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German Pages 540 [565] Year 2017
JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 218
Franz Hofmann
Der Unterlassungsanspruch als Rechtsbehelf
Mohr Siebeck
Franz Hofmann, geboren 1981; Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Bayreuth und Cambridge (2009 LL.M.); 2009 Promotion, Universität Bayreuth; 2011 Zweites Juristisches Staatsexamen; 2016 Habilitation, Ludwig-Maximilians-Universität München; seit November 2016 Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Recht des Geistigen Eigentums und Technikrecht an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT. ISBN 978-3-16-154896-3 eISBN 978-3-16-155226-7 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http:// dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Böblingen gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweiher gebunden.
Vorwort Diese Arbeit lag der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München im Sommersemester 2016 als Habilitationsschrift vor. Für die Veröffentlichung habe ich die dringlichsten Aktualisierungen vorgenommen, während die Kernthesen in den Stand der Forschung zum Abschluss des Manuskriptes im Frühjahr 2016 eingebettet bleiben. Meine Habilitationsschrift verstehe ich als Beitrag zu einem in Deutschland weithin vernachlässigten Forschungsgebiet. Ein „Law of Remedies“, wie es im anglo-amerikanischen Rechtsraum anzutreffen ist, gibt es hierzulande im Grunde nicht. Ansprüche oder Rechtsfolgenrechte werden typischerweise nicht losgelöst von den ihnen zugrundeliegenden Stammrechten diskutiert. Die Arbeit hat daher zum Ziel, die Rechtsdurchsetzung als eigenständigen Problemkreis zu analysieren. Diese Aufgabe wird exemplarisch am Unterlassungsanspruch durchgeführt. Ganz besonderen Dank schulde ich meinem akademischen Lehrer Professor Ansgar Ohly. Er hat die Arbeit nicht nur kenntnisreich betreut, sondern mir als Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl große Freiheit gewährt. Beispiellos ist seine Offenheit für Diskussionen, von denen ich noch lange zehren werde. Zum Gelingen der Arbeit haben ferner meine Fachmentoren, Professorin Beate Gsell und Professor Thomas Ackermann, beigetragen. Für die äußerst wohlwollende, fortgesetzte Unterstützung bin ich sehr dankbar. In der Ludwigstraße 29 habe ich einen wunderbaren Rahmen für das Schaffen eines Habilitanden vorgefunden. Dies lag vor allem am äußerst kollegialen, stets inspirierenden Umfeld. Die Kollegen und Freunde aus meiner Münchner Zeit wissen um meine Wertschätzung. Wichtige Foren zum Austausch habe ich ferner namentlich in der Gesellschaft Junger Zivilrechtswissenschaftler und bei regelmäßigen Wanderungen, insbesondere mit Professor Herbert Zech, gefunden. Die Vorbereitung des Drucks wurde durch meine Lehrstuhlmitarbeiter tatkräftig begleitet. Mein Dank hierfür sei an dieser Stelle wiederholt. Weiter danke ich dem Förderungs- und Beihilfefonds der VG Wort für die großzügige Bezuschussung des Drucks dieser Schrift. Unvergessen ist die stetige Unterstützung meiner Eltern. Erlangen, im Sommer 2017
Franz Hofmann
Inhaltsübersicht Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II.
Gang der Darstellung und Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
III. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Erster Teil Rechtsfolgen im Rechtssystem § 1 Das anglo-amerikanische „remedy-System“ . . . . . . . . . . . . . . . . 13 I.
Remedies als gerichtliche Rechtsbehelfe zwischen materiellem Recht und Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
II.
Das Verhältnis von rights und remedies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
III. Ermessen und differenzierte Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . 35 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
§ 2 Das Anspruchssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 I.
Anspruch als das materielle Recht auf ein Tun oder Unterlassen . . . 52
II.
Rechte und Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
III. Ermessen und differenzierte Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . 77 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
VIII
Inhaltsübersicht
§ 3 Das unionsrechtliche Rechtsfolgensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 I.
Unionsrechtliche Rechtsfolgenregelungen zwischen materiellrechtlichen Ansprüchen und prozessualen gerichtlichen Anordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
II.
Trennung von Rechten und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
III. Flexibilität bei der Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
§ 4 Völkerrechtliche Rechtsfolgensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 I.
Strukturen von Rechtsfolgen in völkerrechtlichen Verträgen . . . . . . . 116
II.
Trennung von Rechten und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
III. Ermessen und differenzierte Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . 119 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem . . . . . . . . . . . 122 I.
Modifiziertes Rechtsbehelfssystem als Synthese verschiedener Rechtsfolgensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
II.
Anspruch als materiellrechtliches Rechtsfolgenrecht . . . . . . . . . . . . . 155
III. Stammrechte als Anknüpfungspunkte für Rechtsfolgenrechte . . . . . 173 IV. Rechtsfolgendifferenzierung de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
§ 6 Ergebnis zum Ersten Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
Zweiter Teil Der Rechtsbehelf Unterlassen § 7 Bestandsaufnahme privatrechtlicher Unterlassungsansprüche 255
I.
Überblick zum Meinungsstand zur Einteilung von Unterlassungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256
II. Leistungsunterlassungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
Inhaltsübersicht
IX
III. Unterlassungsansprüche infolge der Verletzung sonstiger vertraglicher Verhaltenspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 IV. Unterlassungsansprüche als Folge der Verletzung absoluter Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 V.
Unterlassungsansprüche als Folge der Verletzung gesetzlicher Verhaltenspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
VI. Unionsrechtliche Unterlassungsanordnungen im Immaterialgüterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 VII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296
§ 8 Die Rolle der Rechtsfolge Unterlassen im Rechtsfolgensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 I.
Übersicht über die wesentlichen privatrechtlichen Rechtsfolgen und Abgrenzungen zum Unterlassungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . 298
II.
Elementarschutz von Rechtszuweisungen als Funktion von Unterlassungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303
III. Ökonomische Analyse von Unterlassungsansprüchen . . . . . . . . . . . . 318 IV. Präventionsfunktion der Rechtsfolge Unterlassen . . . . . . . . . . . . . . . 336 V.
Außergerichtliche Streitbeilegung insbesondere mittels strafbewehrter Unterlassungserklärung . . . . . . 357
VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361
§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . 363 I.
Das Verhältnis von Rechten und Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365
II.
Keine Unterscheidung zwischen absoluten und relativen Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390
III. Rechtsverwirklichung mittels der Rechtsfolge Unterlassen . . . . . . . . 393 IV. Begehungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 V.
Zusätzliche Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411
VI. Aktivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 VII. Passivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 VIII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418
X
Inhaltsübersicht
§ 10 Die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen . . . . . . . . . . . 420 I.
Die Struktur der Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421
II.
Titulierung von Unterlassungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435
III. Vollstreckung von Unterlassungstiteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453
§ 11 Die Grenzen der Rechtsfolge Unterlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 I.
Die Wahl der Stellschrauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455
II.
Rechtsfolgendifferenzierung als Rechtsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462
III. Anwendungsfälle de lege lata und de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . 465 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476
§ 12 Ergebnis zum Zweiten Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 Zusammenfassung der Kernaussagen in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531
Inhaltsverzeichnis
XI
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II.
Gang der Darstellung und Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
III. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Erster Teil Rechtsfolgen im Rechtssystem § 1 Das anglo-amerikanische „remedy-System“ . . . . . . . . . . . . . . . . 13 I.
Remedies als gerichtliche Rechtsbehelfe zwischen materiellem Recht und Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1. Unterschiedliche Bedeutungen des Begriffs remedy . . . . . . . . . . . . . . 15 2. Rechtsnatur von remedies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3. Einheitliche Ausgestaltung von remedies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
II.
Das Verhältnis von rights und remedies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Die Rechtsverletzung als Verbindungselement im Zusammenspiel unterschiedlicher Rechtekategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2. Beispiele für die Kette right – wrong – remedy . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3. Sonderfall Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
III. Ermessen und differenzierte Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Richterliches Ermessen beim Zuspruch von Rechtsfolgen . . . . . . . . . 35 a) Ermessenserwägungen bei equitable remedies . . . . . . . . . . . . . . . 35 b) Ermessenserwägungen bei common law remedies . . . . . . . . . . . . 42 2. Diskussionen um den Grad richterlichen Ermessens . . . . . . . . . . . . . 43
IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
XII
Inhaltsverzeichnis
§ 2 Das Anspruchssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 I.
Anspruch als das materielle Recht auf ein Tun oder Unterlassen . . . 52 1. Unterschiedliche Anspruchsbegriffe im Bürgerlichen Gesetzbuch . . . 52 2. Unabhängigkeit des Anspruchs vom Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . 55 3. Überholte Auffassungen vom Unterlassungsanspruch als prozessuale Rechtsschutzform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4. „Remedies“ im Anspruchssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
II.
Rechte und Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 1. Durchsetzbarkeit als Kennzeichen subjektiver Rechte . . . . . . . . . . . . 64 2. Primäre und sekundäre Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3. Die Rolle der Rechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 4. „Rechtsdenken“ im Anspruchssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 a) Keine analytische Trennung zwischen Rechtszuweisung und Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 b) Die Lehre Pickers von der Rechtszuweisungsordnung . . . . . . . . . 75
III. Ermessen und differenzierte Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Ermessen als systemfremdes Element . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Differenzierte Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 a) Zwingender Primäranspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 b) Schrankenregelungen als Schutzbereichsbegrenzungen . . . . . . . . 81
IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
§ 3 Das unionsrechtliche Rechtsfolgensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 I.
Unionsrechtliche Rechtsfolgenregelungen zwischen materiellrechtlichen Ansprüchen und prozessualen gerichtlichen Anordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 1. Gerichtliche „Anordnungen“ als prozessuale Instrumente . . . . . . . . . 87 a) Rechtsfolgenregelungen im europäischen Recht des Geistigen Eigentums und im europäischen Lauterkeitsrecht . . . . 87 b) Rechtsnatur gerichtlicher Anordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2. Rechtsfolgenregelungen als materielle „Ansprüche“ (mit prozessualem Einschlag) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
II.
Trennung von Rechten und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 1. Recht des Geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Europäisches Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Weitere Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
III. Flexibilität bei der Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 1. Differenzierte Betrachtung der Rechtsfolge Unterlassen . . . . . . . . . . 107
Inhaltsverzeichnis
XIII
2. Differenzierte Betrachtung des Naturalerfüllungsanspruchs . . . . . . . 111 3. Rechtsfolge Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
§ 4 Völkerrechtliche Rechtsfolgensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 I.
Strukturen von Rechtsfolgen in völkerrechtlichen Verträgen . . . . . . . 116
II.
Trennung von Rechten und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
III. Ermessen und differenzierte Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . 119 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem . . . . . . . . . . . 122 I.
Modifiziertes Rechtsbehelfssystem als Synthese verschiedener Rechtsfolgensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. Überholtes „Aktionenrechtliches Modell“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. Systematisierungsdefizite im Anspruchs- und im „remedy-System“ . 128 3. Weitere Einwände gegen ein „reines“ Rechtsbehelfsmodell . . . . . . . . 130 4. Gründe für eine Interpretation des Anspruchssystems als Rechtsbehelfssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 a) Harmonisierungsargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 b) Eröffnung übergreifender Funktions- und Strukturanalysen . . . . 143 c) Transparenz bei der Rechtfertigung von Rechtsfolgen . . . . . . . . . 146 d) Differenzierungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
II.
Anspruch als materiellrechtliches Rechtsfolgenrecht . . . . . . . . . . . . . 155 1. Ansätze zur Trennung von Forderung und Anspruch . . . . . . . . . . . . . 156 2. Anspruch als die erste Stufe der Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . 165 3. Anspruch als materielles Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
III. Stammrechte als Anknüpfungspunkte für Rechtsfolgenrechte . . . . . 173 1. Doppelfunktion des Begriffs „subjektives Recht“ . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2. Ausschließlichkeitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 a) Unterscheidung zwischen Schutzbereich und Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Analytische Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3. Vertragliche Schuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 a) Erfüllungsanspruch als Rechtsbehelf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 b) Analytische Erleichterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 4. Gesetzliche Schuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196
XIV
Inhaltsverzeichnis
a) Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 b) § 823 I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 c) Leistungs- und Eingriffskondiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 5. Gesetzliche Verhaltenspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 a) Schutz rechtlich geschützter Interessen in Abgrenzung zum Schutz subjektiver Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 b) Kategoriale Unterscheidung zwischen Rechtsposition und Rechtsdurchsetzung bei gesetzlichen Verboten . . . . . . . . . . . 203 c) Stammrechte und Rechtsfolgenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
IV. Rechtsfolgendifferenzierung de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 1. Rechtsfolgendifferenzierung im Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 a) Vertraglicher Erfüllungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 b) Sekundäre Rechte (Schadensersatz, Gewinnherausgabe, Bereicherungsherausgabe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 c) „Klagbarkeit“ sonstiger vertraglicher Verhaltenspflichten . . . . . . 219 2. Rechtsfolgendifferenzierung bei Ausschließlichkeitsrechten . . . . . . . . 223 a) Ausschluss des Unterlassungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 b) Schadensersatz, Gewinnherausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 c) Beseitigungs- und Vernichtungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 3. Rechtsfolgendifferenzierung bei der Durchsetzung von Mitbestimmungsrechten und Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 a) Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 b) Organklagen im Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 4. Rechtsfolgendifferenzierung bei gesetzlichen Verhaltenspflichten . . . 243 a) Lauterkeitsrechtliche Aufbrauchsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 b) Betriebsverfassungsrechtliche Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
§ 6 Ergebnis zum Ersten Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
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XV
Zweiter Teil Der Rechtsbehelf Unterlassen § 7 Bestandsaufnahme privatrechtlicher Unterlassungsansprüche 255
I.
Überblick zum Meinungsstand zur Einteilung von Unterlassungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 1. Vertragliche und gesetzliche Unterlassungsansprüche . . . . . . . . . . . . 256 2. Weitere Untergliederung gesetzlicher Unterlassungsansprüche . . . . . 258 a) Negatorische und quasi-negatorische Unterlassungsansprüche . . 258 b) Deliktischer Unterlassungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 c) Direkte und indirekte Unterlassungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . 260 d) Vorbeugender Unterlassungsanspruch und Verletzungsunterlassungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 e) Dinglicher Unterlassungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 3. Weitere Untergliederung vertraglicher Unterlassungsansprüche . . . . 262 4. Gliederung nach Rechtsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
II. Leistungsunterlassungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 1. Praktische Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 2. Entstehungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 a) Vertragliche Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 b) Keine rechtshindernden Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 c) Wirkungsmöglichkeit des Unterlassungsanspruchs . . . . . . . . . . . 268 d) Begehungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 e) Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 f) Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 3. Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271
III. Unterlassungsansprüche infolge der Verletzung sonstiger vertraglicher Verhaltenspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 1. Praktische Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 2. Entstehungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 a) Verhaltenspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 b) Begehungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 c) Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 d) Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 e) Subsidiarität des Unterlassungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 3. Klagbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 4. Abgrenzungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
XVI
Inhaltsverzeichnis
IV. Unterlassungsansprüche als Folge der Verletzung absoluter Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 1. Praktische Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 2. Entstehungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 a) Eingriff in den Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 b) Rechtswidrigkeit, Duldungspflichten, Schranken . . . . . . . . . . . . . 281 c) Begehungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 d) Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 e) Passivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 3. Durchsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
V.
Unterlassungsansprüche als Folge der Verletzung gesetzlicher Verhaltenspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 1. Praktische Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 2. Entstehungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 a) Verletzung einer tatbestandlichen Verhaltenspflicht . . . . . . . . . . . 287 b) Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 c) Begehungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 d) Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 e) Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 f) Zusätzliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 g) Passivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289
VI. Unionsrechtliche Unterlassungsanordnungen im Immaterialgüterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 1. Rechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 2. Begehungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 3. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 4. Keine besonderen beziehungsweise guten Gründe gegen eine Unterlassungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 5. Passivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 6. Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
VII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296
§ 8 Die Rolle der Rechtsfolge Unterlassen im Rechtsfolgensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 I.
Übersicht über die wesentlichen privatrechtlichen Rechtsfolgen und Abgrenzungen zum Unterlassungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . 298 1. Systematisierung von Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 2. Verhältnis der Rechtsfolge Unterlassen zu anderen Rechtsfolgen . . . . 300 a) Unterlassungsanspruch und Naturalerfüllungsanspruch . . . . . . . 300 b) Unterlassungsanspruch und sonstige negatorische Ansprüche . . . 301 c) Unterlassungsanspruch und kompensatorische Ansprüche . . . . . 302
Inhaltsverzeichnis
II.
XVII
Elementarschutz von Rechtszuweisungen als Funktion von Unterlassungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 1. Unterlassungsansprüche als Rechtsverwirklichungsansprüche . . . . . 304 2. Unterlassungsansprüche als Wesensmerkmal von Ausschließlichkeitsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 3. Unterlassungsansprüche als selbstverständliche vertragliche Primäransprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 4. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317
III. Ökonomische Analyse von Unterlassungsansprüchen . . . . . . . . . . . . 318 1. Unterlassungsanspruch als Mittel zur Stärkung der Verhandlungsposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 2. Unterlassungsansprüche als Mittel zum Institutionenschutz . . . . . . . 323 3. Grenzen und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 a) Verwertbarkeit und Verwertungsbereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 326 b) Transaktionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 c) Verhandlungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 4. Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335
IV. Präventionsfunktion der Rechtsfolge Unterlassen . . . . . . . . . . . . . . . 336 1. Unterlassung als Mittel zur Schadensvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . 337 2. Die Grenzen der Präventionsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 a) Unterprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 b) Überprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 3. Alternative Präventionsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356
V.
Außergerichtliche Streitbeilegung insbesondere mittels strafbewehrter Unterlassungserklärung . . . . . . 357 1. Verfahrensrechtliche Funktionen der Unterlassungserklärung . . . . . . 357 2. Grenzen und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360
VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361
XVIII
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§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . 363 I.
Das Verhältnis von Rechten und Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 1. Pflichten ohne korrespondierende Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 2. Rechte ohne Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 3. Vieldeutigkeit des Pflichtbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 a) Unterschiedliches Verständnis des Pflichtbegriffs . . . . . . . . . . . . . 373 b) Entstehungszeitpunkt von Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 4. Allgemeine Rechtsachtungspflichten und Stammrechte sowie konkrete Rechtspflichten und Rechtsfolgenrechte als Korrespondenzbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
II.
Keine Unterscheidung zwischen absoluten und relativen Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390
III. Rechtsverwirklichung mittels der Rechtsfolge Unterlassen . . . . . . . . 393 1. Konkrete Unterlassungspflichten zur Durchsetzung von Ausschließlichkeitsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 2. Konkrete Unterlassungspflichten aus negativen vertraglichen Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 3. Konkrete Unterlassungspflichten zum Schutze sonstiger vertraglicher Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 4. Konkrete Unterlassungspflichten zur Verwirklichung gesetzlicher Verbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398
IV. Begehungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 1. Unbestimmtheit als Grunddilemma von Unterlassungsansprüchen . . 400 2. Der Verletzungszeitpunkt als entscheidende Konkretisierung . . . . . . 403 3. Erstbegehungs- und Wiederholungsgefahr als materielle Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409
V.
Zusätzliche Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411
VI. Aktivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 VII. Passivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 VIII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418
Inhaltsverzeichnis
XIX
§ 10 Die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen . . . . . . . . . . . 420 I.
Die Struktur der Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 1. Der prozessuale Anspruch als Gegenstand gerichtlicher Titulierung .422 2. Der Unterlassungstitel als Gegenstand gerichtlicher Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 3. Kaskade mittels der „Kerntheorie“ erweiterter Unterlassungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434
II.
Titulierung von Unterlassungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 1. Möglichkeiten zur „Titulierung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 a) Titulierung im Hauptsacheverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 b) Titulierung im einstweiligen Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 c) Titulierung mittels Unterlassungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 d) Weitere Titulierungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 2. Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 3. Kostentragungspflicht der „Titulierung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445
III. Vollstreckung von Unterlassungstiteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 1. Gerichtliche und außergerichtliche Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . 450 2. Änderungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452
IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453
§ 11 Die Grenzen der Rechtsfolge Unterlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 I.
Die Wahl der Stellschrauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 1. Schutzbereichsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 2. Die Stellschrauben zur Begrenzung der Rechtsfolge Unterlassen . . . . 457 3. Auswahl der Begrenzungsstufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 a) Begrenzungsintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 b) Begrenzungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461
II.
Rechtsfolgendifferenzierung als Rechtsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462
III. Anwendungsfälle de lege lata und de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . 465 1. Genereller Ausschluss der Rechtsfolge Unterlassen (Beispiel: Schranke für kreatives Schaffen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 2. Ausschluss der Rechtsfolge Unterlassen im Einzelfall mittels Interessenabwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 a) Unterlassungsansprüche zur Verwirklichung vertraglicher Stammrechte (Beispiel: Verschuldensunabhängige Ablösegebühr) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467
XX
Inhaltsverzeichnis
b) Unterlassungsansprüche zur Verwirklichung durch absolute Rechte vermittelte Stammrechte (Beispiel: Patente in komplexen Erzeugnissen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 c) Unterlassungsansprüche zur Verwirklichung durch absolute Rechte vermittelte Stammrechte (Beispiel: Nachbarrecht) . . . . . . 473 3. Verfahrensrechtliche Begrenzung (Beispiel: Lauterkeitsrechtliche Bagatellverstöße) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474
IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476
§ 12 Ergebnis zum Zweiten Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 Zusammenfassung der Kernaussagen in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531
Abkürzungsverzeichnis A. C. Appeal Cases AcP Archiv für civilistische Praxis AfP Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen All E. R. All England Law Reports Am. Econ. Rev. The American Economic Review App. Cas. Appeal Cases Az. Aktenzeichen BB Betriebsberater B. C. L. C. Butterworths Company Law Cases Beav. Beavan’s Rolls Court Reports Berkeley Tech. L. J. Berkeley Technology Law Journal BfPMZ Blätter für Patent-, Muster- und Zeichenschutz BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Brandeis L. J. Brandeis Law Journal BT-Drucks. Bundestagsdrucksache Burr. Burrow’s King’s Bench Reports tempore Mansfield Bus. L. R. The Business Law Reports BVerfG Bundesverfassungsgericht Can. Bus. L. J. Canadian Business Law Journal Cardozo Art & Ent. L. J. Cardozo Arts & Entertainment Law Journal CDR Community Design Regulation Ch. Chancery Division CISG Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf C. L. J. Cambridge Law Journal Cornell L. Rev. Cornell Law Review CR Computer und Recht CTMR Community Trade Mark Regulation DCFR Draft Common Frame of Reference DB Der Betrieb DNotZ Deutsche Notar-Zeitschrift DPMA Deutsches Patent- und Markenamt E-Commerce-RL Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (RL 2000/31/EG) EGV EG-Vertrag EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrecht
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Abkürzungsverzeichnis
Einheitliches Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen EMRK Europäische Menschenrechtskonvention EPGÜ Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht E. R. P. L. European Review of Private Law EuGH Gerichtshof der Europäischen Union EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EWHC England & Wales High Court EWiR Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht FS Festschrift F. S. R. Fleet Street Reports GBO Grundbuchordnung GebrMG Gebrauchsmustergesetz Geo L. J. Georgetown Law Journal GeschmMG Geschmacksmustergesetz GG Grundgesetz GGV Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung GMV Gemeinschaftsmarkenverordnung GoA Geschäftsführung ohne Auftrag GPR Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht GRUR Int. Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht. Internationaler Teil GRUR-Prax Praxis im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht GRUR-RR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht. Rechtsprechungs-Report h. M. herrschende Meinung HGB Handelsgesetzbuch H. L.R Harvard Law Review i. E. im Ergebnis IIC International Review of Intellectual Property and Competition Law Inc. Incorporated InfoSoc-RL Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (RL 2001/29/EG) InsO Insolvenzordnung I. P. J. Intellectual Property Journal JA Juristische Arbeitsblätter J. L. & Com. Journal of Law and Commerce J. L. & Econ. The Journal of Law and Economics JIPITEC Journal of Intellectual Property, Information Technology and Electronic Commerce Law Jura Juristische Ausbildung JR Juristische Rundschau JuS Juristische Schulung JW Juristische Wochenschrift JZ Juristenzeitung EKG
Abkürzungsverzeichnis
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KG Kammergericht L. C. Lord Chancellor Lewis & Clark L. Rev. Lewis & Clark Law Review L. J. Lord Justice of Appeal L. L. C. Limited Liability Company L. M. C. L.Q. Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly LMK Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lindenmaier-Möhring Ltd. Limited L. Q. R. Law Quarterly Review McGill L. J. McGill Law Journal MDR Monatsschrift für deutsches Recht Melb. U. L. Rev. Melbourne University Law Review Mitt. Mitteilungen der deutschen Patentanwälte MMR Multimedia und Recht MünchKomm Münchener Kommentar m. w. N. mit weiteren Nachweisen Neb. L. Rev. Nebraska Law Review n. F. neue Fassung NJOZ Neue Juristische Online-Zeitschrift NJW Neue Juristische Wochenschrift Nw. U. L.Rev. Northwestern University Law Review N. Y. U. L. Rev. New York University Law Review NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZM Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht O. J. L. S. Oxford Journal of Legal Studies Oregon L. Rev. Oregon Law Review O. U. C. L.J. Oxford University Commonwealth Law Journal PECL Principles of European Contract Law Plc Public Limited Company PWW Prütting/Wegen/Weinreich RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RG Reichsgericht RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RdA Recht der Arbeit RL Richtlinie R. P. C. Reports of Patent, Design and Trade Mark Cases RPfleger Der deutsche Rechtspfleger s. a. siehe auch s. a. o. siehe auch oben s. a. u. siehe auch unten Sask. L. Rev. Saskatchewan Law Review SchiedsVZ Zeitschrift für Schiedsverfahren Sing. J. Legal Stud. Singapore Journal of Legal Studies Stan. L. Rev. Stanford Law Review Syd. L. R. Sydney Law Review Syracuse L. Rev. Syracuse Law Review
XXIV Tex. L. Rev. TRIPS Tul. Eur. & Civ. L. F. Tulane J. Tech. & Intell. Prop. UFITA U. Chi. L. Rev. U. Colo. L. Rev. UGP-RL
Abkürzungsverzeichnis
Texas Law Review Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums Tulane European & Civil Law Forum Tulane Journal of Technology and Intellectual Property
Archiv für Urheber- und Medienrecht University of Chicago Law Review University of Colorado Law Review Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (RL 2005/29/EG) U. K. S. C. United Kingdom Supreme Court UMV Unionsmarken-VO Urt. Urteil U. S. United States Supreme Court Reports U. S. C. United States Code U. W. A. L.R. University of Western Australia Law Review Val. U. L.Rev. Valparaiso University Law Review Vand. L. Rev. Vanderbilt Law Review VO Verordnung Wis. L. Rev. Wisconsin Law Review W. L. R. Weekly Law Reports WM Wertpapier-Mitteilungen WRP Wettbewerb in Recht und Praxis WZG Warenzeichengesetz Y. L. J. Yale Law Journal ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZfA Zeitschrift für Arbeitsrecht ZGE Zeitschrift für Geistiges Eigentum ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZJS Zeitschrift für das Juristische Studium ZHR Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZUM Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht ZVglRWiss Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft ZZP Zeitschrift für Deutschen Zivilprozess
Einleitung I. Problemstellung Wer durch eine Sichtung der zahlreichen privatrechtlichen Unterlassungsansprüche den „privatrechtlichen Unterlassungsanspruch“ insgesamt einer kritischen Analyse zuführen möchte, setzt sich dem Einwand aus, Äpfel mit Birnen vergleichen zu wollen. Zu unterschiedlich erscheinen vertragliche und gesetzliche Unterlassungsansprüche, aber auch zum Beispiel der nachbarrechtliche, arbeitsrechtliche, kartellrechtliche oder patentrechtliche Unterlassungsanspruch. Eine isolierte Arbeit zu gesellschaftsrechtlichen, urheberrechtlichen, wettbewerbsrechtlichen oder „unselbständigen“ vertraglichen Unterlassungsansprüchen droht hingegen, sich in der Sonderdogmatik zu verlieren. Bildlich gesprochen: Auch die alleinige Betrachtung von Äpfeln beziehungsweise Birnen führt nicht weiter. Es fehlt der Blick für die übergeordneten Zusammenhänge. Einen Ausweg liefert freilich die Betrachtung von Obst – oder juristisch formuliert: Sämtliche Unterlassungsansprüche dienen als Rechtsbehelfe der Durchsetzung zugrundeliegender Rechte. Deren Rechtsnatur ist dafür zweitrangig. Diese Arbeit basiert auf der Prämisse, dass sich über das gesamte Privatrecht hinweg Stammrechte und Rechtsfolgenrechte zu deren Verwirklichung in Form von Ansprüchen unterscheiden lassen. Es handelt sich um kategorial unterschiedliche Rechte. Ansatz dieser Abhandlung ist es, das privatrechtliche Rechtsfolgensystem als Rechtsbehelfssystem zu interpretieren. Auf dieser Basis können Funktionen und Struktur des „Rechtsbehelfs Unterlassen“ neu verstanden werden. Der propagierte Perspektivenwechsel vom Anspruch zum zu verwirklichenden Recht hat zwei entscheidende Konsequenzen: Erstens macht er deutlich, dass Ansprüche dienende Funktion haben. Sie werden nicht um ihrer selbst willen gewährt, sondern bewirken die Durchsetzung ihnen vorausliegender Rechte. Damit geht einher, dass derartige Stammrechte auf unterschiedliche Art und Weise verwirklicht werden können. Die unterschiedlichen „Rechtsbehelfe“ stehen gleichrangig nebeneinander. Ein hierarchisches Verhältnis besteht a priori nicht.1 Ob Erfüllung, Schadensersatz, Gewinn- beziehungs1 Picker, AcP 176 (1976), 28, 40, will hingegen der negatorischen Haftung „logisch wie praktisch“ den Vorrang einräumen; ders., Festschrift Lange, S. 625, 685; ders., Festschrift
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Einleitung
weise Bereicherungsherausgabe, Entschädigung, Unterlassen etc. gewährt wird, also die Frage nach der „richtigen“ Rechtsfolge, unterliegt einer differenzierten Betrachtung. Es kommt darauf an, ob die spezifische Funktion der einschlägigen Rechtsfolge zur Rechtsverwirklichung taugt. Eine Rolle spielt auch, inwieweit alternative Rechtsfolgen diese Aufgabe gleichwertig oder gar besser übernehmen können. Kurzum, ein Verständnis des Rechtsfolgensystems als Rechtsbehelfsmodell schärft das Bewusstsein dafür, dass ein Stammrecht auf unterschiedliche Art und Weise verwirklicht werden kann. Es gibt unterschiedliche Rechtsfolgen, die unterschiedlichen Zwecken dienen. Es soll nachgewiesen werden, dass es durchaus systemimmanent ist, dass selbst Ausschließlichkeitsrechte unter bestimmten Umständen ohne die Zuerkennung eines Unterlassungsanspruchs verwirklicht werden können. Auf diese Weise liefert die übergeordnete Betrachtung beispielsweise eine systemkonforme Lösung der patentrechtlichen Debatte um Trivialpatente in komplexen Erzeugnissen. Deutlich wird aber etwa auch, dass die Eingriffskondiktion – anders als die Leistungskondiktion – der Natur nach ein „Rechtsbehelf“ ist. Aus diesem Blickwinkel leuchtet es weniger ein, warum die Rechtsprechung im Vertragsrecht keine vergleichbare Rechtsfolge gewährt.2 Zweitens erlaubt die hier eingenommene Perspektive, die dogmatische Ausgestaltung des Unterlassungsanspruchs sowie seine prozessuale Durchsetzung privatrechtsübergreifend zu analysieren. Folgt aus dem „Sachrecht“, dass ein Recht durch die Rechtsfolge Unterlassen verwirklicht wird, ist es für die Durchsetzung dieser Rechtsfolge über den Unterlassungsanspruch sowie dessen prozessuale Geltendmachung irrelevant, ob der Anspruch der Durchsetzung eines vertraglichen Rechts, einer gesetzlichen Verhaltenspflicht oder eines Ausschließlichkeitsrechts dient. Die Frage, ob beispielsweise die Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr Entstehungsvoraussetzung für den vertraglichen Unterlassungsanspruch ist, lässt sich damit im Sinne der Lösung für gesetzliche Unterlassungsansprüche mit ‚Ja‘ beantworten. Auf Sonderlösungen im Prozessrecht, zum Beispiel über das Rechtsschutzbedürfnis, kann verzichtet werden. Die „Störerhaftung“ erweist sich als Frage der Reichweite aus Stammrechten entspringender Pflichten, nicht als immaterialgüterrechtliche Eigenentwicklung. Verallgemeinert bedeutet dies, dass sich die mitunter zu beobachtende Sonderdogmatik „spezieller Unterlassungsansprüche“ an der allgemeinen Struktur des einheitlich ausgestalteten privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs zu messen hat.3 Zugleich hat dies den Vorteil, dass Schilken, S. 85, 93 („strenge Hierarchie“); im hier vertretenen Sinne für das Vertragsrecht PWW/Schmidt-Kessel/Kramme, § 241 Rn. 20; PWW/Schmidt-Kessel, Vor §§ 275 ff. Rn. 10; § 275 Rn. 1. 2 BGH NJW 2013, 781 Rn. 22 ff.; aber Picker, AcP 183 (1983), 369, 512 mit Fn. 351; dazu u. § 5 III 4 c). 3 In diesem Zusammenhang kritisiert Wagner, Festschrift Medicus, S. 589, 598 f., tref-
I. Problemstellung
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die einheitliche Struktur des Anspruchs wie auch seiner prozessualen Durchsetzung die Stellschrauben freilegt, mit denen die Rechtsfolge Unterlassen begrenzt werden kann. Die im Rahmen einer Funktionsanalyse der Unterlassungshaftung gewonnenen Erkenntnisse, wann Unterlassen nicht die passende Form der Rechtsverwirklichung ist, lassen sich dogmatisch an verschiedenen Stellen mit unterschiedlicher Wirkung umsetzen. So kann beispielsweise die Rechtsfolge Unterlassen von Anfang an durch die Gewährung einer Entschädigungszahlung substituiert werden, der Anspruch auf Basis einer Interessenabwägung im Einzelfall ausgeschlossen sein4 oder seine Durchsetzbarkeit durch ungünstige Kostenregelungen faktisch erschwert werden. Der hier gewählte Ansatz der kategorialen Trennung von Stammrechten und Rechtsfolgenrechten ist vom anglo-amerikanischen „remedy-System“ inspiriert.5 Die Arbeit ist nicht nur dadurch angeregt, dass danach sowohl Rechte (substantive rights) bewusst durch speziell ausgewählte Rechtsfolgen durchgesetzt werden als auch derartige remedies einheitlich ausgestaltet sind, sondern ferner dadurch, dass dort – wohl deshalb – eigene Lehrbücher zu remedies existieren6 und sich ganze Vorlesungen ausschließlich mit den Konsequenzen einer Rechtsverletzung befassen.7 Da also im anglo-amerikanischen Rechtskreis Rechtsfolgen eine besondere Aufmerksamkeit erfahren und diese privatrechtsübergreifend analysiert werden, lohnt sich ein genauerer Blick auf dieses System. Der Rechtsvergleich mit dem anglo-amerikanischen Rechtskreis dient vor allem dazu, das Verständnis des deutschen Anspruchssystems zu schärfen und potenzielle Defizite durch die Gegenüberstellung des
fend, dass „es verwundern [muss], dass die aktuelle Literatur zu § 1004 BGB von der Entwicklung in den Bereichen des gewerblichen Rechtsschutzes und des Wettbewerbsrechts praktisch keinerlei Kenntnis nimmt.“ Er spricht sich für eine einheitliche Dogmatik aus; s. a. Ahrens, Festschrift Canaris, S. 3, 5; Leistner, GRUR 2006, 801, 808; Grosch, S. 102 (Fn. 420); mit Blick auf das Prozessrecht Ahrens, Liber amicorum Lindacher, S. 1 f. 4 Bisweilen ist – rechtsvergleichend motiviert – von Ermessen die Rede. Dem wird in der Arbeit entgegengetreten und insbesondere mit Blick auf unionsrechtliche „Kann- Regelungen“ der Begriff Interessenabwägung vorgezogen. 5 Der anglo-amerikanische Rechtskreis kann gemeinsam betrachtet werden, vgl. Jacob, 23 I. P. J. (2011), 159, 163: “It is still true that you could take a seasoned advocate from one jurisdiction and put him or her in another. A Canadian trial lawyer could easily appear in London, Sydney, Delhi, Hong Kong, Dublin, or Cape Town. All that would be needed is a little knowledge of local rules – the big rules are basically the same.” 6 Zum Beispiel Burrows, Remedies for Torts and Breach of Contract, 3. Aufl., 2009 für England; Dobbs, Law of Remedies, 2. Aufl., 1993 für die USA; Berryman, The Law of Equitable Remedies, 2. Aufl., 2013 für Kanada; Covell/Lupton, Principles of Remedies, 5. Aufl., 2012 für Australien; Blanchard, Civil Remedies in New Zealand, 2. Aufl., 2011; es gibt gar Rufe nach einem Civil Remedies Code, Hammond, S. 87, 107. 7 Vgl. nur die Vorlesung Commercial Remedies an der University of Oxford, https:// www.law.ox.ac.uk/admissions/options# (zuletzt besucht am 11. 03. 2017); vgl. auch Berryman, 9 O. U. C. L.J. (2010), 123.
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Einleitung
„remedy-Systems“ klarer herauszuarbeiten. Die Beschränkung auf eine „Spiegelrechtsordnung“ ist daher berechtigt. Anstöße liefert aber auch das Unionsrecht. Statt in Ansprüchen wird auch dort vielfach in „Rechten“ und „Rechtsbehelfen“ gedacht. Speziell vor dem Hintergrund der Herausbildung „unionsrechtlicher Unterlassungsanordnungen“ soll die Abkehr vom „Denken in Ansprüchen“ die Anschlussfähigkeit des deutschen Anspruchssystems an die europäische Rechtsentwicklung sicherstellen.8 Hauptanliegen der Arbeit ist es, das Verständnis des Rechtsfolgensystems insgesamt zu schärfen. Die vorliegende Schrift will dazu anregen, das „Recht der Rechtsfolgen“ als eigenständigen Regelungs- und Forschungskomplex zu verstehen. Auf diese Weise soll allen voran die Unterlassungshaftung in neuem Licht erscheinen.
II. Gang der Darstellung und Grundbegriffe In dieser Arbeit wird die Rechtsfolge Unterlassen9 aus den unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet. Im Mittelpunkt stehen vier Fragen: Erstens interessiert, ob beziehungsweise wann diese Rechtsfolge das adäquate Mittel der Rechtsverwirklichung ist (Funktion des Unterlassungsanspruchs), zweitens, wie es um die Struktur dieser Rechtsfolge bestellt ist (Anatomie des Unter8 Zu Problemen bei der Umsetzung unionsrechtlicher „Anordnungen“ mittels der Störerhaftung vgl. Czychowski/Nordemann, GRUR 2013, 986, 990 („Wieder einmal zeigt sich, dass eine Umsetzung von Richtlinien in ausgetretenen nationalen Pfaden, die mit der Richtlinie nicht identisch sind, den Blick verstellen kann.“); zur Aufgabe der Anschlussfähigkeit nationalen Rechts an die internationale Entwicklung auch Dreier, S. 6; dazu auch die Arbeit von Ebers (Rechte, Rechtsbehelfe und Sanktionen im Unionsprivatrecht), die in dieser Arbeit nicht mehr berücksichtigt werden konnte. 9 Unter Unterlassen wird die Nichtvornahme einer bestimmten Handlung einschließlich des Duldens fremden Handelns oder eines Zustands verstanden (Köhler, AcP 190 (1990), 496, 499; Fritzsche, S. 14). Ritter, S. 17 ff., ergänzt, dass das „Nichtstun“ der Willensbeherrschung unterliegen können muss. Wenn von der Rechtsfolge Unterlassen die Rede ist, wird zum Ausdruck gebracht, dass die Rechtsordnung aufgrund eines bestimmten Tatbestandes einen Dritten eben dazu anhält, eine bestimmte Handlung nicht vorzunehmen (zum Begriff Rechtsfolge Dreier, S. 13 mit Fn. 21). Die Begriffe Unterlassen und Unterlassung werden hier synonym verwendet, vgl. Teplitzky/Schaub, 1. Kap. Rn. 1; kritisch aus „sprachästhetischen“ Gründen Neumann-Duesberg, JZ 1955, 480 und Ritter, S. 23 (Unterlassen soll das jeweilige Verhalten, Unterlassung den zu erzielenden Erfolg bezeichnen); s. a. die unterschiedlichen Formulierungen im BGB in §§ 12 S. 2, 862 I S. 2, 1004 I S. 2 sowie §§ 194 I, 199 V, 241 I S. 2. Zum „Wesen der Unterlassungspflicht“ H. Lehmann, S. 17 ff.; Fritzsche, S. 7 ff.; Husserl, Festschrift für Pappenheim, S. 86 ff.; aus rechtstheoretischer Sicht zur Abgrenzung zwischen Tun und Unterlassen grundlegend Rödig, Rechtstheorie 1972, 1, 5 ff.; tatsächlich kann jedes Tun auch als Unterlassen beschrieben werden, vgl. bereits H. Lehmann, S. 7; Siber, Rechtszwang, S. 86; namentlich für die Zwangsvollstreckung ist die Unterscheidung wegen unterschiedlicher Vollstreckungsvorschriften (§§ 887 f. ZPO versus § 890 ZPO) rechtspraktisch aber vorzunehmen, Köhler, AcP 190 (1990), 496, 499 f.; s. a. Bacher, S. 6 ff.; Brehm, ZZP 89 (1976), 178, 180 ff.
II. Gang der Darstellung und Grundbegriffe
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lassungsanspruchs), drittens, wie sie gerichtlich und außergerichtlich geltend gemacht werden kann (Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs) und viertens, auf welche Weise Begrenzungen der Rechtsfolge Unterlassen dogmatisch umgesetzt werden (Rechtsverwirklichung ohne Unterlassungsanspruch). Ehe im Zweiten Teil der Arbeit Antworten auf die eben aufgeworfenen Fragen gefunden werden können, muss allerdings geklärt werden, ob Rechtsfolgen überhaupt privatrechtsübergreifend als solche eigenständig untersucht werden können. Vorausgelagert ist damit die Systemfrage. Dieser ist der Erste Teil der Arbeit gewidmet. In übergeordneter Perspektive wird der Unterlassungsanspruch dabei als Rechtsbehelf wahrgenommen. Dahinter steht der Gedanke, dass scharf zwischen zwei Arten von eigenständigen Rechten zu differenzieren ist: primären Rechten,10 Substanz-11 oder Stammrechten12 einerseits und Rechtsfolgenrechten beziehungsweise Ansprüchen andererseits. Die Aufgabe ersterer ist es, den Inhalt einer Rechtszuweisung festzulegen beziehungsweise den Umfang einer Rechtsposition zu definieren. § 903 BGB umschreibt den Schutzumfang des Eigentums wie §§ 15 ff. UrhG den Schutzbereich des Urheberrechts regeln oder das vertragliche Forderungsrecht bestimmt, welches Recht der Gläubiger gegenüber dem Schuldner hat. Diese Stammrechte werden durch Ansprüche beziehungsweise synonym – um deren eigenständigen Rechtscharakter sprachlich zum Ausdruck zu bringen – Rechtsfolgenrechte zur Geltung gebracht.13 Hierbei handelt es sich um dienende oder sekundäre Rechte, die allerdings eine von den Stammrechten zu trennende eigene Katego10 Raiser, JZ 1961, 465, 466, spricht von primären Rechten als „die Rechtsordnung strukturierenden Rechten“; ähnlich Sonnenberg, S. 7; Esser, § 211, S. 931; H. Lehmann, S. 68 („primäre Normen“; „primäre Rechtsbefehle“); auch im anglo-amerikanischen Rechtskreis werden primary rights betont, Zakrzewski, S. 13 ff., 103 ff., 121 ff., 153 ff.; bereits Austin, S. 788; die Rede ist ferner von substantive rights, Zakrzewski, S. 13; diese sind von den secondary rights, remedial rights oder sanctioning rights abzugrenzen; genauer u. § 1 I. 11 Picker, Festschrift Lange, S. 625, 680; ders., Festschrift Bydlinski, S. 269, 275, 313; ders., Festschrift Canaris, S. 1001, 1017, 1028 f.; ders., JZ 2010, 541, 546; ders., Prävention, S. 61, 84; ders., JZ 2014, 431, 439; Bruns, Festschrift Nipperdey, S. 5 mit Fn. 14; ders., JuS 1971, 221, 224 (Fn. 31, 37); ders., Zivilprozessrecht, Rn. 139a; Meesmann, S. 115; Katzenstein, S. 142; Hoffmann, S. 40; man könnte auch von Zuweisungsrechten sprechen. Dies mag aber zum Fehlschluss verleiten, dass dem Recht Zuweisungsgehalt im Sinne von § 812 I S. 1, 2. Alt. BGB zukommt, was aber mit einer Rechtszuweisung im hier verstandenen Sinne gerade nicht zwingend verbunden ist. Wilhelm, Rn. 66, spricht anstelle von Substanzrechten von Zuordnungspositionen. Gebraucht wird auch der Begriff der (rechtlich geschützten) Rechtsposition, vgl. Rimmelspacher, §§ 6 ff.; Hoffmann, S. 40; Grosch, S. 36. 12 Wolf/Neuner, § 20 Rn. 50; Riehm, S. 406; Medicus/Petersen, BR, § 19 Rn. 445; Köhler, JZ 2005, 489, 496; dieser Begriff wird auch mit Blick auf Dauerschuldverhältnisse verwendet, vgl. nur MünchKomm/Grothe, § 194 Rn. 3; vgl. bereits v. Gierke, Privatrecht, Dritter Band, § 207, S. 802 (Fn. 43); Althammer, ZZP 123 (2010), 163, 180, spricht von „Stammposition“. Im Folgenden wird von Stammrechten gesprochen. 13 In Anlehnung an Savigny, § 204, S. 2, könnte man auch von Verteidigungsrechten sprechen, s. a. Picker, Festschrift Flume, S. 649, 672; ders., Festschrift Lange, S. 625, 680; ders., Festschrift Medicus, S. 311, 312, 317; Katzenstein, S. 143.
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Einleitung
rie selbständiger Rechte bilden. Damit der Gläubiger ein Stammrecht durchsetzen kann, muss die begehrte Rechtsfolge über eine Anspruchsgrundlage zusätzlich zur Regelung der Existenz des Rechts angeordnet sein. Im Recht des Geistigen Eigentums ist diese Zweierstruktur besonders deutlich ausgeprägt (vgl. § 139 PatG i. V. m. §§ 9, 10 PatG oder § 97 UrhG i. V. m. §§ 15 ff. UrhG). Aber auch das vertragliche Forderungsrecht ist vom Naturalerfüllungsanspruch kategorial zu unterscheiden. Dass das Forderungsrecht mittels des Rechtsfolgenrechts „Erfüllung in Natur“ durchgesetzt wird, folgt nach hier vertretener Ansicht aus dem Stammrecht selbst gerade noch nicht.14 Auch bei gesetzlichen Verhaltensanordnungen lassen sich Stammrechte und Rechtsfolgenrechte identifizieren (z. B. das Recht des Verbrauchers, nicht irregeführt zu werden gemäß §§ 3, 5 UWG, das freilich nicht durch ihn selbst durchgesetzt wird, § 8 I, III UWG). Auch hier wird über das Stammrecht der Umfang des Verbots beziehungsweise die Reichweite der Rechtsposition definiert, während die Rechtsdurchsetzung (wie, durch wen, unter welchen Voraussetzungen, wie lange?) eigenständigen Bestimmungen vorbehalten ist.15 Dieses System wird in Anlehnung an das anglo-amerikanische „remedy-System“ als Rechtsbehelfssystem bezeichnet. Der Begriff Rechtsbehelf ist zwar nicht ganz glücklich, erinnert er doch an die Rechtsbehelfe der Zivilprozessordnung.16 Damit haben die hier interessierenden Rechtsbehelfe als Teil des materiellen Rechts nichts Picker (Festschrift Lange, S. 625, 680, 688; Festschrift Bydlinski, S. 269, 275, 313; Festschrift Canaris, S. 1001, 1017, 1028 f.; JZ 2010, 541, 546; Prävention, S. 61, 84; JZ 2014, 431, 439) spricht meist aber von Schutzrechten, die er den Substanzrechten gegenüberstellt. So auch dem folgend Hoffmann, S. 35 ff.; F. Hartmann, S. 22, 89, 107; Katzenstein, S. 142; vgl. auch Wilhelm, Rn. 66; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 138, schreibt auch vom „Schutzanspruch“. Gmür befasst sich in seinem Werk Rechtswirkungsdenken mit Rechtswirkungen. Als Rechtswirkungssätze sieht er solche Rechtssätze, „die eine Rechtswirkung vorsehen, d. h. zum Ausdruck bringen, dass unter gewissen Voraussetzungen ein Rechtsgebilde – sei es eine Rechtsperson, ein Recht, eine Rechtsposition, ein Rechtsverhältnis, eine rechtliche Eigenschaft, ein Rechtsgeschäft oder ein anderer Rechtsakt, ein Rechtsobjekt, ein rechtlicher Zustand oder ein rechtlich bedeutsamer Zeitablauf – entsteht, erlangt wird, sich verändert oder beendet wird“ (S. 36). Anspruchssätze will er als imperative Rechtssätze grundsätzlich nicht zu den Rechtswirkungssätzen zählen (S. 38). Er spricht daher bewusst nicht von „Rechtsfolgensätzen“ (S. 41). 14 Ausführlich u. § 5 III 3 und s. a. § 5 II 1. 15 Es wird sich zeigen, dass der Begriff des subjektiven Rechts, der sowohl Rechtszuweisung als auch Rechtsdurchsetzung umfassen soll, nicht weiterführt. Auf der ersten Stufe der Stammrechte ist es daher gleich, ob es sich um ein subjektives Recht im herkömmlichen Sinne handelt oder „nur“ ein „rechtlich geschütztes Interesse“ vorliegt. Auch hierbei handelt es sich um eine „Rechtsposition“ und damit in letzter Konsequenz um ein Recht; Peukert, Güterzuordnung, S. 61 f., verwendet den Begriff Rechtsposition auf noch abstrakterer Stufe als den Begriff des subjektiven Rechts; ausführlich u. § 5 III 1. 16 Der Begriff Rechtsbehelf dient dort als Oberbegriff für die verschiedenen Mittel, die zur Anfechtung gerichtlicher Entscheidungen zur Verfügung stehen, Musielak/Voit, Rn. 896; vgl. auch Zöller/Herget, § 338 Rn. 1; Zöller/Heßler, Vor § 511 Rn. 4.
III. Forschungsstand
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gemein. Der Begriff Rechtsbehelf hat sich aber bereits eingebürgert.17 Daher wird er hier als Oberbegriff zur Umschreibung von in Ansprüche gekleidete Rechtsfolgenrechte verwendet, die von den vorausliegenden Stammrechten zu trennen sind.18
III. Forschungsstand Die Literatur zu (Spezial-)Problemen des Unterlassungsanspruchs ist nicht übersehbar.19 Eine privatrechtsübergreifende Analyse sämtlicher Unterlassungsansprüche ist weniger oft anzutreffen, wenn auch hier eine umfangreiche Liste einschlägiger Schriften mühelos angefertigt werden kann. Meist erfolgt eine übergreifende Betrachtung, um Einzelproblemen wie beispielsweise der Frage nach dem Störer,20 der Abmahnung,21 der Begehungsgefahr22 oder der 17 So
etwa in den offiziellen Übersetzungen zum UN-Kaufrecht (CISG) oder in unionsrechtlichen Vorschriften, z. B. RL 2004/113/EG Kapitel II; Art. 3 RL 2004/48/EG (Enforcement-RL); vgl. auch Teil III Abschnitt 2 TRIPS-Abkommen; Neufang, S. 253; Riehm, S. 241; Dreier, S. 11; Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 81, 91 (Fn. 56); vgl. Rimmelspacher, §§ 10 ff.; Bruns, JuS 1971, 221, 224 (Fn. 31 und Fn. 37); Meesmann, S. 103 ff.; Ost, S. 130 und S. 131 (Fn. 38); Wagner, Festschrift Medicus, S. 589, 609; Koziol, Festschrift Canaris, S. 631; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 102; Walz, GRUR Int. 2013, 718 ff.; zum neuen Schuldrecht PWW/ Schmidt-Kessel, Vor §§ 275 Rn. 3, 5; im Verordnungsvorschlag für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht war von „Abhilfen“ die Rede (vgl. Teil IV); Art. 102 der Unionsmarkenverordnung spricht von „Sanktionen“. 18 Der Charakter als Oberbegriff zeigt sich bei der prozessualen Durchsetzung der „Rechtsfolge Unterlassen“. Selbst wenn ein Unterlassungsanspruch besteht, kann dessen verfahrensrechtliche Durchsetzung begrenzt sein. Man kann dann sagen, dass der Rechtsbehelf begrenzt ist, obwohl ein Unterlassungsanspruch besteht; dazu u. §§ 10, 11. 19 Die Arbeit hat nicht zum Ziel, sämtliche Einzelprobleme zur „Unterlassungshaftung“ aufzuarbeiten. Zweck dieser Schrift ist es, die Grundstrukturen der „Unterlassungshaftung“ herauszuarbeiten. Es ist hier daher auch nicht beabsichtigt, sämtliche Schriften rund um Unterlassungsansprüche auszuwerten, zumal dies illusorisch wäre. Nur soweit Arbeiten grundsätzlich zur Frage der Rechtsfolge Unterlassen Stellung nehmen, werden diese hier berücksichtigt. Für Nachweise zu Einzelproblemen sei hier stellvertretend auf Fritzsche, Unterlassungsanspruch- und Unterlassungsklage, sowie die einschlägigen Kommentierungen verwiesen. Hinzu kommen Schriften zum einstweiligen Rechtsschutz. Dieser bleibt hier ausgeklammert. Zu preliminary injunctions v. Martels (noch unveröffentlicht). Nicht beachtet werden konnte die Schrift von Ulrici, Unterlassungsanspruch und Unterlassungsrechtsverhältnis (noch unveröffentlicht), dazu Ulrici, AcP 216 (2016), 383. 20 Freilich ist selbst in Monographien oft eine Beschränkung beispielsweise auf das Recht des Geistigen Eigentums inkl. Wettbewerbsrecht oder den Störer aus § 1004 BGB anzutreffen, vgl. Schapiro, Unterlassungsansprüche gegen die Betreiber von Internet-Auktionshäusern und Internet-Meinungsforen. Zugleich ein Beitrag zugunsten einer Aufgabe der Störerhaftung im Urheber-, Marken- und Wettbewerbsrecht, 2011; Herrmann, Der Störer nach § 1004 BGB. Zugleich eine Untersuchung zu den Verpflichteten der §§ 907, 908 BGB, 1987. 21 Nosch, Die Abmahnung im Zivilrecht: Eine ganzheitliche Betrachtung inkl. Schutzrechtsverwarnung, 2012. 22 Bacher, Die Beeinträchtigungsgefahr als Voraussetzung für Unterlassungsklagen im Wettbewerbsrecht und in anderen Gebieten des Zivilrechts, 1996.
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Einleitung
Rechtskraft nachzugehen.23 Allerdings gibt es auch mehrere übergreifende Werke allgemeinerer Natur von Gewicht. Allen voran ist die Habilitationsschrift von Fritzsche zu nennen.24 Er arbeitet eine Vielzahl von Einzelproblemen zum Unterlassungsanspruch auf, wobei er stets privatrechtsübergreifend vorgeht. Eine Verbindung vertraglicher und gesetzlicher Unterlassungsansprüche nimmt er jedoch nicht vor. Fritzsche ordnet die Rechtsfolge Unterlassen auch nicht vertiefend in das privatrechtliche Rechtsfolgensystem ein.25 Kurzum, eine allgemeine Theorie der Unterlassungshaftung findet sich nicht. Wissenschaftlichen Anspruch haben die Handbücher zum wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch je von Ahrens26 und Teplitzky.27 Deren Ausführungen liefern fraglos Einsichten über den unmittelbar behandelten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch hinaus. Anders als im anglo-amerikanischen Rechtskreis, wo – wie schon angesprochen – eigene Lehrbücher zu remedies existieren,28 sich ganze Vorlesungen ausschließlich mit den Konsequenzen einer Rechtsverletzung befassen29 und Rechtsfolgen als solche wissenschaftlicher Betrachtung zugeführt werden,30 krankt es in Deutschland vor allem aber an einer kohärenten Wahrnehmung der unterschiedlichen Rechtsfolgen.31 Entsprechend erscheint der Unterlassungsanspruch bei einem Eingriff in eine fremde Rechtssphäre beziehungs23 Grosch, Rechtswandel und Rechtskraft bei Unterlassungsurteilen. Zugleich ein Beitrag zum Verhältnis von Zeit und Recht sowie eine Kritik der Dogmatik vom materiellen Unterlassungsanspruch, 2002; s. a. Oppermann, Unterlassungsanspruch und materielle Gerechtigkeit im Wettbewerbsprozess, 1993. 24 Fritzsche, Unterlassungsanspruch und Unterlassungsklage, 2000. Zu nennen ist insbesondere auch die österreichische Monographie von E. Wagner, Gesetzliche Unterlassungsansprüche im Zivilrecht. Zugleich eine Untersuchung des Beseitigungsanspruchs, 2006. Übergreifende Grundlagenarbeiten sind dennoch weiterhin meist älteren Datums, z. B. H. Lehmann, Die Unterlassungspflicht im Bürgerlichen Recht, 1906. Dieser Befund, den bereits Fritzsche aufgestellt hat (S. 1 f.), besitzt nach wie vor Gültigkeit. 25 Dazu aber Dreier, Kompensation und Prävention. Rechtsfolgen unerlaubter Handlungen im Bürgerlichen, Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, 2002. 26 Der Wettbewerbsprozess. Ein Praxishandbuch, 8. Aufl., 2017. 27 Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren. Unterlassung – Beseitigung – Auskunft – Schadensersatz, 11. Aufl., 2016. 28 Zum Beispiel Burrows, Remedies for Torts and Breach of Contract, 3. Aufl., 2009. 29 Vgl. nur die Vorlesung Commercial Remedies an der University of Oxford, https:// www.law.ox.ac.uk/admissions/options# (zuletzt besucht am 13. 03. 2017). 30 Zakrzewski, Remedies Reclassified, 2005; Birks, Rights, Wrongs, and Remedies, 20 O. J. L. S. (2000), 1; Barker, Rescuing Remedialism in Unjust Enrichment Law: Why Remedies are Right, [1998] C. L. J., 301; dennoch beklagt Burrows, Remedies, S. 1, mit Verweis auf die relativ geringe Zahl grundlegender Veröffentlichungen: “The concept of a remedy has rarely been subjected to rigorous analysis.”; ders., English Private Law, Rn. 21.01; zur Entwicklung dieses Interesses Adar/Shalev, 23 Tul. Eur. & Civ. L. F. (2008), 111, 116 ff. 31 Vgl. der Befund von Stoll, S. 3 f.; vgl. auch Dreier, S. 1 f.; im Oeuvre Pickers geht es zwar um das Zusammenspiel unterschiedlicher Rechtsfolgen („Trias der Haftungssysteme“). Die Argumentation zielt aber auf umfassenden Rechtsschutz, nicht differenzierte Rechtsdurchsetzung, vgl. insbesondere u. § 2 III, § 8 II.
III. Forschungsstand
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weise bei einem rechtswidrigen Verhalten als Automatismus. Die Anspruchsgrundlage aus § 1004 BGB wird denkbar weit verstanden.32 Jüngere Schriften stellen dies freilich insbesondere im Patentrecht in Frage.33 Ob insbesondere der Unterlassungsanspruch in bestimmten Fallgestaltungen nicht die „richtige“ Rechtsfolge ist beziehungsweise alternative Rechtsfolgen vorzugswürdig sind, wird dessen ungeachtet entsprechend selten erörtert. Ein theoretisches Konzept, wie die Rolle der Unterlassungshaftung privatrechtsübergreifend über ein Rechtsbehelfsmodell abstrakt erfasst und begrenzt werden kann, ist – soweit ersichtlich – bisher nicht vertieft worden.34 Gerade vor dem Hintergrund der europäischen Rechtsentwicklung scheint diese Arbeit daher in eine Forschungslücke zu dringen.
32 Nur
MünchKomm/Baldus, § 1004 Rn. 14 ff. und Medicus/Petersen, BR, § 24 Rn. 628; ein Unterlassungsanspruch soll a priori bestehen, vgl. Burk, ZGE 2012, 405, 406. 33 Zu nennen sind insbesondere die Monographien von Sonnenberg, Die Einschränkbarkeit des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs im Einzelfall, 2014, Frick, Patent-Trolling – Rechtsmissbräuchliche Verwendung des Patentrechtes?, 2014, Stierle, Das nichtpraktizierte Patent (im Erscheinen). Aus der Aufsatzliteratur kann hier z. B. auf Burk, Intellectual Property in the Cathedral, ZGE 2012, 405 ff., verwiesen werden. Zur ökonomischen Analyse Cotter, Comparative Patent Remedies. A Legal and Economic Analysis, 2013. 34 Dieser Befund soll allgemein für eine allgemeine Theorie von Rechtsfolgen im civil law gelten, Adar/Shalev, 23 Tul. Eur. & Civ. L. F. (2008), 111, 122. Ansätze für ein Rechtsbehelfsmodell werden für das Vertragsrecht bereits vertreten, vgl. PWW/Schmidt-Kessel/ Kramme, § 241 Rn. 20 ff.; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Rn. 458 f., 465 f.; vgl. auch Schlechtriem, Schuldrechtsreform, S. 24 f. Auch Wagner, Festschrift Medicus, S. 589, 609 f., fragt, ob der deliktische Unterlassungsanspruch als „remedy“ aufzufassen ist. Eine eingehende Untersuchung des Naturalerfüllungsanspruchs legte Weller (Die Vertragstreue, 2009) vor. Er will diesen aber ausdrücklich nicht als Rechtsbehelf verstanden wissen. Zuletzt zum Naturalerfüllungsanspruch Riehm, Der Grundsatz der Naturalerfüllung, 2015. Zur Trennung von Forderung und Anspruch jüngst auch Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, 2012.
Erster Teil
Rechtsfolgen im Rechtssystem Um normative Aussagen über die Angemessenheit einer bestimmten Rechtsfolge treffen, aber auch um eine privatrechtsübergreifende Analyse bestimmter Rechtsfolgen durchführen zu können, muss zunächst geklärt werden, ob Rechtsfolgen überhaupt einer isolierten Betrachtung zugänglich sind.1 Nur wenn die Emanzipation der Rechtsfolgen gelingt, ist eine differenziertere Wahrnehmung des „Rechtsfolgenarsenals“ möglich. Nur dann ergibt eine Diskussion sowohl der „Richtigkeit“ der Rechtsfolge Unterlassen und funktionsäquivalenter Alternativrechtsfolgen als auch der einheitlichen dogmatischen Struktur des Unterlassungsanspruchs und seiner Durchsetzung Sinn.2 Im Ersten Teil dieser Arbeit wird daher untersucht, welche Stellung Rechtsfolgen im Rechtssystem haben. Im Mittelpunkt steht erstens die Kernfrage, ob sich Rechtsfolgen von dem sie auslösenden Ereignis trennen lassen oder ob Rechte, Rechtsverletzung und Anspruch untrennbar miteinander verwoben sind.3 Zweitens will die Arbeit im Ersten Teil erhellen, ob die Rechtsordnung von der Möglichkeit Gebrauch macht, Rechte mit unterschiedlichen Rechtsfolgen differenziert zu verwirklichen.4 Von Interesse ist drittens die Rechtsnatur von Rechtsfolgen, allen voran, ob es sich um eine eigene Kategorie von (materiellen) Rechten handelt.5 Aufschlussreich ist ein Blick in das anglo-amerikanische „remedy-System“ (§ 1). Dieses System basiert auf einer Trennung von rights und remedies. Steht beispielsweise eine Eigentums- oder Vertragsverletzung fest, hat das Gericht das passende remedy zur Verwirklichung des zugrundeliegenden Rechts konstitutiv zuzusprechen. Die Anordnung einer bestimmten Rechtsfolge steht bei equitable remedies im „Ermessen“ des Gerichts. Remedies kommt eine Zwitterstellung zwischen materiellem Recht und Prozessrecht zu. Dem steht das deutsche Anspruchssystem gegenüber (§ 2). Ansprüche entstehen, sobald 1 Vgl. Stoll, § 1, S. 5 („Es ist somit rechtsvergleichend zu belegen, daß die privatrechtlichen Haftungsfolgen grundsätzlich einer allgemeinen, vom jeweiligen Rechtsgrund losgelösten Betrachtung zugänglich sind und zweckmäßig von generellen Regeln über die Haftungsfolgen auszugehen ist.“). Auch die hier vorgenommene Analyse ist vom Rechtsvergleich mit dem anglo-amerikanischen Rechtskreis inspiriert. Bereits o. Einleitung I. 2 Zu ersterem § 8 und zu Anwendungsbeispielen § 11; zu letzterem § 9 und § 10. 3 Dazu jeweils Gliederungspunkt II. der folgenden Paragraphen bzw. § 5 III. 4 Dazu jeweils Gliederungspunkt III. der folgenden Paragraphen bzw. § 5 IV. 5 Dazu jeweils Gliederungspunkt I. der folgenden Paragraphen bzw. § 5 II.
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Erster Teil: Rechtsfolgen im Rechtssystem
die Tatbestandsmerkmale der einschlägigen Anspruchsgrundlage erfüllt sind. Das zu verwirklichende Recht spielt nur mittelbar eine Rolle. Gerichte sanktionieren nicht Rechtsverletzungen, sondern stellen letztlich auch bei einem Leistungsurteil nur das Bestehen eines entsprechenden Anspruchs fest; der Anspruch selbst ist als Teil des materiellen Rechts bereits unabhängig von der gerichtlichen Durchsetzung entstanden. Auch auf materiellrechtlicher Ebene hängt die Anspruchsentstehung nicht zwingend an einer Rechtsverletzung. Abwägungen im Einzelfall oder gar Ermessensentscheidungen beim Zuspruch einer bestimmten Rechtsfolge sind diesem System – zumindest nach Ansicht vieler – im Grundsatz fremd. Bei Ausschließlichkeitsrechten erscheinen „Schranken“ (wie teils auch im „remedy-System“) nicht als Ausschluss der Rechtsfolge Unterlassen, sondern bereits als Begrenzungen des Rechts. In unionsrechtlichen Regelungen zu Rechtsfolgen wiederum findet sich regelmäßig eine systematische Trennung von Rechten und Rechtsfolgen zu deren Durchsetzung (§ 3). Zugleich kommt den Gerichten (wenn auch nicht ausnahmslos) eine aktive Rolle zu. Rechtsfolgen werden ferner auch dort differenziert betrachtet. All dies ist kein Zufall, sondern Ausfluss des Völkerrechts (§ 4). Tauchen dort Regelungen zu privatrechtlichen Rechtsfolgen auf, sind diese regelmäßig als Rechtsbehelfe konzipiert. Auch das Anspruchssystem lässt sich freilich als „Rechtsbehelfssystem“ rekonstruieren (§ 5). Erfüllung in Natur, Schadensersatz, Unterlassen, Bereicherungs- oder Gewinnherausgabe etc. können als Rechtsfolgen zur Verwirklichung vorausliegender Stammrechte verstanden werden. Im deutschen Recht lässt sich damit ein kategorialer Unterschied zwischen Stammrechten und Rechtsfolgenrechten zu deren Durchsetzung feststellen. Schließlich offenbart ein genauerer Blick in das deutsche Rechtsfolgensystem, dass Rechte durchaus differenziert durchgesetzt werden. Es wird gezeigt, dass die einem Rechtsbehelfssystem immanente Differenzierungsmöglichkeit bei der Anordnung bestimmter Rechtsfolgen im hiesigen Privatrecht schon jetzt de lege lata nachweisbar ist. Bestimmte Rechtsfolgen werden trotz „Missachtung“ fremder (oder neutral: trotz Kollisionen mit fremden) Rechtssphären in bestimmten (Einzel-)Fällen nicht gewährt. Alles in allem liegen die Unterschiede der referierten Systeme weniger in fundamentalen inhaltlichen Differenzen als vielmehr in unterschiedlichen Perspektiven beziehungsweise einem “different way of thinking about law”.6 Eine Deutung des deutschen Systems als Rechtsbehelfssystem erweist sich dabei aus verschiedenen Gründen als überlegen.
6 Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 77, 80; auch Riehm, S. 241, will der „dogmatischen Streitfrage“, ob der vertragliche Naturalerfüllungsanspruch als „Rechtsbehelf“ zu verstehen ist, keine hohe praktische Bedeutung zubilligen; s. a. Schmidt-Kessel, Specific Performance, S. 69, 84 (“matter of taste”).
§ 1 Das anglo-amerikanische „remedy-System“ Dieser Paragraph gibt einen Überblick über die wesentlichen Charakteristika des anglo-amerikanischen „remedy-Systems“.1 Als erste Hürde erweist sich dabei der Begriff remedy. Zwar wird darunter vielfach eine gerichtliche Anordnung (court order) verstanden, mit der einer Rechtsverletzung abgeholfen wird. Ein genauerer Blick bringt aber ans Licht, dass es an einer scharfen Abgrenzung, was mit der Bezeichnung remedy gemeint ist, mangelt. Dessen ungeachtet ist klar, dass remedies privatrechtsübergreifend einheitlich ausgestaltet sind. Auch wird deutlich, dass der prozessuale Aspekt insgesamt eine weitaus größere Rolle spielt, als dies bei Ansprüchen gemäß § 194 I BGB der Fall ist. Gerade wenn die einschlägige Abhilfemöglichkeit im „Ermessen“ des Gerichts steht (discretionary remedy), zeigt sich die aktive Rolle, die den Gerichten im „remedy-System“ zukommt. Die Gerichtsentscheidung ist für das Entstehen des entsprechenden remedy konstitutiv. Namentlich der vertragliche „Erfüllungsanspruch“, aber auch die Verpflichtung zur Zahlung einer konkreten Summe als Schadensersatz setzen eine gerichtliche Anordnung voraus; erst dann entsteht die konkrete Verpflichtung. Andererseits verwirklichen die Gerichte materielle Rechte. Die Entscheidung des Gerichts wird dadurch präjudiziert. Entsprechend wird das Law of Remedies weder als Teil des materiellen Rechts noch als Teil des Prozessrechts verstanden (I.). In diesem Teil der Arbeit geht es vor allem um die Frage, ob materielle Rechte im engeren Sinne (substantive rights/ordinary rights) und Rechtsfolgen zu deren Verwirklichung auseinandergehalten werden können. Eine solche Aufspaltung findet sich in der Tat im „remedy-System“. Im Grundsatz wird streng zwischen rights und remedies getrennt. Oder mit einer stärkeren Betonung im materiellen Recht: Die Unterscheidung zwischen unverletzt gedachten primary rights (auch primary obligations) und den im Verletzungsfall entstehenden secondary rights, sanctioning oder remedial rights (auch secondary 1 Weller, JZ 2008, 764, 764, 767 f., spricht vom „remedy-Konzept“, vom „common lawRechtsbehelfskonzept“, vom „Rechtsbehelfsmodell“ beziehungsweise „Rechtsbehelfskonzept“. Wie noch zu zeigen sein wird, ist eine präzise Übersetzung des Begriffs remedy nicht möglich, da es keinen deutschen juristischen Fachbegriff gibt, der die Nuancen des „remedySystems“ treffsicher abbildet. Wenn in § 5 ein „Rechtsbehelfssystem“ für das deutsche Privatrecht entwickelt wird, ist dieses zwar vom „remedy-System“ inspiriert, weicht aber in der Ausgestaltung von diesem mehr oder weniger deutlich ab.
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§ 1 Das anglo-amerikanische „remedy-System“
obligations) ist ein wesentlicher Charakterzug des anglo-amerikanischen Rechtsfolgensystems. Eine Rechtsverletzung dient regelmäßig jeweils als Verbindungselement. Selbst wenn man – wie zuletzt vorgeschlagen – materielle Rechte aus der remedy-Diskussion komplett ausklammert, also insbesondere secondary rights nicht als remedies betrachtet, erscheint auch nach diesem Ansatz die gerichtliche Anordnung zur Durchsetzung dieser Rechte mittels eines so genannten replicative remedy als ein aliud zu dem zu verwirklichenden materiellen Recht. Im „Bereicherungsrecht“ (Law of Restitution) stößt die Sequenz right – wrong – remedy indes an ihre Grenzen. Die Idee der Trennung von right und remedy hat jedoch auch hier Unterstützer. Es muss zwischen dem Recht auf Rückzahlung beispielsweise eines irrtümlich gezahlten Geldbetrags (right to restitution) und der dann konkret gewährten Abhilfemöglichkeit, dem einschlägigen remedy, differenziert werden. Dass der Richter im Beispiel anordnen wird, dass ein entsprechender Geldbetrag zurückzuzahlen ist (replicative remedy), belegt gleichwohl die Trennung von Recht und Rechtsdurchsetzung (II.). Die – bei allen Nuancen im Detail – anzutreffende analytische Trennung zwischen Rechten und „Rechtsfolgenrechten“2 ermöglicht es, einen differenzierten Blick auf die Rechtsfolgen einzunehmen. Die Anordnung einer bestimmten Rechtsfolge muss sich rechtfertigen lassen. Welche Rechtsfolge „richtig“ ist, wird entsprechend offen diskutiert. Allen voran die Anordnung von Unterlassungsverfügungen (injunctions) oder des vertraglichen „Naturalerfüllungsanspruchs“ (specific performance) stehen im „Ermessen“ des Gerichts. Vor allem wird die Frage aufgeworfen, ob nicht die Rechtsfolge Schadensersatz zur Abhilfe ausreichend ist. Es wird deutlich, dass Rechte mittels unterschiedlicher Rechtsfolgen verwirklicht werden. Selbst ein right to exclude ist für seine Durchsetzung nicht zwingend auf eine Unterlassungsverfügung angewiesen. Diskutiert wird daher, ob im „Ermessen“ des Gerichts stehende remedies überhaupt „Rechte“ sind (III.).
I. Remedies als gerichtliche Rechtsbehelfe zwischen materiellem Recht und Prozessrecht Eine präzise Übersetzung des Begriffs remedy ist kaum möglich. Im deutschen Recht findet sich nichts, was einem remedy entspricht.3 Mit Blick auf einen Systemvergleich konsterniert Dedek: 2 Diese Übersetzung ist ungenau, da in der Übersetzung die prozessuale Konnotation verloren geht, Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 92 mit Blick auf remedial rights im französischen Recht; ders., a. a. O., 113, allgemein warnend (“take differences between legal terminologies seriously”). 3 Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 91 ff.; Adar/Shalev, 23 Tul. Eur. & Civ. L. F. (2008), 111, 121; Neufang, S. 407; in offiziellen Übersetzungen findet sich oft der Begriff Rechtsbehelf,
I. Remedies als gerichtliche Rechtsbehelfe
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“[T]he concept of remedies remains a mystery to the civilian.”4
Die erste Aufgabe liegt damit darin, den Rechtsbegriff remedy zu erfassen. Nach einer Übersicht über die unterschiedlichen Definitionen (1.) lohnt sich dafür ein Blick auf die Rechtsnatur von remedies (2.). Bemerkenswert ist schließlich deren privatrechtsübergreifende einheitliche Ausgestaltung (3.).
1. Unterschiedliche Bedeutungen des Begriffs remedy Selbst im anglo-amerikanischen Rechtskreis gehen die Vorstellungen, was unter einem remedy beziehungsweise weitergehend dem Law of Remedies zu verstehen ist, auseinander.5 Grenzt man letzteres ab, besteht große Einigkeit, dass zunächst self-help remedies abgeschichtet werden können.6 Auch wenn Abhilfen wie Rücktritt oder Anfechtung, die keiner gerichtlichen Mitwirkung bedürfen, teils im Law of Remedies Berücksichtigung finden,7 werden die hier interessierenden Rechtsfolgen wie Schadensersatz (damages), Unterlassung (prohibitory injunction), Gewinnherausgabe (account of profits) und Leistung (specific performance) in Abgrenzung zu den Selbsthilferechten als judicial remedies eingeordnet.8 Diese werden wiederum nach verschiedenen Kriterien in unterschiedliche Gruppen aufgeteilt. So wird darauf hingewiesen, dass sich befehlende (coercive) von nicht befehlenden (non-coercive) remedies unterscheiden lassen. Coercive remedies geben dem Beklagten durch das Gericht ein Tun oder Unterlassen auf, non-coercive remedies haben feststellenden Charakter.9 Unterschieden wird weiter zwischen relativ (in personam) und wenn in der englischen Version von remedy die Rede ist (bereits o. Einleitung II). Diese Übersetzung wird im Folgenden für den Begriff remedy möglichst spärlich gebraucht. Vor allem wenn in § 5 ein „Rechtsbehelfssystem“ entwickelt wird, ist der Begriff Rechtsbehelf nicht als Synonym für den Begriff remedy im Kontext des anglo-amerikanischen „remedy-Systems“ zu verstehen (vgl. bereits o. Fn. 1); verfehlt ist es in jedem Falle, remedy und Anspruch gleichzusetzen, so aber z. B. Nachtigäller, S. 39 ff., 44 ff.; Problembewusstsein bei Weller, S. 395; vgl. Uhrich, ZGE 2009, 59, 64 (Fn. 27). 4 Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 81. 5 Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 81; Barnett/Harder, S. 2; Burrows, Remedies, S. 1; Zakrzewski, S. 1 f., 7, 8 (“Remedy is a chameleon”); Covell/Lupton, S. 3; Waddams, 3 O. J. L. S. (1983), 113; Dobbs, S. 20 f.; Adar/Shalev, 23 Tul. Eur. & Civ. L. F. (2008), 111, 113; Weller, S. 133 f., der ein weites und ein enges Begriffsverständnis erkennt. 6 Burrows, Remedies, S. 1; ders., English Private Law, Rn. 21.01; Birks, 29 U. W. A. L.R. (2000), 1, 4 (“The doctrine under consideration [discretionary remedialism] has nothing whatever to do with self-help”); Zakrzewski, [2003] L. M. C. L.Q., 477 (Fn. 3); ders., S. 47 f.: es handelt sich nicht um remedies, sondern um das materielle Recht, sich selbst zu helfen, um “rights of self-help”. 7 Harris/Campbell/Halson, S. 3; auch im deutschen Recht können Gestaltungsrechte der Rechtsdurchsetzungsebene zugeschlagen werden, Unberath, S. 169 f. 8 Nur Burrows, Remedies, S. 1. 9 Burrows, Remedies, S. 1 f.; Lawson, S. 12 ff., verweist auf die im deutschen Recht anzutreffende Unterscheidung von Leistungs-, Feststellungs- und Gestaltungsklagen. Bereits
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§ 1 Das anglo-amerikanische „remedy-System“
dinglich (in rem) wirkenden remedies.10 Dobbs sieht in (1) damages remedies, (2) restitutionary remedies, (3) coercive remedies und (4) declaratory remedies die wesentlichen Kategorien.11 Eine Gliederung nach Funktionen führt zu folgender Aufstellung: Kompensation (compensation), Abschöpfung (restitu tion), Bestrafung (punishment), Erfüllung (compelling performance of positive obligations),12 Prävention (preventing a wrong), Beseitigung (compelling the undoing of a wrong), Feststellung (declaring rights).13 Anzutreffen ist auch eine Unterscheidung zwischen präventiven (preventive) und ausgleichenden (corrective) remedies. Erstere dienen der Prävention, letztere gleichen Verletzungsfolgen aus.14 Wichtig ist vor allem die Unterscheidung zwischen equitable remedies (z. B. specific performance, account of profits, injunctions) und remedies at law (z. B. common law damages).15 Diese historisch eigentlich überholte Unterscheidung wirkt sich heute vor allem noch dadurch aus, dass die Anordnung eines equitable remedy im „Ermessen“ des Gerichts steht. Was aber genau hinter dem Begriff judicial remedy steckt, ist unklar. Birks hat gleich fünf verschiedene Bedeutungen nachgewiesen:16 (1) Der Begriff remedy kann im rechtlichen Kontext17 erstens in einem sehr weiten Sinn verstanden werden. Vor allem wenn dem Verletzten die Möglichkeit gegeben ist, einer Rechtsbeeinträchtigung durch eine Klage abzuhelfen, kann eben diese dies zeigt die Dominanz prozessualen Denkens im Law of Remedies. In der Tat wird die „Feststellung“ (declaration) zu den judicial remedies gezählt, Burrows, Remedies, S. 590 ff. 10 Kercher/Noone, S. 3; vgl. Burrows, English Private Law, Rn. 21.06; auch können remedies “available pre-trial”, “at trial” und “post-trial” unterschieden werden, ders., a. a. O., Rn. 21.01; ders., a. a. O., Rn. 21.06, trennt ferner “monetary remedies” von “non-monetary remedies”. 11 Dobbs, S. 2; ferner Laycock, S. 2 f.: “The most important categories of remedies are: 1. Compensatory remedies 2. Preventive remedies a. Coercive remedies b. Declaratory remedies 3. Restitutionary remedies 4. Punitive remedies 5. Ancillary remedies.” 12 Zu dieser Gruppe von remedies zählen nicht nur specific performance und Zahlung (award of an agreed sum), sondern auch eine mandatory enforcing injunction und die Verwalterbestellung (appointment of a receiver), Burrows, Remedies, S. 10. 13 Burrows, Remedies, S. 9 f.; vgl. ders., Private English Law, Rn. 21.08; auch Laycock, S. 3 f., gliedert funktional. 14 Zakrzewski, S. 104. 15 Burrows, Remedies, S. 11 f.; Laycock, S. 5 f.; J. Fischer, S. 4; teils werden noch statutory remedies abgespalten, vgl. Kercher/Noone, S. 3; Burrows, English Private Law, Rn. 21.06, verweist schließlich noch auf “specific remedies” und “substitutionary remedies”, Gesamt überblick Tabelle 21.2. 16 Birks, 20 O. J. L. S. (2000), 1, 9 ff.; ders., 29 U. W. A. L.R. (2000), 1, 3 ff.; vergleichbare Aufstellung auch bei Zakrzewski, S. 7 ff., der zudem das tatsächliche Ergebnis (z. B. die Übereignung eines Grundstücks, a. a. O., S. 21; er verweist auf Pomeroy, § 1, S. 2) als Deutungsmöglichkeit erwähnt; s. a. Bucher, S. 82 f., zu den unterschiedlichen Verwendungen des Begriffs Anspruch. Er kommt auf sieben unterschiedliche Verwendungen. 17 Die unjuristische Verwendung des Begriffs, z. B. als „Abhilfe von etwas Schlechtem“ etc. (Zakrzewski, S. 8 f.), interessiert hier nicht. Auch der Gebrauch des Begriffs remedy im Rahmen der Vollstreckung soll hier ausgeblendet bleiben, dazu Zakrzewski, S. 18 ff., 52.
I. Remedies als gerichtliche Rechtsbehelfe
17
Klagemöglichkeit beziehungsweise der Grund der Klagemöglichkeit als remedy bezeichnet werden. In der Terminologie des common law wäre dann die action beziehungsweise der cause of action das remedy. Diese Sichtweise geht auf die alten forms of action zurück. Der Lebenssachverhalt ist justiziabel, wenn er sich in eine Klageform beziehungsweise – in einem modernen Verständnis – generell in eine rechtliche Kategorie übersetzen lässt. Dann gibt es eine Abhilfemöglichkeit, eben ein remedy im weitesten Sinne.18 (2) Unter einem remedy kann man zweitens enger das Recht begreifen, das im Falle einer Rechtsverletzung hervortritt (“remedy as a right born of a wrong”). Wird ein primäres Recht (primary right) verletzt, entsteht ein sekundäres Recht (secondary right). Dieses kann als sanctioning right, remedial right oder kurz als remedy bezeichnet werden.19 (3) Da namentlich ein „Bereicherungsanspruch“ (right to restitution) bei einer fehlerhaften Zahlung keine Rechtsverletzung voraussetzt, kann man das Verständnis eines remedy als “right born of a wrong” entsprechend weiter fassen. Ein remedy wäre damit nach einer dritten Interpretation generell ein Recht, durch das eine Abhilfemöglichkeit gewährt wird. Nicht nur das Recht auf Schadensersatz (damages) fällt demnach unter diesen Oberbegriff, sondern auch zum Beispiel ein right to restitution quasi als “remedy as the right born of a not-wrong”.20 Vor diesem Hintergrund definiert Barker: “Remedies constitute the law’s response to [primary injustices] and describe a secondary level of entitlement, substituted by the law for the first.”21
Die letzten beiden Umschreibungen kann man zusammenfassend so verstehen, dass ein materielles Recht als Rechtsbehelf dient (“substantive right as a remedy”).22 Dabei kann man weiter unterscheiden, ob ein primäres Recht (z. B. ein Recht auf Rückzahlung einer irrtümlich geleisteten Zahlung) oder ein sekundäres Recht (z. B. Recht auf Schadensersatz) das remedy ist.23 (4) Remedy 18 Birks, 20 O. J. L. S. (2000), 1, 10 ff.; ders., 29 U. W. A. L.R. (2000), 1, 4; Zakrzewski, S. 11 f.; Waddams, 3 O. J. L. S. (1983), 113, meint noch weitergehend, dass theoretisch beinahe jede Rechtsfrage als „remedy-Problem” formuliert werden kann; dann wäre der Begriff aber wertlos. Zakrzewski, S. 9 ff., analysiert ähnlich: “[…] ‘remedy’ is often used in legal discourse simply to refer to any means provided by the law for obtaining redress or relief from a grievance.”; kritisch ders., S. 48 f. (“Such breadth is a source of ambiguity”); s. a. Dobbs, S. 20. 19 Birks, 20 O. J. L. S. (2000), 1, 12 ff.; ders., 29 U. W. A. L.R. (2000), 1, 4 f.; in diesem Sinne etwa Adar/Shalev, 23 Tul. Eur. & Civ. L. F. (2008), 111, 114 (“According to this [narrow] definition a ‘remedy’ is an entitlement arising out of a breach of an obligation (or duty) and taking the form of a burden imposed on the person responsible for the breach.”); Barker, 57 C. L. J. (1998), 301, 319 ff.; Wright, S. 3; für ein „breiteres“ Verständnis Barnett/Harder, S. 2 ff. 20 Birks, 20 O. J. L. S. (2000), 1, 14 f.; ders., 29 U. W. A. L.R. (2000), 1, 5. 21 Barker, 57 C. L.J. (1998), 301, 319. 22 Zakrzewski, S. 13 ff. 23 Zakrzewski, S. 16 f.; ders., S. 50 ff., lehnt es aber ab, sowohl primary rights als auch secondary rights jeweils als remedy zu dogmatisieren.
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§ 1 Das anglo-amerikanische „remedy-System“
kann aber viertens auch die Anordnung einer bestimmten Rechtsfolge durch ein Gericht bedeuten (“‘remedy’ as a right born of the order or judgment of a court”).24 Wird ein Recht verletzt, kann der Kläger bei Gericht entsprechende Abhilfe einfordern. Darauf hat er ein Recht. Wenn dem Beklagten dann beispielsweise die Zahlung von Schadensersatz aufgegeben wird, folgt dies nicht unmittelbar aus dem verletzten Recht oder einem eingeklagten „Anspruch“, sondern konstitutiv aus der Anordnung des Gerichts (“Court orders are therefore a distinct source of legal rights.”25). Auch wenn der Beklagte einen Anspruch auf die Anordnung eines bestimmten remedy hat und die entsprechend zu gewährende Rechtsfolge im materiellen Recht vorgezeichnet ist, ist es erst die Gerichtsentscheidung, durch welche die Rechtsfolge entsteht. “The rights we claim are transformed or novated, and the rights which we enforce through the various means of execution are rights born of the order or judgment of a court.”26
Herausgestellt wird umgekehrt, dass materielle Rechte (ordinary rights) wie beispielsweise das right to the performance of a contractual obligation unabhängig von einer gerichtlichen Anordnung bestehen können.27 “The distinctive feature of ordinary substantive rights is that they exist prior to any order by a court […]. Ordinary rights are the substantive rights that plaintiffs possess when they come to court.”28
Wie ein solches ordinary right dann durchgesetzt wird, betrifft einen anderen Problemkreis. Es ist gerade nicht widersprüchlich, wenn ein Gericht im Ausgangspunkt zwar feststellt, dass der Beklagte gegenüber dem Kläger die Pflicht zu einem bestimmten Tun hat, die unmittelbare Durchsetzung dieser Pflicht dann aber nicht gerichtlich angeordnet wird.29 (5) Dies gilt erst recht, wenn man davon ausgeht, dass die Anordnung des remedy im Ermessen des 24 Birks, 20 O. J. L. S. (2000), 1, 15 f.; ders., 29 U. W. A. L.R. (2000), 1, 5, 15; Zakrzewski, S. 17 f.; s. a. Blackstone, S. 396: “The judgment, in short, is the remedy prescribed by law for the redress of injuries, and the suit or action is the vehicle or means of administering it.”; vgl. Smith, Law of Damages, S. 33, 36 ff., 38 f., 40 f., 48; Smith sieht im remedial right eine Art Rechtsschutzanspruch, der sich gegen den Staat richtet. 25 Smith, Law of Damages, S. 33, 39; das wiederum gegenüber Privaten wirkende “courtordered right” entspricht häufig dem Inhalt des ursprünglichen “ordinary rights”, das nun allerdings auf neuer dogmatischer Grundlage steht, a. a. O., S. 36 ff.; vgl. Zakrzewski, S. 46 f. 26 Birks, 20 O. J. L. S. (2000), 1, 15; vgl. Smith, Law of Damages, S. 33, 42 (“The more plausible interpretation, therefore, is that the duty to pay punitive damages arises at the moment that the order to pay punitive damages is pronounced”). 27 Smith, Law of Damages, S. 33, 37 f.; Riehm, S. 244, meint, dass das englische Recht von einem kontinentaleuropäischen Standpunkt auch so verstanden werden könne, „dass der Naturalerfüllungsanspruch voraussetzungslos an den ursprünglichen Leistungsanspruch geknüpft ist und allein seine gerichtliche Geltendmachung Beschränkungen unterworfen ist.“ 28 Smith, Law of Damages, S. 33, 38. 29 Smith, Law of Damages, S. 33, 41.
I. Remedies als gerichtliche Rechtsbehelfe
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Gerichts steht. Nach einer fünften Definition wäre ein remedy eine ermessensabhängige gerichtliche Abhilfemöglichkeit.30 Man könnte dann nicht einmal davon sprechen, dass der Kläger etwa ein Recht hat, Lieferung einer gekauften Sache oder Unterlassung einer materiellrechtlich verbotenen Handlung verlangen zu können.31 Erst wenn das Gericht sein Ermessen dahingehend ausübt, eine Unterlassungsverfügung zu gewähren, hat der Kläger Gewissheit, dass er sein Recht (substantive right; ordinary right) mittels einer Unterlassungsanordnung durchsetzen kann. Allerdings sind die Regeln für die Ermessensausübung rechtlich vorgezeichnet.32 Birks selbst spricht sich daher dafür aus, möglichst von Rechten und nicht von remedies zu sprechen.33 Rechtsfolgen wie Schadensersatz (damages), Unterlassung (injunction), Gewinnherausgabe (account of profits) und Erfüllung in Natur (specific performance) werden als judicial remedies meist im Sinne des vierten beziehungsweise fünften Verständnisses von remedies verstanden. Namentlich Burrows will in seinem Lehrbuch Remedies for Torts and Breach of Contract zum englischen Recht remedies als eine vom Gericht gewährte Abhilfe verstehen: “In this book, a remedy is used to denote the relief that a person can seek from a court.”34
An anderer Stelle schreibt er: “Remedies are the means by which rights are effected or realised. Remedies are usually ‘judicial’ remedies, in the sense that the effecting or realising of the rights involves coming to court […].”35
Dobbs beschreibt in seinem Lehrbuch zum US-amerikanischen Recht das Law of Remedies wie folgt: “The law of judicial remedies determines the nature and scope of the relief to be given to a plaintiff once that plaintiff has established a substantive right by appropriate incourt procedures.”36
Ähnlich eröffnet Laycock in seinem Buch Modern American Remedies: “A remedy is anything a court can do for a litigant who has been wronged or is about to be wronged.”37 30
Birks, 20 O. J. L. S. (2000), 1, 16 f.; ders., 29 U. W. A. L.R. (2000), 1, 5 f. Zakrzewski, S. 18, 51 (“A discretionary secondary right is a contradiction in terms.”). 32 Birks, 20 O. J. L. S. (2000), 1, 16 f. 33 Birks, 20 O. J. L. S. (2000), 1, 19 ff.; vgl. ders., Proprietary Rights, S. 214; Tilbury, S. 1, Rn. 1002 (“A ‘remedy’ is as much a ‘right’ as the ‘right’ which it seeks to protect.”); demgegenüber kritisch Evans, 23 Syd. L. R. (2001), 463 ff. 34 Burrows, Remedies, S. 1; s. a. ders., English Private Law, Rn. 21.01. 35 Burrows, Restitution, S. 14. 36 Dobbs, S. 1. 37 Laycock, S. 1; ähnlich Rendleman, 39 Brandeis L. J. (2001), 535: “A remedy is what a 31 Vgl.
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Auch in Gesetzen findet sich das Verständnis eines remedy als konstitutive court order. Beispielsweise heißt es in Section 52 des englischen Sales of Goods Act 1979 oder in Section 37 (1) des Senior Courts Act 1981: Zu Sec. 52: “In any action for breach of contract to deliver specific or ascertained goods the court may, if it thinks fit, on the plaintiff’s application, by its judgment or decree direct that the contract shall be performed specifically, without giving the defendant the option of retaining the goods on payment of damages.”38 Zu Sec. 37 “The High Court may by order (whether interlocutory or final) grant an injunction or appoint a receiver in all cases in which it appears to the court to be just and convenient to do so.”
Dass remedies als “court order” zu verstehen sind, macht Zakrzewski damit nicht ohne Grund als Grundkonsens aus (“stable core meaning of remedy”).39 Dies darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Unterschiede, mit welchen die einzelnen Autoren über remedies schreiben, doch über bloße Unterschiede im Detail hinausgehen. Vor allem Zakrzewski hat zuletzt mit seinem Werk Remedies Reclassified die Debatte um die Systematisierung von remedies befeuert. Er spricht sich für eine strenge Trennung materieller Rechte (substantive rights) und remedies im Sinne gerichtlicher Anordnungen aus (“use the term ‘remedy’ only in the sense of the rights arising from certain court orders or pronouncements”).40 Substantive rights, die unabhängig von einem gerichtlichen Verfahren beziehungsweise einer gerichtlichen Entscheidung existieren,41 nimmt er aus dem Law of Remedies heraus. Anders als nach herrschender Meinung fällt daher das Recht auf Schadensersatz (damages) nicht unter den Begriff remedy.42 “The difference between secondary rights to damages existing prior to a court order and rights to damages arising out of such a judicial command is sometimes overlooked as both are indiscriminately called ‘damages’ in practice. The distinction between the two is very fine because the courts give effect to secondary rights by restating them in the court order.”43
court, after finding a substantive violation, will do – simultaneously – for the victim through the wrongdoer.” 38 Vgl. zum „Schadensersatzanspruch” als “damages orders by courts”, Smith, Law of Damages, S. 33, 35 f., 40. 39 Zakrzewski, S. 2, 17, 43 ff. 40 Zakrzewski, S. 43. 41 Ein materielles Recht (substantive right) definiert Zakrzewski, S. 13, wie folgt: “a right that exists prior to the commencement of legal proceedings and the making of an order or pronouncement of a court in those proceedings.” 42 Zakrzewski, S. 4, 50 ff., 53, 61; anders Burrows, Remedies, S. 2; Birks, 20 O. J. L. S. (2000), 1, 19, plädiert generell dafür, von Rechten statt von remedies zu sprechen. 43 Zakrzewski, S. 50.
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Als remedy versteht Zakrzewski stets ausschließlich die Gerichtsentscheidung. Dem sekundären Recht werde dadurch zur Wirksamkeit verholfen, dass das Gericht es in eine konkrete Anordnung umwandelt (replicative remedy).44 Im Falle der Schadensersatzhaftung werde dadurch festgelegt, welche konkrete Summe als Ersatz zu leisten ist.45 Auch nur sekundäre Rechte, die unabhängig von einer gerichtlichen Anordnung entstehen, als remedies zu begreifen,46 soll daran scheitern, dass von Gerichten auch primäre Rechte unmittelbar verwirklicht werden. Beispielhaft verweist er auf die gerichtliche Anordnung eines Bereicherungsausgleichs (z. B. ein right to restitution wegen irrtümlicher Zahlung).47 Einer einheitlichen Klassifizierung wegen besteht Zakrzewski darauf, nur die gerichtliche Entscheidung, durch welche das primäre Recht in Form der Anordnung eines replicative remedy verwirklicht wird, zum Law of Remedies zu zählen. Remedies seien selbst Rechte. Durch die gerichtliche Anordnung entstehe ein „Rechtsverhältnis“, aus dem unmittelbar bestimmte Rechte und Pflichten folgten:48 “We call these particular rights ‘remedies’ as there is no other distinct name for such rights in our jurisprudence. By calling them remedies, we can distinguish them from substantive rights.”49
Dass aber gerade auch das Recht auf Schadensersatz zu den remedies gehören muss, kritisiert Burrows zu Recht. Der Ansatz von Zakrzewski sei zwar konsequent, aber der Mehrwert einer übergeordneten Betrachtung von „Rechtsfolgen“ werde genommen, wenn man Schadensersatz nicht mitbehandelt.50
2. Rechtsnatur von remedies Aufschlussreich für die Erfassung von remedies ist vor allem der Blick auf deren Rechtsnatur.51 Überwiegend wird das „Recht der Rechtsbehelfe“ (remedial
44 Zakrzewski, S. 55: “Where the claimant’s substantive right correlates with a duty on the defendant, a remedy may ‘replicate’ the right by restating the defendant’s duty.” “Such a restatement of a substantive right in an order will be called ‘replication’.” 45 Zakrzewski, S. 50 f.; vorher stehe schließlich noch nicht fest, wieviel letztlich zu zahlen ist, insbesondere bei punitive damages, vgl. Smith, Law of Damages, S. 33, 42; in Deutschland wird davon ausgegangen, dass dies (selbst z. B. bei Schmerzensgeld) nur ein faktisches Problem ist, vgl. Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 107 f. 46 Vgl. Covell/Lupton, S. 4 f., mit Blick auf Austin (näher u. § 1 II); vgl. Zakrzewski, [2003] L. M. C. L.Q., 477, 482 (Fn. 29). 47 Zakrzewski, S. 51, 112 ff.; ob es dabei auf eine Rechtsverletzung ankommt, wird nicht ganz klar, vgl. S. 103 a. E. und S. 112 ff. 48 Zakrzewski, S. 46 f., 55; ders., [2003] L. M. C. L.Q., 477, 480 f. 49 Zakrzewski, S. 47. 50 Burrows, Remedies, S. 2. 51 Mit Blick auf das Kollisionsrecht (zum US-Recht) Neufang, S. 250 f.
