unehelichen Kinder erhöhen.51 Die Motive lehnen die Deliktstheorie ab, nach der der Unterhalt aus dem Delikt des außerehelichen Beischlafs resultiere52 und begründeten den Unterhaltsanspruch mit der „natürlichen Pflicht“ des Vaters. Die Motive führen aus:53 „Das durch die Zeugung zwischen dem unehelichen Vater und dem unehelichen Kinde geknüpfte natürliche Band der Verwandtschaft bringt, wenn auch das Gesetz im übrigen (…) Abstand nehmen muss, familienrechtliche Beziehungen zwischen dem unehelichen Kind und dessen Vater anzuerkennen, doch die natürliche und sittliche Pflicht für den unehelichen Vater mit sich, für den Unterhalt des Kindes zu sorgen.“

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Jansen/Knöpfel, Das neue Unehelichengesetz, 1967, 395. Jansen/Knöpfel, Das neue Unehelichengesetz, 1967, 395. 48  Vgl. zu einem praktischen Fall: Buske, Fräulein Mutter und ihr Bastard, 2004, 73 ff. 49  Motive, Bd.  I V, 902; vgl. zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift nach Inkrafttreten des Grundgesetzes: BVerfG, Beschl. v. 29.1.1969 – 1 BvR 26/66, BVerfGE 25, 167. 50 Vgl. Jakobs/Schubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Familienrecht II, 1989, 601 ff. 51  Motive, Bd.  I V, 866 ff. 52  Motive, Bd.  I V, 864 ff., 868, 874; vgl. dazu Lipp, in: Behrends/Schumann (Hrsg.), Gesetzgebung, Menschenbild und Sozialmodell im Familien- und Sozialrecht, 2008, 133, 136. 53  Motive, Bd.  I V, 868, vgl. dort auch: „Der Anerkennung dieser Unterhaltspflicht kann das Recht sich nicht entziehen, ohne mit den Gesetzen der Natur und dem Sittengesetze in Widerspruch zu gerathen.“ 47 

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Das Fehlen eines Unterhaltsanspruchs für das uneheliche Kind könne für Männer außerdem einen Anreiz darstellen, unbescholtene Mädchen zu verführen.54 Überdies entspreche es dem Interesse der Gesellschaft, uneheliche Kinder mit einem Unterhaltsanspruch gegen ihren Vater vor dem Elend zu bewahren.55 Das Kind solle allerdings die Verwandten des Vaters nicht in Anspruch nehmen können und auch die Inanspruchnahme des Kindes durch den Vater war ausgeschlossen. Damit fehle es an einer „sittlichen Grundlage“.56 Insofern knüpfte der Anspruch nicht an die gegenseitige Pflicht von Verwandten an, sich zu unterstützen,57 sondern trotz der Ablehnung des deliktischen Charakters doch an die durch die Zeugung des Kindes übernommene Verantwortung. Ein weiteres Argument gegen die Einführung der Unterhaltsklage war der Einwand, die Vaterschaft des unehelichen Vaters ließe sich nicht sicher feststellen. So könnten unbescholtene Männer zur Unterhaltszahlung für fremde Kinder herangezogen sowie Erpressungen und dem Skandal eines Unterhaltsprozesses ausgesetzt werden.58 Damals setzte in der Tat der Stand der Forschung der Klärung der Abstammung enge Grenzen.59 Entsprechend wurde die Zeugung als eine „in ein Naturgeheimnis gehüllte Tatsache“ bezeichnet, deren Beweis nicht erbracht werden könne. 60 Dem wurde entgegnet, die Vaterschaft könne indirekt dadurch sicher bestimmt werden, dass allein der potentielle ­Vater mit der Mutter verkehrt habe.61 Durch die Regelung des BGB wurde die Zeugung des Kindes durch den Unterhaltsverpflichteten somit im Ausschlussverfahren ermittelt, nicht durch wissenschaftliche Untersuchungen des Kindes und des potentiellen Vaters. Als unehelicher Vater und damit zur Unterhaltsleistung verpflichtet galt, wer der Frau während der Empfängniszeit beigewohnt hatte (§  1717 BGB a. F. 1900), es sei denn, dass ein weiterer Mann dies während der Empfängniszeit ebenfalls getan hatte (so genannte exceptio plurium) oder eine Schwangerschaft nicht durch den Mann herbeigeführt werden konnte, z. B. aufgrund von Impotenz. 62 In der 2. BGB-Kommission wurde vom sächsischen Kommissionsmitglied Rüger der Vorschlag gemacht, die exceptio plurium zugunsten einer gesamt54 

Motive, Bd.  I V, 872. Motive, Bd.  I V, 866 f. 56 Motive, Bd.   IV, 874, vgl. dazu Lipp, in: Behrends/Schumann (Hrsg.), Gesetzgebung, Menschenbild und Sozialmodell im Familien- und Sozialrecht, 2008, 133, 136. 57  Vgl. zur Pflicht der Verwandten sich zu unterstützen: Motive, Bd.  I V, 613 ff.; Schwab, FamRZ 2007, 521, 522; Lipp, in: Behrends/Schumann (Hrsg.), Gesetzgebung, Menschenbild und Sozialmodell im Familien- und Sozialrecht, 2008, 133, 135. 58 Vgl. Badenberg, Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung, 2006, 4 f. 59  Dies räumen die Motive auch ein: Motive, Bd.  I V, 868; vgl. zur Geschichte des Vaterschaftsgutachtens: Fangerau, RdJB 2016, 256. 60  Motive, Bd.  I V, 866. 61  Motive, Bd.  I V, 868 f. 62  Vgl. das für Laien kommentierte Bürgerliche Gesetzbuch in: Neuestes Gesetzbuch für den praktischen Gebrauch, Bd.  I, Anmerkung zu §  1717, 297 f. 55 

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schuldnerischen Haftung aufzugeben. 63 Dieser Vorstoß wurde allerdings mit 11 zu 8 Stimmen abgelehnt. Eine Ausschließung dieser Einrede, so die Protokolle, würde die Unsittlichkeit fördern, „da eine Frauensperson, die sich mit einem Mann eingelassen habe, sich weniger scheuen werde, auch anderen den Beischlaf zu gestatten, wenn sie rechtliche Nachteile davon nicht zu besorgen“ habe. Sie werde vielmehr sogar zum Mehrverkehr ermutigt, um die ökonomische Situation ihres Kindes zu verbessern. 64 Interessant an dieser Diskussion ist, dass nicht der heute wohl zu erwartende Einwand vorgebracht wurde, dass jedes Kind nur einen Vater haben könne, sondern die ökonomische Anreizwirkung und die öffentliche Moral. Dies zeigt wiederum, dass der Gesetzgeber kein Eltern-KindVer­hältnis regelte, sondern allein die ökonomische Verantwortlichkeit für die Zeugung des Kindes dem unehelichen „Erzeuger“ des Kindes zuweisen wollte. Die Anerkenntnis der Vaterschaft gem. §  1718 BGB a. F. 1900 hatte demgegenüber nur äußerst beschränkte Wirkungen. 65 Sie genügte im Gegensatz zum heutigen §§  1591 Nr.  2, 1594 ff. BGB nicht, um die Vaterschaft des unehelichen Vaters zu begründen. 66 Sie schloss nur die Berufung auf die exceptio plurium aus, d. h. den Einwand, die Mutter habe in der Empfängniszeit auch mit anderen Männern verkehrt (§  1718 BGB a. F. 1900).67 Der potentielle nichteheliche Vater konnte sich dagegen auch nach einer Anerkenntnis darauf berufen, nicht mit der Mutter verkehrt zu haben. 68 Dem unehelichen Kind fehlte auch die Möglichkeit, den Vater verbindlich gerichtlich feststellen zu lassen. 69 Die Vaterschaft wurde nur inzident als Voraussetzung des Unterhaltsanspruchs geprüft. Gegenstand des Verfahrens war damit nur die Verpflichtung zum Unterhalt. Eine der Rechtskraft zugängliche Feststellung der Vaterschaft, die das Kind für und gegenüber jedermann hätte geltend machen können, wurde damit nicht getroffen.70 Das Urteil gegen den potentiellen Vater auf Zahlung von Unterhalt wirkte nur zwischen den Prozess­ parteien. Damit bestand auch die Gefahr widersprechender Entscheidungen.71 Eine Abstammungsfeststellungsklage wurde demgegenüber jedenfalls zunächst nicht für zulässig gehalten. §  644 ZPO a. F. bestimmte vielmehr, dass die 63 

Eine Rechtslage, die in Norwegen bestand. Protokolle II, Bd.  4, 674; vgl. dazu auch Schubert, Die Projekte der Weimarer Republik zur Reform des Nichtehelichen-, des Adoptions- und des Ehescheidungsrechts, 1986, 35 f. 65  Anders war insofern die Lage im französischen Recht: Motive, Bd.  I V, 852 f. 66  Der Gesetzgeber des BGB hatte sich auch dagegen entschieden, ein spezielles Familienrechtsverhältnis zwischen dem Vater und seinem nichtehelichen, aber von ihm anerkannten Kind einzuführen, wie es das französische, badische und hessische Recht kannte. Der nicht­ eheliche Vater habe mit der Ehelichkeitserklärung und der Adoption andere Möglichkeiten der Legitimation: Motive, Bd.  I V, 852. 67  Odersky, Nichtehelichengesetz, 1970, Art.  1 Nr.  9, 83. 68  Jansen/Knöpfel, Das neue Unehelichengesetz, 1967, 103. 69  Jansen/Knöpfel, Das neue Unehelichengesetz, 1967, 104, 109. 70  Odersky, Nichtehelichengesetz, 1970, Art.  1 Nr.  9, 83. 71  Jansen/Knöpfel, Das neue Unehelichengesetz, 1967, 104, 109. 64 

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Regeln der Abstammungsfeststellungsklage gem. §§  640–643 ZPO a. F. nicht auf das Bestehen oder Nichtbestehen einer unehelichen Vaterschaft anzuwenden seien.72 Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten gewann, wie oben bereits angesprochen, die leibliche Abstammung an Bedeutung.73 Gleichzeitig waren die medizinischen Möglichkeiten gewachsen, den Vater eines Kindes über die biologische Vererbung von Merkmalen, insbesondere die Blutgruppe, nachweisen zu können.74 Im Wege richterlicher Rechtsfortbildung75 ermöglichte das Reichsgericht Feststellungs-76 und dann Abstammungsklagen zur Klärung der Abstammung des unehelichen Kindes, in letzterem Fall gegen den Wortlaut des §  644 ZPO a. F.77 Nach dem zweiten Weltkrieg setzte der Bundesgerichtshof die Rechtsprechung des Reichsgerichts zum unveränderten §  644 ZPO a. F. fort.78 Die Entwicklung von Blutgruppen- und erbbiologischen Untersuchungen sowie zahlreiche rechtliche Änderungen hätten die Möglichkeit aber auch das Bedürfnis für uneheliche Kinder erhöht, ihren Vater mit Wirkung für und gegen alle verbindlich feststellen zu lassen. Das Bundesverfassungsgericht erachtete diese Interpretation nicht als contra legem und damit als nicht verfassungswidrig. Vielmehr sei diese Auslegung des §  644 ZPO a. F. im Gesamtzusammenhang der neu beschlossenen ZPO79 und der insgesamt zum Vorteil unehelicher Kinder veränderten Rechtsordnung zulässig. Überdies sei die verfassungskonforme Auslegung zur Verwirklichung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung des Art.  6 Abs.  5 GG angezeigt.80 Es bestehe kein Zweifel, so das BVerfG, dass Ungewissheit über die Person des Vaters die leibliche und seelische Entwicklung des Kindes und seine Stellung in der Gesellschaft beeinträchtigen könne.81 72 Vgl. Zimmermann, Geschichte der Klage auf Feststellung der Abstammung, 1990, 96 ff.; Helms, Feststellung der biologischen Abstammung, 1999, 36 ff.; Badenberg, Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung, 2006, 7. 73 Vgl. Rüthers, NJW 1988, 2825, 2827 ff.; mit Nachweisen: Badenberg, Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung, 2006, 7 ff. 74  Fangerau, RdJB 2016, 256, 262 ff. 75 Vgl. zur Rechtsfortbildung in Deutschland und Österreich mit Nachweisen: Haferkamp, in: Dölemeyer/Mohnhaupt (Hrsg.), 200 Jahre ABGB, 2012, 159, 167 ff. 76  RG, Urt. v. 14.10.1937 – IV 92/37, JW 1938, 245, 246. Das Reichsgericht erklärte, das Vater-Kind-Verhältnis sei trotz §  1589 BGB a. F. als feststellungsfähiges Rechtsverhältnis anzusehen, da die Abstammung über das Unterhaltsrecht hinaus Bedeutung habe. 77  Vgl. mit Nachweisen zur damaligen Diskussion in der Literatur: Badenberg, Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung, 2006, 9 f., Fn.  43. 78  BGH, Urt. v. 28.4.1952 – IV ZR 99/51, BGHZ 5, 385. 79 §   644 ZPO wurde durch das Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit vom 12.9.1950 (BGBl. I S.  465) nicht verändert, wurde aber aufgrund der Neufassung der ZPO im Übrigen vom BVerfG als nachkonstitutionelles Recht angesehen: BVerfG, Beschl. v. 23.10.1958 – 1 BvL 45/56, BVerfGE 8, 210, 213. 80  BVerfG, Beschl. v. 23.10.1958 – 1 BvL 45/56, BVerfGE 8, 210, 220 f. 81  BVerfG, Beschl. v. 23.10.1958 – 1 BvL 45/56, BVerfGE 8, 210, 215.

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Auch in der Literatur erachtete man die Fortführung der Rechtsfortbildung nach dem Krieg als sachgerecht, empfand es aber als notwendig, neue Begründungen fernab der nationalsozialistischen Ideologie zu finden. Diese wurden nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes in Art.  6 Abs.  5 GG und im Persönlichkeitsrecht des Kindes gefunden. 82 Die Begründung über das Persönlichkeitsrecht des Kindes setzte sich in der Diskussion und letztlich der Anerkennung des Grundrechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung fort.83 Gleichzeitig entwickelten sich die Möglichkeiten weiter, mit serotologischen Gutachten den leiblichen Vater immer sicherer zu bestimmen.84 (2)  Uneheliche Mutter Wie auch die eheliche Mutter wurde die uneheliche Mutter im Gesetz indirekt als die Frau beschrieben, die das Kind vom unehelichen Vater während der Empfängniszeit empfangen hatte (vgl. §  1717 BGB a. F. 1900). Insbesondere machte das BGB im Gegensatz zum damaligen französischen Recht, dem gemeinen Recht, dem ALR und dem sächsischen BGB die uneheliche Mutterschaft nicht von einer Anerkennung durch die Mutter abhängig. Damit wurde der Mutter keine Entscheidungsfreiheit über das Verhältnis zu ihrem Kind eingeräumt.85 Das uneheliche Kind hatte gegenüber seiner Mutter vielmehr unmittelbar die Stellung eines ehelichen Kindes (§  1705 BGB a. F. 1900). Gemeint war damit, dass dem Kind insbesondere ein Erbrecht im Hinblick auf den Nachlass der Mutter und der mütterlichen Verwandtschaft zukommen sollte.86 Außerdem war damit das Recht des Verwandtenunterhalts anwendbar, das Mutter und Kind wechselseitige Unterhaltsansprüche einräumte. Man hielt diese Formulierung für erforderlich, um das BGB vom älteren deutschen Recht abzugrenzen, nach dem „das uneheliche Kind nicht nur nach der väterlichen, sondern auch nach der mütterlichen Seite hin jeder Familienverbindung, insbesondere auch des Erbrechtes, entbehrte“. 87 Mit seiner Verbindung zur Mutter war das uneheliche Kind damit kein filius nullius wie im englischen Common Law88 ohne jede Verwandtschaft zu seinen Eltern, wie auch im österreichischen, preußischen und französischen Recht. 89 Die Motive des BGB begründeten dies mit der vollen Rechts- und Geschäftsfähigkeit der Frau, 82  Guggumos, NJW 1947/48, 59, 60; Neumann-Duesberg, NJW 1950, 14, 15; vgl. auch Schwab, NJW 1956, 649, 651. 83  Vgl. dazu unter Teil 5 I 3 (S. 344). 84  Fangerau, RdJB 2016, 256, 266 f. 85  Motive, Bd.  I V, 856. 86  Jansen/Knöpfel, Das neue Unehelichengesetz, 1967, 395. 87  Mugdan, Materialien, 1899, Bd.  I V, 452. 88 Vgl. Cretney, Family Law in the Twentieth Century, 2004, 545 f.; Meder, Familienrecht, 2013, 178. 89  Motive, Bd.  I V, 853.

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dem Wunsch nach einer Verbesserung der Lage des unehelichen Kindes und der natürlichen Verbundenheit zwischen Mutter und Kind: „Das uneheliche Kind steht der Mutter entschieden viel näher als dem Vater. Dasselbe ist schon von der Natur der Mutter anvertraut und deren Pflege und Erziehung überlassen. Dadurch wird das zunächst auf der natürlichen Verbindung beruhende Band der Liebe zwischen dem unehelichen Kinde und dessen Mutter fester geknüpft, und werden andererseits durch diese nahen Beziehungen zwischen dem unehelichen Kinde und der Mutter von selbst auch die durch die Einheit des Blutes begründeten Beziehungen desselben zur Familie der Mutter aufrecht erhalten und belebt […]“90

Die uneheliche Mutter des BGB von 1900 hatte das Recht und die Pflicht für das Kind zu sorgen. Sie besaß aber selbst – ebenso wie die eheliche Mutter – nicht die „elterliche Gewalt“91 und konnte das Kind nicht vertreten.92 Die „elterliche Gewalt“ kam dem Vormund zu (§  1707 BGB a. F. 1900).93 bb. Ehelichkeitserklärung Ehelich wurde das Kind im Verhältnis zu seinem unehelichen Vater im BGB von 1900 zum einen, wenn der Vater die Mutter heiratete und das Kind dadurch legitimierte (§§  1719–1722 BGB a. F. 1900).94 Dies war eine Besonderheit des deutschen Rechts gegenüber dem englischen Common Law, nachdem ein un­ ehelich geborenes Kind bis zum Legitimacy Act 1926 auch durch eine spätere Eheschließung der Eltern nicht die Stellung eines ehelichen Kindes erlangen konnte.95 Der Vater konnte das Kind zum anderen aber auch auf Antrag „durch die Staatsgewalt“ mit Zustimmung der Mutter und des Kindes für ehelich erklären lassen (§§  1723–1740 BGB a. F. 1900), ohne die Mutter zu heiraten.96 Durch die Ehelicherklärung erhielt das Kind (einschließlich seiner Abkömmlinge, §  1737 BGB a. F. 1900) den Status eines ehelichen Kindes beider Eltern mit entsprechenden wechselseitigen Unterhalts- 97 und Erbrechten (vgl. §  1736 BGB a. F. 1900). Die Wirkungen der Ehelichkeitserklärung erstreckten sich freilich nicht auf die Verwandten des Vaters und seine Ehefrau, sodass das Kind beispielswei-

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Motive, Bd.  I V, 854 f. Vgl. zur elterlichen Gewalt ausführlich unten. 92  Vgl. zum Scheitern eines entsprechenden Antrags der SPD Schubert, Die Projekte der Weimarer Republik zur Reform des Nichtehelichen-, des Adoptions- und des Ehescheidungsrechts, 1986, 36. 93 Vgl. Buske, Fräulein Mutter und ihr Bastard, 2004; kritisch: Ramm, JZ 2005, 665. 94 Vgl. Dölle, Familienrecht, Bd.  2 , 1965, §  110. 95 Vgl. Cretney, Family Law in the Twentieth Century, 2004, 547 ff. 96 Vgl. Dölle, Familienrecht, Bd.   2, 1965, §  111; Jansen/Knöpfel, Das neue Unehelichen­ gesetz, 1967, 298. 97  Der Vater blieb allerdings weiter vorrangig zur Unterhaltszahlung verpflichtet §  1739 BGB a. F. 1900. 91 

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se mit seinen Großeltern, Onkeln und Tanten keine verwandtschaftlichen Beziehungen etablierte (§  1737 BGB a. F. 1900). Der Vater erhielt als Folge der Ehelicherklärung die elterliche Gewalt vom Vormund, die Mutter verlor ihr Recht, für das Kind zu sorgen (§  1738 BGB a. F. 1900).98 Die Ehelichkeitserklärung konnte, auch wenn ihr keine rechtlichen Hindernisse entgegenstanden, abgelehnt werden (§  1734 BGB a. F. 1900). In dem von Rechtsanwälten für den Bürger kommentierten „Neusten Gesetzbuch für den praktischen Gebrauch“ wird zur Ehelicherklärung ausgeführt, diese sei eine „Gnadensache“.99 Niemand habe ein Recht darauf, dass sein uneheliches Kind als ehelich anerkannt werde, ohne die Mutter zu heiraten. Es werde daher empfohlen, das Kind zu adoptieren.100 Damit stellte die Adoption den dritten möglichen Weg der Legitimation eines nichtehelichen Kindes dar.101 Die Ehelichkeitsanerkennung biete allerdings einen Ausweg, wenn die Mutter gestorben oder das Mindestalter für eine Adoption (50 Jahre) noch nicht erreicht sei.102 Wahrscheinlich wurde auch aus diesen Gründen vom Institut der Ehelicherklärung nur selten Gebrauch gemacht.103 Das im Rahmen der Kindschaftsreform von 1998 abgeschaffte Institut der Ehelichkeitserklärung ohne Ehe der Eltern verdeutlicht wieder die Bedeutung der Ehelichkeit des Kindes neben seiner leiblichen Abstammung von einem bestimmten Elternpaar. cc.  Nichtehelichengesetz von 1970 Trotz einer umfangreichen Diskussion des Nichtehelichenrechts während der Weimarer Republik,104 kam es erst in den 1960er Jahren zu umfassenden Re98  Vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168, 169; vgl. zur elterlichen Gewalt unten Teil 2 I 2 (S. 62). 99  Bürgerliches Gesetzbuch, in: Neuestes Gesetzbuch für den praktischen Gebrauch, Bd.  I , Anmerkung zu §§  1723–1740, 300; so auch: BT-Drucks. 13/4899, 33; Jansen/Knöpfel, Das neue Unehelichengesetz, 1967, 299. 100 Bürgerliches Gesetzbuch, in: Neuestes Gesetzbuch für den praktischen Gebrauch, Bd.  I, Anmerkung zu §§  1723–1740, 300. 101  Vgl. auch BT-Drucks. 13/4899, 33. 102 Bürgerliches Gesetzbuch, in: Neuestes Gesetzbuch für den praktischen Gebrauch, Bd.  I, Anmerkung zu §§  1723–1740, 300. 103  In Bayern wurden z. B. bei 13 873 nichtehelichen Geburten 1965 insgesamt 63 Kinder auf Antrag des Vaters für ehelich erklärt: vgl. m. w. N. Jansen/Knöpfel, Das neue Unehelichengesetz, 1967, 298. 104 Während der BGB-Entstehung fand das Nichtehelichenrecht weitgehende Zustimmung. Eine Ausnahme bildete: Menger, Das Bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen, 1908; Vgl. auch Zweigert, JuS 1967, 241; vgl. m. w. N. Schubert, Die Projekte der Weimarer Republik zur Reform des Nichtehelichen-, des Adoptions- und des Ehescheidungsrechts, 1986, 35 f.; vgl. zur Lage unehelicher Kinder in der Weimarer Republik Klumke, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd.  II, 1930, 107, 113 ff.

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formen.105 Art.  121 der Weimarer Reichsverfassung von 1919 enthielt den Auftrag an die Gesetzgebung, die „gleichen Bedingungen für ihre leibliche, seelische und gesellschaftliche Entwicklung zu schaffen wie den ehelichen Kindern“.106 Trotzdem scheiterten Reformprojekte zum Recht der nichtehelichen Kinder.107 Mit Art.  6 Abs.  5 GG und Art.  33 der Verfassung der DDR von 1949 wurden die Rechte nichtehelicher Kinder in beiden deutschen Staaten in die Verfassung aufgenommen. Das Familienrechtsgesetz der DDR von 1964108 ­verzichtete auf die Nichtehelichkeit des Kindes als juristischen Begriff. Es ­dif­ferenzierte hinsichtlich des Unterhaltsrechts nicht zwischen ehelichen und außer­halb der Ehe geborenen Kindern.109 Eine Gleichbehandlung hinsichtlich des Erbrechts und hinsichtlich des Sorgerechts von Vater und Mutter sah das Gesetz freilich nicht vor.110 In der Bundesrepublik wurden erste Schritte im Familienrechtsänderungsgesetz von 11.8.1961111 unternommen. Mit dem Nichtehelichengesetz vom 19. August 1969, in Kraft seit dem 1. Juli 1970,112 änderte sich nicht nur das „unehe­ liche“ Kind sprachlich in ein „nichteheliches“ Kind. Das Gesetz wurde im ­Entwurf nicht als großer Wurf bezeichnet, sondern strebte eine punktuelle Verbesserung der Lage nichtehelicher Kinder in einem insgesamt reformbedürftigen Familienrecht an.113 Der Gesetzentwurf stellte ausdrücklich das Wohl des nichtehelichen Kindes in den Vordergrund.114 Dies kann als Ausdruck eines Paradigmenwechsels angesehen werden.115 In der Dreiecksbeziehung von Vater, Mutter und Kind gewinnt das Kind als Persönlichkeit mit eigenen Rechten zu-

105  Vgl. m. w. N. zur Reformdiskussion des Nichtehelichenrechts: Schubert, Die Projekte der Weimarer Republik zur Reform des Nichtehelichen-, des Adoptions- und des Ehescheidungsrechts, 1986, 40 ff.; Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, 2014, 164 f. 106  Schubert, Die Projekte der Weimarer Republik zur Reform des Nichtehelichen-, des Adoptions- und des Ehescheidungsrechts, 1986, 47 ff.; eine Gleichstellung in Bezug auf die Familienunterstützung war allerdings schon im Ersten Weltkrieg erfolgt, die allerdings nach Kriegsende zunächst wieder eingestellt wurde Klumke, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd.  II, 1930, 107, 109. 107 Vgl. Jansen/Knöpfel, Das neue Unehelichengesetz, 1967, 66; BT-Drucks. 5/2370, 16; vgl. auch Schubert, Die Projekte der Weimarer Republik zur Reform des Nichtehelichen-, des Adoptions- und des Ehescheidungsrechts, 1986, 52 ff. 108  Gesetz v. 20.12.1964 (GesBl. 1966, I S.1). 109 Vgl. Grandke, in: Coester/Zubke (Hrsg.), Das nichteheliche Kind und seine Eltern, 1991; Grandke, Die Entwicklung des Familienrechts in der DDR, 2010, 120; vgl. auch Jansen/ Knöpfel, Das neue Unehelichengesetz, 1967, 68 f. 110  Grandke, Die Entwicklung des Familienrechts in der DDR, 2010, 120 f. 111  Gesetz v. 11.8.1961 (BGBl. I, 1221) 112  Art.  1 Nr.  9 Gesetz v. 19.8.1969 (BGBl. I, 1243) mWv 1.7.1970. 113  Vgl. BT-Drucks. 5/2370, 18 f. 114  BT-Drucks. 5/2370, 20. 115 Vgl. Jansen/Knöpfel, Das neue Unehelichengesetz, 1967, 78 f.; Bosch, FamRZ 1963, 398; vgl. zur historischen Entwicklung: Conrad, FamRZ 1962, 322.

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nehmend an Bedeutung.116 Diese Entwicklung hält bis heute an. Eine vollständige Angleichung der Situation des ehelichen und des nichtehelichen Kindes hielt der Gesetzentwurf von 1967 allerdings für unmöglich und auch zum Schutz des Kindes nicht für angezeigt. Vielmehr verlange die besondere Situa­ tion des nichtehelichen Kindes, um das sich der Vater nicht wie um ein eheliches Kind kümmere, besondere Regelungen.117 Das Nichtehelichengesetz änderte vor allem die Stellung des Vaters. §  1589 Abs.  2 BGB a. F. 1900 wurde abgeschafft: Der Vater war jetzt mit seinem nicht­ ehelichen Kind verwandt, das Nichtehelichenrecht wurde nicht mehr in einem speziellen Teil des Familienrechts geregelt, sondern in das übrige Familien- und Erbrecht integriert.118 Der Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes wurde nun im Recht des Verwandtenunterhalts geregelt.119 Der Vater war nun nicht mehr nur „Zahlvater“. Als Abkömmling hätte dem nichtehelichen Kind grundsätzlich auch ein gesetzliches Erbrecht zukommen müssen. Statt eines Erbrechts erhielt das nichteheliche Kind bzw. der nichteheliche Vater jedoch einen Erbersatzanspruch (§§  1932a ff. BGB a. F. 1970)120 , womit eine Erbengemeinschaft zwischen ehelichen und nichtehelichen Familienmitgliedern vermieden wurde.121 Eine Gleichstellung von nichtehelichen und ehelichen Kindern, wie sie das FGB der DDR vorsah, bestand aber nicht.122 Das BGB unterschied nun zwischen der ehelichen (§§  1591–1600 BGB a. F. 1970) und der nichtehelichen Abstammung (§§  1600a–1600o BGB a. F. 1970). Die nichteheliche Vaterschaft wurde nun gem. §  1600a BGB a. F. 1970 durch Anerkennung, einer zustimmungsbedürftigen Willenserklärung,123 sowie durch gerichtliche Feststellung mit bindender Wirkung für und gegen alle festgestellt. Mit dieser Reform sollte dem nichtehelichen Kind ähnlich dem ehe­

116 

Ramm, JZ 2005, 665, 667 f. 5/2370, 20; vgl. auch Jansen/Knöpfel, Das neue Unehelichengesetz, 1967, 68 f. 79; Zweigert, JuS 1967, 242 mit dem Hinweis, die Reform des Unehelichenrechts solle eine fürsorgende, nicht ideologisch-egalitäre Idee verwirklichen. 118  BT-Drucks. 5/2370, 21. 119 Vgl. Jansen/Knöpfel, Das neue Unehelichengesetz, 1967, 157 ff.; Brühl, FamRZ 1966, 541 ff. 120  Vgl. dazu Odersky, Nichtehelichengesetz, 1970, Art.  1 Nr.  88 ff. 121  Vgl. mit umfangreichen Nachweisen zum Diskussionsprozess um die Reform des Erb­ rechts: Jansen/Knöpfel, Das neue Unehelichengesetz, 1967, 392 ff. 122  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 2010, §  48, Rn.  14. 123 Der Gesetzgeber war hier freilich nicht an allen Stellen eindeutig, vgl. BT-Drucks. 5/2370, 29, und betonte, dass die Regeln für die Anfechtung von Willenserklärungen für die Anerkennung jedenfalls nicht gelten sollten. Eine Einordnung der Anerkennung als Willenserklärung (Verzicht auf den Einwand des Mehrverkehrs als Verfügung) gem. §  1718 BGB a. F. 1900, die bei Kenntnis der Unrichtigkeit gem. §  134 BGB nichtig sei, hatte freilich die Rechtsprechung vorgenommen: RG, Urt. v. 31.1.1938 – IV 228/37, JW 1938, 1047 und BGH, Urt. v. 19.2.1951 – IV ZR 39/50, BGHZ 1, 181 an, vgl. m. w. N. Brüggemann, FamRZ 1966, 530, 538 m. w. N. zur Diskussion; vgl. auch Gaul, FamRZ 1997, 1441, 1449. 117  BT-Drucks.

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lichen Kind eine verbindliche Zuordnung zu einem Vater mit Wirkung inter omnes eingeräumt werden.124 In Bezug auf die Feststellung des leiblichen Vaters konnte der Gesetzgeber im Gegensatz zum Gesetzgeber des BGB von 1900 auf eine weiter entwickelte medizinische Technik mit serotologischen Gutachten bauen.125 Der Gesetzesentwurf betonte insofern die Bedeutung der Feststellung des „wirklichen“ Vaters. Diese sei nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit für den Vater, sondern entspreche auch dem Wohl des Kindes, das ein schutzwürdiges Interesse daran habe, dass sein echter Vater festgestellt werde. Umgangs- und Sorgerechte hätten nur für den „wirklichen“, d. h. biologisch-genetischen Vater „Rechtsgrund und Sinn“.126 In einem gewissen Spannungsverhältnis zum Ziel der Feststellung und rechtlichen Zuordnung des „wirklichen Vaters“ steht die Reform des Instituts der Anerkennung. Denn hier wurde nun die Begründung der rechtlichen Vaterschaft ohne leibliche Verwandtschaft möglich. Wurde mit der Anerkennung gem. §  1718 BGB a. F. 1900 nur der Einwand des Mehrverkehrs der Mutter ausgeschlossen, so erklärte der Anerkennende nun, sich mit der Anerkennung vollständig als nichtehelicher Vater behandeln lassen zu wollen. Gem. §  1600c BGB a. F. 1970 war die Zustimmung des Kindes bzw. seines gesetzlichen Vertreters für die Anerkennung erforderlich. Eine Beiwohnung war für die Anerkennung nicht mehr Voraussetzung. Von einer gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft in jedem Fall wurde abgesehen.127 Dies würde, so der Gesetzentwurf, im gerichtlichen Verfahren nur unnötig Zeit und Geld kosten. Zwar habe ein Kind ein Interesse an der Feststellung seines „wirklichen leiblichen“ Vaters. Auch sei ein gewisses öffentliches Interesse an der Wahrheit des Personenstandes zu bejahen.128 Bewusst falsche Anerkenntnisse dürften sich aber in engen Grenzen halten. Allenfalls wenn ein Mann beabsichtige, die Mutter zu heiraten, sei dies anzunehmen. In diesem Fall würde aber dieses Kind durch die Eheschließung legitimiert. Bei Eheschließung vor der Geburt würde die Vaterschaft ohnehin über die Ehelichkeitsvermutung begründet. Der anerkennende Vater könne das Kind auch adoptieren. In diesen Fällen könne das Kind als eheliches Kind in einer Vollfamilie aufwachsen, was seinem Wohl am besten diene. Das geltende Recht nehme daher in Kauf, dass der Rechtsschein der Anerkennung nicht der 124  BT-Drucks. 5/2370, 25; Brüggemann argumentierte freilich, dass es durch die Anerkennung des Kindes keinen Status des Kindes als „unehelich mit feststehendem Vater“ gäbe: FamRZ 1966, 530, 531, 533. 125 Die gerichtliche Feststellung erfolgte damals durch Blutgruppen- oder serologische Gutachten sowie anthropologisch-erbbiologische Gutachten; vgl. Zeller, Das Recht des nichtehelichen Kindes, 1976, 39 f.; Fangerau, RdJB 2016, 156, 266 f. 126  BT-Drucks. 5/2370, 37. 127  BT-Drucks. 5/2370, 25 f. 128  BT-Drucks. 5/2370, 25.

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natürlichen Vaterschaft entspreche.129 Täusche die Mutter den Mann, könne er die Vaterschaft anfechten, so der Gesetzentwurf.130 Entsprechend war auch eine Anfechtung der Anerkennung vorgesehen. Auch wenn in der Mehrzahl der Fälle nur ein Mann ein Kind anerkennt, für dessen leiblichen Vater er sich hält, so stellt die Anerkennung doch eine bedeutende Neuerung dar. Mit der Anerkennung wurde die Zuordnung eines Kindes zu einem Vater aufgrund eines Rechtsgeschäfts unabhängig von der leiblichen Abstammung und einem Adoptionsverfahren ermöglicht. Gegenüber der damals noch für eheliche Kinder geltenden Vermutung der Zeugung durch die eheliche Beiwohnung entfernte sich das Abstammungsrecht damit ein Stück weit von der biologisch-genetischen Abkunft. Deutlich wird die mit diesem Schritt verbundene Entwicklung, wenn man bedenkt, dass der BGH 1951 eine wissentlich unrichtige Vaterschaftsanerkennung als strafbare Fälschung des Personenstands und damit als nichtig gem. §  134 BGB angesehen hatte.131 Die doppelte Vermutung der ehelichen Zeugung um 1900 trug auch dem Umstand Rechnung, dass eine Vaterschaft nicht sicher festgestellt werden konnte. Mit den technischen Möglichkeiten serotologischer Untersuchungen und Blutgruppenuntersuchungen wurde das Absehen von der verlässlichen Feststellung der Vaterschaft zu einer rechtspolitischen Entscheidung, die im Interesse des Kindeswohls und der sozialen Eltern getroffen werden konnte. Die soziale und biologisch-gene­ tische Elternschaft konnten überhaupt erst mit der medizinisch-tech­nischen Entwicklung verlässlich als verschiedene Kategorien identifiziert werden. Mit dem seit 1. Januar 1970 geltenden Nichtehelichengesetz wurde ein Anspruch auf „Ehelicherklärung“132 unter der Voraussetzung eingeführt, dass die Ehelicherklärung dem Wohle des Kindes diene und ihr keine schwerwiegenden Gründe entgegenstanden133 (§  1723 BGB a. F. 1970). §§  1725, 1731, 1734, 1737a und 1740 BGB a. F. 1900 wurden abgeschafft. Der bereits mit dem Familienrechtsänderungsgesetz von 1961 durch die Übertragung der Entscheidung an das Vormundschaftsgericht134 gelockerte Gnadencharakter der Ehelicherklärung endete damit endgültig. Die Mutter verlor aber weiterhin Recht und Pflicht für das Kind zu sorgen, seit Inkrafttreten des Nichtehelichengesetzes die „elterliche Gewalt“, §§  1740a ff. BGB a. F. 1970.135 Im Gegensatz zum Familiengesetz129 

BT-Drucks. 5/2370, 26. BT-Drucks. 5/2370, 26. 131 BGH, Urt. v. 19.2.1951 – IV ZR 39/50, BGHZ 1, 181, vgl. dazu auch Brüggemann, ­FamRZ 1966, 530, 538 f. 132  Der Begriff „Ehelichkeitserklärung“ wurde „aus sprachlichen Gründen abgeschafft“ BT-Drucks. 5/2370, 72; vgl. Bökelmann, FamRZ 1966, 546, 547. 133  BT-Drucks. 5/2370, 101 ff.; vgl. dazu Bökelmann, FamRZ 1966, 546, 550. 134  BT-Drucks. 5/2370, 72. 135  Vgl. zur elterlichen Gewalt und Sorge im Einzelnen Teil 2 I 2 (S.  62); Arnold, FamRZ 1966, 341 f. mit Einzelheiten zu der damals umstrittenen Frage ob die elterliche Gewalt der Mutter bei Beendigung der elterlichen Gewalt des Vaters wieder aufleben könne. 130 

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buch der DDR hielt das bundesdeutsche Recht aber weiter an dem Institut der Ehelicherklärung fest.136 Im Gegensatz zur schlichen Übertragung der elter­ lichen Gewalt an die Mutter, so der Entwurf, könne das Kind so eine gesicherte Rechtsstellung zum Vater mit vollem Erbrecht erlangen.137 Das Kindeswohl erfordere eine klare Zuordnung zur Familie des Vaters oder der Mutter. Ein Vater der für das Kind sorgen wolle, müsse ihm auch seinen Namen und ein volles Erbrecht einzuräumen bereit sein.138 e.  Adoption und Mehrelternschaft aa.  Regelung im BGB von 1900 Während das nichteheliche Kind wie gezeigt rechtlich nur einen Elternteil­ hatte, kannte das Adoptionsrecht rechtliche Elternbeziehungen mit bis zu vier Eltern. Mit der Annahme wurde das Kind zwar zum ehelichen Kind des Annehmenden bzw. der annehmenden Ehegatten (§  1757 BGB a. F. 1900). Für die Annahme minderjähriger Kinder war weiter die Zustimmung der Eltern bzw. bei Unehelichkeit die der Mutter erforderlich (§  1748 BGB a. F. 1900). Als Kind annehmen durfte grundsätzlich nur, wer über 50 Jahre alt war und keine eigenen ehelichen Kinder hatte (§  1744 BGB a. F. 1900).139 §  1762 BGB a. F. 1900 beschränkte die Wirkungen der Adoption grundsätzlich auf den Angenommenen selbst und seine erst später geborenen Kinder. §  1764 BGB a. F. 1900 ließ Rechte und Pflichten zwischen dem Kind und seinen leiblichen Verwandten fortbestehen.140 Diese Regelung war keineswegs eine Überraschung. In den Beratungen hielt man diese Rechtsfolge vielmehr für selbstverständlich, entschloss sich aber gleichwohl zu einer ausdrücklichen Klarstellung im Gesetz.141 Damit blieben auch die gegenseitigen Erbrechte des Kindes und der Verwandten bestehen. Die Unterhaltsberechtigung und Verpflichtung zwischen dem Angenommenen und seiner natürlichen Familie wurde jedoch nicht beseitigt, §  1764 BGB a. F. 1900.142 Der Annehmende haftete dem Kind vorrangig vor den leiblichen ­Eltern auf Unterhalt.143 Das angenommene Kind konnte theoretisch von vier 136  §  5 4 Abs.  4 des Familiengesetzbuchs der DDR (GBl. I 1966 S.1) sah nun noch die Legitimation des Kindes durch die Eheschließung der Eltern vor. 137  BT-Drucks. 5/2370, 63. 138  BT-Drucks. 5/2370, 63. 139  Vgl. ausführlich zur Anwendung der Voraussetzungen in der Praxis: Becker, Annahme an Kindes Statt, 1950. 140 Vgl. Neukirchen, Die rechtshistorische Entwicklung der Adoption, 2005, 99. 141 Vgl. Jakobs/Schubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Familienrecht II, 1989, 750. 142  Neukirchen, Die rechtshistorische Entwicklung der Adoption, 2005, 103. 143 Vgl. Jakobs/Schubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Familienrecht II, 1989, 750.

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Eltern zur Unterhaltsleistung herangezogen werden.144 Diese Herangehensweise entsprach nach den Motiven auch der Regelung in anderen Gesetzen der Zeit, wie z. B. im sächsischen BGB, im Code Civil und im ALR.145 Dazu führten die Motive aus: „Wie der Angenommene auf der einen Seite nicht in die Familie des Annehmenden eintritt, so hört derselbe andererseits nicht auf, Mitglied seiner natürlichen Familie zu sein. Das Gegentheil würde dem Zwecke der Annahme an Kindesstatt, welche dem Angenommenen Vortheile, aber keine Nachtheile bringen soll, und der natürlichen Grundlage der familienrechtlichen Beziehungen nicht entsprechen.“

Das Gesetz ging damit davon aus, dass aufgrund der „natürlichen Grundlage der familienrechtlichen Beziehungen“ die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Kind und seinen Verwandten einschließlich der Eltern gar nicht aufgelöst werden könnten. Die Adoption des BGB verschaffte dem Angenommenen damit eine Doppelstellung zwischen der Familie des Annehmenden und der leiblichen Familie. Dem Annehmenden wurde ein Kind gegeben, nicht der Angenommene voll in eine neue Familie integriert. Bosch sprach davon, dass das Kind in eine „Zwitterstellung“ gerate, in der es weder den genetischen Eltern noch den Adoptiv­ eltern im Vollsinne zugeordnet sei.146 Das Kind habe „deutlich ausgedrückt“ drei bis vier Eltern; vier Eltern bei einer Adoption durch ein Ehepaar, drei ­Eltern bei einer Stiefkindadoption.147 Engler formulierte, das Kind „gehört rechtlich beiden148 Familien an, wobei freilich das künstliche Verwandtschaftsverhältnis grundsätzlich den Vorrang vor dem natürlichen hat“.149 Damit regelte das BGB von 1900 Konstellationen mit zwei verheirateten Eltern, einem Elternteil, der unehelichen Mutter und mehr als zwei Eltern im Fall der Adoption. Also kannte das BGB von 1900 nicht nur Kinder mit nur einem Elternteil, sondern sogar solche mit mehr als zwei Eltern. Dies zeigt, dass das Dogma der Zwei-Elternschaft im BGB von 1900 nicht in der heutigen Weise anerkannt war. Es liegt nahe, diese Konstruktion der Mehrelternschaft mit einer vom heutigen Adoptionsrecht verschiedenen sozialen Zwecksetzung150 zu begründen. Die Adoption, so liest man in der späteren Literatur und in der Gesetzesbegründung zur Reform des Adoptionsrechts 1976, war im BGB von 1900 noch 144 Kritisch: Lüderitz, Adoption, 1972, 67 f., der darauf hinweist, dass das Kind demgegenüber nur einmal Unterhalt verlangen könne. Überdies seien die leiblichen Eltern in der Praxis meist arm und daher selten leistungsfähig. 145  Motive, Bd.  I V, 989. 146  Bosch, FamRZ 1984, 829, 831. 147  Bosch, FamRZ 1984, 829, 831 Fn.  32. 148  Hervorhebung im Original. 149  Engler, FamRZ 1966, 551, 556. 150 Vgl. zu heutigen sozialpolitischen Zwecken: Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 2010, §  68, Rn.  2.

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nicht zur Förderung des Kindeswohls ausgestaltet.151 Vielmehr habe die Erwachsenenadoption noch im Vordergrund gestanden. Die Adoption ermöglichte es Menschen, die keine ehelichen Kinder hatten und aller Wahrscheinlichkeit nach auch keine mehr würden bekommen können, ihren Namen in der Generationenfolge fortzusetzen.152 Erst später sei das Adoptionsrecht zu einer Fürsorgemaßnahme umgestaltet worden.153 Auch wenn dem grundsätzlich zuzustimmen ist, zeichnen die Gesetzgebungsmaterialien ein differenzierteres Bild. In der Tat war die Regelung der Adoption im BGB durchaus umstritten. Als Gegenargumente wurde ein Anstieg kinderloser Ehen, eine Förderung egoistischer Interessen, die „Verwirrung und Verdunkelung der Familienrechte“ sowie eine Entziehung der Erbrechte der Verwandten des Annehmenden befürchtet.154 Trotzdem wurde das Adop­ tionsrecht im BGB in Anlehnung an die Ausgestaltung des Rechtsinstituts im ALR, im bayerischen Recht, im sächsischen BGB im Code Civil und im römischen Recht155 geregelt. Allerdings wurden die verschiedenen Adoptionsformen des römischen Rechts nicht übernommen.156 Der Gesetzgeber des BGB strebte die Schaffung eines einheitlichen Instituts als Mittel zur Begründung eines ­Eltern-Kind-Verhältnisses an.157 Die Motive des BGB erklären, dass die Gefahren der Adoption durch entsprechende Regelungen vermieden werden könnten. Insgesamt überwögen die Vorteile der Adoption die bestehenden Nachteile. So würde die Annahme eines Kindes ehelosen und alleinstehenden Menschen ohne Kinder ermöglichen, in der Fürsorge für ein Kind eine Lebensaufgabe und Glück zu finden und armen, begabten Kindern durch materielle und geistige Förderung eine „große Wohltat“ zukommen zu lassen. Auch würde die Adoption helfen, die Zahl illegitimer Kinder zu reduzieren.158 Im Gegensatz zum französischen Recht erlaubte das BGB von Anfang an die Adoption von Minderjährigen.159 Auch entschied sich der Gesetzgeber dagegen, ein Pflegekindverhältnis als familienrechtliches Verhältnis ähnlich der Regelung des ALR auf151  Vgl. zu dieser Entwicklung die Gesetzesbegründung zum Adoptionsgesetz von 1976: BT-Drucks. 7/3061, 15 ff.; BT-Drucks. 7/5087. 152  Vgl. z. B. Glässing, Voraussetzungen der Adoption, 1957, 44 f. unter Verweis auf Motive, Bd.  I V, 951 f. 153  Glässing, Voraussetzungen der Adoption, 1957, 45. 154  Motive, Bd.  I V, 951 f. 155  Vgl. zu den Motiven der Adoption im römischen Recht, das dem Ziel adoptierender Erwachsener entsprechen musste, bei Kinderlosigkeit ein Aussterben ihrer Familien zu vermeiden: Neukirchen, Die rechtshistorische Entwicklung der Adoption, 2005, 3 ff. vgl. zum Einfluss des römischen Rechts: Kurtz, Das Institut der Adoption, 2006. 156  Vgl. zur historischen Entwicklung nur: Neukirchen, Die rechtshistorische Entwicklung der Adoption, 2005, 84. 157  Motive, Bd.  I V, 956. 158  Motive, Bd.  I V, 951 f.; vgl. auch Neukirchen, Die rechtshistorische Entwicklung der Adoption, 2005, 85 f. 159  Motive, Bd.  I V, 952.

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zunehmen, weil die Befürchtung bestand, dass Pflegeeltern außerhalb der Aufsicht der örtlichen Armenpflege hilflose Kinder als Dienstboten ausbeuten könnten, ohne ihnen die sichere Perspektive einer Annahme oder Legitimation gewähren zu wollen.160 Dies zeigt, dass die Adoption im BGB durchaus auch einen Fürsorgeaspekt besaß und Aspekte einbezogen wurden, die man heute unter die Förderung des Kindeswohls fassen würde. Richtig ist allerdings, dass die Regelung des BGB den Fürsorgegedanken für minderjährige Kinder weniger hervorhob als die nachfolgenden Reformen.161 Angesichts des Mindestalters annehmender Personen von 50 Jahren ist auch anzunehmen, dass die Adoption älterer Kinder und Volljähriger eine größere Bedeutung besaß.162 Bis 1914 war die praktische Bedeutung der Adoption ohnehin gering. Erst nach den 1920er Jahren und dann (nach einem Einbruch während des Nationalsozialismus aufgrund verschärfter erbbiologischer Vorgaben) nach dem zweiten Weltkrieg kam es zu einem Anstieg der Adoptionen.163 Jedenfalls hielt der BGB-Gesetzgeber es nicht für erforderlich und angesichts der Beziehung zu seiner leiblichen Familie offenbar auch nicht für möglich, den Angenommenen unter Auslöschung der Beziehung zu seinen leiblichen Eltern und Verwandten vollständig in eine neue Familie zu integrieren, wie dies heute der Fall ist.164 Vielmehr wurde der biologisch-genetischen Eltern-Kind-Beziehung eine vertraglich begründete weitere Eltern-Kind-Beziehung an die Seite gestellt. Die dogmatische Konstruktion der Adoption als Vertrag zwischen der annehmenden Person und der anzunehmenden Person (§  1741 BGB a. F. 1900) verdeutlicht die Funktion der Adoption als Mittel privatautonomer Gestaltung familiärer Beziehungen. Der Adoptionsvertrag165 bedurfte der Bestätigung durch das zuständige Gericht.166 Auch im Übrigen war die Vertragsfreiheit nicht grenzenlos, gestattete aber deutlich mehr freie Gestaltung als es heute bei einer Adoption möglich ist. In den Beratungen des BGB wurde insofern darauf hingewiesen, eine gänzlich freie Gestaltung könne dem Zweck des Instituts widersprechen „ein dem natürlichen Kindesverhältnis möglichst entsprechendes Verhältnis zu schaffen.“167 Auch eine Bedingung und Befristung des Vertrags 160 

Motive, Bd.  I V, 953 f. zur Regelung mit Nachweisen: Neukirchen, Die rechtshistorische Entwicklung der Adoption, 2005, 86 f. 162  Kritisch zur Regelung mit Nachweisen: Neukirchen, Die rechtshistorische Entwicklung der Adoption, 2005, 86 f. 163 Vgl. Glässing, Voraussetzungen der Adoption, 1957, 25 f. 164  Vgl. dazu unten Teil 2 I 1 e (S. 54). 165  Vgl. zum Vertragsschluss im Einzelnen: Becker, Annahme an Kindes Statt, 1950, 31 ff. 166  Vgl. zu den Voraussetzungen im Einzelnen: Dölle, Familienrecht, Bd.  2 , 1965, §  113; Becker, Annahme an Kindes Statt, 1950, 36 ff.; Neukirchen, Die rechtshistorische Entwicklung der Adoption, 2005, 84 ff. 167  Jakobs/Schubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Familienrecht II, 1989, 752. 161  Kritisch

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war unzulässig. Zwar konnte die Nutznießung des Annehmenden am Vermögen des Kindes und das Erbrecht des Kindes dem Annehmenden gegenüber ausgeschlossen werden, im Übrigen konnten die Wirkungen der Annahme an Kindes statt aber nicht frei gestaltet werden (§  1767 BGB a. F. 1900). Doch konnte der Adoptionsvertrag gem. §  1768 BGB a. F. 1900 unter bestimmten weiteren Voraussetzungen einvernehmlich wieder aufgelöst werden.168 Die dogmatische Konstruktion der Adoption über einen Vertrag zwischen dem Annehmenden und dem Angenommenen im BGB von 1900 verdeutlicht das Konzept des damaligen Adoptionsrechts. Der Vertrag durchzieht die fünf Bücher des Bürgerlichen Gesetzbuchs als verbindendes Element, das den Bürgern die privatautonome Gestaltung ihrer ökonomischen und persönlichen Lebensverhältnisse ermöglicht.169 Neben dem Ehevertrag,170 bildete die Adoption einen weiteren Vertrag im Bereich des Familienrechts.171 Im Gesamtkontext des damaligen Adoptionsrechts kann die Wahl des Vertrags als Rechtsmittel damit erklärt werden, dass die Adoption als Ergebnis einer privatautonomen Entscheidung der Parteien verstanden wurde, die gerade nicht eine leibliche Verbindung vortäuschen und damit nur eingeschränkt eine natürliche Eltern-Kind-­ Beziehung imitieren,172 sondern pragmatisch der unauslöschlichen leiblichen Elternverbindung eine willensbasierte weitere Elternverbindung an die Seite stellen sollte. bb.  Adoptionsgesetz von 1977 Während der Weimarer Republik scheiterten nicht nur Projekte zur Reform des Nichtehelichen und Ehescheidungsrechts,173 sondern auch des Adoptionsrechts.174 Nach dem zweiten Weltkrieg175 kam es zu einem Anstieg der Bedeutung der Adoption zur Hilfe verlassener Kinder.176 Im Familienrechtsänderungsge­ 168 Vgl.

Heinisch, Beendigung und Nichtigkeit der Adoption, 1960, 19 f. HKK-Hofer, 2003, vor §  145, „Vertrag“. 170  Hofer, in: Hofer/Schwab (Hrsg.), From Status to Contract?, 2005, 1, 7 f.; Sanders, in: Popovici/Tremblay/Smith (Hrsg.), Les intraduisibles en droit civil, 2014, 217, 231 ff. 171  Zur Frage ob das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern als Schuldverhältnis angesehen werden muss: Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, 2014. 172  Vgl. zu diesem Ziel des Adoptionsrechts: Heinisch, Beendigung und Nichtigkeit der Adoption, 1960, 10 ff. 173 Vgl. Schubert, Die Projekte der Weimarer Republik zur Reform des Nichtehelichen-, des Adoptions- und des Ehescheidungsrechts, 1986, 82 ff. 174  Schubert, Die Projekte der Weimarer Republik zur Reform des Nichtehelichen-, des Adoptions- und des Ehescheidungsrechts, 1986, 55 ff. 175  Vgl. für die Entwicklung des Adoptionsrechts in der Weimarer Republik und im Dritten Reich: Bosch, FamRZ 1984, 829, 832; Neukirchen, Die rechtshistorische Entwicklung der Adoption, 2005, 114 ff. 176 Vgl. Glässing, Voraussetzungen der Adoption, 1957, 25 f. 169  Vgl.

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setz 1961177 wurde eine erste Reform durchgeführt. Die Hinzuadoption wurde ermöglicht und das Mindestalter für den Annehmenden auf 35 Jahre herabgesetzt, sodass zwischen Adoptiveltern und Kindern nun ein Altersabstand bestehen konnte wie zwischen genetischen Eltern und Kindern. Damit und mit der Regel, dass die leiblichen Eltern die Einwilligung zur Adoption erst drei Monate nach der Geburt des Kindes erklären konnten,178 wurde die Adoption nach Auffassung des Gesetzgebers weniger an der Verschaffung von Kindern für den Annehmenden ausgerichtet,179 sondern auf die Förderung des Kindeswohls durch das Finden möglichst guter, neuer Eltern für minderjährige Kinder. Diese Änderungen sowie die folgenden Reformen180 wandelten das Idealbild der Adoptiveltern von älteren, kinderlosen Personen hin zur Etablierung einer Ersatzfamilie für ein elternloses minderjähriges Kleinkind, die so weit wie möglich eine ideale Geburtsfamilie ersetzen sollte. In den 1970er Jahren setzte sich die Überzeugung von der Notwendigkeit einer umfangreichen Reform des Adoptionsrechts unter Einführung der Volladoption weitgehend durch.181 So stellten beispielsweise die CDU-CSU-Fraktion und weitere Abgeordnete 1973 den Antrag, das Adoptionsrecht unter Einführung der Volladoption für Minderjährige umfassend zu reformieren.182 Die Volladoption wurde auch in der Wissenschaft gefordert.183 Die Mehrelternschaft der Adoptiveltern und leiblichen Eltern, die dem Kind eine zuvor kritisierte „Zwitterstellung“ bescherten, müsse zugunsten der alleinigen Elternschaft der Adoptiveltern abgeschafft werden.184 Jayme kritisierte allerdings, dass die Volladoption nur für das verlassene Kleinkind passe, anderen Fällen, wie z. B. der Adoption durch Verwandte, aber nicht gerecht werde. Für die Verwandtenadoption hielt das Gesetz in der Tat auch daran fest, alte Verwandtenbeziehungen aufrecht zu erhalten. So konnte ein Kind, dessen Mutter gestorben war und das von der Schwester der Mutter und ihrem Ehemann adoptiert wurde, drei Großelternpaare haben. Jayme forderte, die Beziehungen zwischen diesen Personen müssten geregelt werden, insbesondere im Hinblick auf erbrechtliche Konsequenzen.185 Dieser Vorschlag setzte sich allerdings nicht durch.

177 

Gesetz v. 11.8.1961 (BGBl I, 1221). Bosch, FamRZ 1984, 829, 832 f. 179  Vgl. zu dieser Entwicklung die Gesetzesbegründung zum Adoptionsgesetz von 1976: BT-Drucks. 7/3061, 15 ff.; BT-Drucks. 7/5087. 180  Vgl. zur Reformdiskussion Engler, FamRZ 1966, 551. 181  Vgl. die Aufforderungen des Rechtsausschusses an die Bundesregierung entsprechende Gesetzesentwürfe vorzulegen: BT-Drucks. 7/738; BT-Drucks. 7/716, 1 f. 182  BT-Drucks. 7/328. 183  Lüderitz, Adoption, 1972, 77 f.; Jayme, FamRZ 1974, 115, 116. 184  Bosch, FamRZ 1984, 829, 834. 185  Jayme, FamRZ 1974, 115, 116. 178 

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Für die Entwicklung des Kindes, so der anschließend veröffentlichte Gesetzesentwurf, sei es erforderlich, dass sich das adoptierte Kind uneingeschränkt als Kind der neuen Familie fühlen könne.186 Das Verhältnis zwischen Adoptiveltern und Kindern sollte dem auf Geburt beruhenden Eltern-Kind-Verhältnis möglichst angeglichen werden.187 Nach dem bis heute geltenden §  1755 BGB erlischt das verwandtschaftliche Band zur leiblichen Familie vollständig und wird durch ein neues Band mit der Adoptivfamilie ersetzt. Für den Fall der Adoption durch Verwandte sowie der Adoption eines Kindes durch den neuen Ehegatten eines verwitweten Elternteils188 macht §  1756 BGB davon allerdings gewisse Ausnahmen. Flankiert wurde die Kappung der alten Familienbande durch die erschwerte Auflösbarkeit der Adoption gem. §  1759 BGB sowie das Ausforschungsverbot gem. §  1758 BGB. Damit, so der Gesetzesentwurf, erhielten Adoptiveltern und Kinder die Sicherheit, die für ein gedeihliches Familienleben erforderlich sei.189 Das Adoptionsgesetz vom 2.7.1976, in Kraft getreten am 1.1.1977, markierte einen entscheidenden Wendepunkt im Adoptionsrecht.190 Die Volladoption wurde eingeführt und das Dekretsystem ersetzte das Vertragssystem.191 Durch gerichtliche Entscheidung wurde das Adoptivkind nun unter Auslöschung der Bindungen zur alten Familie vollständig in die neue Familie integriert. Das bisherige System, bei dem familienrechtliche Beziehungen zu mehr als zwei Eltern bestanden, wurde allerdings bis heute für das Recht der Volljährigenadoption beibehalten.192 Das Gesetz stellte explizit das Kindeswohl in den Mittelpunkt und das Ziel, minderjährige Kinder vollständig und dauerhaft in die neue Familie zu integrieren. So stellt die Gesetzesbegründung die Bedeutung des Aufwachsens in einer stabilen Familie für die Entwicklung gerade von Kindern aus gefährdeten ­Familien heraus. So erklärt der Gesetzesentwurf: „Eine der besten Möglichkeiten, dem gefährdeten Kind günstige Bedingungen für sein Aufwachsen zu sichern, ist es, wenn das Kind in eine harmonische und lebenstüchtige Familie aufgenommen wird und dort die Geborgenheit findet, die es für seine Entwicklung braucht.“193

Entsprechend macht das Gesetz die Förderung des Kindeswohls in §  1741 Abs.  1 BGB mit der Prognose der Entstehung eines tatsächlichen Eltern-Kind-Ver186 

BT-Drucks. 7/3062, 19. BT-Drucks. 7/3062, 19; vgl. Jayme, FamRZ 1974, 115. 188  Den Großeltern, die schon ihr Kind verloren hatten, solle nicht auch noch das Enkelkind genommen werden. 189  BT-Drucks. 7/3062, 1. 190  Gesetz v. 2.7.1976 (BGBl. I, 1749). 191 Vgl. Engler, FamRZ 1976, 584. 192  Engler, FamRZ 1976, 584, 585; vgl. zu den Wirkungen der Volljährigenadoption: Palandt/­Götz, 76.  Aufl. 2017, §  1770, Rn.  1 f. 193  BT-Drucks. 7/3061, 15. 187 

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hältnisses zur Voraussetzung der Adoption.194 Wesentlicher Aspekt für die vollständige und endgültige Integration des Adoptivkindes in eine Adoptivfamilie, die einer idealen Geburtsfamilie möglichst nahe kommen sollte, war nach dem Gesetz die Volladoption, die Kappung von rechtlichen Beziehungen zu den ­Ursprungseltern. Dieser Aspekt ist für diese Untersuchung so bedeutsam, weil hier eine Si­ tuation der Mehrelternschaft mit sozialen und davon verschiedenen leiblichen ­Eltern rechtlich auf zwei Eltern beschränkt wurde. Heute wird die vollständige Kappung der Beziehungen zwischen Ursprungseltern und Adoptivkindern kritisiert und die Möglichkeit offener Adoptionen befürwortet.195 Immer wieder wird heute für Adoptivfamilien ein offener Umgang mit der Adoption empfohlen. Bei der Schaffung des Adoptionsgesetzes von 1977 herrschte allerdings eine andere Überzeugung vor. Für das Kindeswohl wurde es als notwendig angesehen, dem Kind ein stabiles Verhältnis zu nur zwei Eltern zu geben. Um dies zu erreichen, wurden die Ursprungseltern vollständig durch die Adoptiveltern ersetzt. Mit dem Ziel der Förderung des Kindeswohls wird damit eine tatsäch­ liche Situation der Mehrelternschaft rechtlich auf zwei Eltern reduziert. Insofern kann das Adoptionsgesetz von 1977 als Beispiel für das Dogma der Zwei-­ Elternschaft angesehen werden. Überdies führte das Gesetz den Wechsel vom Vertragssystem zum Dekret­ system ein. Während schon zuvor der gerichtlichen Zustimmung immer größere Bedeutung beigemessen wurde, wurde nun der Vertrag vollständig zugunsten einer „öffentlich-rechtlichen Gestaltung“196 aufgegeben. Teilweise wurde das Dekretsystem in der Literatur begrüßt, weil es der Adoptionsentscheidung Bestandsschutz brachte. Zuvor, so die Argumentation, hätte sich jeder auf die Unwirksamkeit der Adoption berufen können.197 Allerdings blieb die Zustimmung der Eltern und des Kindes weiter erforderlich (§§  1746 ff. BGB). Wie auch zuvor konnte allerdings die Zustimmung der Eltern in bestimmten Fällen ersetzt werden. Trotz der Notwendigkeit der elterlichen Zustimmung wurde durch das Dekretsystem die Zuweisungsentscheidung des Staates, nicht mehr der Wille der Beteiligten zum zentralen Element der Adoption. Dies wurde teilweise kritisiert.198 Auch bei der Gründung einer Kapitalgesellschaft sei Grundlage der Gründung ein Gesellschaftsvertrag, nicht allein der staatliche Akt der Eintragung, führte Knur aus. Gleichermaßen hätte man bei der Adoption den Vertrag und damit den privatautonomen Akt der Beteiligten

194 Vgl. zur Entwicklung dieser Formulierung zwischen Regierungsbegründung und Rechtsausschuss: BT-Drucks. 7/5087, 9; Bosch, FamRZ 1984, 829, 837 f. 195  So z. B. die Beschlüsse des 71. DJT, 2016, noch unveröffentlicht. 196  Bosch, FamRZ 1984, 829, 837. 197  Jayme, FamRZ 1974, 115, 116. 198 Vgl. Knur, FS Ballerstedt, 1975, 392 f.; Gernhuber, Familienrecht, 3.  Aufl. 1980, §  62, II 1.

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beibehalten können, ohne auf eine staatliche Kontrolle zu verzichten.199 Bosch erklärte: „Ist es etwa der Staat, der dem Adoptionswilligen ein Kind ‚zuteilt‘ mit den Worten ‚Du darfst ein Kind haben!‘? Ist es nicht ein Akt privatautonomer Lebensgestaltung wenn das Ehepaar A sich entschließt, in voller Einmütigkeit mit dem Kinde B und/oder dessen gesetzlichem Vertreter sich diesen Mensch als Kind zuzuordnen – durchaus ähnlich dem Willen eines Ehepaars, ‚leibliche‘ Nachkommen ins Leben zu rufen?“200

Mit dieser Aussage wird der Wille zur Elternschaft – der Adoptiveltern und der mit Kinderwunsch ein Kind zeugenden Eltern – als gemeinsames verbindendes Element beschrieben und so der Wandel zum Dekretsystem kritisiert. Diese Auseinandersetzung um die Grundlagen der Elternschaft im Willen der Eltern und nicht allein in ihrer leiblichen Verbindung zu dem Kind lässt bereits spätere Diskussionen um intentionale Elternschaft erahnen.

2.  Elterliche Gewalt und Sorge 1900–1997 Wesentlicher Teil der rechtlichen Eltern-Kind-Beziehung ist nicht nur das Abstammungsrecht, das den Status der Elternschaft bestimmt, sondern auch das Recht und die Pflicht, für das Kind zu sorgen, es im Rechtsverkehr zu vertreten und Entscheidungen für es zu treffen.201 Nach heutiger Terminologie geht es hier um die elterliche Sorge, die bei einer Untersuchung multipler Elternschaft nicht fehlen darf. Von besonderer Bedeutung sind dabei Mechanismen zum Umgang mit Meinungsverschiedenheiten zwischen den Eltern. Sind einem Kind mehr als zwei Eltern mit gleichen Rechten und Pflichten zugeordnet, so ist zu befürchten, dass im Rahmen der elterlichen Sorge Konflikte auftreten, die sich zum Nachteil des Kindes auswirken. So befürchtet das Bundesverfassungsgericht kindeswohlschädliche Rollen- und Kompetenzkonflikte, 202 wenn einem Kind mehr als zwei Eltern zugeordnet würden. Bereits bei zwei Eltern kann es aber im Rahmen der elterlichen Sorge zu Meinungsverschiedenheiten kommen, die Mechanismen erforderlich machen, um zu einer Entscheidung zu gelangen. Insofern können auch in der natürlichen Zwei-Eltern-Konstellation Probleme auftreten, die in einer Mehrelternschaftskonstellation zu befürchten sind.203 Das 199 

Knur, FS Ballerstedt, 1975, 394. Bosch, FamRZ 1984, 829, 837 f. 201  Vgl. zur Entwicklung der elterlichen Gewalt aus dem römischen und gemeinen Recht des Hausvaters und des Vormundschaftsrechts: Motive, Bd.  I V, 721 ff.; vgl. zur historischen Entwicklung der elterlichen Sorge: Meckling, Die gemeinsame Trennungssorge, 2009, 25 ff. 202  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 103. 203  Vom gesellschaftsrechtlichen Standpunkt würde man eine Konstellation der Entscheidungsfindung bei Meinungsverschiedenheit zwischen zwei gleichberechtigten, stimmberechtigten Gesellschaftern sogar als schwieriger einstufen, weil hier keine Mehrheitsentscheidung möglich ist. Um in solchen Situationen eine Blockade der beiden Gesellschafter zu vermeiden, 200 

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Recht kann die Lösung solcher Situationen dem gesellschaftlichen Miteinander der Eltern überlassen, es kann eine staatliche Stelle, z. B. ein Familiengericht, mit der Entscheidung betrauen, wenn sich mehrere Eltern nicht einigen können, oder es kann bereits einem Elternteil die alleinige Entscheidungsmacht übertragen bzw. ihm von vornherein ein höheres Stimmgewicht übertragen. Diese Mechanismen lassen sich in der Entwicklung der elterlichen Sorge aufzeigen. a.  Keine gemeinsame elterliche Gewalt im BGB von 1900 Das BGB von 1900 kannte die „elterliche Gewalt“204, die das Recht gewährte, das Kind zu vertreten und sein Vermögen zu verwalten (§  1627 BGB a. F. 1900). Das Gesetz räumte immer nur einem Elternteil, meist dem Vater, diese elterliche Gewalt ein. Gründe dafür mögen in den Geschlechterrollen der Zeit liegen, doch erklären diese die damalige Regelung nicht vollständig. Vielmehr schien das BGB davon auszugehen, dass die elterliche Gewalt grundsätzlich ausschließlich ist, d. h. immer nur von einer Person gleichzeitig wahrgenommen werden kann. Dies änderte sich erst mit der letztlich durch das Bundesverfassungsgericht durchgesetzten Gleichberechtigung der Eltern. Die gemeinsame Sorge blieb aber zunächst noch miteinander verheirateten Elternpaaren vorbehalten. Erst langsam wurde eine gemeinsame Sorge für geschiedene205 und unverheiratete206 Paare denkbar. Zunächst nur als Ausnahme im Fall einer Einigung der Eltern, später zunehmend als Normalfall. aa.  Elterliche Gewalt über eheliche Kinder Das BGB wies die elterliche Gewalt des ehelichen Kindes entsprechend der Rechtslage im Großteil Deutschlands zum Zeitpunkt der BGB-Entstehung207 dem Vater zu (§§  1626, 1627 ff. BGB a. F. 1900).208 Daneben hatte die Mutter während des Bestehens der Ehe das Recht und die Pflicht für die Kinder zu sorgen;209 zur Vertretung des Kindes war sie allerdings nicht berechtigt und bei hat insbesondere die amerikanische Vertragspraxis eine Reihe von Mechanismen und Klauseln entwickelt, u. a. die so genannte Russian Roulette-Klauseln, vgl.: OLG Nürnberg, Urt. v. 20.12.2013 – 12 U 49/13, NJW-RR 2014, 418, 420; vgl. dazu EBJS-HGB/Wertenbruch, 2014, §  105, Rn.  210; dazu: Valdini/Koch, GWR 2016, 179; Schroeder/Welpot, NZG 2014, 609; Schmolke, ZIP 2014, 821; Schulte/Sieger, NZG 2005, 25. 204  Vgl. Konzeptionell zur elterlichen Gewalt; Gernhuber, FamRZ 1962, 89. 205  Vgl. dazu: Meckling, Die gemeinsame Trennungssorge, 2009. 206  Witteborg, Das gemeinsame Sorgerecht nichtverheirateter Eltern, 2003 207  Motive, Bd.  I V, 733. 208 Vgl. auch: Witteborg, Das gemeinsame Sorgerecht nichtverheirateter Eltern, 2003, 33 ff.; Meckling, Die gemeinsame Trennungssorge, 2009, 31 ff. 209  Vgl. auch Motive, Bd.  I V, 739: „Im Übrigen teilt die Mutter bei Lebzeiten des Vaters nur in einem gewissen Umfang die Sorge für die Person des Kindes“. Dies ist insofern für den heutigen Leser verwirrend, als die „elterliche Gewalt“ mit dem Gesetz zur Neuregelung der elterlichen Sorge vom 18.7.1979 (Gesetz zur Neuregelung der elterlichen Sorge vom 18.7.1979,

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Meinungsverschiedenheiten hatte die Meinung des Vaters Vorrang (§  1634 BGB a. F. 1900). Erst nach dem Tod des Vaters, als Witwe, oder wenn bei Auflösung der Ehe der Vater die elterliche Gewalt verwirkt hatte, konnte die Mutter die elterliche Gewalt ausüben (§  1684 BGB a. F. 1900). Als Witwe verlor sie die elterliche Gewalt allerdings wieder, wenn sie sich neu verheiratete (§  1697 BGB a. F. 1900). Die elterliche Gewalt war dann von einem Vormund zu übernehmen, wenn es nicht zu einer Adoption des Kindes kam. Man befürchtete andernfalls, dass die Witwe die finanziellen Interessen des Kindes nicht gegen ihren neuen Ehemann würde durchsetzen können. Besondere Rechte für Stiefeltern gab es nicht. Die Mutter behielt allerdings das Recht und die Pflicht, tatsächlich für das Kind zu sorgen (§  1697 S.  1 BGB a. F. 1900). Das Recht ging also nicht davon aus, dass die elterliche Gewalt in gleicher Weise gemeinsam durch beide Eltern ausgeübt werden könne.210 Damit besaß ein eheliches Kind zwei Eltern, die ihm Unterhalt schuldeten und von denen und von deren Verwandten es erben und an die es vererben konnte. Das Recht wies aber nur einem, dem Vater, die Befugnis zu, für das Kind rechtserheblich zu handeln. Eine gemeinsame elterliche Gewalt sah das BGB konsequenterweise auch für geschiedene Eltern nicht vor. In dem bis 1977 geltenden Scheidungsrecht konnte eine Scheidung nur vom unschuldigen Ehegatten, z. B. wegen Untreue des anderen Teils oder anderen schweren Eheverfehlungen, verlangt werden.211 Nicht nur Unterhaltsansprüche, auch die nacheheliche elterliche Gewalt richtete sich nach dem während des Scheidungsverfahrens festgestellten Verschulden. Der jeweils schuldig geschiedene Ehegatte besaß allerdings ein Umgangsrecht gem. §  1636 BGB a. F. 1900. §  1635 BGB a. F. 1900 bestimmte, dass die Obhut dem unschuldig geschiedenen Ehegatten zustand, während die Vertretung des Kindes in jedem Fall weiter dem Vater oblag. Die Anknüpfung der Obhut für die Kinder an die Scheidungsschuld wurde einerseits mit der vermuteten größeren Erziehungseignung des unschuldigen Ehegatten begründet, andererseits mit dessen Schutzwürdigkeit im Vergleich zum anderen Ehegatten.212 Wurden beide Eltern schuldig geschieden, so sollte die Mutter für Töchter und Söhne unter sechs Jahren sorgen, während der Vater im Übrigen die Fürsorge übernehmen sollte.213 Eine gleichberechtigte Elternschaft zweier Eltern konnte sich der Gesetzgeber offenbar nicht vorstellen. Das Recht koppelte also nicht nur das AbBGBl. I, 1061) in „elterlichen Sorge“ umbenannt wurde, ohne dass daneben ein Recht zur tatsächlichen Fürsorge für das Kind aufgenommen wurde. 210  Vgl. zur Diskussion um die elterliche Sorge in der Weimarer Republik: Meder, Familienrecht, 2013, 221 f. 211  Vgl. zum Scheidungsrecht vor 1977: Dölle, Familienrecht, Bd.  1, 1964, 484 ff.; vgl. auch die Kommentierungen von §§  42–48 EheG in Hoffmann/Stephan, Ehegesetz, 1968. 212  Mit Nachweisen: Schwoerer, FamRZ 1958, 433, 439. 213 Vgl. Schwoerer, FamRZ 1958, 433.

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stammungs-, sondern auch das Recht der elterlichen Gewalt eng an das Eherecht. bb.  Elterliche Gewalt über uneheliche Kinder Eine familiäre Gemeinschaft unverheirateter Eltern mit ihrem Kind war im BGB von 1900 nicht vorgesehen, Beispielhaft ist insofern noch die Formulierung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 23.10.1958: „Die tatsächliche und die rechtliche Lage des unehelichen Kindes im Familienverband unterscheidet sich durch das Fehlen des ehelichen Vaters grundlegend und unabänderlich von der des ehelichen Kindes. Während die Familie, in die das eheliche Kind hineingeboren wird, eine Erweiterung der Ehegemeinschaft seiner – gemeinsam sorge- und erziehungsberechtigten – Eltern ist, besteht eine Familiengemeinschaft für das uneheliche Kind stets nur mit der – allein sorge- und erziehungsberechtigten – Mutter.“214

Die uneheliche Mutter des BGB von 1900 hatte das Recht und die Pflicht, für das Kind zu sorgen. Sie besaß aber selbst – ebenso wie die eheliche Mutter – nicht die „elterliche Gewalt“215 und konnte das Kind nicht vertreten.216 Dieses Recht kam dem Vormund zu (§  1707 BGB a. F. 1900).217 In dem von Rechtsanwälten für den Bürger kommentierten „Neusten Gesetzbuch für den praktischen Gebrauch“ wird für den Laien zu den Regelungen des BGB angemerkt: „Die Mutter kann Vormünderin werden, hat aber kein Recht darauf; es kommt darauf an ob sie Vertrauen verdient.“218 Erst das Familienrechtsänderungsgesetz von 1961219 ermöglichte der Mutter auf Antrag die Stellung des Amtsvormunds220 und die elterliche Gewalt selbst zu übernehmen (§  1707 Abs.  2 BGB a. F. 1961).221 Eine Teilung der elterlichen Gewalt zwischen Vormund und Mutter war nicht vorgesehen. Der Vater, der mit dem Kind in keinem familienrechtlichen Verhältnis stand, hatte keinerlei Entscheidungsmacht.222 Im Fall der Ehelicherklärung erhielt der Vater die elterliche Gewalt vom Vormund, die Mutter verlor ihr Recht, für das Kind zu sorgen (§  1738 BGB a. F. 214 

BVerfG, Beschl. v. 23.10.1958 – 1 BvL 45/56, BVerfGE 8, 210, 215. Vgl. zur elterlichen Gewalt ausführlich unten. 216  Hier ist für den heutigen Leser anzumerken, dass die tatsächliche Sorge der Mutter von der „elterliche Gewalt“ zu unterscheiden ist, die seit dem Gesetz zur Neuregelung der elter­ lichen Sorge vom 18.7.1979 (Gesetz zur Neuregelung der elterlichen Sorge vom 18.7.1979, BGBl. I, 1061) als „elterliche Sorge“ verstanden wird. 217 Vgl. Buske, Fräulein Mutter und ihr Bastard, 2004; kritisch: Ramm, JZ 2005, 665. 218 Bürgerliches Gesetzbuch, in: Neuestes Gesetzbuch für den praktischen Gebrauch, Bd.  I, Anmerkung zu §  1707, 295. 219  Gesetz v. 11.8.1961 (BGBl. I, 1221); vgl. dazu Jansen/Knöpfel, Das neue Unehelichengesetz, 1967, 66 f. 220  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 2010, §  48, Rn.  14. 221  Vgl. dazu Arnold, FamRZ 1966, 341; Göppinger, FamRZ 1962, 449. 222 Vgl. Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, 2014, 146 ff. 215 

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1900).223 Eine gemeinsame Sorge der Mutter mit dem nichtehelichen Vater sah das Gesetz also auch auf diesem Wege nicht vor.224 cc.  Elterliche Gewalt über Adoptivkinder Mit der Annahme an Kindes statt verlor der leibliche Vater bzw. die uneheliche Mutter endgültig die elterliche Gewalt über das Kind. Dies entsprach der damaligen Ansicht über die „Ausschließlichkeit der elterlichen Gewalt“225 , die auch für verheiratete Elternpaare galt und wurde damit begründet, dass sich das angenommene Kind seinen leiblichen Eltern regelmäßig entfremde und auch so­ zial eine ganz andere Rolle als diese einnähme.226 Unklarheiten bestanden allerdings dahingehend, ob mit der elterlichen Gewalt auch das Recht der leiblichen Eltern auf Umgang (damals „Verkehr“) mit dem Kind erlösche. Der §  1765 BGB a. F. 1900 traf dazu keine Regelung. Überwiegend wurde angenommen, die leiblichen Eltern hätten zwar kein Recht auf Umgang mit dem adoptierten Kind, aber das Vormundschaftsgericht könne gem. §  1666 BGB einschreiten, wenn die Adoptiveltern die leiblichen Eltern in missbräuchlicher Weise von dem Kind fernhielten. Andere Stimmen gingen dagegen davon aus, die leiblichen Eltern behielten ihr Umgangsrecht mit dem Kind. Erst mit dem Nichtehelichengesetz von 1970 wurde das Umgangsrecht der leiblichen Eltern mit der Adoption aufgehoben, 227 um das Kind vollständig in die neue Familie integrieren zu können.228 b.  Gründe für die Ausschließlichkeit der elterlichen Gewalt Bei der Suche nach den Gründen für die Ausschließlichkeit der elterlichen Gewalt fällt zunächst die besondere Stellung der Frau im Familienrecht von 1900 ins Auge. Der patriarchalische Charakter der damaligen Gesellschaft allein greift als Begründung allerdings zu kurz. Offenbar ging das BGB davon aus, dass die elterliche Gewalt unteilbar und damit immer nur von einem Elternteil wahrgenommen werden konnte. Aufgrund der Stellung der Frau war es dann allerdings grundsätzlich der Mann, der die ausschließliche elterliche Gewalt ausübte.

223 

Vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168, 169. BT-Drucks. 13/4899, 33. 225  Motive, Bd.  I V, 990; vgl ausführlich zur „elterlichen Gewalt“ Teil 2 I 2 (S.  62). 226  Motive, Bd.  I V, 990. 227  Vgl. m.N. Odersky, Nichtehelichengesetz, 1970, Art.  1 Nr.  48, 322. 228  Engler kritisierte diese Änderung im Vorfeld als unnötigen Vorgriff auf eine künftige Einführung der Volladoption. Es gebe durchaus Fälle, in denen der Umgang mit den biologisch-genetischen Eltern dem Wohl des Kindes nicht nur nicht schaden, sondern diesem sogar dienlich sein könnte. Als Beispiele nennt beispielsweise bei älteren Kinder oder die Stiefkindadoption Engler, FamRZ 1966, 551, 556 f. 224 

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aa.  Die Rolle der Frau in der Familie Die nachgeordnete Stellung der Mutter in der Hierarchie der Familie und im Recht, die sich hier in ihrem Ausschluss von der elterlichen Gewalt zeigt, hatte lange Tradition. Sowohl in der Gemeinschaft des „ganzen Hauses“, des oikos, des begrifflichen Vorläufers der „Familie“229 als auch in der späteren, die Entstehung des BGB prägenden „bürgerlichen Familie“ kam der Ehefrau und Mutter eine jeweils untergeordnete Stellung zu. In der Erwerbsgemeinschaft des ganzen Hauses, des oikos, besaß die Hausmutter allerdings einen eigenen Wirkungskreis bei der Organisation und Verwaltung des Haushalts. Gleichwohl kam ihr eine hierarchisch niedrigere Stellung zu, die oftmals politisch gerechtfertigt wurde. Philosophen und Juristen verglichen die Familie mit einem Gemeinwesen, das vor den Revolutionen der Aufklärung praktisch nur als Monarchie denkbar war. Der König regierte den Staat, der Hausvater die Familie. Der oikos, das Haus, wurde verglichen mit einem Staat im Kleinen mit dem Vater als König und der Ehefrau, den Kindern und Dienstboten als treuen, der Anleitung und Erziehung bedürftigen Untertanen.230 Mit dem Übergang zum 19. Jahrhundert und der industriellen Revolution entwickelte sich das Idealbild der bürgerlichen Familie,231 die eine Doppelnatur zwischen Sittlichkeit und Recht einnehmen sollte.232 Das Familienrecht konnte damit nur in engen Grenzen vom Gesetzgeber gestaltet werden.233 Die untergeordnete Stellung der Frau, die auch der gesetzlichen Regelung zugrundezulegen war, folgte nun nicht mehr aus ihrem Stand als Hausmutter, sondern aus ihrer „natürlichen Verschiedenheit“.234 Die Motive des BGB führten als Begründung zur Übertragung der elter­ lichen Gewalt allein an den Vater aus, es entspreche der „natürlichen Ordnung“, Entscheidungen in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten dem Manne zuzuweisen. Im Großteil Deutschlands kenne das 229 

Schwab, FamRZ 2007, 1. Meder, Familienrecht, 2013, 130, Fn.  54; Lichtblau, in: Ritter (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, digital version, 2007, 25242. 231 Vgl. Meder, Familienrecht, 2013, 129 ff. Die Entwicklung der bürgerlichen Familie im Zuge der industriellen Revolution war keineswegs allein auf Deutschland beschränkt. Im Vereinigten Königreich, wo die industrielle Revolution früher einsetzte und mit mindestens ebenso weitreichenden Folgen wie in Deutschland wirkte, erhielt die viktorianische Familie große Bedeutung, die weitreichende Folgen für etablierte Institute des englischen Familienrechts entfalteten: vgl. Sanders, in: Popovici/Tremblay/Smith (Hrsg.), Les Intraduisibles en droit civil, 2014, 217, 237 ff.; Cretney, Family Law in the Twentieth Century, 2004, 142, 153 ff. 232  von Savigny, Darstellung der in den Preuß. Gesetzen über die Ehescheidung unternommenen Reform, 1844, 5 f. (Nachdruck in FamRZ 1969, 1); vgl. zur Vorstellung der Ehe als vorgeblich sittliche Ordnung auch: Hegel, Grundlinien einer Philosophie des Rechts (1821) §  161; vgl. auch von Gerber, System des deutschen Privatrechts, 1882, §  223; Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 1868, §  490. 233 Vgl. Schwab, FamRZ 2007, 1, 2. 234 Vgl. Meder, Familienrecht, 2013, 130: vgl. auch Wagenitz/Barth, FamRZ 1996, 577, 578 f. 230 

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

Recht einschließlich des gemeinen Rechts ein „voll durchgebildetes elterliches Recht nur für den Vater, nicht für die Mutter. Die väterliche Gewalt, nicht die elterliche Gewalt, bildet die Grundlage des elterlichen Rechts.“235 Dem Vater müsse daher die elterliche Gewalt gewährt werden. Der Mutter könne nur ein Anteil an der Sorge für die Person des Kindes eingeräumt werden.236 Solange beide Eltern lebten, müsse das elterliche Recht der Mutter zurücktreten.237 Diese Zurückstellung der Mutter im Gegensatz zum Vater stand im bereits damals kontrovers diskutierten Widerspruch zur vollen Rechts- und Geschäftsfähigkeit der Frau, die das BGB im Übrigen anerkannte.238 Der Vorrang des Mannes wurde von Planck und den Motiven mit „der Natur der Dinge“239 begründet und damit logischer Nachprüfung entzogen.240 Planck (und mit ihm das BGB) 241 folgte insofern der überwiegenden Auffassung der Zeit und dem von Savigny begründeten Verständnis der Familie, die sich im Wesentlichen über die Sitte selbst reguliere. Daher strebte er nicht danach, im Wege einer Reform „von oben herab neue Rechtssätze aufzustellen“242 . Eine Rolle mag insofern auch die unausgesprochene Sorge vor einer Destabilisierung der Familie durch die vollkommende rechtliche Gleichstellung der Frau gespielt haben.243 So befürchtete von Gierke bereits in der Aufgabe der Hausgemeinschaft und der Vertretungsrechte des Ehemannes für die Ehefrau im Entwurf des BGB eine Gefährdung nicht nur deutschrechtlicher Grund­ sätze sondern der Familie als dem „unerschütterliche[n] Bollwerk gegen die Wogen des Individualismus.“244 bb.  Einheitlichkeit der elterlichen Gewalt Zeitgenössische Vorstellungen zu den familiären Geschlechterrollen scheinen aber nicht der einzige Grund der Regelung im BGB gewesen zu sein, welche die elterliche Gewalt allein einem Elternteil zuwies. Dafür hätte es ausgereicht, die elterliche Gewalt beiden Eltern einzuräumen und dem Ehemann bei deren Aus235 

Motive, Bd.  I V, 733. Motive, Bd.  I V, 105, 736, 739, 754; vgl. BT-Drucks. 2/224, 56. 237  Motive, Bd.  I V, 736. 238  Dieser Widerspruch wird deutlich in Plancks Ausführungen zur elterlichen Gewalt in: Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs, ­Familienrecht, Vorschläge, Anlage, in: Schubert (Hrsg.), Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs/Fami­ lienrecht Teil 3, 1983, 978 ff.; vgl. zur Diskussion m. w. N. Meckling, Die gemeinsame Trennungssorge, 2009, 31 f.; Meder, Familienrecht, 2013, 192 ff. 239  Motive, Bd.  I V, 736. 240 Vgl. Meder, Familienrecht, 2013, 195. 241  Meder, Familienrecht, 2013, 195 f. 242  Planck, AcP 75 (1889), 327, 331. 243  Meckling, Die gemeinsame Trennungssorge, 2009, 31. 244  von Gierke, Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches und das deutsche Recht, 1889, 394; vgl. dazu Riedel, Gleiches Recht für Mann und Frau, 2008, 187, 206. 236 

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übung den Vorrang zuzuweisen. Eine solche Regelung enthielt das Pandektenlehrbuch 245 Windscheids: „Die Aeltern haben über das Kind die Erziehungsgewalt […]. Die Erziehungsgewalt steht aber der Mutter bei Lebzeiten des Vaters nicht in Widerspruch mit demselben zu, und nach dem Tode des Vaters nur so lange als sie nicht zur zweiten Ehe schreitet, […]. Von der anderen Seite kann durch Richterspruch auch bei Lebzeiten des Vaters seine Erziehungsgewalt zugunsten der Mutter ausgeschlossen werden.“246

Eine solche Regelung statuierte das BGB jedoch nicht. Vielmehr gab es nur eine elterliche Gewalt, deren Inhaber jeweils nur eine Person sein konnte. In den Beratungen wurde ausgeführt: „Dabei ist die elterliche Gewalt nicht als dergestalt den beiden Elternteilen gemeinsam zustehend gedacht, dass die Mutter lediglich durch die Prävalenz des Vaters ausgeschlossen ist …“247

Entsprechend regelte das BGB die elterliche Gewalt des Vaters und der Mutter in verschiedenen Abschnitten (§§  1627–1683 BGB a. F. 1900 bzw. §§  1684–1798 BGB a. F. 1900) und ließ die mütterliche Gewalt erst mit dem Ende der väter­ lichen Gewalt überhaupt beginnen.248 Dies merkte auch von Gierke zum Entwurf an: „Mit den nachfolgenden Bestimmungen über ‚elterliche Gewalt‘ verläßt der Entwurf völlig den Boden des gemeinschaftlichen Elternrechts und der Hausgemeinschaft. Denn die elterliche Gewalt ist (…), ihrem Namen zum Trotz nicht etwa ein gemeinschaftliches Elternrecht, das überwiegend vom Vater ausgeübt würde, sondern ein besonderes Recht des einen oder anderen Elternteils, welches zunächst dem Vater und nach dessen Tode der Mutter zusteht und je nachdem den Vater oder die Mutter in einen ‚Inhaber der elterlichen Gewalt‘ verwandelt.“249

Das BGB ging auch im Übrigen, d. h. nicht nur im Verhältnis zwischen Ehemann und Ehefrau, von der „Ausschließlichkeit der elterlichen Gewalt“250 aus. So war auch eine gemeinsame elterliche Gewalt zwischen dem Adoptivvater und dem leiblichen Vater ausgeschlossen.251 245  Vgl. zur Dogmengeschichte der elterlichen Gewalt in der Pandektistik: Lipp, ZNR 15 (1993), 129. 246  Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 1868, §  514 Nr.  3. 247  Vgl. auch Jakobs/Schubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Familienrecht II, 1989, 349 248  Vgl: §  1684 BGB a. F. 1900: Der Mutter steht die elterliche Gewalt zu: 1. wenn der Vater gestorben oder für todt erklärt ist; 2. wenn der Vater die elterliche Gewalt verwirkt hat und die Ehe auf gelöst ist. Im Falle der Todeserklärung beginnt die elterliche Gewalt der Mutter mit dem Zeitpunkte, der als Zeitpunkt des Todes des Vaters gilt. 249  von Gierke, Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches und das deutsche Recht, 1889, 462, zitiert nach Riedel, Gleiches Recht für Mann und Frau, 2008, 413 f. 250  Motive, Bd.  I V, 990. 251  Motive, Bd.  I V, 990.

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Die Gründe für diese Beschränkung der elterlichen Gewalt auf eine Person werden aus den Materialien zur BGB-Entstehung nicht deutlich. Insofern lässt sich über sie nur spekulieren. Unter Umständen wurde es als selbstverständlich angesehen, dass Entscheidungen außerhalb einer für die Koordinierung gemeinsamer Entscheidungsfindung vorgesehenen Rechtsform, wie einer Gesamthand oder Körperschaft, nicht von zwei Personen gemeinsam getroffen werden können. Möglichweise wollte man insofern nicht darüber nachdenken, ob die gemeinsam ausgeübte Gewalt den Eltern als Gesamthand oder in anderer Form zuzuordnen sei. Stattdessen wurde die elterliche Gewalt zu einer Art Staffelstab, der jeweils an den Inhaber weitergereicht wurde. Vielleicht wurde mit dem Konzept des gesamten Hauses auch die Vorstellung aufgegeben, rechtlich erhebliches Handeln könne von zwei Personen einer Haushaltsgemeinschaft gemeinsam ausgehen. Möglicherweise lag dem das später im Zusammenhang mit dem Gleichbehandlungsgesetz diskutierte Problem der Notwendigkeit der Abstimmung und Einigung zwischen verschiedenen Inhabern der elterlichen Gewalt zugrunde. Die Probleme der gemeinsamen Entscheidungsfindung über die Angelegenheiten eines Kindes spielen jedenfalls auch hinsichtlich der Skepsis gegenüber der multiplen Elternschaft 252 eine Rolle und werden daher noch von Bedeutung sein. c.  Gleichberechtigung und gemeinsame elterliche Gewalt Den entscheidenden Impuls für die Familienrechtsentwicklung nach dem zweiten Weltkrieg bildete das Grundgesetz, dessen Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht in Art.  6 GG sowohl Ehe und Familie, einschließlich nichtehe­ licher Kinder schützten, als auch in Art.  3 Abs.  2 GG die Gleichberechtigung der Geschlechter statuierten. Zwar hatten schon Art.  119 ff. WRV Regelungen zum Schutz von Ehe, Familie und nichtehelichen Kindern enthalten. Insbesondere erklärte Art.  119 WRV, die Gleichberechtigung der Geschlechter bilde die Grundlage der Ehe. Aufgrund der beschränkten Wirkung der Grundrechte in der Weimarer Republik 253 entfaltete dieser Grundsatz jedoch keinen merk­ lichen Einfluss auf das Familienrecht. Die Probleme einer Gleichberechtigung von Mann und Frau als unmittelbar bindendes Grundrecht in Bezug auf das Familienrecht waren während der Entstehung des Grundgesetzes problematisiert worden. Hier konnten sich allerdings, anders als in der Weimarer Republik, die Mütter des Grundgesetzes durchsetzen.254 252 

Vgl. unten Teil 5 II 3 b (S. 368). Gusy, ZNR 15 (1993), 163; Stolleis, in: Rödder (Hrsg.), Weimar und die deutsche Verfassung, 1999, 89 ff.; Möller, in: Rödder (Hrsg.), Weimar und die deutsche Verfassung, 1999, 105 ff. 254  Vgl. zu einer kurzen Darstellung der Diskussion im Parlamentarischen Rat BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 27, 100/58, BVerfGE 10, 59, 67 ff. vgl. auch: 253 M.w.N.

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Wie bereits oben gezeigt, bestimmte gleichheitswidriges Recht das Familienrecht im BGB, das seit seinem Inkrafttreten 1900 insofern nicht wesentlich ­verändert worden war. Dies galt nicht nur für das Kindschaftsrecht. Der ge­­setz­liche Güterstand der Verwaltungsgemeinschaft räumte dem Ehemann die Verwaltung des Vermögens seiner Frau ein und die Ehefrau konnte ohne Zustimmung des Ehemannes nicht berufstätig sein. Folge des neuen Zusammenspiels von Art.  6 Abs.  1 GG, Art.  3 Abs.  2 GG und Art.  1 Abs.  3 GG war daher, dass viele Regelungen des vierten Buchs des BGB als verfassungswidrig angesehen werden mussten.255 Um dem Gesetzgeber ausreichend Zeit für die entsprechend große Aufgabe der Schaffung eines den Vorgaben des Grundgesetzes genügenden Familienrechts zu geben, sah Art.  117 GG eine „Gnadenfrist“ bis zum 31.3.1953 vor.256 In der Zwischenzeit vom Inkrafttreten des Grundgesetzes bis zum Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes 1958 gingen Rechtsprechung, Wissenschaft und Verwaltung von der Gleichordnung der Eltern und ihrer gemeinsamen Vertretungsbefugnis aus.257 aa.  Gemeinsame elterliche Gewalt der verheirateten Eltern Eine neue Regelung der elterlichen Gewalt verheirateter Eltern erfolgte mit dem verspäteten Gleichberechtigungsgesetz vom 18.6.1957.258 Das Kind stand nun gem. §  1626 BGB a. F. 1958 unter der elterlichen Gewalt beider Eltern, die die tatsächliche Sorge und Vertretung des Kindes umfasste. Die Einräumung der gemeinsamen elterlichen Gewalt bedeutete eine Abkehr von dem Modell des BGB von 1900, das, wie oben gezeigt, von der Ausschließlichkeit der elterlichen Gewalt ausging. Mit dieser Gleichstellung der Eltern ergab sich nun auch die Notwendigkeit, das Verhältnis zwischen den Eltern 259 rechtlich zu klären und ggf. Mechanismen für die Konfliktlösung vorzusehen, die zuvor, angesichts der etablierten Vorrangstellung des Ehemanns und Vaters, nicht erforderlich waren.260 Die Eltern sollten sich nach dem Gleichberechtigungsgesetz bei Meinungsverschiedenheiten einigen. Scheitere die Einigung komme dem Vater bei Entscheidungen über das Kind ein Stichentscheid und Alleinvertretungsmacht zu Limbach, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Demokratische Geschlechterverhältnisse im 21. Jahrhundert, 1999, S.  15 ff. 255  Vgl. dazu und zur Rechtsprechung des BVerfG: Sanders, in: Emmenegger/Wiedmann (Hrsg.), Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Bd.  2, 2011, 351, 357 ff. 256  Vgl. das Referat der späteren Verfassungsrichterin Dr. Erna Scheffler, in: Verhandlungen 38. DJT 1950, 1951, B. 3 ff. 257  M.w.N. BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 27, 100/58, BVerfGE 10, 59, 69 ff.; vgl. BGH, Beschl. v. 2.5.1956 – IV ZB 40/56, BGHZ 20, 313. 258  Gesetz v. 18.6.1957 (BGBl. I, 609), in Kraft getreten am 1.7.1958. 259  Sehr schön zu dieser „Geburtsstunde eines Rechtsproblems“: Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, 2014, 209 f. 260  Vgl. dazu Gernhuber, FamRZ 1962, 89, 95 f.

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(§§  1628, 1629 BGB a. F. 1958). In der Regierungsbegründung wurde dazu ausgeführt, das Gesetz dürfe den Fall, dass sich die – grundsätzlich gleichberechtigten – Eltern nicht einigen könnten, im Interesse des Kindeswohls nicht ungeregelt lassen. Auch eine dritte Stelle, wie z. B. das Vormundschaftsgericht, mit der Entscheidung zu betrauen, wäre kein gangbarer Weg, weil dies den Fami­ lienfrieden gefährden und zu einer Einmischung des Staates in die Familie führen würde.261 Bei Gefahr im Verzug könnten Entscheidungen nicht rechtzeitig im Interesse des Kindes getroffen werden.262 Daher entscheid sich die Regierungsbegründung in Anlehnung an eine starke Auffassung in der Literatur, im Konfliktfall einen Stichentscheid einzurichten.263 „Diese Aufgabe“ könne „nach natürlichen und christlichen Ordnungsbegriffen nur dem Vater zufallen.“264 Mit Urteil vom 29.7.1959 erklärte das Bundesverfassungsgericht 265 den väterlichen Letztentscheid jedoch für verfassungswidrig. Damit war zum ersten Mal die vollständig gleichberechtigte gemeinsame Gewalt der Eltern für ihr Kind etabliert, womit sich, wie Preisner überzeugend herausgearbeitet hat, das Problem des Verhältnisses der Ehegatten untereinander als Rechtsproblem stellte.266 Im Fall der miteinander verheirateten Ehegatten ließ sich allerdings noch auf die Ehe als Rechtsrahmen des Zusammenlebens und der Koordination der Ehegatten bauen.267 Der nächste Schritt in der Entwicklung war damit die gemeinsame Wahrnehmung der Elternverantwortung ohne die rechtliche Bindung der ­Eltern durch die Ehe, d. h. der geschiedenen und unverheirateten Eltern. bb.  Elterliche Gewalt nach der Scheidung Nach einer Scheidung war die elterliche „Sorge“, d. h. die tatsächliche Fürsorge im BGB von 1900, die nicht mit der elterlichen Gewalt und damit der Vertretungsmacht des Kindes verbunden war, dem unschuldigen Elternteil zuzuweisen, §  1635 BGB a. F. 1900. Waren beide Ehegatten für schuldig erklärt worden, so wurde eine differenzierte Regelung für Jungen und Mädchen bzw. nach den Interessen des Kindes angeordnet. Die elterliche Gewalt einschließlich der Vertretung des Kindes verblieb demgegenüber beim Vater. Mit §  81 EheG 1938 erfolgte eine wichtige Änderung dahingehend, dass nach der Scheidung die Personensorge einschließlich des Vertretungsrechts des Kindes einheitlich einem Ehegatten zugewiesen werden sollte. Mit §  74 EheG 1946 wurde dann die elter261 

BT-Drucks. 2/220, 58. BT-Drucks. 2/220, 57 f. 263  BT-Drucks. 2/220, 58 f. 264  BT-Drucks. 2/220, 59. 265  BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 27, 100/58, BVerfGE 10, 59. 266  Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer ­Elternschaft, 2014, 209 f.; vgl. bereits, Gernhuber, FamRZ 1962, 89, 95 f. 267 Vgl. Schwab, der bis heute die Ehe zum Anhaltspunkt für die Pflichten der Eltern einander gegenüber heranziehen will: FamRZ 2002, 1297, 1298, kritisch Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, 2014, 249. 262 

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liche Gewalt, die vor der Scheidung beim Vater lag, nach der Scheidung einheitlich und unteilbar einem der geschiedenen Ehegatten zugesprochen.268 Dies bedeutete, dass vor der Anerkennung der gemeinsamen elterlichen Gewalt der Ehegatten, von der das Recht seit Inkrafttreten des Grundgesetzes ausging, 269 die Einheitlichkeit der nachelterlichen Gewalt gesetzlich etabliert und gerichtlich durchgesetzt wurde. Abweichende Entscheidungen waren nur auf der Grundlage von §  1666 BGB a. F. bei einer Gefährdung des Kindes möglich.270 Mit §  81 Abs.  1 des EheG von 1938271 und §  74 Abs.  1 EheG von 1946 wurden mit der gerichtlichen Ermessensentscheidung und der Elternabsprache zudem zwei wichtige Entscheidungsverfahren etabliert. Als wesentliche Entscheidungsgrundlage diente in diesem Zusammenhang weniger die Scheidungsschuld, sondern das Kindeswohl ergänzt um den Aspekt der Gleichberechtigung der Geschlechter bzw. der gesellschaftlichen Veränderungen in Bezug auf die Rollenerwartungen an Männer und Frauen.272 Mit der Befugnis zur Ermessensentscheidung im Einzelfall durch ein Gericht wurde die Zuweisung der elterlichen Gewalt zugunsten des nun gesetzlich verankerten Kindeswohls ­ ­flexibilisiert. Damit war den Gerichten eine neue Möglichkeit der Intervention in die nacheheliche Familienorganisation eingeräumt.273 Der Elternvorschlag als Entscheidungskriterium war bereits zuvor diskutiert worden, wurde jedoch erst mit dem EheG von 1946 zum entscheidenden normativen Kriterium etabliert.274 Sowohl die gerichtliche Entscheidung als auch die Einigung der Parteien als Lösungsmechanismen bei Konflikten mehrerer Eltern wird im Weiteren zu analysieren sein. Insofern bildet die im Folgenden geschilderte Entwicklung ­einen wichtigen Aspekt für die spätere Diskussion der Mehrelternschaft und der Regelung der elterlichen Sorge in diesem Zusammenhang. Mit der Einzelfallentscheidung über die elterliche Sorge durch den Richter ggf. unter Einbeziehung des Elternvorschlags stellte sich die Frage, ob auch die Übertragung der gemeinsamen Sorge mit dem Ziel der Wahrung des Kindeswohls vom Ermessenspielraum des Richters gedeckt sein könne.275 Die h. M. lehnte eine solche Möglichkeit auch bei einem gemeinsamen Antrag der Eltern ab. Das Gesetz, so der BGH, gehe von der Einheitlichkeit der nachehelichen 268 Vgl. Meckling, Die gemeinsame Trennungssorge, 2009, 61; vgl. zur Entwicklung: BGH, Beschl. v. 16.10.1951 – IV ZB 46/51, BGHZ 3, 220, 222 ff. 269  Vgl. oben Teil 2 I 2 a (S.  63), b (S.  66). Seit Inkrafttreten des GG gingen Rechtsprechung, Wissenschaft und Verwaltung von einer gemeinsamen Vertretungsmacht der Eltern für ihr Kind aus: vgl. BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 27, 100/58, BVerfGE 10, 59, 69 ff.; vgl. BGH, Beschl. v. 2.5.1956 – IV ZB 40/56, BGHZ 20, 313. 270  Vgl. BayObLG, Beschl. v. 28.12.1962 – BReg. 1 Z 6/62, NJW 1963, 590. 271  Gesetz v. 6.7.1938 (RGBl. I S.  8 07). 272  Vgl. dazu: Hermanns, FamRZ 1994, 1001, 1005 f.; Wagenitz/Barth, FamRZ 1996, 577, 580 ff.; Meckling, Die gemeinsame Trennungssorge, 2009, 84 ff. 273  Meckling, Die gemeinsame Trennungssorge, 2009, 49 ff. 274  Meckling, Die gemeinsame Trennungssorge, 2009, 52 ff. 275  Meckling, Die gemeinsame Trennungssorge, 2009, 60 ff.

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elterlichen Gewalt aus und lasse die gemeinsame Wahrnehmung oder Aufteilung nicht zu.276 Das OLG Hamburg277 führte 1956 dazu exemplarisch aus, die Eltern könnten nicht im Wege der Einigung die Wirkungen der Scheidung für das Personensorgerecht beseitigen und die Fortgeltung der Grundsätze vereinbaren, die für bestehende Ehen gelten.278 Durch die Scheidung sei die Einheit der Familie rechtlich beendet. Nur eine klare Entscheidung über die Person des alleinverantwortlichen Elternteils diene dem Wohl des Kindes. Die Klärung von Streitfällen zwischen den geschiedenen Eltern durch das Vormundschaftsgericht widerspreche auch Art.  6 Abs.  2 GG, nachdem die Eltern und nicht eine Behörde Entscheidungen für das Kind zu treffen hätten. Der Staat dürfe über die Erziehung der Eltern nur wachen, nicht Entscheidungen für diese treffen.279 Die gemeinsame Gewalt böte die Gefahr, dass ein Elternteil die Maßnahmen des anderen zu durchkreuzen versuchte. Dies wäre mit der „Einheitlichkeit der elterlichen Gewalt“ nicht zu vereinbaren.280 Schwoerer widersprach diesen Argumenten. Die Beziehung der Eltern zu ihrem Kind bleibe auch nach der Scheidung bestehen. Ein Einvernehmen zwischen den Eltern gefährde nicht das Kindeswohl, sondern sei vielmehr von höchstem Wert für das Kind. Nur in den Fällen, in denen das Einvernehmen zwischen den Eltern fehle, sei – auch wenn dies bei Scheidung die Regel sei – eine Übertragung auf ein Elternteil angezeigt.281 Mit dem Gleichberechtigungsgesetz vom 18.7.1957282 bestimmte §  1671 Abs.  4 BGB a. F. 1957, dass nur die Alleinschuld eines Elternteils im Scheidungsverfahren in der Regel gegen die Übertragung der elterlichen Gewalt, heute Sorge, sprechen solle.283 Im Übrigen habe das Gericht eine Entscheidung zu treffen, die dem Wohle des Kindes entsprach. Das Gesetz ging allerdings wiederum davon aus, dass geschiedene und getrennt lebende verheiratete Eltern 284 die ­elterliche Gewalt grundsätzlich nicht gemeinsam ausüben könnten.285 Aller-

276 

BGH, Beschl. v. 16.10.1951 – IV ZB 46/51, BGHZ 3, 220, 221 f. OLG Hamburg, Beschl. v. 23.2.1956 – 2 W 45/56, FamRZ 1956, 241, mit Anm. Schwoerer und Bosch; vgl. mit Nachweisen zu weiterer Rechtsprechung: Meckling, Die gemeinsame Trennungssorge, 2009, 63 Fn.  200. 278  So auch OLG Celle, Beschl. v. 24.9.1959 – 5 Wx 74/59, NJW 1960, 151 f. 279  OLG Hamburg, Beschl. v. 23.2.1956 – 2 W 45/56, FamRZ 1956, 241, mit Anm. Schwoerer und Bosch. 280 Vgl. Dölle, Familienrecht, Bd.   2, 1965, §  97 III 5, S.  289, vgl. auch BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 1 BvL 12/81, BVerfGE 61, 358, 360. 281  Schwoerer, FamRZ 1956, 242 f. 282  BGBl. 1957 I 609; vgl. dazu Schwoerer, FamRZ 1958, 433. 283  Vgl. dazu kritisch Schwoerer, FamRZ 1958, 433, 438 f. 284  Vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 6.2.1958 – 15 W 6/58, FamRZ 1958, 145. 285  Diese Regelung sprach nach Ansicht Schwoerers dafür, auch keine gemeinsame Gewalt nach der Scheidung zuzulassen, weil eine solche auch während der Ehe nicht bestehe. Vgl. Schwoerer, FamRZ 1958, 433, 435; ders., FamRZ 1960, 122. 277 

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dings konnte die Personensorge auf ein Elternteil und die Vermögenssorge auf den anderen Elternteil übertragen werden.286 Mit Urteil vom 29.7.1959 erklärte das Bundesverfassungsgericht 287 den väterlichen Letztentscheid jedoch für verfassungswidrig. Damit, so jedenfalls Schwoerer, war der Weg auch für eine gemeinsame Gewalt geschiedener Eltern frei, eine Meinung, der sich auch einige Gerichte in den 1970er Jahren anschlossen.288 Andere dagegen hielten an der Auffassung fest, dass eine gemeinsame elterliche Gewalt für geschiedene Eltern auch weiterhin nicht vorgesehen sei.289 Die damalige Diskussion zeigt die Vorbehalte gegen die gemeinsame Entscheidungsbefugnis von zwei Eltern, der die Überlegung zugrunde lag, dass Entscheidungen im Konfliktfall letztlich von einer, nicht zwei Personen getroffen werden müssen, wenn nicht ein Gericht unter Gefährdung des Familienfriedens entscheiden soll. Insofern zeigt die Entwicklung der elterlichen Sorge, damals noch Gewalt, ein Problem der Abstimmung zwischen mehreren Elternteilen, dem heute in der Diskussion um die Mehrelternschaft in veränderter Form, aber mit ähnlichen Schwierigkeiten und Argumenten neu begegnet wird.290 cc.  Elterliche Gewalt über das nichteheliche Kind im Nichtehelichengesetz von 1970 Durch das Nichtehelichengesetz von 1970 wurde, wie oben gezeigt, ein echtes Eltern-Kind-Verhältnis zwischen Vater und Kind etabliert, wo das Recht zuvor nur die finanzielle Verantwortung für die Zeugung des Kindes anerkannt hatte. Damit stellte sich nun aber das Problem, nicht nur das Verhältnis des Vaters zum Kind, sondern auch das Verhältnis der Eltern untereinander zu regeln.291 Das Problem wurde zunächst durch einen Ausschluss des Vaters von der elterlichen Gewalt gelöst. Die Mutter wurde mit dem Nichtehelichengesetz automatisch Inhaberin der „elterlichen Gewalt“ (§  1705 BGB a. F. 1970), allerdings mit einem beigeordneten Amtspfleger. Gem. §  1706 BGB a. F. 1970 erhielt das Kind einen Pfleger für 286 

Vgl. OLG Celle, Beschl. v. 24.9.1959 – 5 Wx 74/59, NJW 1960, 151. BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 27, 100/58, BVerfGE 10, 59. 288  Vgl. LG Mannheim, Beschl. v. 11.12.1970 – 4b T 15/70, FamRZ 1971, 185 unter Berufung auf: Schwoerer, FamRZ 1956, 242 f.; ders., FamRZ 1960, 122 f. 289  Vgl. LG Tübingen, Beschl. v. 15.1.1960 – 3 Gr 16/59, FamRZ 1960, 121; OLG Celle, Beschl. v. 24.9.1959 – 5 Wx 74/59X, NJW 1960, 151; BayObLG, Beschl. v. 28.12.1962 – BReg. 1 Z 6/62, NJW 1963, 590; OLG Frankfurt, Beschl. v. 31.1.1962 – 6 W 558/61, NJW 1962, 920; OLG Neustadt, Beschl. v. 24.4.1963 – 3 W 2/63, FamRZ 1964, 91, 92; KG Berlin, Beschl. v. 4.1.1979 – 15 UF 4685/78, FamRZ 1979, 539; vgl. auch Dieckmann, AcP 178 (1978), 304; ders., NJW 1980, 668; Knöpfel, NJW 1983, 905, 906; verfassungsrechtliche Bedenken äußerte Evans-von Krbek, FamRZ 1975, 20, 21; vgl. m. w. N. Meckling, Die gemeinsame Trennungssorge, 2009, 63, Fn.  200. 290  Vgl. Teil 2 II 5 g (S. 164), 6 b (S. 179); Teil 5 II 3 b (S.  368). 291  Sehr schön zu diesem Problem: Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, 2014, 209. 287 

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

die Feststellung der Vaterschaft sowie die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen und Erb- und Pflichtteilsrechten. Im Entwurf von 1967 waren diese Aufgaben dem im Entwurf noch so bezeichneten „Beistand“ sogar in eigener Verantwortung übertragen. Die Feststellung der Vaterschaft und das Einfordern des Unterhalts sei der meist rechtlich unerfahrenen Mutter häufig unangenehm und es bestehe die Gefahr, dass sie die Rechte des Kindes nicht mit dem nötigen Nachdruck vertrete, sei es aus Stolz oder um sich die Möglichkeit einer späteren Eheschließung mit dem Vater offen zu halten.292 Das Vormundschaftsgericht konnte gem. §  1707 BGB a. F. 1970 unter Beachtung des Kindeswohls auf Antrag der Mutter die Amtspflegschaft aufheben, einschränken oder nicht eintreten lassen. dd.  Gesetz zur Neuregelung der elterlichen Sorge 1980 Der nächste Schritt im Hinblick auf die Entwicklung der elterlichen „Gewalt“ trat mit dem 1980 in Kraft getretenen Gesetz zur Neuregelung der elterlichen Sorge ein. Neben dem sprachlichen Wandel der elterlichen „Gewalt“ zur „Sorge“ wurden weitere Schritte zur gemeinsamen elterlichen Sorge für geschiedene und unverheiratete Paare gemacht. (1)  Sorge statt Gewalt Der Begriff der „elterlichen Sorge“ wurde mit dem Gesetz zur Neuregelung der elterlichen Sorge vom 18.7.1979, in Kraft seit dem 1.1.1980,293 an Stelle des Begriffs der „elterlichen Gewalt“ gesetzt. Ziel des Gesetzes war es, das Kind nicht mehr allein zum Objekt elterlicher Fürsorge zu machen.294 Elterliche Gewalt,­ so der Gesetzesentwurf, bedeute kein unbeschränktes Herrschaftsrecht der ­Eltern, dem das Kind als Objekt unterworfen und das den Eltern um ihrer selbst willen verliehen worden sei.295 Das Kind sei vielmehr selbst Träger von Grundrechten und habe einen Anspruch auf Achtung und Schutz seiner Menschenwürde (Art.  1 GG). Ihm stehe auch das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art.  2 Abs.  1 GG) zu.296 Teil der Umbenennung der elterlichen Gewalt zur „Sorge“ war, dass nun eine Differenzierung zwischen der tatsächlichen Sorge z. B. der Mutter im Unterschied zur elterlichen Gewalt und Vertretung erschwert wurde. Es fand eine immer stärkere Annäherung zwischen Sorgerecht und tatsächlicher Fürsorge 292 

BT-Drucks. 5/2370, 66 f. Gesetz zur Neuregelung der elterlichen Sorge vom 18.7.1979, BGBl. I, 1061; vgl. dazu: Meckling, Die gemeinsame Trennungssorge, 2009, 35 ff. 294  BT-Drucks. 7/2060, 13; vgl. auch BT-Drucks. 8/2788, 36. 295  Vgl. zu dem sich darin ausdrückenden zeitgebundenen Familienverständnis: Wagenitz/ Barth, FamRZ 1996, 577, 583 f. 296  BT-Drucks. 7/2060, 14. 293 

I.  Entwicklung von Abstammung und Elternschaft im einfachen deutschen Recht

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statt, die nur in Ausnahmefällen auseinanderfiel, z. B. wenn ein Elternteil, der nur ein Umgangsrecht besaß, während der Zeit des Umgangs für das Kind tatsächliche Handlungen der Fürsorge übernahm, z. B. dem Kind zu essen gab. (2)  Gemeinsame Sorge der Eltern? Das Gesetz zur Neuregelung der elterlichen Sorge zeigt darüber hinaus die weitere Entwicklung der gemeinsamen Sorge geschiedener und nicht verheirateter Elternteile. In beiden Fällen brachte erst die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nach dem Inkrafttreten des Gesetzes die entscheidende Wende. (a)  Geschiedene Eltern Auch gemäß §  1671 Abs.  1 BGB a. F. 1980 war die Sorge nach der Scheidung e­ inem Elternteil zuzuweisen. Nach Abs.  2 war diese Entscheidung vom Fami­ liengericht nach dem Wohl des Kindes zu treffen. Damit war die Entscheidung wiederum dem Gericht überlassen. Die gerichtliche Entscheidungsmacht w ­ urde allerdings durch den Elternvorschlag ergänzt. Von einem gemeinsamen Vorschlag der Eltern sollte das Gericht nur abweichen, soweit dies zum Wohle des Kindes erforderlich war. Bereits vor 1980 konnte das Familiengericht die Vermögenssorge auf einen Elternteil und die Personensorge auf den anderen ­Elternteil übertragen.297 Nach der in Rechtsprechung298 und Literatur überwiegenden Meinung war eine andere Aufteilung der elterlichen Gewalt zwischen den Eltern, auch wenn sie von diesen gemeinsam vorgeschlagen wurde, grundsätzlich unzulässig.299 Gem. §  1671 Abs.  4 BGB a. F. 1980 konnte nun die Vermögenssorge zwischen beiden Eltern aufgeteilt werden. Eine gemeinsame Sorge geschiedener Eltern sah aber auch das Gesetz von 1980 nicht vor. In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre war zunehmend Kritik an der alleinigen Übertragung der elterlichen Sorge auf ein Elternteil laut geworden. In der Folge sprachen auch einige Gerichte geschiedenen Eltern die gemeinsame Sorge zu.300 In der Anhörung zum Gesetzgebungsverfahren zur Regelung der elter­ 297 

Vgl. oben Teil 2 I 2 c bb (S. 72). Vgl. nur OLG Hamburg, Beschl. v. 23.3.1956 – 2 W 45/56, FamRZ 1956, 241, mit Anm. Schwoerer und Bosch; LG Tübingen, Beschl. v. 15.1.1960 – 3 Gr 16/59, FamRZ 1960, 121 mit Anm. Schwoerer. 299  LG Tübingen, Beschl. v. 15.1.1960 – 3 Gr 16/59, FamRZ 1960, 121; OLG Celle, Beschl. v. 24.9.1959 – 5 Wx 74/59, NJW 1960, 151; BayObLG, Beschl. v. 28.12.1962 – BReg. 1 Z 6/62, NJW 1963, 590; OLG Frankfurt, Beschl. v. 31.1.1962 – 6 W 558/61, NJW 1962, 920; KG Berlin, Beschl. v. 4.1.1979 – 15 UF 4685/78, FamRZ 1979, 539; vgl. auch Dieckmann, AcP 178 (1978), 304; vgl. m. w. N. BT-Drucks. 7/2060, 32. 300  LG Mannheim, Beschl. v. 11.12.1970 – 4b T 15/70, FamRZ 1971, 185 unter Berufung auf den Schutz der gem. Art.  6 Abs.  1 GG geschützten Familie, die allein aufgrund der Scheidung nicht aufhöre zu bestehen. §  1671 schließe die Übertragung der gemeinsamen Sorge auf beide Eltern nicht aus. Aufgabe des Rechts sei es, Lösungen zu finden und soweit möglich den Familienfrieden zu erhalten, unter Berufung auf: Schwoerer, FamRZ 1956, 242 f.; ders., FamRZ 298 

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

lichen Sorge wurde dementsprechend die gemeinsame Sorge diskutiert. Einige Sachverständige sprachen sich für eine Beibehaltung der gemeinsamen elter­ lichen Sorge in dem Fall aus, dass beide Eltern erziehungsgeeignet seien, eine starke Bindung zum Kind hätten und die Verantwortung für das Kind weiter gemeinsam tragen wollten.301 Andererseits wurde aber vorgebracht, früher oder später orientierten sich die geschiedenen Eltern neu und es werde eine Entscheidung über das alleinige Sorgerecht erforderlich. Die gemeinsame Sorge schiebe die Frage des Sorgerechts also nur hinaus. Eine schnelle Entscheidung sichere die spätere Kontinuität der Erziehung.302 Der Rechtsausschuss lehnte die gemeinsame Sorge schließlich ab. Die Entscheidung des Familiengerichts hindere die Eltern in der Praxis nicht, die Sorge faktisch gemeinsam auszuüben. Die klare Zuweisung der elterlichen Verantwortung sei im Falle eines Streits aber im Interesse des Kindes.303 Damit blieb es in Bezug auf die gemeinsame Sorge geschiedener Ehegatten im Ergebnis beim Alten. In der Kritik an der Verweigerung der gemeinsamen Sorge waren verfassungsrechtliche Bedenken laut geworden.304 In der Entscheidung vom 3.11.1982 erklärte das Bundesverfassungsgericht, dass die gemeinsame Verantwortung der Eltern für ihre Kinder auch nach einer Trennung und Scheidung andauere. Die Eltern müssten daher ihr Möglichstes tun, die Kinder nicht mit ihren Konflikten zu belasten.305 Interventionen in das Elternrecht gem. Art.  6 Abs.  2 GG müssten aus dem Wächteramt des Staates heraus gerechtfertigt sein. Seien E ­ ltern willens und in der Lage, auch nach der Scheidung die Sorge für ihr Kind gemeinsam zu übernehmen, sei es eine Verletzung des Elternrechts, wenn der Staat einen erziehungsgeeigneten Elternteil von der Elternverantwortung ausnehme und auf ein Umgangsrecht beschränke.306 Damals verbreitete Vorbehalte gegen die gemeinsame Sorge werden allerdings deutlich, wenn das Gericht ausführt, Fälle, in denen die gemeinsame Sorge geschiedener Paare möglich sei, 1960, 122 f.; zustimmend: Lüderitz/Lenzen, FamRZ 1971, 625, die allerdings wie andere Stimmen der Mindermeinung in Literatur und Rechtsprechung betonen, dass die Eltern die gemeinsame Sorge wollen und ein für die Kindesentwicklung schädlicher Wechsel zwischen den Elternteilen verhindert werden müsse. Letzterer Punkt ist insbesondere mit Blick auf heute verbreitete Wechselmodelle interessant; LG Wiesbaden, Beschl. v. 8.9.1976 – 4 T 173/76, FamRZ 1977, 60 mit Verweis auf Rechtsprechung und Lit. S.  61; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.1.1978 – 1 UF 305/77, FamRZ 1978, 266 zu einem Fall in dem die geschiedenen Eltern zur Erziehung der Kinder weiterhin in häuslicher Gemeinschaft zusammen lebten; KG, Beschl. v. 31.1.1979 – 18 UF 4287/77, FamRZ 1979, 340; vgl. zur Entwicklung BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 12/81, BVerfGE 61, 358, 360 f. 301 BT-Drucks. 8/2788, 63; zustimmend zu dieser Lösung: Diederichsen, FamRZ 1978, 461, 473 f. 302  BT-Drucks. 8/2788, 63. 303  BT-Drucks. 8/2788, 63. 304  Verfassungsrechtliche Bedenken äußerte Evans-von Krbek, FamRZ 1975, 20, 21; vgl. m. w. N. ablehnend: Dieckmann, NJW 1980, 668. 305  BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 1 BvL 12/81, BVerfGE 61, 358, 373. 306  BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 1 BvL 12/81, BVerfGE 61, 358, 374.

I.  Entwicklung von Abstammung und Elternschaft im einfachen deutschen Recht

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seien selten und eine gemeinsame Sorge für nichteheliche Eltern sei verfassungsrechtlich nicht erforderlich.307 (b)  Nichtverheiratete Eltern Auch im Hinblick auf eine gemeinsame elterliche Sorge nichtehelicher Eltern brachte das Gesetz von 1980 keine wesentlichen Veränderungen. Eine gemeinsame Sorge nichtehelicher Eltern war weiterhin auch nicht über den Weg einer Adoption oder Ehelichkeitserklärung möglich.308 Das Sorgerecht stand entweder der Mutter oder dem Vater zu. Der Vater konnte die Sorge allerdings nur durch Ehelicherklärung oder Adoption erreichen und hatte auch sonst eine schwache Position inne. Über den Umgang des nichtehelichen Vaters mit dem Kind entschied der Inhaber der Personensorge, meist die Mutter, §  1711 Abs.  1 S.  1 BGB a. F. 1980. Ein eigenes Umgangsrecht hatte der nichteheliche Vater gegen den Willen der Mutter nur, wenn das Familiengericht dies zum Wohle des Kindes als erforderlich ansah, §  1711 Abs.  2 S.  1 BGB a. F. 1980.309 Eine Änderung kam wiederum durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Bereits mit der Entscheidung vom 7.5.1991310 rückte das Bundesverfassungsgericht von der Auffassung ab, der Ausschluss der gemeinsamen Sorge für unverheiratete Paare sei verfassungsrechtlich unproblematisch. In dem zu beurteilenden Fall hatte der Vater eines nichtehelichen Kindes die Ehelicherklärung ohne Verlust der Sorge der Mutter, mit der er zusammen lebte, beantragt. Das Bundesverfassungsgericht erklärte §  1738 BGB a. F. 1979 nach dem die Mutter mit der Ehelicherklärung die Sorge verlor, für verfassungswidrig. Die Tatsache, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft zerbrechen könne, rechtfertige die pauschale Zuweisung an ein Elternteil nicht.311 Auch die außerordentlich schwach ausgeprägten Rechte des nichtehelichen Vaters wurden zum Gegenstand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Diese schwache Stellung des Vaters zeigte sich in dem seit dem 1.1.1977 geltenden Adoptionsrecht.312 Das neue Recht sah die vollständige Eingliederung des minderjährigen Kindes in eine neue Familie vor.313 Gem. §  1747 Abs.  2 BGB a. F. 1977 war für die Adoption die Zustimmung der nichtehelichen Mutter, nicht die des Vaters erforderlich. Der nichteheliche Vater konnte die Adoption durch Dritte nur durch einen Antrag auf Ehelicherklärung oder Adoption des Kindes verhindern. Beantragte jedoch die Mutter selbst die Adoption, so hatte der Vater diese Möglichkeit nicht. Offenbar wurde dieser Weg genutzt, 307 

BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 12/81, BVerfGE 61, 358, 375. Lipp, FamRZ 1998, 65, 66 f. 309 Vgl. Lipp, FamRZ 1998, 65, 66. 310  BVerfG, Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168. 311  BVerfG, Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168. 312  Gesetz v. 2.7.1976 (BGBl. I, 1749). 313  Vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.3.1995 – 1 BvR 790/91, 540, 866/92, BVerfGE 92, 158, 160. 308 Vgl.

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

damit ein neuer Ehemann der Mutter auch gegen den Willen des nichtehelichen Vaters das Kind adoptieren und so alle Rechte des nichtehelichen Vaters beseitigen konnte. Das Bundesverfassungsgericht erklärte diese Regelung mit Beschluss vom 7.3.1995 für verfassungswidrig.314 Mit diesen Entscheidungen wurde eine grundlegende Reform des Kindschaftsrechts erforderlich.

3.  Kindschaftsrechtsreform von 1998 Die am 1.1.1998 in Kraft getretene Kindschaftsrechtsreform 315 bestimmt bis heute das deutsche Kindschaftsrecht. Diese umfangreiche Reform wurde durch das Gutachten des 59. Deutschen Juristentages 1992 vorbereitet.316 Zu diesem Zeitpunkt sah sich der Gesetzgeber mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Und auch in der Literatur war wiederholt ein gesellschaftlicher Wandel konstatiert worden, den der Gesetzgeber umsetzen müsse.317 Insbesondere war die Zahl nichtehelicher Geburten stark gestiegen und das Bundesverfassungsgericht hatte die Stellung der nichtehelichen Väter gestärkt.318 In der Literatur wurde daher diskutiert, die traditionelle Unterteilung in eheliche und nichteheliche Kinder zu überdenken.319 Auch die Zahl der Stieffamilien war durch die steigende Zahl von Scheidungen und Wiederverheiratungen stark gewachsen. Weiter stellte sich die Frage nach einer gesetzlichen Regelung der Elternschaft unter Berücksichtigung der zunehmend wichtiger werdenden Reproduktionsmedizin.320 Trotz der Gutachten von Coester-Waltjen und Starck zum 56. Deutschen Juristentag 1986,321 ging der Gesetzgeber letztere Aufgabe allerdings

314 

Vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.3.1995 – 1 BvR 790/91, 540, 866/92, BVerfGE 92, 158. Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16.12.1997, BGBl. I, 2942. 316  Empfiehlt es sich, das Kindschaftsrecht neu zu regeln? Verhandlungen des 59. DJT, 1992 mit Gutachten von Schwenzer und Referaten von Zenz, Willutzki und Diederichsen. 317  Hermanns, FamRZ 1994, 1001; Schwab, FamRZ 1995, 513; Wagenitz/Barth, FamRZ 1996, 577. 318  BVerfG, Beschl. v. 7.3.1995 – 1 BvR 790/91, 540, 866/92, BVerfGE 92, 158. 319  Vgl. zur Diskussion beispielsweise die Beiträge in Coester/Zubke (Hrsg.), Das nicht­ eheliche Kind und seine Eltern, 1991; die Aktualität der Diskussion zeigen auch ein Vielzahl von Dissertationen, die zu diesem Zeitpunkt angefertigt wurden: Bayer, Abkehr vom Nicht­ ehelichenrecht und Vorschläge zu einer Neuorientierung, 1992; Michl, Die personalen Rechtsbeziehungen im nichtehelichen Vater-Kind-Verhältnis, 1992; Blech, Die Rechte des nichtehelichen Vaters im deutschen Kindschaftsrecht, 1993; Lebsanft, Die gemeinsame elterliche Sorge für Kinder in nichtehelichen Lebensgemeinschaften, 1993. 320  Vgl. für eine allgemeinverständliche Geschichte der Fortpflanzungsmedizin: Bernard, Kinder machen, 2014. 321  Die künstliche Befruchtung beim Menschen – Zulässigkeit und zivilrechtliche Folgen, Verhandlungen des 56. DJT, 1986 mit Gutachten von Coester-Waltjen (Gutachten B) und Starck (Gutachten A) sowie Referaten von Krebs, Böckle und Giesen, Verhandlungen zum 56. DJT, 1986, Bd.  I und II. 315 

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nur teilweise an.322 Zentral wurden jedoch die im Embryonenschutzgesetz von 1990 etablierten Wertungen. Schließlich hatte das Bundesverfassungsgericht das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts etabliert.323 Dieses neue Recht war nach Auffassung des Gesetzgebers nicht nur im Rahmen der neuen Methoden der assistierten Fortpflanzung zu beachten, sondern machte eine Reform des Anfechtungs- und Abstammungsrechts erforderlich.324 Der Gesetzgeber nahm all dies zum Anlass für eine tiefgreifende Reform: Er schaffte im Abstammungsrecht die Unterscheidung zwischen ehelicher und nichtehelicher Geburt ab, führte eine neue Definition der Mutterschaft ein, die zur Vermeidung „gespaltener Mutterschaft“ die rechtliche Mutterschaft allein der Geburtsmutter zuwies, stärkte die Stellung der unverheirateten Mutter erheblich, ermöglichte erstmals die gemeinsame elterliche Sorge geschiedener und unverheirateter Eltern,325 erlaubte die „Einbenennung“ von Stiefkindern gem. §  1618 BGB und regelte mit §  1685 BGB ein Umgangsrecht für Großeltern, Geschwister und – hier besonders relevant – für den Ehegatten oder früheren Ehegatten des Elternteils, der mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft verbracht hatte. a.  Gespaltene Mutterschaft Während die Bestimmung des Vaters auch in der Vergangenheit Probleme bereitet hatte, bestand über die Person der Mutter nach dem klassischen Diktum „mater semper certa est“ bis zur Entwicklung von Eizellen- und Embryonenspende Einigkeit. Diese selbstverständliche Sicherheit schwand jedoch mit der Entwicklung der Reproduktionsmedizin.326 Eine Frau konnte nun die Eizelle für die Entwicklung eines Kindes bereitstellen, während eine andere das Kind austragen und gebären konnte. Damit wurden Fälle multipler – oder nach der Sprache des Gesetzesentwurfs „gespaltener Mutterschaft“ möglich. Nicht notwendig, aber häufig mit solchen Eingriffen verbunden waren Leihmutterschaftsvereinbarungen, nach denen die gebärende Frau das Kind für eine dritte Person bzw. ein Paar auf die Welt bringen sollte.327 Der Gesetzgeber begegnete dieser Entwicklung mit Ablehnung. Diese Ablehnung zeigte sich maßgeblich 322 

BT-Drucks. 13/4899, 51–52. Urt. v. 31.1.1989 – 1 BvL 17/87, BVerfGE 79, 256, 268 f.; BVerfG, Beschl. v. 26.4.1994 – 1 BvR 1299/89, 1 BvL 6/90, BVerfGE 90, 263. 324  BT-Drucks. 13/4899, 29 f., 55, 86; vgl. Helms, FuR 1996, 178, 179; Wanitzek, FPR 2002, 390. 325 Vgl. Lipp, FamRZ 1998, 65. 326  Zur künstlichen Befruchtung: Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung, 2016, 15 ff.; zu Familien, in denen Kinder im Wege künstlicher Befruchtung gezeugt wurden: Golombok, Modern Families, 2015, 70 ff.; Hübner, Die Embryoadoption, 2009, 3 ff. 327  Vgl. zur Leihmutterschaft unten Teil 3 II 1 (S. 229). 323  BVerfG,

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im Embryonenschutzgesetz von 1990, das erheblichen/ausschlaggebenden Einfluss auf die Regelung der Mutterschaft im Kindschaftsreformgesetz von 1998 entfaltete. aa.  Embryonenschutzgesetz und gespaltene Mutterschaft 1990 schuf der Gesetzgeber mit dem Embryonenschutzgesetz328 (ESchG) rechtliche Maßstäbe für die Reproduktionsmedizin. Diese betrafen unter anderem die Eizellenspende, die Leihmutterschaft und die Embryonenspende. Bei einer Leihmutterschaft trägt eine Frau ein Kind mit dem Ziel aus, es einer anderen Person nach der Geburt zu übergeben. Heute wird die Leihmutterschaft mit Hilfe einer Eizellenspende durchgeführt, damit die Leihmutter ein genetisch fremdes Kind zur Welt bringt und entsprechend geringere Bindungen an das Kind entwickelt.329 Bei einer Embryonenspende oder -adoption wird ein bereits gezeugter Embryo einer anderen Frau als der Eizellenspenderin eingepflanzt.330 Grundlage des Embryonenschutzgesetzes war die Annahme, eine „gespaltene Mutterschaft“ müsse zum Schutz des Kindeswohls verhindert werden. Bei einer „gespaltenen Mutterschaft“ in diesem Sinne trägt eine Frau ein Kind aus, mit dem sie genetisch deshalb nicht verwandt ist, weil die Eizelle, mit der das Kind gezeugt wurde, nicht von ihr stammt. Eine solche Situation kann bei einer Eizellen- und Embryonenspende sowie bei einer Leihmutterschaft erzeugt werden. Darum war die Verhinderung der Eizellen- und Embryonenspende sowie der Leihmutterschaft wesentliches Ziel des Gesetzes.331 Keine Bedenken hatte der Gesetzgeber allerdings in Bezug auf die Samenspende. Nach dem ESchG ist die Samenspende, aber – zur Vermeidung gespaltener Mutterschaft – nicht die Eizellenspende zulässig. Der Samenspender führt nur zu einem Auseinanderfallen des sozialen und des genetischen Vaters, während die Übertragung von Eizellen und Embryonen zu einer Spaltung zwischen genetischer Mutter und gestationaler Mutter sowie – möglicherweise – noch sozialer Mutter führt. Trotzdem hätte ein Vergleich zwischen Samenspende und Eizellenspende in stärkerem Maße stattfinden können. Das ESchG statuiert für Zuwiderhandlungen eine Strafbarkeit für die Person, die medizinische Handlungen vornimmt, nicht jedoch für die Spenderin oder die Empfängerin (§  1 Abs.  3 Nr.  1 ESchG). Es genüge, so der Gesetzentwurf, wenn die beteiligten Ärzte und Biologen strafrechtlich belangt würden.332 328  Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz) v. 13.12.1990 (BGBl. I, 2746), zuletzt geändert durch Art.  1 des Gesetzes v. 21.11.2011 (BGBl. I, 2228); vgl. dazu ­Hübner, Die Embryoadoption, 2009, 20 ff., 64 ff.; zur Embryoadoption siehe unter Teil 3 VII (S. 268). 329  Vgl. ausführlich unter Teil 3 II 1 a (S. 229). 330  Vgl. ausführlich Teil 3 VII (S.  268). 331  BT-Drucks. 11/5460, 6, 9. 332  BT-Drucks. 11/5460, 9.

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In Bezug auf die Leihmutterschaft führte der Gesetzentwurf vom 25.10.1989 aus, dass die betroffenen Frauen die Konflikte, in die sie sich brächten, nicht absehen könnten. Für das Kind könne es sich nur negativ auswirken, wenn die „Bestelleltern“, wenn sie das Kind letztlich adoptierten, strafrechtlich verfolgt würden. Außerdem hätten sie aus dem verständlichen, wenn auch in dieser Form nicht billigenswerten Wunsch nach einem eigenen Kind gehandelt.333 Nach §  1 Abs.  1 Nr.  1 ESchG wird „bestraft, wer auf eine Frau eine fremde unbefruchtete Eizelle überträgt“, also dem Verbot der Eizellenspende zuwider handelt. Wie bereits eingangs dargelegt, verfolgte der Gesetzgeber damit das Ziel, zum Schutz des Kindeswohls die gespaltene Mutterschaft zu verhindern. Zur Begründung der Kindeswohlgefährdung führte der Gesetzesentwurf aus:334 „Wenn auch die Transplantation von Eierstöcken und eine Übertragung fremder Eizellen heute technisch möglich sind, so liegen andererseits doch keine Erkenntnisse darüber vor, wie junge Menschen – etwa während der Pubertätszeit – seelisch den Umstand zu verarbeiten vermögen, daß genetische wie austragende Mutter gleichsam seine Existenz mitbedingt haben. So wird das Kind entscheidend sowohl durch die von der genetischen Mutter stammenden Erbanlangen als auch durch die enge während der Schwangerschaft bestehende Bindung zwischen ihm und der austragenden Mutter geprägt. Unter diesen Umständen liegt die Annahme nahe, daß dem jungen Menschen, der sein Leben gleichsam drei Elternteilen zu verdanken hat, die eigene Identitätsfindung wesentlich erschwert sein wird.“335

Auch seien Konflikte zwischen den betroffenen Frauen, der austragenden und der die Eizelle spendenden, zu befürchten, wenn eine Frau ein Kind zur Welt brächte, das genetisch der anderen „gehöre“.336 Ein generelles Verbot der Embryonenspende bzw. Embryonenadoption 337 sah der Gesetzesentwurf jedoch nicht vor. Ein solches Verbot sei in den Fällen nicht unbedenklich, in denen die Embryonenspende die einzige Möglichkeit sei, den Embryo vor dem Absterben zu bewahren.338 Damit hielt der Gesetzes­ entwurf die seit 2013 in verschiedenen Fortpflanzungszentren angebotene Embryonenadoption der für andere Frauen erzeugten, aber überzähligen Embryonen 339 für denkbar. Um die Entstehung überzähliger Embryonen zu verhin333 

BT-Drucks. 11/5460, 6, 9. 11/5460, 7: kritisch dazu: Taupitz, in: Günther/Taupitz/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, C II §  1 Abs.  1 Nr.  1, Rn.  5 ff. 335  BT-Drucks. 11/5460, 7. 336  BT-Drucks. 11/5460, 7. 337  Zum Begriff: Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung, 2016, 12 f.; Hübner, Die Embryoadoption, 2009, 32; zur medizinischen Technik: Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung, 2016, 15 ff.; Hübner, Die Embryoadoption, 2009, 4; vgl. zur Embryoadoption als Problem multipler Elternschaft unter Teil 3 VII (S.  304). 338  BT-Drucks. 11/5460, 8. 339  Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung, 2016, 9. 334  BT-Drucks.

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

dern,340 begrenzte das Gesetz jedoch von Anfang an die Zahl der zur Übertragung zu befruchtenden Eizellen (§  1 Abs.  1 Nr.  3 ESchG Entwurf). Das ESchG verfolgte außerdem mit mehreren Vorschriften das Ziel, Leihmutterschaften zu verhindern – besondere Fälle der gespaltenen Mutterschaft. §  1 Abs.  1 Nr.  5 des Gesetzesentwurfs stellte auch bereits die künstliche Befruchtung einer Frau, die bereit ist, ihr Kind nach der Geburt Dritten zu übergeben, also die Mitwirkung an einer Leihmutterschaft (heute §  1 Abs.  1 Nr.  7 ESchG) unter Strafe. Das Verbot der Vermittlung von Leihmutterschaften in §  2 (vgl. heute §§  13c, 13d, iVm. 14b Adoptionsvermittlungsgesetz) sicherte das gesetz­ geberische Diktum gegen die gespaltene Mutterschaft weiter ab. Der Gesetzes­ entwurf stellte seine Ablehnung der Leihmutterschaft klar heraus: „Eine Ersatzmutterschaft, d. h. das Austragen eines Kindes durch eine Frau, die sich vor dem Beginn ihrer Schwangerschaft dazu verpflichtet hat, es nach der Geburt Dritten zu übergeben, ist in jeder Form abzulehnen. […] Es widerspricht dem Kindeswohl, wenn die psychosozialen Beziehungen zwischen der austragenden Frau und dem Kind völlig unberücksichtigt bleiben. Dies kann schon die Entwicklung des Kindes im Mutterleib beeinträchtigen. Auch kann sich die Trennung des Kindes von der Mutter nach der Geburt nachteilig auswirken. Das Auseinanderfallen zwischen austragender und sozialer Mutter kann zudem die Identitätsfindung des Kindes erheblich erschweren. Schließlich ist eine Ersatzmutterschaft mit großer Unsicherheit und möglichen psychischen Konflikten für alle Beteiligten sowie gesundheitlichen Risiken für die Ersatzmutter belastet. Es ist nicht zu verantworten, ein Kind in dem Wissen um all diese Risiken künstlich zu erzeugen.“341

Dies gelte, so der Gesetzentwurf, für altruistische und kommerzielle Leihmutterschaften gleichermaßen.342 Eine Ausnahme komme auch nicht in Betracht, wenn die genetische Mutter aus gesundheitlichen Gründen ihren Embryo nicht mehr austragen könne oder aus anderen Gründen die Leihmutterschaft der einzige Weg für ein Paar zu einem Kind sei.343 bb.  Abstammungsrechtliche Verhinderung gespaltener Mutterschaft (1)  Reproduktionsmedizin und Mutterschaft Mit dem ESchG waren aber die abstammungsrechtlichen Folgen „gespaltener Mutterschaft“ für den Gesetzgeber noch nicht geklärt.344 Trotz des Verbotes könnte, so die Überlegungen der Gesetzesbegründung, eine Eizellenspende oder Leihmutterschaft in Deutschland rechtswidrig durchgeführt werden.345 Außerdem konnten – wie es heute nicht selten geschieht – die als problematisch 340 

BT-Drucks. 11/5460, 9. BT-Drucks. 11/5460, 15. 342  BT-Drucks. 11/5460, 15 f. 343  BT-Drucks. 11/5460, 15 f. 344  BT-Drucks. 13/4899, 82. 345  BT-Drucks. 13/4899, 82. 341 

I.  Entwicklung von Abstammung und Elternschaft im einfachen deutschen Recht

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angesehenen Eizellenspenden im Ausland durchgeführt werden, sodass sich die Frage nach der abstammungsmäßigen Zuordnung nach der Geburt des Kindes in Deutschland stellen konnte.346 §  1589 Abs.  1 S.  1 BGB sprach dafür, die genetische Mutter als rechtliche Mutter anzusehen. Zwar bestimmt §  1589 Abs.  1 S.  3 BGB den Grad der Verwandtschaft mit Blick auf die Anzahl der Geburten und bringt damit Geburt und Verwandtschaft in direkten Zusammenhang. Dies zeigte jedoch wiederum das Verständnis des historischen Gesetzgebers, für den genetische und austragende Mutterschaft noch notwendig zusammen fielen.347 Im BGB von 1900 hatte, wie oben gezeigt, das Gesetz immer wieder die Empfängnis der Frau und die Geburt zusammen genannt.348 Es ist heute schwer zu sagen, wie ausgeprägt die medizinischen Kenntnisse der Redaktoren des BGB im Hinblick auf die Vereinigung von Ei- und Samenzelle als Voraussetzung der Fortpflanzung waren. Die Erkenntnisse Mendels wurden zwar bereits 1865 veröffentlicht, wurden jedoch zunächst ignoriert.349 Jedenfalls die Grundlagen der genetischen Vererbung waren damals noch nicht bekannt, diese blieben bis ins 20. Jahrhundert unklar.350 Soweit die Redaktoren des BGB aber nicht von der Theorie des Homunkulus ausgingen, des Miniaturmenschen im Samen des Mannes, der im Uterus der Frau nur noch heranwachsen musste,351 so kann man annehmen, dass sie mit der Empfängnis und der Geburt als Voraussetzungen der Mutterund Vaterschaft auch von einem eigenen Beitrag der Frau ausgingen. Dieser ­Beitrag ließ sich mit der im 20. Jahrhundert entwickelten Forschung mit der Eizelle der Mutter als genetisch präzisieren. Dies sprach dafür, bei einem Auseinanderfallen von Eizellenspenderin und Geburtsmutter als Mutter iSd §  1589 Abs.  1 S.  1 BGB die Eizellenspenderin, die genetische Mutter, anzusehen. Ohne eine Definition der Mutterschaft stellte sich daher die Frage, ob die Geburtsmutter als Mutter kraft Vermutung gelten und eine Anfechtung der Mutterschaft in analoger Anwendung der Vorschriften zur Anfechtung der Vaterschaft möglich sein könne.352 Dies hätte jedoch bedeutet, die genetische Mutter und nicht die Geburtsmutter als rechtliche Mutter des Kindes anzusehen oder eine gespaltene Mutterschaft zuzulassen. 346 

BT-Drucks. 13/4899, 82. Gaul, FamRZ 1997, 1441, 1464. 348  Teil 2 I 1 c (S. 39), d (S.41). 349  Zur Entwicklung der Erforschung der menschlichen Vererbung: Mukherjee, The Gene, 2016, 15 ff.; vgl. zu den genetischen Grundlagen der Vererbung: Jobling u. a., Human Evolu­ tionary Genetics, 2014, 31 ff. 350  Vgl. zur Entwicklung der Erforschung der menschlichen Vererbung: Mukherjee, The Gene, 2016. 351 Vgl. Mukherjee, The Gene, 2016, 25 f. 352 Insoweit Coester-Waltjen, FamRZ 1992, 369, 371, die allerdings eine gesetzgeberische Lösung befürwortet, um das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung zu ­sichern. 347 

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

Deshalb hielt der Gesetzgeber es im Rahmen der großen Kindschaftsrechtsreform 1998 für erforderlich, eine abstammungsrechtliche Definition der Mutterschaft einzuführen. Bis heute bestimmt §  1591 BGB als Mutter die Frau, die das Kind geboren hat. Die Frau, die durch eine Ei- oder Embryonenspende die genetische Mutter des Kindes ist, ist damit von Rechts wegen nicht die Mutter des Kindes. Sie kann die rechtliche Elternstellung allein über eine Adoption herstellen.353 Der 59. DJT hatte sich für eine „Mutterschaftsvermutung“ der Geburtsmutter ausgesprochen, während die Zuweisung der rechtlichen Mutterschaft an die Geburtsmutter nur bei Vorliegen auch der genetischen Abstammung befürwortet wurde.354 Ein Anfechtungsrecht der genetischen Mutter, wie heute in Griechenland,355 lehnte der deutsche Gesetzgeber jedoch entgegen des Beschlusses des Deutschen Juristentages356 zur Vermeidung von Leihmutterschaften ab. Ohne die Regelung könne der Eindruck entstehen, das bürgerliche Recht mache eine öffentlich-rechtlich verbotene Maßnahme der künstlichen Befruchtung praktikabel.357 Der Grundsatz, dass nur die gebärende Frau Mutter des Kindes sei, gelte aber nur für das Familienrecht, nicht z. B. hinsichtlich der Eheverbote in §  4 EheG und §  173 StGB (Beischlaf unter Verwandten).358 Damit hatte der Gesetzgeber für die genetische Mutter eine Regelung geschaffen, die mit der Stellung des nichtehelichen Vaters im BGB von 1900 durchaus vergleichbar ist, nur dass sie keinen Unterhalt zu zahlen hat.359 Die biologisch-genetische Abstammung führt nicht zu einer rechtlichen Verwandtschaftsverbindung. Lediglich zur Vermeidung sexueller Kontakte zwischen genetischer Mutter und Kind wird die genetische Verbundenheit für bedeutsam gehalten. Interessante Parallelen zwischen nichtehelichem Vater und genetischer Mutter ergibt auch ein Vergleich der Möglichkeiten der rechtlichen Feststellung der genetischen Verbindung. Der Ausschluss rechtlicher Verwandtschaft, so der Gesetzgeber, schließe freilich nicht aus, dass das Kind zur Klärung der eigenen Abstammung über eine Feststellungsklage die genetische Abstammung zur Eioder Embryonenspenderin ermitteln könne. Es bestehe ein Rechtsverhältnis im Sinne des §  256 ZPO zwischen der genetischen Mutter und dem Kind.360 Welche Voraussetzungen diese Klage haben sollte, macht der Entwurf freilich nicht deutlich. Nicht nur stand diese Bemerkung im Widerspruch der Ablehnung ­eines Verfahrens zur Feststellung des genetischen, nichtrechtlichen Vaters; eine solche Feststellungsklage wäre auch rechtlich problematisch gewesen, wenn 353 

Dethloff, JZ 2014, 922, 930. Beschlüsse des 59. DJT 1992, FamRZ 1992, 1275. 355  Vgl. für den Fall der Leihmutterschaft: Helms, StAZ 2013, 114, 117. 356  Beschlüsse des 59. DJT 1992, FamRZ 1992, 1275. 357  BT-Drucks. 13/4899, 82 f. 358  BT-Drucks. 13/4899, 83. 359  Vgl. oben Teil 2 I 1 d aa (S. 41). 360  BT-Drucks. 13/4899, 83. 354 

I.  Entwicklung von Abstammung und Elternschaft im einfachen deutschen Recht

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man – wie Gaul – die genetische Abstammung als Tatsache und nicht als Rechtsverhältnis versteht. Denn ein Rechtsverhältnis besteht ja gerade zwischen der genetischen Mutter und dem Kind nicht, wenn §  1591 BGB die Mutterschaft ausschließlich der Geburtsmutter zuweist.361 Das Prinzip der „Zwei-Elternschaft“ mit einem Elternteil jeden Geschlechts wurde damit durch §  1591 BGB entgegen der medizinischen Möglichkeiten mit dem politischen Ziel der Verhinderung von Leihmutterschaften 362 zu Lasten der genetischen Mutter durchgesetzt. Gerechtfertigt wird die exklusive Mutterschaft mit der Nähebeziehung zwischen der Geburtsmutter und dem Kind. Eine Zuordnung der Mutterschaft unabhängig von genetischer Abstammung im Bereich „Abstammung“, der die Verwandtschaft regelt, stellt freilich einen Bruch mit dem in §  1589 BGB verankerten Prinzip der genetischen Abstammung dar, das nunmehr allein mit Blick auf den Vater eingehalten wurde.363 Ramm spricht insofern von einem „widersprüchlichen“ Abstammungsbegriff.364 Seit dem 1.4.2008 erlaubt §  1598a BGB365 allerdings die statusunabhängige Klärung der Abstammung auch der genetischen Mutterschaft.366 In der Tat liegt es allerdings nahe, wie damals von der überwiegenden Ansicht gefordert,367 die Mutterschaft zumindest zunächst der Geburtsmutter zuzuweisen. Von ihrer genetischen Verbindung kann man bis heute in den allermeisten Fällen ausgehen. Sie ist dem Kind zum Zeitpunkt der Geburt körperlich am nächsten und ist deshalb prädestiniert, die rechtliche Verantwortung für das Kind zu übernehmen. Dies liegt auch im Interesse einer schnellen Statuszuweisung und damit der Vermeidung der „Mutterlosigkeit“ des Kindes, während eines „Mutterfeststellungsverfahrens“.368 Diese Zuordnung des Kindes zu seiner Geburtsmutter entspricht bis heute auch der Rechtslage in Österreich (seit dem 1.2.2013 §  143 ABGB, vorher §  137b ABGB)369 und in der Schweiz (Art.  252 Abs.  1 ZGB). Allerdings ist der vollständige Ausschluss der genetischen Mutter damit nicht ausreichend begründet.

361 

Gaul, FamRZ 2000, 1461, 1474 f.; ders., FamRZ 1997, 1441, 1464. Insoweit zustimmend: Gaul, FamRZ 1997, 1441, 1465. 363  Gaul, FamRZ 2000, 1461. 364  Ramm, JZ 1996, 987, 989. 365  BGBl. I 2008, 441. 366 MüKo-BGB/‌ Wellenhofer, 6.  Aufl. 2012, §  1598a, Rn.  22; Schwab, FamRZ 2008, 23, 24. 367  So damals auch: Coester-Waltjen, FamRZ 1992, 369, 371.; dies., Gutachten B zum 56 DJT, 1986, B 112; Kaufmann, FS Oehler, 1985, 662; Kollhosser, JA 1985, 555; Medicus, Zivilrecht und werdendes Leben, 1985; Knöpfel, FamRZ 1983, 317, 322; Giesen, FS Hegnauer, 1986, 71; eine doppelte Mutterschaft zog in Erwägung: Deutsch, in: Ethische und rechtliche Probleme der Anwendung zellbiologischer und gentechnischer Methoden am Menschen, 1984, 70 f.; Bilsdorfer, MDR 1984, 803, 806; Steiner, JBl 1984, 175, 182. 368  Vgl. dazu Gaul, FamRZ 1997, 1441, 1463 f. 369  BGBl. I Nr.  15/2013, 3. 362 

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

(2)  Ablehnung „gespaltener Mutterschaft“ Die Regierungsbegründung rechtfertigte, wie schon die Lösung im ESchG, auch den Entwurf des §  1591 BGB mit der Erwägung, dass im Interesse des Kindes eine „gespaltene Mutterschaft“ verhindert werden müsse.370 Der Entwurf „stelle klar“, dass die „Mutter eines Kindes im Rechtssinne nur die Frau sei, die das Kind geboren“ habe.371 Die Regelung verhindere Leihmutterschaften über das Verbot der Eizellen- und Embryonenspende sowie der Vermittlung von Leihmutterschaften hinaus für Fälle, in denen eine Eizellenspende im Ausland oder verbotenerweise im Inland durchgeführt worden sei.372 Der Entwurf unterscheidet sprachlich zwischen der „genetischen Mutter“, der Eizellenspenderin, und der „biologischen Mutter“, die das Kind geboren hat.373 Im Interesse des Kindes, so der Gesetzgeber, könne nur eine Frau Mutter sein.374 Entscheidend für die Auswahl der „biologischen Mutter“ gegenüber der „genetischen Mutter“ sei, dass allein die Frau, die das Kind geboren habe, während der Schwangerschaft bzw. direkt nach der Geburt eine enge psycho-soziale Beziehung mit dem Kind habe aufbauen können.375 Ramm bezeichnete diese Begründung als „nicht allzu überzeugend.“376 Es lässt sich nicht leugnen, dass zwischen der austragenden Frau und dem Kind eine besondere Verbindung besteht. So teilen Mutter und Kind einen Blutkreislauf, die Mutter ernährt das Kind und beeinflusst es mit ihren Vorlieben und Stimmungen.377 Bis heute ist die Bedeutung der Bindung zwischen dem Kind im Mutterleib und der das Kind austragenden Frau wissenschaftlich aber noch lange nicht abschließend geklärt.378 Die Begründung des Gesetzgebers zitiert denn auch keine wissenschaftlichen Untersuchungen, sondern statuiert die Bedeutung der Geburtsmutter als sei dies eine Selbstverständlichkeit. Auch eine echte Auseinander­ setzung mit dem tatsächlichen Problem der doppelten Mutterschaft lässt der Entwurf vermissen. So geht der Gesetzesentwurf pauschal davon aus, dass im „Interesse des Kindes“ eine doppelte Mutterschaft verboten werden müsse. Warum es dem Interesse des Kindes dienen soll, dass eine Person, die das Erbgut des Kindes zur Verfügung gestellt hat und die damit blutsmäßig mit ihm verbunden ist, dauerhaft aus seinem Leben ausgeschlossen wird, hätte eine stärkere Begründung verdient, insbesondere als für die Feststellung der Vaterschaft

370 

BT-Drucks. 11/5460, 17; 13/4899, 51–52, 82; vgl. dazu Wanitzek, FPR 2002, 390. BT-Drucks. 13/4899, 52. 372  BT-Drucks. 13/4899, 82. 373  BT-Drucks. 13/4899, 82. 374  BT-Drucks. 13/4899, 82. 375  BT-Drucks. 13/4899, 82. 376  Ramm, JZ 1996, 987, 989, Fn.  21. 377  Vgl. dazu Teil 4 I 2 (S. 291). 378  Vgl. dazu Teil 4 I 2 (S.  291). 371 

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die genetische Abstammung einschließlich der Möglichkeit der Statuskorrektur über das Anfechtungsrecht von großer Bedeutung blieb. Die Verbindung zwischen der Eizellenspenderin und dem Kind wird durch die sprachliche Unterscheidung zwischen „biologischer“ und „genetischer“ Mutter im Gesetzesentwurf zusätzlich abgeschwächt. Auch die Eizellenspen­ derin hat schließlich eine biologische Verbindung zu dem Kind, die mit der Unterteilung zwischen genetischer und biologischer Mutter negiert wird. In seiner Stellungnahme zur Embryonenspende und -adoption vom März 2016 bezeichnet der Deutsche Ethikrat als „genetische Eltern“ diejenigen von denen die Keimzellen stammen. Biologische Eltern sind danach wiederum die Personen, von denen die Keimzellen stammen, und die das Kind austragende Frau.379 Mit der Bezeichnung nur der austragenden Mutter als „biologischer Mutter“ sollte möglicherweise im Gesetzesentwurf der Kindschaftsrechtsreform sprachlich der Eindruck erzeugt werden, nur die biologische, die austragende Mutter sei die „natürliche Mutter“ des Kindes und müsse als solche vorrangig behandelt werden. Der umfangreiche Verweis auf die Vermeidung von Leihmutterschaften zeigt, dass die Vermeidung von Leihmutterschaften und gespaltener Mutterschaft offenbar das zentrale Ziel der Regelung war. Dies ist insofern interessant, als im Kindschaftsrechtsreformgesetz mit der Samenspende, aber auch mit der Ausgestaltung des Rechts der Vaterschaft im Übrigen eine gespaltene Vaterschaft durchaus in Kauf genommen wurde. Bernard vermutet als Grund für die ablehnende Haltung gegenüber Eizellen­ spenderinnen und Leihmüttern die Idee der bürgerlichen Familie.380 Während die Familiengemeinschaft im oikos, im ganzen Haus, gemeinsam den Lebens­ unterhalt der Mitglieder in der Landwirtschaft bzw. einem handwerk­lichen Betrieb verdient hatte, wurde mit der industriellen Revolution die Erwerbstätigkeit zunehmend außerhalb der „bürgerlichen Familie“ verlagert. Die Familie beschränkte sich auf die bürgerliche Kleinfamilie mit der Mutter im Zentrum. Mit der idealisierenden Stellung der Mutter in dieser Familie verband sich – so Bernard – auch die Ablehnung von „Hilfsmüttern“ von außerhalb der Familie wie z. B. der Ammen. War es noch im 18.Jahrhundert nicht unüblich, Kinder in den ersten Lebensmonaten oder -jahren Ammen und Kindermädchen anzuvertrauen, so stellte die bürgerliche Familie die Mutter im Kreise ihrer Kinder ins Zentrum. In diese Linie reiht Bernard auch die Ablehnung von Eizellenspen­ derinnen und Leihmüttern im Gegensatz zum Samenspender ein.381 Auf diese Gedanken wird im Zusammenhang mit der Diskussion der multiplen Elternschaft zurückzukommen sein. 379  Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung, 2016, 14. 380  Bernard, Kinder machen, 2014, Diskussion ab 301 ff. 381  Bernard, Kinder machen, 2014, 309.

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

b. Vaterschaft Die 1998 in Kraft getretene Kindschaftsreform enthielt auch eine Neuausrichtung der Vaterschaft. Das Gesetz gab die Unterscheidung zwischen ehelicher Geburt und nichtehelicher Geburt im Abstammungsrecht auf. Die Vaterschaft wurde nun in ihrer bis heute geltenden Form einheitlich in §  1592 BGB geregelt. aa.  Vaterschaft des Ehemannes §  1592 Nr.  1 BGB nimmt mit der Regel, dass der Vater eines Kindes der Mann ist, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist, die traditionelle Regel „Pater est quem nuptiae demonstrant“382 des römischen Rechts auf. Die (vermutete) Beiwohnung wurde als Voraussetzung ehelicher Geburt aufgegeben. Der Gesetzgeber nahm auch Abstand davon, zur Angleichung der Situation von ehelichen und außerhalb einer Ehe geborenen Kindern die Vaterschaft in beiden Fällen an der Anerkennung auszurichten. Dies würde, so der Gesetzes­ entwurf, aufgrund der deutschen Rechtstradition auf wenig Verständnis stoßen.383 Empfängniszeiten spielen nur noch eine Rolle wenn das Kind nach Auflösung der Ehe durch Tod geboren wird (§  1593 S.  1, 2 BGB). Vater des Kindes ist nicht der Ehemann der Mutter, wenn das Kind nach Anhängigkeit des Scheidungsantrags geboren wird und ein anderer Mann mit Zustimmung des Noch-Ehemannes innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft der Scheidung die Vaterschaft anerkennt (§  1599 Abs.  2 BGB). Damit wollte der Gesetzgeber überflüssige Anfechtungsverfahren vermeiden.384 Gaul kritisierte diese Regelung scharf, weil sie die Abstammung des Kindes in das Belieben der zwei beteiligten Männer und der Mutter stelle.385 Das gerichtliche Anfechtungsprinzip werde durch den freien Dispositivakt durchbrochen. Dies sei schon deshalb anachronistisch, weil sogar das geltende Adoptionsrecht von einem Vertrags- zu einem Dekretsystem übergegangen sei.386 bb.  Vaterschaft kraft Anerkennung und Feststellung Ist die Mutter nicht verheiratet, kann ein Mann mit Zustimmung der Mutter die Vaterschaft anerkennen (§  1592 Nr.  2 BGB, §§  1594–1598 BGB).387 Im Interesse der Statusklarheit wird insofern an eine eindeutige Tatsache, die Anerkennungserklärung, angeknüpft.388 Im Gegensatz zum BGB von 1900 spielt auch 382 Vgl.

Gaul, FamRZ 1997, 1441, 1446. BT-Drucks. 13/4899, 52. 384  BT-Drucks. 13/4899, 53. 385  Gaul, FamRZ 1997, 1441, 1448.; ders., FamRZ 2000, 1461, 1463 ff. 386  Gaul, FamRZ 2000, 1461, 1464 ff. 387  Dethloff, Familienrecht, 2015, §   10, Rn.  15–27; Palandt/Brudermüller, 76.  Aufl. 2017, §  1592, Rn.  4. 388 BeckOK-BGB/‌ Hahn, §  1592, Rn.  1. 383 

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die Beiwohnung an dieser Stelle keine Rolle. Die tatsächliche genetische Abstammung ist zunächst unerheblich. Der anerkennende Mann muss genauso wenig wie der Ehemann seine Vaterschaft nachweisen. Die Zuweisung der Vaterschaft allein aufgrund des Rechtsscheins der Anerkennung war, wie oben gezeigt, bereits mit dem Nichtehelichengesetz von 1970 etabliert worden, während zur Etablierung der Vaterschaft des Ehemannes ohne jede weitere Voraussetzung auf römisches Recht zurückgegriffen wurde. Ist die Mutter weder verheiratet noch wird das Kind anerkannt, kann die Vaterschaft gerichtlich festgestellt werden (§§  1592 Nr.  3, 1600d BGB).389 Außerhalb dieser Kriterien ist eine Zuordnung des Kindes zu einem Vater nicht möglich.390 Die verlässliche Feststellung der Vaterschaft konnte sich seit den 1990er Jahren bereits auf den Nachweis kleiner DNA-Variationen und Übereinstimmungen auf dem Genom von Vater und Kind stützen. Seit 1999 empfiehlt die Bundesärztekammer eine Analyse von zwölf Merkmalsystemen auf mindestens zehn Chromosomen, die die Vaterschaftsfeststellung mit 99,9%iger Wahrscheinlichkeit gewährleisten können.391 Von einer Zuordnung der Vaterschaft allein aufgrund des Bestehens einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sah der Gesetzgeber ab.392 Hier fehle es an einem klaren Anknüpfungspunkt. Allein die häusliche Gemeinschaft reiche für eine Zuordnung der Vaterschaft nicht aus, da allein von einem Zusammenleben nicht notwendig auf eine Geschlechtsgemeinschaft geschlossen werden könne.393 Andernfalls würde der mit seiner unverheirateten Tochter zusammenlebende Vater als Vater ihrer Kinder gelten, so die Gesetzesbegründung.394 Der rechtliche Vater, die Mutter und das Kind erhielten das Recht, die Vaterschaft des rechtlichen Vaters anzufechten (§§  1599 Abs.  1, 1600 Abs.  1 Nr.  1 BGB). Die Ausweitung des Anfechtungsrechts auf das Kind war durch mehrere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts angeregt worden,395 die das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung verfassungsrechtlich verankert hatten.396 Ein Anfechtungsrecht des biologischen, nichtrechtlichen Vaters war

389  Dethloff, Familienrecht, 2015, §   10, Rn.  57–65; Palandt/Brudermüller, 76.  Aufl. 2017, §  1592, Rn.  5. 390 BeckOK-BGB/‌ Hahn, §  1592, Rn.  1. 391  Fangerau, RdJB 2016, 256, 267. Fälle, in denen die Feststellung der genetischen Abstammung Schwierigkeiten bereitet, sind daher selten. Eine solcher Fall bildete die Feststellung der Vaterschaft von homozygoten Zwillingen, die beide in der Empfängniszeit mit der Mutter Geschlechtsverkehr hatten: BVerfG, Beschl. d. 2. Kammer d. Ersten Senats v. 18.8.2010 – 1 BvR 811/09, BVerfGK 17, 492. 392  BT-Drucks. 13/4899, 83. 393  BT-Drucks. 13/4899, 52. 394  BT-Drucks. 13/4899, 83. 395  BT-Drucks. 13/4899, 29 f., 86; vgl. Wanitzek, FPR 2002, 390. 396  BVerfG, Urt. v. 31.1.1989 – 1 BvL 17/87, BVerfGE 79, 256, 268 f.; BVerfG, Beschl. v. 26.4.1994 – 1 BvR 1299/89, 1 BvL 6/90, BVerfGE 90, 263; vgl. dazu unter Teil 5 I 3 (S.  344).

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zunächst im Gesetz nicht vorgesehen. Die soziale Familie wurde vor dem Eindringen des biologischen Vaters geschützt. c.  Gemeinsame Sorge Das Kindschaftsreformgesetz ermöglichte auch die gemeinsame Sorge geschiedener und nichtverheirateter Eltern. Der Zwang zur Übertragung des Sorgerechts auf einen der geschiedenen Elternteile (§  1671 Abs.  4 S.  1 BGB a. F.) und das Fehlen einer Möglichkeit zusammen wohnender, unverheirateter Eltern, die gemeinsame Sorge zu übernehmen, waren vom Bundesverfassungsgericht mit seinen Entscheidungen vom 3.11.1982397 und vom 7.5.1991398 für verfassungswidrig erklärt worden. Im Hinblick auf die gemeinsame Sorge unverheirateter Eltern führte der Gesetzesentwurf auf der Grundlage mehrerer Forschungsberichte aus, Mütter wünschten sich einerseits die gemeinsame Sorge mit den Vätern, mit denen sie zusammen lebten, während sie andererseits die Sorge im Übrigen nicht zu teilen bereit seien. Der Gesetzesentwurf erklärte, dass alleinerziehende Mütter nach wie vor häufig Hilfe von Gerichten und Behörden bei der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen bräuchten und eine gemeinsame Sorge nur mit ihrem Wunsch, nicht von Gesetzes wegen etabliert sehen wollten.399 Entsprechend ermöglichte §  1626a BGB a. F. 1998 die gemeinsame Sorge unverheirateter Eltern ab Eheschließung sowie aufgrund einer gemeinsamen Sorgeerklärung mit Zustimmung der Mutter. Das Kindschaftsreformgesetz stärkte damit die Rechte der Mutter.400 Ihre Zustimmung wurde zur Vaterschaftsanerkennung erforderlich, sie erhielt ein Anfechtungsrecht der Vaterschaft und die gemeinsame Sorge war nur mit ihrer Zustimmung zu erreichen. Die Vaterschaftsanerkennung betreffe die Rechte der Mutter, deshalb müsse sie, entsprechend dem Vorschlag des Deutschen Juristinnenbundes auch aus eigenem Recht zustimmen.401 Das Zustimmungserfordernis des Kindes wurde nur für den Fall erhalten, dass der Mutter die elterliche Sorge insoweit nicht zusteht; hier trete die Mutter ohnehin als Vertreterin des Kindes auf. Die Zustimmung der Mutter könne man nur nach der Klärung der Vaterschaft gerichtlich ersetzen. Dies könne aber ebenso gut in einem Verfahren nach §  1592 Nr.  3 BGB erfolgen.402 Auch ein eigenes Recht der Mutter auf Anfechtung der Vaterschaft wurde auf Vorschlag des DJT, des Deutschen Juristinnenbundes und der Anträge der 397 BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25/80, 1 BvL 38/80, 1 BvL 40/80, 1 BvL 12/81, ­BVerfGE 61, 358. 398  BVerfG, Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168. 399  BT-Drucks. 13/4899, 50. 400  BT-Drucks. 13/4899, 54 f. 401  BT-Drucks. 13/4899, 54. 402  BT-Drucks. 13/4899, 54.

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SPD-Fraktion im Bundestag eingeführt.403 Allerdings sollte das Anfechtungsrecht der Mutter eines minderjährigen Kindes an eine Kindeswohlprüfung gebunden sein (§  1600 Abs.  2 Nr.  1 BGB-E), beim volljährigen Kind sollte es der Zustimmung des Kindes bedürfen (§  1600 Abs.  2 Nr.  2 BGB-E). Eine solche Kindeswohlprüfung wurde für erforderlich gehalten, weil die Mutter im Gegensatz zum Kind und zum Scheinvater durch die Anfechtung keine Änderung ihrer Rechtstellung erleidet.404 In der Gesetzesfassung wurde der Absatz 2 aller­dings gestrichen, sodass die Anfechtung der Mutter ohne weitere Voraussetzungen möglich wurde. d. Stieffamilien Bis zur Kindschaftsrechtsreform war die Rolle der Stiefeltern ungeregelt geblieben. Anfang des 20. Jahrhunderts waren Scheidungen selten, sodass die häufigsten Fälle der Bildung einer Zweitfamilie mit einem Stiefelternteil nach dem Tod eines Elternteils erfolgten. Die Witwe verlor bei Wiederverheiratung die elter­ liche Gewalt für ihre Kinder (§  1697 BGB a. F. 1900). Spezielle Rechte des Stiefelternteils gab es nicht. Möglich war allerdings eine Adoption des Stiefkindes. Mit wachsenden Scheidungs- und Wiederverheiratungszahlen änderte sich die Struktur der Stieffamilie. Zunehmend wurde nun nicht ein verstorbener leiblicher Elternteil durch einen neuen sozialen Elternteil ersetzt. Vielmehr wurde nach einer Scheidung ein neuer Partner in die Familie aufgenommen, der im Laufe der Zeit in eine soziale Elternrolle hineinwächst, während zum leib­ lichen Elternteil eine Umgangsbeziehung fortbesteht. Die Stieffamilie wurde damit zu einem häufigen Fall multipler Elternschaft.405 Das Kindschaftsrechtsreformgesetz reagierte auf diese neue Situation. Es stärkte die Rechte von Stieffamilien mit der Möglichkeit der „Einbenennung“ gem. §  1618 BGB, die Möglichkeit dem Stiefkind mit Zustimmung des anderen Elternteils den Ehenamen des mit dem Stiefelternteil verheirateten Elternteils zu geben. Überdies räumte der neue §  1685 Abs.  2 BGB nun den Ehegatten und ehemaligen Ehegatten von Eltern, die mit dem Kind zusammengelebt hatten, also Stiefeltern, ein Umgangsrecht ein. e. Umgangsrecht Weitere erhebliche Änderungen erfolgten im Umgangsrecht. In §  1684 BGB wurde der Umgang mit dem eigenen Kind als Recht jedes Elternteils eingeführt. Ob die Eltern verheiratet, geschieden oder unverheiratet waren spielte nun keine Rolle mehr. Die positive Kindeswohldienlichkeit war ebenfalls nicht Voraus403 

BT-Drucks. 13/4899, 54. BT-Drucks. 13/4899, 54. 405  Vgl. zu den statistischen Zahlen in Teil 3 IV (S. 257). 404 

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setzung. Vielmehr waren Einschränkung oder Ausschluss des Umgangs mit dem eigenen Kind nur noch möglich, wenn dies zum Schutz des Kindeswohls erforderlich ist.406 §  1685 BGB führte einen Anspruch von Großeltern, Geschwistern und Stiefeltern auf Umgang mit dem Kind bei Kindeswohldienlichkeit ein.407 Begründet wurde dies im Gesetzesentwurf mit der Ausweitung des Umgangsrechts des nichtehelichen Vaters. Nichteheliche Kinder verbrächten tatsächlich mehr Zeit mit anderen Personen als ihrem Vater und diese Bindungen seien durch die Gewährung von Umgangsrechten aufrecht zu erhalten. Um diese Rechte aber nicht zu sehr auszuweiten, seien sie an die gleiche Voraussetzung zu binden wie früher das Umgangsrecht des nichtehelichen Vaters, nämlich daran, dass der Umgang dem Kindeswohl diene.408

4.  Weitere Änderungen Das Kindschaftsrecht kam auch nach der großen Reform von 1998 nicht zur Ruhe.409 Änderungen erfolgten unter der Rot-Grünen Bundesregierung mit dem Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften vom 16.2.2001,410 das Lebens- und Ehepartnern das kleine Sorgerecht brachte. Zu nennen ist auch das Kinderrechteverbesserungsgesetz vom 9.4.2002.411 Ziel des Gesetzes war die Stärkung von Kinderrechten, z. B. durch die Einführung des Rechts auf gewaltfreie Erziehung in §  1631 Abs.  2 BGB. Das Gesetz reagierte aber auch auf die Zeugung von Kindern im Wege künstlicher Befruchtung. a.  Kleines Sorgerecht Mit dem Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften vom 16.2.2001412 wurde die Lebens­ partnerschaft eingeführt. Bei dieser Gelegenheit wurden Ehe- und Lebenspartnern gleichermaßen das „kleine Sorgerecht“ gem. §  9 Abs.  1, 2 LPartG und §  1687b BGB eingeräumt. Die tatsächlich von Stiefeltern in den Familien übernommene Betreuung und Verantwortung solle auf diese Weise rechtlich anerkannt und abgesichert werden.413 Die Möglichkeit der Bevollmächtigung ge­

406 

BT-Drucks. 13/4899, 105. BT-Drucks. 13/4899, 106 f. 408  BT-Drucks. 13/4899, 107. 409  Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 7. 410  BGBl. I 2001, 266. 411  BGBl. I 2002, 1239 f. 412  BGBl. I 2001, 266. 413  BT-Drucks. 14/3751, 39. 407 

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nüge angesichts der tatsächlichen Bedürfnisse der Stieffamilien nicht.414 Das Bundesverfassungsgericht beanstandete dieses neue Recht nicht.415 Mit dem kleinen Sorgerecht wurde rechtlich eine Drei-Eltern-Konstellation geregelt. Das kleine Sorgerecht führt dazu, dass es zwei rechtliche Eltern gibt, die meist auch die leiblichen Eltern sind und von denen einer die Alleinsorge innehat. Neben diesen Inhaber der Alleinsorge tritt der Stiefelternteil mit seinem kleinen Sorgerecht. Damit hat das Kind drei Eltern, allerdings nur jeweils zwei rechtliche Eltern und zwei Eltern mit Sorgerechten. b.  Ausschluss des Anfechtungsrechts nach Zustimmung zur Samenspende Mit dem Kinderrechteverbesserungsgesetz416 vom 9.4.2002 wurde in §  1600 BGB ein Abs.  2, heute Abs.  5 eingefügt, der das Recht zur Anfechtung der Vater­ schaft des rechtlichen Vaters und der Mutter in dem Fall ausschloss, dass das Kind nach einer Samenspende eines Dritten mit der Einwilligung des Mannes und der Mutter gezeugt worden war. Sinn der Samenspende ist die Erzeugung gerade eines Kindes, das mit dem rechtlichen Vater nicht genetisch verwandt ist. Der heutige §  1600 Abs.  5 BGB verhindert daher, dass die rechtlichen Eltern ihre Haltung zu ihrer Elternschaft ändern. Die Stellung des durch Samenspende gezeugten Kindes sollte der eines angenommenen Kindes angenähert werden, von dessen Elternschaft sich die annehmenden Eltern auch nicht mehr lösen können. „Wenn sich Eheleute und nicht miteinander verheiratete Paare bewusst für die Zeugung eines Kindes durch künstliche Fremdsamenübertragung entscheiden, kann im Hinblick auf die Verantwortung der beteiligten Eltern für das auf diese Weise gezeugte Kind eine Aufkündigung der hierdurch rechtlich begründeten Vaterschaft durch nachträgliche Anfechtung nicht zugelassen werden.“417 Gegen diese Regelung spreche nicht, dass viele rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der künstlichen Insemination noch nicht abschließend geklärt seien. Entscheidend sei, dass die gezeugten Kinder Schutz verdienten.418 Damit wurde zum ersten Mal die unumkehrbare abstammungsrechtliche Zuordnung eines Kindes zu einem Mann bewirkt, der sicher nicht der genetische Vater des Kindes sein konnte. Die künstliche Befruchtung419 wurde durch die Entwicklung der medizinischen Technik ermöglicht. Mit dem Ausschluss der Anfechtung durch den der Befruchtung zustimmenden Ehemann führte die Fortpflan414 

BT-Drucks. 14/2096, 7. BVerfG, Urt. v. 17.7.2002 – 1 BvF 1, 2/01, BVerfGE, 105, 313, 353 ff. 416  BGBl. I 2002, 1239 f. 417  BT-Drucks. 14/2096, 7. 418  BT-Drucks. 14/2096, 8; vgl. zur aktuellen Diskussion der Behandlung von Samenspenden: Löhnig, ZRP 2015, 76. 419  Zur Entwicklung dieser Technik vergleiche Bernard, Kinder machen, 2014, 167 ff.; zur aktuell verwendeten Technik: Wischmann, Einführung in die Reproduktionsmedizin, 2012, 74 ff. 415 

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zungstechnik aber – in gewisser Weise paradox – zu einer Entfernung des Rechts der Elternschaft von der genetischen Verbindung. c.  Nichteheliche Väter, Scheinväter und das Bundesverfassungsgericht Einen erheblichen Einfluss auf die fortgesetzte Veränderung des Rechts hatten darüber hinaus Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des EGMR. Besondere Bedeutung kam diesen Entscheidungen in Bezug auf die Stellung nichtehelicher und leiblicher Väter zu. Auch wenn es Kuckuckskinder und nichteheliche Kinder immer schon gegeben hatte, forderten deren Väter nun verstärkt eigene Rechte in Bezug auf die Kinder ein. Während das Anfechtungsrecht des rechtlichen Vaters bei Samenspenden ausgeschlossen und mit den Stief­ eltern die Rolle sozialer Eltern anerkannt wurde, nahm das Recht insofern wiederum verstärkt die genetische Abstammung in den Fokus. aa.  Anfechtungsrecht des genetischen Vaters Mit seiner Entscheidung vom 9.4.2003420 erklärte das Bundesverfassungsgericht das Fehlen jeglichen Anfechtungsrechts für den leiblichen Vater für verfassungswidrig. Die Folge war die Einführung von §  1600 Abs.  1 Nr.  2 BGB, nachdem der Mann, der an Eides statt versichert, der Frau während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben, ein Anfechtungsrecht besitzt. Der Gesetzgeber begrenzte das Anfechtungsrecht allerdings auf Fälle, in denen zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind keine sozial-familiäre Beziehung besteht (§  1600 Abs.  1 Nr.  2, Abs.  2, 4 BGB).421 Insofern schützt das Recht nach wie vor die soziale Familie und den Mann, der mit Zustimmung der Mutter soziale und rechtliche Verantwortung für das Kind übernommen hat.422 Allerdings erkannte das Bundesverfassungsgericht an, dass der leibliche Vater ein schützenswertes grundrechtliches Interesse daran habe, die volle rechtliche Elternschaft zu erreichen. bb.  Statusunabhängige Klärung der Abstammung Nach der Entscheidung des BVerfG vom 13.2.2007 zu geheimen Vaterschaftstests423 führte der Gesetzgeber §  1598a BGB ein.424 Diese Vorschrift erlaubt es 420 

BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82. Dethloff, Familienrecht, 2015, §  10, Rn.  28–56. 422 Siehe zur Diskussion der Stellung des biologischen Vaters: Helms, FamRZ 2010, 1; ­Heiderhoff, FamRZ 2010, 1901; Hähnchen, JZ 2015, 708; vgl. auch Plettenberg, Vater, Vater, Mutter, Kind, 2016, 47 ff. sowie die Beiträge in: Röthel/Heiderhoff (Hrsg.), Regelungsaufgabe Vaterstellung?, 2014. 423  BVerfG, Urt. v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05, BVerfGE 117, 202. 424  BGBl. I 2008, 441 „Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren“. 421 Vgl.