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§ 1 Das anglo-amerikanische „remedy-System“
law) sowohl vom materiellen Recht (substantive law) als auch vom Prozessrecht (procedural law) abgegrenzt:52 “[…] remedies questions and remedies law are quite distinct from both substance and procedure.”53
Es muss demnach scharf differenziert werden, welches materielle Recht verletzt wurde und mit welchem remedy ein Gericht der Rechtsverletzung abhilft. Zugleich sind die Regeln, nach welchen das Gericht entscheidet, welches remedy anzuordnen ist, von den Regeln, die das Verfahren, also den Prozess, um vom „Recht zum Rechtsbehelf“ zu gelangen, auseinander zu halten.54 Einerseits muss also das Gericht die einschlägige Rechtsfolge erst anordnen, andererseits ist die Frage, wie eine Rechtsverletzung zu sanktionieren ist, durch das materielle Recht vorgezeichnet,55 vor allem wenn dies materielle sekundäre Rechte determinieren.56 Häufig entscheidet erst „die Kombination aus materiellen Anspruchsvoraussetzungen und prozessualer Geltendmachung“, ob eine bestimmte Rechtsfolge im Einzelfall gewährt wird.57 Das Law of Remedies nimmt somit eine eigentümliche Zwischenstellung zwischen materiellem Recht und Prozessrecht ein.58 “The law of remedies falls somewhere in between procedure and primary substantive rights. Remedies are substantive, but they are distinct from the rest of the substantive law, and sometimes their details blur into procedure.”59
Es finden sich aber auch tendenziell mehr materiellrechtlich geprägte Sichtweisen.60 Entsprechend versteht Tilbury mit Blick auf das australische Recht unter einem remedy:
52 Dobbs, S. 2; Zakrzewski, S. 5; Samuel, S. 40: “when it comes to remedies this distinction can break down as a result of the legacy of the forms of action which themselves defined substantive ideas mainly through formal rules of procedure.” 53 Dobbs, S. 2. 54 Dobbs, S, 1 f. 55 J. Fischer, S. 10; Zakrzewski, S. 58 f.: “[…] it is the substantive right which drives the remedy. The remedy usually follows because the substantive right has been infringed.” 56 Vgl. Neufang, S. 247. 57 Vgl. M. Stürner, E. R. P. L. (2011), 167, 176. 58 Mit Blick auf die USA Laycock, S. 1; Dobbs, S. 1 f., 21; für Schottland Walker, v; vgl. Dedek, S. 73 („Zwischenbereich zwischen Sach- und Prozessrecht“); vgl. zum deutschen Recht Meesmann, S. 107 (Fn. 14), wonach „Rechtsbehelfe des materiellen Rechts“ in das „Grenzgebiet zwischen Civilrecht und Prozeß“ gehören. 59 Laycock, S. 1; vgl. Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 83. 60 Tilbury, S. 1, Rn. 1002 (“it is, therefore, clear that a remedy is of the same nature as a right and that both belong to the substantive law.”); vgl. vorsichtig Waters, 64 Sask. L. Rev. (2001), 429, 440 (“Perhaps one can go so far as to say that […] the remedy, too, is seen as substantive law. It is adjectival only in that its role is to support the obligation or property right”); anders Grosch, S. 402 („Injunctions werden rein prozessual qualifiziert“).
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“For the purposes of this book the law of remedies is that branch of substantive law which deals with the types of redress available in response to the imposition of liability on a party in civil litigation.”61
Freilich findet sich auch in dieser Definition eine Bezugnahme auf die Prozesssituation. Die prozessuale Einbettung lässt sich an weiteren Punkten verdeutlichen. Bereits eine sprachliche Beobachtung verdient Beachtung. Während deutsche Gerichte formulieren, dass der Kläger etwas verlangen kann, fragen common law-Richter, ob das Gericht etwas zusprechen soll (“to award”).62 Besonders markant ist die zentrale Stellung der Gerichte rund um equitable remedies. Diese sind von den remedies at law beziehungsweise common law remedies abzugrenzen. Gekennzeichnet sind equitable remedies (wie specific performance oder injunctions) dadurch, dass es im „Ermessen“ des Richters liegt, ob die begehrte Rechtsfolge gewährt wird (näher u. § 1 III 1 a)). Auch wenn die „Ermessensausübung“ durch Präjudizien vorgegeben ist, soll sich gerade hier die „Rolle des Gerichts als Subjekt der Konfliktlösung“ zeigen.63 Dies wird als „Eigentümlichkeit“ des „remedy-Systems“ ausgemacht.64 Unterstrichen wird dies dadurch, dass die Gerichte den Vollzug gerichtlicher (Erfüllungs-)Anordnungen zu überwachen haben.65 Eine Zuwiderhandlung wird als contempt of court geahndet.66 Beides hat wiederum Rückwirkung auf die Frage, ob Rechtsfolgen, die einer permanenten gerichtlichen Begleitung bedürfen, überhaupt angeordnet werden.67 Weiter illustriert die Debatte, ob remedies privatautonomen Dispositionen unterliegen können, den prozessualen Kontext des Law of Remedies.68 Gegen solche Rechtsfolgenvereinbarungen wird angeführt, dass dadurch in die Kompetenz des Gerichts eingegriffen werde.69 Wären Gerichte an Klauseln gebun61 Tilbury, S. 4, Rn. 1007 (Hervorhebung nicht im Original); vgl. Wright, S. 3 (”That is, secondary rights are what are called remedies“). 62 Beispielsweise Cassel & Co Ltd. v. Broome [1972] A. C. 1027, passim; BGHZ 46, 260 = NJW 1967, 622; Smith, 125 H. L. R. (2012), 1727, 1728 (“The most important feature of damage awards is that they are awards – that is, that courts issue them.”). 63 Neufang, S. 240, 247 ff., insbesondere S. 249 f. 64 Vgl. Neufang, S. 240, 247 ff., zum „amerikanischen Rechtsdenken“. 65 Kritisch Rowan, 126 L. Q. R. (2010), 448, 470 f. (mit Blick auf „Rechtsfolgenvereinbarungen“, dazu sogleich). 66 Zakrzewski, S. 133; Burrows, Remedies, S. 3; Rowan, 126 L. Q. R. (2010), 448, 470; Zweigert/Kötz, S. 481; Nachtigäller, S. 115 ff.; vgl. Hasen, S. 223 ff.; Co-operative Insurance Society Ltd. v. Argyll Stores (Holdings) [1998] A. C. 1, 12 (“quasi-criminal procedure of punishment for contempt”). 67 Vgl. Burrows, Remedies, S. 473; Lawson, S. 211; Rowan, 126 L. Q. R. (2010), 448, 470 f. 68 Grundlegend Rowan, 126 L. Q. R. (2010), 448; s. a. Lawson, S. 41 ff.; Burrows, Remedies, S. 444 f.; Nachtigäller, S. 107 f.; mit Blick auf die USA vgl. Nachweise bei Neufang, S. 198; J. Fischer, S. 751 ff.; Remien, Festschrift Hondius, S. 321, 325 f.; Zakrzewski, S. 126, zur Möglichkeit nach Erlass einer gerichtlichen Anordnung, diese wegzuverhandeln. 69 Vgl. Neufang, S. 197 ff.; zu weiteren Argumenten wie, dass dem Privatrecht Abschreckung fremd sei und dies nicht durch einschlägige Vereinbarungen umgangen werden dürfe
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den, mittels derer die Parteien beispielsweise Naturalerfüllung oder Gewinnherausgabe als Wunschrechtsfolgen für Vertragsverletzungen vereinbaren, wäre die Funktion der Gerichte systemwidrig auf ein reines „Abnicken“ (“function of the court would be reduced to that of a rubber stamp”)70 beschränkt.71 Auch Vertragsstrafenvereinbarungen (penalty clauses) oder der Verabredung von Schadenspauschalierungen wird daher mit Skepsis begegnet.72
3. Einheitliche Ausgestaltung von remedies Dass remedies eine eigene Kategorie von Rechten darstellen, wird nicht zuletzt daran deutlich, dass diese privatrechtsübergreifend einheitlich ausgestaltet sind. Da der Kläger nicht einen bestimmten Anspruch (z. B. einen vertraglichen Erfüllungsanspruch) einklagt, sondern eine Rechtsverletzung geltend macht, der letztlich durch das Gericht abgeholfen wird, überrascht es nicht, dass die Struktur der Anordnung immer gleich ist – unabhängig davon, ob damit einer Vertragsverletzung abgeholfen oder ein Delikt sanktioniert wird. Bereits die Existenz entsprechender Querschnittslehrbücher belegt dies.73 Aus Sicht des BGB ist dies für das Schadensrecht gut nachvollziehbar. Auch hier sind die §§ 249 ff. BGB gleichsam „vor die Klammer“ gezogen und gelten sowohl für deliktische als auch vertragliche Schadensersatzansprüche.74 Anders ist dies hingegen bei der „Gewinnherausgabe“: Während im deutschen Recht eine solche Rechtsfolge praktisch über die dreifache Schadensberechnung, handels- beziehungsweise gesellschaftsrechtliche Eintrittsrechte (§§ 61 I, 113 I HGB; § 88 II S. 2 AktG) oder spezielle Anspruchsgrundlagen, unter die sich auch die Gewinnherausgabe subsumieren lässt (§ 285 BGB; §§ 687 II S. 1, 681 S. 2, 667 BGB), bewirkt wird,75 findet sich im englischen Recht ein einziges, privatrechtsübergreifend einheitlich ausgestaltetes remedy: account of profits. Das Gericht kann dem Beklagten in ausgewählten Fallgruppen aufgeben, über die erzielten Gewinne Rechnung zu legen und die Gewinne herauszugeben (account and award of profits).76 Natürlich gibt es auch Rechtsfolgen, die nur oder dass die Regeln der equity nicht ausgehebelt werden dürften vgl. Rowan, 126 L. Q. R. (2010), 448, 464 ff. 70 Quadrant Visual Communications Ltd. v. Hutchison Telephone (UK) Ltd., [1993] B. C. L. C. 442 (Stocker L. J.). 71 Kritisch Rowan, 126 L. Q. R. (2010), 448, 464 ff., 469 ff.; es müsse auch hier der Grundsatz der Vertragsfreiheit gelten. 72 Vgl. freilich selbst kritisch Rowan, 126 L. Q. R. (2010), 448, 455 ff., 460 ff. 73 Bereits o. Einleitung I. 74 Vgl. Friedmann, 113 L. Q. R. (1997), 424 f.; ob es wünschenswert ist, ein einheitliches Schadensrecht zu haben, wird indes bezweifelt, vgl. Schlechtriem, ZEuP 1997, 232, 241 f.; Dreier, S. 32; einen „Allgemeinen Teil“ für Unterlassungsansprüche gibt es nach h. M. hingegen nicht, s. a. u. § 9. 75 Vgl. kritisch Hofmann, AcP 213 (2013), 469, 474 ff. 76 Burrows, Remedies, S. 384 ff.; Covell/Lupton, S. 220 ff.
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in einer bestimmten Fallgruppe in Betracht kommen. Specific performance ist beispielsweise der „Rechtsbehelf“, der gewährt wird, wenn das Gericht – entgegen der Grundregel – die Erfüllung eines Vertrags in Natur anordnet.77 Auch Unterlassungsansprüche sind einheitlich ausgestaltet. Mit ihnen sind im anglo-amerikanischen Rechtskreis die von Gerichten verfügten prohibitory oder negative injunctions vergleichbar.78 Demnach ordnet das Gericht an, dass der Beklagte etwas künftig zu unterlassen hat.79 Droht eine Rechtsverletzung beziehungsweise zeichnet sich ab, dass sich die Tatbestandsmerkmale eines Klagegrundes (cause of action) verwirklichen, kann eine quia timet injunction beantragt werden.80 Aus rechtsvergleichender Betrachtung ist bemerkenswert, dass der „vertragliche Unterlassungsanspruch“ ebenfalls über die Anordnung einer injunction verwirklicht wird. Auch wenn es sich hierbei der Sache nach um Naturalerfüllung handelt, wird nicht die Rechtsfolge specific performance verfügt, sondern die bei sämtlichen Unterlassungsanordnungen einschlägige injunction.81 Eine prohibitory/negative injunction ist von der mandatory beziehungsweise positive injunction abzugrenzen. Letztere weist Überschneidungen mit dem deutschen Beseitigungsanspruch auf. Um einem mittels einer prohibitory injunction verfügten Unterlassungsgebot nachzukommen, kann der Beklagte jedoch zumindest faktisch ebenfalls zu einem Tun gezwungen sein. Anders als bei der mandatory injunction steht ihm aber dabei frei, was er genau tut, um dem Unterlassungsgebot nachzukommen.82 Von Interesse sind hier vor allem die permanent beziehungsweise final injunctions. Diese markieren das Ende eines Gerichtsverfahrens, während interlocutory injunctions, vergleichbar mit einer einstweiligen Verfügung, lediglich eine vorläufige Regelung zur Sicherung des status quo bewirken.83 77
Burrows, Remedies, S. 456 ff.; Covell/Lupton, S. 236 ff.; vgl. Rheinstein, S. 138 ff. Allgemein zu coercive remedies Dobbs, S. 5 ff. 79 Burrows, Remedies, S. 511 f.; Hasen, S. 143; Kötz, AcP 174 (1974), 145, 149, übersetzt den Begriff injunction folgendermaßen: „ein[…] Befehl, eine Anordnung, eine Weisung, durch die das Gericht dem Beklagten ein bestimmtes Verhalten gebietet oder verbietet.“ 80 Burrows, Remedies, S. 513; Zakrzewski, S. 124 f.; der Kläger muss eine Art Begehungsgefahr darlegen (“show that the tort is highly probable to occur and to occur imminently”), vgl. Emmet, S. 68; Attorney-General v. Corporation of Manchester [1893] 2 Ch. 87; s. a. Kötz, AcP 174 (1974), 145, 152. 81 Vgl. Neufang, S. 203. 82 Burrows, Remedies, S. 512; dazu u. § 8 I 2 b). 83 Vgl. für England Burrows, S. 513; für Australien Covell/Lupton, S. 264. Mitunter werden Unterlassungsanordnungen zur Sicherung eines Gerichtsverfahrens abgegrenzt. Dazu zählen Anton Piller injunctions (search orders zur Beweissicherung), Mareva injuntions (Anordnungen zum Zwecke der Vermögenssicherung), anti-suit injunctions (zur Sicherung der Gerichtszuständigkeit) aber auch interlocutory injunctions (zur einstweiligen Sicherung), vgl. Covell/Lupton, S. 264 f. Ein materieller Klagegrund (cause of action) braucht dabei nicht vorzuliegen (Covell/Lupton, S. 271). Die Möglichkeit derartiger Anordnungen folgt aus der Zuständigkeit des Gerichts. Solche das Verfahren vorbereitende beziehungsweise absichernde 78
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§ 1 Das anglo-amerikanische „remedy-System“
II. Das Verhältnis von rights und remedies Unabhängig davon, ob remedies tendenziell prozessualer oder materieller Natur sind, und unabhängig davon, wie weit oder wie eng man den Begriff fasst, geht es im „Recht der Rechtsbehelfe“ vor allem um die Reaktion der Rechtsordnung auf Unrecht beziehungsweise rechtlich nicht erwünschte Zustände.84 Das Augenmerk soll nun auf das Zusammenspiel von materiellen Rechten im engeren Sinne (substantive rights/ordinary rights, vielfach ist in diesem Zusammenhang einfach nur von rights die Rede) und deren Durchsetzung mittels remedies gerichtet werden. Dem anglo-amerikanischen Rechtskreis wird schließlich nachgesagt, streng zwischen rights und remedies zu trennen. Im Einzelnen wird freilich auch hier unterschiedlich differenziert. Dessen ungeachtet erfährt die zentrale Rolle der Rechtsverletzung regelmäßig besondere Betonung (1.). Praktisch findet sich die Kette right – wrong – remedy vor allem im Vertrags- und Deliktsrecht (2.). Im Bereicherungsrecht verhält es sich hingegen anders (3.).
1. Die Rechtsverletzung als Verbindungselement im Zusammenspiel unterschiedlicher Rechtekategorien Wenn es nun gilt, das Verhältnis von „Rechtsfolgen“ und „Rechten“ im „remedy-System“ zu ordnen, stechen zunächst die Analysen deutscher Beobachter ins Auge. Weller meint, dass sich das „Rechtsbehelfsmodell“ „durch die Trennung von Primärrechten, den primary rights, einerseits und den ihrer Verwirklichung dienenden Rechtsbehelfen, den remedies, andererseits“ [auszeichnet].85 Tatsächlich wird die Trennung von rights und remedies vielfach hervorgehoben.86 Neufang macht hingegen spezifisch für das amerikanische Recht „[d]as Denken in den Kategorien von Rechtsverletzung und remedy“ als „Eigentümlichkeit“ aus.87 Er zitiert dabei Laycock, der sein Werk Modern American Remedies in diesem Sinne mit dem bereits oben referierten Satz einleitet: Verfügungen sind hier nicht von Interesse. Es handelt sich nicht um remedies im engeren Sinne, die unmittelbar materielle Rechte verwirklichen, vgl. Zakrzewski, S. 45. 84 Barker, 57 C. L.J. (1998), 301, 319, spricht von primary injustices. 85 Weller, JZ 2008, 764, 764, 767 f. 86 Adar/Shalev, 23 Tul. Eur. & Civ. L. F. (2008), 111, 113 f., 121; Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 83 ff.; Hammond, S. 87, 89, 90 f.; Barker, 57 C. L. J. (1998), 301 f., 319 ff.; Dobbs, S. 22 ff.; die Rede ist auch von einer Trennung von liability und remedy, vgl. Evans, 23 Syd. L. R. (2001), 463, 480, 481; Smith, 125 H. L. R. (2012), 1727 ff.; Burrows, English Private Law, Rn. 21.02 (“[…] there is a division […] between issues going to liability […] and issues going to remedies”). 87 Neufang, S. 240, 242 ff., 406 f.; die Rechtsverletzung als Klagevoraussetzung soll „als allgemeines Prinzip betrachtet” werden, das auch für „Forderungen“ gelten soll.
II. Das Verhältnis von rights und remedies
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“A remedy is anything a court can do for a litigant who has been wronged or is about to be wronged.”88
Die zentrale Rolle der Rechtsverletzung taucht auch bei Burrows auf. In der Einleitung seines Standardwerks Remedies for Torts and Breach of Contract schreibt er: “[…] this book examines what a person can obtain from a court to counter an infringement (or threatened infringement) of his or her legal rights by a tort or breach of contract.”89
Den Ausgangspunkt bilden nach dieser Definition jedoch Rechte (“legal rights”).90 Wie es um das Verhältnis von Rechten und deren Durchsetzung bestellt ist, hat die englischen Rechtsgelehrten früh beschäftigt. Blackstone hat dabei die Kette Recht – Rechtsverletzung – remedy herausgearbeitet.91 Birks fasst diesen, das englische Recht bis heute prägenden Ansatz prägnant zusammen: “However, the key to Blackstone’s scheme is that it is in the nature of a sequence: a person going about his daily business has certain rights. Those rights may be violated, so that he thereby suffers a wrong. If he suffers a wrong, the law will grant him an action, which will be the instrument by which he will obtain his remedy.”92
Austin hat demgegenüber die Unterscheidung zwischen primären und sekundären Rechten herausgestellt: “Rights and duties not arising from delicts, may be distinguished from rights and duties which are consequences of delicts, by the name of ‘primary’ (or principal). Rights and duties arising from delicts, may be distinguished from rights and duties which are not consequences of delicts by the name of ‘sanctioning’ (or ‘secondary’).”93
Entscheidend war für ihn, dass primäre Rechte unverletzt gedacht werden können.94 In einer Welt, in der die Rechte bedingungslos befolgt würden, be88 Laycock, S. 1; s. a. Lawson, S. 1, 3 f.; J. Fischer, S. 1 ff.; Adar/Shalev, 23 Tul. Eur. & Civ. L. F. (2008), 111, 115; “Remedies are the law’s response to a wrong (or, more precisely to a cause of action)”, Attorney General v. Blake [2001] 1 A. C. 268, 284 (Lord Nicholls). 89 Burrows, Remedies, S. 1; vgl. zur Trennung von wrongs und remedies Wright, Sing. J. Legal Stud. (2001), 300, 313 ff. 90 Remedies sind auf vorgelagerte Rechte bezogen, Australian Broadcasting Corporation v. Lenah Game Meats Ltd. [2001] H. C. A. 63 (“[…] an injunction is a curial remedy. Because it is a remedy, it is axiomatic that it can only issue to protect an equitable or legal right or, which is often the same thing, to prevent an equitable or legal wrong”, Gaudron J., Rn. 60). 91 Blackstone, Commentaries on the Laws of England, Buch I–IV, insbesondere Buch I Kapitel I und Buch III Kapitel II. 92 Birks, 20 O. J. L. S. (2000), 1, 5; Waters, 64 Sask. L. Rev. (2001), 429, 435, bildet die Kette Liability – Breach – Remedy. 93 Austin, S. 788. 94 Austin, S. 791: “I will define primary rights and duties to be those which do not arise from violations of other rights or duties directly.”
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§ 1 Das anglo-amerikanische „remedy-System“
dürfte es keiner sekundären Rechte.95 Holland, der entsprechend von “rights ‘antecedent’” und “rights ‘remedial’” spricht, sieht den Unterschied ähnlich darin, dass erstere „um ihrer selbst willen“ bestehen, während letztere wegen einer Verletzung als Ersatz für erstere gewährt werden (“given merely in substitution or compensation”).96 Nur einen Perspektivenwechsel begründet die Unterscheidung von primary obligations und secondary obligations, die vor allem im Vertragsrecht hochgehalten wird.97 Dieser Ansatz, der Pflichten in den Mittelpunkt rückt, geht auf Lord Diplock zurück. So erklärt er beispielsweise in Lep Air Services:98 “But for his primary obligations there is substituted by operation of law a secondary obligation to pay to the other party a sum of money to compensate him for the loss he has sustained as a result of the failure to perform the primary obligations.”99
Das Vertragsrecht kann ohne Weiteres zugleich aus der Perspektive des Gläubigers dargestellt werden. So kann von einem “right to the performance of a contractual obligation”100 oder von einem “right […] of a purchaser to have his goods delivered to him”101 – jeweils nicht gleichzusetzen mit dem remedy specific performance102 – gesprochen werden.103 Dies führt zurück zur allgemeineren Unterscheidung zwischen primären Rechten und sekundären Rechten, wobei eben die Rechtsverletzung als Verbindungselement erscheint.104 Primäre Rechte beschreiben dabei eine ursprüngliche Berechtigung. Sekundäre Rechte haben dienende Funktion.105 Ihre spezifische Funktion liegt darin, dass sie dem primären Recht mittelbar zur Wirksamkeit verhelfen sollen.106 Bedeutsam ist dies zum einen, wenn die unmittelbare Durchset95 Austin, S. 790; Holland, S. 147 f.; Pomeroy, § 1, S. 1; remedies interessieren ausschließlich im Konfliktfall, Albers, ZEuP 2012, 687, 691. 96 Holland, S. 147 f. 97 Vgl. nur Attorney General v. Blake [2001] 1 A. C. 268, 297 f. (Lord Hobhouse); Riehm, S. 220 f., 241 f. 98 Zur Analyse wichtiger Urteile Lord Diplocks Dickson, 9 O. J. L. S. (1989), 441 ff. 99 Moschi v. Lep Air Services Ltd. [1973] A. C. 331, 350. 100 Smith, Law of Damages, S. 33, 37. 101 Holland, S. 147; s. a. Pearce/Halson, 28 O. J. L. S. (2000), 73, 75. 102 Vgl. Pearce/Halson, 28 O. J. L. S. (2000), 73, 75: “The most obvious means of vindicating the claimant’s right to performance of the contract is to order the defendant to perform. Where the relevant obligation is to convey an interest in land, refrain from doing something, or pay a sum of money, the English courts will generally vindicate the claimant’s corresponding right by specific performance prohibitory injunction, or judgment for the fixed sum.” (Hervorhebung nicht im Original). 103 Vgl. Wright, S. 8; Pomeroy, § 1, S. 1 f., Weller, S. 141. 104 Wright, S. 3; Covell/Lupton, S. 4 f.; Zakrzewski, S. 13; was als primäres beziehungsweise sekundäres Recht gilt, ist bisweilen umstritten, Zakrzewski, S. 15, 16; s. a. Tilbury, S. 1 f., Rn. 1003. 105 Barker, 57 C. L. J. (1998), 301, 319. 106 Zakrzewski, S. 165.
II. Das Verhältnis von rights und remedies
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zung der Primärverpflichtung (mittels des remedy specific performance oder einer injunction) praktisch nicht weiterführt. Eine Unterlassungspflicht durch eine Unterlassungsanordnung durchzusetzen, macht eine geschehene Rechtsverletzung nicht ungeschehen. Der Berechtigte ist in diesem Beispiel auf ein sekundäres Recht angewiesen.107 Zum anderen benötigt der Berechtigte ein sekundäres Recht, wenn der unmittelbaren Durchsetzung des Primärrechts bestimmte Interessen oder Wertungen entgegenstehen. So ist beispielsweise die Leistung persönlicher Dienste aus „policy-Gründen“ nicht direkt durchsetzbar.108 Zakrzewskis neuerer Ansatz basiert ebenfalls auf der kategorialen Unterscheidung zwischen Rechtszuweisung und Rechtsdurchsetzung. Wie bereits angesprochen, unterscheidet er materielle Rechte (genauer: primary rights und secondary rights) und gerichtliche Anordnungen in Form von replicative remedies (genauer: common law remedies, equitable remedies und statutory remedies) zu ihrer Durchsetzung.109 Auch wenn das primäre Recht beziehungsweise das sekundäre Recht durch die gerichtliche Anordnung inhaltlich nicht verändert wird, handelt es sich bei der gerichtlichen Anordnung um ein aliud zum materiellen Recht.110 Man müsse unterscheiden, mit welchem materiellen Recht (substantive right) der Kläger bei Gericht erscheint und mit welchem remedy er das Gericht wieder verlässt.111 In der Tat ist nicht jedes Recht direkt durchsetzbar. In einem solchen Fall treten sekundäre Rechte auf den Plan.112 “The need for secondary rights arises because […] some primary rights are not replicated in court orders or pronouncements […]. Secondary rights thus supplant or reinforce infringed primary rights so that the latter may be given at least indirect effect by the court. They supplant primary rights where the latter cease to exist on infringement; they reinforce primary rights where the later continue to exist but for some reason replication would not adequately effectuate the primary right in question.”113
Zakrzewski kann vorgeworfen werden, ebenfalls keine stringente Klassifizierung zu bieten. Teils baut seine Systematisierung auf einem Zweierschritt auf, teils auf einem Dreierschritt.114 Kann ein primäres Recht direkt durchgesetzt 107 Zakrzewski, S. 165; Gleiches gilt, wenn das primäre Recht durch die Rechtsverletzung erlischt (z. B. das Recht auf körperliche Integrität im Falle eines Totschlags), Zakrzewski, S. 104 f. 108 Zakrzewski, S. 59 ff., 103, 105, 165. 109 Zakrzewski, S. 84 (Abb. 5.1), S. 103 ff. (Kap. 7–12); daneben grenzt er transformative remedies ab; durch sie wird etwas angeordnet, was in dieser Form materiellrechtlich nicht vorgegeben ist, Zakrzewski, S. 203 ff. 110 Vgl. Zakrzewski, S. 92 f., 137 (“Contractual rights continue to exist after the remedy is given”); bereits o. § 1 I. 111 Zakrzewski, S. 103. 112 Zakzrewski, S. 53 ff. 113 Zakrzewski, S. 165. 114 Vgl. zu diesem Gedanken Birks, 20. O. J. L. S. (2000), 1, 30. Er setzt sich insoweit
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werden, gibt es nur die Unterscheidung zwischen dem primary right (z. B. right to restitution) und dem gerichtlich angeordneten replicative remedy.115 Sekundäre Rechte spielen keine Rolle. Auch ein Eigentumsrecht kann auf diese Weise direkt eingeklagt werden, ohne dass es wie im deutschen Recht eines § 1004 BGB vergleichbaren sekundären Rechts bedarf.116 Kann ein primäres Recht hingegen nicht unmittelbar eingeklagt werden (z. B. das vertragliche Recht auf Lieferung der Kaufsache), sind drei Ebenen zu unterscheiden: An die Stelle des primären Rechts tritt ein sekundäres Recht; dieses Recht wiederum wird dann in Form einer gerichtlichen Anordnung neu ausgesprochen (“If the action is successful, the court’s command will give rise to a new duty to pay compensation (the remedy) that restates and thus authoritatively confirms the prior secondary duty”).117 Prozessualen Anordnungen stehen mal ein, mal zwei materielle Rechte voraus.
2. Beispiele für die Kette right – wrong – remedy Das Denken in Kategorien von Rechten und remedies (in einem weiteren Sinne) und die zentrale Bedeutung von Rechtsverletzungen (wrongs)118 als das Rechtsfolgen auslösende Moment ist vor allem im Vertrags- und Deliktsrecht anzutreffen. “In our own jurisdiction, the same approach [analytical divide between remedy and right] is so well established in contract and tort that it is regarded as almost entirely uncontroversial.”119
Unter einem rechtsvergleichenden Blickwinkel wird herausgestellt, dass die vertraglichen primary rights weniger von Interesse sind, da das Recht vollständig erst über eine Analyse der remedy-Ebene erfasst werden kann.120 So mag zwar das primäre Recht des Käufers zur Lieferung der gekauften Waren bereits mit Vertragsschluss entstehen.121 Ein breach of contract, wozu ausdrücklich die Nichtleistung zählt, wird dessen ungeachtet regelmäßig nur mit dem remedy Schadensersatz (damages) sanktioniert. Theoretisch kann Erkritisch mit der Rechtsansicht von Barker, 57 C. L. J. (1998), 301, 319 ff., auseinander. Dazu sogleich u. im Text. 115 Zakrzewski, S. 103 ff. 116 Vgl. Zakrzewski, S. 121 ff., 126, 129 ff.; vgl. auch u. § 2 II 2. 117 Vgl. Zakrzewski, S. 54 ff., 134 ff., 165 ff., 166; während Zakrzewski bei Unterlassungsverfügungen auf ein primäres Recht zurückgreifen kann, muss er dieses bei dem „sekundären Recht“ Gewinnherausgabe konstruieren, um seinen Ansatz der „gerichtlichen Verdoppelung“ des materiellen Rechts durchzuhalten, Zakrzewski, S. 187 und S. 50 f. 118 Der Begriff umfasst sowohl vertragliches wie deliktisches Unrecht; vgl. Lawson, S. 3 f., der den Begriff besonders weit versteht; zu Restitution for Wrongs Virgo, Part IV, S. 423 ff. 119 Barker, 57 C. L. J. (1998), 301, 302. 120 Vgl. Weller, S. 123, mit Blick auf Rheinstein, S. 242 ff. 121 Weller, 139 f., 400 f.
II. Das Verhältnis von rights und remedies
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füllung (specific performance) nur ausnahmsweise verlangt werden, obgleich der Inhalt des Vertrags auf Naturalerfüllung ausgelegt ist. Nur in diesem Fall ordnet das Gericht an, dass der Beklagte genau das zu tun hat, was er nach dem materiellen Recht zu tun hätte.122 Keine Aufmerksamkeit bekommt hier ausdrücklich die Frage, ob ein Erfüllungszwang die Regel oder die Ausnahme sein sollte.123 Es interessiert einzig, dass Erfüllung als Rechtsfolge einer separaten, eigenständigen Entstehungsvoraussetzungen unterliegenden gerichtlichen Anordnung bedarf.124 Selbst wenn Naturalerfüllung die Regel wäre, bleibt die analytische Trennung zwischen breach of contract und der einschlägigen Sanktion bestehen. Die Nichtleistung erscheint als wrong, der abzuhelfen ist. Vertrauter sind dem deutschen Juristen sowohl der Begriff der Rechtsverletzung als auch die Trennung von Recht und Rechtsdurchsetzung bei Ausschließlichkeitsrechten (vgl. nur §§ 903 BGB i. V. m. § 1004 I BGB).125 So ist beispielsweise im US-Patentrecht über 35 U. S. Code § 154 (a) (Patents) dem Patentinhaber ein Ausschließlichkeitsrecht zugewiesen. Die Durchsetzung dieses “right to exclude” ist explizit einer anderen Norm, der Regelung des 35 U. S. Code § 283 (Injunction), vorbehalten. Dort sind die Voraussetzungen für den Zuspruch einer Unterlassungsanordnung kodifiziert. Diese Unterscheidung betont auch der US Supreme Court: “But the creation of a right is distinct from the provision of remedies for violations of that right.”126
Auch im Falle von Verhaltensunrecht findet sich die Zweiteilung. Dies lässt sich beispielsweise beim tort of passing off nachweisen127 oder beim tort of negligence, wo es um die Verletzung von Sorgfaltspflichten geht.128 Ausgangspunkt ist hier die Verwirklichung eines Unrechtstatbestands, der dann bestimmte remedies auslösen kann. Auch wenn hier nicht ausdrücklich von einem Recht am „Goodwill“ oder einem Recht auf Nicht-Störung die Rede ist, erscheint das jeweilige remedy klar vom Deliktstatbestand abgrenzbar und einer eigenständigen Betrachtung zugänglich.129 Die Betonung liegt hier nur weniger auf einer Rechts- als auf einer Pflichtverletzung. Bereits oben wurde angedeutet,
122 Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 109 ff.; Weller, S. 143, 402 ff.; Riehm, S. 120 ff.; vgl. Holmes, 10 H. L. R. (1897), 457, 462. 123 In diesem Sinne auch u. § 5 I 3. 124 Weller, 400 ff.; ders, JZ 2008, 764, 768. 125 Dazu u. § 2 II und § 5 III 2. 126 eBay Inc. v. MercExchange L. L. C., 547 U. S. 388, 392 (2006). 127 Beispielsweise My Kinda Town Ltd. v. Soll [1982] F. S. R. 147, mit Blick auf account of profits. 128 Weir, S. 29 ff.; vgl. Donoghue v. Stevenson [1932] A. C. 562. 129 Vgl. Weir, S. 150.
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§ 1 Das anglo-amerikanische „remedy-System“
dass allgemein nicht ausschließlich von rights und remedies, sondern (auch) von obligations und remedies gesprochen wird.130
3. Sonderfall Bereicherungsrecht Nicht jede Rechtsfolgenanordnung baut jedoch auf einer Rechtsverletzung auf. Die Rede ist von “not-wrongs”.131 Ob daher insbesondere dem Bereicherungsrecht eine strikte Trennung zwischen rights und remedies zugrundeliegt (“separate remedial focus”132), ist strittig.133 Im englischen Law of Restitution wird zwischen restitution of an unjust enrichment und restitution for wrongs unterschieden.134 Relativ unproblematisch ist die Abspaltung von remedies im Falle von restitution for wrongs, also bei der Gewährung „abschöpfender“ beziehungsweise „bereicherungsrechtlicher Rechtsbehelfe“ für Rechtsverletzungen.135 Wird ein Vertrag verletzt, kann ausnahmsweise auch der vom Verletzer erzielte Gewinn herausverlangt werden.136 Ob aber eben das remedy Gewinnherausgabe (account of profits) angeordnet wird oder andere remedies ausreichend sind, ist Gegenstand heftiger Diskussionen.137 Genau dies belegt jedoch die Trennung zwischen dem (verletzten) Recht und dem einschlägigen remedy. Schwieriger wird es in Fällen, in denen nach deutscher Systematik die Leistungskondiktion einschlägig wäre. Im englischen Recht handelt es sich vergleichbar um Fälle, bei denen die ungerechtfertigte Bereicherung selbst der Klagegrund ist (unjust enrichment at the claimant’s expense).138 Wenn beispielsweise irrtümlich an den Schuldner gezahlt wird, ist eine Rückforderung 130 Vgl. Waters, 64 Sask. L. Rev. (2001), 429, 429 f. (“The apposition in my title is liability and remedy, which is coterminous for my purposes with obligation and remedy, or right and remedy”), 432. 131 Birks, 20 O. J. L. S. (2000), 1, 14, 25 ff.; vgl. Barnett/Harder, S. 4. 132 Vgl. Barker, 57 C. L.J. (1998), 301. 133 Tilbury, S. 2, Rn. 1004; Zakrzewski, S. 112 f., macht den unscharfen remedy-Begriff als Ursache aus. 134 Burrows, Restitution, S. 9, 5 (“[T]he law of restitution […] covers two different areas: restitution of an unjust enrichment, where the unjust enrichment at the claimant’s expense is the cause of action, and restitution for wrongs where a civil wrong is the cause of action.”); letzteres ist im weitesten Sinne mit der Eingriffskondiktion nach § 812 I S. 1, 2. Alt. BGB vergleichbar; die genauere Systematisierung des Law of Restitution ist umstritten, vgl. Virgo, S. 425 ff.; er will v. a. restitution for wrongs nicht auf das “unjust enrichment-principle” stützen; vgl. aber Burrows, Restitution, S. 5. 135 Vgl. Virgo, S. 425. 136 Attorney General v. Blake [2001] 1 A. C. 268; anders Experience Hendrix L. L. C. v. PPX Enterprises Inc. [2003] 1 All E. R. (Comm) 830; Vercoe v. Rutland Fund Management Ltd. [2010] EWHC 424 (Ch.). 137 Virgo, S. 492 ff.; Burrows, Restitution, S. 663 ff., 671 ff. m. w. N. 138 Burrows, Restitution, S. 4 f.
II. Das Verhältnis von rights und remedies
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über das unjust enrichment principle möglich.139 Von einem wrong kann hier allerdings nicht die Rede sein; eine Rechtsverletzung ist nicht ersichtlich.140 Das Recht auf Rückabwicklung entsteht weder erst durch eine gerichtliche Entscheidung noch kommt es auf die Verletzung einer primären Pflicht an.141 Birks schlussfolgert, dass es hier nur darum geht, dass ein primäres Recht auf Rückzahlung entstanden ist, welches dann gerichtlich durchgesetzt werden kann: “And again there is no need to turn a virtuoso somersault to show that what the court actually realizes is the right arising from the wrong of not repaying.”142
Oder in der deutschen Terminologie: Der Gläubiger hat schlichtweg einen Anspruch auf Herausgabe; eines separaten remedy bedarf es nicht.143 Freilich spiegelt eine solche Sichtweise gerade nicht den Ansatz im Vertragsrecht, wie dieses im anglo-amerikanischen Rechtskreis verstanden wird: Die Anordnung von Erfüllung in Natur erscheint als Konsequenz eines Vertragsbruchs – der Nichtleistung. Das Recht, die Leistung oder die Gegenleistung verlangen zu können, bedarf zusätzlich des remedy specific performance beziehungsweise award of an agreed sum. Die Verbindung right und remedy (“two-tier structure”)144 wird daher auf diese Weise auch im Bereicherungsrecht herausgearbeitet.145 So wird zwischen dem right to restitution und der konkret gewährten Abhilfemöglichkeit differenziert. Namentlich Burrows verteidigt hier den right/remedy-Ansatz: “Although one tends to think of restitutionary remedies as being directly triggered by the cause of action (or event) of an unjust enrichment or a wrong, it seems more illuminating to recognise that what is first triggered by the cause of action (or event) of an unjust enrichment or a wrong is the right to restitution: ie, the right to the reversal of an enrichment. A restitutionary remedy is then the means by which the right-holder effects or realises that restitutionary right. Usually the effecting or realisation of the restitutionary right involves coming to court so that most restitutionary remedies are judicial although a few are self-help remedies.”146 139
Zu “mistake” als “ground of restitution” Virgo, S. 137 ff. m. w. N. und s. a. S. 51. Birks, 20 O. J. L. S. (2000), 1, 27 ff.; Zakrzewski, S. 10 f.; ein right to restitution wäre demnach ein primäres Substanzrecht und kein remedy, vgl. a. a. O., S. 13, 16 f., 52. 141 Barker, 57 C. L. J. (1998), 301, 313 (“One concern is that not all restitutionary responses arise as a consequence of court orders. Some of them, particularly some of the proprietary responses such as resulting and constructive trusts, are triggered prior to the date of trial.”); vgl. Virgo, S. 60 f. 142 Birks, 20 O. J. L. S. (2000), 1, 28. 143 Birks war vom deutschen Recht inspiriert; allgemein zum Einfluss des civilian laws auf das englische remedy-Denken Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 89, 106. 144 Vgl. Birks, 20 O. J. L. S. (2000), 1, 29. 145 Das englische Bereicherungsrecht wurde bis zur Entscheidung Lipkin Gorman (a firm) v. Karpnale Ltd. [1991] 2 A. C. 548 über die implied-contract theory analysiert (vgl. Virgo, S. 19 ff.). Ein Vergleich zum Vertragsrecht, wo die Trennung zwischen vertraglichen Rechten und Pflichten sowie ihrer Durchsetzung durch remedies unterschieden wird, drängt sich auf. 146 Burrows, Restitution, S. 14; s. a. ders., Remedies, xi; ders., English Private Law, 140 Vgl.
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§ 1 Das anglo-amerikanische „remedy-System“
Auch Barker mahnt die analytische Trennung zwischen Recht und remedy im „Bereicherungsrecht“ an.147 Trotz des Fehlens der Rechtsverletzung als Verbindungselement ermöglicht dies ein Verständnis von remedies als Antwort auf der Rechtsordnung widersprechende Zustände (“broad notion of remedies as responses to primary injustices”).148 Oder anders formuliert: Nicht die Rechtsverletzung ist entscheidend, sondern dass eine Berechtigung durch eine andere Berechtigung ersetzt wird.149 Der Empfänger einer irrtümlich geleisteten Zahlung ist verpflichtet, diese zu erstatten, der Gläubiger hat ein entsprechendes Recht auf Rückzahlung. Zahlt der Schuldner nicht, ordnet das Gericht die Zahlung an. Dadurch wird das primäre Recht auf Rückzahlung in das Rechtsfolgenrecht auf Rückzahlung umgewandelt (“[…] court will intervene to provide the plaintiff with a substitutionary (remedial) right to have it repaid”).150 Die gerichtliche Anordnung ist dabei etwas anderes als die ursprüngliche Pflicht. “The plaintiff’s (secondary) entitlement to a court order for the restoration of the money is not the same as his (primary) entitlement to it without such an order. The order replicates the content of the primary right, but this does not make it the same thing. In truth, the right to the order is a subtle substitute for the primary right, albeit a clever and, to the casual eye, indistinguishable one.”151
Praktisch wirkt sich die Unterscheidung vor allem dann aus, wenn die Bereicherungsrückzahlung nicht in Natur, sondern in Form von Wertersatz erfolgt. Dies ist nicht nur der Fall, wenn eine Verpflichtung zur unmittelbaren Rückgabe aus Rechtsgründen nicht besteht, sondern auch, wenn die Rückabwicklung in Natur wie im Fall von Dienstleistungen faktisch ausgeschlossen ist.152 Möglich ist auch, dass die Herausgabe von Wertsteigerungen angeordnet wird (so im englischen Recht für Lebensversicherungsprämien).153 Schließlich sind dinglich wirkende Anordnungen denkbar.154 Da also unterschiedliche Rechtsfolgen auftreten können, findet Barker den “remedial focus” sinnvoll.155 Als Vorteil dieses Ansatzes sieht er ferner, dass „klares Denken“ gefördert und mehr Gerechtigkeit im Detail erreicht wird (“promise of more finely-tuned Rn. 21.02 (“restitutionary remedies respond to an unjust enrichment”); für ein einziges “personal remedy of ‘restitution of value received’”, a. a. O., Rn. 21.10. 147 Er verweist auf die USA und Kanada, wo so gedacht werde, Barker, 57 C. L.J. (1998), 301, 302; vgl. das Restatement of the Law of Restitution (American Law Institute 1937); kritisch gegenüber Barker Birks, 20 O. J. L. S. (2000), 1, 29 ff. 148 Barker, 57 C. L. J. (1998), 301, 314 (und 319). 149 Barker, 57 C. L. J. (1998), 301, 321. 150 Barker, 57 C. L. J. (1998), 301, 321. 151 Barker, 57 C. L. J. (1998), 301, 321. 152 Barker, 57 C. L. J. (1998), 301, 321 f. 153 Beispiel bei Dobbs, S. 4. 154 Barker, 57 C. L. J. (1998), 301, 322. 155 Barker, 57 C. L.J. (1998), 301, 301, 304 ff.
III. Ermessen und differenzierte Rechtsdurchsetzung
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transactional justice”).156 Rechte könnten erst dann vollumfänglich verstanden werden, wenn auch die Möglichkeiten ihrer Verwirklichung erfasst würden und umgekehrt.157 Schließlich werde ein solcher Ansatz auch in anderen Rechtsgebieten verfolgt und sei bereits jetzt im US-amerikanischen beziehungsweise kanadischen Denken im Bereicherungsrecht anzutreffen.158
III. Ermessen und differenzierte Rechtsdurchsetzung Bei allen Nuancen im Detail lässt sich feststellen, dass eine Trennung von Rechten und Durchsetzungsmöglichkeiten, zwischen rights und remedies, zwischen primären und sekundären Rechten, das anglo-amerikanische Rechtsdenken prägt. Ein Recht kann nur dann durchgesetzt werden, wenn ein entsprechendes remedy zur Verfügung steht und dessen Entstehungsvoraussetzungen vorliegen.159 Direkter Ausfluss dieser Zweistufigkeit ist ein verstärktes Problembewusstsein beim Ob und Wie der zuzusprechenden Rechtsfolge (1.). Umstritten ist freilich das Maß des richterlichen Ermessens. Oder anders formuliert: Wieviel Flexibilität ist angebracht (2.)?
1. Richterliches Ermessen beim Zuspruch von Rechtsfolgen Im anglo-amerikanischen Rechtskreis wird zwischen remedies at law und equitable remedies unterschieden. Nach traditioneller Sichtweise besteht der Unterschied darin, dass der Zuspruch letzterer im „Ermessen“ des Richters liegt (a)). Allerdings sollen nach verbreiteter Ansicht auch bei common law remedies Ermessenserwägungen eine Rolle spielen (b)). a) Ermessenserwägungen bei equitable remedies
Besonders bedeutsam ist der Dualismus zwischen rights und remedies, wenn die Anordnung einer bestimmten Rechtsfolge im „Ermessen“ des Gerichts steht (discretionary remedies).160 Vor allem ob equitable remedies gewährt werden, hat der zuständige Richter unter „Ermessensgesichtspunkten“ zu ent156
Barker, 57 C. L. J. (1998), 301, 326. Barker, 57 C. L. J. (1998), 301, 323: “[…] there is a reflexive relationship between primary and secondary rights (rights and remedies).” 158 Barker, 57 C. L. J. (1998), 301, 302 f., 326. 159 Weller, JZ 2008, 764, 768; vgl. Tettenborn, S. 3; auch Zakrzewski, S. 105, sieht die Möglichkeit, dass ein remedy nicht gewährt wird (“bars”). 160 Vgl. Berryman, S. 13 ff.; Wright, S. 7 ff.; J. Fischer, S. 3 f.; Beispiel: Prophet Plc. v. Christopher Huggett [2014] EWHC 615 (Ch); zum “Discretionary Remedialism” Evans, 23 Syd. L. R. (2001), 463, und sogleich u. im Text. 157
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§ 1 Das anglo-amerikanische „remedy-System“
scheiden.161 Einen „Anspruch“ (beispielsweise auf Naturalerfüllung) gibt es klassischerweise nicht: “Specific performance is traditionally regarded in English law as an exceptional remedy, as opposed to the common law damages to which a successful plaintiff is entitled as of right.”162
Die traditionelle Grundregel lautet, dass Erfüllung der geschuldeten Leistungs- oder Unterlassungspflicht nur verlangt werden kann, wenn dem Gläubiger mit dem Ausgleich seines potenziellen Schadens nicht ausreichend gedient wäre (adequacy-Test).163 Auch die Überlegung, ob die Vollstreckung der gerichtlichen Anordnung für das Gericht einen beachtlichen Aufwand bedeuten würde, spielt eine wichtige Rolle.164 Faktoren wie das Auftreten einer unzumutbaren Härte für den Schuldner (“severe hardship to the defendant”) sind zu berücksichtigen.165 Da Unterlassungsverfügungen zu den equitable remedies zählen,166 soll im Folgenden die Praxis der „Ermessensausübung“ insbesondere daran exemplarisch vorgeführt werden. In England gewähren die Gerichte im Bereich des Deliktsrechts prohibitory injunctions großzügig, wenn eine entsprechende Rechtsverletzung vorliegt (“as a general rule, a defendant, who interferes with a proprietary right of a plaintiff and threatens to continue to do so, will be injuncted”).167 Die Unterlassungsanordnung ist die Rechtsfolge erster Wahl (“primary 161 Dobbs, S. 10; aber auch bei legal remedies bzw. common law remedies gibt es Ermessenspielräume, z. B. bei punitive damages, vgl. Burrows, Remedies, S. 11; Zakrzewski, S. 85, 88 ff. 162 Co-operative Insurance Society Ltd. v. Argyll Stores (Holdings) [1998] A. C. 1, 11. 163 Wright, S. 3 f. (“remedial hierarchy”, die aber nicht für equitable primary rights gilt); Kötz, AcP 174 (1974), 145, 154 ff. (zum „vorbeugenden Rechtsschutz“); Burrows, Remedies, S. 458 ff. (mit Blick auf specific performance); ders., English Private Law, Rn. 21.184 ff. i. V. m. Rn. 21.180; Harris/Campbell/Halson, S. 166 ff.; Neitzel, 22 H. L. R. (1909), 161; Neufang, S. 121 ff.; Nachtigäller, S. 44 ff.; Zweigert/Kötz, § 35 IV, S. 477 ff.; Unberath, S. 263 ff.; vgl. Cunnington, S. 115 ff.; kritisch Riehm, S. 226; aus der Rechtsprechung Co-operative Insurance Society Ltd. v. Argyll Stores (Holdings) [1998] A. C. 1, 11. 164 Zweigert/Kötz, § 35 IV, S. 479 f.; Burrows, Private English Law, Rn. 21.187 ff. i. V. m. Rn. 21.180; Co-operative Insurance Society Ltd. v. Argyll Stores (Holdings) Ltd. [1998] A. C. 1, 12 f. Es will wohl überlegt sein, ob die gleichsam scharf gestellte „Waffe” des contempt of court angemessen ist. 165 Vgl. Burrows, Remedies, S. 518; Patel v. Ali [1984] Ch. 283. 166 HTC Corp. v. Nokia Corp. [2014] Bus. L. R. 217, 219 f. (“An injunction is an equitable remedy. Even if the claimant establishes that his legal rights have been infringed, and that there is a threat by the defendant to continue the infringing acts, the court has a discretion as to whether or not to grant an injunction.”). 167 Chiron Corporation and Others v. Organon Teknika Limited (No. 10) [1995] F. S. R. 325, 328; vgl. Cartier International AG v. British Sky Broadcasting Ltd. [2015] Bus. L. R. 298 Rn. 116; vgl. zu breach of confidence Peter Pan Manufacturing Corp. v. Corsets Silhouette Ltd. [1964] 1 W. L. R. 96; Lawson, S. 179 (“once the injurious character of the conduct complained of is established, injunctions are issued ‘as of course’”).
III. Ermessen und differenzierte Rechtsdurchsetzung
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remedy”).168 Prima facie besteht ein „Recht“ des Klägers, dass das Gericht eine Unterlassungsanordnung ausspricht (“claimant’s prima facie right to a prohibitory injunction”).169 Von der nach Art. 50 des Senior Courts Act 1981 eingeräumten Möglichkeit, anstelle einer Unterlassungsanordnung Schadensersatz zuzusprechen,170 wird selten Gebrauch gemacht.171 Die Regel, wonach eine injunction nur dann verfügt werden darf, wenn common law damages nicht angemessen sind, greift in vielen Fällen nicht; Schadensersatz ist meist nicht ausreichend, wenn die Wiederholung eines Eingriffs droht.172 Wann statt einer Unterlassungsverfügung Schadensersatz zugesprochen werden darf, goss Lord Justice Smith in Shelfer v. City of London Electric Lighting Co. (No. 1) in das folgende Prüfungsschema: “In my opinion, it may be stated as a good working rule that – (1.) If the injury to the plaintiff’s legal rights is small, (2.) And is one which is capable of being estimated in money, (3.) And is one which can be adequately compensated by a small money payment, (4.) And the case is one in which it would be oppressive to the defendant to grant an injunction: – then damages in substitution for an injunction may be given.”173
Hierauf wird bis heute Bezug genommen.174 Nur wenn besondere vom Anspruchsgegner darzulegende Umstände vorliegen,175 kann das Gericht von einer Unterlassungsanordnung absehen. Dies kann bei Unterlassungsverfügungen, die grob unverhältnismäßig wären (“the grant of the injunction would be grossly disproportionate to the right protected”), oder in Fällen, in denen sich der Beklagte auf gegenläufige Grundrechtspositionen beruft, der Fall sein.176 Auch wenn Unterlassungsverfügungen praktisch oft die Regel darstellen, basiert ihr Ausspruch gleichwohl nicht auf einem Automatismus.177 Lord Neuberger äußerte sich entsprechend kritisch zu den „Shelfer-Kriterien“. Selbst wenn diese (oder ähnliche) im Einzelfall nicht erfüllt sind, heißt das 168
Burrows, Remedies, S. 514; ders., Private Law, Rn. 21.208. Coventry & others v. Lawrence & another [2014] U. K. S. C. 13 Rn. 100 ff., 101, 128; vgl. Reetz/Pecnard/Fruscalzo/van der Velden/Marfé, GRUR Int. 2015, 210, 214. 170 Sec. 50: “Where the Court of Appeal or the High Court has jurisdiction to entertain an application for an injunction or specific performance, it may award damages in addition to, or in substitution for, an injunction or specific performance.” 171 Burrows, Remedies, S. 514; vgl. HTC Corp. v. Nokia Corp. [2014] Bus. L. R. 217, allerdings vor dem Hintergrund der Enforcement-RL, dazu u. § 3 III. 172 Burrows, Remedies, S. 514. 173 [1895] 1 Ch. 287, 322 f. 174 Vgl. Jaggard v. Sawyer [1995] 1 W. L. R. 269; Burrows, Remedies, S. 515. 175 Vgl. Coventry & others v. Lawrence & another [2014] U. K. S. C. 13 Rn. 121. 176 Beispiel für eine umfassende Abwägung HTC Corp. v. Nokia Corp. [2014] Bus. L. R. 217, 227 ff.; vgl. auch Navitaire Inc. v. easyJet Airline Co. Ltd. (No. 2) [2006] R. P. C. 213. 177 Burrows, Remedies, S. 516 ff.; Bently/Sherman, Part V, Chapter 48, S. 1250 f.; Jaggard v. Sawyer and another [1995] 1 W. L. R. 269, 287. (“In many cases, it is true, an injunction will be granted almost of course; but this is not always the case, and it will never be granted if this would cause injustice to the defendant.”). 169
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§ 1 Das anglo-amerikanische „remedy-System“
nicht, dass eine Unterlassungsanordnung zwingend beansprucht werden kann.178 In der Literatur wird zudem herausgestellt, dass selbst wenn Unterlassungsanordnungen gewährt werden, diese vielfach begrenzt sind: “But while the courts rarely refuse a prohibitory injunction to restrain a continuing tort, they do often suspend or restrict its operation.”179
Oder in deutscher Terminologie: Der Ausschluss beziehungsweise die Begrenzung des Unterlassungsanspruchs ist systemkonform.180 Bei vertraglichen Unterlassungsvereinbarungen (“negative covenant”) wird praktisch eine prohibitory injunction ebenfalls mehr oder weniger standardmäßig gewährt.181 Auch hier gilt die Unterlassungsanordnung als primary remedy.182 Schadensersatz genügt dem Kläger typischerweise nicht.183 In diesem Sinne heißt es in Doherty v. Allman, der bis dato als der klassische Präzedenzfall gilt: “My Lords, if there had been a negative covenant, I apprehend, according to well-sett led practice, a Court of Equity would have had no discretion to exercise. If parties, for valuable consideration, with their eyes open, contract that a particular thing shall not be done, all that a Court of Equity has to do is to say, by way of injunction, that which the parties have already said by way of covenant, that the thing shall not be done; and in such case the injunction does nothing more than give the sanction of the process of the Court to that which already is the contract between the parties. It is not then a question of the balance of convenience or inconvenience, or of the amount of damage or of injury – it is the specific performance, by the Court, of that negative bargain which the parties have made, with their eyes open, between themselves.”184
Dies steht in Kontrast zur Rechtsprechung zu positiven Leistungsversprechen, wonach diese nur dann mittels specific performance unmittelbar durchgesetzt werden, wenn der Gläubiger ein besonderes Interesse an der Leistung in Natur hat (z. B. beim Kauf eines Hausgrundstücks).185 Dahinter mag die Vorstellung stehen, dass eine gerichtliche Unterlassungsanordnung den Beklagten weniger 178 Coventry & others v. Lawrence & another [2014] U. K. S. C. 13 Rn. 102 ff., 119 ff., 123 (“Thirdly, the fact that those tests are not all satisfied does not mean that an injunction should be granted.”). 179 Burrows, Private Law, Rn. 21.210. 180 Argumente für eine großzügigere Gewährung von Schadensersatz- anstelle von Unterlassungsanordnungen findet Burrows, Remedies, S. 523 ff. 181 Anders ist dies bei mandatory injunctions, durch die dem Schuldner ein Tun aufgegeben wird, vgl. Rowan, 126 L. Q. R. (2010), 448, 449 f. 182 Burrows, Remedies, S. 527; ders., Private Law, Rn. 21.200. 183 Burrows, Remedies, S. 527; ders., Private Law, Rn. 21.200. 184 Doherty v. Allman (1878) 3 App. Cas. 709, 719 f. (L. C. Cairns); aktuelles Beispiel Prophet Plc. v. Christopher Huggett [2014] EWHC 615 (Ch); vgl. Zakrzewski, S. 128. 185 Burrows, Remedies, S. 458 ff.; Zakrzewski, S. 139; aus rechtsvergleichender Sicht Weller, S. 118 ff.; Riehm, S. 120 ff.; der Zuspruch von Schadensersatz setzt anders als im deutschen Recht kein Verschulden voraus, Raineri v. Miles [1981] A. C. 1050, 1086; vgl. Zweigert/ Kötz, S. 501; Unberath, S. 333 f.
III. Ermessen und differenzierte Rechtsdurchsetzung
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schwer trifft als die Leistungsanordnung bei positiven Leistungspflichten.186 Auch fällt die Schadensberechnung bei negativen Versprechen oft ungleich schwerer.187 Soweit die Gewährung einer Unterlassungsanordnung in der Sache dazu führt, dass der Schuldner faktisch dazu gezwungen wäre, eine positive Leistung zu erfüllen, muss die Konkurrenz zu specific performance beachtet werden (“indirect specific performance”).188 Die Wertung, dass eine solche Pflicht nicht ohne Weiteres unmittelbar durchsetzbar ist, darf nicht durch die Anordnung einer injunction konterkariert werden. Mit Blick auf Unterlassungsanordnungen zur Sicherung der Erfüllung eines Kaufvertrags ist mithin Zurückhaltung geboten.189 Gleiches gilt für Konkurrenzverbote. Es muss berücksichtigt werden, dass persönliche Dienstleistungen regelmäßig nicht in Natur durchgesetzt werden können.190 Ungeachtet dieser Sonderfälle gilt auch im vertraglichen Bereich, dass Unterlassungsanordnungen trotz der Vereinbarung eines „Unterlassungsanspruchs“ im Streitfall nicht zwingend ausgesprochen werden. Der Richter ist, namentlich wenn die drohenden Schäden sehr klein sind, nicht auf diese Rechtsfolge festgelegt, um negative Vereinbarungen zu verwirklichen.191 Nicht anders sind die Grundsätze für Unterlassungsanordnungen im australischen Recht. Ausdrücklich wird betont, dass bei der Ermessensentscheidung alternative Rechtsfolgen zu berücksichtigen sind (“[…] if justice will be best served by granting alternative relief, such as an account of profits”).192 Auch in den USA hat das Gericht im Hinblick auf die Anordnung einer Unterlassungsanordnung nach equity-Grundsätzen einen „Ermessensspielraum“. Nur unter bestimmten Voraussetzungen wird eine permanent injunction erlassen. Es gilt ein „four-factor-Test“: “According to well-established principles of equity, a plaintiff seeking a permanent injunction must satisfy a four-factor test before a court may grant such relief. A plaintiff must demonstrate: (1) that it has suffered an irreparable injury; (2) that remedies available at law, such as monetary damages, are inadequate to compensate for that injury; (3) that, considering the balance of hardship between the plaintiff and defendant, a remedy in equity is warranted; and (4) that the public interest would not be disserved by a permanent injunction.”193 186
Neufang, S. 203; Burrows, Private Law, Rn. 21.200. Burrows, Remedies, S. 528; Neufang, S. 203. 188 Burrows, Remedies, S. 529 ff.; ders., Private English Law, Rn. 21.202 ff.; specific performance wird teils ebenfalls als injunction gesehen. Beides gehört zu der Gruppe “specific relief”, Hasen, S. 143 ff., 145; vgl. Neufang, S. 204 ff. 189 Burrows, Remedies, S. 534 ff.; zur Rechtslage in Deutschland u. § 5 IV 1 c) und § 9 III 3. 190 Vgl. Lumley v. Wagner (1852) 21 L. J. Ch. 898; Burrows, Remedies, S. 530 ff.; ders., English Private Law, Rn. 21.191 ff. 191 Burrows, Remedies, S. 528 f.; ders., Private Law, Rn. 21.201. 192 Covell/Lupton, S. 270. 193 eBay Inc. v. MercExchange, L. L. C. 547 U. S. 388, 391 (2006) mit Verweis auf Weinberger v. Romero-Barcelo, 456 U. S. 305, 311 ff. (1982). 187
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§ 1 Das anglo-amerikanische „remedy-System“
Diese Grundsätze gelten für Ausschließlichkeitsrechte gleichermaßen. Selbst ob ein “right to exclude” mittels einer injunction durchsetzbar ist, steht nicht ohne Weiteres fest. Dies kann exemplarisch am Patentrecht verdeutlicht werden.194 So wird in 35 U. S. C. § 283 auf die Grundsätze der equity mit Blick auf das Patentrecht ausdrücklich Bezug genommen:195 “The several courts having jurisdiction of cases under this title may grant injunctions in accordance with the principles of equity to prevent the violation of any right secured by patent, on such terms as the court deems reasonable.”
Im Patentrecht wurde allerdings von diesem Ermessen in der amerikanischen Rechtswirklichkeit in jüngerer Vergangenheit weniger Gebrauch gemacht. Gerichte gewährten injunctions regelmäßig und vernachlässigten deren Ausnahmecharakter zusehends (“Although the district court’s grant or denial of an injunction is discretionary depending on the facts of the case […], injunctive relief against an adjudged infringer is usually granted”).196 Einen Richtungswechsel (besser: eine Rückbesinnung auf den Grundsatz) markierte die Entscheidung des Supreme Court in eBay Inc. v. MercExchange, L. L. C.197 Der Supreme Court verweist darauf, dass nach den Grundsätzen der equity eine Unterlassungsanordnung gerade kein „Automatismus“ ist.198 Die Ermessensanordnung müsse ernst genommen werden.199 Vor allem bedürfe es gründlicher Überlegung, ob ein solches Ausschlussrecht durch Schadensersatzansprüche nicht gleichwertig geschützt werden kann.200 Die Systematik des Patentgesetzes wie auch die Ausgestaltung einer injunction als Rechtsbehelf im Ermessen des Gerichts zeigten, dass selbst bei einem Ausschließlichkeitsrecht Unterlassen nicht als zwingende Rechtsfolge angesehen werden kann:201 194
Wie sogleich ersichtlich wird, ist dieses Beispiel nicht zufällig gewählt. 17 U. S. C. § 502 (a) im Hinblick auf das Urheberrecht: “Any court having jurisdiction of a civil action arising under this title may […] grant temporary and final injunctions on such terms as it may deem reasonable to prevent or restrain infringement of a copyright.” Gleichzeitig steht dem Inhaber des copyright ein “right to exclude others from using his property” zu, Fox Film Corp. v. Doyal, 286 U. S. 123, 127 (1932); 17 U. S. C. § 106; s. a. Stahl/Tashman, S. 89 ff., 101 ff. 196 Nur W. L. Gore & Associates, Inc. v. Garlock, Inc. 842 F. 2d 1275, 1281 (1988); Mulder, 22 Berkeley Tech. L. J. (2007), 67, 68 (“as a matter of course”). 197 547 U. S. 388 (2006); dazu unter ökonomischen Gesichtspunkten Heald, S. 1, 19 f.; Cotter, S. 96 ff.; zur Rezeption in Deutschland Uhrich, ZGE 2009, 59, 63 ff.; Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 788 ff.; Ntouvas, GRUR Int. 2006, 889 ff.; Trimble, GRUR Int. 2012, 514 ff.; Sonnenberg, S. 46 ff. 198 eBay Inc. v. MercExchange, L. L. C., 547 U. S. 388, 392 f. (2006); bestätigt durch Monsanto Co. v. Geertson Seed Farms 561 U. S. 139, 156 ff. (2010). 199 eBay Inc. v. MercExchange, L. L. C., 547 U. S. 388, 394. 200 Vgl. aber eBay Inc. v. MercExchange L. L.C, 547 U. S. 388, 395 (2006), Justice Roberts concurring: “This ‘long tradition of equity practice’ [granting injunctive relief readily] is not surprising, given the difficulty of protecting a right to exclude through monetary remedies that allow an infringer to use an invention against the patentee’s wishes.” 201 Für das Urheberrecht vgl. Salinger v. Colting 607 F. 3d 68 (2010). 195 Ähnlich
III. Ermessen und differenzierte Rechtsdurchsetzung
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“Both the terms of the Patent Act and the traditional view of injunctive relief accept that the existence of a right to exclude does not dictate the remedy for a violation of that right.”202
Nicht eindeutig ist die Einordnung von „Schrankenregelungen“ bei Ausschließlichkeitsrechten innerhalb der Rechtsordnungen des „remedy-Systems“. Einerseits werden Schranken (defences;203 exceptions;204 limitations205) als Beschränkungen des Schutzbereichs verstanden.206 Andererseits werden Fälle, die im Anspruchssystem über eine Begrenzung des Schutzbereichs gelöst werden, auf der „remedy-Ebene“ entschieden. Immissionen im Nachbarrecht liefern ein Paradebeispiel: Während § 906 BGB als Begrenzung des Inhalts des Eigentums erscheint,207 erfolgt im „remedy-System“ der Interessenausgleich über die richterliche Ermessensausübung beim Zuspruch einer injunction.208 Der Gedanke, dass Rechte im öffentlichen Interesse Grenzen unterliegen,209 spielt gerade bei der Rechtsdurchsetzung eine Rolle.210 Über Unterlassungsverfügungen (und Naturalerfüllung in Form von specific performance) hinaus wird die Bedeutung des richterlichen Ermessens und letztlich das Zusammenspiel unterschiedlicher Rechtsfolgen im „remedy-System“ ferner bei der Frage nach einer Gewinnherausgabe (account of profits) bei Vertragsverletzungen deutlich. In der Leitentscheidung Attorney General v. Blake ging es darum, ob der Bruch einer vertraglichen Verschwiegenheitsverpflichtung vom Gericht mittels der Anordnung eines account of profits sanktioniert werden kann. Bereits in der von Lord Nicholls vertretenen Grundregel für den Zuspruch dieser Rechtsfolge wird der flexible Charakter dieses remedy deutlich:
202 eBay Inc. v. MercExchange L. L.C, 547 U. S. 388, 396 (2006), Justice Kennedy, concurring. Dahinter steht theoretisch ein Verständnis von “property rights” als „Rechtebündel”. Auch die Ausschlussbefugnis muss daher explizit zugewiesen sein und ergibt sich nicht aus der Definition als property right, vgl. Goldhammer, S. 85 ff., 86 f. 203 Bently/Sherman, Part I, Chapter 9, S. 221 ff.; Spence, S. 18 f. 204 Bently/Sherman, Part I, Chapter 9, S. 221 ff.; Guibault, S. 20 (“exemption”). 205 17 U. S. Code § 107: Limitations on exclusive rights: Fair use; in Chapter III des englischen Copyright, Designs and Patents Act 1988 geht es um “Acts permitted”. 206 Guibault, S. 20 ff., 20 (“the most common form of limitation recognised in favour of users consists of a full exemption from the scope of the rights owner’s exclusive right”), 21 (“Exemptions essentially carve out certain uses from the scope of the rights owner’s exclusive right to prohibit”); zur „Fair-Use-Schranke” im US-amerikanischen Urheberrecht Förster, S. 22 f. 207 Dazu auch u. § 2 III 2 b). 208 Vgl. Coventry & others v. Lawrence & another [2014] U. K. S. C. 13; Boomer v. Atlantic Cement Co. 257 N. E. 2d 870 (N. Y. 1970). 209 Vgl. Bently/Sherman, Part I, Chapter 9, S. 221; Stieper, S. 7 f., 21 ff., 31 ff., 42 ff. 210 Vgl. Burrows, Remedies, S. 516 ff., wenn auch zurückhaltend, S. 518.
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§ 1 Das anglo-amerikanische „remedy-System“
“When, exceptionally, a just response to a breach of contract so requires, the court should be able to grant the discretionary remedy of requiring a defendant to account to the plaintiff for the benefits he has received from his breach of contract.”211
Ob ein solcher “exceptional case” vorliegt, hängt dann unter anderem gerade auch davon ab, ob alternative Rechtsfolgen dem Gläubiger hinreichend dienen: “Normally the remedies of damages, specific performance and injunction, coupled with the characterisation of some contractual obligations as fiduciary, will provide an adequate response to a breach of contract. It will be in exceptional cases, where those remedies are inadequate, that any question of accounting for profits will arise.”212
Ohne hier Fallgruppen, wann injunctions, specific performance oder account of profits gewährt werden, weiter zu vertiefen, geschweige denn Nuancierungen in den einzelnen common law-Rechtsordnungen zu spezifizieren, verdeutlicht der gewährte Einblick, dass die genannten Rechtsfolgen nicht ohne Weiteres zur Verfügung stehen. Auch wenn der Kläger vielfach gute Chancen hat, insbesondere eine injunction zu erstreiten, ist es systemkonform, wenn der Richter ihren Zuspruch verweigert. Der Ausschluss einzelner Rechtsfolgen ist im „remedy-System“ angelegt. Es besteht ein Bewusstsein dafür, dass die Anordnung einer alternativen Rechtsfolge unter Umständen die interessengerechtere Lösung ist. Für equitable remedies gilt dies uneingeschränkt. b) Ermessenserwägungen bei common law remedies
Dass derartige Ermessensspielräume ausschließlich das Kennzeichen von equitable remedies sein sollen, wird in der Literatur aber bestritten. Namentlich Burrows vertritt, dass es falsch ist, common law remedies mit “no discretion” gleichzusetzen.213 Auch Zakrzewski betont: “There is and has always been a degree of discretion with respect to the grant of common law remedies.”214
Gerade bei den Prinzipien, die zu einer Begrenzung des Schadensersatzes führen (z. B. remoteness; duty to mitigate; contributory negligence215 etc.), habe der Richter einen erheblichen Spielraum (“considerable discretion”).216 In den Worten von Laycock: 211
Attorney General v. Blake [2001] 1 A. C. 268, 284 f. Attorney General v. Blake [2001] 1 A. C. 268, 285. 213 Burrows, Remedies, S. 11; ders., 22 O. J. L. S. (2002), 1, 14 f.; s. a. Laycock, 56 Law and Contemporary Problems (1993), 53, 71 ff. 214 Zakrzewski, S. 89. 215 Law Reform (Contributory Negligence) Act 1945 Sec. 1 (1): “[…] but the damages recoverable in respect thereof shall be reduced to such extent as the court thinks just and equitable having regard to the claimant’s share in the responsibility for the damage”. 216 Burrows, Remedies, S. 11; Zakrzewski, S. 89 m. w. N. 212
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“There are ways in which damage remedies are more flexible than equitable remedies, and modern judges take advantage of that flexibility.”217
Während dies – vergleichbar mit § 287 ZPO218 – den Umfang beziehungsweise die konkrete Ausgestaltung der Rechtsfolge betrifft,219 werden punitive damages (auch exemplary damages) ebenfalls nur in bestimmten Fallgruppen gewährt.220 Ausdrücklich ist von Ermessen die Rede.221 Insbesondere die Höhe unterliegt nahezu dem Belieben des Richters (“almost total discretion”).222 Auch dies ist ein Beleg, dass Ermessenserwägungen jenseits von equitable remedies systemimmanent sind.223
2. Diskussionen um den Grad richterlichen Ermessens Der anglo-amerikanische Rechtskreis ist also für das Zusammenspiel unterschiedlicher Rechtsfolgen sensibilisiert.224 Diskutiert wird allerdings der Grad richterlichen Ermessens oder allgemeiner: das Maß an Flexibilität. In der strengsten Form bedeutet der Dualismus zwischen rights und remedies, dass erstere die Wertungen des rechtlichen Sollens abbilden, während letztere pragmatisch und einzelfallorientiert zu sein haben. Eine Wechselwirkung zwischen beiden Ebenen wird zugestanden, auch wenn vertreten wird, dass die Regeln, die rights beziehungsweise remedies betreffen, unterschiedliche Strukturen haben, anderen Rechtfertigungen unterliegen und verschiedenen Zielen dienen. Gerichte haben ein breites Ermessen beim Zuspruch der im konkreten Fall am besten geeigneten Rechtsfolge.225 “A dualist view […] clearly differentiates between right and remedy, particularly with respect to function. Rights should be morally aspiring, certain, and principled, while remedies are pragmatic and discretionary. The rules setting out rights and remedies have quite distinct structures, justifications, and goals.”226 217
Laycock, 56 Law and Contemporary Problems (1993), 53, 72 f. Zur Lizenzanalogie im Recht des Geistigen Eigentums BGH GRUR 2016, 176 Rn. 57 – Tauschbörse I („dem Tatrichter kommt zudem in den Grenzen eines freien Ermessens ein großer Spielraum zu“). 219 Vgl. aber den Verweis Zakrzewski, S. 89 f., auf White and Carter (Councils) Ltd. v. McGregor mit Blick auf das remedy award of an agreed sum; auch Vertragsstrafenzahlungen sind nicht ohne weiteres über dieses remedy durchsetzbar, Zakrzewski, S. 90 f. 220 J. Fischer, S. 694 ff.; 716; Hasen, S. 337 ff.; Burrows, Remedies, S. 408 ff., 421 (“[…] there should be no punitive damages if it is considered that the compensatory damages awarded are adequate to punish the defendant.”). 221 Covell/Lupton, S. 85 (“many cases refer to the court’s ‘discretion’”). 222 Burrows, Remedies, S. 421. 223 Vgl. Burrows, Remedies, S. 11. 224 Vgl. Tilbury, S. 297, Rn. 6040. 225 Vgl. Berryman, S. 14; ders., 9 O. U. C. L.J. (2010), 123, 125 f.; Wright, S. 8; CooperStephenson, S. 1, 5 f.; Barnett/Harder, S. 5. 226 Berryman, S. 14. 218
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§ 1 Das anglo-amerikanische „remedy-System“
Diesem “dualist view” wird ein integrierender beziehungsweise vermittelnder Ansatz (“integrationist view” beziehungsweise “moderate monists/dualists approach”) gegenübergestellt.227 Auch danach werden rights und remedies strukturell getrennt; eine mehr oder weniger starke Wechselwirkung zwischen den beiden wird allerdings zugestanden, jedoch ohne dass der Zuspruch einer bestimmten Rechtsfolge „mechanisch“ erfolgt. Es gibt regelmäßig einen „Standard-Rechtsbehelf“ (“default remedy”), wobei es die Umstände des konkreten Falles dem Gericht erlauben, eine Alternativrechtsfolge anzuordnen.228 Oder in den Worten Berrymans: “Under this approach an adjudicator is often seen as moving backward and forward along the axis, in fashioning both a right and a remedy, informed by studying the other respective end of the axis.”229
Vergleichbar betont Friedmann: “Rights and remedies are inter-related, though the relationship is subtle and complex.”230
Einem monistischen Ansatz (“monistic view”), der Rechtsbehelfe mit den Rechten untrennbar verwoben sieht (“remedies as being inseparable from rights”), wird in der anglo-amerikanischen Literatur hingegen – bisweilen ausdrücklich – nicht gefolgt.231 Bricht man diese Frage der Flexibilität auf die Frage nach richterlichem Ermessen herunter, stellt sich folgende Frage: Hat ein Gericht starkes oder schwaches Ermessen? Ist der Richter mehr oder weniger frei, wenn es darum geht, das im konkreten Fall bestmögliche remedy zuzusprechen, oder hat er sich an festen Regeln zu orientieren? Eine jüngere Strömung in der Literatur spricht sich für ein möglichst starkes gerichtliches Ermessen aus.232 Es findet sich die Bezeichnung discretionary remedialism.233 Einer gerichtlichen Anordnung, auf die man „Anspruch“ hat (“order as of right”), wird eine An227 Berryman, S. 14; ders., 9 O. U. C. L.J. (2010), 123, 126; Barnett/Harder, S. 5, 7 f.; Cooper-Stephenson, 1, 5 f.; Wright, S. 8 f.; ders., Sing. J. Legal Stud. (2001), 300, 322 f. 228 Vgl. Gewirtz, 92 Y. L. J. (1983), 585, 591 ff. (“Interest Balancing”-approach, der einem “Rights Maximizing”-approach gegenübersteht); Barker, 57 C. L. J. (1998), 301, 323; s. a. Fischman Afori, IIC 2014, 889, 891. 229 Berryman, S. 14; s. a. Wright, S. 8, 9 (“a ‘sticky’ relationship between the primary right and the secondary right”); ders., Sing. J. Legal Stud. (2001), 300, 322 f. 230 Friedmann, 113 L. Q. R. (1997), 424, 425. 231 Berryman, S. 14 f.; Wright, S. 8 ff., 11; ders., Sing. J. Legal Stud. (2001), 300, 319 ff., 322 f; Cooper-Stephenson, S. 1, 5 f.; der monistische Ansatz soll aber im englischen Recht zu finden sein Barnett/Harder, S. 4 f.; beide folgen dem vermittelnden Ansatz, a. a. O., S. 5. 232 Zur Unterscheidung zwischen starkem und schwachem Ermessen, Dworkin, S. 31 ff.; vgl. Coventry & others v. Lawrence & another [2014] U. K. S. C. 13 Rn. 120, 123 und Rn. 121. 233 Diese u. a. in Australien verbreitete „Schule“ wird in England vor allem von ihren Gegnern beschrieben. Den einen Vertreter soll es dabei nicht geben (etwa aber Evans, 23 Syd. L. R. (2001), 463); Überblick über den Meinungsstand bei Jensen, Sing. J. Legal Studies
III. Ermessen und differenzierte Rechtsdurchsetzung
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ordnung, auf die man keinen „Anspruch“ hat (“order given in court’s ‘strong’ discretion”), gegenübergestellt.234 Von Rechten auf bestimmte Rechtsfolgenanordnung kann in solchen Fällen nicht ausgegangen werden.235 Welche Rechtsfolge die am besten geeignete ist, soll vom Richter von Fall zu Fall mehr oder weniger frei entschieden werden.236 Eine strenge Bindung an Präjudizien soll es nicht geben. “Reported cases are merely illustrations of circumstances in which particular judges have exercised their discretion, in some cases by granting an injunction, and in others by awarding damages instead. Since they are all cases on the exercise of a discretion, none of them is a binding authority on how the discretion should be exercised. The most that any of them can demonstrate is that in similar circumstances it would not be wrong to exercise the discretion in the same way. But it does not follow that it would be wrong to exercise it differently.”237
Dies gipfelt darin, dass konkret proprietary remedies als Zuweisungsentscheidungen verstanden werden sollen (“distributive analysis of proprietary remedies”), wodurch letztlich „neue Rechte“ geschaffen würden.238 Während die einen die Flexibilität des Gerichts rühmen, das optimale remedy situationsadäquat auszuwählen, und der Einzelfallgerechtigkeit das Wort reden,239 befürchten andere ohne klare Regelbindung Rechtsunsicherheit und Stabilitätsverluste.240 Es würde zu einer rechtsstaatlich unerwünschten Machtverlagerung zugunsten der Gerichte kommen, die diese letztlich überfordert.241 De lege lata ist das gerichtliche Ermessen in den einschlägigen Fällen dank einer Vielzahl von Präjudizien praktisch freilich schwach.242 So führt Birks aus: (2003), 178, 180 ff.), vgl. Birks, 29 U. W. A. L.R. (2000), 1, 6 ff., 8; Burrows, Remedies, S. 11 (Fn. 12); Wright, S. 7 ff., Barnett/Harder, S. 4 f. und Berryman, S. 14 f. 234 Zakrzewski, S. 17 f.; vgl. Evans, 23 Syd. L. R. (2001), 463, 480 ff., 485 ff.; der Übergang ist graduell und oft praktisch weniger umstritten, als die verwendeten Begriffe suggerieren. 235 Zakrzewski, S. 51 (“a discretionary secondary right is a contradiction in terms”); Evans, Syd. L. R. (2001), 463, 480 ff., 483; vgl. Smith, Law of Damages, S. 33, 44 f.; Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 105 f. 236 Evans, 23 Syd. L. R. (2001), 463 und 464; vgl. Birks, 29 U. W. A. L.R. (2000), 1 ff. 237 Jaggard v. Sawyer [1995] 1 W. L. R. 269, 288 (CA). 238 Evans, 23 Syd. L. R. (2001), 463, 464, 476 ff., 479. 239 Waters, 64 Sask. L. Rev. (2001), 429, 438; Evans, 23 Syd. L. R. (2001), 463, 482; Barnett/Harder, S. 7 f. 240 Birks, 20 O. J. L. S. (2000), 1, 23 f.; vgl. Barker, 57 C. L. J. (1998), 301, 313 f., 317; Jensen, Sing. J. Legal Studies (2003), 178, 179 f. 241 Birks, 20 O. J. L. S. (2000), 1, 23 f.; ders., 29 U. W. A. L.R. (2000), 1, 8 ff., 15 ff. 242 Birks, 20 O. J. L. S. (2000), 1, 16; Zakrzewski, S. 91 f.; im Laufe der Zeit bilden sich klare Regeln heraus, vgl. a. a. O., S. 88; Barker, 57 C. L. J. (1998), 301, 317; zur Bindungswirkung von Präjudizien im Hinblick auf Ermessen freilich kritisch Jaggard v. Sawyer [1995] 1 W. L. R. 269, 288 (Millett L. J.); Streit herrscht eben darum, was genau unter „schwach“ bzw. „stark“ zu verstehen ist, vgl. Jensen, Sing. J. Legal Studies (2003), 178, 184 ff. (“Courts
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§ 1 Das anglo-amerikanische „remedy-System“
“Where there is a discretion, it is now weak and rule-based. Specific performance, for instance, is said to be discretionary, but we know when it will and will not be given.”243
Ähnlich argumentiert Burrows:244 “Both common law and equitable remedies are granted or refused in accordance with clearly established rules and principles.”245
Auch in der Rechtsprechung wird Zurückhaltung bei der „Ermessensausübung“ angemahnt. Nachdrücklich betont beispielsweise Lord Mansfield die Vorherrschaft rechtlicher Regelungen: “Discretion, when applied to a Court of Justice, means sound discretion guided by law. It must be governed by rule not by humour: it must not be arbitrary, vague and fanciful, but legal and regular.”246
In der Sache geht es letztlich nicht um „Ermessen“, sondern darum, dass bestimmte Rechtsfolgen – nicht zuletzt mit Blick auf die Beratungspraxis – mehr oder weniger klar definierten Beschränkungen unterliegen,247 zumal ein Gericht auch beim Zuspruch von Schadensersatz einen beachtlichen Spielraum hat – obgleich hier nicht von “discretion” die Rede ist.248 “Secondly, it is often said, that, unlike damages, specific performance is a discretionary remedy. This is a misleading contrast. […], but also because the law of specific performance is relatively clear and certain. In truth, the description ‘discretionary’ makes the essentially trivial point that, while there are no bars on damages, which are therefore available as of right for breach of contract (or a tort), there are numerous, albeit clearly established, bars to specific performance.”249
Manche wollen noch weiter gehen: Dem einschlägigen equitable remedy soll ein entsprechendes sekundäres Recht vorausliegen.250 Wird beispielsweise should exercise their discretion according to the same standards that have been applied in previous cases.”). 243 Birks, 20 O. J. L. S. (2000), 1, 24. 244 S. a. Burrows, Judicial Remedies, Ch. 18 Rn. 18.168 ff., 18.185, 18.186 ff. 245 Burrows, Remedies, S. 11. 246 Rex v. Wilkes (1770) 4 Burr. 2527, 2539; s. a Haywood v. Cope (1858) 25 Beav. 140, 151 (Lord Romilly MR). 247 Co-operative Insurance Society Ltd. v. Argyll Stores (Holdings) [1998] A. C. 1, 16; anders Evans, 23 Syd. L. R. (2001), 463, 480 ff.; vgl. Loughlan, 17 Melb. U. L. Rev. (1989), 132, 135; vermittelnd Jensen, Sing. J. Legal Studies (2003), 178, 188 ff. 248 Burrows, Remedies, S. 457; vgl. Fischman Afori, 29 Cardozo Arts & Ent. L. J. (2011), 1, 35 f.; vgl. Zakrzewski, S. 89. 249 Burrows, Remedies, S. 457 (ohne Fußnoten); ähnlich ders., English Private Law, Rn. 21.165. 250 Birks, 29 U. W. A. L.R. (2000), 1, 13; skeptisch Evans, 23 Syd. L. R. (2001), 463, 467 ff., 474; vgl. Neufang, S. 248; Jensen, Sing. J. Legal Studies (2003), 178, 193 ff.; als Frage aufgeworfen von Remien, Festschrift Hondius, S. 321, 325: “Or can one say that the remedy is the right in the situation of non-performance? At any rate, where there are restrictions on obtaining a court order for enforced performance, there is either a limitation of the obligee’s
III. Ermessen und differenzierte Rechtsdurchsetzung
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account of profits angeordnet, soll dem in der Sache ein „sekundäres Recht auf Gewinnherausgabe“ zugrundeliegen.251 “[…] it is submitted that the discretion reserved by Lord Nicholls is a rule-building discretion which will narrow over time rather than a rule-failure discretion which will always be exercised afresh. […] Thus, it seems that where events materially similar to those in the Blake case occur, a secondary right to an account of profits and a consequent secondary right to restitutionary damages do arise.”252
Da sich praktisch gut vorhersagen lässt, unter welchen besonderen Umständen specific performance gewährt wird, lässt sich durchaus von einem Recht auf die Anordnung von specific performance reden.253 Gleiches gilt für ein right to an injunction.254 Es ist gut möglich, ein entsprechendes Recht zu sehen.255 Ob damit wie im deutschen Recht ein „Anspruch“ gegenüber einem privaten Dritten gemeint ist oder ob es um ein Recht gegenüber dem Gericht im Sinne eines Anspruchs auf eine entsprechende gerichtliche Anordnung geht, ist eine andere Frage.256 Klar ist, dass sich in der Tat eine umfangreiche Kasuistik findet, wann Unterlassungsverfügungen, Naturalerfüllung, Gewinnherausgabe etc. angeordnet werden.257 Es empfiehlt sich, diese „Regelbasiertheit“ jedenfalls bei der Übersetzung des Begriffs discretionary im Kontext von judicial remedies begrifflich abzubilden.258 Der Sache nach geht es um Interessenabwägungen, nicht um richterliches „Ermessen“.259 Während der Begriff Ermessen entitlement in case of non-performance or, in other terms, a divergence between the right and the remedy.” Zum Vertragsrecht in internationalen Regelungswerken insbesondere u. § 3 III 2 und § 4 III. 251 Zakrzewski, S. 187; traditionell liegt hier aber gerade kein Recht voraus, vgl. Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 105 f. 252 Zakrzewski, S. 187; s. a. ders., S. 85 ff., zu “‘rule-building’ discretion”, a. a. O., S. 88. 253 Birks, Proprietary Rights, S. 214, 217 (“Specific performance is technically discretionary but the discretion has so settled down that it is perfectly possible to describe the facts upon which a party will have a right to that remedy.”); Neufang, S. 156, 247 f.; Pomeroy, S. 3. Umgekehrt lässt sich im Anspruchssystem der Ausgang eines Prozesses keineswegs mit Sicherheit voraussagen, vgl. nur Eidenmüller, ZZP 113 (2000), 5 ff. 254 Birks, 29 U. W. A. L.R. (2000), 1, 13 (“That is to say, people nowadays have rights to specific performance, injunctions, accounts and so on, and the court’s order reflects those rights.”). 255 Birks, 20 O. J. L. S. (2000), 1, 16. 256 Smith, Law of Damages, S. 33, 38 f., 41 f., versteht ein remedial right als „Recht auf eine Unterlassungsanordnung“; einen „Unterlassungs- bzw. Erfüllungsanspruch“ verneint er wohl, a. a. O., S. 41. 257 Zweigert/Kötz, § 35 IV, S. 478. 258 Selbst im englischen Sprachraum wird der Gebrauch des Begriffs discretion im Zusammenhang von sepcific performance etc. kritisiert, vgl. Zakrzewski, S. 95 f.; Jensen, Sing. J. Legal Studies (2003), 178, 188 f. (“background discretion”); M. Stürner, S. 214 ff., sieht in „Ermessenserwägungen“ Ausprägungen eines Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – allerdings auf prozessualer Ebene. 259 Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 789 („flexible Interessenabwägung“); Neufang, S. 250; Dobbs, S. 67, 78 ff., sieht darin aber nur einen Faktor im Rahmen von discretion.
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§ 1 Das anglo-amerikanische „remedy-System“
in der deutschen Rechtssprache mit einem verwaltungsrechtlichen Vorverständnis aufgenommen wird und damit die Bedeutung von discretion im Kontext zivilrechtlicher Rechtsfolgenanordnungen nicht präzise wiedergibt, ist der Zivilrechtler mit Interessenabwägungen vertraut.260 Speziell im Rahmen von Generalklauseln muss sich die Auslegung am Einzelfall orientieren, ohne dass dadurch der Rechtscharakter der Normanwendung zugunsten richterlicher Entscheidungsfreiheit in Frage gestellt wird.261 Die Einschränkung des Unterlassungsanspruchs über § 242 BGB in der Fallgruppe richterlicher Aufbrauchsfristen im Wettbewerbsrecht ist in diesem Sinne keine Frage richterlichen Ermessens, sondern entspricht methodisch einer Interessenabwägung.262 Es handelt sich um normale Rechtsanwendung.263 Begreift man discretionary remedies als Fallgruppe, in der es um eine „Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls“ geht,264 wäre dies für das deutsche Rechtsdenken durchweg anschlussfähig.265 Wenn im Kontext des englischen Rechts im Hinblick auf remedies von Rechten gesprochen wird, ist dies bei einem solchen Verständnis von discretionary remedies kein Widerspruch. Im Gegenteil: Es unterstreicht, dass die Frage, welche Rechtsfolge unter welchen Voraussetzungen zu gewähren ist, durch klare Vorgaben (“rule-based”) vorgezeichnet ist.266 Wenn dem anglo-amerikanischen Recht zugeschrieben wird, sich vom Prozessrecht her entwickelt zu haben, und die Herausbildung materieller Rechte erst später erfolgte,267 wäre dies ein weiterer Schritt der Emanzipation materieller Rechte vom Verfahrensrecht.268 Das Recht der Rechtsfolgen würde 260
Vgl. u. § 5 I 3; § 3 III, IV. Zum funktionalen Vergleich von equity und „Treu und Glauben“, Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 106. Die Entscheidung des Gerichts ist aber nach klassischem Verständnis in § 242 BGB selbst angelegt, a. a. O., 107; vgl. zu § 275 II BGB PWW/Schmidt-Kessel, § 275 Rn. 20 ff. 262 Köhler, GRUR 1996, 82, 90; Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.73 ff.; näher u. § 5 I 3; § 5 IV 4 a); zum Unionsrecht u. § 3 III, IV. 263 Vgl. Stickelbrock, S. 274. 264 Vgl. BGHZ 18, 149, 157 = NJW 1955, 1675 (zu Schmerzensgeld); BGH NJW 1999, 2360 (zur Sittenwidrigkeit); beachte auch die Formeln im Bereicherungsrecht „es verbietet sich jede schematische Lösung“, „es kommt stets auf die Besonderheiten des Einzelfalles an“, BGHZ 66, 362, 364 = NJW 1976, 1448, 1449; Neufang, S. 156, für specific performance („richterliche Abwägung der Umstände des Einzelfalls“). 265 Vgl. u. § 5 I 3; zum Unionsrecht u. § 3 III. 266 Birks, 20 O. J. L. S. (2000), 1, 24; vgl. Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 85 (Fn. 31) mit Nachweisen zur “rights-based theory of remedies”. 267 Gerade dem common law wird der Grundsatz ubi remedium ibi ius zugeschrieben, Friedmann, Rights and Remedies, S. 3 f.; Neufang, S. 240, 247 ff.; Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 81 ff., 87 ff.; Lawson, S. 1 f.; Smith, Law of Damages, S. 33, 49; Weller, S. 130 f. („Entwicklung von einem Aktionen- hin zu einem Systemrecht“); Warnung vor Rückkehr zu einem Denken in Klageformen bei Barker, 57 C. L. J. (1998), 301, 312. Auch nach Barker spricht dies aber nicht dagegen, auf materieller Ebene zwischen Rechten und Rechtsfolgen zu trennen. 268 In diese Richtung wandert die Entwicklung, vgl. Weller, S. 130, 147. 261
IV. Fazit
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eine weitere „Vermateriellrechtlichung“ erfahren.269 Die These der aktiven Rolle der Gerichte als Wesensmerkmal des „remedy-Systems“ kann dann nicht mehr uneingeschränkt aufrechterhalten werden.
IV. Fazit Dieser Abschnitt hat gezeigt, dass im anglo-amerikanischen Rechtskreis Rechtsfolgen als solche einer selbständigen Betrachtung unterliegen. Sie werden übergreifend als eigenes Forschungs-, aber auch Lehrgebiet verstanden. Der Blick in das „remedy-System“ belegt, dass Rechtsfolgen durchaus einer isolierten Betrachtung zugänglich sind. Unabhängig davon, wie man das Law of Remedies im Detail gliedert, geht es vielfach um ein Denken in Rechten einerseits – bisweilen wird allerdings auf Pflichten abgestellt – und „Rechtsfolgenrechten“ im weitesten Sinne andererseits. Nach allen Ansätzen stellt sich im Kern die Frage, wie ein bestimmtes Recht (beziehungsweise ein bestimmter Pflichtverstoß) durchgesetzt (beziehungsweise sanktioniert) werden kann. Die Rechtsverletzung erscheint oft als Verbindungselement. Selbst wenn eine solche nicht im Raum steht, lassen sich remedies/remedial rights und vorgelagerte Rechte auseinanderhalten. Diese Trennung, also eine Zweistufenstruktur, ermöglicht es, Fragen der Zuweisung von Rechten und ihrer Durchsetzung analytisch auseinanderzuhalten. Ob remedies eher im Prozessrecht anzusiedeln sind oder letztlich einen – eigenständigen – Teil des materiellen Rechts darstellen, ist hierfür zweitrangig. Für die Zwecke dieser Arbeit ist freilich interessant, dass mehrere Autoren davon ausgehen, dass einer gerichtlichen Anordnung stets ein entsprechendes materielles Recht, etwas Bestimmtes verlangen zu können, zugrundeliegt. Einem account of profits würde ein „sekundäres Recht auf Gewinnherausgabe“ vorausliegen, einer prohibitory injunction entsprechend eine Art Anspruch auf Unterlassung. Man könnte dies wie folgt weiterdenken: Primäre Rechte werden stets durch sekundäre Rechte verwirklicht.270 Die herrschende Rechtsansicht repräsentiert dies freilich nicht. Davon unabhängig lehrt das „remedy-System“, dass Rechte differenziert, also auf unterschiedliche Art und Weise, durchgesetzt werden können. Ob beispielsweise das Gericht eine Unterlassungsanordnung (injunction) ausspricht, ist selbst bei einem Ausschließlichkeitsrecht (right to exclude) nicht selbstver269 Vgl. Barker, 57 C. L. J. (1998), 301, 312 (“Remedialism, properly understood, is a progressive, substantive exercise, sympathetic to our understanding of rights, not a regressive, formalistic one.”); eine Betonung der richterlichen Abwägung der Umstände des Einzelfalls (vgl. Neufang, S. 156) wäre dann ebenfalls nicht ganz treffend. 270 Vgl. auch Bucher, S. 31 (Fn. 4): „Das Denken in subjektiven Rechten bewegt sich vorerst auf der Ebene primärer Normen, während das Aktionendenken nicht immer, aber oft […] nur die sekundären Normen bzw. sekundären subjektiven Rechte erfaßt.“
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§ 1 Das anglo-amerikanische „remedy-System“
ständlich. Es besteht ein Bewusstsein dafür, dass namentlich Unterlassen nicht immer die richtige Rechtsfolge ist und Alternativen wie Schadensersatz dem Klägerinteresse mitunter hinreichend Rechnung tragen. Dass der Spielraum des Richters von remedy zu remedy im Detail unterschiedlich groß ist, ändert nichts daran, dass dies ein zentrales Wesenselement des „remedy-Systems“ darstellt.
§ 2 Das Anspruchssystem Welche Rechtsfolgen der Rechtsanwender in einem praktischen Fall erwarten darf, folgt im Anspruchssystem1 aus den einschlägigen Anspruchsgrundlagen.2 Sie regeln, ob jemandem das Recht zusteht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen verlangen zu können. Insbesondere in der Juristenausbildung stehen das Denken von der „Rechtsfolgenseite“ und die Arbeit mit den Anspruchsgrundlagen im Mittelpunkt.3 Die juristische Praxis geht ebenfalls vom Anspruch aus.4 Selbst die Kautelarpraxis hat die potenzielle Streitlage und damit Ansprüche im Blick zu haben. Der Anspruch wird zum Zentralbegriff der praktischen Rechtsanwendung.5 Daher wird im Folgenden zunächst untersucht, was genau unter einem Anspruch zu verstehen ist. Anders als im anglo-amerikanischen Rechtskreis spielen die Gerichte bei der Entstehung eines Anspruchs regelmäßig keine Rolle. Es handelt sich um eine Frage des 1 Weller, JZ 2008, 764, 768; ders., S. 5, spricht im Hinblick auf § 433 I S. 1 BGB vom „BGB-Konzept des klagbaren Erfüllungsanspruchs“, vom „Anspruchsmodell des BGB“ bzw. von der „BGB-Anspruchskonzeption“; inhaltlich geht es hier in einem weiten Sinne um die Frage nach der Regelung von Rechtsfolgen; Schapp/Schur, § 2 Rn. 66 (vgl. auch § 3 Rn. 101 ff., 121), wollen hingegen vor allem das Zusammenspiel schuldrechtlicher und dinglicher Ansprüche als Anspruchssystem verstehen; zum Verhältnis der einzelnen Ansprüche als „äußere Ordnung“ auch Schapp, JuS 1992, 537, 539, 542 f.; zum „Rechtswirkungsdenken“ Gmür (bereits o. Einleitung II). 2 Rüthers/Fischer, § 4 Rn. 130; das deutsche Privatrecht soll auf der Grundlage von Ansprüchen konzipiert sein, vgl. Schapp/Schur, § 2 Rn. 96. 3 Medicus/Petersen, BR, § 1 Rn. 1 ff.; dies., AT, § 11 Rn. 77 f.; Medicus, AcP 174 (1974), 313, 313 ff., spricht von „aktionenrechtlichem Denken“. Umfassende Rechtsverhältnisse werden in Zweipersonenbeziehungen zerlegt, der Stoff prozessförmig gegliedert (a. a. O., 314 f.); im Mittelpunkt stehen „Anspruchsnormen als Hauptnormen“ (a. a. O., 321); s. a. Petersen, Festschrift Medicus, S. 295 ff., der insbesondere die durch die Anspruchsmethode vermittelte „Widerspruchsfreiheit“ und „Folgerichtigkeit“ der Rechtsordnung betont, a. a. O., S. 305, 307; ders., Jura 2008, 180, 422; zum praktischen Wert der Anspruchsmethode Canaris, Festschrift Medicus, S. 25, 26 ff.; aus historisch-vergleichender Perspektive lobend Ranieri, JZ 1997, 801, 813; Hinweise auf die Notwendigkeit des Studiums auch der Rechtsfolgen sind für die deutsche Ausbildung entsprechend überflüssig, vgl. J. Fischer, 30 Brandeis L. J. (2001), 575, 576 f.; kritisch Großfeld, JZ 1992, 22, 25; ders., NJW 1985, 1577, 1578; Großfeld rügt insbesondere, dass das „Gegeneinander“ auf Kosten des „Miteinander“ überbetont wird; kritisch auch Meincke, JZ 1988, 1095, 1100 f. 4 Picker, Festschrift Medicus, S. 311. 5 Staudinger/Peters/Jacoby, § 194 Rn. 1 („einer der zentralen Begriffe des Bürgerlichen Rechts und der Rechtsordnung überhaupt“); Fritzsche, S. 42 („Figur des Anspruchs“ vom Gesetzgeber als „zentrale[s] Element des Zivilrechts“ vorgesehen).
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§ 2 Das Anspruchssystem
materiellen Rechts; der moderne Anspruchsbegriff ist von prozessualen Elementen befreit. Ein einheitlicher Anspruchsbegriff liegt dem Privatrecht allerdings nicht zugrunde. Bei Forderungen fallen das „obligatorische Recht“ und das Recht, etwas verlangen zu können, zusammen. Demgegenüber sind bei den dinglichen Ansprüchen das dingliche Recht und das Recht, etwas verlangen zu können, verschieden (I.). Für die Frage, ob Erfüllung, Schadensersatz, Gewinnherausgabe etc. verlangt werden können, ist entscheidend, ob die Tatbestandsmerkmale der einschlägigen Anspruchsgrundlage erfüllt sind. Ob es um die Verwirklichung eines dem Anspruch vorausliegenden Vertragsrechts oder des Eigentums aus § 903 BGB geht, ist allenfalls mittelbar von Bedeutung. Der Anspruch ist ein eigenes subjektives Recht. Dieses Recht und nicht etwa eine dem Anspruch vorgelagerte Rechtsposition wird im Streitfall geltend gemacht und gegebenenfalls eingeklagt. Namentlich der vertragliche Erfüllungsanspruch entsteht, ohne dass es wie im „remedy-System“ weiterer „Rechtsbehelfs-Voraussetzungen“6 bedarf. Die Kette Recht – Rechtsverletzung – Rechtsfolge prägt nicht das Denken (II.). Schließlich sind dem deutschen Privatrecht „Ermessenserwägungen“ weitgehend fremd. Vor allem „primäre Ansprüche“ bestimmen den Inhalt des Rechts und müssen daher nach verbreiteter Ansicht zwingend verfügbar sein. Auch die Frage, ob eine bestimmte Rechtsfolge durch eine andere substituiert werden kann, wird so nicht beziehungsweise nur selten gestellt (III.).
I. Anspruch als das materielle Recht auf ein Tun oder Unterlassen Nach der Definition des Anspruchsbegriffs (1.) wird aufgezeigt, dass Ansprüche unabhängig vom Prozessrecht bestehen (2.). Ältere Auffassungen hatten freilich gerade Unterlassungsansprüche prozessrechtlich interpretiert (3.). Parallelen zum „remedy-System“ finden sich dennoch bis heute – beispielsweise im einstweiligen Rechtsschutz (4.).
1. Unterschiedliche Anspruchsbegriffe im Bürgerlichen Gesetzbuch In § 194 I des Bürgerlichen Gesetzbuchs wird der Anspruch legal definiert als das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen. Es stellt sich nun allerdings die Frage, ob dem BGB ein einheitlicher Anspruchsbegriff zugrundeliegt.7 Während § 194 I BGB den Anspruchsbegriff allgemein regelt, findet sich in § 241 I BGB eine speziellere Regelung des Anspruchs für 6
Weller, S. 372. heute wird beklagt, dass der Anspruchsbegriff noch nicht vollständig erfasst ist, Hoffmann, S. 119; Georgiades, S. 129 f.; bereits Hellwig, S. 5. 7 Bis
I. Anspruch als das materielle Recht auf ein Tun oder Unterlassen
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das Schuldrecht. Nach § 241 I S. 1 BGB ist der Gläubiger kraft des Schuldverhältnisses berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Nach § 241 I S. 2 BGB kann die Leistung auch in einem Unterlassen bestehen. Man spricht entsprechend von einem schuldrechtlichen Anspruch; synonym wird das Recht des Gläubigers als Forderung bezeichnet. Zwischen Anspruch und Forderung soll indes kein sachlicher Unterschied bestehen.8 Allerdings verkörpert eine Forderung zugleich die Leistung, die verlangt werden kann. „Das Forderungsrecht ist nicht (nur) Inhalt, sondern (auch) Rechtsfolge des Schuldverhältnisses.“9 Tatsächlich wird in den Motiven zwischen Forderungen und dinglichen Ansprüchen unterschieden: „Das obligatorische Recht […] geht auf in dem Anspruche oder in den Ansprüchen, welche es erzeugt. Das dingliche Recht erstreckt sich über den aus ihm erwachsenen dinglichen Anspruch hinaus, das Erlöschen des letzteren lässt das Recht selbst unberührt.“10
Okuda identifiziert gar gleich drei Arten von Ansprüchen: (1) Ansprüche im Schuldrecht, welche mit den einzelnen Forderungen identisch sind, (2) Ansprüche außerhalb des Schuldrechts, die – wie die Forderung – in dem Verlangen einer Leistung von einer bestimmten Person bestehen und (3) Ansprüche aus absoluten Rechten und ihnen gleichstehenden Rechtsinteressen.11 Nur für letztere Gruppe bedarf es nach seiner Sichtweise zwingend des Instruments des Anspruchs. Hier sei der Anspruch als terminus technicus unentbehrlich, um das zugrundeliegende Recht zu schützen. Nur hier diene er als „Zwischenglied […] zwischen subjektivem Recht und Rechtsschutz (Klage)“.12 In den ersten beiden Gruppen bedürfe es hingegen nicht der besonderen Kategorie des Anspruchs. Während sich das dingliche Recht über die aus ihm folgenden 8 MünchKomm/Bachmann, § 241 Rn. 6; Staudinger/Olzen, § 241 Rn. 113 f.; Medicus/ Lorenz, SR AT, § 1 Rn. 6; Medicus/Petersen, AT, § 11 Rn. 75; Larenz/Wolf, § 15 Rn. 56; Köhler, AT, § 18 Rn. 3; Rüthers/Stadler, § 4 Rn. 2; Wolf/Neuner, § 20 Rn. 27; Bork, § 9 Rn. 290; Weller, JZ 2008, 764, 765; ders., S. 231, 232; Schulze, S. 472; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 3 I 5, S. 34 f.; Langheineken, S. 25; Enneccerus/Nipperdey, § 222 II 2, S. 1365; selbst das BGB hat keine einheitliche Verwendung, vgl. nur § 847 I S. 2 BGB a. F. und § 1378 BGB, vgl. Wüstenbecker, JA 1984, 227, 232; aktuelles Beispiel: § 438 BGB, vgl. Wolf/Neuner, § 20 Rn. 27; kritisch zur Gleichsetzung von Anspruch und Forderung, Bruns, Festschrift Ekelöf, S. 161, 174 ff.; Wüstenbecker, JA 1984, 227, 232; v. Tuhr, § 15 II, S. 241 ff.; näher auch u. § 5 II 1; mitunter wird auch von Verbindlichkeiten gesprochen, vgl. §§ 656, 762 I, 1967 I BGB, MünchKomm/Habersack, § 762 Rn. 3; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 3 I 1, S. 30 („Da der Gläubiger nur das fordern kann, was der Schuldner zu leisten hat, sind Forderung und Schuld (oder Verbindlichkeit) Komplementärbegriffe, die denselben Inhalt lediglich aus unterschiedlicher Perspektive beschreiben und jederzeit ausgetauscht werden können.“). 9 Bamberger/Roth/Grüneberg/Sutschet, § 241 Rn. 40; MünchKomm/Bachmann, § 241 Rn. 10. 10 Motive I, S. 291. 11 Okuda, AcP 164 (1964), 536, 541 f., 543, 546. 12 Okuda, AcP 164 (1964), 536, 542; vgl. Georgiades, S. 133 f.
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§ 2 Das Anspruchssystem
Ansprüche hinaus erstrecke, gehe die Forderung in dem Anspruch, den sie erzeugt, auf.13 Es soll also im Ergebnis zwei „Existenzebenen des Anspruchsbegriffs“ geben: zum einen den Anspruch als Substanzrecht, zum anderen den Anspruch als sekundäres Recht.14 Im Hinblick auf ersteres sei der Begriff des Anspruchs funktionslos.15 Auch Henckel moniert das Fehlen einer „einwandfreien Begriffsbildung“ in der Anspruchslehre.16 Wenn man Anspruch und Forderungsrecht gleichsetzt, müsse man akzeptieren, dass den dinglichen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen ein anderer Anspruchsbegriff zugrundeliegt. Der schuldrechtliche Anspruch trage den geschützten Wert in sich. Er sei selbst die Rechtsposition beziehungsweise Rechtssphäre und damit Objekt rechtsgeschäftlicher Verfügungen, Gegenstand der Erfüllung und Bezugspunkt akzessorischer Sicherungen. Außerdem sei er für den Rechtsgrund der Leistung relevant. Demgegenüber habe der dingliche Anspruch keinen selbständigen wirtschaftlichen Wert: Er schütze eine außerhalb seiner selbst liegende Rechtsposition beziehungsweise Rechtssphäre; er sei nur Schutzmittel und damit allein materielle Grundlage der anspruchsverwirklichenden Klage. Ersterer entstehe ohne Rechtsverletzung, letzterer setze eine solche voraus.17 Dieser Unterschied lässt sich auch nicht terminologisch in den Griff bekommen. Wenn etwa zwischen selbständigen und unselbständigen Ansprüchen unterschieden wird,18 kann dies allenfalls vordergründig verdecken, dass der Anspruchsbegriff unterschiedlich verwendet wird.19 Selbständige Ansprüche wie Forderungen sollen dabei für sich selbst bestehen und nicht auf ein anderes Recht bezogen sein. Unselbständige Ansprüche wie Unterlassungsansprüche aus dem Eigentum hätten eine dienende Funktion und bezweckten die Verwirklichung eines anderen Rechts. Anders als im „remedy-System“ sind Ansprüche regelmäßig nicht einheitlich ausgestaltet. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass im deutschen Recht Gewinnherausgabe im Gegensatz zum remedy account of profits nicht als einheitlicher Anspruch verstanden wird (o. § 1 I 3). Im Zweiten Teil der Arbeit wird nachgewiesen, dass nach überkommener Sichtweise gerade Unterlassungsansprüche von Rechtsgebiet zu Rechtsgebiet unterschiedlich geformt sein sollen (§ 7). Einzig der Schadensersatzanspruch hat mit §§ 249 ff. BGB eine 13
Okuda, AcP 164 (1964), 536, 541, mit Zitaten aus den Motiven I, S. 290, 291. Okuda, AcP 164 (1964), 536, 545 f. 15 Okuda, AcP 164 (1964), 536, 541 f.; vgl. bereits de Boor, S. 29 f. 16 Henckel, AcP 174 (1974), 97, 139 ff., 140, vgl. ders., a. a. O., 121 f. und 134; bereits Herbst, S. 421 f., 429; vgl. aber Neumann, S. 31 f. 17 Henckel, AcP 174 (1974), 97, 141; vgl. auch Grosch, S. 36. 18 Larenz/Wolf, § 15 Rn. 61 f.; nunmehr Wolf/Neuner, § 20 Rn. 22 ff.; vgl. auch Brehm, AT, § 20 Rn. 612; Grosch, S. 36; Georgiades, S. 134 f. 19 Schmidt, Festschrift Jahr, S. 401, 406. 14
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privatrechtsübergreifende Teilregelung, auch wenn die Anspruchsgrundlagen unterschiedlich sind (z. B. §§ 280 I, 823 I BGB).
2. Unabhängigkeit des Anspruchs vom Prozessrecht Dessen ungeachtet ist klar, dass es sich beim Anspruchsbegriff um einen Terminus des materiellen Rechts handelt. Der Anspruchsbegriff des BGB geht auf Windscheid zurück.20 Aus der actio als Klagerecht emanzipierte er einen materiellen Anspruch.21 Während zur Zeit Windscheids die actio noch als das „durch die Verletzung eines Rechts erzeugte Recht auf gerichtlichen Schutz“ verstanden wurde22 beziehungsweise das römische Recht die Rechtsordnung nicht als „die Ordnung der Rechte, sondern die Ordnung der gerichtlich verfolgbaren Ansprüche“23 (kurz: die „actio ist anstatt des Rechts“24) auffasste,25 setzte Windscheid dem das Recht als „Prius“,26 die gerichtliche Verfolgbarkeit als Konsequenz des Rechts, gegenüber.27 Nach seinem Verständnis ist die actio sowohl bei Forderungen als auch bei dinglichen Rechten wie dem Eigentum nichts anderes als „Ausdruck für dasjenige, was man von einem anderen verlangen kann“.28 Die actio ist der rechtlich anerkannte Anspruch.29 Windscheid lenkte den Blick weg vom Prozess hin zum materiellen Recht. Ausgangspunkt ist nicht mehr, ob man vom Gericht Abhilfe zugesprochen bekommt, sondern, ob man ein entsprechendes Recht hat, etwas verlangen zu können.30 20
Enneccerus/Nipperdey, § 222 I, S. 1362 f.; Neumann, S. 21, 32; H. Lehmann, S. 81 f.; Roth, S. 23 f.; Rimmelspacher, S. 15 f., 35; kritisch Bucher, S. 84 f., mit Blick auf Ansprüche aus absoluten Rechten. 21 Windscheid, Actio, S. 1 ff.; ders.; Abwehr gegen Muther, S. 7 ff.; ders., Pandektenrecht, §§ 43, 44; vgl. Bork, § 9 Rn. 291; G. Wagner, S. 400 f.; Roth, S. 24; Medicus/Petersen, AT, § 11 Rn. 74. 22 Vgl. Windscheid, Actio, S. 1. 23 Windscheid, Actio, S. 3. 24 Windscheid, Actio, S. 4. 25 Windscheid, Pandektenrecht, § 44; ders., Abwehr gegen Muther, S. 7 ff. 26 Windscheid, Actio, S. 3 („das Recht das Prius, die Klage das Spätere“). 27 Windscheid, Actio, S. 6. 28 Windscheid, Actio, S. 5, 6. 29 Windscheid, Actio, S. 6, 7. 30 Vgl. Weller, S. 375 f.; Okuda, AcP 164 (1964), 536; Zöllner, AcP 190 (1990), 471, 473; Enneccerus/Nipperdey, § 222 I, S. 1362 f.; Rimmelspacher, S. 18 f.; auch Savigny hat die „Befugnis des Verletzten“, das „Klagrecht“, bereits dem materiellen Recht zugeordnet: „Das hier beschriebene, aus der Rechtsverletzung entspringende Verhältnis heißt Klagrecht oder auch Klage, wenn man diesen Ausdruck auf die bloße Befugnis des Verletzten bezieht; denn allerdings wird derselbe auch gebraucht, um die in bestimmter Form erscheinende wirkliche Thätigkeit des Verletzten zu bezeichnen, in welchem Sinn der Ausdruck die Klaghandlung bezeichnet, also (unter Voraussetzung des schriftlichen Prozesses) mit Klagschrift oder Klaglibell gleichbedeutend ist. Hier kann blos von der Klage in jener ersten (materiellen) Bedeutung die Rede seyn, also von dem Klagrecht; die Klage in der zweyten (formellen)
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„Die Römer richten also ihre Bezeichnung und Auffassung auf diejenige Seite der Sache, welche für uns nicht in erster, sondern erst in zweiter Linie steht. Für uns steht in erster Linie, dass ein bestimmter Anspruch vom Rechte garantiert ist; daß im Falle der Verweigerung seiner Befriedigung richterliche Hülfe angerufen werden kann, ist für uns nur die Consequenz jenes Ersten.“31
Entsprechend ist das BGB als ein System materiellrechtlicher Ansprüche konstruiert, denen die Klagbarkeit als selbstverständliches Element zu eigen ist.32 Das Verständnis des Anspruchs als Teil des materiellen Rechts33 belegt bereits die systematische Stellung des § 194 BGB im Allgemeinen Teil des BGB und damit im materiellen Recht.34 Die Motive sagen über die dort geregelte Verjährung: „Die Verjährung richtet sich nicht gegen die prozessuale Zuständigkeit der gerichtlichen Verfolgung, sondern gegen die Berechtigung selbst.“35
Der Anspruchsteller kann damit vom Anspruchsgegner unabhängig von einer Prozesssituation etwas verlangen – wobei sich das „Verlangenkönnen“ nicht nur als ein „Reflex“ einer prozessualen Klagemöglichkeit ergibt.36 Bildlich gesprochen: Eine Forderung erscheint bereits vor ihrer gerichtlichen Geltendmachung greifbar, sichtbar, quasi „anfassbar“. Der Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 I BGB beispielsweise ist nicht die Reaktion eines Gerichts auf eine Rechtsverletzung, sondern die Antwort der materiellen Rechtsordnung.37 Die Anspruchsgrundlage aus § 823 I BGB regelt selbst, wann ein entsprechender Schadensersatzanspruch entsteht.38 Auch der vertragliche Erfüllungsanspruch erwächst nicht erst konstitutiv durch den Zuspruch eines Gerichts, sondern ist bereits materiellrechtlich ausgesprochen.39 Dadurch, dass Ansprüche unabhängig von einer Prozesssituation bestehen, wird verständlich, dass es Selbsthilferechte gibt, insbesondere, dass eine Aufrechnung oder ein Zurückbehaltungsrecht denkbar sind.40 Die Parteien wissen, woran sie sich zu halten Bedeutung, oder die Klaghandlung, mit ihren Bedingungen und Formen, gehört in die Lehre vom Prozess“, v. Savigny, § 205, S. 5 f. 31 Windscheid, Pandektenrecht, § 44, S. 92. 32 Zöllner, AcP 190 (1990), 471, 473. 33 Medicus/Petersen, AT, § 11 Rn. 74; Unberath, S. 196 f.; Weller, JZ 2008, 764, 766; ders., S. 374 ff.; G. Wagner, S. 400 ff.; Bork, § 9 Rn. 291; Zöllner, AcP 190 (1990), 471, 473; Larenz/ Wolf, AT, § 15 Rn. 57. 34 Staudinger/Peters/Jacoby, § 194 Rn. 2; Okuda, AcP 164 (1964), 536, 541; Weller, S. 385 f. 35 Motive I, S. 290; dazu vgl. Larenz/Wolf, § 18 Rn. 68. 36 Vgl. Staudinger/Peters/Jacoby, § 194 Rn. 2; Larenz/Wolf, § 18 Rn. 67 f. 37 Vgl. Neufang, S. 241. 38 Neufang, S. 241. 39 Medicus/Petersen, AT, § 11 Rn. 74; Avenarius, JR 1996, 492, 496; M. Stürner, E. R. P. L. (2011), 167, 169; vgl. Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 81. 40 Larenz/Wolf, § 18 Rn. 68; Weller, S. 385; vgl. dazu mit Blick auf die eigenständige Bedeutung materiellrechtlicher Unterlassungsansprüche Thomas, S. 74 f.
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haben und können gegebenenfalls davon privatautonom abweichen.41 Die außergerichtliche Streitbeilegung, allen voran die „Abmahnung“ bei Unterlassungsansprüchen,42 basiert auf der Existenz entstandener Ansprüche.43 Während im Hinblick auf Vergleichsverhandlungen entgegengehalten werden kann, dass man sich statt über Ansprüche über Erfolgswahrscheinlichkeiten (künftiger) Klagerechte einigen könne,44 setzt ein Schiedsverfahren eine materielle Rechtslage mit materiellrechtlichem „Verlangenkönnen“ voraus. Auch können Verfügungen einschließlich der Abtretung von Forderungen am besten erklärt werden, wenn entsprechende materielle Rechte vorliegen.45 Prozessuale Auffassungen, die Ansprüche als Klagerechte verstehen, bekommen hier Schwierigkeiten. Im Gegensatz zum „remedy-System“ wird also das Recht des Berechtigten, vom Verpflichteten etwas verlangen zu können, nicht erst durch den Prozess erzeugt; es besteht schon vorher.46 Anders als im „remedy-System“ gibt der Prozess lediglich die Möglichkeit zur zwanghaften Durchsetzung; für das zugrundeliegende Recht einschließlich seiner Durchsetzungsmöglichkeit ist er – wie bereits gesagt – gerade nicht bedeutsam.47 Demgegenüber wird im Prozess die Existenz des eingeklagten Anspruchs lediglich bestätigt (Feststellungsfunktion).48 Bereits der Begriff „Erkenntnisverfahren“ macht dies deutlich: Gerichte „machen“ nicht Recht, sondern „erkennen“ es.49 Ein Gericht spricht im Erkenntnisverfahren nur aus, was materiellrechtlich bereits gilt.50 Durch das Gericht wird der Zustand hergestellt, der bestünde, hätte der Schuldner seine Pflicht beziehungsweise das korrespondierende Recht des Gläubigers 41
Häsemeyer, AcP 188 (1988), 140, 153 (mit Blick auf Unterlassungsansprüche). Fritzsche, S. 120; zur Funktion des Unterlassungsanspruchs als Mittel außergerichtlicher Streitbeilegung u. § 8 V; zur außergerichtlichen „Titulierung“ mittels strafbewehrter Unterlassungserklärung u. § 10 II 1 c). 43 Vgl. Okuda, AcP 164 (1964), 536, 540 (einschl. Fn. 15); Häsemeyer, AcP 188 (1988), 140, 153; Georgiades, S. 132. 44 Vgl. Smith, Law of Damages, S. 33, 48; wenn aber vorher die Zahlungspflicht noch nicht entstanden ist, besteht zumindest eine moralische Pflicht zur Zahlung, a. a. O., S. 48. 45 Schmidt, Festschrift Jahr, S. 401, 410; s. a. Zöllner, AcP 190 (1990), 471, 476 f.; gerade die Möglichkeit der Zession von Forderungen wurde erst durch den Windscheidschen Anspruchsbegriff möglich, vgl. Staudinger/Peters/Jacoby, § 194 Rn. 3. 46 Medicus/Petersen, AT, § 11 Rn. 74; Riehm, S. 245 f.; Larenz/Wolf, § 18 Rn. 68 („vorprozessual gegebene materielle Recht[e]“). 47 Unberath, S. 168; rechtsvergleichend Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 88, 89 ff., 91 (“Let us assume that […] the axiomatic starting point of the civil law is indeed a paradigm of rubber stamping; the role of the court, and of the law of procedure, is mainly to grant official verification to the existence of subjective rights […])” und a. a. O., 111. 48 Neufang, S. 241; Larenz/Wolf, § 18 Rn. 67; vgl. Schapp/Schur, § 2 Rn. 50; eingeklagt wird allerdings nicht der materielle, sondern der prozessuale Anspruch; letzterer ist vom materiellen Anspruch scharf zu unterscheiden, Kaufmann, JZ 1964, 482; u. § 10 I. 49 Vgl. Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 102 ff.; Neufang, S. 241. 50 Neufang, S. 241; Larenz/Wolf, § 18 Rn. 67 f. 42
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freiwillig befolgt.51 So führt Münzberg treffend aus, dass die Leistungsklage ohne den Begriff des Anspruchs „eben eine Bitte auf Schaffung gesetzlich vorgesehener Gebote und Verbote“ wäre. Mit dem Anspruch als „technische[m] Mittel der Rechtsanwendung“52 ist sie „eine Bitte auf deren Wiederholung durch Richterspruch“.53 In einem solchen ersteren Sinne spielen im angloamerikanischen Rechtskreis die Gerichte eine aktive Rolle. Im Anspruchssystem hat der Prozess grundsätzlich keine gestaltende, sondern (zu Ausnahmen u. § 2 I 4) lediglich eine dienende Funktion.54 Anders als im anglo-amerikanischen Rechtskreis, wo remedies eine Zwitterstellung zwischen materiellem Recht und Prozessrecht bescheinigt wird,55 findet in Deutschland eine scharfe Trennung zwischen materiellem Recht und dem Verfahren zu seiner Durchsetzung statt.56 Der Dichotomie von right-remedy im „remedy-System“ wird im civil law die Trennung von Recht und Prozessrecht, Anspruch und Klage, gegenübergestellt.57 Der Ansatz von Zakrzewski, “[…] by comparing the remedy with which the claimant leaves the court and the substantive right which the claimant had before coming to court”,58 ist theoretisch (wenn auch nicht praktisch) ausgeschlossen. Oder, um nochmals ein Bild zu bemühen: Der Anspruch auf Naturalerfüllung (specific performance) kann im anglo-amerikanischen Rechtskreis ungeachtet einer entsprechenden materiellrechtlichen Vertragspflicht vor einer gerichtlichen Entscheidung noch nicht „angefasst“ werden; er ist noch nicht entstanden. Freilich darf nicht übersehen werden, dass auch in Deutschland materiellrechtliche Wertungen durch das Prozess-, insbesondere das Vollstreckungsrecht, korrigiert werden können.59 So werden beispielsweise Fragen des vertraglichen „Erfüllungszwangs“ auch durch das Zwangsvollstreckungsrecht adressiert.60
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Neitzel, 22 H. L. R. (1909), 161, 162. Henckel, S. 82. 53 Münzberg, JZ 1967, 689, 693 (Fn. 43). 54 Zöllner, AcP 190 (1990), 471, 473, 476; Windscheid, Actio, S. 4; ders., Abwehr gegen Muther, S. 26; Weller, JZ 2008, 764, 765 f.; ders., S. 413; Roth, S. 44 ff., 304 ff.; Stürner, JZ 1976, 384, 385, 387; Unberath, S. 34, 168 f., 196 f. (Fn. 72); G. Wagner, S. 401; vgl. Jahr, JuS 1964, 218, 224; zur Überlegung, dass allgemeine materielle Störungsverbote erst durch das Gericht in einen konkreten Befehl umzuformen sind, Thomas, S. 30 ff. 55 Dazu o. § 1 I 2. 56 Vgl. Kaufmann, JZ 1964, 482. 57 Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 90, 93. 58 Zakrzewski, S. 103. 59 Albers, ZEuP 2012, 687, 698. 60 Albers, ZEuP 2012, 687, 698. 52
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3. Überholte Auffassungen vom Unterlassungsanspruch als prozessuale Rechtsschutzform Ältere Auffassungen hatten indes gerade den Unterlassungsanspruch noch als besondere im Prozessrecht wurzelnde Rechtsschutzform angesehen.61 Materielle Unterlassungsansprüche wurden geleugnet. Zumindest der vorbeugenden Unterlassungsklage62 beziehungsweise der quasi-negatorischen Unterlassungsklage sollte kein solcher materiellrechtlicher Anspruch vorausgehen.63 Ein entscheidender Grund für die prozessualen Auffassungen dürfte darin gelegen haben, dass die gesetzliche Pflicht, etwas zu unterlassen, mit der durch einen Unterlassungsanspruch angeordneten Pflicht, eine Störung fremden Rechts zu unterlassen, identisch ist. Der Unterlassungsanspruch erscheint daher ohne „eigenständigen Wert“.64 Konkret sah namentlich Siber in der Unterlassungsklage eine „prohibitorische Klage auf richterliche Untersagung“.65 Vergleichbar mit der einstweiligen Verfügung werde nicht ein materiellrechtlicher Anspruch verwirklicht, sondern mit gerichtlicher Hilfe ein Verbotsrecht des Klägers durchgesetzt.66 Die Verurteilung zur Unterlassung sei „nach Inhalt und Zweck, wie nach ihren materiellen Voraussetzungen nichts als einstweilige Verfügung.“67 Ähnlich positionierte sich v. Caemmerer. Die Unterlassungsklage sollte als „Mittel vorbeugenden Rechtsschutzes“ auf der gleichen Ebene stehen wie eine auf ein Verbot bestimmter Handlungen
61 Siber, Rechtszwang, S. 99 ff., insbesondere S. 108 ff.; ders., Schuldrecht, S. 2 f., 470 ff.; v. Caemmerer, Festschrift 100 Jahre Juristentag, S. 49, 53 f.; Husserl, Festschrift Pappenheim, S. 86, 162 ff.; Rabel, Unerlaubte Handlungen (Sonderheft zu RabelsZ 6, 10), S. 24 f.; Nikisch, § 38 IV, S. 148 f.; Neumann-Duesberg, JZ 1955, 480; Überblick zum Streitstand bei Fritzsche, S. 114 ff., 535 ff.; Grosch, S. 45 ff.; zur Debatte zum Schutze betriebsverfassungsrechtlicher Beteiligungsrechte Lobinger, ZfA 2004, 101, 114; auch hier wird von manchen ein materieller Anspruch verneint. 62 Esser, SR, § 211, S. 931 f.; Larenz, NJW 1955, 263; Georgiades, S. 132 (Fn. 17). 63 Nikisch, § 38 IV, S. 148 f.; Esser/Weyers, § 62 IV; vgl. Hadding, JZ 1970, 305, 308, wonach der „Gesetzgeber keinen Anlaß hat, gegenüber solchen Handlungen, die nicht rechtswidrig sind, sondern die nur ein ‚Interesse‘ nachteilig berühren, einen Anspruch auf Unterlassung festzulegen.“ 64 Vgl. Dreier, S. 420; Larenz, NJW 1955, 263 („Die vorbeugende Unterlassungsklage ist daher dort, wo sie zulässig ist, nicht das Mittel zur Durchsetzung eines materiellrechtlich gegebenen Anspruchs (auf Unterlassung von etwas, das ohnehin verboten ist […]), sondern lediglich eine Form des prozessualen Rechtsgüterschutzes, ein Institut nicht des materiellen Rechts, sondern des Prozeßrechts.“). 65 Siber, Schuldrecht, S. 472 (Hervorhebung durch Verf.); kritisch Ost, S. 43 (Fn. 4). 66 Siber, Rechtszwang, 99 ff., 108 ff., 113 f.; sowohl bei einer einstweiligen Verfügung als auch bei einem Unterlassungsanspruch soll es um Sicherung gehen. Ziel eines Unterlassungsanspruchs ist nicht die Erfüllung, sondern die Sanktion aus § 890 II ZPO. 67 Siber, Rechtszwang, S. 113 f.; ausdrücklich gegen Sibers Argumentation Wesel, Festschrift v. Lübtow, S. 787, 790.
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gerichtete einstweilige Verfügung (§ 938 ZPO).68 Wie Siber verstand v. Caemmerer den „Unterlassungsanspruch“ lediglich als prozessualen Rechtsbehelf. „Der Sache nach ist die Zulassung dieser allgemeinen Abwehrklage eine Erweiterung der prozessualen Behelfe. Neben die gewöhnliche Leistungsklage, die Feststellungsund die Gestaltungsklage tritt zum Schutze des Eigentums oder zum Schutze gegen unerlaubtes Verhalten die Abwehrklage, die auf richterliches Verbot bestimmter Handlungen gerichtet ist und die Straffestsetzung bei Zuwiderhandlungen (§ 890 ZPO) ermöglichen soll.“69
Wenn v. Caemmerer auf ein „richterliches Verbot“ abstellte, spiegelt dies letztlich genau die Rechtsnatur von injunctions im „remedy-System“ wider. In der Literatur wird entsprechend die solchen prozessualen Sichtweisen zugrundeliegende „gegenüber dem materiellen Recht gelockerte, eigenständige Stellung des Gerichtes“ kritisiert.70 Das Gericht habe im Falle des Eingriffs in ein Recht nicht eine Verbotsbeziehung zwischen den Parteien rechtsgestaltend zu begründen, sondern eine dem materiellen Recht entspringende Unterlassungspflicht festzustellen und die Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung zu legen.71 Wie auch bei den sonstigen Ansprüchen sei es gedanklich durchaus möglich, zwischen einem materiellen Anspruch auf Unterlassen und seiner prozessualen Durchsetzung zu unterscheiden.72 Im Gegenteil: Wenn feststehe, dass der Kläger keine rechtlich geschützte Position hat, also keine Pflicht zur Unterlassung besteht, sei es nur konsequent, die entsprechende Klage durch die „autoritative Feststellung dieser materiellrechtlichen Lage“ und nicht bloß durch ein Prozessurteil abzuweisen.73 Umgekehrt gelte nichts anderes. Die gerichtliche Entscheidung werde durch das nach materiellem Recht bestehende Verbotsrecht (genauer: den materiellrechtlichen Unterlassungsanspruch) bestimmt.74 Die Diskussion um die Existenz materieller Unterlassungsansprüche hat zwar Einzug in das BGB gefunden, wenn es beispielsweise in § 12 S. 2 BGB heißt, der Berechtigte kann im Falle weiterer Beeinträchtigungen „auf Unterlassung klagen.“75 Neuere Vorschriften verzichten indes auf den prozessualen Anklang (z. B. § 97 I UrhG). § 194 I BGB geht ebenfalls davon aus, dass ein Anspruch auch auf ein Unterlassen gerichtet sein kann.76 Selbst wenn die 68
v. Caemmerer, Festschrift Juristentag, S. 49, 54. v. Caemmerer, Festschrift Juristentag, S. 49, 53. 70 Zeuner, Festschrift Dölle, S. 295, 303 f. 71 Zeuner, Festschrift Dölle, S. 295, 303 f. 72 Fritzsche, S. 118 ff.; Larenz/Canaris, SR II/2, § 87 I, S. 705; BGH GRUR 1980, 241, 242 – Rechtsschutzbedürfnis; vgl. Storch, GRUR 1973, 212; Zeuner, Festschrift Dölle, S. 295, 304 f.; vgl. Hadding, JZ 1970, 305, 308. 73 Zeuner, Festschrift Dölle, S. 295, 298 f. 74 Zeuner, Festschrift Dölle, S. 295, 304. 75 Wüstenbecker, JA 1984, 227, 232 (Fn. 81). 76 Köhler, Festschrift Georgiades, S. 223 f.; Dreier, S. 420. 69
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Anspruchsgrundlage wie in § 12 S. 2 BGB prozessual formuliert ist, wird der Unterlassungsanspruch auch insoweit nach gefestigter herrschender Meinung dem materiellen Recht zugeordnet. Vor Gericht macht der Kläger seinen bereits nach dem materiellen Recht bestehenden Anspruch mit einer herkömmlichen Leistungsklage geltend.77
4. „Remedies“ im Anspruchssystem Auch wenn Ansprüche wie gesehen durchweg materiellrechtlich verstanden werden, finden sich im Anspruchssystem Beispiele für die Ausgestaltung von Rechtsfolgen, die Assoziationen an das „remedy-System“ wecken. So halten sich mit Blick auf die Verbandsklage (z. B. § 8 III UWG; § 3 I UKlaG) Stimmen, die bezweifeln, ob ihr ein materiellrechtlicher Anspruch auf Unterlassen zugrundeliegt.78 Besonders den im Lauterkeitsrecht niedergelegten „materiellrechtlichen Pflicht[en] zur Unterlassung unlauteren Wettbewerbs“ soll eine „rein prozeßrechtlich begründete […] Klagebefugnis“ der Mitbewerber und Verbände gegenüberstehen.79 Andere bejahen auch hier einen materiellen Unterlassungsanspruch. Dieser soll sich von anderen nur dadurch unterscheiden, dass der Kläger nicht seine eigene, ihm zugewiesene Sphäre, sondern eine fremde Sphäre, wenn auch im eigenen Interesse, verteidigt.80 Noch deutlicher sind die Parallelen im einstweiligen Rechtsschutz. Hier finden sich beispielsweise prozessuale Unterlassungsverfügungen (§§ 938, 940 ZPO). Obwohl das Gericht den Antragsgegner anhalten kann, etwas nicht zu tun, soll dem kein materieller Unterlassungsanspruch zugrundeliegen.81 Da 77 BGHZ 28, 203 Rn. 14 – Berliner Eisbein = GRUR 1959, 152; BGH GRUR 1980, 241, 242 – Rechtsschutzbedürfnis; H. Lehmann, S. 54 ff., 107 ff., 112; Zeuner, Festschrift Dölle, S. 295, 304 f., 308 f.; Baur, JZ 1966, 381 f.; Münzberg, JZ 1967, 689, 693; Wesel, Festschrift Lübtow, S. 787, 800; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 107, 115, 121 ff., 139, 142; ders., Parteilehre, S. 78 ff., 83; Pastor, GRUR 1969, 331, 335; Hadding, JZ 1970, 305, 308; Wolf, JuS 1968, 77, 83 (Fn. 13); Brehm, JZ 1972, 225, 226 f.; Häsemeyer, AcP 188 (1988), 140, 153; Rimmelspacher, S. 116 ff., 119; Wilhelmi, S. 71; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 89 Rn. 5; Köhler, Festschrift Georgiades, S. 223; Ahrens, Liber amicorum Lindacher, S. 1, 5; M. Heinze, S. 8 ff.; Fritzsche, S. 26, 114 ff., 535 ff. und auch S. 41; Thomas, S. 7 ff., 73 ff., 84; Ritter, S. 25 ff., 28 f.; Dreier, S. 420 f., 492; Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.8; offen gelassen Staudinger/Peters/Jacoby, § 194 Rn. 8; a. A. Grosch, S. 84, 86, 119 f. 78 MünchKomm/Micklitz, ZPO, § 1 UKlaG Rn. 2 f. m. w. N.; vgl. Henckel, AcP 174 (1974), 97, 137 f.; Dreier, S. 492 f.; anders BGH NJW-RR 1990, 886, 887; Poelzig, S. 412 ff. 79 Hadding, JZ 1970, 305, 308 ff., 310; E. Schmidt, NJW 1989, 1192, 1193 f.; § 8 III UWG stellt nunmehr darauf ab, dass „Ansprüche zustehen“, nicht dass diese „geltend gemacht“ werden können, vgl. § 13 I UWG a. F. 80 Henckel, AcP 174 (1974), 97, 138; Greger, NJW 2000, 2457, 2462 f. m. w. N. 81 Minnerop, S. 30 f., 53 ff.; Wach, S. 18 f.; Fritzsche, S. 76 f.; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 106 f.; ders., a. a. O., 107, aber anders für Leistungsverfügungen; Kahl, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 205, 209 ff.; Kahl, a. a. O., S. 216, sieht aber den materiellen negatorischen Abwehr- und Beseitigungsanspruch als materielles Fundament einstweiliger
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zudem ein richterliches Ermessen besteht, wird dem Antragsgegner in der Tat erst durch die gerichtliche Anordnung ein konkretes Verhalten verbindlich auferlegt. Der Richter hat zu einem gewissen Grad Gestaltungsmacht.82 Damit weist die Unterlassungsverfügung jene Elemente auf, die zuvor als Eigenschaften eines remedy identifiziert wurden (o. § 1 I). Prozessual sind auch „Ansprüche“ auf Urteilsbekanntmachung formuliert (§ 103 UrhG; § 19c MarkenG; s. a. Art. 15 Enforcement-RL und u. § 3 I). Eine besondere Rolle spielen die Gerichte darüber hinaus in Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Bei Verfahren in Kindschaftssachen sticht beispielsweise das Umgangsrecht nach § 1684 BGB heraus (§§ 151 ff. FamFG). Zwar ist jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind berechtigt (§ 1684 I BGB); nach § 1684 III BGB kann aber das Familiengericht den konkreten Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung näher regeln. Auch in Gewaltschutzsachen (§§ 210 ff. FamFG) stellt das Gericht nicht nur einen Anspruch fest, sondern wird selbst mittels „Anordnungen“ gestaltend tätig. Gemäß § 1 GewaltSchG „hat das Gericht [die] erforderlichen Maßnahmen zu treffen“. Die Rede ist von einer „verfahrensrechtlichen Anspruchsgrundlage“.83 Prozessual ist auch die Feststellungsklage ausgestaltet.84 Bemerkenswerterweise wird im „remedy-System“ die vergleichbare declaration als remedy aufgefasst.85 Eine aktive Rolle nehmen die Gerichte ferner bei prozessualen Gestaltungsrechten ein.86 Eine Ehe wird erst mittels einer gerichtlichen Entscheidung geschieden (§ 1564 BGB). Selbst wenn die Voraussetzungen gemäß § 1565 BGB vorliegen, ist die Gerichtsentscheidung für die Scheidung konstitutiv.87 Es handelt sich um Gestaltungsrechte, die durch Klage geltend zu machen sind (§§ 133 ff. FamFG).88 Die „Trennung von Recht und Klage“ ist hier „nicht vollzogen“.89 Auch Gestaltungsrechte können aber zu Rechtsfolgen im weitesten Sinne gerechnet werden.90 Verfügungen; schon Picker, Drittwiderspruchsklage, S. 348 f.; ders., Festschrift Flume, S. 649, 656 ff.; dem folgend Lobinger, ZfA 2004, 101, 114 f.; s. a. § 9 III 3. 82 Vgl. Lobinger, ZfA 2004, 101, 115; s. a. § 319 I S. 2 BGB; dazu MünchKomm/Würdinger, § 319 Rn. 23 („Das Gericht hat zwar auch ein Ermessen, aber nicht den weiten Spielraum wie der zunächst zur Leistungsbestimmung berufene Dritte.“). 83 Palandt/Brudermüller, GewSchG, § 2 Rn. 1; § 1 Rn. 4 („verfahrensrechtliche Konzeption der Vorschrift“). 84 Zeuner, Festschrift Dölle, S. 295, 296; RGZ 22, 93, 96 („Klagerecht auf Feststellung“). 85 Bereits o. § 1 I 1; in diesem Zusammenhang sei nochmals an die transformative remedies erinnert; es besteht ein stärkeres Ermessen des Gerichts, Zakrzewski, S. 97 ff. 86 Vgl. Köhler, AT, § 17 Rn. 12. 87 Palandt/Brudermüller, § 1564 Rn. 1; zur Aufhebung der Ehe ähnlich § 1313 BGB. 88 Vgl. v. Tuhr, § 15 I, S. 240 f. 89 Zöllner, AcP 190 (1990), 471, 485. 90 Unberath, S. 169 f.
II. Rechte und Ansprüche
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II. Rechte und Ansprüche Von besonderem Interesse im Ersten Teil dieser Arbeit ist die Rolle von Ansprüchen vorgelagerten Rechten, Rechtszuweisungen beziehungsweise Rechtspositionen. Ein Blick auf die dinglichen Ansprüche scheint ein klares Bild zu liefern, wie es um das Verhältnis solcher „Rechte“ zu Ansprüchen bestellt ist. Das Eigentum wird durch die Eigentumsschutzansprüche aus §§ 985, 1004 BGB, dem Anspruch aus unerlaubter Handlung nach § 823 I BGB, Ansprüche aus angemaßter Eigengeschäftsführung (§ 687 II BGB) und durch die Eingriffskondiktion gemäß § 812 I S. 1, 2. Alt. BGB geschützt.91 Durch diese „dienenden“ Ansprüche92 wird das subjektive absolute Recht Eigentum umfassend abgesichert beziehungsweise verwirklicht. Das Eigentum als solches kann hingegen nicht eingeklagt werden.93 Eine systematische Trennung von „Rechten“ und „Rechtsfolgen“ scheint auch dem Vertragsrecht zugrundezuliegen. Durch Sekundäransprüche aus §§ 280 ff. BGB werden Verletzungen vertraglicher Primäransprüche sanktioniert. Während die primären Leistungspflichten beziehungsweise primären Ansprüche das eigentliche Ziel des Schuldverhältnisses darstellen, treten die sekundären Ansprüche im Störungsfall an deren Stelle.94 Insoweit liegt der „Rechtsbehelfscharakter“ auf der Hand.95 Die Kette Recht – Rechtsverletzung – Anspruch beziehungsweise der Ansatz, Rechte und Rechtsfolgen zu ihrer Durchsetzung zu unterscheiden, beansprucht auf den ersten Blick auch für das deutsche Recht Gültigkeit. Freilich sind die Verhältnisse komplexer. Um das Anspruchssystem zu verstehen, kommt es entscheidend darauf an, das subjektive Recht, den „zentrale[n] Begriff des Privatrechts“,96 in das Anspruchssystem einzuordnen.97 Subjektive Rechte sind ohne Weiteres direkt durchsetzbar (1.). Dessen ungeachtet findet sich auch im Anspruchssystem eine Unterscheidung zwischen primären und sekundären Rechten (2.). Eine Rechtsverletzung spielt hingegen keine vergleichbare Rolle wie im „remedy-System“ (3.). Eine privatrechtsübergreifende analytische Trennung von Rechtszuweisung und Rechtsdurchsetzung ist schließlich nur vereinzelt anzutreffen (4.).
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Raiser, JZ 1961, 465, 466 f. Gernhuber, Schuldverhältnis, § 3 I, S. 30. 93 Neufang, S. 242; Rehfeldt, S. 61 f. 94 Medicus/Lorenz, SR AT, § 13 Rn. 112. 95 Vgl. Bruns, Festschrift Nipperdey, S. 3, 11. 96 v. Tuhr, § 1, S. 53. 97 Ausführlich zum Begriff des subjektiven Rechts Auer, AcP 208 (2008), 584 ff.; Wagner, AcP 193 (1993), 319 ff.; Raiser, JZ 1961, 465 ff.; zur Kritik u. § 5 III 1. 92 Vgl.
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§ 2 Das Anspruchssystem
1. Durchsetzbarkeit als Kennzeichen subjektiver Rechte Die Privatrechtsordnung besteht aus einer Vielzahl subjektiver Rechte.98 Man unterscheidet zwischen subjektiven Rechten im engeren Sinne einerseits und subjektiven Rechten im weiteren Sinne andererseits.99 Zu ersteren werden Ansprüche gemäß §§ 194 I, 241 I BGB gezählt;100 zu letzteren gehören Rechte wie das Eigentum, Persönlichkeits- oder Immaterialgüterrechte, kurzum: „Positionen, die als ‚Quelle‘ verschiedener Ansprüche in Betracht kommen“.101 Entscheidendes Merkmal eines subjektiven Rechts ist seine Klagbarkeit.102 Auch dem privatrechtlichen Anspruchsbegriff haftet als wesentliche Eigenschaft die Klagbarkeit an.103 Eine Trennung in Rechte und Klagerechte wird nicht vorgenommen.104 So heißt es bereits in den Motiven: „Der Begriff des subjektiven Privatrechts bedingt für das moderne Recht die gerichtliche Verfolgbarkeit. Die Klagbarkeit kann dem Anspruch fehlen, aber sie fehlt ihm nur, wenn sie ihm abgesprochen ist. Die Klagbarkeit der Rechte ist die selbstverständliche Regel.“105
98 Auer, AcP 208 (2008), 584, 633; Übersicht etwa bei Wolf/Neuner, § 20 Rn. 14 ff.; s. a. unten § 5 III 1. 99 Röhl/Röhl, § 44, S. 363; vgl. Unberath, S. 168; Picker, JZ 2014, 431, 439; Rüthers/ Stadler, § 4 Rn. 2; Langheineken, S. 23 f.; vgl. Reinhardt, JZ 1961, 713, 717. 100 Schulze, S. 461 mit Fn. 144 („allgemeine Meinung“); Unberath, S. 168 („Subjektive Rechte, in dem hier gebrauchten engeren Sinne, sind in der Terminologie des BGB ‚Ansprüche‘“); Rüthers/Stadler, § 4 Rn. 2 („Der einzelne Anspruch ist nur ein Ausschnitt aus der durch das subjektive Recht insgesamt verliehenen Rechtsmacht“); Wolf/Neuner, § 20 Rn. 22 ff., als Teil einer Aufzählung verschiedener Arten subjektiver Rechte; Enneccerus/Nipperdey, § 72 I, S. 274 f., § 73 I, S. 279 f.; Brox/Walker, BGB AT, § 30 Rn. 640; Medicus/Petersen, AT, § 11 Rn. 74; Bork, § 9 Rn. 290; Auer, AcP 208 (2008), 584, 599; Schmidt, Festschrift Jahr, S. 401 f.; Zech, S. 66; auch Ansprüche im Lauterkeitsrecht sind subjektive Rechte, vgl. Bucher, S. 67 („die Möglichkeit des Privaten, Ansprüche […] zu erheben, [stellt] immer ein subjektives Recht dar.“); ders., S. 84 (Schadenersatzanspruch als sekundäres subjektives Recht); der Unterlassungsanspruch als subjektives Recht, Wilhelmi, S. 71; a. A. Neumann, S. 39 ff.; Ost, S. 43 (Ansprüche weisen anders als subjektive Vermögensrechte kein Gut zu. „Sie sind deshalb keine subjektiven Rechte, sondern lediglich technische Hilfsmittel“). 101 Röhl/Röhl, § 44, S. 363; vgl. Zech, S. 66. 102 Rüthers/Fischer, § 2 Rn. 63 und Rn. 65a; Weller, JZ 2008, 764, 766. 103 Weller, S. 233; ders., JZ 2008, 764, 765 f.; H. Lehmann, S. 69 f., 83 ff.; G. Wagner, S. 401; Unberath, S. 168 f.; Roth, S. 45; Zöllner, AcP 190 (1990), 471, 473, 482; Jahr, JuS 1964, 218, 224; Stürner, JZ 1976, 384, 385, 387 f.; Avenarius, JR 1996, 492, 495 f.; Aicher, S. 63 (Anspruch als „Speerspitze des subjektiven Rechts“); Staudinger/Peters/Jacoby, § 194 Rn. 9, wollen offen lassen, ob die „Klagbarkeit zum Begriff des Anspruchs gehört“. Sie verweisen darauf, dass jedenfalls § 204 BGB zu erkennen gibt, dass die §§ 194 ff. den Anspruch als selbstverständlich klagbar betrachten. 104 Vgl. Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 90; Larenz/Wolf, § 18 Rn. 68, verweisen darauf, dass wegen der Klagbarkeit des Anspruchs die „‚actio‘ des römischen Rechts im heutigen Anspruchsbegriff enthalten ist“. 105 Motive, Bd. I, S. 357.
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Der Anspruch erscheint als „Brücke zur gerichtlichen Verfolgung“.106 Besteht ein Anspruch, kann dieser unmittelbar gerichtlich in Natur durchgesetzt werden.107 Namentlich Forderungen sind als obligatorische beziehungsweise schuldrechtliche Ansprüche unmittelbar klagbar.108 Die Klagebefugnis gehört als eine von mehreren Einzelbefugnissen109 zum Forderungsrecht als einem subjektiven Recht.110 Sie ermöglicht, dass der Gläubiger gegenüber dem Schuldner sein Recht gerichtlich in Natur verwirklichen kann.111 Für den Kaufvertrag ergibt dies folgendes Bild: Der Gläubiger kann seinen Anspruch auf Übergabe und Übereignung aus § 433 I S. 1 BGB unmittelbar einklagen und regelmäßig nötigenfalls vollstrecken.112 Selbst wenn der Gläubiger lieber Schadensersatz statt Erfüllung verlangen wollte, ist er regelmäßig bis zum Ablauf einer bestimmten Frist auf den Naturalerfüllungsanspruch verwiesen (Grundsatz des Vorrangs der Erfüllung in Natur).113 Das Leistungsurteil lautet dabei unmittelbar auf die versprochene Leistung. Ist ein Recht klagbar, kann es regelmäßig auch außergerichtlich, beispielsweise mittels der Aufrechnung, durchgesetzt werden.114 Wenn eine Forderung ausnahmsweise nicht klagbar 106
Larenz/Wolf, § 15 Rn. 57. Larenz/Wolf, § 18 Rn. 68. 108 Medicus/Lorenz, SR AT, § 3 Rn. 18; Riehm, S. 242 f.; Weller, S. 233, 372, 381 ff. 109 Zu den dem Forderungsrecht immanenten Einzelbefugnissen grundlegend Staudinger/Schmidt, 1995, Einl. zu §§ 241 ff., Rn. 118 ff.; s. a. Staudinger/Olzen, § 241 Rn. 114; v. Tuhr, § 15 II, S. 242; Schulze, S. 461 ff.; Roth, S. 44 ff., 307 ff.; Weller, S. 226 ff.; G. Wagner, S. 397 ff.; Hoffmann, S. 102 ff.; von den Einzelbefugnissen interessieren im vorliegenden Zusammenhang vor allem gerichtliche und außergerichtliche Befugnisse. Zu ersteren zählen die Klagebefugnis und die Vollstreckungsbefugnis bzw. die Zugriffsbefugnis (Rimmelspacher, S. 115). Zu letzteren zählen die Forderungsberechtigung bzw. Einziehungsbefugnis (auch die Möglichkeit des Verlangenkönnens oder Ansprechens, vgl. H. Lehmann, S. 85) und die Selbsthilfebefugnis. Dass diese Befugnisse nach Rimmelspacher (S. 48 ff., 107 ff., 168 ff.) unter den Oberbegriff Rechtsbehelf gefasst werden, der wiederum von der im Forderungsrecht ebenfalls verkörperten Rechtsposition (diese vermittelt die Befugnis zum Behaltendürfen empfangener Leistungen, Verfügungsbefugnis etc.) zu unterscheiden ist, wird unten in § 5 II 1 vertieft, dient diese Erkenntnis doch als wichtiger Baustein des hier zu entwickelnden Rechtsbehelfsmodells. 110 Weller, S. 145, 230 ff.; Staudinger/Schmidt, Einl. zu §§ 241 ff. Rn. 141 ff.; allgemein zur Klagebefugnis Schulze, S. 461 ff., 632 f.; umstritten ist, ob deren Rechtsnatur prozessual oder materiell ist: für eine prozessuale Qualifikation G. Wagner, S. 401 ff.; Klagebefugnis als materiellrechtlicher Bestandteil des Forderungsrechts, Weller, S. 382 ff.; Schulze, S. 632; Roth, S. 306 f. 111 Weller, S. 230 f., 391 f.; Schulze, S. 461 ff.; Medicus/Lorenz, SR AT, § 3 Rn. 18; MüllerChen, S. 23, 25; Nehlsen-von Stryk, AcP 193 (1993), 529; Rütten, Festschrift Gernhuber, S. 939; Zweigert/Kötz, § 35 II, S. 469; Riehm, S. 99; vgl. Mansel, WM 2012, 1309, 1319. 112 Rheinstein, S. 122 ff.; Weller, S. 230 f.; der Erfüllungsanspruch erscheint als selbstverständliche Folge des Prinzips „pacta sunt servanda“, vgl. Vahle, ZVglRWiss 1999, 54, 62; dies gilt natürlich auch für Gattungsschulden, Ernst, Festschrift Nörr, S. 219 ff. 113 Palandt/Weidenkaff, § 439 Rn. 1; Müller-Chen, S. 23, 32; Harke, Zehn Jahre Schuldrechtsmodernisierung, S. 237 ff.; Rütten, Festschrift Gernhuber, S. 939, 940. 114 Weller, S. 230, spricht allgemein von Durchsetzungsbefugnissen; zur Selbsthilfebefugnis Staudinger/Schmidt, Einl. zu §§ 241 ff. Rn. 127 f. 107
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§ 2 Das Anspruchssystem
ist, steht dem Gläubiger nur noch eine um die Klagebefugnis verkürzte Forderung zu.115 Die Einziehungsbefugnis116 bleibt nach verbreiteter Ansicht indes bestehen.117 Hierbei handelt es sich um eine weitere der Forderung immanente Einzelbefugnis. Es geht darum, dass der Gläubiger „die Einhaltung oder Erfüllung einer Rechtsposition“ von einem anderen verlangen darf.118 Verlangt der Gläubiger die Zahlung einer bestimmten Geldsumme, kann er dies in einem solchen Fall zwar nicht einklagen, der Schuldner kann dies aber auch nicht durch eine negative Feststellungsklage abwehren.119 Schließlich darf der Gläubiger materiell Erfüllung in Natur verlangen, wenn er dies auch im Falle ausnahmsweise fehlender Klagebefugnis nicht gerichtlich geltend machen kann. Zahlt der Schuldner freiwillig, hat der Gläubiger das Recht, die Leistung zu behalten. Es besteht ein Rechtsgrund. Zakrzewskis oben in § 1 detailliert beschriebener Ansatz geht nach Unberath in diese Richtung, wonach subjektive Rechte und Ansprüche unmittelbar klagbar sind. Unberath sieht entsprechend die dogmatisch förderliche Trennung von materiellem Recht und Prozessrecht durch den Ansatz Zakrzewskis befördert:120 „Ein originelles Beispiel ist die Arbeit von Zakrzewski. Er schlägt vor, den Begriff ‚remedy‘ auf den prozessualen Aspekt des Schutzes subjektiver Rechte zu beschränken. Für das subjektive Recht im materiell-rechtlichen Sinne, also den ‚Anspruch‘, wählt er die dafür exklusive Bezeichnung ‚substantive right‘. Bei dieser Vorgehensweise können die remedies als prozessuales Abbild von materiell-rechtlich bestehenden Rechten aufgefaßt werden.“121
115 Weller, S. 234 f.; Medicus/Lorenz, SR AT, § 3 Rn. 24 ff.; bereits Kohler, Zeitschrift für das Privat- und Öffentliche Recht der Gegenwart 1887, 1, 19 ff., 20: „Soeben wurde bemerkt, dass das pactum de non petendo zwar nicht die Obligation vernichtet, wohl aber dieselbe unfähig macht, einen Anspruch aus sich zu erzeugen.“; M. Stürner, E. R. P. L. (2011), 167, 169; insbesondere mit Blick auf die einzelnen Fallgruppen ist vieles streitig: vgl. etwa zum pactum de non petendo, G. Wagner, S. 391 ff.; Schulze, S. 484 ff.; zu Naturalobligationen Roth, S. 46; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 4 III, S. 77 ff.; Schulze, S. 468 f.; Staudinger/Schmidt, Einl. zu §§ 241 ff. Rn. 143, 151 f.; ders., zu verjährten Forderungen a. a. O. Rn. 153. 116 Hoffmann, S. 102 f.; G. Wagner, S. 398; Staudinger/Schmidt, Einl. zu §§ 241 ff. Rn. 122; es finden sich weitere Formulierungen wie z. B. „Befugnis zum Ansprechen“ (H. Lehmann, S. 85), „Anforderungsrecht“, „Einforderungsrecht“ oder „Einforderungsbefugnis“ (Schulze, S. 461 ff., 633). 117 Insgesamt ist vieles streitig, vgl. Weller, S. 228, 234; Schulze, S. 632 f.; Staudinger/ Schmidt, 1995, Einl. zu § 241 ff. Rn. 169. 118 Schulze, S. 464, 468; Schmidt, Festschrift Jahr, S. 401; G. Wagner, S. 398. 119 Weller, S. 228 f., 233 f.; Schulze, S. 463 f., 468 f.; G. Wagner; S. 391 ff. 120 Unberath, S. 176, 197 (Fn. 72); s. a. Riehm, S. 244 f.; zum „monistischen Ansatz“, wonach remedies nur die Aufgabe haben, primäre Rechte zu „replizieren“ (“replicating rights”) Berryman, S. 14: “Under this view, remedies, often viewed as secondary rights, may perform this function well or poorly, but they do not transform primary rights”. 121 Unberath, S. 176 (ohne Fußnoten).
II. Rechte und Ansprüche
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Auch nach Zakrzewskis Ansatz wird jedoch nicht jedes (primäre) Recht durch eine gerichtliche Anordnung repliziert. Das konkrete Verlangenkönnen steht auch nach seiner Auffassung beispielsweise aus „policy-Gründen“ unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Entscheidung: “Although a claimant has a substantive right, it does not necessarily follow that a court must grant a remedy which replicates that right if it is infringed”.122
Mag der Gläubiger auch einen Anspruch gegenüber dem Gericht haben, den Schuldner in seinem Sinne zu einer Leistung zu zwingen, ein subjektives Recht gegen den Gläubiger auf ein unmittelbares „Verlangenkönnen“ steht ihm vor einer gerichtlichen Anordnung gerade nicht zu. Die Frage, ob ein Recht klagbar ist, wird im anglo-amerikanischen Rechtskreis im Ausgangspunkt bereits nicht gestellt. Von Interesse ist stattdessen, ob eine Rechtsverletzung mit einem bestimmten remedy sanktioniert werden kann.123 Umgekehrt „repliziert“ ein Gericht im Anspruchssystem gerade nicht etwa das „primäre“ Forderungsrecht durch eine davon zu trennende eigenständige gerichtliche Anordnung, sondern stellt letztlich nur das Bestehen des Anspruchs fest und macht ihn vollstreckbar.124 Weder substantive rights noch remedies sind daher mit Ansprüchen gleichzusetzen, denen die Klagbarkeit innewohnt. Der anglo-amerikanische Rechtskreis braucht dem Begriff des subjektiven Rechts wegen der prozessualen Ausgestaltung des „remedy-Systems“ gerade keine entscheidende Bedeutung beizumessen.125 Traditionell sind in jenem System – aus der Perspektive deutscher Dogmatik – primary rights als solche gerade nicht klagbar. Ihnen fehlt zwar nicht die „Einziehungs-“, wohl aber die „Klagebefugnis“.126 Bemerkenswerterweise warnen im Übrigen in Deutschland häufig genau diejenigen, die sich gegen das Bestehen materieller Unterlassungsansprüche 122
Zakrzewski, S. 85. Weller, JZ 2008, 764, 767 f.; ders., S. 120 ff.; Zakrzewski, S. 103. 124 Rechtsvergleichend Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 110, 111 (“We should be aware that for the civilian specific performance refers to the content of a substantive primary right, not to the content of a court order”); Adar/Shalev, 23 Tul. Eur. & Civ. L. F. (2008), 111, 113, (“to the civil law tradition, where the legal concept of remedies as distinct from rights is generally unfamiliar”), 121; vgl. Zeller, 23 J. L. & Com. (2003), 39, 49; Co-operative Insurance Society Ltd. v. Argyll Stores (Holdings) [1998] A. C. 1, 11; Larenz/Wolf, § 18 Rn. 67, 68; freilich zum prozessualen Anspruch u. § 10 I („Pflichtenkaskade“); während in Deutschland auch nach einem Gerichtsurteil etwa § 433 I S. 1 BGB die einschlägige Anspruchsgrundlage bleibt, wird im anglo-amerikanischen Rechtskreis der Erfüllungsanspruch unmittelbar auf die gerichtliche Anordnung gestützt: “Once the court order has been made, the plaintiff relies upon the existence of that court order (rather than on earlier events, such as entering a contract) as the source of her right. Court orders are therefore a distinct source of legal rights.”, Smith, Law of Damages, S. 33, 39. 125 Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 84 f.; Geoffrey, 46 C. L. J. (1987), 264, 273, 274; Bucher, S. 17, 135 (Fn. 7), 146; vgl. Neitzel, 22 H. L. R. (1909), 161, 162; Adar/Shalev, 23 Tul. Eur. & Civ. L. F. (2008), 111, 122. 126 Weller, S. 145 f., 150 f. 123
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wenden (soeben o. § 2 I 3), vor einer Ausdehnung subjektiver Rechte.127 Wer „Unterlassungsansprüche“ als prozessuale Rechtsbehelfe versteht,128 für den besteht konsequenterweise kein Bedürfnis, von einem „subjektiven Recht darauf zu sprechen, dass andere vertikale Preisempfehlungen unterlassen, obwohl eine solche Unterlassungsklage nach § 35 GWB [= § 33 GWB n. F.] möglich ist“,129 geschweige denn von einem Recht auf lauteres Verhalten im Wettbewerb.130 Der Schutz bestimmter wettbewerbsrechtlicher Interessen wird nach deren Ansicht durch das Prozessrecht, nicht durch im materiellen Recht angesiedelte Ansprüche sichergestellt.
2. Primäre und sekundäre Rechte Neben der Bedeutung subjektiver Rechte als unmittelbar durchsetzbare Rechtspositionen sticht im Anspruchssystem wie im „remedy-System“ die Zweiteilung von primären und sekundären Rechten ins Auge.131 „Rechtsfolgenrechte“ finden sich aber sowohl unter den primären Rechten als auch unter den sekundären Rechten. Eine Forderung ist als primäres Recht ohne Weiteres direkt durchsetzbar.132 Selbst der Naturalerfüllungsanspruch ist ein dem Schuldverhältnis unmittelbar entspringendes Primärrecht („Rückgrat der Obligation“)133.134 Als Primäranspruch entsteht er bereits mit Vertragsschluss und ist nicht lediglich ein sekundäres, aus der Nichtleistung folgendes Recht.135 Im Gegenteil: Es bedarf exemplarisch für den Anspruch aus § 433 I S. 1 BGB nach herrschender Meinung nicht eines weiteren „Rechtsbehelfs“, um die geschuldete Leistung in Natur durchzusetzen.136 Neben dem vertraglichen Primärrecht ist eine „actio-“ beziehungsweise „specific perfor127
v. Caemmerer, Festschrift Juristentag, S. 49, 55. v. Caemmerer, Festschrift Juristentag, S. 49, 53 f. 129 v. Caemmerer, Festschrift Juristentag, S. 49, 55 (Fn. 22). 130 v. Caemmerer, Festschrift Juristentag, S. 49, 55. 131 Bucher, S. 51 ff., 110 ff.; vgl. Riehm, S. 8, 245 f.; a. A. PWW/Schmidt-Kessel/Kramme, § 241 Rn. 20; PWW/Schmidt-Kessel, Vor §§ 275 ff. Rn. 10; § 275 Rn. 1 132 Zur Unterscheidung primärer und sekundärer Rechte im Vertragsrecht vgl. BTDrucks. 14/6040, S. 137; BGH NJW-RR 2009, 276 Rn. 5; Weller, S. 214 ff. 133 Rabel, S. 375. 134 Weller, S. 381, 389; Riehm, S. 243; Ackermann JZ 2002, 378, 380; Rütten, Festschrift Gernhuber, S. 939 f.; Soergel/Wiedemann, § 275 Rn. 25; BGH NJW 2006, 2773 Rn. 11 ff. 135 Weller, JZ 2008, 764, 767; ders., S. 389 f.; Riehm, S. 245 f.; M. Stürner, E. R. P. L. (2011), 167, 169; Ackermann, JZ 2002, 378, 380; Soergel/Wiedemann, Vor § 275 Rn. 25; Stoll, JZ 2001, 589, 590; Medicus/Petersen, BR, § 11 Rn. 205; Unberath, S. 197 f.; aus der Rechtsprechung: BGH NJW 2001, 1724 f.; BGH NJW 2006, 2773 Rn. 11 ff.; BGH NJW 2006, 1198 Rn. 20; s. a. Palandt/Grüneberg, Vorb v § 275 Rn. 3. 136 Weller, S. 377; Bruns, Festschrift Nipperdey, S. 3, 10 ff.; Riehm, S. 241 ff.; Vahle, ZVglRWiss 1999, 54, 63; rechtsvergleichend Weller, S. 400; Soergel/Wiedemann, BGB, 1990, Vor § 275 Rn. 25; Schmidt-Kessel, Specific Performance, S. 69, 84. 128
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mance-Ebene“ entbehrlich.137 Unumstritten ist diese Grundkonzeption dennoch nicht. So wird darauf hingewiesen, dass das Primat der Naturalerfüllung nur eine Fiktion ist. Die Pflicht, die primär versprochene Leistung „doch noch“ zu erbringen, ist streng genommen bereits eine sekundäre Pflicht, da schon allein wegen der Verspätung nicht mehr wie ursprünglich versprochen geleistet werden kann.138 Der Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB wird wegen seiner Aufgabe, das Eigentum zu schützen, zu den sekundären Ansprüchen gezählt.139 Die Unterlassungspflicht ergibt sich freilich bereits aus § 903 BGB. Es handelt sich um eine Primärpflicht.140 Der Berechtigte kann genau das verlangen, was ihm primär zusteht. Zakrzewski zählt für den anglo-amerikanischen Rechtskreis konsequenterweise Unterlassungsanordnungen zu den „primäre Rechte unmittelbar verwirklichenden remedies“.141 Ungeachtet seiner dienenden Natur soll der negatorische Unterlassungsanspruch auch im Anspruchssystem „auf einer Stufe“ mit dem vertraglichen Erfüllungsanspruch stehen.142 Anders als der vertragliche Erfüllungsanspruch ist § 1004 I BGB im Bürgerlichen Gesetzbuch gleichwohl als „Rechtsbehelf“ ausgestaltet.143 Dogmatisch handelt es sich gerade nicht um einen Primäranspruch. Der „Schutzanspruch“ entsteht nur, wenn das Eigentum verletzt wurde beziehungsweise verletzt zu werden droht. Es kommt hier also auf die zusätzlichen „Rechtsbehelfs-Voraussetzungen“144 an, während der vertragliche Leistungsanspruch bereits mit dem Vertragsschluss geboren wird und als primäres Recht unverletzt gedacht werden kann.145
3. Die Rolle der Rechtsverletzung Einer Rechtsverletzung kommt im deutschen Recht damit nicht die Schlüsselrolle zu, die sie im „remedy-System“ einnimmt.146 Vor allem für die prozessuale Durchsetzbarkeit ist sie irrelevant. Die Klagebefugnis ist dem materiellen 137
Weller, S. 377. U. Huber, Festschrift v. Caemmerer, S. 837, 846 f.; Koch, Unterlassungsansprüche, S. 15; er selbst (a. a. O., S. 27 f.) erkennt aber primäre und sekundäre Unterlassungspflichten an. 139 Raiser, JZ 1961, 465, 466 f.; Peukert, Güterzuordnung, S. 55 f., 289, 293; vgl. Zech, S. 68; zum patentrechtlichen Unterlassungsanspruch Sonnenberg, S. 7. 140 Koch, S. 27 f. mit Fn. 109. 141 Zakrzewski, S. 121 ff., 129 f. 142 Medicus/Petersen, BR, § 19 Rn. 436. 143 Vgl. Peukert, Güterzuordnung, S. 293, 297. 144 Vgl. Weller, S. 372. 145 Peukert, Güterzuordnung, S. 56; Schadensersatzansprüche sind eindeutig sekundäre (subjektive) Rechte, vgl. Bucher, S. 84. 146 Vgl. aber Schapp, JA 2002, 763. 138
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§ 2 Das Anspruchssystem
Recht bedingungslos immanent.147 Will der Kläger beispielsweise einen Anspruch aus § 823 I BGB, §§ 677, 683 S. 1, 667 BGB oder § 812 I S. 1, 1. Alt. BGB gerichtlich geltend machen, setzt die jeweils statthafte Leistungsklage nicht voraus, dass der Beklagte das Recht des Gläubigers auf Zahlung beziehungsweise Herausgabe in Form einer Nichtleistung verletzt hat oder dass er den Anspruch in irgendeiner Form bestreitet.148 Ist die Forderung auf Zahlung von Schadensersatz etc. entstanden, ist sie unmittelbar klagbar und damit gerichtlich ohne Weiteres durchsetzbar. Vor Gericht wird schließlich nicht eine Rechtsverletzung geltend gemacht, sondern eingeklagt wird der konkrete Anspruch.149 Wird der Schuldner nicht ausdrücklich zur Leistung angehalten und wird stattdessen sofort geklagt, macht dies die Klage nicht unzulässig.150 Es drohen allenfalls Kostennachteile (§ 93 ZPO). Auch auf materiellrechtlicher Ebene bildet im Anspruchssystem die Rechtsoder auch Pflichtverletzung keinen Zentralbegriff. Savigny hingegen wollte nach seiner Metamorphosenlehre eine Rechtsverletzung noch als konstitutiv für das „Klagrecht“ sehen:151 „Von diesem allgemeinen Standpunkt aus lassen sich zwey Bedingungen angeben, die bey jeder Klage vorausgesetzt werden: ein Recht an sich, und eine Verletzung desselben. Fehlt das erste, so ist eine Rechtsverletzung undenkbar; fehlt die zweite, so kann das Recht nicht die besondere Gestalt einer Klage annehmen“.152
Dieser damals herrschenden Meinung stellte sich Windscheid gleich zu Beginn seiner Schrift über die „Actio des römischen Civilrechts vom Standpunkte des heutigen Rechts“ entgegen: „Ihren Ausgangspunkt bildet der Gedanke, dass die Actio des römischen Civilrechts nicht ist, was heutzutage unter Klage oder Klagerecht verstanden wird, ein Schutzmittel des verletzten Rechts, sondern ein selbständiger Ausdruck des Rechts oder vielmehr des Rechtsanspruchs.“153
147 Vgl. aus rechtsvergleichender Sicht Neitzel, 22 H. L. R. (1909), 161, 162: “The conception of the modern German law is quite different. The two leading principles of it are that every right may be enforced by the courts, and that the purpose of such enforcement is the creation of the condition which would exist if the right was complied with voluntarily and without judicial help.” 148 Neufang, S. 241 f.; Grosch, S. 103 (Fn. 423). 149 Vgl. Rehfeldt, S. 61 f.; Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 92. 150 Grosch, S. 103 (Fn. 423). 151 v. Savigny, §§ 204, 205, S. 6; mitdenken muss man freilich, was Savigny unter einer Rechtsverletzung versteht, a. a. O., § 239, S. 281 ff., 285 (für „persönliche Klagen“ soll eine Rechtsverletzung vorliegen, „wenn die Erfüllung der Obligation unterbleibt ohne den Willen des Berechtigten.“). 152 v. Savigny, § 205, S. 6. 153 Windscheid, Actio, S. III.
II. Rechte und Ansprüche
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Auf eine Rechtsverletzung sollte es nicht ankommen.154 Namentlich einem Käufer stehe die „Actio“ auch schon vor der „Verweigerung“ zu.155 Oder allgemein: „Jedem Recht ‚klebt [die] Befugnis, für den Fall, dass es verletzt werden sollte, den Schutz der richterlichen Gewalt anzurufen‘, bereits vor der Verletzung an.“156
Dass die „Actio“ mit der Obligation geboren wird,157 gilt bis heute, wie der Blick in § 241 I BGB bestätigt.158 Der Naturalerfüllungsanspruch ist nicht nur ein „Hilfsmittel gegen einen Vertragsbruch“; er besteht unabhängig von „der Situation des Konflikts“,159 stellt sich also nicht als Sanktion für die Nichtleistung dar.160 Eine Rechtsverletzung ist bei schuldrechtlichen Ansprüchen keine Anspruchsvoraussetzung.161 Es kommt nicht einmal darauf an, dass der Anspruch vom Gläubiger „erhoben“ wird162 oder dass umgekehrt der Gläubiger Kenntnis von seinem Recht hat.163 Gleiches gilt für einen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder die Leistungskondiktion aus § 812 I S. 1, 1. Alt. BGB.164 Das Blackstone’sche „right-wrong-remedy“-Schema passt hier nicht.165 154 Windscheid, Actio, S. 1 ff.; Neitzel, 12 H. L. R. (1909), 161, 162, macht dies als Eigenheit des deutschen Rechts aus. 155 Windscheid, Actio, S. 2. 156 Windscheid, Actio, S. 2. 157 Windscheid, Actio, S. 44; Mansel, WM 2012, 1309, 1319 („der Anspruch auf Naturalerfüllung [beruht] auf dem im Vertrag verabredeten Leistungsprogramm und ist keine Nichterfüllungsfolge“). 158 Unberath, S. 197 f., 241 f.; Weller, JZ 2008, 764, 767; ders., S. 381 f., 389 ff.; Wagner, JZ 1998, 482, 485; Avenarius, JR 1996, 492, 495 f.; Riehm, S. 242 f. 159 Albers, ZEuP 2012, 687, 692. 160 Henckel, AcP 174 (1974), 97, 122; Schur, S. 3; dies sei zwar theoretisch denkbar (S. 48 f.), aber abzulehnen (S. 50, 102); aus rechtsvergleichender Perspektive Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 111. 161 Henckel, AcP 174 (1974), 97, 122; Bruns, Festschrift Nipperdey, S. 3, 12; Neufang, S. 241; Schmidt, Festschrift Jahr, S. 401, 404; Soergel/Wiedemann, BGB, Vor § 275 Rn. 25. 162 Medicus/Petersen, AT, § 11 Rn. 74; BGH NJW 2006, 1198 Rn. 20; vgl. aber Pawlowski, § 3 III 1, Rn. 329. 163 Medicus/Petersen, AT, § 11 Rn. 74. 164 Diese Sichtweise vertritt auch Birks, 20 O. J. L. S. (2000), 1, 27, für das englische Recht. Primäre Rechte, die unmittelbar von Gerichten verwirklicht werden (ohne, dass der Begriff remedy weiterführend sein soll) entstehen durch consent, unjust enrichment und miscellaneous other events. Beispielhaft führt er in diesem Sinne zum Bereicherungsrecht aus: “As soon as the mistaken payment is received, the cause of action is complete: the payer acquires his resitutionary rights, one in personam and subject to some controversy, one in rem. These rights can be demanded and realized in court. There is no conception of wrong which will reach the receipt of a mistaken payment” (ohne Fußnoten, Birks, a. a. O., 28). Dazu o. § 1 II 3. 165 Dedek 56 McGill L. J. (2010), 77, 92 (“However, since the Continental civil law does not think in the terms of the Blackstonian rights-wrongs-remedies taxonomy (if a right is invaded, there is a wrong, which will be rectified by granting a remedy), the realization of
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§ 2 Das Anspruchssystem
Das Windscheid’sche Postulat, wonach es auf eine Rechtsverletzung nicht ankommen soll, führt bei absoluten Rechten zu Schwierigkeiten.166 Das im dinglichen Recht gegenüber jedermann enthaltene Verbietungsrecht wäre demnach als Anspruch aufzufassen.167 Dies hätte zur Konsequenz, dass jeder Eigentümer mit Ansprüchen gegenüber einer Vielzahl von Personen ausgestattet wäre. Ein dingliches Recht wäre aus einer schier unbegrenzten Anzahl von Ansprüchen zusammengesetzt.168 Ein solcher „Anspruch gegenüber jedermann“ wurde heftig, geradezu polemisch kritisiert:169 „Ist es denn eine gesunde Anschauung, anzunehmen, daß die ganze Welt eigentlich mein Feind sei und auf mein Eigentum zustürzen wolle und daß die Rechtsordnung mich nur mit tausend und abertausend Ansprüchen von Weh und Ach befreien werde? Gewiß nicht! Die Mehrzahl der Menschen werden schon aus allgemeinen menschlichen Gründen mich auf meinem Eigentum in Ruhe lassen, und es hat darum keine Berechtigung, eine ständige gährende Feindschaftslage zwischen mir und Millionen menschlicher Wesen zu schaffen.“170
Siber fand, es „befremdet […] auf’s höchste“, dass dann „Jedermann Jedermanns Schuldner“ wäre.171 Henckel sieht darin ein „Unding“.172 Oder auch Baur hat Bedenken gegen solche „latente[n] Unterlassungsansprüche“ gegen die „99 Prozent friedlicher Zeitgenossen, die gar nicht daran denken mein Eigentum zu verletzen“, auch wenn grundsätzlich gilt, dass „jeder Rechtsgenosse mein Eigentum zu respektieren hat“.173 Nicht nur wegen der „weltschmerzlichen“ und „feindseligen“ Grundhaltung wird diese Konstruktion a right is not seen as remedying a wrong – a cure that is being granted, administered by a court.”). 166 Vgl. Henckel, AcP 174 (1974), 97, 140; Wesel, Festschrift v. Lübtow, S. 787, 794 ff.; Peukert, Güterzuordnung, S. 866; Langheineken, S. 8 f.; Enneccerus/Nipperdey, § 222 II, S. 1363 (Fn. 8); Georgiades, S. 130; allerdings wird Windscheid mit Blick auf das Erfordernis einer Rechtsverletzung unterschiedlich rezipiert, vgl. m. w. N. Neumann, S. 24 ff., 27 f.; Hoffmann, S. 114 ff.; Wesel, Festschrift v. Lübtow, S. 787, 796, weist darauf hin, dass der Anspruchsinhaber nach Windscheid zumindest nicht auf Unterlassung hätte klagen können. 167 Ebenso Hellwig, S. 4, 6, 25 f.; Riehm, S. 406, spricht von einem „abstrakte[n] Unterlassungsanspruch, der in der Tat gegen jede Art von Störung von jedermann gilt“. 168 Vgl. Enneccerus/Nipperdey, § 222 II, S. 1363 (Fn. 11). 169 Kohler, Zeitschrift für das Privat- und Öffentliche Recht der Gegenwart 1887, 1, 6: „Hiernach steht der Eigentümer der geringfügigsten Sache in einem Rechtsverhältnisse zu allen Menschen, also auch zum Neger am Stanley-Pool oder zum Noeforezen an der Geelvinksbai: jedes neuentstehende Eigenthum durchbebt die ganze Menschheit mit seinem Schauer, und ein jedes neu gegrabene Erzstück, jeder neu gefangene Fisch bewirkt eine Rechtserschütterung, die bis an den Nordpol reicht, wenigstens so weit, als Menschen wohnen: denn alle diese können einmal in die Lage kommen, das Eigenthum zu verletzen, gegen alle diese muss also der Eigenthümer gefeit sein.“ vgl. Stephan, S. 92; H. Lehmann, S. 109 ff.; ausführlich dazu u. § 9 IV. 170 Kohler, § 57 I, S. 175. 171 Siber, Rechtszwang, S. 100; ders., Schuldrecht, S. 470. 172 Henckel, AcP 174 (1974), 97, 140; vgl. bereits H. Lehmann, S. 109. 173 Baur, JZ 1966, 381, 383.
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als „verkehrt“ gescholten.174 Kritisiert wird, dass der Begriff des Anspruchs in Unbestimmtheit zerfällt.175 Würde man einer „allgemeinen Rechtspflicht“, sich rechtmäßig zu verhalten, eine unbegrenzte Zahl von Ansprüchen gegenüberstellen, würde man den Begriff des materiellrechtlichen Anspruchs letztlich entleeren.176 Der gegen jedermann gerichtete Anspruch würde sich in keiner Weise von dem „allgemeinen Störungsverbot“ unterscheiden.177 Durchgesetzt hat sich schließlich die Ansicht, dass Ansprüche aus absoluten Rechten erst dann entstehen, wenn das Recht durch einen anderen beeinträchtigt wird.178 Hier gilt damit die Auffassung Savignys fort, wonach „das Eigentum als solches […] noch kein Klagerecht, keine actio [verleiht]“.179 Erst durch die Rechtsverletzung beziehungsweise die Beeinträchtigung des Rechts180 wird dieses „in einen wehrhaften Zustand“ versetzt.181 § 1004 I BGB ist „das Eigentum selbst in seiner Wendung gegen einen konkreten Gegner“.182 Wie im „remedy-System“ setzt der Anspruch eine Rechtsverletzung (wrong) voraus und unterliegt damit – allerdings ausschließlich auf materiellrechtlicher Ebene – gesonderten Entstehungsvoraussetzungen.183
4. „Rechtsdenken“ im Anspruchssystem Eine konsequente Trennung von Rechten und Rechtsfolgen ist auf den ersten Blick im Anspruchssystem nicht auszumachen. Auch im Verständnis der Privatrechtssystematik spiegelt sich dies nicht wider. Es wird nicht in Rechten und davon zu trennenden Rechtsbehelfen „gedacht“ (a)). Eine Ausnahme bildet die Lehre Pickers, der zufolge das Privatrecht als „Rechtszuweisungsordnung“ zu verstehen ist (b)).
174 Kohler, § 57 I, S. 174 f.; ders. Zeitschrift für das Privat- und Öffentliche Recht der Gegenwart, 1887, 1, 6 („seltsame Anschauung“). 175 Zeuner, Festschrift Dölle, S. 295, 306; dazu ausführlich u. § 9 IV 1. 176 Zeuner, Festschrift Dölle, S. 295, 306; vgl. Münzberg, JZ 1967, 689, 692; Bruns, Festschrift Nipperdey, S. 3, 9. 177 Thomas, S. 39. 178 Vgl. nur Enneccerus/Nipperdey, § 222 II, S. 1363 f. 179 v. Savigny, S. 1 ff.; vgl. in der Sache nicht anders aus heutiger Sicht Staudinger/Peters/ Jacoby, § 194 Rn. 6. 180 Braun, AcP 205 (2005), 127, 136. 181 Braun, AcP 205 (2005), 127, 136. 182 Gernhuber, Schuldverhältnis, § 1 I 4, S. 3. 183 Vgl. Weller, JZ 2008, 764, der hervorhebt, dass im „remedy-Konzept“ die Durchsetzbarkeit vertraglicher Primärrechte von remedies abhängt, „die – über den Vertragsschluss hinausgehend – gesonderten Entstehungsvoraussetzungen unterliegen.“
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§ 2 Das Anspruchssystem
a) Keine analytische Trennung zwischen Rechtszuweisung und Rechtsdurchsetzung
Die Rolle vorgelagerter Rechte hat beim „Anspruchsdenken“ nur eine untergeordnete Bedeutung. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass die Entstehungsgründe für Ansprüche vielfältig sind. Nicht Rechtszuweisungen, sondern rechtsgeschäftliche und gesetzliche Entstehungsgründe bestimmen die Systematisierung.184 Exemplarisch dafür steht, dass der Eigentumsbegriff sowohl „Einwirkungs-“ als auch „Abwehrrechte“ umfassen soll.185 Missverständlich wird § 1004 I BGB zur „Grundlage des Hausrechts“ erhoben,186 obgleich „das Hausrecht“ Konsequenz des „Stammrechts“ Eigentum ist.187 Die Warnung, bei der Anwendung von § 1004 BGB nicht die Grenze zwischen Sacheigentum und geistigem Eigentum zu verwischen, nicht „aus Sacheigentum und Urheberrecht ein einheitliches, vom weiten Schutzbereich des § 1004 Abs. 1 BGB erfaßtes Recht [zu] modellier[en]“188, zeigt ebenfalls, dass nicht selbstverständlich sauber zwischen dem zu schützenden Recht und der Rechtsdurchsetzung unterschieden wird. Statt das Zusammenspiel der zwei Ebenen Rechtszuweisung und Rechtsdurchsetzung gleichsam aus der Vogelperspektive zu beleuchten, wird nicht selten einseitig auf ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal einer Anspruchsgrundlage geblickt.189 Symptomatisch dafür ist die Debatte um die Anwendbarkeit von § 812 I S. 1, 2. Alt. BGB auf Geschäftsgeheimnisse190 oder auch Unterlassungsansprüche bei der Registrierung von Domainnamen.191 Die BGH-Entscheidung Steuervorrichtung (ein Erfinder könne sich auf § 812 I S. 1, 2. Alt. BGB stützen, selbst wenn die Erfindung nicht patentfähig ist) belegt exemplarisch, dass die Eingriffskondiktion mitunter nicht als Rechtsfolge verstanden wird, sondern gleichsam eine Rechtsposition schafft.192 Im Bereicherungsrecht etwa wird nicht pointiert gefragt, welches Recht verwirklicht wird, sondern ob „Zuweisungsgehalt“ vorliegt.193 Leis184
Vgl. Staudinger/Peters/Jacoby, § 194 Rn. 12 ff. Wüstenbecker, JA 1984, 227, 231. 186 Vgl. MünchKomm/Baldus, § 1004 Rn. 22 ff. 187 Vgl. Peukert, Güterzuordnung, S. 221. 188 Vgl. Jänich, S. 309. 189 Auch Picker, Festschrift Canaris, S. 1001, 1034, moniert: „Denn nicht deshalb, weil eine Rechtsposition deliktisch geschützt ist, genießt sie auch Bereicherungsschutz. Vielmehr erfährt sie neben dem deliktischen grundsätzlich auch bereicherungsrechtlichen und negatorischen Schutz, weil und soweit sie vom geltenden Recht als subjektive Herrschaftsbefugnis anerkannt wird.“; vgl. ders., JZ 2010, 541, 547. 190 Übersicht bei Ohly, GRUR 2014, 1, 8. 191 Vgl. BGHZ 192, 204 – gewinn.de = GRUR 2012, 417; MünchKomm/Baldus, § 1004 Rn. 29 ff. 192 BGHZ 185, 341 – Steuervorrichtung = GRUR 2010, 817; kritisch Liebenau/Hofmann/ Zech, ZGE 2012, 133 ff. 193 Palandt/Sprau, § 812 Rn. 40; Peukert stellt heraus, dass namentlich § 823 I BGB keine „norminterne“ Wertung für die rechtliche Zuweisung neuer Güter zu entnehmen ist, Peukert, 185
II. Rechte und Ansprüche
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tungs- und Eingriffskondiktion werden in diesem Zusammenhang gemeinsam präsentiert, obwohl erstere in der Sache einen Eingriff in eine Rechtszuweisung sanktioniert, während letztere konstitutiv ein Recht auf Rückforderung begründet.194 Einzig bei den dinglichen Ansprüchen wird auf die Rolle des vorgelagerten Eigentumsrechts gemäß § 903 BGB regelmäßig hingewiesen.195 Doch selbst hier wird die Trennung von Rechten und Rechtsfolgen zu ihrer Verwirklichung nicht mit letzter Konsequenz durchgezogen. § 823 I BGB findet sich im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht im systematischen Zusammenhang mit den Eigentumsvorschriften, sondern im besonderen Schuldrecht.196 Im Vordergrund steht, dass ein gesetzliches Schuldverhältnis entsteht, wonach der Gläubiger vom Schuldner Schadensersatz verlangen kann.197 Dass es sich hierbei um die Sanktion für eine Eigentumsverletzung handelt, also der Natur nach ein „Rechtsfolgenrecht“ vorliegt,198 interessiert nur zweitrangig. Ein Eingriff in ein absolutes Recht ist im Rahmen des § 823 I BGB nur eines von mehreren gleichrangigen Tatbestandsmerkmalen.199 Zugleich wird darauf hingewiesen, dass § 823 I BGB eine andere Rechtsnatur hat als der „Durchsetzungsanspruch“ aus § 1004 BGB. Anders als der „Durchsetzungsanspruch“ soll der Schadensersatzanspruch nicht Teil des subjektiven Rechts selbst sein.200 b) Die Lehre Pickers von der Rechtszuweisungsordnung
Es wird also vielfach nicht das Verhältnis von Rechten zu ihrer Durchsetzungsmöglichkeit erörtert, sondern pragmatisch untersucht, ob die Tatbestandsmerkmale einer Anspruchsgrundlage erfüllt sind. Freilich gibt es auch Stimmen, die den Zusammenhang von Ansprüchen und Rechten systematisieren.201 Ins Auge stechen dabei vor allem die Arbeiten Pickers. Er versteht Güterzuordnung, S. 249 ff., 275. Gleiches gelte für Unterlassungsansprüche, a. a. O., S. 303 ff., und für das Bereicherungsrecht, S. 402 ff. Auch hier ist auf normexterne Wertungen zurückzugreifen, a. a. O., S. 440 ff., vgl. auch a. a. O., S. 527 f.; allerdings muss nicht zwingend ein subjektives Recht vorausliegen, vgl. Peukert, Güterzuordnung, S. 872, 880 ff.; kritisch auch F. Hartmann, S. 24; Picker, Festschrift Canaris, S. 1001, 1033 f.; kritisch zu „Schutzrechten“ ohne „Substanzrechte“ Hoffmann, S. 51 ff. 194 Dazu u. § 5 III 4 c). 195 Nur MünchKomm/Baldus, § 1004 Rn. 1; vgl. Holzapfel, GRUR 2002, 193, 195 f.; Reinhardt, JZ 1961, 713, 717. 196 Anders ist dies im Recht des Geistigen Eigentums. Dort finden sich Schadens- und Unterlassungsansprüche gemeinsam in einer rechtsfolgenregelnden Vorschrift, § 139 PatG, § 97 UrhG, §§ 14, 15 MarkenG; „bereicherungsrechtliche“ Ansprüche – zum Begriff „bereicherungsrechtliche Rechtsfolgen“ Hofmann, AcP 213 (2013), 469, 477 – finden sich aber auch hier davon getrennt in § 812 I S. 1, 2. Alt. BGB. 197 Vgl. nur Looschelders, SR AT, § 10 Rn. 186 ff. 198 Ausführlich u. § 5 III 2 und § 5 III 4 b). 199 Vgl. Gernhuber, Schuldverhältnis, § 1 I 4, S. 3; Bruns, JuS 1971, 221, 224 (Fn. 31). 200 Ost, S. 46 f. 201 Darstellungen, die das Zusammenspiel unterschiedlicher Anspruchsgrundlagen be-
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§ 2 Das Anspruchssystem
die Zivilrechtsordnung als eine „Rechtszuweisungsordnung“.202 Grundlegend sei die Unterscheidung zwischen die Rechtszuweisung besorgenden „Substanzrechten“ und „Schutzrechten“, die diese absichern. Zugewiesene Rechtspositionen würden durch ein umfassendes Haftungssystem verteidigt: Schadensersatzansprüche (Wiedergutmachungsfunktion), bereicherungsrechtliche Ansprüche (Abschöpfungsfunktion) und negatorische Ansprüche (Rechtsverwirklichungsfunktion). Picker spricht von einer „Trias der Haftungssysteme“.203 Er warnt in diesem Zusammenhang davor, dass diese Zusammenhänge bei der Fokussierung auf Ansprüche in den Hintergrund treten könnten. Gerade in der Anspruchsmethode liege die Gefahr, dass man das „Verteidigungsrecht [verabsolutiert] und dadurch dessen Abhängigkeit von dem verteidigten Wertrecht aus dem Blick [verliert]“.204 Die Anspruchsmethode bringe gleichsam als Nebenwirkung eine Konzentration auf Ansprüche zulasten von Rechtszuweisungen oder „ungestörten Rechtsverhältnissen“.205 Auch bei Forderungsrechten will Picker zwischen der „obligatorischen Rechtsposition als solcher“ und „den aus ihr abzuleitenden, ihren Schutz verfolgenden Abwehrrechten“ differenzieren. Diese sollen neben der obligatorischen Rechtsposition bestehen.206 Ihm geht es aber nur darum, dass dem Gläubiger neben Schadensersatzansprüchen auch negatorische Ansprüche (sowie bereicherungsrechtliche Schutzansprüche) zustehen. Eine Unterscheidung von Forderungsrecht (in seiner Terminologie) als Substanzrecht und Erfüllungsanspruch als „Rechtsbehelf“ nimmt er nicht vor.207 Er geht davon aus, dass die obligatorische Rechtsposition selbst unmittelbar durch „einleuchten (etwa Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht), sind im hier erörterten Zusammenhang nicht von primärem Interesse, bereits o. § 2 (Fn. 1). 202 Picker, Festschrift Flume, S. 649, 672 f.; ders., Festschrift Lange, S. 625, 656 ff., 683 ff.; ders., AcP 176 (1976), 28, 38 ff.; ders. Festschrift Gernhuber, S. 315 (Fn. 3), 339; ders., Festschrift Bydlinski, S. 269, 311, 313; ders., Festschrift Canaris, S. 1001, 1003, 1017; ders., Privatrechtsgesellschaft, S. 207, 248; ders., Festschrift Medicus, S. 311, 316 f., 319 f.; ders., JZ 2010, 541, 546 f.; ders., JZ 2014, 431, 439; ders., Prävention, S. 61, 84 ff.; ders., Festschrift Schilken, S. 85, 92 ff.; zur Lehre Pickers auch u. § 2 III 2 a), § 8 II 1; dem folgend Bernhard, Festschrift Picker, S. 83, 103 ff.; Hoffmann, S. 35 ff.; Katzenstein, S. 142 ff.; Kahl, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 205, 213 f.; Lobinger, ZfA 2004, 101, 123; Holzapfel, GRUR 2002, 193, 195 f.; zum Rechtsschutzsystem auch Braun, AcP 205 (2005), 127, 132 ff.; ders., Rechtsphilosophie, S. 298; s. a. Vossius, Zu den dogmengeschichtlichen Grundlagen der Rechtsschutzlehre. 203 Picker, Festschrift Lange, S. 625, 686; ders., Festschrift Canaris, S. 1001, 1026 („Trias der Schutzansprüche“), 1028; ders., JZ 2010, 541, 546; ders., Festschrift Bydlinski, S. 269, 317 („Dreiheit funktional scharf getrennter Haftungssysteme“); vgl. Katzenstein, S. 143. 204 Picker, Festschrift Medicus, S. 311 f., 316. 205 Vgl. Meincke, JZ 1988, 1095, 1100 f.; Großfeld, NJW 1985, 1577, 1578; ders., JZ 1992, 22, 25. 206 Picker, Festschrift Flume, S. 649, 672 ff.; ders., Festschrift Bydlinski, S. 269, 276; ders., Festschrift Canaris, S. 1001, 1028 ff.; ders., JZ 2014, 431, 439. 207 Das folgt schon daraus, dass er von einer Trias der Haftungssysteme spricht und „Erfüllung“ nicht als eigenständige Kategorie erfasst. Allerdings spricht Picker davon, dass der
III. Ermessen und differenzierte Rechtsdurchsetzung
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fache Rechtsverfolgung“ (also durch Geltendmachung des Naturalerfüllungsanspruchs) durchgesetzt werden kann.208 Aber auch die Fälle, bei denen Picker zwischen Substanz- und Schutzrechten trennt, stehen teils in Widerspruch zum Systemverständnis der herrschenden Meinung. Entgegen Picker greift die Eingriffskondiktion bei Vertragsverletzungen nach herrschender Meinung nicht Platz.209 Ein nicht unerheblicher Grund dürfte dabei sein, dass die Eingriffskondiktion gerade nicht als Teil eines umfassenden Haftungssystems betrachtet wird.
III. Ermessen und differenzierte Rechtsdurchsetzung Anders als im „remedy-System“ spielen Ermessenserwägungen bei der Anspruchsentstehung regelmäßig keine Rolle (1.). Auch der Gedanke differenzierter Rechtsdurchsetzung ist nicht ausgeprägt (2.).
1. Ermessen als systemfremdes Element Ob ein Anspruch entstanden ist, hängt nicht von Ermessenserwägungen ab.210 Eine solche Sichtweise ist dem deutschen Recht im Grundsatz fremd. Nur wenige Vorschriften räumen dem Richter explizit einen Gestaltungsspielraum ein. Darauf wurde bereits hingewiesen (o. § 2 I 4). Erinnert sei nur an § 938 ZPO. Bei einer einstweiligen Verfügung bestimmt der Richter gemäß dieser Vorschrift „nach freiem Ermessen“, welche Anordnungen er trifft. Selbst hier bedeute „Ermessen“ aber nur, dass dem Gericht ein Entscheidungsspielraum im Rahmen der gestellten Anträge zukommen soll. Im verwaltungsrechtlichen Sinne sei der Begriff nicht zu verstehen.211 Ein materiellrechtlicher Anspruch liegt einer Anordnung nach § 938 ZPO gemäß der herrschenden Meinung jedenfalls nicht zugrunde.212 Nur sehr vereinzelt finden sich ferner Anspruchsgrundlagen, die den Anspruch unter einen Ermessensvorbehalt stellen. Auf § 1 GewaltSchG wurde hingewiesen. Auch § 315 BGB erscheint als AusnahmeKäufer mit seinem Leistungsanspruch seine Rechte aus dem Vertrag „verwirklicht.“ (Festschrift Bydlinski, S. 269, 276). 208 Picker, Festschrift Flume, S. 649, 673 f. 209 BGH NJW 2013, 781; Ellger, S. 851 ff.; vgl. aber Picker, AcP 183 (1983), 369, 512; F. Hartmann, 115 f., 254 ff., 256, 269 ff., mit Blick auf § 285 BGB. 210 Ermessen ist hingegen bei der Auswahl der Ordnungsmittel nach § 890 ZPO denkbar, Ohly/Sosnitza, § 12 Rn. 250. 211 Zöller/Vollkommer, § 938 Rn. 1; vgl. aber Kahl, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 205, 211, der von „ungewöhnlich weite[n] Spielräume[n]“ spricht. 212 Vgl. Kahl, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 205, 209 ff.; zum richterlichen Ermessen grundlegend Stickelbrock, Inhalt und Grenzen richterlichen Ermessens im Zivilprozeß, 2002.