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dem rechtlichen Vater, der Mutter und dem Kind die Klärung der Elternschaft ohne Statusfolgen in legaler Weise herbeizuführen.425 Interessant an dieser Entwicklung ist nicht nur die Bedeutung, die das Bundesverfassungsgericht dem Recht auf Klärung der eigenen Abstammung für Eltern und Kinder gleichermaßen beigemessen hat. Vielmehr erlaubt die statusunabhängige Klärung der eigenen Abstammung den Beteiligten, die rechtliche Eltern-Kind-Beziehung und die genetische Abstammung dauerhaft durch bewusste Entscheidung auseinanderfallen zu lassen. Entscheidet sich beispielsweise der Ehemann der Mutter als rechtlicher Vater, nach der abstammungsrechtlichen Klärung die rechtliche ­Vaterschaft nicht anzufechten, so kann er rechtlicher Vater bleiben, obwohl er sicher nicht der leibliche Vater ist. Diese Entscheidung hat nicht nur für ihn selbst und seine Verbindung zum Kind Konsequenzen. §  1594 Abs.  2 BGB bestimmt, dass nur ein Vater dem Kind abstammungsrechtlich zugeordnet werden kann und ein Kind nicht mehr als zwei Eltern haben kann. Ficht der rechtliche Vater nicht an, bedeutet dies für den genetischen Vater, dass dieser dauerhaft an der Anerkennung der Vaterschaft gehindert ist. Damit besteht eine Spannung zwischen dem sozialen Vater, der dem Kind nunmehr dauerhaft als rechtlicher ­Vater zugeordnet bleibt und dem genetischen Vater, der jedenfalls bis zur Einführung des §  1686a BGB426 keine Rechte hatte. Die Entscheidungen des EGMR427 zur rechtlichen Stellung des leiblichen Vaters mit der anschließenden Einführung des §  1686a BGB, der dem genetischen, nichtrechtlichen Vater unter bestimmten Voraussetzungen Informations- und Umgangsrechte einräumt, wird an anderer Stelle Gegenstand der Untersuchung sein.428 Außerhalb der rechtlichen Familie besteht ein solches statusunabhängiges Recht auf Klärung der eigenen Abstammung aber nicht und der Gesetzgeber ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts auch nicht verfassungsrechtlich verpflichtet, ein solches Recht einzuführen.429 Der Arbeitskreis Abstammungsrecht hat die Einführung eines solchen Rechts allerdings empfohlen.430 cc.  Gemeinsame Sorge nichtehelicher Eltern Die Entscheidungen des EGMR vom 3.12.2009431 und des BVerfG vom 21.7.2010432 zur Sorge des nichtehelichen Vaters gegen den Willen der Mutter 425 

Heiderhoff, FamRZ 2010, 1901. Vgl. unten Teil 3 I 1 (S. 197). 427  EGMR, Urt. v. 21.12.2010 – 20578/07 (Anayo v. Deutschland); EGMR, Urt. v. 15.9.2011 – 17080/07 (Schneider v. Deutschland); EGMR, Urt. v. 22.3.2012 – 23338/09 (Kautzor v. Deutschland); EGMR, Urt. v. 2.12.2014 – 546/10 (Adebowale v. Deutschland); vgl. Löhnig/ Preisner, FamRZ 2012, 489 ff. 428  Sie unten Teil 3 I 1 (S.  197). 429  BVerfG, Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186, Rn.  28. 430  Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, Thesen 75 ff., S.  83 ff. 431  EGMR, Urt. v. 3.12.2009 – 22028/04 (Zaunegger v. Deutschland) = FamRZ 2010, 103. 432  BVerfG, Beschl. v. 21.7.2010 – 1 BvR 420/09, BVerfGE 127, 132. 426 

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und das Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern vom 16.4.2013433 führte noch nicht zu einer absoluten Gleichstellung des nichtehelichen mit dem ehelichen Vater. Während der eheliche Vater die ­gemeinsame Sorge mit der Mutter erhält, ist nach dem neuen §  1626a BGB die gemeinsame Sorge nichtehelicher Eltern gegen den Willen der Mutter noch immer von einem Antrag des Vaters und einer gerichtlichen Entscheidung abhängig. Gleichwohl ist die Reform von großer Bedeutung. Nach den geschiedenen Eltern geht das Recht nun auch bei Eltern, die niemals verheiratet waren und die möglicherweise noch nie in einer Beziehung zusammen gelebt haben, davon aus, dass sie in der Mehrheit der Fälle in der Lage sind, die gemeinsame Sorge wahrzunehmen. Die Auffassung, dass die gemeinsame Sorge beider Elternteile auch ohne familiäre Gemeinschaft möglich ist, ist heute insgesamt, d. h. in Bezug auf nichteheliche und geschiedene Paare, weit verbreitet.434

5.  Das Kind ins Zentrum Dieser Teil der Untersuchung beschäftigt sich mit der Entwicklung der Elternposition. Die Stellung des Kindes ist jedoch mit der der Eltern untrennbar verbunden. Die wesentlichen Gesichtspunkte seien hier daher prägnant zusammengefasst. Auf die Entwicklung der Kinder- und Jugendhilfe und die Position der Kinder in Jugendorganisationen, insbesondere im Dritten Reich und in der DDR,435 sowie die historischen Ansätze zur Entwicklung von Kinderrechten wird allerdings nicht eingegangen.436 Im Verhältnis zu seinen Eltern lässt sich spätestens seit den 1960er Jahren ein Perspektivwechsel auf das Wohl des Kindes437 beobachten. Dies zeigt sich insbesondere im Gesetzesentwurf des Nichtehelichengesetzes von 1967, der das Kindeswohl in den Vordergrund stellte.438 Die Betonung des Kindeswohls findet sich auch in einer Reihe von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, in denen das Elternrecht auf das Kindeswohl und seine Interessen ausgerichtet wurde.439 Überdies lässt sich ein Paradigmenwechsel mit einer zunehmenden Wahrnehmung der Rechte des Kindes als eigene Rechte feststellen, die von denen der Eltern verschieden sind. Erinnert sei auch noch einmal an den sprach­ lichen Wandel von elterlicher Gewalt zu elterlicher Sorge, der mit dem Gesetz 433 

BGBl. I 2013, 795. Vgl. Palandt/Götz, 76.  Aufl. 2017, §  1626a, Rn.  1; zum Leitbild der gemeinsamen Sorge: OLG Celle, Beschl. v. 19.5.2014 – 10 UF 91/14, NZFam 2014, 738. 435  Vgl. zur Entwicklung insbesondere des Kindeswohlbegriffs: Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 27 ff 436 Vgl. Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 73 ff. 437  Vgl. auch Dethloff, FPR 2012, 190; vgl. auch Conen, FuR 1996, 171. 438  BT-Drucks. 5/2370, 20; vgl. dazu: Ramm, JZ 2005, 665, 667 f. 439  Vgl. dazu unten Teil 2 II 4 (S. 127), 5 (S. 144). 434 

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zur Neuregelung der elterlichen Sorge 1980 vollzogen wurde.440 Das ElternKind-Ver­hältnis sollte gerade nicht mehr als ein hierarchisches Über-/Unterordnungsverhältnis verstanden und bezeichnet werden.441 Das Kind wurde und wird als Grundrechtsträger verstanden.442 Ein wichtiger Aspekt dabei ist auf der Ebene des Verfassungsrechts die Etablierung des Rechts des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung443 sowie das Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung.444 Auf beide Aspekte wird später näher eingegangen. An dieser Stelle sei jedoch schon darauf hingewiesen, dass Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Reformen des einfachen Rechts anregten und so die Rechte von Kindern in den Vordergrund stellten. Insbesondere im Familienrecht wurden in den letzten Jahrzehnten Vorschriften eingeführt, die das Eltern-Kind-Verhältnis nicht mehr als eines der Unterordnung begreifen, sondern programmatisch am Ideal gewaltfreier, diskursiver Erziehung ausrichten.445 Im Verhältnis zu seinen Eltern hat das Kind beispielsweise ein Recht auf gewaltfreie Erziehung446 (§  1631 Abs.  2 BGB) sowie darauf, Umgang mit seinen beiden Eltern zu haben (§  1626 Abs.  3 BGB).447 Eltern treffen nach dem Familienrecht Entscheidungen für ihre Kinder, müssen dabei aber Fragen der Erziehung in altersgemäßer Weise mit dem Kind besprechen (§  1626 Abs.  2 BGB).

6. Zwischenergebnis Der Blick auf die Entwicklung des Abstammungs- und Sorgerechts seit 1900 zeigt tiefgreifende gesetzliche Veränderungen, die häufig gesellschaftlichem Wandel nachfolgten. In Bezug auf das hier zu untersuchende Problem multipler Elternschaft lässt sich als wesentlicher Punkt herausgreifen: die Festschreibung des Dogmas der Zwei-Elternschaft sowohl hinsichtlich des Abstammungs‑ als auch des Sorgerechts. Kannte das BGB von 1900 nur jeweils einen Inhaber der ausschließlichen elterlichen Gewalt und ein bis vier rechtliche Eltern, so traten durch die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Angleichung der Situa440  Gesetz zur Neuregelung der elterlichen Sorge vom 18.7.1979, BGBl. I 1061; vgl. BTDrucks. 7/2060, 13; vgl. auch BT-Drucks. 8/2788, 36. 441  BT-Drucks. 7/2060, 14. 442 Vgl. Dethloff, FPR 2012, 190; Heiß, NZFam 2015, 491 f. 443  BVerfG, Urt. v. 31.1.1989 – 1 BvL 17/87, BVerfGE 79, 256; vgl. dazu Enders, NJW 1989, 881; BVerfG, Beschl. v. 26.4.1994 – 1 BvR 1299/89, 1 BvL 6/90, BVerfGE 90, 263; Beschl. v. 6.5.1997 – 1 BvR 409/90, BVerfGE 96, 56; Urt. v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05, BVerfGE 117, 202; BVerfG, Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186. 444  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 73–77, Rn.  40– 46; Vgl. dazu grundlegend: Britz, JZ 2014, 1069. 445 Vgl. zur Frage eines öffentlichen Erziehungsideals als Eingriff in Art.   6 Abs.  2 GG: Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 156 ff. 446  Vgl. dazu Peschel-Gutzeit, FPR 2012, 195. 447  BVerfG, Urt. v. 1.4.2008 – 1 BvR 1620/04, BVerfGE 121, 69.

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tion ehelicher und nichtehelicher Kinder nun zwei rechtliche Eltern hervor, die meist auch beide gemeinsam die elterliche Sorge innehaben. Die rechtliche Beziehung zu den Eltern wurde im BGB von 1900 einerseits von der leiblichen Abstammung bestimmt. Andererseits waren rechtliche Verbindungen zu beiden Eltern nur im gesellschaftlich akzeptablen Rahmen der Ehe denkbar. Das Recht strebte allerdings nicht danach sicherzustellen, dass jedes Kind nicht weniger aber auch nicht mehr als zwei ihm rechtlich zugeordnete Eltern hatte. Das nichteheliche Kind hatte grundsätzlich nur einen recht­ lichen Elternteil, mit dem es rechtlich verwandt war, die Mutter. Insofern bestanden wechselseitig Ansprüche auf Unterhalt und ein gesetzliches Erbrecht. Nicht als verwandt galt das Kind mit seinem unehelichen Vater, besaß diesem gegenüber aber einen speziellen Unterhaltsanspruch. Die Annahme an Kindes statt, die Adoption, löste demgegenüber nicht die rechtlichen Bande zur alten Familie, sodass einem adoptierten Kind Rechte und Pflichten gegenüber mehr als zwei Eltern zukommen konnten. Eine besondere Stellung für Stiefeltern war außerhalb der Adoption nicht vorgesehen. Damit folgte das Recht anders als heute nicht durchgängig dem Prinzip der Zwei-Elternschaft, sondern kannte Konstellationen mit nur einem rechtlichen Elternteil – beim unehelichen Kind – und mit mehr als zwei Elternteilen – beim Adoptivkind. Dies änderte sich freilich mit dem Nichtehelichengesetz von 1970, das die Verwandtschaft zwischen dem Kind und dem nichtehelichen Vater herstellte, und dem Adoptionsgesetz von 1977, mit dem die Volladoption eingeführt und das Adoptivkind rechtlich vollständig von seinen leiblichen Eltern gelöst wurde. Mit beiden Gesetzen wurde die Zahl der rechtlichen Eltern auf zwei erhöht bzw. reduziert. Seit 1970 konnte die Vaterschaft des nichtehelichen Vaters durch Anerkennung oder Feststellung begründet werden. Eine Beiwohnung war für die Anerkennung nicht mehr Voraussetzung. Damit wurde die Zuordnung des Kindes sowohl beim ehelichen als auch beim nichtehelichen Kind von einem Willensakt bzw. einer sozialen Tatsache abhängig gemacht, die zwar in den meisten Fällen, aber nicht zwangsläufig mit der genetischen Abstammung einhergeht. Vielmehr wurde nun zum Schutz des Kindes eine Vaterschaft kraft Rechtsscheins für nichteheliche Kinder ermöglicht. Obwohl die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft 1970 medizinisch deutlich einfacher war als 1900, wurde das Abstammungsrecht zum Wohle des nichtehelichen Kindes entbiologisiert. Mit dem Nichtehelichengesetz von 1970 und dem Gesetz zur Neuordnung der elterlichen Sorge von 1980 rückte das Kindeswohl in das Zentrum des Familienrechts. Während mehr als zwei rechtliche Eltern für das BGB von 1900 vorstellbar waren, war eine gemeinsame Entscheidungsfindung und Vertretung der Eltern für das Kind rechtlich nicht vorgesehen. Immer nur eine Person, grundsätzlich der Vater, übte für das eheliche Kind die „elterliche Gewalt“ aus, während daneben Recht und Pflicht der tatsächlichen Fürsorge der Mutter oblag. Für das

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nichteheliche Kind übte der Vormund die elterliche Sorge aus, nach der Reform von 1970 die Mutter. Erst nach dem zweiten Weltkrieg wurde auch die gemeinsame Sorge der verheirateten Eltern eingeführt, dann auch der geschiedenen und schließlich sogar der unverheirateten Eltern diskutiert. Jeweils gingen entscheidende Impulse von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus. Unabhängig davon, welche Gründe im Einzelnen für die Beschränkung der elterlichen Gewalt, später Sorge, auf einen Elternteil ausschlaggebend waren, vermied diese Beschränkung auf einen alleinigen Entscheidungsträger die Notwendigkeit, Konflikte zwischen den Eltern lösen zu müssen. Mit der Gleichberechtigung der Eltern mussten Strategien für die Lösung von Meinungsverschiedenheiten gefunden werden. Bei verheirateten Eltern konnte allerdings auf die Koordinierung der Ehegatten innerhalb des ehelichen Verbands vertraut werden. Mit der Ausweitung der gemeinsamen Sorge auf geschiedene448 und unverheiratete Eltern449 entfiel auch dieser Rahmen, und eine Koordinierung allein auf der Grundlage der gemeinsamen Elternschaft wurde notwendig. Diese wurde zunächst dadurch erreicht, dass die Eltern der gemeinsamen Sorge zustimmten. Mit der Möglichkeit der Einführung der gemeinsamen Sorge nichtehelicher Eltern auch gegen den Willen der Mutter nach der Entscheidung des BVerfG vom 21.7.2010450 hat diese Entwicklung im neuen §  1626a BGB451 ihren vorläufigen Abschluss erreicht. Dies zeigt sowohl auf der Ebene des Abstammungs- als auch des Sorgerechts eine Entwicklung hin zur Etablierung des Grundsatzes der Elternschaft von gleichberechtigten Eltern, von denen es aber mindestens zwei geben soll und höchstens zwei für jedes Kind geben kann. Mit der Kindschaftsrechtsreform von 1998 wurde die Gleichberechtigung beider Eltern ausgebaut und ihre Autonomie gestärkt. Gleichzeitig wurde das Prinzip der Zwei-Elternschaft gegenüber den Herausforderungen insbesondere der modernen Reproduktionsmedizin behauptet. Mit dem Kindschaftsrechtsreformgesetz wurde die Unterscheidung zwischen ehelicher und nichtehelicher Geburt aufgegeben und die Abstammung einheitlich geregelt. Anknüpfungspunkt der Vaterschaft wurde die Ehe mit der Mutter oder die Anerkennung mit Zustimmung der Mutter. Nur wenn eine ­Vaterschaft so nicht bestimmt wird, wird sie gem. §  1592 Nr.  3 BGB gerichtlich festgestellt. Die Mutterschaft wurde zur Verhinderung von Leihmutterschaften der Geburtsmutter „unverrückbar“ zugeordnet. Zwar ist die genetische Abstammung bei der Anfechtung der Vaterschaft entscheidend, doch ist der leib­-

448 

Vgl. zur Entwicklung: Meckling, Die gemeinsame Trennungssorge, 2009. Vgl. zur Entwicklung: Witteborg, Das gemeinsame Sorgerecht nichtverheirateter ­Eltern, 2003, 36 ff. 450  BVerfG, Beschl. v. 21.7.2010 – 1 BvR 420/09, BVerfGE 127, 132. 451  Gesetz v. 16.4.2013 (BGBl. I, 795) in Kraft ab 19.5.2013. 449 

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liche Vater in seinem Anfechtungsrecht zugunsten des rechtlichen Vaters beschränkt, der mit dem Kind in einer sozial-familiären Beziehung lebt oder gelebt hat. Hinzukommt das Verbot der Anfechtung der Vaterschaft durch den rechtlichen Vater und die Mutter, wenn das Kind durch eine konsentierte ­Samenspende gezeugt wurde. Die Vaterschaft ist damit in erster Linie von Willensentscheidungen wie der Anerkennung oder der Entscheidung eines Ehemannes, seine Vaterschaft nicht überprüfen bzw. anfechten zu wollen, abhängig und erst in zweiter Linie von der leiblichen Abstammung. Während sich die medizinischen Möglichkeiten der künstlichen Fortpflanzung und der Feststellung der genetischen Abstammung seit dem Inkrafttreten des BGB drastisch entwickelt haben, hat sich das Abstammungsrecht seit dem Inkrafttreten des BGB von der Ausrichtung an der möglichst zutreffenden genetischen Ab­ stammung entfernt. An Bedeutung gewonnen haben demgegenüber der Schutz der sozialen Familie einerseits sowie die verbindliche Zuordnung des Kindes nach ethischen Wertungen andererseits. Dies zeigt sich in der Ablehnung der Leihmutterschaft und dem Schutz des Kindeswohls in der sozialen Familie. Eizellenspenderin und Samenspender wurden dagegen bei der Bestimmung der Elternschaft ausgeklammert. Wie Helms in seinem Gutachten zum DJT 2016 „Rechtliche, biologische und soziale Elternschaft – Herausforderungen durch neue Familienformen“ ausführte, ist das Kindschaftsrecht seit der Kindschaftsrechtsreform „nicht zur Ruhe gekommen“. Nicht nur Helms verlangt daher mit starken Argumenten nach der „nächste[n] große[n] Kindschaftsrechtsreform“.452 Die gesellschaft­ lichen Entwicklungen sind mit der Kindschaftsrechtsreform nicht stehen geblieben. Die weiter steigende Zahl von Stieffamilien453 und die Verbreitung neuer Familienformen, insbesondere die gesellschaftliche und seit 2001 auch rechtliche Anerkennung homosexueller Partnerschaften sowie der Einsatz moderner Maßnahmen der Reproduktionsmedizin, sind dabei besonders wichtige Gesichtspunkte. Die Notwendigkeit von Reformen wurde und wird häufig von der Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverfassungsgericht auf die Agenda des Gesetzgebers gebracht. Das Gesetz geht davon aus, dass das Kind zum Zeitpunkt seiner Geburt nur zwei Elternteile haben kann, einen Vater und eine Mutter. Allerdings musste auch der Gesetzgeber inzwischen Fälle anerkennen, in denen mehr als zwei ­Eltern in Bezug auf ein Kind identifiziert werden können, wie z. B. das Kind der Ehefrau und ihres Liebhabers oder des Samenspenders, das aufgrund des §  1592 Nr.  1 BGB das rechtliche Kind des Ehemannes ist. Andere Fälle sind solche der Leihmutterschaft, in denen zwei Mütter dem Kind biologisch verbunden sind. Der Gesetzgeber hat in solchen Fällen das Problem meist so geregelt, dass ein 452  453 

Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 8. Vgl. Teil 3 IV (S.  257).

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

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potentieller Elternteil, wie die genetische Mutter oder der leibliche Vater, ausgeschlossen wird. Das Prinzip der Zwei-Elternschaft wird also gesetzlich durch eine Auswahl potentieller Eltern durchgehalten. Allerdings lassen sich auch Gegenbewegungen sowohl gegen das Konzept der ausschließlichen Zwei-Elternschaft als auch gegen den Vorrang der sozialen Familie feststellen. Eine merkliche Gegenbewegung gegen den hohen recht­ lichen Schutz der sozialen Familie für die Elternschaft ist mit der steigenden rechtlichen Bedeutung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung und mit der Einführung des §  1686a BGB, der auch der Rechte des leiblichen Vaters stärkt, zu verzeichnen. Auf diese Entwicklung wird später ausführlich eingegangen. Als zarter Riss im Dogma der Zwei-Elternschaft lässt sich auch die Einführung des kleinen Sorgerechts in §  9 Abs.  1, 2 LPartG und §  1687b BGB verstehen. Allerdings setzt dieses Recht die alleinige elterliche Sorge des Elternteils voraus, mit dem das Stiefelternteil verheiratet ist.454 Das bedeutet, dass mit dem kleinen Sorgerecht zwar rechtliche Verbindungen zu drei Eltern bestehen – zwei, die gem. §§  1591 f. BGB Eltern sind, und ein Stiefelternteil, dessen besondere Rechte aus §  1687b BGB folgen. Allerdings bleibt damit die Zahl der rechtlichen Eltern sowie der Personen mit Sorgerechten jeweils auf zwei beschränkt. Neben Geschwistern und Großeltern kann auch ein Stiefelternteil nach dem Scheitern der Beziehung zum rechtlichen Elternteil Umgangsrechte gem. §  1685 Abs.  2 BGB geltend machen. Damit lässt sich innerhalb des Rahmens des Konzepts der Zwei-Elternschaft eine gewisse Pluralisierung der Formen von Elternschaft feststellen. Das Prinzip der Zwei-Elternschaft wird jedoch nicht infrage gestellt, sondern Elternschaft auf jeweils zwei begrenzt.

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs Nachdem die Entwicklung der Rechte und Pflichten der Eltern gegenüber ihren Kindern im einfachen Recht des BGB dargestellt wurde, wird nun die verfassungsrechtliche Perspektive zu erörtern sein. Angesprochen ist damit das Verhältnis von Eltern und Kindern zum Staat. Sowohl die Weimarer Reichsverfassung als auch das Grundgesetz haben die Erziehung der Kinder grundsätzlich den Eltern zugewiesen. Das Elterngrundrecht und die Elternschaft nach einfachem Recht stehen in einem engen Zusammenhang, da jenes zu den rechts- und normgeprägten Grundrechten455 gehört, was sich vor allem bei der Ausgestaltung des Schutzbereichs durch den Gesetzgeber auswirkt. Da das Verfassungs454  455 

Zur Kritik: Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 61 ff. Sodan/Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, 2016, §  34, Rn.  2.

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

recht aber den Rahmen der Gestaltung des einfachen Rechts bestimmt, liegt es auf der Hand, dass für die vorliegende Untersuchung das Elternkonzept der Verfassung von entscheidender Bedeutung ist. Als Argument gegen die Mehr­ elternschaft wird vorgebracht, dass das verfassungsrechtliche Elterngrundrecht in Art.  6 Abs.  2 GG keine Mehrelternschaft zulasse.456 Um dieses Argument auf seine Stichhaltigkeit überprüfen zu können, ist eine Auseinandersetzung mit Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Begriffs der Elternschaft erforderlich. Zu untersuchen sind Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen ­Elternbegriffs, bevor zu einem späteren Zeitpunkt der Untersuchung der verfassungsrechtliche Schutz von Eltern und Kindern in Fallkonstellationen mul­ tipler Elternschaft bestimmt werden kann.457

1.  Die Entstehung des Art.  6 GG Das Grundgesetz schützt in Art.  6 GG Ehe,458 Familie und das Recht der Eltern auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Jede rechtliche Konzeption der Elternschaft muss die Prinzipien respektieren, die in Art.  6 GG niedergelegt sind. Für das vorliegende Thema ist das in Art.  6 Abs.  2 und 3 GG geregelte Elternrecht von besonderer Bedeutung. Der verfassungsrechtliche Schutz von Ehe, Familie und Elterngrundrecht hat anders als der von Meinungs- und Religionsfreiheit keine lange Tradition. Die Verfassungszusätze (amendments) der Verfassung der USA, die bestimmte Rechte schützen,459 und die Paulskirchenverfassung enthalten beispielsweise keinen Schutz von Ehe, Familie oder Elternschaft. a.  Die Rechtsinstitutsgarantie der Elternverantwortung in der Weimarer Reichsverfassung In der deutschen Verfassungsgeschichte beginnt der Schutz von Ehe, Familie und Elternschaft mit der Weimarer Reichsverfassung von 1919.460 Art.  119 WRV betraf Ehe und Familie sowie die Mutterschaft, Art.  120 WRV Pflichten und Rechte der Eltern und Art.  121 WRV die Rechte nichtehelicher Kinder.

456 

Vgl. nur das Referat von BVR Prof. Dr. Britz beim DJT 2016. Vgl. unten Teil 4 (S. 283) und 5 (S. 341). 458 Vgl. Sanders, in: Emmenegger/Wiedmann (Hrsg.), Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Bd.  2, 2011, 351, 353 f. 459  Ein Recht auf Eheschließungsfreiheit wurde allerdings vom US-Supreme Court aus dem 14. Verfassungszusatz der US-Verfassung entnommen: vgl. Loving v. Virginia 388 U.S. 1 (1967); Obergefell v. Hodges 576 U.S. (2015). 460  Vgl. dazu Ossenbühl, Erziehungsrecht, 1981, 18 ff. 457 

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

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Zweiter Hauptteil Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen ZWEITER ABSCHNITT Das Gemeinschaftsleben Artikel 119 WRV (1) Die Ehe steht als Grundlage des Familienlebens und der Erhaltung und Vermehrung der Nation unter dem besonderen Schutz der Verfassung. Sie beruht auf der Gleichberechtigung der beiden Geschlechter. (2) Die Reinerhaltung, Gesundung und soziale Förderung der Familie ist Aufgabe des Staats und der Gemeinden. Kinderreiche Familien haben Anspruch auf ausgleichende Fürsorge. (3) Die Mutterschaft hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge des Staats. Artikel 120 WRV Die Erziehung des Nachwuchses zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit ist oberste Pflicht und natürliches Recht der Eltern, über deren Betätigung die staatliche Gemeinschaft wacht.

Art.  120 WRV regelte das Erziehungsrecht der Eltern und etablierte ein staat­ liches Wächteramt wie in Art.  6 Abs.  2 GG. Die WRV stellte im Gegensatz zum Grundgesetz die „oberste Pflicht“ sprachlich vor das „natürliche Recht“. Interessant ist daran, dass hier im Gegensatz zur späteren Fassung des Grundgesetzes die „Pflicht“ vor das „Recht“ gestellt wurde. Artikel 121 WRV Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche, seelische und gesellschaftliche Entwicklung zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Art.  121 WRV gelangte, ebenso wie Art.  119 Abs.  3 WRV, auf Betreiben der linken Parteien in die Verfassung, die mit ihrem Antrag zur vollständigen Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder in der Verfassung keinen Erfolg hatten, weil konservative Kräfte befürchteten, dies könne die Ehe „herabdrücken“.461 Da eine individuelle Durchsetzung von Grundrechten, beispielsweise im Wege einer Verfassungsbeschwerde, in der Weimarer Reichsverfassung nicht vorgesehen war, stellte sich die Frage nach der Wirkung der Aufnahme von Rechtsinstituten wie Ehe, Familie und Elternschaft in die Verfassung.462 ­Angelehnt an Carl Schmitt, der dem Gedanken verfassungsrechtlichen Einrichtungsgarantien463 in der Weimarer Reichsverfassung zum Durchbruch ver461 Vgl. ausführlich und kritisch zur Entstehung: Klumker, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd.  II 1930, 107 ff., insb. 109. 462 Vgl. Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien der Verfassung, 1979, 14 ff.; vgl. umfassend zur Entwicklung: Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, 12 ff. 463  Erste Ansätze einschließlich des Begriffs „Institutsgarantie“ tauchen allerdings bereits bei Martin Wolff, FS Kahl, 1923, IV, 3, 5 auf; Carl Schmitt unterschied zwischen institutionellen Garantien für Gewährleistungen öffentlich-rechtlicher Inhalte und Institutsgarantien für zivilrechtliche Gewährleistungen, vgl. Freiheitsrechte und institutionelle Garantie der Reichsverfassung, 1931, in: Verfassungsrechtliche Aufsätze 1973, 140, 148 ff., 160 ff.; dazu Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien der Verfassung, 1979, 17.

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half,464 wurden Elternverantwortung und Ehe als Rechtsinstitutsgarantien verstanden, die die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der entsprechend verfassungsrechtlich verankerten Institute in Bezug auf einen Kernbereich beschränken sollte. Nach diesem Verständnis entfalteten die „Grundrechte der Deutschen“ keine individuellen Rechte, begründeten aber eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur konservativen Bewahrung eines Kernbereichs einfachrechtlicher Normen eines bestimmten Instituts des Privatrechts, wie z. B. des Eigentums, dessen Ausgestaltung im Übrigen ihm aber überlassen blieb. So formulierte Richard Thoma 1929: „Die wiederholt erwähnten Institutsgarantien sind rechtswirksame, an die Legislative gerichtete Verbote, in der Ausgestaltung des Instituts diejenigen äußersten Grenzen zu überschreiten, jenseits derer das Institut als solches vernichtet oder denaturiert wäre.“465

Friedrich Klein, der 1934 seine Habilitationsschrift zu diesem Fragenkomplex verfasste, formulierte, reichsverfassungswidrig sei die einer „Vernichtung gleichkommende Abwandlung, Aushöhlung, Beeinträchtigung, Entleerung, Überschreitung der Einrichtung“ durch Maßnahmen des Gesetzgebers und der Exekutive.466 Die WRV sah damit die Elternschaft als ein auf Verfassungsebene relevantes Institut des Privatrechts an. Art.  119 ff. WRV sollten die Ehe vor revolutionären Tendenzen gegen die bürgerliche Ehe und Familie schützen. Der verfassungsrechtliche Schutz des Erziehungsrechts der Eltern sollte die Erziehungsverantwortung der Eltern gegenüber einer Erziehung vor allem durch den Staat bzw. die Kirchen467 sichern.468 So führte Anschütz in seiner Kommentierung entschieden469 aus: „Die Abwehrstellung gegen die Lehren des sozialistischen Radikalismus, der Jugenderziehung, unter Aufhebung des Elternrechts und Sprengung des Familienverbandes zur 464  Carl Schmitt, Freiheitsrechte und institutionelle Garantie der Reichsverfassung, 1931, in: Verfassungsrechtliche Aufsätze 1973, 140. Vgl. zur Entwicklung der Dogmatik der sogenannten Einrichtungs- bzw. Institutsgarantien: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd.  III/1, 1988, §  68 VI 3, 854 ff.; Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, 21 ff.; vgl. auch Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien der Verfassung, 1979, 14 ff. 465  Thoma, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd.  I, 1929, 30 f. 466  Klein, Institutionelle Garantien und Rechtsinstitutionsgarantien, 1934, 130, 134. 467  Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 14.  Aufl. 1933, Art.  120 Anm.  2; andere Stimmen vertraten die Auffassung, mit der Formulierung der „natürlichen“ Pflicht und Recht seien katholische Vorstellungen der Elternschaft in die Verfassung übernommen worden, vgl. die Nachweise bei Holstein, AöR 12 (1927), 187, 190 ff., der diese Auffassungen allerdings scharf kritisiert. 468  Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 14.  Aufl. 1933, Art.  120 Anm.  2 und 3; vgl. dazu Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, 197. 469  Stärker auf den Zweck der staatsdienlichen Erziehung bezogen: Klumker, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd.  II, 1930, 95, 96 ff.

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Staatsaufgabe machen will, ist auch hier deutlich. Die ‚staatliche Gemeinschaft‘ soll die ‚Erziehung des Nachwuchses‘ überwachen, nicht aber übernehmen.“470

Die Formulierung der WRV eines „natürlichen Rechts“ der Eltern sei, so Anschütz unter Verweis auf Holstein,471 nicht als naturrechtliche Verankerung oder „Erhöhung des Elternrechts in die Sphäre des Übernatürlichen“ zu verstehen. Dies weise „wohl“ darauf hin, dass das „Elternrecht nicht vom Staate verliehen sei“, nicht aber „dass es der Gesetzgebungshoheit des Staates entrückt sei.“472 Vielmehr komme es dem Staat zu, das Elternrecht zu gestalten.473 Subjektive Rechte der Eltern sollten aus der Verfassung jedoch nicht folgen, sondern sich allein aus dem einfachen Recht ergeben.474 Als Institutsgarantie beschränkte sich die Wirkung der verfassungsrechtlichen Verankerung wie bereits angedeutet darauf, die Regelungsmacht des Gesetzgebers in Bezug auf die Elternverantwortung hinsichtlich eines „Minimums dessen was ihr Wesen“ ausmache zu beschränken.475 Zweck dieser Rechtsinstitutsgarantien war damit die Bewahrung traditioneller Familienstrukturen gegen revolutionäre Veränderungen.476 Die Literatur zu Art.  120 WRV konzentriert sich auf Fragen des Schulrechts und der Entscheidungsgewalt der Eltern in Bezug auf (religiös-weltanschaulichen) Erziehung und Bildung.477 Symptomatisch formuliert Holstein, das Problem des Elternrechts entspringe nicht nur aus dem „doppelten Erziehungs­ willen“ von Elternhaus und Staatsschule, sondern sei entsprechend der „eigentümlich geistig und religiös gespaltenen Situation der deutschen Gegenwart“ ein eminent konfessionell-soziologisches.478 Allerdings diskutiert Klumker durchaus auch die Frage, wie der Begriff der Elternschaft in Art.  120 WRV zu verstehen sei und ob dieser die ehelichen und nichtehelichen Eltern eines Kindes, zumindest die Mutter, einschließe. Klumker lehnt dies mit dem systematischen Argument ab, das nichteheliche Kind 470  Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 14.  Aufl. 1933, Art.  120 Anm.  1. 471  Holstein, AöR 12 (1927), 187 ff., zustimmend auch Klumker, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd.  II, 1930, 95, 99 f. 472  Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 14.  Aufl. 1933, Art.  120 Anm.  2; vgl. Holstein, AöR 12 (1927), 187, 190 ff., kritisch zur entgegengesetzten Auffassung, die hier katholisches Naturrecht rezipiert sah. 473  Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 14.  Aufl. 1933, Art.  120 Anm.  3. 474 Vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 14.   Aufl. 1933, Art.  120 Anm.  1. 475 Vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 14.  Aufl. 1933, Art.  120 Anm.  3 unter Verweis auf Thoma. 476 Vgl. Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, 198. 477  Vgl. insbesondere Holstein, AöR 12 (1927), 187, 189 ff.; Klumker, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd.  II, 1930, 95, 97 ff. 478  Holstein, AöR 12 (1927), 187, 244.

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und seine Eltern seien von Art.  121 WRV geschützt.479 Damit kommt zumindest Klumker zu einem verfassungsrechtlich gespaltenen Begriff der Elternschaft für eheliche und nichteheliche Eltern in der Weimarer Reichsverfassung. b.  Das Elternrecht im Grundgesetz aa.  Die Diskussion um die Aufnahme des späteren Art.  6 GG In den ersten Entwürfen des Grundgesetzes tauchte ein Schutz von Ehe, Familie und Elternschaft gar nicht auf. Das Grundgesetz war zunächst als Provisorium gedacht und nahm daher nicht in Anspruch, jeden Lebensbereich vollständig zu regeln. Der Grundrechtsteil sollte nur echte Grundrechte, keine Programmsätze oder Vorschriften zur Wirtschafts- und Sozialordnung enthalten.480 Auch aus diesem Grund fehlte zunächst eine Regelung zur Elternschaft. Der Antrag, die Elternrechte mit zu den Grundrechten aufzunehmen, wurde von der CDU-Abgeordneten Dr. Weber für die CDU-Fraktion in der achten Sitzung des Grundrechtsausschusses (7.10.1948) gestellt.481 Der Antrag rief heftige Reaktionen z. B. bei Theodor Heuss und Carlo Schmid hervor, die Probleme mit der Kompetenz der Länder für die Schulgesetzgebung befürchteten.482 Zum Inhalt des Grundrechts fragte Theodor Heuss: „Was heißt denn das ­Elternrecht als Grundrecht? – Kinder zu kriegen! Was denn sonst?“ Worauf Dr. Weber erwiderte: „Über die Kinder zu bestimmen.“483 Die Anregung für den neuen Artikel, dessen hier diskutierte Inhalte später in Art.  6 und Art.  7 GG geregelt wurden, ging auf die Kirchen zurück, die weiter den konfessionellen Religionsunterricht in eigener Verantwortung an den Schulen durchführen wollten. Diesen genügte auch der Vorschlag Dr. Webers nicht, nach dem Vorbild der WRV allein das natürliche Erziehungsrecht und die Pflicht der Eltern im Grundgesetz zu verankern. In der heutigen Fassung des Grundgesetzes ist die religiöse Erziehung in der Schule entsprechend in Art.  7 GG geregelt. Im November 1948 fasste die CDU/CSU entsprechend den Beschluss, nach den Forderungen der Kirchen nicht nur das Elternrecht, sondern auch ein Recht der Ehe in das Grundgesetz zu bringen.484 Entsprechend waren die Elternrechte im ersten Entwurf noch eng mit den Rechten der Eltern zur religiösen Erziehung des 479  Klumker, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd.  II, 1930, 95, 100. 480 Vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd.  III/1, 1988, §  68 VI 3, dieses Argument tauchte auch in den Diskussionen um die Aufnahme des späteren Artikel 6 immer wieder auf: vgl. Der Parlamentarische Rat, Bd.  5/I, XLIII ff. 481  Der Parlamentarische Rat, Bd.  5/I, 218. 482  Der Parlamentarische Rat, Bd.  5/I, 218. 483  Der Parlamentarische Rat, Bd.  5/I, 218. 484  Der Parlamentarische Rat, Bd.  5/I, XLIII; vgl. auch Der Parlamentarische Rat, Bd.  5/II 633 ff.

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Kindes in der Schule verknüpft.485 Dieser Entwurf, Art.  7a, wurde in der Folgezeit mehrfach überarbeitet und dann in zwei Artikel, 7a und 7b aufgeteilt. Seine endgültige Form mit dem staatlichen Wächteramt erhielt Art.  6 GG (damals noch als Art.  7b GG486) erst vier Tage vor der Schlussabstimmung am 5.5.1949.487 Grund für die lange Unsicherheit waren tiefgreifende Auseinandersetzungen über das Verhältnis zwischen Kirche und Staat, sowie zwischen Bund und Ländern in der Schulfrage. Heuss und seine Partei sowie die SPD stellten sich auch dagegen, Wünsche der Kirchen aufzunehmen, weil sie befürchteten, Kompromisse mit den Gewerkschaften zu gefährden, die auf Anträge zur Aufnahme von Vorschriften zur Wirtschafts- und Sozialverfassung verzichtet hatten.488 Man habe sich darauf verständigt, sich auf subjektive Grundrechte zu beschränken und keine Ausführungen zu „Lebensordnungen“ zu machen,489 lautete das Argument gegen ein Familiengrundrecht. bb.  Ablehnung der „Staatserziehung“ Die Absätze 2 und 3 im ersten Entwurf des späteren Art.  6 GG der CDU lauteten wie folgt: „Pflege und Erziehung der eigenen Kinder ist das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Dieses Recht ist auch bei der Bestimmung des religiös-weltanschaulichen Charakters der Schule und durch Sicherung der Unterrichtsfreiheit zu wahren. Die Herausnahme aus der Familiengemeinschaft gegen den Willen der Erziehungsberechtigten ist nur auf gesetzlicher Grundlage möglich, wenn durch ein Versagen der Erziehungsberechtigten die Gefahr der Verwahrlosung der Kinder gegeben ist. Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach in allen Schulen, er wird nach den Grundsätzen der Kirchen in ihrem Auftrage und unter ihrer Aufsicht erteilt.“490

Hinsichtlich des Elternrechts ist deutlich der Einfluss des Art.  120 WRV zu erkennen. Weite Aufmerksamkeit nimmt allerdings in diesem Entwurf die religiöse und schulische Bildung der Kinder ein; Fragen, die bereits während der Weimarer Republik stark umstritten waren. Der kirchliche Einfluss wird aus diesem Entwurf deutlich und konnte sich trotz der hitzigen Debatten491 bis zum endgültigen Entwurf des heutigen Art.  7 GG, der das Schulrecht betrifft, durchsetzen. Das private Erziehungsrecht der Eltern wurde, anders als der kirchliche Einfluss auf den Schulunterricht, nicht in Frage gestellt. Während es von konserva485 Vgl.

Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 107. Allerdings entsprach der am 8.2.1949 beschlossene Art.  7a bereits weitgehend dem späteren Art.  6 GG. 487  Vgl. Der Parlamentarische Rat, Bd.  14/II, 1815. 488  Vgl. Der Parlamentarische Rat, Bd.  5/II 636 ff. 489  Der Parlamentarische Rat, Bd.  5/I, XLIV. 490  Der Parlamentarische Rat, Bd.  5/II, 645. 491  Der Parlamentarische Rat, Bd.  5/II, 645 ff. 486 

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tiver Seite als „gottgegeben“ und „natürlich“492 bezeichnet wurde, beschrieb es der Liberale Heuss als „Banalität“ und „Selbstverständlichkeit“.493 Gemeinsam war beiden Auffassungen jedoch der Wunsch, staatlich gelenkter Erziehung wie im Nationalsozialismus, aber auch in der sowjetischen Besatzungszone,494 eine Absage zu erteilen.495 Wie viele Vorschriften des Grundgesetzes wurde damit auch das Elternrecht durch die Erfahrung des „Dritten Reichs” geprägt. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden nicht nur die Ehe,496 sondern noch mehr die Zeugung und Erziehung von Kindern als Mittel der Bevölkerungspolitik angesehen „rassisch reine” und „erbgesunde” Soldaten und Besatzer zu produzieren.497 Eheverbote und das Verbot des Geschlechtsverkehrs mit Juden498 sollten dies sicherstellen. Um die ideologische erwünschte Erziehung der Kinder zu gewährleisten, sollten Kinder unter der Aufsicht des Staates aufwachsen anstelle des ideologisch schlecht zu kontrollierenden Einflusses der Familie. Dafür wurden Organisationen wie die Hitlerjugend und der Bund Deutscher Mädel gegründet. Der Schutz von Ehe, Familie und Elternschaft im Grundgesetz grenzte sich gegen diese Praxis ebenso ab wie gegen Jugendorganisationen sozialistischen Stils, wie sie in der sowjetischen Besatzungszone absehbar waren.499 492  Die Bezeichnung als „natürliches Menschenrecht“ stammt von Weber, vgl. Der Parlamentarische Rat, Bd.  14/I, 613; siehe auch die Bezeichnung als „natürliches Recht“ bei Wessel/ Bergsträsser, in: Der Parlamentarische Rat, Bd.  5/II, 1993, S.  813; Weber, in: Der Parlamentarische Rat, Bd.  14/II, 1349 f. „Das natürliche Elternrecht, das genauso naturgegeben ist wie die anderen Grundrechte“; „ein gottgegebnes Naturrecht“ Süsterhenn, ebd., S.  1491. 493  Vgl. dazu Wapler, Rechtswissenschaft 2014, 57, 61. 494 Vgl. zum sozialistischen Familienverständnis, dass sich von der Oktoberrevolution über den 17. Parteitag der KPdSU 1934 hin zum Familienverständnis der DDR erheblich wandelte. Der Primat der Bestimmung der Erziehungsziele durch den Staat blieb freilich bestehen: vgl. mit Nachweisen: Coester, Das Kindeswohl als Rechtsbegriff, 1983, 12 ff. 495 Zur Abwehrhaltung gegenüber dem Nationalsozialismus siehe Heile: „In Weimar stand man unter dem Eindruck, dass man die Familie unter den Schutz des Staates stellen mußte. Inzwischen haben wir erlebt wie sehr der Staat der Nazi die Grundlagen der Familie zerrüttet hat.“ Der Parlamentarische Rat, Bd.  5/II, 645; Heuss: „Wir haben jene Vergewaltigung des Familienlebens durch den Nationalsozialismus erlebt und spüren es an dieser und an anderer Stelle dass das, was hier geformt wird, sich aus psychologisch gegebenen Gründen abgehen muss von dem, was das Erlebnis dieser Generation gewesen ist.“ Der Parlamentarische Rat, Bd.  14/I, 617. Weber: „Ich darf hier daran erinnern, dass es gerade der Nationalsozialismus gewesen ist, der nach den Worten Hitlers den Eltern ihre Kinder zugunsten des Staates, wie er es ausdrückte, hat stehlen wollen. Wer solcher Diktatur die ewigen Menschenrechte entgegenstellen will, kann nicht am Elternrecht vorbeigehen“ Der Parlamentarische Rat, Bd.  14/I, 614; sowie Süsterhenn: „Zwangserziehung, Staatsjugend und ähnliche Dinge lehnen wir ab“, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5/II, 823; zu dem Bestreben, sich „vom Osten [zu] distanzieren“, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5/II, 814. 496  Conte/Essner, Vierteljahrsheft für Zeitgeschichte, 1996, 201; Meder, FuR 1993, 12, 14 f. 497  Siehe für die Entwicklung des Schutzes der Ehe in Art.  6 Abs.  1: Sanders, German Law Journal 2012, 911, 914. 498  Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre v. 15.9.1935, RGB. I S.  1146; Gesetz zur Vereinheitlichung des Rechts der Eheschließung und der Ehescheidung im Lande Österreich und im übrigen Reichsgebiet v. 6.7.1938, RGBl. I S.  807. 499  Der Parlamentarische Rat, Bd.  14/I, 614, 823 f., 814.

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Entsprechend erklärte das BVerfG in seiner Entscheidung vom 17.1.1957, der Schutz von Ehe und Familie sollte dem Einzelnen einen Ort privater Entfaltung frei von staatlicher Intervention geben.500 cc.  Inhaltliche Fragen Allerdings bestanden auch fundamentale Unterschiede hinsichtlich der Bedeutung von Ehe, Familie und Elternschaft unter den Mitgliedern des Parlamentarischen Rates.501 Einerseits wurden die bereits in der Weimarer Republik gestellten Forderungen zur Reform des Familienrechts erneut erhoben, z. B. nach der Gleichberechtigung der Geschlechter (insbesondere durch die Abgeordnete Nadig502).503 Andererseits wurde die Diskussion stark vom familienrechtlichen status quo geprägt. Dies ist insofern nachvollziehbar, als Institutsgarantien wie Ehe, Familie und Elternschaft zwar den verfassungsrechtlichen Rahmen für Ehe und Familie setzen sollen, ihrerseits aber kaum ohne rechtliche Ausgestaltung denkbar sind.504 Die einfachrechtliche Entwicklung der Elternschaft hatte bereits lange vor dem Entwurf des Grundgesetzes begonnen, sodass das zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Grundgesetzes geltende Familienrecht die Vorstellungen der am Entwurf Beteiligten in der einen oder anderen Weise prägen musste. Hinzu kamen religiös-weltanschaulich geprägte Vorstellungen zur „natürlichen“ Ordnung der Familie und der Geschlechter, die sicherlich auch in Reaktion auf die Entwurzelung vieler Familien nach dem Krieg505 Bedeutung gewonnen hatten.506 Insofern überrascht es nicht, dass Abgeordnete der CDU und des Zentrums in ihrem ersten Entwurf, der den Inhalt des späteren Art. 6 GG enthält, den Schutz von Ehe und Familie koppeln und allein auf die eheliche Gemeinschaft und der aus ihr hervorgegangenen Kinder begrenzen wollten: „Die Ehe als rechtmäßige Form der dauernden Lebensgemeinschaft und die aus ihr wachsende Familie sowie die aus der Ehe und der Zugehörigkeit zur Familie fließenden Rechte stehen unter dem besonderen Schutz der Verfassung.“507

500 

BVerfG, Urt. v. 17.1.1957 – 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, 55. Vgl. dazu Wapler, Rechtswissenschaft 2014, 57, 58 ff. 502  Der Parlamentarische Rat, Bd.  5/II , 643, 646. 503  Vgl. Dreier-GG/‌Brosius-Gersdorf, 2013, Art.  6 , Rn.  18. 504  Zeidler, in: Handbuch des Verfassungsrechts, 1983, 555, 557; Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, 2014, 191 f. 505  Dörr, Wer die Zeit nicht miterlebt hat …, 1998, 32 ff.; Plötz, in: Bereswill/Scheiwe/ Wolde (Hrsg.), Vaterschaft im Wandel, 2006, 57 ff. 506 Vgl. ‌Gröschner, insofern zum Familienbild des GG Dreier-GG/ 2.  Aufl. 2004, Art.  6 Rn.  16 ff.; vgl. dazu auch die BGH, Urt. v. 22.1.1951 – IV ZR 73/50, BGHZ 1, 87, aus dem das Bemühen ersichtlich wird, Ehen durch eine enge Interpretation des Scheidungsrechts nach dem Krieg zu stabilisieren. 507  Vgl. Der Parlamentarische Rat, Bd.  5/II, 642. 501 

112

Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

Die notwendige Verbindung zwischen Ehe und Familie wurde aufgegeben, um eine Diskriminierung kinderloser Ehepaare zu verhindern. Dies deutete bereits auf eine Entkopplung von Familie und Ehe hin.508 Auch die Situation der Nichtehelichen wurde bereits im Grundsatzausschuss kontrovers diskutiert.509 Die sozialen und rechtlichen Probleme nichtehelicher Kinder wurden mit Blick auf den großen „Frauenüberschuss“510 in der Nachkriegszeit für umso dringender gehalten. Die im ersten Entwurf deutliche Verknüpfung zwischen Ehe und Familie lag auch dem zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Grundgesetzes noch geltenden BGB von 1900 mit seiner Unterscheidung zwischen ehelichen und nichtehelich geborenen Kindern zugrunde. Auch das bereits während der Entstehungszeit des BGB vorgebrachte Argument, eine Gleichstellung von ehelichen und nichtehelichen Kindern sei gar nicht möglich, da das nichteheliche Kind im Gegensatz zum ehelichen Kind nicht in eine ­Familie geboren würde, wurde vom Abgeordneten Süsterhenn wieder erwähnt. Das nichteheliche Kind sei vielmehr allein der Mutter zugeordnet.511 Demgegenüber verlangten die FDP und SPD einen Schutz des nichtehelichen Kindes.512 Die SPD wollte sogar die Verwandtschaft zwischen dem nichtehelichen Kind und seinem Vater in der Verfassung festschreiben.513 Die Abgeordnete Nadig drehte das von der CDU vorgebrachte Argument der natürlichen Elternschaft um und erklärte: „Es ist doch wohl das natürlichste Recht, daß das Kind mit seinem Vater, selbst wenn er gesetzlich nur ‚Erzeuger‘ genannt wird, verwandt ist.“514 Geregelt wurde schließlich Art.  6 Abs.  5 GG, der sich stark an die Regelung in der WRV anlehnte:

508 Dreier-GG/‌ Brosius-Gersdorf,

2013, Art.  6 , Rn.  19. Der Parlamentarische Rat, Bd.  5/II, 644 ff.; vgl. auch: Der Parlamentarische Rat, Bd.  14/I, 599 ff. vgl. dort die Erklärung von Heuss S.  601. 510  Der Parlamentarische Rat, Bd.  5/II, 644, 811 Heuss; Der Parlamentarische Rat, Bd.  14/I, 602 ff. 511 Vgl. Süsterhenn, in: Der Parlamentarische Rat, Bd.  5/II, 644: „Ein eheliches Kind lebt in der Familie unter der Obhut von Vater und Mutter. Das uneheliche Kind lebt nicht in einer Familie, sondern steht in einem einseitigen Verhältnis zur Mutter. Solche Verschiedenheiten kann man durch keine Verfassungsbestimmung aus der Welt schaffen. Man kann höchstens sagen: Das uneheliche Kind soll die gleiche gesellschaftliche Förderung erhalten wie ein eheliches.“ Siehe auch: Weber, a. a. O., in: Der Parlamentarische Rat, Bd.  14/I, 605: „Eine Gleichstellung ist niemals möglich, weil das Kind nicht in die Familie hineingeboren wird. Das Kind ist schuldlos, aber tragisch getroffen.“ 512  Der Parlamentarische Rat, Bd.  14/I, 599 ff. 513  Nadig, in: Der Parlamentarische Rat, Bd.  14/I, 599: „Notwendig wäre […] eine Festlegung dahingehend, daß das uneheliche Kind auch mit seinem natürlichen Vater als verwandt gilt. Damit wäre überhaupt erst eine wirkliche Gleichstellung des unehelichen Kindes gegeben.“ 514  Der Parlamentarische Rat, Bd.  14/I, 602. 509 

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

113

Abs.  5: „Den unehelichen 515 Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.“

Diese Formulierung kann gleichermaßen als Fördergebot wie auch als echtes Gleichheitsrecht gelesen werden und zeigt damit ihren Kompromisscharakter.516 Das Bundesverfassungsgericht legte die Vorschrift freilich als Grundrecht und besondere Ausprägung des Gleichheitssatzes aus.517 Der Gegensatz zwischen einem „natürlichen“, vorgefundenen Familienmodell, das vom Verfassungsgesetzgeber zu akzeptieren sei, auf der einen Seite und auf der anderen Seite einem Verständnis, das den Komplex Familie als Gegenstand rechtlicher Regelung und Gestaltung sah, zeigte sich nicht nur in Bezug auf das Nichtehelichenrecht, sondern insgesamt in Bezug auf den späteren Art.  6 GG. Von Seiten der CDU-Abgeordneten wurde vom „gottgegebenen“518 Elternrecht gesprochen. Heuss erklärte, der „Eheparagraph“ passe deshalb nicht in die Verfassung, weil es hier nicht um etwas rechtliches, sondern eine „moralische“ oder „traditionell-biologische“ Sache ginge.519 Carlo Schmid argumentierte demgegenüber für die SPD, die Familie sei auch ein Produkt der Rechtsordnung, die sich je nach rechtlicher Regelung in verschiedenen Rechtsordnungen und Epochen unterscheide: „Die Rechtsfolgen, die wir an die Tatsache einer Blutsverwandtschaft knüpfen, sind nicht von Natur aus – nicht ‚physei‘, sondern ‚thesei‘, sind Produkte der Rechtsordnung; und diese schaffen die Menschen. Die Familie ist, so seltsam Ihnen das klingen mag, als Institution, an die sich bestimmte Rechte und Pflichten knüpfen, ein Produkt der Rechtsordnung, und je nach den Rechtsordnungen, die in den einzelnen Epochen und in den einzelnen Gegenden gelten, ist die Familie etwas vollkommen anderes, und es knüpfen sich an gleiche biologische und soziologische Tatbestände verschiedene Rechtsfolgen […] Ich sage dies deswegen um deutlich zu machen, dass letzten Endes wir als die Gesetzgeber es sind, die bestimmen werden, was hier und jetzt die Auswirkungen der vom Gesetz anerkannten ‚natürlichen Ordnung‘ sein werden.“520

Durchsetzen konnte sich angesichts dieser unterschiedlichen Auffassungen nur eine offene, sprachlich schlanke Formulierung521 des Art.  6 GG, die im Gegensatz zur Regelung in der WRV keine ausdrückliche Verbindung zwischen Ehe und Familie herstellt. Weitgehende Einigkeit bestand allerdings dahingehend, dass es sich bei Art.  6 Abs.  2 GG um einen Programmsatz handele, der keine 515  Das Wort „unehelich“ wurde durch Art.  9 §  2 G zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge v. 18.7.1979 (BGBl. I S.  1061) in allen Bundesgesetzen mit Ausnahme des Grundgesetzes durch den Begriff „nicht ehelich” ersetzt. 516  Wapler, Rechtswissenschaft 2014, 57, 60. 517  Vgl. nur: BVerfG, Beschl. v. 29.1.1969 – 1 BvR 26/66, BVerfGE 25, 167, 173. 518  Der Parlamentarische Rat, Bd.  14/I, 614. 519  Der Parlamentarische Rat, Bd.  5/II, 808. 520  C. Schmid, in: Der Parlamentarische Rat, Bd.  14/I, 604 f. 521  Vgl. mit Nachweisen: Wapler, Rechtswissenschaft 2014, 57, 58.

114

Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

subjektiven Rechte begründe.522 Dies änderte sich dann mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art.  6 GG grundlegend. Bereits in seiner ersten Entscheidung zu Art.  6 Abs.  2 GG vom 20.10.1954 erklärte das Bundesverfassungsgericht, Art.  6 Abs.  2 GG bilde neben seiner Funktion als „Leitlinie“ ein Abwehrrecht gegen Eingriffe des Staates in das Erziehungsrecht der Eltern: „Die gelegentlich in der Literatur vertretene Meinung, daß den Bestimmungen des Art.  6 als einer Regelung der Gesellschaftsordnung lediglich der Charakter eines Programmsatzes oder einer Institutsgarantie zukomme, kann in dieser allgemeinen Form nicht als richtig anerkannt werden.“523

2.  Zur Übersicht: Bedeutung des verfassungsrechtlichen Elternrechts Art.  6 Abs.  2 und Abs.  3 GG lauten heute: (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. (3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

Der Begriff „Elternrecht“ für das in Art.  6 Abs.  2 und 3 GG geschützte Grundrecht und die Pflicht der Eltern, ihre Kinder zu erziehen und zu pflegen bürgerte sich bereits in Weimar ein.524 Der Begriff wird allerdings, worauf Höfling hinweist,525 mit verschiedenen Bedeutungen verwendet, die ein Verständnis nicht selten erschweren. Dies ist insbesondere bei der Verwendung des Begriffs im familienrechtlichen Kontext zu beachten. Mit dem unmittelbar bindenden Elterngrundrecht des Grundgesetzes können Eltern vom Staat verlangen, die Erziehung ihrer Kinder übernehmen zu dürfen. Grundsätzlich ist es ihnen überlassen zu bestimmen, wie ihre Kinder erzogen werden. Die sprachliche Verbindung zwischen „Recht und Pflicht“ der Eltern in Art.  6 Abs.  2 GG bedeutet zwar, dass die Eltern das Wohl ihrer Kinder fördern sollen. So lange das Kindeswohl nicht gefährdet wird, dürfen aber die Eltern selbst entscheiden, wie sie das Wohl ihres Kindes fördern wollen.526

522  Wapler, Rechtswissenschaft 2014, 57, 58; unter Verweis auf: vgl. Bergsträsser, in: Der Parlamentarische Rat, Bd.  5/I, 643; siehe auch Deutscher Bundestag, Diskussionen in der 29. Sitzung des Grundsatzausschusses, Der Parlamentarische Rat, Bd.  5/I, 808 ff., 826; In diesem Sinne auch die frühe Kommentierung des Art.  6 Abs.  1 GG bei von Mangold, Das Bonner Grundgesetz, 1953, 38. 523  BVerfG, Urt. v. 20.10.1954 – 1 BvR 527/52, BVerfGE 4, 52, 57. 524 Vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 14.  Aufl. 1933, Art.  120, Anm.  1, 2; Holstein, AöR 12 (1927), 187 ff. 525  Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V II, 2009, §  155, Rn.  9 f. 526  Zu Elternrecht und Pflicht sowie der Bedeutung des Kindeswohls: Teil 2 II 4 d (S. 132).

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

115

Im Dreiecksverhältnis von Eltern, Staat und Kindern,527 kommen auch dem Kind Grundrechte zu; auch dieses hat ein Recht darauf, von seinen Eltern er­ zogen werden zu dürfen.528 Umgekehrt ist der Staat529 in Ausübung des „staatlichen Wächteramts“530 gem. Art.  6 Abs.  2 S.  2 und Abs.  3 GG nur dann berechtigt, allerdings auch verpflichtet, Kinder soweit erforderlich vor ihren Eltern zu schützen, wenn diese ihr Wohl gefährden. Damit das verfassungsrechtliche Grundrecht des Art.  6 Abs.  2 GG überhaupt ausgeübt werden kann, ist der Staat außerdem verfassungsrechtlich gehalten, das Grundrecht der Elternschaft durch entsprechende Gesetze des einfachen Familienrechts wie Unterhalts-, Sorge-, Umgangs- und Erbrechte531 zu gestalten.532 Erst diese Vorschriften des einfachen Rechts regeln die Rechte und Pflichten, die Eltern gegeneinander533 und im Verhältnis zum Kind zukommen. Dabei muss er allerdings wiederum die durch die verfassungsrechtliche Institutsgarantie534 des Art.  6 Abs.  2 GG gesteckten Grenzen beachten. Das als Institutsgarantie abgesicherte und der Ausgestaltung durch den einfachen Gesetzgeber bedürftige Elterngrundrecht wird mit seiner Qualität als Abwehrrecht gegen den Staat bei gleichzeitiger fremdnütziger Richtung auf das Kind, kombiniert mit dem Wächteramt und Schutzpflichten des Staates zugunsten des Kindes als ein „komplexes und irreguläres Grundrecht“ bezeichnet.535 Besondere Bedeutung für diese Untersuchung hat die Bestimmung der Träger des Grundrechts der Elternschaft, also der Eltern im verfassungsrechtlichen Sinne.536 Hier ist damit die Bestimmung des personellen Schutzbereichs des

527 

Dazu unter Teil 2 II 3 (S. 117). ist hier sehr vereinfachend das im Urteil vom 19.2.2013 thematisierte Grundrecht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung angesprochen, BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 73–77, Rn.  40– 46; vgl. dazu grundlegend: Britz, JZ 2014, 1069, 1074. 529  Teil 2 II 3 c (S.  123). 530  Vgl. zum Wächteramt: Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 122 ff. 531  Vgl. zum Erbrecht als Familienerbrecht: BVerfG, Beschl. v. 19.4.2005 – 1 BvR 1644/00, 188/03, BVerfGE 112, 332; vgl. zur angemessenen Beteiligung des Nichtehelichen Kindes am Nachlass gem. Art.  6 Abs.  5 GG: auch BVerfG, Beschl. v. 29.1.1969 – 1 BvR 26/66, BVerfGE 25, 167, 174; BVerfG, Beschl. v. 8.12.1976 – 1 BvR 810/70, 57/73, 147/76, BVerfGE 44, 1, 18; BVerfG, Beschl. v. 3.11.1981 – 1 BvL 11/77, 85/78, 1 BvR 47/81, BVerfGE 58, 377, 389. 532 BVerfG, Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168, 180; BVerfG, Urt. v. 1.4.2008 – 1 BvR 1620/04, BVerfGE 121, 69, 94; Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V II, 2009, §  155, Rn.  23 ff.; Dreier-GG/‌Brosius-Gersdorf, 2013, Art.  6, Rn.  166; Jarass/­ Pieroth-GG/‌Jarass, 2016, Art.  6 , Rn.  51. 533  Vgl. dazu: BVerfG, Beschl. v. 7.3.1995 – 1 BvR 790/91, 540, 866/92, BVerfGE 92, 158, 178 f.; Jarass/Pieroth-GG/‌Jarass, 2016, Art.  6 , Rn.  51. 534  Genauer dazu unter Teil 2 II 3 c (S.  123). 535  Jestaedt, FS Bartlsperger, 2006, 79, 80; vgl. mit umfangreichen Nachweisen zu den „terminologischen Irrungen und dogmatischen Wirrungen“ im Art.  6 Abs.  2 GG Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V II, 2009, §  155, Rn.  11. 536  Dazu unter Teil 2 II 5 (S.  144). 528  Damit

116

Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

Art.  6 Abs.  2 GG zu bestimmen.537 Die Eltern eines Kindes lassen sich, wie bereits angesprochen,538 einerseits durch eine rechtliche Konstruktion, andererseits aber auch durch Erforschung von biologischen oder sozialen Tatsachen bestimmen. Dies gilt auch für den verfassungsrechtlichen Elternbegriff. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfasst der verfassungsrechtliche Elternbegriff einerseits die Eltern eines Kindes, die das einfache Recht durch das Abstammungs- oder Adoptionsrecht bestimmt, andererseits aber „leibliche“ Eltern, die unmittelbar, ohne rechtliche Anerkennung, Eltern im Sinne von Art.  6 Abs.  2 GG sind. Auf diese Weise kann ein Kind eigentlich auch mehr als zwei Eltern im Sinne von Art.  6 Abs.  2 GG haben.539 Allerdings sollen nach der Rechtsprechung nur zwei dieser Eltern im Sinne der Verfassung das Recht zukommen, ihre Kinder zu pflegen und zu erziehen gem. Art.  6 Abs.  2 GG.540 Nicht jedem Elternteil im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG, für den insofern der personelle Schutzbereich eröffnet ist, steht damit auch der materielle Schutzbereich, also das Recht und die Pflicht zur Erziehung seiner Kinder offen.541 Diese Unterscheidung bildet ein zentrales Problem in der Diskussion um die familienrechtliche Ausgestaltung der Mehrelternschaft, auf die in der Untersuchung daher mehrfach vertieft zurückzukommen sein wird.542 Soziale Eltern wie Stief- oder Pflegeeltern sind nach der Rechtsprechung allerdings nur dann Eltern im Sinne der Verfassung, wenn sie, z. B. durch Adoption, auch Eltern im Sinne des einfachen Rechts geworden sind.543 Andererseits sind die „leiblichen“ Eltern eines Kindes, d. h. die biologisch-genetischen Eltern die verfassungsrechtlichen Eltern eines Kindes unabhängig davon, ob sie bereits die statusrechtliche Elternposition nach dem BGB eingenommen haben.544 Die Erlangung der Rechte und Pflichten nach dem BGB erfordert zwar grundsätzlich, dass biologisch-genetische Eltern in die Rolle auch der einfachrechtlichen Eltern einrücken; Art.  6 Abs.  2 GG verschafft ihnen diese Rechtsstellung also nicht unmittelbar. Allerdings kommt ihnen ein verfassungsrechtlicher An537  Jestaedt, FS Bartlsperger, 2006, 79, 85. Zu dieser Problematik ausführlich Teil 2 II 5 g (S.  164), Teil 4 III 6 (S. 331). 538  Vgl. oben Teil 1 II 2 (S. 7). 539  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101. 540  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 10. 541  Vgl. dazu Jestaedt, FS Bartlsperger, 2006, 79, 85; Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V II, 2009, §  155, Rn.  74 f., 90; Dreier-GG/‌Brosius-Gersdorf, 2013, Art.  6 , Rn.  150; Germann, VVDStRL 73 (2014), 257, 276; Lembke, in: Röthel/Heiderhoff (Hrsg.), Regelungsaufgabe Vaterstellung, 2014, 37, 54; Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff (Hrsg.), Regelungsauf­ gabe Mutterstellung, 2016, 105. 542  Vgl. Teil 2 II 5 g (S.  164), Teil 4 III 6 (S. 309). 543  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 81 f., Rn.  59. 544  Adoption: BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 150; rechtliche und biologisch-genetische Abstammung: BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101; BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 79, Rn.  53.

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

117

spruch zu, dass sie dies grundsätzlich auch tun können.545 Insofern sind auch sie begrifflich Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG.

3.  Das Dreiecksverhältnis von Eltern, Kindern und Staat Nachdem die Entwicklung des Grundrechts aus Art.  6 Abs.  2 GG dargestellt wurde und eine Einführung in die heutige Bedeutung von Art.  6 Abs.  2 und 3 GG gegeben wurde, kann nun das „Elterngrundrecht“ selbst betrachtet werden. Dafür soll in diesem Abschnitt zunächst das Dreiecksverhältnis von E ­ ltern, Kind und Staat abgesteckt werden, in dem der Staat dem besonderen Fürsorgeverhältnis der Eltern zu ihrem Kind einen im Rahmen der Verfassung auszu­ gestaltenden Freiraum gibt, gleichzeitig aber das Kind vor den Eltern soweit erforderlich schützen muss. Erst in den folgenden Teilen sollen das Elternrecht und der derzeitige Stand der verfassungsrechtlichen Elterndefinition diskutiert werden. a.  Die Eltern Bei aller Uneinigkeit hinsichtlich der Regelung von Elternschaft, Familie und Ehe waren sich bereits die Väter und Mütter des Grundgesetzes einig, dass die Unterstützung und Anleitung bei der Entwicklung des Kindes den Eltern und nicht dem Staat zukommt.546 Die Eltern, nicht der Staat sollen danach entscheiden, wie sie ihr Kind erziehen möchten. Dies sichert das Elternrecht gem. Art.  6 Abs.  2 GG. Wird dieses Recht durch den Staat beeinträchtigt, erlaubt Art.  6 Abs.  2 GG den Eltern, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Insofern ist das Elternrecht ein Abwehrrecht gegenüber dem Staat, das Eltern gegen staatliche Eingriffe schützt.547 In dieser klassischen Bipolarität zwischen Staat und Bürger erschöpft sich die Funktion des Art.  6 Abs.  2 GG aber gerade nicht. Das einzigartige Grundrecht der Elternschaft weist mit Abwehrrechten, Schutzpflichten und Institutsgarantien sowie einem pflichtgebundenen Grundrecht der Eltern, das dem Wohl des Kindes dienen soll, eine ganze Reihe verfassungsdogmatischer Figu-

545 

BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 106 ff. Vgl. Teil 2 II 1 b (S.  108). 547  Vgl. nur BVerfG, Urt. v. 20.10.1954 – 1 BvR 527/52, BVerfGE 4, 52, 57; BVerfG, Beschl. v. 10.3.1958 – 1 BvL 42/56, BVerfGE 7, 320, 323; BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 138; BVerfG, Beschl. v. 15.6.1971 – 1 BvR 192/70, BVerfGE 31, 194, 204 f.; BVerfG, Beschl. v. 14.11.1984 – 1 BvR 1642/82, BVerfGE 68, 256, 269; BVerfG, Urt. v. 16.1.2003 – 2 BvR 716/01, BVerfGE 107, 104, 118; Sachs-GG/‌v. Coelln, 2014, Art.  6 , Rn.  53; Dreier-GG/‌Brosius-Gersdorf, 2013, Art.  6 , Rn.  155; v. Münch/Kunig-GG/‌Coester-Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  61; BeckOK-GG/‌Uhle, Art.  6 , Rn.  48; Böckenförde, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 1980, 54, 59; Gärditz, FF 2015, 341. 546 

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

ren, Strukturen und Funktionen auf, die seine Einordnung erschweren.548 Das verfassungsrechtliche Elterngrundrecht ist scharf zu unterscheiden von den einfachrechtlichen Rechten und Pflichten, die im Bürgerlichen Recht mit der Elternschaft verbunden sind, wie Umgangs-, Sorge-, Unterhalts- und Erbrecht. Diese Rechte werden durch den einfachen Gesetzgeber in Ausgestaltung der Art.  6 Abs.  2 GG549 und, im Falle des Erbrechts, Art.  14 GG entwickelt. Zu ­einer solchen Ausgestaltung ist der Gesetzgeber auch verpflichtet, damit das verfassungsrechtliche Grundrecht der Elternschaft einfachrechtlich ausgeübt werden kann.550 Andererseits wirkt diese Ausgestaltung durch den einfachen Gesetzgeber als Normprägung aber auf das Grundrecht zurück, indem sie die Reichweite des Schutzbereichs mitbestimmt, wenn z. B. eine Person als recht­ liches Elternteil im Sinne des BGB die Elternstellung im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG erwirbt. Während andere Grundrechte wie die Religionsfreiheit oder das Kunstrecht dem Grundrechtsträger, d. h. allein dem Gläubigen oder Künstler selbst dienen, ist das Grundrecht der Eltern insofern ein besonderes, als seine Ausübung notwendig auf das Kind, also ein eigenständiges Individuum, bezogen ist. Die Sorge der Eltern soll die Entwicklung des Kindes zur eigenständigen Persönlichkeit ermöglichen.551 Aufgrund dieser notwendigen Ausrichtung auf die Unterstützung des Kindes wird es als fremdnütziges552 Grundrecht bezeichnet. Dies wird schon in der Bezeichnung als „Recht und Pflicht“ der Eltern ausgedrückt. Das Verhältnis zwischen „Recht und Pflicht“ bestimmt damit das Elternrecht gem. Art.  6 Abs.  2 GG maßgeblich. Es wird im nächsten Abschnitt diskutiert.553 b.  Der Staat aa.  Das staatliche Wächteramt Der Staat muss zwar die Sorge und Erziehung des Kindes den Eltern überlassen. Das ihm mit Art.  6 Abs.  2 S.  2, Abs.  3 GG übertragene staatliche Wächteramt gibt ihm aber zugleich objektiv-rechtlich auf, das Kind vor Gefährdungen durch die Eltern zu schützen, wenn diese ihr Kind in Wahrnehmung ihres Elternrechtes vernachlässigen oder sogar misshandeln. In Bezug auf das Kind kommen 548  Vgl. zu den verschiedenen Aspekten des „komplexen und irregulären“ Art.  6 Abs.  2 GG Jestaedt, FS Bartlsperger, 2006, 79, 80 Fn.  4. 549 Maunz/Dürig-GG/‌ Badura, 65. Lfg. 2012, Art.  6 , Rn.  14. 550  Vgl. m. w. N. zur Ausgestaltung normgeprägter Grundrechte: Bumke, Ausgestaltung von Grundrechten, 2009, 17; Koschmieder, Grundrechtliche Dynamisierungsprozesse, 2016, 108 ff.; zur Ausgestaltung unter Teil 2 II 3 b bb (S.  119). 551 Vgl. Heiß, NZFam 2015, 491 f. 552  BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 1 BvL 12/81, BVerfGE 61, 358, 372; BVerfG, Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168, 180; Maunz/Dürig-GG/‌Badura, Stand 2013, Art.  6 Abs.  2, 3, Rn.  94, 109; Dreier-GG/‌Brosius-Gersdorf, 2013, Art.  6 , Rn.  142. 553  Vgl. Teil 2 II 4 (S.  127).

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

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dem Staat insofern Schutzpflichten gegenüber dem Kind auch im Verhältnis zu seinen Eltern zu.554 Insoweit sind Eingriffe in das Elternrecht durch das staat­ liche Wächteramt gem. Art.  6 Abs.  2, 3 GG nicht nur gerechtfertigt,555 sondern sogar geboten. Diese subjektiv-rechtliche Dimension des Wächteramts ist durch die Entwicklung des Rechts auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung mit dem unten diskutierten556 Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19.2.2013557 noch einmal deutlicher geworden. bb.  Ausgestaltung, normgeprägtes Grundrecht und Institutsgarantie Selbst wenn der Staat, z. B. durch eine Gerichtsentscheidung auf der Grundlage des §  1666 BGB, nicht im konkreten Einzelfall in das Elternrecht eingreift, um das Kind vor Gefährdungen durch seine Eltern zu schützen, nimmt er auf ­Elternschaft und Familie durch die Ausgestaltung des Familienrechts Einfluss. Allein Art.  6 Abs.  2 GG enthält keine Regelungen zu den familienrechtlichen Rechten und Pflichten der Eltern gegenüber ihrem Kind. Wie andere normgeprägte Grundrechte558 muss auch das Grundrecht des Art.  6 Abs.  2 GG durch entsprechende Gesetze des einfachen Familien- und Erbrechts wie Unterhalts-, Sorge-, Umgangs- und Erbrechte ausgestaltet werden.559 Erst diese Vorschriften des einfachen Rechts regeln die Rechte und Pflichten, die Eltern gegeneinander560 und im Verhältnis zum Kind zukommen. Der Staat muss aber wiederum bei der Ausgestaltung des Privatrechts verfassungsrechtliche Grenzen beachten. Diese Grenzen wurden traditionell in den

554  BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 144; BVerfG, Beschl. v. 27.11.1990 – 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, 130, 140; Sachs-GG/‌v. Coelln, 2014, Art.  6 , Rn.  69; v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌Robbers, 2010, Art.  6, Rn.  241; Britz, FamRZ 2015, 793, 794. 555  Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 175 ff. 556  Teil 2 II 3 c bb (S. 125). 557  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 73–77, Rn.  40– 46; Vgl. dazu grundlegend: Britz, JZ 2014, 1069, 1074. 558  Bumke, Ausgestaltung von Grundrechten, 2009, 17; Koschmieder, Grundrechtliche Dynamisierungsprozesse, 2016, 108 ff., 123 ff. 559  BVerfG, Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168, 180; BVerfG, Beschl. v. 7.3.1995 – 1 BvR 790/91, 540, 866/92, BVerfGE 92, 158, 177 f.; BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101; BVerfG, Urt. v. 1.4.2008 – 1 BvR 1620/04, BVerfGE 121, 69, 94; BVerfG, Beschl. v. 21.7.2010 – 1 BvR 420/09, BVerfGE 127, 132, 146; Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V II, 2009, §  155, Rn.  23 ff.; Dreier-GG/‌Brosius­Gersdorf, 2013, Art.  6 , Rn.  166; Jarass/Pieroth-GG/‌Jarass, 2016, Art.  6 , Rn.  51. 560  Vgl. dazu: BVerfG, Beschl. v. 7.3.1995 – 1 BvR 790/91, 540, 866/92, BVerfGE 92, 158, 178 f.; Jarass/Pieroth-GG/‌Jarass, 2016, Art.  6 , Rn.  51.

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

Einrichtungs- bzw. Institutsgarantien561 Ehe,562 Familie563 und Elternrecht564 gesehen. Insofern setzte sich die in der Weimarer Republik entwickelte Dogmatik zu Einrichtungsgarantien 565 unter dem Grundgesetz fort, die einen Kernbestand der Grundstrukturen des jeweiligen privatrechtlichen Instituts vor der Gestaltung durch den Gesetzgeber geschützt sah. Welche Bedeutung diese Institutsgarantien heute in der Ausgestaltung von Grundrechten besitzen566 und wie die vor Veränderungen durch den Gesetzgeber zu schützende Substanz zu ermitteln ist, ist freilich nicht einfach zu beantworten. So ließe sich beispielsweise der geschützte Kern im Wege der Subtraktion auf das zu schützende Minimum ermitteln – von Stern kritisch als „Salami-Theorie“ bezeichnet.567 Vertreten wird auch eine qualitative Bestimmung568 sowie die Orientierung an einem historisch-normativen Befund.569 Eine andere Ansicht versucht, die Institutsgarantie in Abgrenzung zu ihrer historischen Funktion in der Weimarer Verfassungsdogmatik zu begreifen. Dort wurde mit der Figur der Einrichtungsgarantie die Kontinuität eines Kerns des vorkonstitutionellen Privatrechts zu Ehe und Elternschaft in einem Grundrechtskatalog ohne direkte Bindungswirkung angestrebt.570 Unter dem Grundgesetz binden jedoch die Grundrechte die Gewalten direkt (Art.  1 Abs.  3 GG) und können im Wege der Verfassungsbeschwerde individuell durchgesetzt wer561  Vgl. insgesamt zu Einrichtungsgarantien, dem Oberbegriff für Institutsgarantien, die den Bestand eines bestimmten zivilrechtlichen Rechtsinstituts sichern wie z. B. Eigentum, Vertragsfreiheit und Ehe, und institutionelle Garantien, die bestimmte Institutionen des ­öffentlichen Rechts verfassungsrechtlich verankern wie z. B. Gemeinden, im Grundgesetz: vgl. Kemper, Die Bestimmung des Schutzbereichs der Koalitionsfreiheit, 1989, 15 ff.; Schmidt-­ Jortzig, Die Einrichtungsgarantien der Verfassung, 1979; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd.  III/1, 1988, §  68; Steinbeiß-Winkelmann, Grundrechtliche Freiheit und staatliche Freiheitsordnung, 1985, 98 ff.; de Wall, Der Staat 38 (1999), 377; Mager, Einrichtungsgarantien, 2003. 562  Ständige Rechtsprechung vgl. mit Nachweisen: BVerfG, Urt. v. 17.7.2002 – 1 BvF 1, 2/01, BVerfGE 105, 313, 344 f.; vgl. Gellermann, Grundrechte im einfachgesetzlichen Gewande, 2000, 126 ff.; Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, 200 ff.; vgl. auch Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd.  III/1, 1988, §  68, 865. 563  Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, 206 ff. 564 Sachs-GG/‌ v. Coelln, 2014, Art.   6, Rn.   57; v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌ Robbers, 2010, Art.  6 , Rn.  141; v. Münch/Kunig-GG/‌Coester-Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  58; Zacher, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V I, 2001, §  134, Rn.  4 4; Dreier-GG/‌Brosius-Gersdorf, 2013, Art.  6 , Rn.  147; Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, 211 ff.; Schuler-Harms, RdJB 2016, 157, 164 f. 565  Vgl. oben Teil 2 II 1 a (S. 104). 566 Vgl. Koschmieder, Grundrechtliche Dynamisierungsprozesse, 2016, 123  ff.; Nach Jarass/­Pieroth-GG/J‌ arass, 2016, Vorb. v. Art.  1, Rn.  4 haben Institutsgarantien ihre eigenständige Bedeutung gegenüber objektiven Grundrechtsgehalten verloren. 567  Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd.  III/1, 1988, §  68, 869. 568  Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd.  III/1, 1988, §  68, 869. 569  Kemper, Die Bestimmung des Schutzbereichs der Koalitionsfreiheit, 1989, 26 ff. 570  Vgl. oben Teil 2 II 1 a (S.  104); sowie Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, 476 ff.

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

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den.571 Der verfassungsdogmatische Begriff „Institutsgarantie“ kann sich vor diesem Hintergrund nicht mehr nur darauf beschränken, einen verfassungsfesten Bereich der jeweiligen Privatrechtsinstitute zu definieren, der der Neuregelung durch den Gesetzgeber entzogen ist. Er muss vielmehr berücksichtigen, dass die Institutsgarantien Grundrechte betreffen, die einer Ausgestaltung durch den Gesetzgeber bedürfen, da sie ohne rechtliche Ausgestaltung nicht ausgeübt werden können.572 Die Ausgestaltungsbedürftigkeit liegt bei Eigentum,573 Erbrecht574 und Vertragsfreiheit575 auf der Hand. Nach Lübbe-Wolff schützen diese Grundrechte „keine natürliche, sondern eine von vornherein normativ konstituierte Freiheit“,576 die ohne rechtliche Ausgestaltung nicht wahrgenommen werden kann. Insofern bewirkt die Institutsgarantie anders als nach dem Verständnis der WRV nicht mehr nur eine statische Absicherung eines normativen Kernbestandes des Instituts, sondern sie fordert auch eine dynamische Tätigkeit des Gesetzgebers im Interesse einer wirksamen Grundrechtsausübung. Dies gilt zunächst für die Ehe, die zwar auch als rein soziale Einrichtung vorstellbar ist. Doch schützt das Grundgesetz die säkularisierte, scheidbare Ehe,577 die gerade als Rechtsinstitut ohne Eheschließungs-578 , Unterhalts-579 und Scheidungsfolgenrecht580 nicht denkbar ist.581 Insofern ist die Ehe ein ­„Produkt des Rechts“.582 Auch die Elternschaft wurde bereits in der WRV als Institutsgarantie geschützt und damit als ein verfassungsrechtlich relevantes Institut des Privat571 

Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, 476 ff., 482 ff. Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, 482 f. 573  Vgl. nur Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, 176 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd.  III/1, 1988, §  68, 865 f. 574  Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, 188 ff. 575  Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, 26. 576  Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 1988, 135; vgl. auch „Die grundrechtlichen Institutsgarantien gewährleisten mit Verfassungsrang den einfach-gesetz­ lichen Bestand derartiger kompetenzschaffender, freiheitskonstitutiver Rechtsnormen“ ­Kemper, Die Bestimmung des Schutzbereichs der Koalitionsfreiheit, 1989, 19 unter Verweis auf Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, 221. 577 BVerfG, Beschl. v. 4.5.1971 – 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58, 82 f.; BVerfG, Urt. v. 28.2.1980 – 1 BvL 136/78, 1 BvR 890/77, 1300, 1440/78, 32/79, BVerfGE 53, 224, 245. 578  Die Ehe im Sinne des Art.  6 Abs.  1 GG muss unter Mitwirkung des Staates geschlossen werden: vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.12.1958 – 1 BvL 3, 4/57, 8/58, BVerfGE 9, 20, 34 f.; BVerfG, Beschl. v. 7.10.1970 – 1 BvR 409/67, BVerfGE 29, 166, 176; BVerfG, Beschl. v. 9.11.2004 – 1 BvR 684/98, BVerfGE 112, 50, 65. 579  BVerfG, Urt. v. 28.2.1980 – 1 BvL 136/78, 1 BvR 890/77, 1300, 1440/78, 32/79, BVerfGE 53, 224, 250; BVerfG, Beschl. v. 10.1.1984 – 1 BvL 5/83, BVerfGE 66, 84, 94. 580  BVerfG, Beschl. v. 30.11.1982 – 1 BvR 818/81, BVerfGE 62, 323, 330; BVerfG, Urt. v. 28.2.1980 – 1 BvL 136/78, 1 BvR 890/77, 1300, 1440/78, 32/79, BVerfGE 53, 224, 250; BVerfG, Beschl. v. 21.10.1980 – 1 BvR 1284/79, BVerfGE 55, 134, 141 f. 581  Vgl. m. w. N. Kemper, Die Bestimmung des Schutzbereichs der Koalitionsfreiheit, 1989, 18 f. 582  Sanders, in: Emmenegger/Wiedmann (Hrsg.), Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2011, 351, 355. 572 

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

rechts angesehen. In Bezug auf die Elternschaft wird man allerdings einwenden können, dass Elternschaft nicht durch einen Rechtsakt des Privatrechts entsteht, wie die Ehe, sondern durch Zeugung und Geburt.583 Das Grundgesetz spricht auch vom „natürlichen“ Recht der Eltern. Insofern ist fraglich, ob die Elternschaft in ebensolchem Maße von der rechtlichen Ausgestaltung abhängig ist wie andere Institutsgarantien, z. B. das Eigentum. Andererseits wird in unserer Rechtsordnung Elternschaft gerade als rechtlicher Status584 begründet, der der rechtlichen Ausfüllung bedarf. So sind beim gemeinsamen Elternrecht die Rechte und Pflichten gegenüber dem Kind, zwischen den Eltern untereinander,585 sowie die Befugnisse und Vertretungsrechte der Eltern gegenüber Dritten586 zu regeln. Ohne diese Ausgestaltung existiert Elternschaft zwar tatsächlich, aber nicht als rechtliche Position. Insofern muss auch hier der Gesetzgeber zur Ausgestaltung der Institutsgarantie Elternschaft tätig werden, damit die in Art.  6 Abs.  2 GG niedergelegte Freiheit rechtlich ausgeübt werden kann. In dieser Situation bindet die Institutsgarantie den ausgestaltenden Gesetzgeber an ein verfassungsrechtliches Leitbild587 der auszugestaltenden Institution „Elternschaft“. Auch unter dem Grundgesetz ist die privatrechtliche Ausgestaltung des geschützten Instituts danach verfassungswidrig, wenn sie die Substanz des Instituts betrifft.588 Gerade Institutionen wie Ehe, Familie und Elternschaft, die in sozialer und nunmehr auch durch die Reproduktionsmedizin in biologischer Hinsicht der Veränderung so zugänglich sind, werden durch die Institutsgarantien nach diesem Verständnis in ihrem „Ordnungskern“ gegen die Dynamik des einfachen Gesetzesrechts geschützt.589 Der Gesetzgeber muss nicht nur gleichsam nach innen die Grenzen beachten, die sich aus der Institutsgarantie ergeben, sondern er muss auch nach außen den grundrechtlichen Schutz selbst achten. Andererseits wirkt der sich in besonderer Weise aus der Institutsgarantie ergebende Gestaltungsauftrag auch auf das Grundrecht des Art.  6 Abs.  2 GG zurück, weil infolge dessen Charakters als normgeprägtes Grundrecht durch die gesetzgeberische Ausgestaltung zugleich der Schutzbe583 

Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, 454 f. Vgl. oben Teil 1 II 2 (S.  7), 3 (S. 11). 585  BVerfG, Beschl. v. 7.3.1995 – 1 BvR 790/91, 540, 866/92, BVerfGE 92, 158, 178 f. 586  BVerfG, Urt. v. 1.4.2008 – 1 BvR 1620/04, BVerfGE 121, 69, 94; BVerfG, Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168, 180. 587 So auch Germann, VVDStRL 73 (2014), 257, 266 f.; Koschmieder, Grundrechtliche ­Dynamisierungsprozesse, 2016, 138 ff. 588  Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien der Verfassung, 1979, 33 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd.  III/1, 1988, §  68, 853 ff.; darüber hinaus zu besonderen Vorgaben bei der Umgestaltung bereits gesetzten einfachen ausgestaltenden Rechts: Gellermann, Grundrechte im einfachgesetzlichen Gewande, 2000, 416 ff.; LübbeWolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 1988, 132 ff. 589  Germann, VVDStRL 73 (2014), 257, 266; vgl. speziell zum Kernbestand des Elternrechts: Schuler-Harms, RdJB 2016, 157, 164 f.; vgl. Koschmieder, Grundrechtliche Dynamisierungsprozesse, 2016, 123 ff. 584 

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

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reich mitbestimmt wird,590 z. B. wenn einer Person die Elternschaft nach dem BGB zugewiesen wird und diese dadurch unmittelbar auch Grundrechtsträger des Art.  6 Abs.  2 GG wird. Insofern stellt sich das Problem der Abgrenzung zwischen der erforderlichen oder auch nur zulässigen Ausgestaltung des Grundrechts und seiner Verletzung durch den Gesetzgeber, d. h. also in grundrechtsdogmatischer Perspektive ist es die Frage nach Schutzbereich, Eingriff und Rechtfertigung. Um aber Ausgestaltung und Verletzung unterscheiden zu können, muss man überhaupt wissen, was das Grundrecht der Elternschaft in der Verfassung eigentlich bedeutet, d. h. wer die Elterneigenschaft im Sinne der Verfassung hat und welche Rechte den Eltern zukommen müssen.591 Das ist nicht einfach, da die Verfassung keine ­eigene Definition des Elternbegriffs enthält. c.  Das Kind aa.  Das Verhältnis Kind – Eltern: Ein Grundrecht des Kindes gegen seine Eltern? Art.  6 Abs.  2 S.  1 GG beschreibt Pflege und Erziehung des Kindes als Recht und Pflicht der Eltern. Denkbar ist daher, die Eltern im Verhältnis zu ihrem Kind direkt als verfassungsrechtlich pflichtgebunden anzusehen.592 Das würde bedeuten, dass das Kind gegen seine Eltern direkt aus der Verfassung Rechte herleiten könnte. Von einem solchen Recht ist möglicherweise das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung vom 1.4.2008 ausgegangen.593 In Bezug auf die Beziehung zwischen Eltern und Kind führte das Gericht aus: „Das Kind hat eigene Würde und eigene Rechte. Als Grundrechtsträger hat es Anspruch auf den Schutz des Staates und die Gewährleistung seiner grundrechtlich verbürgten Rechte. Eine Verfassung, die die Würde des Menschen in den Mittelpunkt ihres Wertesystems stellt, kann bei der Ordnung zwischenmenschlicher Beziehungen grundsätzlich niemandem Rechte an der Person eines anderen einräumen, die nicht zugleich 590 

Vgl. zur Normprägung: Jarass, in: HdbdGrR II, §  38, Rn.  56. Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, 481 f. 592  Von einer Grundpflicht gehen, wenn auch nicht notwendig im Sinne eines vom Kind selbst geltend zu machenden Rechts: BVerfG, Urt. v. 9.2.1982 – 1 BvR 845/79, BVerfGE 59, 360, 376; BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 1 BvL 12/81, BVerfGE 61, 358, 372; BeckOK-GG/‌Uhle, Art.   6, Rn.   48; Schmidt-Bleibtreu/Hofman/Henneke/Hofman, 2014, Art.  6 , Rn.  4 4; Sachs-GG/‌v. Coelln, 2014, Art.  6, Rn.  53; Stern/Becker-GG/‌Kotzur, 2016, Art.  6 , Rn.  46; Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V II, 2009, §  155, Rn.  31. 593  BVerfG, Urt. v. 1.4.2008 – 1 BvR 1620/04, BVerfGE 121, 69. Hier stand die Frage im Raum, ob ein unwilliger Vater zum Umgang mit seinem Kind gezwungen werden konnte. Das Bundesverfassungsgericht bejahte eine Verpflichtung der Eltern zum Umgang mit dem Kind. Dem Kind komme ein Recht auf Umgang mit seinen Eltern zu, der nur deshalb nicht immer mit staatlichem Zwang geltend gemacht werden könne, weil der erzwungene Umgang in den meisten Fällen nicht dem Wohl des Kindes dienlich sei. 591 Vgl.

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

pflichtgebunden sind und die Menschenwürde des anderen respektieren. Dies gilt auch für die Beziehung zwischen einem Elternteil und seinem Kind. Das Elternrecht dem Kind gegenüber findet seine Rechtfertigung darin, dass das Kind des Schutzes und der Hilfe bedarf, damit es sich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft entwickeln kann, wie sie dem Menschenbild des Grundgesetzes entspricht (vgl. BVerfGE 24, 119 [144]). Dieses Recht ist deshalb untrennbar mit der Pflicht der Eltern verbunden, dem Kind diesen Schutz und diese Hilfe zu seinem Wohl angedeihen zu lassen. Dabei bezieht sich diese Pflicht nicht lediglich auf das Kind, sie besteht auch gegenüber dem Kind. Denn das Kind ist nicht Gegenstand elterlicher Rechtsausübung, es ist Rechtssubjekt und Grundrechtsträger, dem die Eltern schulden, ihr Handeln an seinem Wohl auszurichten.“594

Nimmt man die Entscheidung wörtlich,595 so deutet sie in der Tat auf einen grundrechtlichen Anspruch des Kindes gegen seine Eltern hin. Eine Interpretation als eigenes Grundrecht gegen die Eltern würde aber die geltende Grundrechtsdogmatik fundamental verändern. Mit einem solchen Recht würden die Grenzen zwischen dem einfachen, bürgerlichen Recht, das dem Kind z. B. ein Unterhaltsrecht gegen seine Eltern einräumt, und den Grundrechten verwischt, die nur den Staat, keine Privatpersonen binden. Der Staat, nicht die Eltern, ist gem. Art.  1 Abs.  3 GG grundrechtsverpflichtet. Die Schutzbedürftigkeit der Kinder ließe sich zwar mit dem Argument rechtfertigen, Kinder befänden sich ihren Eltern gegenüber in einer ähnlich schutzbedürftigen Lage wie Bürger gegenüber dem Staat. Daher müsste die Elternmacht einer ebensolchen Grundrechtsbindung unterworfen werden wie die des Staates gegenüber seinen Bürgern. Doch diese Interpretation widerspricht dem Wortlaut des Art.  1 Abs.  3 GG. Eltern sind keine dem Staat vergleichbare Institution und benötigen deshalb keine Rechtfertigung für ihr Handeln wie dieser.596 Für eine solche Interpretation spricht auch die Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht das neue und in seiner dogmatischen Besonderheit durchaus rechtfertigungsbedürftige Recht nicht weiter begründet und in späteren Senatsentscheidungen597 die Konstruktion nicht mehr verwandt hat.598 Insofern spricht mehr dafür, in dem vom Bundesverfassungsgericht postulierten „Recht“ nicht ein Grundrecht im Sinne des Art.  1 Abs.  3 GG oder einen Anspruch zu sehen.599 Welche Bedeutung der Verbindung der in einem Grund-

594 

BVerfG, Urt. v. 1.4.2008 – 1 BvR 1620/04, BVerfGE 121, 69, 93 f. Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 169 ff.; Jestaedt, in: Coester-­ Waltjen u. a. (Hrsg.), Alles zum Wohle des Kindes, 2012, 13 ff. 596  Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 171. 597  Vgl. allerdings: BVerfG, Beschl. d. 2. Kammer d. Ersten Senats v. 20.10.2008 – 1 BvR 2275/08, BVerfGK 14, 347, 352. 598 Kritisch Jestaedt, in: Coester-Waltjen u. a. (Hrsg.), Alles zum Wohle des Kindes, 2012, 13, 27 ff. 599 Sachs-GG/‌ v. Coelln, 2014, Art.  6, Rn.  68; vgl. auch v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌ Robbers, 2010, Art.  6 Abs.  2, Rn.  182. 595 Kritisch

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recht einzigartigen Kombination von Recht und Pflicht600 zukommt ist damit freilich noch nicht geklärt. Dem wird unten weiter nachgegangen. 601 bb.  Das Verhältnis Kind – Staat: Das Grundrecht auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung Nicht nur den Eltern gibt Art.  6 Abs.  2 GG eine grundrechtliche Berechtigung, nämlich das Recht, sich um ihr Kind zu kümmern. Auch das Kind selbst hat im Verhältnis zum Staat Rechte, etwa dass dieser die elterliche Unterstützung bei der Entwicklung der kindlichen Persönlichkeit nicht verhindert. Darüber hinaus trifft den Staat allerdings auch eine „Gewährleistungspflicht“; ihn trifft, so das Bundesverfassungsgericht, eine „Kontroll- und Sicherungsverantwortung“ dafür, dass sich das Kind in der Betreuung seiner Eltern zu seiner eigenverantwortlichen Persönlichkeit entwickeln kann. 602 Im Urteil vom 19.2.2013 formulierte das Bundesverfassungsgericht die in diesem Zusammenhang bestehenden Abwehr- und Leistungsrechte aus. Danach enthält die Verfassung ein Recht des Kindes aus Art.  2 Abs.  1 GG in Verbindung mit Art.  6 Abs.  2 GG auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung. 603 Art.  2 Abs.  1 GG schützt das Recht zur Entfaltung der eigenen Persönlichkeit. Das Elternrecht gem. Art.  6 Abs.  2 GG sei im Interesse des Kindes ­gewährleistet und werde von den Eltern in diesem Sinne ausgeübt. Das Kind müsse seine Persönlichkeit erst noch entwickeln und benötige dafür die Unterstützung anderer, erwachsener Menschen, insbesondere seiner Eltern. Das Grundgesetz mit Art.  2 Abs.  1 GG in Verbindung mit Art.  6 Abs.  2 GG ge­ währleiste daher das Recht des Kindes gegen den Staat, die Wahrnehmung der Elternverantwortung im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit soweit erforderlich zu fördern. Wörtlich führt das Gericht aus: „Der dem Staat durch Art.  2 Abs.  1 in Verbindung mit Art.  6 Abs.  2 Satz  1 GG auferlegte Gewährleistungsauftrag verpflichtet ihn, das Wie und das Ob elterlicher Pflichtenwahrnehmung in Ausrichtung auf das Kindeswohl zu sichern. Diese Aufgabe hat insbesondere in der der staatlichen Gemeinschaft durch Art.  6 Abs.  2 Satz  2 GG zugewiesenen Wächterfunktion Ausdruck gefunden. Darüber hinaus ist Teil dieser dem Staat verbleibenden Verantwortung, die – von der Verfassung vorausgesetzte – spezifisch elterliche Hinwendung zu den Kindern (vgl. BVerfGE 101, 361 [385 f.]) dem Grunde nach zu ermöglichen und zu sichern (vgl. BVerfGE 57, 361 [382 f.]; 121, 69 [95]). Dazu gehört auch die Verpflichtung des Staates, rechtliche Vorkehrungen dafür zu treffen, dass in Fällen, in denen die leiblichen Eltern nicht bereit oder nicht in der Lage sind, die elterlichen 600  Ossenbühl, Erziehungsrecht, 1981, 50; „singulär“ Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V II, 2009, §  155, Rn.  13. 601  Vgl. unten Teil 2 II 4 d (S.  132). 602  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 73–77, 73 f., Rn.  42. 603  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 73–77, Rn.  40– 46; Vgl. dazu grundlegend: Britz, JZ 2014, 1069, 1074.

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

Funktionen wahrzunehmen, elterliche Verantwortung von anderen Personen übernommen werden kann (vgl. BVerfGE 24, 119 [148 f.]). Art.  2 Abs.  1 in Verbindung mit Art.  6 Abs.  2 Satz  1 GG begründet insofern ein auf die tatsächliche Pflichtenwahrnehmung durch Eltern gerichtetes subjektives Gewährleistungsrecht des Kindes gegenüber dem Staat.604 Wie der Staat seine Verpflichtung zu einem effektiven Grundrechtsschutz erfüllt, ist in erster Linie vom Gesetzgeber zu entscheiden.“605

Das Recht des Staates auf Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung etabliert damit keinen grundrechtlichen Anspruch neuerer Art des Kindes gegen die Eltern. Vielmehr lässt sich das „neue“, weil ungeschriebene Grundrecht in klassischer Grundrechtsdogmatik in eine abwehrrechtliche Komponente und eine gewährleistungsrechtliche Komponente unterteilen. Habe das Kind Eltern, so müsse der Staat respektieren, dass die Eltern die Unterstützung des Kindes bei seiner Persönlichkeitsentwicklung leisten. Trenne der Staat das Kind von seinen Eltern, so greife er nicht nur in die Rechte der Eltern aus Art.  6 Abs.  2 GG ein, sondern auch in das Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung. 606 Der abwehrrechtliche Aspekt des Grundrechts auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung war allerdings im Urteil vom 13.2.2013 nicht Gegenstand des Verfahrens. Im Kern standen die gewährleistungsrechtliche Dimension und die Frage, ob dem Lebens­ partner die Adoption des Adoptivkinds seines Lebenspartners ermöglicht werden müsse. Die abwehrrechtliche Funktion des Grundrechts wurde jedoch von der Berichterstatterin Britz in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung diskutiert. 607 Über die abwehrrechtliche Komponente hinaus weist das Grundrecht einen Gewährleistungsgehalt auf und begründet Handlungspflichten des Staates. Art.  6 Abs.  2 und 3 GG etabliert danach die Pflicht des Staates, über die Ausübung der Elternrechte zu wachen und sicher zu stellen, dass diese im Interesse des Kindes ausgeübt werden. 608 Versagen die Eltern in ihrer Verantwortung gegenüber dem Kind, so kann Art.  2 Abs.  1 GG in Verbindung mit Art.  6 Abs.  2 GG einen Anspruch des Kindes gegen den Staat begründen, dass dieser einschreitet, um den Eltern zu helfen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Ist dies nicht möglich, weil beispielsweise die Eltern verstorben sind, so muss der Staat alle nötigen rechtlichen und tatsächlichen Maßnahmen ergreifen, die anderen Personen die Übernahme elterlicher Verantwortung für das Kind erlauben. Insofern kommt dem Staat freilich ein Einschätzungsspielraum zu. Damit wurde die subjektive Dimension des Wächteramts, die den Staat im Rahmen 604 

BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 74 f., Rn.  43. BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 75 f., Rn.  45. 606  Britz, JZ 2014, 1069, 1070. 607  Britz, JZ 2014, 1069, 1070. 608  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 73–74, Rn.  42– 43. 605 

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seiner Schutzpflicht nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, zum Schutz des Kindes gegen die Eltern einzuschreiten, betont und in einen größeren Kontext gestellt. d. Zwischenergebnis Das Elternrecht gem. Art.  6 Abs.  2 GG, das den Eltern das Recht und die Pflicht zuweist, Erziehung und Pflege ihres Kindes zu übernehmen, kann nicht isoliert betrachtet werden, sondern ist im Dreiecksverhältnis von Eltern, Staat und Kind zu begreifen. Der Staat muss die Freiheit der Eltern achten, aber zum Schutz des Kindes im Rahmen seines staatlichen Wächteramts eingreifen. Das staatliche Wächteramt hat also insofern eine subjektiv-rechtliche Dimension, als es auf die Gewährleistung des Grundrechts des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung gerichtet ist. Außerdem muss der Staat die praktische Ausübung des Grundrechts des Art.  6 Abs.  2 GG für Eltern und Kinder durch einfachrechtliche Ausgestaltung von zivilrechtlichen Rechten und Pflichten der Eltern ermöglichen. Ohne die entsprechenden Rechte und Pflichten der Eltern untereinander nach Maßgabe des BGB bleibt die grundrechtliche Position der Eltern unwirksam. Das Kind hat zwar kein Grundrecht gegen seine Eltern, wohl aber steht ihm gegen den Staat das Recht auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung zu. Dieses bezieht sich sowohl auf Achtung und Schutz der bestehenden Familienbeziehung als auch auf das Eingreifen, wenn die Eltern in ihrer Verantwortung versagen.

4.  Der Inhalt des „dienenden“ Elternrechts gem. Art.  6 Abs.  2 GG Nachdem das Dreiecksverhältnis von Eltern, Kind und Staat dargestellt wurde, soll nun der Inhalt des Elterngrundrechts, der sachliche Gewährleistungsgehalt, selbst in den Blick genommen werden. Den Eltern kommt gem. Art.  6 Abs.  2 GG das „natürliche“609 „Recht“ und die „Pflicht“ zu, ihr Kind zu pflegen und zu erziehen. 610 Insbesondere das Verhältnis zwischen „Recht“ und „Pflicht“ bedarf dabei näherer Klärung. 611 Richtigerweise bedeutet die Verknüpfung zwischen Recht und Pflicht nicht, dass das Elternrecht des Grundgesetzes nicht auch im Interesse der Eltern besteht. Weiterhin bedeutet es nicht, dass alle Erziehungsmaßnahmen der Eltern nach staatlichem Verständnis objektiv dem Kindeswohl dienen müssen. Das Grundgesetz weist vielmehr in den Grenzen der Gefährdung des Kindes die Entscheidung, was dem Wohl des Kindes dient, den Eltern zu. Obwohl „Recht“ und „Pflicht“ in einem untrennbaren Verhält609 Zur Bedeutung des „natürlichen“ Elternrechts gem. Art.   6 Abs.  2 GG: Teil 2 II 4 b (S. 129). 610  Zu Pflege und Erziehung: Teil 2 II 4 c (S. 131). 611  Zu Elternrecht und Elternpflicht: Teil 2 II 4 d (S.  132).

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nis stehen, 612 gibt das Grundgesetz Eltern grundsätzlich die Freiheit zu entscheiden, wie sie ihren Pflichten nachkommen wollen. a.  Die Besonderheit des Eltern-Kind-Verhältnisses In Ehe, Familie und Elternschaft verwirklichen Menschen ihre Persönlichkeit in der Beziehung zu anderen Menschen. Die Ehe ermöglicht z. B. die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit in einer gleichberechtigten Beziehung zum Ehepartner. 613 Demgegenüber ist das Verhältnis von Eltern und Kindern auch bei partnerschaftlicher Erziehung ein grundlegend anderes. Kinder sind einerseits Grundrechtsträger mit eigener Menschenwürde und dem Recht auf Entfaltung ihrer Persönlichkeit. 614 Aufgrund ihrer noch geringeren Einsichtsfähigkeit und Reife können Kinder aber andererseits noch nicht in gleichem Maße selbstständig über die inhaltliche Wahrnehmung und prozessuale Geltendmachung ihrer Rechte entscheiden. 615 Kinder benötigen noch Unterstützung bei der Entwicklung ihrer körperlichen, geistigen und seelischen Fähigkeiten, um sich zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten innerhalb der Gemeinschaft entwickeln zu können. 616 Ziel des Elterngrundrechts ist es insofern, das Kind bei dieser Entwicklung zu schützen, zu nähren und zu unterstützen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass Kinder mit zunehmender Reife Schritt für Schritt in die Selbstbestimmung hineinwachsen, sodass die im Elterngrundrecht wurzelnden Befugnisse zurückgedrängt werden, bis für eine Erziehung durch die Eltern kein Raum mehr bleibt. 617 Das Elterngrundrecht ist im Verhältnis zum Kind 612  BVerfG, Urt. v. 9.2.1982 – 1 BvR 845/79, BVerfGE 59, 360, 377; BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 1 BvL 12/81, BVerfGE 61, 358, 372; Sachs-GG/‌v. Coelln, 2014, Art.  6 , Rn.  53; Maunz/Dürig-GG/‌Badura, Stand 2013, Art.  6 Abs.  2, 3, Rn.  109; BeckOK-GG/‌Uhle, Art.  6 , Rn.  48. 613  BVerfG, Urt. v. 18.12.1953 – 1 BvL 106/53, BVerfGE 3, 225, 242 f.; BVerfG, Beschl. v. 21.5.1974 – 1 BvL 22/71, 21/72, BVerfGE 37, 217, 249 ff.; BVerfG, Beschl. v. 5.2.2002 – 1 BvR 105, 559/95, 457/96, BVerfGE 105, 1, 10 ff.; BVerfG, Urt. v. 6.2.2001 – 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89, 101; BVerfG, Beschl. v. 25.1.2011 – 1 BvR 918/10, BVerfGE 128, 193, 207; Sanders, in: Emmenegger/Wiedmann (Hrsg.), Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht, 2011, 351, 372. 614  Vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 144; vgl. zur Diskussion um die Aufnahme eigener Kinderrechte in das Grundgesetz: Hohmann-­ Dennhardt, FPR 2012, 185; Lütkes/Sedlmayr, FPR 2012, 187; Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 89 ff. 615  Vgl. zur Grundrechtsfähigkeit und Grundrechtsmündigkeit von Kindern: W. Roth, Die Grundrechte Minderjähriger, 2003; m. w. N. Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 489 ff. 616  BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 144; BVerfG, Urt. v. 9.2.1982 – 1 BvR 845/79, BVerfGE 59, 360, 382; BVerfG, Beschl. v. 18.6.1986 – 1 BvR 857/85, BVerfGE 72, 122, 137; BVerfG, Beschl. v. 27.11.1990 – 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, 130, 140; Heiß, NZFam 2015, 491 f. 617  BVerfG, Urt. v. 9.2.1982 – 1 BvR 845/79, BVerfGE 59, 360, 382; vgl. Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 101 ff.

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also darauf ausgelegt, insbesondere fremdnützig zu sein (weil es jemand anderem als seinem Inhaber nützt) und im Laufe der Zeit überflüssig zu werden (weil das Kind der Erziehung und Sorge nicht mehr bedarf). b.  Das „natürliche“ staatsferne Elterngrundrecht Wie schon Art.  120 WRV bezeichnet Art.  6 Abs.  2 GG Recht und Pflicht der Eltern als „natürlich“. 618 Ebenso wie bei der WRV619 ist die Bezeichnung als „natürliches“ Recht auch im GG nicht als naturrechtliche Begründung der ­Elternschaft zu verstehen. 620 Allerdings vertraten, wie oben gezeigt, einige Mitglieder des Parlamentarischen Rates durchaus religiöse-naturrechtliche Vorstellungen von Ehe und Familie. 621 Naturrechtliche Begründungsansätze sind in der Rechtsphilosophie jedoch mit der kantianischen Erkenntnis, dass sich aus einem Sein kein Sollen ableiten lasse, zweifelhaft geworden. 622 Selbst wenn man eine naturrechtliche Begründung bejahen wollte, so könnten naturrechtliche Ansätze über den Text der Verfassung hinaus schon allein aufgrund der Vielgestaltigkeit der Naturrechtslehren keine weitergehende normative Bindungswirkung entfalten. 623 Verstehen lässt sich das „natürliche“ Recht der Eltern als Hinweis darauf, dass es sich bei dem Verhältnis von Eltern und Kindern um ein vorrechtliches, soziales und – jedenfalls zumeist – auf biologischer Abstammung624 beruhendes, natürliches Phänomen und nicht eine staatliche Institution im Sinne einer recht-

618  Auf die Frage, ob damit eine besondere Stellung der leiblichen Elternschaft begründet wird, wird im Zusammenhang mit der Untersuchung des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs genauer zurückzukommen sein. So Sachs-GG/‌v. Coelln, 2014, Art.  6 , Rn.  52; BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 100. 619 Vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 14.  Aufl. 1933, Art.  120 Anm.  2; Holstein, AöR 12 (1927), 187, 190 ff. 620 Sachs-GG/‌ v. Coelln, 2014, Art.  6 , Rn.  52; Vgl. v. Münch/Kunig-GG/‌Coester-Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  69; W. Roth, Die Grundrechte Minderjähriger, 2003, 100 ff. 621  Vgl. Teil 2 II 1 b cc (S. 111). 622  Auer, AcP 216 (2016), 239 ff.; vgl. zu dem bei Auer inspirierend diskutierten Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft zur Begründung familienrechtlicher Institutionen oben Teil 1 II 4 d (S. 25). 623  So bereits BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 27, 100/58, BVerfGE 10, 59, 81: „Die verfassungsrechtliche Prüfung an diesen Vorstellungen zu orientieren, verbietet sich jedoch schon durch die Vielfalt der Naturrechtslehren, die zutage tritt, sobald der Bereich fundamentaler Rechtsgrundsätze verlassen wird, und die sich vor allem bei der Erörterung der innerhalb der naturrechtlichen Diskussion selbst sehr bestrittenen Fragen des Verhältnisses „Naturrecht und Geschichtlichkeit“, „Naturrecht und positives Recht“ zeigt. Für die hier vorzunehmende Prüfung kommt daher als Maßstab nur das Grundgesetz in Betracht.“; vgl. v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌Robbers, 2010, Art.  6 , Rn.  183 ff.; Stern/BeckerGG/‌Kotzur, 2016, Art.  6 , Rn.  43. 624  v. Münch/Kunig-GG/‌ Coester-Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  69 knüpft hier bereits an die leibliche Abstammung an.

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lichen Konstruktion handelt. 625 Beziehungen zwischen Eltern und Kindern gibt es als „lebensweltliches Faktum“626 nicht nur seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte, sondern auch im Tierreich. 627 Insoweit findet sich auch in Art.  16 Abs.  3 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948 die Anerkennung der Familie als „natürliche und grundlegende Einheit der Gesellschaft“. An dieses Faktum und den „biologisch-psychologisch-sozialen Durchschnittsbefund“628 knüpft Art.  6 Abs.  2 GG als Menschenrecht an. Auch das Bundesverfassungsgericht beschreibt, wie bereits die Kommentierung von Anschütz zur Weimarer Reichsverfassung, 629 das Elternrecht in der Tat immer wieder als ein nicht vom Staat verliehenes, sondern als ein vorgefundenes Recht. 630 Bei aller Zustimmung für diesen Befund ist hier allerdings zu berücksichtigen, dass in unserer Gesellschaft die Ausübung von Elternschaft, insbesondere gegenüber Dritten, ohne rechtliche Ausgestaltung unmöglich ist. 631 Es braucht das Sorge-, Unterhalts- und Umgangsrecht, um für Eltern und Kinder durchsetzbare Rechte gegeneinander zu schaffen. 632 Das „natürliche“ Elterngrundrecht darf also nicht als Gegensatz zur rechtlichen Ausgestaltung gesetzt werden. Vielmehr ist die Ausgestaltung zu seiner effektiven Wahrnehmung erforderlich. Die Formulierung des „natürlichen Rechts“ kann, zusammen mit den engen Vorgaben für das staatliche Wächteramt, als Gegensatz zur Vereinnahmung der Familie im totalitären Staat633 verstanden werden, in dem die familiäre Beziehung allein als Gegenstand optimaler Regulierung zur Herbeiführung eines bestimmten gesellschaftlichen Modells verstanden wurde. Andererseits ist aber unter diesem Blickwinkel gegenüber dem Begriff „natürlich“ auch Vorsicht geboten. Bei einer zu starken Fokussierung auf das „natürliche“ Recht besteht die Gefahr, aus einem (angeblich) natürlichen Verständnis von Elternschaft ideologisch geprägte normative Folgerungen für das Elterngrundrecht abzuleiten.634 Wird beispielsweise die Ehe als „natürliche“ Grundlage der Familie verstanden, 625 v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌ Robbers, 2010, Art.  6, Rn.  183; Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 110. 626 Stern/Becker-GG/‌ Kotzur, 2016, Art.  6 , Rn.  43. 627  Vgl. zur Elternschaft, insbesondere Mutterschaft bei Säugetieren, insbesondere Primaten und Menschen nur: Blaffer Hrdy, Mother Nature, 1999, dies., Mothers and Others, 2011. 628 Stern/Becker-GG/‌ Kotzur, 2016, Art.  6 , Rn.  43; Ossenbühl, Erziehungsrecht, 1981, 46. 629  Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 14.  Aufl. 1933, Art.  120 Anm.  2. 630  Vgl. nur BVerfG, Urt. v. 9.2.1982 – 1 BvR 845/79, BVerfGE 59, 360, 376; BVerfG, B ­ eschl. v. 17.2.1982 – 1 BvR 188/80, BVerfGE 60, 79, 88; vgl. Maunz/Dürig-GG/‌Badura, Stand 2013, Art.  6 , Rn.  91. 631  BVerfG, Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168, 180; BVerfG, Beschl. v. 7.3.1995 – 1 BvR 790/91, 540, 866/92, BVerfGE 92, 158, 178 f.; BVerfG, Urt. v. 1.4.2008 – 1 BvR 1620/04, BVerfGE 121, 69, 94. 632  Vgl. dazu bereits oben Teil 2 II 3 c bb (S.  125). 633  Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 110. 634  Vgl. zu dem aus Sicht der nachkantianischen Philosophie unmöglichen Unterfangen,

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so besteht etwa die Gefahr, nichtehelichen Eltern aufgrund ihrer Abweichung von der „natürlichen“ Elternschaft Rechte zu verweigern. c.  Der Umfang des Elterngrundrechts: Erziehung und Pflege Welche Handlungen unterliegen nun dem Schutz des Elterngrundrechts? Art.  6 Abs.  2 S.  1 GG weist „Pflege und Erziehung“ den Eltern zu. Dabei wird „Pflege“ mit dem körperlichen Wohl des Kindes verbunden, „Erziehung“ mit seiner geistigen und seelischen Entwicklung.635 Im Hinblick auf die Pflege des Kindes müssen die Eltern für Gesundheit, Hygiene, Ernährung und Bewegung des Kindes Sorge tragen. In Bezug auf die Erziehung des Kindes sind die Bildung und Ausbildung des Kindes einschließlich seiner Lektüre, 636 Sprachförderung, sexuellen Aufklärung und Erziehung637 sowie der Vermittlung von Werten und religiösen Überzeugungen grundrechtlich geschützt. 638 Eine Abgrenzung zwischen „Pflege“ und „Erziehung“ ist nicht immer trennscharf möglich. So dient die fürsorgliche Beaufsichtigung eines kleinen Kindes gleichzeitig seinem körperlichen Wohlergehen und seiner geistig-seelischen Entwicklung. Jedenfalls ist alles Handeln in Bezug auf das Kind in diesem Sinne einschließlich der Personen- und Vermögenssorge, die in §§  1626 ff. BGB ausgestaltet ist, vom Elterngrundrecht umfasst. 639 Zum Recht auf Pflege und Erziehung gehört auch die Wahl des Kindesnamens640 und die Sorge für einen angemessenen Unterhalt. 641 Auch das Umgangsrecht der Eltern ist als grundlegende Basis für die Eltern-­ Kind-Beziehung als „wesentlicher Bestandteil“ des Elternrechts von Art.  6 Abs.  2 GG geschützt.642 . aus einem Sein auf ein Sollen zu schließen: Auer, AcP 216 (2016), 239 ff. sowie bereits oben Teil 1 II 4 d (S. 25). 635 v. Münch/Kunig-GG/‌ Coester-Waltjen, 2012, Art.   6, Rn.   63; Dreier-GG/‌ Brosius-­ Gersdorf, 2013, Art.  6 , Rn.  158 f.; v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌Robbers, 2010, Art.  6 , Rn.  143; Jarass/Pieroth-GG/‌Jarass, 2016, Art.  6 Abs.  42. 636  BVerfG, Beschl. v. 10.3.1958 – 1 BvL 42/56, BVerfGE 7, 320, 323 f; BVerfG, Beschl. v. 27.11.1990 – 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, 130, 139. 637  BVerfG, Beschl. v. 21.12.1977 – 1 BvL 1/75, 1 BvL 147/75, BVerfGE 47, 46, 70, 74. 638  BVerfG, Beschl. v. 17.12.1975 – 1 BvR 63/68, BVerfGE 41, 29, 47; BVerfG, Beschl. v. 27.1.2015 – 1 BvR 471, 1181/10, BVerfGE 138, 296, 337, Rn.  106; vgl. dazu Hong, Der Staat, 54, 409 (2015). 639  Vgl. insgesamt mit Nachweisen: Dreier-GG/‌Brosius-Gersdorf, 2013, Art.  6 , Rn.  158 f. 640  BVerfG, Urt. v. 30.1.2002 – 1 BvL 23/96, BVerfGE 104, 373, 385; BVerfG, Beschl. d. 2. Kammer d. Ersten Senats v. 5.12.2008 – 1 BvR 576/07, BVerfGK 14, 479. 641  BVerfG, Urt. v. 6.2.2001 – 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89, 107. 642  BVerfG, Beschl. v. 15.6.1971 – 1 BvR 192/70, BVerfGE 31, 194, 205; BVerfG, Urt. v. 1.4.2008 – 1 BvR 1620/04, BVerfGE 121, 69, 94; Einschränkungen des Umgangsrechts sind auch bereits häufig Gegenstand der Kammerrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewesen: Vgl. zu solchen Fallgestaltungen: BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 29.7.2015 – 1 BvR 1468/15, FamRZ 2015, 1686; BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 30.7.2014 – 1 BvR 1530/14, juris; BVerfG, Beschl. d. 2. Kammer d. Ersten Senats v. 13.12.2012 – 1 BvR 1766/12, FamRZ 2013, 433.

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d.  Elternrecht und Elternpflicht gem. Art.  6 Abs.  2 GG Erziehung und Pflege des Kindes werden in Art.  6 Abs.  2 S.  1 GG als „Recht und Pflicht“ der Eltern bezeichnet.643 Wörtlich führte das Bundesverfassungsgericht dazu aus: „Das darin [Art.  6 Abs.  2 GG] gewährleistete Grundrecht bezieht sich auf eine bestimmte Aufgabe und die hierfür zu entfaltende Tätigkeit, die durch die Wortstellung besonders hervorgehoben ist. Die Eltern haben das Recht, die Pflege und Erziehung ihrer Kinder nach ihren eigenen Vorstellungen frei zu gestalten und genießen insoweit, vorbehaltlich des Art.  7 GG, Vorrang vor anderen Erziehungsträgern. Dieser Grundrechtsschutz darf aber nur für ein Handeln in Anspruch genommen werden, das bei weitester Anerkennung der Selbstverantwortlichkeit der Eltern noch als Pflege und Erziehung gewertet werden kann, nicht aber für das Gegenteil: die Vernachlässigung des Kindes. Die Verfassung macht dies durch die Verknüpfung des Rechts zur Pflege und Erziehung mit der Pflicht zu dieser Tätigkeit deutlich. Diese Pflichtbindung unterscheidet das Elternrecht von allen anderen Grundrechten; sie ist auch anderer Art als die Sozialgebundenheit des Eigentums (vgl. Art.  14 Abs.  2 GG). In Art.  6 Abs.  2 Satz  1 GG sind Recht und Pflicht von vornherein unlöslich miteinander verbunden; die Pflicht ist nicht eine das Recht begrenzende Schranke, sondern ein wesensbestimmender Bestandteil dieses ‚Elternrechts‘, das insoweit treffender als ‚Elternverantwortung‘ bezeichnet werden ­ kann […]. Art.  6 Abs.  2 Satz  1 GG schützt danach die freie Entscheidung der Eltern darüber, wie sie dieser natürlichen Verantwortung gerecht werden wollen; er schützt nicht diejenigen Eltern, die sich dieser Verantwortung entziehen.“644

Das Bundesverfassungsgericht sieht Elternrechte und ‑pflichten untrennbar verknüpft; es könne das eine nicht ohne das andere geben.645 Diese Verknüpfung macht den Kern der verfassungsrechtlichen Konzeption des Elterngrundrechts aus. In diesem Sinne drückt die Einordnung der Erziehung und Pflege als Pflicht der Eltern zunächst den fremdnützigen Charakter des Elterngrundrechts aus. Wie bereits angesprochen, ist das Grundrecht des Art.  6 Abs.  2 S.  1 GG insofern ein besonderes, im Grundgesetz sogar einzigartiges,646 als seine Ausübung nicht allein auf die Eltern selbst bezogen ist, sondern notwendig auf 643 In Art.   120 WRV erklärte die Erziehung noch zu „Pflicht und Recht“ der Eltern. ­ lumker erklärte diese Formulierung mit der geschichtlichen Entwicklung, nach der sich das K Recht der elterlichen Gewalt zunehmend in ein Schutzrecht verwandelt habe. Immerhin, so Klumker vorsichtig, könne man aus dem Nebeneinander dieser Begriffe folgern, dass das Recht von der Pflicht abhängig sein und eine Verletzung der Pflicht den Verlust des Rechts bedeuten könne: Klumker in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd.  II, 1930, 95, 99. 644  BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 143 f. 645  Insbesondere BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 102 unter Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 143; BVerfG, Beschl. v. 16.10.1979 – 1 BvR 647/70, 7/74, BVerfGE 52, 223, 235; BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 12/81, BVerfGE 61, 358, 372; BVerfG, Beschl. v. 14.4.1987 – 1 BvR 332/86, BVerfGE 75, 201, 218 f.; BVerfG, Beschl. v. 4.7.1989 – 1 BvR 537/87, BVerfGE 80, 286, 295. 646 BeckOK-GG/‌ Uhle, Art.  6 , Rn.  48.

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das Kind. Das Elternrecht wird daher als ein dienendes,647 fremdnütziges, 648 treuhänderisches649 und fiduziarisches650 Grundrecht bezeichnet. Recht und Pflicht ergeben nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den „Komplex“651 der „Elternverantwortung.“652 Dies bedeutet allerdings nicht, dass das Elterngrundrecht nicht auch im Interesse der Eltern besteht.653 Es obliegt im Übrigen zunächst der Verantwortung der Eltern, wie sie ihre Rechte und damit auch ihre Pflichten gegenüber ihren Kindern definieren und erfüllen. Es handelt sich also nicht um eine verfassungsrechtlich vorgegebene Pflichtenstellung, zu deren Durchsetzung das staatliche Wächteramt berufen wäre. Nur eine Gefährdung des Kindeswohls berechtigt (aber verpflichtet auch) den Staat im Rahmen des Wächteramts zu Eingriffen gegen die Eltern. Es ist allerdings grundsätzlich wiederum Aufgabe der Eltern, das Kindeswohl zu bestimmen.654 Mit dem Grundrecht der Eltern korrespondiert darüber hinaus insofern eine (verfassungsrechtliche) Grundpflicht,655 als sie überhaupt zur Erziehung und Pflege des Kindes tätig werden müssen; zum „Nichtstun“ sind sie nicht berechtigt. Zu Einhaltung dieser Pflicht kann der Staat die Eltern freilich ebenfalls nur bei einer Gefährdung des Kindeswohls anhalten. An dem Leitbild der untrennbaren Verbindung von elterlichen Rechten und Pflichten muss der Staat aber seine Ausgestaltung des einfachen Familienrechts ausrichten wie an der weiten inhaltlichen Einschätzungsprärogative, die den Eltern inhaltlich insoweit zukommt. 656

647  BVerfG, Urt. v. 9.2.1982 – 1 BvR 845/79, BVerfGE 59, 360, 377; BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 12/81, BVerfGE 61, 358, 372; Sachs-GG/‌v. Coelln, 2014, Art.  6 , Rn.  53; Maunz/Dürig-GG/‌Badura, Stand 2013, Art.  6 Abs.  2, 3, Rn.  109; BeckOK-GG/‌Uhle, Art.  6 , Rn.  48. 648  BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 12/81, BVerfGE 61, 358, 372; BVerfG, Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168, 180; Maunz/Dürig-GG/‌Badura, Stand 2013, Art.  6 Abs.  2, 3, Rn.  94, 109; Dreier-GG/‌Brosius-Gersdorf, 2013, Art.  6 , Rn.  142; 649  BVerfG, Beschl. v. 3.11.1981 – 1 BvR 632, 909, 936, 937, 938, 939, 940, 969, 970, 1026, 1027, 1249/80, BVerfGE 59, 360, 377; BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 12/81, BVerfGE 61, 358, 372; BVerfG, Beschl. v. 31.5.1983 – 1 BvL 11/80, BVerfGE 64, 180, 189; Maunz/Dürig-GG/‌Badura, Stand 2013, Art.  6 Abs.  2, 3, Rn.  94, 109. 650 Maunz/Dürig-GG/‌ Badura, Stand 2013, Art.  6 Abs.  2, 3, Rn.  109; BeckOK-GG/‌Uhle, Art.  6 , Rn.  48; „im echten Sinne anvertraute Freiheit“ BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 12/81, BVerfGE 61, 358, 372. 651 BeckOK-GG/‌ Uhle, Art.  6 , Rn.  48. 652  Ständige Rechtsprechung seit: BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 143; v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌Robbers, 2010, Art.  6 , Rn.  143 ff. 653  Dazu sogleich Teil 2 II 4 d aa (S. 134). 654  Dazu anschließend Teil 2 II 4 d bb (S. 134). 655  BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 12/81, BVerfGE 61, 358, 372. 656  Dazu anschließend Teil 2 II 4 d cc (S. 143).

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

aa.  Elternrecht ausschließlich im Interesse des Kindes? Denkbar wäre es zunächst, das Recht der Eltern und die „zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“ so zu verstehen, dass das Elternrecht allein im Interesse des Kindes, nicht zumindest auch der Eltern, gewährleistet ist. Dagegen spricht jedoch bereits der Wortlaut des Art.  6 Abs.  2 S.  1 GG, der nicht nur von „Pflicht“, sondern auch von einem „Recht“ spricht. Das Elternrecht ist nicht allein ein dienendes Recht, sondern auch eigennütziges Recht der Eltern. 657 Ihre Kinder auf die Welt kommen, aufwachsen zu sehen und an ihrer Entwicklung teilzuhaben, bedeutet für viele Eltern Lebenssinn658 und die Erfüllung ihres Bedürfnisses nach Liebe und menschlicher Nähe über Generationen hinweg. Das Leben mit Kindern ist damit zwar Dienst an der Persönlichkeitsentfaltung der Kinder, aber gleichzeitig auch elementare Persönlichkeitsentfaltung der Eltern.659 Eltern ohne Rechte, sondern nur mit Pflichten, wären „Erziehungsbeauftragte des Staates“660 oder, noch stärker formuliert, „Erziehungssklaven ihrer Kinder und Kinderaufzuchtsklaven des Staates“. 661 Aber Eltern sind Menschen, die sich entschieden haben, ihr Recht auszuüben, ein Leben mit Kindern zu leben und diese nach ihren Vorstellungen zu erziehen. Diese Erziehung dient dem Kind, aber sie vornehmen zu dürfen, ist auch ein eigenes Recht der Eltern, das ihnen nicht ohne Rechtfertigung entzogen werden darf. Insofern ist das Elternrecht ein Abwehrrecht gegen den Staat. bb.  Ausrichtung des Elternrechts am Kindeswohl Es liegt nahe, in der Verknüpfung zwischen Elternrecht und ‑pflicht eine Verbindung zum Kindeswohl zu sehen. Das Kindeswohl spielt in der Diskussion um die Ausgestaltung des Elternrechts im Allgemeinen und die Mehrelternschaft im Besonderen eine erhebliche Rolle. 662 Eine Verpflichtung auf das Kindeswohl in dem Sinne, dass das Elternrecht bereits inhaltlich voraussetzt, nur im Sinne des Kindeswohl ausgeübt werden zu dürfen, könnte allerdings bedeuten, dass der Staat bei jeder Handlung der Eltern einschreiten könnte, die nicht dem Kindeswohl dient, weil bereits der Schutzbereich des Art.  6 Abs.  2 S.  1 GG nicht eröffnet wäre.663 Damit könnte zwar einerseits die mit dem Grundrecht der Elternschaft verbundene Grundpflicht664 durchgesetzt werden, andererseits 657 Stern/Becker-GG/‌ Kotzur, 2016, Art.  6 , Rn.  4 4; v. Münch/Kunig-GG/‌Coester-Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  69; v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌Robbers, 2010, Art.  6 Abs.2, Rn.  189. 658 Vgl. W. Roth, Die Grundrechte Minderjähriger, 2003, 119. 659  Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 119. 660  Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 119. 661  W. Roth, Die Grundrechte Minderjähriger, 2003, 119. 662  Vgl. nur Brosius-Gersdorf, RdJB 2016, 136, 151 ff.; vgl. insgesamt zum Thema Kindeswohl: Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015. 663 Dreier-GG/‌ Brosius-Gersdorf, 2013, Art.  6 , Rn.  161 ff. 664  BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 12/81, BVerfGE 61, 358, 372.

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

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aber würde dies den Staat zu umfangreichen, weil von vornherein abwägungsfreien Eingriffen in das Eltern-Kind-Verhältnis berechtigen. Wäre dies der Fall, so würde es auch naheliegen, bereits die Eltern (als Grundrechtsträger des Art.  6 Abs.  2 GG und nach dem einfachen Recht des BGB) nach dem Kindeswohl zu bestimmen. Das Kindeswohl taucht in der Verfassung selbst als Begriff nicht auf, wohl aber in zahlreichen Normen des einfachgesetzlichen Familienrechts wie zum Beispiel §§  1626a, 1671, 1684 Abs.  4, 1685 und 1686a BGB. Im Verfassungsrecht wird das Kindeswohl gleichwohl immer wieder, insbesondere vom Bundesverfassungsgericht, zur Legitimierung von Grundrechtseingriffen in das Elternrecht gem. Art.  6 Abs.  2, 3 GG,665 als Legitimation des Elternrechts insgesamt666 sowie als Leitlinie für die Gestaltung667 des Elternrechts durch den Staat genannt. Allein diese Vielfalt der Verwendungen eines Begriffs, der in der Verfassung selbst nicht auftaucht, ist erstaunlich und nicht unproblematisch. Ein Verständnis des verfassungsrechtlichen Begriffs des Kindeswohls soll durch Vergleich mit dem Kindeswohlverständnis im einfachen Recht erarbeitet werden, um dann die Bedeutung für das verfassungsrechtliche Elternrecht zu bestimmen. Einfachrechtlich lassen sich verschiedene Maßstäbe und Funktionen des Kindeswohls identifizieren. So unterscheidet der Deutsche Ethikrat zwischen dem Kindeswohl als Maximalstandard im Sinne optimaler Förderung des Kindes und Minimalstandard im Sinne einer Vermeidung von Gefährdungen des Kindes. 668 In seiner Habilitationsschrift unterschied Coester zwischen der rechtlichen Funktion des Kindeswohls als Entscheidungsmaßstab und als Eingriffslegitimation. 669

665  Vgl. nur: BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 138: „Der Freiheitsraum der elterlichen Betätigung wird durch Abs.  2 und 3 des Art.  6 GG im Verhältnis zum Staate abgegrenzt: Diese Normen garantieren den Vorrang der Eltern, ihre Eigenständigkeit und Selbstverantwortlichkeit bei der Pflege und Erziehung der Kinder, bestellen aber zugleich die staatliche Gemeinschaft zum Wächter. Das so umgrenzte Elternrecht ist ein Grundrecht im klassischen Sinne, das den Eltern ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe gewährt, soweit diese nicht durch das ‚Wächteramt‘ gedeckt sind.“ 666  Auf das Kindeswohl ausgerichtet: BVerfG, Beschl. v. 21.5.1974 – 1 BvL 22/71, 21/72, BVerfGE, 37, 217, 252; „Art 6 Abs.  2 GG garantiert das Elternrecht im Interesse des Kindeswohls“ BVerfG, Beschl. v. 18.7.1979 – 1 BvR 650/77, BVerfGE 51, 386, 398 (st. Rspr.); BVerfG, Urt. v. 9.2.1982 – 1 BvR 845/79, BVerfGE 59, 360, 376 f.; BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 12/81, BVerfGE 61, 358, 371 f.; BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 102; BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 77 f. 667  BVerfG, Beschl. v. 15.6.1971 – 1 BvR 192/70, BVerfGE 31, 194, 205; BVerfG, Beschl. v. 21.7.2010 – 1 BvR 420/09, BVerfGE 127, 132, 146. 668  Vgl. zum Minimal- und Maximalstandard des Kindeswohls: Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung, 2016, 85 f. 669  Coester, Das Kindeswohl als Rechtsbegriff, 1983, 135 ff.

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

(1)  Kindeswohl als Maximalstandard Vorschriften des einfachen Rechts wie §§  1671, 1685 und 1686a BGB verlangen vom Richter, Entscheidungen zu treffen, die dem Kindeswohl dienen oder am besten dienen. Hier ist die Entscheidung anzustreben, die das Kindeswohl maximiert. Das Kindeswohl ist Maßstab der Entscheidungsfindung für den Richter. 670 Nach hier vertretener Auffassung kann aber der Schutzbereich des verfassungsrechtlichen Elternrechts nicht in der Weise definiert werden, dass nur Maßnahmen, die dem Kindeswohl maximal dienen, dem Schutzbereich unterfallen. Der Überzeugung, das Familienrecht müsse das Bestmögliche für das Wohl des Kindes erreichen, wird zwar niemand widersprechen wollen. Und als Chiffre für den abstrakten Wunsch, dass es Kindern gut gehen soll, ist das Kindeswohl allgemein konsensfähig. Konkrete Folgen daraus abzuleiten, ist jedoch deutlich schwieriger. Allein der individuelle Wunsch, das „Beste für das Kind“ zu wollen, gibt nur wenig Vorgaben dazu, was dieses „Beste“ allgemein und insbesondere im konkreten Fall ist. Der Begriff des Kindeswohls ist sehr unbestimmt; in ihm sind alle öffentlichen Interessen,671 kulturellen und sozialen Wertungen darüber enthalten, was Kindern nutzt und schadet und welche Leistungen Eltern für dieses Ziel zu erbringen haben. 672 Damit erhalten gesellschaftliche Überzeugungen, moralische Wertungen und die jeweils vorherrschenden Strömungen unter Entwicklungspsychologen und Pädagogen große Bedeutung. Die geschichtliche Entwicklung des Begriffs und seine Rolle in verschiedenen Rechtssystemen, insbesondere auch in der DDR,673 zeigen, dass das Kindeswohl jeweils eng mit gesellschaftlichen und staatlichen Vorstellungen verbunden war. 674 Der Begriff des Kindeswohls teilt damit die Schwierigkeiten anderer unbestimmter Rechtsbegriffe, an denen kritisiert wurde, der Gesetzgeber entledige sich seiner politischen Verantwortung, indem er die Entwicklung von Entscheidungsmaßstäben den Gerichten übertrage. 675 Selbst wenn man das Kindeswohl als Entscheidungsmaßstab, nicht als „pseudonormative Leerformel“, sondern als „Rechtsnorm mit grundsätzlich erschließungsfähigem und ‑bedürftigen Inhalt“ sieht,676 so besteht bei einer Ausrichtung des Schutzbereichs des Art.  6 Abs.  2 S.  1 GG auf das einfachrechtlich umschriebene Kindeswohl ein Risiko. Denn über den allgemeinen Begriff des 670 

Coester, Das Kindeswohl als Rechtsbegriff, 1983, 143 ff. Germann, VVDStRL 73 (2014), 257, 277 bezeichnet das Kindeswohl denn auch als „offene Flanke“ des Elternbegriff. 672  Vgl. vertieft zum Kindeswohl: Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015. 673  Vgl. m. w. N.: Coester, Das Kindeswohl als Rechtsbegriff, 1983, 30 ff. 674  Vgl. zu einem historischen Überblick: Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 27 ff.; vgl. zur DDR: Coester, Das Kindeswohl als Rechtsbegriff, 1983, 29 ff. 675  Diederichsen, Die Flucht des Gesetzgebers aus der politischen Verantwortung im Zivilrecht, 1974. 676  Coester, Das Kindeswohl als Rechtsbegriff, 1983, 173. 671 

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

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Kindeswohls können veränderliche, gesellschaftlichem Wandel unterworfene Maßstäbe an das elterliche Verhalten angelegt werden und über den Tatbestand des Elternrechts den Grundrechtsschutz unangemessen verkürzen. Der demokratisch legitimierte Gesetzgeber wird naturgemäß das aktuelle gesellschaft­ liche und politische Verständnis der einfachen Gesetzgebung zugrunde legen. Der Einfluss des gesellschaftlichen Wandels auf die Interpretation der Begriffe der Verfassung ist zwar nicht als solches unzulässig, er lässt sich auch kaum vermeiden,677 doch ist es umso wichtiger, die Auswirkungen eines solchen Wandels kritisch zu reflektieren. Ausgangspunkt war bereits für die Väter und Mütter des Grundgesetzes die Vorstellung, dass Eltern, nicht der Staat, entscheiden müssten, was ihren Kindern dient. Würde aber nur dasjenige Elternhandeln unter dem Schutz des Grundgesetzes stehen, das das Kindeswohl nach dem ­jeweils aktuellen Maßstab wissenschaftlicher Erkenntnis optimal fördert, so würde das Elternrecht als Abwehrrecht gegen den Staat weitgehend entleert. Eine Bestimmung des Schutzbereichs des Elterngrundrechts über einen unbestimmten Rechtsbegriff wie das Kindeswohl im Sinne eines Maximalstandards sollte daher vermieden werden. Auch das Bundesverfassungsgericht hat einen solchen Maßstab des Kindeswohls nicht zur Rechtfertigung von konkreten Maßnahmen gegen bestimmte Eltern herangezogen. (2)  Minimalstandard des Kindeswohls für Eingriffe in das Elternrecht In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird die Kindeswohlgefährdung als (ungeschriebene) Voraussetzung für Eingriffe durch den Staat im Rahmen des staatlichen Wächteramts gem. Art.  6 Abs.  2, 3 GG angesehen. 678 Grundrechtsdogmatisch geht es also um eine Eingriffsrechtfertigung im Sinne einer Grundrechtsschranke. Einfachrechtlich werden solche Maßnahmen auf §§  1666, 1666a BGB gestützt. Coester spricht hier von der Funktion des Kindeswohls zur „Eingriffslegitimation“.679

677 Vgl. Auer, AcP 216 (2016), 239, 265 ff.; vgl. insgesamt zum Verfassungswandel: Kosch­ mieder, Grundrechtliche Dynamisierungsprozesse, 2016. 678  Eine besondere Aktualität bekamen Maßnahmen zum Schutz des Kindeswohls in der Kammerrechtsprechung des BVerfG 2014: vgl. BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 17.3.2014 – 1 BvR 2695/13, FamRZ 2014, 1177; BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 24.3.2014 – 1 BvR 160/14, FamRZ 2014, 1004 = FF 2014, 295; BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 7.4.2014 – 1 BvR 3121/13, FamRZ 2014, 907 ; BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 22.5.2014 – 1 BvR 2882/13, FamRZ 2014, 1266; BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 14.6.2014 – 1 BvR 725/14, NJW 2014, 2946; BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 22.9.2014 – 1 BvR 2108/14, FamRZ 2015, 208; BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 19.11.2014 – 1 BvR 1178/14, FamRZ 2015, 112; kritisch: Heilmann, NJW 2014, 2904; erklärend: Britz, FamRZ 2015, 793; zustimmend: Gärditz, FF 2015, 341. 679  Coester, Das Kindeswohl als Rechtsbegriff, 1983, 143 ff.

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

Der Staat wird in Art.  6 Abs.  2 GG als Wächter über die Ausübung des Eltern­rechts bezeichnet. Das sogenannte Wächteramt680 des Staates ist dogmatisch schwierig einzuordnen. Einerseits wird das staatliche Wächteramt mit dem Schutz der Grundrechte des Kindes681 begründet, hat also die oben angesprochene subjektiv-rechtliche Dimension. Andererseits soll es seine Funktion im Schutz des Kindeswohls haben. 682 Soweit §  1666 BGB in Ausgestaltung des Art.  6 Abs.  2, 3 GG die Gefährdung des Kindeswohls zum Entscheidungsmaßstab macht, bestimmt das Kindeswohl einen Minimalstandard, den Eltern nicht unterschreiten dürfen. (3)  Abgrenzung von Eingriff und Regelung des Elternverhältnisses Zur Klarstellung sei hier nur darauf hingewiesen, dass nicht alles Handeln des Staates im Zusammenhang mit Kindern den hohen Rechtfertigungsvoraussetzungen des Art.  6 Abs.  2, 3 GG entsprechen muss. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind bei Entscheidungen, die das Verhältnis der ­Eltern untereinander regeln, nicht die Eingriffsvoraussetzungen des Art.  6 Abs.  3 GG maßgeblich. Greift der Staat z. B. zugunsten des Umgangsrechts eines Elternteils regelnd und vollstreckend ein, so ist dieser Eingriff nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht am Maßstab des Art.  6 Abs.  2, 3 GG zu messen, sondern soll einen Ausgleich zwischen beiden Rechtspositionen der Eltern im besten Interesse des Kindes gewährleisten. 683 Auch hier ist der Staat natürlich an das Verhältnismäßigkeitsprinzip gebunden; er muss also im Rahmen des sogenannten „Schlichteramts“ Regeln zu materiellen und verfahrensrechtlichen Klärung bereitstellen, z. B. wenn Eltern nach einer Trennung keine gemeinsame Basis für die gemeinsame Sorge für ihr Kind mehr ­finden können. Freilich nimmt der Staat sein Wächteramt auch bei solchen Entscheidungen wahr und muss zur Wiederherstellung des Rechtsfriedens den Streit der Eltern schlichten und die Rechte der Eltern in einen angemessenen Ausgleich zum Wohle des Kindes bringen. 684 Dabei sollte natürlich der bestmögliche Schutz der Interessen des Kindes im Sinne eines Maximalstandards entscheidend sein. 680  BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 138: „Der Freiheitsraum der elterlichen Betätigung wird durch Abs.  2 und 3 des Art.  6 GG im Verhältnis zum Staate abgegrenzt: Diese Normen garantieren den Vorrang der Eltern, ihre Eigenständigkeit und Selbstverantwortlichkeit bei der Pflege und Erziehung der Kinder, bestellen aber zugleich die staatliche Gemeinschaft zum Wächter. Das so umgrenzte Elternrecht ist ein Grundrecht im klassischen Sinne, das den Eltern ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe gewährt, soweit diese nicht durch das ‚Wächteramt‘ gedeckt sind.“ 681  Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 177 ff. 682 v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌ Robbers, 2010, Art.   6 Abs.   2, Rn.   241 f.; Sachs-GG/ v. Coelln, 2014, Art.  6 , Rn.  69. 683  BVerfG, Beschl. v. 15.6.1971 – 1 BvR 192/70, BVerfGE 31, 194, 205. 684  BVerfG, Beschl. v. 15.6.1971 – 1 BvR 192/70, BVerfGE 31, 194, 205; BVerfG, Beschl. v. 5.11.1980 – 1 BvR 349/80, BVerfGE 55, 171, 177.

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

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Diesen zu bestimmen kommt dann dem Gesetzgeber und in zweiter Linie bei der Auslegung den Gerichten zu. Es würde freilich Entscheidungen zum Verhältnis der Eltern untereinander zur Maximierung des Kindeswohls unterschätzen, würde man ihren Eingriffscharakter leugnen. 685 Der Entzug der elterlichen Sorge zur Maximierung des Kindeswohls gegen den Willen eines Elternteils ist beispielsweise ein schwerer Eingriff in das Elternrecht. 686 Insofern besitzt das Kindeswohl in §  1671 BGB beispielsweise auch eine eingriffslegitimierende Funktion. 687 Ist allerdings keine andere Alternative als die Entscheidung zwischen mehreren Eltern für ein Elternteil möglich, so ist diese Entscheidung in Ausübung des Schlichtungsamtes688 mit Blick auf das Kindeswohl zu treffen. Hier geht es aber nicht darum, in die Erziehung der Eltern einzugreifen, sondern im Konfliktfall die beste von mehreren Alternativen zu wählen. Zur Rechtfertigung von Eingriffen des Staats gegen beide Eltern bestimmt die Verfassung jedoch einen Mindeststandard des Kindeswohls, an dem das Handeln der Eltern zu messen ist. (4)  Interpretationsprimat der Eltern über das Kindeswohl Mit der Orientierung an einem Mindestmaß für den Schutz des Kindeswohls für Eingriffe des Staates gegen die Eltern hat der Verfassungsgeber anerkannt, dass Menschen im Rahmen der Familie ein Raum privater Lebensgestaltung zu überlassen ist, aus dem sich der Staat grundsätzlich herauszuhalten hat. 689 Diese Entscheidung ist wieder in Bezug auf das Verhältnis zwischen Gemeinschaft und Individuum zu sehen, das bereits oben diskutiert wurde. 690 Die Erfahrungen staatlicher Kindererziehung in totalitären Staaten zeigen, dass inhaltliche Vorgaben des Staates für die Eltern in Bezug auf die Erziehung ihrer Kinder problematisch sind. Daher gibt das Grundgesetz den individuellen Entscheidungen der Eltern den Vorrang vor staatlichen Erziehungszielen. Anders als beispielsweise in der DDR, in der die Erziehung entsprechend dem sozialistischen Familienbild Kinder zu verlässlichen Bürgern der sozialistischen Gesellschaft machen sollte, 691 überlässt das Grundgesetz es den Eltern, das Kindeswohl und die Erziehungsziele für ihre Kinder bis zur Grenze der Gefährdung 685  Insofern weist Höfling zurecht darauf hin, dass Regelungen zur Konfliktlösung zwischen Eltern, die die Rechte eines Elternteils zugunsten des anderen Einschränken, keine ­reine Ausgestaltung des Grundrechts darstellen, sondern rechtfertigungsbedürftige Eingriffe: Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V II, 2009, §  155, Rn.  28. 686  In seinem Beschl. v. 21.7.2010 – 1 BvR 420/09, BVerfGE 127, 132, 152, Rn.  47 sah das Bundesverfassungsgericht in der generellen Vorenthaltung der elterlichen Sorge für den Vater zugunsten der Mutter einen Eingriff in Art.  6 Abs.  2 GG. 687  Coester, Das Kindeswohl als Rechtsbegriff, 1983, 137. 688  Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V II, 2009, §  155, Rn.  28, 88. 689  BVerfG, Urt. v. 17.1.1957 – 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, 55. 690  Vgl. Teil 1 II 3 (S.  11). 691  Vgl. mit umfangreichen Nachweisen zur Prägung öffentlicher Erziehungsmaßnahmen

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

des Kindeswohls zu konkretisieren. 692 Der staatliche Einfluss auf die Erziehung beschränkt sich im Rahmen des Art.  7 GG auf die staatliche Rolle im Schulwesen sowie über das staatliche Wächteramt im Wesentlichen auf die Beseitigung von Gefahren für das Kind.693 Die Identifizierung der Erziehungsziele und ‑methoden erfolgt im Übrigen staatsfern. 694 Die pluralistische Erziehung der Kinder in vielfältigen Elternhäusern wird so zur Grundlage der Gesellschaft des Grundgesetzes, nicht – wie in totalitären Staaten – zu einem Hindernis des Fortschritts, der durch Einflussnahme auf die Familie beseitigt werden müsste. Gerade in dieser freien Wahl von Erziehungszielen und -methoden und damit der Bestimmung des Kindeswohls nach elterlichen Vorstellungen zeigt sich der Charakter des Elternrechts als Freiheitsrecht unter dem Grundgesetz. 695 Die Bestimmung von Gefahren für das Kindeswohl mag zwar auch vom gesellschaftlichen und unter Umständen ideologischen Vorverständnissen bestimmt werden. 696 Trotzdem lässt sich eine „Gefährdung“ des Kindeswohls neutraler ermitteln, als Mittel und Wege zur Optimierung des Kindeswohls. Bei der Präzisierung der Schutzpflichten des Staates über das staatliche Wächteramt kann die Überlegung helfen, dass es hier um den Schutz der Grundrechte des Kindes697 bei seiner Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit geht. (5)  Die Kehrseite: Ungleichheit der Elternhäuser Mit dem Rückzug auf einen Minimalstandard zum Schutz des Kindeswohls räumt die Verfassung den Eltern einen erheblichen Vertrauensvorschuss ein. Das Bundesverfassungsgerichts rechtfertigt das Grundrecht gem. Art.  6 Abs.  2 GG sogar mit dem Interesse der Kinder, deren Interessen die Eltern besser als andere und jedenfalls besser als der Staat wahrnehmen: „Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Elternrechts gilt in erster Linie dem Schutz des Kindes. Sie beruht auf dem Grundgedanken, daß in aller Regel Eltern das Wohl des Kindes mehr am Herzen liegt als irgendeiner anderen Person oder Institution. aber auch der Durchsetzung dieses Leitbilds in individuellen Entscheidungen: Coester, Das Kindeswohl als Rechtsbegriff, 1983, 12 ff. 692  Höfling spricht insofern von der „elterlichen Primärverantwortung“ und dem „Deutungsprimat“ über das Kindeswohl: Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V II, 2009, §  155, Rn.  80; Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 115. 693  BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 138. 694  Vergleichbar insofern die bei Auer diskutierte „inhaltliche Entleerung“ des Ehebegriffs im Interesse eines individualisierten Eheverständnisses: Auer, AcP 216 (2016), 239, 264. 695  W. Roth, Die Grundrechte Minderjähriger, 2003, 115 ff. 696  Vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.11.2014 – 1 BvR 1178/14, FamRZ 2015, 112, die sog. Ghana-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in der eine Sachverständige die Distanzierung eines ghanaischen Vaters von „afrikanischen Erziehungsmethoden“ forderte. Vgl. dazu Gärditz, FF 2015, 341. 697  Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 177 ff.

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

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Das Elternrecht ist Freiheitsrecht im Verhältnis zum Staat, der in das Erziehungsrecht der Eltern grundsätzlich nur eingreifen darf, wenn das ihm nach Art.  6 Abs.  2 Satz  2 GG zukommende Wächteramt dies gebietet.“698

Der Verweis auf die Zuweisung des Elternrechts im Interesse des Kindes an die Eltern wird hier allerdings nicht empirisch belegt, sondern eher die Erwartung an den Normalzustand699 ausgedrückt, dass Eltern das Wohl ihres Kindes grundsätzlich stärker am Herzen liege als jeder anderen Institution. Mit der Anerkennung der Definitionsmacht der Eltern für das Kindeswohl nimmt die Verfassung freilich in Kauf, dass hierzu nur begrenzt fähige oder willige Eltern ihrem Kind möglicherweise nach gesellschaftlich mehrheitlichem Verständnis keine optimale Förderung angedeihen lassen. Der Schutz des Grundgesetzes gilt aber nicht nur für Mustereltern. Dies hat das BVerfG schon in einer Entscheidung von 1982 bekräftigt.700 Ein normal begabtes Kind dürfe nicht allein deshalb von seinen geistig behinderten Eltern getrennt werden, weil diese es nicht angemessen fördern könnten. Vielmehr müssten öffentliche Hilfen die Förderung des Kindes bei einem Verbleib bei seinen Eltern sichern (§  1666a BGB). Wörtlich erklärte das Gericht: „Nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern berechtigt den Staat, diese von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen (vgl. BVerfGE 24, 119 (144 f.)). […] Das elterliche Fehlverhalten muß vielmehr ein solches Ausmaß erreichen, daß das Kind bei einem Verbleiben in der Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist.“701

Prägnant formulierte das Bundesverfassungsgericht hierzu auch im Beschluss vom 18.6.1986: „Zwar stellt das Kindeswohl die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung dar. Das bedeutet aber nicht, daß es zur Ausübung des Wächteramts des Staates nach Art.  6 Abs.  2 Satz  2 GG gehört, gegen den Willen der Eltern für eine den Fähigkeiten des Kindes bestmögliche Förderung zu sorgen. Das Grundgesetz hat die Entscheidung über den Bildungsweg des Kindes in erster Linie den Eltern als den natürlichen Sachwaltern für die Erziehung des Kindes belassen. Die primäre Entscheidungszuständigkeit der Eltern beruht auf der Erwägung, daß die Interessen des Kindes in aller Regel am besten von den Eltern wahrgenommen werden. Dabei wird die Möglichkeit in Kauf genommen, daß das Kind durch den Entschluß der Eltern wirkliche oder vermeintliche Nachteile erleidet, die im Rahmen einer ausschließlich nach objektiven Maßstäben betriebenen Begabtenauslese vielleicht vermieden werden könnten.“702

698  BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 1 BvL 12/81, BVerfGE 61, 358, 371 f., C I 1; vgl. auch: BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 77, Rn.  49. 699  Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 114 f. 700  BVerfG, Beschl. v. 17.2.1982 – 1 BvR 188/80, BVerfGE 60, 79. 701  BVerfG, Beschl. v. 17.2.1982 – 1 BvR 188/80, BVerfGE 60, 79, 91. 702  BVerfG, Beschl. v. 18.6.1986 – 1 BvR 857/85, BVerfGE 72, 122, 139 f.

142

Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

Das BVerfG bestätigte dies in einer Reihe von Kammer-Entscheidungen im Jahr 2014 zu Maßnahmen nach §  1666 BGB,703 in denen der Entzug oder die Beschränkung der elterlichen Sorge aufgrund gerichtlicher Entscheidungen in Frage stand. Das Gericht betonte noch einmal, dass die Verfassung dem Staat nicht das Recht gibt, die besten denkbaren Eltern für ein Kind zu finden und eigene Erziehungsideen und Werte an die Stelle der Eltern zu setzen. Abgesehen von konkreten Gefährdungen sei die sozio-ökonomische Situation der Eltern das Schicksal und Lebensrisiko der Kinder.704 Folge der Individualisierung der Kindeserziehung durch das Grundgesetz ist die Begrenzung des staatlichen Auftrags auf die Schadensvermeidung und nicht die Erziehungsoptimierung.705 Mit dem Elternrecht als Abwehrrecht in Art.  6 Abs.  2 und 3 GG etabliert die Verfassung damit ein besonderes Subsidiaritätsprinzip706 zugunsten der familiären Erziehung, das den Eltern erlaubt, in den vom staatlichen Wächteramt gesteckten Grenzen Entscheidungen für ihre Kinder zu treffen und über deren Erziehung zu bestimmen. Wie die Verfassung etwa in Bezug auf die Meinungsfreiheit im Interesse des demokratischen Prozesses und einer freiheitlichen Gesellschaft grundsätzlich auch unsinnige und wertlose Meinungen achtet, obliegt die Erziehung der Kinder grundsätzlich den Eltern, auch wenn diese vielleicht deutlich weniger fürsorglich sind als andere Eltern. (6)  Elternpflicht und Kindeswohl Nach dieser Untersuchung ist deutliche Vorsicht geboten, die verfassungsrechtliche Elternpflicht und Elternrecht in ihrer gemeinsamen Verpflichtung auf das Kindeswohl als Maximalstandard zu definieren und staatlich durchzusetzen. Als Minimalstandard kann das Kindeswohl helfen, Gefährdungen des Kindes zu identifizieren, die den Staat zum Eingreifen berechtigen und verpflichten. Als Maximalstandard eignet sich das Kindeswohl jedoch nicht, um das Elternrecht des Art.  6 Abs.  2 GG zu definieren. Dies würde einen verfassungsrecht­ 703  BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 17.3.2014 – 1 BvR 2695/13, FamRZ 2014, 1177; BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 24.3.2014 – 1 BvR 160/14, FamRZ 2014, 1004 = FF 2014, 295; BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 7.4.2014 – 1 BvR 3121/13, FamRZ 2014, 907; BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 22.5.2014 – 1 BvR 2882/13, FamRZ 2014, 1266; BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 14.6.2014 – 1 BvR 725/14, NJW 2014, 2946; BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 22.9.2014 – 1 BvR 2108/14, FamRZ 2015, 208; BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 19.11.2014 – 1 BvR 1178/14, FamRZ 2015, 112; erklärend: Britz, FamRZ 2015, 793; zustimmend: Gärditz, FF 2015, 341. Diese Fälle lösten eine lebhafte Diskussion speziell zwischen Familienrichtern aus: Siehe dazu kritisch: Heilmann, NJW 2014, 2904; Riegner, NZFam 2014, 625. 704  BVerfG, Beschl. v. 17.2.1982 – 1 BvR 188/80, BVerfGE 60, 79, 94; BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 19.11.2014 – 1 BvR 1178/14, FamRZ 2015, 112, Rn.  38. 705  Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 133 ff. 706  Vgl. v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌Robbers, 2010, Art.  6 Abs.  2 , Rn.  210.

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

143

lichen Begriff des Kindeswohls verlangen. Die Konzeption des Grundgesetzes überlässt die Definition des Kindeswohls im Sinne eines Maximalstandards aber wie gezeigt grundsätzlich den Eltern. Bei der Ausgestaltung des Familienrechts, insbesondere im Hinblick auf die Konfliktlösung zwischen den Eltern untereinander, kann und sollte aber das Kindeswohl707 als Maximalstandard gleichwohl Entscheidungsmaßstab sein. Ist beispielsweise die gemeinsame Wahrnehmung der Elternverantwortung den Eltern unmöglich und muss daher das Kind zur Sorge einem Elternteil allein zugewiesen werden gem. §  1671 BGB, so kann und sollte die Entscheidung die beste Lösung für das Kind anstreben. Insofern obliegt es dem Staat, im Rahmen seines Schlichteramts Regeln zur Lösung des Konflikts und gegebenenfalls zur Zuweisung der Sorge allein an einen Elternteil bereit zu stellen.708 Diese Anlage des Art.  6 Abs.  2, 3 GG spricht allerdings dagegen, Erziehungsmaßnahmen, die dem Kind schaden, schon tatbestandsmäßig aus Art.  6 Abs.  2 GG heraus zu definieren. Angemessener ist es, konkrete Eingriffsmaßnahmen gegen Handlungen der Eltern auf ihre Schädlichkeit für das Kind zu untersuchen und gem. Art.  6 Abs.  2, 3 GG zu rechtfertigen. cc.  Pflichtbindung als Leitbild der Elternschaft Eine Orientierung am Kindeswohl kann also die Verknüpfung zwischen Eltern­recht und Elternpflicht jedenfalls dann nicht befriedigend erklären, wenn man davon ausgeht, dass Eltern einen vom Staat zu definierenden Maximalstandard des Kindeswohls erfüllen müssen, um ihrer Elternpflicht gerecht zu werden. Während das Elternrecht im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG also ein echtes Grundrecht mit Abwehrcharakter ist, hat die „Pflicht“ einen anderen recht­ lichen Charakter. Die Durchsetzung dieser Pflicht durch den Staat kann im Rahmen seines Wächteramts nur in Erfüllung seiner Schutzpflicht gegenüber den Grundrechten des Kindes erfolgen. Darüber hinaus bekräftigt die „Pflicht“ die natürliche Bezogenheit der Eltern auf ihr Kind. Das Elternrecht gibt den Eltern damit die Freiheit, die Verantwortung für ihre Kinder nach ihren Überzeugungen und Werten zu erfüllen. Diese Verbindung von Recht und Pflicht ist eine einzigartige Anerkennung der Freiheit des Individuums nicht nur in der Entfaltung seiner eigenen Persönlichkeit, sondern sogar in seiner Verantwortung für die künftige Generation. Soweit der Staat die Erfüllung der Elternpflicht zur Förderung des Kindeswohls durch individuelle Eltern aber nicht erzwingen kann, ist das Kindeswohl trotzdem nicht ohne Bedeutung. Darüber hinaus kann die Förderung des Kindes Leitbild bei der Ausgestaltung des einfachrechtlichen Elternrechts sein und Maßstab bei der Konfliktlösung unter den Eltern. Dass insofern auch zeitbezo707 

708 

Vgl. Sachs-GG/‌v. Coelln, 2014, Art.  6 , Rn.  57. Vgl. dazu unten Teil 5 II 3 b (S.  368).

144

Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

gene gesellschaftliche Anschauungen über die Entscheidungen des Gesetzgebers einfließen, die von späteren Generationen nicht immer geteilt werden, ist notwendige Konsequenz einer demokratischen Staatsordnung. dd.  Zwischenergebnis: Elternrecht und Elternpflicht iSd Art.  6 Abs.  2 GG Eltern kommt nach Art.  6 Abs.  2 S.  1 GG das Recht und die Pflicht zu, ihre Kinder zu erziehen. Elterngrundrecht und Elterngrundpflicht stehen in einem untrennbaren Zusammenhang. Trotzdem wäre es verfehlt, das Elternrecht als allein im Interesse des Kindes bestehend anzusehen.709 Das Elternrecht wird in der Verfassung als ein „natürliches“ Recht geschützt. Dies deutet auf das natürliche, der rechtlichen Regelung vorgelagerte, wenn auch durchaus vom Recht beeinflusste Liebes- und Verantwortungsverhältnis zwischen Eltern und Kindern hin, in dem Kinder aufwachsen und Eltern Sinn und Erfüllung finden können. Das Elternrecht ist damit nicht allein ein dienendes Grundrecht und eine Institutsgarantie, es besteht auch710 im Interesse der Eltern und ist als solches ein Abwehrrecht gegen den Staat. Bis zur Grenze der Gefährdung des Kindes haben die Eltern dabei die vom Staat zu akzeptierende Verantwortung, selbst zu entscheiden, wie sie dem Wohl ihres Kindes am besten dienen. Der Staat kann eine Maximierung des Kindeswohls zwar zum Ziel seiner Politik und zum Leitbild bei der Gestaltung des einfachen Rechts machen, muss aber die Freiheit der Eltern wahren, für ihr Kind ihrem eigenen Verständnis gemäß Verantwortung zu übernehmen. Die Wahrung der Elternpflicht kann der Staat jedoch nur in den Grenzen des Wächteramts durchsetzen.

5.  Der verfassungsrechtliche Elternbegriff in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts a.  Einführung und aktueller Stand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Nach der Konzeption des Grundgesetzes kommt es in den Grenzen der Gefährdung des Kindeswohls den Eltern zu, Pflege und Erziehung zu organisieren und damit zu bestimmen, was dem Wohl des Kindes am meisten dient. Dem Staat bleibt es überlassen, bei Unterschreitung eines Minimalstandards des Kindeswohls einzuschreiten. Angesichts dieses erheblichen Vertrauensvorschusses, den die Verfassung den Eltern einräumt, gewinnt die Frage, wer denn die Eltern eines Kindes im Sinne von Art.  6 Abs.  2 GG sind, große Bedeutung. Die Frage nach dem persönlichen Gewährleistungsgehalt des Grundrechts

709  710 

So auch Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 112 ff. Britz, FamRZ 2015, 793, 794.

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

145

wird insbesondere für den Umgang des Rechts mit Phänomenen der Mehr­ elternschaft relevant. Wer unter den „Eltern“ im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG zu verstehen ist, wird von der Verfassung nicht definiert. Nach heutigem Stand von Rechtsprechung und Literatur sind „Eltern“ im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG jedenfalls diejenigen Personen, die das einfache Recht als Eltern bezeichnet. Hier wird also die nach den Regeln des einfachen Rechts erworbene Elternschaft zur Voraussetzung des verfassungsrechtlichen Schutzes nach Art.  6 Abs.  2 GG.711 Das einfache Recht wirkt prägend auf das Grundrecht zurück, indem es die Ausgestaltung des Schutzbereichs bestimmt. Dies lässt sich insoweit durchaus vergleichen mit dem Eigentumsgrundrecht, welches ebenfalls das nach den Regeln des einfachen Rechts erworbene Eigentum gegen staatliche Eingriffe schützt.712 In gewissem Spannungsverhältnis dazu steht die verfassungsrechtliche Definition des Grundrechts nach Art.  6 Abs.  2 GG als „natürliches“ Recht, die auf die Elternschaft als vorrechtliche, durch die leibliche Abstammung vermittelte Tatsache verweist. Dies aufgreifend erkennt das Bundesverfassungsgericht als Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG auch die „leiblichen“ Eltern an, d. h. die biologisch-genetischen, unabhängig davon, ob sie vom einfachen Recht anerkannt werden. Allerdings geht mit dieser verfassungsmäßigen Anerkennung nicht zwingend die Trägerschaft des Elternrechts einher.713 Dafür und damit für die Möglichkeit, Rechte und Pflichten von Eltern nach dem BGB ausüben zu können, bedarf es der einfachgesetzlichen Anerkennung. Auf diese Anerkennung können jedoch die verfassungsmäßig geschützten Eltern unter Umständen einen verfassungsrechtlichen Anspruch haben. Fallen rechtliche und biologisch-genetische Elternschaft auseinander, so sind also alle – auch mehr als zwei – Elternteile durch Art.  6 Abs.  2 GG geschützt. Für sie ist der persönliche Schutzbereich des Grundrechts eröffnet. Doch nur zwei können nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Träger des verfassungsrechtlichen „Elternrechts“ sein. Das bedeutet, dass nur für zwei Eltern auch der sachliche Schutzbereich eröffnet ist714 und nur diesen das Recht und die Pflicht nach Art.  6 Abs.  2 GG zukommt, ihr Kind zu pflegen und zu erziehen. Nur die zwei Träger des Elternrechts können aber auch die Elternstellung nach BGB innehaben sowie Rechte und Pflichten gegenüber ihrem Kind nach dem Umgangs‑, Sorge‑, Unterhalts‑ und Erbrecht erhalten.715 711  Adoption: BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 150; BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101; BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 79, Rn.  53. 712  Vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.6.1977 – 2 BvR 499/74, 1042/75, BVerfGE 45, 142, 179 f.; vgl. auch Beschl. d. 3. Kammer d. Ersten Senats v. 16.9.2009 – 1 BvR 2275/07, BVerfGK, 16, 207, 229 = juris, Rn.  74. 713  Vgl. dazu oben: Teil 1 II 3 (S.  11). 714  Jestaedt, FS Bartlsperger, 2006, 79, 85. 715  Dazu BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101.

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

Diese knappe Zusammenfassung zeigt bereits die starke Verknüpfung zwischen dem verfassungsrechtlichen Elternbegriff und den Rechten und Pflichten der Eltern im Sinne des Familienrechts. Wie das oben dargestellte einfache ­Familienrecht war die Definition des Elternbegriffs gem. Art.  6 Abs.  2 GG in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes einem erheblichen Wandel ausgesetzt. Dies wirft bereits die ­später zu diskutierende Frage auf, ob und inwieweit der verfassungsrechtliche Elternbegriff der Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers Grenzen setzt.716 b.  Probleme einer verfassungsrechtlichen Definition der Elternschaft Das Grundgesetz definiert nicht, wer die Eltern eines Kindes sind, sondern setzt den Begriff der Elternschaft voraus. Dies wirft Probleme bei der Verfassungsinterpretation durch das Bundesverfassungsgericht auf. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hierzu hat sich über die Jahrzehnte stark entwickelt und dabei sowohl an das einfache Recht angeknüpft, als auch Vorgaben dafür entwickelt. aa.  Klarheit über den Begriff der Elternschaft? Die fehlende Definition der Elternschaft im Grundgesetz wird teilweise damit erklärt, dass zum Zeitpunkt der Verfassungsentstehung kein Streit über den Begriff der Elternschaft bestand.717 Erst mit der „juridischen Operationalisierung der Grundrechte“, neuen Eltern-Kind-Konstellationen sowie den wachsenden Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin, sei es hier zu Unsicherheiten gekommen, so Jestaedt.718 Daran ist richtig, dass niemand, der an der Schaffung des Grundgesetzes beteiligt war, die Elternschaft eines miteinander verheirateten Paares für seine leibliche Nachkommenschaft angezweifelt hätte. Das würde heute auch niemand tun. Jedoch ist Jestaedts Annahme, bei der Schaffung des Grundgesetzes sei der Begriff der Elternschaft im verfassungsrechtlichen Sinne noch gänzlich zweifelsfrei und natürlich gewesen, aus heutiger Sicht nicht ganz unproblematisch. Die Entstehung des Art.  6 GG muss vor dem Hintergrund der gesellschaft­ lichen Situation nach dem zweiten Weltkrieg gesehen werden, der die Familie nach Ansicht der Redaktoren des Grundgesetzes in eine tiefe Krise gestürzt hatte.719 Über die Wege aus dieser Krise bestand im Parlamentarischen Rat, wie oben gesehen, keine Einigkeit. Bereits bei der Darstellung der Entwicklung des Art.  6 GG wurde deutlich, dass die Autoren des Grundgesetzes nicht in allen 716 

Dazu Teil 5 (S.  341). Jestaedt, FS Bartlsperger, 2006, 79, der allerdings darauf hinweist, dass die Stellung des nichtehelichen Vaters umstritten war, Fn.  2. 718  Jestaedt, FS Bartlsperger, 2006, 79, 80 f. 719 Vgl. Sanders, German Law Journal 2012, 911, 915. 717 

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

147

Punkten gemeinsame Vorstellung von Begriffen wie „Ehe“, „Familie“ und Eltern­schaft hatten. Offene Formulierungen wurden gewählt, die in der weiteren Entwicklung durch das Bundesverfassungsgericht ausgefüllt werden mussten und wurden.720 Auch innerhalb der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist auffällig, wie stark sich Begründungen und Ergebnisse im Lauf der Zeit entwickelt haben. Dies zeigt deutlich die Rechtsprechung zum Nichtehelichenrecht.721 Heute bezeichnet man unproblematisch auch den nichtehelichen Vater eines Kindes als Elternteil im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG. Bis zum Nichtehelichengesetz von 1970 waren der nichteheliche Vater und sein Kind jedoch rechtlich nicht miteinander verwandt.722 Bis Anfang der 1990er Jahre war es für das Bundesverfassungsgericht auch noch vorstellbar, einem nichtehelichen Kind nur einen Elternteil im verfassungsrechtlichen Sinne zuzuordnen. Der nichteheliche Vater wurde bis zum Anfang der 1990er Jahre also nicht als Elternteil im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG verstanden.723 Dies zeigt exemplarisch, dass von einem von der übrigen rechtlichen und gesellschaftlichen Entwicklung unabhängigen ­Elternbegriff jedenfalls in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht die Rede sein kann. Nicht nur der Elternbegriff des BGB, auch der verfassungsrechtliche Elternbegriff einschließlich der Anzahl der Eltern waren damit von Anfang an einem Wandel unterworfen, wie unten zu zeigen sein wird. bb.  Verfassungsrechtlicher Elternbegriff auf der Grundlage von Recht und Wirklichkeit Fehlt der Verfassung ein eigener Elternbegriff, so stellt sich die Frage nach den Bezugspunkten für die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Wie bereits oben angesprochen, lässt sich Elternschaft einerseits als tatsächliche Verbindung sozialer oder biologisch-genetischer Art begreifen. Andererseits kann Elternschaft aber auch als rechtliche Institution und Konstruktion verstanden werden, die tatbestandsmäßig an soziale, biologisch-genetische oder sonstige Faktoren anknüpft.724 Je nach Blickwinkel können für die Bestimmung der ­Eltern im verfassungsrechtlichen Sinn also wissenschaftliche Untersuchungen der tatsächlichen Grundlagen, wie z. B. biologisch-genetische Forschungen

720 

Vgl. oben Teil 2 II 1 b cc (S.  111). Vgl. unten Teil 2 II 5 f (S. 160). 722  Vgl. oben Teil 2 I 1 d (S.  41). 723  Vgl. dazu ausführlich Teil 2 II 5 f (S.  160); vgl. die Rechtsprechung in ihrer Entwicklung: BVerfG, Beschl. v. 23.10.1958 – 1 BvL 45/56, BVerfGE 8, 210, 215; BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119; BVerfG, Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168, 179; BVerfG, Beschl. v. 7.3.1995 – 1 BvR 790/91, 540, 866/92,­ BVerfGE 92, 158, 177. 724  Vgl. dazu bereits oben Teil 1 II 1 (S. 5). 721 

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

oder psychologische Untersuchungen zur Kindesentwicklung, erforderlich sein oder aber rechtliche Bewertungen. Aufgrund des Fehlens einer verfassungsrechtlichen Definition der Elternschaft konnte das Bundesverfassungsgericht einerseits an die Regelungen des einfachen Rechts anknüpfen, andererseits aber an die tatsächlichen Grundlagen der Elternschaft wie soziale Beziehung und genetische Abstammung. Mit dem ersten Punkt ist das Problem der Berücksichtigung einfachen Rechts im Rahmen der Auslegung der Verfassung, insbesondere bei Institutsgarantien und normgeprägten Grundrechten angesprochen,725 mit dem letzteren Punkt das Problem der Ermittlung der „wirklichen“ Elternschaft außerhalb des Rechts und damit der tatsächlichen Grundlagen der biologischen und sozialen Elternschaft. Bei einem Konflikt zwischen Elternschaft nach einfachem Recht und der biologischen Elternschaft stellt sich die Frage, welcher Position das Verfassungsrecht den Vorrang gibt. Die Frage nach dem richtigen Bezugspunkt für die Entwicklung des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs wird dadurch verschärft, dass das Verfassungsrecht eine verbindliche rechtliche Orientierung für einen Fragenkomplex liefern soll, der durch den Wandel gesellschaftlicher Wertvorstellungen726 und den medizinischen Fortschritt seit der Schaffung des Grundgesetzes immer schnelleren Veränderungen unterliegt. Das Bundesverfassungsgericht hat dies in seiner Spruchpraxis berücksichtigt, indem es den verfassungsrechtlichen Elternbegriff immer wieder neu im Hinblick sowohl auf das jeweils geltende Recht als auch auf tatsächliche Erkenntnisse der Wissenschaft und gewandelte gesellschaftliche Anschauungen ausgedeutet hat. Zum Beispiel werden mittlerweile sowohl der rechtliche als auch der genetische Vater nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG727 angesehen, auch wenn die rechtliche Position beider nicht gleich ist. Auch gleichgeschlechtliche rechtliche Eltern wurden als Eltern im Sinne des Verfassungsrechtes anerkannt.728

725 

Vgl. Teil 2 II 3 b bb (S.  119), sowie Teil 2 II 5 b cc (S.  149). Frage verfassungsrechtlichen Wandels vgl. nur: Koschmieder, Grundrechtliche ­Dynamisierungsprozesse, 2016. Vgl. zur Diskussion um dieses Problem den Beratungsgegenstand „Dynamische Grundrechtsdogmatik von Ehe und Familie?“ der Staatsrechtslehrertagung 2013, VVDStRL 73 (2014), 211 ff.; Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff (Hrsg.), Regelungsaufgabe Mutterstellung, 2016, 87 f. 727  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101, 103; Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 81, Rn.  58. 728  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 70 ff., Rn.  30 ff., 89 f., Rn.  80. 726 Zur

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

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cc.  Normgeprägte Grundrechte und ihre problematische Prägung durch das einfache Recht Angesichts des offenen Begriffs der Elternschaft im verfassungsrechtlichen Sinne liegt es nahe, wie bei anderen normgeprägten Grundrechten die Definition des einfachen Rechts zu berücksichtigen. Gerade dann, wenn sie auch Institutsgarantien enthalten, wie es bei den Grundrechten von Ehe, Familie und Elternschaft der Fall ist, setzen sie eine rechtliche Ausgestaltung durch den einfachen Gesetzgeber voraus.729 Jedenfalls ist eine Rückwirkung des einfachen Gesetzesrechts, dessen verfassungsrechtliche Grenzen das Grundgesetz bestimmen soll, auf die Bestimmung des Schutzbereichs, auch was den Elternbegriff in Art.  6 Abs.  2 GG angeht, unvermeidbar.730 Das Bundesverfassungsgericht vermied eine solche Bezugnahme nicht, sondern stellte vielmehr Elternteile im Sinne des einfachen Rechts automatisch unter den Schutz der Verfassung. Ist damit ein direkter Einfluss des einfachen Rechts auf die verfassungsrechtliche Elterndefinition ersichtlich, so bleibt er doch problematisch. Denn der Rückgriff auf das einfache Recht birgt die Gefahr eines Zirkelschlusses in sich. Wird die verfassungsrechtliche Definition der Elternschaft vollständig vom einfachen Recht bestimmt, so können aus dem Verfassungsrecht keine verfassungsrechtlichen Grenzen des einfachen Rechts abgeleitet werden.731 Vorgaben und Grenzen für das einfache Recht hat das Bundesverfassungsgericht freilich immer wieder entwickelt, wie zum Beispiel hinsichtlich der gleichberechtigten Sorge für verheiratete und unverheiratete Paare. Insofern lässt sich eine doppelte Orientierung des Bundesverfassungsgerichts am einfachen Recht beobachten: Einerseits ist die Verfassungsinterpretation dem einfachen Recht verbunden und bestätigt dieses, indem es das Verständnis des einfachen Rechts der Verfassungsinterpretation zugrunde legt. Andererseits geht es über das einfache Recht hinaus und regt weitere Entwicklungen an.732 dd.  Tatsachen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Für die Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Elternrecht sei noch auf einen weiteren Aspekt hingewiesen, der in den Entscheidungen immer wieder deutlich wird, nämlich die Bedeutung des gesell729 

Vgl. dazu oben: Teil 2 II 3 b bb (S.  119). Zeidler, in: Handbuch des Verfassungsrechts, 1983, 555, 557; Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, 2014, 191 f. 731  Holzhauer, FamRZ 1982, 109, 111 f.; Bonner Kommentar GG/Jestaedt, 2016, Art.   6 Abs.  2, 3, Rn.  53; vgl. Jestaedt, FS Bartlsperger, 2006, 79; vgl. zur Definition der Ehe: Sanders, in: Emmenegger/Wiedmann (Hrsg.), Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2011, 351, 354, 363 ff. Vgl. auch Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, 2014, 191 f. 732  Vgl. bereits oben: Teil 2 I 2 c (S.  70), 3 (S. 80), 4 (S. 94). 730 

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

schaftlichen Wandels als Grundlage für die vom Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen gewürdigten tatsächlichen Annahmen. Das Bundesverfassungsgericht legt nicht nur rechtliche Begriffe aus, sondern knüpft bei seinen Entscheidungen notwendig an Tatsachen an. Damit sind nicht nur die Tatsachen des konkreten Sachverhalts (sogenannte „adjudicative facts“) gemeint, die die Entscheidungen eines Fachgerichts bestimmen, wie z. B. die Frage, ob ein bestimmtes Kind in einem Sorgeverfahren bei seinem Vater oder seiner Mutter besser aufgehoben ist. Solche konkreten Fragen können auch beim Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde eine Rolle spielen.733 Von Bedeutung sind vielmehr für die Frage der Verfassungsmäßigkeit von Rechtsnormen generelle Annahmen, sogenannte „legislative facts“, beispielsweise in Bezug auf die Kindesentwicklung oder der Verständigungsbereitschaft von getrennten Eltern im allgemeinen, die Grundlage der Entscheidung des Gerichts sein können.734 Die Ermittlung von allgemeinen Tatsachen wird als wichtiger Teil von Gesetzgebungsverfahren von Ministerien bzw. vom Parlament durchgeführt. Das Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich jedoch auch mit generellen Tatsachen, wenn es die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen prüft. So ist zum Beispiel die Frage, ob geschiedene oder nichteheliche Eltern oder gleichgeschlechtliche Paare gemeinsam ein Kind so betreuen können, dass dieses in seiner Entwicklung keinen Schaden nimmt,735 keine rechtliche, sondern eine tatsächliche Frage. Eine verfassungsrechtliche Frage ist allerdings, inwiefern das Wohl des Kindes im Rahmen des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs relevant ist für die Bestimmung der Eltern. Die Beantwortung beider Fragen bestimmt letztlich das Ergebnis der verfassungsgerichtlichen Entscheidung. Das Vorliegen genereller Tatsachen kann das Bundesverfassungsgericht nicht mit einem 733  Vgl. zur Tatsachenfeststellung im Verfassungsbeschwerdeverfahren: Brink, in: Rensen/ Brink (Hrsg.), Linien der Rechtsprechung des BVerfG, Bd.  1, 2009, 3, 15 f. 734  Andere Tatsachen dieser Art sind beispielsweise die Bedeutung des Kopftuchs für das religiöse Selbstverständnis von Muslimen (vgl. BVerfG, Urt. v. 24.9.2003 – 2 BvR 1436/02, BVerfGE 108, 282, 294), die Bedeutung der Kenntnis der eigenen Abstammung für die Persönlichkeitsentwicklung (BVerfG, Urt. v. 31.1.1989 – 1 BvL 17/87, BVerfGE 79, 256, 268 f.), oder die Frage, ob grundsätzlich jede transsexuelle Person ihre Geschlechtsorgane im Wege einer Operation ihrem empfundenen Geschlecht angleichen will (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.1.2011 – 1 BvR 3295/07, BVerfGE 128, 109). Vgl. zur Feststellung von Tatsachen im verfassungsgerichtlichen Verfahren: kritisch: Brink, in: Rensen/Brink (Hrsg.), Linien der Rechtsprechung des BVerfG, Bd.  1, 2009, 3, 21, 23 f., 25 ff.; vgl. auch „wunder Punkt der Verfassungsgerichtsbarkeit“: Ossenbühl, in: Starck (Hrsg.), Festgabe 25 Jahre BVerfG, 1976, 458, 462 f.; vgl. auch Sanders/Preisner, DÖV 2015, 761, 767 f.; Haberzettl, NVwZ 2015, 1; Philippi, Tatsachenfeststellungen des Bundesverfassungsgerichts, 1971; Ossenbühl, in: Starck (Hrsg.), Festgabe 25 Jahre BVerfG, 1976, 458; Kluth, NJW 1999, 3513; Bryde, FS 50 Jahre BVerfG, Bd.  1, 2001, 533; Bull, FS Koch, 2014, 29. 735  Zu dieser Frage wertete das Bundesverfassungsgericht im Verfahren um die Sukzessiv­ adoption verschiedene Untersuchungen aus und hörte Experten an: BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 70, 80 .