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§ 2 Das Anspruchssystem
vorschrift. Gleiches gilt für die Rechtsprechung zum Schmerzensgeld. Hier hat der Richter einen Spielraum beziehungsweise ein „Ermessen“.213 Im Grundsatz gilt jedoch, dass bei der Entstehung von Ansprüchen Ermessens- oder Billigkeitserwägungen oder auch Interessenabwägungen keine Rolle spielen. Betont wird insbesondere, dass dem vertraglichen Erfüllungsanspruch jedwedes Element (richterlichen) Ermessens fremd ist.214 Gleiches gilt für Unterlassungsansprüche aus Ausschließlichkeitsrechten oder im Lauterkeitsrecht.215 Mit Blick auf die Anordnung einer Aufbrauchsfrist stellt Köhler ausdrücklich klar, „daß sie nicht in das Ermessen des Richters (allenfalls in seinen Beurteilungsspielraum) gestellt ist.“216
2. Differenzierte Rechtsdurchsetzung Während Primäransprüche zwingend erscheinen (a)), werden Schrankenregelungen als Begrenzungen des Schutzbereichs aufgefasst (b)). a) Zwingender Primäranspruch
Gerade bei den primären Ansprüchen wie Erfüllung eines Vertrags oder den Abwehransprüchen zur Verteidigung absoluter Rechte soll ein Ausschluss dieser Ansprüche systemwidrig sein. Anders als im anglo-amerikanischen Rechtskreis ist die Erfüllung der einschlägigen Verpflichtung in Natur die Regel, wenn nicht gar „zwingend.“217 Vor allem die ursprüngliche Skepsis des BGB-Gesetzgebers gegen die Unterlassungshaftung musste sich dem Ziel optimalen Rechtsschutzes zunehmend unterordnen.218 Die Rechtsprechung hat insbesondere den Anwendungsbereich des § 1004 I BGB stetig ausgeweitet.219 Immer wenn ein Schadensersatzanspruch besteht, soll zugleich ein Unterlassungsanspruch gegeben sein.220 Es scheint in der Tat die Formel zu gelten: „Rechtsverletzung und Begehungsgefahr = Unterlassungsanspruch“.221 Gerade die patentrechtliche Literatur ist für den „praktisch uneingeschränkt 213 Vgl. Zöller/Vollkommer, § 308 Rn. 2; Zöller/Greger, § 253 Rn. 14. Dort ist ausdrücklich von „gerichtlicher Ermessensausübung“ die Rede; ebenso Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 zum Schlagwort „Unbezifferte Klageanträge“. 214 Albers, ZEuP 2012, 687, 693. 215 Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.80 („Gewährung der Aufbrauchsfrist liegt nicht im Ermessen des Gerichts“); Mes, § 139 Rn. 42; vgl. Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 795, mit Blick auf patentrechtliche Unterlassungsansprüche. 216 Köhler, GRUR 1996, 82, 90; dazu u. § 5 IV 4 a). 217 Vgl. Neitzel, 22 H. L. R. (1909), 161, 165; s. a. Riehms (§§ 4, 6, 7) Analyse des Naturalerfüllungsgrundsatzes im Vertrags-, Sachen- und Zwangsvollstreckungsrecht. 218 Henke, JA 1987, 350, 354; vgl. bereits RGZ 48, 114, 119 f. 219 Nur Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 14 ff.; Übersicht u. § 7 IV, V. 220 Etwa Ritter, S. 36; bereits RGZ 60, 6, 7 f. 221 Vgl. Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 790, 792.
III. Ermessen und differenzierte Rechtsdurchsetzung
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geltende[n] Automatismus ‚Patentverletzung begründet einen Unterlassungsanspruch‘“ zunehmend sensibilisiert.222 Dennoch geht die herrschende Meinung selbst im Recht des Geistigen Eigentums, wo für alternative Haftungsregeln (z. B. urheberrechtliche Vergütungsansprüche) ein gesteigertes Bewusstsein vorhanden ist, davon aus, dass a priori ein Unterlassungsanspruch besteht.223 Die Schlagworte „effektiver Rechtsschutz“224 und „hohes Schutzniveau“225 bestimmen nicht nur dogmatisch, sondern auch rechtspolitisch die Marschrichtung.226 Oder aus Sicht des anglo-amerikanischen Rechtskreises, der in einer solchen „monistischen Sichtweise“ einen mechanischen Ansatz (“mechanical approach to the law of remedies”) erkennt:227 “Under the first approach [monistic view: remedies as being inseparable from rights], the protection of property from trespass would best be attained, and thereby maximized, by grant of an injunction. Such a remedy enforces the principle that the only way to acquire a right of transgression is by consensual agreement, irrespective of any competing interest the trespasser may have.”228
Besonders eindringlich wird die Sicht, dass bestimmte Ansprüche nicht durch andere substituierbar sind, von Picker vertreten, dem eine beachtliche Zahl an Autoren folgt.229 Wenn die Rechtsordnung als Rechtszuweisungsordnung subjektive Rechte zuweist, müssten zugleich entsprechende Verteidigungsmechanismen als „Automatism[en]“230 zur Verfügung gestellt werden.231 Damit sich „dieser Zuweisungsgedanke“ nicht selbst aufgebe, soll es eines „umfassenden Schutzes dieser Rechte“ bedürfen.232 Ein solcher sei letztlich 222
Osterrieth, GRUR 2009, 540, 545; Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 792. Burk, ZGE 2012, 405, 406; zu „Schranken“ u. § 2 III 2 b). 224 Zum Lauterkeitsrecht Wünsche, S. 29 f. 225 Vgl. Erwägungsgrund 10 der Enforcement-RL (2004/48/EG); Erwägungsgrund 9 InfoSoc-RL (2001/29/EG). 226 Kritisch Haedicke, Patente und Piraten, S. 77 f. („Ende der Fahnenstange“). 227 Wright, S. 8; Cooper-Stephenson, S. 1, 6 f.; dies soll den status quo des englischen Rechts widerspiegeln Barnett/Harder, S. 4 f.; vgl. aber o. § 1 III 2; Weller, S. 132; Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 79 f. 228 Berryman, S. 14; die Rede ist auch von einer „rights-maximizing-These“, CooperStephenson, S. 1, 5, 6; Gewirtz, 92 Y. L. J. (1983), 585, 588 f., 591 ff., stellt diesem Standpunkt einen solchen gegenüber, der mit Blick auf remedies auch Interessen Dritter bzw. der Allgemeinheit berücksichtigt (“‘Interest Balancing’ [approach], which also considers other social interests”); vgl. Fischman Afori, Cardozo Arts & Entertainment L. J. (2011), 1, 3 ff., 11 f., 21 (“all-or-nothing approach”); vgl. o. § 1 II. 229 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 57; ders., AcP 176 (1976), 28, 52 ff.; ders., Festschrift Lange, S. 625, 655 ff.; ders., Festschrift Gernhuber, S. 315, 330, 340 f.; ders., Festschrift Canaris, S. 1001, 1017; ders., JZ 2010, 541, 546 f.; ders., JZ 2014, 431, 439 f.; ders., Prävention, S. 61, 84 ff.; ders., Festschrift Schilken, S. 85, 93; weitere Nachweise in den folgenden Fußnoten; bereits o. § 2 II 4 b). 230 Katzenstein, S. 190 f. 231 Kahl, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 205, 213. 232 Gebauer, Jura 1998, 128, 132. 223 Vgl.
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§ 2 Das Anspruchssystem
nur durch die Gewährung negatorischer, deliktischer und bereicherungsrechtlicher Ansprüche zusammen sichergestellt.233 Jedes dieser Haftungssysteme verfolge unterschiedliche Ordnungsziele; Gesamtziel sei die „lückenlose Rundumsicherung“ subjektiver Rechtspositionen.234 Daher soll es verfehlt sein, „einzelne dieser sich ergänzenden Schutzsysteme einem subjektiven Recht mit der Begründung nicht zuteil werden zu lassen, daß hinreichender Schutz bereits über die übrigen Schutzsysteme gewährt sei.“235 Der Ausschluss auch nur eines Haftungssystems wäre „rechtssystematisch eine irritierende Anomalie“.236 Vor allem negatorische Ansprüche soll die Rechtsordnung „wesensmäßig“ voraussetzen.237 Konkret folge daraus, dass ein Anspruch auf Beseitigung wie ein Unterlassungsanspruch nicht durch einen Entschädigungsanspruch abgelöst werden könne.238 Oder konkret: Die Anwendung von § 251 II BGB auf Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche sei abzulehnen.239 Andernfalls hätte der Störer die Möglichkeit, das Recht des Beeinträchtigten zwangsweise abzukaufen.240 Auch andere Autoren weisen in diesem Sinne darauf hin, dass Abwägungen dem „harten“ Unterlassungsanspruch wesensfremd sind und zu seiner 233 Picker, AcP 183 (1983), 369, 514; ders., Festschrift Gernhuber, S. 315, 330; ders., Festschrift Canaris, S. 1001, 1017 f., 1021 f., 1024, 1034; Gebauer, Jura 1998, 128, 132. 234 Picker, Festschrift Gernhuber, S. 315, 330; ders., Festschrift Bydlinski, S. 269, 313 f.; ders., Festschrift Canaris, S. 1001, 1017. 235 Gebauer, Jura 1998, 128, 132; Lobinger, JuS 1993, 453, 456 f.; Katzenstein, S. 143 (Fn. 13) kritisiert Medicus (nunmehr Medicus/Petersen, BR, § 28 Rn. 709), weil dort vertreten wird, dass, was deliktsrechtlich geschützt ist, nicht stets auch kondiktionsrechtlich geschützt sein müsse. 236 Picker, Festschrift Canaris, S. 1001, 1021; vgl. ders., Festschrift Medicus, S. 311, 317 f.; ähnlich Katzenstein, S. 144. 237 Picker, Festschrift 50 Jahre BGH, S. 693, 701; ders., Festschrift Schilken, S. 85, 93 („Das Substanzrecht ist präjudiziell für das Schutzrecht“); dazu u. § 8 II 1. 238 Picker, AcP 176 (1976), 28, 52 ff.; anders aber die Rechtsprechung, nur BGHZ 62, 388 Rn. 5 = NJW 1974, 1552; im englischen Recht wird gerade Beseitigung oft nicht gewährt, vgl. Wrotham Park Estate Ltd. v. Parkside Homes Ltd. [1974] 1 W. L. R. 798, 911 (“It would, in my opinion, be an unpardonable waste of much needed houses to direct that they now be pulled down”). 239 Picker, AcP 176 (1976), 28, 53 f.; ders., Festschrift Lange, S. 625, 660 ff., 687; Katzenstein, JZ 2010, 633, 634 ff.; Roth, AcP 180 (1980), 263, 283; beim Anspruch auf Schadensersatz „pass[e]“ § 251 BGB hingegen: Bleibt der Schaden wegen des Fehlens eines Zurechnungsgrundes unersetzt, folgt daraus noch keine Veränderung der Güterzuweisung, Picker, AcP 176 (1976), 28, 50; ders., Festschrift Lange, S. 625, 666 f.; ders., Festschrift Gernhuber, S. 315, 340; ders., Festschrift 50 Jahre BGH, S. 693, 702; ders., Festschrift Bydlinski, S. 269, 285 f.; allgemein gegen eine „Verschuldrechtlichung“ dinglicher Ansprüche Picker, Festschrift 50 Jahre BGH, S. 693, 718 ff. 240 Picker, AcP 176 (1976), 28, 63; ders., Festschrift Lange, S. 625, 664 f.; zum „aufgedrängten“ Entgelt vgl. ders., a. a. O., S. 627 und ähnlich Medicus, JuS 1969, 449, 453 ff.; ungelöst soll auch das Problem der Rechtsnachfolge bleiben, Picker, AcP 176 (1976), 28, 55; ders., Festschrift Lange, S. 625, 668 f.
III. Ermessen und differenzierte Rechtsdurchsetzung
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Entwertung führen würden.241 Für eine Einschränkung von Unterlassungsansprüchen „aus Gründen (nur) der Verhältnismäßigkeit“ [soll] kein Raum“ sein.242 Gleiches gelte im Übrigen bei vertraglichen Ansprüchen. Eine Ablösemöglichkeit wird kritisiert. Der Schuldner habe nicht das Recht, sich von seiner Naturalerfüllungsverpflichtung gleichsam „loszukaufen“.243 Denkbar sei allenfalls, dass ein Primäranspruch durch einen anderen ersetzt wird,244 nicht aber, dass unterschiedliche Ansprüche zur Verwirklichung des Rechts von vorneherein gleichwertig taugen.245 Dass aber eine „Zuweisung einer Rechtsposition […] nicht ohne den Ausschluss Dritter und die Durchsetzung dieses Ausschlusses denkbar“ ist,246 subjektive Rechte dann dennoch nicht nur „auf dem Papier“ bestehen,247 wird noch zu hinterfragen sein.248 b) Schrankenregelungen als Schutzbereichsbegrenzungen
„Schranken“ von Ausschließlichkeitsrechten wiederum werden nicht als Ausschluss des Unterlassungsanspruchs verstanden. Aus unterschiedlichen Gründen (Marktversagen, öffentliches Interesse, grundrechtlich geschützte Interessen Einzelner)249 unterliegen das Eigentum, aber vor allem Immaterialgüterrechte unterschiedlich intensiven Einschränkungen.250 Zum einen finden sich umfassende Freistellungen vom „Verbotsrecht“ (z. B. § 51 UrhG); zum anderen gewähren „gesetzliche Lizenzen“ eine Freistellung gegen Zahlung einer Vergütung (z. B. § 906 II S. 2 BGB).251 Das Recht selbst, genauer: sein 241 Kolbe, NJW 2008, 3618, 3619, 3620 (kein „Abwägungsvorbehalt“); Kolbe vergleicht den Anspruch mit dem Notwehrrecht; vgl. Medicus, JuS 1969, 449, 454 f. 242 Reetz/Pecnard/Fruscalzo/van der Velden/Marfé, GRUR Int. 2015, 210, 211, 212. Dies folge schon aus dem Wortlaut etwa von § 139 PatG. Selbst eine richtlinienkonforme Auslegung (vgl. Enforcement-RL = RL 2004/48/EG) soll daran nichts ändern. 243 U. Huber, Festschrift Schlechtriem, S. 521, 557; ders., Leistungsstörungen Bd. II, S. 145 f. 244 Vgl. Riehm, S. 9. 245 So aber entgegen der h. M. PWW/Schmidt-Kessel/Kramme, § 241 Rn. 20 f.; PWW/ Schmidt-Kessel, Vor §§ 275 Rn. 10; § 275 Rn. 1. 246 Hoffmann, S. 36. 247 Picker, Festschrift Lange, S. 625, 658; ders., Festschrift Gernhuber, S. 315, 340; ders., Festschrift 50 Jahre BGH, S. 693, 701; ders., Festschrift Bydlinski, S. 269, 314; dem folgend etwa Bernhard, Festschrift Picker, S. 83, 105. 248 Dazu u. § 8 II. 249 Zur Rechtfertigung urheberrechtlicher Schranken Stieper, S. 7 ff., 21 ff., 31 ff., 42 ff., 74 ff.; Guibault, S. 27 ff.; zum Sachenrecht Baur/Stürner, § 24 Rn. 6; § 25 Rn. 1, 2 ff. 250 Stieper, S. 6 ff.; 149 f.; Ohly, Festschrift 50 Jahre UrhG, S. 379, 383 f.; Guibault, S. 20 f.; Hilty, GRUR 2005, 819, 821; MünchKomm/Säcker, § 903 Rn. 30 ff.; Staudinger/Gursky, § 903 Rn. 13 ff. 251 Zu weiteren Untergliederungen Hilty, GRUR 2005, 819, 821; Dreier/Schulze, Vor § 44a Rn. 11; Stieper, S. 6 f., verweist zudem auf Zwangslizenzen, vgl. § 24 PatG, § 42a UrhG; hierbei besteht aber nur ein Anspruch auf Einräumung einer Lizenz; eine Ausnahme vom
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§ 2 Das Anspruchssystem
Schutzbereich, erscheint in allen Fällen begrenzt.252 So soll beispielsweise § 904 BGB als „Durchbrechung von § 903 BGB“ eine „generelle Beschränkung des Eigentumsrechts“ bewirken.253 §§ 903 ff. BGB regeln den Umfang des Eigentumsrechts; die Rechtsdurchsetzung bestimmt § 1004 BGB.254 Konsequenterweise soll allen voran dem Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch im Falle des Vorliegens einer „Schranke“ von vorneherein die Grundlage entzogen sein.255 Hat der Berechtigte eine Rechtsusurpation zu dulden, so bestehe die Rechtsüberlagerung nicht der Rechtsordnung zuwider, „der negatorische Anspruch ist […] ausgeschlossen“.256 § 904 S. 2 BGB wird dann als Aufopferungsanspruch gelesen.257 Es wird eine neue Anspruchskategorie gedacht. Auch Schranken im Urheberrecht sollen nicht bewirken, dass dem Urheber ein bestimmtes Verwertungsrecht wieder entzogen wird.258 Das einschlägige Verwertungsrecht stehe dem Urheber nur in den von den Schranken gezeichneten Grenzen zu.259 Verwertungsrechte seien a priori mit den Schranken der §§ 44a ff. UrhG belastet.260 Es soll sich lediglich um eine „Frage der Gesetzestechnik“ handeln, „wenn das Gesetz das Verwertungsrecht zunächst als umfassend formuliert“, die „Schranken dieses Rechts“ aber in §§ 44 ff. UrhG normiert.261 Erst die „Gesamtschau“ von Verwertungsrechten und Schranken „lässt das Ausmaß Ausschließlichkeitsrecht liegt nicht vor, Schricker/Loewenheim/Melichar, Vor §§ 44a Rn. 6; teils wird noch abgegrezt, dass manche Schranken im Urheberrecht der Verwertungsgesellschaftspflichtigkeit unterliegen, Schricker/Loewenheim/Melichar, Vor §§ 44a Rn. 6; Förster, S. 78 f.; s. a. Hofmann, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 183, 190 ff. 252 Sontis, Festschrift Larenz, S. 981, 981, 982 f.; Georgiades, Festschrift Sontis, S. 149, 155 f.; Stieper, S. 67 f., 130 f., 149 f.; Hohagen, Festschrift Schricker, S. 353, 359 f.; bildlich gesprochen erscheint die Rechtszuweisung „löchrig“, vgl. Geiger, 143, 150 f.; Schloßmann, JherJ 45 (1903), 289, 320; zu Schranken subjektiver Rechte im Sinne einer inneren Begrenzung (Innentheorie) und äußeren Begrenzung (Außentheorie) Wolf/Neuner, § 20 Rn. 69 f. 253 Picker, Festschrift Lange, S. 625, 642. 254 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 39. 255 Picker, Festschrift Lange, S. 625, 642; Stieper, S. 141 f.; nach hier vertretener Ansicht liegt ein Eingriff in das Eigentumsrecht vor. Ausgeschlossen ist im Falle von § 904 S. 1 BGB lediglich der Unterlassungsanspruch, nicht aber die Rechtsfolge Schadensersatz (vgl. § 904 S. 2 BGB). Dazu u. § 5 IV 2 a) und auch § 5 III 2. 256 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 171 f. 257 Erman/Wilhelmi, § 904 Rn. 1; MünchKomm/Brückner, § 904 Rn. 1. 258 BVerfGE 49, 382, 393 – Kirchenmusik = GRUR 1980, 44; Haß, Festschrift Klaka, S. 127, 133, 134, 136; vgl. Grünberger, ZGE 2012, 321, 365 und 366; s. a. BVerfG GRUR 2016, 690 Rn. 72 ff. – Metall auf Metall. 259 BVerfGE 49, 382, 393 – Kirchenmusik = GRUR 1980, 44; Schack, UrhR, § 15 Rn. 512; zum Verhältnis von „Schranken“ bzw. „Ausnahmen“ zum „Prinzip der urheberrechtlichen Ausschließlichkeit“ Geiger, GRUR Int. 2008, 459, 460 ff.; ders, GRUR Int. 2004, 815, 818 f.; andere wollen (urheberrechtliche) Schranken generell als gesetzliche Lizenzen sehen. Der Dritte erhält quasi ein Nutzungsrecht kraft Gesetzes – entweder gegen Zahlung einer Vergütung oder umsonst, Hilty, GRUR 2005, 819, 821 (einschl. Fn. 18); kritisch Stieper, S. 139 ff. m. w. N. 260 Hohagen, Festschrift Schricker, S. 353, 359. 261 BVerfGE 49, 382, 393 – Kirchenmusik = GRUR 1980, 44; vgl. Geiger, S. 143, 151; Gräbig, S. 40 ff.
IV. Fazit
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der dem Urheber vorbehaltenen Nutzung seines Werkes erkennen.“262 Eine Unterscheidung zwischen Schutzbereich und Schranken führe nicht weiter; das Urheberrecht im Besonderen sei „als ein Ganzes“ zu betrachten. Schranken ließen sich nicht von Verwertungsrechten trennen.263 Oder anders formuliert: Inhalt und Schranken seien „zwei Seiten derselben Medaille.“264 Zusammengefasst: Durch die Schranken werden mithin dem Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers „Grenzen“ gesetzt – und eben nicht nur seiner Durchsetzung. Diese traditionelle, hier zum Urheberrecht vorgetragene Sichtweise lässt sich letztlich für sämtliche Ausschließlichkeitsrechte verallgemeinern.265
IV. Fazit Anders als im anglo-amerikanischen Rechtskreis „denken“ deutsche Juristen nicht in Kategorien von Rechtsverletzungen und deren Konsequenzen beziehungsweise Rechten und Rechtsfolgen zu deren Durchsetzung. Die praktische Rechtsanwendung wird vom „Anspruchsdenken“ dominiert. Ein eigenständiges „Recht der Rechtsfolgen“ gibt es nicht. Die zentralen Unterschiede zwischen dem „remedy-System“ und dem „Anspruchssystem“ lassen sich einmal aus prozessualer Perspektive und einmal aus materiellrechtlicher Perspektive beschreiben: Aus prozessualer Sicht ist die unterschiedliche Rolle der Gerichte bei der Rechtsdurchsetzung auffällig. Während im anglo-amerikanischen Rechtskreis die rechtliche Abhilfe (jedenfalls im Falle von discretionary remedies) erst durch das Gericht konstitutiv angeordnet werden muss, besteht nach dem deutschen Privatrecht das Recht, etwas verlangen zu können, unabhängig von einer gerichtlichen Mitwirkung. Vor Gericht macht der Kläger nicht eine Rechtsverletzung geltend, sondern behauptet, Gläubiger eines kraft materiellen Rechts entstandenen Anspruchs zu sein. Er klagt unmittelbar das Recht ein, vom Schuldner etwas verlangen zu können. Der Begriff des subjektiven Rechts ist rechtsvergleichend entsprechend mit Vorsicht zu genießen.266 Während dem subjektiven Recht, vor allem aber Ansprüchen, die Möglichkeit der Durchsetzung in Natur immanent ist, muss ein right im „remedy-System“ 262 Schack, Festschrift Schricker, S. 511; ders., § 15 Rn. 512; Stieper, S. 129 ff.; Geiger, GRUR Int. 2008, 459, 461 f.; allgemein auch Schmidt, Aktionsberechtigung, S. 38, 39; vgl. Dreier, S. 14. Es wird sich zeigen, dass dies eine zu pauschale Sichtweise darstellt. Hier wird argumentiert werden, dass zwischen der Ebene der Rechtszuweisung und der Ebene der Rechtsdurchsetzung zu differenzieren ist. Nur auf das dadurch begründete Ergebnis zu blicken, verkürzt die Problematik (u. § 5 I 4 c); 5 III 1; 5 IV 2 a)). 263 Geiger, GRUR Int. 2008, 461 f.; vgl. auch Stieper, S. 149 f.; vgl. Sontis, Festschrift Larenz, S. 981, 990. 264 Schack, UrhR, § 15 Rn. 512; ders., Festschrift Schricker, S. 511. 265 Vgl. Sontis, Festschrift Larenz, S. 981; Georgiades, Festschrift Sontis, S. 149, 150. 266 Vgl. aber Unberath, S. 174 ff.; Weller, S. 132, 145.
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§ 2 Das Anspruchssystem
mittels eines separaten „Rechtsbehelfs“ zur Geltung gebracht werden. Dies leitet zur materiellrechtlichen Perspektive über: Im Anspruchssystem basieren der vertragliche Erfüllungsanspruch, aber auch der Anspruch aus Leistungskondiktion oder Aufwendungsersatzansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag nicht auf einer vorangegangenen Rechtsverletzung. Namentlich der Anspruch auf Übergabe und Übereignung aus § 433 I S. 1 BGB entsteht unmittelbar mit Vertragsschluss. Im anglo-amerikanischen Rechtskreis erscheint specific performance in Kontrast dazu als Konsequenz der Nichtleistung (breach of contract). Anders ist die Rechtslage bei dinglichen Ansprüchen. Diese entstehen im Gegensatz zu vertraglichen Primäransprüchen nur unter zusätzlichen „Rechtsbehelfsvoraussetzungen“ (vgl. § 1004 I BGB), obgleich sie das primäre Recht unmittelbar zur Geltung bringen. Damit finden sich im Anspruchssystem zwei Modelle der Rechtsdurchsetzung. Vertragliche und gesetzliche schuldrechtliche Ansprüche sind unmittelbar in Natur durchsetzbar. Eines gesonderten Rechtsbehelfs „Erfüllung“ bedarf es nicht. Absolute Rechte wie das Eigentum oder Immaterialgüterrechte sind demgegenüber nur mittels von diesen zu trennenden Ansprüchen zu verwirklichen, die zudem zusätzlichen Entstehungsvoraussetzungen unterliegen. In allen Fällen sind aber Ansprüche Teil des materiellen Rechts, die unabhängig von gerichtlichen Anordnungen beziehungsweise gerichtlicher Bestätigung bestehen. Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, ist vom Prozessrecht unabhängig. Ein stattgebendes Leistungsurteil gewährt nicht ein vom Anspruch zu trennendes Recht auf Erfüllung, sondern macht in der Sache den materiellrechtlich bestehenden Anspruch vollstreckbar. Letzteres beschreibt freilich bereits wieder die prozessuale Sichtweise. Festzuhalten bleibt darüber hinaus, dass sich die Rechtsordnung durch die Fokussierung auf subjektive Rechte um Zwischentöne bei der Rechtsdurchsetzung bringt:267 Entweder es besteht ein subjektives Recht oder nicht. Entweder es ist mit allen Konsequenzen durchzusetzen oder der Gläubiger geht leer aus.268 Inwieweit ein Anspruch auf der Verletzung eines vorausgelagerten Rechts basiert oder dessen Verwirklichung dient, ist praktisch unerheblich. Im „remedy-System“ wird stattdessen gefragt, ob und vor allem wie ein ausgemachtes Recht – droit subjectif hin oder her – interessengerecht zur Geltung gebracht wird. Oder anders formuliert: Das Anspruchssystem zeigt sich anders als das „remedy-System“ gegenüber einer übergreifenden Analyse von Rechtsfolgen verschlossener.
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Dazu ausführlich u. § 5 I 4 d). Fischman Afori, Cardozo Arts & Entertainment L. J. (2011), 1, 21 (“all-or-nothing approach”). 268
§ 3 Das unionsrechtliche Rechtsfolgensystem Auch wenn die Rechtsdurchsetzung bisher nicht im Mittelpunkt der europäischen Rechtsharmonisierung stand, ist das acquis communautaire zur Sanktionierung von Rechtsverletzungen kontinuierlich angewachsen.1 Gerade in jüngeren Rechtsakten ist die Rechtsdurchsetzung mitunter minutiös geregelt.2 Soweit Durchsetzungsbestimmungen wie im europäischen Kartellrecht fehlen, hat die Rechtsprechung nachgeholfen.3 In Verordnungen finden sich gar genuin unionsrechtliche Durchsetzungsinstrumente wie beispielsweise eine Art „unionsrechtlicher Unterlassungsanspruch“ in Art. 102 UMV,4 Art. 89 GGV5 und Art. 94 Sortenschutz-VO.6 Akademische Entwürfe schlie1 Insbesondere
im Recht des Geistigen Eigentums standen zunächst Bemühungen um eine Vereinheitlichung der einschlägigen Schutzrechte im Vordergrund. Erst durch die Enforcement-RL (2004/48/EG, dazu Dreier, GRUR Int. 2004, 706 ff.; vgl. auch Ohly, IP Enforcement, S. 257, 258; Bruchhausen, GRUR 1980, 515 ff.) wurde größere Aufmerksamkeit auf die Rechtsdurchsetzung gelenkt (vgl. dort auch Erwägungsgrund 3). In Verordnungen zu unionsrechtlichen Schutzrechten ist die Rechtsdurchsetzung allerdings bis heute lückenhaft geregelt, vgl. Art. 102 II UMV und Art. 89 I lit. d GGV. Auch ohne ausdrückliche unionsrechtliche Rechtsfolgenbestimmung muss das nationale Recht sicherstellen, dass unionsrechtlichen Bestimmungen praktisch zur Wirksamkeit verholfen wird, vgl. nur Art. 4 III EUV; keine konkreten Durchsetzungsregelungen finden sich z. B. im Arbeitsrecht für diverse Arbeitgeberpflichten in der RL 2002/14/EG, Art. 8; s. a. Lobinger, Festschrift Richardi, 2007, S. 657, 659; die nach Fertigstellung des Manuskripts erschienene Arbeit von Ebers, Rechte, Rechtsbehelfe und Sanktionen im Unionsprivatrecht, 2016, ist dafür ebenfalls Beleg. 2 Vgl. nur den aktuellen Entwurf einer Richtlinie zum Schutz vertraulichen Know-Hows und vertraulicher Geschäftsinformationen, Com (2013), 813 final = RL (EU) 2916/943. 3 Beispielsweise zum Schadensersatzanspruch im Kartellrecht EuGH Urt. v. 20. 9. 2001, C-453/99 Rn. 25 ff. – Courage/Crehan = ECLI:EU:C:2001:465 = GRUR 2002, 367; vgl. nunmehr RL 2014/104/EU über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union. 4 Unionsmarkenverordnung, VO (EG) Nr. 207/2009; noch zur Gemeinschaftsmarkenverordnung EuGH Urt. v. 14. 12. 2006, C-316/05 Rn. 20 ff. – Nokia = ECLI:EU:C:2006:789 = GRUR 2007, 228; die Vorschrift ist autonom auszulegen; viele Rechtsfragen rund um Rechtsfolgen, z. B. Verjährung oder Verwirkung, sind jedoch in der Verordnung gerade nicht geregelt, vgl. EuGH Urt. v. 13. 2. 2014, C-479/12 Rn. 45 ff. – Gautzsch Großhandel/MBM Joseph Duna = ECLI:EU:C:2014:75 = GRUR 2014, 368. 5 Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung, VO (EG) Nr. 6/2002. 6 Sortenschutzverordnung VO (EG) Nr. 2100/94; zur freilich unterschiedlichen Ausgestaltung sogleich; auch wenn in der deutschen Literatur vielfach von Ansprüchen geschrieben wird, ist dabei Vorsicht geboten, sogleich u. § 3 I.
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§ 3 Das unionsrechtliche Rechtsfolgensystem
ßen Regelungen rund um Rechtsfolgen ein.7 Kurzum, es mangelt nicht (mehr) an Material, um ein Verständnis der Rechtsdurchsetzung im Unionsrecht zu erwerben. Ungeachtet des gewachsenen Anschauungsmaterials ist aber auch klar, dass sich eine unionsrechtliche Rechtsfolgendogmatik erst noch herauszubilden hat. Vertiefte theoretische Debatten sind bisher vor allem im Recht des Geistigen Eigentums und im Vertragsrecht anzutreffen.8 Eine stichprobenartige Analyse von Bestimmungen aus unterschiedlichen Rechtsgebieten (insbesondere dem Recht des Geistigen Eigentums, das wegen der hier fortgeschrittenen Harmonisierung zugleich eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung eines Europäischen Privatrechts einnimmt,9 dem Vertragsrecht, aber auch dem Wettbewerbs- und Arbeitsrecht) und unterschiedlichen Rechtsquellen (Richtlinien, Verordnungen, Richterrecht, aber auch akademische Entwürfe) unterschiedlichen Datums verspricht im Ergebnis freilich, Charakteristika des unionsrechtlichen Rechtsfolgensystems zu bestimmen. Auch wenn Rechtsfolgenregelungen unterschiedlich ausgestaltet sind, sich also die Frage stellt, ob es das unionsrechtliche Rechtsfolgensystem überhaupt gibt,10 können doch generalisierende Aussagen getroffen werden. Ein vollständiger Überblick über europäische „Ansprüche“ ist demgegenüber hier weder beabsichtigt noch angezeigt. Zunächst wird die konkrete Ausformung unionsrechtlicher Rechtsdurchsetzung betrachtet. Ein Streifzug durch einschlägige Vorschriften offenbart, dass Rechtsfolgen nicht ohne Weiteres von selbst entstehen, sondern eines Akts des „Anordnens“ oder „Verlangens“ bedürfen. Allerdings finden sich auch Beispiele, wonach „Rechtsbehelfe“ ohne Weiteres ipso jure hervortreten. Unklar ist zudem, ob es sich bei den Rechtsbehelfen immer eindeutig um Prozessrecht oder materielles Recht handelt, auch wenn sich vielfach prozessuale Formulierungen finden. Gerade bei der Haftung von Mittelspersonen wird deutlich, dass prozessuale Anordnungen gegen Personen möglich sind, die materiellrechtlich eigentlich nicht verantwortlich sind (I.). Eindeutiger ist die Unterscheidung zwischen Rechten, die eine Rechtszuweisung begründen, und Rechtsfolgen zu deren Durchsetzung. Darauf basiert das Unionsrecht (mehr oder weniger) konsequent. Rechtsfolgen erscheinen als ein vom materiellen Recht im engeren Sinne klar abkoppelbares Rechtsgebiet (II.). Schließlich besteht im Unionsrecht ein Bewusstsein dafür, dass Rechtsverletzungen auf unterschiedliche Art und Weise sanktioniert werden können. Gerade „Un7
Z. B. im Draft Common Frame of Reference (DCFR). Zum Verbraucherrecht C. Heinze, JZ 2011, 709, 714. 9 Janal, S. 3 („Vorreiterstellung“ des Gewerblichen Rechtsschutzes), S. 4 („Vorbildfunktion“ der Durchsetzungsrichtlinie) und kritisch S. 304; C. Heinze, JZ 2011, 709, 714 f.; vgl. ders., S. 5 ff. 10 Bruchhausen, GRUR 1980, 515 ff., untersucht das „Sanktionensystem“ bei Immaterialgüterrechten. 8
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terlassungsanordnungen“ werden nicht immer zugesprochen. Selbst wenn der Rechtsakt vorsieht, dass dieser Rechtsbehelf grundsätzlich zur Verfügung steht, ist es dem Unionsrecht alles andere als fremd, davon im Einzelfall wieder abzuweichen. Auch Naturalerfüllung kann im Vertragsrecht nicht ausnahmslos verlangt werden. Gerade die „primären Rechtsbehelfe“ stehen häufig unter dem Vorbehalt der fallspezifischen Angemessenheit (III.).
I. Unionsrechtliche Rechtsfolgenregelungen zwischen materiellrechtlichen Ansprüchen und prozessualen gerichtlichen Anordnungen Rechtsfolgenregelungen sind im Unionsrecht unterschiedlich ausgestaltet. Während im Recht des Geistigen Eigentums und im Lauterkeitsrecht prozessual formulierte gerichtliche Anordnungen dominieren (1.), finden sich unter anderem im Vertragsrecht (und selbst im Recht des Geistigen Eigentums) Rechtsfolgenregelungen, die eher an Ansprüche als Teil des materiellen Rechts erinnern. Allerdings gibt es auch hier bisweilen prozessuale Elemente (2.). Unionsrechtliche Rechtsfolgenregelungen pendeln damit zwischen materiellrechtlichen Ansprüchen und prozessualen gerichtlichen Anordnungen.
1. Gerichtliche „Anordnungen“ als prozessuale Instrumente Im Folgenden wird zunächst ein Überblick über die Ausgestaltung von Rechtsfolgenregelungen im europäischen Recht des Geistigen Eigentums und im europäischen Lauterkeitsrecht gegeben. Gerade in diesen Rechtsgebieten war der Gesetzgeber mit Blick auf Rechtsfolgenregelungen besonders aktiv. Es finden sich zudem genuin europäische, unmittelbar anwendbare Rechtsfolgenregelungen, wobei zugleich vermutet werden darf, dass ihnen ein gewisser Vorbildcharakter zukommt (a)). Näherer Betrachtung bedarf vor allem deren Rechtsnatur (b)). a) Rechtsfolgenregelungen im europäischen Recht des Geistigen Eigentums und im europäischen Lauterkeitsrecht
Im europäischen Immaterialgüterrecht obliegt die Anordnung einer bestimmten Rechtsfolge vielfach den Gerichten. Einschlägige Normen sind häufig prozessual formuliert. So heißt es in Art. 89 I GGV: „Stellt ein Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht in einem Verfahren wegen Verletzung oder drohender Verletzung fest, dass der Beklagte ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster verletzt hat oder zu verletzen droht, so erlässt es […] folgende An-
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§ 3 Das unionsrechtliche Rechtsfolgensystem
ordnungen: […]“. Die möglichen „Anordnungen“, beispielsweise die Anordnung, dem Beklagten zu verbieten, die Verletzungshandlung fortzusetzen, werden dann im Einzelnen aufgezählt. Gemäß Art. 102 UMV obliegt es dem Gericht, „dem Beklagten [zu verbieten], die Handlungen, die die Unionsmarke verletzen oder zu verletzen drohen, fortzusetzen.“ Auch in der EnforcementRL (RL 2004/48/EG) ist von gerichtlichen Anordnungen die Rede. Nach Art. 11 dieser Richtlinie können „die zuständigen Gerichte bei Feststellung einer Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums eine Anordnung gegen den Verletzer erlassen […], die ihm die weitere Verletzung des betreffenden Rechts untersagt.“ Nach Art. 13 stellen die Mitgliedstaaten sicher, „dass die zuständigen Gerichte auf Antrag der geschädigten Partei anordnen, dass der Verletzer […] dem Rechtsinhaber zum Ausgleich des von diesem wegen der Rechtsverletzung erlittenen Schadens angemessenen Schadensersatz zu leisten hat.“ Im Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht (EPGÜ)11 regelt Art. 63 I, dass, wenn eine Patentverletzung festgestellt wird, „das Gericht gegen den Verletzer eine Verfügung erlassen [kann], durch die die Fortsetzung der Verletzung untersagt wird“.12 Im europäischen Lauterkeitsrecht lässt der Unionsgesetzgeber den Mitgliedstaaten bei der Durchsetzung der materiellen Lauterkeitsvorschriften wegen der unterschiedlichen Rechtstraditionen in Bezug auf die Rechtsdurchsetzung einen weiten Spielraum.13 Durchweg findet sich dennoch der Gedanke, dass Sanktionen „angeordnet“ werden müssen. In der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt (UGP-RL 2005/29/EG) ist davon beispielsweise in Art. 11 II zu lesen: Die Mitgliedstaaten übertragen „den Gerichten oder Verwaltungsbehörden Befugnisse, die sie ermächtigen […] a) die Einstellung der unlauteren Geschäftspraktiken anzuordnen […]“. Die Erweiterung auf Verwaltungsbehörden erklärt sich dadurch, dass in vielen Mitgliedstaaten auf staatliche Rechtsdurchsetzung („Behördenmodell“) gesetzt wird.14 Von Anordnungen der „zuständigen Justizbehörden“ sprach der Entwurf der Richtlinie über den Schutz vertraglichen Know-Hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (vgl. Art. 11).15 Eine „Maßnahme“ wie die „Einstellung“ oder ein „Verbot“ der Nutzung oder Offenlegung der Geschäftsgeheimnisse muss vom „zuständigen Gericht“ auf Antrag des Antragstellers erst „angeordnet“ 11
Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht (2013/C 175/01). Streng genommen handelt es sich hierbei nicht um Unionsrecht, sondern um einen völkerrechtlichen Vertrag (2013/C 175/01). Allerdings ist der Regelungszusammenhang mit der Verordnung für ein einheitliches Patent (Nr. 1257/2012) unübersehbar. Das Instrument des völkerrechtlichen Vertrags wurde aus politischen Gründen gewählt. Zum Ganzen Haedicke, GRUR Int. 2013, 609, 610 f. 13 Busch, S. 64 f.; s. a. die Klauselrichtlinie (RL 2009/22/EG). 14 Busch, S. 65; Leistner, ZEuP 2009, 56, 77 ff. 15 COM (2013), 813 final; nunmehr Art. 12 RL (EU) 2016/943 („zuständige[…] Gerichte“). 12
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werden (nunmehr: „erlassen“, Art. 12 I a) Geschäftsgeheimnis-RL), nachdem ein rechtswidriger Erwerb, eine rechtswidrige Nutzung oder eine rechtswidrige Offenlegung gerichtlich festgestellt ist (Art. 11 Nr. 1 GeschäftsgeheimnisRL-E; Art. 12 I Geschäftsgeheimnis-RL). In Art. 14 I der Richtlinie findet sich die Möglichkeit der Anordnung („anordnen“) von Schadensersatz. Diese Liste ließe sich ohne Weiteres um weitere vergleichbare Beispiele anreichern.16 Die referierten Rechtsfolgenregelungen genügen jedoch, um Erinnerungen an das in § 1 besprochene „remedy-System“ zu wecken.17 Tatsächlich finden sich in den englischen Sprachfassungen die Begriffe order und remedy (da es um genuines Unionsrecht geht, sind Verweise auf nationale Rechtstraditionen hier verfehlt).18 Der englische Einfluss ist unübersehbar.19 Im europäischen Recht eine Eins-zu-Eins-Kopie dieses Systems zu sehen, wäre aber verkürzt.20 Ohne hier einen vertieften Rechtsvergleich vornehmen zu können, belegt dies schon ein kurzer Blick in das französische Recht.21 Auch dort nehmen Gerichte bei der Rechtsdurchsetzung eine aktive Rolle ein. Eine Urheberrechtsverletzung ist etwa mit einer action de contrefaction geltend zu machen. Das Gericht spricht dann die passende sanction aus. Eingeklagt wird nicht ein Anspruch auf Unterlassen, sondern der Kläger macht eine Rechtsverletzung geltend. Die einschlägige Rechtsfolge wird dann vom Gericht festgesetzt. Umgekehrt genügen die besprochenen Beispiele, um zu erkennen, dass unionsrechtliche Rechtsfolgenanordnungen nicht ohne Wenn und Aber als Ansprüche im Sinne der deutschen Dogmatik interpretiert werden können. Es überrascht daher, wenn die offenkundig fundamental anders gelagerte Ausgestaltung unionsrechtlicher Rechtsbehelfe von deutschen Gerichten bisweilen vollends übergangen wird.22 Exemplarisch hierfür steht der Bundesgerichtshof, der in einem Markenverletzungsverfahren zur europäischen Gemeinschaftsmarke einen „Unterlassungsanspruch“ aus Art. 14 I S. 2, 9 I S. 2 16 Z. B. Art. 8 III RL 2001/29/EG (InfoSoc-RL); Art. 2 RL 2009/22/EG (Richtlinie über Unterlassungsklagen zum Schutz von Verbraucherinteressen); Art. 12 III, 13 II, 14 III RL 2000/31/EG (E-Commerce-RL). 17 Vgl. Meier-Beck, GRUR 2014, 144 (Fn. 1). 18 Vgl. Enforcement Directive passim; Directive 2004/113/EG Chapter II (“Remedies and Enforcement”); Stone, European Union Design Law, Chapter 20 (“Remedies”); in Art. 102 Community Trade Mark Regulation 207/2009 ist aber von “Sanctions” die Rede. 19 Reetz/Pecnard/Fruscalzo/van der Velden/Marfé, GRUR Int. 2015, 210, 217. 20 Vgl. Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 92 f. 21 Kötz, AcP 174 (1974), 145, 158 ff.; zu Patentverletzungen Petit, IIC 2000, 669, 688 ff. 22 Gleiches gilt für die Literatur, vgl. Rauer, GRUR-Prax 2014, 2, 3 f., der mit Blick auf den Richtlinienentwurf zu Geschäftsgeheimnissen undifferenziert von „Ansprüchen“ schreibt; zur Enforcement-RL Amschewitz, S. 194; vgl. aber auch EuGH Urt. v. 13. 02. 2014, C-479/12 Rn. 45 – Gautzsch Großhandel/MBM Joseph Duna = ECLI:EU:C:2014:75 = GRUR 2014, 368; in der deutschen Fassung ist von einem „Anspruch auf Unterlassung“ die Rede, in der englischen von einem „right to obtain an injunction“; dazu sogleich im Text; zum Gemeinschaftsgeschmacksmuster etwa Gottschalk/Gottschalk, GRUR Int. 2006, 461, 465.
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lit. b GMV i. V. m. §§ 14 II Nr. 2, III Nr. 1, V MarkenG abgeleitet hat.23 Dabei wird übersehen, dass Art. 14 I S. 1 GMV i. V. m. Art. 98 I S. 1 GMV (nunmehr Art. 102 I S. 1 UMV) eine eigene Regelung zu einer endgültigen Unterlassungsverfügung vorhält. In der Kommentarliteratur wird diese Entscheidung daher zu Recht kritisiert.24 Allerdings wäre es ähnlich unpräzise, dann in Art. 102 UMV einen „Unterlassungsanspruch“ zu erkennen.25 Art. 102 UMV (oder Art. 89 I GGV) spricht von einer Anordnung des Gerichts, nicht von einem Anspruch. Ansprüche i. S. d. § 194 I BGB werden gerade nicht „auferlegt“.26 Auch bei den anderen vorgeführten Vorschriften ist die Rechtsdurchsetzung in die Hände von Gerichten beziehungsweise Verwaltungsbehörden gelegt. Ihnen obliegt es, durch die Anordnung bestimmter Rechtsfolgen aktiv für die Rechtsdurchsetzung zu sorgen. Ihre Rolle ist – anders als im Anspruchssystem – nicht darauf beschränkt, durch das materielle Recht gewährte Ansprüche zu vollstreckbaren Titeln umzuwandeln. Diese Normen sprechen gerade nicht davon, dass ein Gläubiger vom Schuldner unabhängig von einem gerichtlichen beziehungsweise behördlichen Einschreiten etwas verlangen kann, sondern davon, dass Gerichte als Reaktion auf eine Rechtsverletzung etwas anordnen. Folglich soll unter einer „Anordnung“ die „gerichtliche Zusprache materiellrechtlicher Ansprüche“ zu verstehen sein.27 Auch wenn in Art. 63 EPGÜ der Sache nach bisweilen ein Unterlassungsanspruch gesehen wird,28 finden sich gerade hierauf bezogen mehrere Stellungnahmen, die den Systemunterschied hervorheben. Meier-Beck meint, dass das Übereinkommen zum Patentgericht einen Unterlassungsanspruch vergleichbar
23 BGH GRUR Int. 2005, 719, 720, 722 – Lila-Schokolade; das LG Frankfurt/Main, GRUR-RR 2005, 4, 5 – Swing-Hometrainer, bemühte gar direkt Art. 19 I, II GGV; LG Hamburg MMR 2013, 725, 727, zieht bei der Gemeinschaftsmarke (nunmehr Unionsmarke) unmittelbar Art. 9 I lit. b UMV heran; aus der Literatur vgl. z. B. Rohnke, GRUR Int. 2002, 979, 983; Veit, S. 30 (Fn. 18); Oldekop, WRP 2006, 801, 806 f.; Leible/Sosnitza, WRP 2004, 592, 594; Zwanzger, S. 24, 189, 190, vgl. aber präziser S. 88; Basedow, NJW 1996, 1921, 1927; Knaak, Festschrift Tilmann, S. 373 f.; vgl. gar der Gesetzgeber: § 125b Nr. 2 MarkenG. 24 Fayaz, GRUR Int. 2009, 566, 567; Schricker/Bastian/Knaak, Rn. 305 mit Fn. 402; Knaak, GRUR 2001, 21, 27, spricht von der „Unterlassungssanktion“, die unmittelbar in Art. 98 GMV (a. F.) geregelt ist; unzutreffend auch Rohnke, GRUR Int. 2002, 979, 980, der aus Art. 5 I der Markenrechtsrichtlinie (2008/95/EG) einen Unterlassungsanspruch als zwingende Vorgabe für das nationale Recht ableiten will. 25 Etwa T. Huber, Gemeinschaftsmarke, S. 31, 160; Bumiller, S. 5, Schaper, S. 207 ff., Ingerl, S. 92, zu Art. 98 a. F. GMV; Ingerl/Rohnke, § 125b Rn. 8; M. Hartmann, Gemeinschaftsmarke, S. 115; Fayaz, GRUR Int. 2009, 566, 567; präzise freilich Knaak, GRUR 2001, 21, 27; aber ders., GRUR Int. 2001, 665, 666 f. 26 Zwanzger, S. 88. 27 Zwanzger, S. 88. 28 Vgl. Grosch auf der Tagung des Interdisziplinären Zentrums für Geistiges Eigentum: European Patent Package 2 – Das deutsche (Patent-)Recht als Infrastruktur für das neue Unionspatent (s. Tagungsbericht von Bernzen/Tochtermann GRUR 2014, 457, 458).
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mit § 139 I PatG „schlichtweg nicht mehr [kennt]“.29 Die Regelung des Art. 63 EPGÜ „hört sich nicht nur aus deutscher […] Sicht fremd an, sondern ist auch der Sache nach etwas ganz anderes, nämlich eine gerichtliche Kompetenz an Stelle eines privatrechtlichen Anspruchs“.30 Zum „Schadensersatzanspruch“ aus Art. 68 I EPGÜ führt Eck aus, dass er „nicht mehr als Anspruch des Patentinhabers gegen den Patentverletzer konzipiert ist, sondern als eine Art Anordnungsbefugnis des Gerichts.“31 Auch Schröer weist darauf hin, dass „das formale Regelungskonzept dieser Vorschriften […] von der Systematik beispielsweise des deutschen Rechts abweicht.“32 Andere wiederum sehen Systemunterschiede nur auf den ersten Blick: So könnten beispielsweise Grenzen unionsrechtlicher Unterlassungsanordnungen (vor allem unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit) im nationalen Recht statt über eine Einschränkung des materiellen Unterlassungsanspruchs auch über prozessuale Sicherungsmöglichkeiten (Vollstreckungsschutz; Vollstreckungssicherheitsleistungen) bewirkt werden.33 Einer Übernahme des Systems, dem zufolge Anordnungen schon selbst begrenzt werden können, bedürfe es folglich nicht. b) Rechtsnatur gerichtlicher Anordnungen
Weiter stellt sich die Frage, ob es sich hierbei um materielle oder prozessuale Rechte handelt.34 Die Regelungen über Sanktionen für die Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters finden sich in Titel IX, der mit der Überschrift „Zuständigkeit und Verfahren für Klagen, die Gemeinschaftsgeschmacksmuster betreffen“, überschrieben ist.35 Sie sind gerade nicht in Titel II anzutreffen, in dem „Materielles Geschmacksmusterrecht“ geregelt ist. Manche wollen indes in Art. 19 GGV einen „materiellen Anspruch“ sehen,36 auch wenn richtigerweise in dieser Norm vergleichbar mit § 903 BGB systematisch nur der 29
Meier-Beck, GRUR 2014, 144 (Fn. 1). Meier-Beck, GRUR 2014, 144 (Fn. 1); folgend Mes, § 139 Rn. 42. 31 Eck, GRUR Int. 2014, 114, 118. 32 Schröer, GRUR Int. 2013, 1102, 1107. 33 Reetz/Pecnard/Fruscalzo/van der Velden/Marfé, GRUR Int. 2015, 210, 211 f. 34 Dies ist namentlich für das Internationale Privatrecht bedeutsam, dazu für das Gemeinschaftsgeschmacksmuster Zwanzger, Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht. 35 Zwanzger, S. 24, 189, sieht materielle Ansprüche, allerdings ohne Problembewusstsein; ähnlich Veit, S. 43 ff., zum Gemeinschaftsgeschmacksmuster; Bumiller, S. 5, 55, zur Gemeinschaftsmarke. 36 Zwanzger, S. 82; Eisenführ/Schennen/Eisenführ/Overhage, Art. 102 Rn. 1, zur unionsmarkenrechtlichen Unterlassungsanordnung aus Art. 102 UMV („Dieser Anspruch ergibt sich unmittelbar aus Art. 14 (1) Satz 1 iVm. Art. 9 (1)“); Seidl, S. 35; vgl. auch LG Frankfurt/Main GRUR-RR 2005, 4, 5 – Swing-Hometrainer; ähnlich für Art. 25, 26 EPGÜ Reetz/ Pecnard/Fruscalzo/van der Velden/Marfé, GRUR Int. 2015, 210, 217 f. („zivilrechtliche Unterlassungsansprüche“); vgl. aber Knaak, GRUR 2001, 21, 27. 30
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§ 3 Das unionsrechtliche Rechtsfolgensystem
Schutzbereich beschrieben wird.37 Es erscheint unklar, ob der über Art. 89 GGV ermöglichten „gerichtliche[n] Sanktion“ ein „materiellrechtlicher Anspruch zugrunde“ beziehungsweise voraus liegt,38 auch wenn manche aus dem „abstrakten Verbietungsrecht“ gemäß Art. 19 GGV auf das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs gegen einen konkreten Verletzer schließen wollen.39 Ähnlich ist die Struktur der Gemeinschaftsmarkenverordnung. Die Regelung des Art. 102 UMV zu Sanktionen steht – anders als im deutschen Markengesetz – nicht im Zusammenhang mit dem Schutzbereich der Gemeinschaftsmarke (Art. 9 UMV), sondern in Titel X über Zuständigkeit und Verfahren für Klagen („Anwendung der Unionsvorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen“). In der Enforcement-RL ist in Erwägungsgrund 3 davon die Rede, dass „das materielle Recht“ auf dem Gebiet des Geistigen Eigentums auch wirksam „angewendet“ werden muss. Dafür bedarf es einer Harmonisierung der „Durchsetzung“. Dabei schimmert durch, dass es bei „Sanktionen“ um Regelungen geht, die vom materiellen Recht (im engeren Sinne) verschieden sind.40 Dass es sich gleichzeitig nicht um reines Verfahrensrecht handelt, zeigt nicht zuletzt die Diskussion um die „Materialisierung“ des Verfahrensrechts.41 Im Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht wiederum findet sich die Regelung zu endgültigen Unterlassungsverfügungen in Kapitel IV mit der Überschrift „Befugnisse des Gerichts“, während die Wirkungen eines europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung in Art. 5 der Verordnung Nr. 1257/2012 geregelt sind. Zum Patentsystem wird dann auch vertreten, dass Rechtsfolgenregelungen „prozessrechtlicher Natur“ sind.42 Es soll sich um Regelungen handeln, die ausschließlich das Patentgericht adressieren.43 Andere sehen hierin trotz der anderes suggerierenden Formulierung „Regelungen materiell-rechtlichen Gehalts“.44 Der Befugnis des Gerichts soll ein Recht des Patentinhabers zugrundeliegen.45 Es müsse daher 37 Entsprechend findet sich auch in Art. 5 der Markenrechtsrichtlinie (2008/95/EG) kein Unterlassungsanspruch; so aber Rohnke, GRUR Int. 2002, 979, 980. 38 Vgl. Ruhl, Art. 89 Rn. 2. 39 Ruhl, Art. 89 Rn. 2; Hasselblatt/Späth, CDR, Art. 89 Rn. 2 (“right to injunctive relief”); s. a. Hasselblatt/Menebröcker/Stier, CTMR, Art. 102 Rn. 2. 40 Vgl. auch Erwägungsgrund 15 der Enforcement-RL; vgl. aber Ruhl, Art. 89 Rn. 2 mit Fn. 1 mit Verweis auf die materielle Natur des Unterlassungsanspruchs trotz prozessualer Formulierung (z. B. in § 12 I BGB). 41 Vgl. C. Heinze, JZ 2011, 709, 715 f.; er verweist auf Erwägungsgrund 10 der Enforcement-RL, das Ziel des Verbraucherschutzes bei der Klauselrichtlinie und die Steuerungswirkung kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche; s. a. Janal, S. 302 f. 42 Schröer, GRUR Int. 2013, 1102, 1107; Mes, § 139 Rn. 42. 43 Schröer, GRUR Int. 2013, 1102, 1107, 1108. 44 Nieder, GRUR 2014, 627, 631; vgl. Schröer, GRUR Int. 2013, 1102, 1108 f. 45 Tilmann, Mitt. 2014, 58, 61; für den Auskunftsanspruch Fromm/Nordemann/Czychowski, § 101 Rn. 55; Hasselblatt/Späth, CDR, Art. 89 Rn. 2.
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von ungeschriebenen materiellen Ansprüchen ausgegangen werden.46 Auch dies erinnert an die Debatte im anglo-amerikanischen Rechtskreis, ob remedies Rechte sind beziehungsweise ob die Gerichte ein vorausliegendes Recht (z. B. right to specific performance) des Anspruchstellers formal bestätigen (“rubber-stamping”).47 Gleichzeitig weckt dies Gedanken an die Diskussion in Deutschland, ob beispielsweise § 12 S. 2 oder 1004 I S. 2 BGB prozessual oder materiell zu lesen sind.48 Besonders deutlich wird der Unterschied des Anspruchssystems zu Rechtsfolgenregelungen im Unionsrecht bei der Haftung von Mittelspersonen (alternativ: Intermediären).49 Im deutschen Recht ist die Verantwortlichkeit von Mittelspersonen eine Frage des materiellen Rechts. Ein Unterlassungsanspruch gegen einen Störer im Recht des Geistigen Eigentums ist ebenso wie ein Anspruch gegen einen mittelbar Verantwortlichen im Rahmen des § 823 I BGB materiellrechtlicher Natur.50 Obwohl der Deliktstatbestand durch Intermediäre etc. nicht unmittelbar verwirklicht wird, sind sie wegen der mittelbaren Verursachung der Rechtsverletzung, wenn auch nur unter bestimmten Voraussetzungen (Verletzung von Prüf-, Überwachungs-, Eingreifs-, Verhaltens-, Schutzpflichten einerseits51 beziehungsweise Verkehrspflichten andererseits),52 für eben dieses Delikt materiellrechtlich haftbar. Auch das Unionsrecht kennt eine Verantwortlichkeit von Mittelspersonen.53 Im europäischen Urheberrecht regelt beispielsweise Art. 8 III InfoSoc-RL, dass die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass die Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandten Schutzrechts genutzt werden. Ähnlich liest sich der allgemeinere Art. 11 S. 3 der Enforcement46 Tilmann, zit. nach Schröer, GRUR Int. 2013, 1102, 1108 (Fn. 29); zur GGV Zwanzger, S. 86: „jeder privatrechtlichen Sanktion [liegt] denknotwendig ein Anspruch zugrunde“, wobei sie zugibt, dass diese Einsicht auf einem „deutschen Verständnis“ beruht; s. a. Hasselblatt/Menebröcker/Stier, CTMR, Art. 102 Rn. 2. 47 Dazu o. § 1 I und § 1 III. 48 Ruhl, Art. 89 Rn. 2 (Fn. 1); dazu ausführlich o. § 2 I. 49 Grundlegend Ohly, Festschrift Ahrens, S. 135 ff.; ders., ZUM 2015, 308; J. B. Nordemann, ZUM 2014, 499; ders., GRUR-Prax 2014, 513, 514; ders., GRUR 2011, 977 ff.; ders., 59 Journal of the US Copyright Society (2012), 773 ff.; Czychowski/Nordemann, GRUR 2013, 986, 988 ff. 50 Dazu o. § 2 I; zur Störerhaftung Leistner, GRUR-Beil. 2010, 1; zur mittelbaren Verantwortlichkeit im allgemeinen Deliktsrecht Larenz/Canaris, Band II/2, § 75 II 3, S. 364 ff.; Larenz, Festschrift Dölle, 1963, S. 169 ff. 51 Es werden unterschiedliche Begriffe verwendet, ohne dass dadurch ein sachlicher Unterschied begründet werden soll, vgl. Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 122 ff.; Köhler/Feddersen/ Bornkamm, § 8 Rn. 2.10. 52 v. Bar, JuS 1988, 169; Medicus/Petersen, BR, § 25. 53 Mit Blick auf das Einheitspatent Haedicke, GRUR Int. 2013, 609, 611, zum Problemkreis Täterschaft und Teilnahme.
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§ 3 Das unionsrechtliche Rechtsfolgensystem
RL.54 Ob hierin je eine Regelung des „klassischen Unterlassungsanspruchs“ zu sehen ist, erscheint jedoch mehr als fraglich.55 Der Begriff „Anordnung“ in Art. 11 S. 3 der Enforcement-RL soll weiter sein als der gleiche Begriff in Art. 11 S. 1 Enforcement-RL.56 Art. 11 S. 1 Enforcement-RL gibt dem Gericht die Befugnis für eine Unterlassungsanordnung gegenüber dem unmittelbaren Verletzer. Art. 11 S. 3 Enforcement-RL soll weitergehend auch für „Anordnungen anderer Art“ geeignet sein.57 Dem Anbieter eines Online-Marktplatzes beispielsweise kann nicht nur aufgegeben werden, Maßnahmen zu ergreifen, die zur Beendigung der mittels des Marktplatzes hervorgerufenen Verletzungen führen, sondern zugleich wirksam zur Vorbeugung gegen erneute Verletzungen beizutragen.58 Einem Zugangsprovider, der eine Rechtsverletzung nicht selbst verursacht hat und für diese nicht verantwortlich erscheint,59 können gleichwohl Pflichten auferlegt werden.60 In der Literatur wird entsprechend analysiert, dass Anordnungen gegen einen Vermittler von Unterlassungsansprüchen gegen einen Verletzer abzugrenzen seien.61 Es handele sich um eine „Zuständigkeit“ des Gerichts, bestimmte Maßnahmen anzuordnen.62 54 Art. 11 S. 3 Enforcement-RL lautet: „Unbeschadet des Artikels 8 Absatz 3 der Richtlinie 2001/29/EG stellen die Mitgliedstaaten ferner sicher, dass die Rechtsinhaber eine Anordnung gegen Mittelspersonen beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des Geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden.” Nach der Interpretation des BGH soll die Störerhaftung nicht unmittelbar aus Art. 98 I GMV (nunmehr Art. 102 UMV) abzuleiten sein, sondern aus Art. 11 S. 3 Enforcement-RL, BGH GRUR 2007, 708 Rn. 35 ff. – Internetversteigerung II. 55 Nolte/Wimmers, GRUR 2014, 16, 18. 56 EuGH Urt. v. 12. 7. 2011, C-324/09 Rn. 128 ff. – L’Oréal/eBay = ECLI:EU:C:2011:474 = GRUR 2011, 1025. 57 EuGH Urt. v. 12. 7. 2011, C-324/09 Rn. 129 – L’Oréal/eBay = ECLI:EU:C:2011:474 = GRUR 2011, 1025. 58 EuGH Urt. v. 24. 11. 2011, C-70/10 Rn. 31 – Scarlet/SABAM = ECLI:EU:C: 2011:771 = GRUR 2012, 265; EuGH Urt. v. 12. 7. 2011, C-324/09 Rn. 131 – L’Oréal/eBay = ECLI:EU:C:2011:474 = GRUR 2011, 1025; im deutschen Recht bestehen Unterlassungsansprüche entsprechend potenziell sowohl gegen den Störer als auch gegen den unmittelbaren Verletzer; im Rahmen der Störerhaftung bestehen bisweilen weitreichende Pflichten. Ein Hostprovider hat nicht nur Sorge zu tragen, dass es nicht nochmals zu weiteren „derartigen Rechtsverletzungen“ desselben Verletzers kommt (BGHZ 191, 19 Rn. 21 – Stiftparfüm = GRUR 2011, 1038), sondern auch, dass Verletzungen desselben Rechts durch einen anderen Verletzer unterbleiben (Dreier/Schulze/Dreier/Specht, § 97 Rn. 33a). 59 Vgl. EuGH Urt. v. 12. 7. 2011, C-324/09 Rn. 127 – L’Oréal/eBay = ECLI:EU:C: 2011:474 = GRUR 2011, 1025 („unabhängig von seiner etwaigen eigenen Verantwortlichkeit“); vgl. Cartier International AG and others v. British Sky Broadcasting Ltd. and others [2014] EWHC 3354 (Ch) Rn. 1 (“not liable”). 60 EuGH Urt. v. 27. 3. 2014 – C-314/12 – UPC Telekabel = ECLI:EU:C:2014:192 = GRUR 2014, 468. 61 Vgl. Nolte/Wimmers, GRUR 2014, 16, 20 ff. 62 EuGH Urt. v. 16. 2. 2012, C-360/10 Rn. 29 – SABAM/Netlog = ECLI:EU:C:2012:85 = GRUR 2012, 382; EuGH Urt. v. 24. 11. 2011, C-70/10 Rn. 31 – Scarlet/SABAM = ECLI: EU:C: 2011:771 = GRUR 2012, 265.
I. Unionsrechtliche Rechtsfolgenregelungen
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Gerade die Rechtsgrundlagen für Anordnungen gegen Mittelspersonen erinnern dogmatisch eher an die gerichtlichen Befugnisse aus §§ 938, 940 ZPO als an materiellrechtliche Ansprüche.63 Auch bei Anordnungen aus §§ 938, 940 ZPO liegt nach verbreiteter Ansicht gerade kein korrespondierender materiellrechtlicher Anspruch zugrunde.64 Die Gerichte sind bei Anordnungen im Sinne des Art. 11 S. 3 Enforcement-RL beziehungsweise Art. 8 III InfoSocRL dann auch wesentlich freier als Gerichte, die einen materiellrechtlichen Anspruch feststellen.65 Der Grund der Haftung basiert nicht auf mittelbarer Verursachung des Rechtseingriffs eines Dritten oder der Verletzung von Verkehrspflichten für Gefahrenquellen; Anordnungen gegen Vermittler finden ihre Rechtfertigung im Gebot des effektiven Rechtsschutzes. Dies begründet ihre rechtliche Verantwortlichkeit.66 Unabhängig davon, ob beziehungsweise wie sich diese Vorgaben in die nationale Dogmatik systemkonform integrieren lassen,67 unterscheidet sich das unionsrechtliche System von Anordnungen von Ansprüchen i. S. d. § 194 BGB im Ausgangspunkt grundlegend. Die Diskussion um die „Anordnungen“ spiegelt sich in Deutschland in der Sache auf der Ebene des Umfangs der „Verkehrspflichten“ wider.68 Ein Unterlassungsanspruch besteht zunächst nicht. Erst wenn der Diensteanbieter seiner Verpflichtung zur Prüfung etc. nicht nachkommt, besteht Wiederholungsgefahr.69 Eine Erstbegehungsgefahr liegt regelmäßig nicht
63 Bei Art. 11 S. 3 Enforcement-RL, Art. 8 III InfoSoc-RL geht es natürlich um Anordnungen mit Dauercharakter; s. a. Ruhl, Art. 89 Rn. 22, der davon ausgeht, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber Anordnungen gegen Mittelspersonen verfahrensrechtlich einordnet. 64 Vgl. Kahl, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 205, 209; Zöller/Vollkommer, § 940 Rn. 2. 65 Wie gesehen können z. B. auch vorbeugende Maßnahmen unproblematisch legitimiert werden, EuGH Urt. v. 27. 3. 2014, C-314/12 Rn. 37 f. – UPC Telekabel/Constantin Film = ECLI:EU:C:2014:192 = GRUR 2014, 468; EuGH Urt. v. 12. 7. 2011, C-324/09 Rn. 131 – L’Oréal/eBay = ECLI:EU:C:2011:474 = GRUR 2011, 1025. 66 Vgl. EuGH Beschluss v. 19. 02. 2009, C-557/07 Rn. 45 – LSG/Tele 2 = ECLI:EU:C: 2009:107 = GRUR 2009, 579; zum Gedanken des “cheapest-cost-avoiders” Ohly, Gutachten Juristentag, F 92; ders., ZUM 2015, 308, 309; Leistner, ZUM 2012, 722, 723; kritisch Spindler, MMR 2008, 167, 169; vgl. Erwägungsgrund 59 S. 2 InfoSoc-RL; in der Sache handelt es sich um eine Art „Aufopferungshaftung“, Hofmann, GRUR 2015, 123, 128 f.; Ohly, Gutachten Juristentag, F 109; ders. ZUM 2015, 308, 318. 67 Eine Umsetzung im Rahmen der Störerhaftung soll möglich sein, Marly, GRUR 2014, 472; Czychowski/Nordemann, GRUR 2013, 986, 992, soweit die Störerhaftung richtlinienkonform angewendet wird; ob man von „Verhältnismäßigkeit“ i. S. v. Art. 3 Enforcement-RL spricht oder auf die „Zumutbarkeit“ von Prüfpflichten abstellt, soll keinen „qualitativen Unterschied“ bewirken, Hügel, S. 150 f. 68 Vgl. Nolte/Wimmers, GRUR 2014, 16, 22: „Durch die Verankerung ‚der Anordnungen zu vorbeugenden Maßnahmen‘ in einem zivilrechtlichen Anspruch wird es […] kaum je zu der in den Richtlinien vorgesehenen gerichtlichen Anordnung kommen.“ (Hervorhebung im Original, ohne Fußnote). 69 BGHZ 191, 19 Rn. 37 ff. – Stiftparfüm = GRUR 2011, 1038.
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§ 3 Das unionsrechtliche Rechtsfolgensystem
vor.70 Entsteht der Unterlassungsanspruch, besteht dieser aber unbedingt. Anders liegt der Ausgangspunkt im Unionsrecht: Anordnungen sind jederzeit denkbar; allerdings ist eine „Enthaftung“ im Falle von Unverhältnismäßigkeit möglich.71 Dass Rechtsfolgen im Unionsrecht anders ausgestaltet sind, wird aber weiter dadurch deutlich, dass nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Rechtsfolgen gefragt wird. Nach dem Wortlaut der angeführten Vorschriften und der gerichtlichen Interpretation erscheint die Gerichts- oder Behördenentscheidung, beispielsweise für die Verpflichtung, eine Rechtsverletzung zu beenden, konstitutiv.72 Wenn in der englischen Version der Entscheidungsgründe zur EuGH-Entscheidung Gautzsch Großhandel von einem “right to obtain an injunction” gesprochen wird,73 klingt darin an, dass man zwar ein Recht auf eine Anordnung hat, diese aber für die Entstehung des „Unterlassungsanspruchs“ zugleich erforderlich ist.74 Gerade dies sorgt in der deutschen Literatur zu Ausschließlichkeitsrechten für Verunsicherung. Es soll schwer vorstellbar sein, dass ein Ausschlussrecht von einer gerichtlichen Durchsetzung abhängt, die zudem gegebenenfalls im Ermessen des Spruchkörpers steht (dazu u. § 3 III). Das Recht, zum Beispiel Unterlassen verlangen zu können, müsse als „subjektivrechtlicher Verletzungsanspruch“ materiell entstanden sein und könne allenfalls durch eine Gerichtsentscheidung beschränkt werden.75 Andere monieren, dass in Deutschland Gerichte Ansprüche durch Leistungsbeziehungsweise Feststellungsurteile bescheiden. Gerichtliche Entscheidungen hätten nur dann konstitutive Wirkung, wenn eine Gestaltungsklage statthaft 70 BGHZ 191, 19 Rn. 44 f. – Stiftparfüm = GRUR 2011, 1038; s. a. Nolte/Wimmers, GRUR 2014, 16, 20. 71 EuGH Urt. v. 27. 3. 2014, C-314/12 Rn. 45, 53 – UPC Telekabel/Constantin Film = ECLI:EU:C:2014:192 = GRUR 2014, 468 (von der Haftung zu „befreien“); vgl. EuGH Urt. v. 16. 2. 2012, C-360/10 Rn. 39 ff. – SABAM/Netlog = ECLI:EU:C:2012:85 = GRUR 2012, 382; EuGH Urt. v. 12. 7. 2011, C-324/09 Rn. 139 ff. – L’Oréal/eBay = ECLI:EU:C:2011:474 = GRUR 2011, 1025; EuGH Urt. v. 29. 1. 2008, C-275/06 Rn. 62 ff., 68 – Promusicae/Telefónica = ECLI:EU:C:2008:54 = GRUR 2008, 241; vgl. Brinkel/Osthaus, CR 2014, 642, 645 f.; Czychowski/Nordemann, GRUR 2013, 986, 988, 990; es besteht ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen dem Verbot allgemeiner Überwachungspflichten insbesondere aus Art. 15 E-Commerce-RL und den unionsrechtlichen Vorschriften zur Haftung von Mittelspersonen; zum Verhältnis zum Datenschutzrecht Trstenjak, GRUR Int. 2012, 393 ff. 72 Vgl. EuGH Urt. v. 12. 04. 2011, C-235/09 – DHL Express France Rn. 28, 48 = ECLI:EU:C:2011:238 = GRUR 2011, 518 („des von ihm [= Gemeinschaftsmarkengericht] ausgesprochenen Verbots“). Nich unproblematisch ist daher auch der Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes (neues WLAN-Gesetz – 3. TMGÄndG. Dort will der Gesetzgeber zwischen Unterlassungsansprüchen und gerichtlichen Anordnungen unterscheiden. 73 EuGH Urt. v. 13. 02. 2014, C-479/12 Rn. 45 – Gautzsch Großhandel/MBM Joseph Duna = ECLI:EU:C:2014:75 = GRUR 2014, 368. 74 Vgl. auch o. § 1 II. 75 Schröer, GRUR Int. 2013, 1102, 1109.
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ist. Dass aber eine Rechtsfolge quasi mittels einer Gestaltungsklage verwirklicht wird, sei dem deutschen System fremd.76
2. Rechtsfolgenregelungen als materielle „Ansprüche“ (mit prozessualem Einschlag) Eine erste Analyse des Unionsrechts zeigt, dass Rechtsfolgen als gerichtliche Anordnungen auftreten. Allerdings kennt das Unionsrecht auch andere Ausgestaltungen. Für die Durchsetzung vertraglicher Rechte kommt es nach dem Wortlaut einschlägiger Vorschriften auf eine Mitwirkung der Gerichte nicht an. So ist in Art. 3 II der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (RL 1999/44/EG) von Ansprüchen die Rede. Der Verbraucher hat einen „Anspruch auf die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes durch Nachbesserung“ etc. (“shall be entitled” – nach der englischen Sprachfassung).77 Gemäß Art. 3 III kann der Verbraucher vom Verkäufer die Nachbesserung oder eine Ersatzlieferung „verlangen“. Art. 106 des Vorschlags für eine Verordnung über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht (der freilich mittlerweile von der Kommission zurückgezogen wurde) liest sich wie folgt:78 „Hat der Verkäufer eine Verpflichtung nicht erfüllt, kann der Käufer (a) die Erfüllung gemäß Abschnitt 3 verlangen, die die Erfüllung der betreffenden Verpflichtung, die Reparatur oder den Ersatz der Waren oder digitalen Inhalte einschließt […].“ Sprachlich fällt zunächst auf, dass nicht von „Anordnungen“, sondern offiziell von „Abhilfen“ die Rede ist. Bisweilen wird gar von „Ansprüchen“ gesprochen.79 Auch wenn der „Erfüllungsanspruch“ als Rechtsbehelf (dazu u. § 3 II), also als Sanktion für die Nichtleistung, ausgestaltet ist,80 bestehen an der materiellrechtlichen Natur des Rechtsbehelfs Erfüllung wenig Zweifel.81 Andeutungen für eine prozessuale Natur finden sich im Wortlaut nicht. Erfüllung ist dem Schuldverhältnis allerdings nicht immanent, sondern kann nur im Falle einer Rechtsverletzung verlangt werden.82 Nach verbreiteter Ansicht entsteht der „Erfüllungsanspruch“ damit erst im Falle der Nichtleis76
Nieder, GRUR 2014, 627, 633. Magnus, ZEuP 2007, 260, 271. 78 KOM (2011), 635 endgültig; s. a. Basedow, ZEuP 2015, 432; Ostendorf, ZRP 2016, 69 ff. 79 Nur Riehm, S. 502; vgl. auch Art. 9 Nr. 1, Nr. 3, Nr. 5, Art. 14 Vorschlag für eine Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren, KOM (2015), 635 final; Art. 12 Nr. 1, Nr. 3 Vorschlag für eine Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte, KOM (2015), 634 final. 80 Mansel, WM 2012, 1309, 1319; Riehm, S. 501 f. m. w. N.; M. Stürner, E. R. P. L. (2011), 167, 168, 181 (zum DCFR). 81 Vgl. Atamer, Festschrift Hopt, S. 3, 10 f. 82 Vgl. Riehm, S. 501 f. 77 Vgl.
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§ 3 Das unionsrechtliche Rechtsfolgensystem
tung.83 Ob darüber hinaus der „Erfüllungsanspruch“ erst dann konstitutiv entsteht, wenn der Käufer ihn einfordert, mithin „anordnet“, wäre zumindest nach der englischen Sprachfassung nicht fernliegend (“[…] the buyer may do any of the following”). Umgekehrt wird überlegt, ob der „Naturalerfüllungsanspruch“ bereits unmittelbar mit Vertragsschluss entsteht.84 Zum Vertragsrecht in europäischen Vereinheitlichungsprojekten finden sich dennoch zugleich prozessual angehauchte Sichtweisen. Mit Blick auf Art. 9:102 der Principles of European Contract Law (PECL), der zum einen ein Recht auf Erfüllung gewährt (“The aggrieved party is entitled to specific performance”) und dieses Recht zum anderen begrenzt (“Specific performance cannot, however, be obtained […]”), wird vertreten, dass diese Bestimmung nicht „die materielle Reichweite der vertraglichen Leistungspflicht“ (vergleichbar mit § 275 BGB) regelt,85 sondern prozessualen Charakter hat.86 Durch die Vorschrift soll die „Zulässigkeit“ einer “order for specific performance” als ein “remedy” geregelt sein.87 Ein materieller Anspruch auf Erfüllung wäre nicht gegeben. Im gemeinsamen Referenzrahmen wiederum wird von einem “right to enforce performance” gesprochen (vgl. Book III Chapter III Section 3 DCFR).88 Auch dies wird als „Anspruch“ interpretiert, der aber durch das „remedy-Konzept“ modifiziert wird.89 Oder in den Worten der Kommentierung: “The creditor has not only a substantive right to the debtor’s performance but also a remedy to enforce this right specifically, e. g. by applying for an order or decision of a court.”90
Ein weiteres Gegenbeispiel zu dem Eindruck, dass Rechtsbehelfe – namentlich im Recht des Geistigen Eigentums und Lauterkeitsrecht – prozessual ausgestaltet sind (o. § 3 I 1 a)), liefert der Sechste Teil der Sortenschutz-VO (vgl. insbesondere Art. 94 I Sortenschutz-VO), also ein Beispiel aus dem Recht des Geistigen Eigentums. Dort ist selbst im amtlichen Text von An83 Riehm, S. 501 f.; Albers, ZEuP 2012, 687, 694 („unabhängig von einer Störungssitua tion“); Stürner, E. R. P. L. (2011), 167, 168, 181 (zum DCFR). 84 Atamer, Festschrift Hopt, S. 3, 10; zu Fragen der Abtretung Riehm, S. 502 f.; bei der Entwicklung eines Rechtsbehelfsmodells mit Blick auf das deutsche Recht (u. § 5) gilt es, dies zu berücksichtigen; allerdings dürfen Stammrechte und Rechtsfolgenrechte sowie deren jeweiliger Entstehungszeitpunkt nicht vermischt werden. 85 Lobinger, Leistungspflichten, S. 130. 86 Lobinger, Leistungspflichten, S. 130 f.; kritisch zur Terminologie van Kogelenberg, E. R. P. L. (2009), 599, 605 f. (Handelt es sich um ein “right to specific performance” oder um eine gerichtliche Anordnung?). 87 Lobinger, Leistungspflichten, S. 130. 88 Zum Referenzrahmen Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann, 28 O. J. L. S. (2008), 659 ff.; Vaquer, 17 E. R. P. L. (2009), 487 ff.; ein „remedy-System“ ist hier nicht verwirklicht, Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 92 f. 89 M. Stürner, E. R. P. L. (2011), 167, 180 f. 90 v. Bar/Clive, S. 829.
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sprüchen die Rede („kann […] auf Unterlassung […] in Anspruch genommen werden“).91 Zumindest ein prozessualer Hauch findet sich freilich in der englischen Sprachfassung (“may be sued by the holder to enjoin such infringement”) wie bisweilen im Verständnis des EuGH („der Inhaber […] eine Verletzungsklage gegen einen Dritten erheben kann“).92 Einen ähnlichen Eindruck hinterlässt Art. 15 GGV („Geltendmachung der Berechtigung auf das Gemeinschaftsgeschmacksmuster“). Während nach der deutschen Sprachfassung der Berechtigte „verlangen“ kann, dass er als rechtmäßiger Inhaber des Gemeinschaftsgeschmacksmusters anerkannt wird und sein „Anspruch“ einer dreijährigen Verjährungsfrist unterliegt, sperrt die englische Sprachfassung “legal proceedings” nach drei Jahren. Nach Art. 15 I GGV bleiben Alternativansprüche („andere[…] Möglichkeiten“), in der englischen Version “alternative remedies”, unangetastet. Mag man auch einwenden, dass in den unterschiedlichen Sprachfassungen bereits die Besonderheiten der nationalen Rechtsordnungen, in die das Unionsrecht umgesetzt werden muss, vorweggenommen werden, kann nicht verhehlt werden, dass sich das Unionsrecht selbst positionieren muss, will es nicht unverbindlich erscheinen. Auch jenseits des Kaufrechts finden sich entsprechende Beispiele: Art. VI.-6:301 DCFR kodifiziert ein “right to prevention”. Dieses Recht ist zwar als “remedy” ausgestaltet;93 einer gerichtlichen Anordnung bedarf es aber ausweislich des Wortlautes nicht. Auch in der Richtlinie 2004/113/EG zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern ist zwar in der Überschrift zu Kapitel II von „Rechtsbehelfen“ die Rede. Zugleich findet sich aber in Art. 8 I der Begriff „Anspruch“ (englische Sprachfassung: “obligation”).
3. Zwischenfazit Insgesamt bietet sich also kein einheitliches Bild.94 Rechtsfolgen treten an einem Ende der Skala in Form gerichtlicher Anordnungen auf; der Kläger kann Anordnungen „beantragen“.95 Am anderen Ende der Skala finden sich Rechtsfolgen, die als eigenständige Rechte ausgestaltet sind, wobei es nicht einmal eines „Verlangens“ durch den Berechtigten bedarf. 91
EuG Urt. v. 19. 11. 2008, T-187/06 Rn. 139 – Schräder/CPVO = ECLI:EU:T:2008:511 = GRUR Int. 2009, 133; vgl. EuGH Urt. v. 10. 04. 2003, C-305/00 – Schulin = ECLI:EU:C:2003:218 = GRUR 2003, 868; BGHZ 166, 203 Rn. 13 – Melanie = GRUR 2006, 575; Basedow, NJW 1996, 1921, 1927. 92 EuGH Urt. v. 20. 10. 2011, C-140/10 Rn. 44 – Greenstar-Kanzi Europe = ECLI:EU:C: 2011:677 = GRUR 2012, 49 (Hervorhebung nicht im Original). 93 Wagner, Festschrift Medicus, S. 589, 610. 94 Vgl. Weller, S. 397 f. 95 Nur Art. 8 III InfoSoc-RL und Art. 11 S. 3 Enforcement-RL, vgl. EuGH Urt. v. 16. 2. 2012, C-360/10 Rn. 28 – SABAM/Netlog = ECLI:EU:C:2012:85 = GRUR 2012, 382.
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§ 3 Das unionsrechtliche Rechtsfolgensystem
II. Trennung von Rechten und Rechtsfolgen Ein markantes Charakteristikum des unionsrechtlichen Rechtsfolgenkonzepts ist die Trennung von Rechten und Rechtsfolgen zu deren Durchsetzung. Diese findet sich nicht nur im Recht des Geistigen Eigentums (1.) und im Vertragsrecht (2.), sondern auch darüber hinaus (3.). Rechtsfolgen konstituieren einen eigenständigen Problemkreis.
1. Recht des Geistigen Eigentums Aus deutscher Sicht wenig überraschend ist zunächst die Differenzierung zwischen der Definition der Reichweite des Schutzbereichs eines Ausschließlichkeitsrechts einerseits und Regelungen zur Durchsetzung der vermittels des Ausschließlichkeitsrechts gewährten Befugnisse andererseits. So werden in Art. 19 GGV die Rechte aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster beschrieben. Der Inhaber hat sowohl ein positives Benutzungsrecht als auch eine negative Ausschlussbefugnis. Ein Anspruch folgt daraus noch nicht; welche Sanktionen eine Zuwiderhandlung begründet, ist einer eigenen Bestimmung, dem bereits zitierten Art. 89 GGV, vorbehalten.96 Ähnlich ist die Rechtslage in der Unionsmarkenverordnung. Der Schutzbereich der Marke bemisst sich nach Art. 9 UMV. Dort wird der Umfang des Ausschließlichkeitsrechts festgelegt. Zur Durchsetzung dieses Rechts bedarf es der in Art. 102 UMV festgelegten gerichtlichen Verfügung. Im europäischen Patentrecht finden sich Aussagen zum Schutzbereich in Art. 5 der Verordnung zum Einheitspatent sowie in Art. 25, 26 EPGÜ, während Art. 63 EPGÜ eine Vorschrift zu endgültigen Unterlassungsanordnungen enthält. Die InfoSoc-RL regelt in Art. 2, Art. 3 und Art. 4, welche Rechte ein Urheber hat, um dann in Art. 8 den Mitgliedstaaten vorzugeben, bei Verletzungen der in der InfoSoc-RL festgelegten Rechte angemessene Sanktionen und Rechtsbehelfe vorzusehen. Die Rechtsprechung betont diese Systematik mit Blick auf die Enforcement-RL. So stellt der EuGH heraus, dass diese Richtlinie „nicht darauf [zielt], alle Aspekte im Zusammenhang mit Rechten des Geistigen Eigentums zu regeln, sondern nur diejenigen, die zum einen eng mit der Durchsetzung dieser Rechte verbunden sind und zum anderen Verletzungen dieser Rechte betreffen, indem sie das Vorhandensein wirksamer Rechtsbehelfe vorschreibt, die dazu bestimmt sind, jede Verletzung eines bestehenden Rechts des Geistigen Eigentums zu verhüten, abzustellen oder zu beheben.“97 Oder anders formuliert: Die Durch96 Dieser Zusammenhang wird nicht immer hinreichend deutlich herausgestellt, LG Frankfurt/Main GRUR-RR 2004, 4, 5 – Swing-Hometrainer; Zwanzger, S. 82; vgl. aber Hasselblatt/Späth, CDR, Art. 89 Rn. 2. 97 EuGH Urt. v. 15. 11. 2012, C-180/11 Rn. 75, 77 – Bericap Záródástechnikai/Plastinnova 2000 = ECLI:EU:C:2012:717 = GRUR Int. 2013, 86.
II. Trennung von Rechten und Rechtsfolgen
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setzungsbestimmungen bilden einen eigenen, von den materiell-rechtlichen Regelungen im engeren Sinne abweichenden Regelungskomplex. Aus der dargestellten Gesetzessystematik (einschließlich deren Interpretation durch die Rechtswissenschaft als „right/remedy-Dichotomie“)98 wird jedoch nicht immer auf eine Trennung von Rechten und Rechtsfolgenanordnungen zu deren Durchsetzung geschlossen.99 Dies zeigt sich exemplarisch an der Diskussion zum europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung (einheitliches Patent). Dort ist insbesondere das Verständnis von Art. 25, 26 EPGÜ umstritten.100 In Art. 25 EPGÜ steht:101 „Ein Patent gewährt seinem Inhaber das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung a) ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen […].“ Manche wollen hieraus einen materiellrechtlichen Unterlassungsanspruch ableiten.102 An dieser Stelle soll das Recht geregelt sein, unmittelbar gegen Dritte vorgehen zu können.103 Argumentiert wird mit dem Wortlaut, der anders als die vergleichbare Bestimmung des deutschen Patentgesetzes (§ 9 PatG beziehungsweise § 10 PatG) nicht als „objektivrechtliche[…] Verbotsnorm“, sondern „subjektivrechtlich[…]“ ausgestaltet sein soll.104 Art. 63 EPGÜ soll auf prozessualer Ebene eine Möglichkeit zur Beschränkung des Unterlassungsanspruchs vorhalten.105 Diese damit verfahrensrechtliche Regelung wendet sich nach dieser Ansicht ausschließlich an das einheitliche Patentgericht. Hat ein nationales Gericht über ein Patent mit einheitlicher Wirkung zu entscheiden, soll der Unterlassungsanspruch unbedingt aus Art. 25, Art. 26 EPGÜ folgen.106 Die Gegenansicht leitet den „Unterlassungsanspruch“ (oder besser: das Recht auf eine Unterlassungsanordnung) unmittelbar aus Art. 63 EPGÜ ab.107 Nur eine solche Lesart entspreche der Systematik des Unions98
Fischman Afori, IIC 2014, 889, 891. Vgl. die bereits oben kritisierte Entscheidung BGH GRUR Int. 2005, 719 – Lila-Schokolade. 100 Die gleiche Diskussion wurde auf Tagungen etc. auch im Hinblick auf Art. 5 der Verordnung Nr. 1257/2012 zum Patent mit einheitlicher Wirkung geführt. Die folgenden Gedanken wurden entsprechend im Hinblick auf diese Vorschrift vorgetragen. 101 Art. 26 EPGÜ regelt die mittelbare Patentverletzung. 102 Reetz/Pecnard/Fruscalzo/van der Velden/Marfé, GRUR Int. 2015, 210, 217 f., 218; vgl. Zwanzger, S. 82; LG Frankfurt/Main GRUR-RR 2005, 4, 5 – Swing-Hometrainer; missverständlich Kur/v. Bomhard/Albrecht/Renck, Art. 9 GMV; s. bereits o. § 3 I 1. 103 Schröer, GRUR Int. 2013, 1102, 1108. 104 Schröer, GRUR Int. 2013, 1102, 1108. 105 Vgl. ähnlich für Art. 28 CISG Riehm, S. 450. 106 Schröer, GRUR Int. 2013, 1102, 1108; ähnlich zu Art. 89 GGV Hasselblatt/Späth, CDR, Art. 89 Rn. 2; zu Art. 102 GMV Hasselblatt/Menebröcker/Stier, CTMR, Art. 102 Rn. 2. 107 Vgl. Grosch auf der Tagung des Interdisziplinären Zentrums für Geistiges Eigentum: European Patent Package 2 – Das deutsche (Patent-)Recht als Infrastruktur für das neue Unionspatent (Tagungsbericht von Bernzen/Tochtermann GRUR 2014, 457, 458). 99
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§ 3 Das unionsrechtliche Rechtsfolgensystem
rechts, streng zwischen der Regelung von Rechten und Rechtsfolgen zu deren Durchsetzung zu trennen. Auch aus deutscher Sicht überzeugt dies.108 So folgen zum Beispiel aus § 903 BGB ebenfalls nicht unmittelbar Ansprüche; es bedarf einer weiteren Norm wie § 1004 I, § 812 I S. 1, 2. Alt., § 687 II oder § 823 I BGB. Selbst bei der Haftung von Mittelspersonen gemäß Art. 11 S. 3 Enforcement-RL beziehungsweise Art. 8 III InfoSoc-RL lässt sich diese Trennung beschreiben. Zwar gestattet das Unionsrecht – wie gesehen – gegenüber Mittelspersonen weitergehende Anordnungen zu treffen als gegenüber dem unmittelbaren Verletzer;109 doch gerade daran wird deutlich, dass die Durchsetzung eines Rechts von der Reichweite des Schutzbereichs eines solchen Rechts klar abzugrenzen ist. Wenn manche eine Haftung von “innocent parties” sehen wollen110 oder die Haftung von Mittelspersonen als eine „Hilfeleistungshaftung“111 verstehen, belegt dies nur, dass das Recht der Durchsetzung von Rechten als eigener Regelungskomplex aufzufassen ist. Einer strengen deliktischen Verantwortlichkeit bedarf es dafür nicht.112 Maßgeblich ist nach dem Unionsrecht einzig, dass namentlich das Urheberrecht effektiv durchgesetzt werden kann,113 wenn etwa einem Zugangs-Provider bestimmte Maßnahmen wie die Sperrung einschlägiger Webseiten aufgegeben werden.114 Eine Anordnung, durch die ein Online-Marktplatz verpflichtet wird, die mittels des Marktplatzes hervorgerufene Verletzung nicht nur zu beenden, sondern auch wirksam zur Vorbeugung gegen erneute Verletzungen beizutragen,115 dient nichts anderem als unmittelbar der Verwirklichung beispielsweise einer Registermarke. Rechtsfolgenanordnungen als eigenständigen Regelungskomplex aufzufassen ermöglicht dann auch, dort Überlegungen zur Verhältnismäßigkeit zu verankern.116 108 Auch wenn selbstredend nationales Recht nicht für die Auslegung von Unionsrecht, zumal für dessen Systematik, herangezogen werden kann. 109 EuGH Urt. v. 12. 7. 2011, C-324/09 Rn. 129, 131 – L’Oréal/eBay = ECLI:EU:C: 2011:474 = GRUR 2011, 1025. 110 Husovec, 4 JIPITEC(2012), 116. 111 J. B. Nordemann, ZUM 2014, 499; ders., GRUR-Prax 2014, 513, 514; ders., GRUR 2011, 977, 979; ders., 59 Journal of the US Copyright Society (2012), 773, 776; Czychowski/ Nordemann, GRUR 2013, 986, 988, 990, 995. 112 Vgl. Hofmann, GRUR 2015, 123, 126 f. 113 Dazu Erwägungsgrund 59 der InfoSoc-RL; s. a. Ohly, Gutachten Juristentag, F 92; Leistner, ZUM 2012, 722, 723. 114 EuGH Urt. v. 27. 3. 2014 C-314/12 – UPC Telekabel/Constantin Film = ECLI:EU:C: 2014:192 = GRUR 2014, 468. 115 EuGH Urt. v. 12. 7. 2011, C-324/09 Rn. 131 – L’Oréal/eBay = ECLI:EU:C: 2011:474 = GRUR 2011, 1025. 116 EuGH Urt. v. 27. 3. 2014, C-314/12 Rn. 45, 53 – UPC Telekabel/Constantin Film = ECLI:EU:C:2014:192 = GRUR 2014, 468 (von der Haftung zu „befreien“); vgl. EuGH Urt. v. 16. 2. 2012, C-360/10 Rn. 39 ff. – SABAM/Netlog = ECLI:EU:C:2012:85 = GRUR 2012, 382; EuGH Urt. v. 12. 7. 2011, C-324/09 Rn. 139 ff. – L’Oréal/eBay = ECLI:EU:C:2011:474 =
II. Trennung von Rechten und Rechtsfolgen
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2. Europäisches Vertragsrecht Die Trennung zwischen vorausgelagerten Rechten und davon zu unterscheidenden Bestimmungen zur Verwirklichung dieser Rechte findet sich auch im europäischen Vertragsrecht.117 In Art. 91 des (nunmehr freilich belanglosen) Entwurfs für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht sind beispielsweise die „Hauptverpflichtungen des Verkäufers“ festgelegt.118 Insbesondere muss der Warenverkäufer die Waren auch liefern. Dass der Käufer dies dann tatsächlich verlangen kann, ist – wie gesagt – mit dieser Bestimmung noch nicht zum Ausdruck gebracht. Erst durch Art. 106 wird dem Käufer unter der Überschrift „Abhilfen des Käufers“ ein entsprechender Rechtsbehelf eingeräumt.119 Gerade das Gemeinsame Kaufrecht steht in der Regelungssystematik stark in der Tradition des „remedy-Systems“,120 wenn auch prozessuale Elemente im Einklang mit der deutschen Rechtstradition fehlen (o. § 3 I 2).121 Die Principles of European Contract Law (PECL) trennen ebenfalls zwischen primary rights und remedies (Art. 8:101 PECL; Art. 9:102 PECL).122 In der Kommentierung wird ausdrücklich hervorgehoben, dass nicht nur ein Recht auf Leistung, sondern „überdies“ ein Recht auf Durchsetzung dieses „Anspruchs“ besteht.123 Es soll ein subjektives Recht auf Leistung auf der einen Seite und seine gerichtliche Durchsetzbarkeit mittels eines Rechtsbehelfs bei einer Pflichtverletzung auf der anderen Seite zu unterscheiden sein.124 Gleiches gilt für den Draft Common Frame of Reference (Art. III.-3:101 und Art. III.-3:302 DCFR). Auch hier findet sich die beschriebene „Zweier-Struktur“.125 Das 3. Buch ist gar mit diesem „Programm“ überschrieben (“Obligations and corresponding Rights”).126 Dass wiederum dort die Zession und die GRUR 2011, 1025; EuGH Urt. v. 29. 1. 2008, C-275/06 Rn. 62 ff., 68 – Promusicae/Telefónica = ECLI:EU:C:2008:54 = GRUR 2008, 241; vgl. Brinkel/Osthaus, CR 2014, 642, 645 f.; Czychowski/Nordemann, GRUR 2013, 986, 988, 990. 117 Hier werden wiederum auch akademische Vereinheitlichungsprojekte berücksichtigt. Überblick dazu bei Riehm, S. 463 f.; Zimmermann, EuZW 2009, 319 ff.; zur Trennung von „Primärrechten“ und Rechtsbehelfen als Kennzeichen eines „Rechtsbehelfsmodells“ Weller, JZ 2008, 764; s. a. u. § 5 I. 118 Zum Erfüllungsanspruch im DCFR U. Huber, ZEuP 2008, 708, 714 ff. 119 Mansel, WM 2012, 1309, 1319; Albers, ZEuP 2012, 687, 693 f.; Riehm, S. 501 f. 120 Vgl. Mansel, WM 2012, 1309, 1319; zum DCFR M. Stürner, E. R. P. L. (2011), 167, 168, 181. 121 Vgl. Albers, ZEuP 2012, 687, 694. 122 S. a. Art. 9:103 PECL; vgl. Lobinger, Leistungspflichten, S. 130 und S. 132 f. 123 Kommentar A zu Art. 9:102 PECL, von Bar/Zimmermann, Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts (Teile I und II), S. 477. 124 Riehm, S. 502. 125 Dazu Weller, JZ 2008, 764, 771 f.; es besteht ein Rechtsbehelfsmodell, Weller, S. 5; Riehm, S. 501 f.; vgl. Leible, S. 97, 99. 126 Riehm, S. 502, der auf die Trennung von „Leistungspflicht des Schuldners“ und „(Klage-)Recht des Gläubigers“ hinweist. In vorliegender Schrift wird die Problematik als
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§ 3 Das unionsrechtliche Rechtsfolgensystem
Verjährung an das Stammrecht anknüpfen, bedeutet nicht, dass ein Rechtsbehelfsmodell nicht vorliegt, sondern dass an die BGB-Anspruchsdogmatik angeknüpft wird.127 In der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (RL 1999/44/EG) finden sich keine Regelungen zum Primäranspruch. Indes wird diskutiert, ob die nationale Umsetzungsvorschrift des § 439 BGB als „Rechtsbehelf“ zu verstehen ist.128 So wird vertreten, dass der Nacherfüllungsanspruch ein vom Erfüllungsanspruch nach § 433 I S. 1 BGB zu unterscheidender Anspruch sei, der an die Stelle des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs trete.129 Dessen ungeachtet unterscheidet die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in Art. 2 I zwischen einer Verpflichtung des Verkäufers zur vertragsgemäßen Leistung und den Rechten des Verbrauchers bei Vertragswidrigkeit nach Art. 3 der Richtlinie. Allgemein wird angenommen, dass im „europäischen Vertragsrecht“ (zumindest im Ansatz) ein „Rechtsbehelfsmodell“ zu finden ist.130 Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zum deutschen Anspruchssystem: Wie gezeigt, sind in Deutschland das vertragliche Recht, etwas verlangen zu können, und die Möglichkeit der Durchsetzung dieses Rechts (= der Forderung) in Natur zwei Seiten einer Medaille.131 Im europäischen Recht genügt es, um die Rechtsposition des Gläubigers zu erfassen, hingegen oft nicht, nur eine vertragliche Pflicht zu identifizieren. Zusätzlich muss nach einer Bestimmung gesucht werden, die für die Durchsetzung dieser Pflicht des Schuldners beziehungsweise, umgekehrt formuliert, des Rechts des Gläubigers sorgt. Oder mit Blick auf den Naturalerfüllungsgrundsatz: Während die Naturalerfüllungspflicht des Schuldners „als gedachtes Sollen“ im europäischen Rechtsdenken weithin anerkannt ist, wird die davon zu trennende Frage eines „Naturalerfüllungsrechts“ kontrovers beurteilt.132
Trennung von Stammrechten und Rechtsfolgenrechten aufbereitet, dazu u. § 5, insbesondere § 5 III 3. 127 So aber Weller, S. 397 f. 128 Vgl. Weller, S. 457. 129 Lorenz, NJW 2002, 2497, 2499; Weller, S. 457; a. A. Unberath/Cziupka, JZ 2009, 313; s. a. P. Huber, NJW 2002, 1004. 130 Weller, S. 397 f.; ders., JZ 2008, 764 f., 771 f.; Riehm, S. 501 f.; Atamer, Festschrift Hopt, S. 3 (“remedy approach”); vgl. Lobinger, Leistungspflichten, S. 130 u. a. zu den PECL; Mansel, WM 2012, 1309, 1319 zum Vorschlag einer Verordnung über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht; M. Stürner, E. R. P. L. (2011), 167, 168, 181, 185, zum DCFR; dazu auch Leible, S. 97, 99. 131 Vgl. Mansel, WM 2012, 1309, 1319 (Der Anspruch auf Naturalerfüllung beruht „auf dem im Vertrag verabredeten Leistungsprogramm und ist keine Nichterfüllungsfolge“); Riehm, S. 501; M. Stürner, E. R. P. L. (2011), 167 f.; Schmidt-Kessel, Specific Performance, S. 69, 84. 132 Riehm, S. 465 f.; s. a. S. 501 (Erfüllungsanspruch ist nicht als primär klagbares Recht ausgestaltet); s. a. Weller, JZ 2008, 764, 771.
III. Flexibilität bei der Rechtsdurchsetzung
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3. Weitere Beispiele Über das Vertragsrecht und das besprochene Recht des Geistigen Eigentums hinaus lässt sich die Zweier-Struktur auch an vielen anderen Stellen nachweisen. Nur einige wenige weitere Beispiele sollen dies illustrieren: Zunächst findet sich im DCFR weiteres Anschauungsmaterial. Während in Art. II.-2:101 ein right not to be discriminated against geregelt ist, finden sich korrespondierende Abhilfemaßnahmen in Art. II.-2:104 (“Remedies”). Kapitel 2 der UGPRichtlinie verbietet unlautere Geschäftspraktiken. Durchsetzungsregelungen finden sich hingegen davon getrennt in Kapitel 4.133 Ähnlich ist die Systematik im europäischen Arbeitsrecht. Art. 8 der Arbeitnehmer-Unterrichtungs-RL (2002/14/EG) beschränkt sich zwar auf die an die Mitgliedstaaten gerichtete Aufforderung „geeignete Verwaltungs- und Gerichtsverfahren [vorzuhalten], mit deren Hilfe die Erfüllung der sich aus dieser Richtlinie ergebenden Verpflichtungen durchgesetzt werden kann.“ Die systematische Abkopplung der Durchsetzungsbestimmungen wird dennoch selbst bei dieser „Minimalvorgabe“ stellvertretend für weitere Rechtsakte exemplarisch deutlich.134 Dass die materiellen Rechte und die Rechtsfolgen zur Durchsetzung der Rechte zu trennen sind, wird schließlich am „Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf“ ersichtlich.135 Hierbei handelt es sich anders als im deutschen Recht nicht nur um ein Recht auf effektiven Rechtsschutz im Sinne von Art. 19 IV GG,136 sondern dieser allgemeine Rechtsgrundsatz meint auch, dass ein Verstoß gegen materiellrechtliche Bestimmungen Sanktionen, zum Beispiel einen Auskunftsanspruch, nach sich ziehen muss.137 „Wirksamer Rechtsbehelf“ wäre in der deutschen Systematik somit so zu verstehen, dass effektive „Ansprüche“ vorhanden sein müssen.
III. Flexibilität bei der Rechtsdurchsetzung Von der ganzen Bandbreite potenzieller Rechtsfolgen sind nur einige durch das Unionsrecht vorgegeben beziehungsweise harmonisiert. Bis heute obliegt es vielfach den Mitgliedstaaten, die Sanktionen beziehungsweise Durchsetzungsmechanismen festzusetzen, die zur Verwirklichung der harmonisierten Re133
Vgl. auch Art. 5 Irreführungs-RL. auch Art. 14 II der Richtlinie zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Genossenschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer (RL 2003/72/EG). 135 Zu diesem Recht EuGH Urt. v. 29. 1. 2008, C-275/06 Rn. 62 – Promusicae/Telefónica = ECLI:EU:C:2008:54 = GRUR 2008, 241. 136 Das Unionsrecht schließt dies freilich mit ein, EuGH Urt. v. 13. 3. 2007, C-432/05 Rn. 36 ff. – Unibet/Justitiekansler = ECLI:EU:C:2007:163 = EuZW 2007, 247. 137 EuGH Urt. v. 29. 1. 2008, C-275/06 Rn. 61 ff. – Promusicae/Telefónica = ECLI: EU:C:2008:54 = GRUR 2008, 241. 134 Etwa
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§ 3 Das unionsrechtliche Rechtsfolgensystem
gelungen notwendig sind. Standardmäßig findet sich häufig die Formulierung, dass die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass „geeignete Maßnahmen“ für den Fall der Nichteinhaltung der jeweiligen Richtlinie vorgehalten werden, und dass sie insbesondere dafür sorgen, dass „Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren bestehen, mit denen die Erfüllung der sich aus der Richtlinie ergebenden Verpflichtungen durchgesetzt werden kann“.138 Bereits in der Formulierung „geeignet“ ist angelegt, dass nicht jedwede denkbare Sanktion zur Verfügung gestellt werden muss.139 Der Gedanke der Flexibilität bei der Rechtsdurchsetzung zeigt sich noch deutlicher darin, dass es nach Ansicht vieler als allgemeiner Gedanke des Unionsrechts, jedenfalls des Unionsimmaterialgüterrechts, gelten kann, dass Rechtsbehelfe verhältnismäßig zu sein haben.140 So wird unter anderem in Art. 3 II S. 1 der Enforcement-RL141 ausdrücklich auf die Verhältnismäßigkeit des Rechtsbehelfs abgestellt.142 Auch dürfen Rechtsbehelfe demnach nicht unnötig kompliziert und kostspielig sein.143 Die Bedeutung der Rechtsdurchsetzung als eigenständigen Problemkreis bringt überzeugend Fischmann Afori mit Blick auf das Urheberrecht auf den Punkt. So soll dort der gebotene Interessenausgleich insbesondere über den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (“proportionality test”) bewerkstelligt werden.144 Fischman 138 Art. 14 II der Richtlinie zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Genossenschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer (RL 2003/72/EG); Art. 8 der Richtlinie zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft (RL 2002/14/EG); vgl. Lobinger, Festschrift Richardi, 2007, S. 657, 659; detaillierter ist insbesondere Art. 3 Enforcement-RL, dazu Reetz/Pecnard/ Fruscalzo/Von der Velden/Marfé, GRUR Int. 2015, 210, 211. 139 Vgl. v. Mühlendahl, IIC 2007, 377 mit Blick auf die zwingende Natur von „Unterlassungsanordnungen“. 140 Grundlegend mit Blick auf das Urheberrecht Fischman Afori, IIC 2014, 889 ff., 895, 900 ff. (“proportionality” als “new mega standard”); Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 798; vgl. EuGH Urt. v. 12. 7. 2011, C-324/09 Rn. 139 und Rn. 141 – L’Oréal/eBay = ECLI:EU:C:2011:474 = GRUR 2011, 1025. 141 Vgl. auch Art. 8 I S. 2 InfoSoc-RL. 142 Fischman Afori, IIC 2014, 889, 895, 900 f.; Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 795 ff.; ders., IP Enforcement, S. 257, 266; ders., ZUM 2015, 308, 316; Fitzner/Lutz/Bodewig/Pitz, § 139 Rn. 78, 206; Amschewitz, S. 107; Knaak, GRUR Int. 2004, 745, 747; LG Mannheim, Urt. v. 27. 2. 2009, Az. 7 O 94/08 – FRAND-Erklärung = NJOZ 2009, 1458, 1461; s. a. Osterrieth, GRUR 2009, 540, 543 ff.; Janal, S. 58 f.; Heusch, Festschrift Meibom, S. 135, 142; Uhrich, ZGE 2009, 59, 87 ff.; Sonnenberg, S. 83 ff., 85 ff., 91 f., 171; Erwägungsgrund 17 EnforcementRL; Art. 3 Enforcement-RL wird nicht von Art. 12 Enforcement-RL verdrängt, Ohly, IP Enforcement, S. 257, 266; s. a. Sonnenberg, S. 87 ff.; kritisch Haedicke/Timmann/Kamlah, § 10 Rn. 25; Reetz/Pecnard/Fruscalzo/van der Velden/Marfé, GRUR Int. 2015, 210, 211 f.; Eisenkolb, GRUR 2007, 387, 392; vgl. BGH GRUR 2016, 1031 Rn. 49 ff. – Wärmetauscher; Gärtner, GRUR 2016, 1037, 1038. 143 EuGH Urt. v. 16. 2. 2012, C-360/10 Rn. 46 – SABAM/Netlog = ECLI:EU:C:2012:85 = GRUR 2012, 382; EuGH Urt. v. 24. 11. 2011, C-70/10 Rn. 48 – Scarlet/SABAM = ECLI:EU:C:2011:771 = GRUR 2012, 265. 144 Fischman Afori, IIC 2014, 889 ff. (“Proportionality – A New Mega Standard in European Copyright Law”).
III. Flexibilität bei der Rechtsdurchsetzung
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Afori arbeitet heraus, dass hierbei nicht nur die Trennung von Rechten und Rechtsbehelfen eine entscheidende Rolle spielt (dazu o. § 3 II), sondern gerade die Rechtsdurchsetzung eine Stellschraube für den (nicht nur) im Urheberrecht notwendigen Interessenausgleich biete.145 So stellt sie fest: “The proportionality test was introduced into copyright law through the framework of remedies.”146
Auch wenn sich gleichzeitig Stimmen finden, die namentlich der EnforcementRL keinen allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entnehmen wollen,147 wird im Folgenden gezeigt, dass im Unionsrecht ein Bewusstsein dafür besteht, dass Unionsrecht differenziert durchgesetzt werden kann. Besonders deutlich wird dies mit Blick auf Regelungen zum Unterlassungsanspruch im Recht des Geistigen Eigentums und im Wettbewerbsrecht (1.). Aber auch Naturalerfüllung ist im Vertragsrecht nicht ohne Weiteres verfügbar; zumindest kann diese Rechtsfolge unter Umständen ausgeschlossen sein (2.). Schadensersatz kann hingegen regelmäßig beansprucht werden (3.).
1. Differenzierte Betrachtung der Rechtsfolge Unterlassen Der Gedanke, dass Rechte unterschiedlich verwirklicht werden können, ist vor allem bei Unterlassungsanordnungen anzutreffen. Diese „können“ gewährt werden. Sie stehen regelmäßig unter dem Vorbehalt der Angemessenheit oder sind durch Entschädigungszahlungen ablösbar. So findet sich in Art. 12 der Enforcement-RL eine eigenständige Regelung, unter welchen Voraussetzungen Unterlassungsansprüche ersetzbar sind.148 Art. 11 Enforcement-RL soll gerade nicht regeln, dass eine Unterlassungsverfügung in jedem Fall zu 145
Zu diesem Gedanken näher u. § 5 I 4 d). Fischman Afori, IIC 2014, 889, 890, 892, 899, 900, 903, 909, 911. 147 Reetz/Pecnard/Fruscalzo/van der Velden/Marfé, GRUR Int. 2015, 210 ff., 216 ff.; Haedicke/Timmann/Kamlah, § 10 Rn. 25; zur Begründung wird auf Erwägungsgrund 24 und Art. 3 II a. E. Enforcement-RL verwiesen; daraus soll sich insbesondere nur eine Missbrauchsgrenze, aber eben kein weitergehender Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben; auch Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 793 ff., sieht den Missbrauch als Oberbegriff; umstritten ist natürlich die Reichweite der Fallgruppen, vgl. LG Düsseldorf Urt. v. 24. 4. 2012, Az. 4 b O 273/10 = BeckRS 2012, 09682; OLG Karlsruhe GRUR 2010, 120 – Patentverwertungsgesellschaft; nicht ohne Grund wird allerdings die fehlende Rechtssicherheit kritisiert, vgl. Grosch auf der Tagung des Interdisziplinären Zentrums für Geistiges Eigentum: European Patent Package2 – Das deutsche (Patent-)Recht als Infrastruktur für das neue Unionspatent (vgl. Tagungsbericht von Bernzen/Tochtermann GRUR 2014, 457, 458 f.); zur Verhältnismäßigkeit des Erfüllungsanspruchs mit Blick auf Vereinheitlichungswerke Riehm, S. 509 ff. 148 Im deutschen Recht wird in diesem Sinne über § 100 UrhG davon Gebrauch gemacht, BT-Ds. 16/5048, S. 49, zu § 100; Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 796 f.; ders., IP Enforcement, S. 257, 259; vgl. Reetz/Pecnard/Fruscalzo/Von der Velden/Marfé, GRUR Int. 2015, 210, 211; Sonnenberg, S. 83; Amschewitz; S. 295, der sich für eine Anwendung auch im Patentrecht ausspricht. 146
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§ 3 Das unionsrechtliche Rechtsfolgensystem
gewähren ist, solange das Institut „Unterlassungsverfügung“ im nationalen Recht überhaupt vorgesehen ist.149 In Art. 89 GGV und ähnlich in Art. 102 UMV steht eine Unterlassungsanordnung unter dem Vorbehalt, dass „dem nicht gute [beziehungsweise „besondere“] Gründe entgegenstehen.“ Dabei geht es nicht um den Ausschluss einer Unterlassungsanordnung aus rechtlichen Gründen, sondern aufgrund von im Einzelfall gegebenen Umständen tatsächlicher Art.150 Im Übereinkommen zum Einheitlichen Patentgericht steht in Art. 63, dass das Gericht eine Unterlassungsverfügung erlassen „kann“.151 Nach Art. 11 II der UGP-Richtlinie sind namentlich Gerichte befugt, die Einstellung der unlauteren Geschäftspraxis anzuordnen, „in Fällen, in denen sie diese Maßnahmen unter Berücksichtigung aller betroffenen Interessen und insbesondere des öffentlichen Interesses für erforderlich halten.“ Auch die Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung152 differenziert mit Blick auf die verfügbaren Rechtsbehelfe: Eine Rechtsverletzung löst nicht automatisch einen entsprechenden Unterlassungsanspruch aus (vgl. Art. 12: „können“). In Art. 13 werden ausdrücklich Faktoren aufgezählt, die in die Abwägung, ob eine Unterlassungsverfügung angeordnet werden soll oder nicht, einzustellen sind. So soll es auf den Wert des Geschäftsgeheimnisses, zum Schutz des Geschäftsgeheimnisses getroffener Maßnahmen, das Verhalten des Rechtsverletzers bei Erwerb, Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses, Folgen der rechtswidrigen Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses, die legitimen Interessen der Parteien und die Auswirkungen, die die Genehmigung oder Ablehnung der Maßnahmen für die Parteien haben können, legitime Interessen Dritter, das öffentliche Interesse und den Schutz von Grundrechten ankommen. In Art. 13 I der Richtlinie wird zudem ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen, eine Unterlassungsanordnung zeitlich zu begrenzen. All dies erinnert an eine Kodifikation von Grundsätzen der equity.153 Und in Art. 13 III der Geschäftsgeheimnis-RL findet sich ein weiteres aus dem anglo-amerikanischen System bekanntes Element: damages in lieu of an injunction.154 Selbst – beziehungsweise genauer: gerade – wenn der Rechtsverletzer schuldlos gehandelt hat, kann der Geschädigte lediglich eine Entschädigung („Zahlung 149 Vgl.
v. Mühlendahl, IIC 2007, 377; Sonnenberg, S. 92 f. Urt. v. 13. 2. 2014, C-479/12 Rn. 48 – Gautzsch Großhandel/MBM Joseph Duna = ECLI:EU:C:2014:75 = GRUR 2014, 368; EuGH Urt. v. 14. 12. 2006, C-316/05 Rn. 38 – Nokia = ECLI:EU:C:2006:789 = GRUR 2007, 228; vgl. Zwanzger, S. 190 ff. 151 Vgl. Nieder, GRUR Int. 2014, 1033, 1034; in der Literatur wird bestritten, ob diese Bestimmung im Anwendungsbereich von Art. 83 EPGÜ auch von nationalen Gerichten anzuwenden ist, vgl. Schröer, GRUR Int. 2013, 1102, 1108 f. 152 RL (EU) 2016/943. 153 Dazu o. § 1 III 1 a). 154 Vgl. zum englischen Recht HTC Corp. v. Nokia Corp. [2013] EWHC 3778. 150 EuGH
III. Flexibilität bei der Rechtsdurchsetzung
109
eines finanziellen Ausgleichs“) verlangen. Diese ist auf die Höhe einer einfachen Lizenzgebühr gedeckelt (Art. 13 III S. 2). Der Unterlassungsanspruch kann im Ergebnis unter bestimmten Voraussetzungen abgelöst werden. Die Markenrechtsrichtlinie wiederum sieht selbst keine Sanktionen für Rechtsverletzungen vor. Auch wenn es regelmäßig interessengerecht sein wird, eine Rechtsverletzung durch einen „Unterlassungsanspruch“ zu sanktionieren, lesen sich diesbezügliche Ausführungen des Gerichts nicht als Regel ohne Ausnahme. So sagt der EuGH: „[…] dass es, wenn das zuständige Gericht feststellt, dass das betreffende Zeichen zu dem Zeitpunkt, zu dem seine Benutzung begann, die Marke verletzte, Sache dieses Gerichts ist, die Maßnahmen zu ergreifen, die nach den Umständen des Einzelfalls am geeignetsten sind, das Recht des Markeninhabers aus Art. 5 I der Richtlinie 89/104 zu gewährleisten, wobei diese Maßnahmen insbesondere die Anordnung einschließen können, die Benutzung des betreffenden Zeichens zu unterlassen.“155
Im gemeinsamen Referenzrahmen liefert Art. VI.-6:301 ein ähnliches Beispiel. Mit Blick auf das “right to prevention” besteht Subsidiarität gegenüber dem Schadensersatzanspruch.156 Nach Art. VI.-6:301 DCFR erhält der „Anspruchsteller“ das “right to prevention” nur, soweit Schadensersatz nicht ausreichend ist (“reparation would not be an adequate alternative remedy”).157 Der Abwehranspruch muss sich also am Verhältnis zu Alternativmaßnahmen messen lassen. Auch hat der Unterlassungsanspruch “reasonable” zu sein. Es gilt das Kriterium der Zumutbarkeit.158 Auch die Rechtsfolgen einer Diskriminierung haben nach Art. II.-2:104 II DCFR verhältnismäßig zu sein (“Any remedy granted should be proportionate to the injury or anticipated injury”). Schließlich ist es konsequent, wenn im deutschen Arbeitsrecht für diverse Pflichtverletzungen des Arbeitgebers nach verbreiteter Meinung kein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gewährt wird.159 Dies ist kein Verstoß gegen das Unionsrecht, das ja gerade fordert, dass Sanktionen angemessen etc. zu sein haben.160 Auch bei Unterlassungsanordnungen gegen Mittelspersonen geht es in der Sache um differenzierte Rechtsdurchsetzung. Im Ergebnis sollen zum Zwecke effektiver Rechtsdurchsetzung Intermediäre „haftbar“ gemacht werden. Dies soll allerdings nicht ausnahmslos gelten, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen beziehungsweise mit diversen Einschränkungen. Das Unionsrecht fragt dabei – wie gesehen – im Ansatz nicht nach einer „deliktischen“ Verantwortlichkeit, sondern konzentriert sich auf die Frage, unter 155 EuGH Urt. v. 2. 4. 2006, C-145/05 Rn. 23 ff., 25 – Levi Strauss/Casucci = ECLI:EU:C: 2006:264 = GRUR 2006, 495. 156 Wagner, Festschrift Medicus, S. 589, 610. 157 Wagner, Deliktsrecht, S. 161 ff.; sehr kritisch Picker, Prävention, S. 61, 65. 158 Wagner, Festschrift Medicus, S. 589, 610. 159 Dazu u. § 5 IV 3 a) und § 5 IV 4 b). 160 Lipinski/Reinhardt, NZA 2009, 1184, 1187 f.
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§ 3 Das unionsrechtliche Rechtsfolgensystem
welchen Voraussetzungen eine Mittelsperson zu bestimmten Maßnahmen verpflichtet werden kann. Orientierung bietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.161 Anders ist – wie gesehen – der Ausgangspunkt im deutschen Recht: Es wird nach einer deliktischen Verantwortlichkeit im weiteren Sinne gesucht. Diese wird zwar nur unter einschränkenden Voraussetzungen angenommen. Steht sie aber fest, ist die Rechtsfolgenanordnung in Form eines Unterlassungsanspruchs zwingend.162 In der Literatur wird aus diesen und ähnlichen Vorschriften der Schluss gezogen, dass insbesondere der Erlass einer Unterlassungsanordnung im Ermessen des Gerichts steht.163 Andere stehen einem „Entschließungsermessen“ des Gerichts trotz des Wortlautes („kann“; englische Sprachfassung: “may” statt “shall”) skeptisch gegenüber.164 Ermessen ist in Deutschland vor allem im Verwaltungsrecht anzutreffen. So heißt es in Art. 40 BayVwVfG, dass die Ermächtigung einer Behörde nach ihrem Ermessen zu handeln verlangt, dass sie „ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten“ hat. Die Behörde kann also innerhalb bestimmter Grenzen entscheiden, welche Anordnung sie treffen möchte.165 Das Zivilrecht ist demgegenüber eher mit Interessenabwägungen vertraut.166 Auch im Unionsrecht scheint es weniger um freie Zweckmäßigkeitserwägungen zu gehen in dem Sinne, dass das Gericht unter mehreren „richtigen“ Entscheidungsmöglichkeiten eine frei auswählt. Vielmehr kommt es zu umfassenden Interessenabwägungen, deren Ausgang durch Regeln beziehungsweise Präjudizien vorgezeichnet ist.167 Eine Argumentation damit, dass Ausschließlichkeitsrechte nicht auf Basis von „ermessensfehlerfreie[n] Ent161 J. B. Nordemann, 59 Journal of the Copyright Society of the USA (2011/12), 773, 787 f.; EuGH Urt. v. 27. 3. 2014, C-314/12 Rn. 45, 53 – UPC Telekabel/Constantin Film = ECLI:EU:C:2014:192 = GRUR 2014, 468 (von der Haftung zu „befreien“); ausführlich m. w. N. o. § 3 I 1. 162 Dazu o. § 3 I; zur Rolle von Haftungsprivilegien nach 7 ff. TMG Ohly, ZUM 2015, 308, 309 ff. 163 Schröer, GRUR Int. 2013, 1102, 1107, 1108; vgl. auch Regel 118.1 EPGVerfO-E. 17: “In addition to the orders and measures and without perjudice to the discretion of the Court as laid down in Articles 63, 64, 66, 67 and 80 of the Agreement […]”. 164 Reetz/Pecnard/Fruscalzo/van der Velden/Marfé, GRUR Int. 2015, 210, 216 ff., argumentieren mit der Enforcement-RL, fehlenden Hinweisen im Rahmen der Entstehungsgeschichte und dem Regelungszweck. Der Wortlaut „kann“/“may” wird im Sinne “shall have the authority”, also als Kompetenzermächtigung verstanden; vgl. Haedicke/Timmann/ Kamlah, § 10 Rn. 25. 165 Vgl. nur Maurer, § 7. 166 Vgl. o. § 1 III und u. § 5 I 3 sowie u. § 7 VI 4 und u. § 11 II. 167 Vgl. auch Zwanzger, S. 87 f., 200 f.; Nieder, GRUR Int. 2014, 1033, 1034 (Fn. 10); Art. 63 EPGÜ soll nur für materiellrechtliche Beschränkungen des Unterlassungsanspruchs aus Treu und Glauben wie aus kartellrechtlichen Erwägungen heraus Raum lassen; ders, GRUR 2014, 627, 633.
III. Flexibilität bei der Rechtsdurchsetzung
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scheidung[en]“ durchgesetzt werden dürften, sondern Art. 25, 26 EPGÜ „subjektivrechtliche Verletzungsansprüche“ gewähre und Art. 63 EPGÜ als bloße an das Patentgericht adressierte Verfahrensvorschrift zu verstehen sei,168 führt aber ebenfalls an der Problematik vorbei. Es ist vielmehr ein zentraler Gedanke des Unionsrechts, dass selbst Ausschließlichkeitsrechte nicht zwingend durch „Unterlassungsverfügungen“ zu verwirklichen sind,169 auch wenn nach dem EuGH die „besonderen Gründe“ beispielsweise in Art. 102 UMV beziehungsweise Art. 89 GGV Ausnahmefälle sind.170 Eine geringe Wahrscheinlichkeit einer Wiederholungsgefahr soll dabei ebenso wenig ausreichend sein, um den Unterlassungsanspruch zu versagen, wie paralleler Schutz durch das nationale Strafrecht.171 Dennoch ist zu beobachten, dass insbesondere Unterlassungsverfügungen unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit stehen.172 Selbst jene, die einem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz skeptisch gegenüberstehen, erkennen eine Missbrauchsgrenze an.173 Konkret sollen überdies die Vorgaben aus Art. 3 II Enforcement-RL, wenn auch nicht über eine Beschränkung des materiellen Unterlassungsanspruchs, so doch über prozessuale Institute wie beispielsweise den Vollstreckungsschutz oder Vollstreckungssicherheitsleistungen, verwirklicht werden.174 Zu erwähnen bleiben „Schrankenregelungen“ bei Ausschließlichkeitsrechten. Diese sind nicht im Rahmen der Enforcement-RL geregelt, sondern erscheinen wie im deutschen Recht als Schutzbereichsbegrenzungen (vgl. Art. 5 Info-Soc-RL „Ausnahmen und Beschränkungen“).175
2. Differenzierte Betrachtung des Naturalerfüllungsanspruchs Schließlich findet sich der Gedanke differenzierter Rechtsdurchsetzung im „europäischen Vertragsrecht“.176 Namentlich die Möglichkeit zur Natural168
Vgl. aber Schröer, GRUR Int. 2013, 1102, 1109. v. Mühlendahl, IIC 2007, 377 ff. 170 EuGH Urt. v. 14. 12. 2006, C-316/05 Rn. 28, 30 – Nokia = ECLI:EU:C:2006:789 = GRUR 2007, 228. 171 EuGH Urt. v. 14. 12. 2006, C-316/05 Rn. 38 – Nokia = ECLI:EU:C:2006:789 = GRUR 2007, 228; Reetz/Pecnard/Fruscalzo/van der Velden/Marfé, GRUR Int. 2015, 210, 218 f., wollen nur die ausdrücklich im EPGÜ niedergelegten Gegenrechte als Ausnahmen vom unbedingten Unterlassungsanspruch anerkennen. 172 Bereits o. § 3 III am Anfang; gegen einen allgemeinen Verhältnismäßigkeitsvorbehalt aus der Enforcement-RL bzw. dem EPGÜ aber Reetz/Pecnard/Fruscalzo/van der Velden/ Marfé, GRUR Int. 2015, 210, 218; vgl. wiederum den Entwurf der Regel 118.2. EPGÜV-E. 16. Dieser wurde allerdings nicht weiterverfolgt. 173 Reetz/Pecnard/Fruscalzo/van der Velden/Marfé, GRUR Int. 2015, 210, 211 f. 174 Reetz/Pecnard/Fruscalzo/van der Velden/Marfé, GRUR Int. 2015, 210, 212. 175 Zur Rechtslage im Anspruchssystem o. § 2 III 2 b). 176 Kein grundsätzlicher Vorrang der Naturalerfüllung (“The DCFR does not accept a general hierarchy of remedies”), Schmidt-Kessel, Specific Performance, S. 69, 85. 169
112
§ 3 Das unionsrechtliche Rechtsfolgensystem
erfüllung ist zwar grundsätzlich vorgesehen.177 Allerdings kann diese versagt werden, wenn sie beispielsweise unverhältnismäßig wäre. Eine entsprechende Regelung findet sich etwa im Entwurf für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht.178 Nach Art. 110 Nr. 3 b) GEK-E kann Erfüllung nicht verlangt werden, wenn diese im Vergleich zu dem Vorteil, den der Käufer dadurch erlangen würde, unverhältnismäßig aufwändig oder kostspielig wäre.179 Zum Vergleich: § 275 II BGB stellt auf ein „grobes Missverhältnis“ ab.180 Auch im Draft Common Frame of Reference findet sich ein entsprechender Vorbehalt. So heißt es in Art. III.-3.302 III DCFR: “Specific performance cannot, however, be enforced, where: […] b) performance would be unreasonably burdensome or expensive.”
Art. 9:102 Abs. 1 PECL wiederum liest sich ähnlich: “Specific performance cannot, however, be obtained where: […] (b) performance would cause the obligor unreasonable effort or expense; or (c) the performance consists in the provision of services or work of a personal character or depends upon a personal relationship, or (d) the aggrieved party may reasonably obtain performance from another source.”181
Einerseits wird mit Blick auf diese Regelungen betont, dass namentlich der Naturalerfüllungsanspruch anders als im anglo-amerikanischen Rechtskreis nicht im „Ermessen” eines Richters liege.182 Andererseits wird an den zahlreichen Einschränkungen dieses Anspruchs moniert, dass dies „vom praktischen Effekt her gesehen“ eine „weitgehende Aufhebung“ bedeute.183 In der Sache soll daher nicht zuletzt wegen der gebrauchten unbestimmten Tatbestandsmerkmale doch „eine Art Ermessensspielraum“ bestehen.184 Richtigerweise geht es aber nicht um „Ermessen“, sondern um materiellrechtliche determinierte185 Interessenabwägungen, die gegebenenfalls in Präjudizien herausgearbeiteten und konkretisierten Regeln folgen. Darauf wurde bereits eingegangen. 177 Atamer, Festschrift Hopt, S. 3, 9 f.; vgl. Albers, ZEuP 2012, 687, 693 ff.; Riehm, S. 465 und S. 219, macht eine Naturalerfüllungspflicht im Sinne eines gedachten Sollens als gemeinsame Grundüberzeugung aus. 178 Zum Schicksal des GEK s. o. Fn. 78. 179 Vgl. Mansel, WM 2012, 1309, 1319. 180 Mansel, WM 2012, 1309, 1319. 181 Vgl. zum „Vorrang des Deckungsgeschäftes“ (Art. 9:102 Abs. 2 lit. d PECL), das augenscheinlich vom anglo-amerikanischen „adequacy-Test“ beeinflusst ist, Riehm, S. 469 ff. 182 Vgl. Riehm, S. 466; U. Huber, ZEuP 2008, 708, 714 ff., 744; Atamer, Festschrift Hopt, S. 3, 10; M. Stürner, E. R. P. L. (2011), 167, 182; Schmidt-Kessel, Specific Performance, S. 69, 75, 79; vgl. Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann, 28 O. J. L. S. (2008), 659, 676 f.; vgl. aber Lobinger, S. 130. 183 U. Huber, ZEuP 2008, 708, 744. 184 Riehm, S. 466; Schmidt-Kessel, Specific performance, S. 69, 75. 185 Vgl. Atamer, Festschrift Hopt, S. 3, 10 f.
IV. Fazit
113
3. Rechtsfolge Schadensersatz Schadensersatz kann demgegenüber regelmäßig beansprucht werden. Soweit das Unionsrecht Rechtsfolgen harmonisiert hat, ist der Rechtsbehelf Schadensersatz zugunsten des Gläubigers (im Falle von Verschulden) meist ohne Weiteres verfügbar. Exemplarisch regelt Art. 13 der Enforcement-RL, dass bei einer Immaterialgüterrechtsverletzung, bei welcher der Verletzer wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass er eine Verletzungshandlung begeht, dieser dem Berechtigten den entstandenen Schaden auszugleichen hat.186 Die Möglichkeit zur Festsetzung von Pauschalbeträgen wie zum Beispiel in Art. 14 II der Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-Hows und vertraulicher Geschäftsinformationen ist nicht als Modifizierung zu verstehen, sondern als Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes im Falle von Berechnungsschwierigkeiten. Gewinnherausgabe ist ebenfalls nicht als eigenständige Rechtsfolge konzipiert. In der Sache kann eine Herausgabe von Gewinnen mittels der Schadensberechnung gewährt werden.187 Im europäischen Kartellrecht findet sich zwar keine Regelung zur Sanktionierung eines Kartellrechtsverstoßes mittels Schadensersatz. Dennoch hat der EuGH entschieden, dass die volle Wirksamkeit von Kartellverboten beeinträchtigt wäre, wenn nicht jedermann Ersatz des Schadens verlangen könnte, der ihm durch einen Vertrag, der den Wettbewerb beschränken oder verfälschen kann, entstanden ist.188 Ausnahmen sind allenfalls nach den allgemeinen Regeln, wie dem Mitverschulden oder dem Bereicherungsverbot, denkbar.189 Im Vertragsrecht ist Schadensersatz ebenfalls regelmäßig verfügbar.
IV. Fazit Wenn auch eine Analyse unionsrechtlicher Rechtsfolgenregelungen vor allem mangels anderweitigen aussagekräftigen Anschauungsmaterials vornehmlich im Recht des Geistigen Eigentums und im Vertragsrecht (einschließlich akademischer Entwürfe) durchgeführt wurde, lässt sich dennoch nicht zuletzt mit Blick auf die Vorreiterrolle des Rechts des Geistigen Eigentums bei der Entwicklung eines europäischen Privatrechts190 festhalten: Das Recht der 186
Ähnlich Art. 14 RL (EU) 2016/943. Stieper, WRP 2010, 624 ff. 188 EuGH Urt. v. 20. 9. 2001, C-453/99 Rn. 26 – Courage/Crehan = ECLI:EU:C:2001:465 = GRUR 2002, 367. 189 EuGH Urt. v. 20. 9. 2001, C-453/99 Rn. 30 ff. – Courage/Crehan = ECLI:EU:C:2001:465 = GRUR 2002, 367. 190 Dies gilt auch für das Verfahrensrecht, vgl. Janal, S. 3 („Das Sachgebiet des Gewerblichen Rechtsschutzes eignet sich aufgrund seiner Vorreiterstellung in besonderem Maße zur Untersuchung der Materie.“). 187 Dazu
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§ 3 Das unionsrechtliche Rechtsfolgensystem
Rechtsfolgen bildet im Unionsrecht einen eigenen Regelungskomplex. Man kann von einem eigenen „Recht der Rechtsbehelfe“ sprechen. Rechtsfolgen sind im Unionsrecht getrennt von den vorausliegenden materiellen Rechten (im engeren Sinne) normiert. Ob und gegebenenfalls welcher Rechtsbehelf im Verletzungsfalle greift, ist – soweit das Unionsrecht Durchsetzungsvorschriften vorhält – eigenständig geregelt. Es wird nicht in Ansprüchen „gedacht“, sondern in Rechten einerseits und Sanktionen, Abhilfen etc. zu deren Durchsetzung andererseits. Anders als das deutsche Recht basiert das Unionsrecht ähnlich wie das „remedy-System“ auf einer Zweierstruktur: Auf der ersten Stufe finden sich die materiellen Rechte im engeren Sinne; Durchsetzungsmöglichkeiten stehen auf einer davon zu unterscheidenden zweiten Stufe. Rechtsfolgenanordnungen in unionsrechtlichen Rechtsakten (bisweilen in Gestalt gerichtlicher Anordnungen) dürfen dabei nicht mit Ansprüchen im Sinne von § 194 I BGB gleichgesetzt werden. Dass diese Durchsetzungsmöglichkeiten vielfach, wenn auch nicht ausnahmslos, prozessual formuliert sind, bedeutet gleichwohl nicht, dass Rechtsfolgen ausschließlich prozessualer Natur sind. Erstens geben gerade Richtlinien nur Umsetzungsziele vor und lassen bei der dogmatischen Umsetzung bewusst Spielraum.191 Vorgaben zu Sanktionen können daher durchaus als materiellrechtliche Ansprüche umgesetzt werden. Aber auch wenn Rechtsfolgen wie in Verordnungen ausdrücklich geregelt sind, lehrt zweitens ein Blick ins „remedy-System“, dass eine „Verrechtlichung“ von Rechtsfolgen (“remedies are rights”)192 durchaus möglich ist. In gleicher Weise belegen die Entwicklungen im Anspruchssystem, dass zunächst prozessual gedachte Regelungen (insbesondere zur Rechtsfolge Unterlassen) materiellrechtlich interpretierbar sind.193 Drittens – und dies ist entscheidend – sind selbst prozessual formulierte gerichtliche Rechtsfolgenanordnungen materiellrechtlich determiniert. Wann beispielsweise ein markenrechtlicher Unterlassungsanspruch gewährt werden muss oder umgekehrt die Erfüllung eines Vertrags nicht über die Rechtsfolge „Leistung in Natur“ verlangt werden kann, muss das Markenrecht beziehungsweise das Vertragsrecht selbst klären. Die einschlägigen Wertungskriterien finden sich nicht in einem zentralisierten Prozessrecht, sondern in den genannten Rechtsgebieten. Dass die konkrete Rechtsfolge teils unter dem Vorbehalt gerichtlicher Anordnung steht, bedeutet wegen dieser Argumente nicht, dass der Gläubiger kein entsprechendes „Rechtsfolgenrecht“ hat.194 Der Inhaber eines Immaterialgüterrechts hat durchaus ein Recht, von einem Rechtsverletzer verlangen zu 191 Vgl.
Janal, S. 55. Dazu bereits o. § 1 III 2. 193 Dazu o. § 2 I 3 und 2; s. a. u. § 9 III, IV; dazu im Zusammenhang mit Art. 63 EPGÜ Schröer, GRUR Int. 2013, 1102, 1108 (Fn. 31); s. a. Ruhl, Art. 89 Rn. 2 (Fn. 1). 194 Für den Auskunftsanspruch Fromm/Nordemann/Czychowski, § 101 Rn. 55. 192
IV. Fazit
115
können, dass dieser die rechtsverletzende Tätigkeit einstellt.195 Oder abstrakter: Der gerichtlichen Anordnung kann durchweg ein entsprechendes materielles Recht vorausliegen. Freilich ist das Unionsrecht stärker als das deutsche Recht für das Zusammenspiel unterschiedlicher Rechtsfolgen sensibilisiert. Namentlich Unterlassungsanordnungen werden nicht ohne Weiteres gewährt. Ob der Gläubiger ein „Recht“ auf eine bestimmte Rechtsfolge hat, wird dadurch dennoch nicht in Frage gestellt. Wie die vergleichbare Diskussion zum „remedy-System“ gezeigt hat (o. § 1 III 2),196 lassen sich die Normen, die Rechtsfolgen vermeintlich in das Ermessen des Gerichts stellen, als Regelungen deuten, die eine Rechtsfolge unter den Vorbehalt einer Interessenabwägung stellen. Diese wiederum ist durch die Wertungen des einschlägigen Rechtsgebiets vorgezeichnet. Für die Anschlussfähigkeit des deutschen Anspruchssystems kann damit festgehalten werden, dass die materiellrechtliche Ausgestaltung von Ansprüchen im Sinne des § 194 BGB durchaus exportfähig ist. Zweifel, wonach die in der deutschen Zivilrechtsdogmatik vorzufindende Unterscheidung zwischen materiellrechtlichen Ansprüchen und der prozessualen Durchsetzung international möglicherweise nicht durchsetzungsfähig ist,197 wiegen weniger schwer. Es erscheint nicht fernliegend, auch im Unionsrecht das Recht der Rechtsfolgen materiellrechtlich zu interpretieren. Festzuhalten ist aber auch, dass „Rechtsfolgenanordnungen“ oder eben das „Recht der Rechtsbehelfe“ kategorial von den vorausliegenden Rechten zu unterscheiden ist. Die Anschlussfähigkeit des Anspruchssystems ist insoweit fraglich. Auch wird durch die fehlende Trennung von Rechten und Rechtsfolgen im Anspruchssystem die Diskussion verschleiert, dass nicht jede Rechtsfolge in jedem Einzelfall die richtige sein muss. Zumindest gibt das Unionsrecht vielfach vor, dass eine grundsätzlich verfügbare Rechtsfolge im Einzelfall nicht gewährt werden darf. Diese Aspekte werden bei der Entwicklung eines Rechtsbehelfssystems (u. § 5) aufzugreifen sein.
195 Vgl. zu Art. 63 EPGÜ Tilmann, zitiert nach Schröer, GRUR Int. 2013, 1102, 1108 (Fn. 29). 196 Vgl. auch van Kogelenberg, E. R. P. L. (2009), 599, 606, zu Art. 9:102 PECL: Besteht ein right to specific performance?; vgl. zudem Kappus, Jura 1990, 126, 132. 197 Schröer, GRUR Int. 2013, 1102, 1108 (Fn. 31).
§ 4 Völkerrechtliche Rechtsfolgensysteme Die Ausgestaltung des unionsrechtlichen Rechtsfolgensystems ist kein Zufall, sondern durch das Völkerrecht bedingt. Namentlich Regelungen beziehungsweise Regelungsvorschläge zum Kaufrecht im Unionsrecht sind durch das Völkerrecht beeinflusst.1 Vor allem auch das sogleich kurz zu besprechende TRIPS-Abkommen hat (logischerweise) deutliche Spuren im Unionsimmaterialgüterrecht hinterlassen. Anders als das Anspruchssystem orientiert sich das Unionsrecht an der Struktur der völkerrechtlichen Rechtsfolgensystematik. Während Rechtsfolgenregelungen im Unionsrecht wegen deren detaillierteren Ausgestaltung vorab besprochen wurden, bedarf es nun zumindest eines kurzen Blicks auf die Ausgestaltung einzelner Rechtsfolgen im Völkerrecht (I.), einer kurzen Vergewisserung, dass auch in völkerrechtlichen Verträgen vielfach Rechte und Regeln zu deren Durchsetzung unterschieden werden (II.), und einer knappen Überprüfung, dass Rechtsfolgen unter bestimmten Umständen in Einzelfällen nicht zur Verfügung stehen (III.).
I. Strukturen von Rechtsfolgen in völkerrechtlichen Verträgen Konkrete Regelungen zu Rechtsfolgen sind in völkerrechtlichen Verträgen weniger oft anzutreffen. Auch hier lag der Schwerpunkt lange nur auf der (Mindest-)Harmonisierung materieller Rechte im engeren Sinne.2 Insbesondere im Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des Geistigen Eigentums (TRIPS-Übereinkommen) finden sich aber Vorgaben für Rechtsfolgen infolge von Immaterialgüterrechtsverletzungen. Teil III des Abkommens ist der Rechtsdurchsetzung gewidmet. Art. 44 TRIPS, der „Unterlassungsanordnungen“ regelt, ist ebenso wie beispielsweise die Regelung des Art. 45 TRIPS zum Schadensersatz prozessual formuliert („Gerichte sind befugt anzuordnen“; englische Sprachfassung: “judicial authorities shall have the authority to order”). Der Regelungsmechanismus spiegelt die Aus1 Riehm, S. 449; Schlechtriem, 10 Juridica International 2005, 27, 28 ff.; Basedow, Festschrift Georgiades, S. 801, 805, 817 f.; U. Huber, ZEuP 2008, 708 f. 2 Vgl. Dreier, GRUR Int. 1996, 205 f.; vgl. ders., TRIPS, S. 248 ff.; Drexl, Festschrift Beier, S. 593 ff.; zu den Standards der (verfahrensrechtlichen) Rechtsdurchsetzung nach TRIPS Krieger, GRUR Int. 1997, 421 ff.
I. Strukturen von Rechtsfolgen in völkerrechtlichen Verträgen
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gestaltung von Rechtsfolgen als „gerichtliche Anordnungen“ im Unionsrecht. Oder präziser: Das Unionsrecht erweist sich in seiner Systematik als völkerrechtskonform. Die Rede ist auch hier nicht von Ansprüchen, sondern von Anordnungen. Rechtsfolgenregelungen lassen sich von den Regelungen zu den Schutzrechten selbst abgrenzen.3 Weniger deutlich tritt der prozessuale Charakter von „Käuferrechten“ im UN-Kaufrecht (Convention on the International Sale of Goods – CISG) hervor.4 Liest man Art. 46 CISG (“The buyer may require performance by the seller of his obligation”) könnte man meinen, dass hier ein „Anspruch auf Naturalerfüllung“ geregelt ist. Art. 46 CISG soll nach bisweilen vertretener Ansicht eine entsprechende „Anspruchsgrundlage“ vorhalten.5 Die Rede ist vom „Rechtsbehelf des Erfüllungsanspruchs“.6 Die Norm muss aber in Zusammenhang mit Art. 28 CISG gelesen werden. Dort heißt es: “If, in accordance with the provisions of this Convention, one party is entitled to require performance of any obligation by the other party, a court is not bound to enter a judgement for specific performance unless the court would do so under its own law in respect of similar contracts of sale not governed by this Convention.”
Dass ein augenscheinlich materielles Recht auf Erfüllung prozessual modifiziert wird, also der Erfüllungsanspruch nicht ohne Weiteres gerichtlich durchsetzbar ist,7 ist den unterschiedlichen Vorstellungen des common law und namentlich des deutschen Rechts geschuldet.8 Dies zeigt, dass nicht vorbehaltslos von Ansprüchen im Sinne des BGB ausgegangen werden kann. Ansprüche sind hierzulande als eigenständige subjektive Rechte ausgestaltet und damit ohne Weiteres klagbar.9 Abweichend das UN-Kaufrecht: Die Regelung in Art. 30 CISG (“The seller must deliver the goods”) ist anders als die vergleichbare Regelung des § 433 I S. 1 BGB im deutschen Kaufrecht („Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet“) nicht ausreichend, um den „Erfüllungsanspruch“ zu beschreiben. Im UN-Kaufrecht bedarf es 3 Vgl. Fischman Afori, IIC 2014, 889, 893, mit Blick auf völkerrechtliche Urheberrechtsregelungen (“[t]he underlying ideology is that remedies are not classified as part of the substantive law”). 4 Zum Erfüllungsanspruch im UN-Kaufrecht Vahle, ZVglRWiss 1999, 54 ff. 5 MünchKomm/P. Huber, CISG, Art. 46 Rn. 1 ff., Rn. 4; vgl. Schlechtriem/Schwenzer/ Müller-Chen, Art. 46 Rn. 1 ff.; für einen materiellrechtlichen Anspruch auf Naturalerfüllung U. Huber, Rechtsbehelfe, S. 199, 203. 6 Vahle, ZVglRWiss 1999, 54, 56. 7 MünchKomm/P. Huber, CISG, Art. 46 Rn. 2; Riehm, S. 450 (Anspruch ggf. nicht „klagbar“); Art. 28 CISG soll nur der prozessualen Durchsetzung entgegenstehen, der Anspruch selbst soll bestehen bleiben, MünchKomm/Gruber, CISG, Art. 28 Rn. 15. 8 Vgl. Riehm, S. 450; die praktische Bedeutung der Norm sei gering, P. Huber, RabelsZ 2007, 13, 15; Basedow, Festschrift Georgiades, S. 801, 811 f. 9 Vgl. nur Vahle, ZVglRWiss 1999, 54, 62; Schmidt-Kessel, Specific Performance, S. 69, 84 („einheitliches Forderungsrecht“); ausführlich o. § 2 II.
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§ 4 Völkerrechtliche Rechtsfolgensysteme
zusätzlich einer eigenständigen Rechtsfolgenbestimmung (Art. 46 CISG). Diese wiederum ist zwar wie gesehen materiellrechtlich konzipiert, aber eben prozessual modifiziert (Art. 28 CISG). Völlig ohne prozessualen Anklang kommen demgegenüber die UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts aus. Art. 7.2.2. UNIDROIT Principles 2010 gewährt ein Recht auf Erfüllung – unabhängig von richterlichem Ermessen. Wenn es in den Erläuterungen heißt “a court must order specific performance”10 wird freilich eher die Assoziation an das „remedy-System“ als an das Anspruchssystem geweckt.
II. Trennung von Rechten und Rechtsfolgen Dass auch völkerrechtliche Vereinbarungen vielfach zwischen Rechten und Durchsetzungsmechanismen trennen, wurde soeben bereits angedeutet. Belegt wird dies für das Recht des Geistigen Eigentums (und damit für bestimmte Ausschließlichkeitsrechte) durch die Systematik des TRIPS-Übereinkommens. „Rechtsbehelfe“ (vgl. Überschrift Teil III Abschnitt 2 TRIPS)11 werden vom materiellen Substanzrecht getrennt geregelt.12 Während in Teil II Vorgaben für die Ausgestaltung von Urheberrechten, Marken, Patenten etc. gemacht werden, findet sich die Rechtsdurchsetzung in Teil III. Ähnlich ist die Rechtslage wiederum im UN-Kaufrecht. Es wurde eben schon darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung des Verkäufers zur Lieferung gemäß Art. 30 CISG selbst noch kein korrespondierendes „Erfüllungsrecht“ des Gläubigers begründet.13 Erst Art. 46 CISG aus dem Abschnitt über “Remedies”14 (gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 28 CISG) gewährt dem Käufer ein solches. Der „Erfüllungsanspruch“ ist nicht identisch mit der Leistungspflicht.15 Auch wenn das Recht auf Naturalerfüllung womöglich bereits entsteht, ohne dass es einer Rechtsverletzung bedarf,16 wird aus der Systematik des UN-Kaufrechts deutlich, dass dort „Rechtsfolgenrechte“ nicht ohne Weiteres der Logik des Anspruchssystems folgen. Weller meint daher, 10 http://www.unilex.info/dynasite.cfm?dssid=2377&dsmid=109294 (zuletzt besucht am 15. 03. 2017). 11 In der englischen Sprachfassung wird von remedies gesprochen. 12 Sonnenberg, S. 76. 13 Zum UN-Kaufrecht Vahle, ZVglRWiss 1999, 54 ff. 14 In der englischen Sprachfassung ist dabei Section III in Chapter II mit “Remedies for breach of contract by the seller” überschrieben. 15 Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 Rn. 2 (Fn. 4), Art. 28 Rn. 10. 16 Vgl. MünchKomm/P. Huber, CISG, Art. 46 Rn. 3 („die Vorschrift [erfasst] insbesondere auch diejenigen Fälle, in denen der Verkäufer noch keinen Vertragsbruch begangen hat, der Käufer also zum ersten Mal die Erfüllung verlangt“); MünchKomm/Gruber, CISG, Art. 28 Rn. 15.
III. Ermessen und differenzierte Rechtsdurchsetzung
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dass bei „stringenter Beachtung der Rechtsbehelfsdogmatik“ der Käufer vor einer Vertragsverletzung gerade keinen „Erfüllungsanspruch“ hätte.17 In der Tat sind Rechtsfolgen als „Rechtsbehelfe“ ausgestaltet.18 Dass damit Rechtsfolgen vom materiellen Recht im engeren Sinne abgekoppelt sind, kann als gesichert gelten.19 Erneut zeigt sich, dass ein materiellrechtliches Verständnis von „Rechtsfolgenrechten“ durchaus anschlussfähig ist, während einem Erfüllungsanspruch als immanente Konsequenz der Leistungspflicht des Verkäufers20 wenig abgewonnen werden kann. Oder anders formuliert: Forderung und Anspruch sind nicht gleichzusetzen.21 Die Rechtsdurchsetzung ist durchweg einem eigenständigen Regelungskomplex vorbehalten. Der dieser Arbeit zugrundeliegende Gedanke der Trennung von Stammrechten und Rechtsfolgenrechten als wesentliches Merkmal von Rechtsbehelfssystemen wird dadurch bestätigt.22
III. Ermessen und differenzierte Rechtsdurchsetzung Eine Stichprobe völkerrechtlicher Rechtsfolgenbestimmung zeigt ebenso wie Regelungen zur Rechtsdurchsetzung im Unionsrecht, dass Rechtsfolgen differenziert ausgesprochen werden. So wird Art. 44 I des TRIPS-Abkommens nicht so verstanden, dass eine Unterlassungsanordnung unter allen Umständen zu gewähren ist.23 Bereits das Abkommen selbst sieht eine Ausnahme für Personen vor, die nicht schuldhaft handeln (Art. 44 I S. 2 TRIPS).24 Darüber hinaus ist die Formulierung „Gerichte sind befugt“ nach verbreiteter Ansicht im Sinne eines gerichtlichen Ermessens (“judicial discretion”) zu verstehen.25 In der Entscheidung India – Patent Protection for Pharmaceutical and Agricul17
Weller, S. 398.
18 MünchKomm/P. Huber,
CISG, Art. 46 Rn. 3; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 28 Rn. 3; Art. 46 Rn. 2; Schollmeyer, NJOZ 2009, 2729, 2737 (Fn. 36). 19 Zur Ausgestaltung der Rechtsfolgen als remedies im UN-Kaufrecht nur Weller, S. 397 ff. 20 Zum CISG: MünchKomm/P. Huber, CISG, Art. 46 Rn. 3 („Der Erfüllungsanspruch ist nicht etwa einfach die logische Konsequenz aus der Leistungspflicht des Verkäufers, sondern vielmehr eine von mehreren Reaktionsmöglichkeiten des Käufers auf (eingetretene oder drohende) Vertragsbrüche des Verkäufers.“). 21 Vgl. dazu o. § 2 I 1. 22 Vgl. auch Riehm, S. 451 („Rechtsbehelfssystem des CISG“); zur Trennung von „Primärrechten“ und Rechtsbehelfen zu ihrer Verwirklichung als Kennzeichen eines Rechtsbehelfsmodells Weller, JZ 2008, 764. 23 Subramanian, IIC 2008, 419, 446; vgl. auch Sonnenberg, S. 73 ff.; Gerichte müssen eine solche Befugnis im Grundsatz haben, wenn auch eine Anordnung von Unterlassen nicht in jedem Fall erfolgen muss, Busche/Stoll/Wiebe/Vander/Steigüber, Art. 44 Rn. 1. 24 Dreier, GRUR Int. 1996, 205, 211; vgl. Dreier, S. 207 ff. 25 Auch Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 790, 797, spricht Art. 44 TRIPS mit Blick auf die equity-Tradition der Common-Law-Länder zwingenden Charakter ab; mit Blick auf die USamerikanische ebay-Entscheidung (o. § 1 III 1) Correa, S. 423 f.; mit Blick auf Art. 44 II S. 2
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§ 4 Völkerrechtliche Rechtsfolgensysteme
tural Chemical Products wurde dies ausdrücklich hervorgehoben.26 Allerdings wird auch vertreten, dass durch diese Vorschrift lediglich gestattet werde, Gerichten bezüglich bestimmter Ansprüche einen Ermessensspielraum einzuräumen. Eine Vorgabe, wonach unbedingte Ansprüche nicht gewährt werden dürfen, soll dies aber gerade nicht begründen.27 Dennoch zeigt dies, dass der Gedanke flexibler Rechtsfolgen angelegt ist. Dies wird schließlich dadurch bestätigt, dass in Art. 44 II ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen ist, dass eine Unterlassungsanordnung abgelöst werden kann.28 Im UN-Kaufrecht kann Erfüllung nach den nationalen Regeln ausgeschlossen sein (Art. 28 CISG), was den common law-Ansatz widerspiegelt.29 Auch ist das Recht auf Naturalerfüllung nur ein “remedy”, das selbständig und im Grundsatz unabhängig von anderen „Rechtsfolgenrechten“ steht.30 Auch wenn in den UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts richterlichem Ermessen eine Absage erteilt wird (“under the Principles specific performance is not a discretionary remedy”),31 steht das Recht auf Naturalerfüllung unter mehreren Vorbehalten (vgl. Art. 7.2.2. UNIDROIT Principles 2010), die über § 275 BGB hinausgehen. Es besteht ein Bewusstsein dafür, dass Naturalerfüllung nicht immer interessengerecht ist, ohne freilich deren grundsätzliche Verfügbarkeit zu leugnen. Busche/Stoll/Wiebe/Vander/Steigüber, Art. 44 Rn. 7; unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit Heusch, Festschrift Meibom, S. 135, 143; vgl. Sonnenberg, S. 239 f. 26 Bericht des Panels, India – Patent Protection for Pharmaceutical and Agricultural Chemical Products, WT/DS79/R, 24. 08. 1998, Rn. 7.66 (“Rather the function of the words ‘shall have the authority’ is to address the issue of judicial discretion, not that of general availability”); s. a. Panel Report, China – Measures Affecting the Protection and Enforcement of Intellectual Property Rights, WT/DS362/R, 26. 01. 2009 (zu Art. 59), Rn. 7.236 ff.: “The obligation is to ‘have’ authority not an obligation to ‘exercise’ authority. The phrase ‘shall have the authority’ is used throughout the enforcement obligations in Sections 2, 3 and 4 of Part III of the TRIPS Agreement, specifically, in Articles 43.1, 44.1, 45.1, 45.2, 46, 48.1, 50.1, 50.2, 50.3, 50.7, 53.1, 56 and 57. It can be contrasted with terminology used in the minimum standards of protection in Part II of the TRIPS Agreement, such as ‘Members shall provide’ protection, or that certain material ‘shall be’ protected. The obligation in Article 46 that certain authorities ‘shall have the authority’ to make certain orders reflects inter alia that orders with respect to specific infringements are left to enforcement authorities’ discretion.” (ohne Fußnoten). 27 Schröer, GRUR Int. 2013, 1102, 1109. 28 Zur Frage, ob die US-amerikanische ebay-Rechtsprechung (vgl. o. § 1 III) mit Art. 30, 31 TRIPS in Einklang steht, Sonnenberg, S. 61 ff.; vgl. zudem Art. 7, 8 TRIPS. 29 Vgl. Zeller, 23 J. L. & Com (2003), 39, 49. 30 Vgl. Stoll, JZ 2001, 589, 590; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 Rn. 1; freilich ist strittig, ob „Schadensersatz statt der Leistung“ sofort verlangt werden kann, vgl. nur Riehm, S. 452 ff. m. w. N.; zu Art. 9:102 PECL UN-Kaufrecht van Kogelenberg, E. R. P. L. (2009), 599, 606: Besteht ein right to specific performance?, vgl. o. § 1 III. 31 Vgl. die Erläuterung zu Art. 7.2.2. (Performance of non-monetary obligation), http://www.unilex.info/dynasite.cfm?dssid=2377&dsmid=109294 (zuletzt besucht am 15. 03. 2017); Basedow, Festschrift Georgiades, S. 801, 813.
IV. Fazit
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IV. Fazit Auch wenn die Erarbeitung spezifischer Regelungen rund um Rechtsfolgen auf supranationaler Ebene jenseits des Unionsrechts nicht den Schwerpunkt politischer Bemühungen darstellt, führt ein Blick in einschlägige Bestimmungen in jedem Fall vor Augen, dass sich die vorgefundenen Regelungsmechanismen wiederum erheblich vom deutschen Anspruchssystem unterscheiden. Vor allem sticht heraus, dass die Rechtsdurchsetzung vom materiellen Recht im engeren Sinne abgekoppelt ist. Rechte oder auch Pflichten sind nicht ohne Weiteres klagbar; es bedarf eines eigenständigen „Durchsetzungsrechts“. Bemerkenswert ist ferner, dass der Gedanke differenzierter Rechtsdurchsetzung unübersehbar angelegt ist. Auch wenn es richtigerweise nicht um „Ermessen“ im Sinne freier richterlicher Entscheidungen geht (dazu bereits o. § 1 III; § 3 III, IV), ist klar, dass bestimmte Ansprüche nicht unter allen Umständen zu gewähren sind. Wer dem Völkerrecht die Anspruchskonzeption einfach überstülpen will, verkennt indes den Systemunterschied zum „Denken in Ansprüchen“ nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Während das Unionsrecht im Sinne der völkerrechtlichen Vorgaben ausgestaltet ist, bleibt das Verständnis von Regelungen zu Rechtsfolgen vom Anspruchssystem weitgehend unbeachtet. Die Normenhierarchie verlangt freilich das Gegenteil. Darauf wird zurückzukommen sein (u. § 5 I 4 a)).
§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem Im Folgenden soll nachgewiesen werden, dass das deutsche Anspruchssystem in Anlehnung an die gebräuchliche, wenn auch ungenaue Übersetzung des Begriffs remedy als Rechtsbehelf im Sinne eines Rechtsbehelfssystems rekonstruiert werden kann. Nicht der Anspruch, sondern das durch verschiedene Rechtsfolgenrechte zu verwirklichende primäre Recht, Stamm- beziehungsweise Substanzrecht steht im Mittelpunkt.1 Diese beiden Rechte sind streng zu unterscheiden. Es besteht ein kategorialer Unterschied zwischen Stammrechten einerseits und den durch Ansprüche vermittelten materiellrechtlichen Rechtsfolgenrechten zu deren Durchsetzung andererseits. Ein solches Modell überwindet insbesondere die sowohl im „remedy-System“ als auch im Anspruchssystem zu findenden Schwächen bei der systematischen Erfassung von Rechtsfolgen. Vor allem die Einsicht, dass die Entscheidung, welche Rechtsfolgen zur Rechtsverwirklichung gewährt werden, einer differenzierten Beurteilung unterliegt, ist eine Implikation der Betrachtung des Privatrechts als Rechtsbehelfssystem. Dadurch eröffnet sich eine neue, auf materiellrechtlicher Ebene angesiedelte Stellschraube für eine interessengerechte Ausgestaltung der Rechtsordnung. Statt einem in bestimmten Fällen als zu stark empfundenen Recht die Existenzberechtigung abzusprechen, können Unwuchten über eine differenzierte Rechtsdurchsetzung ausgeglichen werden. Weiter erleichtert das „Denken in Rechten und Rechtsbehelfen“, Rechtsfolgenrechte unabhängig von der Natur des ihnen vorausliegenden Stammrechts zu analysieren. Gerade dadurch lässt sich sowohl die dogmatische Ausgestaltung von Rechtsfolgenrechten als auch deren Rolle im privatrechtlichen Rechtsfolgensystem durch privatrechtsübergreifende Struktur- und Funktionsanalysen erhellen. Im Übrigen lassen sich auf diese Weise Wechselwirkungen zwischen der Rechtfertigung der Rechtszuweisung sowie der Rechtfertigung der Rechtsdurchsetzung offen legen. Nicht zuletzt kann die Anschlussfähigkeit des Anspruchssystems an die unionsrechtliche (wie völkerrechtliche) Rechtsentwicklung sichergestellt werden (I.). Konkret ist bei der Rekonstruktion zunächst der überkommene Anspruchsbegriff enger zu fassen. Unter einem Anspruch wird hier das Recht verstanden, ein dem Anspruch vorausliegendes Stammrecht auf eine bestimmte Art und Weise zu verwirklichen. Durch den Anspruch wird materiell1
Im Folgenden ist nur von Stammrechten die Rede. Zu den Begriffen o. Einleitung II.
I. Modifiziertes Rechtsbehelfssystem
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rechtlich unter anderem festgelegt, wer, wann beziehungsweise unter welchen Voraussetzungen, wie und wie lange ein Stammrecht verwirklichen kann. Der Anspruch bildet die erste Stufe der Rechtsdurchsetzung. Das durch den Kaufvertrag begründete Stammrecht auf Übergabe und Übereignung wird beispielsweise mittels Erfüllung in Natur (wie) bei Fälligkeit (wann) durch den Gläubiger (wen) bis zum Verjährungseintritt (wie lange) verwirklicht, während beim Sacheigentum die Rechtsfolge Unterlassen nur im Verletzungsfalle, genauer: bei Begehungsgefahr (unter welchen Voraussetzungen) gewährt wird. Da es sich bei Ansprüchen um eigenständige, vom Stammrecht losgelöste Rechte handelt, wird hier statt von Ansprüchen synonym von Rechtsfolgenrechten gesprochen (II.).2 Es lässt sich weiter nachweisen, dass eine Trennung zwischen Stamm- und Rechtsfolgenrechten zu deren Verwirklichung mit dem geltenden Privatrecht durchweg vereinbar ist. Diese Zweier-Struktur ist nicht nur bei Ausschließlichkeitsrechten wie dem Sacheigentum, dem Persönlichkeitsrecht oder Immaterialgüterrechten identifizierbar, sondern findet sich auch im Vertragsrecht, bei der Geschäftsführung ohne Auftrag und im Bereicherungsrecht. Selbst für gesetzlich normierte Verhaltenspflichten wie im Lauterkeitsrecht passt die hier vorgeschlagene Systematisierung (III.). Die vom Stammrecht losgelöste Analyse von Rechtsfolgenrechten ist vor allem auch dadurch motiviert, eine differenzierte Betrachtung einschlägiger Rechtsfolgenrechte zu erleichtern. In der Tat eröffnet die hier herausgestellte Unterscheidung zwischen Stamm- und Rechtsfolgenrechten einen neuen Blick auf die Rechtsdurchsetzung. Viele Rechte werden de lege lata mit ausgewählten Rechtsfolgen verwirklicht, während andere (im Einzelfall) verschlossen bleiben. Dies gilt im Besonderen für den in dieser Arbeit im Mittelpunkt stehenden Unterlassungsanspruch (IV.).
I. Modifiziertes Rechtsbehelfssystem als Synthese verschiedener Rechtsfolgensysteme Wenn das Verhältnis von Rechten und Rechtsfolgen unabhängig von einer bestimmten Rechtsordnung theoretisch erfasst werden soll, lässt sich dies im Wesentlichen anhand von drei Grundmodellen tun:3 (1) Eine Rechtsord2
Zur Terminologie o. Einleitung II. Weller, S. 132 (s. a. ders., JZ 2008, 764), mit Verweis auf Friedmann, Rights and Remedies, S. 3 ff., der dem (1) “primacy of the remedy model”, (2) dem “primacy of the right model” und dem (3) “unitiy of the right-remedy model” noch sein eigenes “‘acoustic separation‘ model” gegenüberstellt; s. a. Berryman, 9 O. U. C. L.J. (2010), 123, 124 ff.; ders., S. 14 f.: “monistic view” (Rechte und Rechtsfolgen sind untrennbar; letztere „replizieren“ erstere), “dualist view” (Rechte und Rechtsfolgen sind zu trennen; sie unterscheiden sich klar in den Strukturen, der Rechtfertigung und den Zielen), “integrationist view” (eine Trennung 3
124
§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
nung kann sich auf Rechtsfolgen konzentrieren. Die Natur der materiellen Rechte (soweit solche überhaupt anerkannt werden) bestimmt sich durch die Klagemöglichkeiten. (2) Am anderen Ende der Skala lässt sich das Anspruchssystem ausmachen.4 Dieses System beruht darauf, dass die Klagbarkeit einen integralen Bestandteil der jeweiligen Rechte selbst bildet. Eine Trennung von Rechtsfolgen und Rechten ist nicht ausgebildet. (3) Ein drittes Modell stellt zwar materielle Rechte in den Mittelpunkt, betrachtet aber die Frage, wie diese durchgesetzt werden können, davon getrennt. Zum Schutze beziehungsweise zur Durchsetzung eines materiellen Rechts bedarf es zusätzlich eines Rechtsbehelfs. In den folgenden Gliederungspunkten soll gezeigt werden, dass sich das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfsmodell und damit als eine Art Vereinigungsmodell eines rein auf Rechtsfolgen gegenüber einem vornehmlich an Rechten ausgerichteten System verstehen lässt (insbesondere u. § 5 II, III). Ehe dies im Detail nachgewiesen wird, sollen in diesem Gliederungsabschnitt (§ 5 I) die Gründe vorweggenommen werden, warum sich dieses „Vereinigungsmodell“ als überlegen erweist. Zunächst kann als gesichert gelten, dass sich ein rein aktionenrechtliches Verständnis im Sinne des ersten Modells überholt hat. Auch wenn bis heute den Rechtsunterworfenen vor allem interessiert, was er im Ergebnis notfalls vor Gericht erzwingen kann, entlastet dies nicht davon, ein System materieller Rechte auszubilden (1.). Manche wollen im common law das soeben drittgenannte Modell verwirklicht sehen.5 Allerdings werden im wie in § 1 skizzierten „remedy-System“ Rechtsfolgen ebenso wenig wie im Anspruchssystem konsistent erfasst. Ein in sich schlüssiges Rechtsfolgensystem findet sich jeweils nicht. Diese Systematisierungsdefizite werden nochmals kurz in Erinnerung gerufen (2.). Freilich gibt es auch eine Vielzahl von Einwänden gegen ein „reines“ Rechtsbehelfsmodell (3.). Es kann selbstredend nicht das Ziel sein, das deutsche Privatrecht unbesehen im Sinne des anglo-amerikanischen „remedy-Systems“ zu interpretieren.6 Unter einem ist gegeben, es besteht aber eine Wechselwirkung zwischen rights und remedies); vgl. Wright, S. 7 ff.; Cooper-Stephenson, S. 1, 5 ff.; Hammond, S. 87, 90 ff., insbesondere mit Argumenten, die für eine Trennung von rights und remedies streiten; die Rede ist ferner von Dualismus und Monismus, Weinrib, S. 3, 23 ff. 4 Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 91; Dedek, a. a. O., 86, will die Möglichkeiten, wie Rechtsfolgen erfasst werden können, auf einer Skala darstellen, die von einem “extreme remedial approach” an einem Ende zu einem “extreme rights-based approach” am anderen Ende reicht; zum Anspruchssystem o. § 2. 5 Weller, S. 132 und S. 140; a. A. Barnett/Harder, S. 4 f.; Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 79 f. 6 Insbesondere der Begriff Rechtsbehelf kann nicht mit dem Begriff remedy gleichgesetzt werden (bereits o. § 1, Fn. 1, 3); hinter letzterem steckt ein eigenes Modell, vgl. Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 92 f.; in der Literatur werden Interpretationsansätze in Richtung eines „Rechtsbehelfsmodells“ gelegentlich mit dem Begriff remedy illustriert, etwa Wagner, Festschrift Medicus, S. 589, 609 f.; Albers, ZEuP 2012, 687, 691; zur Notwendigkeit einer internationalen Terminologie Zeller, 23 J. L. & Com (2003), 39 ff.
I. Modifiziertes Rechtsbehelfssystem
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Rechtsbehelf wird in Anlehnung daran häufig die von der Rechtsordnung eröffnete Reaktionsmöglichkeit des Gläubigers bei Vertrags- oder Rechtsverletzungen durch den Schuldner verstanden.7 Schon eingangs sei aber betont, dass eine Rechtsverletzung für die Entstehung von Rechtsfolgenrechten nach dem deutschem Privatrecht gerade keine zwingende Voraussetzung ist.8 Nicht gefolgt wird den Meinungen, die eine Rechtsverletzung als wesentliches Merkmal eines Rechtsbehelfsmodells ansehen wollen.9 Selbst im anglo-amerikanischen „remedy-System“ ist eine Rechtsverletzung schließlich nicht ausnahmslos konstitutiv für den Zuspruch eines remedy.10 Typisch ist aber, dass Rechtsbehelfe beziehungsweise Rechtsfolgenrechte von den zugrundeliegenden Stammrechten zu scheiden sind.11 Ein entsprechend weiterentwickeltes Rechtsbehelfsmodell, das gewisse Defizite im „remedy-System“ ausgleicht, weist dann aber viele Vorteile auf (4.). Alles in allem ist es dabei keineswegs so, dass ein auf diese Weise verstandenes Rechtsbehelfsmodell, das positive Errungenschaften des Anspruchssystems wie beispielsweise den grundsätzlichen Erfüllungsanspruch in Natur oder den materiellrechtlichen Charakter von Ansprüchen übernimmt, auf Basis des geltenden Rechts nicht gedacht werden kann.12
1. Überholtes „Aktionenrechtliches Modell“ Das römische Recht liefert das Schulbeispiel für ein aktionenrechtliches Modell.13 Das römische Rechtsdenken war von der Frage geprägt, ob im 7 Weller, S. 392 (Fn. 153); zu weiteren Wesensmerkmalen eines Rechtsbehelfssystems ders., S. 393 f., freilich mit starker Bezugnahme auf das „remedy-System“; Riehm, S. 241, versteht unter einem „Rechtsbehelf“ im Zusammenhang des Vertragsrechts eine „Sanktion für die Nichterfüllung“; Soergel/Wiedemann, BGB, 1990, Vor § 275 Rn. 25, versteht unter materiellen Rechtsbehelfen (remedies, recours) Ansprüche oder Gestaltungsrechte, die für eine Vertragspartei aus Anlass einer Vertragsstörung entstehen; Bruns, JuS 1971, 221, 224 (Fn. 31) führt aus: „Werden für Rechtsstörungen, wie hier Behelf und Tatbestand gegenübergestellt, so ist Rechtsbehelf im ‚technischen‘, abstrakten Sinne einer eben für mancherlei Störungstatbestände passenden Rechtsfolge gemeint“ (ohne Hervorhebung); auf den Störungszustand stellt auch Meesmann, S. 103 ff. ab; für Forderungen vgl. Hoffmann, S. 128 ff. 8 Dafür etwa PWW/Schmidt-Kessel, Vor §§ 275 Rn. 3, 5; § 275 Rn. 1. 9 Für Rechtsverletzung als Kennzeichen eines Rechtsbehelfsmodells v. a. Weller, S. 393, 394 f.; s. a. Riehm, S. 241 ff., 501 f. 10 Dazu o. § 1 II – insbesondere für das “Law of Restitution”; dies soll selbst für specific performance gelten, Burrows, English Private Law, Rn. 21.181 (“Strictly speaking, it is not an essential prerequisite of specific performance that the defendant is in breach of contract. Rather an action for specific performance is based on the mere existence of the contract, coupled with circumstances which make it ‘equitable’ to grant a decree.”), mit Verweis auf Hasham v. Zenab [1960] A. C. 316. 11 Weller, S. 393 und S. 458. 12 Zweifelnd Weller, S. 396 („Diese Friktionen zeigen, dass die Rechtsbehelfs-These für das deutsche Recht nicht passt.“). 13 Zum römischen Aktionenrecht Kaufmann, JZ 1964, 482 ff.; Kaser/Knütel, § 4 Rn. 6 ff.;
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
konkreten Fall der Prätor dem Verletzten gegen den Verletzer Rechtsschutz durch Zuspruch einer actio gewährt.14 Die Römer fragten nicht, ob jemand von einem anderen etwas verlangen kann, sondern sie konzentrierten sich auf die Frage, ob jemand „gerichtliche Hülfe anrufen“ kann.15 Die Rechtsordnung erschien als eine Sammlung von Klagemöglichkeiten.16 Auch dem common law werden insbesondere im Vergleich mit dem civil law aktionenrechtliche Züge zugeschrieben.17 So spitzt beispielsweise Dedek zu: “If a comparative lawyer were asked to boil down the complexities to a single catchphrase the answer would probably look something like this; in the common law the remedy is said to precede the right, ubi remedium, ibi ius; whereas in the civil law the right is said to precede the remedy, ubi ius, ibi remedium.”18
Ein aktionenrechtliches Modell ist dogmatisch überholt.19 Gleiches gilt für „reines Aktionendenken“, worunter ein „Denken in Sanktionen“ statt ein „Denken in Normen“ beziehungsweise vorprozessualen subjektiven Rechten und materiellrechtlichen Verhaltensnormen verstanden wird.20 Auf materielle Rechte kann nicht verzichtet werden, wie schon etwa ein Blick ins Kollisionsrecht beweist.21 Subjektive Rechte werden zudem gerade auch jenseits von Prozesslagen beobachtet. Sie gelten damit „normativ und faktisch“.22 Auch im anglo-amerikanischen Rechtskreis findet im Übrigen eine Systematisierung der Rechtsordnung anhand materieller Rechte statt.23 Auch Verfügungen vgl. Rehfeldt, § 15 III, S. 63 ff.; die Frage, ob hinter einer Klagemöglichkeit ein „Recht“ steht, interessiere nicht, vgl. Auer, AcP 208 (2008), 584, 589; Wagner, AcP 193 (1993), 319, 320. 14 Kaufmann, JZ 1964, 482, 483. 15 Windscheid, Pandektenrecht, § 44, S. 92. 16 Windscheid, Actio, S. 3. 17 Neitzel, 22 H. L. R. (1909), 161; Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 81 ff., 88; Samuel, ZEuP 1995, 375, 383; Weller, S. 107; Riehm, S. 241; das englische Recht war lange von den alten forms of actions geprägt, Unberath, S. 174 ff.; Samuel, ZEuP 1995, 375, 383 ff. 18 Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 79 f. 19 Grundlegend Windscheid, Actio, S. 1 ff.; Unberath, S. 170 ff.; Weller, JZ 2008, 764, 765, der in einem Rechtsbehelfsmodell einen „rechtsdogmatischen Rückschritt“ sieht; zum aktionenrechtlichen Denken de Boor, S. 8 ff., 29; Oppermann, S. 206 ff., der eine „aktionenbezogene Rekonstruktion des wettbewerbsrechtlichen Präventivrechtsschutzes“ versucht, vgl. auch ders., S. 103 ff.; Bork, § 9 Rn. 291; s. a. Bucher, AcP 186 (1986), 1, 7 ff., 10 ff. 20 Vgl. Bucher, S. 30 ff., 31; ders., AcP 186 (1986), 1, 4 ff.; vgl. de Boor, S. 8 („Aktionenrechtliches Denken darf also wohl das Denken genannt werden, welches das Privatrecht im Hinblick auf den Zivilprozeß, auf Klage und Urteil sieht und darstellt.“); Wesel, Festschrift v. Lübtow, S. 787, 801 (Aktionenrechtliches Denken bedeutet, „das Recht als ein System von Klagen zu begreifen, nicht als ein System von Rechten und Rechtsverhältnissen.“). 21 Schmidt, Festschrift Jahr, S. 401, 409 ff. 22 Larenz/Wolf, § 18 Rn. 68 (Fn. 34). 23 Vgl. Austins Unterscheidung zwischen primary rights und secondary rights, Austin, S. 788 (dazu o. § 1 II 1); zur Rolle von „Rechten“ auch Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 84 ff., 86; das englische Recht hat sich zunehmend von einem „Aktionen- hin zu einem Systemrecht“ entwickelt, Weller, S. 130 f.; vgl. Samuel, ZEuP 1995, 375, 387 ff.
I. Modifiziertes Rechtsbehelfssystem
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wären ohne Kenntnis materieller Rechte schwer zu erklären.24 Schließlich können Rechte auch unverletzt gedacht werden.25 Ein modernes Rechtssystem definiert materielle Rechte als Ausgangspunkt und sieht diese nicht nur als Reflex einer Klagemöglichkeit. Eine Wiederbelebung eines „Aktionendenkens“ wird daher auch in dieser Arbeit nicht verfolgt. Freilich entspricht dieses „Denken“ einem gewissen Pragmatismus.26 Der Rechtsunterworfene nimmt die Rechtsordnung vor allem aus der „Ergebnisperspektive“ wahr. Ihn interessiert maßgeblich, was er praktisch vor Gericht durchsetzen kann.27 Im Einklang mit dem ersten Modell kommt es für ihn entscheidend darauf an, ob er schlussendlich eine gewisse Summe zu zahlen hat oder eine bestimmte Handlung vornehmen muss. Nicht ohne Grund sieht daher Medicus in der Juristenausbildung „aktionenrechtliches Denken“ als die Grundlage der Fallbearbeitung.28 In diese Richtung geht auch der Ansatz des Rechtsrealismus (legal realism). Als Recht wird angesehen, was ein Gericht am Ende als rechtlich verbindlich entscheidet.29 Berühmtheit hat in diesem Zusammenhang die von O. W. Holmes beschriebene Perspektive des “bad man” erlangt: “If you want to know the law and nothing else, you must look at it as a bad man, who cares only for the material consequences which such knowledge enables him to predict, not as a good one, who finds his reasons for conduct, whether inside the law or outside of it, in the vaguer sanctions of conscience.”30 24 Eines der zentralen Anliegen Windscheids war es gerade, die Forderungsabtretung erklären zu können. 25 Vgl. nur Zakrzewski, S. 13; Zech, S. 69 f. 26 Dies soll erklären, warum das common law aktionenrechtliche Züge aufweist: “[T]he common lawyer has traditionally cared about what actually matters: he emphasizes outcome, actual results rather than idle theory”, Dedek, 56 McGill L. J. (2010), 77, 81; ders. a. a. O., 82, 88; umgekehrt bildet ein bloßer Blick auf das materielle Recht ohne Berücksichtigung der Durchsetzungsmöglichkeiten ebenfalls nur die „halbe Wahrheit” ab, Zöllner, AcP 190 (1990), 471, 474. 27 Staudinger/Peters/Jacoby, § 194 Rn. 4. 28 Medicus, AcP 174 (1974), 313 ff.; vgl. Roth, S. 6; Wieacker, S. 100 (Fn. 15), spricht davon, dass modernes, im materiellen Recht verhaftetes aktionenrechtliches Denken einen Brückenschlag vom materiellen Recht zum Prozessrecht bewirkt. In Verteidigung der Anspruchsmethode auch Petersen, Festschrift Medicus, S. 295 ff. Seine These, dass die an Anspruchsgrundlagen orientierte gutachterliche Prüfung von Fällen einen wesentlichen Fortschritt gegenüber einer Prüfungsmethode darstellt, die Rechtsprobleme nur abstrakt erläutert, findet Bestätigung im zumindest gefühlt regelmäßig guten Abschneiden deutscher Juristen in LL.M.-Programmen, vgl. auch Canaris, Festschrift Medicus, S. 25, 27 (einschl. Fn. 8); Ost, S. 131, kritisiert freilich, dass die Gleichstellung von Forderung und Anspruch (anders u. § 5 II 1) dem „aktionenrechtlichen Denken“ verhaftet ist. 29 O. W. Holmes 10 H. L. R. (1897), 457, 460 f.: “The prophecies of what the courts will do in fact, and nothing more pretentious, are what I mean by the law.”; vgl. auch Bruns, Festschrift Ekelöf, S. 161, 161 f., mit Verweis auf die „realistische“ nordische Schule; zum Verständnis des Eigentums statt als rechtliche als soziale Relation zwischen Menschen Goldhammer, S. 73 f. m. w. N. 30 O. W. Holmes 10 H. L. R. (1897), 457, 459.
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
Der gerichtlichen Entscheidung vorgelagerte Rechte oder gar eine feinsinnige Unterscheidung in Stammrechte und Rechtsfolgenrechte ist diesem Ansatz fremd.31 Die Betrachtungen der Rechtsrealisten sind vor allem von soziologischem Wert. Es wird für den sozialen Kontext der Entscheidungsfindung insbesondere die Bedeutung der Person des Richters sensibilisiert.32 Einen Blick in die materielle Rechtsordnung macht dies gleichwohl nicht überflüssig. Eine „Prise“ mehr Aktionendenken (beziehungsweise „Sanktionendenken“), der sich etwa Unberath offen zeigt,33 wird in dieser Schrift im materiellen Recht eingepflegt. Einer der zentralen Gedanken dieser Arbeit ist, dass die Rechtsdurchsetzung bereits im materiellen Recht beginnt. Während für die theoretische Ausgestaltung der Rechtsordnung zunächst den Stammrechten entscheidende Bedeutung zukommt,34 ist genau im Hinblick auf diese zu klären, welche Rechtsfolgen die Rechtsordnung zu ihrer Verwirklichung vorhält. Ein einseitiger Blick auf Klagemöglichkeiten beziehungsweise Ansprüche vernachlässigt die „Rechtsbezogenheit“ von Rechtsfolgen.
2. Systematisierungsdefizite im Anspruchs- und im „remedy-System“ Weder dem Anspruchs- noch dem „remedy-System“ ist es freilich gelungen, „Rechtsfolgenrechte“ widerspruchsfrei einzuordnen. Im Anspruchssystem sticht negativ heraus, dass es an einem einheitlichen Anspruchsbegriff mangelt. So werden nicht alle Ansprüche der Sache nach als Rechtsfolgenrechte zur Durchsetzung ihnen vorausgelagerter Rechte aufgefasst.35 Während dies bei Unterlassungsansprüchen aus § 1004 I BGB der Fall ist, verneint die herrschende Meinung eine solche Sichtweise für den vertraglichen Erfüllungsanspruch. An der systematischen Trennung von Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen im Bürgerlichen Gesetzbuch (2. Buch/3. Buch) oder der didaktischen 31 O. W. Holmes 10 H. L. R. (1897), 457, 458 (“The primary rights and duties with which jurisprudence busies itself again are nothing but prophecies.”); ders. a. a. O., 462 (“[…] here again the so called primary rights and duties are invested with a mystic significance beyond what can be assigned and explained. The duty to keep a contract at common law means a prediction that you must pay damages if you do not keep it, – and nothing else.”); vgl. Dedek 56 McGill L. J. (2010), 77, 86 f.; Hammond, S. 87, 90. 32 Das Ergebnis der Entscheidung BGH GRUR 2011, 323 – Preußische Gärten und Parkanlagen I versteht man besser, wenn man berücksichtigt, dass die Entscheidung vom für Grundstücksrecht zuständigen V. Zivilsenat gefällt wurde und nicht vom immaterialgüterrechtlich denkenden I. Senat, vgl. auch Hofmann, UFITA 2014, 381, 382 (Fn. 2). 33 Unberath, S. 173; vgl. aber Hoffmann, S. 134, der mit Verweis auf Ost, S. 131 f., bei einer wie in dieser Arbeit vertretenen Trennung von Forderung und Anspruch ein weniger an Aktionendenken sieht. 34 Dies ist einer der zentralen Einwendungen der Kritiker des „Anspruchsdenkens“. Der Rechtsstoff werde in ein System von Rechtsdurchsetzungsmitteln eingezwängt, statt ihn als ein Programm von Rechtspositionen und Rechtsverhältnissen zu erfassen, vgl. Meincke, JZ 1988, 1095, 1100 f.; Medicus, AcP 174 (1974), 313, 321 f.; bereits o. Einl. zu § 2. 35 Dazu o. § 2 I 1.
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Darstellung der Eingriffskondiktion zusammen mit der Leistungskondiktion (nur erstere begründet nach hier vertretener Deutung ein „bereicherungsrechtliches“ Rechtsfolgenrecht)36 wird ebenfalls offenbar, dass Rechtsfolgen privatrechtsübergreifend nicht kohärent erfasst werden. Schließlich kommt der Frage, warum ein bestimmter Anspruch gewährt wird, namentlich der Überlegung, ob dieser (situationsabhängig) tatsächlich geeignet ist, ein vorausliegendes Stammrecht durchzusetzen, wenig Aufmerksamkeit zu.37 Aber auch die Analyse des „remedy-Systems“ hat ergeben, dass eine durchweg überzeugende Gliederung des Law of Remedies bis heute nicht gelungen ist. Dies wurde zuletzt von Zakrzewski ausführlich kritisiert.38 Während er mit seinem neuen Ansatz der Diskussion über remedies neue Impulse verliehen hat, gelingt es auch ihm nicht, primäre Rechte, sekundäre Rechte und remedies zufriedenstellend zu ordnen.39 Die Gerichte sollen teils primäre, teils sekundäre Rechte „replizieren“. Die Entstehung sekundärer Rechte wiederum, die auch nach seiner Überzeugung eine tragende Rolle für die Verwirklichung primärer Rechte spielen, bleibt in seinem System – wie oben in § 1 gesehen – unberücksichtigt. Es soll sich hierbei nicht um remedies handeln.40 Gerade der Blick auf sekundäre Rechte erscheint aber aus deutscher Perspektive vielversprechend,41 hierbei handelt es sich doch um eine im materiellen Recht angelegte Systematisierung von Rechtsfolgenrechten. Allerdings löst im „remedy-System“ nicht jede Verletzung einer primären Pflicht ein entsprechendes sekundäres Recht aus. Im Falle einer Vertragsverletzung hat der Gläubiger zwar ein sekundäres Recht auf Schadensersatz, aber nach überwiegender Ansicht kein sekundäres Recht auf Naturalerfüllung.42 Unter bestimmten Voraussetzungen kann das Gericht zwar specific performance anordnen; diese ermessensabhängige Entscheidung soll aber kein sekundäres Recht begründen, die das Gericht lediglich zu replizieren hat.43 Die Rede kann allenfalls davon sein, dass das Gericht das primäre Recht unter Abwägung bestimmter Umstände direkt zur Geltung bringt. Gleiches soll nach überwiegender Ansicht für injunctions gelten. Auch hier soll kein sekundäres Recht auf Unterlassen bestehen.44 Es wurde jedoch gesehen, dass es durchaus Vertreter gibt, die den jeweiligen gerichtlichen Verfügungen durchweg sekundäre Rechte vorausliegen sehen.45 Sprachlich gibt 36
Dazu u. § 5 III 4 c) und bereits o. § 2 II 4. Dazu o. § 2, insbesondere § 2 III. 38 Zakrzewski, Remedies Reclassified. 39 Vgl. o. § 1 II, 2 II; vgl. zum US-Recht vgl. Neufang, S. 247 f. 40 Kritisch Burrows, Remedies, S. 2. 41 Dazu bereits o. § 1 IV. 42 Nur Zakrzewski, S. 50. 43 Zakrzewski, S. 51. 44 Law Debenture Trust Corp. v. Ural Caspian Oil Corp. Ltd. [1995] Ch 152, 170 (Beldam L. J.); vgl. auch Neufang, S. 248 ff. 45 Dazu o. § 1 III 2. 37
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
dem vor allem Birks eine Stimme, indem er von rights statt remedies sprechen will.46
3. Weitere Einwände gegen ein „reines“ Rechtsbehelfsmodell Neben diesen Systematisierungsdefiziten lassen sich gegen das anglo-amerikanische „remedy-System“ beziehungsweise allgemein gegen ein „reines“ Rechtsbehelfsmodell weitere Einwände erheben. Vor allem der im anglo-amerikanischen „remedy-System“ zu findende Gedanke, dass der Zuspruch von equitable remedies, also bestimmter Rechtsfolgen, im Ermessen eines Gerichts liegt, ist für das deutsche Privatrecht kaum anschlussfähig. Das deutsche Privatrecht geht davon aus, dass das materielle Recht selbst abschließend festlegt, was der Gläubiger vom Schuldner verlangen kann. Nur ganz ausnahmsweise haben die Gerichte hier ein Mitsprache- beziehungsweise Entscheidungsrecht. Vorschriften wie beispielsweise § 315 BGB stellen Ausnahmen dar.47 Auch im „remedy-System“ finden sich freilich – wie gesehen – Ansätze, die sich für eine „Verrechtlichung“ der im Ermessen des Gerichts stehenden equitable remedies aussprechen.48 Die Durchsetzung von Rechten kann zwar durchaus differenziert vonstatten gehen; allerdings hat dies nicht durch eine gerichtliche Ermessensentscheidung zu erfolgen, sondern muss durch das materielle Recht vorgezeichnet sein. Man spricht von der Regelbasiertheit (“rule-based”) richterlicher Entscheidungen. Damit ist das deutsche Recht indes vertraut.49 So stellt Köhler mit Blick auf lauterkeitsrechtliche Aufbrauchsfristen klar, dass es hierbei nicht um „das Ermessen des Richters“ geht, nicht um eine „Rechtswohltat“ oder gar um eine „richterliche Großzügigkeit“.50 Im Raum steht stattdessen eine Einschränkung des Unterlassungsanspruchs unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten. Allenfalls besteht ein „Beurteilungsspielraum“.51 Es bleibt dabei: Der Unterlassungsanspruch ist temporär zurückzustellen (nicht: kann zurückzustellen sein), wenn die Voraussetzungen für eine Aufbrauchsfrist gegeben sind.52 Zwar macht die Rechtsprechung – um ein weiteres Beispiel zu nennen – den Zuspruch der Rechtsfolge „Geldentschädigung“ bei schweren Persönlichkeitsverletzungen von den „gesamten Umständen des Einzelfalls“ abhängig.53 Von echtem „Ermessen“ ist aber nicht die Rede. Überträgt man vor diesem 46
Birks, 20 O. J. L. S. (2000), 1, 19 ff. Dazu o. § 2 III 1. 48 Dazu o. § 1 III 2. 49 Bereits o. § 1 III 2; 3 III, IV. 50 Köhler, GRUR 1996, 82, 90; s. a. Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.80. 51 Köhler, GRUR 1996, 82, 90. 52 Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.80. 53 Nur BGH NJW 2012, 1728 Rn. 15. 47
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Hintergrund den Gedanken der „Regelbasiertheit“ aus dem „remedy-System“ in das deutsche Rechtssystem, handelt es sich hierbei letztlich um eine Interessenabwägung.54 Rechtsvergleicher haben in diesem Sinne den Grundsätzen der equity § 242 BGB gegenübergestellt.55 Wie oben ausgeführt, sollte der Begriff discretion, wie er bei den equitable remedies in der Rechtspraxis Anwendung findet, nicht mit Ermessen, sondern mit Interessenabwägung übersetzt werden.56 Im Ergebnis nimmt es nicht wunder, dass sich beispielsweise im Vertragsrecht deutsches und englisches Recht vom praktischen Ergebnis her nach Meinung vieler Rechtsvergleicher kaum unterscheiden.57 Der Erfüllungsanspruch kann beispielsweise über § 275 II BGB ausgeschlossen sein; bei der Zuerkennung unselbständiger Unterlassungsansprüche kommt es ebenfalls maßgeblich auf eine Interessenabwägung an.58 Der Gedanke, dass Rechtsfolgen nicht im Ermessen des Gerichts stehen, ihre Entstehung in bestimmten Fällen aber von einer Interessenabwägung abhängt, wäre folglich in das deutsche Recht ohne Weiteres implementierbar. Wenn bereits die Frage, ob eine Rechtsverletzung beziehungsweise ein Eingriff in ein Recht vorliegt, mitunter eine Interessenabwägung voraussetzt,59 spricht erst recht nichts dagegen, auch auf der Seite der Rechtsdurchsetzung Interessenabwägungen zumindest im Grundsatz anzuerkennen. Darin einseitig eine Benachteiligung des Gläubigers zu sehen,60 greift im Übrigen zu kurz. Die Frage ist vielmehr, ob eine Rechtsordnung insgesamt interessengerecht ausgestaltet ist. Der Einwand fehlender Rechtssicherheit überzeugt vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht gänzlich.61 Aus deutscher Sicht wird am „remedy-System“ weiter kritisiert, dass der Erfüllungsanspruch unbedingt zu gewähren sei. Jüngst haben Weller und Riehm ausführlich dargelegt, warum der Erfüllungsanspruch in Natur einer 54
Vgl. auch Ohly, Festschrift Bornkamm, S. 423, 430. Dedek 56 McGill L. J. (2010), 77, 106. 56 Dazu o. § 1 III 2; vgl. Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 789, der bemerkt, dass die Grundsätze der equity in der Sache auf eine „flexible Interessenabwägung“ hinauslaufen. 57 Nachtigäller, S. 159; Müller-Chen, S. 23, 35; Wagner, JZ 1998, 482, 485; Stürner, S. 221, 281; Zweigert/Kötz, § 35 V, S. 482; Treitel, S. 71; Riehm, S. 145 f.; vgl. Nehlsen-von Stryk, AcP 193 (1993), 529 f.; Co-operative Insurance Society Ltd. v. Argyll Stores (Holdings) [1998] A. C. 1, 11 f. (“I have made no investigation of civilian systems, but a priori I would expect that judges take much the same matters into account in deciding whether specific performance would be inappropriate in a particular case.”). 58 Ausführlich u. § 5 IV 1 c); § 9 III 2. 59 Beispielsweise beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht (BGH GRUR 2004, 438, 440 – Feriendomizil I) oder bei dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (BGH NJW 2012, 2579 – Ingo Steuer); auch im Bereicherungsrecht verweist der BGH darauf, dass sich jede „schematische Lösung“ verbietet; „es kommt stets auf die Besonderheiten des Einzelfalles an“, BGHZ 66, 362, 364 = NJW 1976, 1448, 1449. 60 Vgl. Weller, JZ 2008, 764, 765. 61 Weller, JZ 2008, 764, 765, 769. 55
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
Pekuniarerfüllung vorzuziehen ist.62 Der Grundsatz der Naturalerfüllung überzeugt daher durchaus, zumal vor dem Hintergrund einer entsprechenden Rechtstradition.63 Allerdings zeigt die Entwicklung des common law, dass auch dort praktisch specific performance mehr die Regel als die Ausnahme darstellt.64 Insbesondere aber steht ein grundsätzlich vorhandener „Erfüllungsanspruch“ nicht in Widerspruch zu einem Modell, das auf der Trennung von Rechten und Rechtsfolgenrechten basiert.65 Ein Rechtsbehelfsmodell steht dem neutral gegenüber. Debatten um Rechtsbehelfe erweisen sich in der Sache aber oft als Debatten um die Richtigkeit der Naturalerfüllung.66 Dies wird durch die hier vorgeschlagene Abspaltung der Rechtsfolgen jedoch gerade nicht präjudiziert.67 Zwar ist es in einem Rechtsbehelfssystem angelegt, dass Rechte durch unterschiedliche Ansprüche verwirklicht werden können und auch der Erfüllungsanspruch nicht als Automatismus missverstanden werden darf.68 Die Naturalerfüllung ist aber systemkonform.69 Es bedarf einzig ausdrücklicher (gesetzlicher) Anordnung; allein aus der vertraglichen Leistungspflicht folgt dies noch nicht.70 Vor allem bedarf es für die Begründung eines Rechtsfolgenrechts nicht zwingend einer Rechtsverletzung. Mit einem Rechtsbehelfssystem lässt sich dies ohne Weiteres in Einklang bringen. Wird das deutsche Privatrecht im Sinne eines Rechtsbehelfssystems interpretiert, bleibt es dabei, dass der vertragliche Erfüllungsanspruch nicht erst im Falle einer „Nichterfüllung“ entsteht, sondern bereits mit Fälligkeit zur Entstehung gelangt.71 Das Rechtsbehelfssystem schließt gleichzeitig nicht aus, dass Ansprüche erst unter zusätzlichen Voraussetzungen entstehen. Im Zweiten Teil dieser Arbeit wird für den vertraglichen Unterlassungsanspruch gezeigt, dass es im Rechtsbehelfssystem auch Fälle 62
Weller, Die Vertragstreue, 2009; Riehm, Der Grundsatz der Naturalerfüllung, 2015. Zu ökonomischen Argumenten u. § 8 III. 64 Vgl. nur Burrows, English Private Law, Rn. 21.197 (“general picture […] is one of a trend in favour of specific performance”). 65 Ausführlich u. § 5 III 3; vgl. hier nur Müller-Chen, S. 23, 26, mit Verweis auf das internationale Kaufrecht; freilich kann dies politisiert werden, Schmidt-Kessel, Specific Performance, S. 69, 84. 66 Weller, JZ 2008, 764, 764 f.; vgl. zudem Hoffmann, S. 139 f. 67 In diese Richtung aber Weller, S. 5, 395; er meint, dass inspiriert durch den anglo-amerikanischen Rechtskreis der Begriff „Rechtsbehelf“ verwendet wird, „ohne die damit an sich einhergehenden dogmatischen Konsequenzen für das deutsche Recht zu ziehen.“ 68 Rechtsbehelfe sind grundsätzlich gleichrangig; soll Naturalerfüllung vorgehen, muss dies über ein Fristsetzungserfordernis ausdrücklich angeordnet werden, PWW/SchmidtKessel/Kramme, § 241 Rn. 20 ff.; PWW/Schmidt-Kessel, Vor §§ 275 ff. Rn. 10. 69 Ob dies verfassungsrechtlich geboten ist, erscheint fraglich, vgl. aber Weller, S. 180 ff.; s. a. ders., JZ 2008, 764, 765. 70 Dazu u. § 5 III 3. 71 Dazu u. § 5 II 2, III 3; statt von Rechtsverletzung oder Rechtsbeeinträchtigung (Braun, AcP 205 (2005), 127, 136, 147) wird hier von Rechtsverwirklichung gesprochen. Dies erscheint als der neutralste Begriff, um die Begriffe Recht und Rechtsfolge zu verbinden. 63
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geben kann, in denen der „Erfüllungsanspruch“ (§ 241 I S. 2 BGB) unter dem Vorbehalt zusätzlicher Anforderungen steht. Es wird argumentiert werden, dass der vertragliche Unterlassungsanspruch erst im Falle einer Begehungsgefahr, also nicht vor dem Zeitpunkt, in dem eine Zuwiderhandlung droht, entsteht.72 In einem Rechtsbehelfssystem stellt dies keine Ausnahme dar. Zusätzliche Probleme mit der Beweislast ergeben sich, anders als vielfach vorgetragen, dennoch nicht zwingend. Im „remedy-System“ wäre dies freilich der Fall. Der Gläubiger müsste nicht nur den Vertragsschluss beweisen, sondern auch die Nichtleistung durch den Schuldner.73 Der Erfüllungsanspruch muss allerdings auch im Anspruchssystem vom Gläubiger bewiesen werden.74 Da aber nach der deutschen Systematik der Rechtsbehelf Erfüllung nicht unter dem Vorbehalt der Nichterfüllung steht – Tatbestandsmerkmal ist einzig die Fälligkeit, u. § 5 II 2 –, ergeben sich keine zusätzlichen Beweisprobleme. Steht der Rechtsbehelf aber unter zusätzlichen Voraussetzungen, wie im Falle der Notwendigkeit einer Begehungsgefahr beim (vertraglichen) Unterlassungsanspruch, trägt dafür der Gläubiger nach allgemeinen Regeln die Beweislast. In einem Rechtsbehelfssystem müssen schließlich nicht nur die Entstehungsvoraussetzungen für die primären Rechte geregelt werden, sondern zugleich die Voraussetzungen für die Rechtsbehelfe. Weller kritisiert daher, dass ein Rechtsbehelfsmodell mit einer höheren Regelungskomplexität einhergeht:75 „Man braucht kein Ökonom zu sein um zu erkennen, dass die Anspruchsdogmatik des BGB weniger Regelungsaufwand erfordert und insofern effizienter ist.“76
Recht ist vor allem dann effizient, wenn es inhaltlich wohlfahrtssteigernd wirkt. Dies kann einem Rechtsbehelfssystem – wie noch im Einzelnen am Beispiel des Unterlassungsanspruchs dargelegt wird77 – mitunter besser gelingen als dem Anspruchssystem. Der im Übrigen moderate Preis höherer Regelungskomplexität ist damit gerechtfertigt, zumal das Anspruchssystem Regelungen vorhalten muss, für die es in einem Rechtsbehelfsmodell geringeren Bedarf gibt.78 Als Replik auf Weller soll hier genügen, dass das Privatrechtssystem jenseits des Vertragsrechts mit Rechtsbehelfen operiert. Der Unterlassungsanspruch 72
Dazu u. § 9 IV. Lorenz, AcP 212 (2012), 702, 758; Weller, S. 5, 394, 420 ff.; ders., JZ 2008, 764, 768 f., 771; Riehm, S. 226, 243, 504; vgl. zum Entwurf für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht Mansel, WM 2012, 1309, 1319; vgl. Atamer, Festschrift Hopt, S. 3, 12 (Fn. 54), der mit Blick auf die PECL darauf hinweist, dass die Beweislast für Ausnahmen des Erfüllungszwanges bei der nichterfüllenden Partei liegt. 74 Für den Kaufpreisanspruch Jauernig/Berger, § 433 Rn. 33. 75 Weller, S. 393; ders., JZ 2008, 764, 769; kritisch Schmidt-Kessel, Specific Performance, S. 69, 84. 76 Weller, S. 393. 77 Dazu u. § 8, insbesondere § 8 III. 78 Weller, S. 412 ff.; ders., JZ 2008, 764, 770, weist selbst auf das Recht der Unmöglichkeit hin; vgl. auch Wagner, JZ 1998, 482, 485 f. 73
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aus § 1004 I BGB ist anders als der vertragliche Unterlassungsanspruch als Rechtsbehelf ausgestaltet. Die unterschiedliche Ausgestaltung verlangt daher nach einer unterschiedlichen Behandlung des vertraglichen gegenüber dem negatorischen Unterlassungsanspruch. Synergieeffekte bleiben aus. Anders ist dies in einem Rechtsbehelfssystem, in dem Rechtsfolgen privatrechtsübergreifend einheitlich ausgestaltet sind. Das Effizienzargument taugt damit ebenfalls nicht als durchschlagender Einwand.