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

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Blick in die Verfassung beantworten, sondern muss auf den Sachverstand von Experten zurückgreifen. Nicht selten stellt das Bundesverfassungsgericht an solchen Stellen freilich auch eigene Überlegungen frei von empirischen Grundlagen an.736 Sowohl diese eigenen Überlegungen als auch die Ergebnisse der gehörten Experten sind notwendig vom jeweiligen Stand der Wissenschaft und Forschung sowie dem gesellschaftlichen Umfeld geprägt. Prüft das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen, so kann das Gericht die eigenen Tatsachenermittlungen denen des Gesetzgebers gegenüber stellen und dabei auch auf neuere Erkenntnisse zugreifen und die Annahmen des Gesetzgebers infrage stellen oder bestätigen. Diese Verfahrensweise bedingt aber wiederum eine besondere Verbindung der Entscheidungspraxis des Gerichts zu wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen. c.  Elternschaft von Ehepaaren gem. Art.  6 Abs.  2 GG Wie auch im einfachen Recht waren die miteinander verheirateten leiblichen Eltern die einzigen Eltern, deren grundrechtlicher Schutz von Anfang an unumstritten war. Bezeichnend ist die Formulierung in der Entscheidung vom 29.7.1968: „Unter Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG sind zunächst die Eltern ehelich geborener Kinder zu verstehen […].“737

Bis in die 1990er Jahre, zum Beispiel in den Entscheidungen vom 8.6.1982738 und vom 7.5.1991,739 erklärte das Bundesverfassungsgericht, das Grundgesetz gehe davon aus, dass Kinder mit ihren verheirateten Eltern gemeinsam aufwüchsen.740 So formulierte das Gericht 1982: „Art.  6 Abs.  2 Satz  1 GG geht von dem Regelfall aus, daß das Kind mit den durch die Ehe verbundenen Eltern in einer Familiengemeinschaft zusammenlebt und Vater und Mutter das Kind gemeinsam pflegen und erziehen.“741

Auch wenn Kinder nach wie vor statistisch in der Mehrzahl der Fälle mit ihren miteinander verheirateten Eltern aufwachsen,742 so ist der neutralen Formulie736  Vgl. die Ausführungen zum Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung BVerfG, Urt. v. 31.1.1989 – 1 BvL 17/87, BVerfGE 79, 256, 268 f. sowie unten Teil 5 I 3 a bb (S.347). Ein solches Vorgehen des Gerichts lässt sich mit guten Gründen kritisieren. Freilich ist nicht zu leugnen, dass auch die Aussagen angeblicher Experten im Nachhinein überaus fragwürdig werden können: vgl. Gärditz, in: Uhle (Hrsg.), Zur Disposition gestellt?, 2014, 85 f. 737  BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119. 738  BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 12/81, BVerfGE 61, 358. 739  BVerfG, Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168. 740  Vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 15.6.1971 – 1 BvR 192/70, BVerfGE 31, 194, 205. 741  BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 12/81, BVerfGE 61, 358. 742  Nach den Ergebnissen des Mikrozensus des Statischen Bundesamtes 2015 wachsen 73,

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

rung des Grundgesetzes eine solche Ausrichtung jedenfalls nicht zu entnehmen. Bei der Schaffung des Grundgesetzes konnte sich eine solche Kopplung zwischen Ehe und Familie gerade nicht durchsetzen.743 Art.  6 Abs.  5 GG spricht überdies dafür, zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern gem. Art.  6 Abs.  2 GG hinsichtlich der Definition der Elternschaft nicht zu unterscheiden. Die zuvor zitierte Auslegung scheint vielmehr von der gesellschaftlichen Ablehnung des „Konkubinats“ geprägt zu sein, wie sie damals auch das einfache Recht bestimmte. Nichteheliche Partner waren nicht nur im Familienrecht744 als Eltern anders gestellt als Ehepaare. Bis 1967 machte §  180 StGB a. F. die Vermietung von Wohnungen oder Hotelzimmer an unverheiratete Paare praktisch unmöglich. Schon aus diesem Grund wäre ein Zusammenleben in familiärer Gemeinschaft für ein unverheiratetes Elternpaar schwierig gewesen. Damit bestimmten die verheirateten, leiblichen Eltern nicht nur die Elterndefinition des einfachen Rechts, sondern auch die verfassungsrechtliche Elterndefinition des Art.  6 Abs.  2 GG. d.  Gleichberechtigung der Eltern Bei Gründung der Bundesrepublik war die gemeinsame elterliche Sorge bzw. „Gewalt“ gleichberechtigter Eltern noch nicht etabliert; auch der nachkonstitutionelle Gesetzgeber sah bei der Neuregelung der elterlichen Sorge zunächst einen Stichentscheid des ehelichen Vaters vor.745 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts änderten dies. aa.  Das Urteil vom 29.7.1959 und Stichentscheid des Ehemannes Bereits relativ früh, 1959, beschrieb das Bundesverfassungsgericht das Elternrecht als unteilbare Verantwortung beider Eltern gegenüber dem Kind.746 Mit seiner Entscheidung vom 29.7.1959 erklärte das Gericht den Stichentscheid und das Alleinvertretungsrecht des Vaters im Hinblick auf die Kinder für verfassungswidrig. Die unteilbare Verantwortung der Eltern gegenüber ihren Kindern führe in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgebot des Art.  3 Abs.  2, 3 GG zur vollen Gleichberechtigung von Vater und Mutter in Bezug auf die Kinder. Die Verpflichtung der Eltern, in dieser Verantwortung füreinander ein­ zutreten und einander zu ergänzen, sei wechselseitig.747 Eine naturrechtliche 6% der Kinder mit verheirateten Eltern auf: Statistisches Bundesamt, Haushalte und Familien – Ergebnisse des Mikrozensus – Fachserie 1 Reihe 3 – 2014. 743  Vgl. oben Teil 2 II 1 b cc (S.  111). 744  Vgl. oben Teil 2 I 1 d (S.  41), 2 c cc (S. 75). 745  Vgl. oben Teil 2 I 2 c (S.  70). 746  BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 27, 100/58, BVerfGE 10, 59, 67. 747  BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 27, 100/58, BVerfGE 10, 59, 67; vgl. zur Notwendigkeit der Verständigung zwischen beiden Eltern auch BVerfG, Beschl. v. 15.6.1971 – 1 BvR 192/70, BVerfGE 31, 194, 207.

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

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Rechtfertigung des väterlichen Letztendscheidungsrechts, wie sie in der Gesetzesbegründung vorgenommen worden war,748 lehnte das BVerfG ab. Es gäbe zu viele verschiedene naturrechtliche Wertsysteme. Entscheidend müsse das Grundgesetz sein.749 Das BVerfG widersprach auch dem Argument, in einer Gemeinschaft von zwei Menschen, in denen es keine Mehrheitsentscheidungen geben könne, müsse es einen Stichentscheid geben. Möglich sei eine Orientierung an dem Prinzip der Verständigung und der Treue zur Gemeinschaft. ­Eltern könnten sich gegenseitig die Entscheidung in einzelnen Bereichen überlassen; in wichtigen Bereichen sei eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts nach dem Prinzip des Kindeswohls möglich. Solche Fälle wären aber eher selten; Eltern würden sich in der Familie einigen. Daher verstoße die Übertragung der Letztentscheidung in bestimmten Fällen auf das Vormundschaftsgericht nicht gegen das Subsidiaritätsprinzip.750 Vielmehr nehme der Staat durch das Vormundschaftsgericht das Wächteramt gem. Art.  6 Abs.  2 GG wahr.751 Auch das Wohl des Kindes verlange keinen Stichentscheid des Vaters. Vielmehr verlange gerade das Wohl des Kindes die gleichberechtigte Mitentscheidung der Mutter.752 Dagegen könne nicht vorgebracht werden, dass dort, wo eine Einigung nicht zustande komme, die Mutter dieses Recht auch nur mit dem Richter gegen den Vater durchsetzen könne. Die Ausgangssituation sei schon psychologisch verschieden, je nachdem ob ein Elternteil bereits von vornherein wisse, dass ihm der Letztentscheid zustehe oder er zur Einigung auf den anderen ­Elternteil angewiesen sei.753 bb.  Die Entwicklung zur gemeinsamen Sorge geschiedener Ehegatten In den folgenden Jahrzehnten wurde die gleichberechtigte Teilhabe beider ­Eltern an der elterlichen Sorge bzw. Gewalt in Bezug auf das Kind auch nach der Scheidung vom Bundesverfassungsgericht gefordert. Während das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 15.6.1971 die Alleinzuweisung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil noch im Interesse einer „klaren Regelung“ für verfassungsgemäß gehalten hatte,754 erklärte es das Fehlen der Möglichkeit, Eltern 748  BT-Drucks. 2/220, 59: „Diese Aufgabe kann nach natürlichen und christlichen Ordnungsbegriffen nur dem Vater zufallen.“ 749  BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 27, 100/58, BVerfGE 10, 59, 69. 750  BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 27, 100/58, BVerfGE 10, 59, 84. 751  BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 27, 100/58, BVerfGE 10, 59, 84. 752  BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 27, 100/58, BVerfGE 10, 59, 87. 753  BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 27, 100/58, BVerfGE 10, 59, 87. 754  BVerfG, Beschl. v. 15.6.1971 – 1 BvR 192/70, BVerfGE 31, 194, 205: „Zudem verpflichtet ihn sein ‚Wächteramt‘ im Sinne von Art.  6 Abs.  2 Satz  2 GG, im Interesse des Kindes, dessen Wohl durch den Streit der geschiedenen Ehegatten gefährdet ist oder gefährdet werden kann, für eine klare Regelung zu sorgen. Die für einen solchen Konfliktfall vom Gesetzgeber vorgesehene Regelung, daß die elterliche Gewalt nunmehr regelmäßig einem Elternteil allein zustehen soll, während der andere nur das Recht behält, mit dem Kinde persönlich zu verkehren,

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nach der Scheidung die gemeinsame Sorge zu belassen 1982755 für verfassungswidrig. 1991, 2003 und 2010 folgten dann Entscheidungen zugunsten der gemeinsamen Rechte nichtehelicher Elternpaare. In Bezug auf diese Gleichberechtigung der Eltern wurde es nun aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts insoweit ebenfalls erforderlich, zwischen den grundsätzlich gleichwertigen Interessen der Eltern abzuwägen und gegebenenfalls die Entscheidung eines Dritten, das heißt des Familienrichters, herbeizuführen.756 cc.  Kritische Analyse: Gleichberechtigung und Konflikt zwischen verheirateten Eltern Häufiges Argument gegen die Mehrelternschaft ist die Konfliktanfälligkeit ­einer Elternbeziehung mit mehr als zwei Eltern, insbesondere wenn die Beziehung zwischen ihnen gescheitert ist.757 1959 ging das Bundesverfassungsgericht aber davon aus, dass die Mitentscheidung beider Eltern dem Kindeswohl dienlich sei.758 Dafür führte das Gericht allerdings keine empirischen Daten an, sondern ging wohl davon aus, dass das von der Verfassung vorgezeichnete Ergebnis, die Gleichberechtigung beider Eltern, auch dem Kindeswohl dienen müsse. Der Konfliktfall zwischen zwei Eltern wurde auch vom Bundesverfassungsgericht in Bezug auf Geschiedene, wie oben gezeigt, als problematisch für das Kindeswohl angesehen. Diese Konflikte erachtete das Bundesverfassungsgericht aber nicht als ausreichende Rechtfertigung für den vollständigen Entzug der elterlichen Sorge oder gar der Elternstellung für den einen oder den anderen Ehegatten. Vielmehr wird eine Abwägung der gleichwertigen Interessen gefordert, sowie die Möglichkeit, im Streitfall ein Familiengericht anzurufen. Dieser Ansatz wurde vom Bundesverfassungsgericht im Ergebnis auch bei nichtehe­ lichen Paaren verfolgt, aber, wie später zu diskutieren sein wird, nicht auf ­Konstellationen mit drei Eltern ausgedehnt. e.  Nichteheliche Eltern Die Anerkennung nichtehelicher Eltern als Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  1 GG und als Familie gem. Art.  6 Abs.  1 GG warf für das Bundesverfassungsgericht im Gegensatz zur Anerkennung ehelicher Elternpaare verfassungsdogmaist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht auf dem Gedanken, daß wegen der Trennung der Eltern und der zwischen ihnen bestehenden Spannungen nur einer von ihnen befugt sein soll, die notwendigen Entscheidungen über die Pflege und Erziehung des Kindes zu treffen und die entsprechenden Elternfunktionen tatsächlich wahrzunehmen.“ 755  BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 12/81, BVerfGE 61, 358. 756  BVerfG, Beschl. v. 15.6.1971 – 1 BvR 192/70, BVerfGE 31, 194, 205. 757  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 103; BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 78, Rn.  52; Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 186 ff. 758  BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 27, 100/58, BVerfGE 10, 59, 87.

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tische Probleme auf. An der Rechtsprechungsentwicklung zeigt sich eine erhebliche Entwicklung von der Anerkennung allein der nichtehelichen Mutter als Elternteil im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG hin zur vollen Inhaberschaft des ­Elternrechts beider nichtehelicher rechtlicher Eltern. aa.  Nur die nichteheliche Mutter Das Bundesverfassungsgericht sah in seiner Entscheidung vom 23.10.1958 eine Familiengemeinschaft nur als zwischen der nichtehelichen Mutter und dem Kind als gegeben an: „Die tatsächliche und die rechtliche Lage des unehelichen Kindes im Familienverband unterscheidet sich durch das Fehlen des ehelichen Vaters grundlegend und unabänderlich von der des ehelichen Kindes. Während die Familie, in die das eheliche Kind hineingeboren wird, eine Erweiterung der Ehegemeinschaft seiner – gemeinsam sorge- und erziehungsberechtigten – Eltern ist, besteht eine Familiengemeinschaft für das unehe­ liche Kind stets nur mit der – allein sorge- und erziehungsberechtigten – Mutter.“759

Damit akzeptierte das Gericht, dass eine Familie auch außerhalb der Ehe entstehen kann, eine Interpretation, die „Ehe und Familie“ in Art.  6 Abs.  1 GG als getrennte und nicht gekoppelte Begriffe versteht. Der nichteheliche Vater, der zu diesem Zeitpunkt nach dem Familienrecht des BGB nicht mit dem Kind verwandt war, wird hier noch nicht als Teil der Familie angesehen. Auch in der Aufzählung der Eltern im verfassungsrechtlichen Sinne in der bereits teilweise oben zitierten Entscheidung vom 29.7.1968 taucht der nichteheliche Vater noch nicht auf: „Unter Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG sind zunächst die Eltern ehelich geborener Kinder zu verstehen; der Schutz dieser Bestimmung kommt aber auch der Mutter eines außerehelich geborenen Kindes zu.“760

Dies scheint darauf hinzudeuten, dass das Bundesverfassungsgericht davon ausging, dass ein Kind mit einem lebenden leiblichen nichtehelichen Vater und ­einer lebenden Mutter nur einen Elternteil im Sinne der Verfassung haben konnte.761 bb.  Mutter und sorgender nichtehelicher Vater In der Entscheidung vom 7.5.1991762 ging es um die Frage, ob der Gesetzgeber aufgrund des Elternrechts des nichtehelichen rechtlichen und leiblichen Vaters nichtehelichen Elternpaaren auf den gemeinsamen Wunsch hin die gemeinsame Sorge für ihr Kind zuweisen musste. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die 759 

BVerfG, Beschl. v. 23.10.1958 – 1 BvL 45/56, BVerfGE 8, 210, 215. BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119. 761  So auch: Hahnzog, FamRZ 1971, 334, 336. 762  BVerfG, Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168. 760 

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gegenteilige bisherige Regelung 763 für verfassungswidrig. Die Tatsache, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft zerbrechen könne, rechtfertige die pauschale Zuweisung des Sorgerechts an nur einen Elternteil nicht.764 Das Bundesverfassungsgericht ließ allerdings noch offen, ob dem nichtehelichen Vater, der mit der Familie nicht zusammenlebt, das Elternrecht zusteht. „Das Elternrecht steht nach Art.  6 Abs.  2 Satz  1 GG ‚den Eltern‘ zu. Die Verfassungsnorm geht zwar von dem Regelfall aus, in dem das Kind mit den durch die Ehe verbundenen Eltern in einer Familiengemeinschaft zusammenlebt und Vater und Mutter das Kind gemeinsam pflegen und erziehen (BVerfGE 56, 363 [382]; 61, 358 [372]). Der Schutz des Art.  6 Abs.  2 GG greift aber auch dann ein, wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen. So kommt er auch der Mutter des nichtehelichen Kindes zu (vgl. BVerfGE 24, 119 [135]). Ob der Vater des nichtehelichen Kindes sich ebenfalls generell auf das Elternrecht berufen kann, bedarf hier keiner Prüfung. Die Elternstellung im Sinne dieser Grundrechtsnorm kann ihm jedenfalls dann nicht abgesprochen werden, wenn er mit dem Kind und der Mutter zusammenlebt und damit die Voraussetzungen für die Wahrnehmung seiner elterlichen Verantwortung erfüllt (vgl. BVerfGE 56, 363 [384]; 79, 203 [210]).“765

Zumindest dem Vater, der mit dem Kind zusammenlebte und für dieses sorgte, wurde damit die Elternstellung zugesprochen. Dies ist insofern interessant, als die Elternschaft des Vaters, sowohl rechtlich als auch leiblich, hier nicht in Frage stand. Für das Bundesverfassungsgericht genügte dies jedoch offenbar zur Begründung der Elternstellung nicht. Die soziale Nähe und Übernahme tatsäch­ licher Verantwortung werden damit in der Rechtsprechung wiederum gegenüber der rechtlich und biologisch bestehenden Elternschaft betont. Dies korrespondiert mit der oben dargestellten Entscheidung vom 29.7.1968 zur Adoption, in der erklärt wurde, das vernachlässigte Kind erhalte Eltern, die diesen Namen im Sinne des Grundgesetzes verdienten, erst mit den Adoptiveltern, weil diese bereit seien, die Elternverantwortung auf sich zu nehmen.766 Wieder betont das Gericht, die Verfassung gehe von dem Regelfall des mit seinen Kindern zusammenlebenden verheirateten Elternpaars aus. Die nicht­ eheliche Mutter sei aber jedenfalls von Art.  6 Abs.  2 GG geschützt. Erstaun­ licherweise ließ das Gericht die Frage offen, ob dem nichtehelichen Vater generell das gem. Art.  6 Abs.  2 GG geschützte Elternrecht zukomme. Jedenfalls wenn er mit der Mutter zusammenlebe und tatsächlich für das Kind sorge, und damit die Voraussetzungen für die Wahrnehmung elterlicher Verantwortung erfülle, könne ihm „die Elternschaft im Sinne des Grundgesetzes nicht abge763  §  1738 Abs.  1 BGB a. F., danach verlor die Mutter mit der Ehelicherklärung ihres Kindes die elterliche Sorge. Der Vater hatte hier die Ehelicherklärung ohne Verlust der elterlichen Sorge der Mutter beantragt und damit im Ergebnis die gemeinsame Sorge verlangt. 764  BVerfG, Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168, 182 f. 765  BVerfG, Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168, 179. 766  BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 150.

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

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sprochen werden“.767 Das Elternrecht bedürfe der gesetzlichen Ausgestaltung. Den Trägern des verfassungsrechtlichen Elternrechts dürfe der Gesetzgeber die Rechte nicht verweigern, die er verheirateten Elternpaaren einräume. Die tatsächliche Möglichkeit der Eltern, das Kind gemeinsam zu erziehen, sowie durch die Gewährung von Vollmachten ähnliche Rechte zu konstruieren, reiche nicht aus.768 Zwar könnten sich die Eltern mit Vertretungslösungen behelfen, doch finde nicht nur ein Eingriff in das Elternrecht statt, wenn der Gesetzgeber die Wahrnehmung von Rechten und Pflichten für das Kind nicht behindere. Vielmehr liege ein Eingriff in das Grundrecht gem. Art.  6 Abs.  2 GG bereits dann vor, wenn die einfachrechtlichen Befugnisse zur Wahrnehmung der verfassungs­ rechtlichen Elternverantwortung einem Elternteil vorenthalten würden.769 Dem Gesetzgeber komme die Pflicht zu, den Eltern die erforderliche Rechtsstellung einzuräumen, um ihr Grundrecht wahrnehmen zu können.770 Damit macht das Bundesverfassungsgericht einmal mehr die enge Verzahnung deutlich zwischen dem Grundrecht der Eltern, ihr Kind zu pflegen und zu erziehen, einerseits und der Notwendigkeit der Schaffung dies ermöglichender einfacher Gesetze im BGB andererseits. Zwar sei es grundsätzlich nicht zu beanstanden, so das Bundesverfassungsgericht weiter, dass der Gesetzgeber das nichteheliche Kind zunächst der Mutter zuordne, weil er nicht davon ausgehen könne, dass die nicht zusammen lebenden Eltern willens und in der Lage seien, die elterliche Verantwortung gemeinsam zu übernehmen. Wenn Letzteres aber der Fall sei, müsse der Gesetzgeber zwischen den Grundrechtspositionen zweier Eltern, die durch den Antrag auf Ehelicherklärung zeigten, dass sie sich in der gemeinsamen Übernahme elter­ licher Verantwortung einig seien, nicht abwägen. Eine Schlichtung durch den Staat sei nicht erforderlich.771 Die ausschließliche Zuweisung des Kindes an ein Elternteil werde auch nicht durch das staatliche Wächteramt gerechtfertigt. Vielmehr entspreche es in den Fällen, in denen sich die Eltern einig seien, ebenso wie bei geschiedenen Paaren dem Kindeswohl regelmäßig, wenn beide Eltern das Sorgerecht gemeinsam wahrnehmen könnten.772 cc.  Nichteheliche Mutter und nichtehelicher Vater Im Beschluss vom 7.3.1995 hatte das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden, ob §  1747 Abs.  2 S.  1 und 2 BGB a. F. verfassungsgemäß sei, der die Adoption gegen den Willen des nichtehelichen, rechtlichen Vaters ermöglichte. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Vorschrift für verfassungswidrig und er767 

BVerfG, Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168, 179. BVerfG, Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168, 180. 769  BVerfG, Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168, 179 f. 770  BVerfG, Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168, 180. 771  BVerfG, Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168, 181. 772  BVerfG, Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168, 182. 768 

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

kannte an, dass der nichteheliche Vater unabhängig davon, ob er mit der Mutter zusammenlebte oder Erziehungsaufgaben wahrnahm, Träger des Elternrechts gem. Art.  6 Abs.  2 GG ist.773 „Der Begriff ‚Eltern‘ umfaßt aber nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auch die leib­ lichen Eltern eines nichtehelichen Kindes. Die Verbindung der Eltern durch die Ehe ist weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn der Gewährleistung Voraussetzung für die Grundrechtsträgerschaft.“774

Voraussetzung sei nur, dass die Vaterschaft nach den gesetzlichen Vorschriften feststehe.775 Mit diesem Ergebnis entfernte sich das Bundesverfassungsgericht von der Ausrichtung der Elternschaft im verfassungsrechtlichen Sinne am verheirateten Elternpaar hin zur Anknüpfung allein an der rechtlichen Elternstellung, unabhängig von einer Ehe oder sogar dem Zusammenleben des unverheirateten Paares. Damit gewann allerdings die Frage an Wichtigkeit, wie die verfassungsrechtlich so bedeutsame Feststellung der Vaterschaft einfachrechtlich erfolgt, insbesondere ob der Gesetzgeber insoweit verfassungsrechtliche Vorgaben einzuhalten hat. Ist die Zuweisung der verfassungsrechtlichen Elternstellung von der Elternstellung nach einfachem Recht abhängig, so müssen diese Voraussetzungen des einfachen Rechts wiederum verfassungsrechtlichen Vorgaben standhalten, weil sie die verfassungsrechtliche Elternstellung des Vaters schon im Ansatz berühren. Außerdem war mit der Anerkennung von zwei nicht miteinander verheirateten Trägern des Elternrechts zu klären ob, wie bei verheirateten Eltern, beiden die gleichen Rechte zukommen müssen. Dazu führte das Gericht aus: „Die Einbeziehung aller leiblichen Eltern in den Schutzbereich des Art.  6 Abs.  2 Satz  1 GG bedeutet daher nicht, daß allen leiblichen Vätern und Müttern die gleichen Rechte im Verhältnis zu ihrem Kind eingeräumt werden müssen. Zum einen ist es Aufgabe des Gesetzgebers zu bestimmen, wie die Vaterschaft – in Zweifelsfällen auch die Mutterschaft – festzustellen ist. Dabei kann er neben der biologischen Abstammung auch rechtlichen und sozialen Tatbeständen Bedeutung zumessen, wie etwa der Ehe mit der Mutter (vgl. BVerfGE 79, 256 [267]) oder der Anerkennung der Vaterschaft. Zum anderen bedarf das Elternrecht gerade auch deshalb der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber, weil es den Eltern gemeinsam zusteht und seine Ausübung ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen erfordert. Dabei ist ferner zu berücksichtigen, daß Recht und Pflicht im Elternrecht untrennbar miteinander verbunden sind und daß die Wahrnehmung des Rechts am Kindeswohl ausgerichtet sein muß. Es obliegt daher dem Gesetzgeber, den einzelnen Elternteilen bestimmte Rechte und Pflichten zuzuordnen, wenn die Voraussetzungen für eine gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung fehlen. Seine Gestaltungsbefugnis ist dabei um so größer, je weniger von einer Übereinstimmung 773 

BVerfG, Beschl. v. 7.3.1995 – 1 BvR 790/91, 540, 866/92, BVerfGE 92, 158, 177 f. BVerfG, Beschl. v. 7.3.1995 – 1 BvR 790/91, 540, 866/92, BVerfGE 92, 158, 177. 775  BVerfG, Beschl. v. 7.3.1995 – 1 BvR 790/91, 540, 866/92, BVerfGE 92, 158, 177. 774 

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

159

zwischen den Eltern und von einer sozialen Beziehung zwischen dem einzelnen Elternteil und dem Kind ausgegangen werden kann.“776

Das Bundesverfassungsgericht geht damit von einer umfangreichen Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers aus; dies sowohl hinsichtlich der Bestimmung der rechtlichen Vaterschaft als auch hinsichtlich der Gestaltung der elterlichen Sorge insbesondere bei Eltern von deren sozialer Beziehung und damit der Fähigkeit zur Abstimmung der Gesetzgeber nicht ausgehen könne. In seinen Entscheidungen zu den Rechten nichtehelicher Väter von 2003777 und 2010778 ging das Bundesverfassungsgericht wiederum selbstverständlich von deren verfassungsrechtlicher Elternschaft aus. 2010 erklärte das Gericht, der Staat müsse über das Wächteramt die Wahrnehmung der Elternverantwortung für das Kindeswohl sichern, wenn zwischen den Eltern ein Mindestmaß an Übereinstimmung nicht hergestellt werden könne. dd.  Kritische Analyse: Gleichberechtigung und Konflikt zwischen unverheirateten Eltern Mit den Rechten nichtehelicher Väter wurde der zweite Bereich diskutiert, in dem die Rechte von zwei Eltern untereinander zu bestimmen waren. Der nichteheliche Vater wurde zuerst aus dem Schutzbereich des Art.  6 Abs.  2 GG ausgeschlossen, dann Schritt für Schritt in den Schutzbereich einbezogen. ­Zunächst nur für den Fall, dass er tatsächlich Verantwortung für das Kind übernommen hatte, dann allein aufgrund seiner leiblichen und rechtlich anerkannten Vaterschaft. Schließlich forderte das Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich auch die gemeinsame Sorge mit der Mutter, die allerdings zum Schutz des Kindes vor Konflikten eingeschränkt werden könne. Die verfassungs­ rechtliche Rechtsprechung steht insofern in engem Zusammenhang mit der bereits oben dargestellten Entwicklung der Rechte des nichtehelichen Vaters im einfachen Recht.779 Nach der grundsätzlichen Einbeziehung des nichtehelichen Vaters als Elternteil in den Schutzbereich des Art.  6 Abs.  2 GG, nahm die Rechtfertigung für Einschränkungen der Elternrechte des Vaters eine Schlüsselstellung in der Rechtsprechung ein. Die Regelung der Rechte der Eltern in diesem Sinne bedeutet schließlich eine starke Einschränkung der Elternverantwortung des ­Vaters und damit einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff, nicht etwa eine reine Ausgestaltung des Elternrechts.780 Die Beschneidung der Rechte des einen Elternteils zugunsten des anderen wird begründet mit der Vermeidung von 776 

BVerfG, Beschl. v. 7.3.1995 – 1 BvR 790/91, 540, 866/92, BVerfGE 92, 158, 178 f. BVerfG, Urt. v. 29.1.2003 – 1 BvL 20/99, 933/01, BVerfGE 107, 150. 778  BVerfG, Beschl. v. 21.7.2010 – 1 BvR 420/09, BVerfGE 127, 132. 779  Teil 2 I 1 d (S.  41). 780 Vgl. Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V II, 2009, §  155, Rn.  28, 88. 777 

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

Konflikten und damit mit dem Schlichtungsamt des Gesetzgebers.781 Zur Rechtfertigung wird nicht nur auf das Kindeswohl verwiesen, sondern auch auf eine „je-desto-Formel“: Je weniger der Gesetzgeber von der Fähigkeit der ­Eltern zur gemeinsamen Wahrnehmung der Elternverantwortung und von der Beziehung zum Kind ausgehen könne, desto eher ist eine familienrechtliche Regelung gerechtfertigt, die die Rechte eines Elternteils einschränkt. Das Gericht ist damit, ebenso wie bei geschiedenen Paaren, zu Recht von der Verfassungsmäßigkeit familienrechtlicher „alles oder nichts“-Lösungen abgerückt, die einem Elternteil zur Vermeidung von Konflikten alle Rechte entziehen. Vielmehr müssen Eingriffe in das Elternrecht jeweils verhältnismäßig mit Blick auf das zu erwartende Konfliktpotential der Eltern sein. Auf diese Überlegungen wird im Rahmen der rechtlichen Regelung von Mehrelternverhältnissen zurückzukommen sein. Hier beschränkt das Bundesverfassungsgericht den sachlichen Schutzbereich des Grundrechts, die Trägerschaft des Elternrechts nämlich allein auf zwei Eltern.782 f.  Adoptiveltern als Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG Die verfassungsrechtliche Elternschaft leiblicher, miteinander verheirateter ­Eltern war für das Bundesverfassungsgericht von Anfang an eindeutig. Die Stellung von Adoptiveltern war und ist verfassungsrechtlich demgegenüber weniger eindeutig. Der grundrechtliche Schutz von Adoptiveltern setzt zunächst voraus, dass die Elterneigenschaft im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG auch durch das ein­ fache Recht, nicht nur durch Geburt entstehen kann. Überdies kommen nach einer Adoption zwei Elternpaare als Bezugspunkte in Betracht, die leiblichen Geburtseltern sowie die Adoptiveltern. Damit bildet die Adoption jedenfalls eines minderjährigen Kindes einen Fall einer Mehrelternschaft, bei dem sich soziale Eltern tatsächlich um das Kind kümmern und dabei durch rechtliche Anerkennung legitimiert werden, aber das Kind nach wie vor leibliche Eltern besitzt. Auf verfassungsrechtlicher Ebene provoziert die Adoption insofern eine Reihe von Fragen: Sind Adoptiveltern Eltern im verfassungsrechtlichen Sinne? Wenn ja, gibt es nach einer Adoption zwei Elternpaare oder verlieren die Geburtseltern durch die Adoption ihre verfassungsrechtliche Elternstellung? Wenn ja, wie geht der Übergang von der einen zur anderen Elternkonstellation vor sich? Kann der Verlust des Elternrechts nur mit Zustimmung der ursprünglichen Eltern erfolgen?

781 Vgl. 782 

Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V II, 2009, §  155, Rn.  28, 88. Teil 2 II 5 g ee (S. 167).

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

161

aa.  Der Beschluss vom 29.7.1968 Mit der verfassungsrechtlichen Elternstellung von Adoptiveltern setzte sich das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 29.7.1968 auseinander.783 Allerdings ist in Bezug auf diese Entscheidung zu beachten, dass sie noch unter dem bis 1977 geltenden Vertragssystem erging, bei dem die Adoption mit der Genehmigung des Adoptionsvertrags wirksam wurde. Unter diesem System wurden die verwandtschaftlichen Bindungen zwischen den Geburtseltern und dem Kind, anders als heute, noch nicht vollständig zugunsten der Adoptiveltern beseitigt.784 Das Bundesverfassungsgericht hatte über die Wirksamkeit der Adoption gegen den Willen der leiblichen Eltern zu entscheiden. Es rechtfertigte die Adoption bei Vernachlässigung und anderen Verfehlungen gegen das Kind. Wenn Eltern in ihrer Elternverantwortung in schwerster Weise versagten und eine Unterstützung dieser Eltern scheitere, sei es die Pflicht des Staates, der dem Grundrechtsschutz des Kindes als eigener Träger der Menschenwürde verpflichtet sei, die Pflege und Erziehung des Kindes anderweitig sicher zu stellen.785 In diesem Sinne bilde das Kindeswohl den Maßstab für die Wahrnehmung des staatlichen Wächteramts nach Art.  6 Abs.  2 S.  2 GG. In diesem Rahmen sei es auch zulässig, wenn der Staat, unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit, das Recht des Kindes dadurch wahre, mittels Adoption die Integration in eine neue Familie zu ermöglichen.786 Interessant sind die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungsrechtlichen Elternstellung beider Eltern. Das Gericht geht offenbar davon aus, dass die Adoptiveltern sowohl Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG werden als auch das verfassungsrechtliche Recht erhalten, das Kind zu pflegen und zu erziehen. Damit ist jedenfalls klargestellt, dass die Elternstellung nicht nur durch leibliche Abstammung etabliert werden kann, sondern auch auf anderem Weg. Dies bedeutet allerdings auch, dass das Verfassungsrecht entweder eine Neubegründung der verfassungsrechtlichen Elternstellung vornehmen oder mehr als zwei Eltern im verfassungsrechtlichen Sinn akzeptieren muss. Das Bundesverfassungsgericht sieht offenbar die Eltern, die ihre Kinder vernachlässigt haben, nicht mehr von Art.  6 Abs.  2 GG geschützt: „Der Verfassungsgeber geht davon aus, daß diejenigen, die einem Kinde das Leben geben, von Natur aus bereit und berufen sind, die Verantwortung für seine Pflege und Erziehung zu übernehmen. Fehlt es ausnahmsweise an dieser Voraussetzung, so trifft die Ersetzung der Einwilligung zur Adoption die Eltern-Kind-Beziehung in einer Lage, in der ein verfassungsrechtlich schutzwürdiges Recht der natürlichen Eltern nicht mehr 783 

BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119. BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 136 f.; vgl. zu damaligen Stellung des Adoptivkindes nach dem BGB Teil 2 I 1 e (S.  54). 785  BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 144. 786  BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 148 ff. 784 

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

besteht. Es handelt sich daher nicht um einen zwangsweisen ‚Elterntausch‘. Eltern, die im Sinne des Grundgesetzes diesen Namen verdienen, weil sie bereit sind, die mit dem Elternrecht untrennbar verbundenen Pflichten auf sich zu nehmen (vgl. auch BVerfGE 10, 59 (67)), erhält das Kind erst durch die Adoption.“787

Damit wird die verfassungsrechtliche Elternstellung an die tatsächliche Wahrnehmung der Elternverantwortung gebunden. Die biologische Abstammung soll gerade keine unumstößliche Rechtsposition gewährleisten. bb.  Der Beschluss vom 7.3.1995 Im Beschluss vom 7.3.1995788 zur Adoption des nichtehelichen Kindes gegen den Willen des leiblichen Vaters und ohne seine Beteiligung im Adoptionsverfahren diskutierte das Bundesverfassungsgericht die verfassungsrechtliche Wirkung der Adoption nicht ausdrücklich. Es führte aber aus, dass die Adoption zum „Verlust der Vaterstellung mit allen Rechten und Pflichten“ führe.789 Was dies für die verfassungsrechtliche Vaterstellung genau bedeutete, stellte das Gericht nicht fest, kam aber zu dem Ergebnis, dass dieser Eingriff in das Elterngrundrecht des leiblichen Vaters verfassungswidrig sei. cc.  Kritische Analyse: Nebeneinander oder Beendigung und Neubegründung verfassungsrechtlicher Elternschaft Wie in der Entwicklung des einfachen Familienrechts ist auch verfassungsrechtlich die Adoption ein interessantes Problem der Mehrelternschaft. Entweder kann es insofern zu einem Nebeneinander der leiblichen- und der Adoptiveltern kommen oder die Rechte und Pflichten der leiblichen Eltern können zugunsten der Adoptiveltern enden. Im Familienrecht ist dies erst seit dem Adoptionsgesetz von 1977 der Fall. Das Bundesverfassungsgericht hat bisher in keiner Entscheidung klar formuliert, welche verfassungsrechtlichen Folgen einer Adoption für die Elternstellung der leiblichen Eltern zukommen. Das Bundesverfassungsgericht thematisierte ein Nebeneinander von mehr als zwei Eltern in seiner Entscheidung vom 29.7.1968 jedoch nicht. Das ist insofern bedauerlich, als die rechtliche Verbindung zwischen den leiblichen Eltern und den Adoptiveltern zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht vollständig mit der Adoption aufgelöst wurde.790 Es wäre also verfassungsdogmatisch erforderlich gewesen, die verfassungsrecht­ liche Grundlage der verbleibenden Elternrechte zu klären. Eine ausdrückliche

787 

BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 150. BVerfG, Beschl. v. 7.3.1995 – 1 BvR 790/91, 540, 866/92, BVerfGE 92, 158. 789  BVerfG, Beschl. v. 7.3.1995 – 1 BvR 790/91, 540, 866/92, BVerfGE 92, 158, 179. 790  Vgl. oben Teil 2 I 1 e aa (S. 54). 788 

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

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Klärung erfolgte aber auch 1995 nicht, als das Gericht erklärte, die Adoption führe zum „Verlust der Vaterstellung mit allen Rechten und Pflichten“.791 Zunächst wäre möglich, dass die verfassungsrechtliche Elternstellung durch die Adoption vollständig verloren geht und eine neue Elternstellung begründet wird. Diese Rechtsfolge war angesichts der zahlreichen familienrechtlichen Rechte und Pflichten, die auch nach der Adoption 1968 verblieben, aber schwer vorstellbar. 1995 war die Situation einfachrechtlich anders, aber das Verfassungsgericht stellte zu dieser Frage keine vertieften verfassungsdogmatischen Überlegungen an. Insofern ist auch interessant, welche verfassungsrechtlichen Wirkungen eine Adoption mit dem Willen der Eltern hat. Dazu hat sich das Bundesverfassungsgericht bisher nicht geäußert. Aber offenbar geht das Gericht implizit davon aus, dass dies möglich ist und in einem solchen Fall eine neue Elternstellung der Adoptiveltern begründet werden kann. Geht man davon aus, dass mit der Adoption auch das verfassungsrechtliche Elternrecht verloren geht oder nicht mehr ausgeübt werden kann, würde dies bedeuten, dass ein Elternteil auf sein verfassungsrechtliches Elternrecht verzichten kann. Dies wird allerdings immer wieder in der Literatur unter Verweis gerade auf die Entscheidung von 1968 abgelehnt.792 Denkbar wäre allerdings auch, die leiblichen Eltern und die Adoptiveltern beide als Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG anzusehen, aber nach der Adoption und dem damit verbundenen Verlust der elterlichen Rechte und Pflichten nach einfachem Recht des BGB, nur den Adoptiveltern das verfassungsrecht­ liche Recht und die Pflicht zuzugestehen, für das Kind zu sorgen. Dieser Eingriff wäre dann entweder gerechtfertigt, weil er mit der Einwilligung der Adoptiveltern erfolgt, oder er müsste im Interesse des Kindeswohls gerechtfertigt werden. An dieser Stelle ließe sich aber fragen, ob dann bestimmte Umgangsrechte im Fall einer offenen Adoption weiter erhalten bleiben können. Um diese Frage freilich beantworten zu können, ist eine vertiefte Klärung der verfassungsrechtlichen Position von Mehrelternverhältnissen erforderlich.

791 

BVerfG, Beschl. v. 7.3.1995 – 1 BvR 790/91, 540, 866/92, BVerfGE 92, 158, 179. Berufung auf BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 143, dass das Elternrecht nicht die negative Freiheit schütze, das Elternrecht nicht auszuüben und das Kind zu vernachlässigen; BeckOK-GG/‌Uhle, Art.  6 , Rn.  48; v. Münch/ Kunig-GG/‌Coester-Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  82; Hoffmann, FamRZ 2011, 1544, 1545; Lipp, in: Schwab/Vaskovicz (Hrsg.), Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, 121, 126. Verweis auf die Unübertragbarkeit der elterlichen Sorge: Schwab, Familienrecht, 2015, Rn.  708; Löhnig, in: Schwab/Vaskovicz (Hrsg.), Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, 157, 161; Lipp, in: Schwab/Vaskovicz (Hrsg.), Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, 121, 126; vgl. auch Brosius-Gersdorf, RdJB 2016, 136, 147. 792  Unter

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

g.  Leiblicher und rechtlicher Vater aa.  Problemlage: Verfassungsrechtliche Dreielternkonstellation In seiner Entscheidung vom 9.4.2003793 beschäftigte sich das Bundesverfassungsgericht mit der Stellung des rechtlichen Vaters im Verhältnis zum leib­ lichen Vater und damit mit einer Situation, in der die verfassungsrechtlichen Positionen (zusammen mit der Mutter) von drei möglichen Eltern zueinander zu bestimmen waren. Das Bundesverfassungsgericht bejahte die verfassungsrechtliche Elternposition aller drei Eltern, ordnete sie also begrifflich als verfassungsrechtliche Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG ein. Gleichzeitig führte das Gericht aber explizit den Grundsatz der verfassungsrechtlichen Zwei-­ Elternschaft ein. Dies begründete das Gericht mit der Differenzierung zwischen der verfassungsrechtlichen Elternstellung, die unter dem Schutz von Art.  6 Abs.  2 GG steht und mehr als zwei Eltern zustehen könne, und der Trägerschaft des Elternrechts bzw. der Elternverantwortung nach Maßgabe des einfachen Rechts, die nur zwei Eltern zugewiesen sein könne. Bei einem Nebeneinander mehrerer Eltern iSd. Art.  6 Abs.  2 GG soll nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nur dem Elternteil im Sinne des einfachen Rechts auch das volle verfassungsrechtliche Elternrecht zur Pflege und Erziehung des Kindes zukommen. Dem anderen Elternteil komme demgegenüber nur das Verfahrensrecht zu, den Inhaber des vollen Elternrechts aus seiner Position zu verdrängen und einfach- sowie verfassungsrechtlich selbst voller Inhaber des Elternrechts zu werden.794 Diese verfassungsdogmatisch höchst problematische Differenzierung ist näher zu beleuchten. bb.  Sachverhalt der Entscheidung vom 9.4.2003 Der Entscheidung lagen Fälle zugrunde, in denen jeweils ein Kind aus einer nichtehelichen Beziehung hervorgegangen war und die nichtehelichen, leib­ lichen Väter ihre Kinder anschließend zumindest auch teilweise betreut hatten. Die rechtliche Vaterstellung hatte jedoch ein anderer Mann ausgefüllt. In einem Fall war dies der Ehemann der Mutter; in einem anderen Fall hatte ein anderer Mann die Vaterschaft anerkannt.795 Einer der leiblichen Väter wünschte ein Umgangsrecht mit dem Kind, der andere wollte selbst die rechtliche Elternstellung einnehmen. Die Familiengerichte verweigerten beides. Ein Umgangsrecht für den leiblichen, nichtrechtlichen Vater sei nicht vorgesehen. Auch könne der leibliche Vater die Vaterschaft weder anfechten noch anerkennen, wenn bereits ein anderer Mann rechtlicher Vater sei.

793 

BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82. BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 99 ff. 795  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 87 ff. 794 

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

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cc.  Verfassungsrechtliche Elternschaft des biologisch-genetischen Vaters Das Bundesverfassungsgericht kam zu dem Ergebnis, dass der Ausschluss des leiblichen Vaters, der in sozial-familiärer Beziehung mit dem Kind gelebt habe, von jedem Umgangsrecht gegen das Familienrecht gem. Art.  6 Abs.  1 GG verstoße, wenn der Umgang dem Kindeswohl diene.796 Der leibliche Vater müsse außerdem das Recht erhalten, die Vaterschaft selbst anfechten zu können, soweit keine schutzwürdige familiäre Bindung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind bestehe.797 Folge der Entscheidung waren die Einführung des §  1685 Abs.  2 BGB und das Anfechtungsrecht der Vaterschaft durch den leib­ lichen Vater gem. §  1600 Abs.  1 Nr.  2 BGB, das aber gem. §  1600 Abs.  2 BGB ausgeschlossen ist, wenn zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind eine sozial-familiäre Bindung besteht. Das Bundesverfassungsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass der leibliche Vater eines Kindes Elternteil im verfassungsrechtlichen Sinne auch ohne rechtliche Anerkennung sei.798 Die Formulierung des „natürlichen Elternrechts“ in Art.  6 Abs.  2 GG mache zum einen deutlich, dass das Elternrecht als ein vorgegebenes Recht durch den Staat anerkannt sei. Andererseits bedeute die Beschreibung des Elterngrundrechts als „natürlich“ auch eine Ausrichtung der verfassungsrechtlichen Elternschaft an der leiblichen Abstammung. Damit habe auch der Gesetzgeber die einfachrechtliche Elternstellung (grund­sätzlich) an der Abstammung des Kindes auszurichten: „Nach Art.  6 Abs.  2 Satz  1 GG sind Pflege und Erziehung des Kindes Recht und Pflicht der Eltern. Der Elternbegriff umfasst nach dem Sprachgebrauch auch die leiblichen ­Eltern eines Kindes, unabhängig vom Familienstand der Eltern und der Enge der Beziehung zwischen ihnen und dem Kind (vgl. BVerfGE 92, 158 [177 f.]). Wenn Art.  6 Abs.  2 Satz  1 GG vom natürlichen Recht der Eltern spricht, kommt hiermit einerseits zum Ausdruck, dass dieses Recht nicht vom Staat verliehen, sondern als vorgegebenes von ihm anerkannt ist (vgl. BVerfGE 59, 360 [376]). Andererseits verdeutlicht dies, dass diejenigen, die einem Kind das Leben geben, von Natur aus grundsätzlich bereit und berufen sind, die Verantwortung für seine Pflege und Erziehung zu übernehmen (vgl. BVerfGE 24, 119 [150]). Deshalb ist der Gesetzgeber gehalten, die Zuweisung der elterlichen Rechtsposition an der Abstammung des Kindes auszurichten (vgl. BVerfGE 79, 256 [267]).“799

dd.  Zwei Väter iSd Art.  6 Abs.  2 GG: Elternschaft und Elternrecht Nachdem das Bundesverfassungsgericht erklärt hatte, die familienrechtliche Abstammung sei nach der leiblichen Abstammung auszurichten, zeigen die fol796 

BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 112 ff. BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 109 ff. 798  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 99, 100; zustimmend: v. Münch/Kunig-GG/‌Coester-Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  70–71. 799  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 100. 797 

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

genden Erwägungen des Gerichts jedoch, dass dem Kriterium einer Ausrichtung an der leiblichen Abstammung gleichwohl keine große Bedeutung zukommen muss. Der Gesetzgeber sei nämlich nicht verpflichtet, die einfachrechtliche Vaterstellung immer von der Prüfung der genetischen Abstammung abhängig zu machen; er könne auch an soziale Tatsachen, wie die Ehe der Mutter oder eine Anerkennung anknüpfen. 800 So könne es auch zu einem Auseinanderfallen von rechtlicher und leiblicher Elternschaft kommen. Sowohl der rechtliche als auch der leibliche Vater ständen in dieser Situation aber unter dem Schutz des Art.  6 Abs.  2 GG.801 Damit könne es also durchaus zwei Väter im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG geben. An dieser Stelle wird die doppelte Verbindung des verfassungsrechtlichen ­Elternbegriffs zur Elternschaft als Rechtsbegriff nach dem einfachen Recht und zur tatsächlichen, genetischen Abstammung deutlich. Das Gericht hätte sich das Problem mehrerer verfassungsrechtlicher Eltern dadurch ersparen können, dass es als Elternteil im Sinne der Verfassung nur den rechtlichen oder nur den genetischen Vater anerkannt hätte. Als Eigentum im Sinne des Art.  14 GG erkennt das Bundesverfassungsgericht nur einfachrechtlich ausgestaltete Rechtspositionen an,802 die freilich über den Eigentumsbegriff des BGB hinausgehen. Das Elterngrundrecht ist jedoch durch seine Beschreibung als „natürlich“ nicht nur dem Recht, sondern auch der Elternschaft als tatsächliche Erscheinung verpflichtet. Dem leiblichen Vater, der sich im vorliegenden Fall sogar tatsächlich um das Kind gekümmert hatte, die verfassungsrechtliche Elternschaft zu verweigern, kam damit nicht in Frage. Um die Anerkennung dreier gleichberechtigter Eltern im verfassungsrechtlichen Sinne zu vermeiden, die zu Forderungen nach Umgangs-, Sorge-, Erb- und sonstigen einfachen Rechten hätte führen müssen, differenzierte das Bundesverfassungsgericht nun jedoch hinsichtlich des Inhalts der rechtlichen Position der jeweiligen Väter im Rahmen des Art.  6 Abs.  2 GG, d. h. hinsichtlich des sachlichen Schutzbereichs. Allein die leibliche Elternschaft, so das Bundesverfassungsgericht, mache den leiblichen Vater noch nicht zum Träger des „Elternrechts“803 gem. Art.  6 Abs.  2 800 

BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101. BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101. 802  Vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.4.2005 – 1 BvR 1644/00, 188/03, BVerfGE 112, 332; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 29.1.1969 – 1 BvR 26/66, BVerfGE 25, 167, 174; BVerfG, Beschl. v. 8.12.1976 – 1 BvR 810/70, 57/73, 147/76, BVerfGE 44, 1, 18; BVerfG, Beschl. v. 3.11.1981 – 1 BvL 11/77, 85/78, 1 BvR 47/81, BVerfGE 58, 377, 389; vgl. auch: BVerfG, Urt. v. 6.12.2016 – 1 BvR 2821/11, 321, 1456/12, BVerfGE 143, 246, Rn.  218: „Die konkrete Reichweite des Schutzes durch die Eigentumsgarantie ergibt sich erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die nach Art.  14 Abs.  1 Satz  2 GG Sache des Gesetzgebers ist. Dieser ist nicht gänzlich frei: Er muss die Freiheitssphäre der Einzelnen mit dem Wohl der Allgemeinheit in ein ausgewogenes Verhältnis bringen, das nicht nur Orientierungspunkt, sondern auch Grenze für die Beschränkung des Eigentums ist.“ 803  Vgl. zu dieser Differenzierung oben unter Teil 2 II 5 g aa (S. 164). 801 

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

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GG. 804 Art.  6 Abs.  2 S.  1 GG schließe ein „Elternrecht“ ohne Pflichten gegenüber dem Kind aus.805 Wer das Elternrecht für sich beanspruche, müsse auch Pflichten gegenüber dem Kind zu tragen bereit sein. Die Differenzierung zwischen „Elternrecht“ gem. Art.  6 Abs.  2 GG und ­„Elternstellung“ nach Art.  6 Abs.  2 GG bedarf weiterer Erklärung. Sie wurde vom Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung vom 9.4.2003 entwickelt. Die Elternstellung bezeichnet die Person, die Elternteil im verfassungsrecht­ lichen Sinn ist. Mit dem „Elternrecht“ meint das Bundesverfassungsgericht offenbar das verfassungsrechtliche Recht gem. Art.  6 Abs.  2 GG, für das Kind zu sorgen und es zu erziehen. Gemeint ist damit, dass derjenige, der Elternteil im verfassungsrechtlichen Sinne ist, damit nicht auch automatisch das verfassungsrechtliche Grundrecht zur Erziehung und Pflege des Kindes innehat. Germann spricht insofern von der Elternschaft nach Art.  6 Abs.  2 GG, die nur den „Grundstatus“ und das „Vorstadium“ des vollen Elterngrundrechts gem. Art.  6 Abs.  2 GG darstelle. 806 In der Literatur wird diese Differenzierung mit den Begriffen „persönlicher Gewährleistungsgehalt“ und „sachlicher Gewährleistungsgehalt“ umschrieben.807 Der „persönliche Gewährleistungsgehalt“ bezeichnet die Eigenschaft einer Person, Elternteil im Sinne von Art.  6 Abs.  2 GG zu sein.808 Dieser Elternteil steht, in der Diktion des Bundesverfassungsgerichts, unter dem Schutz von Art.  6 Abs.  2 GG. Dieser Schutz erschöpft sich, wenn bereits zwei andere Eltern die beiden Positionen des Elternrechts „besetzen“, in einem Recht, unter bestimmten Voraussetzungen einen Träger des Elternrechts aus seiner Position zu verdrängen. Ihm kommt damit gewissermaßen eine Anwartschaft zu. Der sachliche Gewährleistungsgehalt des Grundrechts, in der Diktion des Bundesverfassungsgerichts das „Elternrecht“, bezeichnet demgegenüber das Recht und die Pflicht der Eltern gem. Art.  6 Abs.  2 GG, das Kind zu erziehen.809 ee.  Nur zwei Träger des Elternrechts Zur Begründung des Auseinanderfallens von Elternstellung und Elternrecht in einer Person verwies das Bundesverfassungsgericht darauf, dass das Elternrecht nur zwei Eltern zustehen könne, in diesem Fall dem rechtlichen Vater und der Mutter. 804 

BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101. BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101. 806  Germann, VVDStRL 73 (2014), 257, 276. 807  Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V II, 2009, §  155, Rn.  74 f., 90; Dreier-GG/‌ Brosius-Gersdorf, 2013, Art.  6 , Rn.  150; Lembke, in: Röthel/Heiderhoff (Hrsg.), Regelungsaufgabe Vaterstellung, 2014, 37, 54; Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff (Hrsg.), Regelungsaufgabe Mutterstellung, 2016, 105. 808  Vgl. dazu unten Teil 5 (S.  341). 809  Der Inhalt dieses Rechts wurde unter Teil 2 II 4 (S.  127) diskutiert. 805 

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

Wörtlich führt das Bundesverfassungsgericht aus: „Träger des Elternrechts nach Art.  6 Abs.  2 Satz  1 GG können für ein Kind nur eine Mutter und ein Vater sein. Art.  6 Abs.  2 Satz  1 GG ordnet das Kind den Eltern zu. Dabei lässt schon der Umstand, dass ein Kind nur von einem Elternpaar abstammen kann, darauf schließen, dass der Verfassungsgeber auch nur einem Elternpaar das Elternrecht für ein Kind hat zuweisen wollen. Das Elternrecht basiert auf dieser Zuordnung, durch die es zugleich seine Ausrichtung erfährt: Es ist ein Recht, das jedem Elternteil zusteht, aber mit dem gleichwertigen Recht des anderen Elternteils korrespondiert (vgl. BVerfGE 99, 145 [164]), und das sich auf das Kind bezieht, zu dessen Wohl es auszuüben ist (vgl. BVerfGE 75, 201 [218 f.]). Die Verantwortung für das Kind, die Art.  6 Abs.  2 Satz  1 GG damit den Eltern einräumt wie auferlegt, bedarf aber ihrerseits einer klaren Zuweisung auch der Elternrolle, die es einzunehmen gilt, um im Interesse des Kindes ausgeübt werden zu können. Zwar können sich die familiären Beziehungen, in die ein Kind hineingeboren wird, und damit auch die weiblichen und männlichen Bezugspersonen für das Kind im Laufe der Zeit ändern. Für die Entwicklung des Kindes ist aber neben seiner Abstammung und neben der Qualität der Beziehung zu seinen jeweiligen Bezugspersonen das Wissen und die Gewissheit von maßgeblicher Bedeutung, zu wem es gehört, welcher Familie es zugeordnet ist und wer als Mutter oder Vater Verantwortung für es trägt. Nur dies schafft personale und rechtliche Sicherheit für das Kind, die ihm die Grundrechtsnorm über das Elternrecht vermitteln soll.“810

Damit etabliert das Bundesverfassungsgericht eine verfassungsrechtliche Pflicht zur einfachrechtlichen Zuordnung jedes Kindes zu zwei Eltern, selbst wenn tatsächlich mehr als zwei Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG dem Kind verbunden sind. Das Bundesverfassungsgericht zieht hier aus einem „Sein“, der üblichen biologisch-genetischen Situation bei der Zeugung eines Kindes, einen normativen Schluss auf die Elternzahl, also ein „Sollen“. Dieser Schluss wird spätestens im Fall einer Eizellenspende problematisch, wenn bereits drei Eltern an der biologischen Entstehung des Kindes beteiligt sind. Die Aufspaltung zwischen geschützter Elternstellung und Elternrecht ermöglicht es dem Verfassungsgericht, trotz einer faktischen Verbindung des Kindes zu zwei Vätern, die es verfassungsrechtlich sogar anerkennt, an einer (angeblich) verfassungsrechtlich festgelegten Zwei-Elternkonstellation fest zu halten. Wörtlich führt das Gericht zur Begründung der Begrenzung des Elternrechts auf zwei Eltern aus: „Wenn Art.  6 Abs.  2 Satz  1 GG zuvörderst den Eltern die Verantwortung für das Kind überlässt, beruht dies auf der Erwägung, dass sie in gemeinsamer Ausübung dieser Verantwortung in aller Regel die Interessen ihres Kindes am besten wahrnehmen (vgl. BVerfGE 103, 89 [108]). Eine solche Erwägung kann aber nicht auf eine aus zwei Vätern und einer Mutter bestehende Gemeinschaft bezogen sein, bei der die Vermutung nicht trägt, die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung diene dem Kindeswohl am besten. Vielmehr wären mit einer solchen Konstellation Rollenkonflikte und Kompe810 

BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101.

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

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tenzstreitigkeiten zwischen den Eltern gleichsam angelegt, die negativen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes nehmen könnten. Eine effektive Wahrnehmung der Elternverantwortung im Interesse des Kindes wäre jedenfalls nicht gewährleistet. Zugleich nähme die Schwierigkeit zu, elterliche Verantwortung personell festzumachen, um der Aufgabe der staatlichen Gemeinschaft, über die Ausübung des Elternrechts zu wachen, zur Wahrung des Kindeswohls nachkommen zu können. Der Gehalt des Elternrechts setzt damit seiner Trägerschaft Grenzen.“811

Interessant ist zunächst, dass der Senat davon ausgeht, die gemeinsame Wahrnehmung der Elternverantwortung durch zwei Eltern diene dem Kindeswohl am besten. Allerdings bleiben auch bei der Wahrnehmung der Elternverantwortung durch zwei Eltern Konflikte nicht aus. Heute stellt das einfache Recht zum Umgang mit diesen Konflikten eine Reihe von Normen zur Verfügung. Früher wurden diese Konflikte als Begründung für die Verweigerung gemeinsamer Sorge bei geschiedenen und nichtehelichen Eltern angeführt. Willekens argumentiert insofern zugespitzt, dass zur Vermeidung von Uneinigkeit Kinder am besten immer nur einen Elternteil haben sollten.812 Wie oben gezeigt, war dies auch die Lösung, die das deutsche Recht bis zur Einführung der gemeinsamen elterlichen Gewalt sogar noch nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes verfolgt hatte. 813 An der Einführung einer gleichberechtigten Elternschaft hatte das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung zum väterlichen Stich­ entscheid maßgeblichen Anteil. 814 Die Kindeswohldienlichkeit der gemeinsamen Sorge hatte das Bundesverfassungsgericht gerade in dieser Entscheidung 1959 als Argument dagegen angeführt, dass mögliche Uneinigkeit zwischen den Eltern dem Kind schaden könne.815 Die Kindeswohldienlichkeit gemeinsamer Sorge, so das Bundesverfassungsgericht 2003, gelte aber nicht für mehr als zwei Eltern. Der Senat führt hier zwei Punkte zur Begründung an: einerseits die Befürchtung, dass es zwischen mehr als zwei Trägern des Elternrechts zu Rollen- und Kompetenzkonflikten kommen könnte, und andererseits, dass die persönliche Verantwortung für das Kind umso unklarer wäre, je mehr Träger der Elternverantwortung hinzukommen würden. Letztlich lassen sich beide Argumente auf das Kindeswohl zurückführen, in dessen Interesse das Elternrecht auszuüben ist. Diese Schlussfolgerung wird aus dem Zweck des Elternrechts gezogen und aus Annahmen darüber, was der Entwicklung eines Kindes am besten dient. Letztere stammen allerdings weder aus dem Text der Verfassung noch aus Tatsachenermittlungen. Jedenfalls wird nicht deutlich, auf welche wissenschaftlichen Erkenntnisse das Gericht seine Überzeugung stützt. Wissenschaftliche Untersuchungen zu dieser Frage 811 

BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 103. Willekens, RdJB 2016, 130, 134. 813  Vgl. oben: Teil 2 I 2 (S.  62). 814  BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 27, 100/58, BVerfGE 10, 59. 815  BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 27, 100/58, BVerfGE 10, 59, 87. 812 

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

werden nicht zitiert und die zum Verfahren abgegebenen Stellungnahmen ­äußerten sich zu dieser Frage offenbar nicht ausdrücklich, wenn auch Konflikte zwischen dem leiblichen Vater und der neuen Familie des Kindes thematisiert wurden. 816 Der leibliche Vater ist damit nach der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts zwar von Art.  6 Abs.  2 GG geschützt, aber nicht Träger des verfassungsrechtlichen Elternrechts und könne daher auch nicht Verantwortung für das Kind übernehmen. Insoweit schützt ihn das Grundgesetz nur in seinem Interesse, die Stellung des rechtlichen Vaters einzunehmen und so zum Träger des Elternrechts zu werden.817 Ihm kommt insofern eine Art „Anwartschaftsrecht“818 zu. Um leibliche und rechtliche Vaterschaft möglichst in Übereinstimmung zu bringen, verlange die Verfassung die Einrichtung eines Verfahrens zur Feststellung der Vaterschaft und Neuordnung des Elternrechts. Diese verfahrensrechtliche Gewährleistung des Art.  6 Abs.  2 GG erfordere es daher, dass der Gesetzgeber für den potentiellen leiblichen Vater ein Verfahren zur Feststellung seiner Vaterschaft und als Zugang zum Elternrecht bereitstelle.819 Dieses Recht garantiere jedoch nicht, dass der leibliche Vater die Stellung des rechtlichen ­Vaters in allen Fällen einnehmen müsse. 820 Die Entscheidung führt insofern aus: „Auch der leibliche, aber nicht rechtliche Vater eines Kindes steht unter dem Schutz von Art.  6 Abs.  2 Satz  1 GG. Leiblicher Vater eines Kindes zu sein, macht diesen allein allerdings noch nicht zum Träger des Elternrechts aus Art.  6 Abs.  2 Satz  1 GG. Die Grundrechtsnorm schützt den leiblichen Vater aber in seinem Interesse, die Rechtsstellung als Vater des Kindes einzunehmen. Dieser Schutz vermittelt ihm kein Recht, in jedem Fall vorrangig vor dem rechtlichen Vater die Vaterstellung eingeräumt zu erhalten.“821

Zwar müsse der Gesetzgeber soziale und leibliche Elternschaft grundsätzlich in Deckung bringen. Fielen leibliche Abstammung und sozial-familiäre Verantwortungsgemeinschaft aber auseinander, obliege es ihm, die zwei Aspekte, die beide die Elternschaft ausmachten, gegeneinander abzuwägen. 822 Der Gesetzgeber dürfe die soziale Familie und die Position des rechtlichen Vaters schützen, der soziale Verantwortung für das Kind übernommen habe.823 Bestehe aber gar keine soziale-familiäre Verantwortungsgemeinschaft, die Schutz verdiene, so dürfe der leibliche Vater nicht davon ausgeschlossen werden, die Vaterschaft und damit die Elternverantwortung selbst zu übernehmen.824 816 

BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 94 ff. BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 104 ff. 818  Lembke, in: Röthel/Heiderhoff (Hrsg.), Regelungsaufgabe Vaterstellung, 2014, 37, 54; Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff (Hrsg.), Regelungsaufgabe Mutterstellung, 2016, 87, 105. 819  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 104 f. 820  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 105 ff. 821  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 99. 822  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 106 ff. 823  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 106 ff. 824  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 109 ff. 817 

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

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Bildlich gesprochen scheint sich das Bundesverfassungsgericht Art.  6 Abs.  2 GG wie ein Auto vorzustellen, in dem der leibliche und der rechtliche Vater gemeinsam Schutz finden. Allein einer von beiden ist aber Träger des Elternrechts. Nur einer von beiden Vätern – der Träger des Elternrechts – kann am Steuer sitzen. Die verfassungsrechtliche Literatur differenziert hier präziser zwischen persönlichem Gewährleistungsgehalt (Elternstellung) und sach­ lichem Gewährleistungsgehalt (Elternrecht),825 wobei die Elternstellung, die begriffliche Einbeziehung in den grundrechtlichen Schutz der Eltern von vornherein beiden Vätern in gleicher Weise zusteht. Demgegenüber kann das Eltern­recht in der hier in Rede stehende Dreierkonstellation verfassungsrechtlich nur allein dem rechtlichen Vater zustehen. Das Elternrecht826 ist nach der Entscheidung von 2003 untrennbar mit elterlichen Pflichten verbunden. Es schließt als solches inhaltlich verfassungsrechtlich jedenfalls die elterliche Sorge827 mit ein, aber auch das Recht828 und die Pflicht829 zum Umgang mit dem Kind, zur Sicherung angemessenen Unterhalts,830 sowie das Recht, dem Kind einen Namen zu geben. 831 Der verfassungsrechtliche Schutz der Elternstellung nach Art.  6 Abs.  2 GG allein bedeutet demgegenüber nur das Recht, vielleicht einmal in die Position am Steuer als Träger des Elternrechts einrücken zu dürfen. Ein Recht auf Umgang mit seinem Kind neben dem rechtlichen Vater bzw. die Schaffung der entsprechenden Rechte im BGB konnte der leibliche Vater daher nur unter Berufung auf eine bereits etablierte soziale Beziehung aus Art.  6 Abs.  1 GG, nicht aus dem Recht der Elternschaft, fordern.832 Seine ver-

825  v. Münch/Kunig-GG/‌Coester-Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  75; Dreier-GG/‌Brosius-Gersdorf, 2013, Art.  6, Rn.  150; Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  VII, 2009, §  155, Rn.  74 f., 90; Lembke, in: Röthel/Heiderhoff (Hrsg.), Regelungsaufgabe Vaterstellung, 2014, 37, 54; Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff (Hrsg.), Regelungsaufgabe Mutterstellung, 2016, 105. 826  Vgl. zu den wesentlichen Grundsätzen des Elternrechts: BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 143; Beschl. v. 15.6.1971 – 1 BvR 192/70, BVerfGE 31, 194, 204; Beschl. v. 5.11.1980 – 1 BvR 349/80, BVerfGE 55, 171, 182; Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 1 BvL 12/81, BVerfGE 61, 358, 371 f.; BVerfG, Beschl. v. 14.4.1987 – 1 BvR 332/86, BVerfGE 75, 201, 218. 827  BVerfG, Beschl. v. 24.3.1981 – 1 BvR 1516/78, 964, 1337/80, BVerfGE 56, 363, 382.; BVerfG, Beschl. v. 21.7.2010 – 1 BvR 420/09, BVerfGE 127, 132, 152, Rn.  47. 828 Vgl. zu Verfassungsbeschwerden in denen Einschränkungen des Umgangsrechts als Eingriffe in das Elternrecht gerügt wurden: BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 29.7.2015 – 1 BvR 1468/15, FamRZ 2015, 1686; BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 30.7.2014 – 1 BvR 1530/14, juris; BVerfG, Beschl. d. 2. Kammer d. Ersten Senats v. 13.12.2012 – 1 BvR 1766/12, FamRZ 2013, 433. 829  BVerfG, Urt. v. 1.4.2008 – 1 BvR 1620/04, BVerfGE 121, 69. 830  BVerfG, Urt. v. 6.2.2001 – 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89, 107. 831  BVerfG, Urt. v. 30.1.2002 – 1 BvL 23/96, BVerfGE 104, 373, 385; BVerfG, Beschl. d. 2. Kammer d. Ersten Senats v. 5.12.2008 – 1 BvR 576/07, BVerfGK 14, 479; Beschl. d. 3. Kammer d. Ersten Senats v. 3.4.1998 – 1 BvR 994/98, FamRZ 2004, 522. 832  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 111 ff.

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

fassungsrechtliche Rechtsstellung geht insoweit nicht wesentlich weiter als die von Stief- und Pflegeeltern.833 Die Differenzierung zwischen verfassungsrechtlicher Elternschaft und Eltern­ recht begründet das Dogma der verfassungsrechtlichen Zwei-Elternschaft trotz tatsächlicher Mehrelternschaft durch ein System der verfassungsrechtlichen Zweiklassen-Elternschaft. Das Gericht limitiert die Träger des ­Elternrechts auf zwei, um Kompetenzkonflikte zu vermeiden. 834 Dem leib­ lichen, nichtrechtlichen Vater, der noch keine soziale Bindung zu dem Kind hatte aufbauen können, standen danach mit Billigung des Bundesverfassungs­ gerichts keine Rechte insbesondere auf Umgang mit seinem Kind zu; Verfassungsbeschwerden gegen diese Regelungen blieben erfolglos.835 Erst Verfahren vor dem EGMR, insbesondere Anayo v. Deutschland, änderten dies.836 h.  Soziale Eltern Soziale Eltern sind Pflegeeltern und Stiefeltern. Zunächst wird die Rechtsprechung zu beiden erörtert, dann auf die Würdigung des kleinen Sorgerechts für Stiefeltern durch das Bundesverfassungsgericht eingegangen. aa.  Nur Familie Soziale Eltern stehen unter dem Schutz von Art.  6 Abs.  1 GG, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch nicht dem Schutz von Art.  6 Abs.  2 GG. Die Familie wird als Lebens- und Erziehungsgemeinschaft837 bezeichnet und mit dem engen Familienbegriff als die „umfassende Lebensgemeinschaft von Eltern und Kindern“838 definiert. Soziale Eltern mit ihren Kindern bilden damit 833  BVerfG, Beschl. v. 17.10.1984 – 1 BvR 284/84, BVerfGE 68, 176, 187; Beschl. v. 12.10.1988 – 1 BvR 818/88, BVerfGE 79, 51, 59; dazu sogleich unter Teil 2 II 5 h (S.  172); BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 82, Rn.  62. 834  Vgl. BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 78, Rn.  52. 835 Vgl. BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 20.9.2006 – 1 BvR 1337/06, ­FamRZ 1661, 1662. 836  EGMR, Urt. v. 21.12.2010 – 20578/07 (Anayo v. Deutschland), FamRZ 2011, 269, Anm. Rixe, FamRZ 2011, 1363; vgl. auch EGMR, Urt. v. 22.3.2012 – 23338/09 (Kautzor v. Deutschland), NJW 2013, 1937; EGMR, Urt. v. 15.9.2011 – 17080/07 (Schneider v. Deutschland), ­FamRZ 2011, 1715 m. Anm. Helms; EGMR, Urt. v. 2.12.2014 – 546/10 (Adebowale v. Deutschland), vgl. dazu unten Teil 2 III (S.  188). 837 Maunz/Dürig-GG/‌ Badura, 2016, Art.  6 GG, Rn.  62; v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/ Robbers, 2010, Art.  6 , Rn.  82. 838  „Familie ist die umfassende Gemeinschaft von Eltern und Kindern, in der den Eltern vor allem Recht und Pflicht zur Pflege und Erziehung der Kinder erwachsen.“ BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 27, 100/58, BVerfGE 10, 59, 66, Rn.  27; vgl. auch v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌Robbers, 2010, Art.  6 , Rn.  77. Die weitere Definition der Familie, die auch weitere Verwandte bei einer entsprechend engen tatsächlichen Bindung umfasst, muss hier nicht erörtert werden: vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.6.2014 – 1 BvR 2926/13, BVerfGE

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jedenfalls eine Familie, wobei es nach allgemeiner Meinung unerheblich ist, ob die Eltern verheiratet sind,839 ob die Kinder von ihnen abstammen oder ob ihre Elternschaft rechtlich anerkannt ist. 840 Daher ist auch die Gemeinschaft von Adoptiv-, Pflegekindern und -eltern,841 sowie eines Stiefelternteils mit dem anderen Elternteil und Kind842 als Familie anerkannt. Auch eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft mit einem Kind bildet eine Familie.843 Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erkennt die Personen, die in einem Familienverband im o.g. Sinne tatsächlich für das Kind Verantwortung übernehmen, jedoch nur dann auch als Eltern im Sinne von Art.  6 Abs.  2 GG an, wenn sie als rechtliche Eltern anerkannt sind. 844 Im Urteil vom 19.2.2013 zur Sukzessivadoption entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die soziale Eltern-Kind-Beziehung keine verfassungsrechtliche Elternposition, sondern nur den Schutz des Familiengrundrechts vermittle. Konkurriere der rechtlichsozia­le Vater mit dem leiblichen Vater um die rechtliche Elternschaft, wie im Fall des Beschlusses des Gerichts vom 9.4.2003, 845 so könne „von Verfassungs wegen“ die sozial-familiäre Beziehung zum Kind über die Zuweisung entschei136, 382, 388, Rn.  22 f. Damit hat sich das Bundesverfassungsgericht dem Familienbegriff des EGMR angenähert, der auf die Umstände des Einzelfalls (EGMR, Urt. v. 22.4.1997 – 21830/93 (X, Y und Z v. Vereinigtes Königreich), Rn.  36; EGMR, Urt. v. 13.6.1979 – 6833/74 (Marckx v. Belgien), Rn.  31.), insbesondere die tatsächlichen Beziehungen, abstellt und neben der Kleinfamilie (EGMR, Urt. v. 26.5.1994 – 16959/90 (Keegan v. Irland), Rn.  4 4) homosexuelle Partnerschaften in den Schutz des „Familienlebens“ einbezieht (EGMR, Urt. v. 24.6.2010 – 30141/04 (Schalk und Kopf v. Österreich), Rn.  93 f. = NJW 2011, 1421; Frowein/Peukert/­ Frowein, EMRK, 2009, Art.  8 , Rn.  20). 839  BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 27, 100/58, BVerfGE 10, 59, 66; BVerfG, Beschl. v. 30.6.1964 – 1 BvL 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25/62, BVerfGE 18, 97, 105 f.; BVerfG, Beschl. v. 8.6.1977 – 1 BvR 265/75, BVerfGE 45, 104, 123; BVerfG, Urt. v. 31.1.1989 – 1 BvL 17/87, BVerfGE 79, 256, 267; BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 112; BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, ­BVerfGE 133, 59, 84, Rn.  6 4. 840  Jarass erklärt, die Familie entstehe durch Geburt oder rechtliche Anerkennung, räumt aber ein, dass Formfehler einer Adoption die Entstehung einer Familie nicht auszuschließen vermögen: Jarass/Pieroth-GG/‌Jarass, 2016, Art.  6 , Rn.  8. 841  BVerfG, Beschl. v. 17.10.1984 – 1 BvR 284/84, BVerfGE 68, 176, 187; Beschl. v. 12.10.1988 – 1 BvR 818/88, BVerfGE 79, 51, 59; BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 82, Rn.  62. 842  BVerfG, Beschl. v. 30.6.1964 – 1 BvL 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25/62, BVerfGE 18, 97, 105 f.; BVerfG, Urt. v. 31.1.1989 – 1 BvL 17/87, BVerfGE 79, 256, 267; so auch: Jarass/­ Pie­roth-GG/‌Jarass, 2016, Art.  6 , Rn.  8; BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 82, Rn.  62. 843  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 82, Rn.  60 ff.; so auch Sachs-GG/‌v. Coelln, 2014, Art.  6, Rn.  16 m. w. N.; v. Münch/Kunig-GG/‌Coester-­ Waltjen, 2012, Art.  6, Rn.  11; Jarass/Pieroth-GG/‌Jarass, 2016, Art.  6, Rn.  8; a. A. BeckOK-­ GG/‌Uhle, Art.  6 , Rn.  18. 844  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59. 845  Verweis BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 81, Rn.  59 auf BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 106.

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

den.846 Die soziale Elternstellung stehe aber nicht unter dem Schutz des Art.  6 Abs.  2 GG. Wörtlich formulierte der Senat: „Soziale Elternschaft allein begründet grundsätzlich keine Elternposition im Sinne des Art.  6 Abs.  2 Satz  1 GG und vermittelt damit auch kein Recht auf Adoption. Dem verfassungsrechtlichen Schutzbedarf der familiären Bindungen zwischen einem Kind und der Person, die ihm gegenüber eine soziale Elternrolle übernommen hat, ohne rechtlich ­Elternteil zu sein, wird vielmehr durch den Familienschutz des Art.  6 Abs.  1 GG Rechnung getragen, der vom formalen Elternstatus unabhängig ist.“847

Diese Definition der Elternschaft führt dazu, dass Personen, die tatsächlich ­Elternfunktionen wahrnehmen, nur unter dem Schutz des Art.  6 Abs.  2 GG stehen, wenn sie als Eltern Anerkennung im einfachen Recht gefunden haben, während sie im Übrigen begrifflich keine Eltern im Sinne dieser Vorschrift sind. Sie sind allerdings von Art.  6 Abs.  1 GG als Familie geschützt. bb. Stiefeltern Mit den Rechten von Stiefeltern als einer besonderen Gruppe sozialer Eltern setzte sich das Bundesverfassungsgericht nur am Rande der Entscheidung zu den Lebenspartnerschaften vom 17.7.2002848 auseinander. Der Gesetzgeber hatte dem mit dem allein sorgeberechtigten Elternteil verpartnerten Lebenspartner ein „kleines Sorgerecht“ gem. §  9 LPartG eingeräumt. Im Zusammenhang mit der Verfassungsmäßigkeit des ganzen Gesetzes prüfte das Bundesverfassungsgericht auch die Verfassungsmäßigkeit des kleinen Sorgerechts. Das Bundesverfassungsgericht erklärte, die Übertragung der alleinigen Sorge auf einen Elternteil könne eine Verletzung des Elternrechts des anderen Elternteils gem. Art.  6 Abs.  2 GG darstellen. Keine Verletzung sei es jedoch, wenn in dieser Situation in Ableitung und im Einverständnis mit dem alleinig sorgeberechtigten Elternteil „Dritte, die mit dem Kind zusammenleben, teilweise gemeinsam Eltern­ verantwortung wahrnehmen.“849 Eine Klärung der verfassungsrechtlichen Position des Stiefelternteils wurde nicht vorgenommen. Allerdings argumentierte das Gericht, die Übertragung des kleinen Sorgerechts auf das Stiefelternteil beraube den rechtlichen Elternteil nicht seines Sorgerechts. Das kleine Sorgerecht könne nach einfachem Recht nur in solchen Fällen eingeräumt werden, in denen der Ehepartner des Stiefelternteils das alleinige Sorgerecht für das Kind besäße. Der Entzug der elterlichen Sorge für den anderen rechtlichen Elternteil beruhe damit nicht auf der Einräumung des kleinen Sorgerechts an das Stief­ elternteil.850 Vielmehr erhalte ein Dritter unabhängig vom Verlust der Sorge des 846 

BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 81, Rn.  59. BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 81 f., Rn.  59. 848  BVerfG, Urt. v. 17.7.2002 – 1 BvF 1, 2/01, BVerfGE 105, 313, 354. 849  BVerfG, Urt. v. 17.7.2002 – 1 BvF 1, 2/01, BVerfGE 105, 313, 354. 850  BVerfG, Urt. v. 17.7.2002 – 1 BvF 1, 2/01, BVerfGE 105, 313, 354. 847 

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

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einen Elternteils mit Zustimmung des anderen, sorgeberechtigten Elternteils, mit dem der Stiefelternteil verheiratet oder verpartnert sei, als Dritter ein Mit­ sorgerecht. 851 cc.  Kritische Analyse: Art.  6 Abs.  1 GG als zweites Elterngrundrecht Soziale Eltern unterfallen damit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht dem Familien-, aber nicht dem Elterngrundrecht. Der Familienbegriff ist somit deutlich weiter als der Elternbegriff. Nach dieser Auslegung des Art.  6 GG enthält die Verfassung im Grunde zwei Elternbegriffe: einen formalen unter Art.  6 Abs.  2 GG, der nur rechtliche und leibliche Eltern einschließt und soziale Eltern ausklammert, und einen familiären Elternbegriff, der informell ist und soziale Eltern miteinbezieht. Im Ergebnis bedeutet diese dogmatische Herangehensweise, dass potentielle Träger der Elternstellung aus dem Schutz des Art.  6 Abs.  2 GG ausgeklammert und unter den Schutz des Art.  6 Abs.  1 GG gestellt werden. Art.  6 Abs.  1 GG wird damit zu einer Art zweiten Elterngrundrecht. Dies zeigt auch der Umgang des Bundesverfassungsgerichts mit dem „Kleinen Sorgerecht“. Der Stiefelternteil ist kein Elternteil im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG. Ob dies bedeutet, dass das kleine Sorgerecht nicht bei bestehender gemeinsamer Sorge eingeräumt werden kann, wie es auf dem 71. DJT 2016852 gefordert wurde, ist damit nicht geklärt. Interessant ist allerdings, dass das Bundesverfassungsgericht wiederum die einfachrechtlichen Wertungen nachvollzieht, wonach sich das kleine Sorgerecht nur von dem allein sorgeberechtigte Partner ableitet, und so eine verfassungsrechtliche Mehrelternschaft vermeidet. Insofern passt sich die Argumentation gut in den Umgang des Bundesverfassungsgerichts mit anderen sozialen Eltern ein, die nur unter dem Schutz von Art.  6 Abs.  1 GG, nicht von Art.  6 Abs.  2 GG stehen. Die verfassungsrechtliche Elterndefinition im Art.  6 Abs.  1 und 2 GG ermöglicht es, verfassungsrechtliche Mehrelternkonstellationen innerhalb des Art.  6 Abs.  2 GG zu minimieren. Diese werden vom Gericht zwar auch innerhalb des Art.  6 Abs.  2 GG durch eine Differenzierung zwischen Elternstellung und Elternrecht vermieden. Die Differenzierung zwischen Schutz der Familie und Elterngrundrecht führt aber dazu, dass es weniger „Kandidaten“ für die Trägerschaft des Elternrechts gibt. Damit werden freilich nicht notwendig Konflikte vermieden, da auch die ­Familie verfassungsrechtlichen Schutz genießt. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf die einfachrechtliche Einführung von Umgangsrechten bejaht (§  1685 Abs.  2 BGB), wenn der Umgang dem Kindeswohl dient.853 851 

BVerfG, Urt. v. 17.7.2002 – 1 BvF 1, 2/01, BVerfGE 105, 313, 354. Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 62 f. 853  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 113. 852 Vgl.

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

i.  Gleichgeschlechtliche Eltern In seiner Entscheidung zur Sukzessivadoption vom 19.2.2013 beschäftigte sich das Bundesverfassungsgericht mit der Elternschaft gleichgeschlechtlicher ­Eltern. Hier stand infrage, ob der Ausschluss von Lebenspartnern von der Sukzessivadoption verfassungsgemäß war. In der Literatur war teilweise vertreten worden, Eltern müssten verschiedengeschlechtlich sein. 854 Jestaedt argumentierte, „natürliches Recht“ in Art.  6 Abs.  2 GG bedeute, dass das GG nur verschiedengeschlechtliche Eltern erlaube.855 Das Bundesverfassungsgericht erklärte jedoch, Elternschaft im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG werde einerseits durch die einfachrechtliche Anerkennung als Eltern begründet, andererseits durch die Abstammung.856 Bei rechtlicher Anerkennung erkannte das Bundesverfassungsgericht in der Tat an, dass Eltern auch das gleiche Geschlecht haben können, etwa nachdem ein Partner das Kind seines Partners rechtswirksam adoptiert hatte.857 Die Verfassung erwähne nicht „Mutter“ und „Vater“ sondern ­„Eltern“.858 Elternrechte bestünden im Interesse der Kinder. Den Eltern läge das Wohl des Kindes mehr am Herzen als jeder anderen Institution. Daher schütze die Verfassung das Elternrecht vor staatlicher Intervention im Interesse des Kindes. Für diesen Schutz sei das Geschlecht der Eltern unerheblich.859 Das Bundesverfassungsgericht widersprach auch dem Eindruck, die Elternschaft gleichgeschlechtlicher Paare sei in der Entscheidung von 2003860 als verfassungswidrig erklärt worden. 2013 erklärte der Senat, die Entscheidung aus dem Jahr 2003 hätte keine Aussage zur Geschlechtsverschiedenheit der Eltern gemacht, sondern sich lediglich mit den aus einer Mehrelternschaft zu erwartenden Kompetenzkonflikten beschäftigt.861 „Die verfassungsrechtliche Anerkennung der Elternschaft zweier gleichgeschlechtlicher Personen hat das Bundesverfassungsgericht nicht mit der Feststellung ausschließen wollen, der Umstand, dass ein Kind nur von einem Elternpaar abstammen könne, lasse darauf schließen, dass der Verfassungsgeber nur einem Elternpaar das Elternrecht für ein Kind habe zuweisen wollen (vgl. BVerfGE 108, 82 [101]). In dieser Entscheidung ging es ersichtlich nicht um die Frage der Geschlechterkonstellation der Eltern, sondern um die Begrenzung der Trägerschaft des Elternrechts zur Vermeidung von Verantwortungsunklarheit und Kompetenzkonflikten. Beim Nebeneinander von zwei Vätern, denen zusammen mit der Mutter jeweils die gleiche grundrechtlich zugewiesene Elternverantwortung für das Kind zukäme, nähme die Schwierigkeit zu, elterliche Verantwortung personell festzumachen; zudem wären Rollenkonflikte und Kompetenzstreitigkeiten 854 

Vgl. zur Diskussion Grehl, Das Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare, 2008. Jestaedt, FS Bartlsperger, 2006, 79. 856  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 79. 857  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 77. 858  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 78, Rn.  51. 859  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 77–78, Rn.  49. 860  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101, 103. 861  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 77–78, Rn.  49. 855 Vgl.

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zwischen den Eltern gleichsam angelegt, die negativen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes nehmen könnten (vgl. BVerfGE 108, 82 [103]).“862

Hier taucht das Argument zur natürlichen Zeugungssituation, welches das Bundesverfassungsgericht 2003863 angeführt hatte, nicht mehr auf. Ein Grund dafür mag sein, dass der Verweis auf den subjektiven Willen des Verfassungsgebers und dessen Fähigkeit, sich eine Mehrelternschaft vorzustellen, auch das Argument des Bundesverfassungsgerichts in Frage gestellt hätte, die gleichgeschlechtliche Elternschaft sei verfassungsgemäß, auch wenn sie sich der Verfassungsgeber nicht habe vorstellen können.864 Allein auf das Argument der Vermeidung möglicher Kompetenzkonflikte wird jedenfalls in der Entscheidung von 2013 Bezug genommen. Mit diesem Argument muss sich die Diskussion um die Anerkennung der Mehrelternschaft daher ebenso auseinandersetzen wie mit der grundsätzlichen Überzeugungskraft der dogmatischen Differenzierung zwischen Elternstellung und Elternrecht. j.  Offene Fragen: Wunscheltern, Eizellenspenderin Die verfassungsrechtliche Position von Wunscheltern, also Personen, die mit Hilfe reproduktionsmedizinischer Maßnahmen mit Hilfe Dritter wie Leihmütter, Eizellenspenderinnen und Samenspendern Kinder bekommen möchten, war bisher nicht Gegenstand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Werden nicht die Gameten der Wunscheltern verwendet, so ist das entstehende Kind nicht das leibliche Kind der Wunscheltern, sodass eine Elternschaft im verfassungsrechtlichen Sinn fraglich ist, wenn die Wunscheltern nicht jedenfalls die rechtlichen Eltern sind. Rechtliche Eltern können die Wunsch­ eltern allerdings sein, wenn die Wunschmutter das Kind geboren hat, was im Fall einer Eizellenspende, Samenspende oder Embryonenspende möglich ist. Der Wunschvater kann rechtlicher Vater durch Anerkennung oder als Ehemann der Geburtsmutter werden. Allerdings stellen sich in diesem Fall weitere Probleme der multiplen Elternschaft, die noch nicht Gegenstand der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung waren. Die verfassungsrechtliche Position der Eizellenspenderin und des Samenspenders sowie von Leihmüttern sind bisher nicht Gegenstand verfassungsrechtlicher Verfahren gewesen.

6.  Nur Zwei? Nach der Darstellung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den verschiedenen Formen der Elternschaft soll der Fokus nun speziell auf das Mehrelternverhältnis gerichtet werden. 862 

BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 78, Rn.  52. BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101. 864  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 79 f., Rn.  5 4 ff. 863 

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a.  Das Bundesverfassungsgericht aa.  Elternstellung und Elternrecht Das Bundesverfassungsgericht hat 2003 anerkannt, dass ein Kind mehrere von Art.  6 Abs.  2 GG geschützte Eltern haben kann. 865 Andererseits hat das Gericht dogmatische Herangehensweisen entwickelt, die die Zahl der Eltern begrenzen. Dazu gehört zum einen der Ausschluss sozialer Eltern vom verfassungsrecht­ lichen Elternbegriff. 866 Zum anderen verhindert die Differenzierung zwischen dem Schutz der Elternstellung durch Art.  6 Abs.  2 GG und der Trägerschaft des Elternrechts, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung von 2003 formulierte, Konflikte zwischen mehreren potentiellen Trägern des Eltern­rechts.867 Oben wird dieses Vorgehen bewusst zugespitzt als die Einführung einer verfassungsrechtlichen „Zweiklassen“-Elternschaft bezeichnet.868 Diese Unterscheidung zwischen der Trägerschaft des Elternrechts und dem Schutz der Elternstellung gem. Art.  6 Abs.  2 GG869 wurde auch in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19.2.2013 zur Sukzessivadoption gleichgeschlechtlicher Lebenspartner eingehalten. Das Gericht konstatierte, eine Mehrzahl von Personen mit Elternrechten könne zu Rollenkonflikten und unklarer Kompetenzverteilung führen.870 Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9.4.2003 ist es also verfassungsgemäß, einem von drei Elternteilen im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG einfachrechtliche Rechte und Pflichten wie Unterhalts‑, Sorge‑, Umgangs‑ und Erbrecht gegenüber seinem Kind vollständig zu verweigern, weil dieser nicht Träger des Elternrechts gem. Art.  6 Abs.  2 GG ist, das ihn verfassungsrechtlich zur Erziehung und Pflege seines Kindes berechtigt und verpflichtet. bb.  Kritische Analyse Bisher hat das Bundesverfassungsgericht keine direkte Aussage zur Frage getroffen, ob der Gesetzgeber verfassungsgemäß handeln würde, wenn er einem Elternteil, der nicht Träger des Elternrechts gem. Art.  6 Abs.  2 GG ist, 871 trotzdem als Elternteil im Sinne des BGB bestimmen und ihm familienrechtliche Rechte und Pflichten zuerkennen würde, wie z. B. die Sorgerechte oder ein Recht auf Umgang gem. §  1686a BGB. Vergleichbar mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Lebenspartnerschaft, die als aliud zur Ehe nicht

865 

BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101. Vgl. oben Teil 2 II 5 h (S.  172). 867  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101, 103. 868  Vgl. Teil 2 II 5 g ee (S.  167). 869  Jestaedt, FS Bartlsperger, 2006, 79. 870  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 78, Rn.  52. 871  Weil die zwei Elternpositionen für die Träger des Elternrechts bereits „besetzt“ sind. 866 

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

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unter dem Schutz des Art.  6 Abs.  1 GG steht,872 ließe sich überlegen, ob der einfachrechtliche Gesetzgeber mehr als zwei Eltern zwar familienrechtlich zulassen könnte, von denen aber nur jeweils zwei Träger des verfassungsrecht­ lichen Elternrechts wären. Dies würde zu dem eigenartigen Ergebnis führen, dass es Eltern nach den Vorschriften des Familienrechts gäbe, die nicht Träger des Elternrechts gem. Art.  6 Abs.  2 GG wären. Dies widerspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das in seinen Entscheidungen, insbesondere der Entscheidung vom 9.4.2003,873 sonst vom Gleichklang von familienrechtlicher Elternstellung und Trägerschaft des Elternrechts im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG ausgeht. Insofern klingt die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts „Träger des ­Elternrechts könnten für ein Kind nur jeweils ein Vater und eine Mutter sein“874 eher so, als würde das Gerichts die Übertragung von familienrechtlichen ­Elternrechten und Elternpflichten an mehr als zwei Eltern im Sinne des BGB für nicht verfassungsgemäß halten. Durchaus möglich ist aber die Zuweisung von elterlichen Rechten und Pflichten an Personen, die nicht Eltern im Sinne des einfachen Rechts, das heißt des BGB sind. 875 Das führt allerdings zu dem wenig überzeugenden Ergebnis, dass mehrere Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG verfassungsrechtlich nebeneinander existieren, die nicht Träger des Elternrechts im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG sind, aber Träger bestimmter Rechte und Pflichten nach dem BGB sein können, wenn sie nur im Sinne des BGB nicht als ­„Eltern“ bezeichnet werden. Dies führt zu erstaunlichen Widersprüchen zwischen der einfachrechtlichen und der verfassungsrechtlichen Rechtsstellung. b.  Multiple Elternschaft in der verfassungsrechtlichen Literatur aa.  Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerfG Fragen rund um die verfassungsrechtlichen Probleme von Ehe, Familie und ­Elternschaft haben die verfassungsrechtliche Literatur in den letzten Jahren stark beschäftigt. 876 Mit Blick auf neuere Entwicklungen der Reproduktionsmedizin und gesellschaftliche Veränderungen finden sich in der Literatur Stim872  BVerfG, Urt. v. 17.7.2002 – 1 BvF 1, 2/01, BVerfGE 105, 313, 346 ff.; vgl. dazu: Sanders, German Law Journal 2012, 911, 926 ff. 873  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 103; BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 81, Rn.  58. 874  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101. 875 Vgl. Britz, JZ 2014, 1069, 1071, Rn.  9, 10. 876  Die Literatur zu diesen Bereichen ist kaum mehr überschaubar, vgl. nur die Nachweise der Vorträge von Böhm und Germann zum Thema „Dynamische Grundrechtsdogmatik von Ehe und Familie?“ der Staatsrechtslehrertagung 2013, VVDStRL 73 (2014), 211 ff.; sowie die Beiträge in Uhle (Hrsg.), Zur Disposition gestellt? Der besondere Schutz von Ehe und Familie zwischen Verfassungsanspruch und Verfassungswirklichkeit, 2014; zu den hier nicht näher zu erörternden Fragen des demografischen Wandels: Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011.

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

men, die eine „Konfusion der Familienrechtsordnung“ und „Familienstrukturverwirrung“ beklagen. 877 Es wird allerdings auch die Frage nach den Grenzen einer „dynamischen Grundrechtsdogmatik“ gestellt, die zwar einerseits auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren können muss, andererseits aber die normative Kraft der Verfassung in der Zeit nicht aushöhlen darf. 878 Die überwiegende Meinung in der Literatur folgt der Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts und sieht als Eltern die leiblichen Eltern, unabhängig von ihrem Familienstand an;879 hinzu kommen Adoptiveltern.880 Eine Elternschaft gem. Art.  6 Abs.  2 GG von sozialen Eltern wie Stief- 881 und Pflege­eltern882 wird abgelehnt.883 bb.  Elternschaft und Elternrecht Die Unterscheidung des Bundesverfassungsgerichts zwischen Personen, die aufgrund rechtlicher Zuweisung oder biologisch-genetischer Abstammung ­Eltern im Sinne von Art.  6 Abs.  2 GG sind und solchen Eltern, denen Rechte und Pflichten von Sorge, Umgang und Unterhalt gegenüber dem Kind zukommen, wird auch in der verfassungsrechtlichen Literatur nachvollzogen. Häufig wird dabei die Differenzierung des Bundesverfassungsgerichts zwischen der Elternstellung gem. Art.  6 Abs.  2 GG und der Trägerschaft des Elternrechts bestätigt.884 Germann unterscheidet sprachlich zwischen einem „Grundstatus“ der leib­ lichen Eltern, der noch nicht Trägerschaft des Elternrechts sei, sondern nur seine „Vorstufe“, und einem Elternrecht, das der leibliche Vater erst mit der Elternposition nach einfachem Recht erhalte, während die Frau, die das Kind geboren habe, einen unmittelbaren verfassungsrechtlichen Anspruch auf Anerkennung 877 Schmidt-Bleibtreu/Hofman/Henneke/Hofman,

2014, Art.  6 , Rn.  49. Vgl. dazu der Titel des Beratungsgegenstands „Dynamische Grundrechtsdogmatik von Ehe und Familie?“ der Staatsrechtslehrertagung 2013, VVDStRL 73 (2014), 211 ff.; Koschmieder, Grundrechtliche Dynamisierungsprozesse, 2016; Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff (Hrsg.), Regelungsaufgabe Mutterstellung, 2016, 87 f. 879  Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.   VII, 2009, §  155, Rn.  68 f.; Sachs-GG/‌ v. Coelln, 2014, Art.  6 , Rn.  54; v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌Robbers, 2010, Art.  6 , Rn.  163, 17, 169; v. Münch/Kunig-GG/‌Coester-Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  70 f. 880  Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.   VII, 2009, §   155, Rn.   72; Sachs-GG/‌­ v. Coelln, 2014, Art.  6 , Rn.  54; v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌Robbers, 2010, Art.  6 , Rn.  176. 881  Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.   VII, 2009, §   155, Rn.   73; Sachs-GG/ ‌v. Coelln, 2014, Art.  6 , Rn.  54; v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌Robbers, 2010, Art.  6 , Rn.  167. 882  v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌ Robbers, 2010, Art.  6 , Rn.  177; Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V II, 2009, §  155, Rn.  72. 883 Maunz/Dürig-GG/‌ Badura, Stand 2013 Art.   6, Rn.   102  ff.; v. Münch/Kunig-GG/‌ Coester-­Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  74; BeckOK-GG/‌Uhle, Art.  6 , Rn.  59. 884 Maunz/Dürig-GG/‌ Badura, Stand 2013, Art.  6, Rn.  99 ff.; Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 186 f.; v. Münch/Kunig-GG/‌Coester-Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  75; nicht ganz klar: BeckOK-GG/‌Uhle, Art.  6 , Rn.  58; Stern/Becker-GG/‌Kotzur, 2016, Art.  6 , Rn.  75. 878 

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

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als rechtliche Mutter habe. Spiegelbildlich fielen die leiblichen Eltern mit der Adoption ihres Kindes durch Adoptiveltern wieder in die Vorstufe der Elternschaft zurück.885 Höfling widerspricht freilich der Formulierung des Bundesverfassungsgerichts, nach der die Grundrechtsträgerschaft des Elternrechts auf zwei Personen beschränkt sei.886 Verfassungsdogmatisch präziser wird daher in der verfassungsrechtlichen Literatur statt zwischen Elternstellung und Elternrecht auch zwischen dem persönlicher Gewährleistungsbereich und dem sachlichen Gewährleistungsbereich differenziert.887 Insgesamt folgt die Literatur dem Bundesverfassungsgericht in der Sache weitgehend darin, dass ein Kind mehr als zwei Eltern im verfassungsrechtlichen Sinne haben kann, die aber nicht notwendig Rechte in Bezug auf das Kind erhalten.888 Als Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG (die damit in den persön­ lichen Gewährleistungsbereich des Grundrechts fallen) werden in der verfassungsrechtlichen Literatur eine Vielzahl von Personen aufgezählt, die einen Bezug zur biologischen Entstehung des Kindes haben. So nennt Robbers als „Eltern“ bei heterologer Insemination die Mutter, den Samenspender und den Ehemann.889 Bei Eizellen- und Samenspende sind nach Jestaedt und Robbers890 die austragende Mutter, die genetische Mutter, der Samenspender und unter Umständen der Ehemann der Geburtsmutter Eltern.891 Dabei wird freilich nicht immer deutlich, ob aus der Aufzählung der Eltern auch Folgen auf die Ausgestaltung der Elternverantwortung (Trägerschaft des Elternrechts) gezogen werden. cc.  Nur zwei Träger des Elternrechts Soweit Aussagen zur Zahl der Eltern gemacht werden, die „Träger des Elternrechts“ sein dürfen, so wird im Anschluss an das Bundesverfassungsgericht von einer Bipolarität ausgegangen. Coester-Waltjen erklärt, aus dem Kreis der verfassungsrechtlichen Eltern müsse der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestal885 

Germann, VVDStRL 73 (2014), 257, 275 f., Fn 76. v. Münch/Kunig-GG/‌Coester-Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  73; Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V II, 2009, §  155, Rn.  75. 887 Dreier-GG/‌ Brosius-Gersdorf, 2013, Art.  6 , Rn.  150; Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V II, 2009, §  155, Rn.  74 f., 90; Lembke, in: Röthel/Heiderhoff (Hrsg.), Regelungsaufgabe Vaterstellung, 2014, 37, 54; Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff (Hrsg.), Regelungsaufgabe Mutterstellung, 2016, 105. 888  Vgl. ausdrücklich v. Münch/Kunig-GG/‌ Coester-Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  73. SachsGG/‌v. Coelln, 2014, Art.  6 , Rn.  54 spricht allerdings nur von „Konkurrenzsituationen“, die vom Gesetzgeber bewältigt werden müssen. 889  v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌ Robbers, 2010, Art.  6 , Rn.  174; Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V II, 2009, §  155, Rn.  74. 890  v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌Robbers, 2010, Art.  6 , Rn.  175. 891 BK-GG/‌ Jestaedt, 1995, Art.  6 Abs.  2 u 3, Rn.  79. 886 

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

tungsspielraums zwei Träger des Elternrechts auswählen, wobei er gewandelten soziale Anschauungen, wie z. B. eine veränderte Gewichtung zwischen sozialer und biologischer Elternschaft, berücksichtigen könne. 892 Wapler stützt diese Auffassung, wie das Bundesverfassungsgericht, auf die Notwendigkeit der Vermeidung von Rollen‑ und Kompetenzkonflikten. Drei oder vier Eltern böten ein größeres Konfliktpotential als zwei. Auf der einfachrechtlichen Ebene des Sorge‑ und Umgangsrechts seien auch abgestufte Mehr-Ebenen-Modelle denkbar. Hinsichtlich der „rechtlichen Zuordnung der Elternteile zu einem Kind“ sei jedoch davon abzuraten, die „potentiell lebenslange Gesamtverantwortung“ für ein Kind auf mehr als zwei Personen zu verteilen. Dafür spreche einerseits die Analogie der natürlichen Zeugungssituation, andererseits der Gedanke, dass Verantwortung von niemandem mehr ganz wahrgenommen werde, wenn sie auf zu viele Schultern verteilt würde. Insofern verweist Wapler auch auf das Interesse des Kindes und damit das Kindeswohl. Kinder bräuchten Eltern, die sich voll für sie verantwortlich fühlten und denen sie verlässlich zugeordnet seien. Es bedürfe also der Kontinuität und Geborgenheit in sozialen Beziehungen und familiären Strukturen. Wapler räumt ein, dass mit einer verfassungsimmanenten Beschränkung auf zwei Elternteile zu viel in die Verfassung hineingelesen werden könne, erklärt aber, Art.  6 Abs.  2 Nr.  1 GG schütze die Elternbeziehung jeden Elternteils zum Kind, nicht ein Elternkollektiv. Die einfachrechtliche Beschränkung auf zwei Elternteile sei jedenfalls verfassungsgemäß.893 Nicht explizit zur Anzahl möglicher Eltern im sachlichen Gewährleistungsbereichs des Art.  6 Abs.  2 GG äußert sich Höfling. Nach Höfling sind die genetischen Eltern, die Geburtsmutter und die rechtlichen Eltern alle Grundrechtsträger, müssten aber nicht alle die gleichen Rechte in Bezug auf das Kind erhalten. 894 Anders als das Bundesverfassungsgericht betont er jedoch, dass es sich im Hinblick auf den sachlichen Gewährleistungsbereich des Art.  6 Abs.  2 GG nicht um eine Ausgestaltungsaufgabe des Gesetzgebers handele. Zu widersprechen sei daher dem Bundesverfassungsgericht, wenn es formuliere, die Grundrechtsträgerschaft sei auf nur einen Vater und eine Mutter beschränkt.895 Vielmehr müssten kollidierende Grundrechtspositionen zu einem Ausgleich gebracht werden, wobei Beschränkungen des Elternrechts mit dem Kindeswohl gerechtfertigt werden könnten, aber auch müssten.896

892 

v. Münch/Kunig-GG/‌Coester-Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  75. Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 187. 894  Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V II, 2009, §  155, Rn.  74 f., 90. 895  Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V II, 2009, §  155, Rn.  75. 896  Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V II, 2009, §  155, Rn.  75, 90 ff. 893 

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

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dd.  Rechtliche Mehrelternschaft Abgestufte Sorge‑ und Umgangsrechte auch für „Nicht-Eltern“, wobei nicht immer ganz klar wird, ob diese Personen zumindest eine Elternstellung nach Art.  6 Abs.  1 GG haben sollen, werden von einigen Stimmen in der Literatur in weitem Umfang befürwortet.897 Rechte dieser Art sind z. B. das kleine Sorgerecht gem. §  1687b BGB oder §  1686a BGB, das Umgangsrecht des leiblichen, nichtrechtlichen Vaters. In der jüngeren verfassungsrechtlichen Diskussion werden auch weitergehende Rechte von Mehreltern für möglich gehalten. Brosius-Gersdorf hält Art.  6 Abs.  2 GG für nicht notwendig auf ein Elternpaar beschränkt. Vielmehr sei auch eine Mehrelternschaft möglich, bei der das Kind verschiedenen leiblichen und/oder rechtlichen Eltern zugeordnet sei, die durchaus verschiedene Aspekte des Pflege- und Erziehungsrechts innehaben könnten. 898 Schuler-Harms hält die dreifache Elternschaft kraft Anerkennung und Abstammung für rechtlich möglich, möchte jedoch das Elternrecht auf ­einen kleinen Personenkreis beschränken.899 c.  Kritische Analyse: Zweifel am Prinzip der verfassungsrechtlichen Zwei-Elternschaft Die komplexe Differenzierung zwischen der Elternstellung und dem Elternrecht gem. Art.  6 Abs.  2 GG wirft eine Reihe verfassungsdogmatischer Fragen auf, die geklärt werden müssen, bevor die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Mehrelternschaften im einfachen Recht beantwortet werden kann. In der Tat verhindert die Lösung des Bundesverfassungsgerichts Probleme der Mehrelternschaft, weil sie den Gesetzgeber nicht verpflichtet, Personen, die zwar ­Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG als „Dritt-“ oder „Viert-Eltern“, aber nicht Träger des Elternrechts sind, familienrechtliche Rechte zuzuerkennen. Die Differenzierung des Bundesverfassungsgerichts könnte auch die Stellung von Adoptiveltern nach der Adoption erklären. Germann differenziert insofern zwischen der Elternstellung nach Art.  6 Abs.  2 GG, die nur den „Grundstatus“ und das „Vorstadium“ des vollen Elterngrundrecht gem. Art.  6 Abs.  2 GG darstelle, und dem vollen Elternrecht, das eine Person nur besitzt, wenn sie auch die rechtliche Elternstellung innehat. Mit der Adoption ihres Kindes sinken die leiblichen Eltern danach von der Inhaberschaft des vollen Elterngrundrechts in das „Vorstadium“ zurück.900 Selbst wenn Personen, die nicht Eltern im Sinne des Familienrechts sind, bestimmte Rechte erhalten können, ist die vom Bundesverfassungsgericht postulierte Notwendigkeit für den Gesetzgeber, zwischen verschiedenen Eltern eine 897 

Britz, JZ 2014, 1069, 1070 f.; Schuler-Harms, RdJB 2016, 157, 170. 2013, Art.  6 , Rn.  150. 899  Schuler-Harms, RdJB 2016, 157, 170. 900  Germann, VVDStRL 73 (2014), 257, 276.

898 Dreier-GG/‌ Brosius-Gersdorf,

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

Auswahl zu treffen und nur zwei Eltern die Elternverantwortung nach dem Familienrecht zuzuweisen, jedoch problematisch. Im Verhältnis zwischen zwei Eltern bedeutet die Nichtzuweisung von familienrechtlichen Elternrechten und Pflichten wie Umgangs- und Sorgerecht ­einen Eingriff in das Grundrecht des übergangenen Elternteils, der der Rechtfertigung bedarf. In diesem Fall haben aber beide Elternteile die Elternstellung und das Elternrecht gem. Art.  6 Abs.  2 GG inne. Bei der Dreierkonstellation ist es dagegen anders. Hier differenziert das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich des Schutzgehalts von Elternstellung und Trägerschaft des Elternrechts. In dieser Situation gibt es nur zwei Träger des Elternrechts und drei Personen mit ­einer Elternstellung gem. Art.  6 Abs.  2 GG. Da der dritte Elternteil damit bereits auf der Ebene des sachlichen Schutzbereichs901 nicht berücksichtigt wird, bedeutet die Versagung von Rechten und Pflichten in Bezug auf das Kind zunächst einmal keinen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff. Es lässt sich allerdings fragen, ob die Differenzierung zwischen Elternstellung und Elternverantwortung auf der Schutzbereichsebene überzeugend ist. Diese Differenzierung ist im Wortlaut des Art.  6 Abs.  2 GG nicht angelegt und wird auch nicht dogmatisch begründet, sondern mit dem Verweis auf die historischen Vorstellungen des Gesetzgebers erklärt. Außerdem wird die Differenzierung auf die nicht weiter begründete tatsächlichen Annahme gestützt, dass ein „mehr-als-zwei“ dem Kindeswohl abträglich sei. Fragwürdig ist mit Blick auf den Ausgestaltungsspielraum des Gesetzgebers auch, dass diesem die Entscheidung überlassen wird, welcher von zwei Grundrechtsträgern nur in den persönlichen Schutzbereich aufgenommen und welchem auch der sachliche Schutzbereich zuerkannt wird. Ob als Rechtfertigung mögliche Rollen- und Kompetenzkonflikte allein und insbesondere ohne nähre wissenschaftlich empirische Analyse ihrer Auswirkungen ausreichen, ist fraglich. Es stellt sich damit zugleich die Frage, nach welchen Kriterien die Auswahl der Eltern mit Elternverantwortung vorzunehmen ist. Die Zuweisung der vollen verfassungsrechtlichen Elternrechte, also der Zuweisung auch der Trägerschaft des Elternrechts iSd Art.  6 Abs.  2 GG allein auf der Grundlage der Entscheidung des einfachen Gesetzgebers, ist schon deshalb nicht unproblematisch, weil die Abgrenzung der beiden vom Schutzbereich erfassten Rechtsstellungen dem einfachen Gesetzgeber überlassen wird. Das bleibt zwar grundrechtsdogmatisch grundsätzlich im Rahmen der Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers. Es ist aber insoweit fragwürdig, als die Ausgestaltungsmöglichkeit des Schutzbereichs mit der Abgrenzung der Grundrechtspositionen zweier Träger desselben Grundrechts einhergeht. Der Gesetzgeber, nicht die Verfassung, ent901  Höfling kritisiert die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hier überzeugend, geht aber davon aus, dass sich die Trägerschaft des Elternrechts auf den persönlichen Schutzbereich bezieht; Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V II, 2009, §  155, Rn.  75.

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

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scheidet damit, wem das „natürliche“ Elternrecht zukommt. Die vom Bundesverfassungsgericht als Begrenzung der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit formulierte „Ausrichtung“ der Ausgestaltung an der leiblichen Abstammung902 ist in ihrer Wirksamkeit als Begrenzung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums zweifelhaft. Ihr lässt sich zwar als Grundregel entnehmen, dass auch das Elternrecht dem leiblichen Vater zustehen soll. Die hierin liegende Ausnahme der Zuweisung an den rechtlichen Vater greift beim Bestehen einer jeden sozial-familiären Verbundenheit des Kindes nicht mehr und ermöglicht dann auch den vollständigen Ausschluss des leiblichen Vaters aus dem Elternrecht. Die verfassungsrechtliche Rechtsprechung zur Mehrelternschaft begegnet damit erheblichen Bedenken. Die Frage, ob mehrere Personen Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG sein können und wie der Gesetzgeber diese Rechtsstellungen ausgestalten darf, muss vielmehr ganz neu und grundlegend diskutiert werden. Dies erfolgt nach einer Auseinandersetzung mit den aktuellen familienrechtlichen Fragestellungen der Mehrelternschaft im Teil 4 und 5.

7. Zwischenergebnis Die Entwicklung des verfassungsrechtlichen Schutzes der Eltern folgt sowohl in der Weimarer Reichsverfassung als auch in der Entwicklung des Grundgesetzes dem Ziel, die Erziehung von Kindern dem Staat zu entziehen und den Eltern zu überlassen. a.  Dreierverhältnis Eltern, Staat und Kind Im Grundgesetz ist das Elternrecht gem. Art.  6 Abs.  2 GG im Dreiecksverhältnis von Eltern, Staat und Kind zu begreifen. Eltern kommt nach Art.  6 Abs.  2 S.  1 GG das Recht und die Pflicht zu, ihre Kinder zu erziehen. Elterngrundrecht und Elterngrundpflicht stehen damit in einem untrennbaren Zusammenhang. Trotzdem wäre es verfehlt, das Elternrecht als allein im Interesse des Kindes bestehend anzusehen.903 Das Elternrecht wird in der Verfassung als ein „natürliches“ Recht geschützt. Dies deutet auf das natürliche, der rechtlichen Regelung vorgelagerte, wenn auch durchaus vom Recht beeinflusste, Liebes- und Verantwortungsverhältnis zwischen Eltern und Kindern hin, in dem Kinder aufwachsen und Eltern Sinn und Erfüllung finden können. Das Elternrecht ist damit nicht allein ein dienendes Grundrecht und eine Institutsgarantie, es ist ein Abwehrrecht und besteht auch904 im Interesse der Eltern. Die Schranken des verfassungsrechtlichen Elternrechts verdeutlichen diese Wertung der Verfassung hinsichtlich des Elternrechts: Im Gegensatz zu totali902 

BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 100. So auch Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 112 ff. 904  Britz, FamRZ 2015, 793, 794. 903 

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

tären Regimen, die über die kollektive Erziehung der Kinder die Gesellschaft verändern wollen und damit Vorgaben zur Erziehung der Kinder beispielsweise über den Begriff des Kindeswohls machen, überlässt das Grundgesetz die Wahl von Erziehungszielen und ‑methoden den Eltern. Das Grundgesetz weist den Interpretationsprimat des Kindeswohls bis zur Grenze der Schädigung des Kindes den Eltern zu. Damit akzeptiert das Grundgesetz die Eltern als positiven und negativen, progressiven oder konservativen Einfluss auf das Leben ihrer Kinder. Die Subsidiarität der staatlichen Erziehung nimmt in Kauf, dass manche Kinder mit ihren Eltern weniger Glück haben als andere. Hintergrund dieses Grundsatzes ist damit nicht allein die Idee, dass niemand sein Kind so liebt wie die eigenen Eltern, sondern auch, dass man sich als Kind seine Eltern nicht aussuchen und auch der Staat grundsätzlich keine bessere Wahl treffen kann. In der individualisierten Gesellschaft wird damit auch das Aufwachsen der nächsten Generation in die Hände von Individuen, in die Hände der Eltern, gelegt. b.  Der verfassungsrechtliche Elternbegriff Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Frage, wer die Eltern sind, dem das Grundgesetz diesen erheblichen Vertrauensvorsprung für die Erziehung der nächsten Generation einräumt, zeigt eine beträchtliche Entwicklung seit über 60 Jahren. Es verkürzt also die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzunehmen, der verfassungsrechtliche Elternbegriff und das verfassungsrechtliche Elternrecht seien von Anfang an klar auf die biologische Abstammung und die Zwei-Eltern-Familie ausgerichtet gewesen. Die Elternstellung von Ehepartnern war unbestritten, im Übrigen ging das Gericht aber davon aus, dass das Elternrecht trotz Scheidung fortlebte, jedoch die Beschränkung der elterlichen Sorge nach der Scheidung auf nur ein Elternteil verfassungsmäßig sei. Das nichteheliche Kind musste sich dagegen einfach- und verfassungsrechtlich zunächst mit einem Elternteil begnügen, bis 1991 zumindest die verfassungsrechtliche Elternschaft des tatsächlich mitsorgenden, rechtlichen, wenn auch nichtehelichen Vaters anerkannt wurde. Dies zeigt, dass der Elternbegriff des Grundgesetzes in seiner Interpretation durch das Bundesverfassungsgericht seit der Aufnahme der Arbeit des Gerichts in der Entwicklung inbegriffen war. Ein letzter wesentlicher Punkt in dieser Entwicklung ist die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Elternschaft.905 In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird heute als Elternschaft im verfassungsrechtlichen Sinne einerseits die durch die Regeln des einfachen Rechts etablierte Elternschaft anerkannt, andererseits aber auch die durch Abstammung begründete leibliche Elternschaft.906 Soziale Eltern sind 905 

Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 77 ff. BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101, 103; Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 81, Rn.  58. 906 

II.  Entwicklung und Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs

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nur dann Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG, wenn sie rechtliche Anerkennung gefunden haben, sonst stehen sie nur unter grundrechtlichem Schutz als Familie gem. Art.  6 Abs.  1 GG.907 Personen, deren Elternstellung vom deutschen Familienrecht anerkannt werden, z. B. der Mann, der Vater gem. §  1592 Nr.  1 BGB ist, weil er zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, oder auch das Paar, das ein Kind adoptiert hat,908 sind Eltern im Sinne von Art.  6 Abs.  2 GG. Das Bundesverfassungsgericht hat zudem entschieden, dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der hierfür maßgeblichen Regelungen ein Gestaltungsspielraum zukommt. In seiner Entscheidung von 2003 erklärte das Gericht, der Gesetzgeber müsse grundsätzlich das Elternrecht an der leiblichen Abstammung ausrichten, da die Eltern, die dem Kind das Leben geben auch vor allen anderen prädestiniert seien, die Elternverantwortung zu übernehmen. Der Gesetzgeber dürfe für die Zuweisung der rechtlichen Elternstellung aber auch auf soziale Umstände abstellen.909 2013 entschied das Gericht, dass Eltern auch das gleiche Geschlecht haben können.910 c.  Kritische Analyse: Zweifel an der Begrenzung des Elternrechts auf zwei Eltern Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können durchaus mehr als zwei Eltern in ihrer Elternstellung von Art.  6 Abs.  2 GG geschützt sein. Das Verfassungsgericht geht aber davon aus, dass zur Vermeidung von Kompetenz‑ und Rollenkonflikten Träger des Elternrechts, das gem. Art.  6 Abs.  2 GG zur Erziehung und Pflege des Kindes berechtigt und verpflichtet, nur zwei gleichberechtigte Eltern sein können. Die Abgrenzung dieser ver­ fassungsrechtlichen Rechtspositionen hat allerdings der Gesetzgeber durch ­Zuweisung der familienrechtlichen Elternstellung mit Blick auf die leibliche Abstammung und den Schutz der sozialen Familie vorzunehmen.911 Diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist höchst problematisch, weil sie innerhalb des Schutzbereichs eine im Wortlaut des Art.  6 Abs.  2 GG nicht angelegte Differenzierung vornimmt und die verfassungsrechtliche Elternstellung im Ergebnis dem einfachem Gesetzgeber überlässt. Sie ist daher grundlegend infrage zu stellen.912

907 

Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 81 ff. v. Münch/Kunig-GG/‌Coester-Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  71. 909  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101, 103. 910  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 78 f. 911  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101. 912  Vgl. Teil 2 II 6 c (S. 183). 908 

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

III.  Elternschaft, Familie und EMRK Nachdem der verfassungsrechtliche Schutz der Eltern diskutiert worden ist, soll die Aufmerksamkeit nun auf den Schutz der Elternschaft in der Rechtsprechung des EGMR gelegt werden. Diese stellt wesentlich auf die soziale Eltern-Kind-Beziehung, nicht aber auf die rechtliche Elternstellung oder die biologisch-genetische Abstammung ab.

1.  Bedeutung von Art.  8 EMRK Bei einer Diskussion der Rechte von Eltern und Kindern im deutschen Recht darf ein Blick auf die EMRK und die Rechtsprechung des EGMR nicht fehlen. Zwar besitzt die EMRK in Deutschland nur den Rang eines einfachen Bundesgesetzes, der Einfluss der EMRK geht darüber jedoch weit hinaus.913 Erklärt sich nämlich das Bundesverfassungsgericht an die Rechtsprechung des EGMR nicht gebunden, so müssen doch die deutschen Fachgerichte die Auslegung des EGMR berücksichtigen.914 Außerdem bietet die Rechtsprechung des EGMR wesentliche Auslegungshilfen bei der deutschen Verfassungsinterpretation.915 Erheblichen Einfluss hat die Rechtsprechung des EGMR auch in den Entscheidungen zu den Rechten des leiblichen, nichtrechtlichen Vaters entfaltet, insbesondere im Fall Anayo v. Deutschland.916 Von Bedeutung war auch die Rechtsprechung des EGMR zu Leihmutterschaftsfällen.917 Diese Entscheidungen und ihre Auswirkungen auf das deutsche Recht werden im nächsten Teil 3 ­thematisiert.

913  Vgl. dazu: Karpenstein/Mayer/Mayer, EMRK, 2012, Einleitung, Rn.  7 7 ff.; vgl. Ooyen, Die Staatstheorie des Bundesverfassungsgerichts und Europa, 2014, Teil 4; Peters/Altwicker, Europäische Menschenrechtskonvention, 2012, §  1, Rn.  11 ff.; Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 2016, 18 ff. 914  BVerfG, Beschl. d. 2. Kammer d. Zweiten Senats v. 10.5.2007 – 2 BvR 304/07, BVerfGK 11, 153, 161; vgl. nur: Karpenstein/Mayer/Mayer, EMRK, 2012, Einleitung, Rn.  80 ff. 915 BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, 323 (Görgülü) st. Rspr.; BVerfG, Beschl. v. 21.7.2010 – 1 BvR 420/09, BVerfGE 127, 132, 164; Karpenstein/ Mayer/Mayer, EMRK, 2012, Einleitung, Rn.  77 ff.; vgl. Ooyen, Die Staatstheorie des Bundesverfassungsgerichts und Europa, 2014, Teil 4; Peters/Altwicker, Europäische Menschenrechtskonvention, 2012, §  1, Rn.  11 ff.; Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonven­ tion, 2016, 18 ff. 916  EGMR, Urt. v. 21.12.2010 – 20578/07 (Anayo v. Deutschland), FamRZ 2011, 269, Anm. Rixe, FamRZ 2011, 1363; vgl. auch EGMR, Urt. v. 22.3.2012 – 23338/09 (Kautzor v. Deutschland), NJW 2013, 1937; EGMR, Urt. v. 15.9.2011 – 17080/07 (Schneider v. Deutschland), ­FamRZ 2011, 1715 m. Anm. Helms; EGMR, Urt. v. 2.12.2014 – 546/10 (Adebowale v. Deutschland). 917  EGMR, Urt. v. 26.6.2014 – 65941/11 (Labassée v. Frankreich); EGMR, Urt. v. 26.6.2014 – 65192/11 (Mennesson v. Frankreich); EGMR, Urt. v. 27.1.2015 – 25358/12 (Paradiso und Campanelli v. Italien); vgl. dazu Duden, StAZ 2015, 201.

III.  Elternschaft, Familie und EMRK

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Art.  7 der EU-Grundrechtecharta entspricht inhaltlich den Gewährleistungen des Art.  8 EMRK. Daher haben die dort geschützten Rechte gem. Art.  52 Abs.  3 S.  1 EU-Grundrechtecharta die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen durch die Rechtsprechung des EGMR in der EMRK gegeben worden sind.918

2.  Schutz des Familienlebens a.  Familienleben als tatsächliche Beziehung Die EMRK schützt nicht die Elternschaft als solche. Vielmehr lautet Artikel 8 in seiner verbindlichen englischen Fassung: Everyone has the right to respect for his private and family life, his home and his correspondence.

Die Beziehung der Eltern zu ihren Kindern ist als „family life”, „Familienleben“ geschützt. Die EMRK in ihrer Auslegung durch den EGMR stellt dabei nicht auf die biologische oder genetische Verbindung zwischen Eltern und Kindern ab, sondern auf das zwischen ihnen tatsächlich bestehende Familienleben, d. h. auf die soziale Beziehung. Jedenfalls die Kernfamilie, die Beziehung der Eltern zueinander und zu ihren Kindern, ist geschützt. Dabei ist unerheblich, ob die Eltern verheiratet sind oder nur eine faktische Beziehung besteht.919 Entscheidend für die Einordnung als „family life“ ist nicht das rechtliche Band zwischen zwei Personen, sondern das tatsächlich bestehende Familienleben.920 Das Kind etabliert dieses tatsächliche Familienleben mit seinen Eltern durch seine Geburt.921 Auch rein soziale Eltern ohne biologische Verbindung mit dem Kind können mit diesem ein Familien­ leben führen. Über die Kernbeziehung hinaus stellt der EGMR auf die Umstände des Einzelfalls und die tatsächliche Beziehung, wie die Art und Länge der Beziehung, das Interesse der Bindung der Partner aneinander ab. Auch wenn eine gemeinsame Wohnung nicht erforderlich ist, ist sie ein weiterer Faktor.922 Ebenso ist die Verbindung zu weiteren Verwandten über die Kernfamilie hinaus wie Tanten, Onkel, Großeltern und Enkel bei tatsächlichem Familienleben geschützt.923 Der Familienbegriff des EGMR umfasst auch Paarbeziehungen ohne Kinder.924 918 

EuGH, Urt. v. 15.11.2011 – Rs. C-256/11 (Dereci u. a.), Slg. 2011, I-11315, Rn.  70. EGMR, Urt. v. 26.5.1994 – 16959/90 (Keegan v. Irland), Rn.  4 4. 920  EGMR, Urt. v. 13.6.1979 – 6833/74 (Marckx v. Belgien), Rn.  31. 921  EGMR, Urt. v. 5.6.2013 – 31021/08 (I.S. v. Deutschland), NJW 2015, 2319, 2320, Rn.  69. 922  EGMR, Urt. v. 22.4.1997 – 21830/93 (X, Y und Z v. Vereinigtes Königreich), Rn.  36. 923  Vgl. m. w. N. Simor/Emerson/Fottrell/Kahn, Human Rights Practice, Stand Nov. 2015, Art.  8 8.027. 924  EGMR, Urt. v. 24.6.2010 – 30141/04 (Schalk und Kopf v. Österreich), Rn.  93 f. = NJW 2011, 1421; EGMR, Urt. v. 21.5.2015 – 18766/11, 36030/11 (Oliari v. Italien). 919 

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

b.  Tatsächliche Beziehung, nicht Blutsverwandtschaft Nach der Rechtsprechung des EGMR setzt der Schutz des Familienlebens gem. Art.  8 EMRK eine tatsächlich bestehende Beziehung voraus. Insofern ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art.  6 Abs.  1 GG vergleichbar. Eine tatsächliche Beziehung kann zwischen Eltern und Kindern im Zeitpunkt der Geburt bestehen,925 oder auch nach der Geburt bereits in relativ kurzer Zeit in einer de facto Familie begründet werden.926 Im Urteil Paradiso und Campanelli v. Italien vom 27.1.2015 ließ der EGMR das Zusammenleben eines neugeborenen Kindes für sechs Monate für die Etablierung eines Familien­ lebens ausreichen.927 Die Große Kammer in ihrer Entscheidung vom 24.1.2017 erklärte diese Zeit jedoch für zu gering in einem Fall, in dem eine genetische Verbindung zu dem Kind fehlte und in dem die Begründung der Familie unter Verstoß gegen Gesetze zur Verhinderung von Leihmutterschaft erfolgte.928 Das Familienleben kann mit Zustimmung der Eltern bei einer Adoption auch aufgegeben werden.929 Allein die genetische Abstammung zwischen einem Elternteil und einem Kind genügt nicht.930 c.  Blutsverwandtschaft und Schutz des Privatlebens Der EGMR ist hinsichtlich der Voraussetzung einer tatsächlichen Beziehung allerdings nicht ganz konsequent und erkennt auch den Wunsch des leiblichen Vaters nach einer Beziehung mit dem Kind als ausreichend an. Darüber hinaus lässt der EGMR regelmäßig das Recht auf Achtung des Privatlebens gem. Art.  8 EMRK eingreifen, um ein schutzwürdiges Interesse eines leiblichen Elternteils an seinem Kind begründen zu können, das von einem Mitgliedsstaat nicht als maßgeblich erachtet wird. Der EGMR hat so in Ausnahmefällen anerkannt, dass selbst das intendierte Familienleben eines nichtehelichen Vaters zu seinem leiblichen Kind den Schutz des Familienlebens verdiene, wenn, wie im Fall Anayo v. Deutschland, dem ­Vater der mangelnde Kontakt zu seinem Kind nicht vorgeworfen werden kön925  EGMR, Urt. v. 5.6.2013 – 31021/08 (I.S. v. Deutschland), NJW 2015, 2319, 2320, Rn.  69; Simor/Emerson/Fottrell/Kahn, Human Rights Practice, Stand Nov. 2015, Art.  8 8.028. 926  EGMR, Urt. v. 27.1.2015 – 25358/12 (Paradiso und Campanelli v. Italien), Rn.  69, vgl. Duden, StAZ 2015, 201. 927  EGMR, Urt. v. 27.1.2015 – 25358/12 (Paradiso und Campanelli v. Italien), Rn.  69; vgl. dazu Duden, StAZ 2015, 201. 928  EGMR, Gr. Kammer, Urt. v. 24.1.2017 – 25358/12 (Paradiso und Campanelli v. Italien), NJW 2017, 941; vgl. dazu Sanders, NJW 2017, 925. 929  EGMR, Urt. v. 5.6.2013 – 31021/08 (I.S. v. Deutschland), NJW 2015, 2319, 2320, Rn.  69. 930 EGMR, Urt. v. 21.12.2010 – 20578/07 (Anayo v. Deutschland), FamRZ 2011, 269, Rn.  59; EGMR, Urt. v. 15.9.2011 – 17080/07 (Schneider v. Deutschland), NJW 2012, 2781, 2784, Rn.  80 = FamRZ 2011, 1715 m. Anm. Helms; EGMR, Urt. v. 5.6.2013 – 31021/08 (I.S. v. Deutschland), NJW 2015, 2319, 2320, Rn.  69.

III.  Elternschaft, Familie und EMRK

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ne.931 Da der EGMR nicht den Kontaktwunsch jedes denkbaren Mannes dem Schutz des Art.  8 EMRK unterfallen lässt, sondern hier der Wunsch des leib­ lichen Vaters nach Begründung einer Beziehung in Frage steht, ist mit dieser Entscheidung eine gewisse Anerkennung der Bedeutung der leiblichen Abstammung für das Familienleben verbunden. Überdies betreffe, so der EGMR, das Recht zum Umgang mit dem eigenen Kind in jedem Fall die Identität des Beschwerdeführers und damit sein Privat­ leben. Das Privatleben schütze jedenfalls auch die Nähebeziehungen zu Fami­ lienmitgliedern.932 Das Familienleben wird insofern als intensiviertes Privat­ leben verstanden. Diese Einschätzung wurde in der Entscheidung I.S. v. Deutschland vom 5.6.2013 bestätigt. Hier verlangte die Beschwerdeführerin Informationen und ein Umgangsrecht nach der Freigabe ihrer Kinder zur Adoption. Der EGMR entschied, dass nach der Freigabe zur Adoption der im Zeitpunkt der Geburt bestehende Schutz des Familienlebens erloschen sei. Die verbliebenen Rechte der Mutter an ihren Kindern seien aber weiterhin wesentlicher Teil ihrer Identität und damit als Teil des „Privatlebens“ geschützt.933 Auch im Fall Labassée v. Frankreich (26.6.2014) wurde die Verweigerung der Eintragung eines durch eine Leihmutter in Kalifornien geborenen Kindes in das Geburtsregister als Kind der französischen Wunscheltern sowohl als Eingriff in das Familien- als auch in das Privatleben verstanden.934 Wiederum betont wurde die Bedeutung der genetischen Abstammung in der Entscheidung der Großen Kammer im Fall Paradiso und Campanelli v. Italien (24.1.2017). Hier ging es um ein im Wege einer Leihmutterschaft in Russland geborenes Kind, das entgegen der italienischen Vorschriften nach Italien gebracht wurde, wo es für etwas sechs Monate mit den Wunscheltern lebte. Die Große Kammer erklärte angesichts der Kürze der Zeit des Zusammenlebens, der rechtlich unsicheren Situation und des Fehlens einer genetischen Verwandtschaft zu dem Kind, dass die Entziehung des Kindes durch die italienischen Behörden keine Konventionsverletzung darstelle.935

931 EGMR, Urt. v. 21.12.2010 – 20578/07 (Anayo v. Deutschland), FamRZ 2011, 269, Rn.  57, 60 ff. 932 EGMR, Urt. v. 21.12.2010 – 20578/07 (Anayo v. Deutschland), FamRZ 2011, 269, Rn.  58, 62. 933  EGMR, Urt. v. 5.6.2013 – 31021/08 (I.S. v. Deutschland), NJW 2015, 2319, 2320, Rn.  69. 934  EGMR, Urt. v. 26.6.2014 – 65941/11 (Labassée v. Frankreich), Rn.  50. 935  EGMR, Gr. Kammer, Urt. v. 24.1.2017 – 25358/12 (Paradiso und Campanelli v. Italien), NJW 2017, 941, 945 ff., Rn.  188 ff. Vgl. dazu Sanders, NJW 2017, 925, 926 f.

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

d.  Kritische Analyse: Vergleich des Schutzes gem. Art.  8 Abs.  1 EMRK und gem. Art.  6 Abs.  2 GG Der Familienbegriff des EGMR hat gegenüber dem Begriff der Elternschaft nach Art.  6 Abs.  2 GG den Vorteil der Flexibilität. Beziehungen aller Art können unter den Familienbegriff gefasst und damit die tatsächliche Entwicklung in den Mitgliedsstaaten aufgegriffen werden. Die Rechtsprechung des EGMR zu Art.  8 Abs.  1 EMRK hat aber den Nachteil der Konturlosigkeit. Besondere Voraussetzungen des Familienbegriffs ­außer einer Nähebeziehung lassen sich nicht identifizieren. So wird auch nicht klar zwischen „private life“ und „family life“ unterschieden; der Gerichtshof lässt die Frage, ob ein Verhalten als Familienleben oder Privatleben zu schützen ist mitunter offen.936 Vielmehr überlappen die Schutzbereiche des „private life“ und des „family life“. Diese häufige937 Vermischung von Familien- und Privatleben, bei denen partnerschaftliche (z. B. einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft938) und verwandtschaftliche Beziehung gleichermaßen geschützt sind, ist einerseits unbefriedigend. Ein Familienbegriff, der auf die generationsübergreifende Beziehung der Beteiligten abstellt,939 hätte möglicherweise den Vorteil größerer dogmatischer Klarheit. Auf der anderen Seite ermöglichen die überlappenden Schutzbereiche des Privat- und Familienlebens die einheitliche Prüfung von Fällen, in denen die Entfaltung der Persönlichkeit im Verhältnis zu anderen in Frage steht. Dieses Verhältnis, wie z. B. bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, wird aber noch nicht in allen Mitgliedsstaaten als Familienleben konzeptualisiert. Die übergreifende Behandlung unter Art.  8 EMRK kann verschiedene Konzepte der Mitgliedstaaten einbeziehen. In Bezug auf das Eltern-Kind-Verhältnis erlaubt Art.  8 EMRK, die verschiedensten neuen Familien- und Elternkonstellationen unabhängig von rechtlicher Ausgestaltung und genetischer Abstammung bzw. Verwandtschaft zu umfassen. Fokus ist hier – im Wesentlichen – die soziale Beziehung. Das Abstellen auf tatsächliche Beziehungen vermeidet die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob Kinder mindestens und höchstens zwei Eltern haben müssen. Dogmatisch komplexe und problematische Strukturen wie die Differenzierung zwischen Elternstellung und 936 EGMR, Urt. v. 21.12.2010 – 20578/07 (Anayo v. Deutschland), FamRZ 2011, 269, Rn.  62. 937 In Mennesson v. Frankreich, eine Entscheidung, die einen ähnlichen Sachverhalt zur Grundlage hatte wie Labassée v. Frankreich, wurde lediglich ein Eingriff in das Familienleben angesprochen: EGMR, Urt. v. 26.6.2014 – 65192/11 (Mennesson v. Frankreich), Rn.  48 ff. Dies gilt im Hinblick auf die rechtliche Anerkennung der beiden Wunscheltern in der Entscheidung Paradiso und Campanelli v. Italien EGMR, Urt. v. 27.1.2015 – 25358/12 (Paradiso und Campanelli v. Italien), Rn.  69; vgl. dazu Duden, StAZ 2015, 201. 938  EGMR, Urt. v. 24.6.2010 – 30141/04 (Schalk und Kopf v. Österreich), Rn.  93 f. = NJW 2011, 1421; EGMR, Urt. v. 21.5.2015 – 18766/11, 36030/11 (Oliari v. Italien). 939  Wie der oben vertretene Ansatz Teil 2 II 5 h (S.  172).

IV.  Zwischenergebnis: Fokussierung auf gleichberechtigte Zwei-Elternschaft

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Elternrecht, die das Bundesverfassungsgericht entwickelt hat, hat der EGMR entsprechend auch nicht entwickelt.

3. Zwischenergebnis Während das Grundgesetz in Art.  6 Abs.  2 GG in seiner Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht auf die nach einfachem Recht begründete Elternschaft und an die leibliche Abstammung abstellt, spielt beides in der Auslegung von Art.  8 EMRK durch den EGMR eine nur untergeordnete Rolle. Entscheidend ist hier der Schutz des „Familienlebens“, und damit die tatsächliche Be­ ziehung zwischen Eltern und Kindern. Damit stellt der EGMR weder auf ­Elternschaft als rechtliche Konstruktion noch auf die Tatsache der genetischen Abstammung, sondern auf die Tatsache der sozialen Bindung zwischen Eltern und Kindern als schützenswertes Gut ab. Der EGMR hat damit keine Probleme bei der Begründung der Schutzwürdigkeit sozialer Eltern. Argumentative Schwierigkeiten bereitet dagegen der Schutz genetischer Eltern ohne soziale Beziehung mit dem Kind. Schutz erhält die tatsächliche oder unter Umständen auch gewünschte Gemeinschaft von Eltern und Kindern als Teil des Familienlebens sowie die ­Rechte der Eltern und Kinder als Teil ihrer Persönlichkeit. Auch mehr als zwei Eltern können unproblematisch unter den Begriff des Familien- oder Privatlebens gefasst werden.

IV.  Zwischenergebnis: Fokussierung auf gleichberechtigte Zwei-Elternschaft In Teil 2 wurde die Entwicklung der Elternschaft im einfachen Recht seit 1900 und im Verfassungsrecht seit 1919 beschrieben. In beiden Fällen zeigt sich eine erhebliche Entwicklung, die zur gleichberechtigten Elternschaft verheirateter und unverheirateter und sogar gleichgeschlechtlicher Eltern führte.

1.  Entwicklung zur Zwei-Elternschaft Die verbreitete Annahme, das deutsche Familienrecht und das Verfassungsrecht seien immer von der Elternschaft von nur zwei Eltern ausgegangen, ist falsch. Vielmehr lässt sich in der Rechtsgeschichte seit 1900 erst eine Entwicklung hin zur gleichberechtigten Zwei-Elternschaft identifizieren.

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

a.  Entwicklung des Familienrechts So zeigt das einfache Recht seit 1900 sowohl im Bereich des Sorge- als auch des Abstammungs- und Adoptionsrechtes eine Bewegung hin zur gleichberech­ tigen Zwei-Elternschaft. Kannte das BGB von 1900 nur jeweils einen Inhaber der ausschließlichen elterlichen Gewalt und ein bis vier rechtliche Eltern, so traten durch die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Angleichung der Situation ehelicher und nichtehelicher Kinder nun zwei rechtliche Eltern hervor, die zunehmend auch beide gemeinsam die elterliche Sorge innehatten.940 Das nichteheliche Kind hatte im BGB von 1900 nur ein Elternteil, seine Mutter, während es mit dem Vater nicht verwandt war, sondern von diesem nur ­einen besonderen Unterhalt erhielt. Erst mit dem Nichtehelichengesetz von 1970 änderte sich dies. Im BGB von 1900 hatte das Adoptivkind noch bis zu vier Eltern mit Rechten und Pflichten. Durch die Einführung der Volladoption wurde das Adoptivkind 1977 vollständig in die annehmende Familie integriert. Die leiblichen Eltern verloren damit jede Elternstellung, sodass auch im Adoptionsrecht die Zwei-Elternschaft durchgesetzt wurde. Mit der Kindschaftsrechtsreform von 1998 wurde das Prinzip der Zwei-­ Elternschaft gegenüber den Herausforderungen insbesondere der modernen Reproduktionsmedizin behauptet. Das mögliche Auseinanderfallen von sozialer, genetischer und gestationaler Elternschaft wurde mit der Zuweisung der rechtlichen Elternstellung auf mindestens, aber auch höchstens zwei Eltern ­beantwortet. Dabei wurde der gebärenden Mutter und dem sozialen Vater die ausschließliche bzw. eine vorrangige Position eingeräumt. b. Verfassungsrecht Das Elterngrundrecht des Art.  6 Abs.  2 GG weist die Erziehung und Pflege der Kinder den Eltern zu, die bis zur Grenze des Wächteramts allein über Erziehungsziele und ‑methoden entscheiden können. Aus dieser verfassungsrecht­ lichen Position folgt auch das Recht, dass der Träger des Grundrechts der ­Elternschaft im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG die Position der Eltern nach einfachem Recht mit den damit verbundenen Rechten und Pflichten auf Umgang, Unterhalt, Sorge und Erbrecht erhält. Regelungen des einfachen Rechts, die dies nicht gewährleisten, weil sie z. B. den nichtehelichen leiblichen Vater von der Mitsorge ausschließen, müssen nach dem jetzigen Stand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entweder mit der Vermeidung von Konflikten im Interesse des Kindeswohls gerechtfertigt werden können, oder sind verfassungswidrig. Umso größer ist die Bedeutung der Frage, wer Elternteil im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG ist. Das Bundesverfassungsgericht weist diese Position sowohl den 940 

Für eine detailliertere Zusammenfassung siehe Teil 2 I 6 (S. 99).

IV.  Zwischenergebnis: Fokussierung auf gleichberechtigte Zwei-Elternschaft

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rechtlichen als auch den leiblichen Eltern zu, und schließt damit in seinen ­Begriff der Elternschaft sowohl die rechtliche Konstruktion als auch die Tat­ sache der leiblichen Abstammung ein. Eine Differenzierung zwischen der genetischen Abstammung und der gestationalen Mutterschaft musste das Gericht noch nicht vornehmen, da es noch keinen Fall mit dieser Fragestellung zu entscheiden hatte. Das Verfassungsrecht in seiner Auslegung durch das Bundesverfassungs­ gericht hat die Entwicklung des einfachen Rechts mitvollzogen, mitgeprägt und teilweise Änderungen des geltenden Rechts eingefordert. Während es die gleichberechtigte Sorge der verheirateten Eltern verlangte, erkannte es erst 1995 den nichtehelichen, leiblichen Vater auch als Träger des Elterngrundrechts gem. Art.  6 Abs.  2 GG an. In der Folge trug es jedoch mit seiner Rechtsprechung zur Stärkung seiner Rechte bei. In seiner Entscheidung zur Adoption schien es ­sogar bereits vor der Einführung der Volladoption von einer alleinigen verfassungsrechtlichen Elternstellung der Adoptiveltern auszugehen, wobei die dogmatische Konstruktion hinter diesen Überlegungen allerdings unklar blieb. In seiner Entscheidung vom 9.4.2003 proklamierte das Bundesverfassungsgericht schließlich ausdrücklich den Grundsatz, dass nur zwei Eltern Träger des ­Elternrechts im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG sein konnten und dass damit nur ihnen das Recht und die Pflicht zukomme, das Kind zu erziehen und zu pflegen.

2.  Brüche im Prinzip der Zwei-Elternschaft Sowohl auf der Ebene des einfachen Rechts als auch des Verfassungsrechts lassen sich jedoch auch Gegenbewegungen gegen bzw. leichte Brüche im Dogma der Zwei-Elternschaft verzeichnen. Das Bundesverfassungsgericht erhält das Dogma der Zwei-Elternschaft durch zwei dogmatische Strategien bei der Auslegung von Art.  6 Abs.  1 und Abs.  2 GG aufrecht. Zum einen vermeidet der ausschließliche Schutz sozialer, nichtrechtlicher Eltern durch das Familiengrundrecht gem. Art.  6 Abs.  1 GG Mehrelternverhältnisse im Art.  6 Abs.  2 GG. Stief- und Pflegeeltern nehmen oft im Leben eines Kindes tatsächlich eine Elternstellung ein. Diese sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht als Eltern im Sinne von Art.  6 Abs.  2 GG geschützt, fallen aber unter den Schutz des Familiengrundrechts. Damit schützt das Grundgesetz zwei Arten von Eltern, die rechtlich-­ formellen und leiblichen mit Art.  6 Abs.  2 GG und zusätzlich die informell-­ sozialen mit Art.  6 Abs.  1 GG, der so zu einem zweiten Elterngrundrecht wird. Vergleichbar schützt Art.  8 EGMR mit dem „Familienleben“ nur die tatsäch­ liche Beziehung zwischen Eltern und Kindern, meist unabhängig von einer ­biologischen Zugehörigkeit. Die andere Strategie der Vermeidung von Zwei-Eltern-Konstellationen im Verfassungsrecht wurde vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung

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Teil 2:  Entwicklung des Rechts der Elternschaft

vom 9.4.2003 etabliert. In dieser Entscheidung erklärte das Gericht, ein Kind, dessen rechtlicher Vater der Ehemann seiner Mutter, dessen leiblicher Vater aber der frühere Geliebte der Mutter sei, habe drei Elternteile, die alle unter dem Schutz des Art.  6 Abs.  2 GG ständen. Allerdings könnten zur Vermeidung von „Kompetenzkonflikten“ nur zwei von ihnen „Träger des Elternrechts“ sein und so einfachrechtlich Verantwortung für das Kind übernehmen. Der leibliche ­Vater habe ein verfassungsrechtliches Recht auf ein Verfahren, das ihm unter bestimmten Voraussetzungen erlauben könne, die Position des Vaters nach einfachem Recht einzunehmen und Träger des verfassungsrechtlichen Elternrechts zu werden. Mit diesem Vorgehen vereinbarte das Bundesverfassungsgericht das Dogma der Zwei-Elternschaft mit der Tatsache, dass Art.  6 Abs.  2 GG Pflege und Erziehung des Kindes als „natürliches“ Recht der Eltern ansieht. Dem leiblichen Vater die Elternschaft des Grundgesetzes zu verweigern und allein den Vater nach einfachem Recht zu akzeptieren, wäre schwer vertretbar gewesen. Folge dieses Kompromisses ist jedoch eine dogmatisch schwer zu begründende Differenzierung zwischen verschiedenen Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG, unter denen der Gesetzgeber bestimmt, wer auch das Elternrecht einnehmen darf. Erklärbar ist diese Konstruktion praktisch nur mit dem Wunsch der Vermeidung einer verfassungsrechtlichen Mehrelternschaft. Die Rechtsprechung des EGMR, die an die tatsächlichen Beziehungen innerhalb der Familie anknüpft, erforderte eine solche Beschränkung auf zwei Eltern nicht und entwickelte wohl schon deshalb keine vergleichbare Dogmatik des Elternrechts. Der vollständige Ausschluss des leiblichen Vaters von allen Rechten im deutschen Recht wurde denn auch, wie im nächsten Abschnitt zu zeigen sein wird, vom EGMR gerügt und führte zur Einführung des §  1686a BGB, der dem leiblichen Vater Umgangs- und Informationsrechte einräumt. Der §  1686a BGB wie schon die Einführung des kleinen Sorgerechts in §  9 Abs.  1, 2 LPartG und §  1687b BGB, lassen sich als Brüche im Dogma der Zwei-Elternschaft verstehen.941 Auch wenn also das Konzept der Zwei-Elternschaft weiterhin gültig ist und sein Prinzip nicht in Frage gestellt wird, so ist doch eine Pluralisierung und Segmentierung der Formen von Elternschaft unübersehbar.942 Dutta spricht insofern plastisch von der „gespaltenen Elternschaft als Herausforderung für das Kindschaftsrecht des 21. Jahrhunderts.“943 Diese verschiedenen Phänomene lassen sich unter dem Dachbegriff der Mehr­ elternschaft einordnen und den damit in der aktuellen Diskussion verbundenen Problemen wird sich der nächste Teil widmen.

941 

Zur Kritik: Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 61 ff. Dethloff spricht von „Fragmentierung“ Dethloff, Abstammung und Verantwortung, 2017, 21. 943  Dutta, JZ 2016, 845. 942 

Teil 3

Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft Wie oben gezeigt, erkennt das BGB nur jeweils zwei rechtliche Eltern an, die es durch das Abstammungs- und Adoptionsrecht bestimmt. Konstellationen ­mehrerer Eltern werden dabei bewusst vermieden. Zu einem Elternwechsel kann es durch Anfechtung und Adoption kommen. Das Verfassungsrecht in seiner Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht stimmte dieser Richtung dadurch zu, dass es verfassungsrechtliche Elternrechte von mehr als zwei Eltern gem. Art.  6 Abs.  2 GG mit einer Reihe dogmatischer Strategien vermeidet.1 Ein Neben­einander verschiedener Eltern mit verschiedenen Rechten beginnt sich erst langsam, insbesondere aufgrund der Rechtsprechung des EGMR zu ent­ wickeln. Aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungen und der fortschreitend sich entwickelnden Reproduktionsmedizin nehmen Fälle der faktischen Mehr­ elternschaft immer mehr zu und Gesetzgeber wie Gerichte müssen reagieren. Bereits in den vorangegangenen Teilen wurde auf Konstellationen der Mehr­ elternschaft hingewiesen. Der folgende Teil schildert nun die verschiedenen Fälle, in denen deutsche und europäische Gerichte über Probleme multipler ­Elternschaft zu entscheiden hatten. In diesem Zusammenhang wird auch der Stand der Literatur dargestellt und damit gezeigt, wie stark die Diskussion um Mehrelternschaft das aktuelle Familienrecht prägt.2

I. Mehrvaterschaft 1.  Rechtlicher Vater und Vater mit Rechten Fälle von Mehrvaterschaft gibt es schon seit Menschengedenken. Heute lässt sich die genetische Vaterschaft eines anderen Mannes als des Ehemanns jedoch mit großer Sicherheit feststellen. Außerdem fordern leibliche, nichtrechtliche Väter immer häufiger Rechte an ihrem Kind ein. Mit der Entscheidung vom 1 

Vgl. dazu umfangreich: Teil 2 II 6 (S. 177), IV (S. 193). nennen ist bereits hier das grundlegende Gutachten von Helms zum 71. DJT, 2016; vgl. dazu weitgehend zustimmend: Dutta, JZ 2016, 845; Heiderhoff, NJW 2016, 2629; Wellenhofer, FamRZ 2016, 1333; von maßgeblicher Bedeutung ist darüber hinaus der Abschlussbericht des Arbeitskreises Abstammungsrecht v. 4.7.2017. 2  Zu

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Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

9.4.2003 hatte das Bundesverfassungsgericht die Rechte leiblicher, nichtrecht­ licher Väter auf Umgang neben einem aktiven rechtlichen Vater auf die Fälle beschränkt, in denen sie eine soziale Verbindung zu dem Kind aufgebaut hatten. Mit dem Fall Anayo v. Deutschland gelangte die Frage, welche unentziehbaren Rechte dem leiblichen Vater zukommen, vor den EGMR. a.  Anayo v. Deutschland Eine maßgebliche Fallgestaltung multipler Elternschaft entstand in Deutschland durch die Entscheidung des EGMR Anayo v. Deutschland vom 21.12. 2010.3 Herr Anayo,4 gebürtiger Nigerianer, stellte in Deutschland einen Asyl­antrag und ging eine Beziehung mit einer verheirateten Frau ein. Sie wurde schwanger und erwog, ihren Mann zu verlassen, um dauerhaft mit Herrn Anayo zusammen zu leben und mit ihm eine Familie zu gründen. Schließlich kehrte sie jedoch zu ihrem Ehemann zurück, der gem. §  1592 Nr.  1 BGB der rechtliche Vater der anschließend geborenen Zwillinge wurde. Die Eheleute verweigerten in der Folgezeit Herrn Anayo, der unstreitig der leibliche Vater der Zwillinge ist, jeden Kontakt zu den Kindern.5 Herr Anayo versuchte daraufhin, ein Umgangsrecht gerichtlich durchzusetzen. Das zuständige Familiengericht konstruierte aus §  1685 Abs.  2 BGB einen Anspruch mit der Begründung, dass der Kontakt mit ihrem leiblichen Vater den Kindern wertvolle Kenntnisse über ihre Abstammung vermitteln könne. Ins­ besondere könnten sie so ihre gegenüber ihren rechtlichen Eltern andere Haut­ farbe verstehen und wichtige Informationen für ihre Identitätsentwicklung sammeln. Insofern ließ das Gericht allein die Tatsache der leiblichen Verbindung zwischen Herrn Anayo und den Zwillingen als Grundlage einer durch Umgangsrechte zu schützenden Beziehung ausreichen. Demgegenüber scheiterte Herr Anayo vor dem OLG Karlsruhe mit der ­Begründung, dass er weder der rechtliche Vater der Kinder war noch die Voraussetzungen des §  1685 Abs.  2 BGB erfüllte. Das OLG Karlsruhe entschied, §  1685 Abs.  2 BGB gewährleiste nur ein Umgangsrecht für eine Person, die nicht mit dem Kind verwandt sei, aber durch tatsächliche Verantwortungsübernahme bereits früher eine Beziehung zu dem Kind habe etablieren können. Dies könne ein ehemaliger Partner eines Elternteils sein, der mit dem Kind in tatsächlicher familiärer Gemeinschaft gelebt habe, nicht aber der leibliche, nichtrechtliche Vater, der eine tatsächliche Beziehung zu dem Kind erst noch begründen müs3 EGMR, Urt. v. 21.12.2010 – 20578/07 (Anayo v. Deutschland), FamRZ 2011, 269, m. Anm. Rixe. 4  Die Bezeichnung als „Herr Anayo“ ist ungenau weil dieser, wie von Seiten des OLG Karlsruhe geäußert wurde, eigentlich Anayo Eze heißt. Die Bezeichnung als Anayo hat sich jedoch eingebürgert. 5 EGMR, Urt. v. 21.12.2010 – 20578/07 (Anayo v. Deutschland), FamRZ 2011, 269, Rn.  8 –10.

I. Mehrvaterschaft

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se. 6 Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde ohne Begründung 7 nicht zur Entscheidung an. 8 Herr Anayo verfolgte daraufhin sein Begehren erfolgreich vor dem EGMR weiter. Mit Urteil vom 21.12.2010 entschied der EGMR, dass Herrn Anayos Rechte nach Art.  8 EMRK verletzt worden seien.9 Der EGMR ließ offen, ob die Rechte des Beschwerdeführers auf Respekt seines Familienlebens verletzt worden seien. Grundsätzlich sei zwar nur die tatsächliche Familiengemeinschaft von Art.  8 EMRK geschützt. Allerdings konnte das Fehlen eines solchen tatsäch­ lichen Familienlebens Herrn Anayo nicht vorgeworfen werden, weil ihm von den rechtlichen Eltern jeder Kontakt zu den Kindern verweigert worden war. Daher könne Herrn Anayos Wunsch, mit seinen Kindern eine Beziehung zu begründen unter Umständen als ausreichend für die Etablierung eines „Fami­ lienlebens“ iSd Art.  8 EMRK10 angesehen werden. Jedenfalls hatten die deutschen Gerichte in das ebenfalls gem. Art.  8 EMRK geschützte Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen.11 Die Argumentation des Gerichts an dieser Stelle zeigt, wie bereits oben dargestellt, die fließenden Übergänge, die der EGMR zwischen dem Schutz des Familienlebens und des Privatlebens ­annimmt. Eine andere Lösung hätte darin bestanden, unter den Schutz des „Familien­ lebens“ auch die Beziehung zwischen einem leiblichem Elternteil und dessen Kind zu fassen, die einander noch nie zuvor gesehen haben. Der EGMR begründete die Konventionsverletzung damit, dass das deutsche Recht und die deutschen Gerichte Herrn Anayo den Umgang mit seinen Kindern nicht pauschal ohne eine Prüfung der konkreten Situation im Einzelfall hätten verweigern dürfen. Insbesondere hätte geprüft werden müssen, ob der Umgang mit ihrem leiblichen Vater dem Kindeswohl im konkreten Fall gedient hätte. Besonders im vorliegenden Fall, in dem die Hautfarbe der Kinder deutlich zeigte, dass sie nicht allein von ihren rechtlichen Eltern abstammen konnten, hätte der Kontakt mit ihrem leiblichen Vater unter Umständen wichtig für

6 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.12.2006 – 2 UF 206/06, FamRZ 2007, 924; vgl. Giers, FamRB 2011, 229. 7  Eine Begründung erfolgte allerdings in dem Fall BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 20.9.2006 – 1 BvR 1337/06, FamRZ 1661, 1662, in dem das BVerfG erklärte, das GG schütze nicht das Interesse des leiblichen Vaters, eine Beziehung zu seinem von ihm gezeugten, biologisch-genetischen Kind aufzubauen. 8 EGMR, Urt. v. 21.12.2010 – 20578/07 (Anayo v. Deutschland), FamRZ 2011, 269, Rn.  11–23. 9 EGMR, Urt. v. 21.12.2010 – 20578/07 (Anayo v. Deutschland), FamRZ 2011, 269, Rn.  73. 10  Vgl. zum Schutz des Familien- und Privatlebens durch Art.  8 EMRK oben Teil 2 III (S.  188). 11 EGMR, Urt. v. 21.12.2010 – 20578/07 (Anayo v. Deutschland), FamRZ 2011, 269, Rn.  60–62.

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ihre Entwicklung sein können.12 Dieser Punkt, das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung, wird später bei den Rechten des Kindes noch ausführlich zu erörtern sein. An dieser Stelle wurde der Punkt nur als Argument zugunsten der Abwägung eingestellt. Während das Bundesverfassungsgericht mit dem Ausschluss des leiblichen, nichtrechtlichen Vaters Rollenkonflikte zum Schaden des Kindeswohls vermeiden wollte, vertrat der EGMR hier die Auffassung, dass dem Kindswohl offenbar gerade durch einen Umgang mit seinem leiblichen Vater gedient sein könnte.13 Der EGMR bestätigte diese Argumentation in einer Reihe von Folgeentscheidungen,14 überließ es aber den Mitgliedsstaaten, im Rahmen ihres Entscheidungsspielraums zu bestimmen, ob der leibliche Vater sein Recht nur inzident im Rahmen eines Umgangsverfahrens klären lassen könne oder ob ihm das Recht eingeräumt werden solle, die Vaterschaft des rechtlichen Vaters anzufechten, um selbst rechtlicher Vater werden zu können.15 b.  Die Reaktion des deutschen Gesetzgebers Nach der Entscheidung Anayo v. Deutschland und den Folgeentscheidungen des EGMR handelte der Gesetzgeber mit erstaunlichem Tempo.16 Der Gesetzgeber hätte das Problem durch eine Reform des Abstammungsrechts, insbesondere durch eine Abschaffung des §  1600 Abs.  2 BGB lösen können. Auf diese Weise hätte der leibliche Vater mehr Rechte erhalten können, die Vaterschaft des rechtlichen Vaters anzufechten, um selbst die rechtliche Vaterstellung einnehmen zu können.17 So hätten die rechtliche und leibliche Vaterschaft in Übereinstimmung gebracht werden können. Der Gesetzgeber wählte jedoch einen anderen Weg und führte §  1686a BGB ein, der dem leiblichen Vater ein Umgangsrecht einräumt, wenn dies dem Kindeswohl dient.18 Überdies hat der leibliche Vater nach dieser Vorschrift ein Auskunftsrecht gegen die rechtlichen Eltern hinsichtlich des Kindes, wenn dies dem 12 EGMR, Urt. v. 21.12.2010 – 20578/07 (Anayo v. Deutschland), FamRZ 2011, 269, Rn.  67, 71. 13 Vgl. dazu und zur Bindungswirkung der Rspr. des EGMR Löhnig/Preisner, FamRZ 2012, 489 ff. 14  EGMR, Urt. v. 15.9.2011 – 17080/07 (Schneider v. Deutschland), FamRZ 2011, 1715 m. Anm. Helms; EGMR, Urt. v. 22.3.2012 – 23338/09 (Kautzor v. Deutschland), NJW 2013, 1937; EGMR, Urt. v. 2.12.2014 – 546/10 (Adebowale v. Deutschland). 15 EGMR, Urt. v. 22.3.2012 – 23338/09 (Kautzor v. Deutschland), Rn.   77; bestätigt in EGMR, Urt. v. 2.12.2014 – 546/10 (Adebowale v. Deutschland) und EGMR, Urt. v. 10.3.2015 – 42719/14 (Markgraf v. Deutschland), Rn.  23, vgl. Löhnig/Preisner, FamRZ 2012, 489. 16  Vgl. zu Reaktionen aus der Literatur: Willutzki, ZKJ 2011, 90; Finger, FuR 2011, 649; Kunkel, FPR 2012, 358; Löhnig/Preisner, FamRZ 2012, 489. 17 Siehe Helms, in: Coester-Waltjen u. a. (Hrsg.), Reformbedarf im nichtehelichen Eltern-­ Kind-Verhältnis, 2012, 77. 18  Siehe für die Gesetzgebungsgeschichte und Begründung des Gesetzgebers: BT-Drucks. 17/12163.

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Wohl des Kindes nicht schadet. Entsprechend dem Anspruch gem. §  1686 BGB zwischen rechtlichen Eltern sind davon Informationen über die persönliche ­Situation und Interessen des Kindes sowie dessen Gesundheitszustand umfasst.19 Ein Mann, der diese Rechte wahrnehmen möchte, muss ein Verfahren gem. §  167a FamFG einleiten und an Eides statt versichern, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben.20 Außerdem muss der Mann nachweisen, dass er „ernsthaftes Interesse“21 an dem Kind gezeigt hat.22 Weiterhin ist Voraussetzung, dass ein anderer Mann rechtlicher Vater des Kindes ist. Gibt es keinen rechtlichen Vater, so wird erwartet, dass der leibliche Vater die nötigen Schritte unternimmt, um die rechtliche Vaterstellung einzunehmen. Das Verfahren nach §  167a FamFG ändert nichts an der rechtlichen Stellung des rechtlichen Vaters. Dieser bleibt verantwortlich für das Kind und z. B. weiter zum Kindesunterhalt verpflichtet. Gesetzliche Erbrechte bestehen nur zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater, während der leibliche Vater das Kind in seinem Testament bedenken muss, wenn er ihm etwas vererben möchte.23 Die neue Vorschrift ist teils auf scharfe Kritik gestoßen. Eine solche „Vaterschaft light“ verstoße gegen grundlegende Prinzipien des deutschen Abstammungsrechts, das nur einen Vater und eine Mutter pro Kind zuließe.24 c.  Kritische Analyse: Rechte für den nichtrechtlichen Vater Die Einführung eines leiblichen, nichtrechtlichen Vaters mit bestimmten Rechten neben dem rechtlichen Vater ist in der Tat eine fundamentale Neuerung. Zuvor kannte das Recht nur den rechtlichen Vater, dessen Vaterschaft nur durch den rechtlichen Vater, die Mutter, das Kind und – unter engen Voraussetzungen – den potentiellen leiblichen Vater angefochten werden konnte. Überdies erlaubt das Recht der Mutter, dem rechtlichen Vater und dem Kind die Abstammung des Kindes von Mutter und rechtlichem Vater ohne Rechtsfolgen gem. §  1598a BGB zu klären.25 Nun hat ein Mann ohne rechtliche Verbindung 19 

Vgl. Palandt/Götz, 76.  Aufl. 2017, §  1686a, Rn.  6 . Siehe für eine Analyse der ersten Entscheidung: Wellenhofer, NZFam 2014, 117. 21  Vgl. BGH, Beschl. v. 5.10.2016 – XII ZB 280/15, BGHZ 212, 155; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 1.6.2015 – 20 UF 63/13, FamRZ 2015, 1624; OLG Bremen, Beschl. v. 10.10.2014 – 5 UF 89/14, NZFam 2014, 1045. 22  Der Mann, der zum Beispiel die Mutter während der Schwangerschaft zum Arzt begleitet, das Kind so bald wie möglich kennenlernen möchte und/oder finanzielle oder andere Unterstützung für die Mutter und das Kind anbietet, siehe zur Begründung des Gesetzgebers: BT-Drucks. 17/12163, 13. 23 Siehe für eine Interpretation für Gerichte und Prozessführer: Büte, FuR 2013, 676; Clausius, MDR 2013, 685; Hoffmann, FamRZ 2013, 1077. 24  Lang, FPR 2013, 233, 235; Peschel-Gutzeit, NJW 2013, 2465; Hähnchen, JZ 2015, 708, 709; weitere Argumente: Kloster-Harz, FamFR 2013, 337; vgl. auch: Plettenberg, Vater, Vater, Mutter, Kind, 2016, 135 f. 25  Das Kind hat nach geltendem Recht, dessen Verfassungsmäßigkeit vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom April 2016 bestätigt wurde, allerdings nicht das 20 

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zum Kind das Recht, seine genetische Abstammung feststellen zu lassen und eine zweite, nichtrechtliche Vaterposition einzunehmen. Das Kind hat damit einen rechtlichen Vater und einen Vater mit Rechten. Dies ist ein Bruch mit dem traditionellen Grundsatz der Zwei-Elternschaft. In der Tat ist es bemerkenswert, dass nichteheliche Kinder früher einen „Zahlvater“ hatten, während das heutige Recht ihnen neben dem rechtlichen Vater einen „Umgangsvater“ an die Seite stellt. Dies wirft interessante Fragen für die verfassungsrechtlichen Positionen beider Väter auf. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind der rechtliche und der leibliche Vater zwar beide Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG, doch nur einer von ihnen ist zusammen mit der Mutter Träger des Elternrechts im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG. Es kann danach nur je einen Träger des Elternrechts geben. Nun hat aber der leibliche, nichtrechtliche Vater, der damit nicht Träger des Elternrechts ist, Rechte erhalten. Allerdings trägt er ­keine Pflichten, die das Bundesverfassungsgericht jedoch als notwendigen Teil der Elternverantwortung ansieht. Umso gespannter durfte man auf die verfassungsrechtliche Würdigung der neuen Vorschrift sein. d.  Rechtsprechung zu §  1686a BGB aa.  Die Entscheidung des BVerfG vom 19.11.2014 Das Bundesverfassungsgericht befasste sich in einer Kammerentscheidung vom 19.11.2014 mit dem §  1686a BGB.26 Der Fall betraf eine Mutter, ein Kind und zwei potenzielle Väter. Die Mutter war mit dem rechtlichen Vater verheiratet, mit dem sie das Kind großzog. Der andere Mann behauptete, der leibliche Vater des Mädchens zu sein, und begehrte Umgang sowie die inzidente Prüfung seiner genetischen Vaterschaft gem. §  1686a BGB. Die Mutter und der rechtliche Vater widersprachen dem unter Berufung auf ihre Elternrechte. Die 1. Kammer des Ersten Senats stellte die Verfassungsmäßigkeit des §  1686a BGB nicht in Frage. Wäre dies ernsthaft geschehen, hätte der Senat mit der Frage befasst werden müssen. Vielmehr beschäftigte sich die Kammer mit der Auslegung der Vorschrift zum Schutz der aus rechtlichem Vater, Mutter und Tochter bestehenden Familie. Seien die übrigen Voraussetzungen des §  1686a BGB zweifelhaft, zum Beispiel im Fall, dass der Umgang mit dem Antragsteller – selbst unter der Voraussetzung, er sei der leibliche Vater – dem Kindeswohl widersprechen würde, solle die Vaterschaft nicht überprüft werden. In dieser Situation Recht, die mögliche Vaterschaft seines potentiellen leiblichen Vaters feststellen zu lassen, ohne vorher die Vaterschaft seines rechtlichen Vaters anzufechten. Dazu später im Zusammenhang mit dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung, BVerfG, Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186. 26  BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 19.11.2014 – 1 BvR 2843/14, NJW 2015, 542 m. Anm. Sanders.

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müsse die Vermutung, der rechtliche Vater sei auch der leibliche, im Interesse des Familienschutzes aufrecht erhalten bleiben. Ein Antrag gem. §  1686a BGB und §  167a FamFG zwinge die rechtliche Familie, ihre Beziehungen in einem Gerichtssaal offen zu legen. Dies solle nur geschehen, wenn unbedingt nötig. bb.  Kritische Analyse: Elterliche Rechte für Nicht-Eltern Das Ergebnis der Entscheidung brachte keine wesentlichen Neuerungen.27 ­Interessant ist jedoch, was die Entscheidung nicht sagte. Der Senat hätte über den Fall entscheiden und §  1686a BGB mit seiner Einführung eines rechtlichen Vaters und eines Vaters mit Rechten für verfassungswidrig erklären können. Der Senat hätte unter Berufung auf die Entscheidung vom 9.4.2003, nach der es nur zwei Träger des Elternrechts geben kann,28 entscheiden können, ein weiterer Vater hätte nicht in seiner Rolle als leiblicher Vater ein Umgangsrecht erhalten können. Denn das Umgangsrecht ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durchaus Teil des Elternrechts. Statt des Senats entschied aber nur die Kammer den Fall, was zeigt, dass die Berichterstatterin und die Mitglieder ihrer Kammer die Bedeutung des Falles nicht zu hoch hängen wollten.29 Offensichtlich hielt es die Kammer damit für möglich, dass der Gesetz­ geber dem leiblichen, nichtrechtlichen Vater bestimmte Rechte, unter anderem ein Umgangsrecht, zuweisen konnte, ebenso wie er Großmüttern, Geschwistern und anderen wichtigen Bezugspersonen ein Umgangsrecht gem. §  1685 BGB zugestanden hatte. In einem Aufsatz hat die Berichterstatterin, die Richterin des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Gabriele Britz, erklärt, Personen, die nicht Eltern im rechtlichen Sinne seien, könnten „elterntypische Befugnisse“ zustehen oder zugewiesen erhalten.30 An der Bezeichnung des leiblichen Vaters iSd §  1686a BGB als „nicht Eltern im Rechtssinne“ sei zwar richtig, dass dieser nicht rechtlicher Vater ist. Er stehe jedoch zumindest unter dem Schutz von Art.  6 Abs.  2 GG, auch wenn er nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts nicht Träger des Elternrechts sein und damit keine Rechte und Pflichten in Bezug auf das Kind haben könne.31 Mit dem Umgangsrecht hat der leibliche Vater nun aber ganz klar Rechte in Bezug auf das Kind erhalten. Britz führte außerdem aus, der Gesetzgeber habe einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, das Elternrecht anderen als den Personen, die in §§  1591 f. BGB bzw. durch die Adoptionsregeln genannt werden, zugäng27  Insofern wandte die Kammer die in der Entscheidung um die Behördenanfechtung vom 17.12.2013 entwickelten Grundsätze an: BVerfG, Beschl. v. 17.12.2013 – 1 BvL 6/10, BVerfGE 135, 48. 28  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82. 29 Vgl. Sanders, NJW 2015, 543. 30  Britz, JZ 2014, 1069, 1070 f., Fn.  9. 31  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101, 103.