4. Gründe für eine Interpretation des Anspruchssystems als Rechtsbehelfssystem Das Anspruchssystem ist im Folgenden im Sinne des eingangs erwähnten dritten Modells fortzuentwickeln.79 Vor allem soll die im „remedy-System“ angelegte Trennung zwischen Stammrechten und Rechtsfolgen für das deutsche Recht fruchtbar gemacht werden. Ein darauf aufbauendes Rechtsbehelfssystem erweist sich gegenüber dem Anspruchssystem als überlegen (a) – d)). a) Harmonisierungsargument
Das unionsrechtliche Rechtsfolgensystem unterscheidet sich – wie gesehen – wesentlich vom Anspruchssystem. Vordergründig hat dies auf das nationale Rechtsfolgensystem allerdings keinen Einfluss. Beispielsweise ist der in der Gemeinschaftsmarkenverordnung geregelte „unionsrechtliche Unterlassungsanspruch“ ohne Rückgriff auf das nationale Recht autonom auszulegen.80 Dort geregelte Besonderheiten, wie der Verhältnismäßigkeitsvorbehalt in Art. 102 I S. 1 UMV, lassen die nationale Dogmatik des Unterlassungsanspruchs bei der Verletzung einer deutschen Registermarke unberührt.81 Dennoch kann dies zu seltsamen Konsequenzen führen: Bestehen eine nationale Marke und eine Gemeinschaftsmarke nebeneinander (Gleiches gilt für ein nationales Design und ein parallel bestehendes (eingetragenes) Gemeinschaftsgeschmacksmuster), kann trotz weitreichender Harmonisierung die Rechtslage aufgrund der unterschiedlichen Systematik des Unterlassungsanspruchs einerseits und einer unionsrechtlichen gerichtlichen Unterlassungsanordnung andererseits trotz im Wesentlichen gleicher Rechte erheblich auseinanderfallen. Die gleiche Problematik findet sich beim Patent mit einheitlicher Wirkung. Soweit man davon ausgeht, dass im EPGÜ ein unbedingter „Unterlassungsanspruch“ nicht ge79 Nochmals: Es geht nicht darum, das „remedy-Konzept“ dem Anspruchssystem überzustülpen, vgl. bereits o. § 1 (Fn. 1, 3). 80 Vgl. EuGH Urt. v. 14. 12. 2006, C-316/05 Rn. 21 – Nokia = ECLI:EU:C:2006:789 = GRUR 2007, 228, zu Art. 98 GMV (entspricht dem heutigen Art. 102 UMV). 81 Zu beachten ist aber eine richtlinienkonforme Auslegung mit Blick auf Art. 3 II Enforcement-RL (2004/48/EG), vgl. Sonnenberg, S. 91 f.
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regelt ist,82 kommt es im Ergebnis für die Reichweite des Patentschutzes darauf an, ob vor einem nationalen Gericht oder dem Einheitlichen Patentgericht geklagt wird.83 Auch im Vertragsrecht hätte die Verordnung zum Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht unmittelbar keinen Einfluss auf das nationale Kaufrecht. Ein nach Art. 110 Nr. 3 GEK nicht durchsetzbarer Kaufvertrag änderte nichts an der Dogmatik des Naturalerfüllungsanspruchs aus § 433 I S. 1 BGB. Dennoch ist unübersehbar, dass ohne „weiche Harmonisierung“ auf diese Weise die Schere zwischen nationalem Recht und internationaler Rechtsentwicklung auseinanderzuklaffen droht (auch wenn dies – zumindest – mit Blick auf das Gemeinsame Europäische Kaufrecht mangels Umsetzung nicht akut wäre). Da es jeweils um Systemfragen geht, lässt sich dies in keinem Fall mit einem Hinweis darauf kleinreden, dass punktuelle inhaltliche Unterschiede hinzunehmen sind. Man kann dies natürlich zum Anlass nehmen, die nationale Dogmatik weiterzuentwickeln.84 Rechtsvergleichende Argumentation („Harmonisierung durch gegenseitiges Überzeugen“)85 wird in diesem Zusammenhang von Stoll explizit für das Recht der Rechtsfolgen positiv für die Weiterentwicklung der Rechtsordnung herausgestellt.86 Schmidt-Kessel (nunmehr gemeinsam mit Kramme) will in einem solchen Sinne den vertraglichen Erfüllungsanspruch auch unter dem Eindruck des internationalen Rechts als Rechtsbehelf interpretieren,87 ohne zugleich der Aufgabe des im Ergebnis gegebenen Vorrangs der Nacherfüllung das Wort zu reden. Wenn also die Trennung von Forderungsrecht und Rechtsfolge die Marschrichtung ist, die vom internationalen, insbesondere vom europäischen Recht vorgegeben ist (zum Kaufrecht vgl. Art. III.-3:302 DCFR; Art. 91, 106, 110 GEK; Art. 28, 46 CISG),88 bedeutet dies dennoch nicht, dass namentlich der Naturalerfüllungsgrundsatz „geopfert“ werden muss, wenn sich gleichzeitig das „Anspruchsdenken“ für ein „Rechtsbehelfsdenken“ öffnet. Es ist durchaus möglich, inhaltlich zu Ergebnissen zu 82
Dazu o. § 3 III 1. Freilich kann unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsvorgaben (z. B. Art. 3 II Enforcement-RL) statt mittels Beschränkungen des materiellen Unterlassungsanspruchs auch über eine prozessuale Auslegung genügt werden, so Reetz/Pecnard/Fruscalzo/van der Velden/Marfé, GRUR Int. 2015, 210, 211 f.; „Anordnungen“ und „Ansprüche“ sind aber nicht dasselbe, so dass Reibungsverluste vorprogrammiert sind. Zum Harmonisierungsdruck Haedicke, GRUR Int. 2013, 609, 611 f. 84 Vgl. Hoffmann, S. 131, mit Blick auf eine Trennung von Forderung und Anspruch. Ein solcher „gemeinsamer Nenner kann auch dazu beitragen, die binneneuropäische Zivilrechtsdiskussion zu erleichtern.“; vgl. Dreier, S. 157 ff. 85 Ohly, Gutachten Juristentag, F 31; vgl. zu „rechtsvergleichender Argumentation“ auch Coendet, Rechtsvergleichende Argumentation, 2012. 86 Stoll, V. 87 PWW/Schmidt-Kessel/Kramme, § 241 Rn. 20 ff.; dazu ausführlich u. § 5 III 3 a). 88 PWW/Schmidt-Kessel/Kramme, § 241 Rn. 22; für Auskunftsansprüche vgl. Fromm/ Nordemann/Czychowski, § 101 Rn. 55. 83
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
kommen, wie sie nationaler Rechtstradition entsprechen, und zugleich das nationale System gerade auch in rechtspolitischen Diskussionen anschlussfähig zu halten. Wenn erhaltenswerte Errungenschaften des deutschen Zivilrechtsverständnisses im Einklang mit der unionsrechtlichen Sicht auf Rechtsfolgen bei der Fortentwicklung des Unionsrechts vorgetragen werden, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie Gehör finden, wesentlich erhöht. Die in dieser Arbeit aufbereitete Debatte zur materiellrechtlichen Rechtsnatur von discretionary remedies im „remedy-System“ (“remedies are rights”)89 ist dafür als Beispiel bestens geeignet. Dasselbe Anliegen verfolgt das Anspruchssystem. Ansprüche sind vom Prozessrecht emanzipiert. Unterstützung für die „remediesare-rights-Debatte“ kann das deutsche Recht auf europäischer Ebene aber wesentlich besser bieten, wenn es aus einem Verständnis als Rechtsbehelfsmodell heraus argumentiert. Statt selbst europäischem Verordnungsrecht unbesehen nationale Dogmatik überzustülpen,90 wäre mehr gewonnen, wenn Gerichte durch kluge Vorlagefragen auf die Entwicklung des „Ermessens“ bei unionsrechtlichen Rechtsfolgen im Sinne einer materiellrechtlichen Interessenabwägung Einfluss nehmen würden.91 Vor allem aber wenn es darum geht, Richtlinien ins nationale Recht zu überführen, kommt es entscheidend darauf an, Rechtsfolgen im Unionsrecht als „Rechtsbehelfe“ zu verstehen. Wenn umzusetzende europäische Rechtsakte durch die Brille nationaler Dogmatik betrachtet werden, bleiben Nuancen des unionsrechtlichen Rechtsfolgensystems mitunter vernebelt. Das unionsrechtliche Rechtsfolgenkonzept zeichnet sich – wie analysiert – dadurch aus, dass scharf zwischen Rechten und Rechtsfolgen getrennt wird.92 Vor allem besteht ein Bewusstsein dafür, dass Rechte auf unterschiedliche Weise verwirklicht werden können.93 Besonders deutlich wird das unterschiedliche Systemverständnis bei der „Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-Hows und vertraulicher Geschäftsinformationen“.94 Wie gezeigt, kann der „Unterlassungsanspruch“ durch einen „Entschädigungsanspruch“ abgelöst werden (vgl. Art. 12 RL). In diesem Zusammenhang taucht folgendes Problem auf: Die Richtlinie behandelt den Entschädigungsanspruch augenscheinlich als minus zum Unterlassungsanspruch. Dies wiederum mag Auswirkungen auf das Prozessrecht haben. Kann daher, selbst wenn Unterlassen beantragt ist, – ohne Verstoß gegen § 308 I ZPO – ein „Anspruch“ auf Entschädigung zugesprochen 89
Birks, 20 O. J. L. S. (2000), 1, 19 ff.; vgl. o. § 1 III 2. So aber BGH GRUR Int. 2005, 719 – Lila-Schokolade. 91 Zur Interpretation von „Ermessen“ als „Interessenabwägung“ o. § 5 I 3; 3 III, IV, § 1 III; entsprechend spricht Hasselblatt/Späth, CDR, Art. 89 Rn. 2, von einem “right to injunctive relief”; s. a. u. § 11 II. 92 Dazu o. § 3 II. 93 Dazu o. § 3 III. 94 RL (EU) 2016/943. 90
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werden?95 Auch wenn die Richtlinie gerade nicht verbietet, „Anordnungen“ als „Ansprüche“ umzusetzen, zeigt diese Frage, dass bei der sachgerechten Auslegung dem Systemverständnis eine gewichtige Bedeutung zukommt. Eine sachgerechte Umsetzung wird auch in anderen Beispielen durch ein Verständnis des Unionsrechts als Rechtsbehelfsmodell beeinflusst. Dies kann exemplarisch anhand von Bagatellverstößen im Lauterkeitsrecht illustriert werden.96 Dabei wird oft übersehen, dass die UGP-Richtlinie (2005/29/EG), durch die eine Vielzahl von Informationspflichten wettbewerbsrechtliche Bedeutung erhalten (Art. 7 UGP-RL), durchaus dafür sensibilisiert ist, dass Verstöße minderen Gewichts (etwa einmalige, schuldlose Verstöße, die in der konkreten Situation keinen Schaden angerichtet haben) nicht mit der gesamten Härte des lauterkeitsrechtlichen Rechtsdurchsetzungsregimes bekämpft werden müssen.97 So müssen gemäß Art. 11 I UGP-RL die Mitgliedstaaten zwar sicherstellen, dass geeignete und wirksame Mittel zur Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken vorhanden sind. In Art. 11 II UGP-RL heißt es dann aber auch: Die Mitgliedstaaten übertragen den Gerichten oder Verwaltungsbehörden Befugnisse, die sie ermächtigen, in Fällen, in denen sie diese Maßnahmen unter Berücksichtigung aller betroffenen Interessen und insbesondere des öffentlichen Interesses für erforderlich halten, namentlich die Einstellung der unlauteren Geschäftspraxis anzuordnen. Auch wenn die Verfolgung von Bagatellfällen über die Spürbarkeitsprüfung (vgl. z. B. § 5a II UWG) beziehungsweise über Art. 7 I UGP-RL („im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände“; „je nach den Umständen“; Veranlassung zu einer geschäftlichen Entscheidung) bereits tatbestandlich eingeschränkt werden kann,98 bietet die Einbettung des Lauterkeitsrechts in ein Rechtsbehelfsmodell zusätzliches Begrenzungspotential bei den Rechtsfolgen. Wie gesehen, zeigt der Wortlaut von Art. 11 II UGP-RL, dass die Verfolgung 95
Die gleiche Frage stellt sich im EPGÜ, dazu demnächst Paschold. Dazu u. § 11 III 3. 97 So aber BGH GRUR 2012, 842 Rn. 25 – Neue Personenkraftwagen; BGH GRUR 2013, 1169, Rn. 19 f. – Brandneu von der IFA; OLG Hamm, Urt. v. 26. 08. 2012, Az. I-4 U 16/12; nun aber BGH GRUR 2016, 403 Rn. 25 a. E. – Fressnapf. 98 Ohly, Unternehmerinteressen, S. 10, 22 f. Rn. 40 ff. und ders., S. 20 (Rn. 32) mit Verweis auf EuGH Urt. v. 19. 12. 2013, Az. C-281/1 Rn. 30, 38 – Trento Sviluppo = ECLI:EU:C:2013:859 = GRUR 2014, 196; Köhler, GRUR 2012, 1073, 1077 f.; ders., WRP 2014, 259, 263 f.; zu Verhältnismäßigkeitsüberlegungen im Lauterkeitsrecht Ohly, Festschrift Bornkamm, S. 423, 428 ff.; Ohly betont, dass Art. 11 UGP-RL Einschränkungen bei der Rechtsdurchsetzung offen gegenübersteht (a. a. O., S. 429 f.); in den von ihm dort diskutierten Irreführungsfällen will er die Verhältnismäßigkeitsprüfung aber in § 3 I UWG verankern (a. a. O., S. 432 f.), also nicht bei den Voraussetzungen des Rechtsfolgenrechts, sondern bereits auf Tatbestandsseite. M. E. wäre dies systematisch korrekt direkt bei der Rechtsdurchsetzung zu verorten: Während bei hinzunehmenden Irreführungen wegen eines erworbenen Besitzstandes der Unterlassungsanspruch unverhältnismäßig ist, muss dies für den Schadensersatzanspruch nicht zwingend in gleicher Weise gelten. 96
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bestimmter Rechtsverstöße nicht in jedem Falle zwingend ist, allen voran der „Unterlassungsanspruch unter dem Vorbehalt einer Interessenabwägung steht“.99 Der europäische Wortlaut (wie seine Systematik) findet hingegen in § 8 UWG kein Gegenstück. Würde das Lauterkeitsrecht demgegenüber durch eine Behörde verwaltet, würde es freilich niemanden überraschen, wenn diese von einem „Verfolgungsermessen“ (Opportunitätsprinzip) Gebrauch macht und nur Verstöße struktureller Art oder absichtliche, fortgesetzte Verstöße etc. verfolgen würde. Dies wäre im Übrigen mit der UGP-RL vereinbar, wie ein Blick nach England zumindest nahelegt.100 Eine richtlinienkonforme Umsetzung sollte eingedenk der Systematik des europäischen Rechtsbehelfsmodells daher auch im Privatrecht beispielsweise die Möglichkeit, von der Erstattung von Abmahnkosten abzusehen, bereithalten.101 Über das Lauterkeitsrecht hinaus ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Rechtsdurchsetzung insgesamt im Unionsrecht angelegt. Die Durchsetzung von Rechten hat fair, angemessen und verhältnismäßig zu sein. Einschlägige Bestimmungen wurden oben in § 3 dieser Arbeit referiert. „Ansprüche“ erscheinen vor diesem Hintergrund anders als im Anspruchssystem nicht als Automatismus.102 Fischman Afori weist insofern mit Blick auf das Urheberrecht explizit darauf hin, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (“proportionality test”) dogmatisch über die Rechtsdurchsetzung (“through the framework of remedies”) in das Unionsrecht hineinfließt:103 “The proportionality standard is classified by the directives as a constraint on the remedies, and therefore applied through the formulation of relief and not as part of substantive copyright law.”104
99 Ohly, Festschrift Bornkamm, S. 423, 430; wie in vorangegangener Fußnote dargelegt, will Ohly dies aber nicht als Rechtsfolgenfrage, sondern als Frage des materiellen Rechts im engeren Sinne lösen; vgl. auch ders., Unternehmerinteressen, S. 10, 26 Rn. 54. 100 Vgl. zur Umsetzung der UGP-RL in England: The Consumer Protection from Unfair Trading Regulation 2008; vgl. auch Office of Fair Trading (Hrsg.), Guidance on the UK Regulations (May 2008) implementing the Unfair Commercial Practices Directive (https://www. gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/284442/oft1008.pdf, zuletzt besucht am 16. 03. 2017), S. 51: “Local Authority Trading Standards Services (TSS), the Department of Enterprise, Trade and Investment in Northern Ireland and the OFT have a duty to enforce the CPRs. This does not mean that (civil or criminal) enforcement action must be taken in respect of each and every infringement. Instead, enforcers should promote compliance by the most appropriate means, in line with their enforcement policies, priorities and consistent with available resources.” 101 Dazu genauer u. § 11 III 3. 102 Zum Anspruchssystem o. § 2 III. 103 Fischman Afori, IIC 2014, 889, 890. 104 Fischman Afori, IIC 2014, 889, 891.
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Konkret besteht beispielsweise bei Sperrverfügungen die Möglichkeit einer „Enthaftung“ im Falle von Unverhältnismäßigkeit.105 Dies wiederum lässt sich nur treffend erfassen, wenn nicht in „Ansprüchen“, sondern in „Rechten“ und korrespondierenden „Rechtsbehelfen“ gedacht wird. Der unionsrechtliche Gedanke differenzierter Rechtsdurchsetzung findet im nationalen Recht bislang kein adäquates Gegenstück.106 Gerade im Hinblick auf die Haftung von Mittelspersonen (einschließlich der erwähnten Sperrverfügungen gegen Access-Provider) hat namentlich J. B. Nordemann den Systemunterschied zwischen dem Unionsrecht und dem nationalen Recht hervorgehoben.107 Die Haftung für Mittelspersonen in Art. 8 III InfoSoc-RL beziehungsweise Art. 11 S. 3 Enforcement-RL wird nicht wegen einer „Störung“ angeordnet, sondern aus Effizienzgründen vorgesehenen Hilfeleistungspflichten. Das Unionsrecht denkt nicht in Kategorien von Störern oder Rechtsverletzern, denen ein Unrechtsvorwurf gemacht werden kann; vielmehr ist eine Anordnung gegen Dritte, die „am besten“ in der Lage sind, „Hilfe zu leisten“, opportun.108 105 EuGH
Urt. v. 27. 3. 2014, C-314/12 Rn. 53 – UPC Telekabel/Constantin Film = ECLI:EU:C:2014:192 = GRUR 2014, 468 (von der Haftung zu „befreien“); Brinkel/Osthaus, CR 2014, 642, 645 f.; Czychowski/Nordemann, GRUR 2013, 986, 988, 990. 106 Für Vorlageverfahren an den EuGH Uhrich, ZGE 2009, 59, 91 f. (mit Blick auf „Patenttrolle“ und eine richtlinienkonforme Auslegung von § 139 I PatG); vgl. Janal, S. 124 f. 107 J. B. Nordemann, ZUM 2014, 499; ders., GRUR-Prax 2014, 513; ders., GRUR 2011, 977; ders., 59 Journal of the US Copyright Society (2011/12), 773; Czychowski/Nordemann, GRUR 2013, 986; für die Umsetzung der Intermediärshaftung mittels der Störerhaftung hat die prozessuale Verankerung sowie das Abstellen auf Befugnisse des Gerichts (vgl. EuGH Urt. v. 12. 7. 2011, C-324/09 Vor Rn. 128 – L’Oréal/eBay = ECLI:EU:C:2011:474 = GRUR 2011, 1025) statt auf Ansprüche zwar auf den ersten Blick keine entscheidende Relevanz (zu beachten sind freilich die Art. 12 ff. der E-Commerce-RL 2000/31/EG, vgl. EuGH Urt. v. 16. 2. 2012, C-360/10 Rn. 31 ff. – SABAM/Netlog = ECLI:EU:C:2012:85 = GRUR 2012, 382; BGH GRUR 2013, 370 Rn. 19 – Alone in the dark); der Gesetzgeber sah wegen der Störerhaftung weder im Hinblick auf Art. 11 S. 3 Enforcement-RL noch im Hinblick auf Art. 8 III InfoSoc-RL Umsetzungsbedarf, BT-Dr 16/5048, S. 30 und BT-Dr. 15/38, S. 39 f.; vor allem die „Modalitäten der von den Mitgliedstaaten nach den […] Art. 8 III und 11 S. 3 vorzusehenden Anordnungen, wie diejenigen, die die zu erfüllenden Voraussetzungen und das einzuhaltende Verfahren betreffen [sind] Gegenstand der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften“, EuGH Urt. v. 16. 2. 2012, C-360/10 Rn. 30 – SABAM/Netlog = ECLI:EU:C:2012:85 = GRUR 2012, 382; s. a. Erwägungsgrund 59 InfoSoc-RL und Erwägungsgrund 23 Enforcement-RL sowie BGHZ 172, 119 Rn. 36 – Internetversteigerung II = GRUR 2007, 708; praktisch ist allerdings vor allem die Frage relevant, ob das Haftungskonzept der Störerhaftung unionsrechtlichen Vorgaben genügt. Die Rechtsprechung (BGHZ 191, 19 Rn. 22 – Stiftparfüm = GRUR 2011, 1038; BGHZ 194, 339 Rn. 19 – Alone in the dark = GRUR 2013, 370) und Teile der Literatur (Leistner, ZUM 2012, 722, 736 ff.; kritisch Nolte/Wimmers, GRUR 2014, 16, 20 f.) bejahen dies; Leistner, ZUM 2012, 722, 726 f., 736, meint, dass eine Rechtsangleichung „über Bande“ stattgefunden hat und der EuGH die Grundkonzeption der deutschen Störerhaftung übernommen hat. 108 Czychowski/Nordemann, GRUR 2013, 986, 988 ff.; J. B. Nordemann, ZUM 2014, 499 f.; ders., 59 Journal of the US Copyright Society (2011/12), 773, 776; ders., GRUR 2011, 977, 979, 981; ders., GRUR-Prax 2014, 513, 514; vgl. Leistner, ZUM 2012, 722, 723; Nolte/ Wimmers, GRUR 2014, 16, 17 f.
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Unterlassungsansprüche beispielsweise gegen einen Provider sind „unabhängig von seiner eigenen Verantwortlichkeit“.109 Zu Recht beklagt unter diesem Eindruck J. B. Nordemann, dass eine Richtlinienumsetzung „in ausgetretenen nationalen Pfaden, die mit der Richtlinie nicht identisch sind, den Blick verstellen kann.“110 Gerade eine Umsetzung der Intermediärshaftung über das klassische Anspruchskonzept legt offen, dass deutsches und europäisches Recht gleichsam aneinander „vorbeidenken.“111 In der Tat: Während das englische „remedy-System“ für unionsrechtlich vorgegebene Anordnungen gegen Mittelspersonen anschlussfähig ist,112 bereitet die Umsetzung der referierten Normen zur Haftung von Intermediären im Anspruchssystem Schwierigkeiten. Zumindest bestimmte Fallkonstellationen wie Sperranordnungen gegen Access-Provider entblößen insoweit die Unzulänglichkeiten des Anspruchssystems.113 Wo sich das englische Recht mit der right/remedy-Dichotomie114 bei der Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben leicht tut, stößt die im Anspruchssystem verwurzelte Störerhaftung an ihre Grenzen. Schwierigkeiten bereitet auch die Haftung von Mittelspersonen im Lauterkeitsrecht. Dort findet sich im Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie keine mit Art. 11 S. 3 Enforcement-RL (2004/48/EG) vergleichbare Vorschrift, durch welche die Haftung von Intermediären geregelt ist.115 Eben diese Bestimmung ist übrigens auf das Lauterkeitsrecht ausweislich Art. 1 der Enforcement-RL nicht anwendbar.116 Im deutschen Recht haften jedoch auch „mittelbar Ver109 EuGH Urt. v. 12. 7. 2011, C-324/09 Rn. 127 – L’Oréal/eBay = ECLI:EU:C:2011:474 = GRUR 2011, 1025; Europ. Kommission, Staff Working Document SEC (2010), 1589 final, S. 16 f.; J. B. Nordemann, 59 Journal of the Copyright Society (2011/12), 773, 775; die Rede ist von “innocent parties”, Husovec, 4 JIPITEC (2012), 116. 110 Czychowski/Nordemann, GRUR 2013, 986, 990; vgl. auch Ohly, Europäische Grundsätze, S. 190, 201 und S. 211 (Diskussionsbericht). 111 Hofmann, GRUR 2015, 123, 128; ders., mit Blick auf BGH Urt. v. 26. 11. 2015 – I ZR 174/14 NJW 2016, 769. 112 Vgl. Hofmann, GRUR 2015, 123, 128, mit Blick auf Cartier International AG and others v. British Sky Broadcasting Ltd. and others [2014] EWHC 3354 (Ch); s. a. Twentieth Century Fox Film Corp v. British Telecommunications plc. [2011] EWHC 1981 (Ch); Twentieth Century Fox Film Corp v. British Telecommunications plc. (No 2) [2011] EWHC 2714 (Ch); Dramatico Entertainment Ltd v. British Sky Broadcasting Ltd [2012] EWHC 268 (Ch); Dramatico Entertainment Ltd v. British Sky Broadcasting Ltd (No 2) [2012] EWHC 1152 (Ch); eine Sperrverfügung gegen Access-Provider kann im englischen Recht auf Sec. 37 (1) Senior Courts Act gestützt werden. Die Bestimmung lautet: “The High Court may by order […] grant an injunction or appoint a receiver in all cases in which it appears to the court to be just and convenient to do so.” 113 Ohly, ZUM 2015, 308, 317 f.; ders., Gutachten Juristentag, F 108 f.; J. B. Nordemann, ZUM 2014, 499, 499 f.; Hofmann, GRUR 2015, 123, 126 ff.; Spindler, GRUR 2014, 826, 827 ff., 834; Leistner, JZ 2014, 846, 854 ff.; Brinkel/Osthaus, CR 2014, 642, 643. 114 Mit Blick auf das Unionsrecht Fischman Afori, IIC 2014, 889, 890 f. 115 Allenfalls Art. 11 I Unterabs. 4 UGP-RL, Alexander, GRUR Int. 2005, 809, 812; vgl. Köhler/Feddersen/Bornkamm, § 8 Rn. 2.1a. 116 Zum Anwendungsbereich der Enforcement-RL s. a. EuGH Urt. v. 10. 4. 2014,
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antwortliche“ auf Basis des UWG. Bis zur Entscheidung Jugendgefährdende Medien war der Störer im Falle der Verletzung von Prüfpflichten Adressat eines entsprechenden lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruchs.117 Nunmehr haften diejenigen, die lauterkeitsrechtliche Verkehrspflichten verletzen, auf Unterlassen und Schadensersatz. Die neue Formel der Rechtsprechung lautet: „Wer durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die ernsthafte Gefahr begründet, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, ist auf Grund einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht dazu verpflichtet, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen.“118
Im Anwendungsbereich der eine Vollharmonisierung bezweckenden UGPRichtlinie119 stellt sich die Frage, ob dieses Haftungskonzept mit dem Unionsrecht vereinbar ist.120 Aus deutscher Sicht liegt es nahe, nach einer materiellrechtlichen Richtlinienvorgabe zu suchen. In der Kommentarliteratur und Rechtsprechung wird in diesem Sinne mangels irreführenden oder aggressiven Verhaltens des Plattformbetreibers selbst überwiegend die verbraucherrechtliche Generalklausel aus Art. 5 II UGP-RL als geeignete Richtliniengrundlage identifiziert.121 Zur unternehmerischen/beruflichen Sorgfalt eines Plattformbetreibers soll es gehören, dass er etwa gegen den verbotenen Vertrieb jugendgefährdender Medien beziehungsweise allgemeiner: gegen irreführende oder aggressive Geschäftspraktiken im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren einschreitet.122 Wettbewerbsrechtliche Verkehrspflichten erscheinen dann als
C-435/12 Rn. 59 ff. – ACI Adam/Stichting de Thuiskopie = ECLI:EU:C:2014:254 = GRUR Int. 2014, 605; für Analogie Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 123d. 117 Köhler/Feddersen/Bornkamm, § 8 Rn. 2.2 ff.; zur Aufgabe der Störerhaftung im Lauterkeitsrecht BGH GRUR 2011, 152 Rn. 48 – Kinderhochstühle im Internet; vgl. BGH GRUR 2015, 1025 Rn. 17 – TV-Wartezimmer. 118 BGHZ 173, 188 Rn. 36 – Jugendgefährdende Medien = GRUR 2007, 890; folgend BGH GRUR 2013, 301 Rn. 51 – Solarinitiative; BGHZ 201, 344 Rn. 15 ff. – Geschäftsführerhaftung = GRUR 2014, 883. 119 EuGH Urt. v. 23. 4. 2009, C-261/07, C-299/07 Rn. 52 – VTB/Total Belgium = ECLI:EU:C:2009:244 = GRUR 2009, 599; Köhler/Bornkamm, Einl. Rn. 3.56; Ohly/Sosnitza, Einf C Rn. 45; vgl. Art. 4 UGP-RL. 120 Köhler/Feddersen/Bornkamm, § 8 Rn. 2.6 ff.; Köhler, WRP 2012, 22, 26; Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 123d; ders., Festschrift Ahrens, S. 135, 140 ff.; Hofmann, WRP 2015, 1331, 1332. 121 Köhler, WRP 2012, 22, 26; Köhler, a. a. O., 26 f., will auch den in der Halzband-Entscheidung (BGHZ 180, 134 = GRUR 2009, 597) entwickelten „selbständigen Zurechnungsgrund“ im Falle fehlender Sicherung eines geschäftlichen Mitgliedskontos unter § 3 II UWG (bzw. in Fällen ohne Verbraucherbeteiligung § 3 I UWG) fassen, vgl. auch Köhler/Feddersen/ Bornkamm, § 8 Rn. 2.14b; BGHZ 201, 344 Rn. 22 – Geschäftsführerhaftung = GRUR 2014, 883. 122 Köhler, WRP 2012, 22, 26; dieser Fall liegt freilich außerhalb der UGP-Richtlinie, vgl. Köhler/Feddersen/Bornkamm, § 8 Rn. 2.8; s. a. Ohly, Festschrift Ahrens, S. 135, 141 mit Blick auf EuGH Urt. 17. 10. 2013, C-391/12 Rn. 36 ff. – RLvS Verlagsgesellschaft/Stuttgarter Wochenblatt = ECLI:EU:C:2013:669 = GRUR 2013, 1245.
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eine Fallgruppe der Verbrauchergeneralklausel des § 3 II UWG, die sich an Art. 5 II UGP-RL zu messen hat.123 Dabei wird übersehen, dass das Unionsrecht scharf zwischen (prozessualen beziehungsweise verfahrensrechtlichen) Regelungen betreffend Rechtsfolgen und dem materiellem Recht im engeren Sinne trennt.124 Wie im Markenrecht beispielsweise der Betreiber eines Online-Marktplatzes eine Marke in einem Angebot eines Nutzers nicht selbst benutzt und daher nur als Mittelsperson nach Art. 11 S. 3 Enforcement-RL verantwortlich sein kann,125 begeht auch der Betreiber eines solchen Marktplatzes selbst nicht den Lauterkeitsverstoß eines Account-Inhabers, so dass er nach der unionsrechtlichen Systematik allenfalls Adressat von „Anordnungen gegenüber Mittelspersonen“ sein kann. Eine solche Vorschrift ist nach der unionsrechtlichen Systematik aber in den Rechtsfolgenbestimmungen und nicht im „Sachrecht“ zu suchen.126 Rechtsgrundlage für das lauterkeitsrechtliche Verkehrspflichtenkonzept kann daher nicht Art. 5 II UGP-RL sein, sondern nur Art. 11, 13 UGP-RL.127 Dort wiederum besteht zwar keine ausdrückliche allgemeine Regelung für eine Haftung für Mittelspersonen. Den Mitgliedstaaten wird aber ein weiter Spielraum im Hinblick auf die Sanktionierung von Wettbewerbsverstößen gewährt.128 Im Ergebnis ist die Entwicklung nach Jugendgefährdende Medien daher unionsrechtskonform. Dieser Exkurs belegt freilich den Systemunterschied: Das Unionsrecht versteht Rechtsfolgen losgelöst vom eigentlichen mate123
Köhler, WRP 2012, 22, 26. Fischman Afori, IIC 2014, 889, 890 f.; m. E. unzutreffend daher Ruhl, Art. 89 Rn. 19 zum Gemeinschaftsgeschmacksmuster; er meint, dass es der „Störerhaftung“ nicht bedarf, da sich der Benutzungsbegriff in Art. 19 GGV entsprechend weit auslegen lässt. Im Einklang mit dem Unionsrecht ist aber auf den Rechtsgedanken aus Art. 11 S. 3 Enforcement-RL zurückzugreifen. Darüber hinaus: Es wird vertreten, dass derjenige, der nur eine Verkehrspflicht verletzt, nicht Täter einer Urheberrechtsverletzung sein kann. Damit eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 I InfoSoc-RL vorliegt, müssen die dafür vom EuGH entwickelten Kriterien erfüllt sein. Das soll aber bei nur mittelbar Handelnden regelmäßig nicht der Fall sein (Ungern-Sternberg, GRUR 2012, 576, 581 f.; dem folgend Hügel, S. 43 ff.). Insbesondere soll es bei dem, der nur mittelbar eine Ursache für die Rechtsverletzung setzt, daran fehlen, dass er „in voller Kenntnis der Folgen“ handelt (Ungern-Sternberg, GRUR 2012, 576, 581, Fn. 80). Das von einer wachsenden Zahl von Literaturvertretern propagierte Konzept der Haftung für Verkehrspflichtverletzungen soll nicht im Einklang mit dem Unionsrecht stehen (Ungern-Sternberg, GRUR 2012, 576, 581; folgend Hügel, S. 43 ff., 63 f.). Es wird dabei freilich übersehen, dass unionsrechtlich für Vermittlungshandlungen gehaftet wird, auch wenn eine selbst begangene materiellrechtliche Urheberrechtsverletzung fehlt. 125 EuGH Urt. v. 12. 7. 2011, C-324/09 Rn. 128 ff. – L’Oréal/eBay = ECLI:EU:C: 2011:474 = GRUR 2011, 1025. 126 Ohly, Festschrift Ahrens, S. 135, 142 ff.; Hofmann, WRP 2015, 1331, 1332. 127 Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 123d, der für eine Analogie zu Art. 11 S. 3 Enforcement-RL plädiert; ders., Festschrift Ahrens, S. 135, 142 ff. 128 Freilich dürfen Rechtsfolgen die Wertungen des Richtlinienrechts nicht konterkarieren, EuGH Urt. v. 17. 1. 2013, C-206/11 Rn. 46 ff. – Köck = ECLI:EU:C:2013:14 = GRUR 2013, 297. 124 Vgl.
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riellen Recht. Das nationale Recht basiert in Kontrast dazu auf Haftungskonzepten, die nicht zwischen Rechtsverletzung und Rechtsdurchsetzung unterscheiden.129 Vor allem dann, wenn die Rechtsprechung des EuGH zu den einschlägigen Vorschriften wie Art. 8 III InfoSoc-RL oder Art. 5 II UGP-RL umfangreicher und ausdifferenzierter wird, darf prognostiziert werden, dass der rechten Systematisierung entscheidende Bedeutung zukommen wird. Ein pauschaler Verweis darauf, dass lauterkeitsrechtliche Verkehrspflichten aus der unternehmerischen Sorgfalt folgen, wird spätestens dann womöglich nicht mehr überzeugen. Für die Anschlussfähigkeit des deutschen Rechts empfiehlt es sich daher, das Anspruchssystem ebenfalls als Rechtsbehelfsmodell zu interpretieren.130 Nur dann können positive Errungenschaften der Dogmatik des Anspruchssystems in die europäische Dogmatik überführt werden. Ein neues Systemdenken kann als Brückenkopf zwischen nationaler Tradition und der Herausbildung eines unionsrechtlichen Rechtsfolgensystems fungieren. Nur wird es Zeit, dass sich die deutsche Rechtsordnung der Entwicklung nicht verschließt. Es bedarf nationalen Rechts, das bereit ist, sich „im Geiste“ des Unionsrechts fortzuentwickeln.131 b) Eröffnung übergreifender Funktions- und Strukturanalysen
Im Anspruchssystem ruht der Blick auf der einzelnen Anspruchsgrundlage. Besonders vertragliche und gesetzliche Unterlassungsansprüche erscheinen als etwas kategorial Unterschiedliches. Eine übergreifende Analyse käme in der Tat einem Vergleich von Äpfeln mit Birnen gleich.132 Dabei wäre eine gemeinsame Betrachtung durchaus wünschenswert. Auch hier inspiriert der Rechtsvergleich. So hat Waddams zum anglo-amerikanischen Recht darauf hingewiesen, dass die übergeordnete Betrachtung von remedies helfen kann, Parallelen zwischen Vertrags- und Deliktsrecht aufzuzeigen: “The subject [the law of remedies] is worthy of study because it enables illuminating parallels to be drawn that cross the boundaries between contract and tort, and between law and equity.”133
Zakrzewski lobt das Verdienst Lawsons, der das erste Buch zur übergreifenden Analyse von remedies im englischen Recht vorgelegt hat: 129 Die lauterkeitsrechtliche Haftung wegen Verkehrspflichten ist dem allgemeinen Deliktsrecht entlehnt, BGHZ 173, 188 Rn. 36 – Jugendgefährdende Medien = GRUR 2007, 890. 130 Zum Gedanken der „Anschlussfähigkeit” Dreier, S. 158. 131 Ähnlich Czychowski/Nordemann, GRUR 2013, 986, 990; Hofmann, GRUR 2015, 123, 130. 132 Dazu o. Einleitung I. 133 Waddams, 3 O. J. L. S. (1983), 113, 121; vgl. auch Barnett/Harder, S. 1 f.; J. Fischer, Brandeis L. J. (2001), 575 ff.; kritisch für das Schadensrecht aber Thüsing, ZRP 2001, 126, 128.
144
§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
“However, the work’s originality and achievement lay in demonstrating that there was value in looking at different types of remedies side by side.”134
Auch Burrows schreibt im Vorwort zu seinem Lehrbuch zu Remedies for Torts and Breach of Contract: “Although there are several books dealing with one (or more) of the remedies for torts and breach of contract, as well as sections on remedies in books on contract, tort and equity respectively, this is the first book to treat the area as a coherent whole. This has the great advantage of enabling the many similarities, as well as the differences, between tortious and contractual remedies and their governing principles to be fully appreciated.”135
Den Vorteil einer Gesamtbetrachtung der Haftungsfolgen sieht aus deutscher Perspektive Stoll wiederum darin, dass es „innerhalb jeder Rechtsordnung […] zu einem Zusammenspiel der einzelnen Haftungsfolgen [kommt], die sich vielfach wechselseitig bedingen und beeinflussen.“136 In der Tat lassen sich zunächst vielfach dogmatische Überschneidungen beobachten. Wird beispielsweise eine Bereicherung des Schuldners an den Gläubiger ausgekehrt, entfällt möglicherweise ein Schaden des Gläubigers. Im Streit um das Verhältnis von Schadensersatz- und Beseitigungsansprüchen geht es darum, inwieweit strengere Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs durch geringere Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs ausgehebelt werden dürfen.137 Es ist wohl kein Zufall, dass dies immer wieder von Picker angemahnt wird – einem Zivilrechtslehrer, der sich der privatrechtsübergreifenden Analyse der zivilrechtlichen Haftungssysteme verschrieben hat.138 Eine Pflicht zur Auskunft wird obsolet, wenn dem Grunde nach schon kein Anspruch auf Ersatz des Schadens besteht.139 Etwas anderes würde gelten, wenn man der Rechtsfolge Auskunft eine selbständige Präventivfunktion zuerkennen würde.140 Wenn ein Unternehmer fürchten muss, dass ihm im Falle einer Rechtsverletzung über den Auskunftsanspruch „in die Karten“ geschaut werden kann,141 mag ihn das stärker von der Rechtsverletzung abhalten als die Pflicht zum Ausgleich der dem Gläubiger entstandenen – möglicherweise ohnehin nur geringen – Schäden. Im Wissen darum könnten Schwächen bei der Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs (Schadensnachweis oder auch die Problematik von Streuschäden) unter Präventionsgesichtspunkten leichter hingenommen wer134
Zakrzewski, S. 23. Burrows, xi. 136 Stoll, S. 3. 137 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 49 ff. 138 Näher o. § 2 II. 139 Vgl. BGH GRUR 1995, 349, 352 – Objektive Schadensberechnung; zum Unterhaltsrecht Niepmann/Schwamb, Rn. 687. 140 Vgl. Petersen, Medienrecht, § 6 Rn. 40. 141 Petersen, Medienrecht, § 6 Rn. 40. 135
I. Modifiziertes Rechtsbehelfssystem
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den. Gerade auch die Kontrastierung der Rechtsfolge Unterlassen mit funktionsäquivalenten Alternativrechtsfolgen verspricht wertvolle Erkenntnisse für die Stellung dieser Rechtsfolge im Rechtsfolgensystem. Umgekehrt offenbart sich das Fehlen übergreifender Analysen vor allem im Bereicherungsrecht.142 Durch das „Denken in Anspruchsgrundlagen“ wird der Blick auf übergeordnete Wertungen verdeckt. §§ 346, 812 I S. 1, 1. Alt. BGB und § 985 BGB werden selten in Zusammenhang gesetzt.143 Symptomatisch ist vor allem das Verständnis der Eingriffskondiktion. Sie wird nicht privatrechtsübergreifend als „bereicherungsrechtliche Rechtsfolge“, also als Abhilfemittel (“restitution for wrongs”), das anders als die kompensatorischen Rechtsfolgen nicht das Vermögen des Gläubigers, sondern des Schuldners als Anknüpfungspunkt wählt, wahrgenommen.144 Im englischen Recht werden demgegenüber unter dem Dach des Law of Restitution sämtliche Rechtsfolgen, die das Vermögen des Schuldners als Bezugspunkt haben, im wahrsten Sinne des Wortes mit Gewinn gemeinsam analysiert.145 Die Trennung von Rechten und Rechtsfolgen zur Rechtsverwirklichung würde ein solches Vorgehen erleichtern. Der Vorwurf, vertragliche und gesetzliche Schuldverhältnisse zu vermengen, wäre entkräftet. Es ginge ja schließlich übergeordnet darum, welche „Rechtsbehelfe“ die Rechtsordnung zum Zwecke der Durchsetzung bestimmter Rechte, seien diese vertraglicher oder gesetzlicher Natur, vorhält. Gleiches gilt für die Struktur der Rechtsfolgen. Beim hier besonders interessierenden Unterlassungsanspruch findet sich – wie unten in § 7 noch genauer auszuführen sein wird – über das Privatrecht hinweg keine einheitliche Aus142 Kritisch
zu einer übergreifenden Analyse des Schadensrechts Schlechtriem, ZEuP 1997, 232, 241 f. und aber auch S. 234; aber Steffen, NJW 1995, 2057, 2058 ff.; vgl. Jansen, AcP 216 (2016), 112, 227. 143 Vgl. aber Magnus, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler, 2016. 144 Bereits o. § 2 II 4; s. a. u. § 5 III 4 c); statt übergreifend zu ergründen, wann bereicherungsrechtliche Rechtsfolgen greifen sollten, also gemeinsam abzuhandeln, warum bzw. warum nicht § 812 I S. 1, 2. Alt. BGB bei der Zuwiderhandlung gegen Immaterialgüterrechte, bei Eingriffen in das Eigentumsrecht oder der Verletzung eines Vertrags Anwendung findet, wird herkömmlicherweise die Eingriffskondiktion gemeinsam mit der Leistungskondiktion besprochen (vgl. Medicus/Lorenz, SR BT, 9. Teil). Es erscheint aber fruchtbarer, die Leistungskondiktion gemeinsam mit § 346 BGB und infolge von Widerrufsrechten entstehenden Rückabwicklungsverhältnissen vorzustellen, während die Eingriffskondiktion ihren Platz neben Verträge, Eigentum oder Immaterialgüterrechte verwirklichende Rechtsfolgen finden sollte. Dort wiederum sollte die aus dem Geistigen Eigentum bekannte „Lizenzanalogie“ als bereicherungsrechtliche Rechtsfolge jenseits des Schadensersatzanspruchs aber wiederum gemeinsam mit § 285 BGB abgehandelt werden. Dadurch ist eine Konzentration auf die jeweils entscheidenden Fragen möglich: Ist verschuldensunabhängig eine Herausgabe eines Zugewinns im Vermögen des Dritten angezeigt? Oder namentlich bei der Leistungskondiktion: Muss im Sinne einer corrective justice eine Vermögensverschiebung korrigiert werden, dadurch dass originär ein Stammrecht auf Rückforderung entsteht? Eine übergreifende Analyse von Rechtsfolgen, die ausschließlich an das Vermögen des Anspruchsgegners anknüpfen, wird letztlich durch die Fokussierung auf Anspruchsgrundlagen gehemmt. 145 Vgl. nur Virgo, S. 18.
146
§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
gestaltung. Patentrechtliche, wettbewerbsrechtliche, nachbarrechtliche, vertragliche etc. Unterlassungsansprüche entwickeln bisweilen jeweils eine Sonderdogmatik. Wenn Rechtsfolgen als Rechtsbehelfe wahrgenommen werden, ist eine einheitliche Dogmatik aber die logische Konsequenz. Dies ist schon aus Gründen der Einheit der Rechtsordnung, aber auch der Vereinfachung wünschenswert. Vor allem aber wird der Blick nicht durch vermeintliche Besonderheiten spezialgesetzlicher Unterlassungsansprüche verzerrt und die Angemessenheit der einschlägigen Rechtsfolge kann ungetrübt von dogmatischen Besonderheiten beurteilt werden. Alles in allem wird dies international ähnlich gesehen. Repräsentativ schreiben Adar und Shalev: “Notwithstanding, from time to time one may discern judicial recognition of the need to question the justification for traditional distinctions between remedial principles operating within the various branches of civil law. We believe this trend is desirable, as it enables judges and lawyers to identify similarities (and differences) between remedial problems arising in various branches of law. Such awareness facilitates understanding of the law, and enables the design of more simple and coherent rules. This in turn would contribute to the realization of the basic values of fairness, certainty and efficiency which civil justice is supposed to promote.”146
Dem ist nichts hinzuzufügen. c) Transparenz bei der Rechtfertigung von Rechtsfolgen
Die Trennung von Stammrechten und Rechtsfolgenrechten zu ihrer Verwirklichung schafft ferner zusätzliche Transparenz bei der Rechtfertigung von Rechtsfolgen. Warum besteht eine konkrete Leistungs- oder Unterlassungspflicht? Dies gelingt weder einem reinen Blick auf „Rechte“ noch einer bloßen Fokussierung auf „Pflichten“ hinreichend differenziert.147 Wird lediglich auf das Recht geblickt, beispielsweise Unterlassen verlangen zu können oder einen Anspruch auf Entschädigung zu haben, wird der Grund für den Unterlassungs- beziehungsweise Entschädigungsanspruch nicht ohne Weiteres klar. Erst der Blick auf das dem Anspruch vorausliegende Recht liefert dafür die Begründung. Aus der Lehre Hohfelds, der bekanntlich zwischen right, privilege, power und immunity unterscheidet,148 wurde nun aber geschlossen, dass das Eigentumsrecht als ein Bündel von Rechten zu verstehen ist.149 Es wird von der Zuweisung einer (Viel-)Zahl von Einzelbefugnissen 146 Vgl.
Adar/Shalev, 23 Tul. Eur. & Civ. L. F. (2008), 111, 120 f. Zum Verhältnis unterschiedlicher Rechte und unterschiedlicher Pflichten u. § 9 I 4. 148 Hohfeld, 23 Yale L. J. (1913), 16, 28 ff.; ders., 26 Yale L. J. (1917), 710. 149 Vgl. Goldhammer, S. 84 ff.; Zech, S. 99 f.; auch das Schuldverhältnis im weiteren Sinne (dazu Siber, Rechtszwang, S. 92) kann letztlich als ein Bündel von Rechten (Schuldverhältnisse im engeren Sinne) verstanden werden. Von letzterem ist nach hier vertretener Ansicht die konkrete Durchsetzungsmöglichkeit (z. B. Erfüllung in Natur) zu unterscheiden. 147
I. Modifiziertes Rechtsbehelfssystem
147
gesprochen.150 Wenn dabei auf die Befugnisse abgestellt wird, die man im Ergebnis hat, also beispielsweise einen Anspruch auf Vergütung im Falle einer „Privatkopie“ gemäß §§ 53 I, 54 I UrhG, ohne zugleich das vorausliegende Vervielfältigungsrecht aus § 16 UrhG in die Betrachtung einzubeziehen,151 beraubt man sich der Begründungsmöglichkeit für eben den Vergütungsanspruch. Dem Urheber zunächst das Recht zuzusprechen, Vervielfältigungen seines Werkes exklusiv vornehmen zu können,152 um es dann aber wegen §§ 53 ff. UrhG in bestimmten Konstellationen nur mittels Vergütungs- statt Unterlassungsansprüchen für durchsetzbar zu erklären, ist kein Widerspruch. Erst die Unterscheidung zwischen der Zuweisung des Vervielfältigungsrechts nach § 16 UrhG und seiner Durchsetzung nach §§ 54 ff. UrhG macht deutlich, warum der Dritte eine Vergütung schuldet. Auch sie dient der Verwirklichung des Vervielfältigungsrechts und damit des Urheberrechts.153 Dieser Zusammenhang wird ausgeblendet, wenn der Zahlungsanspruch isoliert als right im Sinne Hohfelds betrachtet wird. Die „Bündeltheorie“ nimmt zwar für sich in Anspruch, die Rechtfertigung von Rechten nicht mit Verweis auf vorrechtliche Gegenstände zu verschleiern, sondern offen anzusprechen.154 Der Fokus liegt dabei aber auf der Rechtfertigung der konkreten Befugniszuweisung; eine Unterscheidung zwischen Zuweisung einer „Grundbefugnis“ und deren Durchsetzung wird nicht vorgenommen. Eine solche wäre aber aufgrund ihrer feinsinnigeren Art überlegen – erst recht, wenn man verlangt, dass sowohl die Rechtszuweisung als auch die konkrete Rechtsdurchsetzung jeweils für sich genommen begründungsbedürftig sind. Dazu gleich näher. Zunächst aber noch zwei weitere Beispiele: Der Ausschluss des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs im Fall eBay v. MercExchange stellt sich nach der kritisierten Theorie nur als Fall eines „Nicht-Rechts“ beziehungsweise einer Zuweisung eines Vergütungsrechts dar.155 Dass aber auch der Vergütungsanspruch letztlich der (differenzierten) Durchsetzung des „Patentrechts“ dient, bleibt unausgesprochen. Geht man hingegen von einem Eingriff in das dem Patentinhaber zugewiesene Stammrecht aus, lassen sich die Gewährung eines Entschädigungsanspruchs und der gleichzeitige Ausschluss des Unterlassungsanspruchs erklären. Der Berechtigte erfährt in der „Patenttrollkonstellation“ bereits durch den Zuspruch einer angemessenen Entschädigung ausreichend Gerechtigkeit. Er kann auf diese Weise sein Recht verwirklichen. Aus der 150 Zu
589 ff.
Gütern als Rechtebündeln in der ökonomischen Theorie Schäfer/Ott, S. 69 ff.,
151 Vgl. auch Oberndörfer, S. 129 ff.; Eigentum wird nur zu einem Oberbegriff („Repräsentationsbegriff“) ohne materielle Konsequenzen, vgl. Goldhammer, S. 82 f. 152 Vgl. Stieper, S. 131 f. und Haß, Festschrift Klaka, S. 127, 133, 134. 153 Zur „Schrankendogmatik“ bereits o. § 2 III 2 b); zum Verständnis von Schranken als Rechtsfolgenregelungen u. § 5 III 1 und insbesondere u. § 5 IV 2 a). 154 Vgl. Goldhammer, S. 14 ff., 81 f. 155 Vgl. Goldhammer, S. 86 f.; eBay Inc. v. MercExchange, L. L. C. 547 U. S. 388 (2006).
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
Zuweisung des Stammrechts folgt demgegenüber ein Unterlassungsanspruch gerade nicht zwingend.156 Auch wer im Falle des Notstandes nach § 904 BGB eine Ausschließungsbefugnis schon gar nicht als erteilt sieht, statt zu argumentieren, dass diese von § 903 BGB zwar gewährt wird, wegen § 904 S. 1 BGB aber nicht mittels Unterlassen durchsetzbar ist,157 blickt einseitig auf das Ergebnis, nicht auf dessen Herleitung. Geht man im Einklang mit den Vertretern des „bundle of rights-Ansatzes“ davon aus, dass jede Rechtszuweisung einer Rechtfertigung bedarf beziehungsweise diese namentlich nicht schon aus der angeblichen „Herrschaft“ über ein Objekt folgt,158 übertrifft der hier verfolgte Trennungsgedanke dieses Anliegen sogar noch. Anstelle einer „Pauschalrechtfertigung“ kann unterschieden werden zwischen der Frage nach der Rechtfertigung des Stammrechts und der Rechtfertigung des Zuspruchs einer bestimmten Rechtsfolge zu dessen Verwirklichung.159 Die Unterscheidung zwischen zwei Rechten, Stammrecht und Rechtsfolgenrecht, liefert damit eine noch höhere Transparenz bei der Rechtfertigungsfrage. Gleiches gilt für die umgekehrte Perspektive, die lediglich auf Pflichten schaut. So führt die Imperativentheorie sämtliche Rechtssätze auf die Anordnung von Geboten beziehungsweise Verboten zurück.160 Nach Thon, der als Begründer dieser Sichtweise in Deutschland gilt,161 ist das gesamte Recht „nichts als ein Complex von Imperativen, welche insofern miteinander verknüpft und verbunden sind, als die Nichtbefolgung der einen für andere häufig die Voraussetzung des Befohlenen bildet.“162 Ähnlich soll in den Worten von Engisch das Recht nach der Imperativentheorie „seiner Substanz nach aus Imperativen und nur aus Imperativen besteh[en].“163 Rechtssätze fordern ein bestimmtes Verhalten; sie haben verpflichtende Kraft.164 Entsprechend soll sich der Gehalt von Ausschließlichkeitsrechten darin „erschöpfen“, dass neben
156
Dazu sogleich u. § 5 I 4 d). Siber, Rechtszwang, S. 105. 158 Vermittelnd Zech, S. 100 ff.; zur umfassenden Herrschaft des Urhebers über sein Werk Fromm/Nordemann/Dunstmann, Vor § 44a ff. Rn. 1; Schack, UrhR, § 11 Rn. 341; vgl. Ulmer, § 18, S. 114 ff.; Rehbinder/Peukert, § 7 Rn. 142. 159 Für eine transparente Diskussion von proprietary remedies als „Zuweisungsentscheidungen“ Evans, 23 Syd. L. R. (2001), 463, 476 ff. 160 Thon, S. 1 ff.; Engisch, S. 19 ff.; vgl. Röhl/Röhl, S. 230 ff. und S. 190; Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, § 4 Rn. 148 ff.; s. a. Gmür, S. 28; kritisch Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 74 ff.; Larenz, Festschrift Engisch, S. 150 ff.; ders., Festschrift Sontis, S. 129, 134 ff.; Fikentscher, S. 158 ff.; Hoffmann, S. 41 ff.; für positive Zuweisung auch Zech, S. 68 ff.; Peukert, Güterzuordnung, S. 857 ff. 161 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 74 (Fn. 7). 162 Thon, S. 8. 163 Engisch, S. 20. 164 Engisch, S. 20. 157 Vgl.
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dem Berechtigten alle anderen ausgeschlossen sind.165 „[D]as Eigentum, das als Prototyp eines subjektiven Rechtes gelten kann, [wird] dadurch und nur dadurch ‚gewährt‘, dass jedermann verboten wird, den Eigentümer im Genuss der ihm gehörigen Sache zu beeinträchtigen, also ihn zu bestehlen, zu berauben, ihm den Besitz vorzuenthalten, ihm den Gebrauch zu verleiden usw. […].“166 Da wegen der allgemeinen Handlungsfreiheit ohnehin jeder tun und lassen kann, was er will, bedarf es nur der negativen Ausschlussanordnung. Aber auch vertragliche Rechte, wie letztlich sämtliche Rechte, sollen sich auf Pflichten „reduzieren“ lassen.167 Die Pflicht ist das Korrelat des Imperativs.168 Auch der bloße Blick auf Pflichten lässt offen, warum der Schuldner zu etwas verpflichtet wird. Die Pflicht zur Zahlung des Kaufpreises erklärt sich vielmehr daraus, dass der Gläubiger ein korrespondierendes Recht hat, das durch die korrespondierende Zahlungsverpflichtung zur Geltung kommt.169 Die Pflicht zur Zahlung einer Rente gemäß § 912 II S. 1 BGB wird erst im Kontext der sie begründenden Eigentumsverletzung verständlich. Die Pflicht zur Bereicherungsherausgabe wegen eines Rechtseingriffs lässt sich erst in Bezug auf das vorgelagerte Recht verstehen. Nur wenn es sich um ein Vermögensrecht handelt, durch das die wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit zugeordnet ist („Zuweisungsgehalt“), greift die Eingriffskondiktion nach § 812 I S. 1, 2. Alt. BGB.170 Wer nur auf die Leistungspflicht blickt und namentlich den positiven Gehalt des Eigentums gemäß § 903 S. 1 BGB vernachlässigt, gerät in Erklärungsnöte.171 Die Pflicht, eine Domain nicht doppelt anzumelden, lässt sich nur plausibel machen, wenn ein vorausgelagertes Recht anerkannt ist. Wer nur debattiert, ob eine Unterlassungspflicht besteht, verschleiert, dass es um die Frage der Anerkennung eines Rechts am Domainnamen geht.172 Das bloße Abstellen auf Pflichten kann mithin die Wechselwirkung zwischen dem Stammrecht und den zu seiner Verwirklichung gewährten Rechtsfolgen nicht hinreichend abbilden. Bei einer Fokussierung auf Pflichten bleibt der „teleologische Gesichtspunkt“ vernachlässigt. Daher sind Pflichten nie „Selbstzweck, sondern die notwendige Folge der Tatsache, daß das Recht bestimmte soziale Ordnungsverhältnisse verwirklichen will“.173 Pflichten werden „einzig und allein um des Berechtigten willen statuiert.“174 165
Bucher, S. 152 f. Engisch, S. 24. 167 Engisch, S. 17. 168 Engisch, S. 20. 169 Näher u. § 5 III 3; § 9 I 4. 170 Jauernig/Stadler, § 812 Rn. 50 f. 171 Vgl. Zech, S. 69. 172 Zum Streitstand MünchKomm/Baldus, § 1004 Rn. 29 ff. 173 Bucher, S. 64. 174 Bucher, S. 64 f. 166
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Dass Verbote auf ihnen vorangehenden Wertungen beruhen, wird von Vertretern der Imperativentheorie durchaus gesehen.175 So meint Engisch: „Allgemein darf gesagt werden, dass das Zurückgehen auf solche den Rechtssätzen zugrunde liegende Wertungen für das rechte Verständnis und die Inhaltsbestimmung der Rechtssätze von größter Bedeutung ist.“176
Ohne Imperative wären die bloßen Bewertungsnormen allerdings „ohne Zeugungskraft“, „rein platonisch“.177 Fikentscher wiederum spricht von einer „gebotsdienenden Aufgabe“.178 Dies ändert aber nichts daran, dass bei dieser Betrachtung Rechte hinter den Pflichten zurückstehen. Erst die Trennung von Stammrechten und Rechtsfolgenrechten, die beide Elemente gleich gewichtet, macht deren Verhältnis zueinander transparent. Das konkrete Stammrecht liefert erst den Maßstab für die im Ergebnis den Einzelnen treffende konkrete Pflicht.179 Überzeugend ist hingegen die Sicht derer, die die Rechtsordnung als Rechtszuweisungsordnung lesen.180 Durch die Zuweisung von Rechtspositionen werden einem Privatrechtssubjekt Güter zugeordnet. Zugleich werden notwendige Schutzmechanismen statuiert. Die „güterzuordnenden Rechtspositionen als Schutzgut“ und die entsprechenden „Schutzrechte“ sind kategorial voneinander zu unterscheiden. Nur wenn ein entsprechendes „Schutzsubstrat“ zugewiesen ist, lässt sich rechtfertigen, warum ein Verhalten allen außer einer bestimmten Person untersagt ist. Ein „Schutzrecht“ setzt die Existenz einer zu schützenden Rechtsposition voraus.181 So kann beispielsweise § 826 BGB nur dann treffend erklärt werden, wenn eine vorausgelagerte Zuweisung mitgedacht wird.182 d) Differenzierungsmöglichkeiten
Der größte Vorzug des „Denkens in Rechtsbehelfen“ liegt in den damit gewonnenen stärkeren Differenzierungsmöglichkeiten. In einem solchen System ist die entscheidende Frage nicht, ob eine einschlägige Anspruchsgrundlage besteht, sondern wie ein identifiziertes Stammrecht angemessen durchgesetzt 175
Engisch, S. 24, 26 ff.; vgl. auch Röhl/Röhl, S. 235. Engisch, S. 28. 177 Engisch, S. 28. 178 Fikentscher, S. 160; vgl. auch M. Heinze, DB-Beilage Nr. 9/83, 1, 3; Münzberg, S. 64. 179 Zur Bedeutung von Rechtspflichten im Rahmen der Rechtsdurchsetzung u. § 9 I 4. 180 Picker, Festschrift Canaris, S. 1001, 1017; ders., Festschrift Medicus, S. 311, 317; ders., JZ 2010, 541, 546 f.; ders., Festschrift Schilken, S. 85, 92 f.; Bernhard, Festschrift Picker, S. 83, 103 ff.; Hoffmann, S. 35 ff.; Katzenstein, S. 142 ff.; Lobinger, ZfA 2004, 101, 123; vgl. Bruns, JuS 1971, 221, 223; Reinhardt, JZ 1961, 713, 716; s. o. § 2 II 4 b). 181 Picker, Festschrift Schilken, S. 85, 93 f. 182 Hoffmann, S. 39. 176
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werden kann.183 Ausgangspunkt ist nicht der Anspruch, sondern das zu verwirklichende Recht. Zwischen den Extremen „Recht“ (right) und „kein Recht“ (no-right) findet sich die dritte Stufe der Rechtsdurchsetzung.184 Über die Rechtsdurchsetzung wird eine Feinabstimmung ermöglicht.185 Statt die Existenz eines Rechts pauschal zu bekämpfen, weil dieses im Einzelfall oder in bestimmten Situationen als zu stark empfunden wird, kann die diagnostizierte Unwucht über eine differenzierte Rechtsdurchsetzung maßvoll therapiert werden.186 Statt die Rechtsdurchsetzung nur als einfaches Folgeprodukt (“legal by-product”) einer Rechtsverletzung zu sehen, liegt hier eine weitere Stellschraube (“fine-tuning”) für einen insgesamt angemessenen Interessenausgleich begraben.187 So wirbt Fischman Afori für „flexible Rechtsbehelfe“ (“flexible approach to remedies”):188 “Courts may achieve the appropriate end result through a variety of judicial tools based on the same legal policy: Narrow interpretations of the scope of a right, broad interpretations of an exception, or scrutinizing remedies through the prism of proportionality.”189
In der Tat liegt die Problematik häufig weniger im materiellen Recht im engeren Sinne als in der Rechtsdurchsetzung. Mit Blick auf die „Klagbarkeit von Leistungstreuepflichten“ bemerkt Koch treffend:
183 Meist wird darauf abgestellt, dass die gesetzgeberische Wertung, ein bestimmtes Gut zu schützen, automatisch dafür sorgt, dass dieses umfassend zu schützen ist, vgl. Dreier, S. 14, 415 (einschl. Fn. 5); Katzenstein, S. 144. 184 Weniger differenziert Hohfeld, 26 Yale L. J. (1917), 710. 185 Gerade im Verwaltungsrecht sollen Ermessensnormen (und unbestimmte Rechtsbegriffe) die „Konditionalstruktur“ „auflockern“, vgl. Vesting, Rechtstheorie, § 2 Rn. 37; zum europäischen Urheberrecht Fischman Afori, IIC 2014, 889 ff.; kritisch Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig/Glöckner, Einl B Rn. 393. 186 Zur Begrenzung „überschießender“ Rechtsfolgen aus Verhältnismäßigkeitsüberlegungen Stürner, S. 430 ff., insbesondere S. 436 f.; zur Notwendigkeit der Beschränkung von Ausschließlichkeitsrechten Brand, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 77, 99 f.; vgl. Cooper-Stephenson, S. 1, 10; Fischman Afori, Cardozo Arts & Entertainment L. J. (2011), 1, 23 f. 187 Fischman Afori, IIC 2014, 889, 892 f.; dies., Cardozo Arts & Entertainment L. J. (2011), 1, 2, 8 f., 22 f. 188 Fischman Afori, Cardozo Arts & Entertainment L. J. (2011), 1, 1 ff.; 45 f.; dies., IIC 2014, 889 ff., 893 (“Therefore, tailoring the appropriate remedies to each case is a complementary way of promoting policy goals through case law.”); zum kanadischen Recht betonen Cassels/Adjin-Tettey, S. 3 f., die Notwendigkeit eines Interessenausgleichs, der gerade über das Law of Remedies erreicht werden kann: “[…] that the appropriate remedy is one that properly identifies and protects the plaintiff’s legitimate interests without unduly oppressing the defendant or damaging other private or social interests that the law values”; vgl. Gewirtz, 92 Y. L. J. (1983), 585, 591 f.; für differenzierte Rechtsdurchsetzung im Patentrecht Osterrieth, GRUR 2009, 540 ff. 189 Fischman Afori, IIC 2014, 889, 903.
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„Wie bereits angedeutet, lagen den in der Lehre manchmal [für die Leistungstreue pflichten] vorgeschlagenen Einschränkungen weniger Bedenken gegen die Pflicht als solche zugrunde als vielmehr gegen ihre Durchsetzung. Die Verneinung einer Pflicht zur Leistungstreue hat daher eher den Grundsatz ‚Wehret den Anfängen‘ als den favor contractus im Sinne. Das Anerkennen einer vertraglichen (Neben-)Pflicht zwingt aber nicht automatisch dazu, ihr auch zu direkter Durchsetzung verhelfen zu müssen.“190
Auch eine Umfrage unter Unternehmern zur Praxis des Lauterkeitsrechts brachte hervor, dass Skepsis weniger gegenüber einschlägigen Verhaltenspflichten als gegenüber einer kleinlichen Rechtsdurchsetzung besteht.191 Oder anders formuliert: Statt das Kinde mit dem Bade auszuschütten, eröffnet das Rechtsbehelfssystem einen dritten Weg: Rechtsbehelfe zur Durchsetzung von Stammrechten begründen eine weitere Stellschraube im materiellen Recht zu einem angemessenen Interessenausgleich.192 Ein starkes Recht kann durch eine schwache Rechtsdurchsetzung angepasst werden. Es gilt aber auch umgekehrt, dass ein schwaches Recht durch eine starke Rechtsdurchsetzung besser zur Geltung gebracht werden kann. Statt eine als zu hart empfundene Rechtsfolge gänzlich auszuschließen, kann diese durch eine mildere Rechtsfolge ersetzt werden und umgekehrt.193 Dass sowohl Rechtszuweisung als auch Rechtsdurchsetzung benutzt werden können, um Rechte interessengerecht auszugestalten, erkennt etwa Köhler mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausdrücklich an: „Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann […] sowohl bei der Feststellung der Tatbestandsmäßigkeit einer Verletzung, als auch bei der Feststellung der Rechtsfolgen einer Verletzung Bedeutung gewinnen.“194
Demgegenüber lautet ein Einwand gegen das Verständnis von Ausschließlichkeitsrechten als umfassende Herrschaftsrechte jeweils über einen vorrechtlichen Gegenstand, dass damit eine umfangreiche Zuweisung von rechtlichen Befugnissen automatisch gerechtfertigt wird.195 In der Tat geht eine weit 190
Koch, S. 29 (ohne Fußnoten). Ohly, Unternehmerinteressen, S. 10, 18 Rn. 25. 192 Von einem „rechtsdogmatischen Rückschritt“ (Weller, JZ 20098, 764, 765) kann nicht die Rede sein; zur Notwendigkeit eines „Interessenausgleichs“ Senftleben, S. 159, 162 ff., 185 f.; vgl. Geiger, S. 143, 151. 193 Vgl. auch Müller-Chen, S. 23, 27, der für ein „flexibles Verhältnis“ zwischen Erfüllungsanspruch und Geldersatz wirbt und „den Bedürfnissen und faktischen Gegebenheiten des Wirtschaftsverkehrs“ gerecht werden will; vielfach liegt der Blick jedoch zu einseitig auf zu starkem Schutz, vgl. Dreier, S. 14. 194 Köhler, GRUR 1996, 82 (ohne Fußnoten; mit Blick auf das UWG); vgl. Köhler/ Bornkamm, § 8 Rn. 1.67; vgl. auch den Tagungsbericht von Westerholt/Sonnenberg, GRUR Int. 2012, 426, 427. 195 Vgl. Zech, S. 98, mit Verweis auf den Streit um den Begriff „geistiges Eigentum“, dazu Ohly, JZ 2003, 545 ff.; Götting, GRUR 2006, 353 ff.; Pahlow, UFITA 2006, 705 ff.; zur (US-amerikanischen) eigentumstheoretischen Diskussion des „geistigen Eigentums“ als Subjekt-Objekt-Relation Goldhammer, S. 31 ff. 191 Vgl.
I. Modifiziertes Rechtsbehelfssystem
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verbreitete Meinung – wenn nicht gar die herrschende196 – mit Blick auf Schranken subjektiver Rechte von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis aus.197 Bereits die Formulierung „Ausnahme“ als Synonym für Schrankenregelung ist tendenziös; sie impliziert eine Hierarchie.198 Entsprechend schwer fällt diesem Ansatz der punktuelle Ausschluss namentlich des Unterlassungsanspruchs.199 Ein solcher Automatismus ist aber gerade abzulehnen.200 Zunächst muss die Zuweisung eines Rechts begründet werden. Selbst die rechtliche Zuweisung des Eigentums muss – zumal in den Randbereichen – unabhängig vom vorrechtlichen Gut der körperlichen Sache im Einzelfall legitimiert werden.201 Der hier verfolgte Ansatz geht noch einen Schritt weiter. Auch die Durchsetzung des Rechts bedarf im konkreten Fall der Begründung. Die Zuweisung eines Rechts allein präjudiziert noch nicht die Art und Weise seiner Durchsetzung. Diese unterliegt erneut einem Rechtfertigungs-, zumindest einem Begründungszwang,202 wobei eine Wechselwirkung zum Zweck der Rechtszuweisung besteht.203 Selbst wenn Ohly davon ausgeht, dass denjenigen, der sich auf eine Einschränkung des Urheberrechts beruft, eine „sekundäre Argumentationslast“ trifft, so unterstellt auch er, dass nicht einseitig auf die Interessen des 196
Vgl. zum Urheberrecht Schricker/Loewenheim/Melichar, Vor §§ 44a ff. Rn. 19. Wolf/Neuner, § 20 Rn. 70; Schricker/Loewenheim/Melichar, Vor §§ 44a ff. Rn. 18; Fromm/Nordemann/Dustmann, Vor §§ 44a ff. Rn. 6; Schack, Festschrift Schricker, S. 511, 514 f., 516; ders., § 5 Rn. 93, 95; Lettl, § 6 Rn. 3; zur „Orthodoxie“ bzw. dem „Dogma“ der „engen Schrankenauslegung“ vgl. Hoeren, S. 265, 265 f.; Raue, Festschrift Nordemann, S. 327 ff.; Kröger, MMR 2002, 18 ff.; Hilty, Festschrift Schricker, S. 325, 326 ff.; Geiger, GRUR Int. 2008, 459 f.; ders., S. 143, 152 f.; Stieper, S. 65 ff.; Rehbinder/Peukert, § 30 Rn. 601; Pahud, UFITA 2000, 99, 134 ff.; aus der Rechtsprechung BGHZ 58, 262, 264 f. – Landesversicherungsanstalt = GRUR 1972, 614, 615; EuGH Urt. v. 16. 7. 2009, C-5/08 Rn. 56 – Infopaq/DDF = ECLI:EU:C:2009:465 = GRUR 2009, 1041; liberaler BGHZ 141, 13 – Kopienversanddienst = GRUR 1999, 707, 713; BGHZ 151, 300 = GRUR 2002, 963 – Elektronischer Pressespiegel. 198 Geiger, GRUR Int. 2008, 459, 461; ders., S. 143, 150 f.; Gleiches soll nach Geiger, a. a. O., 461, für den Begriff des „geistigen Eigentums“ mit Blick auf die Rechtszuweisung gelten; vgl. aber Ohly, JZ 2003, 545, 548 f. 199 Vgl. Goldhammer, S. 86 f. 200 Vgl. Geiger, GRUR Int. 2008, 459 ff.; Hoeren, S. 265, 266 ff.; Beverley-Smith/Ohly/ Lucas-Schloetter, S. 215: “The common forms of intellectual property are only property in a limited and metaphorical sense and the fact that they are labelled as property rights does not, in itself, determine their scope.” Urheberrechtliche Schranken sind nicht eng, sondern „richtig“ auszulegen, vgl. Metzger, Urheberrechtsschranken, S. 101, 105 (aus ökonomischer Sicht), 107 f., und zum Dogma der h. M. von der „engen Auslegung“ der Schranken S. 108 ff., aber auch S. 112 ff.; vgl. auch Fischman Afori, Cardozo Arts & Entertainment L. J. (2011), 1, 19 ff., 22 ff. 201 Vgl. Schmidt, Aktionsberechtigung, S. 38; ein Grenzfall ist beispielsweise BGH GRUR 2011, 323 – Preußische Gärten und Parkanlagen; zum Urheberrecht Geiger, S. 143, 151. 202 Vgl. auch Geiger, GRUR Int. 2008, 459, 462, der betont, dass sowohl die Zuweisung von Verwertungsrechten im Urheberrecht als auch Schrankenbestimmungen der Kreativitätsförderung dienen. 203 Vgl. Sonnenberg, S. 37 ff.; Hofmann, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 183, 197 (einschl. Fn. 71). 197
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
Urhebers abgestellt werden darf. Auch Nutzer- und Verwerterinteressen sind zu berücksichtigen.204 Das Postulat der engen Schrankenauslegung ist damit lediglich Ausdruck einer rechtspolitischen Überzeugung.205 Namentlich der gebotene Interessenausgleich im Recht des Geistigen Eigentums zwischen Exklusivität und Gemeinfreiheit ist sowohl über die Rechtszuweisung als auch über die Rechtsdurchsetzung gemeinsam zu lösen. Diese Begründungslast auch für die konkrete Rechtsfolge ist freilich nicht im Sinne einer prozessualen Beweislast misszuverstehen. Es geht nicht um eine formale, sondern um eine materiale Rechtfertigungsbedürftigkeit. Zum Ausdruck soll nur gebracht werden, dass der Ausschluss eines bestimmten Rechtsfolgenrechts, wenn dies mit guten Gründen geschieht, nicht systemwidrig ist, sondern sich genau im Gegenteil als Ausfluss stetiger Begründungsnotwendigkeit präsentiert.206 Dass im Normalfall beispielsweise der Naturalerfüllungsanspruch durchaus die Regel ist, wird dadurch gerade nicht angezweifelt. Insbesondere hat der Kläger dies nicht im Einzelfall darzulegen oder gar zu beweisen. Klar ist aber auch: Statt einem Vertrag die Wirksamkeit gänzlich abzusprechen, kann eine Durchsetzung einzig mit Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüchen eine interessengerechte Alternative eröffnen.207 Eine Klausel, eine erneute Aufführung eines überlassenen gemeinfreien Opernwerkes zu unterlassen, kann man als wirksam behandeln, während sie zugleich nur über einen Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch, nicht aber durch einen Unterlassungsanspruch, verwirklicht werden kann. Während einerseits Bedenken bestehen, gemeinfreie Werke über das Vertragsrecht zu monopolisieren, bestehen gleichzeitig Sympathien für eine „Belohnung“ desjenigen, der seine faktische Herrschaftsposition zu teilen bereit ist.208 Die strikte Trennung zwischen Rechtszuweisung und Rechtsdurchsetzung hilft auch im Patentrecht: Während die Diskussion über die Patentqualität durchaus berechtigt ist,209 kann zusätzlich gerade die Ebene der Rechtsdurchsetzung für Ausgewogenheit sorgen. Statt ein Patent vollständig zu verwerfen, besteht die Möglichkeit, es eben nur über Schadensersatzansprüche (d. h. im 204 Ohly, Gutachten Juristentag, F 20 f. und F 126; natürlich ist auch der „Drei-StufenTest“ zu befolgen, nur Art. 13 TRIPS. 205 Geiger, GRUR Int. 2008, 459, 462. 206 Vgl. auch Fischman Afori, IIC 2014, 889, 893. 207 Vgl. aber Siber, S. 105, mit Blick auf § 226 BGB: „Das Gesetz kann nicht in einem Athem eine Befugnis ertheilen und widerrufen.“ 208 Zum Ganzen demnächst Stingel; zu vertraglichen Beschränkungen von Schranken grundlegend Stieper, S. 171 ff.; Gräbig, GRUR 2012, 331 ff.; ders., S. 58 ff., 136 ff.; Hohagen, Festschrift Schricker, S. 353, 361 ff.; Geiger, S. 143, 152 ff.; Ohly, Festschrift 50 Jahre Urheberrecht, 379, 388 ff.; Hofmann, UFITA 2014, 381, 401 ff.; Guibault, Limitations, S. 221 ff.; dies., Copyright Limitations and Contracts, S. 197 ff.; Rott, S. 267 ff.; Zech, Schranken, S. 187, 188 ff.; Peukert, Gemeinfreiheit, S. 216. 209 Vgl. Haedicke, Patente und Piraten, S. 147; Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 792 f.
II. Anspruch als materiellrechtliches Rechtsfolgenrecht
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Ergebnis über die Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr) durchzusetzen. Ökonomisch entspricht dies der Einführung einer liability rule.210 Gleichzeitig führt dies nicht dazu, dass das Stammrecht eingeschränkt wird oder gar eine „Enteignung“ im Raum stünde; es geht um die Ebene der Rechtsdurchsetzung, nicht der Rechtszuweisung. Das Stammrecht wird gerade – situationsadäquat interessengerecht – verwirklicht. Auch wenn dem Rechtsinhaber einzig am Ergebnis gelegen sein wird, ist diese theoretische Unterscheidung für die Rechtfertigung von Rechtsfolgen nicht zu unterschätzen. Wie gesagt: In vielen Fällen wird sich die Gewähr eines Unterlassungsanspruchs ohne Mühe begründen lassen. Einer „Beweisaufnahme“ oder auch einer „materialen Rechtfertigungsdiskussion“ in jedem einzelnen Prozess wird hier nicht das Wort geredet. Nur hat sich ein Richter, der im Einzelfall den Zuspruch eines bestimmten Anspruchs verweigert, nicht dem Vorwurf der Systemwidrigkeit auszusetzen. Genau dies ist das Anliegen des Rechtsbehelfssystems.
5. Ergebnis Eine Auseinandersetzung mit den groben Strukturmerkmalen unterschiedlicher Rechtsfolgensysteme ermuntert dazu, weiter über ein Rechtsbehelfsmodell nachzudenken. Grundlegende Einwände gegen ein solches Modell sind nicht sichtbar. Gleichzeitig konnte eine Reihe von Vorteilen benannt werden, die für eine grundsätzliche Trennung von Stammrechten und den in bestimmten Konstellationen gewährten Rechten zu deren Durchsetzung streiten. Klar ist aber auch, dass es das Rechtsbehelfsmodell nicht gibt. Entscheidend ist seine konkrete Ausgestaltung. Diese gilt es nun weiter herauszuarbeiten.
II. Anspruch als materiellrechtliches Rechtsfolgenrecht Will man wie Raiser in den primären Rechten die einer Person zugewiesenen, mit Rechtsschutz ausgestatteten, selbständigen Rechtsstellungen „die Rechtsordnung strukturierende Rechte“ sehen und sekundäre Rechte, zu denen die Ansprüche zählen, nur eine „Schutz- und Hilfsfunktion“ im Dienste primärer Rechte zukommen lassen,211 mit anderen Worten: Stammrechte und Rechtsfolgenrechte auseinanderhalten, erweist sich die Gleichsetzung von Forderung und Anspruch als eine entscheidende Hürde.212 Während sich das Sacheigen210 Ein Recht, z. B. das Recht, von Immissionen verschont zu bleiben, kann entweder durch einen Unterlassungsanspruch (property rule) oder einen Vergütungsanspruch (liability rule) durchgesetzt werden, Calabresi/Melamed, 85 H. L. R. (1972), 1089, 1116; zu den Begriffen u. § 8 III 1. 211 Raiser, JZ 1961, 465, 466, 467. 212 So die herrschende Meinung, dazu o. § 2 I.
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
tum als primäres Recht verstehen lässt, dessen Schutz durch sekundäre Rechte in Form negatorischer, deliktischer und bereicherungsrechtlicher Ansprüche vermittelt wird,213 ist die Forderung primäres und sekundäres Recht in einem.214 Namentlich der vertragliche Erfüllungsanspruch dient nicht nur der Verwirklichung des vertraglichen Leistungsversprechens, sondern verkörpert nach überkommener Ansicht zugleich den Vertragsinhalt. Allerdings gibt es in der Literatur eine Reihe von Ansätzen, die Forderungsrecht und Anspruch auseinanderhalten wollen (1.). Im Ergebnis sind Ansprüche in der Tat als eigenständige Rechte aufzufassen. Um dies sprachlich zum Ausdruck zu bringen, wird hier von Rechtsfolgenrechten gesprochen.215 Ihnen kommt eine eigenständige Aufgabe zu. Während Stammrechte die Rechtszuweisung regeln, vor allem den Inhalt der einschlägigen Rechtsposition beschreiben, sind Rechtsfolgenrechte privatrechtsübergreifend Mittel der Rechtsdurchsetzung.216 Durch sie wird festgelegt, wer, wie, wann, auf welche Weise, wie lange etc. ein vorausliegendes Stammrecht durchsetzen kann. Als von den Stammrechten verschieden besorgen sie in Form von Ansprüchen die erste Stufe der Rechtsdurchsetzung (2.). Durchweg geht es um Fragen des materiellen Rechts (3.).
1. Ansätze zur Trennung von Forderung und Anspruch Der Gedanke, dass zwischen dem Forderungsrecht als eine Art Stammrecht und Ansprüchen zur Durchsetzung desselben zu unterscheiden ist, findet sich bei einer ganzen Reihe von Autoren. Ins Auge stechen dabei zunächst jene Ansätze, die den als Einheit verstandenen Anspruch in seine einzelnen Bausteine zerlegen wollen. Die Rede ist vielfach von den im („vollkommenen ungeschwächten“)217 Anspruch enthaltenen „Einzelbefugnissen“.218 In einem solchen Sinne sieht Rimmelspacher den Anspruch nicht als homogene Einheit, sondern gliedert ihn in seine zwei Kernelemente auf. Neben der „Rechtsposition“ seien „Rechtsbehelfe“ eine Komponente des „Gesamtanspruchs“.219 Die 213
Raiser, JZ 1961, 465, 467; vgl. Peukert, Güterzuordnung, S. 55 f. Okuda, AcP 164 (1964), 536, 537 f. 215 Zu den Begriffen bereits o. Einleitung II. 216 Gestaltungsrechte wurden in dieser Arbeit nicht behandelt. Auch sie fügen sich in das hier entwickelte System ein. Sie sind ebenfalls auf der Ebene der Rechtsdurchsetzung anzusiedeln. Entsprechend werden sie im anglo-amerikanischen Rechtskreis ebenfalls im Law of Remedies behandelt. 217 Vgl. Roth, S. 45. 218 Grundlegend Staudinger/Schmidt, 1995, Einl. zu §§ 241 ff. Rn. 118 ff.; bereits v. Tuhr, § 15 II, S. 242; s. a. Schulze, S. 461 ff.; Weller, S. 226 ff.; Hoffmann, S. 102 ff. 219 Rimmelspacher, S. 168 ff.; eine Trennung zwischen „Anrecht” und „Deckung” (weil der Gläubiger durch jeglichen Rechtsbehelf „gedeckt“ ist, der ihm im Falle der Nicht-Leistung zur Verfügung steht) findet sich bei O. Schreiber, Schuld und Haftung, S. 20 f. („der Gläubiger hat ein Anrecht auf einen Erfolg, und falls dieser ausbleibt, steht ihm eine Deckung zur Seite“, a. a. O., S. 21); vgl. zur Rezeption im Zusammenhang von Einzelbefugnissen 214
II. Anspruch als materiellrechtliches Rechtsfolgenrecht
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Rechtsposition stelle „eine Anwartschaft auf einen in bestimmter Form verkörperten Wert“, ein „Interesse“, dar. Die selbständige Bedeutung der Rechtsposition äußere sich darin, dass sie dem Berechtigten die Befugnis vermittelt, den empfangenen Wert zu behalten, zu gebrauchen und zu verwerten. Die Rechtsposition sei Bezugspunkt der Erfüllung, der Übertragung, der Haftung sowie von Sicherungsrechten.220 Rechtsbehelfe seien demgegenüber „Mittel zum Schutz und zur Verwirklichung der Rechtsposition“.221 Ausdrücklich begrüßt er literarische Ansätze zur Unterscheidung zwischen Forderung und Anspruch.222 „Es gilt, die verschiedenen bei der Innehabung und Verwirklichung eines Rechts gegebenen, funktionsverschiedenen Positionen zu trennen und die Differenzierung auch nach außen durch verschiedene Bezeichungen festzuhalten. Dabei handelt es sich einmal um die Position, auf die hin eine Leistung erfolgt, die mit Klage und Vollstreckung gesichert und verwirklicht werden soll und für die auch Sicherheiten bestellt sind. In dieser Position hat die Rechtsordnung dem Berechtigten etwas zugesprochen und andere davon ausgeschlossen. Darin findet sich die dem Rechtsträger zugeordnete Rechtsposition […]. Zum Schutze dieser Position sind bestimmte Mittel gewährt. Eines von ihnen ist der Anspruch.“223
In diesem Sinne und mit ausdrücklichem Verweis insbesondere auf Rimmels pacher trennt auch Thomale zwischen einer „passiven Rechtsposition und einer dieser Rechtsposition dienenden Verfolgungsbefugnis“.224 Im Schuldrecht verkörpere die Rechtsposition den passiven Zuordnungsgehalt des Forderungsanspruchs und sei insbesondere der Bezugspunkt für die Erfüllung nach Roth, S. 45; Wieser wiederum sieht in der Forderung ein „Anrecht“. Dies ist die Befugnis des Gläubigers, eine Leistung des Schuldners zu beanspruchen. Das bloße Anrecht ist aber noch nicht die Forderung. Hinzukommen muss eine Zwangsbefugnis, die Wieser Zuständigkeit nennt, Wieser, JR 1967, 321, 323 (von Schulze, S. 462 f., rezipiert als Ausfluss der Theorie zu Einzelbefugnissen). 220 Rimmelspacher, S. 48 ff., 99, 103 f., 168. 221 Rimmelspacher, S. 168, 107 ff. 222 Rimmelspacher, S. 40 f. mit Blick auf Rehfeldt, § 15, S. 61 ff.; zu Rehfeldt sogleich. 223 Rimmelspacher, S. 40 f. 224 Thomale, AcP 212 (2012), 920, 928 f., 932; ders., S. 184 f.; Verweis auf Rimmelspacher insbesondere AcP 212 (2012), 920, 928 f. (Fn. 27); weitere Autoren, die sich Rimmelspacher anschließen: Roth, S. 45 f.; Schulze, S. 461 ff., 463; Schulze will im Anschluss an Rimmelspacher und Roth die Einzelbefugnisse gedanklich nach zwei Gesichtspunkten gliedern: Zum einen nach der Wertposition im Sinne von „gebühren“ und zum anderen nach der Rechtsschutzposition im Sinne von „durchsetzen“. Allerdings modifiziert Schulze dann die Untergliederung der Wertposition in unterschiedliche Rechtspositionen. Zu den Rechtspositionen des Forderungsrechts zählt er: 1) Behaltensrecht an der empfangenen Leistung (Erfüllbarkeit), 2) Verfügungsrecht (Abtretung, Verpfändung, Erlass), 3) Grundlage zur Verwertung von Sicherheiten (Pfändung), 4) Grundlage von Einreden (§§ 273, 320, 478, 821, 853), 5) Einforderungsrecht („Verlangenkönnen“); zu den materiell-rechtlichen Rechtsbehelfen als Unterfall der Rechtsschutzposition: 1) Behaupten, Einfordern, Erinnern, 2) Selbsthilferechte (Selbsthilfe, Aufrechnung, Mahnung), 3) Klagerecht, 4) Vollstreckungsrecht, a. a. O., S. 464 f.; vgl. auch o. § 2 II 1.
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
§§ 362 ff. BGB und Rechtsgrund nach § 812 BGB. Mit Verfolgungsbefugnis gemeint ist „jede Rechtsmacht, mit der die Verwirklichung der Rechtsposition aktiv durchgesetzt werden kann, also insbesondere die materiellrechtliche Grundlage der prozessualen Leistungsklage und Vollstreckungsbefugnis.“225 Wie bereits Rimmelspacher begründet er die Berechtigung der Unterscheidung damit, dass es reine Verfolgungsbefugnisse ohne Rechtsposition (z. B. §§ 335, 525 II, 527 II, 2194 BGB) und Rechtspositionen ohne Verfolgungsbefugnis (z. B. Naturalobligationen) gebe.226 Der „Forderungsanspruch“ zerfalle in die Elemente Forderung (Rechtsposition) und Anspruch (Verfolgungsbefugnis):227 „Während eine Forderung einen nach § 241 I BGB geschuldeten Leistungsgegenstand dem Vermögen des Gläubigers zuordnet, bedeutet ein Anspruch im Sinne des § 194 I BGB die Befugnis des Anspruchsinhabers, den Anspruchsgegner mit einem Leistungsverlangen in rechtserheblicher Weise anzusprechen.“228
Denkbar sei deshalb eine „anspruchsentkleidete“ Forderung, also eine Forderung, deren Funktion sich darin erschöpfe, einen Behaltensgrund im Sinne des § 812 BGB zu bilden, ohne über einen Anspruch durchsetzbar zu sein.229 Allgemein gesprochen: Im Schuldrecht sei die Forderung wie das dingliche Recht im Sachenrecht mit Ansprüchen zu ihrer Verwirklichung ausgestattet.230 Die Auffassung von Anspruch und Forderung als Synonyme lasse sich demnach nicht halten.231 Andere Autoren suchen die Unterschiede zwischen Forderung und Anspruch dadurch zu überwinden, dass sie den Anspruchsbegriff enger fassen beziehungsweise privatrechtsübergreifend einheitlich verstehen. Solche Überlegungen für einen engeren Anspruchsbegriff hat etwa Henckel angestellt.232 Die von ihm angeprangerten Widersprüche der Windscheid’schen Lehre könnten dadurch korrigiert werden, dass man den Anspruch privatrechtsübergreifend als „reines Schutzmittel, dessen Rechtsposition außerhalb seiner selbst liegt“, auffasst.233 In ähnlicher Weise versteht auch Raiser Ansprüche 225
Thomale, AcP 212 (2012), 920, 929 (ohne Fußnoten). Thomale, AcP 212 (2012), 920, 929 f.; ders., S. 338 ff.; Rimmelspacher, S. 119 ff., 56 ff.; nach hier vertretener Ansicht kommt namentlich einer Naturalobligation keine Einforderungsbefungis zu (a. A. Schulze, S. 468 u. 469: „Nur der Erfüllungszwang, nicht auch die Pflicht auf Erfüllung ist aufgehoben.“); es besteht kein Rechtsfolgenrecht auf Erfüllung und kein Rechtsfolgenrecht Schadensersatz; s. a. G. Wagner, S. 415; Staudinger/Schmidt, 1995, Einl. zu § 241 Rn. 134, 168 f. 227 Thomale, AcP 212 (2012), 920, 930. 228 Thomale, AcP 212 (2012), 920, 930 f. 229 Thomale, S. 184; ders., JuS 2010, 857, 861 (Fn. 11). 230 Thomale, AcP 212 (2012), 920, 932. 231 Vgl. Thomale, AcP 212 (2012), 920, 931 f. 232 Henckel, AcP 174 (1974), 97, 139 f., 141 f.; er selbst legt sich nicht fest. 233 Henckel, AcP 174 (1974), 97, 141 f.; zustimmend mit Verweis auf Henckel Koch, S. 9: „Man sollte aber zumindest klarstellen, daß auch bei den relativen Rechten zu unterscheiden ist zwischen dem anspruchsbegründenden […] subjektiven Recht […] und den daraus er226
II. Anspruch als materiellrechtliches Rechtsfolgenrecht
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einheitlich als „Werkzeuge der Rechtstechnik, die dem Schutz und der Verwirklichung [von] Rechtsstellungen und Rechtsverhältnisse[n] dienen“.234 Der Anspruch als reines Schutzmittel wäre dann nicht Objekt rechtsgeschäftlicher Verfügungen und der Erfüllung, nicht Bezugspunkt akzessorischer Sicherungsrechte und für die Bestimmung des Rechtsgrundes einer Leistung irrelevant.235 Dies seien die Aufgaben der Rechtsposition, dem „schuldrechtlich begründete[n] subjektive[n] Recht“, das nicht mit dem Anspruch zu verwechselnde Forderungsrecht.236 Der Anspruch als Schutzmittel soll dann erst mit der Verletzung des „Forderungsrechts“, also bei Nichtleistung trotz Fälligkeit entstehen. Rechtsverletzung und Fälligkeit wären Entstehungsvoraussetzungen für den Anspruch, während das Forderungsrecht schon zuvor existiere.237 Eine grundlegende Aufarbeitung des Verhältnisses von „actio“, „Anspruch“ und „Forderung“ in einem solchen Sinne hat auch Schmidt vorgenommen. Als Grundlage einer „Klage“ macht er den „Anspruch“ aus, „der die Sanktion für eine ‚Rechtsverletzung‘ beinhaltet“.238 Dieses Verständnis passe auch für Forderungen. Es müsse zwischen dem Inhalt der Obligation und dem Inhalt der Sanktion für die Nichterfüllung unterschieden werden.239 Die Forderung selbst sei das Recht, etwas zu verlangen (Einziehungsbefugnis); das Zwangselement sei dem Anspruch vorbehalten.240 „Der Erfüllungs‚anspruch‘ sei also wie der Unterlassungs- und Beseitigungs‚anspruch‘ als materiellrechtliche Sanktion für die Verletzung der die entsprechenden subjektiven Rechte (= ‚absolute Rechte‘; ‚Forderungsrechte‘ = ‚Einziehungsbefugnisse‘) mit konstituierenden Normenordnung (‚Verbote‘; ‚Gebote‘) zu begreifen.“241 Schmidt belegt dies vor allem mit der Pekuniarkondemnation des römischen Rechts, dem common law und dem Regelungsansatz im EKG und im CISG.242 Wenn im klassischen römischen Recht oder im common law (grundsätzlich) statt zu Erfüllung nur zu Schadensersatz in Geld verurteilt werde, wäre nach deutschem Verständnis wachsenden Ansprüchen zum Schutz und zur Durchsetzung erstgenannter Rechte.“ Koch sieht den Anspruch auf einer „zweiten Ebene“. Auf der ersten Ebene finden sich nicht nur absolute, sondern zugleich relative Rechte, „weil auch mit deren Entstehung bereits der Sollzustand der Güterzuordnung zugunsten des Berechtigten verändert wird.“ (S. 16 f., 33). Der Anspruchsbegriff setzt nach ihm „eine Individualisierung und Konkretisierung eines zugrundeliegenden Pflichtenverhältnisses voraus.“ (S. 17). 234 Raiser, JZ 1961, 465, 466. 235 Henckel, AcP 174 (1974), 97, 142. 236 Henckel, AcP 174 (1974), 97, 142. 237 Henckel, AcP 174 (1974), 97, 142. 238 Schmidt, Festschrift Jahr, S. 401, 412 ff., 410; vgl. auch Staudinger/Schmidt, 1995, Einl. zu §§ 241 ff. Rn. 115, 125. 239 Schmidt, Festschrift Jahr, S. 401, 413 f. 240 Schmidt, Festschrift Jahr, S. 401, 416 f. 241 Schmidt, Festschrift Jahr, S. 401, 415; zu den Einzelbefugnissen in einer Forderung vgl. Staudinger/Schmidt, 1995, Einl. zu §§ 241 ff. Rn. 118 ff. 242 Schmidt, Festschrift Jahr, S. 401, 413 f.
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Geld materiellrechtliches Substrat des Urteils. Dieser Anspruch sei aber im Allgemeinen nicht der Inhalt des Forderungsrechts.243 Ähnlich sieht Braun den vertraglichen Leistungsanspruch als „die Reaktion auf eine objektive Rechtsverletzung“ beziehungsweise als „die Forderung im Verteidigungszustand“.244 Ausdrücklich zieht auch er die Parallele zu den absoluten Rechten:245 „In derselben Weise jedoch, wie bei den absoluten Rechten das positive Tun auf dem Weg über die Beeinträchtigung eines solchen Rechts einen Abwehranspruch erzeugt, bringt bei den relativen Rechten das Unterlassen, nämlich die Vorenthaltung dessen, was dem Gläubiger von Rechts wegen gebührt, den Leistungsanspruch hervor.“246
Während in einem System unklagbarer Erfüllungsansprüche (System ohne Real-, aber mit Pekuniarkondemnation) die Trennung von Forderung und Anspruch deutlich hervorsteche, sei diese Scheidung in einem System, wo der Inhalt der Forderung in Natur verlangt werden kann, erst auf den zweiten Blick erkennbar.247 Forderung und klagbarer Anspruch seien aber eben nicht identisch.248 Eine strikte, privatrechtsübergreifende Trennung von „Substanzrecht“ und „Schutzrecht“ sieht Hoffmann249 in Anschluss an Picker.250 Entsprechend ver243 Schmidt, Festschrift Jahr, S. 401, 413 f.; s. a. Schmidt, Aktionsberechtigung, S. 17 ff.; auch in seiner Schrift „Aktionsberechtigung und Vermögensberechtigung“ erkennt Schmidt, dass eine „Berechtigung“ aus zwei Normen besteht: (1) Freiheitsermächtigung und (2) Generalverbot (a. a. O., S. 17 ff.; zur Forderung, S. 212 ff.). Unterlassungsansprüche wie Ansprüche aus Bereicherung und unerlaubter Handlung sieht er dabei als „Rechtsfolgen der right-Norm als Inhalt des Normenkomplexes der sie tragenden Berechtigung.“ (a. a. O., S. 44). Larenz kritisiert daran, dass dies nur die Struktur der Herrschaftsrechte beschreibt, nicht aber die von Forderungen (Larenz, Festschrift Sontis, S. 129, 139, 141 f.). 244 Braun, AcP 205 (2005), 127, 137; der Anspruchsbegriff kann damit privatrechtsübergreifend einheitlich verstanden werden: „Wenn man will, kann man Abwehr- und Leistungsklage daher als Sanktionen für eine Rechtsbeeinträchtigung begreifen.“ (a. a. O., S. 140). 245 Die Trennung von obligatorischem Recht und Anspruch findet sich bereits bei Kohler, Zeitschrift für das Privat- und Öffentliche Recht der Gegenwart 1887, 1, 10 ff. Auch Kohler zieht dabei die Parallele zu den absoluten Rechten. Der Anspruch soll gegenüber der Obligation selbständig sein. 246 Braun, AcP 205 (2005), 129, 137. 247 Braun, AcP 205 (2005), 129, 138. 248 Braun, AcP 205 (2005), 129, 140, 148. 249 Hoffmann, S. 106 ff., 120 ff., 128 ff.; s. a. S. 35 ff.; vgl. auch Costede, S. 46. 250 Picker, Festschrift Canaris, S. 1001, 1017 (Fn. 41). Durch die „rein funktional“ zu verstehende Gegenüberstellung von „Substanzrecht“ und „Schutzrecht“ soll der Streit über das Verhältnis von „subjektive[m] Recht“, „Forderungsrecht“ und „Anspruch“ gelöst werden können. Die Bezeichnung als „Schutzrecht“ dient dabei als Oberbegriff für Ansprüche und Gestaltungsrechte. Es handelt sich um „technische“ Rechte, Picker, Festschrift Medicus, S. 311, 318 f.; ähnlich Ost, S. 128 f. und S. 130 f.; zur Durchsetzung der Zuweisung einer Erwerbsaussicht steht dem Gläubiger mit dem Leistungsanspruch ein entsprechender „Rechtsbehelf“ zur Verfügung; s. a. Bruns, JuS 1971, 221, 224 (Fn. 31, 37), der zwischen Substanzrechten und Rechtsbehelfen unterscheidet.
II. Anspruch als materiellrechtliches Rechtsfolgenrecht
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tritt er die These, dass auch der vertragliche Erfüllungsanspruch dem Schutz der Forderung dient und nicht mit dieser identisch ist.251 Es müsse zwischen der Rechtsposition und der aus ihr folgenden Schutzrechte unterschieden werden.252 Die Entstehung des Schutzrechts soll freilich eine Rechtsverletzung voraussetzen.253 Das Forderungsrecht sei im Anschluss an Savigny dann verletzt, wenn trotz Fälligkeit nicht erfüllt werde. Einer „Geltendmachung“ der Forderung bedürfe es hingegen nicht.254 Andere wiederum nähern sich der Problematik über den Begriff des subjektiven Rechts. Ansprüche sollen nach Pawlowski nur die „Mittel [sein], mit deren Hilfe man den konkreten Inhalt des jeweiligen subjektiven Rechts im einzelnen bestimmt – mit deren Hilfe man das Recht konkretisiert.“255 Die Begriffe Forderung und Anspruch seien keine Synonyme.256 Sein Ansatz basiert auf dem Gedanken, dass das subjektive Recht dem Inhaber die Kompetenz gibt, darüber zu entscheiden, ob er gegenüber anderen Rechtsgenossen die mit ihnen verbundenen Ansprüche geltend macht.257 Dieser Grundgedanke findet sich auch bei Bucher. Dieser versteht das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis:258 „Das subjektive Recht ist die Möglichkeit der Normsetzung, der Anspruch demgegenüber das Resultat der Ausübung der Normsetzungsbefugnis, d. h. die in Ausübung des Rechts erlassene Norm.“259
Auch Neumann identifiziert das subjektive Recht nicht mit dem Anspruch. Entsprechend seien Forderung und Anspruch nicht gleichzusetzen.260 Die Güterzuordnung werde über das subjektive Recht bewirkt. Demgegenüber sei der Anspruch „das Mittel, das außerhalb seiner selbst liegende Interesse, um dessentwillen er verliehen ist, zu realisieren und damit nach heutigem Verständnis als Mittel, jemandem zu seinem subjektiven Recht zu verhelfen.“261
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Hoffmann, S. 107. Hoffmann, S. 128. 253 So bereits Ost, S. 131. Aus der „Schutz- und Durchsetzungsfunktion“ des Leistungsanspruchs soll folgen, dass dieser dem Gläubiger nur dann zur Verfügung steht, wenn die „Verwirklichung des Forderungsrechts in Gefahr ist“, der Schuldner also entgegen seiner Verpflichtung nicht leistet; vgl. auch Costede, S. 45 f. 254 Hoffmann, S. 128 ff., 129, 130, 138; so bereits auch Meesmann, S. 120; auch er kritisiert die Gleichsetzung von Forderung und Anspruch; den Anspruch versteht er als „Rechtsschutzmittel“, a. a. O., S. 118. 255 Pawlowski, § 3 III 1, Rn. 329 (ohne Hervorhebung). 256 Pawlowski, § 3 III 1, Rn. 329. 257 Pawlowski, § 3 III 1, Rn. 329. 258 Bucher, S. 55 ff.; s. a. Thon, S. 250 ff. 259 Bucher, S. 77 (ohne Hervorhebung). 260 Neumann, S. 32 ff., 147. 261 Neumann, S. 40 ff., 43, direkt gegen diese Ansicht Weller, S. 232 mit Fn. 98. 252
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„Das subjektive Recht sagt, daß Rechtspositionen zugeteilt werden, der Anspruch regelt das wie, die Art und Weise der Zuteilung, indem dem Pflichtigen gesagt wird, was er zur Verwirklichung des Rechts tun muß.“262
Auch Esser hat die wesentliche Funktion des subjektiven Rechts in der Zuweisung von Gütern gesehen.263 Dem Anspruch weist er eine Durchsetzungs- und Schutzfunktion zu. Auch bei Forderungen hätten Ansprüche damit lediglich eine Hilfsfunktion zur Verwirklichung des Forderungsrechts:264 „Wo aber diese Zuweisung nur durch ein Verhalten anderer Menschen verwirklicht werden kann (die Hingabe geschuldet wird: Schuldrecht), da muß der Berechtigte diese Erfüllung von dem säumigen Pflichtigen auch verlangen und gegebenenfalls mit der Gerichtshilfe erzwingen. Wo er das zugewiesene Gut hat oder sich doch selbst verschaffen kann (Sachenrechte, Aneignungsrechte), muß er sich gegen störendes, unrechtes Verhalten Dritter selbst wehren, er muß selbst dafür sorgen, daß die Zuweisung der Rechtsordnung auch geachtet und geschützt wird (Schutz und Durchsetzungsfunktion des subjektiven Rechtes).“265
Alle diese Ansätze zeigen, dass ein Verständnis, dem zufolge sich Ansprüche selbst im Schuldrecht auf vorgelagerte Rechte beziehen, möglich ist. Vor allem gelingt es dadurch, Ansprüche privatrechtsübergreifend einheitlich als Mittel der Rechtsdurchsetzung zu begreifen. Bei allen Ansätzen stellt sich allerdings die Frage, ob die vorgenommene Aufspaltung beispielsweise in Rechtsposition und Rechtsbehelf oder in Forderungsrecht und Anspruch dazu führt, dass zwei selbständige Rechte vorliegen. Mit anderen Worten: Darf man von einem eigenständigen Stammrecht und einem davon zu trennenden Rechtsfolgenrecht ausgehen oder handelt es sich letztlich nur um verschiedene Elemente eines wie auch immer bezeichneten Rechts? Manche erkennen zwar an, dass im Forderungsrecht mehrere Einzelbefugnisse enthalten sind, sprechen sich aber gleichwohl gegen ein eigenständiges Rechtsfolgenrecht aus.266 Bereits Savignys Metamorphosentheorie erkennt nur ein Recht an,267 das sich freilich bisweilen, nämlich im Verletzungsfalle, in einem anderen Gewande präsentiere: 262
Neumann, S. 40. Verteilungsregel und Verhaltensnormen, Esser, S. 139; ders., AT, § 13 I 1, S. 84. 264 Vgl. Neumann, S. 21. 265 Esser, S. 159. 266 Weller, S. 228 („Im Folgenden wird der Terminus Einziehungsbefugnis verwandt, da er […] deutlicher als der Begriff des Schutzanspruchs zum Ausdruck bringt, dass es sich nur um eines von mehreren Einzelelementen eines Forderungsrechts handelt“, Hervorhebung im Original); ders., JZ 2008, 764, 765 („Bündelung dieser Einzelbefugnisse in einem subjektiven Recht“, Hervorhebung im Original); Betonung des „einheitlichen Forderungsrecht[s]“ auch bei Stoll, JZ 2001, 589, 590; ob die im Forderungsrecht enthaltene Klagebefugnis zu einem subjektiven Recht in Form eines Klagerechts zu verselbständigen ist, offen gelassen von Roth, S. 45 (Fn. 40). 267 Savigny, § 204, S. 1 ff., § 205, S. 4 ff.; eine Trennung von Recht und Durchsetzungsrecht ist freilich auch bei Savigny angedeutet, vgl. a. a. O., S. 5: „Die Verletzung unserer Rechte aber ist nur denkbar als Thätigkeit eines bestimmten Verletzers, zu welchem wir dadurch 263
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„Indem wir ein Recht in der besonderen Beziehung auf die Verletzung desselben betrachten, erscheint es uns in einer neuen Gestalt, im Zustand der Vertheidigung“.268
Das „Klagrecht“ gehöre nicht einer „selbständigen Klasse von Rechten“ an, sondern sei nur ein unselbständiges Moment im Entwicklungsprozess des Rechts:269 „Manche haben die Klagenrechte als eine selbstständige Klasse von Rechten, auf gleicher Linie stehend mit den Rechten der Familie, dem Eigenthum u. s. w., ansehen wollen […]. Es gehören vielmehr diese Rechte nur zu dem Entwicklungsprozess oder der Metamorphose, die in jedem selbstständigen Recht eintreten kann, und sie stehen daher auf gleicher Linie mit der Entstehung und dem Untergang der Rechte, welche gleichfalls nur als einzelne Momente in dem Lebensprozeß der Rechte, nicht als Rechte für sich, aufgefaßt werden dürfen.“270
Eine solche Sichtweise findet sich bereits in der älteren Literatur. So lehrte v. Gierke in diesem Sinne: „Denn der ‚Anspruch‘ als solcher ist kein besonderes Recht, sondern nur eine Lebensäußerung des Rechts, aus dem er hervorgeht, das Recht selbst in besonderer Wirkungsweise“.271 Entsprechend stellt Kohler klar, dass die einzelnen Befugnisse, die eine Forderung vermittelt, selbst nicht wieder als Rechte aufzufassen sind.272 Er mahnt, dass der Anspruch nicht etwa ein selbständiges Recht sei, sondern nur eine aus dem Recht abgeleitete Befugnis.273 Selbst Rimmelspacher scheint es vor allem darum zu gehen, die „Elemente“ des Gesamtanspruchs aufzugliedern; „Rechtsposition“ und „Rechtsbehelf“ erscheinen als Bausteine eines als Einheit aufgefassten Rechts.274 Er formuliert, „daß Sitz der Materie nicht ‚der‘ Anspruch, sondern nur das eine in ihm enthaltene Moment der Rechtsposition ist.“275 Freilich in ein eigenes, neues Rechtsverhältnis treten; der Inhalt dieses Verhältnisses läßt sich im Allgemeinen dahin bestimmen, daß wir von diesem Gegner die Aufhebung der Verletzung fordern. Dieser Anspruch gegen eine bestimmte Person und auf eine bestimmte Handlung hat demnach eine den Obligationen ähnliche Natur (§ 56); der Verletzte und der Verletzer, oder der Kläger und der Beklagte, stehen einander gegenüber wie Gläubiger und Schuldner. So lange jedoch dieses neue Verhältnis in den Gränzen einer bloßen Möglichkeit bleibt, und noch nicht zu einer bestimmten Thätigkeit des Verletzten geführt hat, können wir es nicht als eine wahre, vollendete Obligation ansehen; es ist vielmehr erst der Keim einer solchen, der jedoch auf dem Wege natürlicher Entwicklung in eine wahre Obligation übergeht.“ 268 Savigny, § 204, S. 2. 269 Vgl. Roth, S. 22; da es sich um Fragen des materiellen Rechts handelt (Savigny, § 204, S. 5 f.), meint Kaufmann, JZ 1964, 482, 488, Savigny habe ein „materiellrechtliches Aktionenrecht“ konstruiert. 270 Savigny, § 204, S. 3. 271 v. Gierke, Deutsches Privatrecht III, S. 54 (Fn. 4). 272 Kohler, Bürgerliches Recht, Bd. 1, S. 150 f. 273 Kohler, Bürgerliches Recht, Bd. 1, S. 173. 274 Rimmelspacher, S. 170, 171. 275 Rimmelspacher, S. 105 (Hervorhebung nicht im Original); auch Thomale, AcP 212 (2012), 920, 928, scheint davon auszugehen, dass „Verfolgungsbefugnis“ und „Rechtsposi tion“ nur Teile des „Forderungsanspruchs“ sind.
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zeigt insbesondere die Rezeption durch Thomale, dass eine Anerkennung von zwei selbständigen Rechten durchaus naheliegt.276 Schließlich finden sich auch Stimmen, die ausdrücklich von zwei Rechten sprechen beziehungsweise zumindest den Anspruch als von der vorausliegenden Zuweisung selbständig auffassen. Sprachlich wird dies etwa bei Rehfeldt deutlich. Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, folgt nach ihm nicht aus dem „Recht“, sondern aus dem Anspruch, einem der Klage „gleichsam vorgeschaltet[em]“ besonderem Recht.277 Auch Schmidt sieht in den einzelnen Befugnissen „subjektive Rechte“.278 Besonders deutlich ist Bucher: Eine entscheidende Konsequenz seines Ansatzes vom subjektiven Recht als Normsetzungsbefugnis ist – wie auch von ihm selbst betont – die strenge Unterscheidung zwischen Recht und Anspruch.279 Rechtsfolgenrechte sind dabei eigenständige subjektive Rechte. „In Analogie zum Begriffspaar der primären und sekundären Normen können diejenigen subjektiven Rechte als sekundäre (subjektive) Rechte bezeichnet werden, die als Sanktionen an die Verletzung ursprünglicher subjektiver Rechte geknüpft werden, die ihrerseits primäre (subjektive) Rechte genannt werden können.“280
Gerade wenn man – wie viele Autoren dies auch tun – die Parallele zu Ansprüchen aus dem Eigentum zieht, wird klar, dass von zwei selbständigen Rechten auszugehen ist.281 Aus dem Eigentum als subjektivem Recht entstehen nämlich im Falle seiner Verletzung weitere subjektive Rechte.282 Ansprüche aus absoluten Rechten „erwachsen zwar aus dem Eigentum“; sie sind „als Ausfluss und Folgeerscheinung des absoluten Rechts anzusehen“.283 Allerdings sind sie „mit diesem Recht nicht identisch“.284 Um einen echten Gleichlauf sämtlicher „Ansprüche“ hinzubekommen, muss man daher Stammrechte und die Durchsetzungsmöglichkeit über den Anspruch als zwei selbständige Rechte ansehen. Letztere Rechtsfolgenrechte haben gegenüber den Stammrechten eine eigenständige Bedeutung. Darauf ist nun einzugehen. 276 Vgl. seine Formulierung in JuS 2010, 857, 859 (Fn. 11), wonach „Forderung u. Anspruch“ typischerweise „in derselben Hand“ liegen. Allerdings sieht Thomale hier den Anspruch als ein „prozessuales Klagerecht“. 277 Rehfeldt, § 15 I, S. 61. 278 Schmidt, Festschrift Jahr, S. 401, 412, 417; dem folgend Schulze, S. 462. 279 Bucher, S. 77 ff. 280 Bucher, S. 110 (ohne Fußnoten). 281 Nur Thomale, AcP 212 (2012), 920, 932 („Wenn jedoch im Sachenrecht diese Trennungslinie gerade zwischen dem dinglichen Recht und dem zur Verwirklichung dieses dinglichen Rechts gewährten Anspruch liegen soll, dann ist es allein konsequent, auch im Schuldrecht den Anspruch als Verwirklichungs-, das heißt Verfolgungsbefugnis zu verstehen und als Analogon zum dinglichen Recht die Forderung zu begreifen.“). 282 Larenz/Wolf, § 14 Rn. 2; Costede, S. 56 f., will zumindest teils davon ausgehen, dass aus einer Rechtsverletzung neue Rechte entstehen. Er spricht von „Folgerechten“. 283 Enneccerus/Nipperdey, § 222 II, S. 1364. 284 Enneccerus/Nipperdey, § 222 II, S. 1364.
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2. Anspruch als die erste Stufe der Rechtsdurchsetzung Bevor der Nachweis, dass sich im deutschen Privatrecht Stammrechte und Rechtsfolgenrechte tatsächlich de lege lata analytisch durchweg trennen lassen, sogleich geführt wird (u. § 5 III), ist zunächst zu zeigen, dass Rechtsfolgenrechten die eigenständige Aufgabe zukommt, die Rechtsdurchsetzung einzuleiten.285 Rechtsfolgenrechte regeln, (1) wie, (2) wann beziehungsweise unter welchen Voraussetzungen, (3) durch wen, (4) wie lange etc. ein Recht durchgesetzt werden kann.286 Sie bilden die erste Stufe der Rechtsdurchsetzung. Auf die Funktion der Stammrechte wiederum wird im nächsten Gliederungspunkt eingegangen (ebenfalls u. § 5 III). (1) Über das Rechtsfolgenrecht – oder synonym den Anspruch – wird erstens festgelegt, wie ein Recht verwirklicht werden kann, kurzum: die Art und Weise der Rechtsdurchsetzung.287 Rechtsfolgenrechte bilden ab, welche Rechtsfolge überhaupt in Betracht kommt. Mit Blick auf das englische Recht sagt in diesem Sinne Barker: “Causes of action provide us with answers to the question when legal relief is to be given; remedies answer the question how it is to be given.”288
Überzeugend weist ähnlich Schmidt darauf hin, dass es zu den Aufgaben des Anspruchs gehört, den Inhalt der Sanktion festzulegen. Die Verletzung der in § 903 BGB niedergelegten Befugnisse des Eigentümers lasse für sich genommen offen, was der Inhalt der „Sanktion“ ist.289 Auch ob ein Vertrag mittels Schadensersatz oder Erfüllung in Natur durchgesetzt wird, lässt sich erst mit Blick auf einschlägige Rechtsfolgenrechte beantworten. Erst wenn abgesehen werden kann, dass ein Erfüllungsanspruch entstanden ist beziehungsweise entstehen wird, wird klar, dass das vertragliche Forderungsrecht in Natur verwirklicht werden kann. Welches Rechtsfolgenrecht einschlägig ist (oder sein soll), ist wiederum mit Blick auf das Stammrecht zu ermitteln. Darauf wird zurückzukommen sein. (2) Der Anspruch beziehungsweise das Rechtsfolgenrecht bestimmt zweitens, wann beziehungsweise unter welchen Voraussetzungen ein vorausliegendes Recht durchgesetzt werden kann. Rechtsfolgenrechte haben eigenständige Tatbestandsmerkmale. Eine Rechtsverletzung ist – wie bereits betont – indessen
285 Bacher, S. 41 ff., insbesondere S. 64 ff., sieht den Unterlassungsanspruch als funktionslos an; herkömmlich werden Ansprüche nicht der Rechtsdurchsetzung zugerechnet, vgl. C. Heinze, JZ 2011, 709, 715 f., was dann dazu führt, dass man eine „Materialisierung“ des Verfahrensrechts erkennt; vgl. Janal, S. 54. 286 Vgl. Köhler, AT, § 18 Rn. 2. 287 Schmidt, Festschrift Jahr, S. 401, 411 f. 288 Barker, 57 C. L. J. (1998), 301, 319 (Hervorhebung im Original). 289 Schmidt, Festschrift Jahr, S. 401, 411 f.
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keine zwingende Entstehungsvoraussetzung.290 Namentlich der vertragliche Erfüllungsanspruch, aber auch der Anspruch auf Aufwendungsersatz im Rahmen einer Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 670 BGB) setzen eine solche nach der Systematik des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht voraus. Es ist, wie ausgeführt, weder eine Mitwirkung des Gerichts noch eine Aufforderung zur Leistung vonnöten.291 Dessen ungeachtet kann gerade eine Rechtsverletzung für die „Geburt“ des Rechtsfolgenrechts konstitutiv sein. Während dies für Unterlassungsansprüche aus § 1004 I BGB einhellige Meinung ist, wird sich zeigen, dass auch rechtsgeschäftliche Unterlassungsvereinbarungen erst infolge einer Vertragsverletzung (beziehungsweise einer drohenden Vertragsverletzung) über einen Unterlassungsanspruch verwirklicht werden können (u. § 9 IV). Hier genügt zunächst die Feststellung, dass Ansprüche erst später als das vorausgelagerte Recht entstehen können. Dies wiederum ist mit Blick auf den vertraglichen Erfüllungsanspruch (z. B. gemäß § 433 I S. 1 BGB) durchaus denkbar. Dieser entsteht nach hier vertretener Meinung erst bei Fälligkeit, während das vertragliche Stammrecht (dazu u. § 5 III 3) bereits vorher existiert.292 Die herrschende Gegenansicht meint demgegenüber, dass bei vertraglichen Schuldverhältnissen mit aufgeschobener Fälligkeit der Anspruch sofort entsteht, wenn auch als „betagter Anspruch“;293 er ist nicht durchsetzbar.294 Es soll zwischen der Entstehung des Naturalerfüllungsanspruchs und der Frage nach seiner Fälligkeit zu unterscheiden sein.295 Wer aber von „fälligen Ansprüchen“ spricht,296 handelt sich den Vorwurf der „Doppelsprache“ ein.297 Entweder der Anspruch ist entstanden und damit fällig oder er besteht 290
Henckel, AcP 174 (1974), 97, 142, der überlegt, ob Fälligkeit und Rechtsverletzung kumulativ Entstehungsvoraussetzung für Ansprüche aus Forderungen sind, ist daher nicht zu folgen; gleiches gilt für Hoffmann, S. 128 ff., 138; Meesmann, S. 120; Ost, S. 131; Braun, AcP 205 (2005), 127, 137. 291 Dazu o. § 2 I, II. 292 Vgl. Braun, AcP 205 (2005), 127, 137 f.; U. Huber, Festschrift v. Caemmerer, S. 837, 847; ders., AcP 2010 (210), 319, 321; Schulze, S. 476; Siber, S. 82; Kohler, Zeitschrift für das Privat- und Öffentliche Recht der Gegenwart 1887, 1, 11 (Fn. 17); zum Streit bereits H. Lehmann, S. 70 ff. 293 BGH NJW 2006, 2773 Rn. 12; BGH NJW 2001, 1724 f.; Brox/Walker, BGB AT, § 30 Rn. 642; Staudinger/Peters/Jacoby, § 194 Rn. 9, vgl. Stephan, S. 49, 50; U. Huber, AcP 2010 (210), 319, 321 (Fn. 2); ders., Leistungsstörungen Bd. II, § 35 II, S. 148; MünchKomm/Krüger, § 271 Rn. 13. 294 Vgl. Medicus/Lorenz, SR AT, § 20 Rn. 226 f. 295 BGHZ 89, 189 Rn. 9 = NJW 1984, 1557; Weller, JZ 2008, 764, 767 (Fn. 66); ders., S. 390. 296 Vgl. Langheineken, S. 21 („Man muß unterscheiden zwischen ‚Verpflichtung (zu einer Leistung) schlechthin‘ und ‚aktuellem oder fälligem Anspruch‘“); Bucher, S. 67 f., spricht von nicht „fällige[n] subjektiven Rechten“. 297 Kohler, § 57 III, S. 177 f.; § 273 BGB erweist sich als „unrichtig“ und unmaßgeblich: „Natürlich kann der unklare Gebrauch des Gesetzbuches für uns nicht maßgebend sein, da die Konstruktion Sache der Wissenschaft, nicht des Gesetzgebers ist.“
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eben mangels Fälligkeit noch nicht. Die Entstehung des Stammrechts ist davon natürlich zu trennen. Dieses entsteht im Besonderen mit Vertragsschluss oder im Allgemeinen auf Basis seiner Entstehungsvoraussetzungen. Das Rechtsfolgenrecht entsteht (bei vertraglichen Ansprüchen) im Zweifel freilich wegen § 271 I BGB parallel.298 Das hier zu entwickelnde Rechtsbehelfsmodell kann diesen Zusammenhang gerade auch für das Vertragsrecht mühelos erklären. Die Lehre vom „betagten Anspruch“ hat demgegenüber Schwierigkeiten, beispielsweise die Verjährung zu erklären (vgl. § 199 I Nr. 1 BGB). Dort ist die Rede von „Anspruch entstanden“, nicht davon, dass der Anspruch „durchsetzbar“ ist.299 Selbst wenn Rechtsfolgenrechte damit gleichzeitig mit dem vorausliegenden Recht entstehen können, ist dies kein Widerspruch zu der These, dass das Rechtsfolgenrecht eigenständig festlegt, wann beziehungsweise unter welchen Voraussetzungen eben dieses entsteht. Der zeitliche Zusammenfall ist empirischer Zufall und ändert nichts daran, dass die Tatbestandsmerkmale des Rechtsfolgenrechts von denen des vorausgelagerten Stammrechts analytisch zu unterscheiden sind. Das zeigt sich schon daran, dass im Schuldrecht vor Fälligkeit das Stammrecht, nicht der Anspruch (der schließlich noch nicht entstanden ist), abtretbar ist.300 Für den Anspruch auf Schadensersatz sind zudem regelmäßig der Eintritt eines Schadens und Verschulden Entstehungsvoraussetzungen. So genannte rechtshindernde Einwendungen wie §§ 125, 134, 138, 142 BGB beziehen sich hingegen auf das Stammrecht. Für die Entstehung des Rechtsfolgenrechts haben sie nur insoweit Bedeutung, als ohne ein Stammrecht logischerweise kein Rechtsfolgenrecht bestehen kann. (3) Drittens sagt der Anspruch beziehungsweise das Rechtsfolgenrecht, wer zur Rechtsdurchsetzung berufen ist. Meistens ist dies der Stammrechtsinhaber selbst. Allerdings kann die Verfolgungsbefugnis auch jemandem zustehen, der nicht Rechtsinhaber ist, wie zum Beispiel §§ 335, 525 II, 527 II, 2194 BGB belegen.301 Es kann eine Rechtsposition einem Rechtssubjekt zugewiesen sein, während für deren Durchsetzung ein Dritter zuständig ist. Auf diese Zusammenhänge hat Rimmelspacher hingewiesen. Er hebt hervor, dass mit der Durchsetzung der Rechtsposition nicht immer derjenige betraut ist, dem diese zugewiesen ist.302 Verbraucherverbänden obliegt beispielsweise nach § 1 UKlaG, unwirksame Geschäftsbedingungen zu bekämpfen, um damit letztlich Verbraucherrechte zu verwirklichen. Das Lauterkeitsrecht liefert ein ähnliches 298 Vgl.
U. Huber, Festschrift v. Caemmerer, S. 837, 847; ders., AcP 2010 (210), 319, 321. Staudinger/Peters/Jacoby, § 194 Rn. 9 („Der noch nicht fällige – ‚betagte‘ – Anspruch erfährt zwar in manchem eine Sonderbehandlung, indem z. B. seine Verjährung grundsätzlich noch nicht beginnt“). 300 Vgl. zu den Schwierigkeiten Staudinger/Peters/Jacoby, § 194 Rn. 9. 301 Thomale, AcP 212 (2012), 920, 929. 302 Rimmelspacher, S. 108. 299 Vgl.
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Beispiel: Das Recht des Verbrauchers, nicht irregeführt zu werden (vgl. § 5 I UWG), wird wegen § 8 III UWG nicht durch ihn, sondern durch Mitbewerber und Verbraucherverbände verwirklicht. Klar ist, dass das Recht, Unterlassen zu verlangen, hier in die Hände von Verbraucherverbänden gelegt ist. Ob wie angedeutet diesem Rechtsfolgenrecht – dass der Anspruch nach § 8 I UWG ein Recht darstellt, lässt sich kaum bestreiten303 – ein Recht des Verbrauchers vorausliegt, wird noch zu beleuchten sein.304 Festzuhalten bleibt, dass das Rechtsfolgenrecht selbst regelt, wem dieses zusteht. Die Sonderregelungen belegen zugleich, dass mangels solcher vermutet wird, dass die Rechtsdurchsetzung dem Rechtsinhaber selbst anheimgestellt wird. In diesem Zusammenhang empfiehlt sich ein klarstellender Blick auf die Problematik der Rechtsübertragung beziehungsweise Abtretung.305 Im Anspruchssystem wird es als widersprüchlich empfunden, dass dingliche und familienrechtliche Ansprüche nicht isoliert abtretbar sein sollen,306 während Forderungen nach § 398 BGB „Verfügungsobjekte“307 sind.308 Wenn man aber den Anspruch als eigenständiges Recht begreift, welches wiederum der Durchsetzung eines vorausgelagerten Rechts dient, dann ist dies einheitlich erklärbar.309 In Rechtsübertragungs- beziehungsweise Abtretungsfällen wird regelmäßig das Stammrecht, nicht das Rechtsfolgenrecht übertragen.310 Im Falle der Abtretung des Anspruchs aus § 433 I S. 1 BGB kommt es dem Zessionar schließlich gerade darauf an, das privatautonom vereinbarte Recht auf einen bestimmten Kaufgegenstand zu erhalten. Dieses stellt den Behaltensgrund im Sinne von § 812 BGB dar, während das Rechtsfolgenrecht Erfüllung in Natur ohnehin kraft Gesetzes in der Hand des Forderungsinhabers entsteht.311 Am Anspruch selbst, am bloßen „Verlangenkönnen“, hat der Zessionar in der Tat kein primäres Interesse. Dann würde ihm eine Einzugsermächtigung aus § 185 BGB genügen. Der Zessionar will aber typischerweise das Stammrecht erwerben.312 303 Vgl. Reinhardt, JZ 1961, 713, 717; zum Streit um die prozessuale Natur der Verbandsklage o. § 2 I. 304 Dazu genauer u. § 5 III 5. 305 Kritisch mit Blick auf das Rechtsbehelfsmodell Weller, S. 409 ff.; vgl. aber Hoffmann, S. 121 ff., 129; zum GEK-E Riehm, S. 502 f.; zum Urheberrecht vgl. Schack, UrhR § 14 Rn. 479. 306 Zu §§ 985, 1004 I BGB Medicus/Petersen, AT, § 11 Rn. 75; Erman/N. Klass, BGB, Anh § 12 Rn. 279; der Anspruch soll untrennbar mit dem Eigentum verwoben sein, vgl. auch Gernhuber, Schuldverhältnis, § 1 I 4, S. 3. 307 Henckel, S. 262 f. 308 Schmidt, Festschrift Jahr, S. 401, 403. 309 Schmidt, Festschrift Jahr, S. 401, 403, 416. 310 Nach Bucher, S. 76 f., ist der Anspruch, also das Rechtsfolgenrecht, generell unübertragbar. Der Begriff des subjektiven Rechts führt im Übrigen nicht weiter. Es gibt übertragbare (§§ 903, 137 S. 1 BGB) und nicht-übertragbare subjektive Rechte (§ 29 I UrhG). 311 Vgl. Hoffmann, S. 178; bereits Kohler, § 58 I, S. 178; s. auch u. § 5 III 3. 312 Vgl. Röhl/Röhl, S. 359.
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Theoretisch mag es freilich möglich sein, auch das Rechtsfolgenrecht zu übertragen.313 Ob ein entsprechender Parteiwille – gerade im Schuldrecht, siehe soeben – vorliegt, ist freilich eine andere Frage. Dies gilt zumindest theoretisch auch für die aus dem Eigentum folgenden Ansprüche aus §§ 985, 1004 BGB. Eine Benachteiligung des Eigentümers ist damit nicht verbunden, da der Anspruch jederzeit neu entstehen kann.314 Selbst wenn der nach § 985 BGB entstandene Anspruch abtretbar wäre, bliebe die Abtretung des Rechts, mit dem Eigentum nach Belieben zu verfahren (§ 903 BGB), davon unberührt. Dies ist Teil des Stammrechts. Klar ist – darauf hat Bucher zu Recht deutlich hingewiesen –, dass erst die saubere Differenzierung zwischen „Recht“ und „Anspruch“ (nach hier verwendeter Terminologie Stammrecht und Rechtsfolgenrecht) deutlich macht, dass Rechtsfolgenrecht und Stammrecht unterschiedliche „rechtliche Schicksale“ erfahren können.315 Wird beispielsweise auf den Anspruch verzichtet, bleibt das Recht bestehen; wird auf das Recht verzichtet, sind Ansprüche ebenso ausgeschlossen.316 Es ist also genau zu ermitteln, worauf sich ein Rechtsgeschäft bezieht.317 Dann bleibt auch eindeutig, wer zur Rechtsdurchsetzung befugt ist. (4) Der Anspruch beziehungsweise das Rechtsfolgenrecht regelt schließlich viertens, wie lange ein Recht durchgesetzt werden kann.318 Im Verjährungsfall kann ein Stammrecht nicht mehr über den Anspruch verwirklicht werden (§ 214 I BGB). Differenziert man zwischen Stamm- und Rechtsfolgenrecht, wird daraus von selbst verständlich, dass sich die Verjährung nur auf letzteres bezieht.319 Bei Ausschließlichkeitsrechten ist dies allgemeine Meinung. Das 313 Der Kritik Wellers, S. 409 ff., wonach ein Rechtsbehelfsmodell Rechtsübertragungen nicht befriedigend lösen kann, ist entgegenzuhalten, dass vielmehr die Möglichkeit eröffnet wird, zwischen der Übertragung des Rechtsfolgenrechts oder des Stammrechts zu differenzieren. Nach Hoffmann, S. 178, sollen rechtsverwirklichende Schutzrechte wie der Erfüllungsanspruch nicht isoliert übertragen werden können, vgl. ders., S. 59; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 126 („Die zum Schutz einer Rechtssphäre gewährte Befugnis, auf Unterlassung zu klagen, hat aber keinen selbständigen wirtschaftlichen Wert. Sie schützt nur die Rechtssphäre. Nur diese ist übertragbar […]“). 314 Bei § 985 BGB wäre zudem zu bedenken, dass dieser Anspruch für eine konkrete Situation besteht (vgl. auch Hoffmann, S. 58). Das heißt also gerade nicht, dass der Eigentümer Ansprüche aus § 985 BGB für künftige Fälle verliert, sondern nur ein konkreter Herausgabeanspruch gegen einen konkreten Besitzer wegen einer Abtretung einem anderen zusteht. Dann besteht auch kein Problem mit dem numerus clausus (so aber Hoffmann, S. 59, 60). Da die Problematik zugleich über § 185 BGB gelöst werden kann, ist dieser Streit nicht überzubewerten. 315 Bucher, S. 78 und S. 8. 316 Bucher, S. 78; Kohler, § 58 I, S. 178, weist auf das enge Verhältnis von Anspruch und Recht hin, auch wenn der Anspruch „etwas vom Rechte Getrenntes“ ist. 317 Vgl. auch Ost, S. 132. 318 Vgl. Thomas, S. 57 ff. („Der Anspruch als Verjährungsobjekt“). 319 Vgl. Hoffmann, S. 123 f., 130, 133, 137 f.; Weller, S. 396, 406 ff., will jedoch gerade die Verjährungsregelungen als Argument gegen die Deutung des Schuldrechts als Rechtsbehelfsmodell anführen; zur Einordnung der Verjährung auch Grosch, S. 102 ff.
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Eigentum beispielsweise unterliegt anders als die Ansprüche aus §§ 985, 823 I BGB oder § 1004 I BGB nicht der Verjährung.320 Um die Verjährungsfrage in diesem Sinne zu lösen, hat Köhler überlegt, ob es nicht auch mit Blick auf den vertraglichen Unterlassungsanspruch sinnvoll wäre, zwischen „Stammrecht“ und Anspruch zu unterscheiden. Dadurch könne erklärt werden, dass sich der Gläubiger einer entsprechenden Unterlassungsvereinbarung auch jenseits der regelmäßigen Verjährungsfrist erfolgreich auf die Abrede berufen kann.321 Auf diesen Zusammenhang hat bereits Kohler hingewiesen.322 Er unterscheidet zunächst das „obligatorische Recht“ vom „Anspruch“. Der Anspruch „als etwas von dem Rechte verschiedenes“ sei zwar bei den „dinglichen Rechten am schärfsten ausgeprägt“, aber auch „das obligatorische Recht dürfe mit dem Anspruch durchaus nicht verwechselt werden“.323 „Auch bei den obligationes non faciendi entsteh[e] daher ein Anspruch erst mit der Störung, d. h. mit der Contravention“, wobei der Anspruch darauf ziele, die Störung zu beenden.324 Daher beginne erst in diesem Moment die Verjährung, nicht etwa „weil der bereits vorhandene Anspruch seither befriedigt war, sondern weil noch gar kein Anspruch vorhanden war.“325 In der Tat diente gerade die Verjährungsproblematik für viele der oben beschriebenen Ansätze zu einem einheitlichen Anspruchsbegriff (§ 5 II 1) als Beweis, dass zwischen Forderungsrecht und Anspruch zu trennen ist. Trotz Verjährung bleibt die Forderung bestehen, wie der Ausschluss der bereicherungsrechtlichen Rückforderung und die fortdauernde Möglichkeit, sich aus bestehenden Sicherheiten zu befriedigen, belegen. Der Anspruch hingegen erlischt.326 Denkbar ist freilich auch, dass die Verjährung des Anspruchs parallel zur Entstehung des Rechts beginnt. Entsteht der Erfüllungsanspruch zugleich mit Vertragsschluss (vgl. § 271 I BGB), beginnt auch die Verjährung sofort. Entsteht der Anspruch erst später, weil er noch nicht fällig ist, läuft die Verjährungsfrist 320 Nur Hoffmann, S. 123; Rehfeldt, § 15 II, S. 62; s. a. Enneccerus/Nipperdey, § 222 II, S. 1364. 321 Köhler, JZ 2005, 489, 492, 496. Konkret will er zwischen dem „allgemeinen“, durch den Vertragsschluss begründeten Unterlassungsanspruch und dem durch eine Zuwiderhandlung begründeten „konkreten“ Unterlassungsanspruch unterscheiden. Näher u. § 9 IV. 322 Kohler, Zeitschrift für das Privat- und Öffentliche Recht der Gegenwart 1887, 1, 10 ff. 323 Kohler, Zeitschrift für das Privat- und Öffentliche Recht der Gegenwart 1887, 1, 10; ders., § 57 III, S. 177; § 58 I, S. 178. Allerdings sieht Kohler den Anspruch nicht als ein selbständiges Recht, sondern nur als „eine aus dem Recht abgeleitete Befugnis“, a. a. O., § 56 I, S. 173. 324 Kohler, Zeitschrift für das Privat- und Öffentliche Recht der Gegenwart 1887, 1, 11. 325 Kohler, Zeitschrift für das Privat- und Öffentliche Recht der Gegenwart 1887, 1, 11 (Fn. 17). 326 Rehfeldt, § 15 II, S. 62 f. („Ein klagloser Anspruch, einer, aus dem man nicht mehr ‚ansprechen‘ kann, dürfte aber im Widerspruch mit sich selbst und seiner Zweckbestimmung stehen“); vgl. Rimmelspacher, S. 48 ff.; Roth, S. 44 ff., 46; Schmidt, Festschrift Jahr, S. 401, 415 f.
II. Anspruch als materiellrechtliches Rechtsfolgenrecht
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erst ab Fälligkeit.327 Die Verfechter des „Anspruchssystems“ müssen hier eine Ausnahme anerkennen.328 Ein Ansatz, der Stammrecht und Rechtsfolgenrecht auseinanderhält, kann dies hingegen mühelos erklären. Sobald der Anspruch entstanden ist, beginnt die Verjährung. Welche Entstehungsvoraussetzungen für den Anspruch gelten (Fälligkeit, Rechtsverletzung etc.), ist gleichgültig. (5) Auch § 275 II oder § 362 BGB sind Regelungen, die ausschließlich das Rechtsfolgenrecht adressieren. Auch wenn bei Unterlassungsansprüchen die Begehungsgefahr ausgeräumt wird, erlischt das Rechtsfolgenrecht.329 Letztlich betreffen sämtliche der hier angesprochenen Fragen die Rechtsdurchsetzung.330 Mit Blick auf Einreden hat dies etwa Thomale herausgestellt.331 In der Tat wird im englischen Recht die Verjährung der prozessualen Ebene zugeordnet.332 Auch Unberath sieht die Einrede der Verjährung „funktional“ auf „der Ebene der Rechtsdurchsetzung“ angesiedelt.333 Peters und Jacoby meinen, dass der Grundgedanke der Verjährung, dass eine Angelegenheit „so lange her ist“, dass man sich mit ihr nicht mehr zu befassen braucht, eher einer prozessualen Einordnung der Verjährung entspricht.334 Daran wird kritisiert, dass dies die Sichtweise des überkommenen Aktionenrechts abbilde.335 Nach hier vertretener Auffassung wird die Frage zwar in der Tat auf der Ebene der Rechtsdurchsetzung angesiedelt – wenn aber auch bereits im materiellen Recht. Dies gilt es nun nochmals genauer in den Blick zu nehmen.
3. Anspruch als materielles Recht Gehören also Rechtsfolgenrechte dem materiellen Recht an?336 Auch wenn der Anspruch als Instrument der Rechtsdurchsetzung charakterisiert wird, 327 MünchKomm/Grothe,
§ 199 Rn. 4; Staudinger/Peters/Jacoby, § 199 Rn. 7. Weller, S. 407. 329 Dazu insbesondere u. § 10 II. 330 Auch Costede, S. 19, weist darauf hin, dass der Anspruchsbegriff „verfahrensrechtliche Elemente“ enthält; zur Verjährung vgl. Unberath, S. 170 mit Fn. 55; vgl. aber MünchKomm/Ernst, § 275 Rn. 3. 331 Vgl. Thomale, AcP 212 (2012), 920, 932 f.; Einwendungen und Einreden als materielle Gegenrechte, Roth, S. 24 ff., 294 ff., 304 f. 332 Vgl. zum englischen Verjährungsrecht den Limitation Act 1980; vgl. Zakrzewski, S. 59 f.; Smith, Law of Damages, S. 33, 50 f.; ein remedy wird dann nicht angeordnet; es besteht ein substantive right ohne remedy, während im Anspruchssystem dem Anspruch die Klagbarkeit genommen werden muss, vgl. Weller, S. 234 f.; ders., JZ 2008, 764, 769. 333 Unberath, S. 170; vgl. auch Weller, S. 406, der es als konsequent ansieht, wenn im anglo-amerikanischen Rechtskreis Rechtsbehelfe und Verjährung verfahrensrechtlich zu begreifen sind. 334 Staudinger/Peters/Jacoby, § 194 Rn. 4; vgl. Henckel, Parteilehre, S. 257. 335 Vgl. Schulze, S. 479 f., 485; die Entstehung und das Erlöschen von Rechtsfolgenrechten regelt aber das materielle Recht, dazu sogleich. 336 Zur praktischen Relevanz Wesel, Festschrift Lübtow, S. 787, 788. 328 Vgl.
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handelt es sich um materielles Recht.337 Es wurde eben gezeigt, dass dies mühelos möglich ist. Diese Überzeugung lässt sich zudem selbst im Kontext des unionsrechtlichen Rechtsfolgensystems halten. Auch darauf wurde bereits eingegangen (o. § 3 IV). Vor allem entspricht es der deutschen Rechtstradition, dass Durchsetzungsfragen wie insbesondere die Verjährung auf materieller Ebene angesiedelt sind.338 Dies gilt letztlich für sämtliche Einreden oder Einwendungen.339 Davon geht nicht zuletzt das deutsche Internationale Privatrecht aus.340 Insbesondere wird die im anglo-amerikanischen Rechtskreis als prozessual verstandene Verjährung materiellrechtlich qualifiziert.341 Kollisionsrechtlich käme es sonst zu einer unerwünschten Aufspaltung zwischen Recht und Rechtsdurchsetzung,342 zumal sich der Sache nach der Umfang des Rechts erst in der Durchsetzung vollständig offenbart. Für das Internationale Privatrecht ist die Lösung damit einfach: Rechtsfolgenrechte sind materiellrechtlich zu qualifizieren.343 Es findet damit dasjenige Recht Anwendung, das auch auf das zu verwirklichende Recht Anwendung findet. Eine materiellrechtliche Einordnung bekräftigt im Übrigen auch der Rechtsvergleich. Insbesondere in der englischen Diskussion wird betont, dass remedial rights in der Tat „Rechte“ sind. Auch wenn remedies von Gerichten zugesprochen werden müssen, soll sich die Aufgabe des Richters darauf beschränken, dasjenige zuzusprechen, was dem Kläger als „Rechtsfolgenrecht“ materiellrechtlich gebührt. Die Rechtsfolge muss durch das materielle Recht, das es zu verwirklichen gilt, vorgezeichnet sein.344 Der Blick verschiebt sich (zumindest nach einer Literaturströmung) zu sekundären Rechten des materiellen Rechts (z. B. “secondary right to an account of profits”345).346 337 Offen gelassen von Rimmelspacher, S. 168; vgl. aber ders., S. 107 (Fn. 1); der Streit um die prozessuale oder materiellrechtliche Qualifikation der Klagebefugnis (vgl. G. Wagner, S. 400 ff.) führt hier nicht weiter, da hier Rechtsfolgenrechte als eigenständige Rechte gesehen werden. Die Argumente, die dort angeführt werden (vgl. Weller, 382 ff.), können jedoch auch hier fruchtbar gemacht werden. 338 Auffassungen, die den Anspruch als „prozessuales Klagerecht” auffassen, sind seit Windscheid überholt. Für „prozessuales Klagerecht“ aber Thomale, JuS 2010, 857, 859 (Fn. 11); Grosch, S. 102 ff., 105, spricht sich für eine prozessuale Einordnung der Verjährung beim Unterlassungsanspruch aus. 339 Vgl. Roth, S. 24 ff., 294 ff., 302 ff., 304 f.; s. a. Kappus, Jura 1990, 126, 132. 340 Für die Verjährung BGH NJW 1960, 1720, 1721; Schmidt, Festschrift Jahr, S. 401, 416; Jahr, JuS 1964, 218, 224; vgl. zum englischen Recht, Smith, Law of Damages, S. 33, 51. 341 BGH NJW 1960, 1720, 1721. 342 Weller, S. 386, im Hinblick auf die materiellrechtliche Natur der Klagebefugnis. 343 Vgl. Weller, S. 402 (Fn. 225) und S. 131; für materiellrechtliche Qualifikation schon Rheinstein, S. 242 (Fn. 325). 344 Zakrzewski, S. 57 f. (“[…] it is the substantive right which drives the remedy. The remedy usually follows, because the substantive right has been infringed.”); etwaiges „Ermessen“ ist regelbasiert, a. a. O., S. 187. 345 Zakrzewski, S. 187. 346 Zum Streit um discretionary remedialism o. § 1 III 2.
III. Stammrechte als Anknüpfungspunkte für Rechtsfolgenrechte
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Wenn schließlich früher die Begehungsgefahr im Unterlassungsanspruch prozessual qualifiziert wurde, wird diese heute materiellrechtlich aufgefasst. Gerade dies belegt, dass ein materiellrechtliches Verständnis von Fragen der Rechtsdurchsetzung (entwicklungsperspektivisch) mühelos möglich ist. Das materielle Recht hat schließlich nicht nur zu entscheiden, welche Stammrechte es gewährt, sondern auch, wie – also mit welchem Rechtsfolgenrecht – diese durchzusetzen sind.347 Es geht um die „Klärung und Durchsetzung materieller Rechtslagen“.348
4. Ergebnis Diese Arbeit basiert auf der Prämisse, dass die Rechtsordnung zwei Arten kategorial unterschiedlicher Rechte kennt: Stammrechte und Rechtsfolgenrechte. Letztere wurden in diesem Abschnitt untersucht. Das Rechtsfolgenrecht – oder synonym: der Anspruch – bestimmt, wer, wie, wann beziehungsweise unter welchen Voraussetzungen, wie lange etc. ein vorausliegendes Stammrecht durchsetzen kann. Mittels des Rechtsfolgenrechts wird die Rechtsdurchsetzung eingeleitet. Auch wenn Rechtsfolgenrechte damit funktional der Ebene der Rechtsdurchsetzung zuzuordnen sind, ändert dies nichts daran, dass es sich um materielle Rechte (im weiteren Sinne) handelt. Dass es sich ebenfalls um Rechte handelt, wird sprachlich durch die Bezeichnung Rechtsfolgenrechte deutlich gemacht.349
III. Stammrechte als Anknüpfungspunkte für Rechtsfolgenrechte Die Literatur hat mehrere Ansätze hervorgebracht, die privatrechtsübergreifend zwischen Rechtszuweisungen und deren Schutz differenzieren wollen. Namentlich Picker propagiert – wie bereits mit Blick auf Forderungen angedeutet – generell eine systematische Trennung zwischen Substanzrechten einerseits und Schutzrechten andererseits.350 Er vertritt die These, dass „einem Anspruch in seiner Rolle als Schutzrecht immer ein absolut oder relativ ausgestaltetes Sub347 Vgl. Ritter, S. 28, die darauf verweist, dass bei einer prozessualen Einordnung des Unterlassungsanspruchs die materielle Rechtslage dennoch eine entscheidende Rolle spielt; vgl. auch Münzberg, JZ 1967, 689, 694. 348 Zeuner, Festschrift Dölle, S. 295, 307. 349 Der „Sammelbegriff“ subjektives Recht führt demgegenüber nicht weiter, sogleich. 350 Picker, Festschrift Bydlinski, S. 269, 275 f.; ders., Festschrift Canaris, S. 1001, 1017, 1032; ders., Privatrechtsgesellschaft, S. 207, 240, 248 f.; ders., Festschrift Medicus, S. 311, 317; ders., JZ 2010, 541, 546; ders., Prävention, S. 61, 84 ff.; ders., Festschrift Schilken, S. 85, 93; dem folgend u. a. Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 89 ff.; Bernhard, Festschrift Picker, S. 83, 103 ff.; F. Hartmann, S. 22; Hoffmann, S. 35 ff.; Katzenstein, S. 142 ff., 182 ff.; ders., Jura 2004, 1, 5; Gebauer, S. 83 f.; ders., Jura 1998, 128, 132; vgl. auch Jacobs, S. 187 f., 189; Wilhelm, Rn. 64 ff.; vgl. auch Jansen, AcP 216 (2016), 112, 204, 205, 207.
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stanzrecht als Schutzgut vorausliegt.“351 Während das Substanzrecht „Inhalt und Umfang“ des geschützten Rechts umreiße („Genuss-, Gebrauchs- und Verwertungsrecht“),352 sei der Anspruch das „rechtliche Instrument, die[se] Wertentscheidung […] durchzusetzen“ („Rechtsschutzordnung“).353 Die Rechtsordnung gewähre „zwei in ihrem Inhalt voneinander getrennte, in ihrem Zweck aber aufeinander bezogene Kategorien von subjektiven Rechten.“354 In diesem Sinne trennt auch Bruns allgemein zwischen „Zuweisungsnormen“ und „Rechtssätzen, die Rechtsstörungen regeln“.355 Nach Ost wiederum soll es sowohl im Schuld- als auch im Sachen- oder Immaterialgüterrecht zunächst um die Zuordnung von Rechten gehen. Eine Forderung stelle sich dabei als die umfassende Zuordnung der „Aussicht auf den Erwerb des Leistungsgegenstandes“ dar, wie etwa Immaterialgüterrechte unkörperliche Güter zuordnen.356 Den Anspruch sieht er als „rechtstechnisches Hilfsmittel“ zur Durchsetzung der gesetzlichen Güterzuordnung.357 Missachte beispielsweise der Vertragsschuldner den Leistungsbefehl der Rechtsordnung, stelle diese dem Gläubiger mit dem Leistungsanspruch einen „Rechtsbehelf“ zur Verfügung, durch den er den Schuldner zur Erfüllung seiner Leistungspflicht anhalten könne.358 Was dabei „der Wille der Rechtsordnung“ sei, ergebe sich aus dem Forderungsrecht, nicht erst aus dem Leistungsanspruch.359 Auch weitere Autoren weisen darauf hin, dass bei allen Rechten „die in ihnen enthaltene Zuweisung, ihre Substanz einerseits“ und „die Mittel ihres Schutzes und ihrer Durchsetzung andererseits“ zu unterscheiden sind360 oder dass die Rechtsordnung zum einen Rechtsgüter mittels subjektiver Rechte zuweist und zum anderen Widersprüche gegen die Rechtszuweisung mit „Sanktionen“ belegt.361 Teils wird aber auch geleugnet, dass jedem Anspruch ein Recht voraussteht. Mitunter soll das Gesetz Verhaltensverbote aufstellen, ohne dass ihnen ein (subjektives) Recht zugrundeliegt.362 Dass aber an die erstgenannten Thesen anschließend eine wie hier verfochtene kategoriale Unterscheidung zwischen Stammrechten und 351
Picker, Festschrift Bydlinski, S. 269, 276. Picker, Festschrift Schilken, S. 85, 93. 353 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 95; ders., JZ 2014, 431, 439. 354 Picker, JZ 2014, 431, 439. 355 Bruns, JuS 1971, 221, 223; vgl. ders., Festschrift Nipperdey, S. 3, 5 ff., 19 („Trotz gewisser Schwierigkeiten der Scheidung von Forderung (als Recht) und Anspruch (als Rechtsbehelf, damit als bloßer Befugnis) sollte diesem terminologische und sachliche Aufmerksamkeit gewidmet werden; er gehört nun einmal zur Rechtsschutzordnung und ist deswegen nicht ausschließlich durch die Ordnung des materiellen Rechts determiniert.“). 356 Ost, S. 128 f. und S. 107 ff. 357 Ost, S. 43. 358 Ost, S. 130 f. 359 Ost, S. 130 f. 360 Meesmann, S. 115 (ohne Fußnoten). 361 Costede, S. 31. 362 Dazu grundlegend Peukert, Güterzuordnung, S. 863 ff. 352
III. Stammrechte als Anknüpfungspunkte für Rechtsfolgenrechte
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Rechtsfolgenrechten mit dem deutschen Privatrecht vereinbar ist, soll nun anhand des geltenden Rechts überprüft werden. Der Spezialanalyse muss freilich noch eine Auseinandersetzung mit dem Begriff des „subjektiven Rechts“ vorausgeschickt werden. Die herrschende Meinung vermengt hierbei zweierlei: die Rechtszuweisung und die Rechtsdurchsetzung. Der Begriff des subjektiven Rechts vermittelt mit Blick auf das Zusammenspiel von Rechtszuweisung und Rechtsdurchsetzung allerdings gerade keinen Erkenntnisgewinn (1.). Während ein „Denken in Rechtsbehelfen“ der deutschen Rechtsordnung konkret bei Ausschließlichkeitsrechten nicht fremd ist (2.), lässt sich eine solche ZweierStruktur aber auch bei vertraglichen Schuldverhältnissen (3.), gesetzlichen Schuldverhältnissen (einschließlich vertragsähnlicher Schuldverhältnisse, (4.)) sowie selbst bei gesetzlichen Verhaltenspflichten (5.) nachweisen. Es wird sich zeigen, dass eine solche Sichtweise sowohl mit der Systematik des Privatrechts in Einklang zu bringen ist, als auch, dass es neben den referierten Ansichten weitere, vor allem punktuelle Ansätze gibt, die eine vergleichbare Interpretation, also ein Verständnis des Rechtsfolgensystems als Rechtsbehelfssystem, hochhalten.363 Auch dass dabei beiden Rechtekategorien je eine eigenständige Funktion zukommt, wird vertieft: Während wie gesehen (o. § 5 II 2) die Rechtsfolgenrechte materiellrechtlich die Rechtsdurchsetzung bewirken, bestimmen die Stammrechte vor allem den Umfang der Schutzposition.364 Dies ist in den eben referierten Stellungnahmen bereits angeklungen.
1. Doppelfunktion des Begriffs „subjektives Recht“ Der Rechtsbegriff „subjektives Recht“ ist vieldeutig.365 v. Tuhr will dem Begriff „Recht“ zumindest im täglichen Leben keine feste Bedeutung zumessen: „[M]an kann, ohne sich den Vorwurf der Sprachwidrigkeit zuzuziehen, von einem Recht des A reden, wenn er etwas tut, was ihm erlaubt oder auch nur nicht verboten ist“.366 In der Rechtssprache spielt hingegen der Begriff des subjektiven Rechts die entscheidende Rolle. Man hat es hierbei mit dem „zentrale[n] Begriff des Privatrechts“ zu tun.367 Nach der modernen Vereinigungs-
363 Eine grundsätzliche Trennung von „Haftungsfolgen“ und „Haftungsereignissen“ nimmt auch Stoll, S. 1 ff., vor. Unter Haftungsfolgen versteht er „alle Rechtsbehelfe […], welche die Rechtsordnung dem von einem haftungsbegründenden Ereignis Betroffenen zur Verfügung stellt, um das Ereignis samt seiner Folgen abwehren zu können.“ (a. a. O., S. 2). Stoll selbst beschränkt sich freilich im Wesentlichen auf eine Vertiefung der wiedergutmachenden Rechtsfolgen. 364 Vgl. für § 823 I BGB Reinhardt, JZ 1961, 713, 716; Rimmelspacher, S. 91. 365 Brehm, § 20 Rn. 607 („Der Ausdruck ‚Recht‘ ist vieldeutig“.). 366 v. Tuhr, § 1 I, S. 53. 367 v. Tuhr, § 1 I, S. 53; zur Unterscheidung von Recht im „objektiven“ und Recht im „subjektiven“ Sinne Medicus/Petersen, AT, § 10 Rn. 61; Rüthers/Stadler, § 4 Rn. 1.
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formel, die Willens- und Interessentheorie zusammenführt,368 wird unter einem subjektiven Recht die dem Einzelnen von der Rechtsordnung verliehene Willensmacht zur Durchsetzung seiner Interessen verstanden.369 Davon werden „rechtlich geschützte Interessen“,370 „rechtliche Vorteile“371, „rechtlich geschützte Lagen“372 oder auch „zugewiesene“ beziehungsweise „geschützte Rechtssphären“373 abgegrenzt. Das Recht der unerlaubten Handlungen (einschließlich des Tatbestands aus § 823 II BGB) soll in diesem Sinne dem „rechtlichen Schutz von Interessen und Gütern“ verpflichtet sein.374 Auch das Wettbewerbsrecht soll lediglich „güter- und interessenschützende Verhaltensnormen“ aufstellen.375 Ferner wird auf das Bestehen bloßer „Rechtsreflexe“ verwiesen. Nicht „jede günstige Lage“ verdichte sich zu einem subjektiven Recht:376 „Diese ihn begünstigende Lage denkt der Laie gern als Inhalt eines Rechts. Ein Recht im technischen Sinne aber liegt nur vor, wenn jene von der Rechtsordnung anerkannte Macht als ein festes, der Person zugeeignetes Machtverhältnis gedacht wird.“377
Ältere Ansichten sahen zudem einen Unterschied zwischen Rechten und bloßen Rechtsgütern, die weniger intensiv geschützt seien.378 Die Rede ist von der „rechtlich geschützten Lage“ als „am äußersten Ende der vom Substanzrecht in allen Schattierungen über das Rechtsgut führenden Skala“.379 Auch die allgemeine Freiheit, bestimmte Dinge zu tun, wird vom subjektiven Recht unterschieden. Trotz der allgemeinen Handlungsfreiheit gebe es kein 368 Zur Willenstheorie v. Savigny, § 4, S. 7; zur Interessentheorie Jhering, Geist des römischen Rechts, § 60, S. 317; zum Ganzen Auer, AcP 208 (2008), 584, 593 ff.; Wagner, AcP 193 (1993), 319, 320 ff. 369 Köhler, AT, § 17 Rn. 5; Raiser, JZ 1961, 465; Regelsberger, § 14, S. 75 f.; Enneccerus/ Nipperdey, § 72, S. 272 f., 277. 370 Vgl. Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.5. 371 Vgl. v. Tuhr, § 1 I, S. 54. 372 Vgl. Bruns, Zivilprozessrecht, Rn. 139a. 373 Vgl. Henckel, AcP 174 (1974), 97, 107, 120, 135 ff. („Denn wie sollte man erklären, daß derjenige, der beispielsweise den Schutz des § 1 UWG [a. F.] genießt, Schadensersatz verlangen kann, wenn ihm der entgangene Vermögenswert, der durch den Schadenersatz ausgeglichen werden soll, nicht zugewiesen war?“). 374 Dreier, S. 11; Bernhard, S. 83, 102 („ein subjektives Recht [ist] nichts anderes […] als ein rechtlich geschütztes Interesse“); Baur, JZ 1966, 381, 381, 383; Geiger, Schranken, S. 143, 149 („rechtlich geschütztes Interesse“ wird als „Recht in der Rechtstheorie definiert“). 375 Dreier, S. 10. 376 Brehm, § 20 Rn. 608; Brox/Walker, BGB AT, § 28 Rn. 615; s. a. Rimmelspacher, S. 116; die Skepsis gegenüber Unterlassungsansprüchen war getrieben von der Sorge um die Ausdehnung subjektiver Rechte, vgl. v. Caemmerer, Festschrift Deutscher Juristentag, S. 49, 55 f.; Rimmelspacher, S. 118; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 112 f. 377 Enneccerus/Nipperdey, § 72, S. 274. 378 Vgl. Brehm, AT, § 20 Rn. 610. 379 Bruns, Zivilprozessrecht, Rn. 139a.; vgl. Troller, S. 122 ff.
III. Stammrechte als Anknüpfungspunkte für Rechtsfolgenrechte
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subjektives Recht etwa zum Spazierengehen, zum Atmen oder Gähnen.380 Hohfeld hat Derartiges in Abgrenzung zum Recht (right) als Privileg (privilege) beschrieben.381 Allerdings lassen sich eben auch Privilegien, Kompetenzen und Immunitäten als Rechte begreifen.382 Die Rechtsordnung lässt sich damit nicht als System, das ausschließlich aus subjektiven Rechten besteht, verstehen.383 Der Begriff des subjektiven Rechts bleibt ungeachtet der genannten Einschränkungen weit. Unter diesem Oberbegriff werden die unterschiedlichsten Arten von Rechten vereint.384 Gängig ist die Unterscheidung zwischen relativen und absoluten Rechten. Es wurde bereits herausgestellt, dass vor allem inter partes wirkende Ansprüche als subjektive Rechte gelten (o. § 2 II 1).385 Auch Gestaltungsrechte (aus denen anders als aus absoluten Rechten keine Ansprüche ableitbar sind) zählen zu den subjektiven Rechten.386 Selbst die im Forderungsrecht enthaltene Einziehungsbefugnis wird als eigenes subjektives Recht aufgefasst.387 Neben relativen Rechten lassen sich Rechte, durch die Güter zugeordnet werden (Herrschafts- beziehungsweise Ausschließlichkeitsrechte),388 Rahmenrechte,389 Aneignungsrechte,390 Mitgliedschaftsrechte,391 Persönlichkeitsrechte und letztlich sämtliche absoluten Rechte (Familienrechte, Recht auf Leben etc.) als subjektive Rechte verstehen.392 380 Esser, § 75, S. 155; Eltzbacher, S. 107; Peifer, S. 135; Peukert, Güterzuordnung, S. 885 (Fn. 136). 381 Hohfeld, 23 Yale L. J. (1913), 16, 30 ff.; ders., 26 Yale L. J. (1917), 710; diskutiert wird beispielsweise, ob die „Privatkopie“ ein subjektives Recht des Nutzers begründet (Zech, Vertragliche Dispositionen, S. 187, 190 f.) oder wie es mit dem „Recht“ des Verkäufers auf eine zweite Andienung steht, Weller, S. 261 ff.; Lorenz, NJW 2006, 1175, 1176 („kein Recht […] im eigentlichen Sinne“); s. a. Alexy, S. 159 ff. 382 Zakrzewski, S. 10 (Fn. 10); Singer, Wis. L. Rev. (1982), 975, 978 (“Hohfeld published his famous article […] on fundamental distinctions among types of legal rights.”), 986 („Hohfeld identifies eight basic legal rights“); Wagner, AcP 193 (1993), 319, 342 f. („die Rechtstheorie [hat] drei Kategorien subjektiv-rechtlicher Positionen, nämlich Ansprüche, Freiheiten und Kompetenzen herausgearbeitet“). 383 Vgl. Auer, AcP 208 (2008), 584, 586. 384 Übersicht bei Wolf/Neuner, § 20 Rn. 15 ff.; Wüstenbecker, JA 1984, 227 ff.; Enneccerus/Nipperdey, § 72, S. 275, unterscheiden „Beherrschung“, „Anspruch“ und „Gestaltungsbefugnis“; vgl. auch Auer, AcP 208 (2008), 584, 598 f. 385 Medicus/Petersen, AT, § 11 Vor Rn. 73 („Eines der wichtigsten subjektiven Rechte, nämlich den Prototyp des relativen Rechts […] bildet der Anspruch.“); Schack, AT, § 3 Rn. 47; Köhler, AT, § 17 Rn. 11; Brox/Walker, BGB AT, § 28 Rn. 628. 386 Medicus/Petersen, AT, § 10 Rn. 69; Köhler, AT, § 17 Rn. 12; Brehm, AT, § 20 Rn. 613; Schack, AT, § 3 Rn. 48; v. Tuhr, § 15 II, S. 244; vgl. aber Bucher, S. 89 ff. 387 Weller, S. 228 f.; Staudinger/Schmidt, Einl. zu §§ 241 ff. Rn. 120. 388 Medicus/Petersen, AT, § 10 Rn. 66 f.; Köhler, AT, § 17 Rn. 9 f.; Schack, AT, § 3 Rn. 46; zum Begriff Zech, S. 65; zu Anwartschaftsrechten Brehm, AT, § 20 Rn. 615 ff. 389 Medicus/Petersen, AT, § 10 Rn. 71. 390 Medicus/Petersen, AT, § 10 Rn. 68; Köhler, AT, § 17 Rn. 19; Brehm, AT, § 20 Rn. 618. 391 Medicus/Petersen, AT, § 10 Rn. 69; Köhler, AT, § 17 Rn. 18; Schack, AT, § 3 Rn. 48. 392 Köhler, AT, § 17 Rn. 7 f.; Brehm, AT, § 20 Rn. 611.
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Die unterschiedlichen (Unter-)Systematisierungen bedürfen hier keiner Vertiefung. Wichtiger ist, dass der Begriff des subjektiven Rechts wegen seiner Weite Kritik erfahren hat. Er soll Oberbegriff für so vieles sein, so dass er lediglich als „Rahmenbegriff“ tauge.393 Moniert wird, dass eine Begriffsbildung an der Komplexität des subjektiven Rechts scheitern müsse.394 Tatsächlich wurde um das rechte Verständnis, was unter einem subjektiven Recht zu verstehen ist, lange und intensiv gestritten. Dies ist anderswo dokumentiert und muss hier nicht erneut aufbereitet werden.395 An der heute herrschenden Vereinigungsformel zur Definition des subjektiven Rechts interessiert mit Blick auf die hier zu untersuchenden Rechtsfolgen vor allem, dass Rechtszuweisung und Rechtsdurchsetzung unter einem Begriff versammelt werden.396 Das subjektive Recht ist kurz die dem einzelnen Rechtssubjekt zustehende (1) durchsetzbare (2) Rechtsposition.397 Dem subjektiven Recht kommen sowohl eine Ausschließungs- als auch eine Schutzfunktion zu. Nur wenn eine günstige Lage auch vom Begünstigten selbständig durchgesetzt werden kann, soll ein subjektives Recht bestehen.398 Das Recht muss klagbar sein,399 wobei erst die 393 Koch, S. 9 f., 16 f.; Larenz, Festschrift Sontis, S. 129, 130, 147; Wolf/Neuner, § 20 Rn. 9; Habersack, S. 27; Schack, AT, § 3 Rn. 45; Münzberg, JZ 1967, 689, 692 („Vielleicht haben wir bisher die Leistungsfähigkeit des Begriffes subjektives Recht ohnehin überschätzt.“); Raiser, JZ 1961, 465 ff.; s. a. Medicus/Petersen, AT, § 10 Rn. 72. 394 Kasper, S. 123 ff., 157, 177 f. 395 Nur Aicher, Das Eigentum als subjektives Recht; Bucher, Subjektives Recht als Normsetzungsbefugnis; Fezer, Teilhabe und Verantwortung; Kasper, Das subjektive Recht – Begriffsbildung und Bedeutungsmehrheit; Schapp, Das subjektive Recht im Prozess der Rechtsgewinnung; Schmidt, Aktionsberechtigung und Vermögensberechtigung. 396 Vgl. Kasper, S. 4 („wer ein ‚subjektives Recht‘ ‚hat‘, verfügt damit i. d. R. […] zugleich über eine ganze Reihe von ‚Rechtsfolgen‘“), S. 129 ff., 131 f.; Hoffmann, S. 39 f.; Koller, S. 99 f., wirft Hohfeld vor, den Begriff right zu undifferenziert zu sehen. Dem Recht ist zugleich die Befugnis, es durchzusetzen, immanent; zu Anspruchsrechten ders., S. 100 ff. 397 Auer, AcP 208 (2008), 584, 588, 596; Bork, AT, § 9 Rn. 281 („Danach ist ein subjektives Recht durch die ‚Zuweisung einer Verhaltensberechtigung mit Schutz und Ausschließlichkeitsgewähr‘ gekennzeichnet“); Bydlinski, S. 137 f.; Wilhelmi, S. 20; vgl. Wolf/Neuner, § 20 Rn. 2 ff.; Thomas, S. 78; bereits Jhering, Geist des römischen Rechts, S. 316 f. („Zwei Momente sind es, die den Begriff des Rechts konstituieren, ein substanzielles, in dem der praktische Zweck desselben liegt, nämlich der Nutzen, Vorteil, Gewinn, der durch das Recht gewährleistet werden soll, und ein formales, welches sich zu jenem Zweck bloß als Mittel verhält, nämlich der Rechtsschutz, die Klage.“). 398 Röhl/Röhl, § 46 II, S. 380 („Subjektive Rechte bestehen, wo rechtliche Verhaltens- und Sanktionsnormen derart kombiniert sind, dass der Normbenefiziar bei Verletzung von Verhaltensnormen Sanktionen auslösen kann.“); Esser, § 75, S. 155 („An dieser Gewährung von subjektiven Rechten fällt namentlich auf, daß der Schutz der Ordnung, die Durchsetzung seines Rechts, dem Berechtigten selbst übertragen und als eine Art Selbstschutz überlassen ist“); Zech, S. 66 („Das entscheidende Merkmal scheint aber die Freiheit zu sein, subjektive Rechte auszuüben oder auch nicht.“), S. 68; Peukert, Güterzuordnung, S. 55 („selbständige Rechtsmacht“ […], die der Einzelne autonom ausüben darf“). 399 Rüthers/Fischer, § 2 Rn. 63 und Rn. 65a; Weller, JZ 2008, 764, 766; vgl. H. Lehmann, S. 65 ff.; kann der Begünstigte sein Recht selbst durchsetzen, ist seine Stellung zumindest ungleich stärker.
III. Stammrechte als Anknüpfungspunkte für Rechtsfolgenrechte
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Dispositionsbefugnis beziehungsweise die Kompetenz, ein Recht auszuüben oder nicht, ein Recht zu einer subjektiven Berechtigung mache.400 Der Zweck des subjektiven Rechts ist aber zugleich die Güterzuweisung in Form von Rechtspositionen, dem Gebührenden, dem rechtlich geschützten Interesse.401 Da also neben der Rechtsdurchsetzung zugleich der Umfang der Rechtszuweisung definiert werde, regele das subjektive Recht zweierlei. Es hat eine „Doppelfunktion“:402 „Das ‚subjektive Recht‘ ist so und als mnemotechnisches Hilfsmittel nicht zuletzt Erscheinungsform heutigen typischen juristischen Denkens und zwar sowohl des Falldenkens in bezug auf Prozeß und Klage, also aktionenrechtlich, als auch vor allem in bezug auf den gesamten Aufbau und die Gliederung des materiellen Rechts.“403
Dies wird kritisiert. Während einerseits moniert wird, dass es auch subjektive Rechte geben soll, denen das formale Element der Klagemöglichkeit nicht immanent ist (z. B. Kompetenzen),404 warnt namentlich Rimmelspacher davor, zuviel in das subjektive Recht hineinzulesen.405 Zuweisungsgehalt und Schutzmittel dürften nicht zusammen in „den einen ‚Topf‘ des subjektiven Rechts geworfen werden“.406 Auch Heinze mahnt, den Begriff des subjektiven Rechts nicht aufzublähen.407 Während die herrschende Meinung Bewertungs- und Bestimmungsnorm im Begriff des subjektiven Rechts zusammenfasse408 und auf diese Weise „Berechtigung und Pflicht […] undifferenziert vermisch[e]“,409 schlägt er vor, von subjektiven Rechten nur zu sprechen, um „das durch die Bestimmungsnormen geschaffene Bestimmungsrecht“ zu kennzeichnen.410 Dieses Rechtsverhältnis sei als „selbständiges Rechtsinstitut“ gegenüber „der 400 Beater, § 1 Rn. 15; Brehm, § 20 Rn. 608; verliert damit die verjährte Forderung ihre Eigenschaft als subjektives Recht? 401 Esser, § 77, S. 159; v. Caemmerer, Festschrift Juristentag, S. 49, 55 („Der Kern des subjektiven Rechts liegt in der Zuweisung von Gütern, in der Zuweisung eines dem einzelnen zugehörigen Interessenbereiches. Hier hat das subjektive Recht seinen Schwerpunkt. Der Rechtsschutz gegen Eingriffe Dritter hat demgegenüber dienende Funktion.“); Peukert, Güterzuordnung, S. 49; Neumann, S. 20. 402 Zur „Doppelfunktion“ subjektiver Rechte, Picker, Festschrift Lange, S. 625, 680 f., 683 ff.; ders., Festschrift Schilken, S. 85, 93; ders., JZ 2014, 431, 439 („Das geltende Recht erfüllt diese Rechtszuweisungs- und Rechtsschutzfunktion in der Weise, daß es zwei in ihrem Inhalt voneinander getrennte, in ihrem Zweck aber aufeinander bezogene Kategorien von subjektiven Rechten gewährt.“); vgl. Jacobs, S. 188; Rimmelspacher, S. 43; kritisch Kleiber, S. 85; natürlich bedarf es auch eines Subjekts, Wolf/Neuner, § 20 Rn. 12. 403 Kasper, S. 125. 404 Wagner, AcP 193 (1993), 319, 342 f. 405 Rimmelspacher, S. 43. 406 Rimmelspacher, S. 44, 43 („Zuweisung und Schutz der Zuweisung [sind] zwei verschiedene Fragenkreise“). 407 M. Heinze, S. 29. 408 M. Heinze, S. 37 (Fn. 157). 409 M. Heinze, S. 41 (Fn. 176). 410 M. Heinze, S. 49.
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
Rechtsgewährung, insbesondere der Inhaberschaft eines Rechtsgutes“ zu begreifen.411 Ein entsprechend engeres Verständnis vom subjektiven Recht vertritt auch Unberath. Subjektive Rechte sollen nur Ansprüche im Sinne des § 194 BGB sein.412 Da Gestaltungsrechte zwar eine Rechtsmacht verleihen, aber keine korrespondierenden Pflichten begründen, zählt er diese „jedenfalls“ nicht zu den „subjektiven Rechte[n] i. e. S.“413 Dies ist auch die Sichtweise von Hohfeld, der zu den Rechten im eigentlichen Sinne nur die Anspruchsrechte zählt (claim-rights):414 “[T]he word ‘right‘ is used generically and indiscriminately to denote any sort of legal advantage, whether claim, privilege, power or immunity. In its narrowest sense, however, the term is used as the correlative of duty; and, to convey this meaning, the synonym ‘claim’ seems the best. In what follows, therefore, the term ‘right’ will be used solely in that very limited sense according to which it is the correlative of duty.”415
Deutlich ist insoweit die Kritik Pickers. Er wendet sich gegen die begriffliche „Strahlkraft“ des Ausdrucks „subjektives Recht“. Seine Überzeugung zieht er aus der Diskussion um die Abgrenzung subjektiver Rechte von so genannten lediglich rechtlich geschützten Interessen: „Die prinzipielle Gleichwertigkeit und damit die prinzipiell gleiche Schutzwürdigkeit der Interessen, die zu subjektiven Rechten formiert worden sind, mit den zumeist schwieriger umschreibbaren Interessen, die durch die Aufstellung von Verhaltensgeboten geschützt werden sollen, ist im deutschen Recht vor allem dadurch verunklart worden, daß man das subjektive Recht als Denkfigur überbetont und damit in einen verfehlten dogmatischen Gegensatz zu den Verhaltenspflichten gebracht hat.“416
Statt sich hinter Begriffen zu verstecken, sollte ausgesprochen werden, worum es geht: um eine interessengerechte Rechtszuweisung einerseits und eine situationsadäquate Rechtsverfolgung andererseits. Oder in den Worten Kaspers: „Für die rechtswissenschaftliche Verständigung empfiehlt sich daher, nicht nach überdehnten Begriffskonstruktionen ‚subjektives Recht‘ Ausschau zu halten und fast beliebigen rechtlichen Problemkreisen des Einzelnen abwechselnd das Attribut ‚subjektives Recht‘ zu verleihen, sondern stets von dem gemeinten besonderen Rechtsproblem auszugehen“.417
411
M. Heinze, S. 41. Unberath, S. 168. 413 Unberath, S. 167 ff., 169; s. a. Hadding, JZ 1986, 926, 927 f. 414 Hohfeld, 26 Y. L. J. (1917), 710, 717; Schmidt, S. 25 ff., sieht Normen, die ein rechtliches Dürfen aussprechen als „privilege-Norm[en]“, diejenigen, die das Verbot an alle anderen aussprechen als „right-Norm[en]“. Die Berechtigung erscheint als Komplex aus “right” und “privilege” (a. a. O., S. 37); s. a. Larenz, Festschrift Sontis, S. 129, 138 ff. 415 Hohfeld, 26 Y. L. J. (1917), 710, 717. 416 Picker, AcP 178 (1978), 499, 502; s. a. ders., Festschrift Schilken, S. 85, 93. 417 Kasper, S. 163. 412
III. Stammrechte als Anknüpfungspunkte für Rechtsfolgenrechte
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Das dieser Arbeit zugrundeliegende Zweistufen-Modell, das Rechtszuweisung mittels Stammrechten und Rechtsdurchsetzung mittels Rechtsfolgenrechten kategorial unterscheidet, charakterisiert sich dadurch, dass die Rechtszuweisung eine bestimmte Art und Weise der Rechtsdurchsetzung noch nicht präjudiziert. Wird etwas als Stammrecht erkannt, ist damit nicht unmittelbar gesagt, dass dem Inhaber zugleich ein bestimmtes Rechtsfolgenrecht zusteht. Auch wenn es empirisch zutreffen mag, dass dem Eigentümer regelmäßig auch ein Unterlassungsanspruch zusteht, folgt dies nicht aus der begrifflichen Einordnung als „subjektives Recht“ oder Ähnlichem, sondern zeigt sich als eigenständige, dem Recht der Rechtsfolgenrechte zuzuordnende Problemstellung.418 Statt aus Begriffen Rechtsfolgen abzuleiten, muss in der Sache auf erster Stufe der Umfang der Schutzposition bestimmt werden, während auf zweiter Stufe ermittelt werden muss, mit welchen Rechtsfolgen das einschlägige Recht verwirklicht werden soll. Sieht man in subjektiven Rechten von vorneherein nur die mit Individualansprüchen durchsetzbaren Rechtspositionen, wird bereits eine Frage der Rechtsdurchsetzung (wem obliegt die Durchsetzung?) vorweggenommen. Vorzugswürdig erscheint die analytische Trennung der Problemkreise Rechtszuweisung einerseits und Rechtsdurchsetzung andererseits. Beides unter einen einzigen Oberbegriff zu packen, führt notwendigerweise zu Verzerrungen. Dass sich der wirtschaftliche Wert eines Rechts natürlich auch daran misst, welche Rechtsfolgenrechte zur Rechtsverwirklichung zur Verfügung stehen und wem die Befugnis zur Durchsetzung zukommt, steht auf einem anderen Blatt.419 Wenn hier unter dem Aspekt der Rechtsdurchsetzung schließlich für eine Aufgabe des Begriffs des subjektiven Rechts plädiert wird, darf dies nicht dahingehend missverstanden werden, dass die historische Errungenschaft, subjektive Rechte als Garanten für individuelle Freiheit anzuerkennen,420 in Frage gestellt wird. Im Gegenteil: Eine interessengerecht ausgestaltete Rechtsordnung verlangt, dass Privaten Rechtspositionen zustehen, die sie zudem autonom verwirklichen können oder von deren Verwirklichung sie aus persönlichen Gründen punktuell abzusehen vermögen. Der Angriff richtet sich damit nicht gegen diese Rechtsidee, sondern gegen ihre Umsetzung.421 Der Gedanke, dass „die Rechtsordnung die Handlungsfreiheit der selbstbestimmten Persönlichkeit gewährleisten will“,422 bleibt unangetastet.
418
Hoffmann, S. 39 f., 55; Kasper, S. 7. Schäfer/Ott, S. 71. 420 Vgl. Bucher, S. 27 f.; Wolf/Neuner, § 20 Rn. 1; Rüthers/Fischer, § 2 Rn. 69; Brehm, § 20 Rn. 609; Schack, AT, § 3 Rn. 45; vgl. Bydlinski, S. 137 (Fn. 135 a. E.). 421 Nach Larenz, Festschrift Sontis, S. 129, liegt den Arbeiten Buchers und Aichers ein „formale[r]“ oder „rechtstechnische[r]“ Begriff des subjektiven Rechts zugrunde. 422 Schack, AT, § 3 Rn. 45. 419
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
2. Ausschließlichkeitsrechte Eine Trennung von Rechtszuweisung und Rechtsdurchsetzung lässt sich bei Ausschließlichkeitsrechten mühelos ausmachen (a)). Der Begriff des Ausschließlichkeitsrechts wird hier als Oberbegriff für sämtliche Rechte verstanden, die ein bestimmtes Gut einer bestimmten Person unter Ausschluss aller anderen zuordnen.423 Neben Immaterialgüterrechten und dem Sacheigentum werden auch Persönlichkeitsrechte sowie die in § 823 I BGB neben dem Eigentum ausdrücklich genannten Rechte Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit zu den Ausschließlichkeitsrechten gezählt.424 Nicht hierher gehören reine Handlungsverbote (vgl. § 823 II BGB als Rechtsfolgenrecht zur Sanktionierung von Schutzgesetzverletzungen). Darauf wird am Ende dieses Abschnitts (u. § 5 III 5) gesondert eingegangen. Allerdings wird sich zeigen, dass der Abgrenzung zwischen Ausschließlichkeitsrechten und bloßen Handlungsverboten für die kategoriale Unterscheidung von Stammrechten und Rechtsfolgenrechten auch dort keine entscheidende Bedeutung zukommt. Entscheidend ist der Vorteil an analytischer Klarheit, was hier zunächst für Ausschließlichkeitsrechte begründet wird (b)). a) Unterscheidung zwischen Schutzbereich und Rechtsdurchsetzung
Die hier propagierte Unterscheidung zweier kategorial unterschiedlicher Rechte zeigt sich besonders deutlich im Recht des Geistigen Eigentums.425 Das Gesetz trennt systematisch klar zwischen Schutzbereich beziehungsweise Rechtszuweisung sowie den einschlägigen Rechtsfolgen.426 Rechtsfolgenregelungen ist in den jeweiligen Gesetzen regelmäßig ein eigener Abschnitt gewidmet (z. B. Teil 4, Abschnitt 2 UrhG; Neunter Abschnitt PatG).427 Im Bürgerlichen Gesetzbuch ist dies mit Blick auf das Sacheigentum ebenfalls zu beobachten. Während § 903 BGB den Schutzbereich des Eigentums bestimmt, 423 Ausführlich zum Begriff des Ausschließlichkeitsrechts Zech, S. 64 ff.; Peukert, Güterzuordnung, S. 56 ff.; kritisch zum Begriff des Herrschaftsrechts als Oberbegriff Zech, S. 98 f.; zu Persönlichkeitsgütern Beuthien, NJW 2003, 1220, 1221 f. 424 Vgl. Zech, S. 73 (für die in § 823 I BGB genannten Rechte Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit) und ders., S. 78 (für Persönlichkeitsrechte); die in § 823 I BGB genannten Rechte werden vielfach zumindest in einer Reihe mit den absoluten Rechten dargestellt, Brehm, § 20 Rn. 611; zur überholten Unterscheidung zwischen Recht und Rechtsgut kritisch M. Heinze, S. 29 ff., 38, 47 f., 48; Peukert, Güterzuordnung, S. 255 f., 268 f., 275 f., 865 ff., ordnet weder das allgemeine Persönlichkeitsrecht noch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb den Ausschließlichkeitsrechten zu. 425 Vgl. bereits o. § 2 II. 426 Vgl. besonders deutlich Holzapfel, GRUR 2002, 193, 194 ff. 427 Vgl. zur Unterscheidung zwischen „primären“ und „sekundären“ Rechten Peukert, Güterzuordnung, S. 54 ff.; Sonnenberg, S. 7; auch im Markenrecht sind Rechtsfolgen systematisch von den Eingriffstatbeständen getrennt, vgl. § 14 II MarkenG i. V. m. § 14 V, VI MarkenG.
III. Stammrechte als Anknüpfungspunkte für Rechtsfolgenrechte
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ist die Rechtsdurchsetzung mittels Unterlassungsansprüchen in § 1004 BGB eigenständig reguliert. § 903 BGB selbst begründet keine Anspruchsgrundlage.428 Hier ist anerkannt, dass die aus dem Eigentum fließenden Ansprüche „scharf von diesem selbst“ zu unterscheiden sind.429 Abwehransprüche sind von der Zuweisung des Ausschließlichkeitsbereichs abgekoppelt.430 Aber auch § 823 I BGB lässt sich als Norm begreifen, durch die das Eigentumsrecht zur Geltung gebracht wird;431 es handelt sich bei dieser Anspruchsgrundlage um ein Rechtsfolgenrecht (näher u. § 5 III 4). Gleiches gilt für § 812 I S. 1, 2. Alt. BGB432 und § 687 II BGB. Der Inhalt des Eigentums wird nicht durch §§ 985, 1004, 823, 812 BGB festgelegt, sondern diese „Schutzrechte“ verwirklichen, was in § 903 BGB zugewiesen ist.433 Die gleiche Zweier-Struktur findet sich bei Persönlichkeitsrechten und den in § 823 I BGB genannten Rechten wie Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit.434 Steht beispielsweise fest, dass in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingegriffen wurde (um den Eingriff in das Stammrecht festzustellen, bedarf es einer Güter- und Interessenabwägung),435 kann dies mit einem Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB sanktioniert beziehungsweise mit einem Unterlassungsanspruch entsprechend § 1004 I BGB für die Zukunft unterbunden werden.436 Letztlich geht es nicht um die Begründung der Rechtswidrigkeit eines Eingriffs, sondern um eine präzise Bestimmung des Schutzbereichs, worüber die Einordnung als „Rahmenrecht“ nicht hinwegtäuschen kann.437 Die Tatsache, dass diese im 428
Peukert, Güterzuordnung, S. 212; M. Heinze, DB Beilage Nr. 9/83, 1, 3. § 194 Rn. 6; s. a. Katzenstein, S. 142. 430 Zech, S. 68. 431 Katzenstein, S. 143; Hoffmann, S. 131; Reinhardt, JZ 1961, 713, 715 f., vgl. Rimmelspacher, S. 91, der Reinhardt so interpretiert, dass dieser „die geschützte Position klar von den zu ihrem Schutz gewährten Mitteln unter[scheidet].“ 432 Vgl. aber Peukert, Güterzuordnung, S. 13, der mit Blick auf die Eingriffskondiktion als einem Baustein im komplexen System der güterzuordnungsrelevanten Generalklausel spricht; vgl. ders. S. 207 ff., 402 ff. 433 Bernhard, Festschrift Picker, S. 83, 104; Hoffmann, S. 57; Katzenstein, S. 142; anders Ost, S. 46 f. 434 Auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb könnte hier eingeordnet werden. Da manche dieses „Recht“ für entbehrlich halten (vgl. Ohly/Sosnitza, § 4.4 Rn. 4/39 mit Blick auf die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung), weil der Schutz vollständig über das gesetzliche Verhaltensverbote vermittelnde Lauterkeitsrecht bewirkt werden kann, wird darauf erst im nächsten Abschnitt eingegangen (u. § 5 III 5). 435 Dass es im Einzelfall schwierig ist, den Schutzbereich zu bestimmen, ändert nichts daran, dass in dieses Recht eingegriffen wird, Zech, S. 87; vgl. Pfister, S. 99; Ahrens, Verwertung persönlichkeitsrechtlicher Positionen, S. 143; Schurer, Eingriffskondiktion, S. 92 f.; vgl. Erman/N. Klass, Anh § 12 Gliederungspunkt G („Einzelne Schutzbereiche des zivilrechtlichen APR“); kritisch Peukert, Güterzuordnung, S. 868, 885. 436 Erman/N. Klass, Anh. § 12 Rn. 279 ff., 306 ff. 437 Bucher, S. 126 („Mit der Frage nach der Widerrechtlichkeit kann auch die Frage nach Umfang und Grenzen des subjektiven Rechts gemeint sein.“); gleiches gilt für das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb; auch dies wird von der h. M. dadurch ver429 Staudinger/Peters/Jacoby,
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
Einzelfall schwierig ist, rechtfertigt keine Ausnahme.438 Allerdings stehen im Verletzungsfalle nicht sämtliche denkbaren Rechtsfolgenrechte zur Verfügung. Namentlich § 812 I S. 1, 2. Alt. BGB greift bei einem Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht.439 Eine Interpretation in einem Sinne, wonach zwischen Rechtszuweisung und Rechtsdurchsetzung zu unterscheiden ist, ist aber – letztlich gerade deshalb – problemlos möglich. Nach hier vertretener Ansicht belegen aber auch §§ 904 S. 1, 906 II S. 2, 912 II etc. BGB – letztlich sämtliche „Schrankenbestimmungen“ (u. a. §§ 44a ff. UrhG; § 40 DesignG; § 23 MarkenG) – die Trennung von Stammrecht und Rechtsfolgenrecht. In der Sache geht es dabei um Regelungen zum Ausschluss des Unterlassungsanspruchs bei teils gleichzeitigem Zuspruch eines Entschädigungs-, Schadensersatz- beziehungsweise Vergütungsanspruchs und gerade nicht um Vorschriften zur Bestimmung des Inhalts des Stammrechts. Letzteres ist freilich die Sichtweise der herrschenden Meinung.440 So wird darauf hingewiesen, dass sich der Inhalt des Eigentums erst „in seiner Beschränkung“ vollständig offenbart.441 Sein Inhalt werde erst durch §§ 903 ff. BGB und nicht – wie nach hier vertretener Meinung – durch § 903 BGB normiert. Die Ausprägung des Eigentums wie im Grunde sämtlicher Ausschließlichkeitsrechte soll sich erst unter Einbezug der Gesamtrechtsordnung erklären.442 Aus redaktionellen Gründen werde eine allgemeine Regel formuliert, die dann berichtigt wird.443 Gemäß der genannten „Schranken-Paragraphen“ wird das Eigentumsrecht (oder strukturell vergleichbare Ausschließlichkeitsrechte) aber im Ergebnis schleiert, indem lediglich betont wird, dass nicht jeder Eingriff rechtswidrig ist, sondern es einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung bedarf, Palandt/Sprau, § 823 Rn. 133; Wüstenbecker, JA 1984, 227, 229; Erman/G. Schiemann, § 823 Rn. 48 (zum Persönlichkeitsrecht); vgl. aber MünchKomm/Wagner, § 823 Rn. 322 („Schutzbereich“); insgesamt kritisch zum Rechtswidrigkeitskriterium Jansen, AcP 216 (2016), 112, 128 ff. 438 Ob ein Eingriff in das Urheberrecht wegen einer öffentlichen Wiedergabe vorliegt (vgl. Art. 3 I InfoSoc-RL) ist nicht minder schwer zu bestimmen, vgl. zum Fallrecht des EuGH Leistner, GRUR 2014, 1145 ff.; Lucas-Schloetter, ZGE 2013, 84 ff. 439 Nur BGH NJW 2012, 1728 Rn. 22 ff. – Unfallopfer. 440 Georgiades, Festschrift Sontis, S. 149, 155 f.; Stieper, S. 130 f.; Bernhard, Festschrift Picker, S. 83, 104 f.; Katzenstein, S. 142; Peukert, Güterzuordnung, S. 224; Haß, Festschrift Klaka, S. 127, 133; Siber, Rechtszwang, S. 105; H. Lehmann, S. 27, spricht aber mit Blick auf den Wortlaut des § 904 S. 1 BGB davon, dass nur der „Negatorienanspruch des Eigentümers“ eingeschränkt wird; vgl. Sontis, Festschrift Larenz, S. 981, 988 („Der Eigentümer hat immer die Rechtsmacht, mit der Sache nach Belieben zu verfahren, nur ausüben kann er sie nicht, wenn ihm das Gesetz entgegensteht. Es sind allein die Ausübungsschranken, welche die Grenzen des Eigentumsinhalts bilden.“). Zu Schranken subjektiver Rechte im Sinne einer inneren Begrenzung (Innentheorie) und äußeren Begrenzung (Außentheorie) Wolf/Neuner, § 20 Rn. 69 f.; zum Ganzen bereits o. § 2 III 2 b); § 5 I 4 c) und d). 441 Sontis, Festschrift Larenz, S. 981, 982 f.; Haß, Festschrift Klaka, S. 127, 134, will im Falle einer urheberrechtlichen Schranke von vorneherein schon gar keine Vervielfältigung etc. erkennen. 442 Sontis, Festschrift Larenz, S. 981; Schack, Festschrift Schricker, S. 511. 443 BVerfGE 49, 382, 393 – Kirchenmusik = GRUR 1980, 44 (zum Urheberrecht).