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lich zu machen oder direkt zuzuweisen. Als Beispiel wird nicht nur der im Urteil vom 19.2.2013 entschiedene Fall der Sukzessivadoption des Lebenspartners genannt, sondern auch der Fall einer im Ausland begründeten Leihmutterschaft.32 Dies zeigt, dass Fälle multipler Elternschaft die Berichterstatterin ­zumindest wissenschaftlich beschäftigen. Möglicherweise sind die damit verbundenen Fragen im Gericht auch noch nicht abschließend geklärt. Eine solche Klärung wird aber früher oder später erforderlich werden. Ausgangspunkt der – problematischen – Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts ist, dass ein drittes oder viertes Elternteil im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG nicht Träger des Elternrechts sein soll, weil immer nur zwei Eltern Verant­ wortung für ein Kind übernehmen können, um Konflikte für das Kind zu vermeiden. Werden einem solchen Elternteil aber elterliche Rechte als leiblicher Elternteil eingeräumt, so fragt sich, ob dies nach der Konzeption des Bundes­ ver­fassungsgerichts verfassungsmäßig ist. Immerhin bedeuten die Rechte des leiblichen Vaters eine Beschneidung der Rechte der rechtlichen Eltern, die letztlich nur mit der Bedeutung der Verbindung zwischen leiblichem Vater und Kind gerechtfertigt werden kann, die durch den Zeugungsakt und die Tatsache der genetischen Abstammung etabliert wurde. Damit ist das Umgangsrecht nicht irgendein Recht an ein „Nicht-Elternteil“, sondern bedeutet zumindest eine gewisse rechtliche Anerkennung einer Drei-Eltern-Konstellation durch das ­ ­Familienrecht des BGB. cc.  Der Beschluss des BGH vom 5.10.2016 Im Beschluss vom 5.10.201633 gelangte der Anayo-Fall schließlich zum BGH. Nach der Entscheidung des EGMR hatte das AG Baden-Baden Herrn Anayo Umgang mit seinen beiden Zwillingen gem. §  1686a BGB zugesprochen. Auf die Beschwerde wies das OLG Karlsruhe den Antrag gem. §  1686a BGB zurück. Die rechtlichen Eltern der Zwillinge hatten sich geweigert, die Zwillinge über die festgestellte leibliche Vaterschaft des Herrn Anayo zu informieren, weil sie meinten, die Kinder könnten mit dieser Information und dem Umgang psychisch überfordert sein. Die Kinder würden noch nicht selbst Fragen zu ihrer Abstammung und ihrer im Vergleich zu ihren rechtlichen Eltern und Geschwistern dunklere Hautfarbe stellen. In dieser Situation, so das OLG, könne es die Kindeswohldienlichkeit nicht bejahen. Es stehe den Eltern frei, die Einschätzung zu treffen und ihre Kinder nicht zu informieren, um die Belastbarkeit des Familienverbandes nicht zu gefährden.34

32 

Britz, JZ 2014, 1069, 1070, 1071. Beschl. v. 5.10.2016 – XII ZB 280/15, BGHZ 212, 155 = FamRZ 2016, 2082 m. Anm. Dutta. 34  OLG Karlsruhe, Beschl. v. 1.6.2015 – 20 UF 63/13, FamRZ 2015, 1624. 33  BGH,

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Der BGH hob die Entscheidung auf und verwies die Sache zurück. Die Ablehnung der rechtlichen Eltern allein sei kein ausreichender Grund für die Versagung des Umgangs, sonst bedürfte es weder der Vorschrift des §  1686a BGB noch eines familiengerichtlichen Verfahrens. Zwar gelte die Vermutung gem. §  1626 Abs.  3 BGB im Zusammenhang mit §  1686a BGB nicht, nachdem der Umgang mit beiden rechtlichen Eltern grundsätzlich zum Kindeswohl gehöre.35 Sei aber einziger Grund für das Scheitern des Umgangs die Ablehnung der rechtlichen Eltern, so seien strenge Maßstäbe bei der Überprüfung ihrer ­Befürchtungen anzulegen.36 Scheitere ein Umgangsantrag mit dem „gewissermaßen zweiten, ausschließlich auf der biologischen Abstammung beruhenden Vater“,37 allein deshalb, weil sich die rechtlichen Eltern weigerten, das Kind zu informieren, müsse dies der Richter jedenfalls dann im Rahmen der persön­ lichen Anhörung tun, wenn die Kinder nach seiner Einschätzung über hin­ reichende Reife verfügten. dd.  Kritische Analyse: Elternkonflikte Interessant ist an dieser Entscheidung nicht allein die menschliche Tatsache, dass Herr Anayo selbst nach der Entscheidung des EGMR noch um den Umgang mit seinen 2005 geborenen Kindern kämpft, sondern auch, dass der BGH hier einen Kompetenzkonflikt in einem Drei-Elternverhältnis zu entscheiden hatte. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner Entscheidung vom 9.4.2003 gerade die Ablehnung der Elternverantwortung von mehr als zwei Eltern mit der Vermeidung kindeswohlschädlichen Konflikten gerechtfertigt. In einem ebensolchen Konfliktfall sicherte nun der BGH die effektive Durchsetzung des Umgangsrechts gem. §  1686a BGB. Die Entscheidung der rechtlichen Eltern, ihre Kinder nicht in die Drei-Elternsituation einzuweihen, akzeptierte der BGH nicht. Zur Not muss sogar der Richter Gespräche mit dem Kind über dessen Abstammung führen. Damit ist §  1686a BGB endgültig zu einem echten Recht des leiblichen Vaters geworden, das durchaus Konflikte in eine Familie tragen kann. Der Bruch mit dem Prinzip der Zwei-Elternschaft ist offensichtlich. e.  Diskussion der leiblichen, nichtrechtlichen Vaterschaft Die Diskussion um die Stellung des leiblichen, nichtrechtlichen Vaters ist trotz der Einführung des §  1686a BGB nicht zur Ruhe gekommen. Kritisch gesehen wird dabei §  1600 Abs.  2 BGB, der die Anfechtung durch den leiblichen Vater bei Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem Kind und dem sozialen Vater sperrt.38 Ohne §  1600 Abs.  2 BGB könnte der leibliche Vater an35 

BGH, Beschl. v. 5.10.2016 – XII ZB 280/15, BGHZ 212, 155, Rn.  35. BGH, Beschl. v. 5.10.2016 – XII ZB 280/15, BGHZ 212, 155, Rn.  36. 37  BGH, Beschl. v. 5.10.2016 – XII ZB 280/15, BGHZ 212, 155, Rn.  17. 38 Vgl. Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 42 ff. 36 

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fechten, die rechtliche Vaterstellung einnehmen und leibliche und rechtliche ­Vaterschaft ließen sich in Übereistimmung bringen. Insbesondere wird kritisiert, dass es keine Rolle spielt, ob auch zwischen dem leiblichen Vater und dem Kind eine Beziehung bestehe oder bestanden habe.39 Statt der pauschalen Zuweisung der Vaterschaft an den rechtlichen Vater wird vielfach in der Literatur eine konkrete Kindeswohlprüfung vorgeschlagen.40 Die Position des leiblichen, nichtrechtlichen Vaters war auch Gegenstand des Gutachtens von Helms zum Deutschen Juristentag 2016. In seinem Gutachten vergleicht Helms die Rechtslage in verschiedenen Ländern41 und schlägt vor, dem leiblichen Vater in jedem Fall ein auf ein Jahr ab Kenntnis der möglichen Vaterschaft befristetes Anfechtungsrecht einzuräumen.42 Der Ausschluss des leiblichen Vaters im Interesse einer erst im Entstehen begriffenen Beziehung zu einem zufällig in diese Rolle geratenen sozial-rechtlichen Vaters sei nicht gerechtfertigt. Die Bindung zum sozialen Vater sei bei einem kleinen Kind noch im Entstehen begriffen und überdies ohne eine eigene leibliche Verbindung zumindest in den ersten Lebensjahren stark von der Beziehung zur Mutter abhängig. Insofern müsse der leibliche Vater die Möglichkeit haben, als rechtlicher Vater von Anfang an eine eigene Beziehung zu dem Kind aufzubauen. §  1686a BGB genüge insofern nicht.43 Dem Kindeswohl diene der Schutz des sozialen Vaters erst dann, wenn sich diese Beziehung über eine gewisse Zeit bewährt habe.44 Dieses Konzept will die leibliche Abstammung für die Elternstellung grundsätzlich so lange für maßgeblich halten, wie eine andere soziale Beziehung zum Kind noch nicht fest etabliert ist. Eine individuelle Kindeswohlprüfung lehnt Helms demgegenüber mit guten Argumenten ab. Gerade in schwierigen Fällen bei noch recht kleinen Kindern wäre ein zu großes Maß an Willkür der Gerichte beteiligt. Eine Entscheidung über den Status der Elternschaft ließe sich im Gegensatz zu Entscheidungen zu Umgang und Sorge auch nicht wieder rückgängig machen.45

39  Rechtsprechung OLG Bremen, Beschl. v. 22.1.2013 – 5 UF 2/12, FamRZ 2013, 1824 (6 bis 7 Jahre); BVerfG, Beschl. v. 24.2.2015 – 1 BvR 562/13, FamRZ 2015, 817 (6 Jahre); AG Herford, Urt. v. 26.10.2007 – 14 F 770/06, FamRZ 2008, 1270 f.; OLG Bremen, Beschl. v. 22.1.2013 – 5 UF 2/12, FamRZ 2013, 1824; OLG Celle, Beschl. v. 8.3.2011 – 15 UF 238/10, FPR 2011, 407, 409. 40  Eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung des Kindeswohls fordern in unterschiedlichen Varianten Coester-Waltjen, FamRZ 2013, 1693, 1699; Staudinger/‌R auscher, 2011, §  1600, Rn.  40; Soergel/‌Schmidt-Recla, 2012, §   1600, Rn.   30  f.; MüKo-BGB/‌ Wellenhofer, 6.  Aufl. 2012, §  1600 BGB, Rn.  9; so auch noch Helms, FamRZ 1997, 913, 917 f.; 19. DFGT, 2011, Brühler Schriften zum Familienrecht, Bd.  17, 2012, 136. 41  Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 41 f. 42  Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 51. These IV 2. 43  Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 51. 44  Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 48 ff. 45  Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 48.

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Ebenfalls mit der Thematik beschäftigt sich der Abschlussbericht des Arbeitskreises Abstammungsrecht. Während dieser befürwortet, dass eine gefestigte sozial-familiäre Beziehung zwischen rechtlichem und sozialem Vater die Anfechtung sperren soll, so befürwortet er de lege ferenda durchaus eine ­Berücksichtigung einer eventuell bestehenden Beziehung zwischen Kind und genetischem Vater.46 Eine frühere, nicht mehr fortbestehende sozial-familiäre Beziehung soll nicht berücksichtigt werden. Entsprechend der These von Helms, wird auch hier eine befristete Anfechtungsmöglichkeit des genetischen Vaters kurz nach der Geburt befürwortet.47 f.  Kritische Analyse: Mehrelternschaft im Spannungsverhältnis von rechtlichem und leiblichem Vater Das Auseinanderfallen von rechtlichem und leiblichem Vater ist nicht neu. ­Problematisch in dieser klassischen Situation der Mehrelternschaft ist, dass sich diese Konstellation aus einem Partnerwechsel der Mutter ergeben hat, die typischerweise bei beiden Männern wenig positive Gefühle hinterlässt. Die Situa­ tion ist damit potentiell konfliktbeladen und von der Konkurrenz zwischen beiden Männern geprägt. Infolgedessen ist der Wunsch nach Kooperation zwischen ihnen gering und der Kontakt mit dem Kind wird – wie jedenfalls aus der Praxis berichtet wird – nicht selten genutzt, um die Beziehung mit der Mutter wieder zu beleben. Diese potentielle Konkurrenzsituation ist auch der Hintergrund für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9.4.2003, in der es die Elternverantwortung von drei Eltern mit Blick auf Rollen- und Kompetenzkonflikte als nicht der Konzeption des Grundgesetzes entsprechend bezeichnet hat.48 Dies ist bei einer rechtlichen Regelung zu berücksichtigen.49 In dieser Situation gibt das Recht derzeit dem Vater den Vorrang, der mit Zustimmung der Mutter die rechtliche Elternstellung ergreift, weil damit Stabilität für das Kind geschaffen werden soll. In der Tat ist der Mann, der die Vaterschaft anerkennt oder mit der Mutter verheiratet ist, offenbar bereit, Verantwortung zu übernehmen und kann zu dem Kind eine lebenslange Elternbeziehung aufbauen. Zerbricht die Beziehung zur Mutter jedoch schnell wieder, kann dies allerdings anders aussehen. Die andere Linie wäre der – zumindest zeitweilige – Vorrang der leiblichen Abstammung als im Gegensatz zur Beziehung zur Mutter unwandelbarem ­Kriterium. Im System des geltenden Abstammungsrechts eine überzeugende Lösung. 46 

Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, These 29, S.  52 f. Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, These 30, S.  53 f. 48  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 103. 49  Dethloff unterscheidet daher diesen Fall von dem der bewusst herbeigeführten Mehr­ elternschaft: vgl. Dethloff, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung durch Reproduktionsmedizin, 2016, 54 f. 47 

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Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

Eine dritte Herangehensweise stellt auf das Kindeswohl im Einzelfall ab. Dies würde dem entscheidenden Familienrichter eine große Macht zuweisen. Angesichts der im verfassungsrechtlichen Teil angesprochenen Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Kindeswohls ist hier aber Vorsicht geboten. Dies wird später ausführlich zu diskutieren sein. Dann wird auch die Frage zu erörtern sein, welche Bedeutung der leiblichen Abstammung und der sozialen Beziehung zwischen Eltern und Kind in einem rechtlichen Konzept der Elternschaft einzuräumen ist. Hier sei schon angemerkt, dass der Staat nur bei einer Gefährdung des Kindes in die Pflege und Erziehung der Eltern eingreifen darf.50 ­Daher erscheint eine Auswahl des geeignetsten Vaters durch staatliche Entscheidung zur Maximierung des Kindeswohls zumindest höchst problematisch, wenn ­einer von beiden erwiesenermaßen der leibliche Vater ist und der andere zu dem gerade geborenen Kind noch nicht einmal eine soziale Beziehung hat etablieren können.

2.  Samenspende und Vaterschaft kraft Zustimmung Auch bei der Samenspende kommt es zu einer Situation der Mehrelternschaft. Im Gegensatz zum „Kuckuckskind“, das durch einen temporären Partnerwechsel der Mutter gezeugt wird, beruht die Mehrelternschaft bei der Samen­ spende auf der gemeinsamen Entscheidung des Paares, das eine Familie gründen will. Die Mehrelternschaft ist damit einverständlich, das Kind kein ­„Kuckucks-“ sondern ein „Wunschkind“, das auf Veranlassung der „Wunsch­ eltern“ erst gezeugt wurde. Bei diesem Fall der einverständlichen Mehrelternschaft soll Elternschaft bewusst jenseits der genetischen Vaterschaft konstruiert und rechtlich anerkannt werden. Der Samenspender hat in dieser Situation im Allgemeinen das Interesse, trotz seines genetischen Beitrags nicht zum rechtlichen Vater mit Rechten und Pflichten zu werden. Häufig möchte er sogar seine Anonymität wahren.51 Die Wunsch­eltern haben das Interesse, dass ihre gemeinsame Elternschaft mit allen Rechten und Pflichten voll anerkannt wird. Probleme ergeben sich in dieser Situation, wenn einer der Beteiligten aus der Vereinbarung ausschert. Dies kann der Fall sein, wenn der Wunschvater die Elternstellung nicht mehr wünscht52 oder der Samenspender sich nicht mit seiner anonymen Rolle zufrieden geben will. Je nach Offenheit der Eltern oder aufgrund eines Zufalls kann die Existenz des Spenders ans Licht kommen und beim Kind das Gefühl eines Vertrauens50 

Vgl. Teil 2 II 4 d bb (S.  134). Bernard, Kinder machen, 2014, 95 ff. 52  Stimmt eine Lebenspartnerin der Befruchtung ihrer Lebenspartnerin zu, so kann sich das gleiche Problem ergeben, wenn sich die Frau nach der Geburt weigert, das Stiefkindadoptionsverfahren zu betreiben, um rechtlicher Elternteil des Kindes zu werden. 51 

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bruchs und den Wunsch nach Kenntnis des Spenders auslösen.53 Mit dem Phantom des Spenders, von dem das Kind die Hälfte seiner Erbanlagen ableitet, können auch weitere bisher unerkannte Familienmitglieder, wie z. B. Halb­ geschwister,54 existieren, die manchmal auftauchen, meist aber im Dunkeln bleiben. a.  Geschichte und praktische Bedeutung der Samenspende Die Zeugung von Kindern mit Hilfe einer homologen oder heterologen Samen­ spende ist kein gänzlich neues Phänomen. Nach ersten Versuchen im 18. Jahrhundert nach dem Vorbild der Viehzucht, entwickelte sich die erforderliche medizinische Technik ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Befruchtung mit Hilfe der Samenspende eines Dritten begann sich in den USA seit den 1930er Jahren durchzusetzen.55 Entgegen heute verbreiteter Vorstellungen wurde während der Zeit des Nationalsozialismus die Befruchtung von Frauen mit Hilfe von Samenspenden als unnatürlich abgelehnt.56 Diese ablehnende Haltung setzte sich nach 1945 unter den deutschen Ärzten fort, wurde nun aber noch mit dem Argument verstärkt, der Nationalsozialismus habe gezeigt, wohin künstliche Eingriffe in die Fortpflanzung des Menschen führen könnten.57 Der 62. Deutsche Ärztetag lehnte 1959 die künstliche heterologe Insemina­ tion, das heißt die Befruchtung der Frau mit einem Samen, der von einem Spender und nicht ihrem Partner stammte, aus sittlichen Gründen ab. Zwischen 1959 und 1962 scheiterten drei Gesetzesentwürfe, wovon einer (§  203 StGB) die künstliche Samenübertragung unter Strafe stellen sollte. Grund für die Ablehnung der Samenspende war die Befürchtung der Gefährdung der Vertrauens­ beziehung zwischen den Eheleuten sowie des Vaters zu seinem Kind.58 Die ­Gesetzesentwürfe scheiterten erst, als 1964 der 9. Internationale Strafrechtskongress in Den Haag erklärte, Deutschland befände sich reproduktionsmedizinisch auf dem Weg in die „normative Isolierung“.59 Erst Anfang der 1970er Jahre hob aber die Deutsche Ärztekammer die „Standesunwürdigkeit“ der Befruchtung mit Hilfe einer heterologen Samenspende auf, die sie in den 1959er Jahren verhängt hatte. 60 Seitdem wurden in Deutschland ca. 100.000 Kinder im Wege einer Samenspende gezeugt. 61 Heute werden Samenspenden in verschie53  Zur Frage des Rechts des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung unten Teil 5 (S.  341). Vgl. zur Perspektive der Spenderkinder: Bernard, Kinder machen, 2014, 124 ff. 54  Bernard, Kinder machen, 2014, 144 ff. 55  Vgl. zur Geschichte der Samenspende: Bernard, Kinder machen, 2014, 167 ff., 195 ff. 56 Vgl. Bernard, Kinder machen, 2014, 230 ff. Himmler favorisierte demgegenüber die indogermanische Tradition des „Zeugungshelfers“, vgl. Bernard, Kinder machen, 2014, 235. 57  Bernard, Kinder machen, 2014, 239 f. 58  Bernard, Kinder machen, 2014, 240 f. 59  Bernard, Kinder machen, 2014, 246. 60  Bernard, Kinder machen, 2014, 88. 61  Dethloff, Familienrecht, 2015, §  10, Rn.  70.

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denen Samenbanken in Deutschland angeboten. Die Spender sollen dabei ­möglichst jung, fit und gebildet sein. Daher werden Samenspender in den USA möglichst unter den Studenten von Eliteuniversitäten rekrutiert. 62 Neben dem möglichen Bezug des benötigten Spermas über eine Samenbank im In- und Ausland existiert allerdings auch die private Becherspende, bei denen die Vereinbarung zur Spende formlos zwischen dem Paar bzw. der Einzelperson mit Kinderwunsch einerseits und dem Spender andererseits getroffen und der Samen außerhalb einer Samenbank übergeben und verwendet wird. Unabhängig von der Herkunft des Samens von einer Samenbank oder einer privaten Spende kann die Befruchtung mit ärztlicher Unterstützung, aber auch privat, unter Verwendung einer Spritze, durchgeführt werden. 63 b.  Begründung und Anfechtung der Vaterschaft In Deutschland gelten im Abstammungsrecht für Kinder, die im Wege der ­Samenspende gezeugt wurden, grundsätzlich die allgemeinen Regeln. aa.  Frau mit (Ehe)Partner Wird ein Kind mit Hilfe einer heterologen Samenspende gezeugt, mit der beide Partner einverstanden sind, wird der Ehemann der Mutter rechtlicher Vater des Kindes gem. §  1592 Nr.  1 BGB. Hier gilt allerdings insofern eine Besonderheit, als dass er oder die Mutter die Vaterschaft nicht anfechten können (§  1600 Abs.  5 BGB). Wenn nicht das Kind die Vaterschaft anficht, wird der Ehemann unumkehrbar Elternteil kraft seiner Einwilligung in die künstliche Befruchtung,64 nicht aufgrund einer biologischen Verbindung. Im selben Moment wird ein zusätzlicher genetischer Vater Teil der Familiengeschichte. Dasselbe gilt, wenn die Mutter und ihr Partner nicht verheiratet sind, dieser aber das Kind gem. §  1592 Nr.  2 BGB anerkennt.

62 

Zur Auswahl von Samenspendern: Bernard, Kinder machen, 2014, 103 ff. unterscheidet der Abschlussbericht des Arbeitskreises Abstammungsrechts vier Fallgruppen: 1. ärztlich unterstützte Insemination mit offizieller Samenspende, 2. ärztlich unterstütze Insemination mit privater Samenspende, 3. private Insemination mit privater Samenspende und schließlich, 4. private Insemination mit offizieller (meist ausländischer) Samenspende, Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, 53 f. 64  Zur Einordnung als Willenserklärung: A. Roth, JZ 2002, 651, 653 und ders., DNotZ 2003, 805, 809 f.; v. Sachsen-Gessaphe, NJW 2002, 1853, 1854; Spickhoff, AcP 197 (1997), 389, 417 (zur Rechtslage vor Inkrafttreten des §  1600 Abs.  2 BGB); Staudinger/‌R auscher, 2011, §  1600, Rn.  80; zur Einordnung als „willensgetragenen Realakt“ vgl. Wanitzek, Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, 2002, 317 ff. (zur Rechtslage vor Inkrafttreten des §  1600 Abs.  2 BGB); dies., FamRZ 2003, 730, 733 f; vgl. auch Brudermüller, Referat zum 71. DJT, 2016. 63 Entsprechend

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bb.  Feststellung der Vaterschaft des Samenspenders Nach gegenwärtigem Recht kann der Mann, der einem lesbischen Paar oder ­einer alleinstehenden Frau privat oder über eine Samenbank Samen gespendet hat, als Vater gem. §  1592 Nr.  3 BGB festgestellt werden,65 auch wenn er dies nie beabsichtigt hatte, sondern nur bei der Erfüllung eines Kinderwunsches helfen wollte. Als rechtlicher Vater kann der Samenspender insbesondere zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet werden, was er meist nicht beabsichtigt. Im Vereinigten Königreich66 und Österreich67 ist demgegenüber die Feststellung des Samenspenders, der über eine Samenbank in Anspruch genommen wurde, als Vater ausgeschlossen. In Deutschland herrscht also für den Samen­ spender Unsicherheit. Dies ist einer der Gründe, warum nur wenige Fortpflanzungskliniken in Deutschland die künstliche Befruchtung alleinstehender oder in einer Lebenspartnerschaft lebenden Frauen vornehmen. 68 Die Möglichkeit des automatischen Erwerbs der Elternschaft gem. §  1592 Nr.  1 oder 2 BGB steht lesbischen Paaren allerdings, anders als im Vereinigten Königreich69 und Österreich70 , nicht zu. Hier sind sie auf den Weg der Stiefkindadoption verwiesen. Die Unsicherheit für den Spender, der an eine Samenbank spendet, wird sich allerdings zum 1.7.2018 ändern. Das Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen vom 17.7.2017, das am 1.7.2018 in Kraft tritt,71 enthält einen neuen §  1600d Abs.  4 BGB, demzufolge ein Samenspender nicht als Vater festgestellt werden kann, dessen Samen von einer offiziellen Samenbank zur Verfügung gestellt wurde und der im Wege ärztlich unterstützter Befruchtung in einer Einrichtung der medizinischen Versorgung im Sinne von §  1a des Transplantationsgesetzes zur Zeugung eines Kindes verwendet wurde. Abgesehen davon, dass damit die privat durchgeführte Samenspende nicht umfasst wird, kann diese Regelung bei alleinstehenden bzw. mit einer Frau verpartnerten oder verheirateten Frauen dazu führen, dass das Kind vorrübergehend teilweise elternlos wird. Wird das Kind nämlich nicht

65 Palandt/Götz, 76.  Aufl. 2017, §  1592, Rn.  5. Er hat jedoch kein Recht auf Feststellung seiner Vaterschaft an Embryonen vgl. BGH, Beschl. v. 24.8.2016 – XII ZB 351/15, NJW 2016, 3174. 66  Section 48 (1) Human Fertilisation and Embryology Act 2008, dazu Scherpe, FamRZ 2010, 1513. 67  §  148 Abs.  4 ABGB. 68  Siehe z. B.: BGH, Beschl. v. 18.2.2015 – XII ZB 473/13, NJW 2015, 1820: Siehe zum Beispiel: Wehrstedt, FPR 2011, 400 ff.; siehe für die rechtlichen Probleme bei Samenspenden allgemein: Wilms, RNotZ 2012, 141 ff. 69  Human Fertilisation and Embryology Act 2008, vgl. dazu Scherpe, FamRZ 2010, 1513. 70 §   144 Abs.  2 ABGB. Gem. §  144 Abs.  3 ABGB kann eine Frau, die der Befruchtung durch Notariatsakt zugestimmt hat, auch als Elternteil gerichtlich festgestellt werden. 71 BGBl. I 2017, 2513; Vgl. BR-Drucks 785/16; BT-Drucks. 18/11291; BT-Drucks. 18/12422 vgl. auch Palandt/Brudermüller, 76.  Aufl. 2017, §  1607 Rn.  16 m. w. N.

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anerkannt bzw. erfolgt keine Stiefkindadoption, so bleibt die zweite Eltern­ stellung unbesetzt. cc.  Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft durch den Samenspender Fraglich ist, ob der Samenspender als genetischer Vater nach der geltenden Rechtslage seinerseits die Vaterschaft des rechtlichen Vaters anfechten kann (§  1600 Abs.  1 Nr.  2 BGB) und einer Adoption des Kindes gem. §  1747 Abs.  1 S.  2 BGB zustimmen muss. §  1600 Abs.  1 Nr.  2 BGB setzt die Versicherung voraus, dass der Mann der Frau während der Empfängniszeit beigewohnt habe. Dies würde zunächst einmal nach dem Sprachgebrauch sowohl bei der privaten Becherspende als auch bei der offiziellen Samenspende gegen die Anfechtungsmöglichkeit sprechen. Die Voraussetzung sollte nach Auffassung des Regierungsentwurfs von Dezember 2003 der Schlüssigkeitsprüfung der Anfechtungsklage dienen und Mutter, Kind und rechtlichen Vater vor Anfechtungsklagen „ins Blaue hinein“ schützen.72 Nach dem Regierungsentwurf von 2013 bei der späteren Schaffung des §  1686a BGB und §  167a FamFG, die ebenfalls die eidesstattliche Versicherung der Beiwohnung zur Voraussetzung machen, sollte die Versicherung der Beiwohnung allerdings bereits im Entwurf des §  1600 Abs.  1 Nr.  2 BGB von 2003 auch die Anfechtung durch Samenspender verhindern.73 Diesem Verständnis widersprach der BGH allerdings.74 Im Urteil vom 15.5.2013 begehrte der private Samenspender die Anfechtung der Vaterschaft des rechtlichen Vaters gem. §  1600 Abs.  1 Nr.  2 BGB. Der Mann hatte der in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebenden Frau Samen in einem ­ ­Becher zur Verfügung gestellt, den sie dann selbst eingeführt hatte. Nachdem das Kind geboren war, wollte der Spender dieses Kind anerkennen. Dies verweigerte die Mutter und erlaubte einem Dritten die Anerkennung der Vaterschaft. Der Spender begehrte daraufhin die Anfechtung der Vaterschaft. Der BGH entschied zugunsten des Samenspenders. Der Wortlaut des §  1600 Abs.  1 Nr.  2 BGB schließe die Erstreckung auf den Samenspender trotz des Fehlens des Geschlechtsverkehrs mit der Mutter nicht aus. Eine entsprechende Auslegung sei zum Schutz der Stellung des genetischen Vaters im Sinne von Art.  6 Abs.  2 GG erforderlich. Als genetischer Vater komme ihm das Recht zu, die rechtliche ­Elternstellung auch einnehmen zu können, solange der Schutz der sozialen ­Familie dem nicht entgegenstehe.75 72 

BT-Drucks. 15/2253, 10. BT-Drucks. 17/12163, 14. 74  BGH, Urt. v. 15.5.2013 – XII ZR 49/11, BGHZ 197, 242; vgl. dazu Remus/Liebscher, NJW 2013, 2558; Löhnig/Preisner, FamFR 2013, 340; BGH, Beschl. v. 18.2.2015 – XII ZB 473/13, NJW 2015, 1820 m. Anm. von Heiderhoff. 75  BGH, Urt. v. 15.5.2013 – XII ZR 49/11, BGHZ 197, 242, Rn.  18. 73 

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Eine entsprechende Auslegung des §  1600 Abs.  1 Nr.  2 BGB scheitere auch nicht am Wortlaut. Der Gesetzgeber sei gemäß Regierungsentwurf von 2003 nur von einer verfahrensrechtlichen Bedeutung der Versicherung der Beiwohnung ausgegangen.76 Die späteren Erwägungen bei der Schaffung des §  1686a BGB hätten sich allein auf den Fall der konsentierten heterologen Insemination gem. §  1600 Abs.  5 BGB bezogen, in der aufgrund der Zustimmung eines Wunschvaters dieser und nicht der Spender die rechtliche Vaterstellung einnehmen sollte.77 Nur in dieser Situation habe der Spender auf sein Recht auf die rechtliche Vaterschaft insofern verzichtet, als er die Spende nur in dem Bewusstsein erbracht habe, anonym bleiben zu können und die rechtliche Vaterschaft gem. §  1600 Abs.  5 BGB einem anderen rechtlichen Vater zu überlassen.78 Bei einer künstlichen Befruchtung mit Zustimmung des Wunschvaters verdanke das Kind dessen Zustimmung zur Zeugung seine Existenz, während der Samen­ spender keine rechtliche Elternstellung einnehme.79 Demgegenüber fehle es an einer derartigen Situation für den privaten Spender im vorliegenden Fall. Dieser habe nicht anonym bleiben und auf seine Rechte verzichten wollen. 80 dd.  Konsentierte und nicht konsentierte Befruchtung In einer Entscheidung vom 18.2.2015 erklärte der BGH außerdem, dass die Zustimmung eines privaten Samenspenders grundsätzlich erforderlich sei, bevor die Lebenspartnerin der Mutter das Kind als Stiefkind adoptieren könne. Allein in der Spende seines Samens könne eine Zustimmung zur Adoption nicht gesehen werden. 81 Insofern ist nach der Rechtsprechung des BGH der Samenspender trotz des fehlenden Geschlechtsverkehrs wie jeder andere genetische Vater zu behandeln. Nur dann, wenn eine konsentierte heterologe Insemination im Sinne des §  1600 Abs.  5 BGB vorliegt, verliert der Samenspender diese Rechte. Es ist insofern auch interessant, dass in der Literatur geäußert wird, der Verzicht auf das Eltern­recht gem. Art.  6 Abs.  2 GG sei unmöglich, 82 andererseits aber der Verzicht des Samenspenders für möglich gehalten wird. 76 

BGH, Urt. v. 15.5.2013 – XII ZR 49/11, BGHZ 197, 242, Rn.  19. BGH, Urt. v. 15.5.2013 – XII ZR 49/11, BGHZ 197, 242, Rn.  15. 78  BGH, Urt. v. 15.5.2013 – XII ZR 49/11, BGHZ 197, 242. 79  BGH, Urt. v. 15.5.2013 – XII ZR 49/11, BGHZ 197, 242, Rn.  24 unter Verweis auf vgl. Rütz, Heterologe Insemination, 2008, 75 ff. und Wanitzek, Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, 2002, 254. 80  Ob die Frage der Anonymität hier entscheidend sein kann, ist angesichts der Bedeutung der Kenntnis der eigenen Abstammung problematisch. Man wird wohl nicht davon ausgehen können, dass jeder Spender, der die Kontaktaufnahme der mit seinem Samen gezeugten Kinder ermöglicht, auch die rechtliche Vaterschaft einnehmen will. 81  BGH, Beschl. v. 18.2.2015 – XII ZB 473/13, NJW 2015, 1820 m. Anm. von Heiderhoff. 82  Unter Berufung auf BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 143, dass das Elternrecht nicht die negative Freiheit schütze, das Elternrecht nicht 77 

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Hinzukommt, dass die Differenzierung des BGH zu Rechtsunsicherheit führt. Denn unterschieden wird nach der Zustimmung eines männlichen Partners der Mutter zur Befruchtung gem. §  1600 Abs.  5 BGB. Eine solche kann auch vorliegen, wenn die künstliche Befruchtung nicht nach standesrechtlichen medizinischen Techniken durchgeführt wurde, sondern zu Hause ohne ärzt­ liche Unterstützung, der männliche Partner aber dieser Behandlung zugestimmt hatte. 83 Im Fall einer Spende an eine Samenbank weiß der Spender nicht, wer mit seinen Spermien befruchtet wird. Nach ärztlichem Standesrecht dürfen Samenbanken keine alleinstehenden oder in einer Lebenspartnerschaft lebenden Frauen befruchten. Insofern können die Spender und Nutzer einer Samenbank relativ sicher sein, dass der Verzicht erfolgreich ist. Trotzdem ist für den Spender die Frage, ob er seine Rechte hier verliert, nicht von seiner Zustimmung bei Abgabe des Spermas abhängig, sondern von der Zustimmung des männ­ lichen Partners der Mutter zu dem Zeitpunkt der Befruchtung, bei der der Spender gar nicht anwesend ist. ee.  Umgang- und Auskunftsrechte des Samenspenders Entsprechend dem Willen des Gesetzgebers sollte der Samenspender, dessen ­Samen im Rahmen einer konsentierten heterologen Insemination genutzt wird, jedenfalls auch nicht die Rechte des §  1686a BGB geltend machen können.84 Nach der Rechtsprechung des BGH spricht hinsichtlich des privaten Samen­ spenders viel dafür anzunehmen, dass dieser die Rechte des §  1686a BGB geltend machen kann, wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind.85 ff.  Kritische Analyse: Vater oder Spender? Die Streitpunkte machen deutlich, dass das deutsche Familienrecht in der Bewertung der Samenspende noch keine klare Richtung entwickelt hat. Einerseits wird gem. §  1600 Abs.  5 BGB die von rechtlichem Vater und Mutter unanfechtbare Stellung des der Befruchtung zustimmenden rechtlichen Vaters postuliert. Andererseits muss jedenfalls der private Samenspender bei der unverheirateten Frau mit seiner Feststellung als rechtlicher Vater mit allen Rechten und Pflichten rechnen. Auch im Zusammenhang mit der Abgrenzung zwischen privater Samenspende und der über die Samenbank bezogenen Samenspende wird in der Behandlung durch den BGH das Problem deutlich, ob der Samen­ auszuüben und das Kind zu vernachlässigen; BeckOK-GG/‌Uhle, Art.  6 , Rn.  48; v. Münch/ Kunig-GG/‌Coester-Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  82; Hoffmann, FamRZ 2011, 1544, 1545; Lipp, in: Schwab/Vaskovicz (Hrsg.), Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, 121, 126. 83  Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 2.2.2007 – 9 UF 19/06, FamRZ 2008, 630. 84  BT-Drucks. 17/12163, 14. 85  Vgl. Palandt/Götz, 76.  Aufl. 2017, §  1686a, Rn.  8; Löhnig/Preisner, FamFR 2013, 340.

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spender als Spender oder als Vater zu behandeln ist. Dies von dem Umstand abhängig zu machen, dass die Frau, die die Spende empfängt, einen Ehemann hat, bedeutet Rechtsunsicherheit für den Spender. Diese Probleme zeigen aber auch, dass das deutsche Familienrecht Mehrelternkonstellationen, zu denen auch die Fortpflanzung mit Samenspende gehört, noch nicht befriedigend gelöst hat. c.  Zahlvaterschaft kraft Zustimmung Unsicherheit besteht weiterhin, wenn der Lebensgefährte der Frau zunächst in die Befruchtung seiner Partnerin einwilligt, dann aber die Anerkennung verweigert. Im Gegensatz zum österreichischen Recht, das in diesem Fall die gerichtliche Feststellung des Mannes als Vater erlaubt, der der Befruchtung in Form eines Notariatsakts zugestimmt hat, haben die Mutter und das Kind nach deutschem Recht keine Möglichkeit, diesen Mann zur Anerkennung und damit zur Vaterschaft zu zwingen. Die Gerichte behelfen sich hier mit vertraglichen Konstruktionen. aa.  Das Urteil des BGH vom 23.9.2015 Eine für die vorliegende Fragestellung besonders interessante Entscheidung traf der BGH am 23.9.2015. Ein Kind forderte in diesem Fall Kindesunterhalt von einem Mann, der weder sein rechtlicher noch genetischer oder leiblicher Vater war.86 Die Kindsmutter und der Mann waren allerdings sieben Jahre lang ein Paar gewesen. Der Kinderwunsch der Frau blieb aufgrund der Unfruchtbarkeit des Mannes zunächst unerfüllt. Daher ließ sich die Frau mit dem Samen eines Samenspenders befruchten. Ihr Lebensgefährte hatte auf einem Stück Papier für den behandelnden Arzt geschrieben, er erkläre, er übernehme die Verantwortung für den Fall, dass die künstliche Befruchtung zu einer Schwangerschaft führen sollte. Nachdem die Frau schwanger geworden war, trennte sich das Paar jedoch und der Mann verweigerte die Anerkennung des Kindes gem. §  1592 Nr.  2 BGB.87 Daher wurde er nicht zum rechtlichen Vater. Hätte er das Kind anerkannt oder wäre er der Ehemann der Mutter gewesen, hätte §  1600 Abs.  5 BGB seine Vaterschaft auch gegenüber einem späteren Sinneswandel abgesichert. Zur Anerkennung konnte der Mann aber nicht gezwungen werden. Im Fall des Versterbens dieses Mannes ist das Kind auch nicht gesetzlicher Erbe und erhält keinen Pflichtteilsanspruch. Umgekehrt beerbt der Mann nicht das Kind und kann von ihm im Alter keinen Unterhalt verlangen. Aber auch dem Kind fehlt ohne Anerkennung der rechtliche Vater und damit ein Unterhaltsan86  BGH, Urt. v. 23.9.2015 – XII ZR 99/14, BGHZ 207, 135; siehe: Löhnig/Runge-Rannow, NJW 2015, 3757. 87  BGH, Urt. v. 23.9.2015 – XII ZR 99/14, BGHZ 207, 135.

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spruch gegen den Mann, der seine Zeugung veranlasst hatte. Nach der Konzeption des Abstammungsrechts hätte es den Samenspender als Vater feststellen und auf Unterhalt in Anspruch nehmen müssen. Der BGH griff auf eine Entscheidung aus dem Jahr 1995 und auf das Vertragsrecht zurück und kreierte zumindest einen vertraglichen Unterhaltsanspruch gegen den Mann, der der Zeugung zugestimmt hatte, aber die Anerkennung verweigerte. 88 Zu diesem Zeitpunkt war §  1600 Abs.  5 BGB noch nicht eingeführt worden; dies geschah erst 2002.89 In den 1990er Jahren konnte der Ehemann trotz Zustimmung zu der künstlichen Befruchtung seiner Ehefrau später die Vaterschaft anfechten. Damit endete seine Stellung als rechtlicher ­Vater und auch seine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung.90 Der BGH91 entschied jedoch, dass der Ehemann gleichwohl zahlen müsse und konstruierte eine vertragliche Verpflichtung. Mit der Zustimmung zur künstlichen Befruchtung seiner Ehefrau habe er, so der BGH, einen Vertrag mit seiner Ehefrau abgeschlossen, mit der er sich verbindlich und unabhängig von einer späteren Anfechtung verpflichtete, elterliche Verantwortung für des Kind zu übernehmen und Kindesunterhalt zu bezahlen.92 Die Einwilligung des Ehemannes in die Befruchtung seiner Ehefrau wurde als Übernahme der Elternschaft durch Willensakt verstanden. Dieser Willensakt sei insofern einer Adoption vergleichbar und könne nicht mehr rückgängig gemacht werden. Die Situation im Fall der künstlichen Befruchtung sei allerdings insofern unterschiedlich, als die Zeugung und Geburt des Kindes durch die Zustimmung des Ehemanns erst verursacht worden sei.93 Entscheidend war für den BGH also nicht allein der Willensakt des Mannes, sondern, dass seine Einwilligung zur Befruchtung kausal für die Entstehung des Kindes wurde. Man kann von einer initiativen Rolle des Mannes sprechen, die dem Zeugungsakt während des Geschlechtsverkehrs vergleichbar ist, nur dass für die Zeugung der Samen eines anderen Mannes verwendet wird. Der BGH zitierte diese Überlegungen in seiner Entscheidung von 2015 und erklärte, dass ebenso wie in der Entscheidung von 1995, der Lebensgefährte durch seine an den Arzt geschriebene Notiz die Elternschaft durch Willensakt übernommen habe. Damit habe der Mann mit seiner Lebensgefährtin einen von familienrechtlichen Besonderheiten geprägten Vertrag zu Gunsten des aus der künstlichen Befruchtung hervorgehenden Kindes geschlossen, der ihn ver88 

BGH, Urt. v. 3.5.1995 – XII ZR 29/94, BGHZ 129, 297. mit Artikel 1 Nr.  2, b, Gesetz v. 9.4.2002, BGBl. I 1239, in Kraft getreten am 12. April 2002. 90  Diese Frage wurde unter Akademikern diskutiert. Manche führten an, der Ehemann sollte nicht gehindert werden, die Vaterschaft auf Grund von §  242 BGB anzufechten, siehe für weitere Verweise: MüKo-BGB/‌Wellenhofer, 6.  Aufl. 2012, §  1600, Rn.  20. 91  BGH, Urt. v. 3.5.1995 – XII ZR 29/94, BGHZ 129, 297, 301–302. 92  BGH, Urt. v. 3.5.1995 – XII ZR 29/94, BGHZ 129, 297, 302. 93  BGH, Urt. v. 3.5.1995 – XII ZR 29/94, BGHZ 129, 297, 302. 89  Eingeführt

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pflichtet, Kindesunterhalt zu bezahlen.94 Spezifische Formvorschriften oder andere Voraussetzungen seien nicht zu erfüllen.95 Dass §  1600 Abs.  5 BGB nicht anwendbar sei, hindere die Annahme eines Vertragsschlusses mit der ehemaligen Lebensgefährtin nicht. Die Anwendung der Grundsätze der Entscheidung von 1995 sei vielmehr erforderlich, um eine Diskriminierung nichtehe­ licher Kinder zu verhindern. Das Kind einer verheirateten Mutter wird gem. §§  1592 Nr.  1, 1600 Abs.  5 BGB sofort und ohne Anfechtungsmöglichkeit des Vaters das rechtliche Kind des Ehemannes. §  1592 Nr.  1 ist aber auf nichtehe­ liche Kinder nicht anwendbar, sodass die zustimmenden Partner der Mütter nur durch Anerkennung rechtliche Väter der Kinder wurden, die aufgrund ihrer Zustimmung gezeugt worden waren.96 Nur die vertragliche Konstruktion werde der so übernommenen Verantwortung gerecht. bb.  Kritische Analyse: Verantwortung des Initiativvaters Ergebnis der Entscheidung ist, dass der Mann wohl zumindest bis zur Volljährigkeit nicht mehr von der Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt frei werden wird, obwohl er nicht rechtlicher Vater ist und damit keine väterlichen Rechte besitzt.97 Man wird dem jedoch entgegenhalten müssen, dass dies die „eigene Schuld“ des Mannes ist, der sich gegen die Anerkennung und damit auch gegen die rechtliche Vaterschaft entschied. Keinen Einfluss hatte er jedoch nach der Entscheidung des BGH darauf, die Verantwortung für das Kind abzulegen, das aufgrund seiner Zustimmung gezeugt worden war/ist. Es wäre allerdings zweifelhaft, den Mann auch dann zur Zahlung heranzuziehen, wenn er gern die Vaterschaft anerkannt hätte, aber die Mutter ihn daran gehindert hätte, z. B. durch Verweigerung ihrer Zustimmung. §  1686a BGB führte den leiblichen aber nichtrechtlichen Vater ein, der Rechte aber keine Pflichten gegenüber seinem Kind hat. Demgegenüber schuf der BGH den nichtrechtlichen, nichtleiblichen, aber initiativen Vater kraft Zustimmung zur Zeugung, der Pflichten aber keine Rechte hat. Während in einem Fall die leibliche Verbindung zwischen Vater und Kind in den Vordergrund gestellt wird, wird im anderen Fall die Verantwortung betont, die mit der Zustimmung zur künstlichen Fortpflanzung übernommen wurde. Darin besteht eine gewisse Gemeinsamkeit mit dem unehelichen Vater im BGB von 1900,98 der ebenfalls nichtrechtlicher Vater war und einen speziellen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Kind erfüllen musste. Auch hier wurde in der Begründung auf die Verant-

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BGH, Urt. v. 23.9.2015 – XII ZR 99/14, BGHZ 207, 135 = NJW 2015, 3434, 3435. BGH, Urt. v. 23.9.2015 – XII ZR 99/14, BGHZ 207, 135 = NJW 2015, 3434, 3435. 96  BGH, Urt. v. 23.9.2015 – XII ZR 99/14, BGHZ 207, 135 = NJW 2015, 3434, 3436. 97 Siehe: Meier, NZFam 2015, 1058, 1059. 98  Vgl. oben Teil 2 I 1 d aa (1) (S. 41). 95 

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Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

wortung für die Zeugung des Kindes abgestellt, die der nichteheliche Vater damals allerdings im Geschlechtsverkehr mit der Mutter vorgenommen hatte. Die finanzielle Verantwortung des Mannes, der die Entstehung des Kindes verursacht, d. h. initiiert hat, bietet einen Anhaltspunkt für das Verständnis der Stellung des Partners,99 der der künstlichen Befruchtung der Mutter zugestimmt hat. Er100 hat Anteil an der Entstehung des entsprechenden Kindes, nicht nur der genetische Vater, von dem der Samen stammte, mit dem das Kind gezeugt wurde. Damit entsteht eine Drei-Elternkonstellation nicht erst, wenn der der Befruchtung zustimmende Partner – der Initiativvater – die rechtliche Elternschaft erwirbt, sei es als Ehemann direkt oder durch Anerkennung.101 Die Mehrelternkonstellation ist bereits dann vorhanden, wenn der Partner der Behandlung zustimmt. Dies anerkennt das Recht durch Ausschluss der Anfechtung gem. §  1600 Abs.  5 BGB, aber noch nicht früher. Der BGH schloss diese Lücke durch eine Vertragskonstruktion.102 Auf diesen Punkt wird bei der Entwicklung eines neuen Konzepts der Elternschaft zurückzukommen sein.103 Mit der Vertragskonstruktion für den Unterhalt fehlt dem Kind allerdings im Fall des Todes des nichtrechtlichen Zahlvaters ein Erbrecht. Auch diese Frage wurde bereits vor der Einführung des §  1600 Abs.  5 BGB diskutiert. CoesterWaltjen begründete auf der Grundlage der Zustimmung zur Befruchtung einen vertraglichen Anspruch gegen den Nachlass.104 Dem folgten allerdings der BGH und die Literatur im Übrigen nicht. Der BGH begründete diese Ablehnung nicht näher105 und auch der Literatur ging der Versuch offenbar zu weit, im Wege der Auslegung der Zustimmung zur Befruchtung die statusrechtlichen Folgen der Elternschaft vollständig vertraglich zu simulieren.106 d.  Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung Ein weiteres Problem, das in Bezug mit der Elternschaft von mehr als zwei Personen auftritt, ist das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung. Bisher wird das Recht des Kindes auf Kenntniserlangung der Identität des Spenders im Wege richterlicher Rechtsfortbildung gesichert. So entwickelte der BGH beispielsweise 2015 im Wege der Rechtsfortbildung ein Recht des Kindes 99 

Oder auch die Partnerin, bei einem lesbischen Paar. Oder sie, wenn eine lesbische Frau der Befruchtung ihrer Partnerin zustimmt. 101  Oder, als Lebenspartnerin durch Stiefkindadoption gem. §  9 Abs.  7 LPartG. 102  Vgl. zum Gesamtkomplex unterhalts- und erbrechtlicher Ansprüche des Kindes gegen den nichtrechtlichen Vater: Frank, FS Coester-Waltjen, 2015, 53. 103  Vgl. zur Elternstellung des „Initiativvaters“ Teil 4 I 3 (S. 295), III 2 (S. 314). 104  Coester-Waltjen, Gutachten B zum 56. DJT, 1986, B 58. 105  BGH, Urt. v. 3.5.1995 – XII ZR 29/94, BGHZ 129, 297, 310 stellte nur fest, mit der Anfechtung bestünde kein gegenseitiges Erbrecht mehr. 106  Spickhoff, AcP 197 (1997), 398, 408 ff.; Helms, FuR 1996, 178, 189; A. Roth, DNotZ 2003, 805, 817; Wellenhofer, FamRZ 2013, 825, 828; Taupitz/Schlüter, AcP 205 (2005), 591, 613; zustimmend zu Coester-Waltjen allerdings Kemper, FuR 1995, 309, 311. 100 

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aus §  242 BGB auf Auskunft seines genetischen Vaters gegen die Klinik, die seine Zeugung im Wege künstlicher Befruchtung vorgenommen hatte.107 Nach dem Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen vom 17.7.2017, das am 1.7.2018 in Kraft tritt,108 wird eine Spenderdatei eingerichtet, bei der sich ein Samenspenderkind ab seinem 16. Geburtstag über die Identität des Spenders informieren kann. Dies entspricht auch den Vorschlägen des Arbeitskreises Abstammungsrecht.109 e.  Die Diskussion um die Elternschaft kraft Zustimmung im DJT Die Zustimmung des Partners der zu befruchtenden Frau war ebenfalls Gegenstand der Diskussion beim Deutschen Juristentag 2016 in Essen. In seinem Gutachten argumentierte Helms zugunsten der Möglichkeit sowohl von Frauen und Männern, kraft Einwilligung automatisch die rechtliche Elternschaft für ein Kind annehmen zu können, das aufgrund der Einwilligung in die künst­ liche Befruchtung der Partnerin entstanden war. Helms propagiert nach einer rechtsvergleichenden Untersuchung der Problematik eine differenzierende Behandlung von Befruchtungen, die mit Spermien, die von einer Samenbank zur Verfügung gestellt wurden (offizielle Samenspende), auf der einen Seite und Spermien, die aus einer privaten Samenspende stammen, auf der anderen. Dem geltenden Recht lässt sich eine solche Unterscheidung allerdings nicht direkt entnehmen, weshalb in der Rechtsprechung §  1600 Abs.  5 BGB auch auf Fälle der privaten Samenspende angewendet werden.110 aa.  Rechtsfolge der Einwilligung bei der offiziellen Samenspende Wer mit Zustimmung der Mutter in die künstliche Befruchtung mit den Spermien einer Samenbank eingewilligt hat, solle rechtlicher Vater sein, so Helms. Dabei plädiert Helms dafür, die Zuordnung nicht sofort an die Einwilligung zu knüpfen,111 sondern diese subsidiär auszugestalten, wie dies etwa das französische und österreichische Recht regeln. Damit hätte die Einwilligung die Funktion, neben §  1592 Nr.  3 BGB eine weitere Zuordnung von Kindern zu ermög­ lichen, die weder durch Ehe noch durch Anerkennung einen Vater erhalten ­haben. Eine subsidiäre Zuordnung würde ermöglichen, dass im Falle eines Zer107 

BGH, Urt. v. 28.1.2015 – XII ZR 201/13, BGHZ 204, 54. I 2017, 2513; Vgl. BR-Drucks 785/16; BT-Drucks. 18/11291; BT-Drucks. 18/12422; vgl. auch Palandt/Brudermüller, 76.  Aufl. 2017, §  1607 Rn.  16 m. w. N. 109  Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, 78 ff. 110 OLG Oldenburg, Beschl. v. 30.6.2014 – 11 UF 179/13, FamRZ 2015, 67; Staudinger/‌R auscher, 2011, §  1600, Rn.  77; Spickhoff, FS Schwab, 2005, 932. 111  So der Vorschlag von: Wanitzek, Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, 2002, 336 ff.; Wellenhofer, FamRZ 2013, 825, 830; Spickhoff, in: Spickhoff u. a., Streit um die Abstammung, 57; so wohl auch Löhnig, ZRP 2015, 76 und Empfehlungen des Vorstandes des 18. Deutschen Familiengerichtstages, FamRZ 2009, 1967, 1970 (C.III.1). 108 BGBl.

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brechens der Beziehung vor Geburt des Kindes die Mutter einen anderen Mann durch Anerkennung oder Heirat in die Rolle des rechtlichen Vaters einbinden kann. Dies begründet Helms damit, dass der Zustimmung zur reproduktionsmedizinischen Maßnahme das gleiche Gewicht zukomme wie der genetischen Abstammung,112 die gem. §  1592 Nr.  3 BGB auch nur einen subsidiären Anknüpfungspunkt biete. Allerdings überlegt Helms ein zweijähriges Anfechtungsrecht für den konsentierenden Elternteil, um eine Zuordnung kraft Ehe oder Anerkennung zu verhindern.113 Schließlich argumentiert Helms, dass der Anfechtungsausschluss des §  1600 Abs.  5 BGB auch auf das Kind erstreckt werden müsse, damit die Familiengründung wie bei einer Adoption oder Zeugung nicht mehr angreifbar sei. Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung könne anders verwirklicht werden, beispielsweise mit einer Spenderdatei,114 wie sie inzwischen im Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen vom 17.7.2017 vorgesehen ist.115 bb.  Einwilligung bei der privaten Samenspende Hinsichtlich der Zuordnung der Elternschaft bei der privaten Samenspende kommt Helms angesichts der Vielgestaltigkeit der Fallgestaltungen zu einem differenzierenden Ergebnis. Das Spektrum, so Helms, reiche insofern von unpersönlichen Kontakten über das Internet bis zu Absprachen unter Freunden, beispielsweise zwischen zwei homosexuellen Paaren, die auf diese Weise eine gemeinsame „Queer-Family“116 gründen wollen.117 Hinsichtlich solcher Kon­ stellationen spreche, so Helms, einiges dafür, es angesichts des zwischen den Parteien bestehenden Sozialkontakts118 bei der Beibehaltung der allgemeinen Abstammungsregeln des §  1592 BGB zu belassen.119 Wenn allerdings auf beiden Seiten Einigkeit darüber bestehe, dass der Mann als reiner Samenspender fungieren und darüber hinaus im Leben des Kindes keine Rolle spielen solle, so sieht Helms keinen Unterschied zwischen privater und offizieller Samenspende. Sei es als Spender für eine Samenbank möglich, auf all seine Väterrechte zu ver112  Wanitzek, Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, 2002, insb. 254, 280 ff.; Löhnig/Runge-Rannow, NJW 2015, 3757, 3758; ähnlich bei ausländischer Leihmutterschaft BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350, Rn.  52 und 60. 113 Vgl. Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 15. 114 Vgl. Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 17, unter Verweis auf Koalitionsvertrag der 18. Legislaturperiode, 2013, 99. 115  BGBl. I 2017, 2513. 116  Zu Queer-Families unten unter Teil 3 VI (S.  263). 117 Vgl. Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 19 ff. 118  Hierauf stellt Heiderhoff, FamRZ 2013, 1212, 1213 bereits de lege lata ab, um den Anwendungsbereich von §  1600 Abs.  5 BGB abzustecken, Löhnig, ZRP 2015, 76. 119  Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 20.

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zichten, müsse dies vertraglich auch zwischen den Parteien möglich sein. Auch hier könne dann dem Kind, praktisch wie bei einer Adoption, ein zweiter ­Elternteil anstelle des Samenspenders zugeordnet werden. Helms will solche Konstellationen, bei denen der Spender auch die Rechte des §  1686a BGB be­ halten könne unter der Voraussetzung, dass das Kind für den verzichtenden Elternteil einen anderen Elternteil erhalte, in der Form der notariellen Beurkundung erlauben.120 cc.  Rechtsnatur der Einwilligung Im Zusammenhang mit der Reform der Samenspende wird auch die Rechts­ natur der Einwilligung diskutiert.121 Diese Frage ist sowohl im Zusammenhang mit der privaten als auch mit der offiziellen Samenspende relevant. Einige Stimmen plädieren für eine Einordnung als Willenserklärung.122 Dafür lässt sich die Form der Einwilligung anführen und die Tatsache, dass sie auch auf eine Rechtsfolge, den Ausschluss des Anfechtungsrecht in §  1600 Abs.  5 BGB, ausgerichtet sei.123 Im Fall einer Einordnung als Willenserklärung liegt die Anwendbarkeit der allgemeinen Regeln der Rechtsgeschäftslehre nahe. Dann wären die Vorschriften der Geschäftsfähigkeit der §§  104 ff. BGB anwendbar.124 Die Erklärung ist höchstpersönlich125 und kann daher nur vom Einwilligenden selbst abgegeben werden,126 volle Geschäftsfähigkeit des Erklärenden ist erforderlich,127 ein beschränkt Geschäftsfähiger bedarf der Einwilligung des gesetz­ lichen Vertreters.128 Zu überlegen wäre auch, ob und wenn ja bis wann die Einwilligung widerruflich sein könnte. Möglicherweise, aufgrund des besonderen Persönlichkeits­ bezugs der Einwilligung, wäre ein Widerruf, entgegen §  130 Abs.  1 S.  2 BGB,129 120 Vgl.

Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 22 Brudermüller, Referat zum 71. DJT, 2016. 122 So A. Roth, JZ 2002, 651, 653 und DNotZ 2003, 805, 809 f.; v. Sachsen-Gessaphe, NJW 2002, 1853, 1854; Spickhoff, AcP 197 (1997), 389, 417 f. (zur Rechtslage vor Inkrafttreten des §  1600 Abs.  2 BGB); Staudinger/‌R auscher, 2011, §  1600, Rn.  80. 123  A. Roth, DNotZ 2003, 805, 809.; Staudinger/‌ R auscher, 2011, §  1600, Rn.  80; Erman/ Hammermann, 2014, §  1600, Rn.  27; vgl. schon Spickhoff, FS Schwab, 2005, 932 f. 124  Die Regelungen der §§  1596 Abs.  1 S.  1, 1600a Abs.  2 S.  2 BGB sind mangels Vergleichbarkeit der Sachverhalte nicht analog anwendbar. 125 MüKo-BGB/‌ Wellenhofer, 2017, §  1600, Rn.  35; Erman/Hammermann, 2014, §  1600, Rn.  31. 126  §§  1596 Abs.  1 S.  3, Abs.  2 S.  1, 1600a Abs.  2 S.  3, Abs.  3 BGB sind nicht entsprechend anwendbar. 127 Staudinger/‌ R auscher, 2011, §  1600, Rn.  81; Erman/Hammermann, 2014, §  1600, Rn.  31. Zum Fall einer vorübergehenden Geschäftsunfähigkeit (§  105 Abs.  2 BGB) näher: A. Roth, DNotZ 2003, 805, 811 f. 128 Staudinger/‌ R auscher, 2011, §  1600, Rn.  81; Erman/Hammermann, 2014, §  1600, Rn.  32; a. A. A. Roth, DNotZ 2003, 805, 812. 129 Ausschluss der Widerrufsmöglichkeit nach Zugang einer empfangsbedürftigen Willenserklärung beim Empfangsberechtigten. 121 

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bis zum Erfolgseintritt denkbar.130 Danach sollte der Widerruf jedoch nicht mehr möglich sein, da der Zustimmende nun unumkehrbar die Entstehung ­eines Kindes mit verursacht hat. Ist der Widerruf beim anderen Einwilligungsberufenen als Adressaten der (empfangsbedürftigen) Erklärung131 vor der Befruchtung eingegangen, ist §  1600 Abs.  5 BGB nicht anwendbar.132 Bei Willensmängeln wäre die Einwilligung anfechtbar.133 Folge der Anfechtbarkeit nach §§  119 ff. BGB ist, dass die Einwilligung gemäß §  142 Abs.  1 BGB ex-tunc nichtig ist. Anders als in §  1598 Abs.  1 BGB ist keine Einschränkung vorgesehen, eine Analogie zu dieser Vorschrift verbietet sich.134 Das entspricht der Intention des Gesetzgebers, denn die Einschränkung der Anfechtbarkeit durch Anordnung einer entsprechenden Anwendung der Regelungen über die Aufhebung einer Adoption nach §  1760 Abs.  2a, Abs.  2d, Abs.  3 S.  1 BGB ist nicht Gesetz geworden.135 Die Anfechtbarkeit ist daher nur nach §  119 Abs.  2 BGB (Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft) nicht ausgeschlossen, wozu aber selbstverständlich nicht ein Irrtum über Eigenschaften des später geborenen Kindes (z. B. dauerhafte Krankheiten, Behinderung, Hautfarbe, gar Geschlecht) gehören könnte.136 Formal kann der andere Einwilligungsberu­fene anfechten, wenn nur die Einwilligung eines Elternteils unwirksam ist, denn der Ausschluss erfordert die Wirksamkeit beider Einwilligungserklärungen.137 130  Spickhoff, FS Schwab, 2005, 937; MüKo-BGB/‌ Wellenhofer, 6.   Aufl. 2012, §   1600, Rn.  36; Erman/Hammermann, 2014, §  1600, Rn.  33 – Der Widerruf kann nach geltendem Recht (zu Reformüberlegungen s. u.) formfrei gegenüber dem anderen zur Einwilligung Berufenen erfolgen (BGH, Urt. v. 21.2.2001 – XII ZR 34/99, BGHZ 146, 391 = FamRZ 2001, 541, 543); vgl. dazu auch Brudermüller, Referat zum 71. DJT, 2016. 131 Staudinger/‌ R auscher, 2011, §  1600, Rn.  83 m. w. N. zum Meinungsstand. 132  Ob im Fall einer medizinisch assistierten Befruchtung der Zugang (§  130 BGB) auch bei dem behandelnden Arzt erfolgen sollte (so MüKo-BGB/‌Wellenhofer, 6.  Aufl. 2012, §  1600, Rn.  36), erscheint eher zweifelhaft. 133  A. Roth, JZ 2002, 651, 653 und DNotZ 2003, 805, 814.; Staudinger/‌ R auscher, 2011, §  1600, Rn.  82; MüKo-BGB/‌Wellenhofer, 6.  Aufl. 2012, §  1600, Rn.  35; Erman/Hammermann, 2014, §  1600, Rn.  34; Spickhoff, FS Schwab, 2005, 938 f. 134  Hammermann hat seine in der 11.  Aufl. des Erman vertretene Auffassung aufgegeben (vgl. §  1600, Rn.  34), da die Folgen im Rahmen von §  1600 Abs.  5 BGB andere seien als bei §  1598 Abs.  1 BGB. Wenn §  1598 Abs.  1 BGB eine Anfechtung der Anerkennung nach den allgemeinen Vorschriften nicht zulasse, hindere dies nicht die Anfechtung der Vaterschaft nach §  1599 BGB. Nur im Hinblick hierauf sei die Regelung des §  1598 Abs.  1 BGB angemessen. Die Anwendung auf die Einwilligung nach §  1600 Abs.  5 BGB würde dagegen zum Ausschluss der Vaterschaftsanfechtung führen und hätte weitaus gravierendere Auswirkungen, die, vor allem bei arglistiger Täuschung, nicht gerechtfertigt seien. 135  Vgl. BR-Drucks. 369/99 Anlage, 9. 136  Spickhoff, FS Schwab, 2005, 938 f. 137  A. Roth, DNotZ 2003, 805, 816 f.; Staudinger/‌ R auscher, 2011, §  1600, Rn.  89; Erman/ Hammermann, 2014, §  1600, Rn.  35; für eine Bindung des Erklärenden an seine Einwilligung, unabhängig von der Erklärung des anderen Einwilligungsberufenen: Gernhuber/CoesterWaltjen, Familienrecht, 2010, §  53, Rn.  16; MüKo-BGB/‌Wellenhofer, 6.  Aufl. 2012, §  1600, Rn.  35.

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Gegen eine solche Einordnung lässt sich jedoch einwenden, dass die Rechtsfolgen der Rechtsgeschäftslehre nicht passen, wenn unabänderlich ein Kind aus der Einwilligung hervorgegangen ist. Außerdem bringt Wanitzek Zweifel gegen die dogmatische Überzeugungskraft der Einordnung als Willenserklärung vor: Die Einwilligung zielt danach primär nicht auf Rechtsgestaltung ab, sondern final auf die Herbeiführung eines tatsächlichen Erfolgs, nämlich die Zeugung und Entstehung eines Kindes. Anders als die Vaterschaftsanerkennung und sonstige personenrechtliche Rechtsgeschäfte (etwa die Eheschließung oder die elterliche Zustimmung hierzu) entfaltet die Einwilligung keine unmittelbare statusrechtliche Wirkung, denn die rechtliche Zuordnung des Kindes erfolgt eben nicht durch die Einwilligung selbst, sondern durch die Ehe oder die Vaterschaftsanerkennung.138 Der den Realakt tragende Wille ist nicht (primär) auf das Setzen einer rechtlichen Regelung, sondern als natürlicher Wille auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtet. Diese Besonderheit der Einwilligung in die künstliche Befruchtung spricht dafür, die Einwilligung als Willenserklärung sui generis aufzufassen, und sie – wie Wanitzek139 und Brudermüller 140 – als einen willensgetragenen Realakt zu bezeichnen. Ein etwaiger Rechtsfolgewille steht dieser Qualifizierung nicht entgegen. dd.  Form der Einwilligung Überdies wird die Form der Einwilligung im Falle einer Reform diskutiert. §  1600 Abs.  5 BGB verlangt keine Form, da sich die Befürworter einer Formvorschrift im Gesetzgebungsverfahren nicht durchsetzen konnten.141 Dem Vater stände es sonst frei, die Zustimmung in der richtigen Form zu vermeiden und das Kind vaterlos werden zu lassen.142 Für einige Staaten berichtet Helms von Formvorschriften,143 während die meisten für das Gutachten untersuchten Staaten eine schriftliche Zustimmung ausreichen lassen.144 Helms empfiehlt jedenfalls für offizielle Samenspenden an diesem Vorgehen festzuhalten. Andernfalls könnte die Vorschrift ihren Schutzzweck verfehlen, wenn die rechtliche Zuordnung eines Kindes, das eindeutig aufgrund der faktischen Zustimmung des Partners der Mutter gezeugt worden war, nur aufgrund eines Formmangels 138  Wanitzek, Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, 2002, 327 ff. 139 Vgl. Wanitzek, FamRZ 2003, 730, 733 f. 140  Brudermüller, Referat zum 71. DJT, 2016. 141  BT-Drucks. 14/2096, 10. 142 Gegenäußerung der Bundesregierung (BT-Drucks. 14/2096, 10) zu dem Antrag der Länder Hamburg und Sachsen-Anhalt (BR-Drucks. 39/99 v. 16.6.1999). 143  Österreich: §  8 Abs.  1 S.  2 FMedG; Frankreich: Art.  311–20 Abs.  1 CC; Griechenland: Art.  1456 ZGB (bei nicht verheirateter Frau). 144 Schweiz: Art.   7 FMedG; Großbritannien: Sect. 37(2) HFEA 2008; Belgien: Art.  7, 8 FMedG; Dänemark: §  27 S.  2 KinderG und §  23 Abs.  1 und 3 Gesetz Nr.  923 v. 4.9.2006; ­Norwegen: §  2–5 Abs.  2 BiotlG; Schweden: 6. Kap. §  1 Abs.  1 GenIntG.

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nicht erfolgt. Helms argumentiert, dass die Zuordnung der Vaterschaft insofern nicht allein an einen Willensakt anknüpft wie die Anerkennung, sondern die Zustimmung eine echte Mitverantwortung für die Zeugung des Kindes begründe.145 Für den Verzicht auf die Vaterstellung im Interesse eines anderen Elternteils propagiert Helms dagegen eine andere Form, sei es eine notarielle oder eine öffentliche Beurkundung beim Jugendamt, um eine angemessene Beratung sicher zu stellen.146 Brudermüller fordert auf der anderen Seite de lege ferenda für die Einwilligung Schriftform, vorzugsweise notariellen Beurkundung. Im Gegensatz zur Zeugung eines Kindes durch Geschlechtsakt seien eine Beratung und die Feststellung eines reflektierten Rechtsbindungswillen möglich.147 f.  Empfehlungen des Arbeitskreises Abstammungsrecht Auch der Arbeitskreis Abstammungsrecht, der seinen Abschlussbericht im Juli 2017 vorlegte, hat sich ausführlich mit der Situation von Kindern auseinandergesetzt, die mit Hilfe einer heterologen Samenspende gezeugt wurden. Dabei unterscheidet der Arbeitskreis vier Fallgruppen: 1. die ärztlich unterstützte ­Insemination mit offizieller Samenspende, 2. die ärztlich unterstütze Insemina­ tion mit privater Samenspende, 3. die private Insemination mit privater Samen­ spende und schließlich, 4. die private Insemination mit offizieller (meist aus­ ländischer) Samenspende.148 Der Arbeitskreis empfiehlt, bei der ärztlich unterstützten Zeugung den Samenspender von der Elternstellung auszunehmen. Er soll weder die Vaterschaft des intendierten Vaters anfechten noch als Vater festgestellt werden können.149 In dieser Situation soll vielmehr die Zustimmung der „intendierten Eltern“ zur Zeugung die Stellung des zustimmenden Mannes als Vaters begründen. Das Einverständnis des Spenders damit wird in der Abgabe seines Samens bei einer Samenbank gesehen.150 Die Elternstellung ist dann grundsätzlich nach den Regeln der §§  1591 f. BGB zuzuweisen.151 Erkennt der mit der Mutter nicht verheiratete Partner allerdings nicht an, so soll seine ­Elternstellung aufgrund seiner öffentlich beglaubigten Zustimmung152 zur Zeugung des Kindes festgestellt werden.153 Diese Vaterstellung kann aber nicht nur 145  Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 16 f.; Diesen Aspekt betonen auch Löhnig/ Runge-Rannow, NJW 2015, 3757, 3758. 146  Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 23. 147  Brudermüller, Referat zum 71. DJT, 2016; Spickhoff, FS Schwab, 2005, 932, 941; ­L öhnig, ZRP 2015, 76; BGH, Urt. v. 3.5.1995 – XII ZR 29/94, BGHZ 129, 297; so auch MüKo-BGB/‌ Wellenhofer, 2017, §  1600, Rn.  31. 148  Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, 53 f. 149  Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, These 42, S.  61, These 47, S.  6 4. 150  Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, Thesen 39 f., S.  59. 151  Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, These 37, S.  57. 152  Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, Thesen 36 f., S.  57. 153  Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, These 46, S.  63.

I. Mehrvaterschaft

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festgestellt, sondern auch im Wege der Anfechtung gegenüber anderen Männern durchgesetzt werden.154 Diese Grundsätze sollen auch gelten, wenn eine private Samenspende (Fallgruppe 2) Verwendung findet, wenn der Spender schriftlich einwilligt und sich mit der Speicherung seiner Daten in einer Spenderdatei einverstanden erklärt.155 Bei der privat mit Hilfe einer Samenspende durchgeführten Befruchtung wird empfohlen, es bei den allgemeinen Vorschriften zu belassen, so dass der Spender in diesem Fall als Vater festgestellt werden kann.156 g.  Kritische Analyse: Wesentliche Probleme der Mehrelternschaft bei Samenspende Bei einer Samenspende tritt in die Zwei-Elternbeziehung unabänderlich eine dritte – meist unbekannte – Person hinzu, mit deren Mitwirkung beide Eltern einverstanden sind. Dies ist der wesentliche Unterschied zwischen dem im Wege der Samenspende gezeugten „Wunschkind“ und dem durch einen – zumindest kurzfristigen – Partnerwechsel der Mutter entstandenen „Kuckuckskind“. Die Zeugung erfolgt hier nicht durch den Geschlechtsakt des genetischen Vaters mit der Mutter, sondern im Einverständnis mit deren Partner im Wege künstlicher Befruchtung. Damit fallen nicht nur soziale und leibliche ­Elternschaft auseinander, wie beim „Kuckuckskind“, das von einem anderen Mann gezeugt wurde als von seinem sozialen und rechtlichen Vater. Vielmehr ist der Partner der Mutter auch derjenige, der die Zeugung des Kindes veranlasst hat, während der Samenspender allein der genetische Vater ist. Im Kern steht hier die Frage, wie die Elternschaft der Wunscheltern rechtlich umgesetzt werden kann und wie damit umzugehen ist, wenn einer der Beteiligten aus der Vereinbarung ausschert, z. B. der Wunschelternteil nicht mehr anerkennen oder adoptieren will. Schlüsselfrage ist dabei, welche rechtlichen Wirkungen die Zustimmung zur Zeugung haben soll, ob sie die Elternschaft z. B. direkt zuweisen soll und ob und von wem die einmal vorgenommene Zuordnung durch eine spätere Anfechtung beseitigt werden kann. Für das Kind stellt sich außerdem die Frage nach Kenntnis seines genetischen Ursprungs. An dieser Stelle ist letztlich zu entscheiden, welches Gewicht der gewünschten Zuordnung der Elternschaft gegenüber der genetischen zukommen soll. Der Ansatz von Helms ist rechtspolitisch durchaus überzeugend. Insbesondere ist es sinnvoll, nicht nur, wie das Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen vom 17.7.2017, die Spenden in Samenbanken zu regeln, sondern auch Vorschriften für die private Samenspende zu schaffen. Dies versäumt auch der Arbeitskreis Ab154 

Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, These 46, S.  63. Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, These 48, S.  6 4. 156  Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, These 49, S.  67. 155 

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Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

stammungsrecht, wenn er ohne ärztliche Unterstützung mit Hilfe einer Samen­ spende gezeugte Kinder allein den allgemeinen Regeln unterstellt. Als Ar­ gument führt der Arbeitskreis an, dass die Behandlung der Zustimmung zur Zeugung nur unter engen Voraussetzungen mit der natürlichen Zeugung gleichgestellt werden sollte. Finde die Befruchtung gänzlich im privaten Rahmen statt, so sei sie von einem unter den Beteiligten verabredeten Beischlaf nicht hinreichend zu unterscheiden.157 Der durchführende Arzt könnte die Unterlagen an das Spenderregister weiterleiten und sicherstellen, dass die notwendigen Zustimmungen vorliegen. Bei einer privat durchgeführten Samenspende und Zeugung könne nicht sichergestellt werden, dass der Spender wirklich keine Elternrolle einnehmen wolle. Zwar ließe sich die Zustimmung des Spenders und sein Verzicht auf die Elternstellung durch eine notarielle Zustimmung sicherstellen, aber damit sei nicht hinreichend gewährleistet, dass der gespendete Same auch wirklich von dem zustimmenden Mann stamme.158 Konsequent im Sinne einer Zuweisung der Vaterstellung kraft Zustimmung sind die Vorschläge des Arbeitskreises freilich im Hinblick auf die ärztlich durchgeführte Befruchtung. Die Forderung nach einer stärkeren Form für den „Verzicht“ auf die Elternstellung für den Samenspender und reiner Schriftform für den der Befruchtung zustimmenden Partner garantiert, dass das Kind jedenfalls nicht faktisch eltern­ los würde. Mit Formvorschriften stellt sich jedoch indirekt immer die Frage nach ihrer Verletzung. Kann ein Kind, wenn der Spender nicht formgerecht auf seine Rechte verzichtet, wohl aber der Partner der Mutter formgerecht der Befruchtung zustimmt, neben der Mutter zwei Elternteile erhalten? Bei der Samenspende stellt sich allerdings noch die viel grundsätzlichere Frage nach der Verzichtbarkeit der Elternstellung gem. Art.  6 Abs.  2 GG, was nach Auffassung der verfassungsrechtlichen Literatur nicht möglich sein soll.159 Wäre dies überzeugend, was durchaus zweifelhaft ist,160 müsste eigentlich nicht nur die Zustimmung zur Adoption, sondern auch die Regelung der Samen­ spende unter Zuweisung eines anderen Elternteils des Spenders verfassungswidrig sein. 157 

Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, 67. Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, 65. 159 So Brosius-Gersdorf, RdJB 2016, 136, 147 unter Berufung auf BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 143, dass das Elternrecht nicht die negative Freiheit schütze, das Elternrecht nicht auszuüben und das Kind zu vernachlässigen; BeckOK-GG/‌Uhle, Art.   6, Rn.   48; v. Münch/Kunig-GG/‌ Coester-Waltjen, 2012, Art.   6, Rn.  82; Hoffmann, FamRZ 2011, 1544, 1545; Lipp, in: Schwab/Vaskovicz (Hrsg.), Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, 121, 126; Schwab, Familienrecht, 2015, Rn.  708. Löhnig, in: Schwab/Vaskovicz (Hrsg.), Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, 157, 161. In der Entscheidung BGH, Urt. v. 23.5.1984 – IVb ZR 9/83, NJW 1984, 1951, 1952 verweigerte der BGH einem Verzicht auf das Umgangsrecht gegen Bezahlung die rechtliche Anerkennung. 160  Vgl. bereits oben Teil 1 II 4 c (S. 24). 158 

I. Mehrvaterschaft

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Angesichts der verschiedenen Fragen, die hier mit der Zuordnung verschiedener Elternteile und den Rechten des Kindes angesprochen sind, sollte eine Neuordnung des ganzen Komplexes jedoch insgesamt im Zuge einer grundsätz­ lichen Diskussion der Elternschaft erfolgen.

3. Zwischenergebnis Im Fall der Mehrvaterschaft stellt das Recht die Frage, wem von mehreren möglichen Personen Rechte und Pflichten in Bezug auf ein Kind zugeordnet werden sollen. Dabei ist nach den geltenden Regeln des Abstammungsrechts und Sorgerechts, das grundsätzlich nur zwei Elternteile kennt, zwischen einer Konkurrenz von leiblicher bzw. genetischer Vaterschaft auf der einen und sozialer bzw. initiativer Elternschaft auf der anderen Seite das „richtige“ Elternteil auszusuchen. Dabei werden die leibliche Vaterschaft, das Kindeswohl und die Verantwortungsübernahme durch den sozialen Elternteil als Argumente in die Waagschale geworfen. Dass nur zwei Personen Eltern sein können, davon geht das geltende Recht nach wie vor aus, wenn auch die Rechte des §  1686a BGB zu einer Mehrelternschaft mit zwei Haupt- und einem Nebenelternteil mit Umgangsrecht geführt haben. Äußerlich betrachtet unterscheiden sich ein Vater gem. §  1686a BGB und ein rechtlicher Vater, der mit der Mutter nicht die gemeinsame Sorge ausübt, darin, dass der Vater gem. §  1686a BGB nur das Umgangs- und Auskunftsrecht hat, ihn aber keine Unterhaltspflichten treffen und weder Vater noch Kind im Falle des Todes gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrechte zukommen. Bei der Konkurrenz von leiblicher und rechtlicher Vaterschaft stellt sich das Problem einer Mehrvaterschaft, die gegen den Willen der Beteiligten entstanden ist. Hier hat die deutsche Rechtsordnung den kompletten Ausschluss des leiblichen Vaters von seinem Kind aufgegeben und ist zu einem Nebeneinander von rechtlichem Vater und leiblichen Vater mit den Rechten des §  1686a BGB gelangt. Die Diskussion ist damit aber nicht abgeschlossen. Zur Debatte stand beim DJT 2016 die weitere Stärkung des leiblichen Vaters, die allerdings wieder die Frage nach der Rolle des sozialen Vaters aufwirft. Im Fall der Samenspende wird ein Außenstehender von allen gewollt der genetische Vater. Damit handelt es sich um eine einverständliche Mehrelternschaft. Im Normalfall möchte der Samenspender sicherstellen, dass nicht er zu Vaterpflichten wie der Unterhaltszahlung herangezogen wird. Ob und wie das Recht dies sicherstellen kann, ist ebenso fraglich wie die adäquate Umsetzung der Rolle, die der einer künstlichen Befruchtung Zustimmende bei der Zeugung des Kindes eingenommen hat. Die Zustimmung etabliert zwar anders als die Zeugung durch Geschlechtsakt keine genetische Verbindung, setzt aber ebenso eine Ursache für die Entstehung des Kindes, die bereits das geltende Recht in der Rechtsprechung des BGH und in §  1600 Abs.  5 BGB berücksichtigt. Die

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Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

Verursachung des Kindes wird damit – wie beim Zahlvater des nichtehelichen Kindes im BGB von 1900 – zum Anknüpfungspunkt für zumindest ökonomische Verantwortung. Für das Kind stellt sich die Frage nach der Kenntnis seiner Abstammung, die die gemeinschaftliche Übereinkunft seiner drei Eltern über die Zuweisung der Elternschaft zumindest teilweise infrage stellt und gegen die Übereinkunft der drei beteiligten Elternteile über die Anonymität des Samenspenders wieder die Bedeutung der genetischen Abstammung auf die Tagesordnung bringt.

II. Mehrmutterschaft Nachdem aktuelle Probleme multipler Vaterschaft bzw. der Samenspende, die ja auch von gleichgeschlechtlichen weiblichen Elternpaaren in Anspruch genommen werden kann, erörtert wurden, soll nun das Augenmerk auf Konstellationen weiblicher Mehrelternschaft gelegt werden. Bei einer Leih-, Miet-161 oder Ersatzmutterschaft162 erklärt sich die austragende Mutter bereit, das Kind nach der Geburt an eine Einzelperson, häufiger noch an ein Paar, die sogenannten „Wunscheltern“, abzugeben. Leihmütter, die ihre leiblichen Kinder, die aus ihrer Eizelle entstanden sind und die sie ausgetragen haben, nach der Geburt abzugeben versprechen, werden bereits im Alten Testament erwähnt. Heute ist diese Form jedoch selten. Durch die Möglichkeit der Eizellen- und Embryonenspende ist allerdings eine gespaltene Mutterschaft möglich geworden, bei der die austragende und die genetische Mutter nicht identisch sind und eine dritte Person die Rolle der sozialen Eltern nach der Geburt übernehmen möchte. Diese Situation ist nun näher zu betrachten. Die ethischen Probleme der Leihmutterschaft und die mit ihr verbundenen Risiken der Ausbeutung gerade verarmter Frauen sind erheblich. Es ist an dieser Stelle jedoch nicht das Ziel, die Frage zu beantworten, ob Leihmutterschaften nach deutschem Recht oder im Ausland erlaubt werden sollten. Wenn überhaupt, so sollte dies in eng begrenzten Fällen altruistisch möglich sein. Ziel der Untersuchung ist vielmehr die Entwicklung eines rechtlichen Konzepts zum Umgang mit den Folgen der Mehrelternschaft einschließlich der Leihmutterschaft. Die durch Leihmutterschaft entstandenen Kinder tragen – wie auch immer man Leihmutterschaften beurteilt – an der Art ihres Entstehens keine Schuld und brauchen Eltern.

161 Vgl.

162 Vgl.

Thomale, Mietmutterschaft, 2015. Coester-Waltjen, Gutachten B zum 56. DJT, 1986, B 13 f.

II. Mehrmutterschaft

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1. Leihmutterschaft a.  Verschiedene Formen der Leihmutterschaft In der traditionellen Form der Leihmutterschaft ist die Leihmutter gleichzeitig die genetische Mutter. Heute wird eine Leihmutterschaft meist mit einer Eizellenspende durchgeführt, um zu verhindern, dass die Leihmutter mit dem Kind genetisch verwandt ist und schon aus diesem Grund Bindungen entwickelt.163 Soweit möglich, werden Eizellen der Wunschmutter verwendet, sonst die einer Spenderin.164 Zur Befruchtung wird dann entweder ein Spendersamen oder, soweit möglich, der Samen eines Wunschvaters verwendet. Wunscheltern sind entweder verschiedengeschlechtliche Paare, die selbst keine Kinder bekommen können, oder zunehmend schwule Paare, für die dies oft der einzige Weg ist, ein Kind zu bekommen, das genetisch zumindest von einem von ihnen abstammt. In Ländern, in denen nur die altruistische Leihmutterschaft zulässig ist,165 sind die Leihmütter meist enge Freundinnen oder Verwandte. In Ländern, in denen die kommerzielle Leihmutterschaft erlaubt ist,166 werden die Leihmütter anders rekrutiert. Als Leihmütter werden jedenfalls in den USA reifere, belastbare Frauen engagiert, die bereits Kinder geboren haben.167 Die Frauen entstammen meist der Mittelschicht aus den Vorstädten oder ländlichen Gebieten und sind Hausfrauen.168 Demgegenüber werden als Eizellenspenderinnen gern möglichst attraktive und gebildete junge Frauen angeworben, manchmal sogar Jungfrauen,169 deren Eizellen weniger altersbedingte Schäden aufweisen.170 Wie Samenspender werden Eizellenspenderinnen idealerweise vom Campus der Elite­universitäten rekrutiert, Leihmütter aus den Supermärkten der Vor­ städte.171 Die Reproduktionsmedizin, so ließe sich in Anlehnung an Bernard zugespitzt formulieren, bringt mit der hübschen, intelligenten Eizellenspende­ rin und der belastbaren Tragemutter einen „aus zwei Frauen zusammengesetzten Hybriden der Maternalität hervor, eine Übermutter, die allen Wünschen 163  Vgl. zur Organisation der Leihmutterschaft durch amerikanische Agenturen, die die Trennung der Leihmutter von dem Kind erleichtern sollen: Bernard, Kinder machen, 2014, 314 ff. 164  Zur Eizellenspende: Bernard, Kinder machen, 2014, 317 ff. Allerdings kommt es auch hier zu Konflikten, wie z. B. der Fall Calvert v. Johnson 851 P.2d 776 (1993), der vom Supreme Court von Kalifornien 1993 entschieden wurde, um ein 1990 geborenes Kind deutlich macht. 165  Wie etwa in den Niederlanden und Belgien, vgl. in Helms, StAZ 2013, 114, 116. 166  Wie in Russland, Georgien, der Ukraine, Indien und einigen Bundesstaaten der USA; insbesondere Kalifornien, Helms, StAZ 2013, 114, 118. 167 Vgl. zu den Suchprofilen der Leihmutteragenturen: Bernard, Kinder machen, 2014, 271 ff., 349 f. 168  Bernard, Kinder machen, 2014, 350 f. 169  Bernard, Kinder machen, 2014, 342. 170 Zur Eizellenspende und Eizellenspenderinnen generell: Bernard, Kinder machen, 2014, 339 ff. 171  Bernard, Kinder machen, 2014, 349.

230

Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

nach Abstammung und Gebärerfahrung genügt.“ Dies macht bereits die ethischen Probleme deutlich, die sich aus dieser Kommerzialisierung des Menschen und seiner Fortpflanzungsfunktionen ergeben.172 b.  Konflikte, insbesondere Leihmutterschaft in Thailand, Indien und Kambodscha Die Leihmutterschaft ist gegenwärtig wahrscheinlich das umstrittenste Problem des deutschen Familienrechts.173 Obwohl die Leihmutterschaften der Mägde Hagar, Bilha und Silpa bereits im Alten Testament erwähnt werden, erlebte die Leihmutterschaft in den USA und kurzfristig auch in Deutschland mit der Entwicklung der Reproduktionsmedizin einen Bedeutungswandel. In diesem Zusammenhang spielte auch der mit dem „Pillenknick“ verbundene Rückgang von Kindern, die adoptiert werden könnten, eine Rolle.174 Heute wird die Leihmutterschaft als die fragwürdigste Maßnahme der Reproduktionstechnologie wahrgenommen. Sie wirft schwierige ethische und rechtliche Fragen auf, die insbesondere anlässlich herzzerreißender Berichte in den Medien immer wieder kontrovers diskutiert werden.175 Zu diesen gehört insbesondere die Weigerung der Leihmutter, das Kind nach der Geburt herauszugeben. Der erste Fall dieser Art war das 1986 geborenen „Baby M“, dessen Leihmutter Mary Beth Whitehead, von der auch die Eizelle stammte, das Kind nach der Geburt behalten wollte. In Reaktion auf diesen Fall wurde zum ersten Mal die Wirksamkeit einer Leihmutterschaftsvereinbarung gerichtlich geprüft. Anschließend wurden Leihmutterschaften in vielen US-Bundesstaaten verboten.176 Im Jahr 2015 wurden Fälle aus Thailand in den Medien diskutiert: Im Fall des mit Hilfe einer Eizellenspende geborenen Babys „Carmen“ verweigerte die Leihmutter dem schwulen Wunschelternpaar, von denen einer genetischer Vater des Kindes ist, die Ausreise mit dem Kind.177 Angeblicher Grund für ihre Weigerung war, dass sie das Kind keinem schwulen Paar anvertrauen wollte. Im April 2016 hat das schwule Paar den Rechtsstreit um das Kind gewonnen.178 172  Probleme der Kommerzialisierung ergeben sich bei der Samenspende gegen Bezahlung allerdings auch. 173 Vgl. Dethloff, JZ 2014, 922; Helms, FF 2015, 234; ders., StAZ 2013, 114; Thomale, Mietmutterschaft, 2015; Heiderhoff, NJW 2014, 2673; Duden, Leihmutterschaft, 2015, 151; La­ garde, ZEuP 2015, 233; Mayer, RabelsZ 78 (2014), 551; Grziwotz, NZFam 2014, 1065; Kreß, FPR 2013, 240; Bernard, StAZ 2013, 136; Wagner, StAZ 2012, 294; Zimmermann, Reproduktionsmedizin und Gesetzgebung, 2011; Lehmann, Die In-vitro-Fertilisation und Ihre Folgen, 2007; Wanitzek, Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, 2002. 174  Bernard, Kinder machen, 2014, 284. 175  Vgl. nur Golombok, Modern Families, 2015, 117 ff. 176 Vgl. Bernard, Kinder machen, 2014, 257 ff. 177  Thanthong-Knight, Welt.de v. 13.10.2015. 178  Sawitta Lefevre/Macfie, Reuters.com v. 26.4.2016.

II. Mehrmutterschaft

231

Wird die Leihmutterschaft gegen Bezahlung durchgeführt, wie es in den oben diskutierten Fällen geschah, so kommt das Problem möglicher Ausbeutung hinzu, wenn reiche Wunscheltern, wie der Investor Nicolas Berggruen, aber auch indische Filmstars wie Shah Rukh Khan und Tusshar Kapoor 179, Frauen in der dritten Welt oder arme Frauen aus ihrem eigenen Land180 als Leihmütter engagieren bzw. diese von international agierenden Agenturen vermittelt werden. Hier steht die Freiheit der Entscheidung der Leihmutter in Frage.181 Insbesondere bei der kommerziellen Leihmutterschaft, mit der durch die Schwangerschaft Geld verdient wird, liegt es nahe, wie bei der Prostitution eine Ausbeutung von Frauen anzunehmen. Entsprechend wird Leihmutterschaft teilweise als „reproduktive Prostitution“182 bezeichnet. Allerdings berichten Leihmütter, dass sie die Leihmutterschaft keinesfalls nur aus finanziellem Inter­ esse übernehmen, sondern aus einer Vielzahl von Gründen, zum Beispiel, um in besonderer Weise kinderlosen Paaren zu helfen.183 Andere Probleme treten auf, wenn das von der Leihmutter geborene Kind nach der Geburt sowohl von den Wunscheltern als auch von der Leihmutter abgelehnt wird. In einem aktuellen Fall z. B. nahm das australische Wunsch­ elternpaar von dem durch die Leihmutter geborenen Zwillingspaar nur die gesunde Zwillingsschwester mit und ließ den Bruder mit Downsyndrom ­ „Gammy“ zurück in Thailand.184 Fälle wie die um Baby Carmen und Gammy185 haben in Thailand inzwischen zu einem Verbot der kommerziellen Leihmutterschaft geführt. Nur noch altruistische Leihmutterschaften für thailändische Staatsangehörige sind zu­ lässig.186 In Indien wurde die Erteilung von Visa an Paare, die in Indien Leihmütter in Anspruch nehmen wollen, von Regierungsseite 2015 untersagt. Ein Gesetzes­ entwurf einer „Surrogacy Regulation Bill 2016“ wurde am 24.8.2016 vom Bundeskabinett verabschiedet, nachdem Leihmutterschaften nur noch für verheiratete, verschiedengeschlechtliche187 Angehörige einmalig altruistisch durchge179  Nicolas Berggruen wurde mit Hilfe von Leihmüttern zweifacher Vater: Theile, Die ZEIT v. 28.4.2016, 12; die indischen Filmschauspieler Shah Rukh Khan und Tssuhar Kapoor: Malhotra, TheQuint.com v. 25.8.2016. 180  Wie in den USA im Fall des Baby „M“: Bernard, Kinder machen, 2014, 257 ff. 181  Vgl. dazu Campbell, Sister Wives, Surrogates and Sex Workers, 2013, 97 ff. 182  Dworkin, Right-Wing-Women, 1983, 181 f. 183  Mit umfangreichen Nachweisen zu den Motiven von Leihmüttern: Campbell, Sister Wives, Surrogates and Sex Workers, 2013, 100 ff. 184  Paar lässt Leihmutter mit behindertem Baby sitzen, Welt.de v. 2.8.2014. 185  Zu nennen ist hier auch der Fall eines jungen japanischen Geschäftsmannes, der mit thailändischen Leihmüttern 16 Kinder bekam. Vgl. Rawlinson, TheGuardian.com v. 23.8.2014. 186  Thailand bans commercial surrogacy for foreigners, BBC.com v. 20.2.2015. 187  Männliche Homosexualität ist in Indien strafbar, gerade Leihmutterschaft für schwule Paare wird von der indischen Außenministerin Sushma Swaraj als Verstoß gegen den indi-

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Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

führt werden können sollen.188 Das Verbot richtet sich somit gegen Ausländer, im eigenen Land aber auch gegen indische Prominente, die Leihmütter beschäftigen.189 In Indien wird allerdings – auch von den betroffenen Frauen selbst – vorgebracht, dass es Sache der Frauen, nicht des Staates sei, sich für oder gegen eine Leihmutterschaft zu entscheiden und so erhebliche Summen zum Aufbau einer wirtschaftlichen Existenz oder zur Finanzierung der Ausbildung der ­eigenen Kinder zu verdienen. Erforderlich sei eine Regulierung, um die freie Entscheidung der Frauen zu schützen, nicht ein Verbot, so ein Argument.190 Inzwischen hat auch Kambodscha die kommerzielle Leihmutterschaft verboten, nachdem viele Leihmutterschaftskliniken aus Indien und Thailand in das unregulierte Land ausgewichen waren.191 Auf der anderen Seite stehen allerdings persönliche Erfahrungsberichte von Wunscheltern, die froh und glücklich über die Bildung einer Familie berichten und praktische Hinweise zur Nachahmung geben.192 Untersuchungen über die Entwicklung von Kindern, die bei den Wunscheltern aufwachsen, stehen erst am Anfang. Bisher wurden mehrjährige Studien nur durch Golombok und ihre Schüler von der University of Cambridge durchgeführt. Danach haben sich die Kinder sehr positiv entwickelt, doch sind weitere Untersuchungen nötig, um die kritische Phase der Entwicklung in der Pubertät beurteilen zu können.193 c.  Ablehnung durch das deutsche Recht und der Gang ins Ausland Nach einer anfänglichen Regelungslücke194 nahm das deutsche Recht eine eindeutig ablehnende Haltung zur Leihmutterschaft ein.195 Wie oben dargelegt196 wurde die alleinige Mutterschaft der Geburtsmutter (§  1591 BGB) zur Abschreckung von Leihmutterschaften begründet. Weder die Eizellenspenderin noch schen Ethos bezeichnet, der zum Schutz der „Würde der indischen Frau“ zu verhindern sei: Malhotra, TheQuint.com v. 25.8.2016. 188  Vgl. zur offiziellen Zusammenfassung des Entwurfs in englischer Sprache, der Entwurfstext selber ist jedenfalls in englischer Sprache nicht online zugänglich: www.dhr.gov.in/ sites/‌default/‌files/‌surrogacyregbill_0.pdf. Vgl. für eine kritische Analyse: Ravi, Feminism in India.com v. 31.8.2016. 189  Malhotra, TheQuint.com v. 25.8.2016. 190  www.dhr.gov.in/‌sites/‌default/‌fi les/‌surrogacyregbill_0.pdf. Vgl. für eine kritische Analyse: Ravi, Feminism in India.com v. 31.8.2016. 191  Auch Kambodscha verbietet Leihmutterschaft, Zeit Online v. 3.11.2016. 192  Westoby, Our „Journey“, 2015. 193 Vgl. Golombok u. a., Developmental Psychology 2004, 400 ff.; dies., Journal of Child Psychology and Psychiatry 2006, 213 ff.; Golombok u. a., Human Reproduction 2006, 1918 ff.; dies., Developmental Psychology 2011, 1579 ff.; Golombok, Modern Families, 2015, 124 ff. 194  Bernard, Kinder machen, 2014, 271 ff. 195  Vgl. zur Entwicklung des Gesetzes oben Teil 2 I 3 a (S. 81). Vgl. zur Leihmutterschaft insgesamt nur Coester-Waltjen, Gutachten B zum 56. DJT, 1986, A 39 ff.; Duden, Leihmutterschaft, 2015; Thomale, Mietmutterschaft, 2015; Gössl, in: Trimmings/‌Beaumont (Hrsg.), International Surrogacy Arrangement, 2013, 131. 196  Teil 1 II 1 (S.  5), 3 a (S.  11).

II. Mehrmutterschaft

233

die Wunschmutter sind die Mütter des Kindes kraft Gesetzes. Eine Elternstellung können sie nur durch Adoption erreichen.197 Eine Reihe von Handlungen im Zusammenhang mit der Ermöglichung von Leihmutterschaften ist in Deutschland strafbar. So macht sich ein Arzt strafbar, der einen Embryo an eine Frau überträgt, die bereit ist, das Kind auf der Grundlage einer Leihmutterschaftsvereinbarung abzugeben (§  1 Abs.  1 Nr.  7 ESchG), aber auch jemand, der die Vermittlung der Parteien einer Leihmutterschaftsvereinbarung übernimmt (§  13c Adoptionsvermittlungsgesetz). Die „Wunscheltern“ sind allerdings, wie oben bereits gezeigt,198 genausowenig strafbar wie die Leihmutter selbst. Diese Verbote sind jedoch nicht ausreichend, um deutsche Eltern davon abzuhalten, Leihmütter außerhalb Deutschlands zu „nutzen“.199 In Deutschland sind zwischen 400.000 und 2 Millionen Paare gegen ihren Willen kinderlos.200 Eine steigende Zahl von ihnen sucht Abhilfe im Ausland, wo sich teilweise „ein Reproduktionstourismus“201 mit der Leihmutterschaft entwickelte. In Indien, Thailand und Kambodscha werden ausländische Paare keine Leihmutterschaftsvereinbarungen mehr wirksam schließen können.202 Immer noch zulässig sind dagegen kommerzielle Leihmutterschaften in Georgien, der Ukraine, Russland und einigen US-Bundesstaaten, insbesondere Kalifornien.203 Dies macht Leihmutterschaften in Deutschland vor allem zu einer Frage des Internationalen Privatrechts. Kommt nämlich ein Paar mit dem im Ausland geborenen Kind nach Deutschland, so stellt sich die Frage, nach welchem Recht sich die Zuordnung der Elternschaft bestimmt. Ist deutsches Recht anwendbar, ist nur die Leihmutter die rechtliche Mutter des Kindes. Wird die Elternschaft nach einem Recht bestimmt, das die Leihmutterschaft zulässt und die Wunscheltern als Eltern bestimmt, so stellt sich die Frage, ob das deutsche Recht dieses Ergebnis akzeptiert. Ein ähnliches Problem stellt sich, wenn die Elternschaft der Wunscheltern im Ausland in einer gerichtlichen Entscheidung anerkannt wurde und diese Entscheidung in Deutschland anzuerkennen ist.204 In beiden Fällen stellt sich die Frage, ob die Ablehnung der Leihmutterschaft nach deutschem Recht zur Ordre-public-Widrigkeit des Ergebnisses der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung führt, die die Wunscheltern als rechtliche ­Eltern des Kindes bestimmt, bzw. zur Ordre-public-Widrigkeit des Ergebnisses 197 

Dethloff, Familienrecht, 2015, §  10, Rn.  4 –5, 92. Siehe oben Teil 1 II 1 (S.  5), 3 a (S.  11). 199  Vgl. nur: LG Frankfurt a. M., Beschl. v. 3.8.2012 − 2-09 T 50/11, FamRZ 2013, 644; siehe für den Österreichischen Ansatz: Lurger, IPRax 2013, 282. 200  Verschiede Modelle zeigen: Dethloff, Familienrecht, 2015, §  10, Rn.  70 und Grziwotz, NZFam 2014, 1065. 201  Helms, StAZ 2013, 114, 118. 202  Vgl. oben Teil 3 II 1 b (S. 230). 203  Helms, StAZ 2013, 114, 118. 204  Vgl. zu diesen Fragen vor allem Duden, Leihmutterschaft, 2015; Thomale, Mietmutterschaft, 2015. 198 

234

Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

der Anwendung des ausländischen Rechts, nach dem die Wunscheltern die rechtlichen Eltern des Kindes sind. Eine nähere Prüfung der Fragen des Internationalen Privatrechts würde den Rahmen dieser Arbeit überschreiten. Die Argumentation der deutschen Gerichte wird hier jedoch ausführlich dargestellt, um später die dahinter liegenden Wertungen für die Entwicklung eines neuen Konzepts der Elternschaft 205 nutzbar machen zu können. d.  BGH vom 10.12.2014 Die Leitentscheidung des BGH vom 10.12.2014206 betraf eben dieses Problem der Anerkennung der Entscheidung eines ausländischen Gerichts, das beide Wunscheltern als rechtliche Eltern des Kindes auswies. 2010 schlossen zwei männliche Lebenspartner eine Leihmutterschaftsvereinbarung mit einer Frau in Kalifornien ab, wo die kommerzielle Leihmutterschaft zulässig ist.207 Nach dieser Vereinbarung sollte die Frau einen Embryo austragen, der mit Hilfe der Eizelle einer anonymen Spenderin und dem Samen eines der Lebenspartner gezeugt werden sollte. Die beiden Männer sollten die rechtlichen Eltern des Kindes werden. Die Vereinbarung wurde wie vereinbart ausgeführt. Am 6.4.2011 erließ der Superior Court of the State of California, County of Placer eine Entscheidung, nach der jedes Kind, das die Leihmutter zwischen September 2010 und Juli 2011 zur Welt bringen sollte, das rechtliche Kind der beiden Lebens­ partner sein sollte. Im Mai 2011 brachte die Leihmutter ein Kind zur Welt, das von den beiden Männern – nach kalifornischem Recht die beiden rechtlichen Eltern – nach Berlin gebracht wurde.208 Dort verweigerte das Standesamt die Registrierung des Kindes als deren Kind. Vor dem zuständigen Amtsgericht 209 und vor dem Kammergericht210 blieb das Paar erfolglos, sodass der Bundesgerichtshof zu entscheiden hatte. aa.  Die Entscheidung des Kammergerichts Fallentscheidend war, ob das Ergebnis der Anerkennung der Entscheidung des Superior Court of the State of California, County of Placer dem „ordre public“

205  Dazu in Teil 4 (S.  283), zur rechtlichen Gestaltung von Fällen multipler Elternschaft dann Teil 5 (S.  341). 206 BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350; vgl. Helms, FamRZ 2015, 245; Henrich, IPrax 2015, 229; Soyka, FuR 2015, 227; Mayer, StAZ 2015, 33; Schall, DNotZ 2015, 306; Zwißler, NZFam 2015, 118; Gössl, Cuadernos de Derecho Transnacional 2015, 448 ff. 207 Vgl. Dethloff, JZ 2014, 922, 923; Helms, StAZ 2013, 114, 119. 208  Siehe für die Fakten des Falles: BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350; KG Berlin, Beschl. v. 1.8.2013 – 1 W 413/12, juris, Rn.  1–10. 209  AG Schöneberg, Beschl. v. 25.10.2012 – 70 III 70/12, juris. 210  KG Berlin, Beschl. v. 1.8.2013 – 1 W 413/12, juris.

II. Mehrmutterschaft

235

gem. §  109 Abs.  1 Nr.  4 FamFG widersprach. Das Kammergericht bejahte dies mit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur.211 Die Anerkennung der Entscheidung war insoweit unproblematisch, als sie die Vaterschaft des Mannes betraf, der den Samen gespendet hatte. Dieser war aufgrund einer in Kalifornien mit Zustimmung der Leihmutter vorgenommenen Vaterschaftsanerkennung212 der rechtmäßige rechtliche Vater des Kindes auch bei Anwendung deutschen Rechts gem. §  1592 Nr.  2 BGB.213 Die Anerkennung entsprechend der deutschen Vorschriften hatte der genetische Vater in Kalifornien offenbar durchgeführt, um ganz sicher gehen zu können, dass das Kind bei ihm als rechtmäßigem Elternteil auch nach deutschem Recht bleiben konnte. Im Übrigen war dieser Mann der genetische Vater, sodass eine Feststellung der Vaterschaft auch nach deutschem Recht gem. §  1592 Nr.  3 BGB zu seiner Vaterschaft geführt hätte. Problematisch war jedoch die Elternschaft des anderen Mannes, die sich ­allein aufgrund der Entscheidung des kalifornischen Gerichts ergeben konnte. Nach deutschem Recht wäre die Elternstellung nur über eine Stiefkindadoption zu erlangen gewesen. Die Entscheidung des kalifornischen Gerichts in vollem Umfang anzuerkennen, würde nach Auffassung des Kammergerichts bedeuten, einem in Deutschland verbotenen Leihmutterschaftsvertrag rechtliche Wirkung zukommen zu lassen. Der deutsche Gesetzgeber habe eine grundlegende Entscheidung gegen die Leihmutterschaft getroffen, um die Menschenwürde der betroffenen Frauen und Kinder zu schützen.214 Leihmutterschaftsvereinbarungen negierten die Bedeutung der Beziehung, die während der Schwangerschaft zwischen der Mutter und dem Kind geknüpft würde und die für die Kindesentwicklung von Bedeutung sei. Durch die Ablehnung der Leihmutterschaft vermeide das deutsche Recht unwürdige Konflikte für alle Beteiligten. Bei den Kindern ginge es vor allem um eine ungestörte Identitätsfindung und eine gesicherte familiäre Zuordnung.215 Soweit Studien zu dieser Frage bisher vorliegen, bestätigen sie diese Befürchtungen allerdings nicht.216 Diese Einwände gegen die Leihmutterschaft werden jedoch ausführlicher noch bei Überlegungen zur konzeptionellen Analyse und Gestaltung von Mehrelternverhältnissen diskutiert.217 Die Leihmutter, so das Kammergericht in Wiedergabe der Gründe des deutschen Gesetzgebers, solle sich nicht mit der Entscheidung konfrontiert sehen, 211 Siehe

Thomale, Mietmutterschaft, 2015, 41–51. Dies hatte der genetische Vater in Kalifornien formgerecht getan, KG Berlin, Beschl. v. 1.8.2013 – 1 W 413/12, juris, Rn.  20. 213  KG Berlin, Beschl. v. 1.8.2013 – 1 W 413/12, juris, Rn.  20–21. 214  KG Berlin, Beschl. v. 1.8.2013 – 1 W 413/12, juris, Rn.  28–31; siehe auch: BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350, Rn.  37–39. 215  KG Berlin, Beschl. v. 1.8.2013 – 1 W 413/12, juris, Rn.  29. 216 Vgl. Golombok, Modern Families, 2015, 124 ff. 217  Teil 3 II 1 (S.  2 29) und Teil 5 III 4 b dd (S. 434). 212 

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Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

entweder die abgeschlossene Leihmutterschaftsvereinbarung zu brechen oder das Kind herauszugeben, zu dem sie während der Schwangerschaft Liebe und Bindung entwickelt habe. Die Wunscheltern sollten nicht mit dem Verlust des Kindes konfrontiert werden, wenn sich die Leihmutter entscheide, das Kind doch nicht herauszugeben.218 Frauen in finanzieller Bedrängnis sollten nicht Zuflucht in Leihmutterschaftsvereinbarungen suchen und so Kinder zur Handelsware degradieren.219 Diese Überlegungen, so das Kammergericht, seien nicht allein von präventiver Bedeutung, vielmehr könnten im konkreten Fall die betroffene Frau und das Kind gerade Opfer solcher Ausbeutungen sein.220 Das Interesse des Kindes werde durch die Verweigerung der Registrierung nicht beeinträchtigt, da es rechtmäßig bei seinem genetischen Vater, der auch der rechtliche Vater nach deutschem Recht gem. §  1592 Nr.  2 BGB war, in einer rechtlich anerkannten und damit sicheren Beziehung lebe.221 Außerdem verletze die kalifornische Entscheidung das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung. Die Entscheidung lasse nämlich nicht den Namen der Leihmutter erkennen. Diese sei zwar nicht die genetische Mutter des Kindes, doch habe das Kind ein ebensolches Recht, seine Mutter gem. §  1591 BGB zu kennen.222 bb.  Die Argumentation des BGH In seiner Entscheidung vom 10.12.2014223 entschied der BGH zugunsten des ­Väterpaares. Er erklärte, die Entscheidung eines ausländischen Gerichts sei jedenfalls dann anzuerkennen, wenn eines der beiden Wunschelternteile mit dem Kind genetisch verwandt ist. Wenigstens in solchen Fällen, in denen das gleiche Ergebnis nach deutschem Recht im Wege einer Stiefkindadoption erreicht werden könne, verstoße das Ergebnis der Anerkennung der Entscheidung nicht ­gegen den ordre public.224 Ob der BGH künftig bei Fehlen einer genetischen Verbindung mit einem Wunschelternteil anders entscheiden wird, bleibt abzuwarten. Die Grundrechte der Beteiligten sind gem. §  109 Abs.  1 Nr.  4 HS.  2 FamFG wesentlicher Gesichtspunkt bei der Frage, ob die Anerkennung mit wesent­ 218  Vgl. oben zu dem Fall des in Thailand geborenen Babys „Carmen“, das die Leihmutter nicht herausgeben wollte, sowie zu dem Fall des Baby M in den USA. 219  Siehe für die Gründe des Gesetzgebers: BT-Drucks. 11/4154, 6–7; 11/5460, 6; 13/4899, 82; starke Argumente gegen Leihmutterschaft bringt vor: Thomale, Mietmutterschaft, 2015, 5–17. 220  KG Berlin, Beschl. v. 1.8.2013 – 1 W 413/12, juris, Rn.  32. 221  KG Berlin, Beschl. v. 1.8.2013 – 1 W 413/12, juris, Rn.  34. 222  KG Berlin, Beschl. v. 1.8.2013 – 1 W 413/12, juris, Rn.  36–37. 223  BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350; siehe für Anmerkungen: Helms, FamRZ 2015, 245; Henrich, IPrax 2015, 229; Soyka, FuR 2015, 227; Mayer, StAZ 2015, 33; Schall, DNotZ 2015, 306; Zwißler, NZFam 2015, 118; für Anmerkung in englischer Sprache siehe: Gössl, Cuadernos de Derecho Transnacional 2015, 448. 224  BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350.

II. Mehrmutterschaft

237

lichen Grundprinzipien des deutschen Rechts unvereinbar ist.225 Die Wunscheltern hatten ein nach Art.  2 Abs.  1 und Art.  6 Abs.  1 GG geschütztes Interesse, ihre Familie rechtlich anerkannt zu sehen.226 Die Menschenwürde der Leihmutter wäre verletzt worden, wäre ihr das Kind gegen ihren Willen entzogen worden. In diesem Fall sei jedoch eine in Kalifornien legale Leihmutterschaftsvereinbarung abgeschlossen worden und die Leihmutter hätte das Kind freiwillig den Wunscheltern überlassen. Dies sei dem deutschen Recht auch nicht vollkommen fremd, das erlaube, ein Kind direkt nach der Geburt in Adoptions­ pflege und später zur Adoption frei zu geben.227 Im vorliegenden Fall sei das Kindeswohl von entscheidender Bedeutung. Da die Mutter das Kind freiwillig übergeben hätte, müsse das Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung gem. Art.  2 Abs.  1 in Verbindung mit Art.  6 Abs.  2 GG228 durch die Zuweisung anderer Eltern befriedigt werden. Die Tatsache, dass der Fall des BGH ein gleichgeschlechtliches Paar betraf, wurde vom BGH für unerheblich angesehen.229 Außerdem stützte der BGH seine Entscheidung auf die Rechtsprechung des EGMR.230 Dieser hatte in zwei Urteilen vom 26.6.2014, Mennesson v. Frankreich231 und Labassée v. Frankreich,232 entschieden, nicht die Wunscheltern, wohl aber das von einer Leihmutter geborene Kind habe gem. Art.  8 EMRK (Recht auf Respekt des Privatlebens) das Recht, eine gesicherte Rechtsposition in Bezug auf beide Wunscheltern zu begründen. Das Gericht griff auf die u. a. von Dethloff hervorgehobene Überlegung zurück, dass Kinder keine Verantwortung dafür tragen, wie sie in die Welt kommen. Die aufgrund einer Leihmutterschaftsvereinbarung geborenen Kinder dürften daher nicht mit dem generalpräventiven Ziel leiden, andere Paare von der Eingehung einer Leihmutterschaftsvereinbarung abzuhalten.233 Stattdessen müsse das Kindeswohl im Zentrum der Entscheidung stehen. Dafür dürfte nicht nur die Beziehung zwischen der Leihmutter und dem Kind berücksichtigt werden, sondern auch die zwischen dem Kind und den Wunscheltern, die sich gern um das Kind kümmern wollten.234

225 

In dieser Analyse hat der BGH sich oft berufen auf: Dethloff, JZ 2014, 922. BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350, Rn.  41. 227  BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350, Rn.  41, 482–483, Rn.  48– 51. 228  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 73–77, Rn.  40– 46; vgl. dazu Britz, JZ 2014, 1069. 229  BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350, Rn.  42. 230  BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350, Rn.  43, 54–57. 231  EGMR, Urt. v. 26.6.2014 – 65192/11 (Mennesson v. Frankreich). 232  EGMR, Urt. v. 26.6.2014 – 65941/11 (Labassée v. Frankreich). 233  Dethloff, JZ 2014, 922, 931. 234  BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350, Rn.  56. 226 

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Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

Die Tatsache, dass ein vergleichbares Ergebnis durch eine Stiefkindadoption erreicht werden könne, zeige, dass die Anerkennung der Entscheidung nicht zu einem Ergebnis führe, das den ordre public verletze. Im vorliegenden Fall bedeutet das, dass die beiden Männer kein Stiefkindadoptionsverfahren durchführen müssen. Gerade dass eine Stiefkindadoption aber im vorliegenden Fall zum gleichen Ergebnis geführt hätte, zeigt für den BGH, dass das Ergebnis der ausländischen Entscheidung, die rechtliche Elternschaft der beiden Väter, nicht dem ordre public iSd §  109 Abs.  1 Nr.  4 FamFG widerspricht und damit die ­kalifornische Entscheidung gem. §§  108, 109 FamFG anzuerkennen ist. Außerdem, so der BGH, führe die unmittelbare Begründung eines recht­ lichen Bandes zwischen dem Kind und den Wunscheltern im Gegensatz zu ­einer Adoption dazu, dass sich diese nicht mehr von ihrer Verantwortung für das Kind lösen könnten. Sie seien bereits rechtliche Eltern, auch wenn sie die Entscheidung später bereuten, sich trennten oder kein behindertes Kind adoptieren wollten.235 Wörtlich führte der Senat aus: „Die Wunscheltern wären hingegen aus der Verantwortung entlassen, obwohl sie die Initiatoren der medizinisch assistierten Zeugung waren und das Kind ihrer Entscheidung seine Existenz zu verdanken hat. Die Lage unterscheidet sich insoweit von der Adoption, als das Kind ohne die Leihmutterschaftsvereinbarung nicht gezeugt und geboren worden wäre. Im Unterschied zu Adoptiveltern nehmen die Wunscheltern im Fall der Leihmutterschaft für die spätere Identitätsfindung des Kindes als für dessen Entstehung (mit-) verantwortliche Personen zweifellos eine zentrale Rolle ein, die sich indessen nicht in einer entsprechenden rechtlichen Elternverantwortung widerspiegeln würde.“236

Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner biologischen Abstammung sei zwar bedeutsam, doch gebe das Geburtenregister darüber keine Auskunft, sondern lediglich über die rechtliche Abstammung. Um Kenntnisse über die Abstammung zu vermitteln, hätte das Register auch Informationen über die unbekannte Eizellenspenderin, nicht nur die Leihmutter enthalten müssen.237 e.  Kritische Analyse: Verantwortung der Initiativväter Die Entscheidung des BGH ist nicht nur wichtig für die Bewertung von Leihmutterschaftsfällen in Deutschland, sondern bildet einen wesentlichen Baustein in der Diskussion um die Auseinandersetzung mit Konstellationen der Mehrelternschaft. Denn in der Entscheidung kommt neben der genetischen, rechtlichen und gestationalen Elternschaft auch die Frage zur Sprache, welche Verantwortung die Personen trifft, die die Zeugung eines Kindes verursacht haben. Dieser Aspekt tauchte bereits in Bezug auf den Mann auf, der der Be235 

BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350, Rn.  58–59. BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350, Rn.  60. 237  BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350, Rn.  63. 236 

II. Mehrmutterschaft

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fruchtung seiner Lebensgefährtin mit Spendersamen zugestimmt hatte und anschließend die Vaterschaft nicht anerkannte. Der BGH verurteilte dort zur Zahlung von Kindesunterhalt aus Vertrag. Hier sah der BGH in der Verantwortung der beiden Männer für die Zeugung des Kindes ein Argument für die Anerkennung ihrer Elternschaft. Maßgeblicher Bedeutung kam in dieser Entscheidung freilich auch der genetischen Elternverbindung des anderen Mannes zu. Obwohl die Entscheidung sich nur mit der Anerkennung von Entscheidungen, nicht mit Art.  6 EGBGB beschäftigt, ist zu erwarten, dass die Begründungslinien der Entscheidung auch auf einen Fall anwendbar sein werden, bei dem die Ordre-public-Widrigkeit eines Ergebnisses ausländischen Sachrechts in Frage steht.238 Wie der BGH in einem Fall entscheiden wird, in dem das Kind mit den Wunscheltern nicht genetisch verwandt ist, ist schwieriger zu ­sagen. Auch insofern würde aber das Kindeswohl dafür sprechen, das Kind nicht auf dem Altar der Leihmutterschaftsabschreckung zu opfern, indem es elternlos in das Herkunftsland zurück geschickt wird, sondern es von den dazu bereiten Wunscheltern aufziehen zu lassen. Insofern lässt sich die oben wörtlich zitierte Argumentation des BGH wiederholen, der auf die Verantwortung der Wunscheltern abstellt. Wie der Partner, der der Befruchtung seiner Partnerin mit dem Samen eines Samenspenders zustimmt, tragen die Wunscheltern deshalb für das Kind Verantwortung, weil es ohne sie nicht gezeugt worden wäre. Auf diese Parallele wird unten, bei der Entwicklung eines neuen Konzepts von Elternschaft, ausführlich zurückzukommen sein. Nur am Rande behandelt wurde in den vorliegenden Entscheidungen das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung. Dessen Reichweite wird später in diesem Zusammenhang auch zu diskutieren sein. Die Entwicklung in Sachen Leihmutterschaft ist mit der Entscheidung des BGH noch nicht abgeschlossen. Zum einen hat die Große Kammer des EGMR in der Entscheidung vom 24.1.2017 in der Sache Campanelli und Paradiso v. Italien die Entziehung eines Leihmutterschaftskindes von den Wunscheltern für rechtmäßig erklärt. Sie begründete dies im Rahmen einer Gesamtbetrachtung mit einer mangelnden genetische Verbindung zwischen Wunscheltern und Kind – das Sperma des Wunschvaters war bei der Zeugung nicht verwendet worden – der nach italienischem Recht rechtswidrigen Zeugung und Verbringung des Kindes nach Italien und darauf, dass das Wunschelternpaar mit dem Kind nur etwa sechs Monate zusammengelebt hatte.239 Keine Bedeutung hat der EGMR dem Beitrag der Wunscheltern zur Geburt des Kindes eingeräumt. Die Bemühung der Wunscheltern um das Kind, das die Grand Chamber als 238 

Gössl, Cuadernos de Derecho Transnacional 2015, 448 ff. Gr. Kammer, Urt. v. 24.1.2017 – 25358/12 (Paradiso und Campanelli v. Italien), NJW 2017, 941 ff:; anders noch: EGMR, Urt. v. 27.1.2015 – 25358/12 (Paradiso und Campanelli v. Italien), vgl. dazu Duden, StAZ 2015, 201. 239  EGMR,

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Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

„parental project“, „Elternschaftsprojekt“,240 bezeichnete, vermittelt danach keinen Schutz des Familienlebens. Allerdings wird der Wunsch, Kinder zu ­haben und zu diesen eine Beziehung aufzubauen, als Aspekt des Privatlebens geschützt. Insofern sieht das Gericht den Eingriff durch Entziehung des Kindes allerdings als gerechtfertigt an. Zum andern verweigerte das OLG Braunschweig241 die Anerkennung einer amerikanischen Entscheidung mit einer Argumentation, die nach der grund­ legenden Entscheidung des BGH von 2014 nicht zu erwarten war.242 Danach gebietet das Kindeswohl nicht grundsätzlich die Anerkennung einer im Ausland erworbenen Elternschaft aus einem kommerziellen Leihmutterverhältnis. Beide Entscheidungen werfen einmal mehr die Frage nach der Position der Personen auf, die die Zeugung eines Kindes initiieren ohne dessen genetische Eltern zu sein.243

2. Mehrmutterschaft Eine Mutterschaft mehrerer Mütter liegt bei jeder Eizellenspende vor, da in diesem Fall eine Frau ein Kind austrägt, dessen genetische Mutter eine andere Frau ist. Bei einer Co-Mutterschaft zieht ein lesbisches Paar ein Kind gemeinsam auf. Solche Fälle sind in der Praxis relativ häufig anzutreffen, da lesbische Frauen nicht selten aus früheren heterosexuellen Beziehungen Kinder haben, mit denen und ihrer neuen Partnerin sie dann eine Stieffamilie gründen.244 Außerdem ermöglichen private Samenspenden oder – im Ausland – die Nutzung einer ­Samenbank, 245 dass lesbische Frauen Kinder zur Welt bringen, die dann die Partnerin im Wege der Stiefkindadoption annehmen kann. Schwieriger wird es, wenn die Partnerinnen ohne Adoptionsverfahren schon mit der Geburt durch das Abstammungsrecht die gemeinsame Elternschaft begründen wollen, die für Ehepaare gem. §  1592 Nr.  1 BGB bereits mit der Geburt eintritt. Dies ist nach h. M. nicht möglich. Diese Frage wird rechtspolitisch jedoch diskutiert.246

240  EGMR, Gr. Kammer, Urt. v. 24.1.2017 – 25358/12 (Paradiso und Campanelli v. Italien), Rn.  150 f., in der deutschen Übersetzung in der NJW 2017, 941, 943 „Die Bf. wollten Eltern sein“. 241  OLG Braunschweig, Beschl. v. 13.4.2017 – 1 UF 83/13, FamRZ 2017, 972. 242 Zu Recht kritisch: Löhnig, NZFam 2017, 546, 549 f. anders: OLG Celle, Beschl. v. 22.5.2017 – 17 W 8/16, FamRZ 2017, 1496 = NZFam 2017, 658 mit Anm. Biermann. 243 Vgl. Sanders, NJW 2017, 925; Löhnig, NZFam 2017, 546, 549 f. 244  Vgl. zu den statistischen Daten: Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, 68. 245  Im Inland wird dies von den meisten Samenbanken entsprechend der Muster-Richt­ linie der Bundesärztekammer aufgrund der oben beschriebenen Unsicherheiten abgelehnt, vgl. oben: Teil 3 I 2 (S. 208); Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, 68. 246  Vgl. nur Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, Thesen 50 ff., S.  70 ff.

II. Mehrmutterschaft

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a.  Co-Mutterschaft und Fortpflanzungstechnik aa. Eizellenspende Gem. §  1591 BGB ist die Mutter eines Kindes die und nur die Frau, die es zur Welt gebracht hat. Die Eizellenspenderin, die genetische Mutter, kann nur durch Adoption rechtliches Elternteil werden.247 Die Eizellenspenderin kann auch die Mutterschaft nicht anfechten. Nach dem Willen des Gesetzgebers wird ihr Beitrag zur Entstehung des Kindes ignoriert, da es sie aufgrund des Verbots der Eizellenspende auch in Deutschland nicht geben sollte.248 Diese Regelung gilt freilich nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern.249 Nach dem Wortlaut stehen der Eizellenspenderin auch keine Rechte gem. §  1686a BGB zu. Selbst wenn man einwenden will, dass §  1686a BGB nur in Reaktion auf die Rechtsprechung des EGMR entstand, und man annehmen kann, dass die Eizellenspenderin bewusst durch die Abgabe ihrer Eizelle auf Elternrechte verzichtet hat, überzeugt dies nicht. Denn der BGH will zum Schutz der Elternrechte des Samenspenders einen solchen Verzicht nur annehmen, wenn er im Rahmen einer konsentierten Befruchtung erfolgt. Angesichts dieser Begründung kann es nicht angehen, die Eizellenspenderin gänzlich rechtlos zu stellen, insbesondere wenn man bedenkt, dass, wie der unten zu diskutierende Fall deutlich macht, keineswegs in jedem Fall ein Verzicht der Elternstellung gewollt ist. Diese unterschiedliche Behandlung ist gem. Art.  3 Abs.  2 GG nicht gerechtfertigt. Zumindest eine analoge Anwendung der Vorschrift ist, wie Löhnig überzeugend annimmt, erforderlich.250 bb.  Co-Mutterschaft und reziproke In-vitro-Fertilisation Gem. §  1591 BGB kann ein Kind nur eine Mutter haben, die Frau, die es zur Welt gebracht hat. Die Eizellenspenderin, die genetische Mutter, kann die rechtliche Mutterrolle nur durch Adoption erlangen.251 Zu diesem Ergebnis kam auch der BGH in seiner Leihmutterschaftsentscheidung252 sowie das OLG Köln in einer Entscheidung vom 26.3.2015.253 Zwei Lebenspartnerinnen waren nach Belgien gereist, um sich den Traum eines gemeinsamen Kindes zu erfüllen. Die Eizelle der einen Frau wurde mit dem Samen eines Samenspenders befruchtet und der Embryo dann von der an247 

Dethloff, JZ 2014, 922, 930. Vgl. oben Teil 2 I 3 a (S.  81). 249  Österreich: §  143 ABGB; Schweiz: Art.  252 Abs.  1 ZGB: Großbritannien: Sec. 33 Human Fertilisation and Embryology Act 2008 stellt allerdings auf die Schwangerschaft, nicht die Geburt ab. 250  Löhnig, FamRZ 2015, 806. 251  Dethloff, JZ 2014, 922, 930. 252  BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350, Rn.  35. 253  OLG Köln, Beschl. v. 26.3.2015 – II-14 UF 181/14, juris. 248 

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Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

deren Frau ausgetragen. Dieses als In-vitro-Fertilisation bezeichnete Verfahren ist auch bereits in anderen Fällen zur Anwendung gelangt und hat bereits Gerichte in Florida 254 und Israel beschäftigt.255 Nur die letztere Frau wurde nach deutschem Recht als Mutter des Kindes angesehen und als solche registriert. Ein Antrag der Frauen auf gemeinsame Registrierung wurde verweigert. Das Paar argumentierte, das Familienrecht diskriminierte die genetische Mutter im Gegensatz zum genetischen Vater, der festgestellt werden könne. Das OLG entschied demgegenüber, es gäbe keine Diskriminierung. Es könne abstammungsrechtlich nur einen Vater und eine Mutter geben, auch wenn das Kind genetisch von der anderen Frau abstamme.256 In einer gleichgeschlechtlichen Beziehung könne ein Kind nur von ­einem Partner abstammen. Das Bundesverfassungsgericht habe es dem Gesetzgeber überlassen, das Abstammungsrecht zu regeln. In diesem Fall stehe dem Paar die Stiefkindadoption offen.257 Eine andere Lösung müsse durch den Gesetzgeber herbeigeführt werden.258 b. Co-Mutterschaft Die Begründung einer Co-Mutterschaft eines lesbischen Paares mit Hilfe einer privaten oder ausländischen Samenspende von einer Samenbank ist der häufigste Fall einer Mehrmutterschaft. Hier stellt sich die Frage, ob die Co-Mutterschaft allein durch eine (Sukzessiv)Adoption begründet werden kann, oder ob sie nicht, wie bei Ehepaaren gem. §  1592 Nr.  1 BGB selbstverständlich, bereits mit der Geburt begründet werden kann. Diese Frage wurde im DJT-Gutachten von Helms,259 aber auch im Abschlussbericht des Arbeitskreises Abstammungsrecht diskutiert.260 Möglich ist eine solche primäre Zuordnung des Kindes bereits in anderen Ländern. Wie bei der Leihmutterschaft gelangen diese Regelungen dann im Zusammenhang mit Fragestellungen des Internationalen Privatrechts auch nach Deutschland. aa.  Anerkennung ausländischer Co-Mutterschaft In seinem Beschluss vom 20.4.2016261 hatte der BGH über die Ordre-public-Widrigkeit der kollisionsrechtlich ermittelten Abstammung eines Kindes 254 

Florida Supreme Court, v. 7.11.2013 D. M. T. v. T. M. H. 129. So. 3d 320 (Fla 2013). Dethloff, FS Coester-Waltjen, 2015, 41 ff. 256  OLG Köln, Beschl. v. 26.3.2015 – II-14 UF 181/14, juris, Rn.  14 mit Verweis auf den Beschl. des BGH v. 10.12.2014. 257  OLG Köln, Beschl. v. 26.3.2015 – II-14 UF 181/14, juris, Rn.  16. 258  OLG Köln, Beschl. v. 26.3.2015 – II-14 UF 181/14, juris, Rn.  20. 259  Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 32 ff. 260  Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, 68 ff. 261  BGH, Beschl. v. 20.4.2016 – XII ZB 15/15, BGHZ 210, 59. 255 

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von einem lesbischen Paar zu entscheiden.262 Die deutsch-südafrikanische Staatsangehörige und die südafrikanische Staatsangehörige hatten beide in ­Südafrika eine „civil union type marriage“, eine gleichgeschlechtliche Ehe,263 geschlossen. Dann wurde die Südafrikanerin aufgrund des gemeinsamen Entschlusses des Paares mit dem Samen eines Samenspenders befruchtet und brachte in Südafrika ein Kind zur Welt. Das Paar beantragte die Eintragung des Kindes als gemeinsames Kind im deutschen Geburtenregister.264 Letztlich hatte der BGH zu entscheiden, ob der deutsche Standesbeamte diese Eintragung vornehmen musste. Für die Nachbeurkundung war gem. §  36 Abs.  1 S.  1 HS.  1 PStG die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes Voraussetzung. Diese Staatsangehörigkeit konnte das Kind nur von der deutsch-südafrikanischen Frau durch Abstammung erworben haben gem. §  4 StAG. Die Abstammung richtete sich allein nach deutschem Internationalem Privatrecht, weil sich die Voraussetzungen der Staatsangehörigkeit nach dem Recht des verleihenden Staates richten.265 Anzuwenden war hier nach §  19 Abs.  1 EGBGB das südafrikanische Recht.266 Danach war das Kind nicht nur Kind der Frau, die es geboren hatte, sondern auch des Ehegatten – unabhängig von dessen Geschlecht.267 Nach Auffassung des BGH verstieß die Anwendung des südafrikanischen Rechts mit seiner automatischen Zuweisung der rechtlichen Elternschaft an den homosexuellen Ehegatten nicht gegen den ordre public gem. Art.  6 EGBGB. Damit ist klargestellt, dass weder die verfahrens- noch die kollisionsrechtliche Anerkennung abstammungsrechtlicher gleichgeschlechtlicher Elternschaft (d. h. ohne Adoption) gegen den nationalen ordre public verstößt (§  109 Abs.  1 Nr.  4 FamFG bzw. Art.  6 EGBGB).268

262 Für Ordre-public-Widrigkeit noch: OLG Celle, Beschl. v. 10.3.2011 – 17 W 48/10, FamRZ 2011, 1518. Vgl. dazu auch: Frie, FamRZ 2015, 889; Andrae, StAZ 2015, 163; Coester-­ Waltjen, IPRax 2016, 132. 263  Auf die kollisionsrechtliche Behandlung einer im Ausland geschlossenen Ehe und die Ausführungen des BGH dazu wird hier nicht eingegangen: BGH, Beschl. v. 20.4.2016 – XII ZB 15/15, BGHZ 210, 59. 264  BGH, Beschl. v. 20.4.2016 – XII ZB 15/15, BGHZ 210, 59. 265 MüKo-BGB/‌ v. Hein, 6.  Aufl. 2015, Einl. IPR, Rn.  181. 266  Auf die Frage der alternativen Anknüpfung nach S.  1 und 2 wird hier nicht eingegangen, diese Frage hat der BGH offen gelassen. BGH, Beschl. v. 20.4.2016 – XII ZB 15/15, BGHZ 210, 59. 267  Eine Rechtsfolge, die auch das englische Recht (Human Fertilisation and Embryology Act 2008) und das österreichische Recht für die Lebenspartnerin (§  144 Abs.  2, 3 ABGB) vorsehen. 268  Coester-Waltjen, IPRax 2016, 132.

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Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

bb.  Kritische Analyse: Soziale Elternschaft und potentiell genetische Elternschaft Interessant ist wieder die Begründung des BGH für dieses Ergebnis. Auch hier geht der BGH mit seiner Entscheidung zur Leihmutterschaft269 im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts270 davon aus, dass das behütete Aufwachsen in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft dem Kindeswohl ebenso zuträglich sein könne wie in einer Ehe.271 Insofern betont der BGH die Bedeutung der sozialen Elternschaft, lässt aber anklingen, dass eine potentielle (aber im Fall eines mit einer Samenspende gezeugten Kindes nicht vorhandene) genetische Verbindung zum sozial-rechtlichen Elternteil von Bedeutung sein könne: „Dass verschiedengeschlechtliche (Wunsch-)Eltern in vollem Umfang genetische Eltern des Kindes sein können, kann zwar eine engere Verbindung zu dem Kind begründen, schließt indessen eine sozial gleichwertige Elternschaft von Lebenspartnern nicht aus, wenn die Elternschaft auf Dauer angelegt und rechtlich etabliert ist.“272

Wenn das Kind nach dieser Argumentation zur Förderung seiner eigenen optimalen Entwicklung glauben soll, von seinem rechtlichen Vater auch genetisch abzustammen, so würde dies bedeuten, die Aufrechterhaltung einer innerfamiliären Lüge – oder besser eines Geheimnisses – als kindeswohlförderlich anzusehen. So verstanden widerspricht aber das Argument, eine potentielle genetische Verbindung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind sei positiv, den Erkenntnissen der entwicklungspsychologischen Forschung, die empfehlen, Kinder möglichst früh in altersgerechter Weise von der Tatsache ihrer Herkunft zu unterrichten.273 Die Forschung zeigt, dass gerade die unfreiwillige Enthüllung dieses Geheimnisses – jedenfalls bei Adoptivkindern – als tiefer Vertrauensbruch und Identitätskrise erlebt wird.274 269 

BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350, Rn.  43. Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 89 f., Rn.  80; BVerfG, Beschl. v. 19.6. 2012 – 2 BvR 1397/09, BVerfGE 131, 239, 264. 271  BGH, Beschl. v. 20.4.2016 – XII ZB 15/15, BGHZ 210, 59. 272  BGH, Beschl. v. 20.4.2016 – XII ZB 15/15, BGHZ 210, 59. 273 Vgl. Walper/Wendt, in: Pluralisierung der Elternschaft und Kindschaft, 2011, 211, 224, 232; vgl. mit umfangreichen Nachweisen zur internationalen Forschung: Golombok, Modern Families, 2015, 93 ff. Untersuchungen bestätige insofern auch, dass Samenspenderkinder mit gleichgeschlechtlichen Eltern häufiger über ihre genetische Herkunft unterrichtet werden als Kinder in Familien mit verschiedengeschlechtlichen Eltern, vgl. die Nachweise bei: ­Golombok, Modern Families, 2015, 98 ff. 274  Vgl. die Stellungnahme in: BVerfG, Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186, Rn.  18–23. Allerdings sind die Ergebnisse der Studien nicht immer eindeutig; insbesondere die Entwicklung von Samenspenderkinder, wurde z. B. noch nicht ausreichend in der für die Persönlichkeitsentwicklung besonders bedeutsamen Zeit der Pubertät untersucht. Hier sind in der Zukunft noch weitere wichtige Erkenntnisse zu erwarten, vgl. Walper/Wendt, in: Pluralisierung der Elternschaft und Kindschaft, 2011, 211, 224, 232; Golombok, Modern Families, 2015, 115. 270  BVerfG,

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Aber auch davon abgesehen ist das Argument der Nützlichkeit der potentiellen genetischen Verbindung zu einem Elternteil ein problematisches. Da eine potentielle genetische Verbindung zu beiden Elternteilen nur in einer Familie mit verschiedengeschlechtlichen Eltern existieren kann, setzt dieses Argument letztlich voraus, dass sich Kinder in Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern weniger gut entwickeln. Bisherige Untersuchungen zeigen, dass sich Kinder in Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern genauso gut entwickeln wie in ­Familien mit verschiedengeschlechtlichen Eltern.275 Das Argument des BGH ist an dieser Stelle also nicht überzeugend. Naheliegender wäre es gewesen, ebenso wie in der Entscheidung um die Leihmutterschaft 276 und die vertragliche Konstruktion des Unterhaltsanspruchs des zustimmenden Vaters277 an die gemeinsame Entscheidung des Paares zur Fortpflanzung mit Hilfe eines Samenspenders und damit die von der Ehefrau übernommene Verantwortung als „Initiativelternteil“ anzuknüpfen.

3.  Aktuelle Diskussion um die Mehrmutterschaft a.  Aktuelle Diskussion um die Leihmutterschaft Auch nach der Entscheidung des BGH vom 10.12.2014278 bleibt insbesondere die Leihmutterschaft umstritten. Aber auch Fälle der Co-Mutterschaft wie der oben diskutierte, bedürften der umfassenden Diskussion vor dem Hintergrund des Problems der multiplen Elternschaft. In seinem DJT-Gutachten kritisierte Helms einerseits das deutsche Abstammungsrecht, das der genetischen Mutter nur erlaube, elterliche Verantwortung im Wege der Adoption zu erlangen. Das für die Adoption zentrale Erfordernis der Kindeswohldienlichkeit (§  1741 Abs.  1 S.  1 BGB) ergibt, so Helms, bei einer Adoption durch die eigenen genetischen Eltern keinen Sinn. Genetische Elternschaft muss im Allgemeinen keine soziale Bewährungsprobe überstehen, um rechtliche Anerkennung zu erfahren.279 Darüber hinaus erklärt Helms es als „fragwürdig“, abstammungsrechtliche Regeln für ein Kind so zuzuschneiden, 275  Wissenschaftliche Studien zeigen dies bisher sowohl für schwule als auch für lesbische Elternpaare, vgl. mit Nachweisen zur Forschung: Golombok, Modern Families, 2015, 66 ff., 176 ff.; vgl. auch die Nachweise bei BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 89 f., Rn.  80. 276  BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350, Rn.  60. 277  BGH, Urt. v. 23.9.2015 – XII ZR 99/14, NJW 2015, 3434; siehe: Löhnig/Runge- ­R annow, NJW 2015, 3757. 278  BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350. 279  Vgl. aus verfassungsrechtlicher Sicht: Jestaedt, in: Coester-Waltjen u. a. (Hrsg.), Alles zum Wohle des Kindes?, 2012, 13 ff. Für diese Konstellation wird etwa vorgeschlagen, bei Einverständnis aller Beteiligten die rechtliche Elternstellung auf die genetische Mutter übertragen zu können, Dethloff, Familienrecht, 2015, §  10, Rn.  92; MüKo-BGB/‌ Wellenhofer, 6.  Aufl. 2012, §  1591, Rn.  27, 35.

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Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

dass die rechtliche Elternschaft von vornherein einer Person zugesprochen wird, die als soziale Mutter ausscheidet, wie es die Leihmutter in den meisten Fällen tue. Die Missbilligung der Art der Zeugung dürfe abstammungsrechtlich keine Rolle spielen.280 Zur Reform seien ebenso wie bei Samenspenden klare Zuordnungen der Elternschaft im Wege beurkundeter Erklärungen möglich. Im Ergebnis spricht sich Helms aber gegen eine Änderung des Rechts aus, da diese kaum ohne eine Lockerung des Verbots der Leihmutterschaft in Deutschland möglich sei. Für Inlandsfälle dürfe, so Helms, der Handlungsdruck auch nicht allzu hoch sein.281 In Bezug auf Auslandsleihmutterschaften, die nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind, schlägt Helms eine Änderung des internationalen Abstammungsrechts mit einer Sonderanknüpfung an das Recht des Geburtsorts vor. Denkbar hält Helms insofern auch eine Durchbrechung von §  1591 BGB speziell in den Fällen internationaler Leihmutterschaft. In diesem Rahmen könnte das deutsche Recht Mindestanforderungen mit „Ausstrahlungswirkung“ für den internationalen „Leihmutterschaftsmarkt“ aufstellen.282 b.  Diskussion um die Co-Mutterschaft In der Diskussion um die Co-Mutterschaft von Anfang an empfiehlt der Arbeitskreis Abstammungsrecht eine Angleichung der Situation mit der des Ehemannes der Mutter nach Durchführung einer Samenspende. Es gäbe keinen Grund für eine Unterscheidung zwischen Mit-Mutterschaft und Mit-Vaterschaft nach einer Samenspende.283 c.  Kritische Analyse: Leihmutterschaft und Co-Mutterschaft aa. Leihmutterschaft Die Reproduktionsmedizin ermöglicht Leihmutterschaftsvereinbarungen, bei denen die Leihmutter mit Hilfe einer Eizellenspende ein genetisch fremdes Kind für die „Wunscheltern“ zur Welt bringt. In dieser Konstellation liefert die Eizellenspenderin wie der Samenspender genetisches Material für die Entstehung eines Kindes, mit dem sie nach dem Willen der Beteiligten weiter nicht in Kontakt treten soll und meist auch nicht will. Insofern stellt sich allerdings für das Kind die Frage nach der Kenntnis seiner Abstammung. Für die Leihmutter gilt nach dem Willen der Beteiligten zumindest bei Eingehung der Vereinbarung ebenfalls, dass sie, nachdem sie ihren „Beitrag“ zur Entstehung des Kindes geleistet hat, das Kind an die „Wunscheltern“ herausge280 

Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 50 f. Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 50 f. 282  Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 53 f. 283  Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, Thesen 50 ff., S.  70 ff. 281 

II. Mehrmutterschaft

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ben und danach keinen Kontakt mehr mit ihm haben wird. Der „Beitrag“ der Leihmutter nimmt allerdings naturgemäß deutlich längere Zeit in Anspruch als eine Ei- oder Samenspende und ist mit dem Aufbau einer außerordentlich engen Bindung284 zum Kind verbunden. Leihmutterschaft ist für die meisten Menschen die problematischste Form assistierter Reproduktion. Die Abgabe des Kindes nach der Geburt steht in scharfem Widerspruch zum gesellschaftlichen Bild von Mütterlichkeit, das Liebe und bedingungslose Hingabe für das Kind einschließt.285 Kommerzielle Leihmutterschaft kommerzialisiert – wie die Prostitution – Handlungen, die nach gesellschaftlichem Konsens aus Liebe erbracht werden sollen. Die Trennung von Mutter und Kind birgt zudem aufgrund der starken Nähe möglicherweise Gefahren für beide mit sich, die näher zu untersuchen sind.286 Überdies stellen die Kommerzialisierung von Mutterschaft und die damit unter Umständen verbundene Ausbeutung wirtschaftlicher Notlagen große Herausforderungen an den Umgang des Rechts mit der Leihmutterschaft. In Bezug auf das Kind stellt sich überdies die Frage, ob die Kenntnis der Leihmutter für das Kind ein schützenswertes Recht auf Kenntnis seiner eigenen Herkunft darstellt. Die Leihmutterschaft ist insofern ein Fall einer einverständlichen Mehrelternschaft, der mit großen ethischen Fragezeichen versehen werden muss. bb.  Abstammungsrechtliche Co-Mutterschaft Die Zulässigkeit der abstammungsrechtlichen Co-Mutterschaft ist dagegen ethisch weniger problematisch und wird bereits in vielen Ländern praktiziert.287 Hier handelt es sich, da der Samen eines Spenders verwendet wird, um einen Fall der einverständlichen Mehrelternschaft mit Samenspender, der bereits oben erörtert wurde. Dabei stellt sich allein die Frage, ob einem Zwei-Elternpaar ab Geburt die gemeinsame Elternschaft eingeräumt werden kann, auch wenn die Partnerin der Geburtsmutter keinen Samen zur Entstehung des Kindes beigetragen haben kann. In einem Fall wie dem des OLG Köln, 288 in dem die Eizelle von der anderen Partnerin stammte, erscheint die Verweigerung der Co-Elternschaft jedenfalls 284  Zu den naturwissenschaftlichen Untersuchungen zum Aufbau dieser Bindung vgl. unten Teil 4 I 2 (S. 291) und Teil 5 III 4 (S. 431). 285 Vgl. Bernard, Kinder machen, 2014, 469 ff. Die von frühen Evolutionsforschern propagierte Vorstellung selbstloser, passiver Mutterschaft ist freilich ein Mythos: vgl. Blaffer Hrdy, Mother Nature, 1999, Part One; gerade Menschenmütter setzen ihre auf außerordentlich viel Pflege angewiesenen Kinder im Vergleich mit anderen Primaten deutlich häufiger aus, wenn sie aus ihrem Umfeld keine Unterstützung erfahren, vgl. mit umfangreiche Studien: Blaffer Hrdy, Mothers and Others, 2011, 65 ff. 286  Vgl. dazu unten Teil 4 (S.  283), 5 (S.  341). 287 Z.  B. Österreich, Spanien, Großbritannien, Dänemark, Niederlande vgl. m. w. N. ­Deth­loff, FS Coester-Waltjen, 2015, 41, 49 f. 288  OLG Köln, Beschl. v. 26.3.2015 – II-14 UF 181/14, juris.

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Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

inkonsequent. Die rechtliche Elternschaft würde in diesem Fall die genetische Elternschaft widerspiegeln, die von der Rechtsordnung jedenfalls bei Vätern als wichtig angesehen wird.289 Die Ablehnung der Elternschaft der genetischen Mutter im Gegensatz zur Geburtsmutter ruft die Assoziation altertümlicher Theorien zur menschlichen Fortpflanzung wach, nach denen die Frau allein den Miniaturmensch (Homunkulus) im Samen des Mannes die Möglichkeit zum Wachsen bot, aber keinen eigenen Beitrag zum Körper des Menschen leistete.290 Wollte man hier alle genetischen Eltern und die Geburtsmutter notwendigerweise einbeziehen, führte kein Weg an der Mehrelternschaft vorbei. Solche Fälle werden unten bei den sogenannten „Queer-Families“ diskutiert.291 Aber auch im Übrigen spricht rechtspolitisch ebenso wenig gegen eine Co-Mutterschaft unmittelbar mit der Geburt wie gegen die unmittelbare Vaterschaft des Ehemannes der Mutter, der in die künstliche Befruchtung seiner Ehefrau eingewilligt hat. Eine solche Gleichstellung ist vielmehr dringend geboten. Aktuell stellt sich die Frage nach der Co-Mutterschaft mit der Geburt nach der Einführung der „Ehe für alle“ im Rahmen der analogen Anwendung des §  1592 Nr.  1 BGB.292 Die Argumente liegen auf der Hand: für eine analoge Anwendung spricht die vergleichbare Situation und Interessenlage bei der künstlichen Befruchtung der Ehefrau. Auch hier wird der Ehemann ungeachtet der fehlenden genetischen Abstammung sofort rechtlicher Vater. Diese Rechtsfolge entspricht auch dem Interesse des Kindes, das sofort zwei rechtliche Elternteile erhält, insbesondere wenn z. B. der Samenspender nie vorhatte, die Elternstellung zu übernehmen. Hier kann sich die Co-Mutter auch nicht mehr aus der Verantwortung für das Kind stehlen, das aufgrund des gemeinsamen Entschlusses mit ihrer Partnerin gezeugt wurde. Dass der genetische Vater ebenso wie bei einem in der Ehe geborenen Kind von der Elternschaft ausgeschlossen bliebe, spricht auch nicht gegen diese Lösung. Problemtisch erweist sich jedoch das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke. Zwar mag es sein, dass der Gesetzgeber bei der Entscheidung für die Ehe für alle nur an die Adoption, nicht aber an das Abstammungsrecht gedacht hat.293 Auch wenn Ziel der Regelung die vollständige rechtliche Gleichstellung von gleich- und verschieden­ geschlechtlichen Paare war, ist nicht anzunehmen, dass eine analoge Anwendung dem Willen des Gesetzgebers entsprochen hätte. Die Co-Mutterschaft war und ist äußerst umstritten und beschäftigte insofern sowohl den DJT als auch den Arbeitskreis Abstammungsrecht. Zwar besteht die Vaterschaft des 289  Dies erkannte auch der Supreme Court von Florida an, der die Eizellenspenderin insofern mit einem unverheirateten leiblichen Vater verglich Florida Supreme Court, v. 7.11.2013 D. M. T. v. T. M. H. 129. So. 3d 320 (Fla 2013). 290 Vgl. Mukherjee, The Gene, 2016, 25 f. 291  Teil 3 III 3 (S. 250). 292  Vgl. dafür: Löhnig, NZFam 2017, 643, 644; dagegen: Schmidt, NZFam 2017, 832. 293 So Löhnig, NZFam 2017, 643, 644.

III. Adoption

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Ehemanns nach geltendem Recht auch, wenn er nicht der genetische Vater des Kindes sein kann. Eine Anwendung auf die Co-Mutter verlangt eine teilweise Verschiebung des Fokus des Abstammungsrechts weg von der Zuordnung nach der zumindest möglichen genetischen Abstammung hin zu einer Ausrichtung an der Entscheidung eines Paares zur gemeinschaftlichen Zeugung eines Kindes. Dies kann nur der Gesetzgeber tun. Es ist daher dringend zu hoffen, dass er es bald tun wird. Auch verfassungsrechtliche Erwägungen können hier jedenfalls nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht helfen, da insofern kein Anspruch für einen nichtgenetischen Elternteil besteht, die rechtliche Elternschaft einzunehmen.294

III. Adoption 1. Einleitung Die Adoption bildet einen durchaus traditionellen Fall multipler Elternschaft. Zwei Eltern haben das Kind gezeugt, doch andere Eltern nehmen die soziale Elternstellung ein und werden rechtlich mit der alleinigen Elternschaft ausgestattet. Nach derzeitigem Recht endet die Rechtsbeziehung zwischen den ursprünglichen Eltern und dem Kind. Das Kind wird – bis auf gewisse Ausnahmen – vollständig in die Adoptivfamilie integriert.295 Pointiert formuliert das OLG Schleswig in seiner Entscheidung vom 30.1.2004: „Denn mit der Zustimmungserklärung zur Adoption ruht die elterliche Sorge und erlischt das Umgangsrecht der leiblichen Eltern, §  1751 Abs.  1 BGB. Das Kind erlangt durch die Adoption die Stellung eines leiblichen Kindes des / der Annehmenden (Volladoption). Mit der Zustellung des Adoptionsbeschlusses erlöschen die verwandtschaftlichen Beziehungen des Kindes sowie die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten zur Ursprungsfamilie (§  1750 Abs.  1 BGB). Insbesondere gehen Erb- und Unterhaltsansprüche gegen die leibliche Familie verloren. Diese vorgenannten Adoptionsregelungen widersprechen weder Art.  6 Abs.  1 noch Abs.  2 GG, da sie das Interesse an einer ungestörten Entwicklung des Kindes widerspiegeln. Das Umgangsrecht für die leibliche Mutter wird mit Wirksamwerden der Adoption ausgeschlossen, da es bei der allein im Interesse des Kindes durchgeführten Adoption auf die Integration des Kindes in die Adoptivfamilie ankommt. Ziel der Volladoption ist nach dem Willen des Gesetzgebers das Gelingen der neuen Sozialisation, wobei die Bedeutung der Herkunftsfamilie vollständig in den Hintergrund tritt.“296

Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass die ursprünglichen Eltern – selbst wenn sie das Kind nie wiedersehen – allein aufgrund der genetischen Abstammung im Leben des Kindes faktisch immer eine Rolle spielen werden. 294 

BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 81 f., Rn.  59. Vgl. zur Entwicklung oben Teil 2 I 1 e (S.  54). 296  OLG Schleswig, Beschl. v. 30.1.2004 – 10 UF 199, 222/03, FamRZ 2004, 1057, 1058. 295 

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Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

Die aktuelle Diskussion befürwortet die Einführung von offenen Adoptionen, d. h. Umgangs- und Auskunftsrechten der ursprünglichen rechtlichen ­Eltern neben den Adoptiveltern. Dies würde bedeuten, dass die tatsächliche bestehende Mehrelternschaft zwischen Herkunfts- und Adoptiveltern in Zukunft noch größere Bedeutung erlangen wird.

2.  Entwicklung des Adoptionsrecht Während das Adoptionsrecht bis zum Adoptionsgesetz 1977 den Adoptiveltern und den ursprünglichen rechtlichen Eltern gegenseitige Rechte und Pflichten beließ, führte das Adoptionsgesetz 1977 die vollständige rechtliche Trennung von den ursprünglichen rechtlichen Eltern und die vollständige Integration in die Adoptivfamilie ein.297 Voraussetzung ist gem. §  1741 BGB die Kindeswohldienlichkeit der Adoption und die Erwartung, dass zwischen dem Kind und den Adoptiveltern eine Eltern-Kind-Beziehung entstehen wird. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Adoptionsgesetzes 1977 waren Gesetzgeber und Wissenschaft der Auffassung, die Integration des Kindes in die Adoptionsfamilie würde durch die vollständige rechtliche Trennung von der Ursprungsfamilie erleichtert.298 Das Inkognito des Kindes wurde durch eine Reihe von Maßnahmen gesichert, einschließlich des Offenbarungs- und Ausforschungsverbots gem. §  1758 BGB. Dieses soll verhindern, dass Verwandte und die leiblichen Eltern des Kindes nach der Adoption „störende Kontakte“ zu dem Kind aufnehmen und so seine Integration in die neue Familie behindern.299 Diese Wertung des Gesetzgebers, dass nur eine Isolierung des Adoptivkindes von seinen leiblichen Eltern seine Integration und Entwicklung ermöglichen können, wird auch immer wieder von Gerichten in ihren Entscheidungen vorgebracht.300

3.  Offene Adoption a.  Wandel der Diskussion Inzwischen hat sich die Diskussion allerdings gewandelt. In Anlehnung an psychosozialwissenschaftliche Untersuchungen insbesondere in Ländern, die 297 

Vgl. oben Teil 2 I 1 e (S. 54). 7/3062, 19; Lüderitz, Adoption, 1972, 77 f.; Jayme, FamRZ 1974, 115, 116; Bosch, FamRZ 1984, 829, 834. 299 Palandt/Götz, 76.  Aufl. 2017, §  1758, Rn.  1. 300  Vgl. zu einem Fall, in dem eine Großmutter nach dem Tod der Tochter versuchte, Akteneinsicht zu nehmen, um Näheres über die Adoption des Enkelkindes zu erfahren: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.12.2013 – I-3 Va 7/13, FamRZ 2014, 1480; Anm. Brammen, NZFam 2014, 142; vgl. auch OLG Schleswig, Beschl. v. 30.1.2004 – 10 UF 199, 222/03, FamRZ 2004, 1057. 298  BT-Drucks.

III. Adoption

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Kontakte im weiten Umfang zwischen Kindern und ihren Herkunftseltern zulassen, wird heute zunehmend ein anderer Umgang mit der Adoption befürwortet. Die pauschale Annahme des deutschen Adoptionsrechts, der Kontakt des Kindes mit den Herkunftseltern sei ein Störfaktor, der die Integration des Kindes in die Adoptivfamilie störe, wird von der Adoptionsforschung zunehmend widerlegt.301 Es setzt sich immer mehr die Auffassung durch, dass das Verschweigen der Adoption negative Wirkungen auf die Identitätsentwicklung des Kindes haben kann.302 Selbst als Kleinkinder liebevoll in der neuen Familie aufgenommene Kinder müssen sich mit ihrer Herkunft auseinandersetzen.303 Verbreitet ist daher die Empfehlung, das Kind möglichst früh altersgerecht über seine Herkunft aufzuklären und die Besonderheiten der Familiengründung durch Adoption nicht zu leugnen.304 Diese Bereitschaft wird von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjungendämter als wesentliche Voraussetzung für ein Paar angesehen, das sich um eine Adoption bewirbt.305 Empfohlen wird in der Praxis daher einhellig eine offene Einstellung der Adoptiveltern zur Tatsache der Adoption.306 Teil dieses offenen Umgangs mit der Adoption innerhalb der Adoptivfamilie kann der Kontakt mit den Herkunftseltern sein. Viele – wenn auch nicht alle – Adoptivkinder wünschen sich Kontakt zu den Herkunftseltern.307 Auch in Bezug auf dieses Phänomen plädieren starke Stimmen in der Literatur308 für offene Adoptionen.309 „Offene Adoption“ ist jedoch kein fester Begriff, sondern schließt verschiedene Konstellationen vom sporadischen Austausch von Informationen zwischen Adoptiveltern und Herkunftseltern bis hin zu regelmäßigem, sogar unbegleiteten Umgang der Herkunftseltern mit dem Kind ein.310 Gerade in Großbritannien und den USA werden solche Konstellationen schon seit längerem praktiziert und ihre jedenfalls nicht negativen Aus301 Mit umfangreichen Nachweisen Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 86  ff.; ­MüKo-BGB/‌Maurer, 6.  Aufl. 2012, Vorbem. §  1741, Rn.  43 ff. 302 Vgl. Walper/Wendt, in: Pluralisierung der Elternschaft und Kindschaft, 2011, 211, 219 ff.; zum Verschweigen der Abstammung bei Samenspenderkindern: m. w. N. Golombok, Modern Families, 2015, 106 ff.; vgl. auch die Stellungnahme in: BVerfG, Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186, Rn.  18–23. 303  Hoksbergen/Paulitz/Bach, in: Paulitz (Hrsg.), Adoption, 2006, 43, 57 ff. 304 M.w.N. Knobbe, FPR 2001, 309, 315 f. 305 Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter, Empfehlungen zur Adoptionsvermittlung, 2014, 67 ff. 306  Hoksbergen/Paulitz/Bach, in: Paulitz (Hrsg.), Adoption, 2006, 43, 45 f.; Knobbe, FPR 2001, 309, 315. 307  Knobbe, FPR 2001, 309, 317. 308 MüKo-BGB/‌ Maurer, 6.   Aufl. 2012, Vorbem. §   1741, Rn.   43  ff. mit umfangreichen Nachweisen. 309  Vgl. dazu nur: v. Schlieffen, Offene Adoptionsformen, 1994; Paulitz, Offene Adop­t ion, 1997; Frank, FamRZ 2007, 1693, 1698. 310  Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 85 ff.

252

Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

wirkungen auf die Entwicklung der Adoptionskinder wurden dort in umfangreichen Untersuchungen festgestellt.311 Eine allgemeine, eindeutig positive ­Bilanz zu ziehen, ist jedoch schwierig. Die Entwicklung von Adoptivkindern ist immer eine individuelle Geschichte, die sich schlecht verallgemeinern lässt. ­Soweit Kontakt zwischen Adoptivkindern und den Herkunftseltern besteht, schätzen die Adoptivkinder diesen jedenfalls und wünschen sich meist sogar seine Intensivierung.312 Dies spricht dafür, Kontakte zwischen Adoptivkind und Herkunftseltern nicht generell auszuschließen. b. Stiefkindadoption Stiefkindadoptionen nehmen heute den größten Anteil der Adoptionen ein (2014 waren es 2190 Stiefkindadoptionen von 3805 Minderjährigenadoptionen).313 Bei der Stiefkindadoption trennt die Adoption nur das rechtliche Band zu einem Elternteil einschließlich seiner Familie, zum abgebenden Elternteil, §  1755 Abs.  2 BGB. Die Stiefkindadoption kann daher nur durchgeführt werden, wenn der ursprüngliche Elternteil, der meist der leibliche Elternteil ist, der Adoption zustimmt oder die Zustimmung ersetzt wird, §  1748 BGB.314 An dessen Stelle neu begründet wird eine rechtliche Elternstellung zum Adoptiv­ elternteil und dessen Familie. Kritisch daran wird beurteilt, dass diese Kinder, wie unten noch ausgeführt wird, häufig längere Zeit mit beiden Elternteilen gelebt haben und daher kein Grund bestehe, sie für die Zukunft völlig von ihrem leiblichen Elternteil, der der Adoption zugestimmt hat, abzuschneiden. Vielmehr sei die Aufrechterhaltung des Kontakts nach Auffassung heutiger psychologischer Erkenntnisse für das Kind auch nach der Trennung seiner Eltern wichtig.315 Statt einer vollständigen Kappung des Kontakts zu einem Elternteil befürworten Psychosozialwissenschaften die Stiefelternform der „Zwei-Kern-Familie“,316 bei der die Bindungen des Kindes zur neuen Familie und seinem Stiefelternteil, aber auch zu seinem anderen Elternteil, akzeptiert werden.317

311 Mit umfangreichen Nachweisen Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 86  ff.; ­MüKo-BGB/‌Maurer, 6.  Aufl. 2012, Vorbem. §  1741, Rn.  43 ff. 312 Vgl. mit Nachweisen zu den entsprechenden Studien Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 87 f. 313  Statistisches Bundesamt, Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe, Adoptionen 2014, 5. 314  Vgl. dazu: BGH, Beschl. v. 23.3.2005 – XII ZB 10/03, BGHZ 162, 357. 315  Wilke, Die Adoption minderjähriger Kinder durch den Stiefelternteil, 2014, 264 ff., insb. 269 f. 316  Dazu sogleich bei Teil 3 IV (S.  257): Wilke, Die Adoption minderjähriger Kinder durch den Stiefelternteil, 2014, 269; v. Schlieffen, Offene Adoptionsformen, 1994, 113. 317  Vgl. auch Walper/Enleitner-Phelps/Wendt, RdJB 2016, 210, 225 f.

III. Adoption

253

c.  Offene Adoption in der heutigen Praxis In Deutschland wird rechtlich die vollständige Trennung zwischen dem Adoptivkind und den Ausgangseltern eingeführt. In der Praxis kommt es allerdings trotzdem zu offen gelebten Adoptionen, bei denen das Ausforschungsverbot gem. §  1758 BGB gelockert wird. Mit Hilfe der Adoptionsvermittlungsbehörden werden hier Vereinbarungen zur Öffnung abgeschlossen, die z. B. Informations- und Umgangsrechte einschließen können. Ein solches Vorgehen wird heute von den Adoptionsvermittlungsbehörden positiv eingeschätzt, weil das Kind so Wertschätzung von seiner alten und neuen Familie erlebe und von ­Anfang an einen offenen Umgang mit seiner Herkunft erfahre. Auch die Herkunftseltern könnten so ihre Schuldgefühle und den Verlust des Kindes besser verarbeiten, wenn sie Anteil an seinem Schicksal nehmen könnten. Die Adoptiv­ eltern schließlich könnten auf diese Weise die Entscheidung der Herkunfts­ eltern besser verstehen und dem Kind gegenüber glaubhaft machen, dass auch die Herkunftseltern das Kind liebten und das Beste für es wollten.318 d.  Umgangs- und Auskunftsrechte Die Einhaltung von Vereinbarungen zum Informationsaustausch und zur Einräumung von Umgang an die Herkunftseltern durch die Adoptiveltern steht jedoch nach ganz herrschender Meinung allein in der Entscheidung der Adoptiveltern.319 Mit der Adoption verlieren Eltern ihre rechtliche Elternstellung und damit das Umgangsrecht gem. §  1684 BGB und das Auskunftsrecht gem. §  1686 BGB. In dieser Situation fragt sich, ob der leibliche Vater zumindest die Rechte gem. §  1686a BGB behält. Wäre dies der Fall, wäre zu überlegen, ob diese Rechte nicht auf die leibliche Mutter analog angewendet werden können. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen aber dem Vater, der der Adoption zugestimmt hat, keine Rechte nach §  1686a BGB zustehen, weil er sich bewusst gegen die Vaterschaft entschieden habe.320 Die Rechte des §  1686a BGB sollen nur dem leiblichen Vater zustehen, dessen Kind bereits einen rechtlichen Vater gem. §  1686a BGB besitzt.321 Ohne rechtlichen Vater solle der leibliche Vater die

318 Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter, Empfehlungen zur Adoptionsvermittlung, 2014, 38 ff. 319  OLG Schleswig, Beschl. v. 30.1.2004 – 10 UF 199, 222/03, FamRZ 2004, 1057, 1058; Hoffmann, JAmt 2003, 453, 454 f.; Botthof, Perspektiven der Minderjährigenadoption, 2014, 40. 320  BT-Drucks. 17/12136, 12; Palandt/Götz, 76.  Aufl. 2017, §  1686a, Rn.  3. 321  Der leibliche Vater soll aber – inkonsequenterweise – nicht verpflichtet sein die rechtliche Vaterschaft anzufechten, auch wenn die Anfechtung nicht von §  1600 Abs.  2 BGB gesperrt wird: BT-Drucks. 17/12136, 12; kritisch zurecht: Palandt/Götz, 76.  Aufl. 2017, §  1686a, Rn.  3.

254

Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

­ aterschaft anerkennen und sich nicht auf die „Vaterschaft light“ zurückziehen.322 V Damit soll der §  1686a BGB kein Gestaltungsmittel für eine Mehrelternbeziehung sein, sondern lediglich ein Hilfsmittel für den leiblichen, nichtrechtlichen Vater, der aufgrund des §  1600 Abs.  2 BGB nicht in die rechtliche Elternstellung einrücken kann. Soweit ein Herkunftselternteil zu dem Kind vor der Abgabe eine soziale Beziehung begründet hat, ist umstritten, ob diesem ein Umgangsrecht gem. §  1685 Abs.  2 BGB zukommen kann. Dies wird in der Rechtsprechung mit Blick auf den Ausschluss des Umgangsrechts gem. §  1684 BGB durch die Adoption weitgehend abgelehnt.323 Eine starke Meinung in der Literatur hält dem aber entgegen, dass in der Zustimmung zur Adoption nur im Fall der inzwischen seltenen Inkognito-Adoptionen ein Verzicht auf das Umgangsrecht liegen könne.324 Die Kindeswohldienlichkeit sei ohnehin Voraussetzung des Umgangsrechts. Sei diese Voraussetzung erfüllt, so sei nicht einzusehen, warum nicht auch das ­Adoptivkind weiter Kontakt mit den Herkunftseltern pflegen solle.325 Der Ausschluss sei vielmehr menschen- und grundrechtswidrig als Verstoß gegen Art.  8 EMRK und Art.  6 Abs.  1, 2 GG.326 In der Tat ist es nicht überzeugend, einen Umgang zwischen Herkunftseltern und Kind zu untersagen, wenn dieser – entsprechend der Voraussetzung des §  1685 Abs.  2 BGB – dem Kindeswohl dient. Es kann in der Tat von Zufälligkeiten abhängig sein, ob z. B. der Vater des Kindes die Vaterschaft anerkannte und dann der Adoption durch den neuen Partner der Mutter zustimmte oder ob er die rechtliche Vaterstellung nie besessen hat.327 Die Zustimmung zur Adoption wird in den meisten Fällen eine schwere Entscheidung sein. Entschließt sich beispielsweise ein Elternteil, sein Kind zur Adoption freizugeben, um ihm eine Perspektive zu eröffnen und nicht der Dauer­pflege oder Heimunterbringung zu überlassen, ist dies eine durchaus achtenswerte, verantwortungsbewusste Entscheidung. Geradezu kontraproduktiv könnte es hier wirken, dass dem Elternteil bei der Übergabe in die Pflegefamilie Umgangsrechte erhalten bleiben, bei einer Adoption jedoch nicht.328

322 

BT-Drucks. 17/12136, 12. OLG Schleswig, Beschl. v. 30.1.2004 – 10 UF 199, 222/03, FamRZ 2004, 1057; Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 2015, §  1685, Rn.  3c; Ch. Enders, FPR 2004, 60, 63. 324  Oberloskamp, ZKJ 2008, 484, 490; MüKo-BGB/‌ Maurer, 6.   Aufl. 2012, Vorbem. §  1741 ff., Rn.  40; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 2010, §   66, Rn.   20  f.; BeckOK-BGB/‌Veit, §  1685, Rn.  4; offen lassend OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.3.2006 – 15 UF 4/06, FamRZ 2006, 1865, 1866 f. 325  Botthof, Perspektiven der Minderjährigenadoption, 2014, 38 ff. 326 MüKo-BGB/‌ Maurer, 6.  Aufl. 2012, Vorbem. §  1741 ff., Rn.  40. 327  So schon MüKo-BGB/‌Maurer, 6.  Aufl. 2012, Vorbem. §  1741 ff., Rn.  40. 328 Vgl. dem stimmten auch 84% der befragten Fachkräfte in einer Umfrage zu: Hoffmann, JAmt 2011, 10 13 f.; vgl. auch Reinhardt, JAmt 2013, 499, 501; Paulitz/Baer, in Paulitz, Adoption, 2006, 191, 199. 323 

III. Adoption

255

Die Zulässigkeit offener Adoptionsformen besitzt aber besonders bei der Stiefkindadoption große Bedeutung.329 Bei der Stiefkindadoption geht der Annahme als Kind durch den Stiefelternteil ein Zusammenleben mit dem abgebenden Elternteil voraus, sodass die Aufrechterhaltung einer Beziehung für das Kind wichtig ist.330 Dies fördere, so die Literatur, insbesondere auch die aus Sicht der Psychosozialwissenschaften befürwortete Stiefelternform der „Zwei-Kern-Familie“, in der die Bindungen des Kindes zu beiden leiblichen ­Eltern akzeptiert werden.331 Will man eine Stiefkindadoption in dieser Situation nicht verbieten,332 so ist es jedenfalls wichtig, Formen zu wählen, die die Verbindung zu beiden Familien aufrechterhalten. e.  Grundrechte und EMRK – I.S. v. Deutschland Traditionell wurde ein Ausschluss des Umgangsrechts mit dem Art.  6 Abs.  1, 2 GG für vereinbar gehalten, da das Kind in einer neuen geschützten Familie ­lebe.333 Dies wird gerade nach den Anayo-Entscheidungen 334 des EGMR allerdings durchaus auch kritischer gesehen.335 Der EGMR selbst hat freilich in der Entscheidung I.S. v. Deutschland vom 5.6.2013 den Ausschluss von Umgangsrechten gem. §§  1684, 1685 BGB nach der Adoption nach deutschem Recht für konventionsgemäß gehalten und keinen Verstoß gegen Art.  8 Abs.  1 EMRK angenommen.336 In diesem Fall ging es um eine Mutter, die aufgrund psychischer Probleme ihre neugeborenen Zwillingstöchter in einer Pflegefamilie unterbringen wollte. Das Jugendamt strebte demgegenüber eine Adoption an, in die die Mutter schließlich unter der Bedingung einwilligte, einmal im Jahr Bilder sowie einen Entwicklungsbericht zu erhalten. Die Mutter wünschte also eine offene Adoption. Ob auch regelmäßige Treffen vereinbart wurden, ist unklar. Die Adoptiveltern hielten sich nicht an die Vereinbarung und blockten Kontakte ab. Nachdem die Mutter mit einer späteren Aufhebung der Adoption mit der Begründung ihrer damaligen psychischen 329  330 

269 f.

Wilke, Die Adoption minderjähriger Kinder durch den Stiefelternteil, 2014, 298 ff. Wilke, Die Adoption minderjähriger Kinder durch den Stiefelternteil, 2014, 264 ff., insb.

331  Dazu sogleich bei Teil 3 IV (S.  257): Wilke, Die Adoption minderjähriger Kinder durch den Stiefelternteil, 2014, 269; v. Schlieffen, Offene Adoptionsformen, 1994, 113. 332 Dazu: Wilke, Die Adoption minderjähriger Kinder durch den Stiefelternteil, 2014, 291 ff. 333 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 154; BayObLGZ, Beschl. v. 1.4.1971 – BReg. 1 Z 47/70, FamRZ 1971, 467, 470; Staudinger/‌ ­R auscher, 2011, §  1684, Rn.  55. 334 EGMR, Urt. v. 21.12.2010 – 20578/07 (Anayo v. Deutschland), FamRZ 2011, 269; EGMR, Urt. v. 15.9.2011 – 17080/07 (Schneider v. Deutschland), FamRZ 2011, 1715 m. Anm. Helms. 335  Kritsch MüKo-BGB/‌Maurer, 6.  Aufl. 2012, Vorbem. §  1741, Rn.  40 Fn.  121. 336  EGMR, Urt. v. 5.6.2013 – 31021/08 (I.S. v. Deutschland), FamRZ 2014, 1351 m. Anm. Botthof.

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Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

S­ ituation gescheitert war,337 begehrte sie Umgang, den ihr die deutschen Gerichte allerdings versagten. Der EGMR akzeptierte die Begründung der deutschen Gerichte und des deutschen Rechts, dass sich das Kind ungestört in der neuen Familie entwickeln solle.338 Die Mutter, die ihr Kind in Deutschland zur Adoption freigegeben habe, habe aufgrund der Belehrung gewusst, worauf sie sich einlasse.339 Allerdings erwähnt der EGMR hier auch, dass die Kinder zum Zeitpunkt der Abgabe noch sehr klein waren, sodass sich eine sozial-familiäre Beziehung zur Mutter noch nicht entwickelt habe.340 Zwei Minderheitenvoten der Richter Power-Forde und Zupančič kritisierten allerdings, dass das deutsche Recht Vereinbarungen zur Praktizierung einer geöffneten Adoption keinerlei Bindungswirkung zuerkenne.341 Jedenfalls de lege ferenda spricht damit viel für eine Öffnung der Adoption. Soweit sie dem Kindeswohl dienlich ist, befürworteten auch das Gutachten von Helms und die Beschlüsse des DJT 2016, Auskunfts- und Umgangsrechte der Herkunftseltern gegen die Adoptiveltern.342 Adoptivkinder sollten von ihren Herkunftseltern nur dann abgeschirmt werden, wenn dies zu ihrem Schutz erforderlich sei, z. B. wenn die Eltern das Kind misshandelt haben. Dies wird bei Stiefkindern meistens nicht der Fall sein.343 Hier ist vielmehr, wie gleich weiter zu zeigen ist, die Aufrechterhaltung eines Kontakts zwischen dem Adoptivkind und den leiblichen Eltern sinnvoll. Auch im Übrigen aber ist der Abbruch jedes Kontakts zwischen Herkunfts- und Adoptivfamilie im Interesse des Kindeswohls meist nicht gerechtfertigt, sondern kann dem Kind und den Herkunftseltern helfen, die Abgabe zu verarbeiten und in ihre Identität zu integrieren.344

4.  Kritische Analyse: Mehrelternschaft und (offene) Adoption Adoptivkinder leben immer in einem Mehrelternverhältnis, unabhängig davon, ob sie nach der Adoption Kontakt zu ihren leiblichen Eltern behalten. Das BGB von 1900 setzte dies rechtlich in ein Mehrelternverhältnis mit abgestuften Rechten und Pflichten sowie Umgangsrechte der abgebenden Eltern um. Das Adoptionsgesetz 1977 stellte demgegenüber das Kindeswohl in das Zentrum 337 Nach Botthof ist das ganze Verhalten der Mutter- von der Abgabe der Kinder in einer Notsituation bis zum Wunsch nach Kontakt mit den Kindern nach Verbesserung der Situa­ tion typisch: Botthof, Anmerkung FamRZ 2014, 1353. 338 Kritisch: Botthof, FamRZ 2014, 1353, 1354. 339 EGMR, Urt. v. 5.6.2013 – 31021/08 (I.S. v. Deutschland), NJW 2015, 2319, 2320 f., Rn.  72 ff. 340 EGMR, Urt. v. 5.6.2013 – 31021/08 (I.S. v. Deutschland), NJW 2015, 2319, 2322, Rn.  89. 341  Diese Sondervoten sind in der NJW nicht mit abgedruckt daher die Veröffentlichung bei HUDOC vgl. EGMR, Urt. v. 5.6.2013 – 31021/08 (I.S. v. Deutschland). 342  Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 85 ff. 343 MüKo-BGB/‌ Maurer, 6.  Aufl. 2012, Vorbem. §  1741 ff., Rn.  50. 344  Hoffmann, JAmt 2003, 453, 455.

IV. Stiefeltern

257

und meinte dies, entsprechend der damaligen Überzeugung, am besten mit ­einer vollständigen Integration in die aufnehmende Familie fördern zu können. Die Volladoption kappt entsprechend alle rechtlichen Bande zwischen den abgebenden Eltern und dem Kind. Die abgebenden Eltern verlieren in diesem ­Zusammenhang alle Umgangs- und Auskunftsrechte. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber das Prinzip der Zwei-Elternschaft voll im Adoptionsrecht durchgesetzt. Inzwischen hat sich aber die Überzeugung durchgesetzt, dass sich das Verschweigen der Adoption gegenüber dem Kind auch negativ auf seine Entwicklung auswirkt. Ein offener Umgang mit der Adoption unterstützt seine Entwicklung offenbar am besten. Der Kontakt mit den abgebenden Eltern wirkt sich nicht negativ, in vielen Fällen sogar positiv aus. Auch für die abgebenden Eltern und die Adoptiveltern kann der Kontakt miteinander den offenen Umgang mit der Adoption erleichtern und dem Kind das Gefühl nehmen, von seinen leiblichen Eltern ungeliebt und daher abgegeben worden zu sein. Dies ist umso wichtiger bei der Stiefkindadoption, bei der bereits eine Beziehung mit dem abgebenden Elternteil besteht, die nur zur Integration in die Stieffamilie gelockert werden soll. Daher scheint sich mit guten Gründen inzwischen die Überzeugung durchzusetzen, dass zumindest Umgangsrechte aus §  1685 Abs.  2 BGB auch nach der Adoption erhalten bleiben können. Außerdem fordern Wissenschaft und Praxis die Einführung von offenen Adoptionsformen. Sogar die Adoptionsvermittlungsstellen stehen Kontakten zwischen abgebenden Eltern und der Adoptivfamilie und dem Kind positiv gegenüber. Sie vermitteln schon jetzt Kontakte zwischen den Beteiligten, die allerdings allein im Belieben der Adoptivfamilie stehen. Damit ergibt sich der Befund, dass das Recht nach wie vor vom Prinzip der Zwei-Elternschaft ausgeht, die Einhaltung dieses Prinzips aber in der Praxis in der Vielzahl der Fälle seine Akzeptanz verloren zu haben scheint.

IV. Stiefeltern 1.  Tatsächliche Situation und Herausforderungen In Deutschland leben ca. 10% der Familien mit Kindern (ca. eine Million Kinder) in einer Stieffamilie.345 Angesichts hoher Trennungs-, Scheidungs- und Wiederverheiratungszahlen ist in Zukunft sogar noch mit einem Anstieg der Stieffamilien zu rechnen.346 Stieffamilien sind keine neue Familienform, doch 345  Vgl. m.N.: Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 58 f.; vgl. zu statistischen Daten auch: Walper, FS Brudermüller, 2014, 889, 890 ff. 346  Steinbach, in: Hill/Kopp (Hrsg.), Handbuch Familiensoziologie, 2015, 563, 597.

258

Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

bilden sie sich heute meist nach Trennung und Scheidung der leiblichen Eltern statt wie früher nach dem Tod eines Elternteils. Im Gegensatz zu den bereits aus Märchen bekannten Stieffamilien wird nicht ein leiblicher Elternteil durch ­einen anderen ersetzt, sondern ein – manchmal auch beide – Elternrollen von den jeweils neuen Partnern der Eltern doppelt besetzt.347 Damit sind sie notwendigerweise in eine Diskussion multipler Elternschaft einzubeziehen. Stieffamilien kommen in verschiedenen Formen vor.348 Die Stiefeltern können gleichen oder verschiedenen Geschlechts sein, sie können eine Lebenspartnerschaft oder Ehe eingegangen sein oder als faktische Partner zusammen­ leben.349 Im Übrigen kann danach unterschieden werden, ob das Stiefelternteil mit dem Kind bei dem Elternteil zusammenlebt, bei dem sich das Kind vorwiegend aufhält, also in der sog. primären Stieffamilie oder Stieffamilie im engeren Sinne. Dann gibt es die Stieffamilie, die durch einen Elternteil vermittelt werden, mit dem das Kind nicht zusammenlebt, bei dem sich das Kind im Rahmen eines Umgangsrechts aber vorübergehend aufhält, die sog. sekundäre Stieffamilie.350 Je mehr sich die leiblichen Eltern aber nach ihrer Trennung die Sorge des Kindes teilen und das Kind Zeit bei beiden verbringt, desto fließender werden die Übergänge zwischen beiden Formen. Stiefeltern werden als Fall „asymmetrischer Elternschaft“ beschrieben.351 Während ein Elternteil rechtlicher, leiblicher und sozialer Elternteil ist, muss der andere eine Beziehung erst aufbauen und sich in eine Familie einfügen, die bereits eine Geschichte hat. Insofern ist die Beziehung des Kindes zum leiblichen Elternteil praktisch immer enger und vertrauensvoller; ihm kommt auch eine wichtige Vermittlerrolle zwischen dem neuen Partner und dem Kind zu.352 Dies ist meist keine einfache Aufgabe. Sowohl auf Seiten der Kinder, der leiblichen Eltern als auch auf Seiten des Stiefelternteils können Loyalitätskonflikte und Eifersucht entstehen. Ein gutes Verhältnis zum Stiefelternteil muss aber nicht notwendig die Beziehung zum externen leiblichen Elternteil verschlechtern. Häufig ist die Beziehung zum externen leiblichen Elternteil gerade dann besonders gut, wenn auch zum Stiefelternteil eine gute Beziehung entstanden ist.353 Gleichermaßen vielfältig sind die Entwicklungen, die in Stieffamilien eintreten. Mit der Zeit 354 kann sich ein Stiefelternteil zur wichtigen Bezugsperson entwickeln und das Kind sogar adoptieren (gem. §§  1741 ff. BGB, §  9 Abs.  7 347 

Walper, FS Brudermüller, 2014, 889. Walper, FS Brudermüller, 2014, 889, 892 ff. 349  Bien/Hartl/Teubner, in: Bien/Hartl/Teubner (Hrsg.), Stieffamilien in Deutschland, 2002, 11. 350  Feldhaus/Huinink, in: Schwab/Vaskovics (Hrsg.), Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, 77, 80. 351  Walper, FS Brudermüller, 2014, 889, 894 f. 352  Walper, FS Brudermüller, 2014, 889, 895. 353  Walper, FS Brudermüller, 2014, 889, 898 f. 354  Steinbach, in: Hill/Kopp (Hrsg.), Handbuch Familiensoziologie, 2015, 563, 574; 348 

IV. Stiefeltern

259

LPartG).355 Stiefkindadoptionen sind heute die häufigste Form der Adop­tion.356 Der Stiefelternteil kann sich auch zu einer Art väterlichem Freund oder mütterlicher Freundin entwickeln.357 Auf der anderen Seite besteht ein hohes Risiko der Trennung des leiblichen Elternteils und des Stiefelternteils. Damit endet offenbar – obgleich es an aussagekräftigen Studien in Deutschland fehlt – meist auch die Beziehung zum Stiefelternteil.358 Veröffentlichte Entscheidungen, in denen über Umgangsansprüche gem. §  1685 Abs.  2 BGB entschieden würde, sind selten.359

2.  Rechtliche Situation und Diskussion Das Verhältnis zwischen Eltern und Stiefkindern spielt sich jedenfalls am Anfang in einem rechtlich kaum regulierten Bereich ab, in dem der Stiefelternteil aber oft Aufgaben der Sorge mitübernimmt und finanziell zum Familieneinkommen beiträgt. Während mit Zustimmung des leiblichen Elternteils eine Stiefkindadoption mit Übernahme der elterlichen Rechte und Pflichte erfolgen kann, erbringen Stiefeltern jedenfalls am Anfang Beiträge im Haushalt und zum Unterhalt der Stiefkinder ohne rechtliche Verpflichtung. a.  Kleines Sorgerecht Im Übrigen ist der Stiefelternteil auf das sogenannte kleine Sorgerecht des §  1687b BGB bzw. §  9 Abs.  1–4 LPartG beschränkt, das allerdings neben dem leiblichen Elternteil kein gleichberechtigtes Mitspracherecht einräumt,360 sondern die tatsächliche Übernahme von Pflege und Erziehung in der Partnerschaft anerkennen und absichern soll.361 Insofern kann man der Vorschrift durchaus

Beckh/Walper, in: Bien/Hartl/Teubner (Hrsg.), Stieffamilien in Deutschland, 2002, 201, 204 (durchschnittlich fünf Jahre). 355  Aufgrund der nach geltender Rechtslage notwendigen Kappung der rechtlichen Beziehungen zum externen leiblichen Elternteil ist hier jedoch Vorsicht geboten, vgl. Wilke, Die Adoption minderjähriger Kinder durch den Stiefelternteil, 2014, 283 ff.; Muscheler, StAZ 2006, 189, 192; so entschied auch der BGH, dass die Stiefkindadoption dem Stiefkind nicht notwendig Vorteile bringe: BGH, Beschl. v. 23.3.2005 – XII ZB 10/03, BGHZ 162, 357. 356  Vgl. oben Teil 3 IV (S.  257). 357  Steinbach, in: Hill/Kopp (Hrsg.), Handbuch Familiensoziologie, 2015, 563, 574; Théry/Leroyer, Rapport du groupe de travail filiation, origines, parentalité, 2014, 282 f.; Hartl/Teubner, in: Bien/Hartl/Teubner (Hrsg.), Stieffamilien in Deutschland, 2002, 229, 236. 358  Coleman u. a., Journal of Marriage and Family 2015, 775, 779; Noël-Miller, Journals of Gerontology Series B: Psychological Sciences and Social Sciences, 2013, 409, 414 f., 417; Schmeeckle u. a., Journal of Marriage and the Family 2006, 595, 602. 359  Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 66. 360  Schwab, Familienrecht, 2015, §   60, Rn.  718; Palandt/Brudermüller, 76.  Aufl. 2017, §  9 LPartG, Rn.  2; a. A. Staudinger/‌Salgo, 2014, §  1687b, Rn.  11 f. 361  BT-Drucks. 14/3751, 39.

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Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

einen vor allem symbolischen Charakter zuschreiben.362 Das Bundesverfassungsgericht363 hatte, wie oben ausgeführt, dieses Recht nicht als Verletzung der Elternstellung des anderen, nicht sorgeberechtigten Elternteils angesehen, aber auch keine Ausführungen zur verfassungsrechtlichen Stellung des Stiefelternteils gemacht.364 Die Vorschriften sind nur anwendbar, wenn der betreuende Elternteil das alleinige Sorgerecht innehat. Da dies heute zunehmend seltener der Fall ist, propagiert Helms in seinem Gutachten zum DJT 2016 eine Ausdehnung auf Verhältnisse der gemeinsamen Sorge,365 sowie auf Verhältnisse, in denen das leib­ liche Elternteil und das Stiefelternteil keine rechtlich formalisierte Beziehung eingegangen sind, sondern seit ca. zwei bis fünf Jahren zusammenleben.366 Ob sich eine soziale Beziehung zwischen Stiefkind und Stiefeltern entwickelt, soll unabhängig davon sein, ob die Stiefelternbeziehung formalisiert sei oder die ­elterliche Sorge allein oder gemeinsam ausgeübt wird. Insofern müsste allerdings auch die Verbleibensanordnung gem. §  1682 Abs.  1 S.  1 BGB auf faktische Stiefeltern erstreckt werden.367 Bei einer Erstreckung auf Situationen der gemeinsamen Sorge sei ein Konflikt mit dem externen Elternteil ausgeschlossen, weil sich das kleine Sorgerecht jeweils vom anderen leiblichen Elternteil in ­Angelegenheiten des täglichen Lebens ableite, die gem. §  1687 Abs.  1 S.  2 und 4 BGB ohnehin nur dem einen oder anderen Elternteil zugewiesen seien. Dies bedeutet aber, das im echten Wechselmodell bzw. einer Queer-Family, bei denen nicht mehr zwischen primärer und sekundärer Stieffamilie unterschieden werden kann, auch zwei Stiefeltern die Rechte des §  1687b BGB ausüben könnten.368

362  Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 62; „Politischen Signalcharakter“ Löhnig, in: Schwab/Vaskovics (Hrsg.), Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, 157, 167. 363  BVerfG, Urt. v. 17.7.2002 – 1 BvF 1, 2/01, BVerfGE 105, 313, 354. 364  Vgl. oben: Teil 2 II 5 h bb (S. 174). 365  Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 62; so auch: Staudinger/‌ Coester, 2015, §  1626a, Rn.  68; Staudinger/‌Salgo, 2014, §  1687b, Rn.  8; MüKo-BGB/‌ Hennemann, 6.  Aufl. 2012, §  1687b, Rn.  3; Veit, FPR 2004, 67, 70; Muscheler, FamRZ 2004, 913, 919. 366  Dethloff, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, 2005, 146; Staudinger/‌Salgo, 2014, §  1687b, Rn.  8 , §  1682, Rn.  3; Brosius-Gersdorf, JbÖffR 2014, 179, 187 ff. hält das sogar für verfassungsrechtlich geboten; ablehnend: Löhnig, in: Schwab/Vaskovics (Hrsg.), Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, 157, 160; zweifelnd: Veit, FPR 2004, 67, 70; Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F, 62 f. 367  Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 63 f.; Dethloff, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, 2005, 137, 147; Wellenhofer, AnwBl 2008, 559, 564.; Muscheler, FamRZ 2004, 913, 921; vgl. auch Staudinger/‌Salgo, 2016, §  1682, Rn.  3. 368  Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 66 ff.

IV. Stiefeltern

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b.  Sorgerecht und Adoption Die Möglichkeit einer gleichberechtigten Mitsorge für den Stiefelternteil besteht trotz der Forderung beim 59. Deutschen Juristentag 1992369 nicht. Der Gesetzgeber begründete dies damit, dass ein vollwertiges Sorgerecht außer im Fall einer Adoption nur zu Konflikten führe.370 Vielfach wird es in der Literatur als problematisch beurteilt, dem Stiefelternteil, dessen Stellung sich aus der Vermittlerrolle des leiblichen Elternteils ableite, eine eigenständige Sorgerechts­ position einzuräumen. Dies könne nicht nur zu erheblichen Konflikten mit den leiblichen Eltern führen, sondern auch das Elternrecht des anderen Elternteils verletzen.371 Deshalb schlägt Helms vor, eine Mitsorge mit Zustimmung beider Eltern (unabhängig davon, ob diesen ein Sorgerecht zusteht) begründen zu können, um kein Elternteil auszuklammern. Dies würde in der Tat der Stiefelternform der „Zwei-Kern-Familie“ entsprechen.372 Voraussetzung dafür solle sein, dass die Stiefelternbeziehung bereits etwa zwei Jahre lang besteht. Im Übrigen sei eine Reform des Adoptionsrechts zu diskutieren, die nicht auf der vollständigen Kappung der Bande zur alten Familie besteht.373 Darüber hinaus werden gewisse vermögensrechtliche Folgen einer solchen Sorge, wie ein Unterhaltsrecht, diskutiert. Vorgeschlagen wird insofern eine nachrangige einseitige Unterhaltspflicht des Stiefelternteils.374 Auf dem 71. DJT in Essen wurde eine solche Unterhaltspflicht nach kontroverser Abstimmung wohl eher befürwortet, wobei bei der Abstimmung offenbar das Argument überzeugte, dass das gemeinsame Sorgerecht für den Stiefelternteil auch mit Pflichten einhergehen müsse. Brudermüller lehnte in seinem Referat eine Unterhaltspflicht für den Stiefelternteil im Ergebnis aber grundsätzlich ab. Nach Abwägung der Argumente hielt er letztlich für ausschlaggebend, dass Leistungen an das Stiefkind, die Stiefeltern tatsächlich durchaus erbrächten, auf Freiwilligkeit beruhen müssten.

369  Verhandlungen des 59. DJT, 1992, Bd.  II, S.  M 262 so auch Sorgerechtskommission des DFGT, FamRZ 1993, 1164, 1165. 370  BT-Drucks. 13/4899, 66. 371  Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 66 f.; Coester-Waltjen, FS Schwab, 2005, 765; Rauscher, Familienrecht, 2008, Rn.  1134; Brosius-Gersdorf, JbÖffR 2014, 179, 199 f. 372  Dazu sogleich bei Teil 3 IV (S.  257): Wilke, Die Adoption minderjähriger Kinder durch den Stiefelternteil, 2014, 269; v. Schlieffen, Offene Adoptionsformen, 1994, 113. 373  Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 85 ff. 374  Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 70; Heiderhoff, FamRZ 2008, 1901, 1907; Muscheler, FamRZ 2004, 913, 919; der 59. DJT in Hannover lehnte eine Unterhaltspflicht für Stiefeltern ab (Verhandlungen des 59. DJT Hannover, 1992, S.  M 259).

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Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

3.  Kritische Analyse: das häufigste Mehrelternverhältnis Das Stiefkindverhältnis ist die praktisch häufigste Mehrelternkonstellation. Sie bilden sich zwar häufig in einer konfliktreichen Ausgangslage, doch gelingt es den Beteiligten sehr oft, eine tragfähige Familienbeziehung zu entwickeln, in der das Kind eine weitere Bezugsperson gewinnt, ohne dass darunter die Beziehung zum anderen Elternteil notwendig leiden würde. Allerdings ist die Beziehung des Stiefelternteils insofern fragil, als bislang vielfach ein rechtlicher Rahmen fehlt, insbesondere in Fällen, in denen die beiden leiblichen Elternteile die gemeinsame Sorge nach der Trennung behalten haben. Auch hier zeigt sich wieder, dass das Recht vom Prinzip der Zwei-Elternschaft ausgeht, während in der Praxis tatsächlich eine Mehrelternschaft gelebt wird.

V. Pflegeeltern Auch bei Pflegeeltern kommt es zu einem Auseinanderfallen von leiblicher und rechtlicher Elternschaft auf der einen Seite und sozialer Elternschaft auf der anderen Seite. Pflegefamilien werden in Situationen begründet, in denen die ­Eltern ihre Sorgeaufgaben nicht angemessen wahrnehmen konnten oder wollten. Häufig bestehen Pflegeverhältnisse über viele Jahre und nur selten gelingt die erfolgreiche Rückführung in die Herkunftsfamilie.375 Trotzdem ist eine rechtliche Verfestigung der Beziehung zwischen Pflegekind und Pflegeeltern schwierig. Adoptionen bedürfen der Zustimmung der leiblichen Eltern; nur in äußersten Fällen wird die Einwilligung ersetzt.376 Insofern werden Dauerverbleibensanordnungen diskutiert.377 Pflegekinder bilden einen besonders wichtigen und traurigen Fall der Mehrelternschaft. Sie werden jedoch in dieser Untersuchung nicht vertieft behandelt. Auch hier stellt sich das Problem, dass die Beziehung zu den Pflegeeltern aufgrund des Prinzips der Zwei-Elternschaft rechtlich schwach ausgestaltet ist.

375  Kindler/Scheuerer-Englisch/Gabler/Köckeritz, in: Kindler u.  a. (Hrsg.), Handbuch Pflegekinderhilfe, 2011, 128, 131; Kindler/Küfner/Thrum/Gabler, in: Kindler u. a. (Hrsg.), Handbuch Pflegekinderhilfe, 2011, 625, 40 ff. 376 Zum engen verfassungsrechtlichen Spielraum: BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 10, 59 = FamRZ 1968, 578, 584 ff.; BVerfG, Beschl. v. 20.1.1987 – 1 BvR 735/86, FamRZ 1988, 807; BVerfG, Beschl. v. 16.1.2002 – 1 BvR 1069/01, FamRZ 2002, 535, 536; BVerfG, Beschl. v. 29.11.2005 – 1 BvR 1444/01, FamRZ 2006, 94, 95 f.; Statistisches Bundesamt, Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe, Adoptionen 2014, S.  12. 377  Vgl. mit umfangreichen Nachweisen: Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 76 ff.

VI. Queer-Families

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VI. Queer-Families 1.  Tatsächliche Grundlagen Eine neue Form der Elternschaft wird in der sogenannten Queer-Family gelebt. Dabei wird nicht nur die Zeugung eines Kindes von mehr als zwei Eltern gemeinsam geplant und dabei genetisches Material von einer Person genutzt, die nicht der eigene Partner ist, sondern das Kind auch von mehr als zwei Eltern gemeinschaftlich aufgezogen. Hierbei schließt sich häufig ein homosexuelles Paar mit einer weiteren homosexuellen Person oder einem weiteren homosexuellen Paar des anderen Geschlechts zusammen, um gemeinsam ein Kind zu zeugen und aufzuziehen. Man kann die Queer-Family daher als schwul-lesbische Co-Elternschaft378 beschreiben. Der Fokus auf homosexuelle Paare ist allerdings nicht ganz zutreffend. Es kommen durchaus Konstellationen vor, in denen eine heterosexuelle Person mit einem homosexuellen Paar eine Familie gründet, sei es, weil der richtige Partner für die Familiengründung nicht zu finden ist, sei es, weil der andere Elternteil des gemeinsamen Kindes nach anderen Kriterien ausgesucht werden soll als der sexuelle Partner.379 So war ein Motiv für Jochen König, als Vater mit einem lesbischen Paar eine Familie zu gründen, dass er seinem zweiten Kind nicht eine konfliktreiche Trennung der Eltern zumuten wollte. Beziehung und Elternschaft sollten nach seiner Schilderung entkoppelt werden, so könnten sich die Eltern nie trennen, weil sie nie zusammen waren.380 Co-Elternschaften werden in verschiedenen Modellen gelebt, die von der Wahl eines individualisierten Samenspenders381 ohne Vaterrechte über regelmäßige Besuchsrechte des genetischen Vaters382 hin zu einer echten kooperativen Elternschaft mit drei383 bis vier gleichberechtigten Elternteilen reichen können. Der Wunsch nach Gründung einer Queer-Family ist durchaus verbreitet. Bei Befragung unter Homosexuellen mit Kinderwunsch gaben 24,8% der Männer 378 

Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 22. zu Beispielen dieser Art: Hummel, FAZ.net v. 10.9.2016; vgl. auch Kensche, Welt.de v. 19.11.2015. 380  Kensche, Welt.de v. 19.11.2015; vgl. auch König, Mama, Papa, Kind? 2014; die hier beschriebenen Aussagen zur Wahl des anderen Elternteils mit langen Gesprächen über Vorstellungen von Familie und Kindererziehung und der anschließenden schamhaften Übergabe des Bechers zur Durchführung der Zeugung erinnern ein Stück weit an entsexualisierte Gespräche über die Eingehung von Vernunftehen in der Literatur des 19. Jahrhundert. 381  Rupp/Dürnberger in: Rupp (Hrsg.), Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften, 2009, 53, 89 ff. 382  Vgl. zu einem Beispiel dieser Art: Bernard, Kinder machen, 2014, 485 ff. 383  Vgl. dazu Art: Hummel, FAZ.net v. 10.9.2016, in denen zwei Männer und eine Frau eine Wohnung mit ihren gemeinsamen Kindern teilen, aber auch Kensche, Welt.de v. 19.11.2015. 379 Vgl.

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Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

und 31,6% der Frauen an, dass sie ihren Kinderwunsch mit einem befreundeten homosexuellen Paar realisieren könnten. Was die konkrete Ausgestaltung einer solchen „kooperativen Elternschaft“ angeht, bestanden zwischen den betreffenden Männern und Frauen allerdings unterschiedliche Vorstellungen: Während 43,5% der Männer sich eine gleichberechtigte Elternschaft vorstellten, nannten diese Option nur 9,8% der Frauen, von denen 52,3% angaben, sie wünschten sich, die alleinige Erziehungsverantwortung für ein Kind zu haben. Die befragten Frauen sprachen sich mehrheitlich dafür aus, das kooperierende Männerpaar solle keine aktive Rolle übernehmen (34,9%) oder das Kind zwar regel­ mäßig sehen, aber keine Erziehungsbeteiligung ausüben (27,9%). Die Männer konnten sich eine Beteiligung als reiner Samenspender dagegen praktisch nicht vorstellen.384 Die lesbischen Paare wünschen sich damit eher eine Zwei-Elternschaft mit ihrer Partnerin und nur geringer Beteiligung des Vaters, wohingegen sich Männer eine gleichberechtigte Einbindung mit der Mutter und ihrer Partnerin häufiger wünschten.385 Einige Frauen schätzen aber auch die Aussicht, dass das Kind eine echte Beziehung zum genetischen Vater aufbauen kann.386 Schließlich gibt es auch lesbische Paare, die sich die Gründung einer gleichberechtigten Queer-Family wünschen, in der sich alle drei oder vier beteiligten Erwachsenen als Eltern verstehen und gegenseitig in dieser Rolle respektieren.387 Die Queer-Families fordern klassische Eltern-Vorstellungen gleichzeitig heraus und bestätigen sie insofern, als üblicherweise doch zwei Elternteile die unmittelbare Erziehung des Kindes übernehmen, aber weitere Beteiligte in verschiedenem Maß hinzugezogen werden. Damit stellt sich die Frage, wieviel Flexibilität das Recht für die Eltern-Kind-Beziehung erlauben darf und erlauben sollte.

2.  Derzeitige Regelung Die Queer-Family stellt das Recht vor ganz neue Herausforderungen. Hier handelt es sich um einen Fall der einverständlichen Mehrelternschaft. Bei Samen­spende, Eizellenspende und Leihmutterschaft soll aber nach dem Willen der Beteiligten der Spender bzw. die Leihmutter später keine Rolle mehr im Leben des Kindes spielen. Bei der Queer-Family wollen dagegen alle Eltern mit dem Kind verbunden bleiben und so Mehrelternschaft auch tatsächlich leben. Dies stellt insofern neue Herausforderungen an das Recht als zu prüfen ist, ob 384  Haag, in: Maio/Eichinger/Bozarro (Hrsg.), Kinderwunsch und Reproduktionsmedizin, 2013, 420 f. 385  Haag, in: Maio/Eichinger/Bozarro (Hrsg.), Kinderwunsch und Reproduktionsmedizin, 2013, 422. 386  Haag, in: Maio/Eichinger/Bozarro (Hrsg.), Kinderwunsch und Reproduktionsmedizin, 2013, 20. 387  Rupp/Bergold, in: Rupp (Hrsg.), Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften, 2009, 281, 288, siehe oben.

VI. Queer-Families

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der Wunsch der Mehreltern nach gemeinsamer Verantwortung rechtlich anerkannt und so das Prinzip der „Zwei-Elternschaft“ aufgegeben werden soll. a.  Keine gemeinsame Elternschaft In der kanadischen Provinz British Columbia ist es inzwischen zulässig, bereits drei oder vier Eltern in das Geburtenbuch eintragen zu lassen. Section 30 Family Law Act erlaubt dies, wenn ein Kind im Wege künstlicher Befruchtung gezeugt wurde und sich eine Geburtsmutter und ihr Partner/Partnerin mit Spendern (sei es Ei- oder Samenzelle) oder zwei „intended parents“ („Wunscheltern“) mit der Geburtsmutter vor der Zeugung in einer Vereinbarung auf eine Mehrelternschaft verständigt haben.388 Dann sind die drei oder vier Parteien der Vereinbarung die Eltern dieses Kindes (Section 30 Abs.  2 Family Law Act of British Columbia).389 Die Zustimmung der Parteien zu der Vereinbarung kann bis zur Zeugung des Kindes widerrufen werden (Section 30 Abs.  3 Family Law Act of British Columbia). Das geltende deutsche Recht sieht eine Elternschaft zu dritt oder viert aber nicht vor.390 Dies bedeutet, dass einer oder zwei Elternteile in einer Queer-­ Family keine rechtlich gesicherte Position einnehmen können, sondern von der Kooperation der beiden rechtlichen Eltern abhängig sind. Insofern verwundert es nicht, dass aus der Praxis von verschiedenen Modellen berichtet wird, in denen drei oder vier Beteiligte die Gestaltungsmöglichkeiten, die das geltende Recht bietet, nutzen. Entsprechend der verschiedenen Optionen und des Fehlens klassischer Rollenbilder scheinen die Rollen unter den Beteiligten rechtlich und tatsächlich erst „ausgehandelt“ werden zu müssen. Das gilt sowohl innerhalb der Paare als auch zwischen den Paaren bzw. dem Paar und dem weiteren biologischen Elternteil.391 Dabei scheint es durchaus auch möglich zu sein, dass sich die Rolle der Beteiligten mit der Zeit wandelt, z. B. wenn ein Vater im Laufe der Zeit eine stärkere Verbindung mit dem Kind aufbaut, das anfangs fast nur Zeit mit der Mutter und deren Partnerin verbrachte.392

388  Vgl. zum British Columbia Family Law Act, 2013: Kelly, UBC Law Review 2014, 565; Reuß, Abstammungsrecht.de v. 15.2.2014. 389  Reuß, Abstammungsrecht.de v. 15.2.2014. 390 Vgl. Dethloff, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung durch Reproduk­ tionsmedizin, 2016, 51 ff.; Kelly, UBC Law Review 2014, 565; Kelly, Alberta Law Review, 2013, 1. 391 Vgl. Rupp/Dürnberger, in: Rupp (Hrsg.), Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften, 2009, 53, 90 f.; Haag, in: Maio/Eichinger/Bozarro (Hrsg.), Kinderwunsch und Reproduktionsmedizin, 2013, 422. 392 Vgl. Bernard, Kinder machen, 2014, 485 ff.

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Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

b.  Vaterschaft und Co-Mutterpaar In den meisten Fällen nehmen dabei die lesbischen Paare faktisch die Hauptrolle in der Kindererziehung ein, während dem Vater, ggf. auch dessen Partner, eine untergeordnete Rolle zukommt.393 In rechtlicher Hinsicht kann der Vater nach Anerkennung rechtlicher Vater gem. §  1592 Nr.  2 BGB sein, der Unterhalt zahlt. In diesem Fall verbleibt der Partnerin der Mutter die Rolle des Stiefelternteils mit den Rechten gem. §  9 Abs.  1–5 LPartG, soweit der Vater nicht mit der Mutter die gemeinsame Sorge gem. §  1626a BGB übernimmt. Dafür müsste der Vater es einfach nur unterlassen, einen Antrag gem. §  1626a Abs.  2 BGB zu stellen. Der Vater kann aber auch seine Zustimmung zur Stiefkindadoption durch die Partnerin der Mutter erklären.394 Nach dem Willen des Gesetzgebers behält der Vater, der der Adoption zugestimmt hat, nicht einmal Rechte gem. §  1686a BGB. Dem Vater, so der Gesetzgeber, der der Adoption zugestimmt hat, sollen keine Rechte nach §  1686a BGB zustehen, weil er sich bewusst gegen die Vaterschaft entschieden habe.395 Als Mittel zur Gestaltung einer einverständlichen Mehrelternschaft mit abgestuften Elternrechten war die Vorschrift nicht gedacht. Selbst wenn der genetische Vater zeitweilig Verantwortung für das Kind getragen hat und ihm daher ein Umgangsrecht gem. §  1685 Abs.  2 BGB zukommen könnte, so nimmt, wie oben gezeigt, die Rechtsprechung weitgehend an, dass auch dies nach der Zustimmung zu einer Adoption dem ursprünglichen Elternteil nicht mehr zusteht.396 c.  Mutter und schwules Co-Vaterpaar Wird ein Kind einverständlich von einem schwulen Co-Vaterpaar und einer Mutter gezeugt,397 so ist diese Mutter gem. §  1591 BGB. Einer der schwulen Männer kann mit ihrer Zustimmung die Vaterschaft anerkennen, dem anderen können wiederum die Rechte des §  9 Abs.  1–5 LPartG zustehen, soweit keine gemeinsame Sorge mit der Mutter besteht. Dafür müsste sie allerdings der Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den Vater gem. §  1671 Abs.  2 393  Zu den rechtlichen Problemen bei der Organisation von Familien mit mehr als zwei engagierten Elternteilen: Kelly, Alberta Law Review 2013, 1. 394  Rupp/Dürnberger, in: Rupp (Hrsg.), Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften, 2009, 53, 91. 395  Vgl. oben Teil 3 III 3 c (S. 253); BT-Drucks. 17/12136, 12; Palandt/Götz, 76.  Aufl. 2017, §  1686a, Rn.  3. 396 So: OLG Schleswig, Beschl. v. 30.1.2004 – 10 UF 199, 222/03, FamRZ 2004, 1057; ­Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 2015, §  1685, Rn.  3c; Ch. Enders, FPR 2004, 60, 63; a. A. Oberloskamp, ZKJ 2008, 484, 490; MüKo-BGB/‌Maurer, 6.  Aufl. 2012, Vorbem. §  1741 ff., Rn.  40; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 2010, §  66, Rn.  20 f.; BeckOK-BGB/‌Veit, §  1685, Rn.  4; offen lassend OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.3.2006 – 15 UF 4/06, FamRZ 2006 1865, 1866 f. 397  Einen solchen Fall schildert: Hummel, FAZ.net v. 10.9.2016.

VI. Queer-Families

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S.  2 Nr.  1 BGB zustimmen. Auch sie kann allerdings der Stiefkindadoption zustimmen mit der Folge, dass ihr rechtlich nicht einmal mehr ein Umgangsrecht zusteht. Denn §  1686a BGB, selbst wenn er auf eine genetische Mutter analog angewendet werden könnte, wäre auch hier nach einer Adoption ausgeschlossen, ebenso wie zumindest noch nach der Rechtsprechung §  1685 Abs.  2 BGB. d. Reformbedarf? Dethloff fordert die Möglichkeit, das gleichgeschlechtliche Paar und den dritten notwendigen Elternteil – sei es Frau oder Mann – als drei rechtliche Eltern anzuerkennen. Eine rechtliche Mehrelternschaft sei auch nicht verfassungswidrig, so Dethloff. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in dem dieses erklärt hatte, nur zwei Eltern könnten Träger der rechtlichen Verantwortung für das Kind sein, sei in Bezug auf einen Fall ergangen, in dem keine einverständliche Mehrelternschaft vorlag. Vielmehr stritten der rechtliche und der leibliche Vater, ein früherer Partner der Mutter, um das Kind. Die hier zu erwartenden Konflikte seien aber bei einer einverständlich geplanten Mehrelternschaft gleichgeschlechtlicher Paare nicht in einem kindeswohlgefährdenden Maße zu befürchten.398 Daher sei zumindest eine rechtliche Mehrelternschaft zuzulassen, um auch den anderen genetischen Elternteil des Kindes dauerhaft an der Verantwortung für das Kind zu beteiligen.399 Denkbar sei aber auch die Einbeziehung eines Mehrelternteils ohne genetische Verbindung zum Kind.400 Dabei sollten nach Dethloff die Eltern die Möglichkeit haben, die jeweiligen Rollen und Aufgaben gleichberechtigt oder abgestuft in einer Vereinbarung zu regeln. Zur umfassenden Beratung der Beteiligten würde de lege ferenda der Formzwang der notariellen Beurkundung nahe liegen.401

3.  Kritische Analyse: Die offene Mehrelternschaft Queer-Families fordern das Dogma der Zwei-Elternschaft in besonderer Weise heraus, weil die Beteiligten einverständlich eine Mehrelternschaft leben und gestalten wollen. Die Beteiligten treten nicht nach der Erbringung ihres Beitrags als Spender oder Leihmutter zurück und überlassen einem sozialen Elternpaar die Erziehung des Kindes. In dieser Konstellation ist das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung in besonderem Maße gesichert, da es sogar eine 398  Dethloff, Gleichgeschlechtliche medizin, 2016, 54. 399  Dethloff, Gleichgeschlechtliche medizin, 2016, 54 f. 400  Dethloff, Gleichgeschlechtliche medizin, 2016, 55. 401  Dethloff, Gleichgeschlechtliche medizin, 2016, 56 f.

Paare und Familiengründung durch ReproduktionsPaare und Familiengründung durch ReproduktionsPaare und Familiengründung durch ReproduktionsPaare und Familiengründung durch Reproduktions-

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Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

Beziehung mit dem genetischen Elternteil etablieren kann. Auch Probleme der Ausbeutung einer Leihmutter und die Folgen eines Abbruchs der Beziehung zwischen der Geburtsmutter und dem Kind sind nicht zu befürchten. Erstaunlicherweise gewährt das Recht in dieser Situation keine Umgangsrechte, wenn der genetische Elternteil der Adoption zugestimmt hat. Nach geltendem Recht ist der Elternteil, der keine rechtliche Stellung einnimmt, so lange auf die Kooperation der beiden anderen Elternteile angewiesen, bis er oder sie gem. §  1685 Abs.  2 BGB ein Umgangsrecht aufgrund der tatsächlich für das Kind getragenen Verantwortung etablieren konnte. Solange sich die rechtlichen Eltern einig sind, können sie dem Kind auch jederzeit Umgang mit dem genetischen Elternteil gewähren. Schwierig wird es jedoch, wenn Missstimmigkeiten auftreten. In Betracht käme allenfalls, ein Umgangsrecht mit einem Nichtelternteil durch vertragliche Vereinbarung mit den Eltern zu schaffen. Ob die rechtlichen Eltern eine solche kreieren wollen, erschiene höchst zweifelhaft. Der Umgang mit Dritten ist Teil der Personensorge, den die Eltern entscheiden können.402 Zwar können Eltern Elternvereinbarungen untereinander schließen, denen eine gewisse Bindungswirkung zukommt,403 doch betreffen diese die Wahrnehmung der den Eltern bereits zustehenden Umgangsrechte.404 Diese werden nicht etwa durch die Elternvereinbarung geschaffen. Überwiegend wird davon ausgegangen, dass Adoptiveltern auch keinerlei Verpflichtung trifft, Vereinbarungen zu einer offenen Adoption einzuhalten. Das spricht gegen die Mög­ lichkeit des Abschlusses bindender Umgangsvereinbarungen in einer QueerFamily. Insofern ist jedoch fraglich, ob das Verfassungsrecht es zulässt oder sogar verlangt, eine Drei-Elternschaft mit Rechten und Pflichten für alle beteiligten Eltern einfachrechtlich zu etablieren. Hier ist insbesondere zu fragen, ob die Mehrelternschaft zu einer Gefährdung des Kindeswohls führt. Einfachrechtlich stellt sich die Frage, wie eine Mehrelternschaft rechtlich auszugestalten wäre und wieviel Freiheit den Parteien dabei zustehen sollte.

VII.  Embryonenspende und Embryonenadoption Auch Embryonenspende bzw. Embryonenadoption sind Beispiele für Situationen multipler Elternschaft. Hier wird ein Embryo mit dem Samen und der Ei-

402 MüKo-BGB/‌ Huber,

6.  Aufl. 2012, §  1626, Rn.  32. nur Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 2015, §   1684, Rn.   11; Hammer, ­Elternvereinbarungen im Sorge- und Umgangsrecht, 2004, 151 ff. 404 Vgl. Hammer, Elternvereinbarungen im Sorge- und Umgangsrecht, 2004; BeckOK-BGB/‌Veit, §  1671, Rn.  41 ff.; Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 2015, §  1684, Rn.  10 ff. 403 Vgl.

VII.  Embryonenspende und Embryonenadoption

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zelle eines Paares erzeugt und dann von einem anderen Paar ausgetragen, welches das Kind nach der Geburt aufzieht.

1.  Erzeugung von Embryonen und Embryonenschutzgesetz Die künstliche Erzeugung und Verwendung von Embryonen405 wird durch das Embryonenschutzgesetz von 1990 geregelt.406 Danach ist die Eizellenspende ebenso unzulässig wie die Befruchtung einer Eizelle mit dem Zweck, die Schwangerschaft einer Frau herbeizuführen, von der die Eizelle nicht stammt (§  1 Abs.  1 Nr.  1, 2 Embryonenschutzgesetz). Zulässig ist allerdings die künst­ liche Befruchtung der Eizelle einer Frau mit Kinderwunsch mit dem Sperma ihres Partners oder eines Spenders mit anschließender Einpflanzung des Embryos407 bei der Frau, von der die Eizelle stammt.408 Werden zur Erfüllung des Kinderwunsches eines Paares Embryonen erzeugt, wobei Keimzellen des Paares verwendet werden, so passiert es nicht selten, dass mehr Embryonen erzeugt als eingepflanzt werden können. Um die Erzeugung überzähliger Embryonen zu verhindern, setzt das Embryonenschutzgesetz in die Grenze für die maximale Anzahl von einzupflanzenden und zu erzeugenden Embryonen pro Zyklus auf drei. Gleichwohl geschieht es immer wieder, dass überzählige Embryonen entstehen. Außerdem hat sich eine erweiternde Auslegung des §  1 Abs.  1 Nr.  3, 5 Embryonenschutzgesetz entwickelt, die zu einer größeren Zahl überzähliger Embryonen führt.409 Es werden so viele imprägnierte Eizellen weiterkultiviert, wie der Arzt meint zu benötigen, um letztlich bis zu drei zur Übertragung geeignete Embryonen zur Verfügung zu haben. Durch die Erzeugung einer größeren Anzahl von Embryonen kann die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Schwangerschaft erhöht werden. Andererseits führt diese Auslegung zu einer größeren Zahl von Embryonen, über deren weiteres Schicksal zu entscheiden ist. Auch bei einer engen Auslegung der Vorschrift können jedoch überzählige Embryonen entstehen.410 405  Zur Embryonalentwicklung: Wischmann, Einführung in die Reproduktionsmedizin, 2012, 45 ff. 406 Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz) vom 13.12. 1990 (BGBl. I, 2746), zuletzt geändert durch Art.  1 des Gesetzes vom 21.11.2011 (BGBl. I, 2228). 407 Vgl. zur reproduktionsmedizinischen Technik und der biologischen Entwicklung zum Embryostadium: Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung, 2016, 15 ff. 408 Dies erfolgt entweder klassischerweise im Wege der In-vitro-Fertilisation oder im Wege der Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion vgl. Wischmann, Einführung in die Reproduktionsmedizin, 2012, 75 f. 409  Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung, 2016, 11, 42 ff. 410  Hübner, Die Embryoadoption, 2009, 6 ff.

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Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

Die erzeugten Embryonen werden kryokonserviert, d. h. tiefgefroren.411 Letztlich kommt aber ohne eine Einpflanzung nur entweder die „Verwerfung“ des Embryos oder seine Embryonenadoption in Betracht. Dabei wird einer weiteren Frau mit Kinderwunsch der Embryo eingepflanzt und von ihr zur Welt gebracht. In Deutschland wird die Embryonenspende bzw. ‑adoption seit spätestens 2013 von Fortpflanzungszentren angeboten und durchgeführt.412 Die Embryonenspende ist nicht unzulässig,413 soweit überzählige Embryonen gespendet werden, die ursprünglich zur Einpflanzung bei der Frau vorgesehen waren, von der die Eizelle stammt.414 Embryonenadoption kann kinderlosen Menschen nicht nur den Wunsch nach einem Kind erfüllen. Für die Frau oder das Paar, die den Embryo „adoptieren“, um ihn auszutragen und als ihr Kind zur Welt zu bringen, hat eine Embryonenadoption gegenüber der Adoption eines Kindes den Vorteil, dass Schwangerschaft und Geburt bereits mit dem Kind gemeinsam erlebt werden können. Zwischen der austragenden Frau und dem Kind kann so schon vorgeburtlich eine Verbindung geknüpft werden und das Kind stärker als das „eigene“ erlebt werden.415 Dies gilt – wenn auch in schwächerem Maße – wohl auch für den Partner der austragenden Frau, der sich mit der Schwangerschaft der Partnerin ebenfalls bereits auf die Elternschaft einstellen kann. Aus der Sicht des Embryos ermöglicht die Embryonenadoption die Entwicklung zu einem Kind und damit seinem Weiterleben.416 Angesichts eines mög­ lichen Grundrechts des Embryos auf Leben417 ist dies auch rechtlich von überragender Bedeutung. Aus Sicht des den Embryo spendenden Paares kann die Embryonenspendung die Rettung „ihres Kindes“ bedeuten. Die Zerstörung nicht mehr benötigter Embryonen kann für sie eine große ethische Belastung darstellen aus der die Embryonenspende einen Ausweg bietet. Insofern kann durchaus bereits ein Gefühl der Verantwortung für die durch sie, mit ihrem genetischen Material erzeugten, Embryonen existieren.418

411 

Wischmann, Einführung in die Reproduktionsmedizin, 2012, 75. Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung, 2016, 9, 11. 413  BT-Drucks. 11/5460, 8; vgl. umfangreich zur Entwicklung und zur Zulässigkeit: Hübner, Die Embryoadoption, 2009, 64–106; Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung, 2016, 33 ff.; 414  Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung, 2016, 33 ff. 415  Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung, 2016, 106. 416  Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung, 2016, 9. 417  Vgl. Teil 5 I 2 (S.  343). 418  Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung, 2016, 105. 412 

VII.  Embryonenspende und Embryonenadoption

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Die Embryonenadoption führt jedoch zu einer Situation multipler Elternschaft. Wird der mit den Keimzellen des ersten Paares erzeugte Embryo einer verheirateten Frau eingepflanzt und bringt diese das Kind zur Welt, so wird sie gem. §  1591 BGB die rechtliche Mutter des Kindes und ihr Mann nach §  1592 Nr.  1 BGB der rechtliche Vater. Die genetischen Eltern sind demgegenüber das Spenderpaar, für das der Embryo ursprünglich erzeugt wurde. Diese Mehr­ elternschaft wird im Minderheitenvotum des Deutschen Ethikrates als „Hypothek für die Identitätsentwicklung des künftigen Kindes“ bezeichnet.419 Überdies findet die Embryonenadoption derzeit in einer rechtlichen Grau­ zone statt. Ist der Embryo allerdings eingepflanzt, stellt sich bei einer verheirateten gestationalen Mutter keine Frage nach der rechtlichen Elternschaft. Ist die Frau nicht verheiratet, ergeben sich die gleichen Probleme wie bei einer Samen­ spende. In seinem Abschlussbericht empfiehlt der Arbeitskreis Abstammungsrecht denn auch konsequent eine Regelung entsprechend der bei der Verwendung von Spendersamen.420

2.  Kritische Analyse: Embryonenspende Auch bei der Embryonenadoption entsteht eine einverständliche Mehrelternschaft, bei der die Sorge für das Kind von vornherein den Elternteilen zugedacht ist, bei denen das Kind geboren wird. Genetisch stammt das Kind von einem Elternpaar ab und wurde von der Mutter im zweiten Paar ausgetragen und dann von diesem aufgezogen. Anders als bei der Leihmutterschaft verbleibt das Kind damit bei der Geburtsmutter. Probleme der Ausbeutung der Leihmutter und der Auswirkungen ihrer Trennung vom Kind sind daher nicht zu befürchten. Auch bietet die Embryonenadoption in diesem Fall die einzige Möglichkeit, dem Embryo die Entwicklung zu einem Kind zu ermöglichen. Erforderlich ist indes eine gesetzliche Regelung, damit die Embryonenadoption nicht in einer rechtlichen Grauzone stattfindet. Allerdings stellen sich wieder Fragen nach der Kenntnis der genetischen Abstammung für das Kind und ob und wenn ja welche Probleme dies für die Identitätsbildung des Kindes bedeutet. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, ist aber bei der Würdigung der Embryonenspende immer zu berücksichtigen, dass ein Embryo auf diese Weise die Möglichkeit bekommt, sich zu einem Kind zu entwickeln und geboren zu werden.

419  Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung, 2016, 134. 420  Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, These 59, S.  73.

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Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

VIII.  Reproduktionsmedizinische Perspektive: mehr als zwei genetische Eltern Fälle von künstlicher Befruchtung unter Verwendung von Spendersamen sowie die Embryonenadoption sind inzwischen keine neuen Verfahren der Reproduktionsmedizin mehr. Sie bauen noch auf der natürlichen Ausgangslage auf, dass zur Erzeugung eines Menschen die Samenzelle eines Mannes und die Eizelle einer Frau erforderlich sind. Dieser Tage wird immer wieder über neue Verfahren berichtet, die diese klassische Grundannahme in ihrer Wurzel treffen.

1.  Drei-Eltern-Kinder: Kerntransfer Ende September 2016 berichteten die Zeitungen von der Geburt eines Babys im April 2016, das mit den Eizellen von zwei Frauen und dem Samen eines Mannes gezeugt worden war.421 Die Wunschmutter, von der eine der Eizellen stammte, besaß aufgrund einer Erbkrankheit stark geschädigte Mitochondrien, die kleinen „Kraftwerke“, die die Energie der Zellen herstellen. Diese enthalten ihre eigene Erbsubstanz, die mitochondriale DNA. Um trotzdem ein gesundes Kind zur Welt bringen zu können, wurde der Zellkern ihrer Eizelle entfernt und in die Eizelle einer gesunden Spenderin eingepflanzt, die zuvor entkernt worden war. Diese Eizelle wurde mit dem Samen des Ehemannes der Wunschmutter befruchtet, die das Kind daraufhin austrug. Damit trägt das Kind – untechnisch gesprochen – körperliches Material von zwei Frauen in sich. Die Gene, die Aussehen und verschiedene Anlagen eines Menschen prägen können, liegen jedoch auf den Chromosomen im Zellkern, nicht in den Mitochondrien. Insofern lässt sich streiten, ob die Spenderin der zweiten Eizelle als „genetische Mutter“ des Kindes angesehen werden kann.422 Das so behandelte Kind wurde in Mexiko geboren, weil das Verfahren in den USA nicht zulässig ist. Weitere Kinder sollen unterwegs sein, für die eine Geburt in der Ukraine geplant ist. Während die Befürworter der Methode erklären, damit Kinder vor verheerenden Krankheiten bewahren zu können, befürchten die Gegner Veränderungen des menschlichen Erbguts und damit die Erzeugung von „Designer-Babys“. In Deutschland stellt sich insofern die Frage, ob das Verfahren eine untersagte Veränderung des Erbguts bedeutet. Dem widerspricht z. B. Taupitz, da der Zellkern nur transferiert, nicht aber verändert wird.423 Die britische Human Fertilisation and Embryology Authority (HEFA) beschloss Mitte Dezember 2016, dass das Kerntransferverfahren in Großbritan421  Baby mit drei biologischen Eltern geboren, SZ v. 27.9.2016; Baby dreier Eltern geboren, FAZ.net v. 27.9.2016. 422 Vgl. Zikant, SZ v. 28.9.2016. 423 So wird Taupitz jedenfalls von der Süddeutschen Zeitung zitiert: Zikant, SZ v. 28.9.2016.

VIII.  Reproduktionsmedizinische Perspektive: mehr als zwei genetische Eltern

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nien zulässig sein soll, sodass dort nun ganz legal Kinder mit drei genetischen Eltern geboren werden können.424 Die Frage der Zulässigkeit des Verfahrens nach dem deutschen Embryonenschutzgesetz ist allerdings nicht Gegenstand dieser Untersuchung, sondern der Umgang des Rechts mit Konstellationen von Mehrelternschaft. Selbst wenn die Gene auf den Chromosomen das Kind prägen, so nehmen die Mitochondrien der anderen Frau wichtige Aufgaben im Körper des Kindes wahr. Und auch wenn dieser Beitrag nicht notwendig als ebenso wichtig einzustufen ist wie der der Frau, von der der Zellkern stammt, so liegt eine Mehrelternschaft vor.

2. In-vitro-Gametogenese a.  Medizinische Grundlagen Derzeit noch im Versuchsstadium an Mäusen befindet sich die sogenannte In-vitro-Gametogenese (IVG). Dabei werden Zellen von der Schwanzspitze von Mäusen in Stammzellen umgewandelt aus denen dann Gameten, d. h. Spermien und Eizellen erzeugt werden können. Dabei ist unerheblich, welches ­Geschlecht die Maus hatte, von der die Hautzellen stammen. Am 28.10.2016 berichteten die deutschen Zeitungen, dass an der Kyushu Universität in Japan mit so erzeugten Gameten bereits – soweit ersichtlich – gesunde Mäuse gezeugt und geboren worden waren.425 Das Verfahren wird noch nicht auf Menschen angewandt, aber es ist zu erwarten, dass dies über kurz oder lang gelingen wird. Die Folgen könnten gravierend sein. b.  Kritische Analyse: Das Ende der Verbindung von Geschlecht und Elternschaft Im Fokus sollen hier nicht die brennenden ethischen Fragen stehen, die mit ­einer solchen Produktion von Menschen verbunden sein müssen. Ob und in welchem Umfang man ein solches Verfahren als Wahrnehmung der Autonomie des Einzelnen gestatten will, bedarf breiter gesellschaftlicher Diskussion.426 Diese Untersuchung beschäftigt sich mit der rechtlichen Behandlung von Mehr­ elternschaft und ihren Folgen. Und das In-vitro-Gametogenese-Verfahren könnte in der Zukunft ganz neue Konstellationen der Mehrelternschaft in die Diskussion bringen. Zunächst einmal könnten unter Anwendung dieses Verfahrens zwei gleichgeschlechtliche Menschen ein Kind zeugen, das von ihnen beiden genetisch ab424 

Großbritannien erlaubt Babys mit Erbgut von drei Eltern, Spiegel Online v. 15.12.2016. Albrecht, FAZ.net v. 28.10.2016. 426 Dazu: Suter, Journal of Law and the Biosciences, 2016, 1. 425 

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Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

stammt. Dann könnte eine einzelne Person sich mit sich selbst fortpflanzen, wenn Ei- und Samenzelle aus ihren Hautzellen gewonnen würden. Schließlich könnten mehr als zwei Personen gemeinsam ein Kind zeugen. Um beispielsweise die Zeugung eines Kindes mit vier Personen zu ermöglichen, könnte aus den Zellen von jeweils zweien ein Embryo erzeugt werden, aus dessen Stammzellen wiederum neue Ei- und Samenzellen, die wiederum zu einem neuen Embryo vereinigt werden könnten, der dann von einer Wunschmutter oder einer Leihmutter ausgetragen werden könnte. Das Ergebnis wäre ein Kind, das auf seinen Chromosomen genetisches Material von vier Personen trüge. Genetisch wäre seine Verbindung zu diesen vier Personen dann vergleichbar mit denen, die ein natürlich gezeugtes Kind zu seinen Großeltern besitzt, nur dass die Elterngeneration das Stadium des Embryos nicht überschritten hätte. Dies ließe sich mit einer nahezu beliebigen Anzahl von Personen fortsetzen, die im Zuge dessen einen immer kleiner werdenden Anteil zum genetischen Material des Kindes beisteuern würden.427 Je nachdem, wie viele Menschen ihr genetisches ­Material beigetragen hätten, besäße das Kind genetisch gesehen Groß- oder Urgroßeltern, aber keine Eltern oder Großeltern. Damit hätte es genetisch gesehen acht Eltern oder gar keine Eltern. Ein Fortgelten des heutigen Abstammungsrechts zum Zeitpunkt der Praktizierbarkeit dieses Verfahrens vorausgesetzt, könnte ein Verfahren zur Feststellung des Vaters eines Kindes in dieser Konstellation gem. §  1592 Nr.  3 BGB vier und mehr potentielle genetische „Väter“ ergeben, die aber auch Frauen sein könnten.

3.  Kritische Analyse und Zwischenergebnis Der Kerntransfer von einer Eizelle in eine andere und die in Zukunft mög­ licherweise auch beim Menschen anwendbare Technik der In-vitro-Gameto­ genese werden in Zukunft möglicherweise unsere Vorstellung der Elternschaft weiter verändern. In der Vergangenheit betrug jedenfalls die Zahl der genetischen Eltern immer zwei und bot so einen festen Orientierungspunkt für die Zuordnung von Elternrechten und -pflichten. Die oben beschriebenen Verfahren könnten dies ändern. Selbst wenn die Erzeugung von Samen- und Eizellen in dieser Form in Deutschland verboten sein und bleiben sollte, so könnte dieses Verfahren doch die Überzeugung infrage stellen, dass letztlich die zwei genetischen Eltern die „echten“ Eltern eines Kindes sind. Umso dringender sind grundlegende Überlegungen zu den verschiedenen Ursprüngen der Elternschaft.

427  Vgl. zur wissenschaftlichen Seite und zu Möglichkeiten der Anwendung mit zahlreichen Nachweisen: Suter, Journal of Law and the Biosciences, 2016, 1, 3 ff.

IX.  Zwischenergebnis: Struktur von Mehrelternbeziehungen

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IX.  Zwischenergebnis: Struktur von Mehrelternbeziehungen 1.  Die Vielfalt der Mehrelternbeziehungen Die obigen Fälle zeigen, dass heute neben den klassischen Fällen der ZweiEltern­schaft immer mehr Situationen treten, in denen mehr als zwei Personen elterliche Aufgaben übernehmen bzw. in einer elterlichen Verbindung zu einem Kind stehen. Teilweise sind dies keine neuen Fälle, wie Stief-, Pflege- und Adoptivfamilien oder Fälle in denen der leibliche und rechtliche Vater nicht dieselbe Person sind. Neu hinzugekommen sind allerdings Konstellationen, die im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften stehen, wie Co-Mutterschaft, Co-Vaterschaft und Queer-­ Families. Erst durch die Entwicklung der Reproduktionsmedizin möglich wurden Samen- und Eizellenspende wie Embryonenadoption. In der Zukunft wird sich das Recht möglicherweise mit der Produktion von Samen- und Eizellen aus Hautzellen unabhängig vom Geschlecht und der Zahl des oder der Spender beschäftigen.

2.  Zwei-Elternschaft und Systembrüche Trotz dieser großen Vielfalt an Mehrelternverhältnissen hält das Recht jedoch nach wie vor am Prinzip der Zwei-Elternschaft fest. Nur die zwei rechtlichen Eltern erhalten Rechte und Pflichten wie das Auskunfts-, Umgangs- und Sorgerecht, aber auch Recht und Pflicht, Unterhalt zu zahlen bzw. einmal zu verlangen, sowie ein gesetzliches Erbrecht und Pflichtteilsansprüche. Die grundsätzliche Beibehaltung dieses Systems empfiehlt auch der Arbeitskreis Abstammungsrecht.428 Als leichte Brüche in diesem System ist die Einführung der §§  1686a,429 1685 Abs.  2 und 1687b BGB sowie §  9 Abs.  1–4 LPartG zu betrachten, die einem nichtrechtlichen Elternteil bestimmte elterliche Befugnisse zuteilen. Darüber hinaus werden in Stieffamilien, manchmal auch in Adoptiv­familien, aber bereits jetzt tatsächliche Mehrelternverhältnisse gelebt. In der Queer-­ Family wird die Mehrelternschaft sogar von Anfang an als Teil der gemeinsamen Familiengründung geplant. Insofern bestehen rechtliche Unsicherheiten. Derzeit wird die Offenheit der Beteiligten mit Situationen wie Adoption, Samen­spende und Stiefkindverhältnis zwar von der psychosozialen Wissenschaft empfohlen, kann allerdings nicht im geltenden Recht durchgesetzt werden, welches die Rechte des dritten Elternteils in das Belieben der zwei rechtlichen Eltern stellt. Hierbei wird deutlich, dass Rechte wie §  1685 Abs.  2 BGB und §  1686a BGB ohne ein übergreifendes Konzept von Elternschaft geschaffen 428  429 

Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, These 62, S.  76. Vgl. hierzu: Plettenberg, Vater, Vater, Mutter, Kind, 2016.

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Teil 3:  Aktuelle Fälle von Mehrelternschaft

wurden. In beiden Fällen sollte vielmehr für den leiblichen, nichtrechtlichen Vater ein gewisser Ausgleich für die starke Stellung des rechtlichen Vaters im deutschen Recht geschaffen werden. Für Fälle von Queer-Eltern oder Adoptiveltern werden die Vorschriften gerade nicht genutzt, um Mehrelternverhältnisse zu gestalten. Überdies wird in Gerichtsentscheidungen und der wissenschaftlichen Diskussion mehr und mehr das Bemühen deutlich, Menschen, die im Leben eines Kindes elterliche Rollen einnehmen, nicht auszuschließen, sondern einzubeziehen, sei es durch Umgangs- und Auskunftsrechte, durch die Möglichkeit des gegenseitigen Kennenlernens oder durch mühevolle gegenseitige Abstimmungen. In den meisten Fällen scheinen sich dabei asymmetrische Elternkonstel­ lationen zu entwickeln, in denen zwei „Haupteltern“ durch untergeordnete „Nebeneltern“ mit eigenen Rechten ergänzt werden. Diese Brüche unterscheiden freilich nicht nach der Art des Zustandekommens der Mehrelternschaft, sondern stellen – jedenfalls im Hinblick auf die Einführung der §§   1686a, 1685 BGB – unsystematische Umsetzungen der Rechtsprechung des EGMR bzw. des Bundesverfassungsgerichts dar. Eine Systematisierung der Mehrelternverhältnisse ist bisher nicht erfolgt. Eine solche Systematisierung nimmt auch der Arbeitskreis Abstammungsrecht nicht vor, hält es allerdings für möglich, entsprechend dem derzeit geltenden Recht einzelnen sozialen und genetischen Eltern Mitsorge- und Umgangsrechte einzuräumen.430

3.  Mehrelternschaft in der Literatur Die Beschlüsse des DJT haben zwar die Einführung der Möglichkeit verneint, dass mehr als zwei Menschen, beispielsweise als Mitglieder einer „Queer-­ Family“ einverständlich eine Mehrelternschaft begründen können.431 In der familienrechtlichen Literatur ist aber ein wachsendes Interesse an Konstellationen der Mehrelternschaft zu verzeichnen, wie allein das Gutachten von Helms zum 71. DJT, die lebhafte Diskussion und insbesondere die Wortbeiträge von Schwenzer dort zeigten.432 Weiterhin berichteten in der Diskussion beim DJT mehrere Nachwuchswissenschaftler über Dissertationen433 und Habilitationsschriften zu diesem Thema. Auch aus den kurzen Beiträgen wurde bereits deutlich, dass diese Arbeiten der Möglichkeit von gleichberechtigter Mehrelternschaft oder auch der Einräumung untergeordneter Rechte ähnlich dem §  1686a BGB offen gegenüberstehen werden. 430 

Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, These 63, S.  77. Vgl. Beschlüsse des 71. DJT, 2016, noch unveröffentlicht. 432  Vgl. Protokolle der Diskussionen zum 71. DJT, noch unveröffentlicht. 433  Z. B. Plettenberg, Vater, Vater, Mutter, Kind, 2016. 431 

IX.  Zwischenergebnis: Struktur von Mehrelternbeziehungen

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In der familienrechtlichen Literatur nehmen merklich die Stimmen zu, die sich mit der Mehrelternschaft auseinandersetzen434 und teilweise auch ihre Anerkennung de lege ferenda fordern.435 Dabei wird auch eine rechtsvergleichende Perspektive eingenommen.436 Dethloff437 forderte in ihrem Gutachten „Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung durch Reproduktions­ medizin“ die Anerkennung der rechtlichen Mehrelternschaft. Daran sei der Gesetzgeber nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen gehindert. In der Queer-­ Family werde eine intendierte Mehrelternschaft gestaltet, in der alle Parteien Elternverantwortung übernehmen wollten. Dabei könnte auch Vorsorge zur Lösung von Konflikten geschaffen werden, um kindeswohlgefährdende Rollenkonflikte zu vermeiden. Plettenberg und Aust438 fordern die Möglichkeit der rechtlichen Drei-Eltern­ schaft für Kuckuckskinder-Fälle. Plettenberg erarbeitet insofern auch detaillierte Vorschläge für eine rechtliche Ausgestaltung der Drei-Elternschaft im Umgangs-, Unterhalts-, Sorge- und Erbrecht de lege ferenda.439 Auch Heiderhoff stellt Vorüberlegungen zur Anerkennung der Mehrelternschaft an. Sie sieht ebenfalls keine verfassungsrechtlichen Hindernisse, weil sie in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19.2.2013 zur Sukzessivadoption440 eine vorsichtige Distanzierung zur Entscheidung vom 9.4.2003 sieht, nach der es jeweils nur zwei Träger des verfassungsrechtlichen Elternrechts geben kann.441 Sie schlägt eine Differenzierung zwischen kumulativer Elternschaft und sukzessiver Elternschaft vor. Bei der kumulativen Elternschaft fühlen sich mehr als zwei Eltern gleichzeitig einvernehmlich für das Kind verantwortlich. Der „biologische“ Vater, der neben einen rechtlichen Vater trete, solle eine abgestufte abstammungsrechtliche Stellung erhalten. Bei einer sol-

434  Plettenberg, Vater, Vater, Mutter, Kind, 2016; Löhnig, Früher hatten Eltern viele Kinder – heute haben Kinder viele Eltern, 2015; vgl. insbesondere auch die Beiträge in Heft 2 RdJB 2016: Willekens, RdJB 2016, 130; Brosius-Gersdorf, RdJB 2016, 136; Schuler-Harms, RdJB 2016, 157; Sanders, NJW 2015, 543; Aust, Das Kuckuckskind und seine drei Eltern, 2015; vgl auch den Sammelband Schwab/Vaskovics (Hrsg.), Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011. 435  Dethloff, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung durch Reproduktionsmedizin, 2016, 53 f.; dies., in: Röthel/Heiderhoff (Hrsg.), Regelungsaufgabe Mutterstellung, 2016, 19, 23 ff.; Heiderhoff, NJW 2016, 2629, 2631. 436 Vgl. Scheiwe, RdJB 2016, 227; Aust, Das Kuckuckskind und seine drei Eltern, 2015; Dutta u. a. (Hrsg.), Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 2015. 437  Dethloff, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung durch Reproduktionsmedizin, 2016, 53 f. 438  Aust, Das Kuckuckskind und seine drei Eltern, 2015, 279 ff. 439  Plettenberg, Vater, Vater, Mutter, Kind, 2016, 109 ff. 440  Heiderhoff, NJW 2016, 2629, 2631 Fn.  14 unter Verweis auf: BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 78, Rn.  51. 441  Heiderhoff, NJW 2016, 2629, 2631 Fn.  14 unter Verweis auf: BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82.

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chen Mehrelternschaft müsse aber verhindert werden, dass das Kind später für alle Eltern Unterhalt zu zahlen hätte.442 Heiderhoff schlägt außerdem eine sukzessive Vaterschaft für den Fall vor, dass der leibliche Vater nach dem Ende der sozial-familiären Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind die Vaterschaft anficht. Ein anderer Fall läge vor, wenn ein rechtlicher Vater nach Jahren von der leiblichen Vaterschaft eines anderen Mannes erfährt und dann die Vaterschaft anficht. In solchen Fällen solle die Anfechtung nicht zur Geburt zurückwirken, sondern nur für die Zukunft ein Vater durch einen anderen abgelöst werden.443 Diese Ansätze zeigen die Bedeutung des Phänomens und die Notwendigkeit weiterer Diskussion. An deren Anfang muss zunächst eine präzisere Konzeption der Mehrelternschaft stehen. Die von Heiderhoff vorgeschlagene Differenzierung zwischen kumulativer und sukzessiver Elternschaft ist ein interessanter Anstoß insbesondere für eine Neuordnung des Anfechtungsrechts. Doch beschreibt der Begriff der kumulativen Elternschaft die verschiedenen Phänomene der Mehrelternschaft noch nicht differenziert genug.

4.  Struktur der Mehrelternverhältnisse Die verschiedenen Mehrelternverhältnisse verlangen zum besseren Verständnis nach einer Strukturierung. Eine genaue Analyse der einzelnen Elternpositionen soll allerdings erst im nächsten Abschnitt erfolgen. Hier wird der Elternbegriff weit verstanden und umfasst alle Personen unabhängig von ihrer rechtlichen Stellung, die in den oben besprochenen Fallgestaltungen eine Rolle spielten. In Bezug auf Mehr­ elternverhältnisse bietet es sich an, einerseits hinsichtlich des Zeitpunktes der Entstehung des Mehrelternverhältnisses zu differenzieren. Je nachdem, ob die Mehrelternschaft bereits bei Geburt vorlag oder sich später entwickelt hat, ist zwischen anfänglicher und nachträglicher Mehrelternschaft zu unterscheiden. Außerdem besteht ein Unterschied je nachdem, ob die Beteiligten die Entstehung des Mehrelternverhältnisses bewusst herbeigeführt haben oder nicht, es lässt sich also zwischen einverständlicher und unfreiwilliger Mehrelternschaft unterscheiden. a.  Anfängliche Mehrelternschaft In einigen Fällen liegt die Mehrelternschaft bereits zum Zeitpunkt der Geburt vor, die hier als anfängliche Mehrelternschaft bezeichnet wird. Dies geschieht, wenn, beispielsweise durch Einsatz von Reproduktionsmedizin oder durch ­einen Partnerwechsel der Mutter, der rechtliche Vater ein anderer ist als der 442  443 

Heiderhoff, NJW 2016, 2629, 2632. Heiderhoff, NJW 2016, 2629, 2632.

IX.  Zwischenergebnis: Struktur von Mehrelternbeziehungen

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leibliche bzw. genetische Vater. Das geltende deutsche Recht erlaubt die Ent­ stehung einer rechtlichen Co-Mutterschaft ab Geburt noch nicht. Allerdings entsteht ein faktisches Drei-Eltern-Verhältnis ab Geburt, wenn ein lesbisches Paar mit Hilfe einer Samenspende ein Kind zur Welt bringt. Eine anfängliche Mehr­elternschaft liegt auch vor, wenn auf Veranlassung eines schwulen Paares ein Kind mit Hilfe einer Eizellenspenderin und einer Leihmutter gezeugt wird. In diesem Fall entsteht ein anfängliches Mehrelternverhältnis mit vier beteiligten Personen. b.  Nachträgliche Mehrelternschaft Während bisher Fälle erörtert wurden, in denen ein Fall der Mehrelternschaft bereits bei Geburt vorliegt, gelangen nun Fälle in den Blick, bei denen die Mehr­ elternkonstellation nach der Geburt des Kindes eingetreten ist. Dies wird als nachträgliche Mehrelternschaft bezeichnet werden. Eine solche liegt in der Stief­ elternfamilie und Pflegefamilie oder bei einer Adoption vor. Denn hier treten zu den ursprünglichen Eltern, die an der Entstehung des Kindes beteiligt waren, weitere soziale Eltern hinzu. Dabei beruht die Verbindung zwischen dem Kind und dem Elternteil auf einer sich langsam entwickelnden Beziehung. Diese Beziehungen können – je nach Fall – sehr unterschiedlich sein, was die Untersuchung und die rechtliche Regelung des Phänomens erschwert. c.  Einverständliche Mehrelternschaft Eine einverständliche Mehrelternschaft kommt mit Zustimmung der Beteiligten zustande, also durch gewolltes Zusammenwirken der Mehreltern, wie z. B. bei Samen- und Eizellenspende, Leihmutterschaft und Embryonenadoption. Aber auch nachträgliche Mehrelternschaften können einverständlich entstehen, z. B. bei einer mit dem Einverständnis der leiblichen Eltern erfolgten Adoption. Es soll keinesfalls behauptet werden, dass eine einverständliche Mehrelternschaft immer konfliktfrei verläuft. Immerhin kann aber über die Umstände und Bedingungen der Mehrelternschaft zumindest zum Zeitpunkt seiner Entstehung Einvernehmen hergestellt werden. Theoretisch ist hier auch der Abschluss von Elternvereinbarungen denkbar, deren rechtliche Verbindlichkeit allerdings problematisch sein kann, wie die Situation der Queer-Family zeigt. d.  Unfreiwillige Mehrelternschaft Die unfreiwillige Mehrelternschaft entsteht ohne oder manchmal sogar gegen den Willen zumindest eines Elternteils, wie z. B. bei der Zeugung eines Kuckucks­ kindes oder bei der Stieffamilie. Ein Beispiel ist auch die Adop­tion bei Ersetzung der Zustimmung des leiblichen Elternteils. Diese Personen müssen sich mit dieser Situation arrangieren und es besteht oft ein nicht unerhebliches Kon-

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fliktpotential. Dieses kann und sollte von den Beteiligten zum Wohle des Kindes überwunden werden, doch ist dies nicht immer leicht möglich. Es gibt allerdings auch Fälle, bei denen die Zuordnung zwischen einverständlicher und unfreiwilliger Mehrelternschaft Schwierigkeiten bereitet. Die In­ pflegenahme von Kindern erfolgt in Deutschland meist mit Zustimmung der rechtlichen Eltern, wobei jedoch im Raum steht, dass die Inpflegenahme ohne Zustimmung der Eltern auch erzwungen werden kann. e.  Erste Folgerungen Mit den oben vorgenommenen Unterscheidungen lassen sich alle Konstellationen der Mehrelternschaft einordnen. Der Anayo-Fall lässt sich so als anfänglich-unfreiwillige Mehrelternschaft bezeichnen. Eine Stiefkindadoption, die mit Zustimmung des leiblichen Elternteils erfolgt, bildet danach den Fall einer nachträglich-einverständlichen Mehrelternschaft. Allen diesen Konstellationen ist gemein, dass Konflikte zwischen den Beteiligten auftreten, die zum Wohle des Kindes, das sich diese Situation nicht ausgesucht hat, zu lösen sind. Dabei muss das Recht Hilfestellung leisten. Das Ignorieren der Mehrelternkonstella­ tion löst das Problem nicht. Dies ist auch nicht das Vorgehen des geltenden Rechts, das unter den möglichen Eltern vielmehr eine Auswahl trifft und im Wesentlichen zwei Eltern Rechte und Pflichten zuweist. Bei einer Neukonzeption des Rechts der Mehrelternschaft müssen die Besonderheiten der verschiedenen Konstellationen beachtet werden. So kann vor dem Entstehen einverständlicher Mehrelternschaften rechtliche Beratung vorgenommen werden. Dies ist bei unfreiwilligen Mehrelternkonstellationen nicht möglich. Bei anfänglichen Mehrelternkonstellationen können die rechtlichen Verhältnisse bezogen auf den Zeitpunkt der Geburt geregelt werden, weil die Art der Beteiligung, sei es als Samenspender, Initiativelternteil oder Leihmutter von Anfang an bestimmt werden kann. Dies schließt allerdings nicht aus, dass sich spätere Veränderungen ergeben, z. B. wenn eine Vaterschaft angefochten wird oder eine Leihmutter ihr Kind nicht herausgeben möchte. Trotzdem ist die Situation anders als bei nachträglichen Mehrelternkonstellationen. Gerade Stiefkindverhältnisse brauchen Zeit, um sich zu entwickeln. Bei Adoptionsverhältnissen wird die rechtliche Situation zwar von einem Stichtag her bestimmt, aber auch hier muss die Eltern-Kind-Beziehung erst eine gewisse Bewährungsprobe bestehen. Vereinfacht könnte man sagen, dass die Situation der Ursprungseltern, d. h. der genetischen, gestationalen und Initiativeltern, bei Geburt feststeht, weil sie ihren Beitrag zur Entstehung des Kindes nicht mehr ­zurücknehmen können. Sie sind Eltern. Soziale Eltern werden Eltern mit der Entwicklung ihrer Beziehung zu dem Kind. Mit ihrem Hinzutreten zu den leiblichen Eltern, z. B. nach deren Scheidung, entwickelt sich eine nachträgliche Mehrelternschaft.

IX.  Zwischenergebnis: Struktur von Mehrelternbeziehungen

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5.  Fortgang der Untersuchung Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass das Dogma der Zwei-Elternschaft grundsätzlich überdacht werden muss. Dafür genügt es aber nicht, die Vielfalt der Mehrelternverhältnisse nach bestimmten Merkmalen zu systematisieren. Erforderlich ist vielmehr zu bestimmen, welche Rolle den einzelnen Personen in der oben entwickelten Struktur zukommen sollte und wer überhaupt ein Eltern­ teil ist, der ein berechtigtes, d. h. auch grundrechtlich geschütztes Interesse ­innerhalb der Mehrelternkonstellation besitzt. Deswegen wird im nächsten Abschnitt ein Modell der Elternschaft nach Elternverbindungen entwickelt, das zum Ausgangspunkt einer Neukonzeption des Kindschaftsrechts werden soll.

Teil 4

Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft I.  Tatsächliche Elternverbindungen Die aktuellen Fragen um die Mehrelternschaft machen deutlich, dass ein Konzept, das eine überzeugende Grundlage der rechtlichen Zuweisung von Elternschaft liefert und gleichzeitig die Probleme der Mehrelternschaft erfassen kann, bis heute nicht existiert.1 Gesetzgebung und wissenschaftliche Diskussion ­gehen meist von Detailfragen aus, ohne eine grundlegende Neukonzeption vorzunehmen. Ein solches grundlegendes Konzept möchte diese Untersuchung entwickeln. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Erkenntnis, dass Elternschaft so, wie sie dem Juristen in der Gesellschaft begegnet, sowohl im Sinne vorjuristischer Realität als auch im Sinne rechtlich anerkannter Konstruktion verstanden werden kann.2 Der grundrechtliche Schutz der Eltern gem. Art.  6 Abs.  2 GG knüpft einerseits an die durch die Regeln des einfachen Rechts etablierte Elternstellung,3 andererseits an die „leibliche Abstammung“, genauer an die Eltern, „die einem Kind das Leben geben“4, an. Aber auch die Elternschaft als rechtliche Konstruktion im BGB knüpft an verschiedene Tatsachen an, wie die Geburt, die Ehe eines Mannes mit der Mutter oder die genetische Abstammung. Dabei handelt es sich jeweils um Tatsachen,5 die eine bestimmte Verbindung zwischen dem potentiellen Elternteil und dem Kind beschreiben. Zu nennen sind z. B. die genetische Abstammung als Verbindung zwischen dem genetischen Elternteil und dem Kind oder die Tatsache, dass eine Mutter dieses Kind ausgetragen und geboren hat. Auch die Zeugung eines Kindes, z. B. durch den nichtehelichen „Erzeuger“ stellt eine solche Verbindung dar. Eine weitere solche Verbindung ist die soziale Beziehung, die Eltern und Kinder miteinander etabliert haben. 1 

Vgl. Teil 3 (S.  197). Vgl. Teil 1 II 2 (S.  7), 3 (S.  11). 3  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101; BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 79, Rn.  53. 4  BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 150; BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 100. 5  Vgl. dazu oben Teil 1 II 2 (S. 7), 3 (S.  11). 2 

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Teil 4:  Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft

Tatsächliche Eltern, so ließe sich formulieren, sind dies aufgrund (mindestens) einer tatsächlichen (d. h. vorrechtlichen) elterlichen Verbindung zwischen ihnen und einem Kind. Betrachtet man insofern etwa die Herkunft von Eizelle und Samenzelle, dann geht es, mit der obigen Terminologie, um die genetische Elternverbindung zum Kind oder um dessen genetische Elternteile. Liegt der Fokus hingegen auf der von einer bestimmten Person infolge einer derartigen Elternverbindung eingenommenen Position, dann spricht die Untersuchung von Elternteil oder Eltern, im vorigen Beispiel vom genetischen Elternteil oder von den genetischen Eltern. Davon klar zu unterscheiden ist die rechtliche ­Elternstellung oder rechtliche Elternschaft. Diese stellt auf die vom Recht kre­ ierten elterlichen Bande zwischen Erwachsenen und Kindern ab, wie sie durch das Abstammungs- oder Adoptionsrecht begründet werden und aufgrund derer verwandtschaftliche Rechte und Pflichten bestehen. Auf der Grundlage der verschiedenen tatsächlichen Elternverbindungen lässt sich ein Analyseinstrument entwickeln, mit dem die Diskussion um Elternverhältnisse und ihre rechtliche Behandlung strukturiert werden kann. Eine Neukonzeption des Rechts der Elternschaft sollte daher auf der Grundlage der Analyse dieser tatsächlichen Elternverbindungen stattfinden. Überdies kann das Analyseinstrument der Elternverbindungen vom Gesetzgeber, aber auch von Gerichten, bei der Zuweisung von Elternrechten berücksichtigt werden. 6 Die Literatur sowohl in Deutschland7 als auch in England8 verwendet demgegenüber nicht selten die Unterscheidung zwischen genetischer bzw. biologischer, sozialer und rechtlicher Eltern„schaft“. Damit sind (bis auf die letzte) bereits Elternverbindungen im oben beschriebenen Sinne angesprochen, wie die „biologische Abstammung“ oder die „soziale Beziehung“ zwischen Kind und Eltern. Die rechtliche Elternschaft bleibt allerdings in der Analyse dieser Untersuchung zunächst bewusst außen vor. Rechtliche Elternschaft knüpft, wie bereits ausgeführt, ihrerseits an bestimmte Tatsachen und damit an die eine oder andere Elternverbindung an, also etwa die genetische Elternverbindung, wenn es um genetische Abstammung zwischen potentiell rechtlichen Eltern und ­einem Kind geht. Dem Recht liegt damit bereits die Wertung zugrunde, dass 6  Dies geschieht im Grunde schon jetzt, wenn aufgrund der Tatsache, dass eine Person genetischer und sozialer Elternteil eines Kindes ist, einer Person eine stärkere Position gegenüber einem nur sozialen Elternteil zugesprochen wird, vgl. dazu: BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350, Rn.  34. 7 Vgl. allein den Titel der Familienrechtlichen Abteilung F beim 71. DJT „Rechtliche, biologische und soziale Elternschaft – Herausforderungen durch neue Familienformen“. 8 Vgl. nur: Baroness Hale in Re G (Children) (Residence: Same Sex Partner) [2006] UKHL 43, para 32 ff.; vgl. m. w. N. Herring, Family Law, 2015, 344 ff.; Eekelaar, Journal of Social Welfare and Family law 13 (1991), 37; Bainham, in: Bainham/Day Sclater/Richards (Hrsg.), What is a parent? 1999, vgl. außerdem: Callus, Family Law 38 (2008), 143; Masson, in: Spencer/du Bois-Pedain (Hrsg.), Freedom and Responsibility in Reproductive Choice, 2006, 131.

I.  Tatsächliche Elternverbindungen

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bestimmte Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern wichtiger sind als andere. Rechtliche Elternschaft ist damit bereits das Ergebnis einer Bewertung tatsächlicher Elternverbindungen. Ziel dieser Untersuchung soll es aber zunächst sein, einen neuen, von den bisher bestehenden rechtlichen Wertungen unabhängigen Blick auf die verschiedenen Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern zu werfen, die hier als Elternverbindungen bezeichnet werden. Erst im zweiten Schritt soll überlegt werden, welche dieser Elternverbindungen auf welche Art in Rechte und Pflichten in Bezug auf das Kind umgesetzt werden müssen bzw. sollten. Eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Elternverbindungen ermöglicht es, die verschiedenen elterlichen Positionen und die Beiträge, die ein Elternteil für die Entstehung und das Leben eines Kindes leistet, in strukturierterer Weise zu diskutieren. Im nächsten Schritt erleichtert dies auch die Analyse der verschiedenen Interessen, die das Kind auf Kontakt zu, Kenntnis von und Unterstützung durch verschiedene Personen haben kann. Dabei soll zunächst der Versuchung widerstanden werden, von vornherein eine Elternverbindung als wichtiger oder wertvoller einzuschätzen als die anderen. Ebenfalls keine Rolle bei dieser Betrachtung spielen soll zunächst die ethische Bewertung einer bestimmten Form von Fortpflanzung. Ist auch der Vergewaltiger einer Frau der genetische Vater eines Kindes, dessen Vaterschaft nach §  1592 Nr.  3 BGB festgestellt werden kann, so ist die potentielle Elternverbindung, also seine tatsäch­ liche Stellung in Bezug auf ein Kind, zunächst ohne ethische Bewertung zu untersuchen. Ausgangspunkt der Überlegungen soll ein Bild sein, das ich entworfen habe, um die verschiedenen Eltern-Kind-Beziehungen zu illustrieren9.

9  Das Bild liegt dem Buch als farbiger Druck bei. Sollte dieser verloren gehen oder fehlen, kann er bei der Autorin angefordert werden. Der farbige Druck stellt die genetischen Eltern (1) in roter, die gestationale Mutter (2) in orangener, die Initiativeltern (3) in blauer und die sozialen Eltern (4) in gelber Farbe dar.

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Teil 4:  Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft

In der Mitte steht – natürlich – das Kind. Sieben potentielle Eltern mit Elternverbindungen sind mit ihm auf vier verschiedene Weisen verbunden. 1. Die genetischen Eltern, ein Mann und eine Frau, sind rechts oben gezeichnet und mit (1) gekennzeichnet. Von ihnen stammen die Samenzelle und die Eizelle, aus denen das Kind entsteht. Die Vererbung genetischen Materials von den Eltern an die Kinder begründet hier die Elternverbindung. 2. Die Frau links oben, mit (2) gekennzeichnet, ist die Frau, die das Kind ausgetragen und geboren hat. Sie wird auch als gestationale Mutter oder gestationales Elternteil des Kindes bezeichnet. Zwischen ihr und dem Kind besteht eine während der Schwangerschaft geknüpfte Elternverbindung. 3. Rechts   unten zu sehen und mit (3) markiert, sind die Initiativeltern, die die Zeugung des Kindes verursachten.10 Ihr Handeln war für die Entstehung des Kindes ursächlich und begründete so eine Elternverbindung.11 4. Links   unten dargestellt und mit (4) bezeichnet, sind schließlich die sozialen Eltern, die das Kind aufziehen. In diesem Fall begründet die durch Fürsorge und Interaktion mit dem Kind geschaffene Beziehung die Elternverbindung. 10 Ob diese Personen verdienen, als Eltern Rechte und Pflichten zu übernehmen, soll damit selbstverständlich nicht gesagt werden. 11 Die Literatur spricht hier häufig von Wunscheltern oder intentionalen Eltern, vgl. ­Dutta, JZ 2016, 845. Zur begrifflichen Klärung unter Teil 4 I 3 (S.  295).

I.  Tatsächliche Elternverbindungen

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Wichtig ist zu betonen, dass diese Elternverbindungen nicht notwendig verschiedenen Personen zukommen. Die separat gezeichneten Linien und Eltern symbolisieren vielmehr Verbindungen, die von zwei oder mehr Personen zu einem Kind geknüpft werden können. Angenommen, ein Paar hat Geschlechtsverkehr und zeugt dabei ein Kind, das die Frau austrägt und das Paar gemeinsam aufzieht, so bestehen alle vier Elternverbindungen zwischen dem Kind und seinen zwei ­Eltern. Dies entspricht dem rechtlichen „Normalfall“, in dem das Abstammungsrecht beiden Eltern den Status der Elternschaft mit allen Rechten und Pflichten in Bezug auf das Kind zuweist, also die rechtliche Elternschaft oder Elternstellung. Durch die Entwicklung der Reproduktionsmedizin, aber auch durch Ereignisse wie die Eingehung einer neuen Beziehung eines Elternteils zu einem anderen Partner, zu dem das Kind eine neue soziale Beziehung etabliert, ist es jedoch zu einer Segmentierung und Pluralisierung von Elternschaft12 gekommen. Dies zeigt sich im obigen Modell dadurch, dass mehr als zwei Personen Elternverbindungen mit einem Kind etablieren können. Die rechtliche Behandlung dieser Multiplikation von Elternverbindungen ist der Kern des Problems der Mehrelternschaft. Von Natur aus spielt das Geschlecht der genetischen Eltern und der Geburtsmutter die entscheidende Rolle, wobei sich dies in Zukunft mit Weiterentwicklung der In-vitro-Gametogenese (IVG),13 jedenfalls in Bezug auf die genetischen Eltern ändern könnte. In dieser Untersuchung wird aber noch davon ausgegangen, dass Ei‑ und Samenzelle von einer Frau und einem Mann stammen. Davon abgesehen können Initiativeltern und soziale Eltern aber sowohl Personen verschiedenen als auch gleichen Geschlechts sein. Darum können die oben beteiligten blauen und gelben Paare auch als gleichgeschlechtliche Paare verstanden werden. Nach dem derzeitigen Stand der Medizin können jedoch nur zwei Personen als genetische Eltern und eine Frau als gestationale Mutter beteiligt sein. Während die Eltern üblicherweise Paare sind, wäre es theoretisch denkbar, dass Initiativeltern und soziale Eltern jeweils mehr als zwei Personen sind. Künftige Verfahren der Reproduktionsmedizin wie IVG oder der Kerntransfer bei Eizellen14 könnten es möglich machen, dass das genetische Material mehrerer Personen verwendet wird. Auf diese Fragen wird ausführlich zurückzukommen sein. 12 Vgl. Brosius-Gersdorf, RdJB 2016, 136; Vaskovics, RdJB 2016, 194; Dutta spricht insofern prägnant von der „gespaltenen Elternschaft als Herausforderung des Kindschaftsrechts des 21. Jahrhunderts“; Dutta, JZ 2016, 845. 13  Vgl. Teil 3 VIII 3 (S. 274). Das Verfahren ist bisher nur bei Mäusen angewendet worden. Es erlaubt, aus Hautzellen sowohl Samen- als auch Eizellen zu gewinnen: vgl. Albrecht, FAZ. net v. 28.10.2016; zu ethischen und rechtlichen Implikationen: Suter, Journal of Law and the Biosciences, 2016, 1. 14  Teil 3 VIII 2 (S. 273). Beim Kerntransfer wird der Zellkern der Eizelle einer Frau in die zuvor entkernte Zelle einer anderen Eizelle eingesetzt, sodass die gesunden Mitochon­ drien der zweiten Zelle die Gesundheit des später geborenen Kindes gewährleisten können. Vgl.: Baby mit drei biologischen Eltern geboren, SZ v. 27.9.2016; Baby dreier Eltern geboren, FAZ.net v. 27.9.2016.

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Teil 4:  Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft

1.  Genetische Eltern(verbindung) Zunächst soll das Augenmerk auf die genetische Elternverbindung gerichtet werden. Sie ist in dem Bild rechts oben dargestellt und mit (1) gekennzeichnet. Der Moment der Verschmelzung15 von Eizelle und Samenzelle markiert den Beginn der Entwicklung eines neuen Menschen mit einem einzigartigen Genom. In diesem Zusammenhang wird in Bezug auf das Kind der Beginn des grundrechtlichen Lebensschutzes zu erörtern sein. Der Mann und die Frau, von denen Sperma und Eizelle stammen, aus denen das Kind entsteht, sind dem Kind ein Leben lang auf fundamentale Weise verbunden. Sie liefern das genetische Material für die Zeugung des Kindes. Man könnte die Eltern auch beide als biologische Eltern bezeichnen, aber da vorliegend der Fokus auf der tatsäch­ lichen Abstammung liegt, wird hier der Begriff „genetisch“ verwandt, um Verwechselungen zu vermeiden.16 Der Begriff „biologischer Elternteil“ wird in der Diskussion nämlich sowohl für den leiblichen Vater verwandt, der das Kind mit seinem Samen gezeugt hat, als auch für die Frau, die das unter Verwendung ­einer Eizellenspende gezeugte Kind ausgetragen hat.17 Der deutsche Ethikrat bezeichnet demgegenüber als „biologische Eltern“ sowohl die austragende Frau als auch die Personen, die Ei- und Samenzelle gespendet haben.18 Die Frage, welche Bedeutung das genetische Material letztlich für Aussehen, Charakter und Begabung eines Menschen zukommt, ist nicht einfach zu beantworten. Die Debatte um „nature“ oder „nurture“19 befasst sich insofern mit der Frage, inwiefern das genetische Material eines Menschen sein Aussehen,20 seine Anlagen und sein Leben vorbestimmen („nature“) oder diese durch Nahrung, Umwelt und soziale Kontakte („nurture“) geprägt werden.21 Nach derzeitigem Stand der Wissenschaft gibt der Genotyp, d. h. die genetische Anlage eines Menschen, zwar das Potential dieses Menschen beispielsweise hinsichtlich seiner Größe vor. Der Phänotyp, das heißt seine tatsächliche Erscheinung, wird aber von seinem Umfeld geprägt,22 z. B. durch Ernährung und Krankheiten.23 15 Wobei es hier noch nicht auf die Verursachung der Verschmelzung als Vorgang ankommt (siehe dazu unten Teil 4 I 3 (S.  295)), sondern deren Folge als Vereinigung von Ei- und Samenzelle zu dem spezifischen genetischen Material des Kindes. 16  Vgl. zu den verwendeten Begrifflichkeiten: Teil 1 II 1 (S.  5). 17 Vgl. hier nur Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, „Rechtliche, biologische und soziale Elternschaft“. 18  Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung, 2016, 14. 19  Die Begriffe „nature“ versus „nurture“ gehen zurück auf Francis Galton, der auch der Erfinder der ethisch und politisch belasteten „Eugenik“ war: vgl. Mukherjee, The Gene, 2016, 64, 67. 20  Vgl. zum Beispiel die aktuelle Entdeckung des Gens, das bei Kindern zur Ausprägung unkämmbarer Haare führt, durch Wissenschaftler der Universität Bonn: Betz, Universität Bonn News v. 17.11.2016. 21  Vgl. nur Medina, Brain Rules for Baby, 2014, 10, 25, 95, 100, 107. 22  Mukherjee, The Gene, 2016, 106 f. 23 Vgl. Mukherjee, The Gene, 2016, 255 ff.

I.  Tatsächliche Elternverbindungen

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Da man die Einflüsse der Umwelt und die genetischen Anlagen eines Menschen nicht isoliert betrachten kann, ist die relative Bedeutung beider Faktoren schwer zu ermitteln. So ist etwa die Entwicklung der intellektuellen Fähigkeiten eines Menschen sehr stark davon abhängig, wie die Person ihr Gehirn nutzt.24 In der Zukunft wird die Wissenschaft hier sicher weitere wichtige Erkenntnisse liefern. Trotzdem gibt es ohne Zweifel einen erheblichen Einfluss des genetischen Materials („nature“) auf das Erscheinungsbild, die Fähigkeiten und die Veranlagungen zu Krankheiten eines Menschen.25 Nicht umsonst ermöglicht der Vergleich des genetischen Erbguts die Identifizierung eines Menschen und seiner Verwandtschaft über Jahrtausende hinweg.26 Die Verbindung zwischen den genetischen Eltern und dem Kind korrespondiert auch mit dem noch zu diskutierenden Grundrecht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung.27 Die große Bedeutung der genetischen Abstammung zeigt sich auch darin, dass sie die Verbindung zu genetischen ­Geschwistern vermittelt, mit denen eine inzestuöse Verbindung einzugehen eine statistisch zwar nicht begründete, aber häufige Befürchtung von Samenspender- und ­Adoptivkindern ist.28 Im Verhältnis zur Vaterschaft weist das deutsche Recht der Person des genetischen Vaters große Bedeutung zu. Gem. §  1593 Nr.  3 BGB ist der „leibliche“ Vater der Vater des Kindes. Dies gilt auch für den Samenspender, obgleich die rechtlichen Eltern bei Zustimmung zur künstlichen Befruchtung die Vaterschaft des rechtlichen Vaters gem. §  1600 Abs.  5 BGB nicht anfechten können.29 Das Kind kann dies allerdings nach geltendem Recht tun und damit doch der genetischen Abstammung rechtlich den Vorrang verschaffen. Das Recht knüpft 24 Dies zeigen beispielsweise Untersuchungen zur Neuroplastizität des Gehirns, die z­ eigen, dass die Veränderung des Gehirns ein lebenslang anhaltender Prozess ist (vgl. dazu Costandi, Neuroplasticity, 2016, 125 ff.). Ein gern in der Populärliteratur zitiertes Beispiel ist eine Untersuchung von Londoner Taxisfahrern, bei denen die Regionen des Gehirns, die der Orientierung dienen, deutlich besser entwickelt waren als bei Menschen, die nicht Taxi fahren (vgl. nur Achor, The Happiness Advantage, 2011, 88 ff.). Weiteres Beispiel für den Einfluss des Umfelds auf die Entwicklung ist der Einfluss, den das Üben (z. B. eines Instruments) auf die Verbesserung von Fähigkeiten dadurch hat, dass Neuronen während des Übungsvorgangs mit Myelin umhüllt, „isoliert“, werden, sodass ein intensiveres und präziseres Feuern der Neuronen möglich wird. Das Myelin besteht aus Proteinen und ist als weiße Masse im Gehirn sichtbar (vgl. Morell (Hrsg.), Myelin, 2013). Für eine populärwissenschaftliche Einführung vgl. Coyle, The Talent Code, 2010, 9 ff. 25 Vgl. Jobling u. a., Human Evolutionary Genetics, 2014, 517 ff. 26  Vgl. zur Erforschung der Kolonisierung der Welt über die genetischen Anlagen in verschiedenen ethnischen Gruppen: Jobling u. a., Human Evolutionary Genetics, 2014, 341 ff. Vgl. dazu auch bereits oben das plastische Beispiel der Baronie Pringle of Stichill (In the matter of the Baronetcy of Pringles of Stichill [2016] UKPC 16 Teil 1 II 3 c (S.  13). 27  Vgl. dazu Teil 5 I 3 (S.  344). 28 Vgl. Bernard, Kinder machen, 2014, 156 ff. 29 BGH, Urt. v. 15.5.2013 – XII ZR 49/11, BGHZ 197, 242; Palandt/Brudermüller, 76.  Aufl. 2017, Einf. v. §  1592, Rn.  5.

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Teil 4:  Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft

zur Bestimmung der Abstammung auch an soziale Tatsachen, wie die Ehe der Mutter, an, die insoweit als Indikatoren der Abstammung dienen, andererseits aber das Kind auch einer prospektiven sozialen Familie rechtlich zuordnen. Die Bedeutung der genetischen Vaterverbindung kommt auch darin zum Ausdruck, dass dem genetischen, nichtrechtlichen Vater gem. §  1686a BGB bei Kindeswohldienlichkeit auch Auskunfts- und Umgangsrechte zustehen können.30 Sie zeigt sich weiter darin, dass §  1598a BGB dem rechtlichen Vater, der Mutter und dem Kind die Überprüfung der genetischen Abstammung erlauben. Zur Überprüfung der genetischen Abstammung von irgendeinem Mann ist §  1598a BGB in seiner derzeitigen Fassung allerdings nicht anwendbar und eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zum Erlass einer Neuregelung besteht nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19.4.2016 nicht.31 Im Gegensatz zur hohen Bedeutung des genetischen Vaters hat die genetische Mutter, die Eizellenspenderin, keine Position im deutschen Recht. Dies beruht, wie oben gezeigt wurde, auf dem Bemühen des Gesetzgebers der Kindschaftsreform von 1998, die „gespaltene Mutterschaft“ zu verhindern. Mutter war nach diesem Verständnis allein die Frau, die das Kind geboren hatte. Diese Vorstellung negiert den genetischen Beitrag der Frau zur Entstehung des Menschen im Interesse eines rechtspolitischen Ziels.32 Ob die Eizellenspenderin, deren Eizelle entkernt und praktisch als Hülle für den Zellkern einer anderen Frau dient, ebenfalls eine genetische Elternverbindung zum Kind etabliert, ist schwieriger zu beurteilen. Die körperlichen Eigenschaften des Kindes werden von den auf den Chromosomen liegenden Genen des Kindes bestimmt, nicht von den Mitochondrien, die allerdings ihr eigenes Erbgut, die mitochondriale DNA besitzen und den Energiestoffwechsel der Zellen wesentlich bestimmen. Der Beitrag der Mitochondrien ist gegenüber den Chromosomen zwar klein, doch lässt sich nicht leugnen, dass ein mit dieser Technik gezeugtes Kind das Erbgut von drei Personen in sich trägt.33 Mit der Entwicklung der Herstellung von Samen- und Eizellen aus Hautzellen im Wege der In-vitro-Gametogenese34 könnte sich genetische Elternschaft fundamental verändern. Je nachdem, aus wie vielen Ursprungszellen die letzten beiden Zellen gewonnen würden, hätte ein solches Kind möglicherweise sehr viele genetische Eltern. Damit würde allerdings auch der Anteil am Erbgut des Kindes immer kleiner. Ausgehend vom Modell der zwei genetischen Eltern ließe sich die Stärke der jeweiligen Verbindung im Verhältnis zu den anderen genetischen Eltern dann prozentual beschreiben. Angenommen, es wird die Eizelle 30 Palandt/Götz, 75.  Aufl. 2016, Einf. v. §  1686a, Rn.  8 , in Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 15.5.2013 – XII ZR 49/11, BGHZ 197, 242. 31  BVerfG, Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186, Rn.  28. 32  Vgl. Teil 2 I 3 a (S.  81). 33  Vgl. Teil 3 VIII 2 (S.  273). 34  Vgl. Teil 3 VIII 3 (S.  274).

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einer Frau verwendet und ein Spermium, das aus dem Zellen von zwei Männern gewonnen wurde, so hätte die Frau eine genetische Elternschaft von 50%, während die beiden genetischen Väter jeweils eine 25%ige Elternverbindung zu dem Kind etabliert haben.

2.  Gestationale Eltern(verbindung) („Geburtsmutter“) a.  Die gestationale Elternverbindung der schwangeren Frau Die zweite wichtige Elternverbindung ist die zwischen der Frau, die das Kind während der Schwangerschaft ausgetragen und geboren hat, und dem Kind, das in ihrem Körper herangewachsen ist. Auf dem Bild ist diese Frau oben links zu sehen und mit einer (2) markiert. Die Geburt bildet den Abschluss dieser Entwicklung, sodass man auch von „Geburtsmutter“ sprechen könnte. Die Entwicklung zum Kind findet allerdings während der Schwangerschaft statt, sodass der Fokus auf diese Elternverbindung gelegt wird. Daher spricht die Untersuchung hier von Schwangerschaftsverbindung. Der Begriff „biologische Eltern“ wird nicht verwendet, weil dieser fälschlicherweise impliziert, die genetischen Eltern seien nicht (auch) die biologischen Eltern.35 Außerdem wird oft auch der leibliche Vater als „biologischer Vater“ bezeichnet, sodass der Begriff „biologisch“ sich nicht hinreichend klar auf die austragende Frau bezieht. Die enge physische und psychische Verbindung zwischen gestationaler Mutter und Kind nahm der deutsche Gesetzgeber der Kindschaftsrechtsreform von 1998 zum Anlass, §  1592 BGB zu schaffen, der die gebärende Frau als die ein­zige Mutter des Kindes ansieht.36 Die Forschung,37 die Auskunft über die Bedeutung der gestationalen Mutter für die Kindesentwicklung geben kann, muss noch weitergehen, um die Entwicklung des Kindes während der Schwangerschaft und den Einfluss der Geburtsmutter in größerem Maße verstehen zu können. Darum muss alles, was hier zu diesem Thema gesagt wird, mit großer Vorsicht und vor dem Hintergrund der in der Entwicklung begriffenen Forschung verstanden werden. Es scheint, dass sich die gestationale Elternverbindung auf der Schnittstelle zwischen der genetischen Elternverbindung, die das genetische Ausgangsmaterial für die Entstehung des Kindes liefert („nature“), und der sozialen Elternverbindung bewegt, die die Entwicklung des Kindes in der Umwelt („nurture“) begleitet. Dies ist auch der Grund, warum das illustrierende Bild auf dem dem Buch beiliegenden Lesezeichen die Geburtsmutter in orangener Farbe, einer Mischung zwischen gelb und rot, darstellt. 35  Vgl. zu den Begriffen Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung, 2016, 14. 36  Vgl. oben Teil 2 I 3 a (S.  81). 37  Vgl. zur Erforschung der Embryonalentwicklung: Bernard, Kinder machen, 2014, 289 ff.

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Teil 4:  Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft

Mit der Einnistung nimmt der Körper der Frau das Kind an, etabliert die Schwangerschaftsverbindung zu dem Kind und ermöglicht die Entwicklung und die Ausprägung der genetischen Anlagen des Kindes.38 Die Geburtsmutter ist aufgrund der Möglichkeit von Embryonentransfer und Eizellenspende heute nicht notwendig auch die genetische Mutter des Kindes. Allerdings kommt es auch zwischen der austragenden Frau und dem Kind, das sie austrägt, zu einem Austausch genetischen Materials über die Plazenta. Dieser sogenannte micro chimeric cell exchange führt dazu, dass die Geburtsmutter und die von ihr ausgetragenen Kinder auch Jahrzehnte nach der Schwangerschaft noch genetisches Material der Kinder bzw. der Geburtsmutter in ihren Körpern tragen.39 Die Ausbildung des Gehirns und damit auch die Möglichkeit des Kindes, etwas um sich herum wahrzunehmen, erfolgt gegen Ende der pränatalen Entwicklung.40 Sowohl die physische als auch mentale Verfassung der schwangeren Frau beeinflusst die Kindesentwicklung. Ab Beginn des dritten Trimesters der Schwangerschaft kann das Kind die Stimme der Mutter hören und nach der Geburt wiedererkennen,41 ihren Herzschlag fühlen, die von ihr aufgenommene Nahrung schmecken und die Umgebung durch sie wahrnehmen.42 So zeigten Kinder nach der Geburt eine Vorliebe für Speisen,43 die die Mutter im dritten Trimester konsumiert hatte ebenso wie für ein bestimmtes Buch, dass die Mutter während dieser Zeit laut vorgelesen hatte.44 Das Verhalten der schwangeren Frau beeinflusst nicht nur mit ihrer Diät, sondern auch ihrer körperlichen Fitness und dem von ihr erfahrenen Stress die Entwicklung des Kindes.45 Stress, den die Frau während der Schwangerschaft erlebt, kann durch ihren Hormonspiegel46 die geistige, motorische und psychische Entwicklung des Kindes einschließlich seines Temperaments und seiner Konzentrations­ fähigkeit negativ bestimmen.47 Dabei ist allerdings nicht jede Form von Stress 38 Vgl. zur Entwicklung zum Kind Schumacher/Christ, Embryonale Entwicklung und Fehlbildungen des Menschen, 1993, 80 ff. 39  O’Neill, New Scientist 10.12.2016, 30. 40  Dobbing/Sands, Archive of Disease in Childhood 48 (1973), 757; Kandel, Principles of Neural Science, New York, 1985, 1019 f.; Huppi u. a., Annals of Neurology 43 (1997), 224. 41  DeCasper/Fifer, Science 208 (1980), 1174. 42  Medina, Brain Rules for Baby, 2014, 29–38. 43  Mennella/Griffin/Beauchamp, Pediatrics 113 (2004), 849; Forestell/Mennella, Pediatrics 120 (2007), 1247. 44  Kolata, Science 225 (1984), 302; DeCasper/Fifer, Science 208 (1980), 1174. 45  Medina, Brain Rules for Baby, 2014, 40–51. 46  Entscheidend ist hier das Stresshormon Cortisol: Field/Diego, International Journal of Neuroscience 118 (2008), 1181; Gunnar/Quevedo, Annual Review of Psychology 58 (2006), 145, 148 ff. 47  Vgl. dazu insbesondere die Metastudie: Beydoun/Saftias, Paediatric and Perinatal Epidemonology 22 (2008), 438; zu den Auswirkungen auf die Ausbildung des Kopfes: Lou u. a., Developmental Medicine & Child Neurology 36, no. 9 (1994) 826–32: zu den Auswirkungen mütterlichen Stresses auf den IQ: LaPlante, Pediatric Research 56 (1994), 400; King/LaPlante, The International Journal on the Biology of Stress 8 (2005), 35; zu Auswirkungen auf Kon-

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schädlich,48 sondern nur solcher Stress, der dazu führt, dass die schwangere Frau sich ausgeliefert und hilflos fühlt,49 wie der Verlust des Partners, des Arbeitsplatzes oder finanzielle Sorgen. Ein besonders starkes Beispiel für die Auswirkungen psychischer Belastungen auf das ungeborene Kind zeigt eine Studie, die nach einem Eissturm durchgeführt wurde, der in Kanada im Winter 1998 Tunnel einstürzen und die Einwohner verschiedener Regionen wochenlang ohne Strom und Versorgung ließ. Nach dem Ende der Katastrophe untersuchten Wissenschaftler die Entwicklung der Kinder, deren Mütter in dieser Zeit schwanger waren, und fanden heraus, dass sich die Entwicklung dieser Kinder signifikant von der anderer Kinder unterschied. Noch Jahre später verlief die sprachliche und sonstige geistige Entwicklung dieser Kinder deutlich verlangsamt.50 Eine andere Studie weist außerdem darauf hin, dass die Beziehung, die die Geburtsmutter während der Schwangerschaft zu dem Kind aufbaut, ihre Bindung mit dem Kind nach der Geburt beeinflussen kann. In der Studie wurden 121 schwangere Frauen dazu befragt, wie sie die Bindung zu ihrem Kind empfinden bzw. empfunden haben.51 Sechs Monate und sechs Jahre nach der Geburt wurde die Qualität der Bindung zwischen Mutter und Kind auf diese Weise untersucht. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass es eine hohe Korrelation zwischen den Gefühlen einer sicheren pränatalen Bindung der Mutter zu ihrem Kind und einer tatsächlich sicheren Bindung zwischen Mutter und Kind bis hin zum schulfähigen Alter gibt. Außerdem entwickelten Frauen, die ambivalente Gefühle oder Gefühle der Bindungsvermeidung vor der Schwangerschaft angaben, auch häufiger ambivalente Bindungen oder eine Beziehung der Bindungsvermeidung mit ihrem Kind bis hin ins schulpflichtige Alter.52 Die Studie scheint darauf hinzudeuten, dass sich die von der Mutter bereits während der Schwangerschaft von ihr wahrgenommene, vorgeburtliche Beziehung zu ihrem Kind in vielen Fällen nach der Geburt fortsetzen wird. Während sie keinen Aufschluss darüber gibt, ob nur die Geburtsmutter sich nach der Geburt erfolgreich um das Neugeborene kümmern kann, gibt die Studie Anhaltspunkte für die vorgeburtliche Verbindung zwischen Mutter und Kind nicht nur auf körzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit bis ins sechste Lebensjahr: Gutteling u. a., Journal of Abnormal Child Psychology 34 (2006), 789; zum Risiko affektiver Dysfunktion: Secki, Progress in Brain Research 167 (2008), 17. 48  DiPietro u. a., Child Development 77 (2008), 573; DiPietro, Current Directions in ­Psychological Science 13 (2004), 71. 49  DiPietro u. a., Child Development 77 (2008), 573; DiPietro, Current Directions in ­Psychological Science 13 (2004), 71. 50  LaPlante u. a., Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychology 47 (2008), 1063; King/LaPlante, The International Journal on the Biology of Stress 8 (2005), 35. 51  Niederhofer, Die Hebamme 2006, 29. 52  Niederhofer, Die Hebamme 2006, 29, 30 f.

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Teil 4:  Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft

perlicher, sondern auch auf emotionaler Ebene, die insbesondere im Zusammenhang mit der Diskussion um Leihmutterschaften zu berücksichtigen sein wird. b.  Der gestationsbegleitende Beitrag des Partners der Schwangeren Angesichts dieser hohen Bedeutung der Verbindung zwischen der austragenden Frau und dem Kind stellt sich die Frage nach der Bedeutung des Partners der austragenden Frau. Der Partner, oder bei einem lesbischen Paar die Partnerin, ist zwar nicht selbst schwanger und etabliert insofern keine eigene Schwangerschaftsverbindung zu dem Kind. Die oben zitierten Studien zeigen aber nicht nur den Einfluss der schwangeren Frau auf das Kind, das sie austrägt, sondern auch die Bedeutung des unmittelbaren sozialen Umfelds auf die Versorgung und Stimmung der schwangeren Frau und damit indirekt auf das Kind. Insofern kann ein Partner durch seine oder ihre unterstützende oder verunsichernden Haltung Einfluss auf die Stimmung der Mutter und damit auch die Entwicklung des Kindes nehmen. Zudem hat die Schwangerschaft auch gewisse hormonelle Wirkungen auf den Partner, z. B. den werdenden Vater.53 Die von Paaren in dieser Situation gemachte Äußerung „wir sind schwanger“ hat insofern durchaus eine gewisse biologische Komponente. Damit stellt sich die Frage, ob dieser Beitrag des Partners so groß ist, dass er innerhalb des Analyseinstruments als eine eigene Elternverbindung verstanden werden muss. Dass diesem Beitrag nicht notwendig die gleiche Stabilität zukommt wie der austragenden Frau selbst, spricht zunächst nicht dagegen. Dagegen lässt sich jedoch einwenden, dass der Beitrag des Partners zur Entwicklung des Kindes deutlich geringer ist als der der Schwangeren selbst. Auch wird der Beitrag des Partners vor der Geburt nur indirekt über die Schwangere vermittelt. Jedenfalls nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft erscheint daher die Annahme einer gestationale Elternverbindung des Partners der Schwangeren übertrieben. Dieses Ergebnis kann aber mit der weiteren wissenschaftlichen Erkenntnissen überprüfungsbedürftig werden. Es ließe sich allerdings von einem „gestationsbegleitenden Beitrag“ sprechen. Angesichts dieser Ausgangslage wird man bereits jetzt vermuten können, dass der Partner, der der schwangeren Frau während der Schwangerschaft zur Seite gestanden hat, besonders geeignet ist, in die spätere soziale Elternrolle einzurücken. Daher wird die Rolle des Partners der Schwangeren noch einmal bei der sozialen Elternverbindung angesprochen.

53 

Edelstein u. a., American Journal of Human Biology 27 (2015) 317.

I.  Tatsächliche Elternverbindungen

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3.  Initiativeltern(verbindung) („Wunscheltern“) In der Diskussion um Elternschaft und künstliche Befruchtung wird sehr häufig der Begriff „intentionale Elternschaft“ oder „Wunscheltern“54 verwendet, und es werden damit z. B. diejenigen Personen bezeichnet, die eine Leihmutterschaftsvereinbarung abschließen oder einen Embryo adoptieren wollen.55 Als „Wunschvater“ könnte man in dieser Diktion auch den Mann bezeichnen, der der künstlichen Befruchtung seiner Partnerin zustimmt. Die Fokussierung auf den „Wunsch“ genügt aber nicht, um diesen Fällen vollständig gerecht zu werden und den Beitrag dieser Personen in der Entstehung des Kindes zu würdigen. Entscheidend ist nicht, dass diese Personen sich ein Kind wünschen, sondern dass sie mit ihrem Verhalten die Zeugung des Kindes initiieren. Dieser Beitrag, nicht allein ein schlichter Wunsch, ist es, der die Verbindung zum späteren Kind begründet, also die Initiativelternverbindung. Dies ist auf der Illustration unten rechts zu sehen und mit (3) markiert. Wenn ein Mann und eine Frau Geschlechtsverkehr haben und dabei ein Kind zeugen, verursachen sie die Entstehung des Kindes. Die Verursachung der Entstehung eines Kind durch seine Zeugung wurde in der Vergangenheit, insbesondere in Bezug auf den Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes gegen seinen „Erzeuger“, als Rechtfertigung für die dem Kind gegenüber zu tragende Verantwortung angenommen.56 Daher wird die Verbindung zwischen einem Kind und seinen Erzeugern als Elternverbindung konzeptualisiert, ohne dass daran bereits bestimmte Rechtsfolgen geknüpft werden. Die Zeugungs-Eltern werden hier als Initiativeltern bezeichnet, weil sie die Entstehung des Kindes initiieren. Ohne sie würde das Kind nicht existieren. Die Diskussion dieser Elternverbindung an dritter Stelle – hinter den genetischen und gestationalen Eltern – ist chronologisch nicht ganz richtig. Der Beitrag der Initiativeltern zur Entstehung des Kindes findet schließlich als erstes statt. Da es sich bei der Initiativelternverbindung jedoch um ein in dieser Arbeit neu entwickeltes Konzept handelt, sollte dies erst aufbauend auf die bereits anerkannten Formen der biologischen Elternschaft dargestellt werden. Wird ein Kind in der traditionellen Weise gezeugt, dann wird stets eine kausale Verbindung zwischen Kind und Eltern begründet, und zwar selbst dann, wenn erfolglos Verhütungsmittel verwendet wurden, also gerade kein Kinderwunsch des Paares besteht.57 Wird jedoch ein Kind durch künstliche Befruch54 

Vgl. z. B. Dutta, JZ 2016, 845. allein die Diskussion in der Abteilung F beim 73. DJT 2016; sowie der (nach der Erarbeitung dieser Monographie erschienene) Abschlussbericht des Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, 27. 56  Vgl. oben Teil 2 I 1 d aa (1) (S.  41). 57  Die Frage, ob die Parteien mit Willen handeln müssen, um eine Initiativverbindung zu schaffen, bedarf weiterer Diskussionen. Da bei einer Vergewaltigung eine Frau nicht willentlich beteiligt ist, ließe sich hier gegebenenfalls überlegen, ob sie keine initiative Elternverbin55  Vgl.

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Teil 4:  Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft

tung unter Einsatz von Reproduktionsmedizin gezeugt, treten andere Personen hinzu, auch bei einer homologen IVF58 jedenfalls das medizinische Personal, das an der Befruchtung mitwirkt. In einem solchen Fall sind jene Personen die Initiativeltern, die der künstlichen Befruchtung oder der Leihmutterschaftsvereinbarung zustimmen. Auch sie begründen eine kausale Verbindung mit dem Kind, das ohne ihre Handlungen nicht geboren worden wäre. Wird ein Kind im Wege künstlicher Befruchtung gezeugt, so bedarf die Feststellung der Initiativelternschaft über das Kriterium der Kausalität hinaus allerdings der Ergänzung um ein voluntatives, wertendes Element.59 Nicht jede Person, deren Handlungen kausal im Sinne eines conditio-sine-qua-non für die Geburt eines Kindes geworden sind, begründet eine Initiativverbindung mit dem Kind. Eine (Schwieger)Mutter, die ein Paar durch ständiges Nachfragen daran erinnert, dass sie ein Enkelkind haben möchte, kann über kurz oder lang ein Paar dazu bringen, eine Familie zu gründen. Der Arzt, der die künstliche Befruchtung durchführt, wird, ebenso wie die Spender von Ei- und Samenzelle, ebenfalls kausal für die Geburt des Kindes. Doch obwohl Arzt und Spender die Zeugung eines Kindes wünschen, richtet sich das Ziel ihrer Handlungen nicht darauf, selbst Eltern werden zu wollen, sondern andere Personen bei der Elternwerdung zu unterstützen. In solchen Situationen willentlicher Initiierung des Zeugungsvorgangs ist aber das Ziel der eigenen Elternschaft für die Frage der Initiativelternverbindung ausschlaggebend, und nicht die helfenden Beiträge dritter Personen, etwa wenn diese quasi einen Auftrag der Initiativ­ eltern erfüllen. 60 Trotzdem sollte die Initiativverbindung nicht mit dem Willen zur Elternschaft verwechselt werden, die man als „intentionale Elternschaft“61 oder „Wunschelternschaft“ bezeichnen könnte. Die Intention zur Elternschaft kann ein wichtiger Aspekt bei der Begründung rechtlicher Elternschaft sein. 62 An diesem Punkt analysiert die Untersuchung jedoch Verbindungen zwischen dung zu dem Kind begründet. Dies würde an ihrer genetischen Elternschaft allerdings nichts ändern. 58 Befruchtung in Vitro, d. h. außerhalb des Körpers der Frau, mit dem Sperma ihres Partners, also nicht mit dem Sperma eines Samenspenders. 59 Vgl. zur Diskussion um voluntative Elemente bei der Begründung der Elternschaft: Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, 27. 60 Diskutieren ließe sich allerdings möglichweise, dass die Verursachung der Geburt­ eines Paares, die eine Schwangerschaft nicht wünschte, z. B. bei einer gescheiterten Sterilisierung, auf der Grundlage dieser Argumentation eine rechtliche Verantwortung begründen könnte. Damit ließe sich möglicherweise auch ein Problem eines Kindes als Schaden vermeiden. 61 Vgl. zur Rollen von Wünschen auch: Herring/Probert/Gilmore, Great Debates in ­Family Law, 2015, 26, 32 f. 62 In ihrem Model Family Code schlagen beispielsweise Schwenzer und Dimsey eine intentionale rechtliche Elternschaft vor, die mit Zustimmung der Geburtsmutter nach der Geburt begründet wird, Schwenzer/Dimsey, Model Family Code, 2006, 98–99.

I.  Tatsächliche Elternverbindungen

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e­ inem Kind und möglichen Eltern, die ohne eine rechtliche Anerkennung existieren können. Das bedeutet nicht, dass der Wille zur Elternschaft unwichtig für die Gestaltung von Elternverbindungen ist.63 Die Initiativelternverbindung ist jedoch allein mit dem Willen zur Elternschaft nicht ausreichend beschrieben. Die Verbindung der Initiativeltern, die z. B. eine Leihmutterschaftsvereinbarung mit einer Leihmutter abschließen, mit dem von dieser ausgetragenen Kind ist etwas anderes als die Situation eines Paares, das gern (irgend)ein Kind adoptieren möchten. So lange die prospektiven Adoptiveltern das Kind noch nicht getroffen haben, das sie gern adoptieren möchten, bleibt es bei einem generellen Wunsch. Die Wunscheltern oder „Bestelleltern“, wie die Menschen üblicherweise genannt werden, die eine Leihmutterschaftsvereinbarung mit der Leih­ mutter abschließen, tun nämlich mehr, als sich allgemein ein Kind zu wünschen. Initiativeltern verursachen die Zeugung des Kindes. Ohne ihr Handeln gäbe es das Kind nicht. Im Fall einer künstlichen Befruchtung, der die Initiativ­ eltern zugestimmt haben, oder im Fall des Abschlusses einer Leihmutterschaftsvereinbarung haben sie dies allerdings getan, weil sie den Wunsch zur Initiative konkretisiert hatten, die Eltern gerade dieses so entstandenen Kindes zu werden, so wie auch leibliche Eltern, die sich ein Kind wünschen, ein Kind zeugen um die Eltern genau dieses Kindes zu werden. Der Unterschied zwischen einer Anknüpfung an die Erzeugung des Kindes, nicht an den Kinderwunsch, besteht jedoch darin, dass der Beitrag zur Verursachung des Kindes es rechtfertigt, diesen zum Anknüpfungspunkt für elterliche Verantwortung zu machen. 64 Das deutsche Recht hat bereits verschiedentlich auf die Initiativelternschaft abgestellt. Der nichteheliche „Zahlvater“ im BGB von 1900 kam als „Erzeuger“ durch die Zahlung des speziellen Unterhalts, der nicht Verwandtenunterhalt war, der Zeugungsverantwortung nach. Eine rechtliche Eltern-Kind-Beziehung etablierte das Recht aber gerade nicht. §  1600 Abs.  5 BGB schafft durch die Einwilligung in die künstliche Befruchtung eine Vaterschaft, die von Vater und Mutter nicht angefochten werden kann. Diese Zustimmung begründete die Initiativelternverbindung. Die Initiativ­ elternverbindung kann auch die automatische Zuweisung der Elternschaft an die gleichgeschlechtliche Partnerin der Mutter rechtfertigen, 65 wie sie im Ver­ einigten Königreich und Österreich möglich ist. 66 63  Dieser Punkt wird später insbesondere auch im Zusammenhang mit der Möglichkeit des Verzichts auf die Elternrechte diskutiert werden. 64  Vgl. zur Bedeutung von Verantwortung bei der Bestimmung der Elternschaft: Herring/­ Probert/Gilmore, Great Debates in Family Law, 2015, 26, 41. 65  Herring/Probert/Gilmore, Great Debates in Family Law, 2015, 26, 32 knüpfen hier allerdings wieder an die Intention der Parteien an. 66  Section 48 (1), Human Fertilisation and Embryology Act 2008, dazu Scherpe, FamRZ 2010, 1513; §  148 Abs.  4 ABGB.

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Teil 4:  Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft

Erkennt ein Mann ein Kind gem. §  1592 Nr.  2 BGB an, wird die rechtliche Elternschaft in Anknüpfung an eine Willensentscheidung zugewiesen. Doch liegt damit nicht notwendig eine Initiativelternverbindung vor. Der Hintergrund der Anerkennung ist nicht notwendig klar, er kann auf einer vermuteten genetischen Abstammung beruhen, auf der Zustimmung zu einer künstlichen Befruchtung oder auf dem schlichten Wunsch, gemeinsam mit der Mutter die Elternverantwortung zu übernehmen. Der BGH hat in zwei oben intensiv dargestellten Entscheidungen die Initiativelternverbindung aufgegriffen. Einerseits im Fall der Leihmutterschaft67 und andererseits im Fall des Lebensgefährten, der der künstlichen Befruchtung seiner Partnerin zugestimmt hatte,68 begründete das Gericht die Zuweisung elterlicher Verantwortung damit, dass die Wunscheltern die Zeugung des Kindes verursacht hätten.

‌4 .  Soziale Eltern(verbindung) Viertens ist die soziale Elternverbindung zu erwähnen. Die bisher vorgestellten Elternverbindungen werden schon vor der Geburt geknüpft. Die soziale Elternverbindung entsteht nach der Geburt. 69 Soziale Eltern sind die Menschen, die all die Dinge für das und mit dem Kind tun, die man mit Elternschaft assoziiert. Die soziale Elternverbindung wird von den Menschen begründet, die für das Kind im täglichen Leben sorgen, mit ihm Umgang haben, sich um dieses kümmern, wenn es krank ist, und in seinen kleinen und großen Sorgen für das Kind Verantwortung übernehmen. Auf der Seite des Kindes erfüllen die sozialen ­Eltern mit der tatsächlichen Fürsorge die Bedürfnisse des Kindes, deren Erfüllung aufgrund des Grundrechts auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung gem. Art.  2 Abs.  1 GG in Verbindung mit Art.  6 Abs.  2 GG vom Staat zu respektieren und zu fördern ist. In der Illustration sind die sozialen Eltern unten links dargestellt und mit (4) markiert. Die Bedeutung der sozialen Eltern lässt sich am besten mit einem Blick in die menschliche Evolutionsgeschichte zeigen:70 Die aufrechte menschliche Fortbewegung auf zwei Beinen führte zu einem gegenüber vierbeinigen Tieren gekippten Becken mit einem relativ engen Geburtskanal, durch das nur ein Kind mit relativ kleinem Kopf passt. Im Übrigen wäre die Mutter körperlich nicht in der Lage gewesen, ein immer größer werdendes Baby in ihrem Körper zu er67 

BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350, Rn.  60. BGH, Urt. v. 23.9.2015 – XII ZR 99/14, NJW 2015, 3434. 69 Auch wenn die soziale Elternverbindung von Partnern der Geburtsmutter während der Schwangerschaft an eine vorgeburtliche, über die schwangere Frau begründete Beziehung anknüpfen kann. Entscheidend ist aber auch dort die längerfristig angelegte Beziehung mit dem Kind, dazu noch unten. 70  Bogin, Yearbook of Physical Anthropology 40 (1997), 63; vgl. auch das gesamte Heft 2 von/in Bock/Sellen, Human Nature 13 (2002). 68 

I.  Tatsächliche Elternverbindungen

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nähren. Daher werden Kinder größtenteils „unfertig“ geboren. Anders als andere Säugetiere, wie z. B. Pferde, die schnell nach der Geburt laufen können und bald selbständig werden, benötigen Kinder viele Jahre intensiver Betreuung, um sich zur Selbständigkeit entwickeln zu können.71 Insofern ist die Schwangerschaft nur der erste Teil der Entwicklung eines Kindes, die sich nach der Geburt unter elterlicher Fürsorge fortsetzen muss. Auch wenn die genetischen Anlagen eines Kindes von großer Bedeutung sind, ob und wie ein Kind diese Anlagen entfalten kann, hängt von seinem sozialen Umfeld ab, von Unterstützung, Fürsorge und insbesondere auch von der Harmonie zwischen den Eltern. Eine konfliktreiche Atmosphäre schadet der Entwicklung des Kindes.72 Soziale Eltern geben einem Kind nicht nur Nahrung und Obdach, sondern vermitteln ihm auch ihre gesellschaftliche Stellung. Auch wenn der leibliche ­Vater des 9. Baron von Pringle of Stichill,73 der sich über 100 Jahre später als Kuckuckskind entpuppte, ein Bauer gewesen sein sollte, aufgrund seiner sozialen Eltern wurde das Kind als adelig und Erbe einer Baronie angesehen. Sich um ein Kind zu kümmern und es zu erziehen ist nichts, was nur Eltern tun können. Oft nimmt eine große Zahl von Menschen wie Lehrer, Ärzte, Tanten, Onkel, Großeltern, Nachbarn, Kindermädchen und Kindergärtner an der und auf die Entwicklung eines Kindes Anteil und Einfluss.74 Doch tun sie dies nicht etwa alle als Eltern, sondern zur Unterstützung der Eltern. Sie stehen ­damit in einem ähnlichen Verhältnis zu den sozialen Eltern wie Ärzte und Spender von Ei- und Samenzelle, die ihre Leistungen zur Unterstützung der Initiativ­eltern erbringen können. Die Übergänge können hier allerdings fließend sein. So verbrachten vor dem Siegeszug der bürgerlichen Familie im 19. Jahrhundert Kinder von Familien, die es sich leisten konnten, die ersten Monate häufig bei einer Amme, und die späteren bei einer Gouvernante oder einem Kindermädchen, die oft eine engere Verbindung zu dem Kind aufbauten als die leibliche Mutter. Nicht nur die leiblichen Eltern können die soziale Elternrolle übernehmen, wie Adoptiveltern, Stiefeltern und Eltern von Kindern, die durch Gametenspenden entstanden sind, zeigen. Das deutsche Familienrecht räumt den sozialen Elternverbindungen große Bedeutung ein. Es benutzt diese sozial-recht­ lichen Verbindungen als Grundlage für die Zuweisung der Elternschaft in 71 

Medina, Brain Rules for Baby, 2014, 12 f, 49 f. rät der Arzt und Autor populärwissenschaftlicher Untersuchungen zur Gehirnentwicklung, John Medina, Ehemännern, die ihn fragen, wie sie ihre Kinder zu Harvard-Studenten machen können: „Wollen Sie wirklich wissen was das Datenmaterial sagt? Gehen Sie nach Hause und lieben Sie Ihre Frau!“ Medina, Brain Rules for Baby, 2014, 57; vgl. ausführlich: Walper/Enleitner-Phelps/Wendt, RdJB 2016, 210, 212 ff. 73  In the matter of the Baronetcy of Pringles of Stichill [2016] UKPC 16. 74 Die Mitwirkung solcher sogenannten „Alloparents“ ist nicht etwa unnatürlich, sondern hatte maßgeblichen Anteil an der Menschheitsentwicklung, vgl. dazu unten Teil 5 II 3 b ee (S. 375). 72  Entsprechend

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Teil 4:  Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft

§§  1592 Nr.  1 und 2 BGB. Eine sozial-familiäre Verbindung zwischen recht­ lichem Vater und Kind schließt gem. §  1600 Abs.  2, 3 BGB das Recht des genetischen Vaters zur Anfechtung der Vaterschaft aus. Außerdem steht Stiefeltern, die keine rechtlichen Eltern sind, das kleine Sorgerecht gem. §  1687b BGB, §  9 Abs.  1–4 LPartG zu. Adoptiveltern dürfen ein Kind adoptieren, wenn erwartet werden kann, dass sich eine soziale Elternbeziehung etablieren kann. Soziale Elternbeziehungen müssen sich entwickeln. Bei leiblichen Eltern, die auch das Kind selbst großziehen, geschieht dies zumindest von der Geburt an meist automatisch. Stiefeltern und Adoptiveltern müssen eine solche Beziehung erst aufbauen, nicht selten gegen „innere“ Widerstände aller Beteiligten. Um eine Person als soziales Elternteil bezeichnen zu können, muss diese eine ­wesentliche Bezugsperson für das Kind geworden sein. Dies braucht, wie oben bereits dargestellt wurde, Zeit und Geduld.75 Untersuchungen haben gezeigt, dass dies bei Stiefkindern in der Praxis durchschnittlich fünf Jahre dauert.76 Ist ein sozialer Elternteil allerdings bereits während der Schwangerschaft und bei der Geburt anwesend und betreut das Kind von Anfang an mit, so kann diese Entwicklung wahrscheinlich schneller verlaufen, da der soziale Elternteil sowohl das Heranwachsen im Mutterleib77 als auch die erste Entwicklung mit begleitet hat. Auch wenn diese Person in dieser Untersuchung nicht als „gestationaler Elternteil“ bezeichnet wird, wird jedoch insofern für möglich gehalten, dass durch den „gestationsbegleitenden Beitrag“ dieser Person nach der Geburt Bindungen schneller geknüpft werden könnten. So hat das Kind im Mutterleib bereits die Stimme des Partners bzw. der Partnerin hören können. Die Etablierung einer sozialen Beziehung hat damit möglicherweise sogar bereits vor der Geburt begonnen. Hier tritt der soziale Elternteil auch nicht in Konkurrenz zu einer bereits bestehenden Beziehung. Aus diesem Grund ist die Zuweisung der Vaterschaft an den Ehemann der Mutter 78 nicht nur deshalb sinnvoll, weil seine genetische und Initiativelternschaft vermutet werden, sondern auch weil zwischen ihm und dem Kind von Anfang an eine soziale Elternverbindung entstehen kann. Argumente zur Bedeutung der sozialen Elternschaft werden auch in der internationalen Diskussion vorgebracht. So formuliert Willekens provokant, alle Elternschaft sei sozial und es sei Aufgabe des Rechts, für ein Kind die besten sozialen Eltern auszusuchen.79 Ähnlich argumentiert auch Herring: 75 

Teil 3 IV 1 (S. 257). Steinbach, in: Hill/Kopp (Hrsg.), Handbuch Familiensoziologie, 2015, 563, 574. Beckh/Walper, in: Bien/Hartl/Teubner (Hrsg.), Stieffamilien in Deutschland, 2002, 201, 204. 77  Vgl. zu Bedeutung des Partners für die Stimmung und Versorgung der Geburtsmutter: Teil 4 I 2 (S. 291). 78  Oder, wie in Österreich (§  144 Abs.  2 Nr.  1 ABGB) oder Südafrika (vgl. BGH, Beschl. v. 20.4.2016 – XII ZB 15/15, BGHZ 210, 59, Rn.  30), auch an den gleichgeschlechtlichen ­Lebens(bzw. Ehe-)partner der Mutter. 79  Willekens, RdJB 2016, 130 ff. 76 

I.  Tatsächliche Elternverbindungen

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„Parental status should be earned by the care and dedication to the child, something not shown simply by a biological link. It is the changing of the nappy; the wiping of the tear; and the working out of maths together that makes a parent, not the provision of an egg or sperm.“80

Die Gegenüberstellung von sozialer und leiblicher Familie wurde auch in der schöngeistigen Literatur zum Thema. Im Konflikt berufen sich die leiblichen Eltern auf die genetische Verbindung, die sozialen Eltern auf das Kindeswohl. Fällt die Entscheidung zugunsten des Kindeswohls aus, lässt dies erkennen, dass der Autor überzeugt ist, die schwierige Frage beantworten zu können, was dem Wohl eines Kindes – und damit einer Gesellschaft dient. Zu nennen ist hier z. B. Berthold Brechts Theaterstück „Der kaukasische Kreidekreis“, in dem eine arme Frau das Kind einer herzlosen Gutsbesitzerin betreut, die sich erst wieder dafür interessiert, als das Kind zum Erben eines beträchtlichen Vermögens wird. Der Richter prüft die Elternschaft der beiden Mütter, indem er sie anweist, das Kind aus einem Kreidekreis zu ziehen. Während die um das Kindeswohl wenig bekümmerte leibliche Mutter zieht, lehnt die soziale Mutter ab, weil sie nicht zerreißen könne, was sie aufgezogen habe. Dieser sozialen Mutter weist der Richter das Kind zu. Das Stück schließt mit den Zeilen: Ihr aber, ihr Zuhörer der Geschichte vom Kreidekreis Nehmt zur Kenntnis die Meinung der Alten: Daß da gehören soll, was da ist, denen, die für es gut sind, also Die Kinder den Mütterlichen, damit sie gedeihen Die Wagen den guten Fahrern, damit gut gefahren wird Und das Tal den Bewässerern, damit es Frucht bringt.81

Auch im Rechtsstaat des Grundgesetzes ist – unter geänderten Vorzeichen – das Spannungsverhältnis zwischen einer Bestimmung der Eltern nach dem Kindeswohl und den Rechten der leiblichen Eltern aktuell. Auf der einen Seite will die Gesellschaft das Beste für Kinder, auf der anderen Seite darf der Staat Eltern ihre Kinder nicht mit der Begründung wegnehmen, er wisse, was für die Kinder (und damit seine künftigen Bürger und Wähler) das Beste sei.

80  Herring, Family Law, 2015, 394: „Der elterliche Status sollte durch die Fürsorge und Hingabe für das Kind verdient, nicht einfach durch eine genetische Verbindung bewiesen werden. Es ist das Wechseln von Windeln, das Tränentrocknen und die gemeinsame Arbeit an Mathematikhausaufgaben die das Elternsein ausmacht, nicht die Lieferung einer Ei- oder Samenzelle.“ Übersetzung der Autorin. 81  Brecht, Der Kaukasische Kreidekreis, 1955, 5.

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Teil 4:  Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft

II.  Analyse der Mehrelternschaft nach Elternverbindungen Nachdem die vier möglichen Elternverbindungen isoliert dargestellt worden sind, sollen nun verschiedene Fälle von Mehrelternschaft unter Anwendung des Instrumentariums der Elternverbindung analysiert werden. Angenommen ein Mann und eine Frau wünschen sich ein Kind. Das Kind wird durch Geschlechtsverkehr zwischen beiden (Initiativverbindung) durch die Vereinigung ihrer Eizelle und seiner Samenzelle (genetische Verbindung) gezeugt. Die Frau trägt das Kind unterstützt von ihrem Partner aus (gestationale Verbindung) und bringt es auf die Welt. Das Kind wächst bei dem Mann und der Frau auf, die sich liebevoll um es kümmern (soziale Verbindung). In diesem Fall einer traditionellen Zwei-Elternfamilie82 haben die Frau und der Mann dann je vier bzw. drei Verbindungen mit dem Kind. In beiden Fällen ist es die maximale Anzahl von Verbindungen. Die Frau ist genetische, gestationale, initiative und soziale Mutter. Der Mann ist genetischer, initiativer und sozialer Vater. Die im Teil 3 diskutierten Fälle von Mehrelternschaften sind dagegen deutlich komplizierter. Sie sollen mit den in Teil 3 und soeben in Teil 4 entwickelten ­Instrumenten analysiert werden.

1.  Zwei Väter und eine Mutter a.  Anfängliche unfreiwillige Mehrelternschaft In Fällen wie denen, die dem Anayo-Fall und den folgenden Entscheidungen des EGMR zugrunde lagen, 83 wurde ein Kind nach der Affäre einer verheirateten Frau geboren und dann von ihr und ihrem Ehemann erzogen. Hier bestand das Mehrelternverhältnis schon zum Zeitpunkt der Geburt und es kam ohne das Einverständnis aller Beteiligten zustande. Es liegt eine anfängliche unfreiwillige Mehrelternschaft vor.84 In einem solchen Fall hat die Mutter eine vierfache Verbindung mit dem Kind, das sie gezeugt hat, das ihr genetisches Material in sich trägt, das sie ausgetragen hat und das sie aufzieht. Der Ehemann hat eine soziale Verbindung mit dem Kind. Außerdem ist er der rechtliche Vater des Kindes, was auch bedeutet, dass das Recht gem. §  1600c BGB vermutet, dass er das Kind mit seinem Samen gezeugt hat, dass er also genetische und Initiativverbindung mit dem Kind besitzt. Insofern vermutet das Recht, dass er drei Verbindungen mit dem Kind besitzt, ebenfalls die maximale Anzahl von Verbindungen. Zwischen dem Ehemann und dem Kind bestehen also eine sichere Verbindung, die soziale Eltern82 Von Hepting als „harmonische Kernfamilie“ bezeichnet: Hepting, StAZ 1998, 133, 144; vgl. auch Dutta, JZ 2016, 845. 83  Siehe oben Teil 3 I 1 (S.  197). 84  Vgl. oben Teil 3 IX 2 (S. 275).

II.  Analyse der Mehrelternschaft nach Elternverbindungen

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verbindung, und zwei unsichere Verbindungen, die genetische und die Initiativ­ verbindung, die das Recht auf der Grundlage sozialer Gegebenheiten und zur Wahrung des Familienlebens annimmt. Der potentielle leibliche Vater hat möglicherweise eine genetische und eine initiative Verbindung begründet, als er Geschlechtsverkehr mit der Mutter hatte und dabei das Kind gezeugt wurde. Wendet man das oben entwickelte Verbindungsmodell an, so zeigt sich, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des §  1686a BGB dem potentiell genetischen und Initiativvater die Möglichkeit eingeräumt hat, seine Verbindungen mit dem Kind zu überprüfen. Zeigt das Verfahren, dass der Mann der genetische Vater ist, erlaubt ihm das Gesetz unter der Voraussetzung der Kindeswohldienlichkeit eine – wenn auch gegenüber dem rechtlichen Vater schwächere – soziale Verbindung aufzubauen. Die soziale Stellung des rechtlichen Vaters wird größtenteils erhalten; er bleibt rechtlicher Vater, obgleich er den Kontakt des genetischen und Initiativvaters dulden muss. Der genetische und Initiativvater, der zwei Verbindungen mit dem Kind besitzt, eine mehr als der rechtlich-soziale Vater, wird jedoch nicht mehr vollständig ausgeschlossen. Das Recht erkennt nun vielmehr seine Verbindungen mit dem Kind an; auch wenn einige Aspekte des §  1686a BGB durchaus kritisch diskutiert werden können, insbesondere die Tatsache, dass er nur Rechte, aber keine Pflichten für den leiblichen Vater vorsieht.85 Diese Herangehensweise ist auch nicht die einzige, mit der man den Konflikt zwischen leiblichem und sozial-rechtlichem Vater lösen könnte; Helms schlägt insoweit eine Anfechtungsfrist im ersten Lebensjahr des Kindes vor.86 Immerhin bedeutet die Einführung dieser Vorschrift aber, dass der genetische und Initiativvater, der mehr Verbindungen zu dem Kind besitzt als der rechtliche und soziale Vater, nun das Recht erhält, einen Platz im Leben des Kindes einzunehmen. Interessant ist, dass hier eine rechtliche Form gefunden wurde, die ­Vaterschaften von zwei Vätern nebeneinander zu regeln. Zwar gilt nur einer der beiden als „echter“ rechtlicher Vater und der andere als ein nichtrechtliches ­Elternteil mit untergeordneten Rechten, doch kann dies nichts daran ändern, dass dem genetischen und Initiativvater die Rechte des §  1686a BGB aufgrund seiner Position als Vater eingeräumt werden. b.  Anfängliche einverständliche Mehrelternschaft: Samenspende und Initiativvater Wird ein Kind mit Hilfe einer Samen- oder Eizellenspende gezeugt, stehen sich Initiativeltern und ein genetisches Elternteil gegenüber. Wenn sowohl der ­Samenspender und die Eizellenspenderin als auch die späteren sozialen Eltern zustimmen, handelt es sich um eine einverständliche, anfängliche Mehreltern85 Vgl. 86 

Lang, FPR 2013, 233; Peschel-Gutzeit, NJW 2013, 2465. Vgl. Teil 3 I 1 e (S. 205); Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 41 f.

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Teil 4:  Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft

schaft. Allerdings liegt eine unfreiwillige Mehrelternschaft vor, wenn beispielsweise die Ehefrau die künstliche Befruchtung ohne Zustimmung ihres Mannes vornimmt, der sich anschließend für den leiblichen Vater hält. Die Frage der Verzichtbarkeit der Elternrechte durch einen Spender, die in der Abgabe der Spende für eine heterologe Insemination gesehen werden kann, wird unten erörtert.87 An dieser Stelle ist jedoch zu bemerken, dass der BGH88 in Anlehnung an Wanitzek und Rütz die Einwilligung des Partners in die Befruchtung als initiierenden Zeugungsakt identifiziert hat. Diese Zustimmung kann nach geltendem Recht freilich nur ein Initiativvater, keine Initiativmutter erteilen. Ohne eine solche Zustimmung verbleiben die Väterrechte aber auch ‑pflichten beim Samenspender. Dies ist gerade nach Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe problematisch. Insofern besteht dringender Handlungsbedarf für die Einführung der Co-Mutterschaft. Nach der Rechtsprechung des BGH hat der Samenspender, der seinen Samen für eine konsentierte heterologe Insemination anonym zur Verfügung stellt, weder die Rechte des §  1686a BGB noch das Anfechtungsrecht des §  1600 Abs.  1 Nr.  2 BGB. Insofern geht der BGH davon aus, dass der anonyme Samenspender mit der Spende auf seine Rechte zugunsten des der Befruchtung zustimmenden, männlichen Partners verzichtet hat. Mit der Zustimmung zur Befruchtung der Mutter habe vielmehr der Partner der Mutter die Zeugung des Kindes verursacht. 89 Damit hielt der BGH das Vorhandensein eines Initiativvaters für ausschlaggebend. Demgegenüber behandelt die Rechtsprechung den Samenspender, der seinen Samen nicht für eine konsentierte Insemination, sondern einer unverheirateten Frau gespendet hat, genauso wie den Mann, der das Kind mit der Frau im Geschlechtsverkehr gezeugt hat. In dem Fall, den der BGH hierzu zu entscheiden hatte, wünschte der Samenspender offenbar die Zeugung des Kindes, um selbst dessen Vater zu werden, da er sofort nach der Geburt die Anerkennung anstrebte.90 Insofern wird man sogar annehmen können, dass er selbst neben der ­genetischen auch eine Initiativelternverbindung begründen wollte, als er den Samen an die Frau abgab. Insofern lag hier wohl eigentlich eine unfreiwillige Mehrelternschaft vor, bei der die Mutter das Kind ursprünglich allein mit ihrer Lebenspartnerin aufziehen wollte.

87 

Vgl. Teil 5 II 2 (S. 362). BGH, Urt. v. 15.5.2013 – XII ZR 49/11, BGHZ 197, 242, Rn.  24 unter Verweis auf Rütz, Heterologe Insemination, 2008, 75 ff. und Wanitzek, Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, 2002, 254. 89  BGH, Urt. v. 15.5.2013 – XII ZR 49/11, BGHZ 197, 242, Rn.  24 unter Verweis auf vgl. Rütz, Heterologe Insemination, 2008, 75 ff. und Wanitzek, Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, 2002, 254. 90  BGH, Urt. v. 15.5.2013 – XII ZR 49/11, BGHZ 197, 242. 88 

II.  Analyse der Mehrelternschaft nach Elternverbindungen

305

c.  Der wankelmütige Initiativvater und die Samenspende In seiner Entscheidung vom 23.9.2015 nahm der BGH eine vertraglich begründete Verantwortlichkeit des Mannes an, der der künstlichen Befruchtung seiner Lebensgefährtin mit Spendersamen zugestimmt, aber dann das anschließend geborene Kind nicht anerkannt und sich damit dem Anwendungsbereich des §  1600 Abs.  5 BGB entzogen hatte.91 §  1600 Abs.  5 BGB bestimmt, dass durch die Einwilligung in die künstliche Befruchtung der Frau eine Vaterschaft des zustimmenden Mannes geschaffen wird, die gegenüber der Anfechtung durch die rechtliche Mutter und den rechtlichen Vater immun ist. Damit hatte das Paar eigentlich eine anfängliche einverständliche Mehr­ elternschaft geplant, an der sich aber der Mann später nicht mehr beteiligen wollte. Während die Mutter die maximalen vierfachen Verbindungen mit dem Kind aufwies, hatte der Mann durch die Zustimmung nur eine einzige Verbindung begründet, nämlich eine Initiativverbindung. Der BGH stützte die rechtliche Verantwortlichkeit des Mannes auf eben diese Verbindung, leitete die Rechtspflicht aber aus dem Vertrags- und nicht dem Familienrecht her. Das Gericht zog den Rechtsgedanken des §  1600 Abs.  5 BGB jedoch heran und interpretierte die Zustimmung zur künstlichen Befruchtung als eine willentliche Übernahme von Verantwortung. Das Gericht sprach von einer Übernahme der Elternschaft durch Willensakt angesichts der Verursachung der Zeugung des Kindes, der insofern von einer Adoption zu unterscheiden sei. Der Vater hätte das Kind anerkennen können, war aber nicht frei, sich seiner Verantwortlichkeit durch die Verweigerung der Anerkennung zu entledigen. Insofern dehnte der BGH die rechtlichen Wirkungen der Initiativelternverbindung über das ­Familienrecht hinaus in das Vertragsrecht hinein aus.

2. Leihmutterschaft Bei der Leihmutterschaft handelt es sich um ein anfängliches einverständliches Mehrelternverhältnis. Im Leihmutterschaftsfall des BGH vom 10.12.201492 hatte der genetische Vater zwei Verbindungen vor der Geburt des Kindes etabliert, die Initiativverbindung und die genetische Verbindung durch seine Samenspende. Nachdem er und sein Partner das Kind mit nach Berlin genommen hatten, etablierte er überdies eine soziale Verbindung zu dem Kind. Sein Lebenspartner hatte zunächst nur eine Verbindung zu dem Kind, eine Initiativverbindung und dann, im Zuge der Bildung der Familie, eine zweite, soziale Verbindung. Die unbekannte Eizellenspenderin und die Geburtsmutter hatten jeweils eine Ver-

91 

BGH, Urt. v. 23.9.2015 – XII ZR 99/14, NJW 2015, 3434. Siehe oben bei Teil 3 II 1 d (S. 234), BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350. 92 

306

Teil 4:  Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft

bindung zu dem Kind begründet, eine genetische und eine gestationale Elternverbindung. Mit der Anerkennung der Entscheidung des kalifornischen Gerichts, das nach kalifornischem Recht die beiden Initiativväter als rechtliche Eltern bestimmt hatte, erlaubte der BGH also die Wahrnehmung der Elternverantwortung durch die Personen mit den meisten Verbindungen zu dem Kind. Dabei war für den BGH in diesem Fall einerseits bedeutsam, dass die Initiativeltern vermittels der unmittelbaren Zuweisung der rechtlichen Elternschaft durch das kalifornische Gericht an der durch die Verursachung der Kindesentstehung begründeten Verantwortung rechtlich festgehalten wurden. Andererseits hielt der BGH es für entscheidend, dass dem genetischen Vater – nach dieser Analyse die Person mit der größten Zahl an Elternverbindungen – durch die Anerkennungsentscheidung die Elternschaft zugewiesen wurde.

3.  Geburtsmutter und eine genetische Mutter Ein Anfechtungs- oder Umgangsrechts besteht für die rein genetische Mutter, die Eizellenspenderin, nicht, auch wenn Löhnig hier mit überzeugenden Gründen eine analoge Anwendung vorschlägt.93 Ebenso wie der Samenspender kann aber auch sie ihre Eizelle zur gemeinsamen Familiengründung spenden, wie der bereits oben diskutierte Fall der Co-Mutterschaft zeigt:94 Im Fall der lesbischen Co-Mutterschaft, in dem die eine Partnerin die Eizelle spendete, die die andere Frau austrug,95 etablieren beide Frauen nach der hier entwickelten Analyse eine gleiche Anzahl von Verbindungen mit dem Kind, wahrscheinlich genau das Ziel ihres Vorgehens. Die Frau, die das Kind ausgetragen hat, begründete eine gestationale Mutterverbindung und eine Initiativverbindung, die Spenderin der Eizelle eine genetische Verbindung, und eine Initiativverbindung. Nach der Geburt etablierten beide Frauen überdies eine soziale Verbindung zu dem Kind. Rechtlich anerkannt wird nach deutschem Recht freilich nur die Verbindung der Geburtsmutter, also die gestationale Mutterverbindung. Die genetische Verbindung wird anders als beim genetischen Vater nicht anerkannt. Rechtliche Elternschaft kann die genetische Mutter nur im Wege der Adoption erreichen. Dies ist insbesondere dann misslich, wenn die Partnerin die Adoption nach der Geburt des Kindes nicht weiter betreibt und nur ein Elternteil für das Kind Verantwortung übernimmt. Diese Situation ist dann durchaus vergleichbar mit der des zeugungsunfähigen Mannes, der nach der Befruchtung seiner Lebensgefährtin die Anerkennung des Kindes verweigert. 93 

Löhnig, FamRZ 2015, 806. oben Teil 3 II 2 a aa (S. 241), OLG Köln, Beschl. v. 26.3.2015 – II-14 UF 181/14, StAZ 2015, 244. 95  Siehe oben Teil 3 II 2 a bb (S. 241), OLG Köln, Beschl. v. 26.3.2015 – II-14 UF 181/14, StAZ 2015, 244. 94  Siehe

II.  Analyse der Mehrelternschaft nach Elternverbindungen

307

4.  Co-Elternschaft, Queer-Families Die oben geschilderten Fälle der (homosexuellen) Co-Elternschaft sind äußerst vielfältig in ihrer Ausgestaltung, haben als Ausgangspunkt aber die Situation, dass ein homosexuelles Elternpaar, meist zwei Frauen, mit Hilfe eines Mannes oder eines homosexuellen Paares eine Familie gründet.96 Eine solche Familiengründung kommt allerdings auch durch ein homosexuelles männliches Paar und eine weitere Frau in Betracht.97 Und letztlich könnte dieses Modell, obgleich es derzeit meist von homosexuellen Paaren praktiziert wird, auch von heterosexuellen Menschen angewandt werden.98 In all diesen Fällen handelt es sich um anfängliche einverständliche Mehrelternverhältnisse. Bei einer lesbischen Co-Elternschaft kann eine der beiden Frauen eine genetische, gestationale und Initiativverbindung begründen. Ihre Partnerin etabliert in diesem Fall lediglich eine gestationale und Initiativverbindung. Im Fall einer Eizellenspende durch sie kann sie aber auch eine genetische Verbindung begründen. Der hinzukommende Mann etabliert jedenfalls eine genetische Verbindung. Je nach Planung der späteren Familie kann aber auch der den Samen zur Verfügung stellende Mann (und sein Partner) eine Initiativverbindung begründen. Dies wird man davon abhängig machen müssen, ob die Beteiligung mehr der Hilfe des anderen kinderlosen Paares dienen soll, und damit der eines Samen­ spender ähnelt, oder ob auf diesem Wege eine eigene Elternschaft angestrebt wird. Wenn alle drei oder vier Personen planen, durch die gemeinsam organisierte Zeugung zusammen Eltern eines Kindes zu werden, sind auch alle drei oder vier Initiativeltern. In den Fällen, in denen der Family Law Act of British Columbia mehr als zwei Eltern zulässt, wird der gemeinsame Wunsch Eltern zu werden, durch den Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung bestätigt.99 Soziale Verbindungen zu dem Kind werden jedenfalls zu einem Elternpaar begründet, sei es ein schwules oder lesbisches Paar. Welche soziale Rolle die weitere Person oder das weitere Paar, seien es Männer oder Frauen, dabei einnehmen, ist je nach Fall unterschiedlich. Während z. B. der genetische Vater in vielen Fällen nur gelegentliche Umgangskontakte zu dem Kind begründet und damit eine eher schwache Verbindung zu dem Kind pflegt, sind jedenfalls aus anekdotischen Berichten auch Fälle bekannt, in denen ein Männer- und ein

96 Vgl.

König, Mama, Papa, Kind? 2014; Bernard, Kinder machen 2014, 484 ff. Vgl. im Einzelnen Teil 3 VI (S.  263). Vgl. zu einem Beispiel dieser Art: Hummel, FAZ.net v. 10.9.2016. In diesem Fall hatte eine heterosexuelle Frau mit einem schwulen Paar eine Familie gegründet, weil sie sich ein Kind wünschte und keinen geeigneten heterosexuellen Partner fand. 98 Vgl. zwei Fälle dieser Art: Hummel, FAZ.net v. 10.9.2016, Kensche, Welt.de v. 19.11.2015. 99  Vgl. oben Teil 3 VI (S.  263); vgl. Reuß, Abstammungsrecht.de v. 15.2.2014. 97 

308

Teil 4:  Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft

Frauenpaar mehr oder weniger gleichberechtigt eine Familie100 gegründet haben, bei denen Kinder bei beiden gemeinsam oder hauptsächlich bei dem einen oder anderen Elternpaar leben.101 In einem solchen Fall werden drei oder vier soziale Verbindungen berücksichtigt, die allerdings je nach familiärer Struktur unterschiedlich stark sein können. So können Verbindungen von verschiedener Intensität und damit asymmetrische Elternverbindungen entstehen. Die Vielzahl der möglichen Verbindungen in Fällen wie diesen ist bemerkenswert. Das Recht bildet – entsprechend dem Grundsatz der Zwei-Elternschaft – nicht alle ab. Die Geburtsmutter wird rechtliche Mutter, daneben kann eine weitere Person, ein Mann oder eine Frau, die rechtliche Elternschaft erlangen. Die andere Frau kann sie – unabhängig von der Zahl der zwischen ihr und dem Kind bestehenden Verbindungen – nur im Wege der Adoption einnehmen, weil ihr die Zustimmung in die Befruchtung mit der Wirkung des §  1600 Abs.  5 BGB derzeit nicht möglich ist.

5.  Adoption und Stiefeltern Bei Stiefeltern entstehen – wie bei Adoptiveltern – soziale Elternverbindungen zu Menschen, die keine genetischen, gestationalen und Initiativverbindungen mit dem Kind begründet haben, sondern erst nach der Geburt eine Beziehung mit dem Kind aufbauen. Es handelt sich um sukzessive Mehrelternverhältnisse, die teilweise einverständlich, teilweise unfreiwillig begründet werden. In allen drei Fällen ringt das Recht heute um die Frage, ob und wie das Verhältnis zwischen den Inhabern der bis zur Geburt des Kindes begründeten Elternverbindungen (genetische, gestationale und Initiativelternschaft, hier auch Ursprungseltern) und den später hinzutretenden sozialen Eltern gestaltet werden soll. Im Fall der Adoption wird nach derzeitigem Recht die rechtliche Elternverbindung, d. h. im Modell die Verbindung zu den Eltern mit genetischer, gestationaler und Initiativverbindung komplett gelöst, um die rechtliche Elternschaft der rein sozialen Eltern zu etablieren. Inzwischen wird die Einführung offener Adoptionen diskutiert, bei denen der Kontakt des Kindes zu den leiblichen ­Eltern ein Stück weit erhalten bleibt.102 Stiefelternverhältnisse weisen demgegenüber eine große Vielfalt auf, deren Gemeinsamkeit allerdings ist, dass ein Elternteil bereits Verbindungen103 mit dem Kind besitzt, während der neue Partner eine soziale Verbindung erst lang100 Vgl. zum Fall einer faktisch offenbar gleichberechtigten Familienbindung zwischen einer Frau und zwei Männern Hummel, FAZ.net v. 10.9.2016. 101 Vgl. Rupp/Dürnberger, in: Rupp (Hrsg.), Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften, 2009, 53, 90 f.; Haag, in: Maio/Eichinger/Bozarro (Hrsg.), Kinderwunsch und Reproduktionsmedizin, 2013, 422; Bernard, Kinder machen, 2014, 485 ff. 102  Vgl. Teil 3 III 3 (S.  250), IV 2 b (S. 261). 103  Häufig wird dies die maximale Zahl von Elternverbindungen sein, wenn das leibliche

II.  Analyse der Mehrelternschaft nach Elternverbindungen

309

sam aufbauen muss. Diese Verbindung wird mit dem kleinen Sorgerecht auch rechtlich anerkannt. Dass das kleine Sorgerecht vor allem der Würdigung des stiefelterlichen Erziehungsbeitrags diene, führte auch der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung aus.104 Eine weitere Anerkennung hat die soziale Verbindung des Stiefkinds zum Stiefelternteil für die Zeit nach dem Ende der Beziehung mit dem Umgangsanspruch gem. §  1685 Abs.  2 BGB gefunden. Der andere genetische und Initiativelternteil (und teils auch gestationale ­Elternteil) lebt jedoch heutzutage bei Begründung der neuen Partnerschaft häufig noch und pflegt mit dem Kind auch danach eine mehr oder weniger starke soziale Beziehung, die sich in ihrer Intensität im Lauf der Zeit abschwächen kann. Eher selten ist es, dass der Kontakt zu diesem Elternteil völlig abbricht.105 Damit hat das Kind drei soziale Eltern von unterschiedlicher Intensität sowie eine Mutter mit genetischer, gestationaler und Initiativverbindung sowie einen Vater mit genetischer und Initiativverbindung. Der Begriff der „asymmetrischen Elternbeziehung“,106 der oben107 im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Stiefeltern und leiblichen Eltern verwandt wurde, hat seinen Grund in der unterschiedlichen Zahl der Elternverbindungen, die die jeweiligen Personen zu dem Kind besitzen.

6. Embryonenspende Bei der Embryonenspende ist das genetische Elternpaar auch das ursprüngliche Initiativelternpaar. Doch etabliert eine andere Frau eine gestationale Verbindung und bringt das Kind auf die Welt. Nach der Geburt begründet sie und ihr Partner mit dem Kind eine soziale Verbindung. Wesentlicher Unterschied zu einer Kindesadoption ist damit, dass die Mutter zumindest eine doppelte ­Elternbeziehung zu dem Kind etablieren kann. Das deutsche Elternrecht weist mit §  1591 BGB dieser Frau die Elternschaft zu. Ihr Partner bzw. ihre Partnerin kann bei Schwangerschaft und Geburt anwesend sein. Ein Mann kann daraufhin die Vaterstellung nach §  1592 Nr.  1 oder Nr.  2 BGB erhalten. Bei der Embryonenspende handelt es sich damit um eine anfängliche Mehrelternschaft, die, soweit die genetischen Eltern zustimmen, einverständlich begründet wird. Sie ist theoretisch aber auch unfreiwillig denkbar, wenn eine Adoption der von ihren genetischen Eltern nicht benötigten Embryonen gegen deren Willen zugelassen würde. Elternteil sich einen neuen Partner sucht. Denkbar ist aber auch, dass ein nur rechtlicher, sozialer Vater, der die Sorge für das Kind ausübt, eine neue Partnerin kennenlernt. 104  BT-Drucks. 14/3751, 39. 105 Vgl. zu den empirischen Daten oben Teil 3 IV 1 (S.   257); sowie Walper/EnleitnerPhelps/­Wendt, RdJB 2016, 210 ff. 106  Walper, FS Brudermüller, 2014, 889, 894 f. 107  Teil 3 IV 1 (S.  257).

310

Teil 4:  Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft

Es lässt sich außerdem überlegen, ob die Geburtsmutter und ihr Partner ebenfalls eine Art Initiativverbindung zu dem Kind begründen, wenn sie der Einpflanzung des Embryos zustimmen. Die besondere Verantwortung, die für das spätere Kind mit der Zustimmung zur Einpflanzung des Embryos übernommen wird, könnte durchaus mit der Zustimmung zur künstlichen Befruchtung des Partners vergleichbar sein. Es wäre z. B. durchaus zu überlegen, ob eine entsprechende Anwendung des §  1600 Abs.  5 BGB eine Anfechtung der recht­ lichen Vaterschaft auch für den Mann sperren würde, der der Einpflanzung ­eines Embryos bei seiner Ehefrau oder Partnerin zugestimmt hat. Im Falle der Zustimmung zu einer Embryonenadoption der unverheirateten Partnerin müsste der Partner, der eine Anerkennung verweigert, aufgrund einer vertrag­ lichen Vereinbarung entsprechend der Rechtsprechung des BGH108 auf Kindesunterhalt haften. Diese Fälle mögen praktisch sehr selten sein, doch sind die zugrundeliegenden Wertungen vergleichbar: Jemand, der durch Handeln für sich, nicht um den Kinderwunsch anderer zu unterstützen, die Ursache für das Entstehen eines Menschen gesorgt hat, muss für diesen Menschen auch Verantwortung übernehmen.

7. Zwischenergebnis Der vorherige Abschnitt hat gezeigt, dass mehr Personen als nur das traditionelle Elternpaar, eine Mutter und ein Vater, Elternverbindungen tatsächlicher Art mit dem Kind begründen können. Nach derzeitigem medizinischen Stand können zwar109 nur zwei Menschen mit Eizelle und Sperma als genetische Eltern beitragen und nur eine Frau das Kind austragen, wie nur ein Paar als Initiativ­ eltern die Zeugung des Kindes herbeiführen kann. Theoretisch kann die Zahl der Menschen, die eine Initiativverbindung mit dem Kind begründen, allerdings größer als zwei sein, z. B. wenn zwei homosexuelle Paare gemeinsam eine Queer-Family gründen wollen. Dabei können zwei Partner gleichzeitig noch die genetischen Eltern des Kindes sein und eine Frau das Kind in Gemeinschaft mit ihrem Partner austragen. Theoretisch wäre es auch denkbar, dass sich eine Gruppe von mehr als zwei Menschen zusammenschließt, von denen keiner eine genetische oder gestationale Verbindung mit dem Kind begründet hat. Von ­einer solchen Konstellation ist nichts bekannt, aber ausschließen will die Untersuchung eine solche Möglichkeit nicht. In der bisher bekannten Konstellation der Leihmutterschaft können jedenfalls fünf Menschen schon bei der Geburt eine Verbindung zu dem Kind begründen. Wird das Kind den Wunscheltern nicht überlassen, sondern z. B. einer Pflegefamilie anvertraut, wie es in der EGMR-Entscheidung vom 27.1.2015 und 108  109 

BGH, Urt. v. 23.9.2015 – XII ZR 99/14, NJW 2015, 3434. Einen Sonderfall bildet der Kerntransfer, vgl. Teil 3 VIII 1 (S. 272).

III.  Grundrechtlicher Schutz aller Elternverbindungen

311

24.1.2017 Paradiso und Campanelli v. Italien110 der Fall war, haben sieben Personen Elternverbindungen zu dem Kind begründet. Diese Zahl könnte noch wachsen, wenn die Beziehung der sozialen Eltern scheitert und das Kind in ­einer weiteren Patchwork-Familie aufwächst. Diese Verbindungen werden durch das Recht bereits jetzt – wenn auch bisher in unstrukturierter Weise – zur ausdrücklichen und indirekten Rechtfertigung gesetzlicher Regelungen und richterlicher Rechtsfortbildungen genutzt, die ­elterliche Rechte und Pflichten zuweisen. Dabei sind die verschiedenen Verbindungen zunächst in ihrer verfassungsrechtlichen Bedeutung für das Kind zu bewerten und zu untersuchen. In einem zweiten Schritt sind daraus Folgerungen für die Gestaltung des einfachen Rechts abzuleiten.

III.  Grundrechtlicher Schutz aller Elternverbindungen Der vorherige Abschnitt hat gezeigt, dass mehr als das traditionelle Elternpaar, eine Mutter und ein Vater, eine Verbindung mit dem Kind begründen können. Diese Verbindungen sind tatsächlicher Art und knüpfen an genetische Abstammung, Schwangerschaft und Geburt, Verursachung der Zeugung und soziale Gemeinschaft mit dem Kind an. Die Verbindungen haben aber als solche noch keinen rechtlichen Charakter. Allerdings wurde in Teil 4 II gezeigt, dass diese Verbindungen mit dem Kind durch das Familienrecht des BGB bereits jetzt – wenn auch in unstrukturierter Weise – zur ausdrücklichen und indirekten Rechtfertigung gesetzlicher Regelungen und richterlicher Rechtsfortbildungen genutzt werden, um elterliche Rechte und Pflichten wie Sorge-, Umgangs-, Erbund Unterhaltsrecht zuzuweisen. Nachdem dies offen gelegt wurde, sollen nun die aufgezeigten tatsächlichen Elternverbindungen als Ausgangspunkt einer grundlegenden Systematisierung des Rechts der Mehrelternschaft genutzt werden. Der erste Schritt ist dabei die Analyse der verfassungsrechtlichen Stellung der verschiedenen Eltern, die eine tatsächliche Elternverbindung mit dem Kind begründet haben. Hierzu werden die grundrechtlichen Schutzpositionen der jeweiligen Eltern untersucht und damit der verfassungsrechtliche Rahmen abgesteckt, den der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Mehrelternschaft einzuhalten hat. Die zentralen Interessen des Kindes werden im Teil 5 Gegenstand der Untersuchung sein. Im Mittelpunkt der Untersuchung der verfassungsrechtlichen Positionen der Eltern steht jeweils die Frage, ob eine Person mit einer solchen Elternverbindung auch Elternteil im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG ist. Für die sozialen Eltern 110  EGMR, Urt. v. 27.1.2015 – 25358/12 (Paradiso und Campanelli v. Italien); vgl. dazu Duden, StAZ 2015, 201; sowie EGMR, Gr. Kammer, Urt. v. 24.1.2017 – 25358/12 (Paradiso und Campanelli v. Italien), NJW 2017, 941, vgl. dazu Sanders, NJW 2017, 925.

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Teil 4:  Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft

steht aber auch der Schutz der Familie gem. Art.  6 Abs.  1 GG in Rede sowie für die Initiativeltern das verfassungsrechtliche Recht auf Fortpflanzung. Nach der Klärung, welche Personen Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG sind, stellt sich als nächstes die Frage, wer von ihnen auch Träger des Elternrechts gem. Art.  6 Abs.  2 GG ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG nicht notwendig Träger des Elternrechts und als solche auch nicht verfassungsrechtlich berechtigt und verpflichtet, Erziehung und Pflege ihres Kindes zu übernehmen.111 Dies sind nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts jeweils nur zwei Eltern. Ob diese Unterscheidung gerechtfertigt ist, wird nach der Klärung der Grundrechtspositionen der genetischen Eltern,112 der Geburtsmutter,113 der Initiativeltern114 und der sozialen Eltern115 untersucht. Diese Überlegungen sind Voraussetzung für die spätere Frage der einfachrechtlichen Ausgestaltung von Mehrelternverhältnissen.

1.  Art.  6 Abs.  2 GG und die leibliche Abstammung Der derzeitige Stand des verfassungsrechtlichen Elternbegriffs wurde oben ­dargestellt.116 Das Bundesverfassungsgericht nimmt eine Unterscheidung vor zwischen mehr als zwei Personen, die als Inhaber der Elternstellung unter dem Schutz des Art.  6 Abs.  2 GG stehen, und den zwei Eltern, die Träger des Elternrechts sein können.117 „Leibliche“ Eltern stehen danach auch ohne einfachrechtliche Anerkennung verfassungsunmittelbar unter dem Schutz des Art.  6 Abs.  2 GG, während andere Personen erst durch die einfachrechtliche Zuweisung und Anerkennung als Eltern den Schutz des Art.  6 Abs.  2 GG erhalten und gleichfalls zu Eltern im verfassungsrechtlichen Sinne werden.118 Das Bundesverfassungsgericht führte 1968 und 2003 aus, dass „diejenigen, die einem Kinde das Leben geben, von Natur aus bereit und berufen sind, die Verantwortung für seine Pflege und Erziehung zu übernehmen.“119 Das

111 

Vgl. dazu oben Teil 2 II 5 g (S.  164), 6 b (S.  179). Sogleich Teil 4 III 1 (S. 312) und insbesondere 2 (S.  314). 113  Sogleich Teil 4 III 1 (S.  312) und insbesondere 3 (S. 315). 114  Teil 4 III 4 (S. 316). 115  Teil 4 III 5 (S. 324). 116  Teil 2 II (S.  103). 117 BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101, 103; ­BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 78, Rn.  52. 118 Rechtliche und biologisch-genetische Abstammung: BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101; BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 79, Rn.  53; Adoption: BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 150. 119  BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 150; BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101. 112 

III.  Grundrechtlicher Schutz aller Elternverbindungen

313

­ bstammungsrecht müsse daher grundsätzlich an der „leiblichen AbstamA mung“ ausgerichtet werden.120 Dem ist mit der ganz herrschenden Meinung insofern zuzustimmen, als die leiblichen Eltern auch ohne einen weiteren rechtlichen Akt verfassungsunmittelbar unter dem Schutz von Art.  6 Abs.  2 GG stehen.121 Art.  6 Abs.  2 GG spricht vom „natürlichen“ Recht der Eltern.122 „Natürlich“ bedeutet in diesem Sinne „naturgegeben“ und ist nicht in einem naturrechtlichen Sinne zu verstehen.123 Es bedeutet vielmehr, dass Elternschaft, anders als das Eigentum, jedenfalls nicht nur als Konstruktion des einfachen Rechts grundrechtlich geschützt sein kann, sondern primär als vorgefundenes Recht, als vorrechtliches Phänomen.124 Gleichwohl mag darin auch in gewisser Weise ein naturrechtliches Element liegen, ein normativer Schluss von der körperlichen Abstammung zu ­einem Grundrecht, der nur deswegen unhinterfragt bejaht wird, weil er dem Leser so selbstverständlich erscheint.125 Will man aber Elternschaft nicht als rein rechtliche Konstruktion verstehen, bleibt als Anknüpfungspunkt nur der „biologisch-psychologisch-soziale Tatbestand“126 der Sorge leiblicher Eltern für ihre Kinder, die ihren Platz notwendig in jeder menschlichen Gesellschaft und sogar im Tierreich hat. Diese Orientierung an der leiblichen Abstammung prägte auch das einfache Recht zum Zeitpunkt der Entstehung des Grundgesetzes.127 Dafür, dass das Grundrecht der Eltern gem. Art.  6 Abs.  2 GG jedenfalls die leiblichen Eltern einschließt, spricht ebenfalls die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes.128 Im Parlamentarischen Rat wurde immer wieder betont, dass der Staat die Erziehung der Kinder den Eltern überlassen müsse. Will die Verfassung aber Familie und Elternschaft vor staatlicher Vereinnahmung schützen, so ist dies nur möglich, wenn der Gesetzgeber in der Anerkennung bestimmter Personen als Eltern nicht vollkommen frei ist. Denn sonst könnte er durch die

120 

BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 100. Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  VII, 2009, §  155, Rn.  68 f.; Sachs-GG/ ‌v. Coelln, 2014, Art.  6 , Rn.  54; v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌Robbers, 2010, Art.  6 , Rn.  163, 169; v. Münch/Kunig-GG/‌Coester-Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  70 f.; Jestaedt, FS Bartlsperger, 2006, 79, 88; BK-GG/‌Jestaedt, 1995, Art.  6 Abs.  2 und 3, Rn.  53; Maunz/Dürig-GG/‌Badura, Mai 2013, Art.  6 , Rn.  99; Rüfner, FamRZ 1963, 153. 122  Vgl. dazu Stern/Becker-GG/‌Kotzur, 2016, Art.  6 , Rn.  43. 123 Sachs-GG/‌ v. Coelln, 2014, Art.  6 , Rn.  52; Vgl. v. Münch/Kunig-GG/‌Coester-Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  69; W. Roth, Die Grundrechte Minderjähriger, 2003, 100 ff. 124  Vgl. nur BVerfG, Urt. v. 9.2.1982 – 1 BvR 845/79, BVerfGE 59, 360, 376; BVerfG, B ­ eschl. v. 17.2.1982 – 1 BvR 188/80, BVerfGE 60, 79, 88; vgl. Maunz/Dürig-GG/‌Badura, Stand 2013, Art.  6 , Rn.  91. 125  Ossenbühl, Erziehungsrecht, 1981, 46. 126  Ossenbühl, Erziehungsrecht, 1981, 46. 127  Vgl. Teil 2 I (S.  33). 128  Vgl. Teil 2 II 1 b bb (S.  109). 121 

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Teil 4:  Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft

rechtliche Anerkennung der Eltern mittelbar auch über den sachlichen Geltungsbereich des Grundrechts verfügen. Zeugen ein Mann und eine Frau während des Geschlechtsverkehrs ein Kind, das die Frau austrägt und auf die Welt bringt, ist die Eigenschaft beider als „leibliche“ Eltern evident. Heute jedoch erlaubt es die Reproduktionsmedizin, Fortpflanzungsbeiträge zu separieren und von verschiedenen Personen zu kombinieren. Soziale Eltern sind hier zwar zunächst nicht zu berücksichtigen, aber wie sind die genetische Eltern, die Geburtsmutter und die Initiativeltern einzuordnen? Wer von ihnen „gibt dem Kind Leben“?

2.  Genetische Eltern Zunächst sind die genetischen Eltern als Eltern im verfassungsrechtlichen Sinne zu berücksichtigen.129 Damit sind gleichfalls Samenspender130 und Eizellen­ spenderin131 Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG, und zwar auch bei einer Embryonenspende.132 Auch eine ethische und rechtliche Ablehnung von ­Samenund Eizellenspende ändert an der verfassungsrechtlichen Elternstellung der Spender nichts. Sie geben dem Kind das Leben, weil sie das genetische Material zur Verfügung stellen, aus dem das Genom des Kindes gebildet wird. Entscheidend kann insofern nicht die Regelung des einfachen Rechts sein; diese ist vielmehr am Verfassungsrecht zu messen. Daher überzeugt es auch nicht, bereits für die verfassungsrechtliche Elternstellung von Samenspender und Eizellen­ spenderin auf die einfachrechtliche Ausgestaltung abzustellen und beispielsweise die verfassungsrechtliche Elternstellung des Samenspenders davon abhängig zu machen, ob die Mutter verheiratet ist (vgl. §  1592 Nr.  1 BGB).133 Ebenso wenig kann die Regelung des §  1591 BGB eine Elternschaft der genetischen Mutter im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG ausschließen.134 Sowohl die genetische Mutter als auch der genetische Vater leisten hier einen gleichwertigen Beitrag zum Genom des Kindes, der im Ausgangspunkt daher gleichermaßen verfassungsrechtlich zu würdigen ist.135 129 Wie hier: v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌ Robbers, 2010, Art.  6, Rn.  166; a. A. nicht ganz klar, Maunz/Dürig-GG/‌Badura, Stand 2013, Art.  6 , Rn.  99 und 102. 130  v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌Robbers, 2010, Art.  6 , Rn.  174. 131  v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌ Robbers, 2010, Art.  6 , Rn.  175; BK-GG/‌Jestaedt, 1995, Art.  6 Abs.  2 und 3, Rn.  79; v. Münch/Kunig-GG/‌ Coester-Waltjen, 2012, Art.  6, Rn.  72; ­Aubel, Der verfassungsrechtliche Mutterschutz, 2003, 114; a. A. wohl Starck, Gutachten A zum 56. DJT, 1986, A 37 f. 132  v. Münch/Kunig-GG/‌Coester-Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  72. 133  So aber Maunz/Dürig-GG/‌Badura, Stand 2013, Art.  6 , Rn.  102. 134  So aber Maunz/Dürig-GG/‌Badura, Stand 2013, Art.  6 , Rn.  102. 135  So auch Dethloff, FS Coester-Waltjen, 2015, 41, 48 f; im Ergebnis ebenso nach dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz der US-amerikanischen Verfassung und der Verfassung des Staates Florida Florida Supreme Court, v. 7.11.2013 D. M. T. v. T. M. H. 129. So. 3d 320 (Fla 2013).

III.  Grundrechtlicher Schutz aller Elternverbindungen

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Ob auch die Eizellenspenderin, deren Eizelle entkernt und praktisch als Hülle für den Zellkern einer anderen Frau dient, als genetische Mutter136 und damit Mutter im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG. anzusehen ist, ist nicht so eindeutig. Der Beitrag der Mitochondrien aus der Eizelle der Spenderin zum Erscheinungsbild des Kindes ist gegenüber dem Elternteil, von dem die mütterliche chromosomale DNA stammt, zwar klein. Gleichwohl lässt sich nicht leugnen, dass ein mit dieser Technik gezeugtes Kind das Erbgut von drei Personen in sich trägt. Damit ist auch die Spenderin der Eizelle Elternteil im Sinne von Art.  6 Abs.  2 GG. Aufgrund der geringeren Bedeutung für die Eigenschaften des Kindes mag dieser Position freilich im Rahmen der Ausgestaltung geringeres Gewicht beigemessen werden. Wird die Erzeugung von Ei- und Samenzellen aus Hautzellen unter potentieller Beteiligung einer Vielzahl von Personen möglich, müsste man auch diese als Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG ansehen.

3. Geburtsmutter Die Geburtsmutter oder gestationale Mutter gibt dem Embryo die biologisch notwendige Umgebung, in der er sich zu einem Kind entwickeln kann, das ­autonom überlebensfähig ist. Sie ernährt ihn in ihrem Körper, lässt ihn dort wachsen und sich entwickeln. Sie gibt dem Kind insofern nicht das Leben, als sie nicht den Ausgangspunkt für seine Entstehung setzt, der in der Verbindung von Ei- und Samenzelle stattfindet,137 sondern es sich „nur“ (weiter)entwickeln lässt. Wer allerdings den Beginn des Lebensschutzes mit der Einnistung des Embryos ansetzt,138 für den begleitet die gestationale Mutter den Embryo vom Beginn seines „Lebens“ an bis zur Geburt. Diese Begleitung ist für die weitere Entwicklung des Embryos bis zum Kind unabdingbar.139 Ohne den Beitrag der Geburtsmutter kann der Embryo nicht als Kind geboren werden. Nicht nur 136 

Vgl. oben Teil 3 (S.  197). diesen Zeitpunkt als Beginn des verfassungsrechtlichen Lebensschutzes: Müller­Terpitz, in: Isensee/Kirchhof, 2009, §  147, Rn.  83; Sachs-GG/‌Höfling, 2014, Art.  1, Rn.  61; v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌Starck, 2010, Art.  1 Abs.  1, Rn.  18 ff.; Höfling, Gutachten für die Enquete Kommission „Recht und Ethik in der modernen Medizin“, 2001, 55 ff.; Sacksofsky, Gutachten für die Enquete-Kommission „Recht und Ethik in der modernen Medizin“, 2001, 9 ff., insb.12 f.; Herdegen, JZ 2001, 773, 774; Hufen, JZ 2004, 313 ff.; Isensee, in: Höffe u. a., Gentechnik und Menschenwürde, 2002, 37, 61; Böckenförde, JZ 2003, 809, 812; Gropp, Schutzkonzepte des werdenden Lebens, 2005, 231 ff.; Hübner, Die Embryoadoption, 2009, 108 ff., mit umfangreichen Nachweisen in Fn.  546; nicht ganz klar: Sachs-GG/‌ Murswiek, 2014, Art.  2, Rn.  143. 138  Vgl. dazu noch unten Teil 5 I (S.  341); so m. w. N.: Maunz/Dürig-GG/‌D i Fabio, 2016, Art.  2 Abs.  2, Rn.  25; Heun, JZ 2002, 517, 523: mit der Folge, dass die Verhütung durch die Spirale das Lebensrecht des Embryos noch nicht beeinträchtigen kann; „Jedenfalls ab Nidation“: Sachs-GG/‌Murswiek, 2014, Art.  2, Rn.  143. Zur Embryonalentwicklung: Wischmann, Einführung in die Reproduktionsmedizin, 2012, 45 ff. 139  Vgl. zum intensiven Einfluss auf die Entwicklung des Kindes: Teil 4 I (S.  283). 137  Für

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der deutsche, auch der österreichische, schweizerische und britische Gesetzgeber140 haben bei der Bestimmung der Mutter nach einfachem Recht auf die Frau abgestellt, die das Kind geboren hat (§  1591 BGB, §  143 ABGB, Art.  252 Abs.  1 ZGB). Diese Entscheidungen ausländischer Gesetzgeber haben selbstverständlich keine Bindungswirkung für die hier angestellten Überlegungen zum verfassungsrechtlichen Elternbegriff, zeigen aber, dass §  1591 BGB international kein Einzelfall ist. Auch der §  1591 BGB besitzt für den verfassungsrechtlichen ­Elternbegriff, soweit dieser gerade unabhängig von der einfachrechtlichen Ausgestaltung ermittelt werden soll, keine Verbindlichkeit.141 Doch ist der dahinterliegenden Wertung des einfachen Gesetzgebers142 jedenfalls insofern zuzustimmen, als die Geburtsmutter Mutter des Kindes ist. Selbst wenn der Embryo bereits seit der Kernverschmelzung gewisse Grundrechte besitzen sollte, so ist er erst nach seiner Geburt ein Mensch, der separat von anderen Menschen existieren kann. Darum ist auch die Geburtsmutter als Elternteil nach Art.  6 Abs.  2 GG geschützt,143 weil sie das Kind austrägt und auf die Welt bringt und ihm so „das Leben gibt“. Dies bedeutet, dass im Fall einer Leihmutterschaft, Embryonen- oder Eizellenspende jedenfalls drei Personen als Eltern unter den Schutz des Art.  6 Abs.  2 GG fallen, selbst wenn rechtliche Eltern und die künftige Entwicklung der Reproduktionsmedizin außer Acht gelassen werden. Einen solchen Fall hatte das Bundesverfassungsgericht bisher nicht zu entscheiden. Ein Ausschluss einer dieser Personen aus der verfassungsrechtlichen Elternstellung wäre jedoch nicht zu rechtfertigen. Damit ist allerdings noch nicht geklärt, ob sie nur Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG sind oder ob ihnen auch die Trägerschaft des Elternrechts im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG zuzuerkennen ist.

4. Initiativeltern Die Position der Initiativeltern ist deutlich schwieriger zu beurteilen als die der genetischen Eltern und der gestationalen Mutter. Dies liegt allerdings auch daran, dass die Aufspaltung der verschiedenen Aspekte der Elternschaft noch nicht lange möglich ist und deshalb die Beiträge verschiedener Personen noch nicht vertieft analysiert worden sind. Mit den Möglichkeiten der modernen Reproduktionsmedizin, die die Zeugung eines Kindes unter Verwendung verschiedener Spender ermöglicht, gewinnt jedoch die Initiativelternschaft an Bedeutung. 140 Sec. 33 Human Fertilisation and Embryology Act 2008 stellt allerdings auf die Schwangerschaft, nicht die Geburt ab. 141  So aber Maunz/Dürig-GG/‌Badura, Stand 2013, Art.  6 , Rn.  102. 142  Vgl. dafür oben Teil 2 I 3 (S.  8 0). 143 v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌ Robbers, 2010, Art.  6, Rn.  175; mit Blick auf §  1591 BGB.

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Leben die Initiativeltern mit dem Kind zusammen, wie es bei Wunscheltern, die ein Kind mit Hilfe einer Leihmutterschaft bzw. einer Embryonen- oder ­Samenspende bekommen möchten, der Planung entspricht, bilden sie eine so­ ziale Verbindung und werden zu einer nach Art.  6 Abs.  1 GG und Art.  8 EMRK geschützten Familie. Aber sind Initiativeltern zugleich Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG? Wären sie dies, könnte der Gesetzgeber damit die Auferlegung von Pflichten, wie z. B. Unterhaltspflichten rechtfertigen, müsste dann aber gegebenenfalls auch die Position der Initiativeltern bei der Gestaltung der Rechte und Pflichten in Bezug auf das Kind berücksichtigen. a.  Verursachung als Grundlage der Elternverantwortung? Das Bundesverfassungsgericht spricht davon, dass die Eltern die Menschen sind, die einem Kind „Leben geben“. Bevor die Entwicklung der Reproduk­ tionsmedizin anderes möglich gemacht hat, war der genetische Vater auch immer der Mann, der das Kind gezeugt hatte. Heute können jedoch die Entscheidung für die Zeugung eines konkreten Kindes und die genetische Vaterschaft bei der Samenspende auseinanderfallen. Selbst wenn ein Samenspender eine Spende für die Zeugung eines bestimmten Kindes erbringt, wie es z. B. bei einer privaten Samenspende der Fall sein kann, so erbringt er die Spende jedoch nicht, weil er das Kind als Vater zeugen will, sondern weil er anderen Menschen bei der Erfüllung ihres Kinderwunsches unterstützen will. Sowohl im Fall der ­natürlichen Zeugung als auch bei der Initiierung der Nutzung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen wäre das Kind jedoch ohne die Handlungen der Initiativeltern nicht geboren worden. Die Initiativeltern haben damit dem Kind das „Leben gegeben“. Der Akt der natürlichen Zeugung und derjenige der künst­lichen Befruchtung können in der Praxis auch recht nahe beieinander­ liegen, etwa wenn im Fall einer privaten Samenspende der Partner der Frau den Spendersamen selbst mit einer Spritze einführt. Hier wird die Parallele zur natürlichen Zeugung bewusst hergestellt.144 Dass bei einer Befruchtung in einer Reproduktionsklinik ärztliches Personal diese Handlungen vornimmt, ändert an der Initiierung dieses Verfahrens durch die Initiativeltern nichts. Konsequent ist es daher, sowohl den Mann, der das Kind auf natürlichem Wege gezeugt hat, als auch den Partner, der der Befruchtung seiner Partnerin auf künstlichem Wege mit dem Samen eines Spenders zugestimmt hat, als ­Elternteil im Sinne von Art.  6 Abs.  2 GG anzusehen. Dafür spricht zum einen die mit der Entscheidung zur Zeugung übernommene Verantwortung für das Kind, zum anderen der grundrechtliche Schutz der Fortpflanzung.145

144 Ein solches Vorgehen wird durchaus von gleichgeschlechtlichen Paaren im persön­ lichen Gespräch berichtet. 145  Vgl. dazu Teil 4 III 4 (S.  316).

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Es lässt sich allerdings nicht leugnen, dass die Verbindung reiner Initiativ­ eltern mit dem Kind intellektuell hergestellt werden muss. Die Verbindung beruht auf Kausalität, nicht auf genetischer Verbindung, die sich in Ähnlichkeiten zwischen Eltern und Kindern ausdrücken kann, oder auf gestationaler Verbindung zu dem Kind infolge von Schwangerschaft und Geburt.146 Das verfassungsrechtliche Elternrecht bedeutet das Recht und die Pflicht, für ein Kind zu sorgen und es zu erziehen. Recht und Pflicht stehen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in einem untrennbaren Zusammenhang, sodass das Gericht auch von der „Elternverantwortung“147 spricht. Als die Eltern bezeichnet das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang die Personen, die dem Kind „Leben geben“.148 Hier meinte das Gericht offenbar die leiblichen Eltern. Leibliche Eltern begründen aber sowohl eine genetische als auch eine Initiativelternverbindung. Damit wird die Verursachung der Existenz als Grundlage für elterliche Verantwortung auch hier indirekt angesprochen. Aus der Kausalität des elterlichen Handelns für die Existenz des Kindes lässt sich eine Pflicht ableiten, Verantwortung für das Kind zu übernehmen, wie sie in §  1600 Abs.  5 BGB für den Vater festgelegt ist und wie sie der BGH in seiner Entscheidung vom 23.9.2015 als vertraglich begründet ansah.149 Diese Verantwortung beruht zunächst auf dem allgemeinen Prinzip, dass derjenige, der handelt und damit bestimmte Folgen hervorruft, auch für die Folgen einzustehen hat. Dieses Prinzip wird zur Begründung von Unterhaltspflichten der genetischen Eltern herangezogen,150 war aber offenbar auch Grundlage der Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters im BGB von 1900.151 Auch in Leihmutterschaftsfällen argumentierten der BGH152 und der ­EGMR,153 die rechtliche Elternschaft sollte im Interesse des Kindes den Wunsch­ eltern übertragen werden. Der BGH erklärte insofern, die unmittelbare Zu­ weisung der Elternschaft verhindere, dass sich die Wunscheltern ihrer Verantwortung für das Kind entziehen könnten.154 Diese Art der Verantwortung ist allerdings nur sehr entfernt mit einer vertraglichen oder deliktischen Schadensersatzhaftung zu vergleichen. Ein Kind darf selbstverständlich niemals als ein 146 

Vgl. dazu oben Teil 4 I 2 (S.  291). Rechtsprechung seit: BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 143; v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌Robbers, 2010, Art.  6 , Rn.  143 ff. 148  BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 150; BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 100. 149  BGH, Urt. v. 23.9.2015 – XII ZR 99/14, NJW 2015, 3434; vgl. dazu Löhnig/RungeRannow, NJW 2015, 3757. 150 Vgl. Willekens, RdJB 2016, 130, 132. 151  Teil 2 I 1 d aa (1) (S.  41). 152  BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350, Rn.  60. 153  EGMR, Urt. v. 26.6.2014 – 65192/11 (Mennesson v. Frankreich); EGMR, Urt. v. 26.6. 2014 – 65941/11 (Labassée v. Frankreich). 154  BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350, Rn.  60. 147  Ständige

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„Schaden“155 verstanden werden, sondern ist eine sich entwickelnde Person mit eigenen Rechten und vor allem eigener Menschenwürde. Die Verantwortung für ein Kind beinhaltet aber notwendig Rechte und Pflichten.156 Zu diesen Pflichten, die sich auch aus der Verursachung seiner Geburt begründen lassen,157 gehört, für das körperliche Wohl des Kindes zu sorgen und ihm Unterhalt zu gewähren. Insofern kann man die Initiativeltern zumindest als „Ausfall-Eltern“ und „Zahl-Eltern“ ansehen, die für das Kind Verantwortung übernehmen (müssen), wenn dies niemand anderes tut. In einer solchen Konstellation liegt es aber nahe, Initiativeltern auch die rechtliche Elternschaft einzuräumen und sie dann als vollwertige Eltern auch im verfassungsrechtlichen Sinn gem. Art.  6 Abs.  2 GG anzusehen. In den Entscheidungen zur Leihmutterschaft und zum Unterhaltsanspruch gegen den zustimmenden Vater, der die Anerkennung des Kindes verweigerte, ist dies geschehen. Die Wunscheltern, d. h. die Initiativeltern, erhielten im Fall der Leihmutterschaft beide die rechtliche Elternschaft.158 Im Fall des Lebensgefährten, der zunächst der Befruchtung seiner Partnerin durch Spendersamen zugestimmt hatte,159 dann aber die Vaterschaft nicht anerkannte, hatte der „Zahlvater“ die Möglichkeit, durch die Anerkennung160 die rechtliche Elternschaft anzunehmen. Die Tatsache, dass er sich weigerte, entließ ihn jedoch nicht aus seiner Verantwortung. Man wird jedoch argumentieren können, dass die vertraglich konstruierte Unterhaltspflicht nicht hätte angenommen werden dürfen, wenn die Mutter ihrerseits ihre Zustimmung zur Anerkennung durch den Vater verweigert und damit seine rechtliche Vaterschaft verhindert hätte. Die Rechte und Pflichten der Elternschaft, die das Bundesverfassungsgericht als untrennbar mit der „Elternverantwortung“161 verbunden sieht, müssen hier Hand in Hand gehen. Der konstruierte vertragliche Unterhaltsanspruch war quasi nur der „Notnagel“, mit Hilfe dessen der BGH den unwilligen Mann zumindest teilweise an seiner Verantwortung festhalten wollte. Sieht man diesen Mann hingegen als Vater im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG auch in Bezug auf das Elternrecht, kann ihm der Gesetzgeber unmittelbar Rechte und Pflichten in Bezug auf das Kind auferlegen. Einer Konstruktion, wie der BGH sie im geschilderten Fall zur Hilfe nehmen musste, bedürfte es dann nicht mehr. 155  Vgl. zur Thematik des Kindes als Schaden: BGH, Beschl. v. 19.6.1984 – VI ZR 76/83, FamRZ 1984, 982; m. w. N. MüKo-BGB/‌Oetker, 7.  Aufl. 2016, §  249, Rn.  30 ff. 156  Ständige Rechtsprechung seit: BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 143; v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌Robbers, 2010, Art.  6 , Rn.  143 ff. 157 Vgl. Willekens, RdJB 2016, 130, 132. 158  BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350. 159  Teil 3 I 2 c (S. 215), BGH, Urt. v. 23.9.2015 – XII ZR 99/14, BGHZ 207, 135; siehe: Löhnig/Runge-Rannow, NJW 2015, 3757. 160  Gem. §  1592 Nr.  2 BGB. 161  Ständige Rechtsprechung seit: BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 143; v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌Robbers, 2010, Art.  6 , Rn.  143 ff.

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b.  Recht auf Fortpflanzung Für eine Elternstellung der Initiativeltern gem. Art.  6 Abs.  2 GG könnte auch der grundrechtliche Schutz der Fortpflanzung sprechen. Kann heute Fortpflanzung nicht mehr nur auf natürlichem Wege erfolgen und ist der Schutz der Verfassung auch auf diese Formen der Fortpflanzung zu erstrecken, so spricht dies dafür, die Personen, die auf diese Weise den Anstoß zur Entstehung von Kindern geben, auch unmittelbar als deren Eltern im verfassungsrechtlichen Sinne anzusehen. Die Fortpflanzung steht unter dem Schutz von Art.  8 Abs.  1 EMRK162 sowie unter grundrechtlichem Schutz.163 Umstritten ist freilich, auf welche Artikel des Grundgesetzes sich dieses Recht stützen kann und wie weit das Recht zur Fortpflanzung reicht.164 Umfasst das Recht zur Fortpflanzung nur die Nut­zung der Ei- und Samenzellen der Beteiligten, so kann daraus nichts für die Elternstellung der Beteiligten abgeleitet werden. Denn bei Verwendung eigenen genetischen Materials sind die Initiativeltern auch immer die genetischen E ­ ltern. Ist aber auch die Fortpflanzung unter Verwendung fremden „Materials“ geschützt, kann sich daraus ein schützenswertes Interesse ergeben, Eltern dieses Kindes im verfassungsrechtlichen Sinne zu sein. aa.  Verankerung des Grundrechts Zumindest kann ein Schutz des Rechts zur Fortpflanzung auf das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Art.  2 Abs.  1 GG gestützt werden.165 Darüber hinaus wird ein Grundrecht auf Fortpflanzung aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gem. Art.  1 Abs.  1 iVm Art.  2 Abs.  1 GG abgeleitet. Nach dem Augsburg-Münchener Entwurf eines Fortpflanzungsmedizingesetzes schließt dies auch die Verwendung reproduktionsmedizinischer Technik ein.166 Für eine Begründung über das Allgemeine Persönlichkeitsrecht lässt sich an162  EGMR, Urt. v. 7.3.2006 – 6339/05 (Evans v. Vereinigtes Königreich), Rn.  57; EGMR, Gr. Kammer, Urt. v. 10.4.2007 – 6339/05 (Evans v. Vereinigtes Königreich), Rn.  71 f. = NJW 2008, 2013. 163  v. Münch/Kunig-GG/‌ Coester-Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  49; vgl. Hieb, Die gespaltene Mutterschaft, 2005, 17 f.; Balz, Heterologe künstliche Samenübertragung beim Menschen, 1980, 20. 164  Speziell zur Nutzung von IVG: Suter befürwortet insofern einen differenzierten Ansatz. Suter argumentiert insofern, dass die Freiheit der Fortpflanzung nur als relational autonomy, das heißt als Freiheit in der Beziehung zu anderen Menschen gewährleistet werden könne, nicht aber zur Verwirklichung individualistischer Interessen. Daher befürwortet sie die Nutzung des Verfahrens zur Behandlung von kranken und fortpflanzungsunfähigen Personen, einschließlich gleichgeschlechtlicher Paare, nicht aber zur Fortpflanzung von Einzelpersonen, die der Auffassung sind, keine andere Person sei „würdig“, sich mit ihnen fortzupflanzen. Suter, Journal of Law and the Biosciences, 2016, 1, 10 ff. 165  Ramm, JZ 1989, 861, 864, 870, 874. 166  Gassner u. a., Fortpflanzungsmedizingesetz Augsburg-Münchner-Entwurf, 2013, §  3, 31 f.; zustimmend: Sauer, Der Staat 2014, 160 ff., ebenfalls an Art.  1 Abs.  1, Art.  2 Abs.  1 GG

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führen, dass die Fortpflanzung, das Weiterleben in einem Kind, für sehr viele Menschen ein zentrales Element persönlicher Sinnstiftung und Persönlichkeitsentfaltung bildet.167 Andere Stimmen leiten ein Recht auf Fortpflanzung aus Art.  6 Abs.  1 GG ab.168 Danach umfasst das Familiengrundrecht auch die Freiheit zu entscheiden, ob und wann man eine Familie gründen möchte. bb.  Reichweite des Schutzbereichs Streitig ist darüber hinaus die Reichweite des Schutzbereiches des Rechts auf Fortpflanzung. Jedenfalls umfasst sind die natürliche Zeugung sowie die Zeugung mit medizinischer Unterstützung unter Einsatz von Samen und Eizellen des Paares mit Kinderwunsch. Für Weilert hat es damit sein Bewenden. Ihrer Ansicht nach umfasst das Grundrecht der Fortpflanzung Maßnahmen der Reproduktionsmedizin nur insoweit, als sie „den partnerschaftlichen Zeu­ gungsakt stimulieren oder imitieren“.169 Nicht geschützt sein soll danach die Fortpflanzung mit dem genetischen Material bzw. dem Uterus einer weiteren Person. Nicht erfasst ist damit beispielsweise die Keimzellspende aber auch die Leihmutterschaft, weil solche Maßnahmen voraussetzen, dass mit dem genetischen Material bzw. mit dem Austragen des Kindes Menschen außerhalb der bestehenden Familienbeziehung involviert werden. Die Autoren des Augsburg-Münchner-Entwurfs erstrecken den persön­ lichen Schutzbereich sowohl auf Alleinstehende als auch verschieden‑ und gleichgeschlechtliche Paare.170 Sachlich geschützt ist auch die Zeugung eines Kindes unter Einsatz der Reproduktionsmedizin.171 Jede nach dem medizinischen Stand mögliche oder sinnvolle Maßnahme ist im Ausgangspunkt grundrechtsgeschützt. Auch die Inanspruchnahme von Hilfen wie Kernspenden und Embryonenspenden sowie der Einsatz einer Leihmutter ist danach erfasst. Zwar gebe es kein Recht gegenüber Dritten auf Gewährleistung dieser Hilfe. Allerdings gewährleiste das Grundrecht als Abwehrrecht gegen den Staat das Recht, die Spende entgegenzunehmen, wenn sie denn durch dritte Personen freiwillig erfolgt.172

mit einer Verstärkung über Art.  6 Abs.  1 GG knüpft Hieb an: Hieb, Die gespaltene Mutterschaft, 2005, 20 ff. 167 Vgl. Hieb, Die gespaltene Mutterschaft, 2005, 17 f.; Balz, Heterologe künstliche Samen­ übertragung beim Menschen, 1980, 20. 168  v. Münch/Kunig-GG/‌Coester-Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  49; Dreier-GG/‌Brosius-Gersdorf, 2013, Art.  6 , Rn.  117; Stern/Becker-GG/‌Kotzur, 2016, Art.  6 , Rn.  25; Hufen, MedR 2001, 440, 442. 169  Weilert, Zeitschrift für Evangelische Ethik, 2013, 48, 52. 170  Gassner u. a., Fortpflanzungsmedizingesetz Augsburg-Münchner-Entwurf, 2013, 32. 171  v. Münch/Kunig-GG/‌Coester-Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  49; Dreier-GG/‌Brosius-Gersdorf, 2013, Art.  6 , Rn.  117. 172  Gassner u. a., Fortpflanzungsmedizingesetz Augsburg-Münchner-Entwurf, 2013, 32 f.

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cc.  Eigene Position Die Fortpflanzung ist – jedenfalls wenn ein Kind nicht adoptiert wird – notwendige Vorstufe der Familiengründung ebenso wie der Elternschaft. Das ­Leben in der Familie dient dabei ebenso wie die Elternschaft der Persönlichkeitsentfaltung in der Beziehung zu anderen. Die Fortpflanzung ist jedenfalls Entfaltung der eigenen Persönlichkeit durch die Weitergabe des eigenen genetischen Materials. Eine solche Begründung könnte ein Recht zur Fortpflanzung aber nur insoweit rechtfertigen, als auch das eigene genetische Material Verwendung findet. Ein derart verstandener Ansatz greift jedoch zu kurz. Der Wunsch, ein Kind auf die Welt zu bringen und aufzuziehen, hat nicht nur eine genetische Komponente, sondern entspringt der auf Gemeinschaft und Familie ausgerichteten ­Natur des Menschen. Menschen sind soziale Wesen, die ihre Persönlichkeit in der Beziehung zu anderen entfalten. Dies ist die Rechtfertigung des verfassungsrechtlichen Schutzes des Art.  6 GG, aber auch die Begründung für einen Schutz der Fortpflanzung über die Weitergabe des eigenen genetischen Materials hinaus. Damit ist ein Recht auf Fortpflanzung aus einer Zusammenschau des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art.  1 Abs.  1, Art.  2 Abs.  1 GG in Verbindung mit dem Familien- und Elternrecht, Art.  6 Abs.  1, 2 GG abzuleiten. Die Fortpflanzung steht an der Schnittstelle zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht, das die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit schützt, und dem Familienund Elternrecht, das die Entfaltung der Persönlichkeit in der Beziehung zu ­anderen schützt. Dieses Grundrecht steht grundsätzlich Paaren wie Alleinstehenden zu. Das Recht der Fortpflanzung ist auch unter Einsatz aller Mittel der Reproduktionsmedizin geschützt. Dieser Schutz umfasst zunächst jedoch nur einen grundrechtlichen Schutz als Abwehrrecht. Ansprüche gegen Privatpersonen können Grundrechte ohnehin nicht gewährleisten.173 Das Grundrecht schafft aber auch keinen gegen den Staat gerichteten Leistungsanspruch darauf, im Wunsch nach eigener Fortpflanzung durch Dritte (seien es Leihmütter oder Gametenspender) oder finanziell durch öffentliche Mittel (z. B. durch die Krankenkasse) unterstützt zu werden.174 Damit kann kein kinderloses Ehepaar verlangen, dass ein Mann seinen Samen spendet, damit sie ein Kind bekommen können. Auch bedeutet der grundrechtliche Schutz der Fortpflanzung noch nicht, dass der Staat Leihmutterschaft, Embryonenadoption und Eizellenspende erlauben muss. Insofern ist vom Staat lediglich zu fordern, das Grundrecht auf Fortpflanzung 173  So richtig im Hinblick auf die Eizellspende: Gassner u. a., Fortpflanzungsmedizingesetz Augsburg-Münchner-Entwurf, 2013, 33. 174  BVerfG, Urt. v. 28.2.2007 – 1 BvL 5/03, BVerfGE 117, 316, 322, Rn.  40.; BVerfG, Beschl. d. 2. Kammer d. Ersten Senats v. 27.2.2009 – 1 BvR 2982/07, BVerfGK 15, 152 = NJW 2009, 1733, 1734; BeckOK-GG/‌Uhle, Art.  6 , Rn.  26.

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sowie die wertentscheidende Grundsatznorm der Familie bei der Ausgestaltung des Rechts zu berücksichtigen. Ein Verbot von Maßnahmen der Reproduktions­ medizin muss gute Gründe für sich haben. Je mehr dabei die Rechte Dritter beteiligt sind – seien es die von Gametenspendern (d. h. Spendern von Ei- und Samenzellen) oder der später geborenen Kinder – umso mehr sind deren Rechte dabei einzubeziehen und mit den Rechten der potentiellen Eltern abzuwägen. Ebenso wie andere Grundrechtsträger dürfen potentielle Eltern ihre Rechte nicht rücksichtslos gegen die anderer Grundrechtsträger durchsetzen. So können bestimmte Arten der Reproduk­ tionsmedizin, wie z. B. die Leihmutterschaft, zum Schutz der Kinder und der beteiligten Frauen durch den Gesetzgeber reguliert oder verboten werden. Zum Schutz des Rechts des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung kann die Anonymität von Spendern ausgeschlossen werden.175 Allerdings begegnen Einwände, die die Zeugung von Kindern mit reproduktionsmedizinischen Mitteln an sich zum Schutz der Menschenwürde des Kindes ablehnen, dem Einwand, dass sie den Wert des Lebens des Kindes selbst, das andernfalls nicht gezeugt worden wäre, negieren.176 Die Abwägung zwischen den beteiligten Grundrechtspositionen darf allerdings – wie auch bei anderen Grundrechten – nicht bereits zu einer Verengung des Schutzbereichs führen. Die gegenläufigen Grundrechtsinteressen sind vielmehr auf der Ebene der Verhältnismäßigkeit gegeneinander abzuwägen und in einen Ausgleich zu bringen. Diese Aufgabe steht dem Gesetzgeber innerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens zu. c.  Folgerungen für den Grundrechtsschutz der Initiativeltern Ist die Nutzung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen grundrechtlich – auch im Lichte von Art.  6 Abs.  2 GG – geschützt, so liegt hierin auch eine Bestätigung der Annahme, dass den Personen, die solche Maßnahmen nutzen, die Elternverantwortung gem. Art.  6 Abs.  2 GG für die Kinder zuzuweisen ist, die auf ihre Veranlassung hin gezeugt worden sind. Die Aussage des Bundesverfassungsgerichts, dass Eltern nicht die Freiheit besitzen, sich nicht um ihre Kinder zu kümmern,177 ist in gleicher Weise in Bezug auf Kinder von Bedeutung, die mit reproduktionsmedizinischen Mitteln gezeugt wurden. Tragen die Initiativeltern für ihr Kind die Verantwortung, dürfen sie es wie leibliche Eltern nicht ablehnen, wenn es nicht ihren Erwartungen entspricht. Umgekehrt müssen sie dann aber auch den gleichen verfassungsrechtlichen Schutz genießen.

175 Dreier-GG/‌ Brosius-Gersdorf,

2013, Art.  6 , Rn.  117. hier: Hieb, Die gespaltene Mutterschaft, 2005, 95 ff.; v. Münch/Kunig-GG/­ ‌Coester-Waltjen, 2012, Art.  6 , Rn.  32. 177  BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 150. 176 Wie

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Teil 4:  Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft

Es sprechen damit gute Gründe dafür, die Initiativeltern zunächst von vornherein begrifflich als Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG anzusehen, sie also in den persönlichen Schutzbereich des Grundrechts einzubeziehen (Elternstellung). Sie tragen die Verantwortung für das Kind aufgrund seiner Zeugung, die ihnen auch bei Nutzung von reproduktionsmedizinischen Maßnahmen zuzurechnen ist. Der Ehemann, der der künstlichen Befruchtung seiner Ehefrau zustimmt, tut dies, weil er den gemeinsamen Wunsch nach der Gründung einer Familie verwirklichen will. Er zeugt durch seine Einwilligung gleichsam das Kind, was gem. §  1600 Abs.  5 BGB auch der Wertung des Gesetzes entspricht. Damit ist zugleich vorgezeichnet, dass Initiativeltern in den sachlichen Gewährleistungsgehalt des Art.  6 Abs.  2 GG einzubeziehen sind, ihnen also auch das verfassungsrechtliche Elternrecht zu gewähren ist. Denn tragen die Initiativ­ eltern für ihr Kind die Verantwortung, dürfen sie es wie leibliche Eltern nicht ablehnen, wenn es nicht ihren Erwartungen entspricht. Umgekehrt müssen sie dann aber auch den gleichen verfassungsrechtlichen Schutz genießen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass man diesen Eltern in jedem Fall eine einfachrechtliche Rechtsstellung in Bezug auf das Kind einräumen müsste, sondern nur, dass der jeweilige Initiativelternteil bei der Abwägung der verschiedenen ­Elternrechte berücksichtigt werden muss. Ein Ausschluss von solchen Rechten kann auch auf der grundrechtlichen Ebene ganz oder teilweise mit anderen verfassungsrechtlichen Interessen begründet werden, beispielsweise mit dem Schutz des Kindes oder dem anderer Eltern.

5.  Soziale Eltern Soziale Eltern haben dem Kind nicht notwendig das Leben gegeben, aber sie erhalten seine Existenz und gewährleisten seine Entwicklung mit Nahrung, Kleidung, Fürsorge und Trost. Soziale Elternschaft kann durch eine Adoption rechtlich anerkannt werden, z. B. bei Stief- und Pflegeeltern.178 Ohne rechtliche Anerkennung stehen aber soziale Eltern jedenfalls unter dem Schutz von Art.  6 Abs.  1 GG. a.  Schutz der Familie Art.  6 Abs.  1 GG Soziale Eltern stehen unter dem Schutz von Art.  6 Abs.  1 GG. Danach ist „Familie […] die umfassende Gemeinschaft von Eltern und Kindern, in der den Eltern vor allem Recht und Pflicht zur Pflege und Erziehung der Kinder erwachsen.“179

178 

BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 150. BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 27, 100/58, BVerfGE 10, 59, 66, Rn.  27; vgl. auch v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌Robbers, 2010, Art.  6 , Rn.  77. 179 

III.  Grundrechtlicher Schutz aller Elternverbindungen

325

Nach diesem engen Familienbegriff180 bilden Eltern mit ihren Kindern jedenfalls eine Familie, wobei es nach allgemeiner Meinung unerheblich ist, ob die Eltern verheiratet sind181 die Kinder von ihnen abstammen oder ob ihre Elternschaft rechtlich anerkannt ist.182 Daher ist auch die Gemeinschaft von Adoptiv-, Pflegekindern und ‑eltern,183 sowie eines Stiefelternteils mit dem anderen ­Elternteil und Kind184 als Familie anerkannt.185 Auch eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft mit einem Kind bildet eine Familie.186 Damit ist aber noch nicht beantwortet, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit eine solche ­Familie bejaht werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat bei gleichgeschlechtlichen Elternpaaren gefordert, die familiäre Gemeinschaft müsse umfassend gelebt werden und dauerhaft angelegt sein.187 Im Zusammenhang mit dem weiten Familienbegriff, nach dem auch die Beziehung zu Großeltern und Geschwistern umfasst ist, ­erwähnte es „tatsächlich von familiärer Verbundenheit geprägte engere Bindungen.“188 Im Zusammenhang mit der Beziehung zwischen Vater und Kind verlangt das Bundesverfassungsgericht die tatsächliche Verantwortungsübernah180  Den das Bundesverfassungsgericht allerdings 2014 erweiterte: BVerfG, Beschl. v. 24.6. 2014 – 1 BvR 2926/13, BVerfGE 136, 382; dazu: Uhle, NVwZ 2015, 272 für einen weiten Familienbegriff: Maunz/Dürig-GG/‌Badura, 2016, Art.  6 , Rn.  60a; v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/ ‌Robbers, 2010, Art.  6 , Rn.  86 ff.; m. w. N. Ebsen, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 45 (1987), 126 f.; Lange, Diskussionsbeitrag, ebd., 124; Steiger, Verfassungsgarantie und sozialer Wandel, VVDStRL 45 (1987), 55/79 f.; v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌Robbers, 2010, Art.  6 , Rn.  58, Fn.  4, Rn.  86 ff.; Tettinger, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 2001, 117/135 ff.; Stern, in: Stern/Sachs/Dietlein, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd.  I V/1, 2006, Rn.  13, Fn.  4), IV.4.e, 416 ff. 181  BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 27, 100/58, BVerfGE 10, 59, 66; BVerfG, Beschl. v. 30.6.1964 – 1 BvL 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25/62, BVerfGE 18, 97, 105 f.; BVerfG, Beschl. v. 8.6.1977 – 1 BvR 265/75, BVerfGE 45, 104, 123; BVerfG, Urt. v. 31.1. 1989 – 1 BvL 17/87, BVerfGE 79, 256, 267; BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 112; BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 84, Rn.  6 4. 182  Jarass erklärt, die Familie entstehe durch Geburt oder rechtliche Anerkennung, räumt aber ein, dass Formfehler einer Adoption die Entstehung einer Familie nicht auszuschließen vermögen: Jarass/Pieroth-GG/‌Jarass, 2016, Art.  6 , Rn.  8. 183  BVerfG, Beschl. v. 17.10.1984 – 1 BvR 284/84, BVerfGE 68, 176, 187; Beschl. v. 12.10. 1988 – 1 BvR 818/88, BVerfGE 79, 51, 59; BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 82, Rn.  62. 184  BVerfG, Beschl. v. 30.6.1964 – 1 BvL 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25/62, BVerfGE 18, 97, 105 f.; BVerfG, Urt. v. 31.1.1989 – 1 BvL 17/87, BVerfGE 79, 256, 267; so auch: Jarass/ Pieroth-GG/‌Jarass, 2016, Art.  6 , Rn.  8; BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 82, Rn.  62. 185  Vgl. insgesamt Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 466 f. 186  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 82, Rn.  60 ff.; so auch Sachs-GG/‌v. Coelln, 2014, Art.  6, Rn.  16 m. w. N.; v. Münch/Kunig-GG/‌CoesterWaltjen, 2012, Art.  6, Rn.  11; Jarass/Pieroth-GG/‌Jarass, 2016, Art.  6, Rn.  8; a. A. BeckOKGG/‌Uhle, Art.  6 , Rn.  18. 187  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 82, Rn.  61. 188  BVerfG, Beschl. v. 24.6.2014 – 1 BvR 2926/13, BVerfGE 136, 382, 389, Rn.  23.

326

Teil 4:  Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft

me für eine gewisse Zeit.189 Diese Kriterien werden im Folgenden ausgearbeitet und systematisiert. aa.  Generationsübergreifende Verantwortungsübernahme Hinsichtlich der „umfassenden“ Gemeinschaft und der vom Bundesverfassungs­ gericht geforderten „tatsächlichen, von familiärer Verbundenheit geprägten Beziehung“ ist auf den Zweck des Schutzes des Familiengrundrechts abzustellen. Zu fordern ist nach dem hier entwickelten Verständnis die gegenseitige Für­ sorge in einer Familienstruktur. Eine familiäre Struktur liegt nicht bereits dann vor, wenn Menschen sich persönlich nahe stehen. Entscheidender Unterschied zwischen einer Familie und dem Zusammenleben beispielsweise von Freunden oder Kollegen, aber auch ­einer reinen Paarbeziehung190 ist, dass eine Familie über Generationen verbunden ist.191 Diese generationsübergreifende Verbindung der Familienmitglieder wird oft durch Blutsverwandtschaft begründet, sie kann aber auch durch tatsächliches Zusammenleben in der sozialen Familienstruktur entstehen. Das Familiengrundrecht schützt die besonderen psychologischen und sozialen ­ Funk­tionen familiärer Bindung und setzt daher nicht das Bestehen einer rechtlich gesicherten Verwandtschaft voraus.192 Eine generationenübergreifende quasi-­verwandtschaftliche Beziehung kann auch etabliert werden, indem Menschen verwandtschaftliche Rollen tatsächlich einnehmen, wie es Stiefväter oder Stiefmütter oft tun. Lebt ein Paar mit Kindern aus früheren Beziehungen und den eigenen Eltern zusammen, so entsteht eine tatsächliche Familie nicht deshalb, weil sie gegenseitige Zuneigung entwickeln, sondern weil sie eine generationsübergreifende und damit familiäre Gemeinschaft bilden, auch wenn diese nur teilweise auf Abstammung beruht. Familiäre Beziehungen definieren sich damit im Gegensatz zu Freundschaften über ein generationsübergreifendes ­Element, das durch Blutsverwandtschaft, aber auch durch tatsächliche soziale 189 

BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 112, Rn.  89. nach der Rechtsprechung des EGMR unter den Familienbegriff des Art.  8 Abs.  1 EMRK fällt: EGMR, Urt. v. 24.6.2010 – 30141/04 (Schalk und Kopf v. Österreich), Rn.  93 f. = NJW 2011, 1421; EGMR, Urt. v. 21.5.2015 – 18766/11, 36030/11 (Oliari v. Italien). 191  Auf solche verwandtschaftliche Beziehungen stellte das Bundesverfassungsgericht auch im Rahmen seines erweiterten Familienbegriffs ab: vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.6.2014 – 1 BvR 2926/13, BVerfGE 136, 382, 388, Rn.  22 f. Demgegenüber stellt der Familienbegriff des EGMR im Rahmen des Art.  8 Abs.  1 EMRK allein auf die tatsächliche Beziehungen ab und erfasst auch reine Paarbeziehungen ohne Kinder (EGMR, Urt. v. 22.4.1997 – 21830/93 (X, Y und Z v. Vereinigtes Königreich), Rn.  36; EGMR, Urt. v. 13.6.1979 – 6833/74 (Marckx v. Belgien), Rn.  31) und neben der Kleinfamilie (EGMR, Urt. v. 26.5.1994 – 16959/90 (Keegan v. Irland), Rn.  4 4), auch homosexuelle Partnerschaften (EGMR, Urt. v. 24.6.2010 – 30141/04 (Schalk und Kopf v. Österreich), Rn.  93 f. = NJW 2011, 1421; Frowein/Peukert/Frowein, EMRK, 2009, Art.  8 , Rn.  20). 192  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 82, Rn.  62; v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌Robbers, 2010, Art.  6 , Rn.  9 0. 190  Die

III.  Grundrechtlicher Schutz aller Elternverbindungen

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Beziehungen geschaffen werden kann. Stiefgeschwister bilden danach eine ­Familie, weil sie sich über die generationsübergreifende Beziehung zu ihren ­Eltern bzw. Stiefeltern definieren. Dies schließt allerdings nicht aus, unter den Schutz des Art.  6 Abs.  1 GG im Sinne der Vermeidung einer uferlosen Ausweitung des Schutzbereichs nur Familienbeziehungen zu fassen, die eine bestimmte Intensität und persönliche Nähe besitzen und den Familienmitgliedern besonders wichtig sind.193 Doch begründet das generationsübergreifende Element, warum Freund­ schaften und Paarbeziehungen bei aller gegenseitigen Nähe ­keine Familienbeziehungen im Sinne des Art.  6 Abs.  1 GG sind. Darüber hinaus ist die Fürsorge für andere, insbesondere für Kinder, ein wesentlicher Aspekt des Familienschutzes. Nicht umsonst verlangt das Bundesverfassungsgericht für eine familiäre, von Art.  6 Abs.  1 GG geschützte Beziehung zwischen Vater und Kind die tatsächliche Verantwortungsübernahme für eine gewisse Zeit.194 Dafür ist die tatsächliche Fürsorge für das Kind, nicht ­allein die Übernahme finanzieller Verantwortung zu verlangen. Nicht umsonst gibt es den Begriff der „Familienarbeit“.195 Nach Dauner-Lieb ist dies nicht ­allein Hausarbeit, sondern bedeutet Versorgung von und Fürsorge für Menschen, die noch nicht oder nicht mehr erwerbstätig sein können, insbesondere von Kindern, die nicht nach Kriterien von Effizienz und Wirtschaftlichkeit ­erbracht, sondern von einer „personalen Beziehung“ getragen wird. Ein Stief­ vater, der also Windeln wechselt, kocht, das Kind in die Krippe bringt und abholt, wenn es krank wird, erfüllt genau diese Rolle. Dieses generationsübergreifend-verwandtschaftliche Element erlaubt auch weitere Überlegungen zum Zweck des Familienschutzes. Ist Zweck des Eheschutzes die dauerhafte Persönlichkeitsentfaltung in der rechtlich abgesicherten Beziehung zu einem gleichberechtigten anderen Menschen, so ist Zweck des Familienschutzes die Persönlichkeitsentfaltung des Menschen in einem die Generationen verbindenden vielfältigen Beziehungsgeflecht. In der Familie lernen Kinder die Grundlagen des Umgangs mit anderen Menschen. Das Bundesverfassungsgericht sieht die Familie denn auch als die wesentliche Grundlage der leiblichen und seelischen Entwicklung von Kindern.196 Sie erfahren Erziehung und Sorge ihrer Eltern und die Beziehung zu Großeltern, aber unter Umständen auch die Reibung in ihrer Entwicklung beispielsweise durch eine Konkurrenz mit Geschwistern. Diesen Zweck kann die Familie aber nur entfalten, wenn ihre Mitglieder soweit gemeinsam leben, dass eine gegenseitige Beeinflus-

193 

BVerfG, Beschl. v. 24.6.2014 – 1 BvR 2926/13, BVerfGE 136, 382, 388, Rn.  22 f. BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 112, Rn.  89. 195 Dazu: Dauner-Lieb, Die Zukunft der Familie und der Familienarbeit, DFGT-Vortrag, 2016, 25, 32. 196 BVerfG, Beschl. v. 18.4.1989 – 2 BvR 1169/84, BVerfGE 80, 81, 90; BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 82, Rn.  62. 194 

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Teil 4:  Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft

sung bei der Persönlichkeitsentfaltung auch tatsächlich möglich ist, insbeson­ dere im Rahmen gegenseitiger Fürsorge. Die so umschriebene umfassende Gemeinschaft der Familie liegt jedenfalls vor, wenn die Familie dauerhaft unter einem Dach zusammenlebt. Denn auch Menschen, die nicht zusammenleben, können den oben beschriebenen Einfluss aufeinander haben, wenn die Beziehung bereits aufgebaut ist und nur fortgesetzt wird, wie z. B. nach der Trennung der leiblichen Eltern. Wann eine familiäre Gemeinschaft trotz räumlicher Entfernung noch vorliegt, ist eine Frage der Umstände des Einzelfalls. Zur Aufrechterhaltung einer bereits etablierten Beziehung kann auch ein Kontakt aus der Ferne genügen.197 Ein Kind, das mit seiner Mutter lebt, aber mit dem Vater Zeit verbringt und für das dieser Verantwortung übernimmt, hat zwei Familien, eine mit der Mutter, eine mit dem ­Vater.198 Dies gilt jedenfalls bei Wechselmodellen in Bezug auf die Betreuung, aber auch wenn das Kind nur ein bis zwei Tage in der Woche beim anderen ­Elternteil verbringt. Die Indikatoren für eine aufrecht erhaltene soziale Beziehung können regelmäßige Besuche sein, unterstützt durch die Kommunikation während der räumlichen Trennung per Telefon, E-Mail oder anderen Kommunikationsmitteln wie z. B. WhatsApp.199 Der Aufbau einer Beziehung mit ­einem Stiefkind erfordert dagegen grundsätzlich ein Zusammenleben. bb.  Temporäre Voraussetzungen Die Voraussetzung der gemeinsamen Nähe und der damit potentiell gegenseitigen Beeinflussung und Unterstützung gilt daher für alle Familienformen. Sie hat aber besondere Bedeutung in den Familien, die nicht auf blutsmäßiger Verwandtschaft beruhen und keine rechtliche Anerkennung gefunden haben. Die tatsächliche soziale Gemeinschaft und die gegenseitigen Bindungen, die im Kern des Familienschutzes stehen, brauchen Zeit, um sich zu entwickeln.200 Die familiäre Nähebeziehung muss damit auch von einer gewissen Dauer sein. Dem Familienschutz wohnt deshalb bei tatsächlichen Gemeinschaften ein temporär-soziales Element inne. Bei einem gerade geborenen Kind haben sich familiäre Bindungen schon vor der Geburt entwickelt und bestehen zwischen Ursprungseltern und dem gerade geborenen Kind daher sofort. Bei anderen 197 Vgl. zur Aufrechterhaltung der Beziehung zwischen leiblichen Eltern und Kindern nach Scheidung der Eltern: Walper/Enleitner-Phelps/Wendt, RdJB 2016, 210, 212 f. 198  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 112; BVerfG, Beschl. v. 12.10.2010 – 1 BvL 14/09, BVerfGE 127, 263, 287, Rn.  59 f.; BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 112, Rn.  89; Jarass/Pieroth-GG/‌Jarass, 2016, Art.  6 , Rn.  8. 199  Die Art des Kommunikationsmittels ist hier unerheblich. Es steht zu erwarten, dass sich diese in den nächsten Jahren noch weiter entwickeln werden. 200  Vgl. zum Voraussetzung einer gewissen Dauer: BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 82, Rn.  61; BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 112, Rn.  89.

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­ amilien, zum Beispiel Pflegefamilien, braucht dies unter Umständen eine geF wisse Zeit. Als Anhaltspunkt für diese „gewisse Zeit“ können die aus der Er­ forschung von Stieffamilien ermittelten fünf Jahre201 bis zur Etablierung einer festen Beziehung zwischen Stiefelternteil und Kindern dienen. cc. Zwischenergebnis Soziale Eltern werden durch Art.  6 Abs.  1 GG geschützt. Soziale Elternschaft im Sinne des Art.  6 Abs.  1 GG setzt die tatsächliche Verantwortungsübernahme für ein Kind in einer familiären, auf Dauer angelegten Gemeinschaft voraus. Soziale Eltern müssen, wenn die Beziehung einmal aufgebaut ist, auch nicht mit dem Kind zusammenleben, jedoch muss Kontakt aufrechterhalten und auch in diesem Zusammenhang Verantwortung für das Kind übernommen werden. Rechtliche und nicht nur tatsächliche Auswirkungen hat der Schutz der ­Familie jedenfalls, wenn Familienmitglieder wie Geschwister und Großeltern, bei der Entscheidung über die Vormundschaft von Kindern vorrangig zu berücksichtigen sind.202 Dies ist insofern überzeugend, als dass jedes anderes Vorgehen (meist das Zuweisen des Kindes zu einem anderen Vormund) entweder das etablierte familiäre Zusammenleben erschweren oder das Kind einer anderen Familie zuordnen würde, die in Konkurrenz zur bereits bestehenden Familie treten würde. Das bedeutet aber auch, dass nicht blutsverwandte Mitglieder der sozialen Familie, insbesondere soziale Eltern, bei entsprechend enger Beziehung als Vormünder berücksichtigt werden müssen. Überdies ist die soziale Familienstruktur und die Verwurzelung des Kindes in derselben bei einer Konkurrenzsituation zu den übrigen Eltern zu berücksichtigen,203 auch wenn sie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegenüber den Eltern gem. Art.  6 Abs.  2 GG von geringerem Gewicht ist.204 Insofern zeigt sich, dass Art.  6 Abs.  1 GG als eine Art zweites Elternrecht wirkt. Das Familiengrundrecht ist im Übrigen zunächst ein Abwehrrecht, das den Familienmitgliedern Schutz vor staatlichen Eingriffen in ihr familiäres Zusammenleben gewährleistet.205 Obwohl beim Familienschutz die tatsächliche Beziehung der Familienmitglieder im Vordergrund steht, bedarf die Familie als Institut einer rechtlichen Ausgestaltung.206 Auch dabei hat der Gesetzgeber den Schutz der Familie in ihrer soeben beschriebenen sozialen Dimension und 201 

Teil 3 IV 1 (S.  257). BVerfG, Beschl. v. 24.6.2014 – 1 BvR 2926/13, BVerfGE 136, 382. 203  BVerfG, Beschl. v. 17.10.1984 – 1 BvR 284/84, BVerfGE 68, 176, 191 f. 204  BVerfG, Beschl. v. 12.10.1988 – 1 BvR 818/88, BVerfGE 79, 51 60; BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 23.8.2006 – 1 BvR 476/04, BVerfGK 9, 97. 205  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 84, Rn.  67. 206  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 112; BVerfG, Beschl. v. 12.10.2010 – 1 BvL 14/09, BVerfGE 127, 263, 288, Rn.  38; BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 85, Rn.  68 ff; BVerfG, Beschl. v. 29.5.1990 – 1 BvL 20, 26/84, 4/86, BVerfGE 82, 60, 81, Rn.  88. 202 

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deren Funktionsfähigkeit zu gewährleisten. Darauf wird im Teil 5 näher eingegangen. b.  Art.  6 Abs.  2 GG Die Gemeinschaft sozialer Eltern ist also gem. Art.  6 Abs.  1 GG als Familie geschützt. Zu prüfen ist, ob daneben auch ein Schutz durch Art.  6 Abs.  2 GG in Betracht kommt. Insofern ist zunächst klarzustellen, dass ein sozialer Elternteil, der auch der rechtliche Elternteil des Kindes gem. §  1592 Nr.  1, 2 BGB ist, z. B. weil er das Kind anerkannt hat oder der Ehemann der Mutter ist, als rechtlicher Elternteil unter dem Schutz des Art.  6 Abs.  2 GG steht.207 Das Bundesverfassungsgericht hat aber im Urteil vom 19.2.2013 ausgesprochen, dass eine Person, die tatsächlich eine elterliche soziale Rolle im Leben eines Kindes einnimmt, deshalb nicht notwendig ein Elternteil im verfassungsrechtlichen Sinne ist. Es besteht danach erst Recht keine gesetzgeberische Pflicht, einen rein sozialen Elternteil den Zugang zur (einfach)rechtlichen Elternschaft und damit zum Schutz durch Art.  6 Abs.  2 GG zu eröffnen.208 Dies ist insofern überzeugend, als die soziale Elternschaft zum Zeitpunkt der Geburt noch nicht besteht, sondern sich erst entwickeln muss. Die obigen Untersuchungen haben jedoch gezeigt, wie vielfältig die soziale Elternschaft in der Praxis ausfallen kann. Je länger eine Person für ein Kind in einer elterlichen Rolle gesorgt, also nicht nur jemand anderem bei der Fürsorge für ein Kind geholfen hat, desto stärker kann sich die Verbindung zwischen ihr und dem Kind entwickeln, die auch für dessen weitere Entwicklung wichtig ist. Insofern könnte man argumentieren, dass soziale Eltern im Laufe der Zeit, mit der Verstärkung des sozialen Elternbands, selbst in den Schutz des Art.  6 Abs.  2 GG „hineinwachsen“ können. Nähme man dies allerdings an, so stellte sich das Problem, ab wann der Wachstumsprozess abgeschlossen ist und welche zeitlichen und qualitativen Voraussetzungen dafür zu erfüllen sind. Dies würde zu Rechtsunsicherheit führen, was aber nicht notwendig gegen einen Schutz sozialer Eltern gem. Art.  6 Abs.  2 GG spricht. Die Beschränkung des grundrecht­ lichen Schutzes sozialer Elternschaft auf Art.  6 Abs.  1 GG durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts209 führt einerseits zu dem eigenartigen Ergebnis, dass Menschen, die tatsächlich die Elternrolle wahrnehmen, nicht unter dem Schutz des Elternrechts gem. Art.  6 Abs.  2 GG stehen. Trotzdem gibt es gute Gründe, daran festzuhalten. Bereits die Differenzierung zwischen Art.  6 Abs.  1 GG und Art.  6 Abs.  2 GG spiegelt einen wesentlichen Unterschied zwischen den genetischen, gestationa207  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 103, 105 ff.; BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 81, Rn.  58 f. 208  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 81, Rn.  57–59. 209  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 82, Rn.  60–62.

III.  Grundrechtlicher Schutz aller Elternverbindungen

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len und Initiativeltern auf der einen Seite und den sozialen Eltern auf der anderen wider. Während Art.  6 Abs.  2 GG die Eltern schützt, die dem Kind „Leben gegeben“ haben und daher von Anfang an Eltern sind, schützt Art.  6 Abs.  1 GG die gewordene Familienbeziehung, die nicht aus dem Beitrag zur Geburt, sondern aus der später getragenen Verantwortung entstanden ist.210 Dass leibliche Eltern, die mit ihren Kinder leben, gleichzeitig von Art.  6 Abs.  2 GG und Art.  6 Abs.  1 GG geschützt werden, zeigt, dass verschiedene Elternverbindungen auch auf grundrechtlicher Ebene differenziert analysiert werden, obgleich sie gleichzeitig auftreten können. Art.  6 Abs.  1 GG schützt die soziale Familie davor, auseinandergerissen zu werden. Art.  6 Abs.  2 GG räumt Eltern grundsätzlich das Recht ein, die soziale Beziehung zu ihren Kindern als Grundlage für „Pflege und Erziehung“ aufbauen zu dürfen. Die hier dargestellte Differenzierung heißt aber nicht, dass der sozialen ­Elternschaft jede rechtliche Ausgestaltung versagt werden darf. In seinem Urteil vom 19.2.2013 erklärte das Bundesverfassungsgericht zwar, soziale Eltern müssten nicht notwendigerweise rechtliche Eltern werden, stützten diese Argumentation aber auch darauf, dass den sozialen Eltern in diesem Fall gewisse Rechte im Rahmen des kleinen Sorgerechts zustanden.211 Eine gewisse minimale rechtliche Anerkennung des sozialen Elternteils wird man für die recht­liche Funktionsfähigkeit der sozialen Familie daher auch von Verfassungs wegen verlangen müssen.

6.  Nur zwei? Die verfassungsrechtliche Stellung der Mehreltern Damit wurde gezeigt, dass mehr als zwei Personen gleichzeitig unter den Schutz des Art.  6 Abs.  2 GG fallen können, nämlich die genetischen, die Initiativeltern und die gestationale Mutter. Unabhängig von der weiteren Zuweisung von ­Elternpositionen durch das einfache Recht, wie z. B. durch die Adoption, steht damit fest, dass gleichzeitig mehrere Personen begrifflich Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 S.  1 GG sein können. a.  Elternstellung und Elternrecht nach der Verfassung Wie oben bereits gezeigt, hat auch das Bundesverfassungsgericht anerkannt, dass mehr als zwei Eltern unter dem Schutz des Art.  6 Abs.  2 GG stehen können.212 Insofern steht der obige Befund nicht im Widerspruch zur Rechtspre210  Passend ist insofern der – schlecht in die deutsche Sprache zu übersetzende – Titel des Beitrags von Masson, „Parenting by Being; Parenting by Doing“, in: Spencer/du Bois-Pedain (Hrsg.), Freedom and Responsibility in Reproductive Choice, 2006, 131. Im Fall der Geburtsmutter und ihres Partners bzw. ihrer Partnerin kann eine soziale Beziehung allerdings schon sehr früh etabliert werden. 211  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 85, Rn.  68 ff. 212  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101.

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chung des Bundesverfassungsgerichts. Allerdings entschied das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 9.4.2003, dass von den Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG immer nur zwei auch Träger des Elternrechts sein könnten. Nur diesen komme gem. Art.  6 Abs.  2 GG das Recht und die Pflicht zu, das Kind zu pflegen und zu erziehen. Dieses Grundrecht sei dann vom Gesetzgeber einfachrechtlich mit Rechten und Pflichten wie Unterhalts-, Erb-, Sorge- und Umgangsrechten auszugestalten. Wäre dies richtig, so könnten nur zwei der drei oben genannten Elternteile auch Träger des Elternrechts gem. Art.  6 Abs.  2 GG sein und damit die Elternstellung nach einfachem Recht einnehmen. In der ­Literatur wird die Differenzierung des Bundesverfassungsgerichts der Sache nach überzeugend als eine solche zwischen persönlichem und sachlichem Gewährleistungsbereich eingeordnet.213 Danach befinden sich zwar alle Eltern im persönlichen Gewährleistungs- oder Schutzbereich des Art.  6 Abs.  2 GG, aber nicht notwendig auch im sachlichen Schutzbereich. Damit wären die genetischen Eltern und die Geburtsmutter zwar Eltern im Sinne der Verfassung (persönlicher Schutzbereich), aber nicht notwendig auch berechtigt, das Kind zu pflegen und zu erziehen (sachlicher Schutzbereich). Diesen Ansatz hat das Urteil vom 19.2.2013 wiederholt und ausgeführt, die Entscheidung von 2003 treffe keine Aussagen über das Geschlecht der beiden Eltern.214 Als Argumente für die Differenzierung zwischen der Elterneigenschaft und der Trägerschaft des Elternrechts führte das Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen zwei Begründungen an, deren Überzeugungskraft zu überprüfen ist. Zum einen hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, die Tatsache, dass ein Kind nur von zwei Personen abstammen könne, lasse den Schluss zu, dass der Verfassungsgeber auch nur zwei Personen das Elternrecht habe geben wollen.215 Die weiteren Argumente des Bundesverfassungsgerichts stehen im Zusammenhang mit der Ausrichtung des Elternrechts, die besser als Elternverantwortung zu bezeichnen ist, auf das Kind. Für sein Aufwachsen brauche dieses eine klare Regelung und müsse von Anfang an wissen, wer verbindlich Verantwortung für seine Person trage. Bei einer Konstellation von mehr als zwei Eltern lasse sich Verantwortung schlechter personell festmachen. Eine Gemeinschaft von drei Eltern trage im Gegensatz zu einem gleichberechtigten Elternpaar auch 213  Erklärend und durchaus kritisch zur Rechtsprechung des BVerfG: Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V II, 2009, §  155, Rn.  74 f., 90; Dreier-GG/‌Brosius-Gersdorf, 2013, Art.  6 , Rn.  150; Lembke, in: Röthel/Heiderhoff (Hrsg.), Regelungsaufgabe Vaterstellung, 2014, 37, 54; Kaufhold, in: Röthel/Heiderhoff (Hrsg.), Regelungsaufgabe Mutterstellung, 2016, 105. 214  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 78, Rn.  51; Heiderhoff hat angedeutet, im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19.2.2013 sei eine vorsichtige Distanzierung zur Entscheidung von 2003 zu sehen. 215  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101; Wörtliches Zitat oben Teil 2 II 5 g ee (S.  168).

III.  Grundrechtlicher Schutz aller Elternverbindungen

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nicht die Vermutung in sich, dass die Wahrnehmung des Elternrechts durch sie dem Kindeswohl am besten diene. Vielmehr seien in dieser Konstellation Kompetenz- und Rollenkonflikte gleichermaßen angelegt, die dem Kindeswohl schaden könnten.216 b.  Der Verfassungsgesetzgeber und die natürliche Zeugung aa.  Zeugung durch mehr als zwei Personen Zunächst ist das Argument der natürlichen Zeugungssituation zu überprüfen, an der nur zwei Personen beteiligt sind. Dabei ist bereits der rechtsphilosophische Schluss von einem (angeblichen) Sein auf ein normatives Sollen problematisch.217 Aber davon abgesehen ist es auch in tatsächlicher Hinsicht heute nicht mehr zutreffend anzunehmen, an einer Zeugung seien immer nur zwei Personen beteiligt. Jedenfalls seitdem Eizellenspenden möglich sind, können unproblematisch zumindest drei Personen beteiligt sein. Selbst wenn man weitere Methoden der Reproduktionsmedizin außen vor lassen will, so ist die Zeugung eines Menschen heute nicht mehr nur durch zwei Personen möglich. bb.  Der Wille des Verfassungsgesetzgebers Das Argument, dass der Verfassungsgeber historisch davon ausging, eine Zeugung könne nur durch zwei Personen erfolgen und die Elternrechte der Verfassung seien daher auf zwei Eltern zu begrenzen, ist ihrerseits aus zwei Gründen zweifelhaft. Zum einen war die künstliche Befruchtung seit Ende des 19. Jahrhunderts möglich und wurde seit Anfang des 20. Jahrhunderts praktiziert. Selbst der Parlamentarische Rat hätte also zumindest theoretisch ein Auseinanderfallen von rechtlicher und genetischer Vaterschaft berücksichtigen können. Allerdings war die homologe Insemination im „Dritten Reich“ verpönt, sodass sie unter den Vätern und Müttern des Grundgesetzes vielleicht nicht allgemein bekannt war. Selbst wenn der Verfassungsgesetzgeber aber von der natürlichen Zeugung durch zwei Personen ausging, heißt dies nicht zwingend, dass er damit die Rechte der Elternschaft gem. Art.  6 Abs.  2 GG auf jeweils nur zwei Eltern begrenzen wollte. Der Verfassungsgeber kannte einfachrechtliche Konstellationen von rechtlicher Elternschaft mit einem und bis zu vier Elternteilen: Zur Zeit der Entstehung des Grundgesetzes hatte das nichteheliche Kind nur einen rechtlichen Elternteil, die Mutter.218 Insofern ging auch das Bundesverfassungsgericht lange davon aus, dass nur die Mutter Elternteil ihres nichtehe­lichen 216  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101, 103. Wörtliches Zitat oben Teil 2 II 5 g ee (S.  168). 217  Vgl. dazu Teil 1 II 4 d (S.  25). 218  Vgl. Teil 2 I 1 d (S.  41).

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Teil 4:  Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft

­ indes iSd Art.  6 Abs.  2 GG sei.219 Außerdem galt noch das Adoptionsrecht von K 1900, welches das Adoptivkind nicht voll in die neue Familie integrierte, sondern ihm bis zu vier rechtliche Eltern gab. Angesichts dieser Situation ist es ­jedenfalls nicht zwingend anzunehmen, der Verfassungsgesetzgeber habe sich nicht mehr, aber auch nicht weniger als zwei Eltern mit Rechten und Pflichten vorstellen können. Jedenfalls kann man davon auch anhand der Aufzeichnungen des Beratungsprozesses nicht ausgehen. Aber selbst wenn man annehmen wollte, dass der Verfassungsgeber sich eine Zeugung mit mehr als zwei Beteiligten und eine Elternschaft zu Dritt nicht vorstellen konnte, bleibt die Frage, ob diese Vorstellungen bindend wären. Der Text der Verfassung legt die Zahl der Eltern nicht fest. Der Begriff der Eltern wird auch nicht definiert, sondern es wird nur festgelegt, dass die Pflege und Erziehung des Kindes Recht und Pflicht der Eltern sind. Aus der Tatsache, dass natürlicherweise nur zwei Eltern bei der Zeugung eines Kindes beteiligt sind, zu schließen, dass verfassungsrechtlich nur zwei Eltern Elternrechte ausüben können, würde ein Dokument überinterpretieren, das zum Ende der 1940er Jahre entstand und den fundamentalen Fortschritt auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin nicht vorhersehen konnte. Entsprechende Erwägungen hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Sukzessivadoption vom 19.2.2013 angestellt. Im Zusammenhang mit der gleichgeschlechtlichen Elternschaft führte das Bundesverfassungsgericht aus, die Tatsache sei unbeachtlich, dass der Verfassungsgesetzgeber sich eine gleichgeschlechtliche Elternschaft nicht habe vorstellen können, weil homosexuelles Verhalten damals noch unter Strafe gestanden habe.220 Dies zugrunde gelegt kann die historische Vorstellung des Verfassungsgebers über die Beteiligten bei der Zeugung eines Kindes die Mehrelternschaft ebenso wenig ausschließen. Aus diesem Grund mag das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2013 das Argument aus der Entscheidung vom 9.4.2003 von der natürlichen Zeugungssituation, von der der Verfassungsgeber ausgegangen sei, auch nicht mehr wiederholt haben. Nur das Argument möglicher Rollenkonflikte unter Mehreltern wird in der Entscheidung aus dem Jahr 2013 wiederholt.221 c. Kompetenzkonflikte Das zweite Argument zur Begründung der Aussage, dass nicht mehr als zwei Eltern iSd Art.  6 Abs.  2 GG Rechte und Pflichten gem. Art.  6 Abs.  2 GG in Bezug auf ihr Kind zustehen können, ist die Vermeidung von Kompetenz- und Rollenkonflikten im Interesse des Kindeswohls. Diese pauschale Annahme 219  Vgl. Teil 2 II 5 f (S.  160); BVerfG, Beschl. v. 23.10.1958 – 1 BvL 45/56, BVerfGE 8, 210, 215; BVerfG, Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168; BVerfG, Beschl. v. 7.3.1995 – 1 BvR 790/91, 540, 866/92, BVerfGE 92, 158. 220  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 79 f., Rn.  5 4 ff. 221  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 78, Rn.  52.

III.  Grundrechtlicher Schutz aller Elternverbindungen

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wird allerdings nicht näher begründet. Konflikte dieser Art können einem Kind zweifellos schaden. Bei den rechtlichen Eltern regelt das BGB die Folgen solcher Konflikte mit der Entscheidung des Familiengerichts und der Möglichkeit, die elterliche Sorge nur einem Elternteil zuzuweisen (§  1671 BGB). Der Ausgleich der Rechte der Eltern und der Schutz des Kindeswohls rechtfertigen solche Eingriffe in das Elternrecht. Um eine derartige Ausgestaltung des Elternrechts geht es hier aber nicht, sondern um den vollständigen Ausschluss vom sachlichen Schutzbereich des Art.  6 Abs.  2 GG. Die pauschale Behauptung der Gefährdung des Kindeswohls durch mehr als zwei Eltern genügt als Begründung vor diesem Hintergrund nicht, sondern führt zu einer problematischen Auswahl von ­Eltern durch den Staat. Die Lösung von Konflikten zwischen Eltern ist wie bei Konflikten zwischen anderen Grundrechtsträgern Aufgabe des Gesetzgebers, der die verschiedenen Grundrechtspositionen abzuwägen hat. aa.  Konflikte und gleichberechtigte Elternschaft Wären potentielle Konflikte zwischen den Eltern eine ausreichende verfassungsrechtliche Begründung für den vollständigen Ausschluss von verfassungsrechtlichen Elternrechten, so sollte es – wie es bis zur verfassungsgerichtlichen Entscheidung über den Stichentscheid 222 des Vaters üblich war – auch nur ein Elternteil mit Entscheidungsrechten über ein Kind geben. Insbesondere geschiedene oder getrennt lebende Eltern würden damit aber ihrer Elternrechte generell beraubt werden können. Von diesem Ansatz hat sich das Bundesverfassungsgericht aber – wie oben gezeigt – im Laufe seiner Rechtsprechung verabschiedet und Ehepaaren, 223 geschiedenen Eltern 224 wie nichtehelichen Paaren 225 nicht nur das verfassungsrechtliche Elternrecht, sondern sogar die gemeinsame Sorge zugesprochen. Zwischen den grundsätzlich gleichwertigen Interessen der Eltern ist daher abzuwägen und gegebenenfalls die Entscheidung des Familiengerichts herbeizuführen.226 In der Entscheidung von 2003 erklärte das Bundesverfassungsgericht in­ sofern allerdings, die Wahrnehmung der Elternverantwortung durch zwei ­Eltern,227 auch wenn diese getrennt seien, diene dem Kindeswohl grundsätzlich – die durch mehr als zwei Eltern aber nicht.228 Diese pauschale Behauptung wird jedoch nicht näher begründet. 222 

BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 27, 100/58, BVerfGE 10, 59, 87. BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 27, 100/58, BVerfGE 10, 59, 87. 224  BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 12/81, BVerfGE 61, 358. 225  BVerfG, Beschl. v. 7.3.1995 – 1 BvR 790/91, 540, 866/92, BVerfGE 92, 158, 178 f. 226  BVerfG, Beschl. v. 15.6.1971 – 1 BvR 192/70, BVerfGE 31, 194, 205. 227  BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 1 BvL 27, 100/58, BVerfGE 10, 59, 87. 228  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101, 103. Wörtliches Zitat oben Teil 2 II 5 g ee (S.  168). 223 

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bb.  Ausgestaltung durch den Gesetzgeber, nicht Ausschluss des Schutzbereichs Zunächst soll aber auf die Frage, welches Konfliktpotential einer Drei-ElternBezie­hung tatsächlich im Vergleich zu einer Mehrelternschaft innewohnt, nicht näher eingegangen werden.229 Es kann zwar grundsätzlich angenommen werden, dass dieses jedenfalls bei einer unfreiwilligen Mehrelternschaft beträchtlich ist, die durch einen Partnerwechsel, wie z. B. beim Kuckuckskind oder Stiefkind entstanden ist. Trotzdem kann damit allein nicht begründet werden, warum bestimmte Eltern iSd Art.  6 Abs.  2 GG von vornherein keine Elternrechte aus dieser Position ableiten können sollen. Sieht man die Elternschaft iSd Art.  6 Abs.  2 GG nicht nur als Recht der Kinder, sondern zumindest auch als Recht der Eltern an, 230 so ist fraglich, ob Rollenkonflikte und Probleme unklarer Kompetenzverteilung ausreichen, um ­einen Elternteil, der unter dem Schutz des Art.  6 Abs.  2 GG steht, von allen ­Elternrechten und ‑pflichten auszuschließen. Grundsätzlich wird man sagen können, dass der vollständige Verlust von Grundrechtspositionen nicht in Betracht gezogen werden kann, solange die Regulierung von Konflikten zwischen verschiedenen Grundrechtsträgern und die Abwägung verschiedener Grundrechtspositionen im Rahmen der Regelungsaufgabe des Gesetzgebers nicht ­evident und eindeutig aussichtslos oder unmöglich ist. Insoweit kann nicht ­unberücksichtigt bleiben, dass die Anschauung hierüber zeitbedingt ist, wie die (auch verfassungsrechtliche) Rechtsentwicklung in Bezug auf die Verteilung des Sorgerechts auf Ehegatten und nicht (mehr) verheiratete Partner zeigt. 1995 führte das Bundesverfassungsgericht zu den nichtehelichen Eltern aus: „Es obliegt daher dem Gesetzgeber, den einzelnen Elternteilen bestimmte Rechte und Pflichten zuzuordnen, wenn die Voraussetzungen für eine gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung fehlen. Seine Gestaltungsbefugnis ist dabei um so größer, je weniger von einer Übereinstimmung zwischen den Eltern und von einer sozialen Beziehung zwischen dem einzelnen Elternteil und dem Kind ausgegangen werden kann.“231

Die Regulierung und Abwägung der Elterninteressen im Fall von Konflikten ist im Rahmen des staatlichen Schlichteramts Aufgabe des Gesetzgebers.232 Warum dies nicht ebenso für Mehrelternverhältnisse gelten sollte, ist nicht ersichtlich. Vielmehr würde es hier gerade naheliegen, den Konflikt durch gesetzliche Regelungen zu lösen. Der Gesetzgeber kann unter Rückgriff auf aktuelle Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie Regelungen treffen, die das Kindeswohl angemessen schützen und die Interessen aller Beteiligten abwägen. Das Fehlen einer Abwägung der Interessen des leiblichen Vaters durch das deutsche 229 

230 

794.

231 

232 

Dazu unten Teil 5 II 3 b (S.  368). Wie hier: Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 119 f.; Britz, FamRZ 2015, 793, BVerfG, Beschl. v. 7.3.1995 – 1 BvR 790/91, 540, 866/92, BVerfGE 92, 158, 178 f. BVerfG, Beschl. v. 7.3.1995 – 1 BvR 790/91, 540, 866/92, BVerfGE 92, 158, 178 f.

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Recht wurde auch durch den EGMR in der Anayo-Entscheidung als Verletzung von Art.  8 Abs.  1 EMRK beanstandet.233 Der daraufhin eingeführte §  1686a BGB kann bereits als eine solche Ausgestaltung angesehen werden. Darum sollte auch in Fällen der Mehrelternschaft der verfassungsrechtliche Ausgangspunkt sein, dass jedes Elternteil im Sinne von Art.  6 Abs.  2 GG Träger des Elternrechts ist. Die Gestaltung der Mehrelternschaft ist dem Gesetzgeber zu überlassen, der das Mehrelternverhältnis zum Wohle des Kindes unter Berücksichtigung aller Interessen angemessen zu regeln hat. Dabei können Elternrechte bei entsprechender Rechtfertigung eingeschränkt werden. Um das oben eingeführte Bild aufzugreifen, nach dem die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art.  6 Abs.  2 GG als ein Auto vorstellbar ist, in dem mehrere Eltern mitfahren, aber immer nur zwei am Steuer sitzen können, sollte gelten, dass auch dem dritten und vierten Elternteil nicht grundsätzlich der Führerschein versagt werden darf. Ob und wie er tatsächlich fahren darf, muss der Gesetzgeber entscheiden. d. Zwischenergebnis Die Annahme, Träger des Elternrechts gem. Art.  6 Abs.  2 GG könnten nur zwei Eltern iSd Art.  6 Abs.  2 GG sein,234 ist nicht überzeugend. Weder eine Auslegung nach dem historischen Willen des Verfassungsgesetzgebers, noch der Schutz des Kindeswohls können dies überzeugend begründen. Unter mehreren Eltern gem. Art.  6 Abs.  2 GG muss der Gesetzgeber gestaltend eingreifen und Konflikte in Abwägung der Grundrechtspositionen lösen. Ein schlichter Ausschluss bestimmter Eltern bereits aus dem verfassungsrechtlichen Schutz des Elternrechts ist nicht gerechtfertigt. Damit sind alle genetischen, Initiativeltern und die gestationale Mutter auch Träger des Elternrechts gem. Art.  6 Abs.  2 GG, d. h. ihnen steht grundsätzlich das Recht und die Pflicht zur Pflege und Erziehung des Kindes zu. Damit ist allerdings nicht gesagt, welche Rechte und Pflichten diesen Eltern nach dem Familienrecht des BGB jeweils zuzuweisen sind. Nach welchen Kriterien der Gesetzgeber diese Aufgabe zu erfüllen hat und ob bzw. inwieweit aus Gründen des Kindeswohls oder wegen des aus der verfassungsrechtlichen ­Institutsgarantie folgenden Kernbereichsschutzes eine Zuweisung des Elternrechts doch nur an zwei Eltern geboten ist, soll der weiteren Untersuchung vorbehalten bleiben.

233 EGMR, Urt. v. 21.12.2010 – 20578/07 (Anayo v. Deutschland), FamRZ 2011, 269, Rn.  67, 71. 234 Oder anders formuliert, der sachliche Schutzbereich des Elterngrundrechts gem. Art.  6 Abs.  2 GG könne nur zwei von den Eltern gem. Art.  6 Abs.  2 GG erfassen.

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Teil 4:  Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft

7. Zwischenergebnis Damit sind die genetischen, die gestationale Mutter und die Initiativeltern als Eltern gem. Art.  6 Abs.  2 GG geschützt. Nach dem oben entwickelten Verständnis sind sie auch gleichzeitig Träger des Elternrechts, d. h. ihnen stehen auch das Recht und die Pflicht zu, für das Kind zu sorgen und es zu erziehen. Ausschließlich soziale Eltern sind von Art.  6 Abs.  1 GG geschützt, nicht jedoch von Art.  6 Abs.  2 GG.

IV.  Zwischenergebnis: Mehrelternschaft als Gestaltungsaufgabe des Gesetzgebers Bisher bleibt die Diskussion um Mehrelternverhältnisse meist in der Unterscheidung zwischen biologischer, rechtlicher und sozialer Elternschaft stehen. Für die Entwicklung eines neuen rechtlichen Systems zur Lösung der Probleme der Mehrelternschaft ist jedoch ein Schritt zurück von den bestehenden recht­ lichen Regelungen erforderlich. Grundlage der Entwicklung eines neuen Systems der rechtlichen Elternschaft muss die Analyse der tatsächlich zwischen Eltern und Kindern bestehenden Beziehungen sein, hier als „Elternverbindungen“ bezeichnet. Dabei ist, wie mit dem oben reproduzierten Bild 235 illustriert wird, zwischen genetischen, gestationalen (auch Geburtsmutter) und Initiativeltern sowie sozialen Eltern zu unterscheiden. Die genetischen Eltern stellen mit Ei- und Samenzelle das genetische Material zur Verfügung, aus dem das Kind entsteht.236 Die gestationale Mutter oder Geburtsmutter trägt das Kind aus und bringt es auf die Welt.237 Die Initiativeltern zeugen das Kind, bzw. setzen mit der Inanspruchnahme von Maßnahmen der Reproduktionsmedizin die Ursache für seine Entstehung.238 Darum tragen sie aufgrund ihres Handelns für das so entstandene Kind elterliche Verantwortung. Die sozialen Eltern sorgen für das Kind, füttern, trösten, pflegen es, wenn es krank ist, und erziehen es.239 Mehrere Elternverbindungen dieser Art können von einer einzelnen Person geknüpft worden sein, wenn z. B. die genetischen und Initiativeltern das Kind gemeinsam aufziehen. Aber die zunehmende Verbreitung von Stieffamilien (Patchworkfamilien), Queer-Families und die Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin sorgen dafür, dass die Anzahl der Fälle wächst, in denen Kinder 235 

Vgl. Teil 4 I vor 1 (S.  283). Teil 4 I 1 (S. 288). 237  Vgl. auch zum Einfluss der Geburtsmutter auf die Entwicklung des Kindes im Mutterleib Teil 4 I 2 (S.  291). 238  Teil 4 I 3 (S.  295). 239  Teil 4 I 4 (S. 298). 236 

IV.  Zwischenergebnis: Mehrelternschaft als Gestaltungsaufgabe des Gesetzgebers 339

unterschiedliche Elternverbindungen auch zu mehr als zwei Personen haben. In der Soziologie wird insofern richtig von einer „Segmentierung und Multiplikation der Elternschaft und Kindschaft“240 gesprochen. Bekommt ein Ehepaar ein Kind auf dem „traditionellen“ Weg der Zeugung und erzieht es das Kind gemeinsam, so begründen beide Eltern mehrere Elternverbindungen zu ihrem Kind. Beide sind genetische und Initiativeltern sowie ab der Geburt soziale Eltern. Die Frau ist außerdem noch die gestationale Mutter. Jedes Elternteil hat die maximale Anzahl jeweils möglicher Elternverbindungen etabliert. Hier stellt sich keine Frage, wer die Eltern des Kindes sind. Doch ­bereits in dem Moment, in dem sich das Paar trennt und ein Stiefelternteil hinzutritt, kann sich die Zahl der Personen mit einer Elternverbindung auf drei erhöhen. Dies ist beileibe kein Einzelfall. Immerhin sind in Deutschland 10,9% der minderjährigen Kinder Stiefkinder.241 Bei einer Ei- oder Samenspender kann ein Kind ebenfalls drei Personen mit Elternverbindungen haben. Einen Elternteil mit einer nur genetischen Verbindung und zwei initiative und soziale Eltern, von denen ein Elternteil gleichzeitig noch die gestationale Mutter ist. Trennt sich dieses Elternpaar und tritt auf einer Seite noch ein Stiefelternteil hinzu, kann sich die Zahl auf vier erhöhen. Bei der Leimutterschaftsvereinbarung eines schwulen Paares, wobei einer der Partner seinen Samen spendet, gibt es einen Initiativvater, einen genetischen, und Initiativvater, eine genetische (Eizellenspenderin) und eine gestationale Mutter (Leihmutter) und damit vier Elternteile. Werden die beiden Initiativ­ väter auch die sozialen Eltern bleibt die Zahl der Eltern insgesamt bei vier. Trennt sich aber das schwule Paar und kommen zwei neue Partner hinzu, die beide für das Kind wichtige Bezugspersonen werden, so erhöht sich die Zahl der Eltern auf sechs. Bereits jetzt können überdies Kinder gezeugt werden, die mit drei Menschen genetisch verwandt sind. Mit der Entwicklung der Reproduktionsmedizin könnte sich die Zahl möglicher genetischer Eltern weiter erhöhen. Diese Vielzahl an möglichen Eltern und der Umstand, dass ihre Elternstellung auch grundrechtlich geschützt ist, mögen ein gewisses Befremden und spontane Befürchtungen mit Blick auf das Kindeswohl auslösen. Die ihr zugrundeliegende Einordnung entspricht allerdings der heutigen Realität, mit der sich das Recht auseinandersetzen muss, um angemessene Lösungen für Kinder und Eltern zu schaffen.242 Eine Analyse der Grundrechtspositionen der verschiedenen Personen mit tatsächlich begründeter Elternverbindung zeigt, dass soziale Eltern von Art.  6 Abs.   1 GG geschützt sind.243 Genetische Eltern, gestationale Mutter und 240 Vgl.

Vaskovics, RdJB 2016, 194. Walper/Enleitner-Phelps/Wendt, RdJB 2016, 210, 217. 242  Teil 4 II (S. 302). 243  Teil 4 III 5 (S.  324). 241 

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Teil 4:  Die Eltern-Kind-Verbindung als Grundlage rechtlicher Elternschaft

Initiativ­eltern sind als Eltern gem. Art.  6 Abs.  2 GG geschützt.244 Nach dem oben entwickelten Verständnis sind sie auch gleichzeitig Träger des Elternrechts, d. h. ihnen steht auch das Recht und die Pflicht zu, für das Kind zu sorgen und es zu erziehen. Die Unterscheidung des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung vom 9.4.2003, in dem das Gericht im Rahmen des Schutzbereichs zwischen Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG (die damit in den persönlichen Schutzbereich des Grundrechts fallen) und Trägern des Elternrechts gem. Art.  6 Abs.  2 GG (die in den sachlichen Schutzbereich des Grundrechts fallen) unterscheidet, überzeugt nicht. Eine Einschränkung der rechtlichen Stellung einzelner Eltern stellt damit einen Eingriff in den Schutzbereich des Art.  6 Abs.  2 GG dar, der einer Rechtfertigung bedarf. Soziale Eltern, die lediglich unter dem Schutz des Art.  6 Abs.  1 GG stehen, haben kein verfassungsmäßiges Recht auf die rechtliche Anerkennung als Eltern im Sinne des BGB, genießen aber einen Schutz davor, dass ihre Familie auseinander gerissen wird.245 Das bedeutet keinesfalls, dass alle in Betracht kommenden Eltern stets (gleiche) Rechte und Pflichten gegenüber dem Kind haben müssen. Der in einer Entziehung oder Einschränkung liegende Eingriff kann als Ausgestaltung des Elternrechts durch den Gesetzgeber verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Dies zu entscheiden ist Sache des Gesetzgebers, dessen Aufgabe die Ausgestaltung von Grundrechtspositionen und die Abwägung der verschiedenen grundrechtlich geschützten Interessen ist. Die Regelung der Mehrelternschaft auf der Grundlage von Art.  6 Abs.  2 GG und Art.  6 Abs.  1 GG ist damit eine Gestaltungsaufgabe des Gesetzgebers. Den verfassungsrechtlichen Grenzen und den zivilrechtlichen Möglichkeiten der Gestaltung widmet sich der nächste Teil.

244  245 

Teil 4 III 6 (S.  331). BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 81 f., Rn.  59.

Teil 5

Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft Dieser Abschnitt widmet sich nun der zivilrechtlichen Ausgestaltung multipler Elternschaft. Dabei unterliegt der Gesetzgeber den verfassungsrechtlichen Grenzen, die nicht nur in Bezug auf die verfassungsrechtliche Regelung der ­Elternschaft, sondern auch auf die Grundrechte des Kindes in den Blick zu nehmen sind. In diesem Zusammenhang stellt sich einerseits die Frage, ob der Gesetzgeber im einfachen Recht eine Mehrelternschaft vorsehen dürfte, ohne den verfassungsrechtlichen Kernbereich der Institutsgarantie der Elternschaft zu verletzen und ohne das Kindeswohl zu gefährden. Andererseits stellt die Versagung elterlicher Rechte und Pflichten ebenso wie ihre teilweise Beschränkung einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die durch Art.  6 Abs.  2 und Art.  6 Abs.  1 GG geschützten Elterngrundrechte dar. Die Rechtfertigung hierfür kann insbesondere im Schutz der Grundrechte des Kindes liegen, sowie im Ausgleich der Rechte von anderen Eltern. Schließlich stellt sich bei der zivilrechtlichen Gestaltung der Mehrelternschaft die Frage, wie Sorge-, Umgangs-, Unterhalts- und Erbrecht an eine ­Mehrelternsituation angepasst werden können. Dabei sind Möglichkeiten und Grenzen der privatautonomen Gestaltung von Elternschaft zu untersuchen. Auch ist zu prüfen, ob und wie elterliche Rechte und Pflichten auf mehrere Schultern verteilt und die Einigung mehrerer Eltern rechtlich geregelt wer­den kann. Hier ist das geltende Recht der elterlichen Sorge weiter zu entwi­ckeln und sind gegebenenfalls Anleihen aus dem Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der Erbengemeinschaft und der Bruchteilsgemeinschaft zu diskutieren.

I. Ausgangspunkt: Die Grundrechte des Kindes Zentral für die zivilrechtliche Ausgestaltung müssen die Interessen des Kindes sein. Dafür sind in erster Linie seine Grundrechte zu berücksichtigen. Kinder

342

Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

sind Menschen und stehen ebenso wie Erwachsene unter dem Schutz des Grundgesetzes.1 Auch sie sind spätestens ab ihrer Geburt Grundrechtsträger.2

1.  Das Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung Jedes Kind hat ein Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gem. Art.  2 Abs.  2 GG sowie auf Entwicklung seiner Persönlichkeit. Den Staat trifft insofern eine Schutzpflicht, dem Kind diese Bedingungen für sein Aufwachsen zu sichern und insofern das Kindeswohl zu fördern. Jedes Kind braucht dafür Menschen, die verbindlich für es Verantwortung übernehmen und ihm Liebe, Geborgenheit, Unterhalt und Erziehung geben. Die Pflicht, dies durch die rechtliche Ausgestaltung der Elternschaft zu ermöglichen, trifft den Gesetzgeber gem. Art.  2 Abs.  1 GG in Verbindung mit Art.  6 Abs.  2 GG im Rahmen des Rechts auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung.3 Diese Aufgabe ist, so das Bundesverfassungsgericht, vorrangig von den Eltern iSd Art.  6 Abs.  2 GG wahrzunehmen. Insofern bildet das Grundrecht ein Abwehrrecht, welches dem Staat zugunsten des Kindes verbietet, das Kind von seinen Eltern zu trennen.4 Die genetischen Eltern, die gestationale Mutter und die Initiativeltern sind, wie oben gezeigt, alle Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG. 1 Sachs-GG/‌ Sachs, 2014, Vor. Art.  1, Rn.  70; Stern/Becker-GG/‌Stern, 2016, Einl. 98; v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌Starck, 2010, Art.  1, Rn.  210; Jarass/Pieroth-GG/‌Jarass, 2016, Art.  19, Rn.  10; vgl. zum Gesamtkomplex Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 91 ff. Bei der Geltendmachung ihrer Grundrechte bedürfen sie freilich je nach ihrer Einsichtsfähigkeit der Hilfe ihrer Eltern, die ihre Kinder zum Beispiel in Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten, vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.6.1986 – 1 BvR 857/85, BVerfGE 72, 122; vgl. zur Frage einer „Grundrechtsmündigkeit“ Sachs-GG/‌Sachs, 2014, Vor. Art.  1, Rn.  75 f.; Stern/ Becker-GG/‌Stern, 2016, Einl. 101; v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌ Starck, 2010, Art.   1, Rn.  210; Jarass/Pieroth-GG/‌Jarass, 2016, Art.  19, Rn.  13 f. Gegen den Willen ihrer Eltern können Kinder diese Rechte allerdings nur geltend machen, wenn sie über die nötige Reife und Einsicht verfügen Vgl. nur Kirchhof, ZRP 2007, 149; vgl. Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, 98 ff. 2  Der Schutz des Embryos wird in dieser Untersuchung nicht thematisiert, weil die Zulässigkeit der Mehrelternschaft und ihre zivilrechtlichen Folgen Gegenstand der Untersuchung sind. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Recht des Embryos auf Leben würde dagegen den Rahmen dieser Untersuchung sprengen. Hinsichtlich der Zulässigkeit der Embryonenadoption auch gegen den Willen der ursprünglichen genetischen Eltern vergleiche: Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung, 2016; Gassner u. a., Fortpflanzungsmedizingesetz Augsburg-Münchner-Entwurf, 2013, 39  ff.; Hübner, Die Embryoadoption, 2009; Heun, in: Bockenheimer-Lucius/Thorn/Wendehorst (Hrsg.), Umwege zum eigenen Kind, 2008, 49; Sacksofsky, Gutachten für die Enquete-Kommission „Recht und Ethik in der modernen Medizin“, 2001, 16 ff.; v. Münch/Kunig-GG/‌ Kunig, 2012, Art.  2, Rn.  47; BVerfG, Urt. v. 28.5.1993 – 2 BvF 2/90, 4, 5/92, BVerfGE 88, 203, 251 f. 3  Vgl. dazu oben Teil 2 II 3 c bb (S.  119). BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 73–77, Rn.  40–46; dazu grundlegend: Britz, JZ 2014, 1069. 4  Britz, JZ 2014, 1069, 1070.

I.  Ausgangspunkt: Die Grundrechte des Kindes

343

Daher hat das Kind einen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, dass der Staat seine Elternverbindung zu diesen Eltern achtet und ihnen die rechtliche Möglichkeit gibt, in Wahrnehmung der sozialen Elternrolle für das Kind zu sorgen. Erst wenn diese dazu nicht willens oder in der Lage sind,5 kann und muss der Gesetzgeber im Rahmen seiner aus Art.  2 Abs.  1 GG in Verbindung mit Art.  6 Abs.  2 GG folgenden Verpflichtung ermöglichen, dass andere Personen die ­Elternrolle übernehmen.6 Wie der Staat diese Schutzpflicht gegenüber dem Kind ausgestaltet, ist ihm im Rahmen seines Gestaltungsspielraums weitgehend selbst zu überlassen.7 Es liegt jedoch nahe, dass Personen, die bereits eine soziale Elternrolle zu dem Kind tatsächlich begründet haben, auch im Rahmen dieser Schutzpflicht vorrangig zu berücksichtigen sind, etwa durch Zuweisung der rechtlichen Elternschaft. Dafür spricht bereits der diesem sozialen Elternteil und dem Kind auch in inhaltlicher Hinsicht gleichermaßen zukommende Schutz von Art.  6 Abs.  1 GG. Selbst wenn das Kind bereits einen sozialen Elternteil besitzt, sind soziale, nichtrechtliche Eltern nicht völlig unwichtig. Insofern hat das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 19.2.2013 ausgeführt, dass jedenfalls dann, wenn das Kind nur einen anderen Elternteil besitzt, der Staat die Beziehung zu einem anderen sozialen, nichtrechtlichen Elternteil immerhin insoweit ausgestalten und anerkennen muss, dass elterntypische Aufgaben wahrgenommen werden können wie z. B. das kleine Sorgerecht gem. §  1687b BGB, §  9 Abs.  2 LPartG. 8 Auch insofern kommt dem Staat die Gestaltungsaufgabe der tatsächlichen ­Eltern-Kind-Beziehung zu, die die Erziehung des anderen Elternteils ergänzt.

2.  Der Schutz der Familie, Art.  6 Abs.  1 GG Das Grundrecht der Familie schützt nicht nur die sozialen Eltern, sondern auch das Kind, das in der Familie die Grundlage für sein Aufwachsen findet.9 Das Grundrecht ist einerseits ein Abwehrrecht, das verhindert, dass das Kind aus seiner Familie entfernt werden darf,10 begründet andererseits aber auch die Ver5  Vgl. zu den Voraussetzungen für das Eingreifen des Staates auf der Grundlage des staatlichen Wächteramts: Teil 2 II 3 b aa (S. 118), Teil 2 II 4 d bb (S.  134). 6  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 73–77, Rn.  43, in diesem Fall kann auch, wie oben gezeigt, die Ersetzung der elterlichen Zustimmung zur Adoption gerechtfertigt sein: vgl. Teil 2 II 5 f aa (S.161); BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 148 ff. 7  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 73–77, Rn.  45. 8  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 76, Rn.  46 f. 9 BVerfG, Beschl. v. 18.4.1989 – 2 BvR 1169/84, BVerfGE 80, 81, 90; BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 82, Rn.  62. 10 BVerfG, Beschl. v. 17.10.1984 – 1 BvR 284/84, BVerfGE 68, 176, 187; Beschl. v. 12.10.1988 – 1 BvR 818/88, BVerfGE 79, 51, 59.

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

pflichtung, die Familie hinsichtlich der wechselseitigen Rechte und Pflichten zumindest rudimentär rechtlich auszugestalten. Dabei kommt dem Gesetzgeber allerdings ein Gestaltungsspielraum zu.11 Er ist trotz der grundrechtlichen Bindung nicht verpflichtet, die tatsächlichen Familienverhältnisse jeweils genau rechtlich nachzuvollziehen.12 Damit besteht der Schutz der Familie einschließlich eines Anspruchs auf ein Minimum an rechtlicher Ausgestaltung innerhalb der Familie nicht nur im Interesse der sozialen Eltern, sondern auch im Interesse des Kindes.

3.  Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung Im Zusammenhang mit Maßnahmen der Reproduktionsmedizin steht immer wieder das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung in Rede. Ein solches wird in Deutschland aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitet.13 Das Recht gewährt keinen absoluten Anspruch auf die Verschaffung von Informationen zur eigenen Abstammung, schützt aber vor der Vorenthaltung erlangbarer Informationen.14 Ist ein solches Recht des Kindes zu bejahen, darf Samenspendern, die häufig kein Interesse daran haben, später von „ihren“ Kindern gefunden zu werden, beispielsweise keine Anonymität zugesichert werden. Die Kenntnis der Abstammung setzt in diesem Fall den Zugriff auf Informationen voraus, über die aber nicht der Staat verfügt, sondern Privatpersonen, die ihrerseits Grundrechtsträger sind. Insofern muss der Gesetzgeber hier Grundrechtspositionen abwägen, insbesondere das Interesse des Spenders auf Anonymität. Für die vorliegende Untersuchung ist zu klären, ob ein Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung ein Interesse ist, das der Staat bei der Regelung von Mehrelternverhältnissen berücksichtigen muss. Dazu wird zunächst ein kurzer Blick auf die Entwicklung des Rechts geworfen. Nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung15 und Literatur wird das Recht der Kenntnis der eigenen Abstammung als Teil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts geschützt.16 Dabei sind die Grundlagen dieses Rechts allerdings weniger klar als man angesichts des derzeitigen Stands der Diskussion vermuten würde. 11 M.w.N.

Seiler, Grundzüge eines öffentlichen Familienrechts, 2008, 40 ff., 65. BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 84 f., Rn.  68 13  Art.  7 der UN Kinderrechtecharta (1989) statuiert ein Recht der Kinder, ihre „Eltern zu kennen“. 14  Vgl. BVerfG, Urt. v. 31.1.1989 – 1 BvL 17/87, BVerfGE 79, 256, 269., Rn.  4 4. 15  BVerfG, Urt. v. 31.1.1989 – 1 BvL 17/87, BVerfGE 79, 256; BVerfG, Beschl. v. 26.4.1994 – 1 BvR 1299/89, 1 BvL 6/90, BVerfGE 90, 263, 270–271; BVerfG, Beschl. v. 6.5.1997 – 1 BvR 409/90, BVerfGE 96, 56; siehe auch: Maunz/Dürig-GG/‌D i Fabio, 2016, Art.  2, Rn.  212. 16  Die Literatur zum Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung ist kaum überschaubar. Vgl. nur: W. Enders, NJW 1989, 881 ff.; von Sethe, Die Durchsetzbarkeit des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung, 1995; Badenberg, Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung, 2006. 12 

I.  Ausgangspunkt: Die Grundrechte des Kindes

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Die Entwicklung zeigt aber die Bedeutung auf, die der genetischen Abstammung beigemessen werden kann und liefert damit einen weiteren wichtigen Baustein in der Gestaltung des Eltern-Kind-Verhältnisses. a.  Die Entwicklung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung aa.  Von der Rassenideologie zum Schutz der Persönlichkeit Im BGB von 1900 wurde die Zuordnung elterlicher Rechte und Pflichten über den Zeugungsakt und damit die leibliche Abstammung angestrebt.17 Während der Zeit des Nationalsozialismus war die Rechtsstellung des Menschen entsprechend der damals herrschenden Ideologie eng mit seiner Abstammung verbunden,18 deren sichere Feststellung durch Fortschritte in der Medizin auch immer mehr erleichtert wurde.19 Vor diesem Hintergrund kam der Frage der „wahren“ leiblichen Abstammung in dieser Zeit große Bedeutung zu.20 So wurde, wie bereits oben gezeigt, die Abstammungsfeststellungsklage nichtehelicher Kindes im Wege der Rechtsfortbildung ermöglicht.21 Nach 1945 hielt man an der Vaterschaftsfeststellungsklage für nichteheliche Kinder fest. Als neue Begründung wurde nun allerdings auf die Bedeutung der Abstammung für die Entwicklung der Persönlichkeit abgestellt, 22 die gem. Art.  6 Abs.  5 GG für das nichteheliche Kind ebenso schützenswert sei wie für das eheliche Kind.23

17 

Vgl. oben Teil 2 I 1 c (S.  39), d (S.  41). Rüthers, NJW 1988, 2825, 2827 ff. 19  Vgl. zur Geschichte der Vaterschaftsfeststellung, Fangerau, RdJB 2016, 256, 264 f. 20  Eingeführt wurde z. B. ein unbefristetes Anfechtungsrecht des Staatsanwalts (§  1595a BGB) der im öffentlichen Interesse die Klarstellung der Abstammung aus „rassischen“ und „erbbiologischen Gründen“ verlangen konnte. Vgl. oben Teil 2 I 1 d (S.  41). Vgl. Amtliche Begründung zum Familienrechtsänderungsgesetz, DJ 1938, 619, 620; Badenberg, Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung, 2006, 11. 21 Vgl. zur Rechtsfortbildung in Deutschland und Österreich mit Nachweisen: Haferkamp, in: Dölemeyer/Mohnhaupt (Hrsg.), 200 Jahre ABGB, 2012, 159, 167 ff.; vgl. auch Badenberg, Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung, 2006, 9 f., Fn.  43. 22  Dass hier nicht ein Bruch mit nationalsozialistischem Gedankengut, sondern eher eine Kontinuität zu verzeichnen ist, liegt auch angesichts der Geschichte der künstlichen Befruchtung in Deutschland nahe. Diese wurde während und nach der Zeit des Nationalsozialismus als unnatürlicher Eingriff in die Familie abgelehnt. Nach dem Krieg wurde diese Ablehnung allerdings zusätzlich (und insofern unzutreffend) mit der Ablehnung der Fortpflanzungsideologie des Nationalsozialismus begründet. Vgl. Bernard, Kinder machen, 2014, 230 ff. 23  Guggumos, NJW 1947/48, 59, 60: „Das uneheliche Kind bezüglich seiner Vaterschaft auf den gewöhnlichen Amtsgerichtsprozess zu verweisen, bedeutet eine Herabwürdigung seiner Persönlichkeit und eine wesentliche Verschlechterung gegenüber dem ehelichen Kind. Wer keinen Vater oder gar mehrere Väter hat, ist kein ganzer Mensch. Jeder Mensch ohne Unterschied seiner Geburt hat ein naturgegebenes Recht darauf, mit Wirkung für und gegenüber jedermann festgestellt zu wissen, wer sein Vater ist. Wer den Menschen als Persönlichkeit wertet, darf ihm dieses Recht nicht versagen.“; Neumann-Duesberg, NJW 1950, 14, 15; vgl. auch Schwab, NJW 1956, 649, 651. 18 Vgl.

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

Die Diskussion des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung verstärkte sich in der Bundesrepublik in dem Maße, in dem die Medizintechnik die Klärung der eigenen Abstammung immer verlässlicher ermöglichte24 und sich zum anderen die Reproduktionsmedizin immer weiter entwickelte. Insofern wurde die Kenntnis der eigenen Abstammung insbesondere im Zusammenhang mit der Diskussion um die Zulässigkeit der heterologen künstlichen Befruchtung thematisiert.25 Auf dem 56. Deutschen Juristentag 198626 wurde ebenso wie durch die sogenannte „Benda-Kommission“27 und in der späteren Literatur die heterologe Insemination als zulässig angesehen, jedoch für das Kind die Möglichkeit der Klärung seiner genetischen Abstammung gefordert.28 Die Kenntnis der eigenen Abstammung, die erst durch den medizinisch-technischen Fortschritt ermöglicht wurde, wurde damit als Voraussetzung der Individualitätsentwicklung gerade bei technisch unterstützter Fortpflanzung angesehen. Etwas Archaisches wie die blutsmäßige Verwandtschaft wurde also zunehmend als Aspekt der Persönlichkeitsentwicklung thematisiert, nachdem sowohl die medizinische Feststellung wie auch die Manipulation der Abstammung durch ein immer besseres Verständnis des Erbguts des Menschen und die Anwendung der assistierten Reproduktion auf die menschliche Fortpflanzung ermöglicht wurden. Das Grundrecht auf Kenntnis der eigenen Abstammung ist dem Grundgesetz nicht direkt zu entnehmen, sondern wurde in Literatur29 und Fachgerichtsbarkeit30 entwickelt, bevor es durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf verfassungsrechtlicher Ebene etabliert wurde.31 Durchset24 

Vgl. zur Geschichte der Vaterschaftsfeststellung Fangerau, RdJB 2016, 256, 266 ff. Vgl. dazu oben Teil 3 I 2 (S.  208); instruktiv mit Nachweisen: Frank, FamRZ 1988, 113; Bernard, Kinder machen, 2014, 230 ff. 26  Verhandlungen des 56. DJT, 1986, Bd.  II Beschlüsse K 233. 27  Vgl. bereits: Arbeitsgruppe des Bundesministers für Forschung und Technologie und des Bundesministers der Justiz, In-vitro-Fertilisation, Genomanalyse und Gentherapie, 1985, 24: „Die Kenntnis der eigenen Herkunft ist für die Identitätsfindung und damit für die Persönlichkeitsentwicklung von erheblicher Bedeutung. Es wäre deshalb mit dem Recht des Kindes auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art.  2 Abs.  1 GG) und seiner Menschenwürde (vgl. Art.  1 Abs.  1 GG) nicht vereinbar, wenn ihm die Möglichkeit der Kenntnis seiner Herkunft abgeschnitten würde. Gesetzliche Regelungen, wie sie teilweise im Ausland zur Sicherung der Anonymität des Spenders bestehen oder gefordert worden sind, wären daher verfassungsrechtlich nicht vertretbar.“; kritisch: Frank, FamRZ 1988, 113, 114. 28  Verhandlungen des 56. DJT, 1986, Bd.  II Beschlüsse K 236. 29 AK-GG/‌ Podlech, 2001, Art.   1, Rn.   51. v. Mangoldt/Klein/Starck-GG/‌ Starck, 2010, Art.  1, Rn.  69; Mansees, NJW 1988, 2984, 2985; Starck, Gutachten A zum 56. DJT, 1986, A 23 ff.; Coester-Waltjen, Gutachten B zum 56. DJT, 1986, B 53, 62; Gottwald, FS Hubmann, 1985, 120; Hassenstein, FamRZ 1988, 120; Deichfuß, NJW 1988, 113: unter Verweis, dass das Abstammungsrecht ebenfalls Kinder entgegen der genetischen Abstammung zuordne und die Inkognito-Adoption und Samenspende die Schaffung von nicht biologischen Eltern-Kind-­ Beziehungen ohne ein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung zulasse. 30  BGH, Beschl. v. 11.11.1981 – IVb ZB 783/81, BGHZ 82, 173. 31  Vgl. zur Entwicklung: von Sethe, Die Durchsetzbarkeit des Rechts auf Kenntnis der 25 

I.  Ausgangspunkt: Die Grundrechte des Kindes

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zen konnte sich dabei der schon in der Literatur 32 gemachte Vorschlag, dieses Recht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abzuleiten.33 bb.  Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (1)  Die Entscheidung vom 31.1.1989 Nach zwei Entscheidungen 197434 und 1988,35 in denen ein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung angedeutet wurde, erkannte 1989 das Bundesverfassungsgericht die Kenntnis der eigenen Abstammung als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts an.36 Der Fall betraf die Verfassungsbeschwerde einer Frau, die ihre eheliche Abstammung von ihrem rechtlichen Vater, dem Ehemann ihrer Mutter, anfechten wollte. Dies ließ das damalige Recht dann nicht zu, wenn, wie in diesem Fall, die Ehe der Mutter mit dem rechtlichen Vater noch bestand, das Elternpaar zusammenlebte und die Anfechtung auch sonst nicht aufgrund eines Vergehens gegen das Kind sittlich gerechtfertigt war. Die Verfassungsbeschwerde wurde als begründet angesehen. Der Senat führte aus: „Verständnis und Entfaltung der Individualität sind aber mit der Kenntnis der für sie konstitutiven Faktoren eng verbunden. Zu diesen zählt neben anderen die Abstammung. Sie legt nicht nur die genetische Ausstattung des Einzelnen fest und prägt so seine Persönlichkeit mit. Unabhängig davon nimmt sie auch im Bewußtsein des Einzelnen eine Schlüsselstellung für Individualitätsfindung und Selbstverständnis ein. Insofern hängt der Persönlichkeitswert der Kenntnis auch nicht von dem Maß an Aufklärung ab, dass die Biologie derzeit über die Erbanlagen des Menschen, die für seine Lebensgestaltung bedeutsam sein können, zu vermitteln vermag. Bei Individualitätsfindung und Selbstverständnis handelt es sich vielmehr um einen vielschichtigen Vorgang, in dem biologisch gesicherte Erkenntnisse keineswegs allein ausschlaggebend sind. Als Individualisierungsmerkmal gehört die Abstammung zur Persönlichkeit, und die Kenntnis der Herkunft bietet dem Einzelnen unabhängig vom Ausmaß wissenschaftlicher Ergebnisse wichtige Anknüpfungspunkte für das Verständnis und die Entfaltung der eigenen Indi-

eigenen Abstammung, 1995, 59 ff.; zur Diskussion von der Schaffung des BGBs bis zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: Badenberg, Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung, 2006, 4 ff. 32 Vgl. Mansees, NJW 1988, 2984, 2985; nicht ganz eindeutig: Holzhauer, FamRZ 1986, 1162, 1163; vgl. mit Nachweisen: Badenberg, Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung, 2006, 24 f. 33  BVerfG, Urt. v. 31.1.1989 – 1 BvL 17/87, BVerfGE 79, 256, 268 f. 34  BVerfG, Beschl. v. 4.12.1974 – 1 BvL 14/73, BVerfGE 38, 241, 251. 35  BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 18.1.1988 – 1 BvR 1589/87, FamRZ 1989, 147. 36  BVerfG, Urt. v. 31.1.1989 – 1 BvL 17/87, BVerfGE 79, 256; vgl. dazu W. Enders, NJW 1989, 881; vgl. mit umfangreichen Nachweisen und Darstellung der Diskussion: von Sethe, Die Durchsetzbarkeit des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung, 1995, 76 ff.; vgl. auch Hübner, Die Embryoadoption, 2009, 128 f.; kritisch damals: Ramm, NJW 1989, 1594; Smid, JR 1990, 221, 225; zustimmend: Starck, JZ 1989, 338; Münder, JR 1989, 459.

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

vidualität. Daher umfaßt das Persönlichkeitsrecht auch die Kenntnis der eigenen Abstammung.“37

(2)  Kritische Analyse: eine dünne Tatsachengrundlage Angesichts der heutigen Bedeutung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung für die Entwicklung des Familienrechts ist bemerkenswert, auf welch dünne Tatsachengrundlage das Bundesverfassungsgericht das Interesse des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung stellte. Die wörtlich zitierten Ausführungen knüpfen nicht an wissenschaftliche Erkenntnisse an, sondern postulieren die Abstammung als „konstitutiven Faktor“ bei der Individualitätsentwicklung. Die Bedeutung biologischer Faktoren für die Persönlichkeitsentwicklung erklärt das Gericht für nicht allein ausschlaggebend. Auch wissenschaftliche Erkenntnisse aus anderen Disziplinen – beispielsweise der Psychologie – werden nicht verarbeitet. Vielmehr beschreibt das Verfassungsgericht – ziemlich unklar – „Individualitätsfindung und Selbstverständnis“ als einen „vielschichtigen Vorgang“, der nicht weiter analysiert wird. Dabei bilde die genetische Herkunft „unabhängig vom Ausmaß wissenschaftlicher Ergebnisse wichtige Anknüpfungspunkte für das Verständnis und die Entfaltung der eigenen Individualität“.38 Ein Sachverständiger zur Frage der Bedeutung der Kenntnis der eigenen Abstammung wurde nicht gehört, obwohl dies im Rahmen der gerichtlichen Tatsachenfeststellung möglich und angesichts der Tragweite der Entscheidung, mit der die Konturen eines neuen Grundrechts bestimmt wurden, angezeigt gewesen wäre. Zu dem Verfahren äußerten sich der Deutsche Richterbund, die Evangelische Kirche in Deutschland, die Deutsche Bischofskonferenz, der Deutsche Kinderschutzbund, die Wissenschaftliche Vereinigung für Familienrecht, der Deutsche Juristinnenbund, der Deutsche Anwaltsverein und der Deutsche Familiengerichtstag, aber offenbar kein Entwicklungspsychologe. Möglicherweise ­wären von sachverständigen Biologen oder Psychologen auch keine eindeutigen Aussagen zu erlangen gewesen. Aufgrund dieser tatsächlichen Unsicherheit hätte die Konstruktion eines (neuen) Grundrechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung wohl vorsichtiger behandelt werden müssen.39 37 

BVerfG, Urt. v. 31.1.1989 – 1 BvL 17/87, BVerfGE 79, 256, 268 f. Ramm zu diesem Satz: „Es läßt sich darüber streiten, wie dieser Satz rechtstheoretisch einzuordnen ist: unter Begriffsjurisprudenz, Naturrecht oder Offenbarung.“, NJW 1989, 1594, 1595. 39  Ramm kritisierte dies als „Dezisionismus ohne Basis“, NJW 1989, 1594, 1595. Das Problem der Identifizierung der Tatsachenbasis für das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung passt sich an die allgemeine Praxis der Tatsachenfeststellung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an. Die Ermittlung auch allgemeiner, d. h. legislativer Tatsachen vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgt insgesamt in pragmatisch-einzelfallbezogener Weise. Vgl. zum Problem der Tatsachenfeststellung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: kritisch: Brink, in: Rensen/Brink (Hrsg.), Linien der Rechtsprechung 38 

I.  Ausgangspunkt: Die Grundrechte des Kindes

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In den folgenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts wurde das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung vom Bundesverfassungsgericht als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gleichwohl bestätigt.40 Das Gericht und auch der Gesetzgeber41 stützten sich nach wie vor auf die große Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung, die das Bundesverfassungsgericht der Kenntnis der Abstammung zugeschrieben hatte. (3)  Das Urteil vom 13.2.2007 Im Urteil vom 13.2.2007 bejahte das Bundesverfassungsgericht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht heraus sogar ein Recht des Vaters, die Abstammung der vermeintlich von ihm gezeugten Kinder zu überprüfen. Gegenstand des Verfahrens war die Zulässigkeit geheimer Vaterschaftstests. Das Gericht hielt diese für unzulässig, erkannte aber die Kenntnis der genetischen Verbindung zum Kind als schützenswertes Interesse des Mannes an. In Reaktion auf das Urteil schuf der Gesetzgeber den §  1598a BGB. Das Gericht führte aus: „Verständnis und Entfaltung der Individualität sind dabei mit der Kenntnis der für sie konstitutiven Faktoren eng verbunden. Zu diesen zählt auch die Abstammung (vgl. BVerfGE 79, 256 [268]). Sie nimmt im Bewusstsein des Einzelnen eine Schlüsselstellung für seine Individualitätsfindung wie für sein Selbstverständnis und sein familiäres Verhältnis zu anderen ein. Die Möglichkeit, sich als Individuum nicht nur sozial, sondern auch genealogisch in eine Beziehung zu anderen zu setzen, wird deshalb vom Schutz des Persönlichkeitsrechts mit umfasst und begründet aus Art.  2 Abs.  1 in Verbindung mit Art.  1 Abs.  1 GG ein Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung ebenso wie es einem Mann das Recht auf Kenntnis einräumt, ob ein Kind von ihm abstammt (vgl. BVerfGE 108, 82 [105]). Dies betrifft sowohl die Annahme eines Mannes, er könnte Erzeuger eines ihm rechtlich nicht zugeordneten Kindes sein, als auch die Zweifel, ein Kind, als dessen Vater der Mann rechtlich angesehen und behandelt wird, könnte doch nicht von ihm abstammen. Beide Interessen berühren das Verhältnis, in das sich ein Mann zu einem Kind und seiner Mutter setzt, und die emotionalen wie sozialen Beziedes BVerfG, Bd.  1, 2009, 3, 21, 23 f., 25 ff.; vgl. auch „wunder Punkt der Verfassungsgerichtsbarkeit“: Ossenbühl, in: Starck (Hrsg.), Festgabe 25 Jahre BVerfG, 1976, 458, 462 f.; Vgl. auch Sanders/Preisner, DÖV 2015, 761, 767 f.; Haberzettl, NVwZ 2015, 1; Philippi, Tatsachenfeststellungen des Bundesverfassungsgerichts, 1971; Ossenbühl, in: Starck (Hrsg.), Festgabe 25 Jahre BVerfG, 1976, 458; Kluth, NJW 1999, 3513; Bryde, FS 50 Jahre BVerfG, Bd.  1, 2001, 533; Bull, FS Koch, 2014, 29. In Bezug auf die Tatsachengrundlage der Gesetzgebung kann das Gericht auf die Arbeit des Gesetzgebers zurückgreifen, in dessen Kompetenzbereich die ­Ermittlung der Tatsachengrundlagen der Gesetzgebung auch anzusiedeln ist. Stützt das ­Bundesverfassungsgericht allerdings verfassungsrechtliche Rechtsfortbildungen wie die Annahme eines Grundrechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung auf eine zumindest dünne Tatsachengrundlage, so besteht die Gefahr, dass zweifelhafte Annahmen die Rechtsentwicklung maßgeblich prägen. 40  BVerfG, Beschl. v. 26.4.1994 – 1 BvR 1299/89, 1 BvL 6/90, BVerfGE 90, 263; Beschl. v. 6.5.1997 – 1 BvR 409/90, BVerfGE 96, 56; Urt. v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05, BVerfGE 117, 202; BVerfG, Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186. 41  Im Kindschaftsrechtsreformgesetz: BT-Drucks. 13/4899, 2, 46, 51, 55.

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

hungen, die er zu diesen entwickelt. Das Wissen um die Abstammung des Kindes hat auch maßgeblichen Einfluss auf das Selbstverständnis des Mannes sowie die Rolle und Haltung, die er dem Kind und der Mutter gegenüber einnimmt.“42

(4)  Kritische Analyse: Keine Tatsachengrundlage Die Bedeutung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung für die Persönlichkeits- und Individualitätsentwicklung hat nach diesen Ausführungen gleichermaßen Bedeutung für Kinder und ihre möglichen Eltern, unabhängig vom ­Alter. Tatsachenermittlungen zur Bedeutung der Kenntnis der Abstammung für die Individualitätsentwicklung der betroffenen Väter erfolgten auch hier nicht. Offenbar genügten dem Senat die Ausführungen der beteiligten Väterverbände43 und der Beschwerdeführer, die zur Ermittlung der Abstammung ihres Kindes auch den rechtswidrigen Weg des heimlichen Vaterschaftstests zu beschreiten bereit waren. Dabei wird nicht zwischen der Persönlichkeits- und Individualitätsentwicklung des Kindes und des Vaters unterschieden. Dies beruht auf der Annahme, dass die Kenntnis der genealogischen Verbindung für beide Seiten gleichermaßen von Bedeutung sei. Die Entwicklung des Selbstverständnisses in der Beziehung zu seinen Familienmitgliedern ist danach also nicht nur für Kinder wichtig, sondern genauso für Erwachsene. (5)  Das Urteil zum Recht des Kindes auf rechtsfolgenlose Feststellung der Vaterschaft vom 19.4.2016 Mit dem Urteil vom 19.4.2016 entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsbeschwerde einer Frau, die die Vaterschaft ihres potentiellen leiblichen Vaters gem. §  1598a BGB klären lassen wollte. Der Wortlaut der Norm ließ aber ein Verfahren gegen den leiblichen, nichtrechtlichen Vater nicht zu. Die Vaterschaftsfeststellungsklage der Beschwerdeführerin ­gegen ihren mutmaßlichen Vater war im Jahr 1955 rechtskräftig abgewiesen worden. Daher konnte sie ihr Ziel, die Klärung der Vaterschaft nur durch Feststellung erreichen, dass §  1598a BGB verfassungsrechtlich unzureichend ausgestaltet war. Das Bundesverfassungsgericht wies die Verfassungsbeschwerde zurück und erklärte, der Gesetzgeber habe das rechtsfolgenlose Verfahren zur Klärung der Abstammung auf die rechtlichen Familienmitglieder, den rechtlichen Vater, die Mutter und das Kind beschränken dürfen. Interessant ist an dieser Stelle die vorsichtige Auseinandersetzung des Gerichts mit der Frage, welche Bedeutung die Kenntnis der eigenen Abstammung für Kinder habe. Das Gericht setzte sich mit der Stellungnahme des Bundesverbands der Psychologen auseinander, in der erklärt wurde, es gäbe keine „punktgenauen“ empirischen Erkenntnisse 42  43 

BVerfG, Urt. v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05, BVerfGE 117, 202, 225 f. Vgl. BVerfG, Urt. v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05, BVerfGE 117, 202, 222 ff.

I.  Ausgangspunkt: Die Grundrechte des Kindes

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über die Bedeutung der Kenntnis der eigenen Abstammung.44 Außerdem wiederholte das Gericht die Vermutung des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht, wissenschaftliche Erkenntnisse legten eine Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Bedeutung der Abstammung und ihrer Bedeutung im juristischen Diskurs nahe.45 Andererseits bestätigten die sachkundigen Auskunftspersonen die Bedeutung der Kenntnis der eigenen Abstammung aus der Forschung mit Adoptiv- und Samenspenderkindern.46 Für die Beschwerdeführerin selbst stellte die Suche nach der eigenen Abstammung erkennbar Lebensziel und ‑inhalt dar.47 Die Entscheidung schließt daraus: „Es erscheint plausibel, dass jedenfalls die Vorenthaltung von verfügbaren Abstammungsinformationen auch in der hier zu beurteilenden Konstellation die selbstbestimmte Entwicklung von Individualität spezifisch beeinträchtigen kann.“48

Auffällig ist die im Vergleich zur Entscheidung von 2007 vorsichtigere Formulierung („plausibel“, „kann“).49 Überdies macht das Gericht deutlich, dass das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung im Verhältnis zwischen verschiedenen Grundrechtsträgern nicht absolut gewährleistet ist. Die Bestimmung des Rechts im Einzelfall solle gerade in der komplizierten Gemengelage verschiedener Grundrechtsinteressen dem Gesetzgeber überlassen werden. b.  Begründung eines Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung? aa.  Plausibilität der Bedeutung der Kenntnis der eigenen Abstammung für die Identitätsentwicklung Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19.4.2016 regt zu einer präzisieren Untersuchung der Bedeutung der Kenntnis der eigenen Abstammung an. Die große Bedeutung der Kenntnis des genealogischen Verhältnisses zu anderen erkennen auch die Stellungnahmen vor dem Bundesverfassungsgericht an. Jedoch ist ihr Gewicht für die tatsächliche Identitätsentwicklung eines Menschen wissenschaftlich nur schwer zu bestimmen.50 Insofern ist die Aussage in der Stellungnahme des Instituts für Kinder- und Jugendhilfe interessant, das eine 44  BVerfG, Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186, Rn.  36; vgl. dazu die Anmerkungen von Heiderhoff, NJW 2016, 1918; Löhnig/Plettenberg/Runge-Rannow, ­NZFam 2016, 408. 45  BVerfG, Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186, 1940, Rn.  36 unter Verweis auf Rn.  21. 46  BVerfG, Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186, Rn.  8 ff. 47  BVerfG, Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186, Rn.  8 ff. 48  BVerfG, Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186, 1940, Rn.  37. 49 BVerfG, Urt. v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05, BVerfGE 117, 202, 225 f. BVerfG, Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186, 1940, Rn.  36 f. 50  Vgl. BVerfG, Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186, Rn.  36 unter Verweis auf Rn.  21.

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Diskrepanz zwischen dem juristischem Diskurs und psychologischen Erkenntnisstand vermutet.51 Man kann insofern spekulieren, ob das juristische Interesse an der Kenntnis der Abstammung als Problem der Persönlichkeitsentwicklung eine rechtsphilosophische Grundlage hat. Die Selbstbestimmung des Individuums52 ist grundrechtlich geschützt und mit der Privatautonomie Kern der Privatrechtsordnung.53 Die Genetik macht aber die Individualität des Menschen und gleichzeitig seine Verbindung zu anderen Menschen physisch greifbar. Die Individualität des Menschen und seine gleichzeitige Gemeinschaftsbezogenheit,54 so ließe sich zugespitzt formulieren, wird mit der Erforschung der Einzigartigkeit jedes ­Erbguts zu einem physischen, nicht mehr nur philosophisch-intellektuellen Konzept. Die Schutzwürdigkeit der Erfahrung dieser Individualität und ihrer Verbindung zu anderen Menschen ist deshalb im Kontext des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durchaus juristisch überzeugend und auch für den wissenschaftlichen Laien nachvollziehbar, der sich etwa schon selbst Gedanken über körperliche Ähnlichkeiten gemacht hat. Gibt das Grundgesetz dem Menschen die Freiheit zur Entwicklung seiner Persönlichkeit, muss er grundsätzlich auch frei sein, die Informationen zu bestimmen, die er für diese Entwicklung als maßgeblich erachtet.55 Ist aber der Wunsch nach Kenntnis der eigenen Abstammung für die grundrechtlich geschützte Entwicklung der Persönlichkeit plausibel, so muss er in die Abwägung 51  BVerfG, Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186, Rn.  36 unter Verweis auf Rn.  21. 52 Vgl. zur Selbstbestimmung und Subjektqualität des Menschen als Aspekt der Menschenwürde nur m. w. N. Stern/Becker-GG/‌ Enders, 2016, Art.   1, Rn.   25 ff.; Freiheit und Selbstbestimmung als Teil des „Menschenbilds“ des GG Sachs-GG/‌Sachs, 2014, Vor. Art.  1, Rn.   61  f. zur personalen Identität und Integrität als Teil der Menschenwürdegarantie: ‌Höfling, 2014, Art.  1, Rn.  37 ff. Sachs-GG/ 53  Vgl. zur individuellen Entscheidung als Grundlage des Rechts nur Auer, AcP 216 (2016), 239, 258: m. w. N. zur Selbstbestimmung als Grundlage der Privatautonomie nur: ­Flume, AT II, 1979, §  1 1 ff.; Canaris, Vertrauenshaftung, 1971, 411 ff.; Busche, Privatautonomie, 1999, 63 ff.; Drexl, Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, 7, 208; Fastrich, Inhaltskontrolle, 1992, 41 ff.; Bydlinski, Privatautonomie, 1967, 114 ff., 126 ff.; m. w. N. Sanders, Statischer Vertrag und dynamische Vertragsbeziehung, 2008, 92 ff. 54 Vgl. dazu die klassische Menschenbildformel des BVerfG: „Das Menschenbild des Grundgesetzes ist nicht das eines isolierten souveränen Individuums; das Grundgesetz hat vielmehr die Spannung Individuum – Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden, ohne dabei deren Eigenwert anzutasten. Das ergibt sich insbesondere aus einer Gesamtsicht der Art.  1, 2, 12, 14, 15, 19 und 20 GG. Dies heißt aber: der Einzelne muß sich diejenigen Schranken seiner Handlungsfreiheit gefallen lassen, die der Gesetzgeber zur Pflege und Förderung des sozialen Zusammenlebens in den Grenzen des bei dem gegebenen Sachverhalt allgemein Zumutbaren zieht, vorausgesetzt, daß dabei die Eigenständigkeit der Person gewahrt bleibt.“ BVerfG, Urt. v. 20.7.1954 – 1 BvR 459, 484, 555, 623, 651, 748, 783, 801/52, 5, 9/53, 96, 114/54, BVerfGE 4, 7, 14 f. 55  Für die Diskussion dieses Problems dankt die Autorin Prof. Dr. Heiko Sauer und Ralf Treibmann.

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der Grundrechte zumindest bei der gesetzlichen Gestaltung des Familienrechts einbezogen werden. Eine solche Plausibilität bejaht auch die Wissenschaft. Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung steht nach dem Verständnis vieler Menschen in untrennbarem Zusammenhang mit der Bildung und Entwicklung des eigenen Selbstverständnisses.56 Denn die Abstammung er­möglicht die Einordnung in einen Generationszusammenhang.57 Gerade ab Beginn der Pubertät ist die Kenntnis über den eigenen Ursprung für die Entwicklung der eigenen Identität bedeutsam.58 Dies ist insbesondere aus Untersuchungen mit Adoptiv- und Samenspenderkindern bekannt.59 Besonders in Bezug auf Adoptivkinder entspricht es inzwischen der überwiegenden Forschung, mit den Kindern offen über ihren Ursprung zu sprechen und ihnen soweit möglich Kenntnisse über Ihre Abstammung zu verschaffen. 60 Für Adoptiv- und Samenspenderkinder kann danach die Erkenntnis, von den Eltern nicht die Wahrheit über den eigenen Ursprung erfahren zu haben, zu tiefer Verunsicherung führen. Die so gerissene Lücke könne durch die Kenntnis der eigenen Abstammung wieder gefüllt werden. 61 Damit ist die Annahme, die Kenntnis der eigenen Abstammung habe Bedeutung für die Identitätsentwicklung, plausibel und trägt das Konzept eines grundrechtlichen Schutzes dieser Kenntnis. Es ist folglich bei der Gestaltung familienrechtlicher Verhältnisse zu berücksichtigen. bb.  Die Bedeutung der Kenntnis der eigenen Abstammung in der Rechtsprechung des EGMR Die Bedeutung der Kenntnis der eigenen Abstammung wird auch von der Rechtsprechung des EGMR geteilt. Auch dies spricht dafür, dieses Interesse als schutzwürdig anzusehen. Das Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art.  8 Abs.  1 EMRK umfasst nach der Rechtsprechung des EGMR auch die persönliche Identität, zu der ein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung und Herkunft gerechnet wird. 62 56 

Morlock, Selbstverständnis als Rechtskriterium, 1993, 71. m.N. Muscheler/Bloch, FPR 2002, 339, 342; die Erfahrungsberichte bei Swientek, Die Wiederentdeckung der Schande, 2001, 177 ff. 58  BVerfG, Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186, Rn.  19; m. w. N. Walper/ Wendt, in: Pluralisierung der Elternschaft und Kindschaft, 2011, 211, 217 ff. 59 Vgl. mit umfangreichen Nachweisen: Walper/Wendt, in: Pluralisierung der Elternschaft und Kindschaft, 2011, 211; Golombok, Modern Families, 2015, 109 ff. 60  Golombok, Modern Families, 2015, 93 ff. 61  Vgl. die Stellungnahme in: BVerfG, Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186, Rn.  18–23. Allerdings sind die Ergebnisse der Studien nicht immer eindeutig; insbesondere die Entwicklung von Samenspenderkinder, wurde z. B. noch nicht ausreichend in der für die Persönlichkeitsentwicklung besonders bedeutsamen Zeit der Pubertät untersucht. Hier sind in der Zukunft noch weitere wichtige Erkenntnisse zu erwarten. Vgl. Walper/Wendt, in: Pluralisierung der Elternschaft und Kindschaft, 2011, 211, 224, 232; Golombok, Modern Families, 2015, 115. 62  Vgl. EGMR, Urt. v. 7.7.1989 – 10454/83 (Gaskin v. Vereinigtes Königreich), Rn.  39, 49; 57  Vgl.

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Dieses Recht, so der EGMR, wird auch mit zunehmendem Alter nicht schwächer, „ganz im Gegenteil“.63 So bejahte der Gerichtshof ein Recht auf Kenntnis von Informationen über die frühe Kindheit64 zur effektiven Feststellung von Vater65 und Mutter66 . Im Urteil vom 13.2.2003 (Odièvre v. Frankreich) beschäftigte sich der EGMR mit der Vorenthaltung von Personenstandsurkunden gegenüber Kindern, die in Frankreich in dort zulässiger Weise anonym geboren worden waren.67 Der Gerichtshof erklärte, zur persönlichen Entwicklung gehörten Informationen wie die Identität der Eltern, die Geburt und insbesondere die Umstände, unter denen ein Kind geboren wurde. Solche Informationen seien Teil des Privat­ lebens eines Kindes und später des Erwachsenen, das von Art.  8 EMRK geschützt wird. 68 Im Ergebnis billigte der Gerichtshof aber die Regelung, die eine Offenlegung der Identität der Mutter nur mit ihrer Zustimmung erlaubte, als eine Abwägung der gegenläufigen Interessen innerhalb des den Mitgliedstaaten zustehenden Entscheidungsspielraums (margin of appreciation).69 In diesem und anderen vergleichbaren Fällen ist auffällig, dass der EGMR den Fokus weniger auf die genetische Abstammung als solche als vielmehr die persönliche Herkunft einschließlich der Umstände der Geburt und der frühen Kindheit legt.70 Wesentlicher Prüfungspunkt bei der Feststellung einer Konventionsverletzung ist dabei – wie auch sonst – für den EGMR die Abwägung der betroffenen Interessen. Dabei belässt der EGMR den Mitgliedsstaaten einen Einschätzungsund Gestaltungsspielraum. Sind alle Interessen berücksichtigt worden, stellt es keinen Konventionsverstoß dar, wenn Informationen über die Identität der ­Eltern verweigert werden.71 EGMR, Urt. v. 7.2.2002 – 53176/99 (Mikulic v. Kroatien); Urt. v. 13.2.2003 – 42326/98 (Odièvre v. Frankreich), NJW 2003, 2145; Urt. v. 13.7.2006 – 58757/00 (Jäggi v. Schweiz), FamRZ 2006, 1354; Urt. v. 16.6.2011 – 19535/08 (Pascaud v. Frankreich), NJW 2012, 2015; Urt. v. 25.9.2012 – 33783/09 (Godelli v. Italien). 63  EGMR, Urt. v. 16.6.2011 – 19535/08 (Pascaud v. Frankreich), NJW 2012, 2015, 2017, Rn.  65. 64  EGMR, Urt. v. 7.7.1989 – 10454/83 (Gaskin v. Vereinigtes Königreich), Rn.  39, 49. 65  Effektives Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft: EGMR, Urt. v. 7.2.2002 – 53176/99 (Mikulic v. Kroatien), Rn.  53 ff.; Exhumierung zur Feststellung des Vaters: EGMR, Urt. v. 13.7.2006 – 58757/00 ( Jäggi v. Schweiz), FamRZ 2006, 1354 f.; rechtliche Feststellung des ­Vaters, von dem die genetische Abstammung bereits geklärt worden war: EGMR, Urt. v. 16.6.2011 – 19535/08 (Pascaud v. Frankreich), NJW 2012, 2015. 66  EGMR, Urt. v. 13.2.2003 – 42326/98 (Odièvre v. Frankreich), NJW 2003, 2145; EGMR, Urt. v. 25.9.2012 – 33783/09 (Godelli v. Italien), Rn.  57 f. 67  EGMR, Urt. v. 13.2.2003 – 42326/98 (Odièvre v. Frankreich), NJW 2003, 2145. 68  EGMR, Urt. v. 13.2.2003 – 42326/98 (Odièvre v. Frankreich), NJW 2003, 2145, 2146, Rn.  29. 69  EGMR, Urt. v. 13.2.2003 – 42326/98 (Odièvre v. Frankreich), NJW 2003, 2145, 2148, Rn.  49. 70  EGMR, Urt. v. 7.7.1989 – 10454/83 (Gaskin v. Vereinigtes Königreich), Rn.  39, 49; Urt. v. 13.2.2003 – 42326/98 (Odièvre v. Frankreich), NJW 2003, 2145, 2146, Rn.  29. 71  EGMR, Urt. v. 7.2.2002 – 53176/99 (Mikulic v. Kroatien), Rn.  58; Urt. v. 13.2.2003 –

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Auch die Kenntnis des leiblichen Vaters von dem Vorhandensein und der Identität eines Kindes erachtet der EGMR durch Art.  8 EMRK als Teil des ­Privatlebens geschützt, wie im bereits diskutierten Fall Anayo v. Deutschland festgestellt wurde.72 Diese Einschätzung wurde noch einmal in der Entscheidung Paradiso und Campanelli v. Italien bestätigt.73 Danach ist die Suche des potentiellen biologischen Vaters, Wunschvater eines Leihmutterschaftskindes, nach der genetischen Verbindung mit seinem Kind vom Schutz des Privatlebens nach Art.  8 Abs.  1 EMRK geschützt. Eine solche genetische Verbindung fehlte allerdings in diesem Fall, wie die Große Kammer betonte.74 In den Urteilen Kautzor v. Deutschland und Markgraf v. Deutschland erklärte der EGMR ­jedoch, dass die Verweigerung eines Anfechtungsrechts oder eines Rechts auf statusunabhängige Feststellung der leiblichen Vaterschaft innerhalb des staat­ lichen Ermessensspielraums liege.75 Damit erkennt der EGMR die Interessen sowohl des Kindes als auch der ­Eltern auf Kenntnis der Abstammung voneinander an. Da hier allerdings nicht die Abwehr eines staatlichen Eingriffs in Rede steht, sondern das Interesse nur durch Eingriffe in die Rechte anderer Privatpersonen befriedigt werden kann, beschränkt sich die Kontrolle des EGMR darauf, zu prüfen, ob die Mitgliedsstaaten die betroffenen Interessen überhaupt abgewogen haben. cc. Zwischenergebnis Sowohl die wissenschaftlichen Erkenntnisse als auch die Rechtsprechung des EGMR sprechen dafür, das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung als schützenswertes Grundrecht des Kindes bei der Ausgestaltung von Mehrelternverhältnissen zu berücksichtigen. Nun ist zu überprüfen, auf die Kenntnis ­welcher Personen sich das Recht bezieht.

42326/98 (Odièvre v. Frankreich), NJW 2003, 2145, 2148, Rn.  49; Urt. v. 16.6.2011 – 19535/08 (Pascaud v. Frankreich), NJW 2012, 2015, 2017, Rn.  59; Urt. v. 25.9.2012 – 33783/09 (Godelli v. Italien), Rn.  47. 72 EGMR, Urt. v. 21.12.2010 – 20578/07 (Anayo v. Deutschland), FamRZ 2011, 269, Anm. Rixe, FamRZ 2011, 1363; vgl. auch EGMR, Urt. v. 22.3.2012 – 23338/09 (Kautzor v. Deutschland), NJW 2013, 1937; EGMR, Urt. v. 15.9.2011 – 17080/07 (Schneider v. Deutschland), FamRZ 2011, 1715 m. Anm. Helms; EGMR, Urt. v. 2.12.2014 – 546/10 (Adebowale v. Deutschland). 73  EGMR, Urt. v. 27.1.2015 – 25358/12 (Paradiso und Campanelli v. Italien), Rn.  70 dazu Duden, StAZ 2015, 201. 74  EGMR, Gr. Kammer, Urt. v. 24.1.2017 – 25358/12 (Paradiso und Campanelli v. Ita­lien), NJW 2017, 941. 75  EGMR, Urt. v. 22.3.2012 – 23338/09 (Kautzor v. Deutschland), juris, Rn.  78 ff.; bestätigt in EGMR, Urt. v. 10.3.2015 – 42719/14 (Markgraf v. Deutschland), Rn.  23; vgl. dazu B ­ VerfG, Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186, Rn.  73 ff.

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

c.  Abstammung und Ursprung: der Schutzbereich aa.  Kenntnis der biologisch-genetischen Eltern Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts betraf die Kenntnis der Abstammung der Kinder leiblicher Väter, die nichtehelich76 oder während einer Affäre der verheirateten Mutter 77 gezeugt worden waren. Die Kenntnis der eigenen Abstammung erstreckt sich damit jedenfalls auf die Person des genetischen Vaters.78 Dieser kann der Sexualpartner der Mutter oder auch ein Samenspender gewesen sein, obgleich solche Fallgestaltungen vom Bundesverfassungsgericht noch nicht entschieden worden sind. Aber auch in Bezug auf die Feststellung der genetischen Mutter muss die Kenntnis der eigenen Abstammung geschützt sein.79 Das Bundesverfassungsgericht hatte noch keinen Fall zu entscheiden, in dem die Abstammung von e­ iner Eizellenspenderin in Frage gestanden hätte. Es ist allerdings nicht ersichtlich, warum die Kenntnis der genetischen Abstammung von der Mutter weniger wichtig sein sollte als die von der des Vaters. Insofern ist auch ein Recht auf Kenntnis der Eizellenspenderin anzunehmen, unabhängig davon, ob diese bei einer Embryonenspende oder im Rahmen einer Leihmutterschaft bei der Zeugung des Kindes beteiligt wurde. bb.  Abstammung oder Ursprung? Kenntnis der Geburtsmutter Schwieriger zu beurteilen ist, ob die Kenntnis der Frau, die das Kind ausgetragen und geboren hat, ebenfalls vom Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung umfasst wird.80 Dethloff bejaht dies. Die Entwicklung der eigenen Identität und Persönlichkeit sei ein „vielschichtiger Vorgang“ der sich auch auf die Person der Geburtsmutter und die Art erstrecken sollte, in der ein Mensch in die Welt kam. 81 In der Tat spielt die Frau, die das Kind austrägt, eine erhebliche Rolle bei der vorgeburtlichen Entwicklung des Kindes, die noch nicht in allen Einzelheiten erforscht ist. 82 Dies spricht dafür, auch die Kenntnis dieser Person 76  Vgl. nur BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 18.1.1988 – 1 BvR 1589/87, FamRZ 1989, 147; BVerfG, Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186. 77  Vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 4.12.1974 – 1 BvL 14/73, BVerfGE 38, 241, 251; BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82. 78  Ein Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen die Mutter bedarf allerdings einer gesetzlichen Grundlage vgl.: BVerfG, Beschl. v. 24.2.2015 – 1 BvR 472/14, BVerfGE 138, 377; vgl. dazu; Erbarth, FamRZ 2015, 1944; Neuner, JZ 2016, 435; Anmerkung: Rauscher, JZ 2015, 624; Sachs, JuS 2015, 859; Sanders, FuR 2016, 434; Wellenhofer, FamRZ 2016, 1717; Forschner, FuR 2015, 451; Fröschle, FamRZ 2015, 1858. 79  So BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350, Rn.  63; Gössl, IPRax 2015, 273, 276. Schwenzer/Dimsey, Model Family Code, 2006, 97, lehnen mit Blick auf das Recht des Kindes zur Kenntnis der Mutter die anonyme Geburt ab. 80  Offen lassend: BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350, Rn.  63. 81  Dethloff, JZ 2014, 922, 928. 82  Vgl. oben Teil 4 I 2 (S.  291).

I.  Ausgangspunkt: Die Grundrechte des Kindes

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vom Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung als umfasst anzusehen. Für ein solches Ergebnis spricht auch die Rechtsprechung des EGMR, der in zwei Entscheidungen angesprochen hat, geschützt seien die zur Entwicklung der ­eigenen Identität erforderlichen Kenntnisse einschließlich der Umstände der Geburt und der frühen Kindheit.83 d.  Zwischenergebnis: Ausgestaltung durch den Gesetzgeber Damit garantiert sowohl das Grundgesetz nach der Auslegung des Bundesverfassungsgerichts als auch die EMRK nach der Rechtsprechung des EGMR das Recht des Kindes auf Klärung seiner Abstammung. In beiden Fällen kann sich dieses Recht allerdings nur in Abwägung zu den anderen betroffenen Grundrechten entfalten. Beide Gerichte billigen dem Gesetzgeber84 bzw. den Mitgliedsstaaten85 einen Ermessenspielraum bei der Abwägung der betroffenen Rechte zu. Im Familienrecht müssen, in Abwägung der Interessen der anderen Beteiligten unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit, geeignete Verfahren geschaffen werden, um dieses Recht sicher zu stellen. 86 Nach geltendem Recht wird das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung durch §  1598a BGB, durch einen Auskunftsanspruch gem. §  242 BGB des Kindes gegen den behandelnden Arzt bzw. die Fortpflanzungsklinik87 sowie durch §§  61 Abs.  1 und Abs.  2, 63 Abs.  1 und 3 PStG geschützt. Diese Vorschriften erlauben es jedem Menschen, auch wenn er adoptiert ist, ab Vollendung des 16. Lebensjahres seinen Geburtseintrag im Personenstandsregister einzusehen.88 Nur ausnahmsweise lassen sich, so das Bundesverfassungsgericht, aus den Grundrechten konkrete Regelungspflichten des Privatrechtsgesetzgebers ableiten.89 Solche Pflichten verneinte das Bundesverfassungsgericht 1997 hinsichtlich eines Auskunftsrechts des Kindes gegen seine Mutter auf Nennung des ­Vaters,90 bejahte sie aber 2007 in Bezug auf das Interesse des rechtlichen Vaters, die genetische Vaterschaft zu seinem rechtlichen Kind rechtsfolgenlos klären zu 83  EGMR, Urt. v. 7.7.1989 – 10454/83 (Gaskin v. Vereinigtes Königreich), Rn.  39, 49; Urt. v. 13.2.2003 – 42326/98 (Odièvre v. Frankreich), NJW 2003, 2145, 2146, Rn.  29. 84  BVerfG, Beschl. v. 24.2.2015 – 1 BvR 472/14, BVerfGE 138, 377, 381, Rn.  12. 85  EGMR, Urt. v. 7.2.2002 – 53176/99 (Mikulic v. Kroatien), Rn.  58; Urt. v. 13.2.2003 – 42326/98 (Odièvre v. Frankreich), NJW 2003, 2145, 2148, Rn.  49; Urt. v. 16.6.2011 – 19535/08 (Pascaud v. Frankreich), NJW 2012, 2015, 2017, Rn.  59; Urt. v. 25.9.2012 – 33783/09 (Godelli v. Italien), Rn.  47. 86 Maunz/Dürig-GG/‌ D i Fabio, 39. Lieferung 2001, Art.   2, Rn.   214; Sachs-GG/‌ Murswiek, 2014, Art.  2, Rn.  75a. 87  Vgl. BGH, Urt. v. 28.1.2015 – XII ZR 201/13, BGHZ 204, 54; vgl. dazu Sanders, FuR 2016, 434, 438. 88  Vgl. dazu Gössl, IPRax 2015, 273, 276. 89  BVerfG, Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186, Rn.  40; BVerfG, Beschl. v. 6.5.1997 – 1 BvR 409/90, BVerfGE 96, 56, 64. 90  BVerfG, Beschl. v. 6.5.1997 – 1 BvR 409/90, BVerfGE 96, 56, 64.

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

können.91 Im Jahr 2016 verneinte das Gericht demgegenüber einen verfassungsmäßigen Anspruch des Kindes auf eine rechtsfolgenlose Klärung der Vater­schaft gegen einen außerhalb der Familie stehenden Mann, hielt eine ­solche einfachgesetzliche Regelung aber für zulässig.92 Als allgemeine Regel für die Wahrnehmung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers kann der Grundsatz gelten, dass gegenüber dem eigenen Kind die Grundrechtspositionen der Eltern grundsätzlich zurückzutreten haben.93 Dies gilt, so das Bundesverfassungsgericht, jedoch nicht für Außenstehende.94 Ein potentieller Vater möchte möglicherweise ungern Informationen zu seinem Intimleben preisgeben und ist, wenn er nicht der leibliche Vater ist, dazu auch nicht verpflichtet. Im Gegenteil kommt ihm ein Recht auf Schutz der informationellen Selbstbestimmung zu. Auch die Familie des Mannes wünscht eine ­Offenlegung oft ebenso wenig wie die rechtliche Familie des an Aufklärung interessierten Kindes.95 Dies kann aber nicht rechtfertigen, im Interesse des Schutzes potentieller Nicht-Eltern und der beteiligten Familien das Aufklärungsinteresse des Kindes zu vernachlässigen. Einem Kind muss jedenfalls eine Möglichkeit offenstehen, die leibliche Elternschaft klären zu können.96 Soweit ein potentieller Vater sich nicht als der leibliche Vater herausstellt, beschränkt sich der Eingriff auch auf die Offenlegung einer vergangenen sexuellen Beziehung oder einer früheren Tätigkeit als Samenspender. Das Interesse an der Geheimhaltung dieser Umstände sollte man angesichts des heutigen offenen Umgangs mit solchen Fragen auch nicht allzu stark gewichten. Insofern muss das Interesse eines Kindes, die Elternschaft klären zu können, höher gewichtet werden.

4. Zwischenergebnis Das Kind ist ein Grundrechtsträger. Sein Recht, von seinen Eltern und in seiner Familie betreut zu werden, ist von Art.  2 Abs.  1 GG iVm Art.  6 Abs.  2 GG 91 

BVerfG, Urt. v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05, BVerfGE 117, 202, 227 ff. BVerfG, Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186. 93  Bereits in der ersten Kammerentscheidung von 1988 zum Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung erklärte das Gericht, das Grundrecht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung sei mit den Grundrechten der Mutter abzuwägen, wobei grundsätzlich die Kindesinteressen aufgrund der Wertentscheidung der Verfassung vorrangig wären: BVerfG, ­Beschl. d. 1. Kammer d. Ersten Senats v. 18.1.1988 – 1 BvR 1589/87, FamRZ 1989, 147; BVerfG, Beschl. v. 6.5.1997 – 1 BvR 409/90, BVerfGE 96, 56, 61; BVerfG, Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186, Rn.  50. 94  BVerfG, Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186, Rn.  50. 95  BVerfG, Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186, Rn.  62 ff. 96  Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht bejaht, allerdings im Belieben des Gesetzgebers belassen, ob einem Kind Recht auf die rechtsfolgenlose Klärung der eigenen Abstammung einzuräumen: BVerfG, Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186, Rn.  69; vgl. dazu auch Brudermüller, Referat zum 71. DJT, 2016 unter III. 92 

II.  Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Ausgestaltung der Elternpositionen

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(Recht auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung) und vom Grundrecht der Familie gem. Art.  6 Abs.  1 GG geschützt. Das Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung sichert als Abwehrrecht den grundsätzlichen Vorrang der elterlichen Erziehung gegenüber der staatlichen Bestimmung von Erziehungszielen und Erziehungsmethoden auch für das Kind ab. Erst wenn die Eltern versagen, also eine Gefährdung des Kindeswohls vorliegt, verlangt der Gewährleistungsgehalt des Rechts das staatliche Bemühen um andere Personen, die diese Position einnehmen. Das Kind hat ein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung, das vom EGMR und Bundesverfassungsgericht anerkannt ist, auch wenn seine tatsäch­ liche Bedeutung für die menschliche Entwicklung noch unklar ist. Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung ist in der Abwägung mit anderen Rechten zu berücksichtigen, genießt dabei aber Vorrang gegenüber Geheimhaltungsinteressen der Eltern und – in schwächerem Maße – gegenüber Dritten. Diese Grundrechte muss der Staat bei der Ausgestaltung der Rechte und Pflichten der Eltern berücksichtigen.

II.  Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Ausgestaltung der Elternpositionen Das verfassungsrechtliche Elternrecht gem. Art.  6 Abs.  2 GG,97 die Familie gem. Art.  6 Abs.  1 GG98 und die Rechte des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung99 bedürfen der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber. Diese Ausgestaltung bedeutet für Mehrelternverhältnisse eine große Herausforderung, der sich die Untersuchung nun widmen wird. Dabei ist freilich zu bedenken, dass bereits die derzeitige Rechtslage, in der Mehrelternkonflikte durch die Zuweisung aller zivilrechtlichen Rechte und Pflichten an ein Paar aus zwei Eltern geregelt werden, eine rechtliche Ausgestaltung darstellt. Im Folgenden wird die Frage erörtert, ob der Gesetzgeber ein anderes Regelungskonzept wählen dürfte, ob er dies sollte und wie ein solches Regelungskonzept aussehen könnte, das insbesondere die Interessen der betroffenen Kinder angemessen berücksichtigt. Dabei sind zunächst die verfassungsrechtlichen Eckdaten bei dieser Gestaltung zu bestimmen. An erster Stelle steht die Frage, nach welchen Kriterien der 97  BVerfG, Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168, 180; BVerfG, Urt. v. 1.4.2008 – 1 BvR 1620/04, BVerfGE 121, 69, 94; Höfling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V II, 2009, §  155, Rn.  23 ff.; Dreier-GG/‌Brosius-Gersdorf, 2013, Art.   6, Rn.   166; Jarass/Pie­ rothGG/‌Jarass, 2016, Art.  6 , Rn.  51. 98  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 112; BVerfG, Beschl. v. 12.10.2010 – 1 BvL 14/09, BVerfGE 127, 263, 288., Rn.  38; BVerfG, Beschl. v. 29.5.1990 – 1 BvL 20, 26/84, 4/86, BVerfGE 82, 60, 81, Rn.  88. 99  BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 73–77, Rn.  45.

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

Gesetzgeber Elternschaft im Sinne des Familienrechts zuweisen muss. Dabei wird zu klären sein, wer als Eltern im Sinne des einfachen Rechts in Betracht kommen darf und ob der Verzicht auf Elternpositionen zum Beispiel durch ­einen Samenspender möglich sein kann. Schließlich ist die Frage zu erörtern, ob und wenn ja welches Modell der Mehrelternschaft der Gesetzgeber familienrechtlich ausgestalten darf, ohne den verfassungsrechtlichen Rahmen und insbesondere das Kindeswohl zu verletzten. Während oben die Frage geklärt wurde, ob mehr als zwei Eltern Träger des Grundrechts gem. Art.  6 Abs.  2 GG sein können, ist hier die Frage zu erörtern, ob der Gesetzgeber gleichwohl Rechte und Pflichten nur zwei Eltern zuweisen müsste, um den Kernbereich der Institutsgarantie des Art.  6 Abs.  2 GG nicht zu verletzen.

1.  Eltern müssen eine Elternverbindung haben Zunächst ist zu klären, welche Kriterien der Gesetzgeber bei der Zuweisung von familienrechtlichen Rechten und Pflichten berücksichtigen muss. Ist der Gesetzgeber völlig frei zu entscheiden, wer ein Elternteil im Sinne des BGB ist, wer Unterhalt zahlen, und mit einem Kind Umgang haben darf? Der Gesetzgeber darf Elternrechte und ‑pflichten nicht willkürlich zuweisen. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist der Gesetzgeber „gehalten“, sich an der leiblichen Abstammung zu orientieren, weil die Personen, die einem Kind ­Leben geben, meist auch bereit und in der Lage sein werden, für dieses Kind Verantwortung zu übernehmen. Aber auch eine Elternschaft der sozialen E ­ ltern hält das Bundesverfassungsgericht für schutzwürdig, weil diese dem Kindeswohl dienen.100 Das Wohl des Kindes und der Schutz seiner Grundrechte müssen im Zentrum der Überlegungen zur Ausgestaltung der Elternschaft stehen. Die Bedeutung des Kindeswohls in der Auslegung und Ausgestaltung des Elternrechts bedeutet freilich nicht, dass die Eltern eines konkreten Kindes ausschließlich mit Blick auf das Kindeswohl ausgewählt werden dürfen. Oben wurde bereits die Bedeutung des Kindeswohls für das Elterngrundrecht erläutert und dargelegt, wie unbestimmt dieser Begriff ist.101 Natürlich muss der Gesetzgeber ­elterliche Rechte und Pflichten solchen Personen zuweisen, von denen generell erwartet werden kann, dass sie zumindest adäquate Eltern abgeben können, wie es derzeit im Hinblick auf leibliche Eltern geschieht. Jedoch sind der Zuweisung der Elternschaft nach dem Kindeswohl von Verfassungs wegen Grenzen gesetzt. Mit der Formulierung „natürliches Recht der Eltern“ ist außerdem deutlich gemacht, dass Elternschaft eine vom Recht vorgefundene soziale Institution 100  Jedenfalls musste die Elternschaft des rechtlichen sozialen Vaters nicht zugunsten des leiblichen Vaters beendet werden können: BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 106 ff. 101  Vgl. Teil 2 II 4 d bb (S.  134).

II.  Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Ausgestaltung der Elternpositionen

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ist, die der Staat zwar regulierend beeinflussen, aber nicht gänzlich frei bestimmen kann.102 Denn Art.  6 Abs.  2 GG weist den Eltern bzw. staatlich bestimmten Erziehungsexperten, und nicht dem Staat, das Recht und die Pflicht zu, Kinder zu erziehen und zu pflegen und in diesem Rahmen zu bestimmen, was ihrem Wohl am besten dient.103 Bei einem Konflikt zwischen verschiedenen Eltern müssen die Grundrechte des Kindes maßgebliches Kriterium für die Regulierung durch den Gesetzgeber sein. Aber die Auswahl der Eltern kann nicht allein nach diesem Kriterium erfolgen. Andernfalls wäre der Staat frei, jedes Kind nach seiner Geburt den nach seiner Meinung am besten geeigneten Eltern unter all seinen Bürgern zuzuweisen. Wäre der Staat völlig frei in der Bestimmung der Eltern, so könnte er das von der Verfassung statuierte Subsidiaritätsprinzip der Kindererziehung104 durch die Wahl von seinen Erziehungsidealen entsprechenden Eltern unterlaufen. Art.  6 Abs.  2 GG muss daher so verstanden werden, dass gewisse Menschen einfach die Eltern eines Kindes sind, ob es ­ihnen, dem Staat oder dem Kind gefällt. Nach hier vertretener Auffassung bedeutet das für den Gesetzgeber, dass er Elternrechte grundsätzlich nur Personen mit einer Elternverbindung zuweisen darf. Im Zeitpunkt der Geburt bestehen nur die genetischen, gestationalen und Initiativelternverbindungen. Darum muss zunächst einmal diesen Eltern die Möglichkeit gegeben werden, eine soziale Elternverbindung aufzubauen.105 Sind später soziale Elternverbindungen etabliert, so muss der Staat deren Rechte und die Rechte des Kindes gem. Art.  6 Abs.  1 GG berücksichtigen. Diese Berücksichtigung kann dazu führen, dass den sozialen Eltern familienrecht­ liche Elternrechte eingeräumt werden, wie z. B. Sorge- und Umgangsrechte. Es ist etwa durchaus denkbar, dass sozialen Eltern die Adoption des Kindes ermöglicht wird. Ein weiteres Beispiel für den Schutz der sozialen Elternschaft im deutschen Recht ist die Anfechtungssperre des §  1600 Abs.  2 BGB. Die Vorschrift und insbesondere die Folge des vollständigen Ausschlusses des leiblichen Vaters sind problematisch.106 Das ändert aber nichts daran, dass die Beziehung zwischen sozialem Vater und Kind schutzwürdig und wertvoll ist. Erst wenn unter all diesen Personen mit einer Elternverbindung niemand willens und geeignet ist, für ein Kind elterliche Pflichten und Verantwortung zu übernehmen, darf und muss der Staat in Wahrnehmung seiner Gewährleistungspflichten aus dem Recht zur staatlichen Gewährleistung elterlicher Pflege 102 

Vgl. dazu oben Teil 2 II 4 b (S.  129). Vgl. oben Teil 2 II 4 d bb (S.  134). 104  Zum Interpretationsprimat der Eltern über das Kindeswohl: Teil 2 II 4 d bb (4) (5) (6) (S. 139 ff.). 105  Dies spricht auch für den Vorschlag von Helms in seinem DJT Gutachten, dem leib­ lichen Vater eine Anfechtung der Elternschaft zu erlauben, so lange das Kind noch sehr klein ist. Helms weist hier völlig zu Recht darauf hin, dass sich eine schutzwürdige soziale Elternbeziehung erst entwickeln muss. Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 51. These IV 2. 106  Vgl. zur Diskussion oben Teil 3 I 1 (S.  197). 103 

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

und Erziehung107 einer weiteren Person, z. B. jemandem, der ein Kind adoptieren will, Rechte an diesem Kind zuweisen. Eine freie Auswahl der Eltern durch den Staat zur Förderung des Kindeswohls ist unzulässig. Dieses Konzept würde auf den ersten Blick nicht erlauben, die Elternschaft dem Ehemann oder anerkennenden Mann zu geben, ohne zu überprüfen, ob eine Initiativverbindung oder eine genetische Vaterschaft besteht. Zum Zeitpunkt der Geburt besteht noch keine schützenswerte soziale Elternverbindung für den Ehemann. Der Gesetzgeber kann bei der Zuweisung der rechtlichen Elternschaft jedoch auch auf soziale Verhältnisse abstellen, die eine Vermutung für das Bestehen von genetischer und Initiativelternverbindung in sich tragen.108 In den allermeisten Fällen ist die Frau, die das Kind geboren hat, auch die genetische und Initiativmutter und ihr Ehemann bzw. Partner auch der genetische und Initiativvater. Insofern darf der Gesetzgeber bei der Geburtsmutter und ihrem Partner oder Ehemann vermuten, dass diese Personen auch jeweils die maximale Anzahl von Elternverbindungen besitzen und eine soziale Elternverbindung nach der Geburt aufbauen werden. Selbst wenn die genetische Verbindung fehlt, ist der Partner bzw. die Partnerin, die der gestationalen Mutter während der Schwangerschaft zur Seite gestanden hat, wie oben gezeigt, wahrscheinlich besonders geeignet, schnell eine soziale Verbindung zu dem Kind aufzubauen.

2.  Verzicht auf Elternrechte a. Unverzichtbar? Die Auswahl der Eltern im Sinne des Familienrechts unter den Personen, die eine Elternverbindung haben, kann zu einer Mehrheit von Eltern führen. Unter diesen Personen können freilich einige sein, die kein Interesse an der Übernahme rechtlicher Elternschaft mit Rechten und Pflichten haben. Zu prüfen ist, ob diese dann auf ihre Rechtsposition verzichten können, sodass sie bei der Zuweisung von Rechten und Pflichten nicht mehr zu berücksichtigen sind. Dies könnte insbesondere bei einem Samenspender oder – angenommen dies wäre in Deutschland zulässig – bei einer Eizellen- oder Embryonenspende der Fall sein. Es ist insofern auch interessant, dass in der Literatur geäußert wird, der Verzicht auf das Elternrecht gem. Art.  6 Abs.  2 GG sei unmöglich.109 Diese An107 

BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 73–77, Rn.  43. BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101. 109 So Brosius-Gersdorf, RdJB 2016, 136, 147 unter Berufung auf BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 143, dass das Elternrecht nicht die negative Freiheit schütze, das Elternrecht nicht auszuüben und das Kind zu vernachlässigen; BeckOK-GG/‌Uhle, Art.   6, Rn.   48; v. Münch/Kunig-GG/‌ Coester-Waltjen, 2012, Art.   6, Rn.  82; Hoffmann, FamRZ 2011, 1544, 1545; Lipp, in: Schwab/Vaskovicz (Hrsg.), Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, 121, 126.; Schwab, Familienrecht, 2015, Rn.  708; 108 

II.  Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Ausgestaltung der Elternpositionen

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sicht wird auf die Aussage des Bundesverfassungsgerichts in seiner Adoptionsentscheidung von 1968 gestützt. Hier hatte das Gericht ausgeführt: „In Art.  6 Abs.  2 Satz  1 GG sind Recht und Pflicht von vornherein unlöslich miteinander verbunden; die Pflicht ist nicht eine das Recht begrenzende Schranke, sondern ein wesensbestimmender Bestandteil dieses ‚Elternrechts‘, das insoweit treffender als ‚Elternverantwortung‘ bezeichnet werden kann […]. Art.  6 Abs.  2 Satz  1 GG schützt danach die freie Entscheidung der Eltern darüber, wie sie dieser natürlichen Verantwortung gerecht werden wollen; er schützt nicht diejenigen Eltern, die sich dieser Verantwortung entziehen.“110

Damit hat aber das Bundesverfassungsgericht keine Aussagen zu einem Verzicht auf die Elternrechte gem. Art.  6 Abs.  2 GG gemacht, sondern lediglich ­e­rklärt, dass die Vernachlässigung eines Kindes nicht von der Freiheit der ­Gestaltung der Erziehung des Kindes gedeckt ist. Im Urteil vom 23.5.1983 erklärte der BGH einen Umgangsverzicht gegen ­Bezahlung für sittenwidrig gem. §  138 BGB.111 Auch dies spricht aber nicht ­dagegen, dass der Verzicht auf die verfassungsrechtliche und damit auch eine fami­lienrechtliche Elternschaft grundsätzlich möglich sein kann. Diese Entscheidung hatte die Zulässigkeit der Kommerzialisierung eines bestimmten Rechtes innerhalb der bestehenden Elternschaft zum Gegenstand. Würde man aber davon ausgehen, dass der Verzicht auf die Elternschaft grundsätzlich unmöglich ist, müsste auch der Verzicht des Samenspenders und die Adoption mit Zustimmung der leiblichen Eltern für verfassungswidrig gehalten werden. Mit der Zustimmung zur Adoption erklären sich aber die Eltern – jedenfalls nach geltendem Recht – einverstanden, keinerlei rechtliche Beziehung mit ihrem Kind mehr zu haben. Dies lässt sich nur als ein Verzicht verstehen. Von der Verfassungswidrigkeit der Adoption nach Zustimmung der Eltern geht aber, soweit ersichtlich, niemand aus. Bei der rechtlichen Ausgestaltung durch den Gesetzgeber stellt sich allerdings die Frage, ob und inwieweit der Verzicht zugunsten einer anderen Person zum Schutz des Kindes sowie der Elternrechte anderer rechtlich reguliert werden kann. Insofern müssen die ­ Rechte des Kindes auf Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung sowie Kenntnis seiner Abstammung gewährleistet bleiben. Der Verzicht auf die Elternschaft ist damit zulässig. Gerade im Fall von Samen­ spendern minimiert eine solche Verzichtsmöglichkeit das Konflikt­ potential zwischen verschiedenen Personen mit Elternverbindung. Die Aus­ gestaltung dieses Verzichts ist unten bei der Ausgestaltung von Mehreltern­ verhältnissen zu diskutieren.112 Löhnig, in: Schwab/Vaskovicz (Hrsg.), Pluralisierung von Elternschaft und Kindschaft, 2011, 157, 161. 110  BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 143 f. 111  BGH, Urt. v. 23.5.1984 – IVb ZR 9/83, NJW 1984, 1951, 1952. 112  Teil 5 III 1 (S. 386).

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

b.  Exkurs: Alleinelternschaft? Eine andere Frage ist, ob es für den Gesetzgeber verfassungsrechtlich zulässig ist, Verzichte auf Elternrechte in der Weise zuzulassen, dass nur noch ein ­Elternteil – eine Mutter oder ein Vater – übrig bleiben, um das Kind allein zu pflegen und zu erziehen. Da sich die vorliegende Untersuchung der Mehrelternschaft und nicht der Einelternschaft widmet, seien zu dieser Frage nur ein paar sehr vorläufige Überlegungen angestellt. Einerseits gibt es Frauen, die ein Kind allein ohne jede Beteiligung eines Vaters erziehen wollen. Andererseits gibt es Fälle, wie den von Nicholas Berggruen, in dem ein Mann allein mit Hilfe von Eizellenspenderin und Leihmutter Vater wird.113 Die Tatsache, dass manche ­Elternteile tatsächlich keinen Anteil an der Erziehung des Kindes nehmen und auch keinen Unterhalt zahlen, z. B. wenn eine Frau im Rahmen einer flüchtigen Begegnung ein Kind zeugt und den Mann nie über sein Kind informiert, ist von der Frage zu unterscheiden, ob der Gesetzgeber verfassungsrechtlich gehalten ist, Elternkonstellationen zu vermeiden, in denen von vornherein nur eine Person mit Elternverbindung bereit ist, die Verantwortung für das Kind zu übernehmen. Jedenfalls ist es das Recht des Kindes, Kenntnis über seine Abstammung von der anderen Person zu erhalten, mit der es eine genetische oder im Fall einer Leihmutterschaft eine Schwangerschaftsverbindung besitzt. Das Kind besitzt zu diesen Menschen eine unauslöschliche Beziehung, die ein Elternteil ebenso wenig wie der Staat vollständig negieren darf. Damit würde das Kind jedenfalls mindestens ein weiteres Elternteil mit einer Elternverbindung haben, von dem es eine Kenntnis seiner Herkunft, wenn auch keine Rechte und Pflichten gewinnen könnte. Ob ein weiterer Elternteil erforderlich ist, um Fürsorge und finanzielle Unterstützung zu gewähren, ist eine andere Frage. Insofern ist allerdings zu beachten, dass das deutsche Recht die Adoption durch Einzelpersonen erlaubt, ohne dass dies verfassungsrechtlich jemals in Frage gestellt worden ist. Nach dem derzeitigen Adoptionsrecht erlischt die Elternschaft der abgegeben Eltern vollständig, sodass davon auszugehen ist, dass das Recht eine solche Konstellation offenbar nicht rundheraus ablehnt. Allerdings ist insofern zu beachten, dass die Adoption insgesamt hohe Hürden der Prüfung der Erziehungseignung der Adoptierenden aufstellt. Damit stellt sich allerdings die Frage, ob man nicht eine „Alleinelternschaft“ zumindest in solchen Fällen durch den Einsatz von Reproduktionsmedizin erlauben könnte, in denen der potentielle Elternteil auch die hohen Voraussetzungen einer Einzeladoption erfüllt. In diesem Fall bestände kein Grund mehr für ein Verbot. Die regulierte Zulassung alleiniger Elternschaft wäre zudem das mildere Mittel gegenüber dem vollständigen Verbot. 113  Nicolas Berggruen wurde mit Hilfe von Leihmüttern zweifacher Vater: Theile, Die ZEIT v. 28.4.2016, 12.

II.  Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Ausgestaltung der Elternpositionen

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3.  Mehrelternschaft als Gestaltungsaufgabe des Gesetzgebers Wie oben gezeigt, sind genetische Eltern, gestationale Mutter und Initiativeltern als Eltern gem. Art.  6 Abs.  2 GG geschützt. Nach dem oben entwickelten Verständnis sind sie auch gleichzeitig Träger des Elternrechts, d. h. ihnen stehen das Recht und die Pflicht zu, für das Kind zu sorgen und es zu erziehen. Soziale Eltern sind jedenfalls von Art.  6 Abs.  1 GG geschützt. Bekommt ein Ehepaar ein Kind auf dem „traditionellen“ Weg, so sind beide die genetischen und Initiativeltern. Die Frau ist die gestationale Mutter. Jede Partei hat die maximale Anzahl möglicher Elternverbindungen etabliert, wenn sie das Kind anschließend gemeinsam aufziehen. Hier stellt sich keine Frage, wer die Eltern des Kindes sind. Doch bereits in dem Moment, in dem sich das Paar trennt und ein Stiefelternteil hinzutritt, kann sich die Zahl der Personen mit einer Elternverbindung auf drei erhöhen. Dies ist beileibe kein Einzelfall. Immerhin sind in Deutschland 10,9 % der minderjährigen Kinder Stiefkinder.114 Bei einer Ei- oder Samenspende kann ein Kind drei Elternteile haben, einen genetischen und zwei initiative und soziale Elternteile, von denen ein Elternteil gleichzeitig noch die gestationale Mutter ist. Trennt sich dieses ­ ­Elternpaar und tritt auf einer Seite noch ein Stiefelternteil hinzu, kann sich die Zahl auf vier erhöhen. Diese Vielzahl an grundrechtlich geschützten Eltern mag ein gewisses Befremden und spontane Befürchtungen für das Kindeswohl auslösen. Die Schilderung entspricht allerdings der heutigen Realität, mit der sich das Recht aus­ einandersetzen muss. Die Auseinandersetzung mit und die Gestaltung von dieser Problematik ist aber Sache des Gesetzgebers, dessen Aufgabe die Ausgestaltung von Grundrechtspositionen ist. Die Problematik zu ignorieren, wird die Zeiten klarer Eltern-Kind-Beziehungen, so sehr man dies bedauern mag, nicht wieder bringen. Das bedeutet allerdings keinesfalls, dass alle Beteiligten Rechte und Pflichten gegenüber dem Kind haben müssen oder sollten. Theoretisch könnte der Gesetzgeber zwei rechtliche Eltern nach dem BGB bestimmen und alle anderen verfassungsrechtlich geschützten Eltern von Rechten und Pflichten ausschließen oder alle Eltern mit Rechten und Pflichten nach dem BGB ausstatten oder Abstufungen zwischen verschiedenen Elterntypen vorsehen. Die Mehrelternschaft ist damit eine Gestaltungsaufgabe des Gesetzgebers. Dabei unterliegt der Gesetzgeber den verfassungsrechtlichen Grenzen. Insofern ist zunächst zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die Zahl der Eltern eines Kindes notwendig auf zwei beschränken muss. Dies wäre der Fall, wenn es zum Kern der Institutsgarantie „Eltern“ in Art.  6 Abs.  2 GG gehörte, dass Eltern im Sinne des einfachen Rechts notwendig zwei Eltern sein müssen. Weiter könnte 114 

Walper/Enleitner-Phelps/Wendt, RdJB 2016, 210, 217.

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

eine Beschränkung der Eltern auf zwei aufgrund des Kindeswohls zu fordern sein. Dies ist jedoch dann nicht der Fall, wenn eine Gefährdung des Kindeswohls bei einer einverständlich begründeten Mehrelternschaft nicht zu befürchten ist. a.  Mehrelternschaft als Eingriff in das Substrat der Institutsgarantie? Die Elternschaft bedarf, wie oben gezeigt, der Ausgestaltung, da sie nicht nur als soziale Einheit, sondern auch als Produkt des Rechts existiert. Art.  6 Abs.  2 GG enthält jedoch auch eine Institutsgarantie, die bei der Ausgestaltung der Elternschaft zu berücksichtigen ist.115 Insbesondere in der Weimarer Republik, aber durchaus bis in die Gegenwart gehen verschiedene Stimmen in der staatsrechtlichen Literatur davon aus, dass der wesentliche Kern einer privatrecht­ lichen Institutsgarantie durch die Verfassung gegen Änderungen des einfachen Rechts geschützt ist. Geht man davon aus, dass zu diesem unabänderlichen Kernbereich im Fall der Elternschaft gem. Art.  6 Abs.  2 GG auch das Zwei-­ Elternprinzip gehört, könnte die Einführung von Mehrelternschaften verfassungswidrig sein. Es ist nicht Ziel dieser Untersuchung, eine Stellungnahme zur Bedeutung von Institutsgarantien vorzunehmen. Die Untersuchung geht von einer relativ großen Bindungswirkung der Substanz der Institutsgarantie aus, ist sich aber bewusst, dass ihr die Literatur teilweise eine geringere Bedeutung beimisst und insoweit die Bedeutung der objektiven Gehalte von Grundrechten und Wertentscheidungen der Verfassung betont.116 Entscheidend ist für die vorliegende Untersuchung in beiden Fällen, wie frei der Gesetzgeber bei der Gestaltung der Elternschaft im BGB ist und ob das Prinzip der Zwei-Elternschaft zu diesem unabänderlichen Kern des Instituts oder zum objektiven Gehalt des Grundrechts Elternschaft zu zählen ist. aa.  Bedeutung der Institutsgarantie Wie oben gezeigt, bedeutet der Charakter der Elternschaft als verfassungsrechtliche Institutsgarantie, dass die Substanz des privatrechtlichen Instituts der ­Elternschaft bei der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber nicht angetastet werden darf.117 Das bedeutet aber nicht, dass das Elternrecht in seinem Zustand bei Inkrafttreten des Grundgesetzes zu erhalten wäre, sondern dass ein „Minimal115  Koschmieder, Grundrechtliche Dynamisierungsprozesse, 2016, 138  ff.; Germann, VVDStRL 73 (2014), 257, 266 f. 116  Vgl. Jarass/Pieroth-GG/‌Jarass, 2016, Vorb. v. Art.  1, Rn.  3 f. 117 Sachs-GG/‌ v. Coelln, 2014, Art.  6 , Rn.  31; Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien der Verfassung, 1979, 33 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd.  III/1, 1988, §  68, 853 ff.; vgl. zu besonderen Vorgaben bei der Umgestaltung bereits gesetzten einfachen ausgestaltenden Rechts: Gellermann, Grundrechte im einfachgesetzlichen Gewande, 2000, 416 ff.; Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 1988, 132 ff.

II.  Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Ausgestaltung der Elternpositionen

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konsens“ gewahrt bleibt, mit dem das in der Institutsgarantie verankerte Leitbild des Instituts Elternschaft eine gewisse stabilisierende Funktion auf die Rechtsentwicklung ausüben kann.118 Zur Ermittlung des gestaltungsfesten Kerns lässt sich unterscheiden zwischen dem Zweck der Institutsgarantie, der einer Änderung generell nicht offen steht, und dem „normativem Substrat“, das insofern eine Veränderung nicht zulässt, als es für die Erreichung des Zwecks der Institutsgarantie unabdingbar ist.119 So kann beispielsweise der Zweck des Instituts Ehe als rechtlich ausgestaltete Paarbeziehung gesehen werden, der durch die Einführung von Eheschließungsvorschriften, Güter- und Unterhaltsrecht verwirklicht werden kann. Dabei müssen jene Regelungen als Teil des normativen Substrats eines Instituts als geschützt angesehen werden, die bei aller Dynamik aufrecht erhalten bleiben müssen, damit der Zweck des Instituts verwirklicht werden kann.120 Zweck des privatrechtlichen Instituts der Elternschaft ist die Ausgestaltung der Rechte und Pflichten zwischen Eltern und Kindern, um Kindern die Unterstützung zu geben, die sie zur Entwicklung brauchen. Hier zeigt sich die spezifische Ausrichtung der Eltern hin auf das Kind, von der das Grundgesetz ausgeht. Da das Elternrecht aber nicht nur den Kindern dient, sondern gleichzeitig Persönlichkeitsentfaltung der Eltern bedeutet, hat das familienrechtliche Recht der Elternschaft auch den Zweck, die Wahrnehmung der Elternaufgaben durch die Eltern zu ermöglichen und zu koordinieren. Dieser Zweck ist zunächst nicht von der Zahl der Eltern abhängig, ­sondern bedeutet umgekehrt lediglich, dass die Eltern durch das Elternrecht in ihrer Sorge um das Kind koordiniert werden müssen. bb.  Zwei-Elternschaft als Kernprinzip der Elternschaft? Allerdings fragt sich, ob das Prinzip der Zwei-Elternschaft so stark im Elternbegriff des Instituts Elternschaft verankert ist, dass es zum unverzichtbaren Kern, zum Substrat der Elternschaft gezählt werden muss. Dagegen spricht bereits, dass, wie oben festgestellt, mehr als zwei Personen Grundrechtsträger gem. Art.  6 Abs.  2 GG sein können. Allerdings ließe sich überlegen, ob der Grundsatz der Zwei-Elternschaft so fest verankert ist, dass er zum Kernbestand des Elternrechts zu zählen ist, der über die Institutsgarantie verfassungsrechtlichen Schutz genießt. Verfolgt man einen Ansatz, der den objektiven Gehalt von Grundrechten prüft und den Institutsgarantien heute keine Bedeutung beimisst,121 müsste an dieser Stelle unter118 Vgl. Koschmieder, Grundrechtliche Dynamisierungsprozesse, 2016, 123 ff.; Germann, VVDStRL 73 (2014), 257, 266; vgl. speziell zum Kernbestand des Elternrechts: Schuler-Harms, RdJB 2016, 157, 164 f. 119  Koschmieder, Grundrechtliche Dynamisierungsprozesse, 2016, 141 ff. 120  Koschmieder, Grundrechtliche Dynamisierungsprozesse, 2016, 141 ff. 121  Vgl. Jarass/Pieroth-GG/‌Jarass, 2016, Vorb. v. Art.  1, Rn.  3 f.

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

sucht werden, ob das Zwei-Elternprinzip zum verfassungsrechtlichen ­Elternbegriff im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG zu rechnen ist. Gegen eine solche Bewertung spricht, wie oben herausgearbeitet, dass der historische Gesetzgeber keinesfalls immer von einer Zwei-Elternschaft ausging.122 Vielmehr gab es im BGB auch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Grundgesetzes das nichteheliche Kind, das nur einen rechtlichen Elternteil besaß, und das Adoptivkind mit bis zu vier rechtlichen Eltern. Damit konnte der Verfassungsgeber ein verfassungsrechtliches Bild der Elternschaft kaum auf eine unverrückbare Zwei-Elternkonstellation stützen. Der Verfassungsgeber mag davon ausgegangen sein, dass natürlicherweise zwei Menschen ein Kind zeugen, musste sich aber angesichts der ausdifferenzierten Regelungen im BGB bewusst gewesen sein, dass die natürliche Zeugungssituation keineswegs allein ausschlaggebend für die familienrechtliche Ausgestaltung der Elternschaft ist. In der Tat ist spätestens ab dem Nichtehelichengesetz 1970 und dem Adop­ tionsgesetz 1977 eine deutliche Tendenz hin zur gleichberechtigten (nur) ZweiEltern­schaft zu verzeichnen, die mit dem Kindschaftsrechtsreformgesetz von 1998 einen Höhepunkt erreichte.123 Aber selbst wenn man annehmen wollte, der Kern des Instituts der Elternschaft könne sich in der Folge dieser Gesetze mit verfassungsrechtlicher Wirkung nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes geändert haben, so muss bezweifelt werden, ob dies geschehen ist. Denn spätestens mit der Einführung des kleinen Sorgerechts gem. §  9 Abs.  1–4 LPartG, §  1687b BGB 2001, sowie mit den Umgangsrechten gem. §  1685 Abs.  2 BGB 1998 sowie §  1686a BGB 2013 ist ein merklicher Riss im Prinzip der Zwei-­ Elternschaft zu verzeichnen. Damit ist das Prinzip der Zwei-Elternschaft nicht durch die Institutsgarantie des Art.  6 Abs.  2 GG verbindlich zur Gestaltung der familienrechtlichen Eltern­ schaft vorgegeben. b.  Gestaltungsvorgabe zum Schutz des Kindeswohls? Allerdings könnte der Gesetzgeber zum Schutz des Kindeswohls verfassungsrechtlich verpflichtet sein, die Zahl der einfachgesetzlichen Eltern auf zwei zu beschränken. Wie oben gezeigt, können mehrere Personen Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 ­ ltern GG sein. Eine Gestaltung des Elternrechts, die einen124 oder mehrere der E von Rechten und Pflichten in Bezug auf das Kind ausnehmen, greift in ihre Grundrechte ein und bedarf daher der Rechtfertigung. Allerdings kommt dem Staat im Rahmen des Wächteramts gem. Art.  6 Abs.  2 S.  2 GG das Recht und die Schutzpflicht zu, Gefahren vom Kind abzuwehren. Müsste man also davon aus122 

Vgl. oben Teil 2 I (S.  33). Teil 2 I 1 d cc (S. 49), e bb (S. 58); Teil 2 I 3 (S.  80), 6 (S.  99). 124  BVerfG, Beschl. v. 21.7.2010 – 1 BvR 420/09, BVerfGE 127, 132, 146. 123 

II.  Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Ausgestaltung der Elternpositionen

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gehen, dass eine Mehrelternschaft dem Kindeswohl schadet, so wäre der Staat nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, eine solche Gestaltung des ­Elternrechts zu vermeiden, in der mehr als zwei Eltern Rechte und Pflichten zukommen. Ein solcher Schaden könnte insbesondere dadurch eintreten, dass das Kind unter Rollen- und Kompetenzkonflikten der Eltern zu leiden hätte und die ­elterliche Verantwortung nicht mehr eindeutig personell festgemacht werden könnte.125 aa.  Die notwendige Verbindung von Elternrechten und Elternpflichten Dabei ist allerdings zunächst zu differenzieren zwischen den finanziellen Pflichten der Elternschaft sowie den Rechten und Pflichten der Elternschaft, die mit Kontakten zu dem Kind verbunden sind, Umgang und elterliche Sorge. Die Wahrnehmung finanzieller Verantwortung durch Zahlung von Unterhalt und gegebenenfalls durch die Einräumung gegenseitiger Erbrechte hätte keine ­direkten Kompetenz- und Rollenkonflikte zur Folge. Konflikte bei der Durchsetzung von Zahlungsforderungen lassen sich gerichtlich lösen. Als Konflikte erreichen sie das Kind direkt nur im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Umgangs- und Sorgerechten. Damit ließe sich der Ausschluss einer „Zahl­ elternschaft“ nur mit finanziellen Pflichten zum Schutz des Kindeswohls nicht rechtfertigen. Eine solche Mehrelternschaft, die dem Kind ein Mehr an Ressourcen zur Verfügung stellen würde, wäre sicher eher ein Vorteil für das Kind, keine Gefährdung seines Wohls.126 Allerdings wird sich wohl kein Elternteil auf eine solche „Zahlelternschaft“ einlassen wollen. Die Übernahme von Pflichten wird vielmehr eng verbunden mit Rechten gesehen.127 Dies entspricht auch dem Bild der Elternschaft des Grundgesetzes in Art.  6 Abs.  2 S.  1 GG, der Recht und Pflicht der Eltern in 125  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 103; Bezugnahme darauf in BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 78, Rn.  52. Eine Distanzierung zur Entscheidung von 2003 sieht hierin Heiderhoff, NJW 2016, 2629, 2631 Fn.  14. 126 Vgl. Willekens, RdJB 2016, 130, 134. 127  Es ist hier nicht der Ort, die Verbindung von Rechten und Pflichten, die Gierke bereits während der BGB-Entstehung von germanistischer Seite vorbrachte, näher zu untersuchen: Diese Verbindung mit zwischen Recht und Pflicht hatte bereits für Gierke eine besondere Qualität, der in seiner Kritik zum ersten Entwurf des BGB ausführte: „Mit dem Satze ‚kein Recht ohne Pflicht‘ hängt innig unsere germanische Anschauung zusammen, daß jedes Recht eine ihm immanente Schranke hat. Das romanische System an sich schrankenloser Befugnisse, welche nur von außen her durch entgegenstehende Befugnisse eingeschränkt werden, widerspricht jedem sozialen Rechtsbegriff. Uns reicht schon an sich keine rechtliche Herrschaft weiter, als das in ihr geschützte vernünftige Interesse es fordert und die Lebensbedingungen es zulassen.“, von Gierke, Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches und das deutsche Recht, 1889.

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

e­inem sprachlichen und inhaltlich unauflöslichen Zusammenhang sieht.128 Zwar kann die elterliche Erfüllung dieser Pflicht vom Staat nur in den Grenzen des staatlichen Wächteramts durchgesetzt werden. Als Leitbild aber ist die Verbindung von Rechten und Pflichten das Elternbild des Bundesverfassungs­ gerichts, nach dem ein Elternrecht ohne eine Elternpflicht nicht möglich ist.129 Darum spricht das Bundesverfassungsgericht auch immer wieder von Elternverantwortung als Verbindung von Rechten und Pflichten. Mit diesem Leitbild würde aber eine Elternschaft nicht harmonisieren, die einem Elternteil nur Pflichten und einem anderen nur Rechte zuweisen würde. Im Einzelfall kann die Wahrnehmung von Rechten natürlich zum Schutz des Kindes beschränkt werden, wie z. B. wenn Umgang und Sorge mit einem gewalttätigen Elternteil ausgeschlossen werden. Aber als allgemeine Konzeption der Regelung von ­Elternschaft ist ein solches Modell nicht tauglich. Dies muss auch die Maßgabe für die Ausgestaltung von Mehrelternschaft sein. Damit kann eine Ausgestaltung der Mehrelternschaft nicht dadurch bewirkt werden, dass zur Vermeidung von Konflikten unter den Eltern der dritte Elternteil allein auf eine Rolle als ­finanziell verantwortlicher Elternteil beschränkt wird. Also ist zu prüfen, ob die gemeinsame Zuweisung von familienrechtlichen Rechten und Pflichten für das Kind notwendig mit Gefahren verbunden wäre und die Zahl der rechtlichen Eltern daher auf zwei zu beschränken ist. bb.  Konfliktlösung durch Beschränkung von Elternrechten In der Tat leiden Kinder unter Konflikten zwischen Eltern,130 sodass diese Gefahr nicht von der Hand zu weisen ist. Allerdings leiden darunter auch Kinder sowohl in Kern- als auch in Trennungs- und Scheidungsfamilien,131 d. h. in klassischen Zwei-Eltern-Konstellationen. Mit solchen Konstellationen und ihrer Auswirkung auf die Beschränkung elterlicher Pflichten hatte das Bundesverfassungsgericht häufiger im Zusammenhang mit den Rechten nichtehelicher Eltern zu tun.

128 

Vgl. oben Teil 1 II 4 d (S.  25). BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 102 unter Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119, 143; BVerfG, Beschl. v. 16.10.1979 – 1 BvR 647/70, 7/74, BVerfGE 52, 223, 235; BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 1 BvL 12/81, BVerfGE 61, 358, 372; BVerfG, Beschl. v. 14.4.1987 – 1 BvR 332/86, BVerfGE 75, 201, 218 f.; BVerfG, Beschl. v. 4.7.1989 – 1 BvR 537/87, BVerfGE 80, 286, 295. 130 Mit umfangreichen Nachweisen zur Forschung: Walper/Enleitner-Phelps/Wendt, RdJB 2016, 210, 214 f. 131  Walper/Enleitner-Phelps/Wendt, RdJB 2016, 210, 214 f.; Davies u. a., Monographs of the Society for Research in Child Development 76 (2002), 1 ff.; Emery, in: Amato/Thompson (Hrsg.), The postdivorce family: Children, parenting, and society, 1999, 3; vgl. auch die Beiträge in: Grych/Fincham (Hrsg.), Interparental conflict and child development, 2001. 129  Insbesondere

II.  Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Ausgestaltung der Elternpositionen

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Insofern hat das Bundesverfassungsgericht allerdings betont, dass die Beteiligung dieser Eltern an der Sorge des Kindes dem Kindeswohl grundsätzlich dienlich sei.132 Andernfalls wäre die Beschränkung auf immer nur einen ­Elternteil das Beste für das Kind. Können sich die Eltern über die Wahrnehmung ihrer Elternverantwortung nicht einigen, so muss der Staat den Eltern jeweils Rechte und Pflichten gegenüber dem Kind zuordnen.133 Dabei dürfen die Rechte der Eltern umso mehr beschränkt werden, je größer das Konfliktpotential zwischen den Eltern ist.134 Fehlt es an dem erforderlichen „Mindestmaß an Übereinstimmung“, ist auch eine Zuweisung an einen Elternteil zulässig.135 Aus diesem Grund hat das Bundesverfassungsgericht die grundsätzliche Zuweisung der Alleinsorge für das nichtehelich geborene Kind an die Mutter für verfassungsgemäß gehalten.136 Doch hat das Gericht einen generellen Ausschluss der gemeinsamen elterlichen Sorge von einer Einzelfallprüfung abhängig gemacht, wenn die nichteheliche Mutter die gemeinsame Sorge mit dem nichtehelichen Vater verweigert.137 Zu untersuchen ist daher, ob das Konfliktpotential in einer Konstellation mit mehr als zwei Eltern so groß ist, dass es generell, d. h. ohne Prüfung des Einzelfalles, die Anerkennung einer nicht nur tatsächlichen, sondern auch rechtlichen Mehrelternschaft vollkommen ausschließt und dies sogar ohne die Möglichkeit abgestufter Rechtspositionen zwischen den Eltern zuzulassen. cc.  Indizien aus §§  1686a, 1685 Abs.  2 , 1687b BGB? Wäre das Konfliktpotential der gemeinsamen Elternschaft – unabhängig von den in diesem Zusammenhang den jeweiligen Eltern zuzuordnenden Rechten und Pflichten so groß, dass es die gemeinsame Elternschaft in jedem Falle ausschlösse, auch wenn einigen Miteltern nur untergeordnete Rechte zukommen, so wären Regelungen gem. §§  1686a, 1685 Abs.  2 und 1687b BGB kritisch zu überprüfen. Allerdings lässt sich einwenden, dass diese Vorschriften nicht mehrere gleichberechtige Eltern im Sinne des Familiengrundrechts schaffen, sondern lediglich Personen, die im Sinne des einfachen Rechts „Nicht-Eltern“ sind. Danach würden diese Vorschriften elterliche Rechte nur Personen einräumen, die in einer elterlichen Beziehung zu dem Kind stehen.138 132 

BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 103. BVerfG, Beschl. v. 21.7.2010 – 1 BvR 420/09, BVerfGE 127, 132, 146. 134  BVerfG, Beschl. v. 7.3.1995 – 1 BvR 790/91, 540, 866/92, BVerfGE 92, 158, 178 f. 135  BVerfG, Beschl. v. 21.7.2010 – 1 BvR 420/09, BVerfGE 127, 132, 146 f.; BVerfG, Urt. v. 29.1.2003 – 1 BvL 20/99, 1 BvR 933/01, BVerfGE 107, 150, 169; BVerfG, Beschl. v. 7.3.1995 – 1 BvR 790/91, 540, 866/92, BVerfGE 92, 158, 178 f. 136  BVerfG, Beschl. v. 21.7.2010 – 1 BvR 420/09, BVerfGE 127, 132, 146; BVerfG, Urt. v. 29.1.2003 – 1 BvL 20/99, 1 BvR 933/01, BVerfGE 107, 150, 169. 137  BVerfG, Beschl. v. 21.7.2010 – 1 BvR 420/09, BVerfGE 127, 132, 146. 138 Vgl. Britz, JZ 2014, 1069, 1071, Fn.  9. 133 

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

Wenn aber die Vermeidung von Gefahren für das Kindeswohl erfordern sollte, dass die Zahl der Eltern generell auf zwei zu begrenzen ist, so können diese Gefahren nicht aus der rechtlichen Elternschaft als solcher herrühren, sondern allein aus der tatsächlichen Interaktion eines Kindes mit mehreren Personen und den zwischen diesen gegebenenfalls bestehenden Konflikten. Natürlich kann das Recht den tatsächlichen Kontakt zwischen einem Kind und anderen Menschen nicht beschränken. Aber die Rechte, die das Recht Personen einräumt, kommen gerade dann zum Tragen, wenn sie gegen den Willen der anderen Eltern durchgesetzt werden müssen. Die Durchsetzung dieser Rechte führt dann zu Konflikten innerhalb der Familie, unter denen das Kind leiden könnte. Die Rechte des §§  1685 Abs.  2, 1686a BGB können gerade gegen den Willen der rechtlichen Eltern durchgesetzt werden und so zu Konflikten führen. Das Recht hat bereits mit §  1686a BGB und §  1687b BGB Rechte in Mehr­ elternverhältnissen anerkannt und rechtlich ausgestaltet. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber offenbar selbst davon ausgeht, dass es Mehrelternverhältnisse tatsächlich gibt und dass diese rechtliche Anerkennung neben den rechtlichen ­Eltern erfahren dürfen. Diese Regelungen machen die Annahme fraglich, dass es nur jeweils zwei rechtliche Eltern mit Rechten geben kann, ohne dass das Kindeswohl gefährdet wird. Insbesondere §  1686a BGB ist hier erhellend. Hier übt der leibliche Vater Rechte in Bezug auf das Kind als Vater aus, auch wenn er nichtrechtlicher Vater ist. Damit hat er eine gewisse rechtliche Anerkennung erfahren und ein Umgangsrecht mit den gleichen Voraussetzungen der Kindeswohldienlichkeit erhalten, wie es vor dem Kindschaftsrechtsreformgesetz 1998 dem rechtlichen nichtehelichen Vater zustand.139 Dass der Gesetzgeber diese Umgangs- und Mitsorgerechte eingeräumt hat, ist allein kein ausreichendes Argument für die Zulässigkeit der Mehrelternschaft. Die Argumentation, die Einführung dieser Rechte habe bisher nicht zu einer Kindeswohlgefährdung geführt, ist insofern problematisch, als insbesondere in Bezug auf §  1686a BGB, der erst 2013 eingeführt wurde, noch nicht genug Erfahrungen bestehen. Die Einführung der Vorschriften bildet jedoch ein Indiz dafür, dass die Zuweisung von elterngleichen Rechten an mehr als zwei Eltern mit einer Elternverbindung möglich ist. dd.  Differenzierung zwischen einverständlicher und unfreiwilliger Mehrelternschaft (1)  Erfordernis eines Mindestmaßes an Übereinstimmung Auch wenn noch Unklarheit über das tatsächliche Ausmaß der Konfliktanfälligkeit in Mehrelternverhältnissen besteht, soll nicht geleugnet werden, dass das Konfliktpotential in der Tat erheblich sein könnte. Hier sind jedoch umfangrei139 

Vgl. dazu die Gesetzesbegründung zu §  1695 Abs. BGB: BT-Drucks. 13/4899, 107.

II.  Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Ausgestaltung der Elternpositionen

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che weitere Forschungen erforderlich, um Gefährdungen des Kindeswohls wirklich einschätzen zu können. Die Vorstellung, dass sich bis zu sieben Personen gemeinsam über die Erziehung des Kindes, die von ihm zu besuchende Schule und seine medizinische Behandlung einigen müssen, ist für eine Familienrichterin keine vielversprechende Aussicht. Bereits zwischen zwei getrennten Elternteilen kann die Entscheidungsfindung schwierig sein.140 Je mehr Menschen involviert sind, desto mehr Konflikte werden wahrscheinlich entstehen, die die Intervention eines unbeteiligten Dritten erforderlich machen könnten, z. B. eines Mediators oder Familienrichters. So vielen Eltern Rechte an einem Kind zuzuweisen, könnte daher eher die Rolle der Familiengerichte stärken als die von Eltern und Kindern. Eine Beteiligung so vieler Eltern könnte sicherlich auch zu Konflikten führen, die das Kind emotional belasten würden.141 Trotzdem stellt sich die Frage, ob dieses Argument ausreicht, alle Elternverbindungen, mit denen die Zahl zwei überschritten wird, von der rechtlichen Anerkennung und der Ausstattung mit Elternrechten auszuschließen. Ein ­Familienrecht, das das tatsächliche Leben nicht reflektiert und keine Lösungen für die heutigen Realitäten der Familien bietet, ist keine Lösung in einer Gesellschaft, die sich zunehmend Offenheit in Bezug auf persönliche Beziehungen auf die Fahnen schreibt. Die Tatsache, dass ein Kind von mehr als zwei Menschen gezeugt und oder aufzogen wurde, kann vom Recht nicht ignoriert werden, auch wenn dies zu schwierigen rechtlichen Problemen führt. Zur Lösung dieser Problematik bietet es sich zunächst an, auf die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts für die konfliktbeladenen Elternverhältnisse abzustellen: „Weil das Elternrecht beiden Elternteilen zusteht, sind zudem Regeln zu schaffen, die ihnen für den Fall, dass sie sich über die Ausübung ihrer Elternverantwortung nicht ­einigen können, jeweils Rechte und Pflichten gegenüber dem Kind zuordnen. Dabei hat der Staat aufgrund seines ihm durch Art.  6 Abs.  2 Satz  2 GG auferlegten Wächteramtes sicherzustellen, dass sich die Wahrnehmung des Elternrechts am Kindeswohl ausrichtet und bei der Ausübung der Elternverantwortung die Rechte des Kindes Beachtung finden (vgl. BVerfGE 121, 69 [94]). Fehlt es hieran mangels eines erforderlichen Mindestmaßes an Übereinstimmung zwischen den Eltern, darf der Gesetzgeber einem Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind zuordnen (vgl. BVerfGE 92, 158 [178 f.]; 107, 150 [169]).“142

Danach ist die Verweigerung gemeinsamer Sorge – und damit umso mehr die Verweigerung der rechtlichen Elternschaft – jedenfalls dann nicht zulässig, wenn die Eltern das „erforderliche Mindestmaß an Übereinstimmung“ besit140 Vgl.

Scheiwe, FF 2013, 280. Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 103; BVerfG, Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59, 78, Rn.  52. 142  BVerfG, Beschl. v. 21.7.2010 – 1 BvR 420/09, BVerfGE 127, 132, 146. 141  BVerfG,

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

zen. Fehlt es daran, darf die „Hauptverantwortung“ einem Elternteil übertragen werden. Angewendet auf die Mehrelternschaft bedeutet dies, dass zwischen Fällen einverständlicher und unfreiwilliger Mehrelternschaft zu unterscheiden ist. (2)  Einverständliche Mehrelternschaft und Übereinstimmung Bei einverständlicher Mehrelternschaft kann an die Einverständlichkeit bei der Begründung der Mehrelternschaft als Indiz für das Bestehen eines „Mindestmaßes an Übereinstimmung“ angeknüpft werden. Man darf sogar vermuten, dass angesichts der gemeinschaftlichen Planung der Elternschaft hier ein höheres Maß an Übereinstimmung gegeben sein kann als bei einer Elternschaft, die aus der ungeplanten Schwangerschaft nach einer flüchtigen Bekanntschaft hervorgegangen ist. Bei einer einverständlichen Mehrelternschaft können die Parteien beispielsweise im Wege einer Elternvereinbarung die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die notwendige Übereinstimmung zwischen ihnen besteht. Dies gilt insbesondere für den Fall einer Queer-Family, bei der mehr als zwei Personen die gemeinsame Zeugung und Erziehung eines Kindes einverständlich herbeiführen. Um dem (vermuteten) größeren Konfliktpotential zwischen mehr als zwei Eltern Sorge zu tragen, könnte der Gesetzgeber hieran gewisse Form- und Beratungsvoraussetzungen knüpfen.143 Besonders stark ist das Argument gegen eine Kindeswohlgefährdung, wenn ein Kind aus der Eizelle einer Partnerin und dem Sperma des beteiligten Mannes gezeugt wird und die zweite Partnerin das Kind austrägt.144 In diesem Fall bestehen bei der Geburt des Kindes zwei ­Elternverbindungen zwischen jedem der drei Elternteile und dem Kind, drei Initiativverbindungen, zwei genetische Verbindungen und eine gestationale Verbindung. Hier ermöglicht die gemeinsame Elternschaft dem Kind, mit allen Personen, die an seiner Entstehung beteiligt waren, von Anfang an eine Beziehung aufzubauen. Aber auch für Konstellationen, in denen sich ein Elternteil mehr oder weniger auf seine oder ihre Rolle als Spender beschränken will, erscheint eine einvernehmliche Gestaltung der Mehrelternschaft möglich, die das erforderliche Mindesteinvernehmen herstellen kann. In all diesen Fällen ­können und werden auch oft tatsächliche neue Formen der Kooperation erarbeitet.145 Zur Frage, wie die Kooperation ausgestaltet werden könnte und an welchen Grundsätzen sich diese Ausgestaltung orientieren könnte, wird zurückzukommen sein. 143  Vgl. dazu unten Teil 5 III 1 e (S. 402); vgl. bereits Dethloff, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung durch Reproduktionsmedizin, 2016, 54. 144  Vgl. bereits Dethloff, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung durch Reproduktionsmedizin, 2016, 55. 145 Vgl. zu Vertragsgestaltung bei künstlicher Fortpflanzung: Grziwotz, in: Dutta u. a. (Hrsg.), Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 2015, 25.

II.  Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Ausgestaltung der Elternpositionen

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(3)  Unfreiwillige Mehrelternschaft In Fällen einer unfreiwilligen Mehrelternschaft, beispielsweise wenn ein ­Kuckuckskind aus der Affäre einer Ehefrau hervorgeht oder bei einer Stief­ familie, bestehen dagegen berechtigte Zweifel an der Möglichkeit einer Zusammenarbeit im Sinne des Kindeswohls. Der Paarkonflikt zwischen den leiblichen Eltern, der zur Entstehung der Mehrelternschaft geführt hat, kann sich durchaus in Konflikten fortsetzen, die das Kindeswohl belasten können.146 Hier besteht allerdings kein Grund, nicht auch eine rechtliche Mehrelternschaft mit untergeordneten Rechten zuzulassen, die im Wesentlichen den Rechten des derzeitigen §  1686a BGB entspricht. Grundsätzlich gilt dies auch für den Fall der Stiefeltern, denen das Recht jetzt schon gewisse Rechte der Mitentscheidung und des Umgangs zuweist. Neuere Studien zeigen insofern allerdings, dass Stiefkinder nach einer Zeit der Gewöhnung und Anpassung mehrheitlich gute Beziehungen zum leiblichen und zum Stiefelternteil entwickeln und dass sich diese Situation vorteilhaft auf die Kindesentwicklung auswirkt. Es besteht also auch hier kein Anlass anzunehmen, dass ein vollständiges „Entweder-oder“ zur Abwehr von Gefährdungen des Kindeswohls erforderlich ist. Insgesamt sprechen die Befunde also nicht dafür, dass sich das Stiefelternteil als „Ersatz“ für den leiblichen Elternteil in die Familie drängt und die Beziehung zu diesem verschlechtert.147 In einem solchen Fall, in dem sich nachträglich ein Einvernehmen zwischen den Parteien entwickelt, scheint es mit dem Kindeswohl vereinbar zu sein, ein größeres Maß an gemeinsamen Rechten und Pflichten mit dem Einverständnis aller Beteiligten zuzuweisen. ee.  Alloparents oder kooperative Kindererziehung Gegen die Zulässigkeit einer Übertragung von Elternrechten an mehr als zwei Personen mag intuitiv eingewandt werden, dass eine solche Konstellation nicht „natürlich“ sei und deshalb dem Kindeswohl abträglich sein müsse. Abgesehen von der Frage, welche normative Kraft einem solchen Befund innewohnen würde, ist die Annahme, dass Fürsorge eines Kindes historisch immer und im Sinne guter Kindesentwicklung notwendig nur durch die genetischen Eltern, vor allem die genetische und gestationale Mutter zu übernehmen sei, jedoch ­ ­evolutions-anthropologisch unzutreffend. (1)  Bindungsforschung und Fremdbetreuung Neben den oben erwähnten Ergebnissen, nach denen Kinder durchaus positive Bindungen an mehrere Elternfiguren aufbauen können, weisen wissenschaft­ 146 Vgl. zu Nachweisen aus verschiedenen Studien: Walper/Enleitner-Phelps/Wendt, RdJB 2016, 210, 220 f. 147  Walper/Enleitner-Phelps/Wendt, RdJB 2016, 210, 221.

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

liche Untersuchungen daraufhin, dass die Fürsorge von Nicht-Müttern, d. h. des Vaters und anderer Gruppenmitglieder vielmehr für das Überleben und die Entwicklung der menschlichen Spezies von entscheidender Bedeutung waren. Dabei soll die Bedeutung der Bindung zwischen Eltern und Kindern nicht in Frage gestellt werden. Untersuchungen zeigen, dass die Entwicklung eines Kindes davon abhängt, dass es sichere Bindungen aufbauen kann.148 Hierbei stand in der früheren Forschung vor allem der ständige Hautkontakt mit der Mutter im Vordergrund.149 Inzwischen ist aber gesicherte Erkenntnis, dass Kinder auch bereits früh Beziehungen zu anderen, konstanten Hauptbezugspersonen wie dem Vater oder Fremdbetreuern aufbauen können.150 Dies bedeutet, dass die Fürsorge für ein Kind durch andere Personen als die Mutter durchaus möglich ist, wenn diese Personen, einschließlich des genetischen Vaters, stabile Bindungen zu dem Kind aufbauen. Das bedeutet, dass zum Schutz des Kindeswohls die Entwicklung stabiler, verlässlicher Beziehungen zu einer begrenzten Gruppe von Fürsorgepersonen gefördert werden sollte. Es bedeutet nicht, dass die Zahl der Personen, die sich um ein Kind kümmern, notwendig auf zwei zu begrenzen ist.151 (2)  Kooperative Kinderbetreuung und die Entwicklung zur bürgerlichen Familie Die Kooperation von mehr als zwei Menschen bei der Erziehung von Kindern ist keine so neue und so negative Erscheinung, wie es die Berichterstattung im Zusammenhang mit Queer-Families und den Neuerungen der Reproduktionsmedizin glauben machen. Bekannt ist die englische Übersetzung des afrikanischen Sprichworts „It takes a village to raise a child“. Aber auch in der west­ lichen Welt ist rechtshistorisch die Idee des Familienrechts als des Rechts der Kernfamilie relativ neu. Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts gab es nicht die bürgerliche Kernfamilie als rechtliches Konzept, sondern das oikos, das ganze Hauses, dass die Familie unter der Führung des Hausvaters mit arbeitender Frau, Kindern, Verwandten und Dienstboten einschloss.152 Auch die Beschäftigung einer Amme war bis ins 18. Jahrhundert nichts Ungewöhnliches. 148  Vgl. zu den Grundlagen der sogenannten „Attachment Theory“ Cassidy, in: Cassidy/ Shaver (Hrsg.), Handbook of Attachment Theory, 2016, 3 ff.; Gerhardt, Why love matters, 2014. 149  Blaffer Hrdy, Mothers and Others, 2011, 84 ff. 150  Howes/Spieker, in: Cassidy/Shaver (Hrsg.), Handbook of Attachment Theory, 2016, 314 ff.; mit Nachweisen zu weiteren Untersuchungen: Blaffer Hrdy, Mothers and Others, 2011, 84 ff.; vgl. vor allem die Erkenntnisse aus der großen NICHD Studie, die in den USA von 1991 bis 2009 über Kinder in verschiedenen Betreuungssituationen durchgeführt wurde: www.nichd.nih.gov/research/supported/Pages/seccyd.aspx (zuletzt abgerufen am 4.12.2016). Die Ergebnisse zeigten, dass die Entwicklung von Kindern in hochqualitativer Fremdbetreuung sehr gut war. 151  Walper/Enleitner-Phelps/Wendt, RdJB 2016, 210, 225 f. 152  Vgl. oben Teil 2 I 1 a (S.  34); Meder, Familienrecht, 2013, 129 ff.

II.  Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Ausgestaltung der Elternpositionen

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Die Konzentration auf die blutsverwandte, bürgerliche Kleinfamilie war ein langsamer Prozess, der ab der Mitte des 18. Jahrhundert mit dem Wunsch nach dem natürlichen Familienzusammenhang153 besonders wirkmächtig wurde. Mit dem Aufkommen des Familienmodells der bürgerlichen Kleinfamilie mit der Mutter als sittlichem Zentrum wurde das Eindringen von „Fremdmüttern“ wie z. B. der Amme mit Skepsis behandelt.154 Ein Grund für diese Entwicklung vom ganzen Haus zur bürgerlichen, blutsverwandten Kleinfamilie mag in der mit der Industrialisierung immer stärker werdenden Differenzierung zwischen der Welt des Privaten und der ökonomisierten Welt der Marktwirtschaft und des Wettbewerbs liegen.155 In dieser Zeit wird auch die Entwicklung eines von den übrigen Rechtsgebieten, insbesondere vom allgemeinen Zivil- und Wirtschaftsrecht zu differenzierenden Familienrechts verortet.156 Dies zeigt, dass die Konzentration des deutschen Familienrechts auf die blutsverwandte Kernfamilie jedenfalls historisch nicht nur nicht das einzige Modell, sondern sogar eine relativ neue Erscheinung ist. (3)  Kooperative Kinderbetreuung als evolutionäre Notwendigkeit Geht man weiter in der Evolution zurück, wird die Bedeutung der gemeinsamen Kinderfürsorge für die Entwicklung der Menschheit noch deutlicher. In früheren Stadien der menschlichen Entwicklung wuchsen Kinder in Gruppen mit vielen Erwachsenen, insbesondere Großmüttern,157 Geschwistern und vie153  In diesem Kontext wird Rousseaus Werk „Emile“ (1762) genannt, in dem das natürliche Aufwachsen des Kindes als Ideal beschrieben wird. 154 Vgl. Bernard, Kinder machen 2014, 469 f.; der hier einen Vergleich zwischen modernen Vorbehalten gegenüber der Leihmutterschaft zieht. 155  Bernard, Kinder machen 2014, 468 ff. 156  Vgl. dazu bereits Teil 2 I 1 a (S.  34); vgl. zur Debatte um den Family Law Exceptionalism, Kennedy, (2003) 3 Suffolk U L Rev 63; ders., (2010) 58 Am J Comp L 811 und die von Halley und Rittich herausgegebene Sonderausgabe des American Journal of Comparative law (2010) 58 Am J Comp L 753. Beispielsweise kamen in England ungefähr zeitglich mit der aufkommenden Industrialisierung die Verwendung von Rechtsinstituten wie Vertrags- und Deliktsrecht für familienrechtliche Fragestellungen wie der Bruch eines Eheversprechens sowie des Ehebruchs in Verruf. Man mag insofern vermuten, dass in der sich entwickelnden bürgerlichen Familie, die in der viktorianischen Gesellschaft ihren Höhepunkt erreichte, die Separierung von Familie und Wirtschaft schon so weit fortgeschritten war, dass eine Vermischung beider Bereiche unter Verwendung derselben Rechtsinstitute als unpassend empfunden wurde. Die Ablehnung des Vertrags als mögliches Institut des Familienrechts wird in England bis in die Gegenwart skeptisch behandelt, Ehe„verträge“ werden erst seit der Entscheidung Radmacher v. Granatino [2010] UKSC 42 (vgl. dazu Sanders, NJW 2011, 182) als teilweise verbindlich angesehen. In Deutschland geschah dies nicht in gleichem Maße. Hier wurde der Vertrag als verbindendes Element aller fünf Bücher des BGB und damit als Instrument der Vereinheitlichung und Systematisierung des Privatrechts verstanden vgl. dazu: ­Sanders, in: Popovici/Tremblay/Smith (Hrsg.), Les Intraduisibles en droit civil, 2014, 217, ­besonders 232  f. 157 Vgl. insbesondere zur Bedeutung der Großmütter in der Kinderfürsorge: Blaffer Hrdy, Mothers and Others, 2011, 233 ff.

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

len Kindern auf.158 Mütter, andere Frauen, aber auch Väter halfen sich nach dieser Auffassung gegenseitig bei der Kindererziehung, besonders während der notwendigen Erholungsphase der Mutter nach der Geburt.159 Wissenschaftler bezeichnen dieses Phänomen gemeinsamer Elternschaft als „Alloparenting“, die Fürsorge für ein Kind durch andere Personen als die Mutter. Wissenschaftler, insbesondere Blaffer Hrdy, erklären das Alloparenting, mit dem der große Aufwand der Fürsorge für die extrem anspruchsvollen und über lange Zeit hilflosen Menschenkinder auf mehrere Schultern verteilt wird, als notwendigen Teil der Menschheitsentwicklung.160 So pflanzen sich Menschen trotz der langen Zeit der Abhängigkeit der Kinder von ihren Eltern deutlich schneller fort als andere Primaten, wie z. B. Schimpansen oder Orang-Utans. Das nächste Kind wird auch in Jäger-und-Sammler-Gesellschaften geboren, bevor ältere Geschwister sich selbständig um Nahrung kümmern können. Die schnelle Fortpflanzung, die es Menschen erlaubt hat, erstaunlich schnell große Landstriche zu besiedeln, ist nur möglich, wenn Mutter und Kind von anderen Mitgliedern der Gruppe mit Nahrung und Fürsorge unterstützt werden.161 Gleichzeitig setzen aber Frauen,162 ebenso wie Primaten mit vergleichbarer gemeinsamer Kinderbetreuung, Kinder bzw. Jungtiere aus und lassen sie verhungern, wenn sie diese Unterstützung nicht erfahren. Dieses Verhalten, das bei Primaten, die nicht gemeinsam ihre Jungen aufziehen, nicht zu beobachten,163 aber bei Jäger-und-Sammler-Kulturen auf der ganzen Welt durchaus verbreitet ist, zeigt, ebenso wie Untersuchungen zur Entwicklung von Kindern, deren verarmte Mütter nicht nur finanziell, sondern mit sozialen Kontakten unterstützt wurden,164 die enge Verbindung zwischen Mutterschaft und Unterstützung durch andere Menschen, insbesondere aber nicht nur den Vater. Auch heute, in einer Welt ohne Bedrohung durch wilde Tiere und Hungersnöte, ist die Erziehung eines Kindes in der Kernfamilie nicht einfach zu bewältigen. Nur in sehr kurzen Zeiten großen wirtschaftlichen Wohlstands nach dem Zweiten Weltkrieg konnten es sich in der westlichen Welt Familien erlauben, auf die Erwerbsarbeit von Frauen zumindest teilweise zu verzichten. Die „Familienarbeit“ ist freilich auch heute mit Unterstützung durch Wasch- und Spülmaschine, Staubsauger und Induktionsherd eine außerordentlich anstrengende 158 

Blaffer Hrdy, Natural History Magazine, 2009, 24. Medina, Brain Rules for Baby, 2014, 12 ff.; Bock/Sellen, Human Nature 13 (2002), Heft 2, 153 ff.; Blaffer Hrdy, Mother Nature, 1999, 266 ff.; Blaffer Hrdy, Mothers and Others, 2011, 65 ff. 160  Blaffer Hrdy, Mothers and Others, 2011, insbesondere 175 ff., 273 ff. 161  Vgl. mit Nachweisen zu der hier zusammengefassten Forschung: Blaffer Hrdy, ­Mothers and Others, 2011, 101 ff. 162  Vgl. zu Studien zur Kindstötung und Kindsaussetzung Blaffer Hrdy, Mother Nature, 1999, 288 ff. 163  Blaffer Hrdy, Mothers and Others, 2011, 99 ff. 164  Blaffer Hrdy, Mothers and Others, 2011, 101 ff. 159 

II.  Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Ausgestaltung der Elternpositionen

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und herausfordernde Aufgabe, besonders wenn die Kinder noch klein sind.165 Heute sind Familien darüber hinaus zunehmend auf zwei Einkommen angewiesen und Eltern müssen in großem Umfang auf andere „Alloparents“, wie Großeltern, Kindergärtner und Tagesmütter, zurückgreifen. Im Übrigen ist die soziale Isolation junger Eltern, insbesondere des Elternteils, der zugunsten der Kinderbetreuung in seiner Berufstätigkeit aussetzt, ein ernstes Risiko für das psychische Wohlbefinden der Eltern und damit ihrer Kinder.166 Medina schrieb in seiner populärwissenschaftlichen Zusammenfassung dieser Forschungsergebnisse: „Wenn Sie als Eltern das Gefühl haben, es nicht allein schaffen zu können, dann liegt das daran, dass die Natur das nie von Ihnen verlangt hat.“167 Diese Fürsorge von Kindern durch andere Gruppenmitglieder ist, so jedenfalls Blaffer Hrdy, auch der Grundstein der Entwicklung menschlicher Sprache, Empathie und Kooperationsbereitschaft. Da Menschenkinder schon früh mit Menschen umgehen mussten, die nicht ihre Mutter waren, mussten sie lernen, mit Menschen aller Art zu kommunizieren, ihre Motive zu erraten und durch Blickkontakte oder Laute mit der Mutter in Kontakt zu bleiben. Dass fremde Menschen – anders als eine Gruppe Schimpansen – heute in einer hochkooperativen Gesellschaft leben und beispielsweise eine Flugreise überstehen, ohne sich gegenseitig umzubringen,168 hat danach seine Ursprünge in der Notwendigkeit und den evolutionären Vorteilen gemeinsamer Kinderaufzucht.169 (4)  Familie als intellektuell-soziales Konzept Neu an den durch Fortpflanzungstechnologien und Lockerungen der Familienverbände geschaffenen Konstellationen ist freilich, dass die zusammenwirkenden Personen nicht so nah miteinander verwandt sind, dass sie mit der Er­ ziehung des Kindes auch ihre eigenen Gene verbreiten. Die Verbindungen 165  Sehr illustrativ sind in diesem Zusammenhang die Äußerungen junger Mütter wie z. B. diese „Wenn mein Mann mir noch einmal sagt, er müsse sich ausruhen, weil er ‚den ganzen Tag gearbeitet‘ hat, dann werfe ich seine Klamotten in den Vorgarten, löse die Handbremse seines Autos und lasse es den Hügel herunterrollen und verkaufe seinen Sportkram auf ebay für einen Dollar. Und dann bringe ich ihn um. Er versteht es einfach nicht! Klar hat er den ganzen Tag gearbeitet, aber mit erwachsenen Menschen, die sprechen und allein aufs Töpfchen gehen können.“ Medina, Brain Rules for Baby, 2014, 73, deutsche Übersetzung der Autorin. 166 M.w.N. Deave/Johnson/Ingram, BMC Pregnancy and Childbirth 8 (2008), 30, vgl. die plastischen Ausführungen einer jungen Mutter: „Ich habe mich niemals so allein gefühlt wie jetzt. Meine Kinder merken das nicht und mein Mann ignoriert mich. Alles was ich mache ist Hausarbeit, Kochen, Kinderbetreuung. Ich bin kein Mensch mehr. Ich habe keine Minute für mich und doch bin ich vollkommen isoliert.“; vgl. Medina, Brain Rules for Baby, 2014, 71, deutsche Übersetzung der Autorin; die Isolation gerade junger Eltern ist noch schlimmer wenn Eltern alleinerziehend und arm sind, vgl. nur: Terry, A Community of Isolation, 2015. 167  Medina, Brain Rules for Baby, 2014, 14 deutsche Übersetzung der Autorin. 168  Blaffer Hrdy, Mothers and Others, 2011, 1 ff. 169  Blaffer Hrdy, Mothers and Others, 2011, 112 ff., 273 ff.

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

z­ wischen multiplen Eltern heute und ihrem Kind wird häufig intellektuell-­ sozial hergestellt. Aber auch dies ist in der Menschheitsgeschichte nichts vollständig Neues. Harari argumentiert in „Sapiens“, der evolutionsbiologische Erfolg des homo sapiens beruhe gerade auf seiner Fähigkeit, Kooperation über die Grenzen der Kleingruppe hinaus durch die Entwicklung abstrakter Konzepte wie Religion, Ökonomie, Kultur und Recht zu ermöglichen.170 Lang bekannte Institutionen wie die Adoption und die Aufnahme von Stiefkindern passen sich in diese Reihe als intellektuell und sozial begründete Familienbeziehungen ein. Dabei war gerade in Europa, wie eingangs beschrieben, die Begründung weiterer, religiös oder durch Heiraten etablierter Eltern-Kind-Verhältnisse möglich, die neben die blutsmäßige Verwandtschaft traten.171 Solche Verwandtschaftsverhältnisse wirken bis heute fort. So konnte und kann ein Kind beim „Vater“ in der Kirche mit seinen „Brüdern und Schwestern“ beten und beichten, von seinem Paten oder Englisch „god-father“ unterstützt werden und später einen „Schwiegervater“ bei seiner Eheschließung bekommen. Es mag an dieser Stelle nur am Rande darauf verwiesen sein, dass auch die Heilige Familie einen Fall von Mehrelternschaft darstellt.172 Auch dies weist daraufhin, dass Elternschaft schon sehr früh in verschiedener, über Blutsbande hinausgehender Weise gedacht werden konnte. (5)  Zwischenergebnis: Alloparents Diese Ergebnisse zeigen, dass die Entwicklung sicherer Bindungen wichtig für ein Kind ist, diese aber keinesfalls nur zur Mutter oder zu zwei Eltern bestehen können. Dass menschliche Kinder im Gegensatz zu anderen Jungtieren durchaus von mehreren Menschen beaufsichtigt werden können, zeigt sich allein daran, dass Mütter im Gegensatz zu den meisten Muttertieren überhaupt bereit sind, ihre Kinder anderen anzuvertrauen. Die Kooperation nicht nur zwischen beiden genetischen Eltern, sondern auch mit anderen Gruppenmitgliedern einschließlich der Großeltern war notwendige Voraussetzung des Überlebens und der spezifischen Entwicklung des Menschen zu einem kooperierenden kommunizierenden Wesen. ff. Zwischenergebnis Damit ist die Zahl der Eltern weder zum Schutz des Kernbereichs der Institutsgarantie Elternschaft noch zum Schutz des Kindeswohls notwendig auf zwei zu begrenzen. 170 

Harari, Sapiens, 2011, 163 ff. Vgl. oben Teil 2 I 1 a (S.  34); Mitterauer, Warum Europa?, 2004, 82 ff. 172  Vgl. dazu Bernard, Kinder machen, 2014, 482. 171 

II.  Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Ausgestaltung der Elternpositionen

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Vielleicht werden Familien in Zukunft mehr und mehr lernen, mit Konstellationen multipler Elternschaft zu leben, in denen die verschiedenen Eltern einander bei der Zeugung und Erziehung von Kindern helfen. Vielleicht könnte die multiple Elternschaft das Familienleben nicht nur schwieriger, sondern manchmal sogar einfacher für Menschen machen, die Berufstätigkeit, Kindererziehung und in zunehmendem Maße die Fürsorge für alternde Eltern in eine relativ kurze Lebensspanne pressen müssen. Einzelne Aussagen von homosexuellen Co-Eltern weisen in diese Richtung.173 Übernehmen Co-Eltern die Betreuung ihres Kindes untereinander, so könnte dies sogar zu einem größeren Maß an Stabilität im Leben eines Kindes beitragen als ständig wechselndes, schlecht bezahltes Betreuungspersonal in einer Kinderkrippe. c.  Kindeswohl und Ausgestaltung mit Blick auf die Kooperationsfähigkeit der Eltern Nicht geleugnet werden kann und soll damit, dass Kinder Stabilität brauchen und unter Konflikten zwischen ihren Bezugspersonen leiden. Solche Trennungen kann das Familienrecht nicht verhindern. Bei der Lösung und Vermeidung dieser Konflikte sollte und muss das Recht aber zum Schutz des Kindes helfen. Dies verlangt jedoch nicht notwendig eine Begrenzung auf zwei Eltern, sondern vielmehr, entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur gemeinsamen Sorge nichtehelicher Eltern, die Zuweisung von Elternrechten und Pflichten unter Orientierung an der Kooperationsfähigkeit und ‑bereitschaft der Eltern. Ist diese grundsätzlich gegeben, wie bei Fällen der einverständlichen Mehr­ elternschaft, so ist nicht einzusehen, warum nicht im Einverständnis aller ­Elternteile eine rechtliche Mehrelternschaft mit weitgehend gleichen Rechten und Pflichten möglich sein soll. Dabei könnte der Gesetzgeber – jedenfalls bis zu weiteren Erfahrungen mit Mehrelternschaften – eine absolute Obergrenze für die gleichberechtigen Mehreltern vorsehen.174 Kann der Gesetzgeber nicht typisierend von einer solchen Kooperations­ fähigkeit und ‑bereitschaft ausgehen, wie in Fällen unfreiwilliger Mehrelternschaft, etwa bei einem Kuckuckskind oder einer Stieffamilie, so ist eine Zuweisung gleicher Rechte und Pflichten nach dem derzeitigen Stand der Forschung eher problematisch. Trotzdem ist es auch hier durchaus möglich, ein Mehr­ elternmodell zu wählen, ohne das Kindeswohl zu gefährden. Dies kann durch

173  „Letztendlich bedeutet das für uns, dass wir Kinder haben und trotzdem unser berufliches Leben und unsere aktuellen Lebensumstände auch überhaupt nicht umstellen müssen und trotzdem eben Kinder haben.“ Rupp/Dürnberger, in: Rupp (Hrsg.), Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften, 2009, 53, 91. 174  Vgl. zur Ausgestaltung der Mehrelternschaft Teil 5 III 1 b (S. 389).

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

Zuweisung abgestufter Elternrechte und ‑pflichten in Fällen unfreiwilliger Mehrelternschaft geschehen. Es ist kein Wunder, dass die Idee, bei Entscheidungen im Zusammenhang mit einem Kind potentiell mehr als zwei Menschen zu beteiligen wie bei einer Entscheidung unter den Gesellschaftern einer GmbH oder den Aktionären einer AG, sofort und berechtigte Zweifel weckt. Aber wie in einer Körperschaft ist es durchaus möglich, viele Menschen zu beteiligen, während nur eine begrenzte Anzahl alltägliche Entscheidungen trifft. Dies ist im Zusammenhang mit Eltern möglich, wenn nur eine kleine Zahl, beispielsweise das Paar, bei dem das Kind lebt, die wesentlichen Entscheidungen für das Kind trifft. Andernfalls wäre es gerade für kleine Kinder schwierig, ein hinreichend stabiles Umfeld für ihr Aufwachsen zu schaffen. Andere Eltern könnten geringere Rechte und Pflichten haben, die der Gesetzgeber entsprechend ausgestalten könnte.175 Dies ist nichts Neues. Auch das gegenwärtige Recht sieht geringere Elternrechte für Stiefeltern, den leiblichen Vater, Großeltern und Geschwister vor. Dass das Bundesverfassungsgericht §  1686a BGB bisher nicht für problematisch gehalten hat, zeigt, dass es sogar dieses Gericht für möglich hält, Eltern mit verschiedenen Rechten auszustatten. Dass allerdings die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, der leibliche Vater mit den Rechten des §  1686a BGB sei kein Träger des Elternrechts, nicht überzeugt, wurde bereits oben ausgeführt.176 Der leibliche Vater ist bereits Träger des Elternrechts. Es spricht also nichts dagegen, ihm noch mehr Rechte und auch Pflichten einzuräumen. ­Elternrechte und Pflichte werden schon jetzt nicht mehr in der Art eines „Ganz oder gar nicht“ zugewiesen. Stattdessen werden Rechte und Pflichten verschiedener Intensität eingeräumt. d. Zwischenergebnis Elternschaft ist damit nicht notwendig als ein Tandem zu denken, sondern durchaus als ein Familienauto, in dem verschiedene Eltern mitfahren und dabei Rechte und Pflichten übernehmen können. Grundsätzlich ist es dem Gesetzgeber überlassen, wie er diese Rechte und Pflichten ausgestalten will. Dabei sollte jedoch zwischen einverständlicher und unfreiwilliger Mehrelternschaft unterschieden werden. Denn im Fall der einverständlichen Mehrelternschaft kann die einverständliche Zeugung des Kindes durch mehr als zwei Personen die Grundlage einer gemeinschaftlichen Sorge für das Kind bieten, deren Konfliktpotential nicht so hoch ist, dass es eine Reduktion auf allein zwei Eltern rechtfertigen würde. Wie oben gezeigt, ist er dabei auch nicht gehindert, ein Modell mit mehr als zwei Eltern zu wählen. Nach welchen weiteren Kriterien der Gesetzgeber die Ausgestaltung vornehmen sollte, ist im Folgenden zu erörtern. 175  176 

BVerfG, Urt. v. 1.4.2008 – 1 BvR 1620/04, BVerfGE 121, 69. Teil 5 III 1 d (S. 393).

II.  Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Ausgestaltung der Elternpositionen

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4.  Anzahl der Elternverbindungen als ermessensleitendes Element für den Gesetzgeber Der Gesetzgeber ist also verfassungsrechtlich nicht gehindert, im Rahmen seines Gestaltungsspielraums auch familienrechtliche Mehrelternverhältnisse zu schaffen. Die nächste These ist, dass der Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers in Bezug auf Konstellationen multipler Elternschaft von einer Reihe von Interessen und Faktoren geleitet werden muss. An erster Stelle stehen hier die Grundrechte des Kindes und die Vermeidung schädigender Konflikte für das Kindeswohl. An zweiter Stelle müssen aber die Grundrechte der Eltern stehen, die untereinander in Ausgleich zu bringen sind. Dabei sollte die Anzahl der Elternverbindungen, die eine Person zu dem fraglichen Kind besitzt, berücksichtigt werden. Je mehr Elternverbindungen zwischen einem Elternteil und dem Kind bestehen, desto geringer ist der Ermessensspielraum des Gesetzgebers. Im Fall traditioneller Elternschaft, in dem beide Elternteile die maximale Anzahl von Elternbeziehungen mit dem Kind besitzen, gibt es keinen Ermessensund Gestaltungsspielraum für den Gesetzgeber. Die rechtliche Elternschaft mit allen Rechten und Pflichten des Familienrechts muss gem. Art.  6 Abs.  2 GG auf diese Personen übertragen werden. Art.  6 Abs.  2 GG verlangt insofern, dass ­diese beiden Eltern im verfassungsrechtlichen Sinne auch einfachrechtlich alle Rechte und Pflichten erhalten. In ihre Elternschaft darf nur im Rahmen des staatlichen Wächteramtes eingegriffen werden. Im Weiteren können die verschiedenen Elternverbindungen als Anhaltspunkte bei der Ausübung des gesetzgeberischen Ermessens unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dienen. Denn schließlich besitzen alle Personen mit einer Elternverbindung eine grundrechtlich geschützte Posi­ tion,177 die im Fall einer Mehrelternkonstellation in Ausgleich zu bringen ist. Je weniger Elternverbindungen ein Elternteil zu dem Kind hat, desto größer ist der Einschätzungs- und Ermessenspielraum, den der Gesetzgeber in der Gestaltung der Elternrechte und Pflichten zum Schutz der Vermeidung von schädigenden Konflikten für das Kind ausüben kann. Dies muss insbesondere auch gelten, wenn die Anzahl der Elternverbindungen in einzelnen Kategorien sehr stark anwächst und damit die Intensität der einzelnen Verbindung schwächer wird. Wäre in Zukunft beispielsweise die Zusammensetzung der Ei- und ­Samenzellen aus dem genetischen Material mehrerer Personen möglich,178 wie jetzt bereits beim Kerntransfer,179 wäre es zum Beispiel naheliegend, den einzelnen genetischen Elternverbindungen eine geringere Rolle zuzubilligen. 177 

Vgl. dazu oben Teil 4 III (S. 311). Vgl. dazu Teil 3 VIII 3 (S.  274). 179  Vgl. dazu Teil 3 VIII 2 (S.  273). 178 

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

Je mehr Elternverbindungen ein Elternteil umgekehrt hat, desto kleiner ist der Spielraum des Gesetzgebers. Im Fall einer gleichmäßigen Anzahl von Verbindungen hat der Gesetzgeber einen größeren Ermessensspielraum, den materiell- und verfahrensrechtlichen Rahmen so zu bestimmen, dass jene Eltern die meisten Elternrechte erhalten, bei denen das Kind sich voraussichtlich am besten entwickeln wird. Der Gesetzgeber kann in diesem Rahmen auch entscheiden, verschiedene Rechte verschiedenen Eltern mit verschiedenen Elternverbindungen zuzuweisen. Je mehr Elternverbindungen ein Elternteil aber besitzt, umso problematischer ist ein Ausschluss von allen Rechten und Pflichten gegenüber dem Kind. Im Anayo-Fall180 beispielsweise besaß Herr Anayo als leiblicher Vater zwei Elternverbindungen zu den Zwillingen, die Initiativverbindung und die genetische Verbindung. Dem Ehemann und rechtlichen Vater kam demgegenüber nur eine Elternverbindung zu, die soziale Elternverbindung. Der volle Ausschluss des Herrn Anayo, der nicht auf seine rechtliche Elternposition verzichtet hatte, war in diesem Fall nicht generell gerechtfertigt. Dies bedeutet aber, dass bei ausreichender Stärke der Elternverbindung im Einzelfall der gesetzgeberische Entscheidungsspielraum soweit verkürzt sein kann, dass zumindest die Einräumung von untergeordneten Umgangsrechten nicht nur möglich, sondern sogar verfassungsrechtlich geboten sein kann.

5. Zwischenergebnis Dieser Teil behandelte die Gestaltung von Mehrelternschaften durch den Gesetzgeber. Dabei wurde gezeigt, dass der Gesetzgeber Elternschaft nicht willkürlich zuweisen darf; Eltern im Sinne des einfachen Rechts müssen grundsätzlich eine Elternverbindung zum Kind besitzen. Nur wenn die Wahrnehmung der Elternverantwortung durch eine Person mit Elternverbindung nicht bzw. nur unter Schädigung des Kindeswohls möglich ist, können Rechte und Pflichten einer dritten Person, wie z. B. Adoptiveltern, anvertraut werden, die noch keine Beziehung zum Kind begründet haben. Zum zweiten kann die – theoretisch große Zahl – von Eltern mit Rechten und Pflichten durch Verzichte reduziert werden. Solche Verzichte rechtlich zuzulassen, ist insoweit verfassungsrechtlich zulässig, als die Rechte des Kindes auf Leben, staatliche Gewährleistung stabiler elterlicher Pflege und Erziehung sowie Kenntnis seiner Abstammung gewahrt bleiben. Schließlich wurde gezeigt, dass der Gesetzgeber durchaus familienrechtliche Mehrelternverhältnisse schaffen kann. Bei einverständlichen Mehrelternschaften ist dies insbesondere denkbar, wenn die Eltern durch die gemeinschaftliche Begründung der Mehrelternschaft gezeigt haben, dass die für die gemeinsame Erziehung des Kindes erforderliche Koordinationsbereitschaft zwischen ihnen 180 

Vgl. dazu Teil 3 I 1 (S.  197); Teil 4 II 1 a (S. 302).

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

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besteht. Bei unfreiwilligen Mehrelternschaften ist das kindeswohlschädigende Konfliktpotential größer, doch schließt dies die Zuweisung untergeordneter Rechte, wie z. B. gem. §  1686a BGB und damit auch die Einrichtung einer Mehr­ elternschaft nicht aus. Überdies ist denkbar, dass in ursprünglich unfreiwilligen Mehrelternschaften, wie z. B. bei Stiefeltern, später ein Einvernehmen hergestellt wird, das ein Eingreifen zum Schutz des Kindeswohls zur Vermeidung späterer Konflikte nicht mehr erforderlich macht. Im Übrigen wird das Gestaltungsermessen des Gesetzgebers durch die Zahl der Elternverbindungen geleitet. Je mehr Elternverbindungen ein Elternteil etabliert hat, umso stärker müssen die Gründe sein, mit denen der Gesetzgeber Rechte und Pflichten anderen Eltern zuweist. Hat ein Elternteil die maximale Anzahl von Elternverbindungen etabliert, z. B. die Mutter, die vier Elternverbindungen etabliert hat, weil sie das Kind mit ihrer Eizelle gezeugt, es ausgetragen und sich darum gekümmert hat, ist das Gestaltungsermessen des Gesetz­ gebers auf null reduziert. Er muss dieser Frau elterliche Rechte und Pflichten zuweisen, wenn diese nicht beispielsweise auf ihre Position verzichtet. Je mehr Personen mit Elternverbindungen es allerdings gibt, umso mehr kann der Gesetzgeber Regelungen vorsehen, die zur Vermeidung von Konflikten zwischen den Eltern die einzelnen Elternrechte ausgestalten und dabei einschränken. ­Dabei muss er allerdings die Anzahl und Stärke der jeweiligen Elternverbindungen berücksichtigen sowie im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die Kooperationsfähigkeit der Mehreltern und die daraus resultierende Gefährdung des Kindeswohls prüfen. Ist im Fall einer einverständlichen Mehrelternschaft Sorge getroffen, dass diese Konflikte zumindest minimiert werden, bedarf die Verweigerung einer Mehrelternschaft – und damit der Ausschluss von mindestens einer Person mit Elternverbindung – einer starken Rechtfertigung. Man muss sich also Art.  6 Abs.  2 GG nicht als Tandem für zwei Eltern, sondern als Familienauto vorstellen, in dem mehrere Eltern mitfahren und durchaus auch mehrere Eltern abwechselnd am Steuer sitzen können, soweit dies die kostbare Fracht des Fahrzeugs, das Kind, nicht gefährdet.

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten Nach der Erarbeitung der Elternverbindungen als Analyseinstrument der Mehrelternschaft und der anschließenden Bestimmung des verfassungsrecht­ lichen Rahmens, in dem der Gesetzgeber die Mehrelternschaft ausgestalten kann, kommt nun die konkrete Ausgestaltung des Familienrechts in den Blick.181 Hier ist die Frage, wer von der großen Zahl potentieller Eltern welche 181  Umfangreiche Vorschläge zur Regelung der Elternschaft hat Helms in seinem Gutachten zum Deutschen Juristentag 2016 entwickelt. Viele dieser Vorschläge geben auch für Kon-

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

Rechte und Pflichten gegenüber dem Kind tragen sollte, wie Entscheidungen zu treffen sind und wie das Kind zu vertreten ist. Jedenfalls mit der Zuweisung des rechtlichen Elternstatus genießt selbst ein soziales Elternteil, der zuvor nur unter dem Schutz von Art.  6 Abs.  1 GG stand, außerdem auch den Schutz von Art.  6 Abs.  2 GG. Die zu regelnden Fragen betreffen eine Fülle rechtlicher Bereiche. Ihre erschöpfende Behandlung verdient eine eigene Untersuchung. Hier soll eine erste Annäherung in Bezug auf besonders wichtige Fragestellungen erfolgen. Aus finanzieller Sicht müssen gegenseitige Unterhaltspflichten sowie das gesetzliche Erbrecht diskutiert werden. Dabei kommen jeweils verschiedene Modelle in Betracht. Insofern stellen die folgenden Ausführungen eine Einladung zur Diskussion und weiteren Entwicklung dar. Das hier schließlich in groben Zügen vorgeschlagene Modell hat den Vorteil der Einfachheit, ist aber nicht das einzig denkbare. Das oben entwickelte Konzept der verschiedenen Elternverbindungen, sowie die Unterscheidung zwischen einverständlicher und unfreiwilliger Mehrelternschaft erleichtert sowohl de lege lata als auch de lege ferenda die Diskussion und ermöglicht es, überzeugende Antworten zu entwickeln.

1.  Wer sind die Eltern, deren Rechte und Pflichten zu regeln sind? Grundlage der folgenden Überlegungen ist die oben dargelegte Analyse nach Elternverbindungen.182 Hier ist zwischen genetischer, gestationaler, Initiativund sozialer Elternverbindung zu unterscheiden. Wie oben herausgearbeitet, dienen diese Verbindungen nicht nur der Strukturierung der Diskussion, sondern geben dem Gesetzgeber auch eine Leitlinie bei der Ausübung seiner Gestaltungsfreiheit. Dies ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber die als „Elternschaft“ bezeichneten Verbindungen vorfindet, zu ihrem Schutz berufen ist und nur in begrenztem Rahmen über sie verfügen kann. Insbesondere hat der Gesetzgeber keine willkürliche Definitionsmacht darüber, wer die „Eltern“ sind. Je mehr Verbindungen zwischen einem Elternteil und dem Kind bestehen, desto geringer ist der Gestaltungsspielraum; umso problematischer ist insbesondere ein Ausschluss des Elternteils von den elterlichen Rechten und Pflichten. Überdies ist der besondere Charakter jeder Elternverbindung und deren spezifische Bedeutung für das Kind zu berücksichtigen: Die genetische Verbindung ist eng verbunden mit dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung; die Initiativelternverbindung begründet vor allem eine Pflicht zur Verantwortungsübernahme für das Kind. Die gestationale und die soziale Verbindung ­legen die Grundlage für die Entwicklung des Kindes. Eine Trennung des Kinstellationen der Mehrelternschaft gute Lösungen vor. Interessante Vorschläge zur Regelung einer Drei-Elternschaft macht auch Plettenberg, Vater, Vater, Mutter, Kind, 2016, 84 ff. 182  Vgl. Teil 4 I (S.  283).

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

387

des aus einer bestehenden sozialen Verbindung sollte angesichts des Bedürfnisses des Kindes nach Kontinuität und Verlässlichkeit grundsätzlich unterbleiben. Der Wille des Kindes ist bei alledem soweit möglich zu berücksichtigen. Überdies wird eine Differenzierung zwischen Haupt- und Nebeneltern vorgeschlagen sowie die Möglichkeit, einverständlich eine gleichberechtigte Mehrelternschaft einzurichten. Zu jedem einzelnen der hier angesprochenen Punkte sind weitergehende, vor allem auch empirisch begleitete Untersuchungen erforderlich, die den Rahmen dieser Untersuchung sprengen würden. Vorliegend kann und soll nur eine erste Strukturierung als Einladung zur weiteren Diskussion erfolgen. a.  Grundlage Zwei-Elternschaft aa.  Festhalten am Statusprinzip Im Interesse einer klaren Zuweisung der Verantwortlichkeit für das Kind ist es – wie vom deutsche Recht derzeit verwirklicht – sinnvoll, einem Kind bereits zum Zeitpunkt der Geburt grundsätzlich nach klaren Regeln zwei Eltern mit dem Status der Elternschaft zuzuweisen. Die Zwei-Elternschaft wird auch in Zukunft die große Mehrheit der Fälle erfassen können. Dabei sollte das Abstammungsrecht möglichst die Personen mit den meisten Elternverbindungen als Haupteltern bestimmen. Das Statusprinzip der Elternschaft besitzt mit seinen klaren Regelungen, der Inter-omnes-Wirkung und der eingeschränkten Änderbarkeit des Status Vorteile gegenüber anderen Systemen, die oben im Vergleich mit dem englischen und schottischen Recht deutlich gemacht wurden.183 bb.  Reform der geltenden §§  1591 ff. BGB insbesondere durch Berücksichtigung des Initiativelternteils Bereits die jetzt geltenden Regeln der §  1591 BGB und §  1592 Nr.  1, 2 BGB b ­ ieten eine gute Grundlage für die Zuweisung des Status bei Geburt. In der Mehrzahl der Fälle werden die Frau, die das Kind geboren hat, und der Mann, der die Voraussetzungen des §  1592 BGB erfüllt, die genetischen, gestationalen und ­Initiativeltern sein. Selbst wenn dies nicht der Fall ist, bieten die gestationale Verbindung der Mutter und die Tatsache, dass der Partner der schwangeren Frau zur Seite gestanden hat – was häufig der Fall sein wird – wahrscheinlich eine gute Grundlage für die schnelle Entstehung einer sozialen Verbindung. Allerdings sollte das Abstammungsrecht mit Blick auf die im Teil 3 dargestellte aktuelle Diskussion und die Erkenntnissen zu den verschiedenen Elternverbindungen aktualisiert werden.184 Insbesondere das richtige Verständnis der 183 

184 

Vgl. Teil 2 II 2 (S. 114), 3 (S.  117). Teil 3 I 2 (S.  208).

388

Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

Rolle der Initiativeltern185 erlaubt eine überzeugende Neukonzeption des Abstammungsrechts, wie sie teilweise schon vom Arbeitskreis Abstammungsrecht gefordert wurde. So liegt es nahe, die rechtliche Elternschaft auch innerhalb ­einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft direkt mit der Geburt eintreten zu lassen. Die gleichgeschlechtliche Partnerin kann zwar nur bei einer Eizellen­ spende genetischer Elternteil des Kindes sein.186 Aber auch im Übrigen kann vermutet werden, dass die Partnerin der Befruchtung zugestimmt hat und daher Initiativelternteil ist. Zudem begründet die Nähe zur Mutter während der Schwangerschaft und nach der Geburt in vielen Fällen auch hier die Grundlage für das schnelle Entstehen einer sozialen Bindung zu dem Kind, weil die Mutter gerade direkt nach der Geburt besonderer Unterstützung bedürftig ist. Auch wenn die gesetzliche Regelung anstreben sollte, die Personen mit den meisten Elternverbindungen zu Haupteltern zu machen, ist die Einführung ­eines obligatorischen Vaterschaftstests187 abzulehnen. Dies würde Mütter jeweils dem Generalverdacht der Promiskuität aufgrund eines Ausnahmephänomens aussetzen.188 Außerdem würde dies nicht berücksichtigen, dass der Partner, nur weil er nicht genetisches Elternteil ist, durchaus Initiativvater sein und damit durchaus bereits eine Elternverbindung etabliert haben kann. Die Klärung der genetischen Abstammung sollte jedoch in einem Verfahren entsprechend dem heutigen §  1598a BGB möglich sein. Außerdem sollte, entsprechend der Beschlüsse des deutschen Juristentages 2016,189 und mit der Empfehlungen des Arbeitskreises Abstammungsrechts 2017190 bereits mit der Zustimmung zur Befruchtung der Partnerin dem Partner oder der Partnerin die Elternschaft für das Kind bei Geburt zugewiesen werden. Das österreichische Recht enthält eine vergleichbare Regel in §  144 Abs.  2 ABGB. Nur die sofortige Zuweisung der rechtlichen Elternstellung wird der Position als Initiativelternteil und der damit übernommenen Verantwortung gerecht. Eine weitere Möglichkeit mit demselben Ergebnis wäre die Feststellung der Elternschaft nicht nur nach der genetischen Abstammung durchzuführen, sondern die Person als Elternteil feststellen zu können, die der Befruchtung zugestimmt hat, wie dies auch das Gutachten von Helms vorgeschlagen,191 der Deutsche Juristentag 2016192 beschlossen und der Arbeitskreis Abstammungs-

185 

Teil 5 I 3 (S.  344). Plettenberg spricht in Bezug auf das geltende Recht insoweit sehr hübsch vom „Imitationsbedürfnis des ‚natürlich‘ Möglichen“, Plettenberg, Vater, Vater, Mutter, Kind, 2016, 58. 187 Dafür: Willutzki, ZRP 2007, 180. 188  Janott, ZRP 2008, 132; Plettenberg, Vater, Vater, Mutter, Kind, 2016, 74 ff. 189  Vgl. Beschlüsse des 71. DJT, 2016 noch unveröffentlicht. 190  Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, Thesen 39 ff., S.  59 ff., Thesen 50 ff., S.  70 ff. 191 Vgl. mit umfangreichen Nachweisen und rechtsvergleichender Diskussion: Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 18 ff. 192  Beschlüsse des 71. DJT 2016, noch unveröffentlicht. 186 

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

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recht empfohlen193 hat. Die Rolle des Anfechtungsrechts wird unten diskutiert.194 cc.  Mehrelternschaft als Gestaltungsaufgabe Zu überlegen ist allerdings, wie Fälle von Mehrelternschaft in das Familien- und Erbrecht zu integrieren sind. Dafür ist zum einen zu klären, wie Rechte und Pflichten einer Mehrheit von Personen gegenüber einem Kind zugewiesen werden können. Dies betrifft sowohl die Frage der Zuordnung der Rechte (und Pflichten) wie ihrer Ausübung. Zum anderen ist zu entscheiden, welche Personen überhaupt als Eltern mit Rechten und Pflichten in Betracht kommen. b.  Mehrelternschaft und Schutz des Kindeswohls Bei der Gestaltung der rechtlichen Positionen von Mehreltern muss der Fokus des Gesetzgebers darauf gerichtet sein, die Grundrechte des Kindes bestmöglich zur Entfaltung zu bringen. Wie oben bereits ausgeführt, sind dies vor allem das Recht auf Kenntnis seiner Abstammung (Art.  2 Abs.  1 GG iVm Art.  1 Abs.  1 GG)195 sowie auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung (Art.  2 Abs.  1 iVm Art.  6 Abs.  2 GG)196 und auf Schutz seiner Familie (Art.  6 Abs.  1 GG).197 Insbesondere muss der Gesetzgeber dafür sorgen, dass Konflikte zwischen den Eltern, unter denen das Kind leiden könnte, möglichst vermieden werden. Elternkonflikte können zwar auch zwischen zwei Eltern auftreten, insbesondere wenn ihre Beziehung zerbrochen ist. Aber der Gesetzgeber kann – jedenfalls bis zum Vorliegen verlässlicher Daten zu Elternkonflikten – im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative davon ausgehen, dass die Gefahren von Elternkonflikten in Mehrelternverhältnissen eher höher sind als zwischen zwei Eltern, und seinen Gestaltungsspielraum entsprechend nutzen. Sollte sich in späteren wissenschaftlichen Untersuchungen und aufgrund größerer praktischer Erfahrung in den Familiengerichten zeigen, dass dieser Eindruck nicht zutrifft, kann und muss der Gesetzgeber entsprechend reagieren. Derzeit werden jedoch die sonst drohende Vervielfachung von Elternkonflikten und die Gefahr, dass elterliche Verantwortung von einem Elternteil zum anderen „weitergeschoben“ werden könnte, als wesentlicher Grund gegen rechtlich institutionalisierte Mehrelternschaft vorgebracht.198 Darum sollte der Gesetzgeber zum Schutz des Kindeswohls auf der derzeitigen Tatsachengrund193 

Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, These 41, S.  61, These 53, S.  71. Teil 5 III 1 d bb (S. 399). 195  Teil 5 I 3 (S.  344). 196  Teil 5 I 1 (S. 342). 197  Teil 5 I 2 (S.  343). 198  Teil 3 I 3 (S. 227). 194 

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

lage vorsichtig agieren und eine Mehrelternschaft nur unter der Voraussetzung zulassen, dass Konflikte minimiert und Verantwortlichkeiten klar zugewiesen werden.199 Überdies könnte der Gesetzgeber auch – jedenfalls bis zu weiteren Erfahrungen mit Mehrelternschaften – eine absolute Obergrenze jedenfalls für die gleichberechtigen Mehreltern vorsehen. Die Zahl vier wäre hier z. B. denkbar, weil dies sowohl die Beteiligung von zwei Paaren in einer Queer-Family ermöglichen würde als auch den Fall von zwei Stieffamilien erfassen könnte, die die getrennten leiblichen Eltern mit neuen Partnern gegründet haben. Überdies ist diese Zahl auch aus dem alten Adoptionsrecht, das eine „schwache Adoption“ ermöglichte, bereits bekannt. c.  Elternautonomie, Kindeswohl und Konfliktlösung aa.  Die Rolle des Elternwillens und das Kindeswohl Die Zuweisung von Elternrechten und Elternpflichten in Mehrelternverhältnissen kann theoretisch allein, d. h. ohne Berücksichtigung des Willens der betroffenen Eltern und anderer Faktoren, durch den Gesetzgeber erfolgen, beispielsweise anhand der genetischen Verbindungen zum Kind. Eine solche Lösung würde jedoch die Grundrechte der übrigen Eltern ignorieren 200 und dem Wohl des Kindes nicht adäquat dienen, weil nicht gesichert wäre, dass die genetischen Eltern die Elternverantwortung für das Kind überhaupt übernehmen wollen. Insbesondere im Fall von Samen- und Eizellenspenden erbringen Spender ihren Beitrag zur Entstehung eines Kindes meist nicht, weil sie selbst die Eltern­ verantwortung übernehmen wollten, sondern weil sie den Initiativeltern bei der Elternwerdung helfen wollen. Mit der Anerkennung der Vaterschaft, der Zustimmung zur künstlichen Befruchtung, der Zustimmung zur Adoption, der gemeinsamen Sorgeerklärung und der Entscheidung für oder gegen eine Anfechtung misst das geltende Recht auch bereits jetzt den Entscheidungen der Eltern eine erhebliche Bedeutung nicht nur für Pflege und Erziehung, sondern auch für ihre Stellung zu. Insofern fragt sich, inwiefern sich der Wille der beteiligten Eltern, aber auch des Kindes, auf die Zuordnung von Elternpositionen auswirkt. Letztlich ist damit das Verhältnis von Elternschaft und Privatautonomie angesprochen. Dies ist insofern ein schwieriges, weil Privatautonomie als Wurzel des Privatrechts der Verwirklichung der eigenen Persönlichkeit dient, während Elternschaft vor allem bei der Entfaltung und Verwirklichung fremder Persönlichkeit unterstützen soll, nämlich der des Kindes.201 Die Entscheidungen der Eltern treffen im199  Vgl. Teil 2 II 5 g (S.  164), 6 b (S.  179), c (S.  183), Teil 3 IX 3 (S. 276), Teil 4 III 6 (S.  331); Teil 5 II 3 b (S.  368), 4 (S. 383). 200  Vgl. zur grundrechtlichen Position der verschiedenen Eltern: Teil 4 II 1–3 (S. 302 ff.). 201  Vgl. zur Ausrichtung des Elternrechts auf das Kind: Teil 2 II 4 (S.  127).

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

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mer auch das Kind; sie sind notwendig Entscheidungen mit Drittwirkung.202 Dieser grundlegende Konflikt zwischen der Selbstbestimmung als Wurzel des Zivilrechts und der mit der Elternstellung grundsätzlich verbundenen Fremdbestimmung über das Kind wurde bereits eingangs angesprochen.203 Zwar muss die Verwirklichung des Elternwillens immer im Verhältnis zum Kind gesehen werden. Das bedeutet aber nicht, dass der Elternwille gänzlich unbeachtlich bleiben muss. Dies würde nämlich bedeuten, dem Staat und seinen Organen die Entscheidung über die Zuweisung des Kindes an bestimmte Eltern zu übertragen. Der Staat kann aber dem Kindeswohl nach der Entscheidung des Grundgesetzes jedenfalls nicht besser dienen als die Eltern.204 bb.  Neubegründung der Elternschaft durch Vereinbarung? Durch die Vaterschaftsanerkennung mit Zustimmung der Mutter (§  1592 Nr.  2 BGB) und die Zustimmung zur Befruchtung kennt das geltende Recht bereits die Möglichkeit, eine Elternbeziehung durch „Willenserklärung“ ohne nachzuweisende genetische Grundlage zu begründen. Darüber hinaus wird die Begründung von rechtlich gleichberechtigten Mehrelternverhältnissen über Eltern­vereinbarungen diskutiert.205 Ist aber die Begründung von Elternschaft als rechtlicher Kategorie auch privatautonom möglich? Kann beispielsweise ein junges Paar, die gemeinsam ein Kind erwarten, den reichen Onkel durch eine Elternvereinbarung mit diesem zum Mitelternteil machen? Hinsichtlich der rechtlichen Verbindlichkeit von Vereinbarungen über die ­Elternschaft ist zu differenzieren. Einerseits denkbar ist die Zuweisung der ­Elternstellung einschließlich der Begründung neuer Elternpositionen an Personen ohne eine Elternverbindung im Wege privatautonomer Einigung mit den „primär“ berufenen Eltern. Eine solche Elternvereinbarung hätte praktisch die Wirkung einer privatrechtlichen Adoption. Andererseits denkbar sind Elternvereinbarungen zur Ausgestaltung der bereits bestehenden Elternverbindungen und über die Rechte und Pflichten der Eltern. Nach hier vertretener Auffassung ist die Begründung des Status der Elternschaft im Wege privatautonomer Vereinbarung unzulässig, sondern bleibt dem Adoptionsverfahren vorbehalten. Wie bereits oben ausgeführt, dürfen Elternrechte vom Gesetzgeber nicht willkürlich zugewiesen werden. Aber auch Eltern selbst können die Elternschaft für ein Kind nicht einfach willkürlich durch Vereinbarung übertragen wie Rechte 202  Vgl. dazu Budzikiewicz, in: Boele-Woelki/Dethloff/Gephart (Hrsg.), Family Law and Culture in Europe: Developments, Challenges and Opportunities, 2014, 151 ff. 203  Vgl. dazu bereits Teil 1 II 4 c (S.  24). 204  Vgl. zum Elternprimat bei der Bestimmung des Kindeswohls: Teil 2 II 4 d (S.  132). 205  Dafür unter Verweis auf die Rechtslage in Ontario (AA v. BB. (2007) OR (3d) 561 (CA)) und British Columbia (vgl. Sec. 30 Family Law Act of British Columbia 2014) Dethloff, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung durch Reproduktionsmedizin, 2016, 53 f.; vgl. auch die Diskussion beim 71. DJT, 2016.

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

an einem Haus oder eine Forderung. Dies würde der Menschenwürde des ­K indes nicht entsprechen. Außerdem könnte dies, wenn Übertragungen von Elternschaft mit indirekten Zahlungen begleitet würden, Strukturen des Kinderhandels ermöglichen, was unbedingt zu verhindern ist. Sollen Personen, die keine Elternverbindung mit dem Kind aufgebaut haben, Eltern werden, so ist ihre Eignung in einem behördlichen Adoptionsverfahren zu überprüfen. Eltern im Sinne des BGB müssen daher eine Elternverbindung haben. Der reiche Onkel müsste demnach eine Initiativverbindung zu dem Kind begründen, damit er eine Elternposition einnehmen kann, eine ausreichend starke soziale Beziehung als sozialer Elternteil etabliert haben oder das Kind im Rahmen eines staatlichen Verfahrens mit Zustimmung der Eltern adoptieren. cc.  Exkurs: Widerruflichkeit und Initiativelternschaft Im Zusammenhang mit der Frage nach der privatautonomen Begründung der Elternschaft soll kurz noch die Frage angesprochen werden, bis zu welchem Zeitpunkt die Zustimmung zur künstlichen Befruchtung der Partnerin widerrufen werden kann. Diese Frage ist dahingehend zu beantworten, dass die Zustimmung jedenfalls nach der Zeugung des Kindes nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Gegen die Zulässigkeit von Widerrufsmöglichkeiten und einer gerichtlichen Inhaltskontrolle, die zu einer nachträglichen Änderung der Entscheidung führen würde, spricht jedenfalls, dass Elternschaft, einmal begründet und in Bezug auf ein Kind ausgeübt, schwerlich rückabgewickelt werden kann und im Interesse eines Kindes auch für die Zukunft nicht einfach wieder aufgehoben werden darf.206 Dieses Ergebnis ist auch eindeutig, wenn man die Stellung des Zustimmenden als Initiativelternteil versteht, dessen Zustimmung zur Befruchtung dem Zeugungsakt beim Geschlechtsverkehr vergleichbar ist. Auch dieser kann von den Beteiligten später jedenfalls nach der Geburt nicht mehr ungeschehen gemacht werden. Möglich sind vorher zwar ein Schwangerschaftsabbruch bzw. die Einnahme der Pille danach, aber auf die Anwendung dieser Mittel hat jedenfalls der beteiligte Mann keinen Einfluss. Ein anderer Fall, in dem die Zulässigkeit eines Widerrufs einer einmal gegebenen Entscheidung sogar angezeigt sein kann, ist der der Leihmutterschaft. Für den Fall, dass man eine derartige Regelung in Zukunft einmal in Deutschland vorsehen wollte, müsste sichergestellt werden, dass die Leihmutter, die das Kind doch nicht herausgeben möchte, das Kind behalten darf.207

206  So auch in Bezug auf die Zustimmung zur Befruchtung des Partners: Brudermüller, Referat zum 71. DJT, 2016. Die Gewährleistung des Bestandschutzes der Adoption war wesentlicher Aspekt in der Adoptionsreform 1970 BT-Drucks. 7/3061, 36 ff.; vgl. Jayme, FamRZ 1974, 115, 116. 207  Dazu noch unter Teil 5 III 4 b dd (S.  434).

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

393

dd. Zwischenergebnis Damit kann eine Elternstellung nicht allein im Wege privatautonomer Vereinbarung begründet werden.208 Denkbar ist Elternhandeln somit zwar nicht zur Neubegründung von Elternpositionen, wohl aber als Instrument zur Lösung potentieller Elternkonflikte zwischen den bereits vorhandenen Eltern. Die Lösung von Mehrelternkonstellationen kann zum einen dadurch geschehen, dass die Zahl der Eltern durch Verzicht oder Anfechtung reduziert wird (dazu sogleich unter d), zum anderen dadurch, dass manche Eltern eine abgestufte Position erhalten (f), und schließlich dadurch, dass eine gleichberechtigte Mehrelternschaft grundsätzlich nur dann und soweit zugelassen wird, wie sämtliche beteiligte Eltern einverstanden sind (e). Denn in dieser Situation können die Voraussetzungen für eine gleichberechtigte kooperative gemeinschaft­ liche Elternschaft geschaffen werden. d.  Verminderung der Zahl der Eltern durch Verzicht und Anfechtung Ein wesentlicher Gesichtspunkt bei der Zuweisung von Elternpositionen sollte sein, ob die jeweilige Person bereit ist, neben den Elternrechten auch die Elternpflichten zu übernehmen. Schließlich sind elterliche Rechte und Pflichten untrennbar miteinander verbunden. Diese untrennbare Verbindung von Rechten und Pflichten zur Elternverantwortung muss auch das Leitbild bei der recht­ lichen Ausgestaltung sein. Insofern haben sämtliche Eltern – je nach gesetzgeberischer Entscheidung – rechtliche Pflichten in Bezug auf ihr Kind, wie z. B. die Zahlung von Kindesunterhalt.209 Überdies braucht ein Kind Liebe, Geborgenheit und Verlässlichkeit; Eigenschaften zu denen eine Person auch mit recht­ lichen Mitteln nicht gezwungen werden kann. Eine solche, erzwungene ­Eltern-Kind-Beziehung würde auch dem Kindeswohl – wenn überhaupt – nur eingeschränkt dienen.210 Darum sollte das Recht gewährleisten, dass nur solche Menschen elterliche Rechte und Pflichten zugewiesen erhalten, die diese Pflichten zu tragen bereit sind. Auf diese Weise lässt sich die Zahl der denkbaren ­Eltern in vielen Fällen reduzieren. Mit der Zustimmung zur Adoption und der Samenspende kennt das deutsche Recht im Ergebnis bereits Fallgestaltungen, in denen ein Elternteil oder sogar alle beide Elternteile der Begründung von ­Elternrechten und Elternpflichten von Dritten zu einem Kind zustimmen, mit dem sie Elternverbindungen besitzen. Bei Samenspendern die genetische Ver-

208 Leihmutterschaftsfälle stehen nicht im Zentrum dieser Untersuchung. Gleichwohl wird die Bindungswirkung von Leihmutterschaftsvereinbarungen für den Fall diskutiert, dass die Leihmutter das Kind nach der Geburt nicht herausgeben möchte. Darauf wird unten im Teil 5 III 4 (S.  431) eingegangen. 209  Vgl. zur rechtlichen Bedeutung der Elternschaft Teil 1 II 3 d (S. 16). 210  BVerfG, Urt. v. 1.4.2008 – 1 BvR 1620/04, BVerfGE 121, 69, 98 ff.

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

bindung, bei durch Adoptionen freizugebenden Kindern meist auch die gestationale und Initiativverbindung sowie soziale Verbindung. Die Anfechtung erlaubt es traditionell, die rechtliche Elternschaft zu einem Mann zu lösen, der nicht der genetische Vater ist. All diese Instrumente lassen sich als Instrumente der Regelung von Mehrelternkonstellationen nutzen und reformieren. aa.  Verzicht auf die Elternposition – Registereltern Wie oben bereits dargelegt, ist es verfassungsrechtlich zulässig, dass eine Person mit einer verfassungsrechtlich geschützten Elternverbindung auf seine Rechte zugunsten eines anderen Elternteils vorgeburtlich verzichtet. Eine solche Möglichkeit des Verzichts sollte jedenfalls für Samenspender und, soweit in Deutschland zulässig, Eizellenspenderinnen, Leihmütter und Embryonenspender vorgesehen werden. (1) Adoption Eine traditionelle Form des „Verzichts“ auf Elternrechte im hier diskutierten Verständnis ist die Zustimmung der Eltern zur Adoption ihres Kindes. Hier geben die meist leiblichen, rechtlichen Eltern ihre Zustimmung, künftig anderen, manchmal noch unbestimmten Eltern, ihr Kind zu überlassen. Ob die abgebenden Eltern noch Rechte und Pflichten zurück behalten, wie im Adop­ tionsrecht bis 1976, oder eine Volladoption vorgesehen wird, ist insoweit eine Frage der Ausgestaltung, auf die später noch zurückzukommen ist. Gerade bei Stiefkindverhältnissen kann eine Adoption, insbesondere eine offene Adoption, ein Mittel zur Regelung eines Mehrelternkonflikts211 sein. (2)  Verzicht zugunsten eines anderen Elternteils Die rechtliche Zulässigkeit eines Verzichts auf die mit der eigenen Elternverbindung verbundene Rechte und Pflichten ist leichter zu rechtfertigen, wenn sie zugunsten einer anderen Person mit Elternverbindung erfolgt als zugunsten einer Person ohne Elternverbindung, aber mit dem Wunsch ein Kind zu adoptieren und eine soziale Elternverbindung erst zu etablieren. Die Zulässigkeit eines solchen Verzichts könnte einige Konflikte in Fällen der Mehrelternschaft beseitigen und sollte insoweit akzeptiert werden, als dies die Rechte des Kindes nicht beeinträchtigt. Spendet ein Mann seinen Samen, so akzeptiert das Recht bereits, dass der Initiativvater, d. h. der Ehemann der Mutter oder ihr Lebensgefährte, der das Kind anerkennt, der rechtliche Vater wird und nicht der Samenspender als genetischer Vater. Allein das Kind kann in diesem Fall im Wege der Anfechtung 211 

Vgl. unten Teil 5 III 4 (S.  431).

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

395

den Samenspender zum rechtlichen Vater machen. Im Fall der unverheirateten Mutter ist die Lage komplizierter und der genetische Vater hat kaum eine Sicherheit, nicht an seiner Vaterstellung festgehalten zu werden. Der Gesetzgeber könnte jedoch ein Verfahren einführen, beispielsweise durch notarielle Beurkundung oder Erklärung gegenüber dem Jugendamt, in dem ein Samenspender oder eine Eizellenspenderin ihre Rechte und Pflichten an dem zu gebärenden Kind auf die Initiativeltern übertragen könnten. In diese Richtung gehen bereits Vorschläge und Beschlüsse des Deutschen Juristentages 2016.212 Grundsätzlich wäre eine solche Übertragung der Rechte und Pflichten aus ihrer Elternverbindung auch einer Leihmutter möglich. Ein Recht, durch die leibliche Mutter aufgezogen zu werden, gibt es nicht, denn andernfalls wäre eine Adoption unzulässig.213 Die Weitergabe des Kindes von der Leihmutter an die Wunscheltern ist insoweit einer Adoption vergleichbar.214 Einige Länder erlauben Leihmutterschaftsvereinbarungen bereits. Mit seiner Leihmutterschaftsentscheidung vom 10.12.2014 hat der BGH zumindest erklärt, dass die Anerkennung einer solchen Entscheidung nicht gegen den ordre public verstößt.215 Die ethische Würdigung der Leihmutterschaft und die Frage ihrer Einführung und Anerkennung in Deutschland stehen nicht im Zentrum dieser Untersuchung, sondern nur die Zuordnung von Elternschaft und die grundsätzliche Zulässigkeit eines Verzichts. Bei der Leihmutterschaft ist jeweils außerordentlich problematisch, ob die Leihmutter an der Vereinbarung festgehalten werden kann, wenn sie sich entscheidet, das Kind nicht herauszugeben.216 An dieser Stelle ist jedoch allein die Frage zu beantworten, ob die Entscheidung der Frau, ihr Kind an die Initiativeltern abzugeben, die einer Freigabe zu Adoption ähnelt, akzeptiert werden kann. Dies ist der Fall, obwohl der Staat die Eignung der Initiativeltern in diesem Fall anders als die von Adoptiveltern nicht überprüft. (3)  Grenze: Schutz der Rechte des Kindes Ein solcher Verzicht bzw. eine Übertragung ist allerdings dann problematisch, wenn ihre rechtliche Ausgestaltung dazu führt, dass die rechtlichen Interessen des betroffenen Kindes verletzt werden. Ein solches Ergebnis muss der Gesetzgeber mit Blick auf seine Schutzpflichten gegenüber dem Kind vermeiden. Hier geht es vorranging um Instrumente, jedenfalls das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung (a) und Zuordnung überhaupt eines Elternteils (b) zu

212 

Vgl. dazu oben Teil 3 I 2 e (S. 219). Heun, in: Bockenheimer-Lucius/Thorn/Wendehorst (Hrsg.), Umwege zum eigenen Kind, 2008, 49, 54; Duden, Leihmutterschaft, 2015, 157. 214  Heun, in: Bockenheimer-Lucius/Thorn/Wendehorst (Hrsg.), Umwege zum eigenen Kind, 2008, 49, 54; Duden, Leihmutterschaft, 2015, 157 ff. 215  Vgl. dazu Teil 3 II 1 b (S.  210). 216  Zu dieser Frage knapp unter Teil 5 III 4 (S.  431). 213 

396

Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

sichern, die sich mit Modifikationen auch für die hier interessierenden Fallkonstellationen fruchtbar machen lassen. (a)  Kenntnis der Abstammung Wie bereits oben ausgeführt, hat das Kind grundsätzlich ein Recht auf Kenntnis seiner Abstammung.217 Um dieses Recht zu wahren, müsste die Übertragung so ausgestaltet werden, dass das Kind die Möglichkeit behält, über die Identität des Spenders Informationen zu erhalten. Wann und wie dies erfolgt, wäre eine Frage der gesetzgeberischen Ausgestaltung. Das genetische Band, das durch die Spende entstanden ist, besteht für das Kind ein Leben lang und muss als solches auch anerkannt werden. Die Bewahrung eines solchen Rechts schließt aber eine Übertragung der übrigen Rechte und Pflichten einschließlich der Pflicht zur Unterhaltszahlung nicht aus.218 Dem entspricht der am 1.7.2018 in Kraft tretende §  1600d Abs.  4 BGB219 der vorsieht, dass der Spender an eine Samenbank, dessen Samen in einer medizinischen Einrichtung verwendet wurde, nicht als Vater festgestellt werden kann. Denkbar ist aber auch die Einführung eines entsprechenden Verzichtsverfahrens für private Samenspender, beispielsweise durch Erklärung gegenüber dem Jugendamt oder im Wege notarieller Beurkundung.220 Fraglich ist allerdings, welche Art von Kenntnis das Kind über genetische Eltern gewinnen können muss. Vom Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung umfasst ist nach dem Stand der Diskussion nur die Kenntnis von der Person, von der man abstammt, d. h. ihres Namens.221 Nicht diskutiert wird, soweit ersichtlich, ob dazu auch das Recht gehört, diese Person zu treffen und kennen zu lernen. Dafür würde jedenfalls sprechen, dass für die Bildung der eigenen Identität die Kenntnis der Abstammung von einer Person, von der man ausschließlich den Namen kennt, nur wenig aussagekräftig ist. Will sich das so gezeugte Kind mit der Person seines Spenders optisch und charakterlich vergleichen und sich so zu ihm „in Beziehung“ setzen, so ist dies effektiv nur durch persönliche Treffen möglich. Dies gegen den Willen eines Spenders durchzusetzen ist jedoch schwierig und würde, wie im Fall eines erzwungenen Umgangs, dem Kindeswohl im Zweifel nicht nützen. Insofern ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts interessant, in der die zwangsweise Durchsetzung des Umgangsrechts eines Kindes mit seinem unwilligen Vater stand. Das Bundesverfassungsgericht führte aus, dass es zwar eine elterliche Umgangspflicht gebe. Müsse die Umgangspflicht allerdings gegen den Willen des Elternteils 217 

Teil 5 I 3 c (S. 356). Der Verein Spenderkinder e.V. befürwortet eine solche Regelung, damit Samenspender nicht aus Angst vor finanziellen Nachteilen auf Anonymität bestehen: Bernard, Kinder machen, 2014, 139. 219  BGBl. I 2017, 2513. 220  Vgl. dazu bereits oben Teil 3 I 2 e bb (S. 220). 221  Vgl. Maunz/Dürig-GG/‌D i Fabio, 39. Lieferung 2001, Art.  2 , Rn.  212 ff. 218 

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

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zwangsweise durchgesetzt werden, würde dieser erzwungene Umgang im Zweifel dem Kindeswohl nicht nützen. Vielmehr drohten dem Kind sogar psychische Schäden durch die ablehnende Haltung des Elternteils.222 Spender können jedenfalls gegenüber dem Spenderkind keine größeren, sondern im Gegenteil eher geringere Pflichten treffen als Eltern, die eine größere Zahl an Elternverbindungen etabliert haben. Im Gegensatz zum leiblich-rechtlichen Vater, den nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts eine Pflicht zum Umgang traf223 und der mindestens zwei Elternverbindungen zu seinem Kind etabliert hat, hat ein Spender zum Kind nur eine einfache Elternverbindung etabliert. Geht man davon aus, dass Spender auf ihre Elternrechte verzichten können und dies zumeist auch tun,224 folgt daraus auch, dass die Pflichten, die sie gegenüber den mit ihrem genetischen Material gezeugten Kindern treffen, geringer sind als die von Elternteilen, die dies nicht getan haben und mehr Elternverbindungen zu dem Kind etabliert haben. Dies spricht dafür, dass in der Abwägung der Interessen des Kindes auf Kenntnis gegen die Interessen des Spenders oder der Spenderin die Erlangung des Namens ausreicht. Mit dieser Information kann das Spenderkind versuchen, einen persönlichen Kontakt herzustellen. Wünscht der Spender oder die Spenderin einen solchen Kontakt nicht, so ist das Interesse des Kindes an persönlichen Treffen mit dem Spender nicht als so schützenswert anzusehen, als dass die zwangsweise Durchsetzung dieses Rechts angezeigt wäre. Im §  2 Abs.  2 des neuen Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von ­Samen vom 17.7.2017 ist die (widerrufliche) Möglichkeit vorgesehen, dass der Spender für das Kind weitere freiwillige Angaben zu seiner Person und Beweggründen hinterlässt. Bereits jetzt ist die Zeugung eines Kindes unter Verwendung der Eizellen von zwei Frauen denkbar. Wird der Zellkern der austragenden Frau in die entkernte Zelle einer anderen Frau eingepflanzt, so erhält das Kind auch Mitochondrien und damit genetisches Material aus dem Körper der Eizellenspenderin. Bei ­einer weiteren Entwicklung der Fortpflanzungstechnik ist aber auch denkbar, dass die Zeugung eines Kindes unter Verwendung des genetischen Materials verschiedener Personen möglich wird. Hier stellt sich dann die Frage, gegenüber wie vielen Personen ein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung sinnvollerweise ausgeübt werden könnte. Beim Beitrag kleinster genetischer Sequenzen durch eine Person mag man dies verneinen. Denkbar wäre auch anzunehmen, dass eine Person, deren genetisches Material von vier Spendern abstammt, zu diesen eine ähnlich entfernte genetische Verwandtschaft besitzt wie andere Personen zu ihren Großeltern, gegenüber denen im allgemeinen kein Recht auf 222 

BVerfG, Urt. v. 1.4.2008 – 1 BvR 1620/04, BVerfGE 121, 69, 102. BVerfG, Urt. v. 1.4.2008 – 1 BvR 1620/04, BVerfGE 121, 69, 95 f. 224  Vgl. dazu oben Teil 3 I 2 a (S. 209), e (S.  219), f (S. 224). 223 

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

Kenntnis der Abstammung angenommen wird. Eine solche Folgerung ist allerdings nicht unproblematisch, weil sie den so gezeugten Kindern letztlich zumutet, ohne eine Verbindung zu ihrem genetischen Ursprung aufzuwachsen, nur weil an ihrer Zeugung mehrere Personen beteiligt waren. Die Festlegung eines Prozentsatzes der genetischen Gemeinsamkeit, ab dem ein Recht auf Kenntnis der Abstammung zu verneinen ist, dürfte auch schwer fallen. Dies spricht dafür, ein Recht auf Kenntnis der Abstammung auch in diesem Fall eher anzunehmen. Hinzukommt, dass die daraus folgenden Verpflichtungen des Spenders nach dem hier vertretenen Ansatz nicht einschneidend sind. Beschränkt sich das Recht des Kindes darauf, an den Spender eine Kontaktanfrage zu richten, auf die dieser aber nicht reagieren muss, so sind die aus dem Auskunftsrecht des Kindes folgenden Beeinträchtigungen für den Spender nicht so groß dass sie diesem nicht zumutbar wären. (b)  Keine Flucht aus der Verantwortung Weiter kann ein Verzicht mit Verlust aller Rechte und Pflichten dann nicht in gleicher Weise akzeptiert werden, wenn dieser Verzicht einer Flucht aus der Verantwortung gleichkäme, weil keine andere Person mit einer Elternverbindung bereit ist, die entsprechende Elternverantwortung zu übernehmen. Die Initiativeltern eines Kindes können ihre Verantwortung für das Kind grundsätzlich nicht ablegen, weil das Kind aufgrund ihrer Handlungen geboren wurde. Dieser Gedanke wurde auch vom BGH in seinen Entscheidungen zur ­Samenspende und zur Leihmutterschaft ausgeführt.225 Denkbar ist allerdings eine frühe, d. h. vorgeburtliche, Übertragung auf andere Eltern, wie z. B. im Fall einer Embryonenspende oder – für den Fall der Samenspende – wenn ein neuer Partner die Mutter heiratet bzw. die Vaterschaft mit Zustimmung des Mannes anerkennt, der ursprünglich der Samenspende zugestimmt hatte. Entscheidend ist nämlich, dass zum Zeitpunkt der Geburt das Kind fest den Personen bzw. mindestens einer Person 226 zugeordnet ist, die Elternverantwortung für es tragen Überdies hat das Kind ein Grundrecht auf staatliche Gewährleistung elter­ licher Pflege und Erziehung. Die rechtliche Ausgestaltung multipler Elternschaft verlangt, dass soziale Eltern vorhanden sind, die dem Kind langfristig elterliche Pflege und Erziehung geben können. Ein Verzicht ist deshalb nur ­zugunsten anderer Personen denkbar, die die soziale Elternrolle übernehmen wollen.

225  BGH, Urt. v. 3.5.1995 – XII ZR 29/94, BGHZ 129, 297, 302; BGH, Urt. v. 23.9.2015 – XII ZR 99/14, BGHZ 207, 135 = NJW 2015, 3434, 3435. 226 Vgl. zum hier nicht im Fokus stehenden Problem der Einelternschaft: Teil 5 II 2 b (S. 364).

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

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(4) Zwischenergebnis Das geltende Recht sollte eine Verzichtsmöglichkeit insbesondere für den ­Samenspender zugunsten der Initiativeltern vor der Geburt des Kindes vorsehen. In diesem Fall verringert sich durch den Verzicht die Zahl der Eltern, deren Rechte und Pflichten in Bezug auf das Kind bestimmt und koordiniert werden müssen. Gerade im Fall von Samenspendern vermindert eine solche Verzichtsmöglichkeit das Konfliktpotential zwischen verschiedenen Personen mit ­Elternverbindung. Allerdings müssen die Rechte des Kindes auf Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung sowie Kenntnis seiner Abstammung gewährleistet bleiben. Letzteres kann durch Einführung eines Spenderregisters geschehen, wie es das Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen vom 17.7.2017227 bestimmt. Die genetischen Eltern und die Geburtsmutter sollten zur Gewährleistung des Rechts des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung dokumentiert werden, sei es durch die Einrichtung offizieller Register oder – im Fall privater Samen­ spende – durch Auskunftsrechte gegen die rechtlichen Eltern sowie das Recht auf Einsicht in die Unterlagen, mit denen die genetischen Eltern und die gestationale Mutter auf ihre Elternposition zugunsten der Initiativeltern verzichtet haben. Insofern ließe sich von „Registereltern“ sprechen. Statt eines speziellen Registers für bestimmte Spenderarten ließe sich aber auch überlegen, Angaben zu den „Registereltern“ im Personenstandsregister zu vermerken. Dies hat Gössl bereits de lege lata für Angaben zur Geburts- und genetischen Mutter im Fall einer ausländischen Leihmutter vorgeschlagen.228 bb. Anfechtung (1)  Anfechtung des „Schein-Elternteils“ Die Anfechtung gem. §§  1599 ff. BGB ist bereits ein etabliertes Instrument bei der Lösung von Mehrelternkonflikten, da mit ihr ein Elternteil seine Elternstellung beseitigen kann. Nach dem geltenden Anfechtungsrecht kann die recht­ liche Vaterstellung bei einem Irrtum des Mannes über seine genetische Vaterschaft im Rahmen der Anfechtungsfristen des §  1600b BGB angefochten werden. Bei der Zustimmung zur künstlichen Befruchtung der Partnerin darf der Mann gem. §  1600 Abs.  5 BGB nicht anfechten. Ist also bereits zum Zeitpunkt der Zeugung notwendig der rechtliche Vater nicht der genetische Vater, so kann er gleichwohl nicht anfechten, wenn er der Initiativvater ist. Diese Sperre gilt aber nicht, wenn das Kind tatsächlich im Ehebruch gezeugt wurde.229 Bei einem 227 

BGBl. I 2017, 2513. Gössl, IPRax 2015, 273, 275 ff. 229 Palandt/Brudermüller, 76.  Aufl. 2017, §  1600, Rn.  11; Peschel-Gutzeit, FPR 2002, 285, 287. 228 

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

im Ehebruch gezeugten Kind ist der rechtliche Vater ebenfalls weder genetischer noch Initiativvater, doch stellt die Feststellung der Vaterschaft im Anfechtungsverfahren auf die genetische Abstammung ab. Bei der Einführung der gleichgeschlechtlichen Elternschaft bereits ab Geburt des Kindes wäre zu überlegen, sowohl hinsichtlich der Feststellung der Elternschaft als auch hinsichtlich der Anfechtung statt an einen Irrtum über die genetische Elternschaft an einen Irrtum über die Initiative zur Zeugung anzuknüpfen. Sowohl bei dem Ehemann, dessen Frau ein Kuckuckskind mit ihrem Liebhaber zeugt, als auch bei der Frau, deren Lebenspartnerin sich ohne Zustimmung ihrer Partnerin befruchten lässt, fehlt die Initiativelternschaft des Partners. In beiden Fällen wäre eine Anfechtung denkbar, weil die Elternschaft durch einen Bruch der Vertrauensbeziehung zwischen dem Paar zustande kam und damit die gemeinsame Basis der Elternschaft fehlt. Damit gäbe es dann auch möglicher­ weise nicht mehr zwei soziale Eltern, die die Verantwortung für das Kind zu tragen bereit sind. Heiderhoff hat in die Diskussion eingebracht, statt einer Anfechtung ex tunc eine ex nunc wirkende Anfechtung einzuführen. Damit würde das Kind den anfechtenden Vater nicht rückwirkend als Elternteil verlieren, sondern nur für die Zukunft. Insofern würde es zu einer sukzessiven Mehrelternschaft kommen, wenn im Anschluss an die Anfechtung beispielsweise der genetische Vater als rechtlicher Vater festgestellt würde.230 Mit dieser Lösung würde man zwar das Problem des Unterhaltsregresses lösen;231 der „Scheinvater“ hätte ja als recht­ licher Vater eine tatsächlich bestehende Unterhaltspflicht erfüllt. Allerdings stellt sich die Frage, ob der Scheinvater, wenn er die Anfechtung wirklich durchführt, sich nicht oft so hintergangen fühlen wird, dass er mit der Anfechtung die Vaterschaft tatsächlich ex tunc beenden wollen wird. Für einen Fall, in dem der rechtliche Vater nicht alle Verbindungen zu dem Kind kappen und an der sozialen Elternschaft festhalten will, könnte allerdings die Möglichkeit der später zu erörternden Nebenelternschaft geschaffen werden. (2)  Anfechtung des Kindes, statusunabhängiges Verfahren zur Klärung der eigenen Abstammung Auch das Kind sollte grundsätzlich das Recht haben, die Elternschaft anzufechten. Allerdings sollte in Fällen, in denen ein Elternteil auf seine Rechte verzichtet hat, auch das Kind die Elternschaft des Initiativelternteils nicht anfechten können. Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung ist durch die entsprechende Dokumentation zu sichern, nicht durch das Recht des Kindes, die 230 

Heiderhoff, NJW 2016, 2629, 2632. Vgl. zu dieser Problematik den Regierungsentwurf v. 31.8.2016 abrufbar unter: http:// www.bmjv.de/‌S haredDocs/‌G esetzgebungsverfahren/‌D okumente/‌R egE_Scheinvaterreg ress.pdf (zuletzt abgerufen am 1.10.2017). 231 

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

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rechtliche Elternschaft des Initiativelternteils anzufechten. Diese beruht ja auf der – tatsächlich existierenden – Verbindung aufgrund der Initiative des Elternteils zur Zeugung des Kindes. Überdies ist, entsprechend der Empfehlungen des Arbeitskreises Abstammungsrecht 232 ein statusunabhängiges Verfahren zur Klärung der genetischen Elternschaft mit genauen Voraussetzungen vorzusehen, das Ansprüche nicht nur gegen die eigenen Eltern, sondern auch gegenüber familienfremden Dritten zulässt. Allerdings müsste mit entsprechenden Voraussetzungen sichergestellt werden, dass keine Verfahren „ins Blaue“ erhoben werden. (3)  Anfechtung durch den genetischen und Initiativvater Überdies steht die Anfechtung der Elternschaft durch den genetischen und ­Initiativvater des Kuckuckskindes zur Diskussion.233 Auch hinsichtlich dieser Frage bietet die Analyse nach Elternverbindungen Klarheit. Der anfechtende Mann hat zwei Elternverbindungen auf seiner Seite, der rechtliche Vater nur eine, die soziale. Ist das Kind aber noch sehr klein, so ist die soziale Elternverbindung noch nicht sehr stark. Innerhalb einer gewissen Frist, möglicherweise wie nach Helms innerhalb von einem Jahr nach der Geburt, könnte die Anfechtung dazu führen, dass der genetische und Initiativvater die rechtliche Haupt­ elternstellung einnehmen kann. Für den sozialen Vater könnte aber zumindest eine noch zu erörternde Nebenelternschaft in Betracht kommen. Ist die soziale Elternverbindung demgegenüber sehr stark, weil sie beispielsweise bereits jahrelang besteht, so wäre zweifelhaft, ob eine Anfechtung die Hauptelternschaft des sozialen Vaters zerstören können sollte. Hier wäre es denkbar, die soziale Familie zu schützen und den genetischen und Initiativvater auf die Rolle des Nebenelternteils zu verweisen. Der weiteren Diskussion bedürftig wäre eine Anfechtung durch einen Initiativelternteil, der von der Mutter des Kindes nach der Befruchtung verlassen wird, die sich einem anderen Partner bzw. einer anderen Partnerin zuwendet und diese(r) zum rechtlichen Elternteil wird. Allerdings spricht in einem solchen Fall gegen die Zulässigkeit der Anfechtung, dass auf beiden Seiten, nur eine Elternverbindung stehen wird, die soziale auf der einen Seite und die Initiativverbindung auf der anderen Seite. Hier wäre allenfalls eine Nebenelternschaft denkbar.

232  233 

Arbeitskreis Abstammungsrecht, 2017, Thesen 75 ff., S.  83 ff. Vgl. zu diesem Problem Teil 3 I 1 d (S. 202), e (S.  205).

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

e.  Gleichberechtigte Mehrelternschaft aa.  Gleichberechtigte Mehrelternschaft und Konfliktgefahr Wie oben gezeigt, ist der gewichtigste Einwand gegen die gleichberechtigte Mehrelternschaft die Gefahr von Kompetenz- und Rollenkonflikten zwischen den Eltern. Solange der Gesetzgeber davon ausgehen darf, dass solche Konflikte das Kindeswohl gefährden könnten, ist er im Rahmen seines Gestaltungsspielraums bei der Ausgestaltung von Mehrelternverhältnissen berechtigt und ggf. sogar im Rahmen des Wächteramts verpflichtet, rechtlich gleichberechtigte Mehrelternverhältnisse nicht zuzulassen.234 Wie aber bereits oben gezeigt wurde, ist dies nicht gerechtfertigt, wenn das Konfliktpotential der gemeinschaftlichen Elternschaft in ausreichender Weise durch die Anstrengungen der „Mehreltern“ minimiert werden kann.235 Sind sich die Eltern einig darüber, dass und wie sie die gemeinsame Elternverantwortung wahrnehmen wollen, so besteht grundsätzlich kein Anlass, die gleichberechtigte Mehrelternschaft, auch als „Co-Mehrelternschaft“ bezeichnet, zu untersagen. In einem solchen Fall können mehr als zwei Eltern gleichberechtigte Haupteltern werden. Dabei kann der Gesetzgeber aber durchaus Obergrenzen für die Zahl möglicher Haupteltern vorsehen. Denkbar wären vier.236 Dies läge insofern nahe, als dies sowohl Queer-Families mit zwei Paaren, aber auch – was nicht selten vorkommt – die beiden Stieffamilien eines Kindes umfassen könnte, die dessen leibliche Eltern nach ihrer Trennung gegründet haben. Nach größerer Erfahrung mit Mehrelternschaften ließe sich eine Erweiterung diskutieren, wobei sicherlich eine umso strengere familiengerichtliche Kontrolle in Bezug auf die von den Eltern überlegten Konfliktlösungsmechanismen angebracht ist, je größer die Zahl der potentiellen Eltern wird. bb.  Einverständliche und unfreiwillige Mehrelternschaft Aus diesem Grund ist auf die oben entwickelte Unterscheidung zwischen einverständlicher und unfreiwilliger Mehrelternschaft aufzubauen.237 Ein Fall unfreiwilliger Mehrelternschaft liegt z. B. vor, wenn ein Kind aus der Affäre der Mutter mit einem anderen Mann hervorgeht und das Kind anschließend mit der Mutter und ihrem Ehemann aufwächst. Daneben gibt es Situationen, in denen die Mehrelternschaft von allen Beteiligten einverständlich herbeigeführt wird, beispielsweise unter Einsatz reproduktionsmedizinischer Maßnahmen. In beiden Fällen besteht die Mehrelternschaft anfänglich, d. h. schon zum Zeitpunkt 234  Eine solche gesetzgeberische Entscheidung ändert freilich nichts daran, dass mit Kuckucks- und Stieffamilien immer wieder tatsächliche Konstellationen von Mehrelternschaft entstehen. 235  Vgl. oben Teil 5 II 3 b (S.  368). 236  Vgl. oben Teil 5 II 3 c (S. 381). 237  Teil 3 IX 4 (S. 278); Teil 5 II 3 b dd (S. 372).

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

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der Geburt des Kindes. Davon zu unterscheiden sind Fälle nachträglicher Mehr­elternschaft, wie bei Adoption, Pflegelternschaft und Stiefelternschaft, die entstehen, weil entweder die ursprünglichen rechtlichen Eltern versagen oder weil die Beziehung dieser Eltern zerbricht und bei einem oder beiden Elternteilen mit dem neuen Partner ein weiteres potentielles Elternteil hinzutritt. Auch in diesem Fall kann die Mehrelternschaft einverständlich oder unfreiwillig, d. h. ohne die Zustimmung aller Eltern, eintreten. In Fällen einverständlicher Mehrelternschaft können die Parteien gemeinsam die Voraussetzungen schaffen, Kompetenzkonflikte zu minimieren und für eine klare Zuweisung der Verantwortung zu sorgen. Dies ist bei unfreiwilligen Mehrelternschaften nicht der Fall. Hier können die Eltern allenfalls später Einvernehmen herstellen, beispielsweise im Wege einer Elternvereinbarung, in der die Rolle jedes Elternteils und der Umgang mit Konflikten geklärt werden kann. Dies lässt sich insbesondere bei Stieffamilien denken, die keine Stiefkind­ adoption wünschen, sondern dem Kind den Kontakt sowohl zum Stiefelternteil als auch zum leiblichen Elternteil bewahren möchten. cc.  Gleichberechtigte Mehrelternschaft und Elternvereinbarung Wie oben gezeigt, sollte die Neubegründung einer rechtlichen Elternbeziehung im Wege privatautonomer Vereinbarung nicht möglich sein. Denkbar ist allerdings, dass Eltern, die bereits eine Elternverbindung besitzen, 238 durch eine Vereinbarung ihre Positionen untereinander klären und die Ausübung ihrer elter­ lichen Rechte und Pflichten bestimmen. Vergleichbare Elternvereinbarungen über die Wahrnehmung der elterlichen Sorge und des Umgangs sind zwischen getrennten und geschiedenen Eltern nicht selten und besitzen eine gewisse Bindungswirkung.239 In Mehrelternverhältnissen können solche Vereinbarungen aber die Fähigkeit der Beteiligten zur gleichberechtigten Kooperation zeigen, wenn diese z. B. Regelungen zur Lösung von Konflikten untereinander treffen und damit das entscheidende Indiz dafür liefern, dass die Mehrelternschaft nicht das Kindeswohl schädigen würde.240 In einem solchen Fall könnten dann die Unterzeichner der Mehrelternvereinbarung gleichberechtigte Haupteltern werden. Enthalten könnten solche Elternvereinbarungen Angaben zum angestrebten Aufenthalt des Kindes, zu seinem Vor- und Nachnamen, Umgangs- und Unter238  Dethloff spricht insofern – wenn auch nicht abschließend – von der natürlichen Elternverbindung Dethloff, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung durch Reproduk­ tionsmedizin, 2016, 56 f. 239 Vgl. Hammer, Elternvereinbarungen im Sorge- und Umgangsrecht, 2004; Palandt/ Götz, 76.  Aufl. 2017, §  1684, Rn.  40; Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 2015, §  1684, Rn.  11 ff. 240  Vgl. dazu Teil 5 II 3 b (S.  368). Vgl. Dethloff, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung durch Reproduktionsmedizin, 2016, 56 f.

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

haltspflichten sowie Angaben zur Ausübung der gemeinsamen Sorge. Um ihre konfliktreduzierende Wirkung entfalten zu können, bedarf eine solche Kinderwunschvereinbarung241 jedoch einer gewissen Bindungswirkung. Eine solche kommt derzeit abgeschlossenen Elternvereinbarungen getrennter und geschiedener Eltern allerdings nicht in vergleichbarer Weise zu.242 Im Zusammenhang mit einer stärkeren Bindungswirkung wäre allerdings zu diskutieren, wie bei einer Veränderung der Verhältnisse auch die Vereinbarung abgeändert werden kann. Dies liegt insofern nahe, als eine Elternvereinbarung ein dynamisches Verhältnis betrifft, indem sie Beziehungen der Eltern zu ihrem Kind regelt, ­deren Grundlagen und Voraussetzungen sich mit der Zeit wandeln können. Insofern ließe sich – wenn auch sehr vorläufig – argumentativ auf die Dogmatik zur Inhaltskontrolle bei Ehe- und Gesellschaftsverträgen aufbauen, die im Wege einer Ausübungskontrolle einverständlich an gewandelte Verhältnisse angepasst werden.243 Um eine angemessene rechtliche Beratung zu sichern, sollten Elternvereinbarungen der hier angesprochenen Art mit dem Erfordernis der notariellen Be­ urkundung verbunden werden. Eine Aufnahme der Elternerklärungen beim Jugendamt erscheint nicht ausreichend, da bei Mehrelternvereinbarungen komplexe Fragen der Kooperation zwischen verschiedenen Individuen geklärt wer­ den müssen, geradezu vergleichbar dem Abschluss eines Gesellschaftsvertrags, eine Aufgabe für die den Mitarbeitern eines Jugendamtes jedenfalls die nötige Zeit fehlen wird. Die Elternvereinbarung ähnelt in ihrer Funktion einer gemeinsamen Sorgerechtserklärung zwischen unverheirateten Eltern gem. §  1626a Abs.  1 Nr.  1 BGB. Die gemeinsame Sorgerechtserklärung bildete den ersten Schritt zu einem gemeinsamen Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern.244 Erst später 241  Vgl. für die Einführung von Kinderwunschvereinbarungen die Beschlussvorlage des LSVD-Verbandstag 2016: berlin.lsvd.de/‌w p-content/‌uploads/‌2016/06/‌a nlage_02_papier_ ag_‌Regenbogenfamilien.pdf (zuletzt abgerufen am 1.10.2017). 242  Für Bindungswirkung auch ohne richterliche Anerkennung: KG, Beschl. v. 29.8.1980 – 17 UF 2814/80, FamRZ 1980, 1156, 1157; Büte, Umgangsrecht, 2005, Rn.  151; MüKo-BGB/ Hennemann, 6.   Aufl. 2012, §   1684, Rn.   15; Staudinger/‌ R auscher, 2011, §   1684, Rn.   128; ­Hammer, FamRZ 2005, 1209, 1216; BeckOK-BGB/‌Veit, §  1684, Rn.  13, die eine Einschränkung der Bindungswirkung im Fall der Beeinträchtigungen des Kindeswohl zulässt; Grziwotz, in: Beiträge zum europäischen Familienrecht, Bd.  14 (2013), S.  31, 49; a. A. Johannsen/ Henrich/Jaeger, Familienrecht, 2015, §  1684, Rn.  12; Staudinger/‌Peschel-Gutzeit, 12.  Aufl., §  1684, Rn.  159, 162, 171; vgl. auch BGH, Beschl. v. 11.5.2005 – XII ZB 120/04, FamRZ 2005, 1471, 1473 nach dem die Bindungswirkung einer Umgangsvereinbarung erst mit der gerichtlichen Genehmigung einsetzt. 243  Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dieser Frage würde den Rahmen dieser Untersuchung allerdings sprengen. Vgl. zu diesem Themenkomplex: grundlegend: Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 195; dies., AcP 210 (2010), 580; Sanders, Statischer Vertrag und dynamische Vertragsbeziehung, 2008. 244  Vgl. oben Teil 2 I 3 c (S. 92); BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 12/81, BVerfGE 61, 358; BVerfG, Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168.

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

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wurde die gemeinsame Sorge auch gegen den Willen der Mutter vom Bundesverfassungsgericht für verfassungsrechtlich geboten gehalten.245 Diese Assoziation wirft unmittelbar die Frage auf, ob eine Mehrelternschaft künftig auch gegen den Willen der anderen Eltern, d. h. im Fall einer unfreiwilligen Mehr­ elternschaft, möglich sein könnte. Dies ist für die Zukunft durchaus denkbar. Allerdings erscheint in solchen unfreiwilligen Mehrelternschaften das Konfliktpotential nochmals deutlich gesteigert. Vor einer Erweiterung der Elternvereinbarung auch auf solche Fälle müssen weitere Erfahrungen mit dem Institut der Mehrelternschaft gesammelt worden sein, insbesondere dazu, ob die Gefahr elterlicher Auseinandersetzungen in solchen Verhältnissen realistisch bestimmt und begrenzt werden kann. dd.  Rechtsfolge: Rechtliche Mehrelternschaft nach familiengerichtlicher Prüfung Die Einrichtung einer gleichberechtigten Mehrelternschaft sollte damit auf der Grundlage einer gemeinsamen Elternvereinbarung möglich sein. Denkbar wäre, dass nach einer familiengerichtlichen Prüfung der Elternvereinbarung mehrere Eltern als rechtliche Eltern anerkannt und ins Personenstandsregister eingetragen werden. Über die Protokollierung der Angaben hinaus träfe in diesen Fällen das Familiengericht auch eine Prüfpflicht zur Wahrung des Kindeswohls. Auf diese Weise könnte es vor Eintragung kontrollieren, ob zu erwarten ist, dass durch die Mehrelternschaft das Kindeswohl gefährdet wird. Die Anerkennung von rechtlicher Mehrelternschaft bzw. der Einräumung der gemeinsamen Sorge nach einer positiven Kindeswohlprüfung wird in der Literatur bereits von Aust 246 und Plettenberg 247 vertreten. Nach dem hier vertretenen Modell obliegt dem Familiengericht allerdings nur eine negative Kindeswohlprüfung auf der Grundlage der vorzulegenden Elternvereinbarung und der zu erwartenden Elternkonflikte. Dies ergibt sich daraus, dass eine Beschränkung der – vom Gesetzgeber vorgefunden – tatsächlichen Elternschaft aufgrund der Elternverbindung hinsichtlich der Rechte der einzelnen Elternteile nur soweit möglich ist, wie dies andere, überwiegende Interessen – hier das Kindeswohl – gebieten. Überdies wirkt das Modell bereits auf der abstammungsrechtlichen Ebene, nicht erst auf der Ebene des Sorge- oder Umgangsrechts. Damit gelangt in der Tat ein gewisses kindeswohlabhängiges Element in das Abstammungsrecht.248 Dies kann jedoch hingenommen werden, soweit das Abstammungsrecht zum Zeitpunkt der Geburt eine Zuordnung vornimmt, die gegebenenfalls ergänzt werden kann, und nicht bereits eine Ersatzzuordnung 245 

BVerfG, Beschl. v. 21.7.2010 – 1 BvR 420/09, BVerfGE 127, 132. Aust, Das Kuckuckskind und seine drei Eltern, 2015, 290 ff. 247  Plettenberg, Vater, Vater, Mutter, Kind, 2016, 92 ff. 248  Vgl. dazu auch Plettenberg, Vater, Vater, Mutter, Kind, 2016, 84 ff. 246 

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

nach dem Prinzip „die Kinder den Mütterlichen“ allein nach den Kriterien des Kindeswohls vorgenommen wird. ee. Kindeswille Nicht allein der Wille der Eltern sollte bei der Begründung einer Mehrelternschaft maßgeblich sein. Soweit das Kind alt genug ist, ist es in Kindschafts­ sachen de lege lata gem. §  159 FamFG anzuhören. Eine solche Anhörung sollte auch vor der Einrichtung einer Mehrelternschaft stattfinden, soweit das Kind in der Lage ist, die zu diskutierenden Fragen zu verstehen. Die Notwendigkeit ­einer solchen Beteiligung des Kindes ergibt sich daraus, dass der „Hinzutritt“ eines Elternteils jenseits seiner faktischen Auswirkungen auf das Leben des Kindes nicht nur dessen Rechte, sondern auch den zukünftigen Pflichtenkreis des Kindes, gedacht sei hier insbesondere an den später möglicherweise zu zahlenden Elternunterhalt, erweitert. Bei einer anfänglichen einverständlichen Mehrelternschaft, in dem die Mehrelternschaft bereits vor der Geburt geplant wird, ist dies freilich nicht möglich. Wird eine Mehrelternschaft allerdings später eingerichtet, z. B. um einem Stiefelternteil die gemeinsame Elternschaft zu ermöglichen, so ist das Kind zu hören. Je älter es ist, desto maßgeblicher muss sein Wille sein. f.  Nebeneltern: abgestufte Elternrechte und ‑pflichten Für Personen mit einer Elternverbindung, die keine gleichberechtigten Haupteltern aufgrund einer Elternvereinbarung werden können, könnte das Institut der Nebenelternschaft vorgesehen werden. Die Einräumung von Nebenelternschaften an Personen mit einer Elternverbindung hat gegenüber der Regelung zahlreicher gleichberechtigter Eltern den Vorteil, eine begrenzte Zahl von ­Eltern als hauptsächlich Verantwortliche für das Kind zu benennen und damit Konflikte für das Kind zu minimieren, ohne die Nebeneltern ganz aus dem Leben des Kindes auszuschließen. Damit würde der Tatsache Rechnung getragen, dass Nebeneltern grundrechtlich geschützte Positionen gegenüber dem Kind zukommen, die aber im Interesse des Kindeswohls hinsichtlich der familienrechtlichen Rechte und Pflichten nicht gleichberechtigt mit den Haupteltern ausgestaltet werden. aa.  Mögliche Nebeneltern Personen mit lediglich einer Elternvereinbarung sind potentielle Nebeneltern, etwa die nur genetischen oder nur Initiativeltern, im Fall der Zulässigkeit einer Leihmutterschaft sogar die gestationale Mutter. Aber auch für Eltern mit mehreren Elternverbindungen, die der Adoption ihres Kindes zugestimmt haben,

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

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ist eine Nebenelternschaft denkbar. Weitere potentielle Nebenelternteil sind Stiefeltern. Genetische, gestationale und soziale Eltern stehen in enger Verbindung zum Kind und seiner Geschichte. Soziale Eltern weil sie bereits eine Beziehung zu dem Kind aufgebaut haben, genetische und gestationale Eltern weil sie vom Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung umfasst sind. Wie oben angesprochen, reicht dieses Recht aber nur bis zur Kenntnis des Namens, die die Möglichkeit einer Kontaktaufnahme bietet.249 Ist das gestationale oder genetische Elternteil aber sogar Nebenelternteil, so kann das Kind Ähnlichkeiten zu dieser Person im persönlichen Kontakt erfahren. Wer auf seine Rechte als Elternteil, etwa der Samenspender, verzichtet oder die Elternschaft angefochten hat,250 kommt als Nebenelternteil auf den ersten Blick nicht in Betracht. Insofern ließe sich allerdings eine qualifizierte Anfechtung bzw. ein qualifizierter Verzicht diskutieren, der dem anfechtenden Elternteil die Stellung eines Nebenelternteils belässt. Letztere Option könnte besonders für den sozialen und rechtlichen Vater eines Kuckuckskindes in Betracht kommen, der das Kind nicht ganz verlieren möchte, aber trotzdem sicherstellen will, dass der leibliche Vater eine größere Rolle in dessen Leben spielt. Ebenfalls als eine Art qualifizierter Verzicht ließe sich in der Zustimmung zu einer offenen Adoption sehen, der dem Elternteil eine Nebenelternstellung belässt. Dies wäre gerade für eine Stiefkindadoption eine sinnvolle Lösung, die im Grunde bereits jetzt in der Literatur gefordert wird.251 Überdies ist denkbar, dass einem Nebenelternteil, z. B. dem leiblichen, nichtrechtlichen Vater, ein Anfechtungsrecht gegen den rechtlichen Vater zukommt. In diesem Fall könnte das Nebenelternteil nach Anfechtung in die Rolle des Hauptelternteils einrücken und der ehemalige rechtliche Elternteil aufgrund seiner sozialen Elternstellung die Rolle eines Nebenelternteils einnehmen. bb.  Neben-Elternrechte und ‑pflichten Bereits jetzt räumt das Recht Eltern mit einer Elternverbindung neben den beiden rechtlichen Eltern – hier als „Haupteltern“ bezeichnet – bestimmte mindere elternartige Rechte ein, §§  1686a,252 1687b BGB/§  9 Abs.  2 ff. LPartG 1685 Abs.  2 BGB. Dieser Ansatz ist für den Umgang mit Mehrelternschaften durchaus denkbar; nicht alle Personen mit einer Elternverbindung müssen Rechte und Pflichten in gleichem Umfang haben.253 Auf die verschiedenen Rechte und ihre Voraussetzungen wird für die Nebeneltern wird noch eingegangen. Allerdings 249 

Teil 5 I 3 d (S. 357), Teil 5 III 1 d aa (3) (a) (S. 396) Vgl. Teil 5 III 1 d (S.  393). 251  Teil 3 III 3 (S.  250); IV 2 (S. 259). 252  Vgl. zur einem vergleichbaren Ansatz in Bezug auf Kuckuckskinder: Schröder, Wer hat das Recht zur rechtlichen Vaterschaft? 2015. 253  Teil 4 III 6 c bb (S. 336). 250 

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

sollte bei der Zuerkennung von Rechten für Nebeneltern geprüft werden, ob das Kind nicht durch eine weitere Person in seinem Leben überfordert wird. Insofern könnte – mit dem derzeit geltenden Recht – durchaus ein erhöhter Kindeswohlmaßstab für solche Rechte angewandt werden, wie z. B. der der Kindeswohldienlichkeit in §§  1686a und 1685 Abs.  2 BGB. Problematisch ist jedoch, dass die geltenden elternartigen Positionen gem. §§  1686a, 1687b BGB/§  9 Abs.  2 ff. LPartG diesen Personen nur Rechte aber keine Pflichten in Bezug auf das Kind zuweisen.254 Im Fall des kleinen Sorgerechts wird man freilich zumindest annehmen können, dass Stiefeltern, die mit dem Kind zusammenleben, freiwillig üblicherweise erhebliche materielle und immaterielle Unterstützung für das Kind leisten.255 Insgesamt mag das Konzept der derzeit geltenden Vorschriften auf dem Gedanken beruhen, dass bei der Übertragung von Rechten und Pflichten diesen Personen Elternrechte zugestanden würden, die sie in den Anwendungsbereich der Elternverantwortung im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG bringen würden. Nebeneltern sind jedoch tatsächlich Eltern, deren Elternverbindung das Recht anerkennt und nicht mehr unter dem Prinzip der Zwei-Elternschaft zu verstecken versucht. Daher müssen Nebeneltern ebenso wie Haupteltern Rechte und Pflichten in Bezug auf das Kind haben. Die Nebenelternschaft beruht insofern auf der Annahme, dass das Nebenelternteil ebenfalls eine Elternverbindung mit dem Kind besitzt, die nicht notwendigerweise weniger bedeutsam ist als die Verbindung zu den Haupteltern, insbesondere die, bei denen das Kind lebt. Die notwendige Verbindung von Rechten und Pflichten entspricht aber der Konzeption der Elternverantwortung des Grundgesetzes.256 Die Idee des Kindes als Person mit eigenen Grundrechten verbietet es insofern, anderen Menschen Rechte in Bezug auf es einzuräumen, die nicht durch Pflichten der Unterstützung und Fürsorge ergänzt werden. Insofern führte das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf die notwendige Verbindung von Elternrechten- und ‑pflichten aus: „Eine Verfassung, die die Würde des Menschen in den Mittelpunkt ihres Wertesystems stellt, kann bei der Ordnung zwischenmenschlicher Beziehungen grundsätzlich niemandem Rechte an der Person eines anderen einräumen, die nicht zugleich pflichtgebunden sind und die Menschenwürde des anderen respektieren.“257

Insofern können den Nebeneltern nicht nur Rechte zukommen, sondern auch Pflichten, wenn man Nebenelternschaft als eine eigene Form der Elternschaft versteht.258 Diese Pflichten müssen natürlich im Vergleich zu den Pflichten der 254 Kritisch:

Schwab, FS Coester-Waltjen, 2015, 223. Brudermüller, Referat zum 71. DJT, 2016. 256  Vgl. oben Teil 2 II 4 (S.  127). 257  BVerfG, Urt. v. 1.4.2008 – 1 BvR 1620/04, BVerfGE 121, 69, 93. 258  BVerfG, Urt. v. 1.4.2008 – 1 BvR 1620/04, BVerfGE 121, 69, 95 f.; Schwab, FS Coester-Waltjen, 2015, 223 ff. mit Blick auf John Locke. 255 So

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

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Haupteltern deutlich begrenzt sein, weil den Nebeneltern ja nur eingeschränkte Rechte zukommen. Dazu mit Einzelnen aber noch unten.259 cc. Status Der Status der Nebenelternschaft könnte entweder in einem eigenen Verfahren aufgrund eines Antrags beispielsweise des Nebenelternteils, der Haupteltern oder des Kindes bestimmt werden oder indirekt, wie dies beispielsweise jetzt im Rahmen der Voraussetzungen des §  1686a BGB, §  167a FamFG erfolgt. Für die erste Variante würde sprechen, dass dann der Nebenelternteil einen eigenen Status einnehmen könnte, dem die gleiche Inter-omnes-Wirkung zukommen könnte, wie dem der Haupteltern. Dann könnten Nebeneltern auch in das Personenstandsregister eingetragen werden. dd.  Wechsel von der Neben- in die Hauptelternposition Im Fall des Todes oder der Unfähigkeit der „Haupteltern“, für das Kind zu sorgen, wäre aber denkbar, die Stellung eines Nebenelternteils zu stärken. Insofern würde das Nebenelternteil die Rolle einnehmen, die kirchlich früher dem Paten zugedacht war. In diesem Fall würde es naheliegen, den Nebeneltern die Möglichkeit zu geben, die Sorge für das Kind zu übernehmen. Und, im Fall des Todes des Hauptelternteils, in die Stellung des Hauptelternteils einzurücken. Gibt man die Vorstellung auf, dass ein Kind nur zwei Eltern haben kann, dann spricht nichts dagegen, dass ein Kind auch hintereinander mehrere Haupteltern haben kann. g. Zwischenergebnis Auch nach einer Reform des Elternrechts sollte am Statusprinzip festgehalten und grundsätzlich von einer Zwei-Elternschaft ausgegangen werden. Gleichwohl sollte eine Reform unter Anwendung des Analyseinstruments der Elternverbindungen erfolgen, um das Abstammungsrecht einschließlich des Anfechtungsrechts zu überarbeiten. Insbesondere die Würdigung der Initiativelternschaft ist insofern von Bedeutung. Bei der Regulierung des Problems der Mehrelternschaft sollte der Schutz der Rechte des Kindes ganz oben stehen. Von zentraler Bedeutung sind insofern ein Aufwachsen in stabiler Familienbeziehung unter bestmöglichem Schutz vor ­Elternkonflikten sowie die Sicherung seines Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung. Um dies zu gewährleisten, ist einerseits einem Elternteil, der keine Elternverantwortung übernehmen will, insbesondere einem Samenspender, die Möglichkeit zu geben, auf seine Elternstellung zu verzichten. Auf diese Weise kommt die Elternverantwortung nur für die Eltern in Betracht, die sie auch 259 

Teil 5 III 2 c (S. 421), 3 (S. 422).

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

tragen wollen. Andererseits ist aber das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung durch eine Dokumentation, z. B. in einem Register erforderlich („Registereltern“). Während die privatautonome Begründung der rechtlichen Elternstellung nicht möglich ist, wird vorgeschlagen, Personen mit einer Elternverbindung im Rahmen einer notariellen Elternvereinbarung die Möglichkeit einzuräumen, die Voraussetzungen einer gleichberechtigten Mehrelternschaft zu schaffen. Bei einer ausreichenden Regelung zur Vermeidung entsprechender Konflikte könnte ein Familiengericht die Mehrelternschaft genehmigen. Daraufhin könnten alle Mehreltern als gleichberechtigte „Haupteltern“ in das Personenstandsregister eingetragen werden. Auf diese Weise könnte ein Familiengericht eine Kindeswohlgefährdung durch die rechtliche Co-Mehrelternschaft verhindern. Eine solche Vereinbarung könnte vor der Geburt aber auch später ermöglicht werden. Personen, die keine einvernehmliche Elternvereinbarung abgeschlossen haben und damit nicht die Voraussetzungen einer gleichberechtigten Mehrelternschaft erfüllen, aber nicht auf ihre Rechtsstellung verzichtet haben, könnten eine „Nebenelternschaft“ mit gegenüber den „Haupteltern“ verringerten Rechten und Pflichten erhalten. Insbesondere wäre bei der Zuerkennung von Rechten für Nebeneltern zu prüfen, ob diese dem Kindeswohl dienen und das Kind nicht durch eine weitere Person in seinem Leben überfordert wird.

2.  Elterliche Sorge, Entscheidungsfindung und Vertretung Nachdem die Grundlagen des Abstammungsrechts in der Mehrelternschaft angerissen wurden, ist nun die elterliche Sorge und damit die Entscheidungsfindung und Vertretung des Kindes zu diskutieren. In den Blick kommt dabei vor allem die Situation bei gleichberechtigter Mehrelternschaft. Ist eine solche Mehr­elternschaft gerichtlich genehmigt, besteht zunächst kein Anlass, nicht davon auszugehen, dass auch eine gemeinsame Sorge möglich ist. Die gemeinsame Sorge könnte den Mehreltern unmittelbar zukommen, aufgrund einer gemeinsamen Sorgerechtserklärung (entsprechend §  1626a Abs.  1 Nr.  1 BGB) oder auf Antrag (entsprechend §  1626a Abs.  1 Nr.  3 BGB) durch das Familiengericht übertragen werden.260 Wird die Begründung der gemeinsamen Mehrelternschaft von einer Prüfung der in ihrer Elternvereinbarung dokumentierten ­Kooperationsbereitschaft abhängig gemacht, so ist nicht einzusehen, warum nicht auch gleichzeitig die gemeinsame elterliche Sorge eingeräumt werden könnte. Für diesen Fall werden im Folgenden Vorschläge erarbeitet.

260 Vgl. zu den verschiedenen Optionen Plettenberg, Vater, Vater, Mutter, Kind, 2016, 109 ff.

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

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a.  Entscheidungsfindung: Einstimmigkeit oder Mehrheit? Im Mittelpunkt der Ausgestaltung der Mehrelternschaft steht das rechtliche Verhältnis der Eltern untereinander261 und ihre Entscheidungsfindung. Je größer eine Gruppe wird, desto schwieriger kann die Abstimmung zwischen den Mitgliedern werden. Nun liegt es nahe, dass die Mehreltern in ihrer Elternvereinbarung auch Überlegungen zur Entscheidungsfindung aufnehmen. Angesichts der möglicherweise beschränkten Bindungswirkung dieser Vereinbarung, die ja vor allem die Kooperationsbereitschaft der Mehreltern dokumentieren soll, ist es jedoch sinnvoll, aus dem Gesetz herleitbare Grundlagen der Entscheidungsfindung zwischen den Mehreltern zu diskutieren. aa.  Einstimmigkeit als Ausdruck der Gleichberechtigung Zentrale Vorschrift für die Abstimmung unter den Eltern mit gemeinsamer Sorge ist §  1627 BGB, nachdem die beiden Eltern die Sorge in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohl des Kindes auszuüben haben. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen die Eltern versuchen, sich zu einigen. Können sich die Eltern in einer Angelegenheit, die für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag gem. §  1628 BGB einem Elternteil die Entscheidung übertragen. Diese Regelung einer Zwei-Elternsituation auf die gemeinsame Sorge von mehr als zwei Eltern anzupassen, ist nicht ganz einfach. Die Regelung geht grundsätzlich von der Einstimmigkeit der Entscheidungsfindung aus. In einem Zwei-Elternverhältnis ist eine Mehrheitsentscheidung auch nicht möglich, wenn man nicht, wie es das BGB von 1900 tat, die Entscheidung einem Elternteil ­allein übertragen 262 oder, wie es noch das Gleichberechtigungsgesetz vom 18.6.1957263 tat, einem Elternteil einen Stichentscheid übertragen will. Dies ­änderte sich erst mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29.7.1959, indem das Bundesverfassungsgericht den Stichentscheid des Vaters für verfassungswidrig erklärte.264 Bezieht man die Entwicklung der gemeinsamen Sorge nichtverheirateter Eltern 265 mit ein, lässt sich die Geschichte der elterlichen Sorge im 20. Jahrhundert als Entwicklung hin zur Erlangung des gleichen Stimmrechts des zweiten Elternteils lesen. Mit der Einbeziehung des dritten und vielleicht vierten Elternteils bietet sich nun die Möglichkeit einer Mehrheitsentscheidung. Dies beantwortet aber noch nicht die Frage, ob elterliche Entscheidungen mehrheitlich oder einstimmig zu 261  Zu dem Streit um die Qualifizierung des Elternverhältnisses vgl. bereits oben Teil 1 II 4 a (S. 20), b (S. 21). 262  Vgl. Teil 2 I 2 (S.  62). 263  Gesetz v. 18.6.1957 (BGBl. I, 609), in Kraft getreten am 1.7.1958. 264  BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 27, 100/58, BVerfGE 10, 59. 265  Vgl. oben: Teil 2 I 2 c cc (S.  75), 3 c (S.  92), 4 c cc (S. 97).

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

treffen sind. Aust 266 argumentiert, das Einstimmigkeitserfordernis des §  1627 BGB beruhe auf der Abschaffung der „Nebengewalt“ der Mutter und dem Stich­entscheid des Vaters.267 Plettenberg geht demgegenüber offenbar grundsätzlich vom Erfordernis der Einstimmigkeit aus, insbesondere mit der Begründung, dass sich Entscheidungen nicht immer mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten ließen. Die Vereinbarung von Mehrheitsentscheidungen sei aber grundsätzlich möglich.268 Die Frage nach der Entscheidungsfindung der Eltern im Innenverhältnis erfordert einen Blick auf das Verhältnis der Eltern untereinander. Dies ist jedoch deshalb nicht unproblematisch, weil das Verhältnis zwischen den ­Eltern aufgrund der Regelung des BGB von 1900 lange Zeit nicht diskutiert werden musste.269 bb.  Das Verhältnis der Eltern untereinander Erst mit der gleichberechtigten gemeinsamen Gewalt der Eltern für ihr Kind stellte sich die Frage nach der Qualifizierung des Verhältnisses der Ehegatten untereinander als Rechtsproblem.270 Eine Diskussion des Problems mit Blick auf die allgemeinen Instrumente des Schuldrechts blieb allerdings lange Zeit unter Verweis auf die Sonderstellung des Familienrechts aus.271 Bis heute werden einer „Verschuldrechtlichung“ des Familienrechts erhebliche Vorbehalte entgegenbracht.272 Das Schuldrecht sei unangemessen zur Regelung persön­ licher, familienrechtlicher Pflichten.273 (1)  Gesetzliches Schuldverhältnis Nach der Schuldrechtsreform stellte sich die Frage erneut, insbesondere nachdem der BGH in einer Entscheidung vom 19.6.2002 von einem „gesetzlichen Familienrechtsverhältnis eigener Art“ zwischen dem Umgangsberechtigten und dem anderen Elternteil ausging, bei dessen Verletzung analog §  280 Abs.  1

266 

Aust, Das Kuckuckskind und seine drei Eltern, 2015, 290. Vgl. Staudinger/‌Peschel-Gutzeit, Neubearbeitung 2015, §  1627, Rn.  1 f. 268  Plettenberg, Vater, Vater, Mutter, Kind, 2016, 115 f. 269  Vgl. dazu Löhnig, Früher hatten Eltern viele Kinder – heute haben Kinder viele Eltern, 2015, 20 f. 270 Eindrücklich: Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, 2014, 209 f.; vgl. bereits, Gernhuber, FamRZ 1962, 89, 95 f. 271 Vgl. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, 1989, §  1 I 4. 272 Kritisch: Schwab, FamRZ 2002, 1297 ff.; Heiderhoff, FamRZ 2004, 324 diese hält die Anwendung des Schuldrechts aufgrund familienrechtlicher Wertungen für unangebracht. Dies könne zu Streit zwischen den Eltern führen und so das Eltern-Kind-Verhältnis belasten; dem BGH zustimmend: Henrich, JZ 2003, 49; vgl. auch die Diskussion zur Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag Löhnig, FamRZ 2013, 1866; ders., FamRZ 2014, 357; Spangenberg, FamRZ 2014, 355; Wohlgemuth, FamRZ 2015, 356. 273  Schwab, FamRZ 2002, 1297, 1303. 267 

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

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BGB ein Schadensersatzanspruch in Betracht kam.274 In einer Entscheidung vom 2.11.2011275 befürwortete der BGH eine „Sonderverbindung“ zwischen Eltern, auf deren Grundlage auch ein Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen die Mutter auf Nennung des leiblichen Vaters gem. §  242 BGB bejaht werden könne.276 Inzwischen wird von der jüngeren Literatur zunehmend mit überzeugenden Gründen eine Einordnung des Elternverhältnisses als gesetzliches Schuldverhältnis befürwortet, auf das die §§  280 ff. BGB Anwendung finden sollen.277 Für eine solche Einordnung bestehen in der Tat gute Gründe. Mit Blick auf die hier entwickelte gemeinschaftliche Mehrelternschaft ließe sich zwar fragen, ob angesichts der Ausgestaltung durch die Eltern in der Elternvereinbarung noch von einem gesetzlichen Schuldverhältnis ausgegangen werden kann. Selbst wenn man allerdings die Elternvereinbarung als rechtsgeschäftliche Erklärung ansieht,278 entstehen die Rechte und Pflichten der einzelnen Eltern durch ihre jeweiligen Elternverbindungen sowie die entsprechend im Gesetz niedergelegten Voraussetzungen der Elternschaft und nicht aufgrund der Elternvereinbarung. Die Elternvereinbarung schafft nur die Voraussetzung für die gemeinsame Ausübung der Elternrechte, sie begründet diese Rechte nicht. Man kann hier einen Vergleich zur Anerkennung ziehen – auch in diesem Fall wird der Vater aufgrund eine Willenserklärung zum Vater, die Rechte und Pflichten werden aber dennoch als gesetzlich angesehen. Löhnig versteht die Elternschaft als Treuhandverhältnis.279 Insofern unterscheidet Löhnig anknüpfend an Beyerle280 zwischen Schuldverhältnissen, die sich durch einen Interessenantagonismus auszeichneten (wie z. B. Austauchverträge wie Kauf und Miete) und Schuldverhältnissen, in denen die Interessen gleichgerichtet sind, wie bei Gesellschaftsverträgen. Schließlich zeichne die dritte Gruppe der Treuhandverhältnisse aus, dass ein Beteiligter Interessen 274 

BGH, Urt. v. 19.6.2002 – XII ZR 173/00, BGHZ 151, 155. BGH, Urt. v. 9.11.2011 − XII ZR 136/09, BGHZ 191, 259, Rn.  20. 276 Das Bundesverfassungsgericht erklärte diese Rechtsprechung aufgrund einer mangelnden gesetzlichen Grundlage für den Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Mutter für verfassungswidrig. Diese Einschätzung ist aber unabhängig von der Qualifizierung der rechtlichen Beziehung zwischen den Eltern. BVerfG, Beschl. v. 24.2.2015 – 1 BvR 472/14, BVerfGE 138, 377; vgl. dazu Fröschle, FamRZ 2015, 1858. 277  Löhnig/Preisner, NJW 2013, 2080, 2082; Zur Ehe als Schuldverhältnis Budzikiewicz, in: Symposium für Schwab, 2016, 151. 278  So nach Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 2015, §  1684, Rn.  11 die h. M. allerdings BGH, Beschl. v. 14.10.1992 – XII ZB 150/91, FamRZ 1993, 314, 315: „Es handelt sich … nicht um eine vertragliche oder vertragsähnliche Vereinbarung, die den Regeln des Vertragsrechts unterläge“ vgl. auch Hammer, FamRZ 2005, 1209, 1210, wonach die Bindungswirkung der Elternvereinbarungen aus dem §§  1626 ff BGB, nicht aus dem Vertragsrecht rühre. 279  Löhnig, Früher hatten Eltern viele Kinder – heute haben Kinder viele Eltern, 2015, 16 ff.; vgl. dazu bereits ders., Treuhand, 2006. 280  Beyerle, Die Treuhand im Grundriß des deutschen Privatrechts, 1932. 275 

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

e­ ines anderen fremdnützig wahrzunehmen habe.281 Unter Bezugnahme auf die Bezeichnung des Elternrechts durch das Bundesverfassungsgericht als „fremdnütziges Recht“ ordnet Löhnig das Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern als ­ ltern Treuhand ein.282 Aufbauend darauf analysiert Preisner das Verhältnis der E untereinander als gesetzliches Schuldverhältnis, begründet durch eine Mit­ treuhänderschaft im Verhältnis zum Kind, 283 die vor allem die Pflicht zur ­Kooperation der Eltern nach der Grundnorm des §  1627 BGB einschließt.284 Für die vorliegende Untersuchung ist eine nähere Auseinandersetzung mit diesem interessanten Ansatz jedoch nicht erforderlich. Denn selbst wenn man der Einschätzung als Treuhand folgt,285 lässt sich daraus nichts zum Verhältnis der Treuhänder untereinander herleiten. So gibt doch die Pflicht der Eltern zur Kooperation keine Auskunft darüber, wie diese Kooperation zu erfolgen habe; bspw. in dem Falle, dass eine Einigung zwischen den Eltern scheitert und keine gemeinsame Entscheidung erzielt wird. Dass den Eltern eine Pflicht zukommt, zu kooperieren und sich zu einigen, wie man sie §  1627 BGB entnehmen kann, hilft in dem Fall nicht weiter, in dem eine Einigung trotz Bemühens der Beteiligten nicht zu erzielen ist. Darum soll der Blick nun auf andere zivilrechtliche Institute gerichtet werden, in denen eine Willensbildung unter Beteiligung verschiedener Personen erfolgen muss. (2)  Anleihen aus der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der Erbengemeinschaft und der Bruchteilsgemeinschaft? Bei dem Gedanken an eine Mehrheit von Personen, denen gemeinsam bestimmte Rechte zustehen, geraten andere Institute des BGB zur Koordinierung gemeinsamer Rechtsausübung in den Blick, wie die Bruchteilsgemeinschaften 286

281 

Löhnig, Treuhand, 2007, 115 ff. Löhnig, Treuhand, 2007, 175, 237, 250 ff., 462 ff., 493 f., 512 f., 519 ff., 527 ff., 542 ff., 557 ff., 579, 675; ders., Früher hatten Eltern viele Kinder – heute haben Kinder viele Eltern, 2015, 17. 283  Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer ­Elternschaft, 2014, 277 ff. 284  Löhnig, Früher hatten Eltern viele Kinder – heute haben Kinder viele Eltern, 2015, 23 ff.; Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer ­Elternschaft, 2014, 204 ff. 285  Jedenfalls ließe sich mit Blick auf das hier entwickelte Modell der notwendigerweise kooperativen Mehrelternschaft fragen, ob der Zusammenschluss dieser Mehreltern nicht auch über den gemeinsamen Zweck, die gemeinsame Erziehung des Kindes, und damit nach ­Löhnigs Verständnis theoretisch auch als Gesellschaft beschrieben werden könnte. Dafür spricht der tatsächliche Befund, dass es den Eltern nicht nur fremdnützig um die Rechte des Kindes, sondern auch um die Wahrnehmung ihrer eigenen Rechte als Eltern und nicht zuletzt auch um ihre emotionalen Interessen geht, um derentwillen sie die Mehrelternschaft anstreben. 286 Zur Abgrenzung zwischen Bruchteilgemeinschaft und Gesamthand: MüKo-BGB/ ‌K arsten Schmidt, 6.  Aufl. 2013, §  741, Rn.  4 ff.; Rütten, Mehrheit von Gläubigern, 1989, 84 ff. 282 

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

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und Gesamthandsgemeinschaften 287 wie die BGB-Gesellschaft 288 und die Erbengemeinschaft. Dabei soll nicht behauptet werden, die Mehreltern seien eine Gesamthand oder Bruchteilsgemeinschaft.289 In Gesamthand und Bruchteilsgemeinschaft werden Vermögensinteressen gehalten, was Elternrecht und Sorge zweifellos nicht sind.290 Entsprechend der Zurückhaltung gegenüber einer „Verschuldrechtlichung“ des Elternrechts nimmt es auch nicht Wunder, dass die familienrechtliche Literatur Parallelen zu Gesellschaft und Gemeinschaft skeptisch gegenübersteht.291 So führen Gernhuber/Coester-Waltjen aus: „Die uns geläufigen Formen der Beteiligung mehrerer an einem subjektiven Recht (Gesamthandsgemeinschaft und Bruchteilsgemeinschaft) werden jedoch dem Normkomplex der §§  1626 ff BGB ebenso wenig gerecht wie den Erfordernissen einer sinnvollen Kindererziehung.“292

Die Besonderheiten der §§  1626 ff BGB sollen auch nicht geleugnet werden, obgleich das kooperative Zusammenwirken mehrerer sowohl unter Eltern als auch unter Gesellschaftern erforderlich ist. Von Interesse sind die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Erbengemeinschaft und die Bruchteilsgemeinschaft vorliegend allein in ihrer Organisationsstruktur, die im Gegensatz zu den §§  1626 ff. BGB von vornherein auf mehr als zwei zugeschnitten war. Auf diese Weise soll der besondere Schutzcharakter des Sorgerechts für das Kind nicht geleugnet, sondern Anhaltspunkte dafür gesammelt werden, wie die Kooperation mehrerer Eltern zum Wohle des Kindes am besten organisiert werden kann. Die BGB-Gesellschaft als gewillkürter Zusammenschluss von Personen, die einen gemeinsamen Zweck verfolgen, passt dem ersten Anschein nach auf Konstellationen bewusst begründeter Mehrelternschaft, wie sie z. B. bei den heutigen Queer-Families vorliegen, bei denen ein homosexuelles Paar mit einer oder zwei anderen Personen gemeinsam eine Mehreltern-Familie gründen.293 Die 287  Vgl. zur Gesamthand in der BGB-Entstehung: Wächter, Die Aufnahme der Gesamthandsgemeinschaften in das Bürgerliche Gesetzbuch, 2002; insgesamt zur Gesamthand: Buchda, Geschichte und Kritik der deutschen Gesamthandslehre, 1936, 225 ff.; Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963, 131 ff.; Schulze-Osterloh, Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung, 1972, 163 ff.; Weber-Grellet, AcP 182 (1982), 316; Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders am Gesamthandsvermögen, 1992, 199 ff.; Paul, Die Gesellschafterfähigkeit von Gesamthandsgemeinschaften, 2005, 5 ff. 288  Vgl. zu Gesamthand und Gesellschaft: Flume, ZHR 136 (1972), 177; ders., AT I/1, 1977, 50 ff.; Ulmer, AcP 198 (1998), 113. 289  Ablehnend bereits: Gernhuber, FamRZ 1962, 89, 95 f. 290  So bereits Gernhuber, FamRZ 1962, 89 ff. 291  Schwab, FamRZ 1995, 513, 514; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 2010, §  57, Rn.  3; allerdings wird eine Ermächtigung in Anlehnung an den allgemeinen Rechtsgedanken des §  125 II S.  2 HGB diskutiert, vgl. MüKo-BGB/‌ Huber, 6.  Aufl. 2013, §  1639, Rn.  33 ff.; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 2010, §  58, Rn.  30; ablehnend: NKBGB/Kaiser, 3.  Aufl. 2014, §  1629, Rn.  22 f. 292  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 2010, §  57, Rn.  3. 293  Vgl. dazu näher unter Teil 3 VI (S.  263); hier nur Dethloff, Gleichgeschlechtliche Paare und Familiengründung durch Reproduktionsmedizin, 2016, 51 ff.

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

Erbengemeinschaft stellt demgegenüber einen Zusammenschluss mehrerer Personen dar, die ohne und mitunter auch gegen den Willen der beteiligten Erben entstanden 294 und auf Auseinandersetzung ausgerichtet ist.295 Sie bietet sich daher assoziativ besser als Anhaltspunkt beim Nachdenken über eine unfreiwillige Mehrelternschaft an, auch wenn in diesem Fall der Nebenelternteil nicht immer ein Stimmrecht haben wird.296 Würde sich eine Gesamthand wie die Erbengemeinschaft oder die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Vergleichsmaßstab für das Innenverhältnis der Mehrelterngemeinschaft anbieten, so wäre es naheliegend, ohne weitere Einigung der Eltern vom Erfordernis der Einstimmigkeit auszugehen. Dies gilt ­jedenfalls mangels abweichender Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag für die Beschlussfassung zwischen Gesellschaftern.297 Der ausdrücklich nur auf Geschäftsführung bezogene §  709 Abs.  1 BGB bildet aufgrund des gesetzlichen Modells der Gesamtgeschäftsführung298 auch die Grundlage für das Beschlussrecht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts.299 Hinsichtlich der Erbengemeinschaft ist zwischen Verfügungen über Nachlassgegenstände gem. §  2040 BGB, die nur gemeinschaftliche erfolgen können, sowie der gemeinschaftlichen Verwaltung des Nachlasses gem. §  2038 BGB zu unterscheiden. Notwendige Maßnahmen kann gem. §  2038 Abs.  1 S.  2 aE BGB jeder Erbe allein durchführen. §  2038 Abs.  2 BGB verweist für die Beschlussfassung über Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung auf §  745 BGB im Recht der Bruchteilsgemeinschaft, der in Abs.  1 einen Mehrheitsbeschluss vorsieht.300 Eine wesentliche Veränderung des Gegenstands kann gem. §  745 Abs.  3 BGB nicht verlangt werden. Insofern nehmen sowohl das Recht der elterlichen Sorge als auch das Recht der Bruchteilsgemeinschaft und der Erbengemeinschaft eine Differenzierung zwischen Angelegenheiten unterschiedlicher Bedeutung vor. Im Fall der Erbengemeinschaft und der Bruchteilsgemeinschaft wird differenziert zwischen ordnungsgemäßer Verwaltung und Maßnahmen, die den Nachlass grundlegend verändern.301 §§  1627, 1628 BGB lassen sich hier gut vergleichen. Diese Normen der elterlichen Sorge unterscheiden zwischen Entscheidungen der Eltern, die für das Kind von erheblicher Bedeutung sind und in Bezug auf die bei Uneinigkeit der Eltern das Familiengericht angerufen werden kann, und sonstigen Entscheidungen, bei denen sich die Eltern ohne 294 MüKo-BGB/‌ Gergen,

6.  Aufl. 2013, §  2032, Rn.  4. BGH, Beschl. v. 17.10.2006 – VIII ZB 94/05, NJW 2006, 3715, 3716. 296  Dazu sogleich unten Teil 5 III 1 e (S.  402). 297  Grunewald, Gesellschaftsrecht, 2014, 83 f.; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2002, §  59 III 1748 f. 298  Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2002, §  59 III 1748. 299 MüKo-BGB/‌ Schäfer, 6.  Aufl. 2013, §  709, Rn.  50. 300  Vgl. MüKo-BGB/‌G ergen, 6.  Aufl. 2013, §  2038, Rn.  34. 301  Vgl. zu Einzelfällen: Soergel/‌Hadding, §  745, Rn.  2 ; Staudinger/‌L anghein, 2008, §  745, Rn.  6. 295 

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

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Hilfe einigen müssen. Damit wird bereits jetzt in Kauf genommen, dass sich ein Elternteil gegenüber dem anderen durchsetzt, das nicht notwendig die besseren Argumente auf seiner Seite hat. In einer Mehrelternsituation würde zumindest die Tatsache, dass sich eine Mehrheit für eine bestimmte Richtung ausspricht, eine gewisse legitimierende Wirkung besitzen.302 Insofern liegt es näher, §  745 BGB als Vorbild der Beschlussfassung heranzuziehen und grundsätzlich bei mehr als zwei Eltern eine Mehrheitsentscheidung anzunehmen. Bei grundlegenden Fragen sollte dagegen Einstimmigkeit erforderlich sein. Für die Bestimmung dieser „grundlegenden Fragen“ kann bereits auf die Fallgruppe der Angelegenheiten, „die für das Kind von erheblicher Bedeutung sind“ gem. §  1628 S.  1 BGB zurückgegriffen werden. Ist eine Einstimmigkeit nicht herzustellen, so können die Eltern das Familiengericht gem. §  1628 BGB anrufen, das dann die Entscheidung einem Elternteil zuweist. So besteht nicht die Gefahr, dass bei grundlegenden Fragen das Minderheitselternteil seine Auffassung niemals durchsetzen kann, selbst wenn sie dem Kindeswohl dient. Der Grundsatz, dass trotz einer im Gesellschaftsvertrag vorgesehen303 Mehrheitsentscheidung grundlegende Beschlüsse einvernehmlich zu treffen sind, wird freilich auch im Gesellschaftsrecht diskutiert.304 Für eine Orientierung an der Bruchteilsgemeinschaft lassen sich noch weitere Gründe anführen. Die Bruchteilsgemeinschaft regelt die Inhaberschaft eines Rechts durch mehrere Berechtigte, denen jeweils ein eigener Anteil zukommt.305 Demgegenüber werden bei einer Gesamthand wie der Gesellschaft bürgerlichen Rechts Rechtsgüter einheitlich von den Mitgliedern in gesamthänderischer Verbundenheit für einen bestimmten Zweck gehalten.306 Die Gesamtheit der Mitglieder einer Gesamthand,307 nach Flume als „Gruppe“308 bezeichnet, ist beispielsweise bei der Außengesellschaft sogar der Rechtsfähig-

302 Dass die Auseinandersetzungen um Erziehungsfragen in einer Mehrelterngemeinschaft nicht notwendig entlang der Paarbeziehungen ablaufen lässt zumindest ein Interview mit einer solchen Gemeinschaft erkennen: Hummel, FAZ.net v. 10.9.2016. 303  Vgl. zu dem durch die Entscheidung des BGH, Urt. v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 aufgegebenen Bestimmtheitsgrundsatz: Schäfer, NZG 2014, 1401, 1404; ders., ZGR 2013, 238. 304 Auf die sogenannte Kernbereichslehre (vgl. nur: H. P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, 351; m. w. N. MüKo-­ BGB/‌Schäfer, 6.  Aufl. 2013, §  709, Rn.  91 ff.) kann hier nur hingewiesen werden. Vgl. zu der nach der Entscheidung des BGH, Urt. v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77; aktuellen Frage, ob sich der 2. Zivilsenat mit dem Bestimmtheitsgebot auch von der Kernbereichslehre distanziert hat: Altmeppen, NJW 2015, 2065; Priester, NZG 2015, 529. 305 MüKo-BGB/‌ K arsten Schmidt, 6.  Aufl. 2013, §  741, Rn.  1. 306  Vgl. zu Abgrenzung nur: MüKo-BGB/‌K arsten Schmidt, 6.  Aufl. 2013, §  741, Rn.  4. 307  Vgl. ausführlich zur Gesamthand: Staub-HGB/Schäfer, 5.  Aufl. 2009, §  105, Rn.  40 ff. 308  Vgl. nur: Flume, ZHR 136 (1972), 177, 181; ders., AT I/1, 1977, §  4 II.

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

keit309 zugänglich. Im Fall der Erbengemeinschaft verneint die Rechtsprechung die Rechtsfähigkeit allerdings bisher.310 Demgegenüber kommt jedem einzelnen Elternteil ein eigenes Elternrecht zu, nicht etwa ein gemeinschaftliches Elternrecht an dem Kind.311 Auch das verfassungsrechtliche Elternrecht gem. Art.  6 Abs.  2 GG wird als „Individualrecht“ verstanden, „das jedem Elternteil einzeln zusteht.“312 Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Kindesunterhalt nicht eine Gesamtschuld beider Eltern ist, sondern es sich um eine Teilschuld handelt. Die einzelnen Ansprüche bestimmen sich jeweils nach der persönlichen Erwerbs- und Leistungsfähigkeit des Elternteils.313 Eine gemeinschaftliche Verpflichtung der Eltern (wie sie sogleich im Zusammenhang mit der Vertretung der Eltern diskutiert wird), entsteht außerhalb des §  1357 BGB nur aufgrund spezieller, allerdings auch konkludent möglicher, Bevollmächtigungen. Demgegenüber richten sich Forderungen gegen eine Erbengemeinschaft oder Gesellschaft grundsätzlich gegen alle Gesamthänder in ihrer Verbundenheit. Dieser Vergleich zeigt, dass man die Mehrelternschaft wohl weniger mit einer Gesamthand im Hinblick auf die Organisation ihrer Entscheidungsfindung als vorsichtig mit einer Gemeinschaft vergleichen und grundsätzlich von einer Mehrheitsentscheidung ausgehen sollte. Auch in Gesellschaftsverträgen wird oft vereinbart, dass Entscheidungen mehrheitlich getroffen werden. Schließlich verweist das Recht der Erbengemeinschaft auf die Regel des §  745 BGB. Ließe man das Recht der elterlichen Sorge unverändert, spräche dies dafür, im Rahmen der §§  1627, 1628 BGB davon auszugehen, dass Entscheidungen des täglichen Lebens in Bezug auf das Kind mehrheitlich getroffen werden. Für die Annahme einer Mehrheitsentscheidung in Angelegenheiten des täglichen ­Lebens spricht auch bereits die schlichte Praktikabilität. Angenommen, die Mehr­eltern leben mit dem Kind in häuslicher Gemeinschaft zusammen, so ist anzunehmen, dass in alltäglichen Fragen ohnehin nach Mehrheitsentscheidungen gehandelt wird. Der Schutz des Elternteils in der Minderheit ließe sich an die bereits in §  1628 BGB niedergelegte Möglichkeit anknüpfen, in Angelegenheiten von erheblicher 309 

BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341. BGH, Beschl. v. 17.10.2006 – VIII ZB 94/05, NJW 2006, 3715; für die Rechtsfähigkeit der Erbengemeinschaft: Grunewald, AcP 197 (1997), 305. 311  Gernhuber, FamRZ 1962, 89, 95 f.; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 2010, §  57, Rn.  3; Staudinger/‌Peschel-Gutzeit, §  1626, Rn.  19; MüKo-BGB/‌ Huber, 6.  Aufl. 2012, §  1626, Rn.  18; BeckOK-BGB/‌Veit, §  1626, Rn.  2. 312  BVerfG, Beschl. v. 21.12.1977 – 1 BvL 1/75, 1 BvR 147/75, BVerfGE 47, 46, 76; BVerfG, Beschl. v. 29.10.1988 – 2 BvR 1206/98, BVerfGE 99, 145, 164; Jarass/Pieroth-GG/‌Jarass, 2016, Art.  6 , Rn.  46. 313  Ständige Rechtsprechung des BGH: BGH, Urt. v. 13.7.1971 – VI ZR 245/69, FamRZ 1971, 569; BGH, Urt. v. 28.1.1981 – IVb ZR 573/80, FamRZ 1981, 347; BGH, Urt. v. 6.11.1985 – IVb ZR 69/84, FamRZ 1986, 153; BeckOK-BGB/‌Reinken, §  1606, Rn.  5; MüKo-BGB/‌Born, 6.  Aufl. 2013, §  1606, Rn.  7; NK-BGB/‌Saathoff/Reuter, 3.  Aufl. 2014, §  1606, Rn.  4. 310 

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

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Bedeutung das Familiengericht anzurufen. Bei Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung im Sinne des §  1628 BGB, wie z. B. die Frage des Besuchs einer bestimmten Schulform,314 sollte daher Einstimmigkeit unter den Eltern erforderlich sein. Kommt eine solche einstimmige Entscheidung nicht zustande, so kann das Familiengericht gem. §  1628 S.  1 BGB angerufen werden. Diese Verteilung nimmt nicht nur die Differenzierung zwischen Maßnahmen verschiedener Bedeutung in der Bruchteilsgemeinschaft und Erbengemeinschaft auf, sondern dürfte für die Familiengerichte auch keine größere Belastung bedeuten als die Auseinandersetzungen um verschiedene Schulformen und ärztliche Behandlungen, die die Familiengerichte bereits zwischen zwei Eltern zu entscheiden haben. cc. Zwischenergebnis Damit sind Entscheidungen über die elterliche Sorge bei einem Zusammenleben der Mehreltern grundsätzlich mehrheitlich zu treffen. In Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung ist grundsätzlich Einstimmigkeit herzustellen. Kommt eine solche Einigung nicht zustande, so ist das Familiengericht anzurufen. Die Frage, inwiefern Mehreltern diese Grundsätze in einer Elternvereinbarung bindend modifizieren könnten, bedarf weiterer Diskussion. Soweit man Elternvereinbarungen überhaupt ohne gerichtliche Prüfung bindende Wirkung zukommen lassen will, ist hierbei jedenfalls eine Benachteiligung einzelner Elternteile kritisch zu prüfen. Insoweit werden sich möglicherweise inhaltliche Anleihen aus dem Minderheitenschutz von Gesellschaftern 315 diskutieren lassen. dd.  Nicht zusammenlebende Mehreltern Wie schon jetzt bei geschiedenen oder getrennten unverheirateten Eltern kann die Sorge auch bei Nichtzusammenleben gemeinsam ausgeübt werden. Für Mehr­eltern müsste insofern keine besondere Regel getroffen werden. §  1687 BGB modifiziert die gemeinsame Sorge bereits dahingehend, dass der Elternteil bei dem das Kind lebt, Angelegenheiten des täglichen Lebens allein entscheiden kann, während in Bezug auf Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung Einvernehmen herzustellen ist.316 Dies soll den Einfluss des nicht mit dem Kind zusammenlebenden Elternteils sichern,317 gleichzeitig aber die Sorge in alltäg­ lichen Angelegenheiten praktizierbar machen und Konflikte vermeiden.318 314 Vgl. mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung: Palandt/Götz, 76.  Aufl. 2017, §  1628, Rn.  7. 315 Literatur zu dieser „Grundfrage des Gesellschaftsrechts“ (vgl. Grunewald, Gesellschaftsrecht, 2014, 4. Teil, Rn.  5 ff.) ist nicht überschaubar. Vgl. nur mit weiteren Nachweisen: Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2002, §  16 III, 466 ff. 316 Vgl. Dethloff, Familienrecht, 2015, §  13, Rn.  154. 317  Vgl. BT-Drucks. 13/8511, 67. 318 BT-Drucks. 13/4899, 58, 107; BT-Drucks. 13/8511, 67; Johannsen/Henrich/Jaeger, ­Familienrecht, 2015, §  1687, Rn.  1.

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

Die Frage, wo das Kind wohnen soll319 und welche Form des Zusammen­ lebens gewählt wird, ist eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, in Bezug auf die im Falle des Scheiterns einer Einigung gem. §  1628 BGB das Fami­ liengericht angerufen werden kann. Am häufigsten wird in der traditionellen Zwei-Elternkonstellation hier das sogenannte „Residenzmodell“320 gewählt, bei dem das Kind überwiegend bei einem Elternteil lebt. Praktiziert wird aber zunehmend auch das sogenannte „Wechselmodell“, bei dem das Kind zwischen zwei Haushalten hin und her pendelt.321 Beim selteneren „Nestmodell“ verbleibt das Kind dagegen an einem Ort und die Eltern wechseln sich dort ab.322 Auch Mehreltern müssen sich, wenn sie nicht alle zusammenleben, für eines dieser Modelle entscheiden, wobei aus den meisten Berichten hervorgeht, dass offenbar ein Residenzmodell bei einem Elternpaar, meist einem lesbischen Paar, gewählt wird.323 Insofern bietet sich auch an, das derzeitige Modell des §  1687 BGB anzuwenden, wenn einer oder mehrere der Mehreltern mit dem Kind zusammenleben, während weitere separat wohnen. In einer Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, wie z. B. die Schulbildung des Kindes, müsste dann also der „Familienrat“ einberufen werden. Zeigt sich, dass die gemeinsame Sorge aller Mehreltern trotz der Elternvereinbarung in der Praxis nicht funktioniert,324 oder auch für den Fall eines Umzugs,325 ist eine Regelung entsprechend dem jetzigen §  1671 BGB vorzusehen, mit der die elterliche Sorge auf eine kleinere Anzahl von Elternteilen übertragen werden kann, beispielsweise auf einen oder zwei.326 Damit bleiben die übrigen Eltern zwar Haupteltern, allerdings ohne die elterliche Sorge, wie dies beispielsweise schon heute bei einem Elternteil der Fall ist, der die elterliche Sorge nicht gemeinsam mit dem anderen Elternteil ausübt. b.  Vertretung des Kindes Die Vertretung des Kindes erfolgt grundsätzlich 327 gemeinschaftlich durch die Eltern gem. §  1629 BGB, wenn diesen die Sorge gemeinsam zusteht und sie nicht 319  Vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.10.2000 – 18 UF 180/00, FamRZ 2001, 1634; NKBGB/Peschel-Gutzeit, 3.  Aufl. 2014, §  1687, Rn.  4. 320 NK-BGB/‌ Peschel-Gutzeit, 3.  Aufl. 2014, §  1687 Rn.3. 321  Vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 3.6.2004 – 21 UF 144/04, FamRZ 2006, 125, kritisch mit Forschungsergebnissen zur Kindeswohldienlichkeit dieses Modells: Koska, FPR 2006, 271; Unzner, FPR 2006, 274; vgl. auch Kaiser, FPR 2008, 143. 322 NK-BGB/‌ Peschel-Gutzeit, 3.  Aufl. 2014, §  1687, Rn.  3. 323  Vgl. Teil 3 VI 1 (S. 263). 324 Zu Fällen mangelnder Kooperationsbereitschaft zwischen den Eltern als Grund für die Übertragung des Sorgerechts auf ein Elternteil: Palandt/Götz, 76.  Aufl. 2017, §  1671, Rn.  15. 325  Vgl. zu solchen Fällen Palandt/Götz, 76.  Aufl. 2017, §  1671, Rn.  36. 326 Einen Vorschlag für eine solche Regelung bietet Plettenberg, Vater, Vater, Mutter, Kind, 2016, 117 ff. 327  Eine Einzelvertretung wird aber zum Teil angenommen bei sog. amtsähnlichen Hand­

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

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durch das Familiengericht nach einzelnen Bereichen zwischen den Eltern aufgeteilt ist.328 Allerdings müssen die Eltern dabei nicht zwingend gemeinsam handeln, sondern können sich bevollmächtigen 329 bzw. die Handlungen des anderen nachträglich genehmigen.330 Bei Gefahr im Verzug besteht gem. §  1629 Abs.  1 S.  4 BGB Einzelvertretungsbefugnis. Bei getrennt lebenden Eltern gilt §  1687 BGB auch hinsichtlich der Vertretung.331 Die Gesamtvertretung bringt für die Mehrelternschaft keine Probleme, die nicht aus einer Zwei-Elternkonstellation bekannt sind.332 Zusammenlebende Mehreltern können sich gegenseitig bevollmächtigen. Leben die Eltern nicht zusammen, bietet §  1687 BGB hier die Lösung, wenn nicht ohnehin eine genaue Zuweisung der elterlichen Sorge durch das Familiengericht auf der Grundlage einer Elternvereinbarung bzw. eines entsprechend zu erweiternden §   1671 BGB333 erfolgt, der die Vertretungsmacht und Sorge ganz oder in bestimmtem Umfang einem oder zwei Eltern zuweist. c.  Stellung der Nebeneltern Die Stellung der Nebeneltern bedarf weiterer Diskussion. Insbesondere ist ihre Stellung zu den „Haupteltern“ näher zu untersuchen. Hier können allerdings nur einige Punkte angedeutet werden. In Bezug auf das derzeitige Verhältnis der Personen mit Rechten gem. §§  1687b, 1686a und 1685 Abs.  2 BGB wird bereits diskutiert, in welchem Verhältnis sie zu den Eltern stehen. Löhnig bejaht insofern ein gesetzliches Schuldverhältnis, das die Beteiligten zu einer gewissen Kooperation verpflichtet, lehnt aber eine Treuhand zwischen den Beteiligten ab, da diesen Personen keine Pflichten, sondern nur Rechte gegenüber dem Kind zukommen.334 Mit der Einräumung der Nebenelternschaft würden Neben­eltern allerdings sowohl Rechte als auch Pflichten zukommen, die im

lun­gen, die im eigenen Namen in Funktion als gesetzlicher Vertreter vorgenommen werden ­( MüKo-BGB/‌Huber, 6.  Aufl. 2013, §  1639, Rn.  8; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 2010, §  58, Rn.  33; a. A.: NK-BGB/‌K aiser, 3.  Aufl. 2014, §  1629, Rn.  14) überdies wird, jedenfalls bei Erfüllung einer Pflicht ohne Ermessensspielraum, von Alleinvertretung ausgegangen, statt eine Vertretung des anderen Elternteils anzunehmen vgl. MüKo-BGB/‌ Huber, 6.  Aufl. 2013, §  1639, Rn.  8; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 2010, §  58, Rn.  33. 328  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 2010, §  58, Rn.  33. 329 Diskutiert wird eine Ermächtigung für Einzelbereiche, in denen das entsprechende Elternteil dann einzelvertretungsbefugt sein soll. Herangezogen wird hier der allgemeine Rechtsgedanken des §  125 II S.  2 HGB, vgl. MüKo-BGB/‌Huber, 6.  Aufl. 2013, §  1639, Rn.  33 ff.; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 2010, §58, Rn.  30; ablehnend: NK-BGB/‌K aiser, 3.  Aufl. 2014, §  1629, Rn.  22 f. 330 Staudinger/‌ Peschel-Gutzeit, §  1629, Rn.  35. 331 NK-BGB/‌ Peschel-Gutzeit, 3.  Aufl. 2014, §  1687, Rn.  5. 332 Vgl. Plettenberg, Vater, Vater, Mutter, Kind, 2016, 114 f. 333  Vgl. den Vorschlag bei Plettenberg, Vater, Vater, Mutter, Kind, 2016, 110, 117 ff. 334  Löhnig, Früher hatten Eltern viele Kinder – heute haben Kinder viele Eltern, 2015, 27 ff.

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

nächsten Abschnitt näher zu beleuchten sind. Ein gesetzliches Schuldverhältnis wäre damit in jedem Fall zu bejahen. Die elterliche Sorge sollte Nebeneltern neben den Haupteltern allerdings nur zukommen, wenn sie mit dem Kind zusammen leben. Stiefeltern könnten damit Rechte in der Art besitzen, wie sie §  1687b BGB bereits vorsieht. §  1687b BGB sollte allerdings entsprechend den Beschlüssen des Deutschen Juristentages von 2016 reformiert werden.335 Wesentlicher Aspekt ist dabei, dass das kleine Sorgerecht auch eingeräumt werden kann, wenn die beiden „Haupteltern“ die gemeinsame Sorge ausüben. Denkbar ist, dass Nebeneltern dann in einem Verfahren gehört werden, wenn sich die Haupteltern zu einer Frage von erheblicher Bedeutung gem. §  1628 BGB nicht einigen können und eine Entscheidung des Familiengerichts beantragt haben. Obwohl ihnen keine eigene Stimme in der Entscheidungsfindung zukommt, könnten Nebenelternteile als wichtige Bezugspersonen des Kindes im Verfahren vor dem Familiengericht nämlich Anhaltspunkte für die Ermittlung der für das Kind besten Entscheidung geben. Darüber hinaus kommen für andere Nebeneltern, z. B. die genetischen ­Eltern, Umgangsrechte nach dem Vorbild des §§  1686a, 1685 BGB in Betracht, die im nächsten Abschnitt zu diskutieren sind. d. Zwischenergebnis Die Regelung von Mehrelternverhältnissen erfordert keine grundlegende Abweichung vom geltenden Prinzip der elterlichen Sorge, regt aber zu einer Diskussion des Elternverhältnisses auch unter Berücksichtigung des Schuldrechts einschließlich des Rechts der Gesamthand und der Bruchteilsgemeinschaft an. So lassen sich Wertungen entwickeln, mit denen die Willensbildung der Mehreltern organisiert werden kann. Im Innenverhältnis wäre zur Willensbildung der „Haupteltern“ grundsätzlich eine Mehrheitsentscheidung vorzusehen. In Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung sollte jedoch Einstimmigkeit erforderlich sein. Kann diese nicht hergestellt werden, wäre ggf. entsprechend dem heutigen §  1628 BGB die Entscheidung des Familiengerichts herbeizuführen. An der Gesamtvertretung ist grundsätzlich festzuhalten. Nebeneltern sollten ein Sorgerecht vergleichbar dem heutigen nur haben, wenn sie mit dem Kind und einem Hauptelternteil zusammenleben. Sie könnten allerdings in Kindschaftsverfahren gehört werden.

3.  Rechte und Pflichten Im Folgenden sollen nun die Rechte und Pflichten zwischen Eltern und Kindern in Bezug auf die rechtliche Anerkennung von Mehrelternschaften diskutiert werden. 335 

Vgl. oben Teil 3 IV 3 (S. 262).

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

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Wie oben bereits diskutiert, geht das verfassungsrechtliche Leitbild der ­Elternschaft von einer untrennbaren Verbindung zwischen elterlichen Rechten und Pflichten aus.336 Insoweit gehen auch die folgenden kursorischen Vorschläge davon aus, dass sowohl Haupt- als auch Nebeneltern Rechte und Pflichten gegenüber dem Kind zukommen. Zu erörtern sind im Folgenden Umgang, Unterhalt sowie Erbrecht. Personen, die auf ihre Elternstellung verzichtet haben, wie etwa Samenspender, kommen weder Rechte noch Pflichten gegenüber dem Kind zu. a. Umgang In Bezug auf die gleichberechtigten Haupteltern ist davon auszugehen, dass jedem Elternteil ein Umgangsrecht zukommt gem. §  1684 BGB. Insofern gehört der Umgang mit den Eltern gem. §  1626 Abs.  3 S.  1 BGB grundsätzlich zum Wohl des Kindes. Trifft dies nicht zu, kommen die etablierten Regelungen des §  1684 BGB zur Beschränkung oder dem Ausschluss des Umgangs in Betracht.337 Insofern besteht nicht nur ein Recht der Eltern zum Umgang, sondern eine Umgangspflicht. Für Nebeneltern sollten Umgangsrechte entsprechend den derzeitigen Regelungen in §§  1626 Abs.  3 S.  2, 1685, 1686a BGB von einer positiven Kindeswohldienlichkeit abhängig gemacht werden. Nach längeren Erfahrungen mit ­tatsächlich gelebten Mehrelternbeziehungen ließe sich dieses Konzept unter Umständen erweitern. So lange aber zumindest die Möglichkeit besteht, dass Konflikte zwischen den Eltern das Kind beeinträchtigen, kann die Einräumung weiterer Rechte gegenüber dem Kind gegen den Willen der Haupteltern von der Kindeswohldienlichkeit abhängig gemacht werden. Dies bedeutet zwar eine Einschränkung von Rechten der Nebeneltern, die ebenfalls Elternverbindungen zu dem Kind besitzen, doch ist dies zumindest derzeit der beste Weg, in der noch neuen Situation offen gelebter Mehrelternschaft eine Gefährdung des Kindes zu vermeiden. In dieser Situation besteht dann aber mangels Recht zum Umgang natürlich auch keine Pflicht zum Umgang mit dem Kind. b. Unterhalt Eine wichtige Pflicht zwischen Eltern und Kindern ist die Zahlung von Unterhalt gem. §§  1601 ff. BGB. Hinsichtlich der Ausgestaltung des Unterhaltsrechts zwischen Mehreltern sind verschiedene Modelle denkbar. Einerseits ließe sich zwischen verschiedenen Elternverbindungen differenzieren, andererseits könnte auch nur nach Haupt- und Nebeneltern unterschieden werden. 336 

Vgl. oben Teil 2 II 4 (S.  127). insofern auch den Vorschlag bei Plettenberg, Vater, Vater, Mutter, Kind, 2016, 123 f.; Aust, Das Kuckuckskind und seine drei Eltern, 2015, 288. 337 Vgl.

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

aa.  Gedankenspiel: Unterhalt differenziert nach Elternverbindungen Denkbar wäre z. B., die Unterhaltspflicht von Eltern und Kindern an der Zahl der jeweils zwischen ihnen bestehenden Verbindungen zu orientieren. Vorteil dieses Systems wäre, dass sich die Enge der Verbindung zwischen Eltern und Kindern auch in der jeweiligen finanziellen Belastung spiegeln könnte. Außerdem hätten weder Eltern noch Kinder Vor- oder Nachteile aus der Mehrelternsituation. Der soziale-, genetische und Initiativvater besitzt drei Verbindungen zu seinem Kind, die soziale, genetische, gestationale Initiativmutter vier Verbindungen. Geht man davon aus, dass ein Elternteil mit dieser maximalen Zahl den vollen Unterhalt zahlen muss, ließe sich überlegen, ob ein Elternteil mit weniger Elternverbindungen nur anteiligen Unterhalt zahlen müsste. Da ein Vater höchstens drei Verbindungen zu einem Kind haben kann, eine Mutter aber höchstens vier, wäre denkbar, pro Elternverbindung zur Zahlung von 1/3 bzw. 1/4 des Unterhalts zu verpflichten. Danach müsste z. B. der leibliche Vater, der zum Kind eine initiative und eine genetische und Initiativverbindung besitzt, 2/3 von dem Unterhalt zahlen, den er an ein Kind zu zahlen hätte, mit dem er die maximale Anzahl von Verbindungen etabliert hätte, während der lediglich soziale Vater nur 1/3 zu tragen hätte. Umgekehrt müsste ein erwachsenes Kind für seinen bedürftigen genetischen und Initiativvater 2/3 Unterhalt zahlen und für seinen bedürftigen sozialen ­Vater nur 1/3. Bei einem bedürftigen Elternteil könnte gem. §  1610 BGB der Unterhalt entsprechend seiner Lebensstellung ermittelt und dann der so ermittelte Betrag unter Kindern mit verschiedenen Elternverbindungen aufgeteilt werden. Hätte dieses Elternteil aber nur ein Kind, mit dem er keine volle Elternverbindung etabliert hat, würde er aber nur einen Teilunterhalt bekommen. Der Rest müsste über die Sozialhilfe getragen werden. Für das Kind hätte dies den Vorteil, dass es trotz großer Elternzahl nicht mehr Unterhalt bezahlen müsste als mit zwei bedürftigen Eltern. Dies würde den Bedenken begegnen, die im Hinblick auf eine zu starke Belastung des Kindes im Mehrelternverhältnis vorgebracht werden.338 Diesen Bedenken könnte allerdings auch über entsprechende Selbstbehalte und die Leistungsfähigkeit des Kindes Rechnung getragen werden. Gegen den Ansatz spricht allerdings seine Komplexität. Nicht nur müsste als Voraussetzungen des Kindes-Unterhalts die Zahl der Elternverbindungen bestimmt werden, sondern auch deren jeweilige Lebensverhältnisse müssten individuell berechnet werden. Damit endet die Komplexität des Modells noch nicht. Nach geltendem Unterhaltsrecht bestimmt sich der Eltern-Unterhaltsanspruch gem. §  1610 BGB nach der Lebensstellung des Unterhaltsgläubigers, die dann ihrerseits wieder für jede Elternverbindung eine andere sein könnte. 338 

Heiderhoff, NJW 2016, 2629, 2632.

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

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Angenommen, die Baronin Pringle of Stichill zeugt im Ehebruch mit einem Bauern das Kind, so hätte das Kind einmal vollen Unterhalt an seine soziale, genetische, gestationale und Initiativmutter zu zahlen. Dieser Unterhalt würde sich nach ihrer Lebensstellung, d. h. der einer Baronin richten. Hinzu käme unter Umständen 2/3 Unterhalt vom Bedarf des genetischen und Initiativvaters, der sich nach dem Lebensstandard des Bauern richten würde. Und schließlich wäre noch 1/3 des Unterhaltsanspruchs des Barons, des sozialen Vaters, zu erfüllen. Dieser würde sich nach seiner Lebensstellung, der eines Barons richten. Damit würde das Kind Anteile an Unterhaltsansprüchen von Personen mit verschiedener Lebensstellung zahlen. Es stände aber im Ergebnis insgesamt nicht schlechter, als wenn es nur zwei Eltern hätte. Die Stellung des Kindes bestimmt sich nach den Lebensverhältnissen der ­Eltern, das heißt nach dem jeweiligen Einkommen des jeweils zur Zahlung verpflichteten Elternteils.339 Der Unterhaltsanspruch besteht damit gegen jeden Elternteil in anderer Höhe. Nach dem obigen Beispiel würde das Kind vollen Unterhalt von der Mutter nach den Lebensverhältnissen einer Baronin erhalten und zusätzlich 1/3 des Anspruchs von dem, was ein Baron seinem leiblichen Kind schulden würde. Schließlich würde das Kind 2/3 des Unterhalts erhalten, den ein Bauer an sein Kind zu zahlen hätte. Die Lösung hätte den Charme, die tatsächliche Situation des Kindes mit mehreren Eltern auch ökonomisch abzubilden und nicht zu einer Mehrbelastung zu führen. Großer Nachteil wäre allerdings, dass dieses System das ohnehin nicht einfache Unterhaltsrecht noch einmal komplizierter machen würde. bb.  Unterhalt differenziert nach Haupt- und Nebeneltern Ein anderes Modell könnte auf das geltende Unterhaltsrecht aufbauen. Dabei ließe sich gegebenenfalls eine Unterscheidung zwischen Haupt- und Neben­ eltern machen. Dieses Modell ließe sich in Anlehnung an das bereits im BGB geregelte Modell der Volljährigenadoption entwickeln.340 (1)  Haupteltern und Kind Dieses Modell würde einfacherweise davon ausgehen, dass alle „Haupteltern“ voll unterhaltsverpflichtet werden.341 Dies wäre das Korrelat dazu, dass zwi339  BGH, Urt. v. 2.3.1994 – XII ZR 215/92, FamRZ 1994, 696; BGH, Urt. v. 20.11.1996 – XII ZR 70/95, NJW 1997, 735, 736; vgl. nur Johannsen/Henrich/Graba/Maier, Familienrecht, 2015, §  1610, Rn.  4. 340 Auf die Volljährigenadoption nimmt Plettenberg (Vater, Vater, Mutter, Kind, 2016, 89 ff.) Bezug, verwendet dieses Modell allerdings nicht im Unterhalts- und Erbrecht, weil sie zu einer gleichberechtigten Vaterschaft des leiblichen, auch rechtlichen neben dem sozialen Vater kommt. 341 Ebenso Plettenberg, Vater, Vater, Mutter, Kind, 2016, 127 ff.; Aust, Das Kuckuckskind und seine drei Eltern, 2015, 289.

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

schen den Haupteltern nach dem Modell auch sonst keine Hierarchisierung besteht. Damit würde das Kind mehr Unterhaltsschuldner in Anspruch nehmen können, was seine finanzielle Situation stärken könnte. Umgekehrt wäre dann aber konsequenterweise auch davon auszugehen, dass das Kind allen seinen Eltern seinerseits zum Unterhalt verpflichtet wäre, eine Belastung die Heiderhoff ablehnt.342 In der Tat hat das Kind auf die Umstände seiner Geburt keinen Einfluss und hat sich nicht drei Eltern ausgesucht. Andererseits hatte es aber den Vorteil mehrerer Unterhaltsschuldner. Daher sollte die Unterhaltszahlung auf der Ebene der Leistungsfähigkeit, §  1603 BGB, beschränkt und nicht bereits dem Grunde nach ausgeschlossen werden. Dies würde auch nicht zu einer zu großen Belastung des Kindes führen.343 Das geltende Unterhaltsrecht schützt das Kind vor zu hoher Belastung durch hohe Freibe­ träge (mindestens € 1800 für einen alleinstehenden Unterhaltsschuldner)344 und großzügige Abschläge zur Altersvorsorge.345 Überdies nehmen Eltern im Unterhaltsrecht einen niedrigen Rang nach Kindern, Ehegatten und Enkeln ein (§  1609 Nr.  6 BGB). Im Übrigen spiegelt die Belastung mit den Unterhaltsansprüchen mehrerer älterer Menschen die Probleme unserer alternden Gesellschaft. Allenfalls ließe sich in diesem Zusammenhang diskutieren, ob der Verwandtenunterhalt insgesamt noch zeitgemäß ist. So lange die Rechtsordnung an diesem aber festhält, ist nicht ersichtlich, warum nicht Unterhalt an mehrere Eltern gezahlt werden sollte, wenn diese ihrerseits ihre Unterhaltsverpflichtungen nicht gröblich verletzt haben, was §  1611 BGB bereits voraussetzt. (2)  Nebeneltern und Kind In Bezug auf die Nebeneltern ließe sich einerseits vertreten, dass es in diesem Verhältnis gar keine wechselseitigen Ansprüche geben sollte, da den Neben­ eltern auch nur geringe Rechte zukommen. Nach dem oben aufgestellten Gleichklang zwischen elterlichen Rechten und Pflichten sollten die Neben­ eltern aber durchaus Pflichten treffen. Diese müssen allerdings gegenüber den Pflichten der übrigen Eltern entsprechend reduziert sein. Anknüpfen ließe sich insoweit an das Recht der Volljährigenadoption, das die rechtlichen Verbindungen zwischen den leiblichen Eltern und dem Adoptiv-„Kind“ ebenso wie im alten Adoptionsrecht nicht auflöst.

342 

Heiderhoff, NJW 2016, 2629, 2632. Plettenberg, Vater, Vater, Mutter, Kind, 2016, 129 f. 344  Düsseldorfer Tabelle v. 1.1.2016 D, S.  4. 345 Vgl. Hußmann, NZFam 2015, 15; Dose, FamRZ 2013, 993. 343 

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

427

(a)  Unterhaltsrecht nach der Volljährigenadoption Bei der Volljährigenadoption hat das Adoptiv-„Kind“ Unterhaltsansprüche sowohl gegen die leiblichen Verwandten als auch gegen die Annehmenden.346 Die Adoptiveltern sind jedoch unter den zur Zahlung verpflichteten Eltern 347 vorrangig zur Unterhaltszahlung verpflichtet, §  1770 Abs.  3 BGB. Dieser Vorrang setzt sich gegenüber den Kindern des Adoptivkindes fort, sodass die Adoptiv­ eltern vorrangig den Kindern des Adoptivkindes noch vor dessen leiblichen Großeltern Unterhalt schulden.348 Umgekehrt kommt es zu einer Verdopplung der Unterhaltspflichten des ­Adoptivkindes. Sowohl den leiblichen Verwandten als auch den Adoptiveltern gegenüber ist Unterhalt zu zahlen, wobei keinem von beiden ein Vorrang ­zukommt. Es bleibt insofern bei den allgemeinen Regeln.349 (b)  Unterhaltsrecht Nebeneltern Nach diesem System ließe sich überlegen, den Nebeneltern und dem Kind eine subsidiäre, nachrangige Unterhaltsverpflichtung aufzuerlegen. Im Gegensatz zur Regelung des Adoptionsrechts sollte diese in beide Richtungen schwach ausgestaltet werden. Entsprechend dem Vorschlag Brudermüllers beim Deutschen Juristentag 2016 ließe sich auch überlegen, die Ausgestaltung dieses ­Unterhaltsanspruchs im Wege einer Unterhaltsvereinbarung zuzulassen. Eine weitere denkbare Ausgestaltung wäre, die Unterhaltsverpflichtung des Kindes davon abhängig zu machen, ob das Nebenelternteil seinerseits einmal Unterhalt für das Kind gezahlt hat. Dies wird in vielen Fällen angesichts der Subsidiarität der Verpflichtung nicht der Fall sein. So ließe sich aber eine Gegenseitigkeit zwischen den Generationen herstellten. cc. Zwischenergebnis Für die Ausgestaltung des Unterhaltsrechts lässt sich entweder auf bekannte Strukturen aufbauen oder ein Neuanfang diskutieren, der an die bestehenden Elternverbindungen zwischen Eltern und Kind anknüpft. Bei einer Orientierung am derzeitigen System wird eine gegenseitige Unterhaltsverpflichtung und ‑berechtigung zwischen (Haupt)Eltern und Kindern vorgeschlagen und zusätzlich eine schwache gegenseitige Unterhaltspflicht und ‑berechtigung zwischen Kind und Nebeneltern. 346 MüKo-BGB/‌ Maurer,

6.  Aufl. 2013, §  1770, Rn.  7. Vorrang besteht allerdings nicht gegenüber Ehegatten und Kindern des Adoptivkindes, diese bleiben vorrangig zu Zahlung verpflichtet, MüKo-BGB/‌Maurer, 6.  Aufl. 2013, §  1770, Rn.  7. 348 BeckOK-BGB/‌ Enders, §  1770, Rn.  5. 349 MüKo-BGB/‌ Maurer, 6.  Aufl. 2013, §  1770, Rn.  7; BeckOK-BGB/‌Enders, §  1770, Rn.  5. 347  Der

428

Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

c. Erbrecht Auch die Ausgestaltung des Erbrechts soll im Folgenden angerdeutet werden. Hier ließe sich ebenfalls eine Orientierung am Erbrecht unter Berücksichtigung des Erbrechts der Volljährigenadoption vornehmen oder eine Neuausrichtung nach Elternverbindungen wagen. aa.  Gedankenspiel: Erbrecht nach Elternverbindungen Ebenso wie im Unterhaltsrecht ließe sich ein Erbrecht nach Elternverbindungen konstruieren, in dem Kinder bzw. Eltern nur einen Anteil erhalten, der der Zahl ihrer Elternverbindung entspricht. Dies würde jedoch einen Bruch mit dem geltenden Erbrecht verlangen, da der jeweilige Erbteil je nach den Elternverbindungen zu bestimmten wäre. Das geltende Erbrecht geht jedoch davon aus, dass Erben der gleichen Ordnung grundsätzlich zu gleichen Teilen erben, §§  1924 Abs.  4, 1925 Abs.  2, 3, 1926 Abs.  2, 5 BGB. Insofern wird das Gleichteilungsprinzip als Grundsatz des gesetzlichen Erbrechts bezeichnet.350 Dieses System würde nicht nur die Gleichbehandlung zwischen verschiedenen Kindern und Eltern gem. §  1924 Abs.  4 BGB und §  1925 Abs.  2 BGB aufheben, die sich gegebenenfalls in einer Erbengemeinschaft wiederfinden würden. Nachdem erst 1998 das nichteheliche Kind in die Erbengemeinschaft aufgenommen wurde351, würde es nun zu „halben“ und „gedrittelten“ Kindern und Eltern in der Erbengemeinschaft kommen. Zudem würde sich das Problem stellen, wie das Verhältnis der so verkleinerten Anteile innerhalb einer Erbengemeinschaft sowie über die Grenzen der verschiedenen Ordnungen umzusetzen wäre. Angenommen, ein Vater hinterlässt seine Mutter und ein nur genetisches Kind, würde dann das Kind, obwohl Erbe erster Ordnung, nur 1/3 erben und die Mutter als Erbin 2. Ordnung den verbleibenden Nachlass? Dies würde gegen das Prinzip der Erbschaft nach Ordnungen gem. §  1930 BGB verstoßen und wiederum eine vollständige Neuausrichtung des Erbrechts verlangen. Dies erscheint jedenfalls im Rahmen dieser Untersuchung nicht als sinnvoll. Insofern wäre ein verringertes Erbrecht des Nebenelternteils schwer zu konstruieren. Allenfalls ließe sich überlegen, die Abkömmlinge nur im Verhältnis zu anderen Abkömmlingen nicht in gleichen Teilen gem. §  1924 Abs.  4 BGB, sondern nach der Zahl ihrer jeweiligen Verbindungen erben zu lassen. Einem einzelnen Abkömmling könnte man aber unabhängig von der Zahl seiner Elternverbindungen zum Erblasser ein alleiniges gesetzliches Erbrecht zugestehen.

350  351 

Lange/Kuchinke, Erbrecht 2001, §  1 V 8. Brox/Walker, Erbrecht, 2016, Rn.  50.

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

429

bb.  Erbrecht nach dem Vorbild der Volljährigenadoption Denkbar wäre allerdings auch hier wieder eine Berücksichtigung des Rechts der Volljährigenadoption. Insofern ist §  1770 Abs.  1 und Abs.  2 BGB entscheidend. Danach erbt das Adoptivkind voll sowohl von seinen leiblichen als auch von den Adoptiveltern. Da sich gem. §  1770 Abs.  1 S.  1 BGB das Verwandtschaftsverhältnis allerdings nicht auf die Verwandten des Annehmenden erstreckt, erbt das Adoptivkind nicht von den Eltern und sonstigen Verwandten seiner Adoptiveltern. Wohl aber erbt es von allen seinen leiblichen Verwandten. Umgekehrt vererbt das Adoptivkind an all seine Eltern, wenn es vorverstirbt. Leben alle Eltern noch, so erben diese zu gleichen Teilen. Umstritten ist freilich, wie der Nachlass des Adoptivkindes zu verteilen ist, wenn bereits ein Elternteil vorverstorben ist.352 Im Übrigen vererbt das Adoptivkind an seine leiblichen Verwandten,353 nicht aber an die der Adoptiveltern,354 wie z. B. deren weitere Kinder.355 Angesichts dieser bereits im BGB bestehenden Regelung liegt es nahe, auch in Mehrelternverhältnissen ein volles Erbrecht zwischen Kindern und Eltern ­vorzusehen. Dies würde auch der Idee eines Erbrechts als Familienerbrecht356 entsprechen. Insofern sollte dies, soweit man das Pflichtteilsrecht 357 nicht ­insgesamt angesichts einer größeren Zahl von Eltern und Kindern neu diskutieren wollte, auch für das Pflichtteilsrecht der Kinder und das Erbrecht der Eltern gelten. Überlegen ließe sich freilich, ob entsprechend der Regelung der Volljährigen­ adoption Kinder nur von den und an die übrigen Verwandten ihrer genetischen Eltern vererben könnten. Ist nach dem Recht der Volljährigenadoption die ­Adoption des volljährigen Kindes „Sache“ des Adoptivelternteils, so ließe sich überlegen, ob die übrige Verwandtschaft diese Annahme eines weiteren Menschen nicht unbedingt erbrechtlich mittragen muss. Nur zu einem genetisch verwandten Enkel, Neffen oder Urenkel besteht eine unauflösliche Verbindung, ließe sich argumentieren. Sieht man als Zweck des Erbrechts die Weitergabe von 352  Vgl. m. w. N.: BeckOK-BGB/‌Enders, §  1770, Rn.  6; MüKo-BGB/‌Maurer, 6.  Aufl. 2013, §  1770, Rn.  9 aE; Dittmann, RPfleger 1978, 277, 282 f. 353  OLG Zweibrücken, Beschl. v. 5.6.1996 – 3 W 68/96, FGPrax 1996, 189 f. 354 MüKo-BGB/‌ Maurer, 6.   Aufl. 2013, §   1770, Rn.   10; BeckOK-BGB/‌ Enders, §  1770, Rn.  6. 355  BayObLG, Beschl. v. 16.11.1993 – 1Z BR 73/93, FamRZ 1994, 853, 854 f. 356  BVerfG, Beschl. v. 19.4.2005 – 1 BvR 1644/00, 188/03, BVerfGE 112, 332; vgl. auch zur Beteiligung von Nichtehelichen am Nachlass BVerfG, Beschl. v. 29.1.1969 – 1 BvR 26/66, BVerfGE 25, 167, 174; BVerfG, Beschl. v. 8.12.1976 – 1 BvR 810/70, 57/73, 147/76, BVerfGE 44, 1, 18; BVerfG, Beschl. v. 3.11.1981 – 1 BvL 11/77, 85/78, 1 BvR 47/81, BVerfGE 58, 377, 389. 357 Vgl. zur Diskussion um das Pflichtteilrecht mit weiteren Nachweisen: Pflichtteilsrecht/Dauner-Lieb/Grziwotz, 2016, Einleitung Rn.  10 ff. Das Bundesverfassungsgericht, das das Pflichtteilsrecht im Rahmen von Art.  14 GG gewährleistet sieht, hat dies im Wesentlichen auf den Gesichtspunkt der Familiensolidarität gestützt: BVerfG, Beschl. v. 19.4.2005 – 1 BvR 1644/00, 188/03, BVerfGE 112, 332, 349 ff.

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

Vermögen an die blutsmäßige Verwandtschaft, sozusagen die vermögensmäßige Vererbung als Pendant zur genetischen Vererbung,358 so wäre durchaus zu überlegen, die Kinder z. B. nur von ihren genetischen Großeltern gesetzlich erben zu lassen. Für den Fall, dass die Großeltern oder sonstige Verwandte die familiäre Verbindung abseits der genetischen Linie auch selbst als Familie empfinden, könnten sie letztwillig verfügen. Gegen diese Lösung mag man allerdings einwenden, dass die genetische Abstammung in vielen Fällen gar nicht geklärt wird, und dies auch im Interesse des Familienfriedens nicht grundlos erfolgen sollte.359 Insofern ließe sich freilich mit Vermutungswirkungen arbeiten, wonach ein rechtliches Kind grundsätzlich als leibliches gilt. Die allein blutsmäßige Ausrichtung des Erbrechts würde allerdings der ­bereits angesprochenen europäischen Tradition über die Grenzen der Bluts­ verwandtschaft hinaus widersprechen.360 Versteht man aber den Zweck des ­Erbrechts als Mittel zur Sicherung der sozialen Familie und zur Stärkung der Solidarität und Nähe zwischen ihren Mitgliedern,361 so überzeugt angesichts der traditionellen Ausrichtung der europäischen Familie auf die Hofstelle, und gerade nicht die Blutsbande, die Anknüpfung an die blutsmäßige Verbindung nicht mehr. Dies würde eher für ein gleichmäßiges Erbrecht von und an alle Eltern sprechen. Denkbar wäre weiterhin, einem Nebenelternteil die Stellung eines Adoptiv­ elternteils im Rahmen des Erbrechts einzuräumen. Damit würde das Kind nicht von den Verwandten des Nebenelternteils erben und nicht an sie vererben. Das wäre damit zu begründen, dass bei einem Nebenelternteil das Kind meist nicht in vergleichbarer Weise in die Familie des Elternteils integriert ist wie bei seinen „Haupteltern“. Damit verlangt eine Regelung der Mehrelternschaft auch eine Auseinandersetzung mit dem Zweck, den das Erbrecht in unserer Gesellschaft einnehmen sollte.362 Diese Analyse kann hier nur angerissen werden. Mit der Differenzierung zwischen den verschiedenen Elternverbindungen wurde jedoch ein Instrument entwickelt, auf das in der Diskussion nicht nur des Familienrechts zurückgegriffen werden kann, sondern das auch im Hinblick auf die Zwecksetzung des Erbrechts einbezogen werden kann, weil es die Präzisierung der 358 Vgl. zum Intestaterbrecht und zwingenden Erbrecht als Element dynastischen Erb­ rechts: Dutta, Warum Erbrecht?, 2014, 496 ff. 359 Vgl. Plettenberg, Vater, Vater, Mutter, Kind, 2016, 74 ff., vgl. auch oben Teil 5 III 1 a (S. 387). 360  Vgl. oben Teil 2 I 1 (S. 33); Teil 5 II 3 b ee (4) (S.  379). 361  Vgl. zur Solidarität durch Erbrecht: Dutta, Warum Erbrecht?, 2014, 385 ff.; vgl. auch zur Diskussion bei Hegel, der das Familienvermögen als gemeinsames Eigentum der Familienmitglieder sah: Hegel, Grundlinien einer Philosophie des Rechts (1821), §  171; Pflichtteilsrecht/Dauner-Lieb/Grziwotz, 2016, Einleitung, Rn.  9. 362  Vgl. zu diesen Zielen und ihrem Einsatz durch den Gesetzgeber: Dutta, Warum Erbrecht?, 2014, 573 ff.

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

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Diskussion daraufhin ermöglicht, an wen und von wem und mit welchem Zweck vererbt werden soll, wenn eine Testament fehlt.

4.  Zusammenfassung und Einzelfälle a.  Grundlegende Zusammenfassung Ausgangspunkt des hier erarbeiteten Systems ist ein Festhalten am Statusprinzip und an der Zwei-Elternschaft, die zum Zeitpunkt der Geburt begründet wird. Jedoch kann bereits vor363 oder auch nach der Geburt eine einverständ­ liche gleichberechtigte Mehrelternschaft durch Beschluss des Familiengerichts begründet werden. Eine solche gleichberechtigte Mehrelternschaft setzt voraus, dass alle künftigen Mehreltern eine Elternverbindung bereits etabliert haben, sei es durch einen Beitrag zur Geburt des Kindes, sei es durch den Aufbau einer sozialen Beziehung. Weitere Voraussetzung ist, dass die Personen, die gemeinsam gleichberechtigte Elternteile werden möchten, mit den bereits vorhanden rechtlichen Eltern bzw. denen, die aufgrund ihrer Elternverbindungen und der abstammungsrechtlichen Regelungen voraussichtlich Eltern des Kindes werden, eine Elternvereinbarung abschließen, die den Wunsch nach einer gleichberechtigten Mehrelternschaft sowie die Kooperationsfähigkeit und ‑willigkeit der Beteiligten erkennen lässt. Diese gleichberechtigten Mehreltern erhalten Rechte und Pflichten nach dem Sorge-, Umgangs-, Unterhalts- und Erbrecht. Personen, die keine gleichberechtigte Elternschaft herstellen können, können eine Nebenelternschaft begründen, die eingeschränkte Umgangs- und Sorgerechte (im Fall des Zusammenlebens mit einem anderen Elternteil) sowie beschränkte Unterhalts- und Erbrechte bietet. b. Einzelfälle aa. Kuckuckskind Die Einführung des §  1686a BGB hat dem genetischen und Initiativvater immerhin ein Recht auf Umgang und Auskunft über das Kind gegeben, mit dem er zwei Elternverbindungen besitzt. Helms hat vorgeschlagen, dem genetischen und Initiativvater ein zeitlich befristetes Anfechtungsrecht einzuräumen und eine Vorschrift nach dem Vorbild des §  1600 Abs.  2 BGB erst nach einer gewissen Zeit (etwa fünf Jahren) anzuwenden.364 Dieser Vorschlag passt zum Ergebnis dieser Untersuchung, dass soziale Elternverbindungen erst aufgebaut werden müssen. 363 

364 

Die dann mit dem Zeitpunkt der Geburt Wirkung entfaltet. Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 42 f. Vgl. oben Teil 3 I 1 d (S.  202), e (S.  205).

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

Zum Zweiten hat die Untersuchung gezeigt, dass ein Elternteil mit einer größeren Anzahl von Elternverbindungen auch Elternrechte und Pflichten haben sollte. Ein Anfechtungsrecht in der Art wie es Helms vorsieht, könnte gerade dafür sorgen, dass genetische Abstammung, soziale Verbindung und Initiativ­ elternverbindung zwischen dem Kind und nur einem Vater entstehen, sodass sich die maximale Anzahl von Elternverbindungen konzentrieren kann. Wie oben gesehen, ist es begrüßenswert, wenn im Interesse der Entwicklung des Kindes stabile Eltern-Kind-Beziehungen ermöglicht werden. Die Annahme, dass die Beziehung zwischen Mutter und sozialem Vater die Gewähr für eine solche Stabilität bietet, ist aber nicht in jedem Fall berechtigt, gerade nicht in chaotischen Familienbeziehungen.365 Übernimmt der genetische und Initiativvater nach Anfechtung die rechtliche Elternschaft, so muss eine rechtliche Position für den sozialen Vater gefunden werden. Hierzu kommen vor allem die Rechte des Stiefvaters im Rahmen einer Nebenelternschaft in Betracht. Im Fall, dass die Beziehung der Mutter zu ihrem neuen Partner trägt, kann dieser auf der Grundlage seiner sozialen Elternverbindung ein Nebenelternteil werden, womit ihm auch ein kleines Sorgerecht in der Art des §  1687b BGB zukäme. Außerdem würden damit begrenzte Umgangs- und Unterhaltspflichten geschaffen. Alternativ ist es möglich, dass der soziale Vater einverständlich mit der Mutter und dem genetischen und Initiativvater eine gleichberechtigte Mehrelternschaft mit drei Haupteltern begründet. bb.  Samenspende, Eizellenspende und Initiativelternschaft §  1600 Abs.  5 BGB gibt bereits vor, dass die Initiativeltern die Verantwortung des rechtlichen Initiativvaters für das Kind nicht zu Lasten des genetischen ­Vaters abstreifen können. Bisher kann freilich das Kind selbst die Vaterschaft anfechten. Eine Lücke besteht hinsichtlich alleinstehender Frauen und Frauen, die in einer lesbischen Paargemeinschaft leben. Insofern müsste es möglich sein, die Elternstellung des genetischen Vaters auf seine genetische Verbindung zu beschränken, d. h. auf das Recht des Kindes, Kenntnis über seine Abstammung zu gewinnen.366 Nach dem hier vertretenen Modell kann der Samenspender (oder im Fall der Zulässigkeit in Deutschland die Eizellenspenderin) verbindlich unter Einhaltung bestimmter Formvorschriften auf die Elternstellung verzichten. Daraufhin können sie als Eltern nicht mehr festgestellt werden. Elternteil ist insofern zunächst der der Befruchtung zustimmende Initiativelternteil, der sich aus seiner Verantwortung nicht „herausstehlen“ darf.367 Allerdings muss der geneti365 Vgl.

Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 42 f. Vgl. dazu oben Teil 3 I 2 (S.  208); zur „Ehe für alle“ vgl. Teil 3 II 3 c bb (S. 248). 367  Vgl. dazu Teil 3 I 2 c (S.  215). 366 

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

433

sche Elternteil zum Schutz der Rechte des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung dokumentiert werden („Registereltern“).368 Wird eine Samen- oder Eizellenspende nicht unter Verzicht auf die Elternrechte abgegeben, so kann die spendende Person als Elternteil festgestellt werden. Dies gilt insbesondere für die Frau, die ihre Eizelle ihrer Partnerin zur Gründung einer gemeinsamen ­Familie überträgt369 und damit genetisches und Initiativelternteil ist. Die Übernahme der Initiativelternschaft könnte verbindlich sowohl für Partner gleichen als auch verschiedenen Geschlechts möglich sein und entweder unmittelbar oder subsidiär zur Elternschaft führen. Eine subsidiäre Übernahme der Elternschaft 370 würde es ermöglichen, dem neuen Partner sowie dem Ehemann die Elternstellung zu ermöglichen. Doch ist dies fragwürdig. Wenn das Kind aufgrund des gemeinsamen Entschlusses der beiden Initiativeltern im Wege künstlicher Befruchtung gezeugt wurde, so hat auch das andere Initiativelternteil, egal ob Mann oder Frau, eine eigene Elternverbindung mit dem Kind begründet. Diese allein deshalb zu negieren, weil ein neuer Partner in das Leben der Frau getreten ist, die das nun gezeugte Kind austrägt, ist zweifelhaft. Der neue Partner bzw. die neue Partnerin hat keine Elternverbindung zu dem Kind außer der, die er oder sie noch aufbauen wird. Ob dies geschehen wird ist nicht sicher. Je nach Sachverhalt ließe sich hier eine Hauptelternschaft der Mutter und des Initiativelternteils mit dem neuen Partner der Mutter als Nebenelternteil kon­ struieren. cc.  Queer-Families und Mehrmutterschaft Einen Sonderfall bilden die Fälle schwul-lesbischer Co-Elternschaft, in denen Elternbeziehungen zu einer oder zwei weiteren Personen des anderen Geschlechts aufgrund der biologisch (noch) notwendigen Beteiligung des anderen Geschlechts bei der Zeugung begründet werden. Je nach Situation kann – wie oben dargestellt wurde – über die schlichte Beteiligung als Spender hinaus eine mehr oder weniger starke soziale Elternschaft gewollt sein. Dabei besteht die sexuell-emotionale Bindung zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren, während die genetischen Elternverbindungen unabhängig von einer sexuellen Beziehung geknüpft werden.371 Zunächst wäre es angebracht, bei lesbischen und schwulen Elternpaaren, bei denen ein Kind durch gemeinsamen Entschluss und Kooperation entsteht,372 die Eintragung der beiden homosexuellen Eltern bereits von Anfang an auf368 

Teil 5 III 1 d aa (S. 394). Vgl. Teil 3 II 2 a (S. 241). 370  So aber Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 19. 371  Vgl. oben Teil 3 VI (S.  263). 372  Vgl. hierzu Teil 3 II 2 (S. 240). 369 

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

grund ihrer Stellung als Initiativelternteil zu ermöglichen.373 Auch der Elternteil, der nicht genetisch an der Zeugung beteiligt war, hat eine Initiativverbindung mit dem Kind begründet und sollte in dieser Funktion im Geburtsregister eingetragen werden können. Überdies sollte eine Dokumentation des genetischen Elternteils möglich sein, sodass das Kind Kenntnis von seiner Abstammung erhalten kann. Außerdem sollte – wenn kein Verzicht von Seiten des genetischen Elternteils und der beiden Initiativeltern gewollt ist – eine Neben­ elternschaft in Betracht kommen. Schließlich lässt sich in diesem Rahmen eine gleichberechtigte Mehrelternschaft von Anfang an auf der Grundlage einer ­Elternvereinbarung und eines familiengerichtlichen Beschlusses begründen.374 dd. Leihmutterschaft Die Leihmutterschaft375 ist in Deutschland nach wie vor untersagt und stellt sich im Rahmen des „Reproduktionstourismus“ vor allem als Problem des Internationalen Privatrechts. Ob in Deutschland die Leihmutterschaft zugelassen werden sollte und wenn ja wie, ist nicht Gegenstand der Untersuchung. Trotzdem soll mit einer Diskussion der Leihmutterschaft das hier entwickelte Konzept weiter verdeutlicht und auf besondere Probleme hingewiesen werden, die im Falle einer Regelung in Deutschland zu beachten wären, und die sich jetzt schon unabhängig von ihrer rechtlichen Anerkennung stellen. Angenommen die Initiativeltern – ein homosexuelles oder heterosexuelles Paar – verwenden eine gespendete Eizelle, den Samen aus einer Samenspende und schließen eine Leihmutterschaftsvereinbarung mit der Geburtsmutter. Im Zeitpunkt der Geburt des Kindes haben fünf Personen eine Elternbeziehung mit dem Kind etabliert. In den meisten Fällen werden die Spender bei Abgabe der Spende bereit sein bzw. sogar darauf bestehen, keine Rechte oder Pflichten in Bezug auf das Kind zu begründen. Gibt die Leihmutter das Kind freiwillig an die Wunscheltern ab, so kann auch dies so verstanden werden, dass sie keine weiteren Rechte an dem Kind begründen will. Im Falle einer Regelung in Deutschland wären allerdings zum Schutz der austragenden Frau hohe Anforderungen an diesen Verzicht zu stellen und Formvorschriften vorzusehen. Überdies wäre eine Dokumentation der austragenden Frau erforderlich, damit das Kind auch insofern Kenntnis von seiner Herkunft376 erhalten kann. In vielen Ländern, die eine Leihmutterschaft erlauben, wird dies gesetzlich unter bestimmten Formvorschriften bzw. im Rahmen gerichtlicher Entscheidungen ermöglicht. In einem solchen Fall sind nur die Initiativeltern bereit, die elterliche Verantwortung zu übernehmen. So lag auch der Fall, den der BGH in 373 

Vgl. Teil 5 III 1 a bb (S. 387). Teil 5 III 1 c (S. 390), e (S.  402). 375  Vgl. Teil 3 II 1 (S.  2 29). 376  Vgl. Teil 5 I 3 c bb (S. 356). 374 

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

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seiner Entscheidung vom 10.12.2014377 zu entscheiden hatte. Die Verantwortung der Initiativeltern muss daher gesetzlich abgesichert werden. Deutlich schwieriger – obgleich jedenfalls im Hinblick auf die Spender von Ei- und Samenzelle deutlich unwahrscheinlicher – wäre der Fall, in dem alle fünf potentiellen Eltern mit Elternverbindung elterliche Rechte und Pflichten übernehmen wollten. In dieser Situation, in der alle Beteiligten die gleiche ­Anzahl von Elternverbindungen mit dem Kind aufgebaut haben,378 müssen Rechte und Pflichte mit Blick auf die Grundrechte des Kindes und sein Wohl abgewogen und vom Gesetzgeber geregelt werden.379 Deutlich mehr Forschung ist erforderlich, um beurteilen zu können, was in solchen Situationen das Beste für das Kind ist. Da das Kind jedenfalls ein Recht auf Kenntnis seiner Abstammung hat, könnte der Gesetzgeber in einer solchen Konstellation der Geburtsmutter und den beiden genetischen Eltern Elternrechte zuweisen. Soweit die Rechte der Leihmutter in Frage stehen, hat Duden dargelegt, dass die Menschenwürde der Leihmutter jedenfalls nicht verletzt ist, wenn sie das Kind freiwillig380 an die Initiativeltern herausgibt.381 Obwohl auch in diesem Fall noch deutlich mehr Forschung erforderlich ist, deuten erste Untersuchungen daraufhin, dass die Leihmutter, die das Kind freiwillig herausgibt, nicht unter Depressionen oder anderen negativen Folgen leidet. Eine Studie an ­Leihmüttern im Vereinigten Königreich zeigte, dass Leihmütter gut mit der Trennung von dem Kind zurechtkamen. Im Vereinigten Königreich haben Leihmütter das Recht, das Kind zu behalten, weil die rechtliche Elternschaft der Initiativeltern erst nach der Geburt aufgrund eines Antrags begründet wird.382 In einer Langzeitstudie zeigten die Leihmütter auch zehn Jahre nach der Leihmutterschaftsvereinbarung keine negativen Effekte oder Reue.383 Während viele Leihmütter Traurigkeit direkt nach der Übergabe empfanden, verschwanden diese negativen Gefühle relativ schnell.384 Der gegenwärtige Stand der Forschung weist also daraufhin, dass Leihmutterschaftsvereinbarungen für die das Kind freiwillig herausgebende Leihmutter 377  BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350, vgl. oben Teil 3 II 1 d (S.  234). 378  Wie oben gezeigt, kann die Zahl der Elternverbindungen das Ermessen des Gesetzgebers leiten: Teil 5 II 4 (S.  383). 379  Vgl. zur Mehrelternschaft als Gestaltungsaufgabe: Teil 5 II 3 (S.  365). 380  Auf diese Freiwilligkeit stellt Duden maßgeblich ab. Dethloff, JZ 2016, 207 weist jedoch zu Recht darauf hin, dass von einem deutschen Gericht die Freiwilligkeit der Übergabe kaum überprüft werden kann. Wann die Entscheidung einer Leihmutter tatsächlich als freiwillig angesehen werden kann, ist eine höchst problematische Frage, vgl. Campbell, Sister Wives, Surrogates and Sex Workers, 2013, 97 ff. 381  Duden, Leihmutterschaft, 2015, 159 ff. 382  Helms, StAZ 2013, 114, 116. 383  Jadva u. a., Human Reproduction 2015, 373. 384  Jadva u. a., Human Reproduction 2003, 2196.

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Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

nur geringe und für die so geborenen Kinder keine bisher feststellbaren negativen Folgen haben. Auf der anderen Seite bestärkt der gegenwärtige Stand der Forschung darin, dass elterliche Rechte und Pflichten der Leihmutter gegeben werden sollten, wenn sie das Kind nach der Geburt nicht herausgeben will. Eine bereits oben dargestellte Studie385 zeigt, dass die Mehrzahl der Mütter, die subjektiv vor der Geburt mit ihrem Kind im Mutterleib eine starke Verbindung spürten, nach der Geburt eine starke und sichere Bindung mit dem Kind aufbauten. Mütter dagegen, die ein ambivalentes Gefühl gegenüber ihrem Kind empfanden, bauten nach der Geburt deutlich seltener eine sichere Bindung zu ihrem Kind auf.386 Man kann vermuten, dass eine Geburtsmutter, die ihr Kind nach der Geburt nicht abgeben möchte, eine starke Bindung zu diesem fühlt. Diese starke Bindung könnte nach dieser Studie bedeuten, dass die Geburtsmutter nach der Geburt eine sichere Bindung mit dem Kind wird aufbauen können, sodass es im besten Interesse von Mutter und Kind ist, wenn sie zusammen bleiben. Ein anderer Faktor, der in diesem Zusammenhang vom Gesetzgeber berücksichtig werden sollte ist, dass nach Studien bestimmte Arten von Stress die Entwicklung des Fötus im Mutterleib negativ beeinflussen können. Der schädlichste Stress ist offenbar der, der von einem Gefühl der Hilfslosigkeit verursacht wird.387 Obwohl es keine Studien gibt, die diese Annahme stützen würden, erscheint es plausibel anzunehmen, dass das Wissen, ein Kind abgeben zu müssen, zu dem man eine Bindung entwickelt hat, ein Gefühl solcher Hilflosigkeit erzeugen kann, das für die Entwicklung des Kindes schädlich sein könnte. Während die frühzeitige Etablierung eines rechtlichen Bandes zwischen den Initiativ­ eltern und dem Kind vorzugswürdig ist, um diese daran zu hindern, das Kind nachher zurückzulassen, weil sie es sich anders überlegt haben,388 könnte es dem Kindeswohl entsprechen, der Geburtsmutter zu erlauben, das Kind bei sich zu behalten, wenn sie es möchte. Der Fall ist allerdings dann schwieriger zu entscheiden, wenn ein oder beide Initiativelternteil(e) zusätzlich eine genetische Verbindung mit dem Kind haben. In diesem Fall hätte ein oder beide Elternteile eine doppelte und damit stärkere Elternverbindung mit dem Kind. Die Entscheidung, wer das Kind erziehen darf, muss zwar nicht durch schematisches Abzählen der Elternverbindungen entschieden werden, doch geben die Zahlen der Elternverbindungen einen Anhaltspunkt, der keinesfalls ignoriert werden sollte. Das hier vertretene Modell würde es erlauben, in diesem Fall eine gemeinschaftliche Elternschaft aller drei Personen zuzulassen oder, falls dies einer der Beteiligten nicht wünscht, so dass für das Kind schädliche Konflikte zu be385 

Vgl. oben Teil 4 I 2 (S.  291). Niederhofer, Die Hebamme, 2006, 29, 30 f. 387  Vgl. m.N. der entsprechenden Studien oben Teil 4 I 2 (S.  291). 388  BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350, Rn.  58–59. 386 

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

437

fürchten sind, eine Nebenelternschaft für das Initiativelternteil, das keine genetische Verbindung zu dem Kind begründet hat. Im Fall, dass die Geburtsmutter das Kind nicht aufziehen will, sprechen gute Argumente dafür, den Initiativeltern zu erlauben, das Kind zu erziehen, statt es allgemein zur Adoption freizugeben, um andere Eltern von der Eingehung von Leihmutterschaftsverbindungen abzuhalten.389 Initiativeltern haben ebenfalls eine Elternverbindung mit dem Kind begründet und tragen Verantwortung für das Kind.390 Sie wollten das Kind unbedingt. Dethloff führt überzeugend aus, dass Kinder keine Verantwortung dafür tragen, wie sie in die Welt kamen. Ihr Recht, von liebevollen Eltern aufgezogen zu werden, sollte nicht aus generalpräventiven Erwägungen geopfert werden.391 Diese Erwägungen können allerdings nur dann überzeugen, wenn die physische und psychische Verbindung zwischen der Geburtsmutter und Kind nicht essentiell für die spätere Entwicklung des Kindes ist. Der Gesetzgeber des §  1591 BGB ging davon aus. Um dies beurteilen zu können, ist allerding deutlich mehr Forschung erforderlich. Studien, die von Susan Golombok vorgenommen wurden, weisen in eine andere Richtung. In den Studien wurden Wunschkinder, die ohne reproduktionsmedizinische Hilfe geboren wurden, und Kinder, die unter Einsatz von Eizellenspenden, sowie Kinder, die von einer Leihmutter geboren und dann von den Initiativeltern aufgezogen wurden, verglichen. Die Vergleichsstudien wurden an Kindern im Alter von eins, zwei, drei und sieben Jahren vorgenommen.392 Nach den Ergebnissen der Studie entwickeln sich die Leihmutterschaftskinder keinesfalls schlechter, eher besser als die Kinder, die von ihren genetischen Initiativeltern geboren und aufgezogen wurden. Die Initiativmütter zeigten sogar noch positivere Eltern-Kind-Beziehungen und die Väter geringere Niveaus von Stress als die leiblichen Eltern und ihre Kinder.393 Es scheint, dass das Fehlen einer genetischen394 und/oder geburtsmäßigen Verbindung keine negativen Wirkungen auf die Eltern-Kind-Beziehungen und das seelische Wohlbefinden von Müttern, Vätern und Kindern hat.395 Golombok, die mit ihrem Team als einzige vertieft in diesem Bereich forscht, erklärte diese Ergebnisse mit der Annahme, dass die Initiativeltern, die große Anstrengungen unternommen hatten, um ihren Kinderwunsch endlich 389  Vgl. insoweit zur Entscheidung des EGMR, Gr. Kammer, Urt. v. 24.1.2017 – 25358/12 (Paradiso und Campanelli v. Italien), NJW 2017, 941, Sanders, NJW 2017, 925. 390  Vgl. Teil 4 I 3 (S.  295). 391  Dethloff, JZ 2014, 922, 927. 392  Golombok u. a., Developmental Psychology, 2004, 400  ff.; dies., Journal of Child ­Psychology and Psychiatry, 2006, 213 ff.; dies., Human Reproduction 2006, 1918; dies., Developmental Psychology 2011, 1579. 393  Golombok u. a., Journal of Child Psychology and Psychiatry 2006, 213. 394  Golombok, Modern Families, 2015, 91 ff. 395  Golombok u. a., Human Reproduction 2006, 1918; Golombok, Modern Families, 2015, 117 ff.

438

Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

zu erfüllen, ihre Kinder so sehr gewollt hatten, dass sie nun alles ihnen mögliche taten, um wirklich gute Eltern zu sein.396 Allerdings ist die Erforschung der Entwicklung von Leihmutterschaftskindern ein recht neues Phänomen. Zur Entwicklung in der schwierigen Zeit der Pubertät liegen bisher keine Studien vor, sodass eine abschließende Bewertung noch lange nicht möglich ist. Hinzukommt eine weitere Theorie, die man von anderen Studien zur Kindesentwicklung ableiten kann: Stress zwischen Eltern kann einen sehr negativen Einfluss auf die mentale Entwicklung des Kindes haben. Studien an jungen Eltern haben ergeben, dass die Geburt eines Kindes in vielen Fällen ein Risikofaktor für die Beziehung ist, besonders wenn nur einer der Partner den Wunsch nach einem Kind hatte und der andere sich nur dem anderen zuliebe darauf eingelassen hat.397 Ein Kind mit Hilfe einer Leihmutter zu bekommen, verlangt demgegenüber großen persönlichen und oft auch finanziellen Einsatz. Man kann daher annehmen, dass ein Paar, das diesen Weg zu einem Kind beschreitet, einen starken gemeinsamen Wunsch nach einem Kind haben muss. In dieser Situation mögen viele Konflikte fehlen, die zwischen traditionellen Paaren bestehen, die die Entscheidung für ein gemeinsames Kind weniger bewusst getroffen haben. Während der Gesetzgeber entscheiden muss, wie er problematische Fragen wie die Leihmutterschaft regelt, kann allein die Tatsache, dass Leihmutterschaften zu einer Situation gespaltener Elternschaft führen, ein Verbot nicht rechtfertigen. Ein Verbot oder eine Regulierung muss daher von anderen Gesichtspunkten getragen werden, wie der Schutz der Kinder und der Leihmütter vor Ausbeutung. Denkbar wäre die Zulassung altruistischer Leihmutterschaften in Deutschland unter Einführung eines Verfahrens, mit dem eine adäquate Beratung und psychologische Betreuung der Leihmutter gewährleistet wird und sichergestellt, dass sie ihre Rechte an dem Kind freiwillig aufgibt oder aber dieses Kind behalten darf, wenn sie es sich während einer bestimmten Frist nach der Geburt anders überlegt. Auch wäre nach dem hier vertretenen Modell denkbar, eine gleichberechtigte Mehrelternschaft oder eine Nebenelternschaft einzurichten, sodass der Kontakt zwischen der Leihmutter und dem Kind aufrecht erhalten bleiben könnte. Ein solches Verfahren wäre vorzugswürdig gegenüber dem aktuellen Leihmutterschaftstourismus, bei dem die reale Gefahr besteht, dass Frauen in anderen Ländern aus ökonomischem Druck heraus handeln. Um dies zu verhindern, muss allerdings auch der Gesetzgeber im Ausland handeln. Länder wie Indien, Kambodscha und Thailand haben kommerzielle Leihmutterschaften inzwischen verboten.398 396 

Bernard, Kinder machen 2014, 480 ff. Mit Hinweisen zur Forschung: Medina, Brain Rules for Baby, 2014, 57 ff. 398  Vgl. oben Teil 3 II 1 b (S.  230). 397 

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

439

ee. Embryonenadoption Die Embryonenadoption ist ein relativ neuer Fall multipler Elternschaft, in dem, wie oben bereits ausgeführt wurde, die Spendereltern die genetischen und Initiativeltern des Kindes sind. Die Wunschmutter kann eine Schwangerschaftsbeziehung zu dem Kind aufbauen, während der Partner oder die Partnerin eine soziale Beziehung zu dem Kind entwickelt. Außerdem begründet das Wunschelternpaar eine weitere Initiativbeziehung zu dem Kind, weil sie dem Embryo die Möglichkeit gegeben haben, sich einzunisten und zu einem Kind zu entwickeln. Verschiedentlich wird den Spendereltern ein Bestimmungs- und Verfügungsrecht zugestanden. Gestützt auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. das Elternrecht aus Art.  6 Abs.  2 GG sollen die Spendereltern darüber entscheiden können, ob der Embryo verworfen, kryokonserviert oder zur Spende freigegeben werden soll. Üblicherweise wird dabei die Zustimmung beider Elternteile gefordert, wobei Unklarheit über das Vorgehen bei Meinungsverschiedenheiten besteht.399 Vorliegend soll dazu nicht Stellung genommen werden, sondern nur einige Überlegungen zu möglichen Folgen innerhalb des hier erarbeiteten Systems angestellt werden. Die Spendereltern sind sowohl die genetischen Eltern als auch die Initiativeltern des Embryos. Ihre Beteiligung an dem Initiativakt rechtfertigt es, ihre fortgesetzte Verantwortung für den Embryo anzunehmen. Aus dieser Verantwortung ließe sich möglicherweise eine Verpflichtung zur Zustimmung zu einer Adoption vorsichtig ableiten, wenn sie den Embryo nicht selbst austragen möchten oder können.400 Weitgehend ungeklärt ist ferner die Frage, ob den genetischen Eltern ein Recht auf Kenntnis der Identität ihres Kindes zukommen muss. Dies ist grundsätzlich zu bejahen, wenn auch dieses Interesse nur in Abwägung mit den Grundrechten der anderen Beteiligten vom Gesetzgeber geregelt werden darf. Allerdings stehen hinter der genetischen Elternschaft der ersten Initiativeltern keine sexuellen Beziehungen mit den späteren sozialen Eltern, sodass das Inter­ esse an einer Geheimhaltung in beiden Fällen weniger schutzwürdig sein dürfte. Müssen die Eltern, die das Kind im Rahmen der Embryonenadoption ausgetragen haben und es nun aufziehen, nicht befürchten, dass ihre Familie durch eine Anfechtung zerstört wird, so erscheint es durchaus vorzugswürdig, den 399 

Vgl. dazu oben Teil 3 VII (S.  268). wäre insbesondere zu bejahen, wenn man ein Recht des Embryo auf Leben im Sinne des Art.  2 Abs.  2 GG bejaht. Vgl. dazu Deutscher Ethikrat, Embryospende, Embryo­ adoption und elterliche Verantwortung, 2016; Gassner u. a., Fortpflanzungsmedizingesetz Augsburg-Münchner-Entwurf, 2013, 39 ff.; Hübner, Die Embryoadoption, 2009; Heun, in: Bockenheimer-Lucius/Thorn/Wendehorst (Hrsg.), Umwege zum eigenen Kind, 2008, 49; Sacksofsky, Gutachten für die Enquete-Kommission „Recht und Ethik in der modernen Medizin“, 2001, 16 ff.; Hillgruber, ZfL 2002, 2; v. Münch/Kunig-GG/‌Kunig, 2012, Art.  2, Rn.  47; BVerfG, Urt. v. 28.5.1993 – 2 BvF 2/90, 4, 5/92, BVerfGE 88, 203, 251 f. 400  Dies

440

Teil 5:  Familienrechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft

genetischen Eltern und dem Kind wechselseitig Möglichkeiten der Kenntnis­ erlangung einzuräumen.401 Rechtlich ist denkbar, dass die genetischen und ersten Initiativeltern vollständig auf ihre Rechte zugunsten der sozialen und zweiten Initiativeltern verzichten. Denkbar ist aber auch die Etablierung einer Nebenelternschaft sowie einer gleichberechtigten gemeinsamen Elternschaft. Verzichten die genetischen E ­ ltern jedoch auf ihre Rechte, so ist eine spätere Einforderung der Position als Elternteil grundsätzlich nicht möglich.402 ff. Stiefeltern Das Problem bei der Ausgestaltung von Stiefelternbeziehungen ist die große Diversität dieser Konstellationen, die von einer vollen sozialen Elternschaft bis hin zu einer lockeren Beziehung zum Elternteil des Kindes reichen können.403 Nicht in allen Fällen entsteht damit eine Elternverbindung zwischen Kind und Stiefelternteil. Eine rechtliche Ausgestaltung muss diese Vielfalt berücksichtigen. Zunächst gibt §  1687b BGB einen guten Ausgangspunkt. Wie von Helms vorgeschlagen und vom DJT 2016 beschlossen, liegt es nahe, diese Vorschrift auch auf Fälle der gemeinsamen Sorge der Ursprungseltern anzuwenden sowie auf Zeiten informellen längeren Zusammenlebens.404 Faktisch wird in einer solchen Beziehung das Stiefelternteil ohnehin die in §  1687b BGB aufgeführten Befugnisse wahrnehmen. Hier ist allerdings eine Mindestzeit des Zusammen­ lebens zu verlangen, um sicher zu stellen, dass die Beziehung bereits eine gewisse Verfestigung erfahren hat. Für den Gesetzgeber ergibt sich darüber hinaus das Problem, die Entwicklung der Beziehung angemessen rechtlich umzusetzen. Das hier entwickelte Modell ermöglicht drei Optionen: – Zum einen ist die Hauptelternschaft der beiden leiblichen Eltern und eine Nebenelternschaft des Stiefelternteils möglich, die ihm ein gewisses Mitsorge­ recht gibt und begrenzte Unterhaltspflichten. – Zum zweiten ist die einverständliche Etablierung einer gleichberechtigten ­Elternschaft mit gemeinsamer Sorge denkbar. – Zum dritten ist eine offene Stiefkindadoption möglich, mit der das Stief­ elternteil zum Hauptelternteil und der leibliche Elternteil zum Nebenelternteil würde.

401 

Vgl. zu den „Registereltern“ Teil 5 III 1 d aa (3) (a) (S.  394). Vgl. Teil 5 III 1 d bb (S.  399). 403  Vgl. Teil 3 IV (S.  257). 404  Helms, Gutachten F zum 71. DJT, 2016, F 62; so auch: Staudinger/‌ Coester, 2015, §  1626a, Rn.  68; Staudinger/‌Salgo, 2014, §  1687b, Rn.  8; MüKo-BGB/‌ Hennemann, 6.  Aufl. 2012, §  1687b, Rn.  3; Veit, FPR 2004, 67, 70; Muscheler, FamRZ 2004, 913, 919. 402 

III.  Mehreltern, Kinder und ihre Rechte und Pflichten

441

Denkbar ist selbstverständlich auch eine vollständige Stiefkindadoption, die dem leiblichen Vater keine Rechte belässt, doch diese wird heute zu Recht meist abgelehnt.405 Gibt es noch einen weiteren Stiefelternteil des anderen leiblichen Elternteils, z. B. die neue Freundin des leiblichen Vaters, so kann diese ebenfalls als Nebenelternteil oder weiteres Hauptelternteil einbezogen werden, soweit die oben erarbeiteten Voraussetzungen zum Schutz des Kindeswohls vorliegen.

405 

Teil 3 IV 2 b (S.  294).

Teil 6

Ergebnisse in Thesen I.  Grundlegende Fragen der Elternschaft 1.  Notwendigkeit einer Neukonzeption der Elternschaft. Das Prinzip der ZweiEltern­schaft, welches das deutsche Familien- und Verfassungsrecht bestimmt, ist nicht mehr in der Lage, die gesellschaftliche Wirklichkeit der Pluralisierung und Segmentierung von Elternschaft zu erfassen und als Grundlage der Zuschreibung elterlicher Rechte und Pflichten zu dienen. Erforderlich ist vielmehr eine Analyse und darauf aufbauende rechtliche Gestaltung der Elternschaft, mit der sowohl die klassische Zwei-Elternschaft als auch Fälle der Mehrelternschaft angemessen geregelt werden können. Ein derartiges Gesamtkonzept der Elternschaft fehlt bisher, vielmehr diskutieren und lösen Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur überwiegend Detailfragen. 2.  Elternschaft zwischen Tatsache und Status. Elternschaft lässt sich einerseits als von rechtlichen Regelungen unabhängige Tatsache verstehen und kann andererseits – mehr oder weniger tatsachenabhängig – nach rechtlichen Regelungen als Status zugewiesen werden. a.  Elternschaft als Tatsache. Die Elternschaft ist eine Tatsache für jene Personen, die unabhängig von rechtlichen Regelungen als Eltern bezeichnet werden, weil zwischen ihnen und dem Kind eine bestimmte Beziehung begründet wurde, z. B. eine genetische Verbindung, wenn das Kind aus ihrer Ei- oder Samenzelle entstanden ist, oder eine soziale Elternbeziehung, wenn jemand das Kind aufzieht. Als tatsächliche Eltern lassen sich die genetischen Eltern, die gestationale Mutter, die Initiativeltern und die sozialen Eltern unterscheiden.1 Diese spezifischen Beziehungen zwischen einem Kind und einem Elternteil werden in der Untersuchung als Elternverbindung bezeichnet. b.  Elternschaft als Status. Rechtlich wird Elternschaft im deutschen Familienrecht wie auch in anderen kontinental-europäischen Rechtssystemen als Status (Statusprinzip) verstanden, der allein zwei Eltern durch die Regeln des Abstammungsrechts vermittelt wird.2 Das Abstammungsrecht wiederum knüpft an bestimmte Tatsachen wie die leibliche Abstammung oder die sozialen Ver1  2 

Teil 1 II 2 (S.  7). Teil 1 II 3 a (S.  11), b (S. 12).

444

Teil 6:  Ergebnisse in Thesen

hältnisse an, wenn es etwa den Ehemann der Mutter zum Vater bestimmt. Der einmal festgestellte Status besitzt Inter-omnes-Wirkung und bestimmt die ­Elternschaft z. B. im Unterhalts- und Erbrecht.3 Der Status kann nur unter den engen Voraussetzungen des Anfechtungsrechts von bestimmten Personen beseitigt werden.4 Die Bedeutung des Statusprinzips wird im Vergleich zum englischen Recht deutlich,5 in dem Elternschaft auch im Recht nur als Tatsache verstanden wird, die in jedem gerichtlichen Verfahren und von jeder Person mit einem rechtlichen Interesse auch Jahrzehnte nach dem Tod von Eltern und Kind infrage gestellt werden kann. 3.  Das Eltern-Eltern-Verhältnis und die Gleichberechtigung. Das Verständnis der rechtlichen Verhältnisse der Eltern untereinander ist ebenso wie die Elternschaft stark vom gesellschaftlichen Wandel, insbesondere der Entwicklung hin zur Gleichberechtigung der Geschlechter, geprägt worden. 6 Heute wird mit überzeugenden Gründen die rechtliche Einordnung als gesetzliches Schuldverhältnis diskutiert.7 4.  Das Spannungsverhältnis von Elternindividualität und Kindeswohldienlichkeit. Traditionelle, naturrechtlich und religiös geprägte Vorstellungen zur Organisation von Ehe und Familie verlieren zunehmend an Überzeugungskraft. Die Ehe lässt sich freilich – ebenso wie der Vertragsschluss – mit der freien Entscheidung der sie schließenden Individuen begründen. Eine solche privatautonome Begründung elterlicher Rechte stößt jedoch an ihre Grenzen in Bezug auf das Verhältnis von Eltern und Kind. Jedenfalls das kleine Kind kann nicht allein für sich entscheiden und braucht Schutz und Fürsorge. Die Sorge der Eltern für Kinder ist fremdnützig und enthält notwendig Elemente von Fremdbestimmung, die dem Wohle des Kindes dient.8 Daher muss die Wahrnehmung elter­ licher Sorge zum Schutze des Kindes von der Gemeinschaft überwacht werden. Dieses Wächteramt kommt gem. Art.  6 Abs.  2 GG dem Staat zu.

II.  Elternschaft in der historischen Entwicklung sowie als Grund- und Menschenrecht 5.  Historischer Wandel der Zahl rechtlicher Eltern. Die Untersuchung zeigt, dass die Anzahl der rechtlichen Eltern im BGB keineswegs immer auf zwei be3 

Teil 1 II 3 d (S.  16). Teil 1 II 3 a (S.  11). 5  Teil 1 II 3 c (S.  13). 6  Teil 2 I (S.  33). 7  Teil 1 II 4 a (S.  20), Teil 5 III 2 a bb (1) (S. 412). 8  Teil 1 II 4 (S.  19). 4 

II.  Elternschaft in der historischen Entwicklung

445

grenzt war. Bis zum Nichtehelichengesetz von 1970 hatte das nichteheliche Kind nur einen rechtlichen Elternteil. Das Adoptivkind hatte demgegenüber bis zum Adoptionsgesetz von 1977 bis zu vier rechtliche Elternteile, die Adoptiv­ eltern und die leiblichen Eltern.9 Demgegenüber wurde die elterliche Sorge (früher elterliche Gewalt) bis zur Durchsetzung der Gleichberechtigung der Eltern als unteilbar angesehen und nur einem Elternteil, meist dem Vater und Ehemann, zugewiesen.10 6.  Zwei-Elternschaft ab den 1970er Jahren. Erst ab den 1970er Jahren setzte sich mit der Reform des Nichtehelichen- und Adoptionsrechts die Vorstellung durch, jedes Kind müsse mindestens und höchstens zwei gleichberechtigte ­Eltern haben.11 Und erst ab den 1980er Jahren setzte sich die gemeinsame Sorge von geschiedenen und ab 1998 von unverheirateten Paaren durch.12 In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wurde schließlich erst in den 1990er Jahren entschieden, dass auch ein nichteheliches Kind zwei Eltern im verfassungsrechtlichen Sinne gem. Art.  6 Abs.  2 GG besitzt.13 Mit der Durchsetzung des Prinzips der Zwei-Elternschaft wurden weitere potentielle rechtliche Elternteile wie die leiblichen Eltern des adoptierten Kindes ausgeschlossen. Das Kindschaftsrechtsreformgesetz von 1998 behauptete dieses Prinzip der gleichberechtigten Zwei-Elternschaft gegenüber der aufkommenden Reproduktionsmedizin, indem es die Geburtsmutter zur alleinigen Mutter des Kindes erklärte.14 7. Elterngrundrecht, staatliches Wächteramt und Kindeswohl. Das komplexe Verhältnis von Staat, Eltern und Kind ist in Art.  6 Abs.  2 GG geregelt.15 Den Eltern kommt danach das Recht und die Pflicht zu, ihre Kinder zu erziehen und zu pflegen. Die Wahrnehmung von Recht und Pflicht überwacht der Staat zum Schutz des Kindes. Elternrechte und ‑pflichten sind untrennbar verbunden und werden deshalb auch als elterliche Verantwortung bezeichnet. Die elterliche Erziehung dient dem Kindeswohl, aber der Staat darf nur dann zum Wohle des Kindes in die elterliche Erziehung eingreifen, wenn das Kindeswohl gefährdet wird. Im Übrigen obliegt die konkrete Entscheidung, welche Erziehung dem Wohl des Kindes dient, den Eltern. Der Staat muss allerdings den Schutz und die Förderung des Kindeswohls als Maßstab bei der Ausgestaltung des Familienrechts verfolgen. 9 

Vgl. Teil 2 I 1 d (S.  41), e (S.  54). Teil 2 I 2 a (S.  63), b (S.  66). 11  Teil 2 I 1 d cc (S.  49), e bb (S.  58). 12  Teil 2 II 2 (S.  114). 13  Vgl. Teil 2 II 5 e (S.  154). 14  Teil 2 I 3 (S.  8 0). 15  Teil 2 II 3 (S.  117). 10 

446

Teil 6:  Ergebnisse in Thesen

8.  BVerfG: Mehrere Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG aber nur zwei Träger des Elternrechts. Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts alle leiblichen Eltern unabhängig davon, ob sie die rechtliche Anerkennung des BGB gefunden haben. Eltern im Sinne des Verfassungsrechts sind außerdem die rechtlichen Eltern im Sinne des BGB unabhängig davon ob sie leibliche Eltern des Kindes sind, wie z. B. Adoptiv­ eltern. Fallen rechtliche und leibliche Elternschaft auseinander, kann es mehr als zwei Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG geben. Allerdings entschied das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 9.4.2003,16 zwar seien sowohl der rechtliche als auch der genetische Vater ­Eltern unter dem Schutz des Art.  6 Abs.  2 GG, doch könnten nur zwei Eltern die Rechte und Pflichten in Bezug auf das Kind im Sinne der verfassungsrechtlichen ­Elternverantwortung übernehmen. Eine andere Konzeption der Elternschaft könne Rollen- und Kompetenzkonflikte verursachen, die dem Kindeswohl schaden könnten. Damit unterscheidet das Bundesverfassungsgericht zwischen dem personellen Schutzbereich des Art.  6 Abs.  2 GG, dem mehr als zwei Eltern unterfallen können, und dem sachlichen Schutzbereich des Elternrechts, der nur zwei Eltern zukommen kann. Diese Entscheidung wird von weiten Teilen der Literatur als verfassungsrechtliches Verbot der Einführung einer Mehr­ elternschaft verstanden. 9.  EGMR: Elternschaft und tatsächliche Familienbeziehung in Art.  8 EMRK. Die Rechtsprechung des EGMR stellt im Vergleich zum Bundesverfassungsgericht nicht auf die rechtliche Elternstellung und weniger auf die genetische Abstammung ab. Entscheidend ist gemäß dem Wortlaut des Art.  8 Abs.  1 EMRK, der Respekt für das Privat- und Familienleben verlangt, die tatsächliche Beziehung zwischen den Familienmitgliedern. Die Zahl spielt dabei ebenso wenig eine Rolle wie die rechtliche Anerkennung der familiären Beziehung.17

III.  Mehrelternschaft als gesellschaftliche und rechtliche Herausforderung 10.  Mehrelternschaft ist nichts Neues. Mehrelternkonstellationen, in denen ein Kind mehr als zwei Elternfiguren hat, treten heute nicht zum ersten Mal auf. Kuckuckskinder gab es schon immer. Doch wurden Personen, die über die zwei rechtlichen Eltern hinaus als Eltern in Betracht kamen, aus der verfassungsrechtlichen und der einfachrechtlichen Elterndefinition ausgeschlossen.18 Mit 16 

BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101, 103. Teil 2 III (S.  188). 18  Teil 2 IV 1 (S. 193). 17 

III.  Mehrelternschaft als gesellschaftliche und rechtliche Herausforderung

447

der Einführung von Vorschriften wie §§  1685 Abs.  2 1687b, 1686a BGB und §  9 Abs.  1 LPartG zeigt das Prinzip der Zwei-Elternschaft jedoch bereits leichte Brüche.19 11.  Entwicklung von Gesellschaft und Reproduktionsmedizin als Ursachen der neuen Aktualität von Mehrelternverhältnissen. Gesellschaftliche Veränderungen, wie die Akzeptanz von Scheidung und Neuverheiratung, größere Offenheit in persönlichen Beziehungen, sowie zunehmend wichtiger werdende re­ produktionsmedizinische Maßnahmen lassen das traditionelle Prinzip der Zwei-­Elternschaft immer fragwürdiger erscheinen. Gesetzgeber und Gerichte kämpfen mit Fragen der Mehrelternschaft 20 wie dem Auseinanderfallen von rechtlicher und leiblicher Elternschaft,21 Samenspende,22 Leihmutterschaft,23 Co-Mutterschaft und Eizellenspende,24 offener Adoption, 25 Stieffamilien,26 Queer-­Families27 und die Embryonenspende.28 Hinzu kommen heute Fragen der genetischen Elternschaft von drei Eltern, wenn Eizellen zur Vermeidung von Erbkrankheiten entkernt und mit dem Kern der Eizelle einer anderen Frau versehen werden.29 Weitere Verfahren befinden sich noch im Forschungssta­ dium, könnten aber die Bedeutung der genetischen Mehrelternschaft noch verschärfen.30 All diese Fragen werden separat diskutiert. Erforderlich ist ein stimmiges Konzept zur Analyse aller Formen der Zwei- und Viel-Elternschaft. 12.  Die Formen der Mehrelternschaft. In Literatur und Rechtsprechung diskutierte Mehrelternschaften lassen sich wie folgt systematisieren: a.  Anfängliche und nachträgliche Mehrelternschaft. Anfängliche und nachträgliche Mehrelternschaft, je nachdem ob die Mehrelternschaft schon im Zeitpunkt der Geburt bestand oder erst durch das spätere Hinzukommen eines neuen Elternteils entstanden sind. Anfängliche Formen der Mehrelternschaft sind Kuckuckskind, Samenspende, Queer-Family, Leihmutterschaft und Embryonenspende. Nachträgliche Formen der Mehrelternschaft sind Adoptiv-, Stief- und Pflegefamilien.

19 

Teil 2 IV 2 (S. 195). Vgl. Teil 3 (S.  197). 21  Teil 3 I 1 (S.  197). 22  Teil 3 I 2 (S.  208). 23  Teil 3 II 1 (S.  2 29). 24  Teil 3 II 2 (S.  240). 25  Teil 3 III (S. 249). 26  Teil 3 IV (S.  257). 27  Teil 3 VI (S.  263). 28  Teil 3 VII (S.  268). 29  Teil 3 VIII 1 (S.  272). 30  Teil 3 VIII 2 (S.  273). 20 

448

Teil 6:  Ergebnisse in Thesen

b.  Einverständliche und unfreiwillige Mehrelternschaft. Die einverständliche Mehrelternschaft entsteht mit dem Willen aller beteiligten Eltern wie bei Samen­ spende, Queer-Family und Embryonenspende. Die unfreiwillige Mehr­eltern­ schaft entsteht ohne den Willen eines der Beteiligten wie die Zeugung des Kuckucks­k indes und – jedenfalls häufig – die Gründung einer Stieffamilie. Bei Adoptiv- und Pflegefamilie können insoweit verschiedene Fallgestaltungen auftauchen. c. Kombinationen. Die Parameter anfänglich-nachträglich sowie einverständlich-unfreiwillig lassen sich kombinieren, sodass ein Kuckuckskind in ­einer anfänglich-unfreiwilligen Mehrelternkonstellation lebt, während es sich bei der Samenspende, Embryonenadoption und Queer-Family um eine anfänglich-einverständliche Mehrelternkonstellation handelt. Eine Adoption mit Zustimmung der Eltern ist eine nachträglich-einverständliche Mehrelternschaft, während eine Stieffamilie meist als nachträglich-unfreiwillige Mehrelternschaft entsteht. Diese Analyse erlaubt bereits eine Systematisierung von Konstellationen der Mehrelternschaft, genügt aber noch nicht für die erforderliche Neukonzeption der rechtlichen Elternschaft.

IV.  Elternverbindungen als Grundlage der Elternschaft 13.  Elternverbindungen unter dem Einfluss von Segmentierung und Pluralisierung der Elternschaft. Traditionell bestehen nur zwischen zwei Eltern und ­einem Kind die genetischen, gestationalen, Initiativ- und sozialen Beziehungen, die üblicherweise mit Elternschaft assoziiert werden. Diese verschiedenen Beziehungen werden in der Untersuchung als Elternverbindung bezeichnet. Ein neues Konzept der Elternschaft muss allerdings von der Tatsache ausgehen, dass heute mehr als zwei Personen Elternverbindungen mit einem Kind begründen können.31 Im Zuge der Pluralisierung und Segmentierung von ­Elternschaft durch die Reproduktionsmedizin und die Auflösung persönlicher Beziehungen fallen Verbindungen zwischen Eltern und Kindern immer häufiger auseinander. 14. Die verschiedenen Elternverbindungen. Die Grundlage der Zuweisung ­elterlicher Rechte und Pflichten müssen die verschiedenen tatsächlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kind bilden. Hier sind vier Arten von tatsäch­ lichen Beziehungen zu berücksichtigen, die als „Elternverbindungen“ bezeichnet werden:

31 

Vgl. Teil 4 I (S.  283).

IV.  Elternverbindungen als Grundlage der Elternschaft

449

a.  Genetische Elternverbindung. Genetische Eltern haben die Ei- und Samen­ zelle und damit das genetische Material für die Zeugung des Kindes gegeben.32 b. Gestationale Elternverbindung. Die Geburtsmutter oder gestationale Mutter hat das Kind ausgetragen und geboren. Nach geltendem deutschem Recht ist nur sie die Mutter des Kindes.33 Dem sie begleitenden Partner, sei dieser männlich oder weiblich, weist die Untersuchung keine eigene Elternstellung zu. Der gestationsbegleitende Beitrag, den der Partner erbringt, kann jedoch möglicherweise die Basis für eine schnellere Entwicklung einer sozialen Elternrolle bilden. c. Initiativelternverbindung. Es gibt Initiativeltern, die die Zeugung und Geburt des Kindes verursacht haben.34 Dies sind bei der traditionellen Zeugung eines Kindes die Personen, die miteinander den Geschlechtsverkehr haben, bei dem das Kind entsteht. Bei künstlicher Befruchtung sind es die Personen, die Ärzte und Samenspender zur Zeugung des Kindes veranlasst und damit die Ursache seiner Entstehung gesetzt haben. Bei einer Leihmutterschaft sind es die Personen, die die Leihmutterschaftsvereinbarung abgeschlossen und das Kind als das ihrige gewollt haben. Initiativeltern werden in der Diskussion oft als „intentionale“ oder „Wunscheltern“ bezeichnet, doch dies ist ungenau. Während beispielsweise Adoptiveltern einen generellen Willen haben, eine dauerhafte, rechtlich abgesicherte soziale Elternstellung zu begründen, haben die Handlungen der Initiativeltern die Zeugung und Geburt des Kindes verursacht, für das sie entsprechend Verantwortung tragen. d.  Soziale Elternverbindung. Schließlich gibt es die sozialen Eltern, die dem Kind tatsächlich die Liebe, Fürsorge und Erziehung geben, die es braucht, um sich zu entwickeln.35 15.  Elterngruppen: Ursprungseltern & Soziale Eltern. Die Initiativeltern, genetischen Eltern und die gestationale Mutter können zusammengefasst auch als die Ursprungseltern bezeichnet werden, weil sie gemeinsam dem Kind das ­Leben geben. Bei den sozialen Eltern wächst das Kind dem gegenüber auf und entwickelt sich. 16.  Rechtliche Elternschaft ist keine Elternverbindung. Die rechtliche Elternschaft ist zwar auch „rechtliche“ Tatsache, sie ist aber auszuklammern, da sie bereits das Ergebnis einer Bewertung bestimmter Beziehungen zwischen Eltern und Kind ist. Die Analyse nach Elternverbindungen will gerade ein von der rechtlichen Ausgestaltung unabhängiges Analyseinstrument bereitstellen. 32 

Teil 4 I 1 (S.  288). Teil 4 I 2 (S.  291). 34  Vgl. Teil 4 I 3 (S.  295). 35  Teil 4 I 4 (S.  298). 33 

450

Teil 6:  Ergebnisse in Thesen

17.  Elternverbindungen als Instrument der Analyse und Abwägung von Eltern­ interessen. Die Analyse der jeweiligen Elternverbindungen erlaubt die Diskussion der verschiedenen Elternpositionen und der Frage, welche Rechte den einzelnen Eltern zugewiesen werden können und sollten. Elternverbindungen ermöglichen diese Analyse der verschiedensten Eltern-Kind-Konstellationen (These 18, 19) und leiten das Ermessen des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der rechtlichen Elternschaft (These 20). 18. Elternverbindungen in der traditionellen Familie. In einer traditionellen Familie begründet die Mutter vier Elternverbindungen mit dem Kind, der Vater drei Elternverbindungen. Es gibt keinen Zweifel, dass solche Eltern gemäß Art.  6 Abs.  2 GG geschützt sind und nur unter den Voraussetzungen des Art.  6 Abs.  3 GG von ihrem Kind getrennt werden können, wenn sie das Wohl des Kindes gefährden. Zudem bilden die Eltern mit ihrem Kind eine von Art.  6 Abs.  1 GG geschützte Familie. 19.  Elternverbindungen in neuen Familienformen. In mehr und mehr Fällen begründen heute jedoch verschiedene Personen Elternverbindungen mit dem Kind. Beispielsweise hat der rechtliche Vater eines Kuckuckskindes nur eine Elternverbindung zu dem Kind etabliert, die soziale.36 Der nichtrechtliche­ Vater besitzt demgegenüber zwei Elternverbindungen, die genetische und die Initia­tivverbindung. Die Mutter besitzt hingegen alle vier Elternverbindungen, die genetische, die gestationale, die Initiativ- und die soziale Elternverbindung. Im Fall einer Samenspende ist der Ehemann der Mutter der Initiativ- und so­ ziale Vater, der Samenspender nur der genetische Vater.37 Auch in Fällen von Leihmutterschaft,38 Co-Mutterschaft,39 Queer-Families,40 Adoption,41 Stief­ eltern42 und Embryonenspenden43 erlaubt das Konzept der Elternverbindungen eine präzise Analyse und rechtliche Diskussion der verschiedenen Fallgestaltungen. 20.  Elternverbindungen als Leitlinie für den Gesetzgeber.  a. Elternverbindung als Voraussetzung der rechtlichen Elternschaft. Das Konzept der Elternverbindung erlaubt nicht nur die Analyse von Mehrelternkonstellationen, sondern liefert auch Leitlinien für die Ausgestaltung der Elternschaft.44 Der Gesetzgeber 36 

Teil 4 II 1 a (S.  302). Teil 4 II 1 b (S. 303). 38  Teil 4 II 2 (S. 305). 39  Teil 4 II 3 (S. 306). 40  Teil 4 II 4 (S. 307). 41  Teil 4 II 5 (S. 308). 42  Teil 4 II 5 (S.  308). 43  Teil 4 II 6 (S.  309). 44  Teil 5 II (S.  359). 37 

V.  Verfassungskonforme Mehrelternschaft

451

darf nicht willkürlich irgendwelche Personen zu Eltern eines Kindes machen. Ebenso wie der Staat ein Kind nur bei einer Gefährdung des Kindeswohls von seinen Eltern trennen darf,45 darf er auch nicht zur Optimierung des Kindeswohls die optimalen Eltern für ein Kind aussuchen. Eltern im Sinne des BGB müssen grundsätzlich bereits eine Elternverbindung haben, d. h. entweder an der Zeugung und Geburt des Kindes beteiligt gewesen sein oder später eine soziale Verbindung aufgebaut haben.46 Solange es Personen mit einer Elternverbindung gibt, muss der Gesetzgeber ihnen Rechte und Pflichten der Elternschaft zuweisen, bevor er das Kind Dritten ohne eine Elternverbindung zur Fürsorge und Adoption anvertrauen darf.47 b.  Reduktion der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit mit steigender Zahl der Elternverbindungen. Je mehr Elternverbindungen eine Person zu dem Kind hat, desto geringer wird der Gestaltungspielraum des Gesetzgebers.48 Einer Person, die alle denkbaren Elternverbindungen zu dem Kind hat, müssen ­Elternrechte und -pflichten eingeräumt werden. Je weniger und schwächer aber die Elternverbindungen sind, desto mehr Gestaltungsspielraum kommt dem Gesetzgeber zu. Bei dessen Ausübung muss er die Grundrechte des Kindes und der Eltern schützen und das Wohl des Kindes fördern.

V.  Verfassungskonforme Mehrelternschaft 21.  Der grundrechtliche Schutz der verschiedenen Eltern. Die Ursprungseltern, d. h. die genetischen, gestationalen und Initiativeltern, stehen unter dem Schutz von Art.  6 Abs.  2 GG, unabhängig von ihrer Anerkennung als rechtliche Eltern im Sinne des BGB.49 Soziale Eltern stehen nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls unter dem Schutz des Art.  6 Abs.  2 GG, wenn sie rechtlich als Eltern anerkannt sind, z. B. nach einer Adoption. Ohne weitere rechtliche Anerkennung stehen soziale Eltern unter dem Schutz von Art.  6 Abs.  1 GG.50 22.  Mehr als zwei Träger des Elternrechts gem. Art.  6 Abs.  2 GG. Zugunsten der Eltern im Sinne des Art.  6 Abs.  2 GG ist unabhängig von ihrer Zahl sowohl der persönliche als auch der sachliche Schutzbereich eröffnet. Die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 9.4.200351 entwickelte Differenzie45 

Teil 2 II 3 a (S.  117), 4 d (S.  132). können allerdings auch, wie z. B. beim Ehemann der Mutter vermutet werden. vgl. dazu näher: Teil 5 III 1 a (S.  387). 47  Teil 5 II 1 (S. 360). 48  Teil 5 II 4 (S.  383). 49  Teil 4 III 1 (S.  312), 2 (S.  314), 3 (S.  315), 4 (S.  316). 50  Teil 4 III 5 (S.  324). 51  BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82, 101, 103. 46  Elternverbindungen

452

Teil 6:  Ergebnisse in Thesen

rung zwischen verfassungsrechtlicher Elternschaft im Sinne von Art.  6 Abs.  2 GG und Trägerschaft des Elternrechts überzeugt nicht. Rollen- und Kompetenzkonflikte, die dem Kindeswohl schaden könnten, sind durch die Ausgestaltung der Elternschaft im Familienrecht zu lösen, nicht durch einen Ausschluss von Eltern im verfassungsrechtlichen Sinne aus dem sachlichen Schutzbereich des Grundrechts.52 23. Konfliktvermeidung zwischen Eltern durch einfachrechtliche Ausgestaltung. Es führt kein Weg daran vorbei, die Realitäten der heutigen Familie zur Kenntnis zu nehmen und rechtliche Regelungen zu entwickeln, die Konflikte zwischen potentiellen Eltern regulieren und zum Wohle des Kindes möglichst ausschließen. Das Grundrecht der Elternschaft ist kein Tandem, auf dem zwei Personen verschiedenen Geschlechts durch die Landschaft radeln, sondern eher ein Familienauto oder Kleinbus, in dem verschiedene Eltern aufgrund ihrer Elternverbindung mit dem Kind mitfahren können. Die Frage, wer am Steuer sitzen soll, das heißt, wer die Entscheidungen für das Kind trifft, muss im Interesse des Kindes und seiner Grundrechte53 vom Gesetzgeber entschieden werden. Dabei verlangt die Verfassung nicht, dass nur ein Elternpaar Rechte und Pflichten in Bezug auf das Kind wahrnehmen kann. Wohl aber kann eine Gefährdung des Kindeswohls die Beschränkung der Rechte grundrechtlich geschützter Eltern rechtfertigen. Dem Gesetzgeber kommt bei der Ausgestaltung der Elternschaften ein gewisser Gestaltungsspielraum zu, für den allerdings einige Leitlinien zu beachten sind (These 20, 24 ff.).54 24.  Die Grundrechte des Kindes. Von zentraler Bedeutung sind bei der Ausgestaltung der Elternschaft die Grundrechte des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung,55 das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung56 sowie der Schutz seiner familiären Bindungen.57 Insofern ist zu berücksichtigen, dass innerfamiliäre Konflikte zwischen den Eltern dem Kindeswohl schaden können und daher im Rahmen der gesetzlichen Ausgestaltung der Elternschaft möglichst zu minimieren sind.58 25.  Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Mehrelternschaft und die Institutsgarantie in Art 6 Abs.  2 GG. Da sich das Elternrecht einschließlich der Zahl 52 

Teil 4 III 6 (S.  331). Teil 5 I (S.  341). 54  Teil 5 II (S.  359). 55  Teil 5 I 1 (S.  342). 56  Teil 5 I 3 (S.  344). 57  Teil 5 I 2 (S.  343). 58  Teil 5 II 3 b (S.  368), c (S.  381). 53 

V.  Verfassungskonforme Mehrelternschaft

453

der rechtlichen Eltern selbst seit Inkrafttreten des Grundgesetzes wiederholt gewandelt hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Prinzip der Zwei-Elternschaft zu dem durch die Institutsgarantie des Art.  6 Abs.  2 GG geschützten Kern der Elternschaft gehört.59 Der Gesetzgeber ist daher nicht verfassungsrechtlich gehindert, mehr als zwei Eltern bei der Ausgestaltung des einfachen Familien- und Erbrechts Rechte und Pflichten zuzuweisen. 60 26. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Mehrelternschaft und kindeswohlschädliche Konflikte. Auch ist der Gesetzgeber nicht gehalten, die recht­ liche Mehrelternschaft zum Schutz des Kindeswohls zu untersagen, wenn kindeswohlschädliche Konflikte durch die Eltern61 und die rechtliche Gestaltung der Mehrelternschaft vermieden werden können. 62 Vielmehr fordert der grundrechtliche Schutz der Eltern, Mehrelternschaften in dem Maße zuzulassen, wie sie das Kindeswohl nicht beeinträchtigen. 27. Mehrelternschaft, Kindeswohl und die Wurzeln der Menschheit. Wissenschaftliche Untersuchungen sprechen nicht dafür, dass die Betreuung durch mehrere stabile Elternfiguren dem Kindeswohl notwendig abträglich ist. Vielmehr weisen anthropologische und entwicklungspsychologische Forschungen daraufhin, dass Kinder positive Beziehungen zu mehreren Bezugspersonen aufbauen können, wenn diese Beziehungen hinreichend stabil sind.63 Mehr noch, die Betreuung durch andere Personen als die Mutter bildete einen wesentlichen Aspekt in der Entwicklung von menschlichen Eigenschaften wie Kooperationsfähigkeit, Empathie und Sprache. 64 Weil Menschen seit Urzeiten die fordernde Betreuung und Versorgung ihrer im Gegensatz zu anderen Tieren extrem lange unselbständigen Kinder nur gemeinsam bewältigen konnten, mussten ihre Kinder schon früh lernen, das Verhalten Fremder zu verstehen und mit anderen Menschen als der Mutter zu kommunizieren. 65 Die bürger­liche Kleinfamilie mit ihrer Konzentration auf einen Vater und eine Mutter ist demgegenüber eine relativ neue rechtliche und gesellschaftliche Entwicklung.

59 

Teil 5 II 3 a (S. 366). Teil 5 II 3 (S.  365). 61  Teil 5 II 3 b dd (S.  372). 62  Teil 5 II 3 b (S.  368). 63  Teil 5 II 3 b ee (S.  375). 64 Grundlegend: Blaffer Hrdy, Mothers and Others, 2011. 65  Teil 5 II 3 b ee (S.  375). 60 

454

Teil 6:  Ergebnisse in Thesen

VI.  Die Ausgestaltung der Mehrelternschaft im Familienrecht 28.  Mehrelternschaft und Konfliktvermeidung. Der Gesetzgeber ist in der Ausgestaltung der Elternbeziehungen gehalten, eine Schädigung des Kindes durch die in Mehrelternbeziehungen wahrscheinlich nicht selten auftretenden Konflikte zu vermeiden. 66 Dies kann er mit drei Mitteln erreichen, die sich maßgeblich in Bezug auf die Kooperationsfähigkeit der Eltern unterscheiden. Diese liegt in Fällen einverständlicher Mehrelternschaft eher vor als in Fällen der unfreiwilligen Mehrelternschaft. Insofern kann der Gesetzgeber drei Wege nutzen: – Verzicht auf die Elternschaft, die die Anzahl der Eltern und damit mögliche Konflikte reduziert (These 29) – Gleichberechtigte Mehrelternschaft nur beim Nachweis der Kooperations­ fähigkeit und ‑bereitschaft der Mehreltern (These 30) – Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebeneltern (These 31) 29.  Verzicht auf die Elternposition grundsätzlich zulässig. Praktisch lässt das Gesetz bei der Adoption eines Kindes und beim Samenspender bereits den Verzicht auf die Elternschaft zu. Eltern sollten aber generell auf eine ihnen sonst zustehende Elternschaft nach bestimmten, vom Gesetzgeber festzulegenden Formvorschriften zugunsten anderer Eltern verzichten können, soweit dies nicht die Rechte des Kindes beeinträchtigt. 67 Zu diesen Interessen gehört das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung sowie das Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterliche Pflege und Erziehung. Ein Verzicht auf die Elternposition kommt insbesondere für Spendereltern und – soweit man diese in Deutschland zulassen wollte – Leihmütter in Betracht, also in Fällen anfänglicher einverständlicher Mehrelternschaft. Denkbar ist sie aber auch bei einer Adoption mit dem Einverständnis der leibliche Eltern, also einem Fall nachträglicher einverständlicher Mehrelternschaft. 30.  Elternvereinbarung als Ausweis elterlicher Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft. Zur Vermeidung von Konflikten ist gleichberechtigte Mehrelternschaft auf solche Fälle zu begrenzen, in denen die Eltern ihre Kooperations­ fähigkeit und ‑bereitschaft durch eine notariell beurkundete Elternvereinbarung unter Beweis gestellt haben. 68 In einem solchen Fall, in dem die Eltern mehr über ihre Kooperation zum Wohle des Kindes nachgedacht haben werden als es viele Elternpaare tun, besteht kein Grund, einer solchen Mehrelternbeziehung die rechtliche Anerkennung zu versagen. Der Abschluss derartiger Mehr66 

Teil 5 II 3 c (S.  381). Teil 5 II 2 (S.  362). 68  Teil 5 III 1 d (S.  393). 67 

VI.  Die Ausgestaltung der Mehrelternschaft im Familienrecht

455

elternvereinbarungen kommt bei anfänglichen einverständlichen Mehrelternschaften, insbesondere der Queer-Family in Betracht, und möglicherweise bei unfreiwilligen Mehrelternschaften wie bei Stieffamilien nach einer Gewöhnungszeit. 31.  Haupteltern und Nebeneltern. Die Einführung der §§  1686a, 1685 Abs.  2 und 1687b BGB weisen bereits daraufhin, dass der Gesetzgeber offenbar davon ausgeht, dass Personen mit beschränkten elterlichen Rechten den Eltern mit vollumfänglichen elterlichen Rechten, den „Haupteltern“, an die Seite gestellt werden können, ohne das Kindeswohl zu gefährden. 69 Dieser Ansatz ist zur rechtlichen Ausgestaltung von Mehrelternverhältnissen nutzbar zu machen. Soweit keine Elternvereinbarung abgeschlossen wird, die mehr als zwei Eltern die gleichberechtigte Elternschaft zuweist, kann also eine Person mit Elternverbindungen die Position eines Nebenelternteils neben den Haupteltern erhalten. 32.  Die Ausgestaltung gleichberechtigter Mehrelternschaft. Für die Ausgestaltung der gleichberechtigten Mehrelternschaft70 wurden erste Vorschläge zur Beschlussfassung, Vertretung, Umgang, Unterhalts- und Erbrecht erarbeitet. Dabei wurden Anleihen bei dem Recht der Bruchteilsgemeinschaft, der Erbengemeinschaft und der Volljährigenadoption genommen. Der Vergleich mit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (wie auch der Erbengemeinschaft insoweit) wird allerdings dadurch erschwert, dass die Gemeinschaft der Eltern mit ihren einzelnen Elternrechten schwerlich mit einer Gesamthand verglichen werden kann, bei denen die Gesamthänder Vermögenswerte in gesamthänderischer Verbundenheit halten.71 33.  Beschlussfassung in der Mehrelterngemeinschaft. Hinsichtlich der Entscheidungsfindung in einer Mehrelternkonstellation wurde auf den Regelungen des §§  1627, 1628 BGB sowie der Bruchteils- und Erbengemeinschaft aufgebaut.72 Bei alltäglichen Entscheidungen sollte danach die Mehrheit der Eltern entscheiden. In Fragen von erheblicher Bedeutung für das Kind, in denen auch in der Zwei-Elterngemeinschaft gem. §  1628 BGB das Familiengericht angerufen werden kann, sollte jedoch Einstimmigkeit erforderlich sein. Dies entspricht den Grundsätzen der Bruchteils- und Erbengemeinschaft aber auch der – freilich in die Kritik geratenen – Idee der gesellschaftsrechtlichen Kernbereichslehre, dass Entscheidungen von grundlegender Bedeutung von allen gemeinsam getroffen werden müssen. 69 

Teil 5 II 3 b cc (S. 371). Teil 5 III 2 (S. 410), 3 (S.  422). 71  Teil 5 III 2 a bb (2) (S. 414). 72  Teil 5 III 2 a (S. 411).

70 

456

Teil 6:  Ergebnisse in Thesen

34.  Rechte und Pflichten der Nebeneltern. Überdies ist es möglich, dem Kind neben den Haupteltern, die üblicherweise ein Paar verschieden- oder gleichgeschlechtlicher Eltern sein werden, einen oder mehrere Nebeneltern73 zur Seite zu stellen, die gewissen Auskunfts- und Umgangsrechte, subsidiäre Unterhaltspflichten sowie, unter Umständen, eine gewisse erbrechtliche Stellung haben könnten.74 Die Einzelheiten sind sorgfältig zu diskutieren. 35.  Abschließende Bemerkung. Der Vorteil der rechtlichen Anerkennung von Elternverbindungen zu mehr als zwei Eltern ist, dass alle Elternteile im Rahmen ihrer Elternverbindung Sicherheit haben können. Rechtlich begründete Macht­ ungleichgewichte zwischen verschiedenen Bezugspersonen des Kindes, die die Beziehung zu ihm destabilisieren können, werden so weit wie möglich vermieden.75 Eine genetische Elternschaft kann bestehen, aber eine soziale daneben anerkannt werden. Dass dies die persönlichen Probleme, die aus innerfami­ liären Geheimnissen entstehen können, wie sie für Konstellationen von Mehr­ elternschaft typisch sind, nicht zu vermeiden vermag, soll nicht geleugnet ­werden. Forschungen zeigen aber, dass Kinder zu durchaus mehr als zwei Bezugspersonen enge Beziehungen aufbauen können, wie es in immer mehr Stieffamilien geschieht. Untersuchungen weisen auch darauf hin, dass inner­familiäre Geheimnisse dem Familienfrieden nicht dienen, sondern vielmehr zu schwerwiegenden Problemen führen können. Darum wird immer mehr ein offener Umgang mit Konstellationen von Mehrelternschaft empfohlen, die durch Adoptionen und den Einsatz von reproduktionsmedizinischen Maßnahmen entstehen. Dazu kann der offene Umgang des Rechts beitragen, indem Konstella­ tionen der Mehrelternschaft nicht geleugnet, sondern rechtlich akzeptiert werden und ihre Ausgestaltung ermöglicht wird. Man mag den Verlust klarer Familienstrukturen mit zwei Eltern und vielen Kindern bedauern, auch wenn die Untersuchung zeigt, dass auch das BGB die Ein- und die Mehrelternschaft kannte. Heute aber – mehr denn je – muss das Recht im Interesse der Kinder und ihrer Eltern mit verfeinerten Analyseinstrumenten arbeiten, die der Vielheit heutiger Elternschaft und ihrer Dynamik Rechnung tragen. Auf dieser Grundlage muss das Recht Lösungen entwickeln, die sowohl den Interessen der Kinder als auch ihrer Eltern gerecht werden. Dazu hat die Untersuchung einen Beitrag geleistet.

73 

Teil 5 III 1 e (S.  402). Teil 5 III 1 f (S. 406), 2 c (S.  421), 3 (S.  422). 75 Vgl. Walper/Enleitner-Phelps/Wendt, RdJB 2016, 210, 225 f. 74 

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Rechtsprechungsverzeichnis 1. Bundesverfassungsgericht Urt. v. 18.12.1953 – 1 BvL 106/53, BVerfGE 3, 225 … 128 Urt. v. 20.7.1954 – 1 BvR 459, 484, 555, 623, 651, 748, 783, 801/52, 5, 9/53, 96, 114/54, BVerfGE 4, 7 … 352 Urt. v. 20.10.1954 – 1 BvR 527/52, BVerfGE 4, 52 … 114, 117 Urt. v. 17.1.1957 – 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, 55 = FamRZ 1957, 82 = NJW 1957, 417 … 111, 139 Beschl. v. 10.3.1958 – 1 BvL 42/56, BVerfGE 7, 320 … 117, 131 Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 1 BvL 27, 100/58, BVerfGE 10, 59 = F ­ amRZ 1959, 416 = NJW 1959, 1483 … 32, 70–73, 75, 129, 152–154, 169, 172–173, 324–325, 335, 411 Beschl. v. 23.10.1958 – 1 BvL 45/56, BVerfGE 8, 210 = FamRZ 1958, 451 = NJW 1958, 2059 … 46, 65, 147, 155, 334 Beschl. v. 30.6.1964 – 1 BvL 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25/62, BVerfGE 18, 97 = FamRZ 1964, 416 = NJW 1964, 1563 … 173, 325 Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63, 31/66, 5/67, BVerfGE 24, 119 = FamRZ 1968, 578 = NJW 1968, 2233 … 9, 24–25, 116–117, 119, 128, 132–133, 135, 138, 140, 145, 147, 151, 155, 156, 161–163, 171, 213, 226, 255, 262, 283, 312, 318–319, 323–324, 343, 362–363, 370 Beschl. v. 29.1.1969 – 1 BvR 26/66, BVerfGE 25, 167 = FamRZ 1969, 196 = NJW 1969, 597 … 10, 43, 113, 115, 166, 429 Beschl. v. 4.5.1971 – 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58 = FamRZ 1971, 414 = NJW 1971, 1509 … 121 Beschl. v. 15.6.1971 – 1 BvR 192/70, BVerfGE 31, 194 … 117, 131, 135, 138, 151–154, 171, 335 Beschl. v. 21.5.1974 – 1 BvL 22/71, 21/72, BVerfGE 37, 217 = FamRZ 1974, 579 = NJW 1974, 1609 … 128, 135 Beschl. v. 4.12.1974 – 1 BvL 14/73, BVerfGE 38, 241 = FamRZ 1975, 82 = NJW 1975, 203 … 356 Beschl. v. 4.12.1974 – 1 BvL 14/73, BVerfGE 38, 241 = FamRZ 1975, 82 = NJW 1975, 203 … 347 Beschl. v. 17.12.1975 – 1 BvR 63/68, BVerfGE 41, 29 = NJW 1976, 947 … 131 Beschl. v. 8.12.1976 – 1 BvR 810/70, 57/73, 147/76, BVerfGE 44, 1 = FamRZ 1977, 446 = NJW 1977, 1677 … 10, 115, 166, 429 Beschl. v. 8.6.1977 – 1 BvR 265/75, BVerfGE 45, 104 = FamRZ 1977, 536 u. 611 = NJW 1978, 33 … 173, 325 Beschl. v. 8.6.1977 – 2 BvR 499/74, 1042/75, BVerfGE 45, 142 = NJW 1977, 2024 … 9, 145 Beschl. v. 21.12.1977 – 1 BvL 1/75, 1 BvR 147/75, BVerfGE 47, 46, 76 = NJW 1978, 807 … 131, 418

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Rechtsprechungsverzeichnis

Beschl. v. 18.7.1979 – 1 BvR 650/77, BVerfGE 51, 386 = FamRZ 1979, 1000 = NJW 1980, 514 … 135 Beschl. v. 16.10.1979 – 1 BvR 647/70, 7/74, BVerfGE 52, 223 = FamRZ 1980, 29 = NJW 1980, 575 … 132, 370 Urt. v. 28.2.1980 – 1 BvL 136/78, 1 BvR 890/77, 1300, 1440/78, 32/79, BVerfGE 53, 224 = FamRZ 1980, 319 = NJW 1980, 689 … 121 Beschl. v. 21.10.1980 – 1 BvR 1284/79, BVerfGE 55, 134 = FamRZ 1981, 15 = NJW 1981, 108 … 121 Beschl. v. 5.11.1980 – 1 BvR 349/80, BVerfGE 55, 171 = FamRZ 1981, 124 = NJW 1981, 217 … 138, 171 Beschl. v. 24.3.1981 – 1 BvR 1516/78, 964, 1337/80, BVerfGE 56, 363 = FamRZ 1981, 429 = NJW 1981, 1201 … 171 Beschl. v. 3.11.1981 – 1 BvL 11/77, 85/78, 1 BvR 47/81, BVerfGE 58, 377 = FamRZ 1982, 136 = NJW 1982, 565 … 10, 115, 166, 429 Beschl. v. 3.11.1981 – 1 BvR 632, 909, 936, 937, 938, 939, 940, 969, 970, 1026, 1027, 1249/80, BVerfGE 59, 360 … 133 Urt. v. 9.2.1982 – 1 BvR 845/79, BVerfGE 59, 360 = NJW 1982, 1375 … 10, 123, 128, 130, 133, 135, 313 Beschl. v. 17.2.1982 – 1 BvR 188/80, BVerfGE 60, 79 = FamRZ 1982, 567 = NJW 1982, 1379 … 10, 130, 141–142, 313 Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25, 38, 40/80, 12/81, BVerfGE 61, 358 = FamRZ 1982, 1179 = NJW 1983, 101 … 74, 77–79, 92, 118, 123, 128, 132–135, 141, 151, 154, 171, 335, 370, 404 Beschl. v. 30.11.1982 – 1 BvR 818/81, BVerfGE 62, 323 = FamRZ 1983, 668 … 121 Beschl. v. 31.5.1983 – 1 BvL 11/80, BVerfGE 64, 180 = FamRZ 1983, 872 = NJW 1983, 2491 … 133 Beschl. v. 10.1.1984 – 1 BvL 5/83, BVerfGE 66, 84 = FamRZ 1984, 346 = NJW 1984, 1523 … 121 Beschl. v. 17.10.1984 – 1 BvR 284/84, BVerfGE 68, 176 = FamRZ 1985 39 = NJW 1985, 423 … 172, 173, 325, 329, 343 Beschl. v. 14.11.1984 – 1 BvR 1642/82, BVerfGE 68, 256 = FamRZ 1985, 143 = NJW 1985, 1211 … 117 Beschl. v. 18.6.1986 – 1 BvR 857/85, BVerfGE 72, 122 = FamRZ 1986, 871 = NJW 1986, 3129 … 128, 141, 342 Beschl. v. 20.1.1987 – 1 BvR 735/86, FamRZ 1988, 807 … 262 Beschl. v. 14.4.1987 – 1 BvR 332/86, BVerfGE 75, 201 = FamRZ 1987, 786 = NJW 1988, 125 … 132, 171, 370 Beschl. v. 18.1.1988 – 1 BvR 1589/87, FamRZ 1989, 147 = NJW 1988, 3010 … 347, 356, 358 Beschl. v. 12.10.1988 – 1 BvR 818/88, BVerfGE 79, 51 = FamRZ 1989, 31 = NJW 1989, 519 … 172, 173, 325, 329, 343 Beschl. v. 29.10.1988 – 2 BvR 1206/98, BVerfGE 99, 145 = FamRZ 1999, 85 = NJW 1999, 631 … 418 Urt. v. 31.1.1989 – 1 BvL 17/87, BVerfGE 79, 256 = FamRZ 1989, 255 = NJW 1989, 891 … 81, 91, 99, 150, 151, 173, 325, 344, 347–49 Beschl. v. 18.4.1989 – 2 BvR 1169/84, BVerfGE 80, 81 = FamRZ 1989, 715 = NJW 1989, 2195 … 327, 343 Beschl. v. 4.7.1989 – 1 BvR 537/87, BVerfGE 80, 286 = FamRZ 1989, 941 = NJW 1989, 2807 … 132, 370

1. Bundesverfassungsgericht

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Beschl. v. 29.5.1990 – 1 BvL 20, 26/84, 4/86, BVerfGE 82, 60 = FamRZ 1990, 955 = NJW 1990, 2869 … 329, 359 Beschl. v. 27.11.1990 – 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, 130 = NJW 1991, 1471 … 119, 128, 131 Beschl. v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168 = FamRZ 1991, 913 = NJW 1991, 1944 … 49, 66, 79, 92, 115, 118–19, 122, 130, 133, 147, 151, 155–57, 334, 359, 404 Urt. v. 28.5.1993 – 2 BvF 2/90, 4, 5/92, BVerfGE 88, 203 = FamRZ 1993, 899 = NJW 1993, 1751 … 342, 439 Beschl. v. 26.4.1994 – 1 BvR 1299/89, 1 BvL 6/90, BVerfGE 90, 263 = FamRZ 1994, 881 = NJW 1994, 2475 … 81, 91, 99, 344, 349 Beschl. v. 7.3.1995 – 1 BvR 790/91, 540, 866/92, BVerfGE 92, 158 = FamRZ 1995, 789 = NJW 1995, 2155 … 79, 80, 115, 119, 122, 130, 147, 157–59, 162–63, 334–36, 371 Beschl. v. 7.10.1970 – 1 BvR 409/67, BVerfGE 29, 166 … 121 Beschl. v. 6.5.1997 – 1 BvR 409/90, BVerfGE 96, 56 = FamRZ 1997, 869 = NJW 1997, 1769 … 99, 344, 349, 357, 358 Beschl. v. 3.4.1998 – 1 BvR 994/98, FamRZ 2004, 522 = NJW 2004, 1586 … 171 Beschl. v. 24.2.2015 – 1 BvR 562/13, FamRZ 2015, 817 … 206 Urt. v. 6.2.2001 – 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 = FamRZ 2001, 343 = NJW 2001, 957 … 128, 131, 171 Beschl. v. 16.1.2002 – 1 BvR 1069/01, FamRZ 2002, 535 … 262 Urt. v. 30.1.2002 – 1 BvL 23/96, BVerfGE 104, 373 = FamRZ 2002, 306 = NJW 2002, 1256 … 131, 171 Beschl. v. 5.2.2002 – 1 BvR 105, 559/95, 457/96, BVerfGE 105, 1 = FamRZ 2002, 527 … 128 Urt. v. 17.7.2002 – 1 BvF 1, 2/01, BVerfGE 105, 313 = FamRZ 2002, 1169 = NJW 2002, 2543 … 95, 120, 174–75, 179, 260 Urt. v. 29.1.2003 – 1 BvL 20/99, 1 BvR 933/01, BVerfGE 107, 150 = FamRZ 2003, 285 = NJW 2003, 955 … 159, 371 Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01, BVerfGE 108, 82 = FamRZ 2003, 816 = NJW 2003, 2151 … 9, 10, 20, 30–32, 62, 96, 116–117, 119, 129, 132, 135, 145, 148, 154, 164–172, 173, 175–177, 178–179, 185–187, 203, 207, 277, 283, 312–313, 318, 325–333, 335, 356, 359–360, 362, 369–371, 373, 446, 451 Urt. v. 24.9.2003 – 2 BvR 1436/02, BVerfGE 108, 282 = NJW 2003, 3111 … 150 Beschl. v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 (Görgülü) = FamRZ 2004, 1857 = NJW 2004, 3407 … 188 Beschl. v. 9.11.2004 – 1 BvR 684/98, BVerfGE 112, 50 = FamRZ 2005, 590 = NJW 2005, 1413 … 121 Beschl. v. 19.4.2005 – 1 BvR 1644/00, 188/03, BVerfGE 112, 332 = FamRZ 2005, 872 = NJW 2005, 1561 … 10, 115, 166, 429 Beschl. v. 29.11.2005 – 1 BvR 1444/01, FamRZ 2006, 94 = NJW 2006, 827 … 262 Beschl. v. 23.8.2006 – 1 BvR 476/04, BVerfGK 9, 97 = FamRZ 2006, 1593 … 329 Beschl. v. 20.9.2006 – 1 BvR 1337/06, FamRZ 1661, 1662 … 172, 199 Urt. v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05, BVerfGE 117, 202 = FamRZ 2007, 441 = NJW 2007, 753 … 96, 99, 349–351, 358 Urt. v. 28.2.2007 – 1 BvL 5/03, BVerfGE 117, 316 = FamRZ 2007, 529 = NJW 2007, 1343 … 322 Beschl. v. 10.5.2007 – 2 BvR 304/07, BVerfGK 11, 153 … 188 Urt. v. 1.4.2008 – 1 BvR 1620/04, BVerfGE 121, 69 = FamRZ 2008, 845 = NJW 2008, 1287 … 99, 115, 119, 122–124, 130–131, 171, 359, 382, 393, 397, 408

490

Rechtsprechungsverzeichnis

Beschl. v. 20.10.2008 – 1 BvR 2275/08, BVerfGK 14, 347 = FamRZ 2008, 2185 … 124 Beschl. v. 5.12.2008 – 1 BvR 576/07, BVerfGK 14, 479 = FamRZ 2009, 294 = NJW 2009, 663 … 131, 171 Beschl. v. 27.2.2009 – 1 BvR 2982/07, BVerfGK 15, 152 = FamRZ 2009, 761 = NJW 2009, 1733 … 322 Beschl. v. 16.9.2009 – 1 BvR 2275/07, BVerfGK, 16, 207 … 9, 145 Beschl. v. 21.7.2010 – 1 BvR 420/09, BVerfGE 127, 132 = FamRZ 2010, 1403 = NJW 2010, 3008 … 97, 101, 119, 135, 139, 159, 171, 188, 368, 371, 373, 405 Beschl. v. 18.8.2010 – 1 BvR 811/09, BVerfGK 17, 492 = FamRZ 2010, 1879 = FamRZ 2010, 1879 … 12, 91 Beschl. v. 12.10.2010 – 1 BvL 14/09, BVerfGE 127, 263 = FamRZ 2010, 2050 = NJW 2011, 1793 … 328–29, 359 Beschl. v. 11.1.2011 – 1 BvR 3295/07, BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909 … 150 Beschl. v. 25.1.2011 – 1 BvR 918/10, BVerfGE 128, 193 = FamRZ 2011, 437 = NJW 2011, 836 … 128 Beschl. v. 19.6. 2012 – 2 BvR 1397/09, BVerfGE 131, 239 = FamRZ 2012, 1472 … 244 Beschl. v. 13.12.2012 – 1 BvR 1766/12, FamRZ 2013, 433 … 30, 131, 171 Urt. v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59 = FamRZ 2013, 521 = NJW 2013, 847 … 9, 10, 30, 31, 99, 115–116, 119, 125–126, 135, 141, 145, 148, 150, 154, 172–174, 176–177, 178–179, 186, 187, 237, 244–245, 249, 277, 283, 312, 325–232, 334, 340, 342–344, 359, 362, 369, 373 Beschl. v. 17.12.2013 – 1 BvL 6/10, BVerfGE 135, 48 = FamRZ 2014, 449 = NJW 2014, 1364 … 203 Beschl. v. 17.3.2014 – 1 BvR 2695/13, FamRZ 2014, 1177 … 137, 142 Beschl. v. 24.3.2014 – 1 BvR 160/14, FamRZ 2014, 1004 = FF 2014, 295 … 137, 142 Beschl. v. 7.4.2014 – 1 BvR 3121/13, FamRZ 2014, 907 m. Anm. Hammer … 137, 142 Beschl. v. 22.5.2014 – 1 BvR 2882/13, FamRZ 2014, 1266 … 137, 142 Beschl. v. 14.6.2014 – 1 BvR 725/14, NJW 2014, 2946 … 137, 142 Beschl. v. 24.6.2014 – 1 BvR 2926/13, BVerfGE 136, 382 = FamRZ 2014, 1435 = NJW 2014, 2853 … 172, 325–327, 329 Beschl. v. 30.7.2014 – 1 BvR 1530/14, juris … 30, 131, 171 Beschl. v. 22.9.2014 – 1 BvR 2108/14, FamRZ 2015, 208 … 137, 142 Beschl. v. 19.11.2014 – 1 BvR 1178/14, FamRZ 2015, 112 = NJW 2015, 223 … 137, 140, 142 Beschl. v. 19.11.2014 – 1 BvR 2843/14, FamRZ 2015, 119 m. Anm. Hilbig-Lugani = NJW 2015, 542 m. Anm. Sanders … 202–204 Beschl. v. 27.1.2015 – 1 BvR 471, 1181/10, BVerfGE 138, 296 = NJW 2015, 1359 m. Anm. Traub … 131 Beschl. v. 24.2.2015 – 1 BvR 472/14, BVerfGE 138, 377 = FamRZ 2015, 729 = NJW 2015, 1506 … 21, 356–357, 413 BVerfG, Beschl. v. 29.7.2015 – 1 BvR 1468/15, FamRZ 2015, 1686 = NJW 2015, 3563 … 30, 131, 171 Beschl. v. 23.11.2015 – 1 BvR 2269/15, FamRZ 2016, 199 … 13–14, 17 Urt. v. 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13, BVerfGE 141, 186 = FamRZ 2016, 877 = NJW 2016, 1939 … 97, 99, 201, 244, 251, 290, 349, 350–353, 355–358 Urt. v. 6.12.2016 – 1 BvR 2821/11, 321, 1456/12, BVerfGE 143, 246 = NJW 2017, 217 … 166

2. Reichsgericht

491

2. Reichsgericht Urt. v. 14.10.1937 – IV 92/37, JW 1938, 245 … 46 Urt. v. 31.1.1938 – IV 228/37, JW 1938, 1047 … 51

3. Bundesgerichtshof Urt. v. 22.1.1951 – IV ZR 73/50, BGHZ 1, 87 … 111 Urt. v. 19.2.1951 – IV ZR 39/50, BGHZ 1, 181 … 51, 53 Beschl. v. 16.10.1951 – IV ZB 46/51, BGHZ 3, 220 … 73, 74 Urt. v. 28.4.1952 – IV ZR 99/51, BGHZ 5, 385 … 46 Beschl. v. 2.5.1956 – IV ZB 40/56, BGHZ 20, 313 = FamRZ 1956, 223 m. Anm. Bosch = NJW 1956, 1148 … 71, 73 Urt. v. 13.7.1971 – VI ZR 245/69, FamRZ 1971, 569 = NJW 1971, 1983 … 418 Urt. v. 28.1.1981 – IVb ZR 573/80, FamRZ 1981, 347 = NJW 1981, 923 … 418 Beschl. v. 11.11.1981 – IVb ZB 783/81, BGHZ 82, 173 = FamRZ 1982, 159 = NJW 1982, 381 … 346 Urt. v. 23.5.1984 – IVb ZR 9/83, FamRZ 1984, 778 = NJW 1984, 1951 … 25, 226, 363 Beschl. v. 19.6.1984 – VI ZR 76/83, FamRZ 1984, 982 = NJW 1984, 2625 … 319 Urt. v. 6.11.1985 – IVb ZR 69/84, FamRZ 1986, 153 = NJW-RR 1986, 293 … 418 Beschl. v. 14.10.1992 – XII ZB 150/91, FamRZ 1993, 314 = NJW 1993, 126 … 413 Urt. v. 2.3.1994 – XII ZR 215/92, FamRZ 1994, 696 = NJW 1994, 1530 … 425 Urt. v. 3.5.1995 – XII ZR 29/94, BGHZ 129, 297 = FamRZ 1995, 861 = NJW 1995, 2028 … 216, 218, 224, 398 Urt. v. 20.11.1996 – XII ZR 70/95, FamRZ 1997, 281 = NJW 1997, 735 … 425 Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056 … 418 Urt. v. 21.2.2001 – XII ZR 34/99, BGHZ 146, 391 = FamRZ 2001, 541 = NJW 2001, 1789 … 222 Urt. v. 19.6.2002 – XII ZR 173/00, BGHZ 151, 155 = FamRZ 2002, 1099 = NJW 2002, 2566 … 21, 23, 413 Beschl. v. 23.3.2005 – XII ZB 10/03, BGHZ 162, 357 = FamRZ 2005, 891 = NJW 2005, 1718 … 252, 259 Beschl. v. 11.5.2005 – XII ZB 120/04, FamRZ 2005, 1471 = NJW-RR 2005, 1524 … 404 Beschl. v. 17.10.2006 – VIII ZB 94/05, FamRZ 2007, 41 = NJW 2006, 3715 … 22, 416, 418 Urt. v. 9.11.2011 − XII ZR 136/09, BGHZ 191, 259 = FamRZ 2012, 200 = NJW 2012, 450 … 21, 413 Urt. v. 15.5.2013 – XII ZR 49/11, BGHZ 197, 242 = FamRZ 2013, 1209 = NJW 2013, 2589 … 212, 213, 289–290, 304 Urt. v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 = NJW 2015, 859 … 417 Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, BGHZ 203, 350 = FamRZ 2015, 240 = NJW 2015, 479 … 33, 220, 234–238, 241, 244–245, 284, 298, 305, 318–319, 356, 435, 436 Urt. v. 28.1.2015 – XII ZR 201/13, BGHZ 204, 54 = FamRZ 2015, 642 = NJW 2015, 1098 … 219, 357 Beschl. v. 18.2.2015 – XII ZB 473/13, FamRZ 2015, 828 m. Anm. Reuß = NJW 2015, 1820 m. Anm. von Heiderhoff … 17, 211–213 Urt. v. 23.9.2015 – XII ZR 99/14, BGHZ 207, 135 = FamRZ 2015, 2134 = NJW 2015, 3434 … 215–218, 245, 298, 305, 310, 318–319, 398

492

Rechtsprechungsverzeichnis

Beschl. v. 20.4.2016 – XII ZB 15/15, BGHZ 210, 59 = FamRZ 2016, 1251 = NJW 2016, 2322 … 242–244, 300 Beschl. v. 24.8.2016 – XII ZB 351/15, FamRZ 2016, 1849 m. Anm. Dutta/Hammer = NJW 2016, 3174 … 211 Beschl. v. 5.10.2016 – XII ZB 280/15, BGHZ 212, 155 = FamRZ 2016, 2082 m. Anm. Dutta = NJW 2017, 160 m. Anm. Löhnig … 201, 204–205

4. Oberlandes-, Land- und Amtsgerichte (chronologisch) OLG Hamburg, Beschl. v. 23.2.1956 – 2 W 45/56, FamRZ 1956, 241 m. Anm. Schwoerer und Bosch … 74 OLG Hamm, Beschl. v. 6.2.1958 – 15 W 6/58, FamRZ 1958, 145 … 74 OLG Celle, Beschl. v. 24.9.1959 – 5 Wx 74/59, NJW 1960, 151 … 74–75, 77 LG Tübingen, Beschl. v. 15.1.1960 – 3 Gr 16/59, FamRZ 1960, 121 m. Anm. Schwoerer … 75, 77 OLG Frankfurt, Beschl. v. 31.1.1962 – 6 W 558/61, NJW 1962, 920 … 75, 77 BayObLG, Beschl. v. 28.12.1962 – BReg. 1 Z 6/62, NJW 1963, 590 … 73, 75, 77 OLG Neustadt, Beschl. v. 24.4.1963 – 3 W 2/63, FamRZ 1964, 91 … 75 LG Mannheim, Beschl. v. 11.12.1970 – 4b T 15/70, FamRZ 1971, 185 … 75, 77 BayObLGZ, Beschl. v. 1.4.1971 – BReg. 1 Z 47/70, FamRZ 1971, 467 = NJW 1971, 1464 … 255 LG Wiesbaden, Beschl. v. 8.9.1976 – 4 T 173/76, FamRZ 1977, 60 … 77 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.1.1978 – 1 UF 305/77, FamRZ 1978, 266 … 77 KG Berlin, Beschl. v. 4.1.1979 – 15 UF 4685/78, FamRZ 1979, 539 … 75, 77 KG, Beschl. v. 31.1.1979 – 18 UF 4287/77, FamRZ 1979, 340 … 77 KG, Beschl. v. 29.8.1980 – 17 UF 2814/80, FamRZ 1980, 1156 … 404 BayObLG, Beschl. v. 30.10.1984 – BReg 1 Z 75/84, FamRZ 1985, 426. … 18 BayObLG, Beschl. v. 16.11.1993 – 1Z BR 73/93, FamRZ 1994, 853 … 429 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 5.6.1996 – 3 W 68/96, FGPrax 1996, 189 … 429 AG Essen, Urt. v. 24.2.2003 – 18 C 128/02, FamRZ 2004, 52 = NJW 2003, 2247 … 23 OLG Schleswig, Beschl. v. 30.1.2004 – 10 UF 199, 222/03, FamRZ 2004, 1057 … 18, 249–250, 253–254, 266 OLG Dresden, Beschl. v. 3.6.2004 – 21 UF 144/04, FamRZ 2006, 125 = NJW-RR 2005, 7 … 420 OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.4.2005 – 1 UF 64/05, NJW-RR 2005, 1339 … 23 OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.3.2006 – 15 UF 4/06, FamRZ 2006, 1865 = NJW-RR 2007, 76 … 254, 266 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.12.2006 – 2 UF 206/06, FamRZ 2007, 924 = NJW 2007, 922 … 199 OLG Hamm, Urt. v. 2.2.2007 – 9 UF 19/06, FamRZ 2008, 630 = NJW 2007, 3733 … 214 AG Essen, Urt. v. 5.6.2007 – 18 C 216/04, FamRZ 2008, 717 … 23 AG Herford, Urt. v. 26.10.2007 – 14 F 770/06, FamRZ 2008, 1270. … 206 LG Essen, Urt. v. 17.12.2007 – 3 O 442/07, FamRZ 2008, 2032 … 23 OLG Köln, Beschl. v. 30.11.2009 – 16 Wx 94/09, FamRZ 2010, 741 = NJW 2010, 1295 … 33 OLG Celle, Beschl. v. 8.3.2011 – 15 UF 238/10, FPR 2011, 407 … 206 OLG Celle, Beschl. v. 10.3.2011 – 17 W 48/10, FamRZ 2011, 1518 = NJW-RR 2011, 1157 … 243

5. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

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OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.12.2011 – I-3 Wx 313/11, FamRZ 2012, 1815 … 18 LG Frankfurt a. M., Beschl. v. 3.8.2012 − 2-09 T 50/11, FamRZ 2013, 644 = NJW 2012, 3111 … 233 AG Schöneberg, Beschl. v. 25.10.2012 – 70 III 70/12, juris … 234 OLG Bremen, Beschl. v. 22.1.2013 – 5 UF 2/12, FamRZ 2013, 1824 … 206 KG Berlin, Beschl. v. 1.8.2013 – 1 W 413/12, juris = IPRax 2014, 72 … 234–236 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.12.2013 – I-3 Va 7/13, FamRZ 2014, 1480 … 250 OLG Nürnberg, Urt. v. 20.12.2013 – 12 U 49/13, NJW-RR 2014, 418 … 62 OLG Hamm, Beschl. v. 8.1.2014 – 8 UF 179/13, StAZ 2014, 362 … 18–19 OLG Celle, Beschl. v. 19.5.2014 – 10 UF 91/14, FamRZ 2014, 857 = NZFam 2014, 738 … 98 OLG Oldenburg, Beschl. v. 30.6.2014 – 11 UF 179/13, FamRZ 2015, 67 … 219 OLG Köln, Beschl. v. 4.7.2014 – 4 UF 22/13, FamRZ 2015, 151 … 23 OLG Bremen, Beschl. v.10.10.2014 – 5 UF 89/14, FamRZ 2015, 266 = NJW 2015, 259 = NZFam 2014, 1045 … 201 OLG Köln, Beschl. v. 16.10.2014 – 19 U 45/14, FamRZ 2015, 971 … 23 OLG Naumburg, Beschl. v. 12.3.2015 – 2 Wx 45/14, StAZ 2015, 346 … 18 OLG Köln, Beschl. v. 26.3.2015 – II-14 UF 181/14, juris = StAZ 2015, 244 … 241–242, 247, 306 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 1.6.2015 – 20 UF 63/13, FamRZ 2015, 1624 = NZFam 2015, 776 … 201, 204 OLG Braunschweig, Beschl. v. 13.4.2017 – 1 UF 83/13, FamRZ 2017, 972 = NZFam 2017, 522 … 240 OLG Celle, Beschl. v. 22.5.2017 – 17 W 8/16, FamRZ 2017, 1496 = NZFam 2017, 658 m. Anm. Biermann … 240

5. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Urt. v. 13.6.1979 – 6833/74 (Marckx v. Belgien) = FamRZ 1979, 903 = NJW 1979, 2449 … 172, 189, 326 Urt. v. 7.7.1989 – 10454/83 (Gaskin v. Vereinigtes Königreich) … 353–354, 357 Urt. v. 26.5.1994 – 16959/90 (Keegan v. Irland) … 172, 189, 326 Urt. v. 22.4.1997 – 21830/93 (X, Y und Z v. Vereinigtes Königreich) … 172, 189, 326 Urt. v. 7.2.2002 – 53176/99 (Mikulic v. Kroatien) … 353–54, 357 Urt. v. 13.2.2003 – 42326/98 (Odièvre v. Frankreich) = FamRZ 2003, 1367 = NJW 2003, 2145 … 353–354, 357 Urt. v. 7.3.2006 – 6339/05 (Evans v. Vereinigtes Königreich) = FamRZ 2006, 533 … 320 Urt. v. 13.7.2006 – 58757/00 (Jäggi v. Schweiz) = FamRZ 2006, 1354 … 353–354 Gr. Kammer, Urt. v. 10.4.2007 – 6339/05 (Evans v. Vereinigtes Königreich) = NJW 2008, 2013 … 320 Urt. v. 3.12.2009 – 22028/04 (Zaunegger v. Deutschland) = FamRZ 2010, 103 = NJW 2010, 501 … 97 Urt. v. 24.6.2010 – 30141/04 (Schalk und Kopf v. Österreich) = NJW 2011, 1421 … 172, 189, 192, 326 Urt. v. 21.12.2010 – 20578/07 (Anayo v. Deutschland) = FamRZ 2011, 269 = NJW 2011, 3565 … 97, 172, 188, 190–192, 198–200, 255, 337, 355 Urt. v. 16.6.2011 – 19535/08 (Pascaud v. Frankreich) = NJW 2012, 2015 … 353–354, 357

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Rechtsprechungsverzeichnis

Urt. v. 15.9.2011 – 17080/07 (Schneider v. Deutschland) = FamRZ 2011, 1715 m. Anm. Helms = NJW 2012, 2781 … 97, 172, 188, 190, 200, 255, 355 Urt. v. 22.3.2012 – 23338/09 (Kautzor v. Deutschland) = NJW 2013, 1937 … 97, 172, 188, 200, 355 Urt. v. 25.9.2012 – 33783/09 (Godelli v. Italien) … 353–354, 357 Urt. v. 5.6.2013 – 31021/08 (I.S. v. Deutschland) = FamRZ 2014, 1351 m. Anm. Botthof = NJW 2015, 2319 … 189–191, 255–256 Urt. v. 26.6.2014 – 65941/11 (Labassée v. Frankreich) … 188, 191, 237, 318 Urt. v. 26.6.2014 – 65192/11 (Mennesson v. Frankreich) = FamRZ 2014, 1525 = FamRZ 2014, 1525 … 188, 192, 237, 318 Urt. v. 2.12.2014 – 546/10 (Adebowale v. Deutschland) … 97, 172, 188, 200, 355 Urt. v. 27.1.2015 – 25358/12 (Paradiso und Campanelli v. Italien) … 188, 190, 192, 239, 311, 355 Urt. v. 10.3.2015 – 42719/14 (Markgraf v. Deutschland) = FamRZ 2016, 437 … 200, 355 Urt. v. 21.5.2015 – 18766/11, 36030/11 (Oliari v. Italien) … 189, 192, 326 Gr. Kammer Urt. v. 24.1.2017 – 25358/12 (Paradiso und Campanelli v. Italien) = NJW 2017, 941 … 190–191, 239–240, 311, 355, 437

6. Europäischer Gerichtshof Urt. v. 15.11.2011 – Rs. C-256/11, Dereci u.a., Slg. 2011, I-11315 … 189

7. Gerichte in den USA und im Vereinigten Königreich Douglas v. Duke of Hamilton (1769) 2 Pat 143 (House of Lords) … 8 Banbury Peerage Case (1811) 1 Sim u. St 153 (House of Lords) … 14 Calvert v. Johnson 851 P.2d 776 (1993) (Supreme Court of California) … 229 Re G (Children) (Residence: Same Sex Partner) [2006] UKHL 43 (House of Lords) … 13, 284 Radmacher v. Granatino [2010] UKSC 42 (UK Supreme Court) … 377 D.M.T. v. T.M.H. 129. So. 3d 320 (Fla 2013) (Florida Supreme Court) … 242, 248, 314 Obergefell v. Hodges 576 U.S. (2015) (US Supreme Court) … 104 In the matter of the Baronetcy of Pringles of Stichill [2016] UKPC 16 (Privy Council) … 7, 10, 13–16, 289, 299, 425

Sachverzeichnis Verweise auf für die Arbeit wichtige Konzepte oder Definitionen sind fett aufgeführt, Verweise auf Diskussionen aus der Perspektive des jeweiligen Stichwortes kursiv. Abstammung siehe auch Abstammungsrecht, Adoption, sowie biologische, genetische, leibliche und rechtliche Eltern – biologische  17, 129, 162, 186, 205, 238, 284 – biologisch-genetische 37–39, 53, 86, 116, 180, 188 – blutsmäßige  16f., 326 – eheliche  38, 51, siehe auch Kind: eheliches – genetische  2, 8f., 11–15, 40, 44, 86f., 89, 91, 96f., 100f., 148, 166, 190f., 192, 220, 236, 244, 248f., 271, 283f., 288–291, 298, 301, 345–359, 388, 399f., 430, 432, 446 – leibliche 7, 37–39, 40, 46, 49, 53, 100, 145, 161, 165f., 170, 176, 180, 186f., 191, 193, 195, 198, 204f., 206–208, 283, 312–314, 345-359, 360, 443f. – nichteheliche 51, siehe auch Kind: nichteheliches – rechtliche  7, 38f., 53, 87, 90, 101, 116, 165f., 242 – u. Samenspende  210–215 – soziale 354 – statusunabhängige Klärung  13, 17, 96f., 400f., siehe dies auch bei Mutterschaft, Vaterschaft – vs. Ursprung  356f. Abstammungsfeststellungsklage 45–47, 345 Abstammungsrecht  7, 10–13, 16, 19, 81, 90, 97, 100, 102, 200, 240, 245f., 247–249, 274, 443 – u. Ehe für alle  243, 248

– u. Gametenspende  95, 210–216, 216 – Geschichte 33–62 – u. gespaltene Mutterschaft  84–89 – u. Grundgesetz  30, 312f. – u. Kindeswohl  405 – u. Neukonzeption der Elternschaft  284, 287, 387–389, 409 – Zwei-Elternschaft  13, 227, 242 Abwehrrecht  114f., 117, 126, 134, 137, 142–144, 185, 321f., 329, 342f., 359 adjudicative facts 150 Adoption 9, 54–62, 249–257, 451 – Allein-Elternschaft 364 – Anfechtungsausschluss 220 – Aufhebung 222 – Dekretsystem  60–62, 90, 392 – EGMR 190 – u. Ehe für alle  248 – u. Eizellenspende  241 – u. Elterngrundrecht  116, 180f., 183 – u. Elternverbindungen  308f., 450f. – vs. Embryonenadoption/-spende  270 – Geschichte 17–19, 54–62, 100, 194, 250, 334 – u. gleichgeschlechtliche (Eltern)Paare  33, 306, 308 – u. Grundgesetz  160–163 – Inkognito-Adoption  250, 254 – u. Kenntnis der eigenen Abstammung  220, 289, 351, 353 – u. Leihmutterschaft  86, 395, 437 – u. Mehrelternschaft (Klassifikation)  160, 279f., 403, 448 – u. menschliche Evolution  380 – Minderjährigenadoption  17, 160

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– u. Nebeneltern  406f. – nichteheliches Kind  49, 79, 157–159, 162 – offene Adoption  61, 191, 250–257, 268, 275, 308, 394, 407, 447 – Pflegekindadoption 324 – u. Queer-Family  268 – Stiefkindadoption  2, 55, 93, 126, 204, 211f., 213, 235f., 238, 240, 242, 252, 255, 257–259, 266f., 280, 324, 361, 407, 440f. – Sukzessivadoption  173, 176, 178, 204, 242, 334 – Vertragssystem  57f., 60–62, 90, 161, 391 – Verwandtenadoption 59f. – u. Verzicht auf Elternschaft  363, 393–395, 407, 454 – Volladoption  18, 39, 59–61, 66, 100, 162f., 194f., 249, 257, 308, 394 – Volljährigenadoption  18f., 56, 60, 425–431, 455 – Voraussetzungen  17, 25, 161f., 212f., 245, 390 – u. Wille zur Elternschaft  9, 216, 305 – Wirkungen  17, 38, 162f. – Zweck  55–57, 59f. – u. Zwei-Elternschaft  58–62, 197 Adoptionsgesetz 1977  2, 17, 39, 55f., 58–62, 100, 162, 194, 250, 256, 368, 445 Adoptiveltern  1, 3, 17f., 39, 55, 59–62, 66, 116, 156, 203, 238, 249–257, 268, 445–449 – u. Elterngrundrecht  160–163, 180f., 183, 187, 195 – u. Elternverbindungen  297, 299f., 308f., 384 – Erbrecht 429 – u. Familiengrundrecht  325 – Unterhaltsrecht 427 Ahnenforschung 7 Allein-Elternschaft 28, 364 – u. Adoption  364 – u. Grundgesetz  147, 186, 364 – nichteheliche  2, 38, 41–48, 147, 155, 294 – u. Verzicht auf Elternschaft  364 Alleinstehende  56, 211, 214, 321f., 426 Alleinvertretungsrecht 152 Alloparents  29, 299, 375–380

Altruismus  29, 84, 228f, 231, 438 Amme  89, 299, 376f. Analyseinstrument Elternschaft  1–5, 283–311, 338–340, 409, 448–451 Anerkennung ausländischer Entscheidungen  233–243 Anfechtungsrecht  5, 11, 81, 197, 390 – biologischer, nichtrechtlicher Vater  91 – ehelicher Vater  40, 217 – u. Eizellenspende  89, 241, 306 – u. Embryonenspende  310 – Frist  40, 303 – genetische Mutter  86, 306 – genetischer Vater  13, 89, 96, 207, 212f., 300, 303, 401, 431f. – Großeltern 13 – Initiativvater 303, 401, 431f. – Kind  13, 91, 220, 347, 400f. – u. künstliche Befruchtung  210, 212f., 216, 220–222, 289, 305 – leiblicher, nichtrechtlicher Vater  96, 101f., 164f., 170, 196, 205–207, 278, 355, 361 – d. Mutterschaft  13, 85f., 88f. – u. Nebenelternschaft  407 – u. Neukonzeption der Elternschaft  393f., 399–401, 409 – rechtliche Mutter  13, 91–93, 95, 102, 210, 305, 400 – rechtlicher Vater  13, 53, 91, 95f., 102, 210, 214, 216, 220–222, 278, 305, 399f. – u. Samenspende  95f., 102, 210, 212f., 220–227, 289, 304 – Schein-Elternteil 399f. – Staatsanwalt  40, 345 Anfechtungsverfahren  11–14, 16, 40, 90, 197, 444 Anthropologie  5, 29, 32, 298f., 375–379, 453 Anwartschaftsrecht (auf Elternschaft)  170 Auskunftsrecht 275f. – u. Adoption  191, 253–255, 357 – genetischer Vater  290 – Herkunftseltern 250, 253–257 – Kind 218f., 344–359, 364, 398f. – leiblicher, nichtrechtlicher Vater  196, 200f., 227, 355, 371f.

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– u. Leihmutterschaft  364 – Nebeneltern 456 – u. Samenspende  214, 218f. – Scheinvater  21, 356, 413 Austausch genetischen Materials siehe Kerntransfer, micro chimeric cell exchange Becherspende  210, 212f. siehe auch Samenspende: private Beiwohnung  41, 52f., 90f., 201, 212f. Beiwohnungsvermutung  39f., 53, 90 Beschlussfassung der Eltern  5, 22, 62f., 70, 71f., 100, 153, 410–422, 452, 455 Bestelleltern  7, 83, 297 Bezugspersonen  6, 168, 203, 258, 262, 300, 339, 376, 381, 453 BGB-Gesellschaft siehe GbR biologische Eltern  3, 6f., 148, 182, 265, 284, 288, 291, 295, siehe auch biologisch-genetische Eltern, genetische Eltern, gestationales Elternteil, Initiativeltern biologisch-genetische Eltern  53, 57, 116, 145, 147, 356f. Bruchteilsgemeinschaft  22–25, 341, 414–419, 422, 455 bürgerliche Familie  36f., 67, 89, 299, 376f., 453 Co-Elternschaft  247, 263, 307f., 402, 433 siehe auch Queer-Family Co-Mutterschaft  240–249, 275, 447 – u. Elternverbindungen  304, 306, 450 – u. Mehrelternschaft (Klassifikation)  279 Co-Vaterschaft 275 DNA  8, 15f., 91, 272, 290, 315 Dreiecksverhältnis (Eltern-Kind-Staat)  115, 117–127, 185f. Drei-Elternschaft 95, 164–172, 204, 268, 272f., 277, 279, 302–305, 336f. EGMR  2, 31, 96f., 102, 172, 188–196, 197–200, 204f., 237, 239f., 241, 255f., 276, 302, 310f., 318, 337, 353–355, 357, 359, 446

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Ehe als sittliche Grundlage der Elternschaft  8, 20, 37–39, 41f., 100, 130f., 151f., 156 Ehe für alle  248, 304 Ehegatte (früherer)  81 Ehegesetz 1939  73 Ehegesetz 1946  73 Ehelicherklärung  48f., 53f., 65, 79, 157 Ehelichkeitsvermutung  39f., 52 Eigennützigkeit siehe dies bei Elterngrundrecht, Familiengrundrecht Einbenennung  81, 93 Einpflanzung des Embryos  269f., 310 Eizellenspende  1f., 4, 8, 13, 19, 40, 81–89, 102, 168, 177, 181, 240, 241, 246f., 264f., 267–269, 275, 333, 365, 388, 390, 397, 447 – u. Allein-Elternschaft  364 – u. Elterngrundrecht  314–316 – u. Elternverbindungen  288, 290, 292, 296, 299, 303f., 306f., 339 – u. Leihmutterschaft  228–238 – u. Mehrelternschaft (Klassifikation)  279 – u. Kenntnis der Abstammung  356 – u. Recht auf Fortpflanzung  321–323 – u. Verzicht auf Elternschaft  241, 362–364, 394f., 432f., 454 elterliche Gewalt  41, 48f., 53f., 100f., 152 – u. Adoption  66, 69 – Ausschließlichkeit  20, 39, 66–70, 74 – als Beherrschungsrecht  23 – eheliches Kind  39, 63–65, 71–75 – vs. elterliche Sorge  76f. – gemeinsame 70–76, 153f. – Geschichte 62–76 – Geschiedener 64, 72–75 – nichteheliches Kind  75f. – Stieffamilie 93 – uneheliches Kind  39, 65f. – Unteilbarkeit  20, 39, 63–66, 445 elterliche Sorge  16, 22–24, 100f., 186, 194, 260, 335, 369, 445 – u. Adoption  18f., 249 – u. Beschlussfassung der Eltern  410–422 – vs. elterliche Gewalt  39, 76f. – als Fremdbestimmung  444

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– Fremdnützigkeit 444 – Geschichte 62f., 76–80 – Geschiedener 77–79, 153f., 160, 335, 445 – Getrenntlebender 419f. – u. Gleichberechtigung  152–154 – Nebeneltern 421f. – Neuregelung der ~ (Gesetz 1980)  76–80, 98f., 100 – Nichtverheirateter 79f., 154–160, 445 – Reform der ~ nicht miteinander verheirateter Eltern (Gesetz 2013)  98 – Unteilbarkeit 445 Eltern  283–301, siehe auch biologische Eltern, biologisch-genetische Eltern, Elternverbindungen, genetische Eltern, gestationales Elternteil, Initiativeltern, leibliche Eltern, rechtliche Eltern, soziale Eltern, Wunscheltern Eltern mit Rechten  39, 95, 194, 372 siehe auch Vater mit Rechten, Vaterschaft light Elternbegriff  278, 446 – einfachrechtlicher  7, 147, 149 – verfassungsrechtlicher  2f., 7, 10, 30–32, 103–187, 311–338, 367f. Eltern-Eltern-Verhältnis  19–30, 71f., 138f., 444 – Abstimmung  70, 73, 75, 153, 158f. – u. Mehrelternschaft  21–24, 412–419 – Rechtsnatur 20–24, 412–419, 444 Elterngrundrecht  3f., 9, 103–187, 194f., 254f., 283, 311–338, 340, 386, 445f., 450–452 – Ausgestaltung  5, 7, 10, 118, 341, 359–385, 386 – als dienendes Recht  127–144 – Eigennützigkeit  144, 185, 367 – Fremdnützigkeit  118, 128f., 132–133, 144, 185, 367 – Geschichte 104–114 – Institutsgarantie siehe Institutsgarantie (Elternschaft) – Rechtsnatur  10, 113f. – u. soziale Eltern  330f. – Umfang 131 – vs. Respekt des Privat- und Familien­ lebens (EMRK)  192f.

– Verzicht 25, 362f. Elternindividualität  25–30, 444 Eltern-Kind-Beziehung (soziale)  2, 27, 31, 57f., 62, 97, 131, 161, 173, 188, 192, 229, 250, 264, 280, 285, 293, 326, 343, 365, 393, 432, 437 – pränatale 291–294 Eltern-Kind-Verhältnis 8, 25–30, 37, 42, 45, 56, 60f., 75, 98f., 123–125, 135, 146, 297, 345, 380, 450 – Besonderheit 128f. Elternkonzeption siehe Analyseinstrument; Neukonzeption der Elternschaft Elternpflicht 132f., 143f., 370, 390, 445, siehe auch Elternverantwortung, Recht und Pflicht der Eltern – u. Kindeswohl  142f. Elternrecht 4f., 33–196, 445 – Abstufung  266f., 277, 406–409 – als dienendes Recht  134 – als eigennütziges Recht  28, 134 – als Freiheitsrecht  140f. – Geschichte 33–196, 452f. – u. geschlechtliche Verschiedenheit  23 – u. Kindeswohl  134–143 – als natürliches Recht  9f., 24, 105, 107, 109, 122, 127, 129–131, 144f., 165, 176, 185, 196, 360f. – u. Privatautonomie siehe Privatautonomie und Elternschaft – Träger siehe Träger des Elternrechts – vs. Vermögensrecht  23 – als vorgefundenes Recht siehe Elternrecht: als natürliches Recht Elternschaft  5-7, 34, 387, siehe auch Analyseinstrument Elternschaft, Privatautonomie und Elternschaft, rechtliche Eltern, tatsächliche Eltern, Verzicht auf Elternschaft – eheliche 39–41, 151f. – einfachrechtliche 118 – vs. Elternrecht 180f. – als Fremdbestimmung  27f., 390f. – Fremdnützigkeit 390f. – Geschichte 5, 33–62 – u. geschlechtliche Verschiedenheit  173, 176f., 287 – kooperative 263f.

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– kumulative 277 – natürliche (vorrechtliche)  55, 166, 313 – nichteheliche 41–54, 131, 147, 154–160, 271 – kraft Partnerschaft mit der Mutter  388, 400 – privatautonome Begründung  24f., 391f. – als rechtliche Konstruktion  147 – als Rechtsfrage  7–16, 122, 193, 283 – Rechtsvergleich 13–16 – als sittliches Verhältnis  42 – als Status  11–16, 443f. – statusunabhängige Klärung  13, 201 – sukzessive  176, 277f. – als Tatsache  7–16, 122, 193, 283, 443f. – verfassungsrechtliche  4, 30–32, 103–187, 197, 446, 451f. – vorrechtliche (natürliche)  130, 145 – Willenselement 297 – Wirkungen 16f. – kraft Zustimmung  219–224, 295–298, 388, siehe dies auch bei Mutterschaft, Vaterschaft Elternschaftsanfechtung  399–401, siehe auch Mutterschaftsanfechtung, Vaterschaftsanfechtung Elternschaftsfeststellung 8f., siehe auch Mutterschaftsfeststellung, Vaterschaftsfeststellung Elternstellung  7, 10, 86, 118, 154–166, 167–172, 174f., 177, 178f., 180f., 184, 186f., 192, 194f., 206-208, 212f., 224, 226, 235, 241, 249, 252–254, 260, 283f., 287, 312–316, 320, 324, 331–337, 388, 391, 393, 401, 407, 409f., 423, 432f., 446, 449, siehe auch Elternbegriff Elternverantwortung  12, 28, 32, 72, 78, 125, 218, 227f., 238, 277, 332f., 360, 369–371, 373, 384, 393, 402, 445f. – u. Gametenspende  270, 409 – u. Grundgesetz  132–144, 156–162, 164, 168–170, 176, 181f., 184, 187, 202, 205, 207, 335, 408 – kraft Verursachung  297, 306, 317–319, 323, 390 – u. Verzicht auf Elternrecht  363, 398 – u. Weimarer Reichsverfassung  104–108

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– kraft Zeugung  41–45, 224, 295, 297 – kraft Zustimmung  297f., 305, 310, 386, 388 Elternverbindungen 2–4, 5f., 283–301, 338–340, 443, 448–451, 456 – Anzahl 310f., 338–340, 365, 373, 451 – Funktion 302–311, 343, 360–362, 383–385, 385–410, 424f., 428, 431–441, 450f., 454 – Grundrechtsschutz 311–338, 451f. – Intensität 290f., 294, 451 – Stabilität 294 Elternvereinbarung  24, 268, 279, 374, 391, 403–406, 410f., 419, 421, 431, 434, 454 – Form  267, 404, 410, 454 – Rechtsnatur 413 Elternvorschlag  73, 77 Elternwechsel  162, 197, 409 Elternwille  9, 16, 22, 24, 58, 61f., 107, 109, 114, 139, 141, 161–163, 227, 246, 264, 279, 295–298, 372, 390–393, 406, 448, 449 Embryonenadoption  268–271, siehe auch Embryonenspende Embryonenschutzgesetz 1990  81–84, 88, 269 Embryonenspende  1–3, 6, 19, 40, 81–89, 177, 228, 268–271, 275, 292, 439f., 447 – u. Grundgesetz  321f., 356 – u. Elternverbindungen  309f., 314–316, 450 – u. Mehrelternschaft (Klassifikation)  279, 448 – u. Verzicht auf Elternschaft  362–364, 394, 398 EMRK  188–193, siehe auch EGMR, Respekt des Privat- und Familien­ lebens (EMRK) Enkel  16, 189, 296, 426, 429 Entwicklungspsychologie  30–32, 136, 148, 150, 244f., 250–252, 255, 336, 348–353, 375f., 453 Erbengemeinschaft  22, 51, 341, 414–419, 428, 455 Erbersatzanspruch 51 Erbrecht  6f., 10, 17f., 26, 444 – u. Adoption  18, 54, 56, 58f., 249, 429–431

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– u. Grundgesetz  115, 118f., 121, 145, 178, 194, 453 – eheliches Kind  38, 50 – u. künstliche Befruchtung  215, 218 – u. Mehrelternschaft  5, 275, 277, 341, 369, 389, 428–431, 455 – Nebeneltern 456 – nichteheliches Kind  38, 50f., 54, 100 – nichtrechtlicher Vater  201, 215, 218 – uneheliches Kind  43, 47f. Ermessen – der Eltern  109–111 – des Gerichts  73 – des Gesetzgebers  30, 170, 182, 184, 187, 343f., 354f., 357f., 361, 365–385 Erzeuger 38, 41–47, 112, 283, 295, 297, 349 Erziehung  42, 48, 64, 67, 74, 78, 172, 259f., 266f., 309, 327, 342f., 445 – gemeinsame  264, 384 – gewaltfreie, diskursive  99 – Kontinuität 78 – kooperative 375–380 – partnerschaftliche 128 Erziehungsrecht  9, 29, 69, 74, 94, 103–118, 123, 127, 131–144, 164–167, 178, 183, 186f., 194, 196, 208, 312f., 337, 340, 363, 373f. EU-Grundrechtecharta 189 europäische Familienstruktur  35 exceptio plurium 44f. Familie – als intellektuell-soziales Konzept  379f. – als sittliches Verhältnis  36f. Familienarbeit  36, 327 Familienbegriff (verfassungsrechtlicher)  172–175, 324–330 Familiengrundrecht 4, 172–175, 190, 195, 312, 317, 321f., 324–330, 338, 341, 343f., 386, 450f. – Geschichte 108–114 Familienleben  42, 60, 381, siehe auch Familiengrundrecht, Respekt des Privat- und Familienlebens (EMRK) – Formen  1, 17, 27, 34–38, 102, 146f., 189, 258, 287, 328, siehe auch Adoptiveltern, bürgerliche Familie, gleichgeschlecht­

liche (Eltern)Paare, Kuckuckskind, Patchworkfamilie, oikos, Pflegeeltern, Queer-Family, Stiefeltern, traditionelle Familie – intendiertes  190f., 199 – tatsächliches 189f., 199, 446 – Zeitelement 328f. Familienrecht – Änderungsgesetz 1938  40 – Änderungsgesetz 1961  50, 58f., 65 – BGB 1900  34–37 – DDR  27, 50f., 53f., 98, 136, 139 filius nullius 47 Formerfordernisse  215, 221, 223f., 225f., 246, 267, 374, 395f., 404, 410, 454 Fortpflanzungsfunktion der Ehe  26f. Fortpflanzungsmedizin siehe Reproduktionsmedizin Fragmentierung der Elternschaft  6, siehe auch Segmentierung der Elternschaft Fremdbestimmung siehe dies bei Elternschaft – über den leiblichen Vater  97 Fremdbetreuung  375f., siehe auch Alloparents Fremdnützigkeit siehe dies bei Elterngrundrecht, Elternschaft, Familiengrundrecht Fürsorge siehe tatsächliche Sorge Gametenspende  177, 299, 322f. Ganzes Haus siehe oikos GbR  22, 341, 414–419, 455 Gebärerfahrung 230 Geburtseltern 160f. Geburtsmutter 3f., 7, 12f., 81, 85–88, 101, 177, 181f., 232, 247f., 265, 268, 271, 287, 290, 291–294, 306, 308, 310, 312, 314, 315f., 332, 338, 356f., 362, 399, 434–437, 445, 449, siehe insbes. auch gestationales Elternteil Geheimnis (familiäres)  244, 251 geistige Eltern (Paten)  35, 380, 409 gemeinsame Sorge  20, 39, 70–80, 98, 100f., 143, 152, 157, 169, 195, 227, 258, 260f., 266, 335, 370–373, 404f., 410f., 419f., 445 – BGB  1900 (Ausschluss)  63–66

Sachverzeichnis

– Geschiedener 72–75, 77–79, 81, 92, 138, 153f. – u. Kindschaftsrechtsreform 1998  92f. – Nichtverheirateter 69, 75f., 79f., 81, 92, 97f., 154–156, 159 gemeinsame Wohnung  152, 189 Gemeinschaftsbezogenheit des Menschen  352 Gemeinschaftsorientierung der Ehe  26 Generalprävention (Leihmutterschaft)  237, 437 Generationszusammenhang 326–330, 353 Genetik und Individualität  352 genetische Eltern  3–5, 6, 7f., 55, 59, 245, 284, 286–291, 300, 302–311, 443, 449, 456 – u. EMRK  193 – u. Gametenspende  82f., 89, 271, 433 – u. Grundgesetz  10, 116f., 182, 314f., 320, 330f., 337–340, 342, 361f., 365, 386f., 390, 451 – u. Leihmutterschaft  82f. – u. Nebeneltern  406 – u. Ursprungseltern  280 – u. Verzicht auf Elternschaft  399 genetische Elternverbindung siehe genetische Eltern Genotyp 288 Gentest  9, 15f. Gesamthandsgemeinschaft 22–24, 414–419, 455 geschlechtliche Neutralität  176f., 258, 287, 294, 310f., 332 Geschlechtsverkehr siehe natürliche Zeugung Geschwister  16, 81, 94, 103, 209, 289, 325, 327, 329, 377f., 382 gesellschaftliche Anschauungen  30f., 42, 136f., 144, 148, 151, 182 gesellschaftliche Stellung  299 gesellschaftlicher Wandel  1, 3, 16, 19, 31, 73, 80, 99, 102, 137, 143f., 148–151, 182, 197, 250f., 444, 447 gesetzliches Familienrechtsverhältnis eigener Art (Eltern-Eltern-Verhältnis)  21, 412

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gesetzliches Schuldverhältnis (Eltern-­ Eltern-Verhältnis)  20f., 23, 412–414, 421f., 444 gespaltene Mutterschaft  81–89, 228, 290, 438 Gestaltungsaufgabe des Gesetzgebers  338–340, 365–382, 389, siehe auch Mehrelternschaft: Ausgestaltungspflicht des Gesetzgebers Gestaltungsspielraum (des Gesetzgebers) siehe Ermessen: des Gesetzgebers gestationale Elternverbindung siehe gestationales Elternteil gestationales Elternteil  3f., 6f., 16, 194f., 286f., 291–294, 300, 302–311, 443, 448f., 450 – u. Gametenspende  82, 85, 271, 305f., 309f., 406 – u. Grundgesetz  315f., 317, 330f., 337–340, 342, 361f., 365, 375f., 386f., 451 – u. Leihmutterschaft  238, 305f., 406 – u. Nebeneltern  406f. – u. Unterhaltsrecht  424f. – u. Ursprungseltern  280, 308f., 407, 449 – u. Verzicht auf Elternschaft  399 gestationsbegleitender Beitrag  6, 294, 300, 362, 449 Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung (Grundrecht)  4f., 99, 119, 125–127, 140, 143–145, 237, 298, 342f., 358f., 359–385, 389–399, 444f., 452, 454 – u. Verzicht auf Elternschaft  398 Gewährleistungsbereich siehe Schutz­ bereich Gewalt siehe elterliche Gewalt Gleichberechtigung  20, 27, 105, 111, 217 – u. Eltern-Eltern-Verhältnis  327, 411–419, 444 – u. Eltern-Kind-Verhältnis  98f., 128f., – u. Elternschaft  2, 5, 22, 32, 63f., 152–154, 159f., 166, 169, 187, 193–196, 276, 332, 335, 368, 371, 445 – u. gemeinsame elterliche Gewalt/Sorge  30, 39, 70–80, 101, 149, 261, 263f., 267, 445 – u. geschlechtliche Verschiedenheit  23 – Gesetz 1958  71, 74, 411

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– u. Mehrelternschaft  381, 387, 402–406, 423, 431f., 434, 438, 440, 454f. gleichgeschlechtliche (Eltern)Paare  1, 3, 22, 33, 94f., 102, 148, 173, 176–178, 186f., 192f., 212, 220, 229–231, 234, 237, 240, 242–245, 247–249, 263–268, 273, 275, 277, 287, 294, 297, 304, 306, 307f., 310, 321, 325, 334, 339, 388, 400, 433, 456 Gleichheitssatz 113 Gouvernante 299 Großeltern  13, 16f., 49, 59, 81, 94, 103, 189, 274, 299, 325, 327, 329, 379f., 382, 397, 427, 430 Grundrechte des Kindes  115, 341–359, 361, 452, siehe insbes. auch Recht des Kindes Handlungsfreiheit (allgemeine)  320f. Haupteltern  5, 276, 387f., 401–403, 420, 432, 455f. – Erbrecht 430 – u. Nebeneltern  406–410, 421–423, 425–427, 433, 456 – Umgangsrecht 423 – Unterhaltsrecht 425–427 Hausgemeinschaft siehe oikos Herkunft  244, 247, 251, 253, 346–348, 353f., 364, 434 Herkunftseltern  160, 249–256, 262 Hilfsmütter 89 Hilfspersonen – bei der Zeugung  296, 317, siehe auch Eizellenspende, Embryonenspende, medizinisches Personal, Samenspende – bei Erziehung und Pflege  299, 330, siehe auch Alloparents, Amme, Geschwister, Gouvernante, Groß­ eltern, Kindermädchen, Kindergärtner, Lehrer, Tagesmütter Hormonelle Wirkungen der Schwangerschaft  292, 294 Identitätsentwicklung  198, 251, 271, 351–353 Individualismus  25–30, 68, 142, 186, 347–352, 444

Initiativeltern 3f., 6f., 216–218, 224, 238, 240, 245, 248f., 365, 443 – u. Ausgestaltung der Mehrelternschaft  386, 387–390, 392, 395, 399–401, 432f., 434–437, 439f. – u. Grundgesetz  316–324, 331, 337–340, 342, 361f., 365, 451 – u. Nebeneltern  406 – u. Neukonzeption der Elternschaft  280, 286f., 295–298, 299f., 302–311, 361f., 449 – u. Verzicht auf Elternschaft  398, 432 – Willenselement 296f., 392, 398 Initiativelternverbindung siehe Initiativeltern Institutsgarantie (Elternschaft)  104–108, 114f., 119–123, 144, 148f., 185, 337, 341, 360, 365–368, 380f., 452f. intentionale Eltern  9, 62, 295–297, 449, siehe insbes. auch Initiativeltern Interpretationsprimat der Eltern  139f., 185–187, 361 In-vitro-Fertilisation (IVF)  7, 241f., 296, siehe auch künstliche Befruchtung In-vitro-Gametogenese (IVG)  273f., 287, 290f., 315 IPR  232–243, 395 Kenntnis der Abstammung (Grundrecht)  5, 47, 81, 86, 91, 97, 99, 103, 198–200, 218f., 228, 236, 238f., 246f., 267f., 285, 289, 344–359, 386, 389–399, 400f., 407, 409, 452 – u. Gametenspende  220, 225f., 289, 323, 363, 432–435 – u. Verzicht auf Elternschaft  363f., 384, 396–398, 432–435, 454 Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen (Gesetz 2018)  211, 219f., 225, 397, 399 Kenntnis der Herkunft (EMRK)  353–355 Kernbereichslehre (Gesellschaftsrecht)  417, 455 Kernfamilie  189, 376–378 Kerntransfer 19, 272–274, 287, 290, 315, 321, 383, 397, 447 Kind  91, 201

Sachverzeichnis

– eheliches  11, 37–41, 43, 48f., 51, 63f., 71f., 80, 90, 105, 107, 146, 151f., 155, 186, 217 – als Gemeinschaftsaufgabe  29, 299, 377–379 – als Grundrechtsträger  23, 99, 358f. – legitimes  15f., 40 – nichteheliches  8, 38, 41, 50f., 79f., 90, 94, 100, 105, 107, 112f., 147, 152, 154–160, 162, 164, 194, 211, 214f., 217, 224, 228, 333, 356, 371, 445 – uneheliches  41–54, 65 Kinderbetreuung (kooperative)  264, 376–379 Kindergärtner  299, 379 Kindermädchen  89, 299 Kinderrechteverbesserungsgesetz 2002  94, 95 Kindeswille  406 Kindeswohl 12, 25–30, 54, 100, 140 – u. Adoption  55–61, 161, 163, 245, 250–252, 255–257 – u. Alloparents  375–380 – u. Auskunftsrecht  200f. – u. Beschlussfassung der Eltern  20, 417 – u. Co-Mutterschaft  244, 248 – u. Eingriffslegitimation  137f. – Einzelfallprüfung (EGMR)  199f. – u. elterliche Gewalt  72–76 – u. elterliche Sorge  154, 157, 169, 335, 444 – u. Elternermessen  29, 114, 127, 133, 139–141, 301, 361 – u. Elternindividualität  25–30, 444 – u. Elternkonflikte  20, 143, 154, 160, 232–235, 299, 336, 381f., 452f. – u. Elternpflicht  142f. – u. Elternrecht  114, 125, 127, 134–143, 158, 169, 335, 445f. – u. Embryonenspende  270f. – u. Familiengrundrecht  327 – Geschichte 98–100 – u. gespaltene Mutterschaft  82–84, 88 – u. Gestaltungsaufgabe des Gesetz­ gebers  143, 336f., 368f., 383f., 452 – u. Gleichberechtigung der Eltern  154, 159f., 335

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– u. gleichgeschlechtliche (Eltern) Paare  150, 244f., 267, 277 – individuelles  12, 199f., 206 – Interpretationsprimat der Eltern  139–141 – u. Kenntnis der Abstammung  396f. – u. künstliche Befruchtung  392 – u. Leihmutterschaft  84, 102, 232, 234–240, 436 – als Maximalstandard  135, 136f., 138f., 142f. – u. Mehrelternschaft  20, 30, 277, 331–338, 341, 360, 368–383, 389, 390–393, 402f., 405, 452f. – als Minimalstandard  135, 137–139, 142, 144 – u. Nebeneltern  407f., 410, 455 – u. nichteheliches Kind  50, 157, 160 – u. Recht auf Fortpflanzung  323 – u. soziale Eltern  102, 206f., 301, 361 – u. Stichentscheid  153f. – u. Umgangsrecht  16, 93f., 165, 175, 199–202, 205, 254 – u. Vaterschaft  46, 52–54, 92f., 159f., 165, 194, 200f., 204f., 206–208, 227, 303 – u. Verzicht auf Elternschaft  25, 393, 398 – u. Wächteramt (staatliches)  29f., 114, 125, 133, 137f., 140f., 144, 153, 157, 161, 342, 359, 368f., 444, 445 – wissenschaftliche Erkenntnisse  137 – u. Zahl der Eltern  5, 20, 32, 168f., 182, 184, 268, 332–339, 365f., 372f., 375 Kindschaftsrechtsreform 1998  3, 39, 49, 80–94, 101, 194, 290f., 368, 372, 428, 445 kleines Sorgerecht  19, 94f., 103, 172, 174f., 183, 196, 259f., 300, 309, 331, 343, 368, 371f., 408, 422, 432 Kommerzialisierung der Mutterschaft  247 Konflikte zwischen Eltern  5, 20, 32, 62, 73, 101, 199f., 261, 267, 277, 280, 333, 334–337, 402, 452, siehe auch Kooperationsfähigkeit und ‑bereitschaft der Eltern – u. Gestaltungsaufgabe des Gesetz­ gebers  336f., 383

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– u. Grundgesetz  168–172, 175–187, 194, 196, 204f., 207, 359, 368–381 – u. Leihmutterschaft  86f., 230–232, 235 – Lösungen 143, 370f., 383–385, 389, 390–393, 399, 402f., 452–454 – Unverheirateter 154, 159f. Kooperation als Grundlage der Menschheit 29, 376–380 Kooperationsfähigkeit und ‑bereitschaft der Eltern  5, 150, 207, 374, 381f., 385, 403, 410, 431, 453, 454f. Kuckuckskind  1–3, 15, 23, 96, 197–208, 225, 277, 299, 336, 356, 375, 381, 400f., 431f., 446f. – EGMR 198–200 – u. Elternverbindungen  302f., 450 – u. Mehrelternschaft (Klassifikation)  279f., 375, 402, 448 – u. Nebeneltern  407 künstliche Befruchtung  6f., 81, 84, 86, 94, 181, 209, 211, 224f., 265, 269, 272–274, 321, 333, 346, 433 – u. Anfechtung  95, 102, 216, 289, 399–401 – Formerfordernisse 223–226 – Widerruf der Zustimmung  265, 392 – Zustimmung  210, 213–219, 219–224, 227, 239, 248, 295–298, 304f., 310, 317, 324, 388–391, 449 LebenspartnerIn  94, 126, 174, 176, 178, 204, 211, 213f., 234, 241f., 244, 304f., 310, 400 Lebenspartnerschaftsgesetz 2002  94f. legislative facts  150, 348–350, 389f. Lehrer 299 leibliche Eltern  4, 6f., 14, 283f., 295, 297, 299–301, 402f., 437, 447 – u. Adoption  18, 39, 54–62, 66, 161–163, 180f., 183, 194, 249f., 252, 256f., 308, 426, 445 – u. Erbrecht  429 – u. EGMR  190f., 193, 199 – u. Grundgesetz  116f., 125, 145f., 151f., 158, 160–163, 165f., 170, 175, 180f., 183, 186, 195, 204, 312–314, 318, 323f., 328, 331, 358, 360, 446

– u. Mehrelternschaft (Klassifikation)  279f. – u. Nebeneltern  426 – u. Pflegeeltern  262 – u. Samenspende  225 – u. Stiefeltern  93, 95, 255, 258–262, 309, 375, 390, 440 – u. Verzicht auf Elternschaft  363, 394f., 454 Leihmutterschaft  1–3, 19, 81–89, 102, 177, 204, 228, 229–247, 264, 267f., 274, 356, 399, 447 – EGMR  188, 190f., 355 – u. Elternverbindungen  7, 294–298, 305f., 310, 316–323, 339, 434–438, 449f. – vs. Embryonenspende  271 – u. Mehrelternschaft (Klassifikation)  279f., 447 – u. Nebeneltern  406 – Rechtsvergleich 230–232 – u. Verzicht auf Elternschaft  364, 394f., 398, 434, 454 – Widerruf der Zustimmung  392, 395, 435 Letztentscheid siehe Stichentscheid margin of appreciation 354, siehe auch Ermessen: des Gesetzgebers medizinische Möglichkeiten  3, 7f., 13, 15f., 19, 41, 46, 52f., 85, 87, 95, 100, 102, 146, 148, 177, 209, 214, 272–274, 310, 317, 320–324, 345f., 397, 437, 447, 456 medizinisches Personal (Ärzte)  7, 82f., 210f., 214, 224-226, 296, 299, 317, 419, 449 Mehrelternschaft  2, 276, 283, 287, 443, 450, siehe auch Beschlussfassung der Eltern, Elternverbindungen, Erbrecht, Umgangsrecht, Unterhaltsrecht, Vertretung des Kindes – abgestufte (Haupt- und Nebeneltern)  393, 406–409, 454f. – u. Adoption  59, 61, 256f., 456 – Anerkennung de lege lata  19, 204 – anfängliche 278–280, 302–310, 447, 454f. – Ausgestaltung  3, 5, 341–442, 450f., 452, 454–456

Sachverzeichnis

– Ausgestaltungspflicht des Gesetz­ gebers  336f. – einverständliche  22, 208, 227, 247, 264, 266f., 271, 279f., 303–310, 372–375, 386, 402f., 448, 454f. – Fälle  3, 19f., 197–282, 447 – genetische siehe In-vitro-Gametogenese (IVG), Kerntransfer – Geschichte 17–19, 38, 446 – u. Getrenntleben der Eltern  419f. – gleichberechtigte  22, 264, 307f., 387, 390f., 393, 402–406, 410, 431f., 454f. – u. Grundgesetz  179f., 268, 341–385, 446, 450, 451–453 – u. Kindeswohl  268, 372–375, 389f. – Kombinationen 280, 448 – Literatur 179–183 – nachträgliche 279f., 447, 454f. – rechtliche  20, 95, 183, 277, 405f. – Struktur 275–282 – sukzessive 308f., 400 – unfreiwillige  22, 227, 279f., 302f., 304, 308–310, 336, 372–375, 386, 402f., 416, 448, 454f. Mehrmutterschaft  228–249, 433f. Menschenwürde – der Leihmutter  235, 237, 435 – des Kindes  76, 123f., 128, 161, 319, 323, 392, 408 micro chimeric cell exchange 292 Mitochondrien  4, 8, 272f., 290, 397 moralische Wertungen  36, 45, 113, 136, siehe auch gesellschaftliche Anschauungen Mutter – biologische 7, 88f. – genetische  3, 7, 84–89, 181, 229, 236, 240–242, 245, 247f., 272, 288–291, 302–311, 314f., 356, 449 – gestationale 7, 13, 85f., 88, 180f., 236, 240–242, 271, 286, 291–294, 302–311, 315f., 331, 387, 449 – initiative 295–298, 302–311, 449 – leibliche  2, 8, 20f., 33, 41, 85, 215, 253, 255, 299 – Mit-Mutter 246 – rechtliche  2, 12f., 81, 85f., 91, 101, 201, 214, 233, 241f., 271, 302

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– soziale 246, 298–301, 302–311, 449 Mutter-Kind-Bindung  83, 236, 247 Mutterschaft 12f., siehe auch Co-Mutterschaft, gespaltene Mutterschaft – kraft Ehe mit der Mutter  243 – eheliche 40f., 217 – gespaltene 81–90, 196, 228, 290, 438 – multiple 228–249 – nichteheliche  81, 155, 157–159 – statusunabhängige Klärung  87 – uneheliche 47f. – kraft Zustimmung  211 Mutterschaftsanerkennung 47 Mutterschaftsanfechtung  13f., 85f., 306 Mutterschaftsfeststellung  8, 433 Mutterschaftsvermutung  86, 362 Nachbarn 299 nature  288f., 291 natürliche Zeugung  4, 6f., 16, 40f., 44, 168, 177, 216, 218, 226, 368, 449f. – Anfechtungsausschluss  220, 392 – u. Elternverbindungen  287, 295, 302, 314, 317, 321, 333f., 339, 365 natürlich-sittliches Elternverhältnis  37 Nebeneltern  5, 22, 227, 276, 387, 400f., 406–410, 431–433, 454–456 – Auswahl 406f., 437–441 – Erbrecht  428, 430 – Elternwechsel 409 – Rechte und Pflichten  407–409, 416, 421f. – Status 409 – Umgangsrecht 423 – Unterhaltsrecht  423, 425, 426f. Neukonzeption der Elternschaft  1–5, 280f., 283–301, 338, 388, 443, 448–451, siehe auch Analyseinstrument Elternschaft, Elternverbiundungen Nichtehelichengesetz 1970  2, 39, 49–54, 66, 75f., 91, 98, 100f., 147, 194, 368, 445 normgeprägtes Grundrecht  103, 119–123, 148, 149 nurture 288f., 291–294, 299f. oikos 26, 34–37, 67–69, 89, 376 ökonomische Zusammenarbeit als Familiengrundlage 34f.

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Onkel  49, 189, 299, 391f. ordre public  233–243, 395 Pädagogik 136 Patchworkfamilie  3, 19, 338 Personensorge  29, 48, 72, 74f., 77, 79, 268 – u. Grundgesetz  131 Persönlichkeitsentfaltung  134, 327f., 367 Persönlichkeitsrecht (allgemeines)  47, 50, 76, 81, 128, 320–323, 344–352, 439 Pflegeeltern  2f., 19, 57, 116, 172, 180, 195, 254f., 262, 310f., 324f., 329 – u. Mehrelternschaft (Klassifikation)  279f., 403, 447f. Pflichtteilsansprüche  10, 17f., 38, 43, 76, 215, 227, 275, 429 Phänotyp 288 philosophische Grundlagen – der Elternschaft  25–30, 67, 129f., 333 – des Rechts auf Kenntnis der Abstammung 352 Pillenknick 230 Prioritätsprinzip (Vaterschaftsanerkennung) 13 Privatautonomie und Elternschaft  9, 24f., 61f., 70–80, 90, 216, 305, 341, 390–393, 444, siehe auch Adoption: Voraussetzungen, Anfechtungsrecht, Umgangsrecht: privatautonome Begründung, Vaterschaftsanerkennung, Vaterschaftsanfechtung, Verzicht auf Elternschaft Privatleben siehe Persönlichkeitsrecht (allgemeines), Respekt des Privat- und Familienlebens (EMRK) Queer-Family  2f., 22, 220, 247f., 260, 263–268, 275–277, 310, 338, 374, 376, 390, 402, 415, 433f., 447, 454f. – u. Elternverbindungen  307f., 450 – u. Mehrelternschaft (Klassifikation)  279, 402, 448 Rassenideologie  345–347 Recht auf Fortpflanzung  312, 317, 320–323 Recht des Kindes  285, siehe auch Gewährleistung elterlicher Pflege und

Erziehung (Grundrecht); Kenntnis der Abstammung (Grundrecht), Respekt des Privat- und Familienlebens (EMRK) – auf gewaltfreie Erziehung  94 – auf Schutz seiner familiären Bindungen 452 – gegen seine Eltern?  123–125 Recht und Pflicht der Eltern  1f., 6, 123–125, 127–144, 145, 158, 167, 171, 185, 318, 363, 369f., 393 – u. Mehrelternschaft  422–431 rechtliche Eltern  2f., 6, 14, 16–18 – u. Adoption  252–254, 394 – u. Gametenspende  86, 95–97, 212f., 218f., 225, – Geschichte 33–62, 194f., 444f. – u. Grundgesetz  10, 116, 145, 148f., 164–172, 173f., 176f., 182f., 186f., 197f., 204, 207, 445f. – Kriterien 365–382, 383f., 386–410 – u. Leihmutterschaft  233f., 238, 246–249, 435 – Neukonzeption der Elternschaft  283–287, 298, 306, 312, 316, 318f., 330f., 343, 359–385, 388, 394, 401, 405–410, 432, 448–451 – u. Pflegeeltern  262 – u. Zahl der Eltern  7, 12, 22, 54, 99f., 194f., 267, 334, 444f. rechtliche Wertungen  26, 81, 148, 175, 234, 285, 310 Rechts(un)sicherheit  12, 16, 214f., 330 Rechtsvergleich  2, 13–16, 47, 297, 300f., 307, 316 Registereltern 5, 394–399, 410, 433 Reproduktionsmedizin  1, 3f., 6, 16f., 19, 27, 80–82, 95, 101f., 122, 146, 179, 194, 197, 209, 214, 220, 229f., 275, 287, 296, 321–324, 344, 346, 397, 437, 447f. – u. Gestaltungsaufgabe des Gesetz­ gebers  277f., 383 – u. Mehrelternschaft (Klassifikation)  279, 402 – u. Mutterschaft  84–87, 241f., 246–249 – u. Zahl der Eltern  272–274, 290f., 310, 314, 316f., 333f., 338f., 364, 376, 445 Reproduktionstourismus  233, 434

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reproduktive Prostitution  231 Residenzmodell 420 Respekt des Privat- und Familienlebens (EMRK)  189–193, 195, 199, 237, 239f., 254–256, 317, 320–323, 353–355, 446 Rolle der Frau  63, 66–68 Rollen- und Kompetenzkonflikte siehe Konflikte zwischen Eltern Samenspende  1–4, 19, 242–244, 275, 390, 434, 447, siehe auch Becherspende – u. Anonymität  213, 228, 323, 344 – u. Elternverbindungen  289, 296, 299, 303–307, 339, 449f. – u. Eizellenspende  82, 89, 246–248 – Formen 224 – Geschichte 209f. – u. Grundgesetz  177, 181, 314f., 317, 319, 321–323, 365 – u. Kenntnis der eigenen Abstammung  344, 351, 353, 356, 358 – u. Mehrelternschaft (Klassifikation)  279f., 447f. – offizielle (Samenbank)  210f., 214 219f., 223f., 225, 240, 242, 396 – private  210, 212–214, 219f., 224, 225f., 240, 304, 317 – u. Queer-Family  263–268 – u. Umgangsrecht  397 – u. Vaterschaft  95f., 102, 208–227, 235, 271, 432f. – u. Verzicht auf Elternschaft  213f., 220, 226, 241, 360, 362–364, 393–399, 407, 409, 423, 432f., 454 Schadensersatz (Eltern-Eltern-Verhältnis)  20f., 23, 412f. Schadensersatz vs. Elternverantwortung  318f. Scheidung  1, 27, 64, 72–74, 77–80, 90, 93, 121, 153f., 186, 257f., 280, 370, 447 Scheinvater  21, 93, 96–98, 399f., 413 Schlichteramt (staatliches)  138f., 143, 160, 336, 355 Schulwesen 140 Schutzbereich (Elterngrundrecht) – persönlicher  144f., 167, 171, 181, 331–333, 446, siehe auch Elternstellung

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– sachlicher 127–144, 145, 167, 171, 181f., 184, 331–333, 446, siehe auch Träger des Elternrechts Schwangerschaftsverbindung 16, 291–294, siehe auch gestationales Elternteil, gestationsbegleitender Beitrag, Geburtsmutter, Mutter: gestationale, Vater: gestationsbegleitender Beitrag Segmentierung der Elternschaft  1, 4, 196, 287, 314, 339, 443, 448 Sein-Sollen-Schluss  26f., 129, 168, 333 Selbstbestimmung (informationelle)  358 serotologische Gutachten  47, 52f. sittliche Grundlage siehe Ehe als sittliche Grundlage der Elternschaft, Familie: als sittliches Verhältnis Sonderverbindung (Eltern-Eltern-Verhältnis)  21, 413 Sorge siehe elterliche Sorge, gemeinsame Sorge, kleines Sorgerecht, Sorgerecht, tatsächliche Sorge Sorgerecht  6, 10, 62–89, 99, 101, 130, 156f., 184, 194, 206, 260, 275, 369, siehe auch kleines Sorgerecht – u. Adoption  261 – eheliches Kind  50 – u. Grundgesetz  30, 115, 118f., 145, 178, 180, 336 – u. Mehrelternschaft  5, 277, 341, 404, 410, 415, 422, 431 – nichteheliches Kind  50 – privatautonome Begründung  24 – Queer-Family 266 – soziale Eltern  361 – Stiefeltern  175f., 261 soziale Beziehung  9, 88, 96, 148, 159, 171f., 192f., 206, 208, 229, 254, 256, 260, 283f., 287, 299–301, 309, 326–328, 331, 349, 392, 439, 443f. – EGMR 189f., 192 soziale Eltern  2–4, 6f., 10, 16, 53, 82, 93, 96, 102, 148, 170, 180, 182, 193, 195, 212, 225, 244f., 262, 329, 443 – u. Adoption  249, 279, 394 – u. Ausgestaltung der Mehrelternschaft  360–362, 365, 384, 386–392, 400f., 424f., 431–433, 439f., 456

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– u. EMRK  188f. – u. Grundgesetz  116, 160, 172–175, 186f., 324–331, 338–340, 343f., 386, 407 – u. Mehrelternschaft (Klassifikation)  279f. – u. Neukonzeption der Elternschaft  284, 286, 287, 291, 294, 298–301, 302–311, 448–451 – u. Verzicht auf Elternschaft  394, 398, 407, 440 – Willenselement 299 – Zeitelement 300, 308f., 328f. soziale Elternverbindung siehe soziale Eltern Soziologie  32, 107, 113, 339 Spenderdatei  219f., 225 Spenderregister  226, 399 Staat-Kind-Verhältnis  125–127 Staatserziehung (Ablehnung)  27, 29, 109–111, 117, 129–131, 137, 139, 185–187, 313f., 361, 391 Statusprinzip  11–16, 122, 387, 409, 431, 443f. – u. Nebeneltern  409 – Rechtsvergleich 10, 13–16, 444 – Statusklarheit  12, 87, 90 – Statuswahrheit  13, 40 Stichentscheid  71f., 75, 152f., 169, 335, 411f. Stiefeltern  1f., 16, 19, 64, 96, 100, 103, 257–262, 275 – u. Grundgesetz  116, 172, 174f., 180, 195, 324–329, 336, 338f. – u. Elternverbindungen  299f., 308f., 365, 450 – u. Kindschaftsrechtsreform 1998  80, 93–95 – kleines Sorgerecht  94f., 300, 408 – u. Nebeneltern  407f., 422, 432 – Zeitelement 300, 328f. Stieffamilie  3, 102, 240, 256, 257–262, 447 – Ausgestaltung  375, 381f., 385, 440–442, 454f. – u. Mehrelternschaft (Klassifikation)  279f., 402f., 448 – u. menschliche Evolution  380 – primäre & sekundäre  258

Subsidiaritätsprinzip der Kindererziehung 361f. siehe auch Staatserziehung (Ablehnung) Tagesmütter 379 Tanten  49, 189, 299 Tatsachen 11f., 149–151, 283–301, 348, 448f., siehe auch adjudicative facts, legislative facts – biologische  2, 87, 113, 116, 130, 145, 198, 204, 288–294, 313, 449 – rechtliche  12, 90, 158, 295–298, 443f., 449 – soziale  2, 8, 12, 79, 100, 116, 130, 150, 156, 158, 166, 188–193, 289–301, 313, 449 – wissenschaftliche siehe wissenschaft­ liche Erkenntnisse tatsächliche Eltern  7, 10, 130, 147f., 283–301, 443, 448f. tatsächliche Sorge  4, 6, 16, 29, 41, 63f., 68, 71f., 76f., 100, 131f., 156, 159–162, 173f., 186, 189, 259f., 268, 298–301, 324–330 traditionelle Familie  107, 444, 450 Träger des Elternrechts  3, 32, 115f., 145, 157–160, 164, 166, 167–172, 178–182, 184, 187, 194–196, 202–204, 267, 277, 312–316, 331–333, 337f., 340, 365, 382, 446, 451f. transsexuelle Eltern  33 Treuhandverhältnis (Eltern-Eltern-Verhältnis)  21, 413f. Umgangsrecht  6, 16, 20f., 77, 99, 130, 145, 184, 206, 275 – als absolutes Recht  23 – u. Adoption  19, 66, 163, 191, 249–257, 267f. – u. EGMR  191 – Ehegatten  81, 93 – u. Eizellenspende  306 – u. erzwungener Umgang  396f. – genetische Mutter  267f., 306 – genetischer Vater  52, 266, 268, 290, 307, 431 – genetischer, nichtrechtlicher Vater  97, 303

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– Geschwister  16, 81, 94, 103, 203 – Großeltern  16, 81, 94, 103, 203 – u. Grundgesetz  30f., 115, 118f., 131, 138, 165f., 175, 178, 180, 182, 184, 194, 311, 360f., 368–370, 372, 384 – Haupteltern 423 – Herkunftseltern  250–254, 256f. – Initiativvater 431 – u. Kindschaftsrechtsreform 1998  93f. – leibliche Eltern  66, 93, 249 – leiblicher, nichtrechtlicher Vater  19, 164f., 171f., 183, 196, 197–205, 303, 371f. – leiblicher, rechtlicher Vater  397 – u. Mehrelternschaft  5, 19, 276f., 341, 405, 423, 431, 455 – Nebeneltern  227, 407f., 422f., 432, 456 – nichtehelicher Vater  79, 94 – u. Pflegschaft  254 – u. Privatautonomie  24f., 268, 403f. – u. Queer-Family  267f. – u. Samenspende  214, 397 – u. Scheidung  64, 78, 93 – soziale Eltern  165, 198, 268, 298, 361 – Stiefeltern  16, 19, 93f., 103, 258f., 309, 375 – Verzicht gegen Entgelt  25, 363 Umgangsvater 202 Ungleichheit der Elternhäuser  140–142 Unterhaltsrecht  5f., 16, 19, 10, 227, 275, 444 – u. Adoption  18f., 54f., 249, 427 – eheliches Kind  38, 50 – Elternunterhalt  17f., 424f. – u. Embryonenspende  310 – genetische Mutter  86 – u. Grundgesetz  30, 115, 118f., 121, 124, 130f., 145, 171, 178, 180, 194, 311, 332, 360, 367, 369 – Initiativeltern  297, 305, 317–319 – u. künstliche Befruchtung  215–218, 319 – leiblicher, nichtrechtlicher Vater  201 – u. Mehrelternschaft  5, 277f., 341, 386, 396, 400, 418, 423–427, 431, 455 – Nebeneltern  427, 432, 440, 456 – nichteheliches Kind  38f., 43, 50f., 76f., 86, 92, 100, 194, 216f., 295

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– u. Queer-Family  266 – u. Samenspende  211, 215–217, 227 – u. Scheidung  64 – Stiefeltern  261, 440 – uneheliches Kind  43–45, 47f., 318 – u. Verzicht auf Elternschaft  364 Unterhaltsregress 400 Ursprungseltern  18, 61, 249f., 280, 308f., 328, 440, 449, 451 siehe auch Herkunftseltern Vater – biologischer 277 – biologisch-genetischer  21, 52, 165, 356f. – genetischer  13–15, 40, 86f., 96, 148, 202, 207f., 212f., 218, 227, 235f., 285, 288–291, 302–311, 314, 333, 362, 400, 432, 449 – gestationsbegleitender Beitrag  6, 294, 302–311, 387, 449 – initiativer 215–217, 227, 295–298, 302–311, 362, 400, 432, 449 – leiblicher  52, 96f., 155f., 159, 162, 164–172, 173, 180, 185, 190f., 194, 196, 198, 204f., 215, 227, 253, 278, 289, 291, 350, 355f., 382, 384, 397 – leiblicher, nichtrechtlicher  2, 19, 188, 197–208, 217, 254, 276, 302f. – Mit-Vater 246 – nichtrechtlicher  86f., 350 – rechtlicher  12–15, 40, 52, 91, 96f., 148, 155f., 159, 164–172, 173, 177, 185, 196, 197–208, 210–214, 216f., 219, 227, 235f., 244, 248, 253, 266, 271, 276, 278, 302f., 333, 347, 349, 399f. – sozialer  6, 23, 96f., 173, 194, 207, 227, 298–301, 302–311, 432, 449 Vater mit Rechten  197–208, 303 Vaterschaft  13f., 289 – kraft Ehe mit der Mutter  8, 12, 40, 90, 101, 158, 164, 166, 181, 187, 196, 210, 218, 223, 246, 248f., 271, 283, 290, 300, 330, 347, 362, 398, 443f. – eheliche 39f., 90, 98 – gespaltene 89 – u. Kindschaftsrechtsreform 1998  90–92

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– Klärung unabhängig vom Anfechtungsverfahren (Gesetz 2008)  87, 96f. – multiple 197–228 – nichteheliche  39, 51f., 76, 79f., 86, 90f., 94, 96–98, 100, 112, 147, 155–157, 157–159, 190, 217 – statusunabhängige Klärung  11, 87, 96f., 201, 290, 349, 350f., 355, 357, 388, 400f. – kraft Zustimmung  208–227, 248f., 297, 391, 398f. Vaterschaft light  201, 254, siehe auch Vater mit Rechten Vaterschaftsanerkennung  12f., 24, 158, 164, 166, 183, 207, 215–218, 254, 266, 298, 330, 390f. – u. Anfechtungsrecht  40, 97 – u. Gametenspende  177, 210–214, 219f., 223f., 235, 238f., 304–306, 319, 394, 398 – u. Kindschaftsrechtsreform 1998  90–92, 101 – Rechtsnatur  221–224, 362, 413 – u. Wille zur Elternschaft  9, 97, 100, 102, 391f., 413 – Wirkungen  45, 51–53 Vaterschaftsanfechtung  13f., 40, 53, 90–93, 96f. 217, 220f., 280, 347, 355, 361, 393f., 399–401, 407 – u. Embryonenspende  310, 439 – u. Kuckuckskind  96, 101f., 165f., 200f., 205–207, 278, 300, 303, 431f. – u. Samenspende  95f., 210, 212f., 216, 224, 304f., 432 Vaterschaftsfeststellung  51–53, 88f., 101, 158, 170, 202, 224, 433 – u. Kindschaftsrechtsreform 1998  90–92 – rechtsfolgenlose 350f. – u. Samenspende  211f. Vaterschaftstest  9, 12, 15f., 44, 46, 52, 91, 197, 345, 349f. – obligatorischer 388 Vaterschaftsvermutung  8f., 12, 14, 203, 300, 302, 362 Vererbung – biologische 46 – genetische  7f., 85, 286, 288 – vermögensmäßige 430

Verhältnismäßigkeit  138, 160f., 323, 357, 383, 385 Verhütung (erfolglose)  295 Verkehr (Recht auf) siehe Umgangsrecht Vermögenssorge  75, 77 – u. Grundgesetz  131 Verschuldrechtlichung des Familienrechts  21, 412, 415 Vertrag im Familienrecht  57f., 61, 215–218, 220f., 239, 245, 268, 305, 310, 318f., 403–405 Vertretung des Kindes  20, 48, 62–65, 71–73, 76, 92, 100, 122, 152, 386, 410–422, 455 Verursacherprinzip 28, 317–319 Verwandtschaft  85–87, 429 – blutsmäßige  17, 35, 42, 113, 190f., 326–329, 346, 377, 380, 430 – geistliche (Kirche)  35 – genetische  8, 12, 34f., 95, 191f., 239, 326–329, 397 – leibliche  52, 54–60, 161, 427, 429 – nichteheliches Kind  38f., 41–44, 47–49, 51, 100, 112, 147, 155, 194 – rechtliche  17–19, 39, 43, 86, 326 Verzicht auf Elternschaft  24f., 362–364, 384, 393–399, 454 – u. Adoption  24, 254 – u. Eizellenspende  241,395, 432f. – Formerfordernisse  221, 224, 226, 395f., 432f., 434 – u. Kindeswohl  395–399 – u. Leihmutterschaft  434 – u. Nebenelternschaft  407 – u. Samenspende  213f., 220f., 226, 304, 360, 395, 432f. – Voraussetzungen 394–399 Vier-Elternschaft  2, 194, 297 – u. Neukonzeption der Elternschaft  390, 402 Vormund  48f., 64f., 101, 329 Wächteramt (staatliches)  3, 28f., 78, 99, 109, 115, 118f., 125–127, 130, 133, 137f., 140–143, 153, 157, 159, 161, 194, 342f., 358f., 368, 370, 373, 383, 402, 444, 445 – u. Weimarer Reichsverfassung  105 Wechselmodell  260, 328, 420

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Weimarer Reichsverfassung  104–108 Wertvorstellungen  28, 148 Wille zur Elternschaft  9 – u. Adoption  9, 216 – Initiativeltern 296f., 305 – u. künstliche Befruchtung  216, 305 – soziale Eltern  299 – u. Vaterschaftsanerkennung  9 wissenschaftliche Erkenntnisse  10, 30f., 44, 137, 147, 151, 169f., 184, 250, 289, 291–294, 347–353, 453 Wunscheltern  7, 177, 191, 208, 213, 225, 228–240, 244, 246, 265, 272–274, 286, 295–298, 310f., 317–319, 395, 434, 439, 449, siehe insbes. auch Initiativeltern Zahl der Eltern  1, 22, 99f., 201f., 227, 242, 275, 365, 448, 456 – u. Adoption  59f., 161–163, 334, 398 – EGMR 192f., 446 – u. Elternkonflikte  32, 182, 334–337, 452 – genetische 19, 272–274, 287, 290, 333, 339, 397, 447 – Geschichte  2, 39, 41, 54f., 333f., 368, 444f., 452f. – u. Grundgesetz  3–5, 31f., 116, 145, 147, 161f., 166, 167–172, 177–185, 187, 197, 203f., 267, 312, 331–337, 365, 367f., 380f., 445f., 451–453 – Initiativeltern 307 – u. Kindeswohl  368–381 – natürliche  32, 333, 375–380, 453, 456 – u. Neukonzeption der Elternschaft  287, 310, 316, 338f., 390, 402, 453 – Rechtsvergleich  211, 265, 307 – u. Reproduktionsmedizin  290f. – soziale 287 – u. Stiefeltern  103, 309

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– u. Unterhaltsrecht  424 – u. Verzicht auf Elternschaft  393–401 Zahl-Eltern  319, 369 Zahlvater 38, 41–47, 51, 202, 215–218, 228, 297, 305, 318f. Zeugung  2, 4, 6f., 9, 53, 85, 223–227, 288, siehe auch In-vitro-Fertilisation, In-vitro-Gametogenese, künstliche Befruchtung, natürliche Zeugung – Verursachung  295–298, 317f., 324, 338 Zeugungseltern  7, 295, 303f., siehe auch Initiativeltern, leibliche Eltern Zusammenleben  2, 72, 91, 151f., 156, 158, 174, 190f., 255, 258, 260, 326–329, 347, 408, 419–422, 431, 440 Zwei-Elternschaft  1–5, 33, 443, 450, 453, 456 – u. Adoption  19, 38, 61, 100, 194, 257, 368 – Brüche im Prinzip  1, 3, 19, 33, 38, 100, 103, 183–185, 195f., 202, 257, 275f., 281, 308, 368, 446f. – Geschichte  2, 39, 55, 99, 193–195, 445 – gleichberechtigte 193–196 – u. Grundgesetz  164, 168, 172, 194f., 366–368, 452f. – u. Kindschaftsrechtsreform 1998  101, 194 – leibliche 20 – u. Leihmutterschaft  87 – natürliche 302 – u. Nebeneltern  408 – u. Neukonzeption der Elternschaft  387–389, 409, 431 – u. Pflegeeltern  262 – u. Queer-Family  264f., 267 – rechtliche 12f., 102f. – u. Stiefeltern  262 Zwei-Kern-Familie  252, 255, 261