III. Stammrechte als Anknüpfungspunkte für Rechtsfolgenrechte
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nicht stets vollständig beschränkt, sondern vielfach ganz im Gegenteil gerade verwirklicht – eben mit Schadensersatz- beziehungsweise Entschädigungsansprüchen, nicht hingegen durch die Gewähr der Rechtsfolge Unterlassen.444 Schranken sind ihrer Natur nach demnach stets Rechtsfolgenregelungen.445 Diese These wird unter dem Punkt „Rechtsfolgendifferenzierung“, also dort, wo der Nachweis geführt werden soll, dass Rechte bereits de lege lata mit unterschiedlichen Rechtsfolgen verwirklicht werden können, noch zu erörtern sein (u. § 5 IV 2 a)).446 Hier genügt fürs Erste die Einsicht, dass die Abspaltung von Rechtsfolgen von Regelungen zum Schutzbereich weitaus intensiver durchgeführt wird, als ein erster Blick vermuten lässt. b) Analytische Vorteile
Die Hypothese der Trennung von Stammrecht einerseits und Rechtsfolgenrecht andererseits kann mit Blick auf Ausschließlichkeitsrechte also aufrechterhalten werden. Bereits oben wurde die Rolle der Rechtsfolgenrechte herausgearbeitet.447 Auch das Stammrecht hat aber eine eigenständige Funktion. Ihm kommt die Aufgabe zu, den Inhalt der Rechtszuweisung zu bestimmen.448 Ist der Schutz der Idee vom Urheberrecht, ist eine Entdeckung vom Patentrecht erfasst? Gehört der Werkgenuss zum Inhalt des Urheberrechts?449 Wie verhält es sich mit dem so genannten “Framing”?450 Oder: Wie weit reicht der Schutzbereich der bekannten Marke oder eines Patents (Stichwort: Äquivalenzbereich)?451 Entsprechend wird durch das Stammrecht der Umfang des allgemeinen Persönlichkeitsrechts festgelegt. Um zur Frage der einschlägigen Rechtsfolge zu gelangen, muss schließlich zunächst herausgearbeitet werden, ob ein bestimmtes Verhalten einen Eingriff in den freilich mitunter schwer 444 Bereits o. § 5 I 4 c) und d); in diese Richtung wenn auch ohne die hier propagierte analytische Unterscheidung zwischen Rechtszuweisung und Rechtsdurchsetzung Grünberger, ZUM 2015, 273. 445 Auch Modifikationen des Verschuldensmaßstabes in § 276 BGB sollen keinen Einfluss auf das Stammrecht haben, also nicht als Einwilligung in die Verletzung missverstanden werden dürfen. Es handelt sich um eine Modifikation der Rechtsfolgen, vgl. Katzenstein, S. 148. 446 Dazu s. a. o. § 2 III 2 b) und § 5 I 4 c). 447 Dazu o. § 5 II 2. 448 Katzenstein, S. 142; vgl. Holzapfel, GRUR 2002, 193, 195, mit Blick auf § 10 PatG; vgl. Reinhardt, JZ 1961, 713, 715 f. 449 Schulze, GRUR 2005, 829, will der Sache nach eine „Schranke“ des Urheberrechts sehen. 450 Vgl. nur die Meinungsverschiedenheit zwischen BGH GRUR 2013, 818 – Die Realität und dem EuGH Beschluss v. 21. 10. 2014, C-348/13 – BestWater = ECLI:EU:C:2014:2315 = GRUR 2014, 1196. 451 Vgl. jeweils die einschlägigen Kommentierungen. Das Fallmaterial ist jeweils kaum übersehbar. „Schrankenregelungen“ betreffen nach hier vertretener Ansicht indes die Rechtsdurchsetzung, ausführlich u. § 5 IV 2 a).
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
zu bestimmenden Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts darstellt.452 Selbst beim Sacheigentum ist es im Übrigen nicht immer einfach, dessen Reichweite zu bestimmen.453 Auch wenn § 903 BGB die Befugnisse des Eigentümers klar abzugrenzen scheint, lässt sich die Frage, ob das Anfertigen von Fotografien beziehungsweise deren (gewerbliche) Verbreitung dem Eigentümer zugewiesen ist, nur mit Hilfsüberlegungen beantworten. Gehören entgegen der Rechtsprechung nur rivale Nutzungshandlungen zum Schutzbereich des Eigentums?454 Ob ideelle Immissionen eine Eigentumsverletzung besorgen, setzt ebenfalls eine Präzisierung des Schutzbereichs gemäß § 903 BGB voraus.455 Zu Recht wird gewarnt, dass mit Blick auf absolute Rechte Absolutheit nicht als unumschränkte Zuweisung aller denkbaren Befugnisse hinsichtlich des Zuweisungsgegenstandes misszuverstehen ist.456 Die Notwendigkeit der Präzisierung des Schutzbereichs des Stammrechts gilt für sämtliche Ausschließlichkeitsrechte uneingeschränkt. Die zunächst andersartig erscheinenden Formulierungen beispielsweise von § 903 BGB und §§ 15 ff. UrhG sind dabei nicht von Belang.457 Die Unterschiede sind sprachlicher, nicht inhaltlicher Natur. Es geht jeweils um die Bestimmung des Schutzbereichs des Stammrechts. Ob es wie in § 903 BGB heißt, der Eigentümer kann „mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen“, oder wie in § 15 I UrhG, „[d]er Urheber hat das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten“, wovon namentlich das Vervielfältigungsrecht (§ 15 I Nr. 1 UrhG) oder das Verbreitungsrecht (§ 15 I Nr. 2 UrhG) erfasst sind, ist rechtlich bedeutungslos. Das zeigt sich schon daran, dass beide Normen ohne inhaltliche Einbußen im Stile der anderen umformuliert werden könnten. § 903 BGB lässt sich alternativ wie folgt lesen: „Der Eigentümer hat das ausschließliche Recht, seine Sache zu verwerten. Das Recht umfasst insbesondere das Recht der Veräußerung, das Recht der Benutzung, das Recht, die Sache zu zerstören“ etc. § 15 UrhG könnte demgegenüber lauten: „Der Urheber eines Werkes kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, das Werk nach Belieben verwerten und andere von
452 Auch dies belegt bereits ein flüchtiger Blick in einschlägige Kommentierungen, allerdings vielfach als Frage der „Rechtswidrigkeit“ adressiert, vgl. Palandt/Sprau, § 823 Rn. 95 ff. 453 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 95 ff.; ders., Privatrechtsgesellschaft, S. 207, 248 ff.; begrifflich lässt sich vom „Schutzbereich“ des Sacheigentums sprechen, Peukert, Güterzuordnung, S. 212 (einschl. Fn. 6). 454 Zum Streit Zech, S. 101, 279 ff.; Peukert, Güterzuordnung, S. 137 ff.; 218 ff.; BGH GRUR 2011, 323 – Preußische Gärten und Parkanlagen I und BGH GRUR 2013, 623 – Preußische Gärten und Parkanlagen II; s. a. u. § 11 I 1. 455 Vgl. nur MünchKomm/Brückner, § 906 Rn. 61 ff.; Jauernig/Berger, § 906 Rn. 1 ff. 456 Zech, S. 67. 457 Vgl. Jänich, S. 196 ff.
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jeder Beeinträchtigung ausschließen.“458 In allen Fällen entlastet der Gesetzeswortlaut nicht von der – wie gesehen im Einzelfall durchaus schwierigen – Präzisierung des Schutzbereichs des streitgegenständlichen Stammrechts.459 Während also der Umfang der Rechtszuweisung für jedes Recht sorgfältig ermittelt werden muss, liegt die Frage, wie das jeweilige Recht verwirklicht wird, auf einer anderen Ebene. Die Zuteilung eines Stammrechts präjudiziert noch nicht das konkret einschlägige Rechtsfolgenrecht. Wenn der Begriff des Ausschließlichkeitsrechts von Peukert restriktiv gefasst wird und namentlich Persönlichkeitsrechte mangels positiver Zuweisung nicht dazu gezählt werden460 oder Zech eine Stufenleiter der Güterzuweisung über bloße Abwehrrechte, Rahmenrechte hin zu nicht übertragbaren und übertragbaren absoluten Rechten mit positiver Zuweisung bildet,461 spricht dies nicht gegen die hier vertretene analytische Trennung. So räumt Zech selbst ein, dass beispielsweise die Unterscheidung zwischen Abwehrrechten und Ausschließlichkeitsrechten mit Zuweisungsgehalt vor allem für „die Frage nach Sekundäransprüchen“ von Bedeutung ist.462 Welche Rechtsfolge bei einem „Rahmenrecht“ greift, folgt schließlich nicht aus einem Begriff, sondern bedarf der sachlichen Begründung. Ob das Eigentum, das allgemeine beziehungsweise kommerzielle Persönlichkeitsrecht oder der über §§ 17 ff. UWG gewährte Knowhow-Schutz mittels der Rechtsfolge Bereicherungsherausgabe (§ 812 I S. 1, 2. Alt. BGB) verwirklicht werden kann, ist ein von der Rechtszuweisung zu trennender Problemkreis. Ob bestimmte Rechtsfolgen zur Verfügung stehen, hängt nicht von der begrifflichen Einordnung als Ausschließlichkeitsrecht oder dergleichen ab, sondern davon, ob ein bestimmtes Stammrecht im Ergebnis mit dieser Rechtsfolge verwirklicht werden kann.463 So ist es kein Widerspruch, ein Persönlichkeitsrecht zuzuweisen, dann aber gleichzeitig die Eingriffskondiktion zu versagen.464 Was der Zweck dieser Rechtsfolge ist, warum sie gewährt werden soll oder gerade nicht, muss je als eigenständige Rechtsfrage adressiert werden.465 Analytisch wird jedoch vieles erleichtert, wenn die Frage der Rechtsdurchsetzung von der Frage der Rechtszuweisung unterschieden wird. Die Rechtswirklichkeit zeigt, dass dies vielfach umstritten ist und sich letztlich formelhaften Lösungen entzieht. Wird die Eingriffskondiktion davon abhängig gemacht, ob ein „bereicherungsrechtlicher Zuweisungsgehalt“ vor458 Vgl. Stieper, S. 6; Beier, GRUR 1998, 185 („unbeschränkte Herrschaft über den Schutzgegenstand“). 459 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 95 ff.; ders., Privatrechtsgesellschaft, S. 207, 248 ff. 460 Peukert, Güterzuordnung, S. 255 f., 268 f., 275 f., 865 ff. 461 Zech, S. 85 ff. 462 Zech, S. 78. 463 Zu gesetzlichen Schuldverhältnissen im Rechtsbehelfssystem u. § 5 III 4. 464 Vgl. BGH NJW 2012, 1728 Rn. 22 ff. – Unfallopfer. 465 Zu den Funktionen der Rechtsfolge Unterlassen u. § 8 II ff.
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liegt,466 ist letztlich auch nicht mehr gewonnen, als dass letztlich die Frage aufgeworfen wird, mit welchen Rechtsfolgen eine Rechtstellung durchgesetzt wird. Beispielsweise wird diskutiert, ob beim Schutz von Knowhow gemäß §§ 17 ff. UWG § 812 I S. 1, 2. Alt. BGB einschlägig ist,467 während Einigkeit besteht, dass der Berechtigte Unterlassungsansprüche geltend machen kann.468 Ein umgekehrtes Beispiel liefert § 4 Nr. 3 UWG: Obwohl es sich beim ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz dogmatisch nicht um ein Ausschließlichkeitsrecht, sondern um Handlungsverbote handelt, gesteht die herrschende Meinung sowohl Bereicherungsschutz als auch die dreifache Schadensberechnung zu.469 Die Bezeichnung als „Ersatz-Immaterialgüterrecht“470 kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es hier um das Problem interessengerechter Rechtsdurchsetzung geht. Die hier propagierte analytische Trennung macht genau dies transparent.471 Dass sich aber auch „Rechte des Mitbewerbers“ im Sinne von Stammrechten identifizieren lassen, selbst wenn das Gesetz „nur“ bestimmte Verhaltensverbote kennt, muss nun untersucht werden.
3. Vertragliche Schuldverhältnisse Die Struktur des deutschen Schuldrechts steht der hier vertretenen Unterscheidung von Stamm- und Rechtsfolgenrechten als wesentlichem Kennzeichen eines Rechtsbehelfsmodells nicht entgegen.472 Im Gegenteil: Es finden sich bereits mehrere Stimmen, die sich für eine Interpretation der einschlägigen bürgerlich-rechtlichen Vertragsregelungen im Sinne eines Rechtsbehelfsmodells aussprechen. Während nach der Systematik des § 437 BGB Schadensersatzansprüche, vielfach aber auch der Nacherfüllungsanspruch ohnehin schon als „sekundäre Rechtsbehelfe“ verstanden werden,473 soll auch der vertragliche Erfüllungsanspruch als Rechtsbehelf aufzufassen sein, der vom Forderungsrecht im Sinne eines Stammrechts zu unterscheiden ist (a)).474 Dafür sprechen mehrere Gründe (b)). 466
Vgl. MünchKomm/Schwab, § 812 Rn. 277 ff.; vgl. Zech, S. 85 ff. Ohly, GRUR 2014, 1, 8 f. 468 Köhler/Bornkamm, § 17 Rn. 63 f. 469 Ohly/Sosnitza, § 4.3 Rn. 3/88 f.; Köhler/Bornkamm, § 4 Rn. 3.83 f.; Ellger, S. 819 ff. 470 Zech, S. 88. 471 Dazu bereits o. § 5 I 4 c). 472 Zur Trennung von Forderung und Anspruch bereits o. § 5 II 1; zur h. M. o. § 2 II. 473 Kim, Die Nacherfüllung als Rechtsbehelf des Käufers nach CISG, deutschem und koreanischem Recht, 2013; Weller, S. 457 f.; a. A. Unberath/Cziupka, JZ 2009, 313; Ackermann, JZ 2008, 378, 380; Weller, S. 454 f., für den Nacherfüllungsanspruch des allgemeinen Leistungsstörungsrechts. 474 Zu solchen Denkansätzen in Deutschland vgl. den Überblick bei Neufang, S. 252 ff.; Weller, 394 f.; Himmelschein, AcP 135 (1932), 255, 272 ff., will den Naturalerfüllungsanspruch über die Naturalrestitution gemäß § 249 I BGB bewirken. Erfüllung soll daher 467
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a) Erfüllungsanspruch als Rechtsbehelf
So fragt Riehm mit Blick auf das Recht der Unmöglichkeit, ob das geltende Schuldrecht nicht leichter erklärt werden kann, wenn man es als eine „modifizierte Form“ eines „remedy-Systems“ begreift. Man könne zwischen Pflichten als dem „Sollen“ und den an die Pflichten anknüpfenden „Ansprüchen“ unterscheiden.475 Eine Trennung zwischen „ordnenden Strukturen“ und den erst im Konfliktfall auftretenden Ansprüchen, der Rechtsdurchsetzung, sieht im Schuldrecht auch Avenarius.476 Während das Schuldrecht zunächst die Pflichten des Schuldners betone, interessiere die „Berechtigung“ des Gläubigers nur im Sonderfall des Konflikts.477 § 241 I S. 1 BGB soll dabei die Klagbarkeit der in einem Schuldvertrag vereinbarten Pflichten (z. B. auf Übergabe und Übereignung) besorgen.478 Ausdrücklich hat U. Huber den Erfüllungsanspruch – auch unter dem Eindruck des einheitlichen Kaufrechts – als Rechtsbehelf verstanden.479 Während Erfüllung grundsätzlich Eintritt des Leistungserfolgs bedeute, richte sich der Leistungsanspruch des Gläubigers im Falle der Nichterfüllung nur auf bestimmte Handlungen des Schuldners. Durch den Rechtsbehelf des Erfüllungsanspruchs soll mittelbar bewirkt werden, dass der Gläubiger erhält, was er nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses erhalten soll.480 Weiter soll nach U. Huber § 376 I S. 2 HGB belegen, dass der Erfüllungsanspruch von zusätzlichen Voraussetzungen abhängen kann, wenn ebenfalls eine „Haftungsform“ sein; auch Teile der o. § 5 II 1 genannten Autoren, die sich für eine Trennung von Forderung und Anspruch aussprechen, werden zu den Vertretern der „Rechtsbehelfs-These“ gezählt, vgl. Weller, S. 394, mit Blick auf Schmidt, Festschrift Jahr, S. 401 ff.; Braun, AcP 205 (2005), 127, 137 ff., 148; vgl. auch Bälz, Festschrift Picker, 39, 41, 58 ff. („Erfüllungsanspruch als Sanktion“); gegen die „Rechtsbehelfs-These“ Weller, S. 395 ff.; Riehm, S. 241 ff.; Soergel/Wiedemann, BGB, 1990, Vor § 275 Rn. 25; Sutschet, S. 17; Albers, ZEuP 2012, 687, 692 f.; Palandt/Grüneberg, Vorb v § 275 Rn. 3; MünchKomm/Bachmann, § 241 Rn. 26 (Fn. 79): „Das SMG hat den Erfüllungsanspruch aber nicht zum ‚Rechtsbehelf‘ degradiert“); Fritzsche, S. 56 (Fn. 4), sieht den vertraglichen Unterlassungsanspruch nicht „als Rechtsfolge eines Verstoßes gegen den Unterlassungsanspruch“. Zur Trennung zwischen Forderung und Anspruch o. § 5 II 1. 475 Riehm als Diskutant auf der Tagung Zehn Jahre Schuldrechtsmodernisierung am 24. November 2012 in München, zitiert nach dem Diskussionsbericht von Schmollmann/ Singbartl, S. 261, 263; Riehm vertritt dann aber doch die Ansicht, dass der Erfüllungsanspruch nicht als remedy zu verstehen ist, Riehm, S. 241 ff., 247 f.; vgl. Freitag, NJW 2014, 113, 115. 476 Avenarius, JR 1996, 492, 492, 494 ff.; mit Blick auf Naturalobligationen stellt er fest, dass auch eine vollständige Abtrennung der Ordnungsstruktur vom durchsetzbaren Recht denkbar ist, a. a. O. 492. 477 Avenarius, JR 1996, 492, 494, 495. 478 Avenarius, JR 1996, 492, 495 f. 479 U. Huber, Festschrift v. Caemmerer, S. 837, 846 ff.; ders., Gutachten Leistungsstörungen, S. 647, 751 ff., 779 f.; ders., JZ 1974, 433, 440; s. a. ders. AcP 210 (2010), 319, 320 ff.; vgl. aber U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II, § 35 I 2, II, S. 145 ff., 147 („Der Anspruch entsteht nicht erst durch den Verzug als ein Rechtsbehelf neben anderen“.). 480 U. Huber, Festschrift v. Caemmerer, S. 837, 846, 851; an anderer Stelle betont er,
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auch nicht muss.481 Eher beiläufig findet sich der Gedanke des vertraglichen Unterlassungsanspruchs als „Rechtsbehelf“ bei Armbrüster.482 Mit Blick auf rechtsgeschäftlich vereinbarte Verfügungsverbote (§ 137 S. 2 BGB) trennt er zwischen diesem „Verfügungsverbot“ und dem Unterlassungsanspruch zu seiner Durchsetzung. Er formuliert: „Von demjenigen, der sich verpflichtet hat, über ein Recht nicht zu verfügen, kann verlangt werden, dass er diesem rechtsgeschäftlichen Verfügungsverbot nicht zuwiderhandelt (Unterlassungsanspruch).“483
Auch Harke sieht den Naturalerfüllungsanspruch nicht als mit der korrespondierenden Verpflichtung des Schuldners identisch. Diese soll auch ohne das Recht der Durchsetzung in Natur denkbar sein.484 Der Naturalerfüllungsanspruch soll zudem als „Sanktion für die Nichtleistung“ gewährt werden.485 Am vehementesten wird ein Rechtsbehelfsmodell im neuen Schuldrecht unter Fortführung der Ansicht von Schlechtriem durch Schmidt-Kessel (nunmehr zusammen mit Kramme) vertreten.486 Er sieht den vertraglichen Erfüllungsanspruch als einen von mehreren grundsätzlich gleichrangigen Rechtsbehelfen.487 Die „Konzeption des einheitlichen Forderungsrechts“ soll durch die Schuldrechtsreform überholt worden sein.488 Er ist der Ansicht, dass die neue Systematik den „Wandel des Erfüllungsanspruchs zum Rechtsbehelf“ begründet hat.489 Die „überkommene Vorstellung vom Erfüllungszwang als Kehrseite der Pflicht, vom Erfüllungsanspruch als dem selbstverständlichen ‚Rückgrat der Obligation‘“ sei vom Gesetz aufgegeben worden.490 Nichtsdestotrotz gehe das deutsche Schuldrecht davon aus, dass der Gläubiger seinen An-
dass der Vertrag nicht in erster Linie Ansprüche begründe, sondern er fixiere ein Leistungsprogramm, U. Huber, JZ 1974, 433, 440. 481 U. Huber, Festschrift v. Caemmerer, S. 837, 848; weitere Belege knüpfen an die Rechtslage vor der Schuldrechtsreform an, a. a. O., S. 837, 848, 849 f. 482 MünchKomm/Armbrüster, § 137 Rn. 31; explizit anders Fritzsche, S. 56 (Fn. 4). 483 MünchKomm/Armbrüster, § 137 Rn. 31. 484 Harke, Rn. 163. 485 Harke, Rn. 163. 486 PWW/Schmidt-Kessel/Kramme, § 241 Rn. 20 ff.; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Rn. 458 f., 465 f.; vgl. auch Schlechtriem, Schuldrechtsreform, S. 24 f. 487 PWW/Schmidt-Kessel/Kramme, § 241 Rn. 2, 20 ff.; PWW/Schmidt-Kessel, Vor §§ 275 ff. Rn. 10; § 275 Rn. 1; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Rn. 459, 465 (Erfüllungsanspruch als „vorrangiger“, nicht „primärer“ Rechtsbehelf). 488 PWW/Schmidt-Kessel/Kramme, § 241 Rn. 22; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Rn. 459, 466; er verweist auf § 437 BGB und einen Umkehrschluss zu §§ 281 I S. 1, 323 I, 637 I, 651c III, 651e II BGB. 489 PWW/Schmidt-Kessel/Kramme, § 241 Rn. 22; vgl. auch Stürner, NJW-Beil. 1994, 2, der einen Trend weg vom „cause approach“ zum „remedy approach“ sieht. 490 PWW/Schmidt-Kessel, Vor §§ 275 ff. Rn. 10; § 275 Rn. 1; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Rn. 459 und Rn. 466 mit Verweis auf Rabel, S. 375.
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spruch auf Erfüllung in Natur durchsetzen kann.491 Auch wenn der Naturalerfüllungsanspruch nicht als primärer Rechtsbehelf missverstanden werden dürfe, sei doch praktisch der gleichrangige Schadensersatzanspruch wegen des Erfordernisses der Fristsetzung faktisch nachrangig. Dies bedürfe aber als Abweichung vom Grundsatz ausdrücklicher Anordnung.492 Dogmatisch sei nunmehr zwischen der Pflicht des Schuldners einerseits und dem Rechtsbehelf des Erfüllungsanspruchs als Folge einer Pflichtverletzung andererseits zu unterscheiden.493 Rechtsbehelfe setzen dabei nach Schmidt-Kessel generell eine Pflichtverletzung voraus.494 § 241 I S. 1 BGB bescheinigt er eine „Doppelnatur“.495 Es würden nicht nur die Pflichteninhalte des Schuldverhältnisses beschrieben, sondern es werde auch der Erfüllungsanspruch, also die Durchsetzung der Pflichten in Natur, geregelt.496 Es wäre besser, die einschlägige Pflicht und den „Rechtsbehelf Erfüllungsanspruch“ in getrennten Vorschriften zu verankern.497 Würde man die überkomprimierte Fassung des § 241 I S. 1 BGB in diesem Sinne in ihre beiden Regelungsteile aufspalten, liest sich die Vorschrift auf Basis des geltenden Rechts wie folgt: „Kraft des Schuldverhältnisses ist der Schuldner verpflichtet, die Leistung zu bewirken. Kraft des Anspruchs ist der Gläubiger berechtigt, die Leistung zu fordern.“
Obwohl der Schuldner verpflichtet wird, das zu tun, was er privatautonom mittels des Vertragsschlusses verbindlich versprochen hat, ist allein damit bei einer Interpretation des Anspruchssystems als Rechtsbehelfssystem noch nicht gesagt, dass der Gläubiger dies auch direkt durchsetzen kann.498 Dafür bedarf es einer zusätzlichen Anordnung. Erst durch den Erfüllungsanspruch, der im deutschen Recht freilich die Regel ist, kann der Gläubiger das Vertragsrecht in Natur durchsetzen. Das geltende Recht ließe sich mit Blick auf § 433 I BGB präziser folgendermaßen ausdrücken: „Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und ihn das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Durch den Er491 PWW/Schmidt-Kessel/Kramme,
§ 241 Rn. 21; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Rn. 465. § 241 Rn. 20; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Rn. 459. 493 PWW/Schmidt-Kessel/Kramme, § 241 Rn. 22. 494 PWW/Schmidt-Kessel, § 275 Rn. 1; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Rn. 457 f. 495 PWW/Schmidt-Kessel/Kramme, § 241 Rn. 2. 496 PWW/Schmidt-Kessel/Kramme, § 241 Rn. 2; s. a. Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Rn. 159 ff.; Müller-Chen, S. 23, 24 (Fn. 4), meint hingegen, dass „[d]er Erfüllungsanspruch […] in den kontinentalen Kodifikationen nirgends ausdrücklich geregelt [wird], sondern er muß implizit mitgedacht werden“; zur Bedeutung von § 241 I S. 1 BGB nach Avenarius, JR 1996, 492, 495 f., soeben im Text. 497 PWW/Schmidt-Kessel/Kramme, § 241 Rn. 2. 498 Vgl. zur gegenteiligen herrschenden Lehre o. § 2 II 2; es bedarf für den Erfüllungsanspruch keiner zusätzlichen „Rechtsbehelfsvoraussetzungen“, Weller, S. 371 f., 377. 492 PWW/Schmidt-Kessel/Kramme,
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füllungsanspruch (Anspruch auf Leistung) kann der Käufer einer Sache verlangen, dass der Verkäufer die Sache ihm übergibt und das Eigentum an der Sache verschafft.“499
In der Tat vereinbaren die Vertragsparteien nicht „Ansprüche“. Dies ergibt sich schon daraus, dass dieser Rechtsbegriff in der Laiensphäre nicht als bekannt vorausgesetzt werden kann. Den Vertragsparteien geht es vielmehr darum, rechtsverbindlich auszumachen, was der Schuldner zu leisten verpflichtet und korrespondierend der Gläubiger zu verlangen berechtigt ist. Dass aber das privatautonom vereinbarte Recht des Gläubigers (= dessen Stammrecht) in Natur durchgesetzt werden kann, sagt das Gesetz.500 Oder anders formuliert: § 433 I S. 1 BGB lässt sich als gesetzliche Anordnung des Erfüllungsanspruchs in Natur verstehen,501 während das Bestehen eines Kaufvertrags in dieser Anspruchsnorm vorausgesetzt wird. Statt wie viele bei schuldrechtlichen Vorschriften auf Pflichten abzustellen,502 kann schließlich auch von Rechten (im Sinne von Stammrechten) gesprochen werden.503 Dies legen nicht nur die Hohfeld‘schen Korrelationsüberlegungen nahe,504 sondern auch das herrschende Verständnis, wonach durch Verträge subjektive Rechte begründet werden.505 Das geltende Schuldrecht würde damit einer Interpretation des deutschen Privatrechts als eine Form eines Rechtsbehelfssystems, dessen wesentliches Charaktermerkmal die Trennung von Stammrechten und Rechtsfolgenrechten ist, nicht entgegenstehen.506 b) Analytische Erleichterungen
Der Frage, ob der Gläubiger Erfüllung in Natur verlangen kann beziehungsweise unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, steht dieses System – wie oben bei § 5 I 3 erwähnt – neutral gegenüber. So ist es kein Widerspruch zu der hier vertretenen These, dass – neben der Fälligkeit – der Erfüllungs499 Vgl. aber anders Avenarius, JR 1996, 492, 495 f., der den „Erfüllungsanspruch“ in § 241 I S. 1 BGB verankert sehen will. 500 Vgl. Bamberger/Roth/Sutschet, § 241 Rn. 1; mit Blick auf Schadensersatzansprüche vgl. Picker, JZ 1987, 1041, 1044; Dedek, Negative Haftung, S. 238 ff.; Kahl, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 205, 215; Hoffmann, S. 77 ff. 501 U. Huber, AcP 2010 (210), 319, 329; anders Müller-Chen, S. 23, 24 (Fn. 4) und Weller, S. 397, 395, der von einem „eindeutigen“ Wortlaut ausgeht. Weller unterstellt freilich, dass die Entstehung eines Rechtsbehelfs stets einer Rechtsverletzung bedürfe (a. a. O., S. 393). Auf Basis dieser Prämisse sind seine Überlegungen konsequent. Während Substanzrechte gesetzlich oder vertraglich entstehen können, sind diese verwirklichenden Schutzrechte stets gesetzlicher Natur, dazu F. Hartmann, S. 22; Picker, AcP 183 (1983), 369, 397 f. 502 Nur Avenarius, JR 1996, 492, 494. 503 Auch im englischen Recht ist häufig von duties die Rede, vgl. Weller, JZ 2008, 764, 768; vgl. aber auch Wright, S. 8. 504 Hohfeld, 23 Y. L. J. (1913), 16, 28 ff.; ders., 26 Yale L. J. (1917), 710. 505 PWW/Schmidt-Kessel/Kramme, Vor §§ 241 ff. Rn. 1. 506 Am Wortlaut des Gesetzes scheitert es schon deshalb nicht, weil dieser nicht immer eindeutig ist, vgl. Hoffmann, S. 134 ff.
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anspruch in Form eines eigenständigen Rechtsfolgenrechts grundsätzlich nicht unter zusätzlichen Entstehungsvoraussetzungen steht, sondern meist zugleich parallel mit dem Vertragsschluss in Erscheinung tritt.507 Wie dargelegt, bedarf es dafür nach der Systematik des BGB weder einer gesonderten Aufforderung zur Leistung noch muss der Gläubiger den Nachweis der Nichtleistung führen.508 Zu einem tendenziell eher „theoretisch-dogmatische[n] Problem“509 beziehungsweise zu einer Frage „rein terminologischer Natur“510 reduziert sich die Interpretation des Anspruchssystems als Rechtsbehelfsmodell dennoch nicht. Auf der Habenseite ist zunächst ein Gewinn an analytischer Klarheit zu verbuchen. Zahlreiche Rechtsfragen lassen sich leichter behandeln, wenn sie entweder als Problem des Stammrechts einerseits oder des Rechtsfolgenrechts andererseits adressiert werden können. Aus diesem Grund hat bereits Rimmelspacher die Forderung in ihre Einzelteile zerlegt.511 Während darauf aufbauend – wie oben unter § 5 II 2 dargestellt – das Forderungsrecht (beziehungsweise nach Rimmelspacher die Rechtsposition) vor allem den Inhalt des privatautonom vereinbarten Vertragsrechts absteckt,512 Bezugspunkt der Erfüllung513 und Gegenstand der Abtretung beziehungsweise von Sicherheiten ist, besorgt der Anspruch sämtliche Fragen der materiellen Rechtsdurchsetzung, also wann beziehungsweise unter welchen Umständen, wie, durch wen etc. das Vertragsrecht durchgesetzt wird. Auch wird klar, dass die wesentliche Funktion namentlich des „vertraglichen Unterlassungsanspruchs“ darin liegt, eine schuldrechtliche Rechtsposition zu schaffen, die über die gesetzliche Güterzuordnung hinausgeht.514 Das Stammrecht regelt die Rechtszuweisung, während Ansprüchen deren Verwirklichung obliegt. Vor allem aber lassen sich die Regelungen zur Unmöglichkeit leichter erklären.515 Die gedankliche Zweiteilung zwischen Stammrecht und Rechtsfolgenrecht setzt § 311a BGB voraus. Ein Vertrag ist demnach nicht deshalb unwirksam, weil die versprochene Leistung von Anfang an unmöglich ist. Das vertragliche Versprechen, Unmögliches zu leisten, ist wirksam und begründet ein Recht des Gläubigers. Allerdings kann der Gläubiger sein Stammrecht 507
Dazu auch o. § 5 II 2. U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. II, § 35 I 2, II, S. 145 ff., 147. 509 Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Rn. 466. 510 Vgl. Weller, S. 395 (Fn. 170); zur angeblich fehlenden Relevanz auch Riehm, S. 241, mit Verweis insbesondere auf Unberath, S. 197. 511 Rimmelspacher, S. 168 ff. 512 Vgl. auch Hoffmann, S. 95 ff., 99 („Die Forderung als Rechtsposition ordnet dem Gläubiger als Gut ein beschränktes Herrschaftsrecht über den Schuldner zu, wie das Eigentum dem Inhaber als Gut ein umfassendes Herrschaftsrecht über die Sache zuordnet.“). 513 Vgl. auch Weller, S. 396 (mit Fn. 182). 514 Vgl. Henckel, AcP 174 (1974), 97, 104, 124. 515 Vgl. Riehm als Diskutant auf der Tagung Zehn Jahre Schuldrechtsmodernisierung am 24. November 2012 in München, zitiert nach dem Diskussionsbericht von Schmollmann/ Singbartl, S. 261, 263; vgl. aber dies., S. 247 f. 508
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nicht mittels Erfüllung durchsetzen. § 275 I BGB schließt ausweislich des Wortlauts den Anspruch auf Leistung aus. Das Stammrecht des Gläubigers oder synonym sein Forderungsrecht auf die vertraglich versprochene Leistung wird dadurch aber weder berührt noch sinnlos. Es dient als Anknüpfungspunkt für einen Anspruch auf Schadensersatz nach § 311a II S. 1 BGB. Das Vertragsrecht wird nicht durch die Rechtsfolge Erfüllung, sondern – Verschulden vorausgesetzt, § 311a II S. 2 BGB – durch die Rechtsfolge Schadensersatz verwirklicht.516 Die das positive Interesse umfassende Schadensersatzpflicht kann dabei nur dadurch erklärt werden, dass ihr eben ein entsprechendes Stammrecht vorausliegt. Ein solches würde fehlen, wenn der Vertrag (beispielsweise nach § 138 I BGB) nichtig wäre. Mangels wirksam entstandenen Stammrechts würde sich dann die Frage der verfügbaren Rechtsfolgen bereits im Ansatz nicht stellen. Gleiches gilt für das Zusammenspiel von § 275 BGB und §§ 280 I, III, 283 BGB. Die „Pflicht zur Leistung“ als das vertragliche „Sollen“ kann von der Unmöglichkeit der Leistungserbringung in Natur unberührt bleiben, da dies nur den Anspruch als Durchsetzungsmechanismus berührt.517 Während nach altem Schuldrecht der Anspruch auf Erfüllung nur im Falle nicht zu vertretender Unmöglichkeit ausgeschlossen war und dann konsequenterweise auch kein Schadensersatzanspruch bestand, mussten im Falle zu vertretender Unmöglichkeit prozessuale Lösungen herhalten.518 Statt dem zugrundeliegenden Gedanken von der „Einheit der Obligation“519 gilt nunmehr ein „dualistisches System“.520 Rabels Hinweis, dass aus der Unmöglichkeit der Leistung nicht folgt, „dass ich es nicht schuldig sein kann“,521 lässt sich vor diesem Hintergrund am besten deuten, wenn man auch im Schuldrecht zwischen Forderungsrecht und Anspruch beziehungsweise allgemein zwischen Stammrecht und Rechtsfolgenrecht trennt.522 Auch die Möglichkeit, bei Verstößen gegen „vertragliche Unterlassungsansprüche“ Schadensersatz zu verlangen, setzt im Übrigen eine solche Tren516 Theoretisch ist eine Garantiehaftung denkbar. Nach der Rechtstradition gilt aber das Verschuldensprinzip; s. a. u. § 11 III 2 a). 517 Riehm als Diskutant auf der Tagung Zehn Jahre Schuldrechtsmodernisierung am 24. November 2012 in München, zitiert nach dem Diskussionsbericht von Schmollmann/ Singbartl, S. 261, 263; zum Verhältnis von Pflicht und Anspruch u. § 9 I; dies wurde von Looschelders in der Diskussion als problematisch betrachtet, a. a. O., S. 263. 518 Vgl. Albers, ZEuP 2012, 687, 691 f.; Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 223, 225 ff.; Stoll, JZ 2001, 589, 591; nur BGH NJW 1986, 1676. 519 Vgl. Weller, S. 430 (Fn. 419). 520 Looschelders, Zehn Jahre Schuldrechtsmodernisierung, S. 213, 223 ff., 225 f.; Bamberger/Roth/Unberath, § 275 Rn. 62; Canaris, JZ 2004, 214, 224; s. a. Zimmer, NJW 2002, 1, 2. 521 Rabel, Festschrift Bekkar, 1907, S. 178 (zitiert nach Stoll, JZ 2001, 589, 591). 522 Mitunter wird aber nicht auf das „Recht des Gläubigers“, sondern nur die (weiterhin existente) Pflicht des Schuldners abgestellt, PWW/Schmidt-Kessel, § 275 Rn. 5. Doch kann der Schuldner nicht zu etwas verpflichtet bleiben, dass er nicht leisten kann. Zum Verhältnis von Recht und Pflicht u. § 9 I.
III. Stammrechte als Anknüpfungspunkte für Rechtsfolgenrechte
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nung voraus. Nicht der Verstoß gegen den „Anspruch“, sondern eine auf das Stammrecht zu beziehende Pflichtverletzung liefert die Begründung für den Anspruch auf Schadensersatz. Schließlich begründen vorvertragliche Schuldverhältnisse kein auf Leistung gerichtetes Stammrecht. Damit stellt sich die Frage des Erfüllungsanspruchs schon im Ansatz nicht. Allerdings können gemäß § 311 II BGB Schutzpflichten nach § 241 II BGB entstehen. Der Anspruch auf Schadensersatz ist regelmäßig auf das negative Interesse begrenzt.523 Dies erklärt sich ohne Weiteres daraus, dass der Gläubiger bereits des Inhalts des Stammrechts wegen kein Recht auf Erfüllung hat; der Schadensersatzanspruch kann aber nur so weit gehen, wie es für die Verwirklichung des Stammrechts des Gläubigers erforderlich ist. Nicht zuletzt erweist sich der Blick auf das Schuldrecht unter dem Gesichtspunkt des „Denkens in Rechtsbehelfen“ bei der privatautonomen Vereinbarung von Rechtsfolgenrechten als hilfreich.524 Wie oben in § 1 I 1 gesehen, sind solche Abreden im anglo-amerikanischen Rechtskreis dem Einwand ausgesetzt, in die originäre Autonomie des Gerichts einzugreifen. Remedies sind die Domäne des Gerichts. Es obliegt dem Richter, nicht den Parteien, zu entscheiden, ob ein Vertrag mittels specific performance oder über damages zu verwirklichen ist. Aus deutscher Sicht überrascht diese Debatte allerdings nur auf den ersten Blick. Die Vereinbarung von „Ansprüchen“ liegt auch hierzulande nur vermeintlich in der Hand der Parteien. Während die Privatautonomie der Vereinbarung von Pflichten und korrespondierenden Rechten liberal gegenübersteht, steht auch die deutsche Rechtsordnung Rechtsfolgenvereinbarungen strenger gegenüber. So unterliegt die Vereinbarung einer Vertragsstrafe nach § 343 BGB auch außerhalb allgemeiner Geschäftsbedingungen einer erhöhten Kontrolle. Dies lässt sich damit erklären, dass es sich hierbei um ein Rechtsfolgenrecht handelt.525 Die Vertragsstrafe dient der Durchsetzung eines vorgelagerten Rechts des Gläubigers. Auch Vereinbarungen über die Herausgabe von Gewinnen im Falle einer Vertragsverletzung könnten an § 343 BGB zumindest in analoger Anwendung zu messen sein.526 Die Vereinbarung hat als Rechtsfolgenvereinbarung dienenden Charakter. Verdeutlichen lässt sich dieser Kontrast mit folgendem Beispiel: Ein Vertrag, bei dem Gewinne als primäre Leistung herauszugeben sind, wäre ungeachtet von § 343 BGB zulässig. Ein patriarchisches Darlehen oder eine stille Betei523 MünchKomm/Emmerich,
§ 311 Rn. 199; Jauernig/Stadler, § 311 Rn. 53 f. Katzenstein, S. 145 f., 147 f.; dem Grundsatz nach sind aber privatautonome Modifikationen des Haftungssystems denkbar, wenn freilich eben bestimmte Sonderregelungen zu beachten sind; s. a. Hoffmann, S. 78 (Fn. 3). 525 Anders Zakrzewski, S. 16; er will hier ein primary right sehen. 526 Zu restitution clauses im anglo-amerikanischen Rechtskreis Rowan, 126 L. Q. R. (2010), 448, 457 ff.; Burrows, S. 445, will diese nur zulassen, wenn die Rechtsfolge auch gesetzlich angeordnet werden würde. Dies erinnert an den gesetzlichen Kontrollmaßstab im AGB-Recht; zu Schadenspauschalierungen Erman/S. Schaub, Vor §§ 339–345 Rn. 5. 524
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
ligung führen zwar ebenfalls dazu, dass der Gläubiger ein Recht auf erzielte Gewinne hat. Die Pflicht zur (anteiligen) Gewinnherausgabe wäre hier aber nicht Rechtsfolgenrecht, sondern Stammrecht. Im ersten Beispiel wurde eine Rechtsfolgenvereinbarung getroffen, mit der ein Stammrecht über die Rechtsfolge Gewinnherausgabe abgesichert werden soll. Im zweiten Beispiel wird ein Stammrecht in Form eines Beteiligungsvertrags geschaffen. § 343 BGB im Speziellen und Rechtsfolgenvereinbarungen im Allgemeinen können durch die Trennung von Rechten und Rechtsfolgen damit besser erfasst werden. Zudem wird klar, dass die Privatautonomie an die Rechtsdurchsetzung – beginnend beim materiellen Anspruch – strengere Maßstäbe anknüpft.527 Während die Leistungsbeschreibung grundsätzlich kontrollfrei ist, ist ein Ausschluss von Schadensersatzansprüchen wegen § 309 Nr. 7 f. BGB nicht ohne Weiteres möglich (siehe zudem § 309 Nr. 5 BGB). Auch wenn Rechtsfolgenvereinbarungen der Privatautonomie nicht gänzlich entzogen sind, wie § 343 BGB im Umkehrschluss zeigt,528 belegt auch dies den kategorialen Unterschied zwischen vertraglichen Stammrechten und ihnen dienenden Rechtsfolgenrechten.
4. Gesetzliche Schuldverhältnisse Eine Scheidung von Stamm- und Rechtsfolgenrechten kann man auch im Rahmen gesetzlicher Schuldverhältnisse vornehmen (b) und c)). Zu diesen Schuldverhältnissen wird hier namentlich auch das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag gezählt (a)).529 Allerdings ist bei der Analyse gesetzlicher Schuldverhältnisse Vorsicht geboten. Die „Rechtsverhältnisse“, die unter dem Oberbegriff „gesetzliche Schuldverhältnisse“ diskutiert werden, erweisen sich teils als Stamm-, teils als Rechtsfolgenrechte. a) Geschäftsführung ohne Auftrag
Im Rahmen der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag bereitet eine Analyse unter den Prämissen eines Rechtsbehelfsmodells keine Schwierigkeiten. Statt eines Vertragsschlusses begründet das Gesetz zwischen dem (berechtigten) Geschäftsführer und dem Geschäftsherrn ein Schuldverhältnis. Wie die daraus fließenden Stammrechte verwirklicht werden, regeln Rechtsfolgenrechte. Es handelt sich dabei um die gleiche Struktur wie bei vertrag527 Vgl.
gegen eine Dispositivität von § 275 II BGB Stürner, S. 188 ff. Dies überzeugt, da § 275 II BGB eine Norm zur Regelung von Rechtsfolgenrechten ist. 528 Denkbar ist freilich, dass der Erfüllungsanspruch ausgeschlossen wird, vgl. auch Hoffmann, S. 77 ff.; entscheidend ist, dass das Problem an der richtigen Stelle, also auf der Ebene des Stammrechts oder des Rechtsfolgenrechts, aufgehängt wird. 529 Die Geschäftsführung ohne Auftrag wird teils als vertragsähnlich oder quasi-vertraglich eingestuft, Medicus/Petersen, BR, § 1 Rn. 9; letztlich beruht dieses Schuldverhältnis aber auf Gesetz, Staudinger/Olzen, § 241 Rn. 61 f.
III. Stammrechte als Anknüpfungspunkte für Rechtsfolgenrechte
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lichen Schuldverhältnissen (o. § 5 III 3). Das Schuldverhältnis im weiteren Sinne und das Schuldverhältnis im engeren Sinne dürfen dabei jedoch nicht in Verhältnis gesetzt werden mit dem Eigentum als Stammrecht und den daraus fließenden Ansprüchen. Andernfalls würden unterschiedliche Ebenen miteinander vermengt. Das Schuldverhältnis im weiteren Sinne ist ebenso wie das Eigentum im Sinne von § 903 BGB Oberbegriff für die jeweiligen einzelnen stammrechtlichen Befugnisse. Genauso wie der Eigentümer die Einzelstammrechte „Verfügen“, „Zerstören“, „Verändern“, „Nutzen“ etc. hat, erwachsen aus dem Schuldverhältnis im weiteren Sinne unterschiedliche Einzelrechte: die Schuldverhältnisse im engeren Sinne. Diese werden dann ebenso wie die Einzelstammrechte bei § 903 BGB durch Rechtsfolgenrechte wie Naturalerfüllung, Unterlassen, Schadensersatz etc. verwirklicht.530 Die angemaßte Eigengeschäftsführung begründet demgegenüber gemäß § 687 II BGB diverse Ansprüche. Insoweit wird kein Stammrecht begründet, sondern es werden Rechtsfolgen geregelt. Wer beispielsweise weiß, dass er über fremdes Eigentum verfügt (Eingriff in das Stammrecht gemäß § 903 BGB), muss den Erlös nach §§ 687 II, 681 S. 2, 667 BGB auskehren. b) § 823 I BGB
Auch § 823 I BGB (zusammen mit den Rechtsfolgenregelungen der §§ 249 ff. BGB) ist ausschließlich ein Rechtsfolgenrecht. Es vermittelt kein eigenständiges Stammrecht,531 sondern dient einzig dazu, das Eigentum, das Recht auf Gesundheit, Freiheit etc., kurzum: absolute Rechte, mittels der Rechtsfolge Schadensersatz zu verwirklichen. Gleiches gilt für § 139 II PatG, § 97 II UrhG, § 14 VI MarkenG betreffend ein Patent, das Urheberrecht oder eine Marke. Regelungsgehalt dieser Anspruchsgrundlagen sind die Entstehungsvoraussetzungen des Rechtsfolgenrechts, insbesondere das Verschuldenserfordernis.532 Die Abgrenzung des Schutzbereichs der durchzusetzenden Stammrechte findet sich demgegenüber nicht im Tatbestand des § 823 I BGB etc. Was Inhalt bei530
Vgl. auch Hoffmann, S. 125 ff. Hoffmann, S. 131 f.: Er will beim „richtig verstandenen“ deliktischen Anspruch zwei Rechtsverletzungen sehen. Durch die Verletzung des Eigentums entsteht ein neues „Substanzrecht in Gestalt einer Forderung“. Wird diese trotz Fälligkeit nicht erfüllt – liegt also eine Rechtsverletzung vor – kann die deliktsrechtliche Forderung zwangsweise durchgesetzt werden; vgl. auch Picker, Festschrift Canaris, S. 1001, 1017 (Fn. 41 und Fn. 76), ders., JZ 2014, 431, 439 (Fn. 46), der im Anspruch aus § 823 I BGB ebenfalls sowohl ein Substanzrecht als auch ein Schutzrecht sieht. Nach hier vertretener Ansicht ist § 823 I BGB hingegen nicht wieder selbst in Stammrecht und Rechtsfolgenrecht zu zerlegen. Es handelt sich um ein einheitliches Durchsetzungsrecht. Eine erneute Aufspaltung wäre analytisch ohne weiteren Gewinn. § 823 I BGB hat keine Doppelnatur. Dafür besteht kein Bedürfnis. Zahlt etwa der Schuldner verspätet, ist die damit verbundene Möglichkeit, Verzugszinsen einzufordern, ein Annex zur Rechtsdurchsetzung; vgl. auch § 291 BGB. 532 Zu den originären Aufgaben eines Rechtsfolgenrechts o. § 5 II 2. 531 Aber
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
spielsweise des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, des Eigentums oder des Urheberrechts ist, muss von diesen Rechten selbst bestimmt werden.533 § 823 I BGB (wie § 97 II UrhG etc.) als Rechtsfolgenrecht knüpft daran lediglich eine bestimmte Rechtsfolge.534 Auch über § 823 II BGB kann das Rechtsfolgenrecht Schadensersatz begründet werden. Das zugrundeliegende Stammrecht ist aber anders als bei § 823 I kein Ausschließlichkeitsrecht, sondern regelmäßig eine Verbotsnorm. Ob sich diese als Stammrecht interpretieren lässt, wird im nächsten Abschnitt eigens untersucht (u. § 5 III 5). Im Rahmen der Behandlung gesetzlicher Schuldverhältnisse genügt der Hinweis, dass über § 823 II BGB begründete Schadensersatzansprüche (Gleiches gilt mit Blick auf § 9 UWG) der Natur nach Rechtsfolgenrechte darstellen. c) Leistungs- und Eingriffskondiktion
Im Bereicherungsrecht muss demgegenüber kategorial zwischen der Eingriffskondiktion nach § 812 I S. 1, 2. Alt. BGB und der Leistungskondiktion nach § 812 I S. 1, 1. Alt. BGB unterschieden werden.535 Die Eingriffskondiktion bezieht sich – strukturell wie § 823 I BGB – auf ein vorgelagertes Stammrecht. Ein Eingriff, beispielsweise in das Eigentum, kann damit sanktioniert werden. Der Natur nach handelt es sich hierbei um ein Rechtsfolgenrecht. Das Recht, mit dem der Berechtigte eine Bereicherungsherausgabe verlangen darf, kann unmittelbar durchgesetzt werden. Eines weiteren Rechtsfolgenrechts bedarf es nicht.536 Wie § 823 I BGB kommt § 812 I S. 1, 2. Alt. BGB nicht die Aufgabe zu, den Schutzumfang eines vorgelagerten Rechts abzustecken;537 für die Güterzuordnung ist die Eingriffskondiktion nicht relevant.538 Die Frage ist vielmehr, ob ein Recht, sei es ein Forderungsrecht, ein Urheberrecht, ein Recht an einem Geschäftsgeheimnis oder ein Verbraucherrecht, durch eine bereicherungsrechtliche Rechtsfolge im Sinne der Eingriffskondiktion verwirklicht werden soll oder nicht. Für Verträge lehnt die Rechtsprechung dies zu Unrecht ab.539 Wer wie Picker einen rechtsfolgenbasierten Blickwinkel einnimmt, kommt 533
Katzenstein, S. 182. Rechtsfolgenrechte sind nicht per se unübertragbar. Wie auch bei den Stammrechten muss dies im Einzelfall betrachtet werden. Das Rechtsfolgenrecht nach § 823 I BGB ist dabei ohne weiteres verkehrsfähig. 535 Vgl. bereits o. § 2 II 4 a); § 5 I 4 b). 536 Vgl. aber Hoffmann, S. 131 f.; Picker, Festschrift Canaris, S. 1001, 1017 (Fn. 41 und Fn. 76); ders., JZ 2014, 431, 439 (Fn. 46). Zur verfahrensrechtlichen Durchsetzung u. § 10 I. 537 Vgl. Picker, Festschrift Lange, S. 625, 685 (Fn. 134). 538 Anders Peukert, Güterzuordnung, S. 13, der die Eingriffskondiktion als einen Baustein im komplexen System der güterzuordnungsrelevanten Generalklauseln des BGB sieht; vgl. Schiemann, Festschrift Deutsch, S. 895, 901 (Ein Recht im Sinne des Deliktsrechts kann nur sein, was außerhalb des Deliktsrechts schon den Charakter eines Rechts hat.). 539 BGH NJW 2013, 781 Rn. 22 ff.; Ellger, S. 858 ff.; anders Hofmann, AcP 213 (2013), 469, 493 ff. 534
III. Stammrechte als Anknüpfungspunkte für Rechtsfolgenrechte
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hingegen zu dem Ergebnis, dass ein Forderungsrecht durchaus mittels einer bereicherungsrechtlichen Rechtsfolge durchgesetzt werden kann.540 Ob man dies dann dogmatisch in § 812 I S. 1, 2. Alt. BGB verankert oder an § 285 BGB festmacht, ist dabei von geringerem Gewicht.541 Umgekehrt erweist sich die Steuervorrichtungs-Entscheidung des BGH542 zum Erfinderrecht als unzutreffend, weil er einem Erfinder das Rechtsfolgenrecht aus § 812 I S. 1, 2. Alt. BGB zuspricht, obwohl dem – mangels patentrechtlicher Schutzfähigkeit der Erfindung – kein Stammrecht (in Gestalt eines Erfinderrechts) vorauslag.543 Auch das Lauterkeitsrecht liefert ein weiteres Beispiel: Da § 4 Nr. 4 UWG zwar einem Mitbewerber das Recht darauf zuspricht, dass ein Kundenstamm nicht durch Ansprache unmittelbar im Ladenlokal abgezogen wird,544 gleichzeitig aber kein Recht am Kundenstamm begründet,545 lässt sich hier mühelos begründen, dass eine bereicherungsrechtliche Rechtsfolge nicht gerechtfertigt ist. Es ist besser, diese Auseinandersetzung in der Sache zu führen – wie bereits der Vergleich mit Geschäftsgeheimnissen zeigt546 –, als sich hinter der Begrifflichkeit „subjektives Recht“ oder „Zuweisungsgehalt“ (zumal dieser von Recht zu Recht unterschiedlich weit ausfällt)547 zu verstecken. Die Rechtsdurchsetzung mit der Qualifikation als subjektivem Recht zu präjudizieren, geht fehl.548 Anders verhält es sich mit der Leistungskondiktion.549 Während die Eingriffskondiktion an den Eingriff in ein vorausgelagertes Recht anknüpft, begründet die Leistungskondiktion konstitutiv ein gesetzliches Schuldverhältnis. Im Falle rechtsgrundloser Leistung gewährt sie dem Berechtigten ein Stammrecht auf Rückzahlung. § 812 I S. 1, 1. Alt. BGB begründet originär die Ver540 Vgl. 541 Vgl.
493 ff.
Picker, AcP 183 (1983), 369, 511 ff. F. Hartmann, S. 112 ff.; 254 ff., 269 ff., 296 ff.; Hofmann, AcP 213 (2013), 469,
542 BGHZ 185, 341 – Steuervorrichtung = GRUR 2010, 817; die Beklagte hatte Erfindungen des angestellten Klägers genutzt. Obwohl die Erfindungen nicht patentrechtlich schutzfähig waren, gewährte der BGH einen Anspruch aus § 812 I S. 1, 2. Alt. BGB. 543 Kritisch Liebenau/Hofmann/Zech, ZGE 2012, 133 ff.; Haedicke/Timmann, § 3 Rn. 16; vgl. Haedicke, Patentrecht, 5. Kap. Rn. 1, 11. 544 Insgesamt str. vgl. Köhler/Bornkamm, § 4 Rn. 4.25, 4.28 f.; Ohly/Sosnitza, § 4.4 Rn. 4/47 f. 545 BGH GRUR 2005, 603, 604 – Kündigungshilfe; BGH GRUR 2002, 548, 549 – Mietwagenkostenersatz. 546 Zum Meinungsstreit hinsichtlich der einschlägigen Rechtsfolgen Ohly, GRUR 2014, 1, 8 f. 547 Vgl. auch Schmidt, Aktionsberechtigung, S. 41, 75 ff., zur mitunter fehlenden „Vermögensberechtigung“; vgl. auch Jansen, AcP 216 (2016), 112, 165 f., 222 ff. 548 Vgl. auch Hoffmann, S. 55; kritisch zum Begriff des subjektiven Rechts mit Blick auf die Rechtsdurchsetzung u. § 9 I 4 u. o. 5 III 1. 549 Vgl. grundlegend Jansen, AcP 216 (2016), 112, 117, 132 ff., 186 ff. Er will die Leistungskondiktionen freilich ebenfalls als “remedies” rekonstrurieren, funktional im Kontext der Regeln über Erfüllung und über die Rückabwicklung gescheiterter Verträge (a. a. O., 160, 163).
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pflichtung des Bereicherungsschuldners, die rechtsgrundlos erhaltene Leistung zurückzuzahlen. Anders als bei der Eingriffskondiktion geht es nicht um die Anordnung einer speziellen bereicherungsrechtlichen Rechtsfolge, sondern um – in hier verwendeter Terminologie – die Begründung eines Stammrechts: das Recht auf Rückzahlung einer rechtsgrundlosen Leistung. Ob dies in Natur erfolgt, Wertersatz zu leisten ist oder gar erwirtschaftete Gewinne herauszugeben sind, obliegt hingegen dem davon zu trennenden Rechtsfolgenrecht zur Durchsetzung des Rechts auf Rückzahlung. Verwendungs- und Rückgriffkondiktion sind dem ähnlich. Dass damit wiederum die gleiche Struktur wie im Vertragsrecht vorliegt, lässt sich mit Blick auf das englische Recht noch besser nachvollziehen. Statt über unjust enrichment wurde die Rückabwicklung irrtümlich geleisteter Zahlungen historisch gesehen über den Gedanken eines konkludent geschlossenen Vertrags gelöst (“implied contract”; “quasicontract”).550 Im Vertragsrecht des anglo-amerikanischen Rechtskreises wird aber seit jeher zwischen dem vertraglichen Recht und der Durchsetzung über ein einschlägiges remedy differenziert. Folgerichtig wird das right to restitu tion in England als primary right qualifiziert.551
5. Gesetzliche Verhaltenspflichten Die Verletzung einer gesetzlichen Verhaltenspflicht zieht meistens einen Anspruch auf Schadensersatz (vgl. § 823 II BGB oder § 9 UWG) nach sich. Es entsteht ein gesetzliches Schuldverhältnis – wie gesehen der Natur nach ein Rechtsfolgenrecht (o. § 5 III 4 b)). Wie lassen sich nun aber die gesetzlichen Verhaltenspflichten selbst in das hier vertretene System der Trennung von Stammrechten und Rechtsfolgenrechten einordnen? Auch wenn die Rechtsdurchsetzung analytisch abspaltbar ist, will die herrschende Meinung in „rechtlich geschützten Interessen“ keine „Rechte“ sehen (a)). Eine solche aktionenrechtliche Sichtweise lässt sich überwinden. Namentlich Picker differenziert selbst bei der Verletzung von Schutzgesetzen zwischen Schutzposition und Schutzrecht (b)). Das hier vertretene Modell der Unterscheidung zwischen Stammrechten und Rechtsfolgenrechten taugt in der Tat auch bei Verbotsnormen als Analyseinstrument (c)). a) Schutz rechtlich geschützter Interessen in Abgrenzung zum Schutz subjektiver Rechte
Gesetzliche Verhaltenspflichten trifft man in den unterschiedlichsten Bereichen an. Allgemein finden sich derartige Gebote in Schutzgesetzen im Sinne von 550
Virgo, S. 19 ff.; s. a. Jansen, AcP 216 (2016), 112, 138. Zakrzewski, S. 16 f.
551 Vgl.
III. Stammrechte als Anknüpfungspunkte für Rechtsfolgenrechte
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§ 823 II BGB. Das Betriebsverfassungsgesetz legt Arbeitgeber und Betriebsrat bestimmte Pflichten auf und das Wettbewerbsrecht ordnet das Marktverhalten, indem es bestimmte Verbote statuiert. Verhaltensregeln wie in den Beispielen soeben werden, wie im vorangegangenen Abschnitt angedeutet, von Ausschließlichkeitsrechten abgegrenzt. Sie sollen sich im Bestehen von Unterlassungs- und gegebenenfalls Schadensersatzansprüchen erschöpfen. Eine Güterzuweisung liege nicht vor;552 ein korrespondierendes Recht soll nicht bestehen.553 Für die hier interessierende Frage ist zunächst klar, dass nach der Gesetzessystematik eine Trennung von Verboten und der Durchsetzung der Verbote gegeben ist. Dies zeigt ein insoweit repräsentativer Blick auf das Lauterkeitsrecht.554 Während in § 3 UWG (i. V. m. §§ 3a–6 UWG) beziehungsweise § 7 UWG festgelegt wird, ob eine unzulässige geschäftliche Handlung vorliegt, sprechen §§ 8 ff. UWG aus, welche Rechtsfolgen an die Vornahme einer solchen Handlung geknüpft sind.555 Die Umschreibung des Verbots lässt sich von der Durchsetzung desselben unterscheiden. Dies entspricht in etwa der Systematik des tort of negligence im englischen Recht.556 Dass Rechtsfolgen analytisch isoliert betrachtet werden können, ist damit mit Blick auf gesetzliche Verhaltensverbote im Grunde bereits nachgewiesen. Andererseits soll aber trotz des Bestehens eines Unterlassungs- oder Schadensersatzanspruchs jeweils kein vorausliegendes Recht verletzt sein.557 So wird formuliert, dass das Lauterkeitsrecht die verschiedenen geschützten Interessen der Schutzsubjekte in den Vordergrund rückt, „ohne zu verlangen, dass sich diese geradezu zu subjektiven Rechten verdichtet haben müssen.“558 Offen bleibt damit, ob die Unterscheidung zwischen Stamm- und Rechtsfolgenrechten auch hier durchführbar ist. Namentlich das Lauterkeitsrecht kennt jenseits der konkreten Ansprüche559 keine subjektiven Rech552 Vgl. Zech, S. 79 f.; zur Unterscheidung zwischen Ausschließlichkeitsrechten und individuellen Rechtskreisen, die nicht übertragbar sind und keine subjektiven Rechte begründen Peukert, Güterzuordnung, S. 865 ff. 553 H. Lehmann, S. 69, warnt mit Blick auf den Unterschied von § 823 I und § 823 II S. 1 BGB vor einer „Tautologie“, wäre jedes rechtlich geschützte Interesse ein Recht. 554 Ähnlich z. B. das Kartellrecht: Art. 101, 102 AEUV (Verbotstatbestand)/§ 33 GWB (Durchsetzungstatbestand). Auch Normen der StVO stellen als Schutzgesetze Verbote auf, die dann über § 823 II BGB schadensersatzbewehrt sind und – mitunter – über § 1004 BGB (analog) durchgesetzt werden können. Man denke etwa, dass in einer Anliegerstraße Nachbar X jeden Morgen statt mit den vorgeschriebenen 30 km/h mit 90 km/h die Einfahrt verlässt. 555 Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.1. 556 Dazu o. § 1 II 2; vgl. auch Donoghue v. Stevenson [1932] A. C. 562. 557 Grundlegend Peukert, Güterzuordnung, S. 528, 863 ff. Man könne nur von einem gesetzlichen, positiven Güterschutz jenseits der subjektiv-ausschließlichen Rechte sprechen, a. a. O., S. 872; allerdings wurde auch vertreten, dass an jedem durch Unterlassungsklage geschützten Rechtsgut ein subjektives absolutes Recht besteht, vgl. Lobe, S. 242, 154; s. a. o. § 5 III 1. 558 Emmerich, § 3 Rn. 7. 559 Reinhardt, JZ 1961, 713, 717.
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te.560 In diesem Sinne konstatiert der BGH: „Die Vorschriften gegen den unlauteren Wettbewerb gewähren kein Ausschließlichkeitsrecht an einem bestimmten Schutzobjekt.“561 Das soll daran liegen, dass der exakte Schutzbereich eines „Recht[s] auf lauteren Wettbewerb“ nicht einfach zu bestimmen wäre.562 Es wäre „höchst schwierig“, Inhalt und Träger solcher „subjektiven“ Rechte zu umreißen, während gemäß § 8 III UWG nicht nur (wenn überhaupt) der unmittelbar Verletzte gegen die Wettbewerbsverletzung vorgehen kann.563 Diese Dispositionsbefugnis soll aber gerade ein Kennzeichen des subjektiven Rechts sein.564 Ein subjektives Recht, „dass andere vertikale Preisempfehlungen unterlassen“, soll auch das Kartellrecht nicht vermitteln.565 § 826 BGB liegt nach verbreiteter Ansicht ebenfalls kein subjektives Recht im Sinne eines Rechts, nicht vorsätzlich sittenwidrig geschädigt zu werden, voraus.566 Es wird vielmehr davor gewarnt, „ein subjektives Recht als gedachtes Schutzobjekt zwischen das Rechtsgut und die an seinem Schutz interessierte Person einzuschieben.“567 Gleiches wird zu § 823 II BGB gesagt.568 Über diese Norm soll nur eine „sonstige geschützte Position“ bestehen, die „jedenfalls nicht die Qualität eines Rechts“ hat.569 Es gibt beispielsweise kein Recht, nicht betrogen zu werden.570 Ältere Auffassungen haben selbst den in § 823 I BGB aufgezählten Lebensgütern die Eigenschaft als Recht schlechthin, geschweige denn als subjektives Recht, abgesprochen.571 Selbst das Persönlichkeitsrecht und das Recht am 560 Baumbach/Hefermehl, Einl UWG Rn. 49; Ohly/Sosnitza, Einf. D Rn. 78; Köhler/ Bornkamm, § 4 Rn. 3.4; Beater, § 1 Rn. 13; Peukert, Güterzuordnung, S. 868 f.; vgl. Troller, Immaterialgüterrecht, Bd. I, S. 114 ff.; aber Enneccerus/Nipperdey, § 72 I 3, S. 275 f. („Bei allen unerlaubten Handlungen handelt es sich um die Verletzung subjektiver Rechte, nämlich des Rechts auf Unterlassung des tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen Eingriffs.“). 561 BGHZ 35, 329, 333 – Kindersaugflasche = GRUR 1962, 243, 245. 562 Hadding, JZ 1970, 305, 308 und 310 (Fn. 40); v. Caemmerer, Festschrift Juristentag, S. 49, 55; Wolf/Neuner, § 20 Rn. 10 u. a. mit Blick auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb; dieses Recht wird aber bisweilen durchaus als subjektives Recht klassifiziert, etwa Wüstenbecker, JA 1984, 227, 229. 563 Beater, § 1 Rn. 13, 15; ähnl. für Persönlichkeitsrechte Peukert, Güterzuordnung, S. 868. 564 Beater, § 1 Rn. 15; vgl. allgemein Zech, S. 66; Köhler, AT, § 17 Rn. 22. 565 v. Caemmerer, Festschrift Juristentag, S. 49, 55 (Fn. 22) mit Verweis auf BGHZ 28, 208, 222 = GRUR 1958, 621. 566 v. Caemmerer, Festschrift Juristentag, S. 49, 55; vgl. Raiser, JZ 1961, 465, 467; Peukert, Güterzuordnung, S. 528; Thomas, S. 11; Reinhardt, JZ 1961, 713, 714. 567 Raiser, JZ 1961, 465, 472; vgl. auch Schrauder, S. 162 f.; v. Caemmerer, Festschrift Juristentag, S. 49, 55, will daher den Schutz lauterkeitsrechtlicher Interessen rein prozessual verwirklicht sehen. 568 Vgl. Schmidt, Aktionsberechtigung, S. 37 ff. 569 Vgl. Schmidt, Aktionsberechtigung, S. 37. 570 Peukert, Güterzuordnung, S. 885 m. w. N.; a. A. Picker, Festschrift Schilken, S. 85, 100 („[…] gewährt die geltende Ordnung also sehr wohl ein ‚Recht, nicht betrogen oder erpreßt …‘ oder ‚wettbewerbswidrig‘ verletzt zu werden.“). 571 H. Lehmann, S. 119 ff.; vgl. auch Wesel, Festschrift v. Lübtow, S. 787, 791 ff.
III. Stammrechte als Anknüpfungspunkte für Rechtsfolgenrechte
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eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb soll der Eigenschaft eines „Rechts“ entbehren, da auch durch diese „Rahmenrechte“572 (sic!) nur Handlungsverbote aufgestellt würden.573 b) Kategoriale Unterscheidung zwischen Rechtsposition und Rechtsdurchsetzung bei gesetzlichen Verboten
Ansprüche sollen also ohne vorausgelagerte Rechtszuweisungen denkbar sein.574 Nicht jedes durchsetzbare Interesse soll sich zu einem Recht verdichten. Der Zuspruch von (subjektiven) Rechtsfolgenrechten, ohne an vorausliegende Rechte anzuknüpfen, erinnert an das Aktionenrecht.575 Ein solches Modell kommt – wie gesehen – ohne vorausliegende Rechte aus; es interessiert nur die Sanktion.576 In diesem Sinne charakterisiert Hadding das lauterkeitsrechtliche Rechtsdurchsetzungsregime: „Es handelt sich um eine heute noch aufrecht erhaltene aktionenrechtliche Regelung, bei der darauf verzichtet wird, einen materiellrechtlichen Anspruch als Grundlage der Prozeßführungsbefugnis vorauszusetzen.“577
Es fragt sich also, ob sich diese streng aktionenrechtliche Sicht überwinden lässt. Aktionenrecht hat sich schließlich im geltenden Privatrecht überholt. In der Tat weist eine Reihe von Autoren darauf hin, dass der über § 823 II BGB oder § 826 BGB vermittelte deliktsrechtliche Schutz die Existenz einer zugewiesenen Rechtsposition indiziert.578 Nur so soll erklärbar sein, dass 572 Zumindest die Bezeichnung als „Rahmenrecht“ soll verdeutlichen, dass es sich nicht um „sonstige Rechte“ im Sinne des § 823 I BGB handelt, Peukert, Güterzuordnung, S. 885. 573 Peukert, Güterzuordnung, S. 885 f. („Letztlich doch auf ein ‚Recht‘ lautende Beschreibungen des deliktsrechtlich vermittelten Schutzes gleicher Freiheit […] sollten hingegen vermieden werden, weil sie den kategorialen Unterschied zwischen einer begrenzten Privilegierung und der umfassenden, aber undefinierten negativen Freiheit verwischen“); vgl. ders., S. 857, 863 ff.; vgl. Wolf/Neuner, § 26 Rn. 13; die h. M. ordnet das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aber als „sonstiges Recht“ gemäß § 823 I BGB ein und stellt es damit auf eine Stufe mit den anderen dort anerkannten subjektiven Rechten, vgl. Jauernig/Teichmann, § 823 Rn. 95a; dass die Schutzbereichsbestimmung bisweilen unklar ist, begründet hingegen keine Besonderheit: Auch der Schutzbereich des Urheberrechts ist schwer zu bestimmen, vgl. nur Art. 3 I InfoSoc-RL. 574 Poelzig, S. 416; vgl. Hoffmann, S. 44 ff.; konsequent erscheint hingegen Hadding, JZ 1970, 305, 308: Da er ein „Recht auf lauteren Wettbewerb“ nicht anerkennt, verneint er aus diesem Grund auch einen materiellrechtlichen Anspruch klagender Verbände bzw. Mitbewerber. 575 Vgl. Oppermann, S. 206 ff., der eine „aktionenbezogene Rekonstruktion des wettbewerbsrechtlichen Präventivrechtsschutzes“ versucht. 576 Dazu o. § 5 I 1. 577 Hadding, JZ 1970, 305, 310. 578 Hoffmann, S. 39, S. 46 f.; Katzenstein, S. 142 f.; bereits Picker, Festschrift Lange, S. 625, 680 f., 683 ff.; ders., Festschrift Schilken, S. 85, 88, 94 ff.; Eltzbacher, S. 111, 112 („Aus dem Schadensersatzanspruch dessen, der vorsätzlich in einer gegen die guten Sitten verstoßenden
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
es Dritten verboten ist, das Vermögen eines anderen zu schädigen, während dieser selbstschädigende Handlungen vornehmen darf;579 nur dann bestehe ein Legitimationsgrund für die Haftung.580 Nur dann könne ein parallel verwirkter Schadensersatzanspruch erklärt werden.581 Vor allem Picker hebt hervor, dass der Unterschied zwischen der Formierung von Schutzpositionen (im Sinne von § 823 I BGB) und der Aufstellung von Handlungspflichten (im Sinne von § 823 II BGB) einzig eine Frage der „Anschaulichkeit“ und der „bessere[n] Beschreibbarkeit“ ist.582 Er betont: „Immer nämlich ist die Formierung von subjektiven Rechten oder die Statuierung von Verhaltensgeboten nichts anderes als das rechtstechnische Mittel, die geschützte Rechtssphäre des einzelnen zu umgrenzen und damit den Handlungsspielraum anderer zu bestimmen.“583
Ähnlich sieht Schmidt in § 823 I und § 823 II BGB unterschiedliche, aber gleichwertige Techniken der Definition einer „Berechtigung“.584 „[W]as Eigentum, Gesundheit, Leben oder ein ähnliches Rechtsgut ist, ist jedem einsichtig; es ist nicht notwendig zu bestimmen, wann eine Verletzung verboten ist. Damit wird aber auch die Möglichkeit einer legitimen Grenzverschiebung – zwischen den Tatbeständen der §§ 823 Abs. 1 und Abs. 2 sichtbar, die notwendig in dieser Konzeption angelegt ist: ist die Anzahl der auf einen Sachverhaltsbereich – einen Kreis von möglichen Betätigungen der Handlungsfreiheit – bezogenen Definitionen des Unerlaubten groß genug gewachsen, so kann die Definition vom Sozialen her durch eine Definition vom Individualen her ersetzt werden: der Tatbestand wächst aus § 823 Abs. 2 nach § 823 Abs. 1 hinüber. Eine Änderung der Qualität der Berechtigung bringt diese Entscheidung nicht mit sich.“585 Weise geschädigt worden ist, (§ 826 GBG) [müssen wir] ein Recht eines jeden, nicht vorsätzlich den guten Sitten zuwider geschädigt zu werden [folgern].“); vgl. H. Lehmann, S. 127. 579 Vgl. Hoffmann, S. 39 und S. 55 f.; dass jemand etwas rechtens darf, was andere nicht dürfen, soll ein Kennzeichen einer Rechtszuweisung sein, vgl. Zech, S. 70; Larenz, Festschrift Sontis, S. 129, 138. 580 Picker, Festschrift Schilken, S. 85, 88. 581 Vgl. Henckel, AcP 174 (1974), 97, 135. 582 Picker, AcP 178 (1978), 499, 502; ders., Festschrift Schilken, S. 85, 102 ff.; zur „prinzipielle[n] rechtliche[n] Gleichwertigkeit“ von Verhaltensverboten und subjektiven Rechten s. a. ders., Festschrift Lange, S. 625, 681; folgend Katzenstein, S. 183; vgl. Bernhard, Festschrift Picker, S. 83, 106, mit Blick auf die Beschreibung des Inhalts des Patentrechts (rein „regelungstechnischer Art“); vgl. ähnlich zur mittelbaren Patentverletzung Holzapfel, GRUR 2002, 193, 195; selbst Köhler/Bornkamm, § 4 Rn. 3.4, meint, dass es „lediglich eine Frage der Rechtstechnik [ist], ob ein Interessenschutz durch Gewährung absoluter Rechte oder durch Aufstellung von Verhaltenspflichten gewährt wird“; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 136 f., sieht die Gemeinsamkeit zwischen absoluten Rechten und Verhaltenspflichten darin, dass jeweils Pflichten begründet werden. 583 Picker, AcP 183 (1983), 369, 400 (Fn. 101). 584 Schmidt, Aktionsberechtigung, S. 37 ff. 585 Schmidt, Aktionsberechtigung, S. 40 f. (ohne Fußnoten); vgl. auch Deutsch, JZ 1963, 385.
III. Stammrechte als Anknüpfungspunkte für Rechtsfolgenrechte
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Eine nachbarschützende Bauhöhenbestimmung soll „der Sache nach“ ein „‚Recht‘ auch auf entsprechende Gestaltung des Nachbarschaftsraums“ gewähren.586 Lobinger will im Betriebsverfassungsrecht nicht nur von „Zuständigkeiten“ des Betriebsrats, sondern von Rechten desselben sprechen.587 Oder allgemeiner formuliert: Schutzgesetze begründen „nicht nur und nicht einmal primär“ Abwehrrechte, sondern seien als güterzuweisende Normen, als „Rechtszuweisungsnormen“ zu rezipieren.588 Entsprechend sympathisieren einige Schriftsteller damit, die geschützte Rechtsposition als Recht589 beziehungsweise Substanzrecht zu bezeichnen.590 Davon sei das „Schutzrecht“ abzugrenzen, mit dem eben dieses Recht verwirklicht werden kann.591 Die Herausarbeitung der einschlägigen Schutzposition sei jedoch „logisch wie praktisch der vorrangige Schritt“.592 Formal über die Aufstellung eines Verhaltensgebots werde in der Sache eine Rechtsposition zugewiesen und ausgestaltet.593 Dessen ungeachtet zeigen die Meinungen zum Verhältnis von Rechten zu Rechtsgütern in § 823 I BGB, dass „Rechtsstellungen“, die gestern jenseits des Kreises subjektiver Rechte gesehen wurden, heute bedenkenlos als absolute Rechte beziehungsweise subjektive Rechte eingeordnet werden.594 Auch wett586 Picker, Festschrift Lange, S. 625, 680; allerdings kann man diese Normen auch als inhaltsbestimmende Regelungen des Eigentumsrechts sehen; ders., a. a. O., S. 683 f. 587 Lobinger, ZfA 2004, 101, 126 ff. 588 Picker, Festschrift Lange, S. 625, 680 ff.; ders., Festschrift Bydlinski, S. 269, 314 f.; vgl. kritisch Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 75. 589 Vgl. Eltzbacher, S. 111; Brose, Unterlassungsklage, S. 64 („jeder Anspruch muß ein Recht als Grundlage haben“); vgl. H. Lehmann, S. 64. 590 Picker, Festschrift Lange, S. 625, 680, 683 und ders., Festschrift Bydlinski, S. 269, 314 f.; Katzenstein, S. 143; Hoffmann, S. 40. 591 Picker, Festschrift Lange, S. 625, 680; Hoffmann, S. 40. 592 Picker, AcP 183 (1983), 369, 400 (Fn. 101); ders. Festschrift Lange, S. 625, 680 (ein „zivilrechtliches Verteidigungsrecht“ setzt „sachlich wie dogmatisch voraus, daß man eine entsprechende subjektiv-rechtliche Position anerkennt.“); ders., Festschrift Medicus, S. 311, 317, 318 (der Zivilrechtler muss primär „in Kategorien der Rechtsgewährung, nicht der Rechtsschutzgewährung“ denken; „vor den Verteidigungsmitteln [müssen] die Verteidigungsobjekte anerkannt und inhaltlich ausgestaltet sein.“; „Die Rechtsgewährung muss […] als das logische prius die Rechtsschutzgewährung als die Hilfs- und Folgegestaltung nach Bestand und Inhalt determinieren.“). 593 Picker, AcP 176 (1976), 28, 39 f. („[…] handelt es sich um Normen, die nicht lediglich zum Zweck der Schadensprävention Verhaltensmaßregeln festlegen, sondern die zumindest auch und primär die Zuweisung oder Ausgestaltung von Rechtspositionen zum Inhalt haben.“); vgl. Schiemann, Festschrift Deutsch, S. 895, 901. 594 Henckel, AcP 174 (1974), 97, 114; M. Heinze, S. 31 f., 38; Reinhardt, JZ 1961, 713, 715 f.; Bernhard, S. 83, 102, 103 (Fn. 103: „Körperrechtsverletzung“); Bernhard, S. 102, weist darauf hin, dass ein subjektives Recht nichts anderes sein soll als ein „rechtlich geschütztes Interesse“; zum Schluss auf Ausschließlichkeitsrechte wegen des Bestehens von Handlungsverboten Zech, S. 69 (Fn. 31). Auch das Persönlichkeitsrecht kann ohne weiteres als Recht aufgefasst werden; Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Schutzbereichs ändern daran nichts; auch die fehlende Übertragbarkeit muss nicht bedeuten, dass nur rein negativer Schutz ohne Zuweisung vorliegt, vgl. aber Peukert, Güterzuordnung, S. 868.
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
bewerbsrechtliche Interessen werden je nach Sichtweise teils durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, teils durch das UWG geschützt. Zwar wird dies heftig kritisiert,595 belegt aber dennoch, dass die Trennlinie zwischen absoluten Rechten und bloßen rechtlich geschützten Interessen alles andere als trennscharf verläuft, zumal wenn der aufgeladene Begriff des „subjektiven Rechts“ ausgeblendet bleibt. Der Regelungsstandort scheint austauschbar. c) Stammrechte und Rechtsfolgenrechte
Nach hier vertretener Ansicht schützen letztlich auch Verbote Rechte: Rechte bestimmter Dritter, Rechte des Verbrauchers, Rechte eines Mitbewerbers oder in letzter Konsequenz auch Rechte der Allgemeinheit.596 Ausweislich § 1 UWG dient das Lauterkeitsrecht dem Verbraucherschutz. Es handelt sich um Verbraucherrecht, kurzum: Recht des Verbrauchers. Aus der bloßen Existenz solcher Stammrechte können Schlussfolgerungen bezüglich der Art und Weise der Rechtsdurchsetzung selbstredend nicht gezogen werden. Wer dieses Recht durchsetzen kann, ist – wie dargelegt – eine Frage des Rechtsfolgenrechts.597 Nach dem dieser Arbeit zugrunde liegenden Zweistufenmodell – Rechtszuweisung erstens, Rechtsdurchsetzung zweitens – ist es kein Widerspruch, dass beispielsweise das Recht des Verbrauchers, nicht irregeführt zu werden (§§ 3, 5 UWG), nicht von ihm selbst durchgesetzt werden kann, sondern über § 8 III UWG die Rechtsdurchsetzung an Verbraucherverbände und Mitbewerber delegiert ist. Das Rechtsfolgenrecht – und damit auch die Befugnis zu entscheiden, ob das Verbraucherrecht durchgesetzt wird – steht ihnen zu. Die Erwiderung, es ginge um die Durchsetzung von „Verbraucherinteressen“, nicht von „Verbraucherrechten“, liefert kein Sach-, sondern nur ein Begriffsargument. Ohne die im subjektiven Recht mitgedachte Durchsetzbarkeit598 ist es ohne Weiteres möglich, von einem solchen Recht des Verbrauchers, nicht irregeführt zu wer-
595
Sack, S. 139 ff.; Ohly/Sosnitza, Einf D Rn. 59. Dass subjektive Rechte stets einen individuellen Träger erfordern (nur Wolf/Neuner, § 20 Rn. 12) steht dem nicht entgegen, da sich der Begriff des subjektiven Rechts selbst Kritik ausgesetzt sieht, dazu u. § 9 I 4 und o. § 5 III 1. 597 Dazu o. § 5 II 2. 598 Bereits o. § 5 III 1; s. a. Hoffmann, S. 55 („Allein die Qualifikation einer Rechtsposition als subjektives Recht, als Rechtsgut oder als geschütztes Interesse kann den Umfang des Rechtsschutzes nicht präjudizieren.“); aus der Existenz eines Stammrechts darf auch nicht auf seine Übertragbarkeit geschlossen werden; Übertragbarkeit als Merkmal subjektiver Rechte, Forkel, Anwartschaftsrecht, S. 94, 116; Schönherr, Festschrift Troller, S. 57, 71; Peukert, Güterzuordnung, S. 59 f. (für Ausschließlichkeitsrechte); nicht jedes subjektive Recht ist aber übertragbar, vgl. nur § 29 UrhG; Hoffmann, S. 55; Zech, S. 74 ff., 75, 84; Wolf/ Neuner, § 20 Rn. 10. 596
III. Stammrechte als Anknüpfungspunkte für Rechtsfolgenrechte
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den, zu sprechen.599 Der zur Analyse des Verhältnisses von Rechtzuweisung und Rechtsdurchsetzung benutzte Begriff Stammrecht ist gerade nicht mit den einem subjektiven Recht zugeschriebenen Eigenschaften aufgeladen. § 661a BGB lässt sich im Übrigen als Rechtsfolgenrecht unmittelbar zugunsten des Verbrauchers interpretieren. Der Verbraucher hat einen Erfüllungsanspruch nicht wegen eines § 661a BGB vorausliegenden Vertrags, sondern wegen einer irreführenden, der Sache nach wettbewerbswidrigen Angabe.600 Entsprechend kann von einem Recht des Mitbewerbers gesprochen werden, nicht Opfer unlauterer Werbevergleiche zu werden (§§ 3, 6 UWG) oder von einem Recht des Mitbewerbers vor unlauterer Leistungsübernahme. Ein Recht am Leistungsergebnis oder am Kundenstamm regelt das Lauterkeitsrecht hingegen nicht.601 Gegen ein „Recht auf lauteren Wettbewerb“ ist demgegenüber nichts einzuwenden,602 da ja dadurch die Art und Weise der Rechtsdurchsetzung (Wie?) gerade nicht präjudiziert wird. Entsprechend lässt sich sagen, dass jedermann das Recht hat, nicht sittenwidrig geschädigt zu werden.603 Gleiches lässt sich für § 824 BGB beziehungsweise für die über § 823 II BGB möglichen Fallgestaltungen formulieren. In der Sache wäre es auch schwer zu bestreiten, Diskriminierungsverbote nur als „Rechtsreflexe“ zu beschreiben. Ein Angehöriger einer Minderheit hat gerade das Recht, nicht diskriminiert zu werden. Und schließlich muss man auch dem Arbeitgeber ein Recht zugestehen, dass der Betriebsrat sich politischer Betätigung enthält (vgl. § 74 II S. 2 BetrVG). Dass diese Stammrechte nicht übertragbar sind, macht diese nicht zu „NichtRechten“. Vielmehr löst eine Zuwiderhandlung Schadensersatzansprüche aus. Ob zusätzlich die Rechtsfolge „Bereicherungsherausgabe“ gewährt wird, also ein Anspruch aus § 812 I S. 1, 2. Alt. BGB besteht, ist – wie erläutert – ebenfalls wiederum eine von der Rechtszuweisung zu trennende Frage. Beide Problemkreise dürfen nicht vermengt werden. In diesem Sinne sieht Schmidt zwar keinen strukturellen Unterschied zwischen § 823 I und § 823 II BGB;604 ob aber zugleich eine „Vermögensberechtigung“ vorliegt, ist damit gerade noch nicht ausgemacht.605
599 Vgl. aber Hadding, JZ 1970, 305, 308, der sich gegen ein „Recht auf lauteren Wettbewerb“ ausspricht; wie hier Picker, Festschrift Schilken, S. 85, 100. 600 Vgl. Lorenz, NJW 2000, 3305, 3306, der selbst einen Fall objektiver Rechtsscheinhaftung sieht, a. a. O., 3310. 601 Vgl. Köhler/Bornkamm, § 4 Rn. 3.4 und § 4 Rn. 4.24. 602 Vgl. Fikentscher, Wettbewerb, S. 210 („es [wäre] unrichtig, ein subjektives Recht an der Wettbewerbsfreiheit grundsätzlich zu verneinen“). 603 Vgl. Picker, Festschrift Schilken, S. 85, 100; Hoffmann, S. 39. 604 Schmidt, Aktionsberechtigung, S. 37 ff. 605 Schmidt, Aktionsberechtigung, S. 41, 75 ff.; wie bereits erwähnt, ist auch die „Stufenleiter der Güterzuordnung“ nach Zech hilfreich, um zu bestimmen, welche Rechtsfolgen zur Rechtsverwirklichung heranzuziehen sind.
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
Die dogmatische Unterscheidung zwischen „subjektiven Rechten“ und „der Aufstellung von Verhaltenspflichten“ darf jedenfalls nicht überbewertet werden.606 So sieht etwa Zech, dass der Übergang von reinen Handlungsverboten über Abwehrrechte hin zu Ausschließlichkeitsrechten fließend ist.607 Mit Blick auf das Urheberrecht spricht er ausdrücklich von einem nur „graduellen Unterschied“ zu einzelnen Handlungsverboten.608 Seine Stufenleiter der Güterzuordnung609 wird dadurch freilich nicht obsolet, als dass sie Hinweise gibt, ob die Rechtsfolge aus § 812 I S. 1, 2. Alt. BGB tendenziell greift oder nicht. Gleiches gilt für die von Peukert betonte Unterscheidung zwischen der deliktsrechtlichen Haftung, die nur einen negativ abwehrenden Charakter hat, und der Zuweisung positiver Freiheit vermittels Ausschließlichkeitsrechten.610 Diese Überlegungen können dabei helfen, festzustellen, ob Ansprüche aus der Eingriffskondiktion oder auch die dreifache Schadensberechnung zur Verfügung stehen. Gerade auch mit Blick auf „gesetzliche Verhaltenspflichten“ ändert dies allerdings nichts an der Sinnhaftigkeit der hier vertretenen analytischen Trennung zwischen der Rechtszuweisung (und deren Schutzbereich in Form des Umfangs des konkreten Verbots) sowie der Herausarbeitung einschlägiger Rechtsfolgen. Wird im Sinne der herrschenden Meinung von subjektiven Rechten gesprochen, spricht umgekehrt zwar einiges dafür, dass der Berechtigte zugleich zur Rechtsverwirklichung berufen ist. Doch selbst die einvernehmliche Bezeichnung eines Rechts als „subjektives Recht“ entlastet an anderer Stelle gerade nicht davon, die Rechtsdurchsetzung selbständig zu betrachten. Aus dem Begriff selbst können keine zuverlässigen Schlüsse gezogen werden.611 Nicht jedes Recht, das als subjektives Recht firmiert, kann (1) in jeder Situation und (2) zudem vom Berechtigten selbst durchgesetzt werden. Erinnert sei beispielsweise an Naturalobligationen,612 „Schranken“ von Ausschließlichkeitsrechten wie § 904 S. 1 BGB, Verfügungsbeschränkungen in der Insolvenz gemäß § 80 InsO oder auch §§ 54, 54h I UrhG, welche die Verwirklichung des Urheberrechts mittels Vergütungsansprüchen ausschließlich in die Hände von Verwertungsgesellschaften legen. Der Urheber hat zweifelsohne ein subjektives Recht; ob er aber Vergütungsansprüche selbst durchsetzen kann, ist damit nicht gesagt. Wird argumentiert, dass in diesem Fall das Ausschließlichkeitsrecht zu einem Vergütungsrecht geschrumpft sei, wird sich der hier gewonnenen analytischen 606
Köhler/Bornkamm, § 4 Rn. 3.4. Zech, S. 78 ff.; 85 ff., 159; ebenso Köhler/Bornkamm, § 4 Rn. 3.4. 608 Zech, S. 81 f.; zur „Schrittmacherfunktion“ des Lauterkeitsrechts bei der Schaffung neuer subjektiver Rechte Ulmer, S. 40; vgl. dazu auch Zech, S. 161 f. 609 Zech, S. 85 ff. 610 Peukert, Güterzuordnung, S. 856 ff., 872, 880 ff., 884 ff. 611 Zur Kritik am Begriff des subjektiven Rechts u. § 9 I 4. 612 Vgl. Bucher, S. 184 ff. 607
III. Stammrechte als Anknüpfungspunkte für Rechtsfolgenrechte
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Klarheit beraubt (o. § 5 I 1 c)). Während rechtsgeschäftlich begründete Forderungen ebenfalls subjektive Rechte sind, steht dem Gläubiger die Eingriffskondiktion dessen ungeachtet gerade nicht zur Verfügung.613 Auch ob umgekehrt beispielsweise der lauterkeitsrechtliche Unterlassungsanspruch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten temporär nicht gewährt wird, muss – beispielsweise im Falle einer Irreführung von Verbrauchern – mit Blick auf das rechtlich geschützte Verbraucherinteresse beurteilt werden und ergibt sich nicht aus dem Vorliegen/Nichtvorliegen subjektiver Rechte. Die Problematik kann erst dann vollumfänglich analysiert werden, wenn sie als Zusammenspiel von (punktueller) Rechtszuweisung und Rechtsdurchsetzung erfasst wird. Warum aber dann nicht von Rechten des Verbrauchers und entsprechenden Rechtsfolgenrechten beziehungsweise Ansprüchen gesprochen werden darf, leuchtet nicht ein.614 Gleiches gilt, wenn begründet werden soll, warum bei bestimmten unlauteren geschäftlichen Handlungen (z. B. im Zusammenhang mit dem Schutz des guten Rufs gegen Herabsetzung oder bei bestimmten Behinderungen gemäß § 4 Nr. 4 UWG) entgegen § 8 III Nr. 3 UWG Verbände nicht klagebefugt sein sollen.615 Die Begründung liegt der Sache nach im verletzten Stammrecht – beispielsweise dem Recht, nicht auf eine bestimmte Art und Weise behindert zu werden. Darauf abzustellen, dass der Wettbewerbsverstoß bisweilen „ausschließlich die individuellen Interessen eines bestimmten Mitbewerbers und nicht zugleich die eines anderen Marktteilnehmers oder der Allgemeinheit verletzt“,616 begründet keinen sachlichen Unterschied zum hier vertretenen „Rechte-Ansatz“, sondern ist nur sprachlicher Natur. Dass schließlich der ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz zeitlich begrenzt ist,617 ist keine Frage des Bestehens von Unterlassungsansprüchen, sondern eine Begrenzung des Leistungsschutzes selbst. Es handelt sich um eine Frage der ersten Stufe, der Rechtszuweisung. Formulierungen wie „es handelt sich dabei aber nicht um eine Frage der Begrenzung des Unterlassungsanspruchs, vielmehr entsteht der Unterlassungsanspruch von vorneherein nur befristet“618 sehen das Problem, gehen aber am Kern vorbei. Der Begriff des subjektiven Rechts liefert in keinem der referierten Beispiele Argumentationshilfen.
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BGH NJW 2013, 781 Rn. 22 ff. Dazu o. § 5 III 5 a). 615 Übersicht bei Köhler/Feddersen/Bornkamm, § 8 Rn. 3.6; Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 88. 616 Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 88; Köhler/Feddersen/Bornkamm, § 8 Rn. 3.5a. 617 BGHZ 161, 204 = GRUR 2005, 349, 352 – Klemmbausteine III; BGH GRUR 1984, 453, 454 – Hemdblusenkleid. 618 Köhler, GRUR 1996, 82, 89; vgl. Ohly/Sosnitza, § 4.3 Rn. 3/81 („Grundsätzlich sind lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche einer Befristung nicht zugänglich, solange der wettbewerbswidrige Zustand mit seinen materiell-rechtlichen Voraussetzungen einschließlich der Wiederholungsgefahr anhält.“). „Befristet“ ist die Rechtsposition; der Durchsetzungsmechanismus wird obsolet, wenn das Stammrecht wegfällt. 614
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
Die Bezeichnung als „Recht“ ist dabei keineswegs überflüssig. Auch wenn v. Tuhr mahnt, dass das Wort „Recht“ als solches keine feste Bedeutung hat,619 wurde die maßgebliche Bedeutung der Rechtszuweisung in anderem Zusammenhang bereits betont. Der Umfang des Schutzbereichs beziehungsweise die Reichweite der Rechtsposition wird durch das Stammrecht festgelegt. Das Stammrecht besorgt nur die Inhaltsbestimmung der Rechtsposition. Dies gilt auch für aus gesetzlichen Verhaltenspflichten abgeleitete Stammrechte: Liegt eine Irreführung vor, wenn bestimmte Inhaltsstoffe verschwiegen werden? Was sind die Grenzen vergleichender Werbung? Unter welchen Umständen ist eine Belästigung unzulässig? Man kommt nicht umhin, die Reichweite des Verbots (nicht zu verwechseln mit seiner Durchsetzungsmöglichkeit) zu definieren. Auch die herrschende Meinung kommt nicht daran vorbei, die Reichweite des „rechtlich geschützten Interesses“ zu spezifizieren. Verwendet man dafür spiegelbildlich den Begriff des Rechts in einer Weise, ohne Übertragbarkeit, Verzichtbarkeit und Durchsetzbarkeit mitzudenken, führt dies gerade nicht dazu, dass der Begriff des Stammrechts „pulverisiert“ wird. Es wird nur unterstrichen, dass die Reichweite von (bisweilen nur punktuellen) Rechtspositionen und deren Durchsetzung analytisch scharf auseinanderzuhalten sind. Gerade auch wenn es um „private enforcement“ über §§ 3, 3a UWG geht, kann das hier vertretene Modell verdeutlichen, dass diese Normen analytisch wie § 823 II BGB letztlich als Regelungen zur Rechtsdurchsetzung zu begreifen sind.620 Beide Problemkreise müssen in der Sache ausdrücklich diskutiert werden. Selbst wenn man von (subjektiven) Rechten nur dort ausgeht, wo es sich um eine mit Individualansprüchen durchsetzbare Rechtsposition handelt, wird eben dieser Schritt übergangen. Dass ein Stammrecht mal breiter, mal enger sein kann, ist dabei kein Einwand. Es begründet keinen strukturellen Unterschied, dass bei Ausschließlichkeitsrechten im Ergebnis eine Vielzahl von Verboten für Dritte folgt, während über § 826 BGB nur eine einzelne Handlung untersagt ist. Die in der Tat gewöhnungsbedürftige Annahme, dass auch im Lauterkeitsrecht Stammrechte (nicht aber subjektive Rechte!) von Rechtsfolgenrechten zu trennen sind, ist damit nur vordergründig der Kritik ausgesetzt. Im Gegenteil: Sie erleichtert die transparente Analyse.
6. Ergebnis Dem deutschen Privatrecht liegen zwei Kategorien von Rechten zugrunde: Stammrechte und Rechtsfolgenrechte. Rechtsfolgenrechte haben die Aufgabe, die Art und Weise der Rechtsverwirklichung zu regeln (dazu o. § 5 II 2). Voraus619
v. Tuhr, § 1 I, S. 53. gegenüber einer lauterkeitsrechtlichen Verfolgung von Normverstößen außerhalb des UWG Ohly, Festschrift Köhler, S. 506, 507 ff.; grundlegend zur Normdurchsetzung durch Privatrecht Poelzig, S. 397 ff. 620 Skeptisch
IV. Rechtsfolgendifferenzierung de lege lata
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gelagerte Stammrechte bestimmen hingegen den Umfang beziehungsweise den Schutzbereich des Rechts. Auch sie haben damit eine eigenständige Funktion. Sämtliche „Rechte“ lassen sich einer der beiden Kategorien zuordnen. Die analytische Trennung darf dabei nicht dadurch wieder aufgehoben werden, dass in den Begriff des Stammrechts bestimmte Dispositions- oder Durchsetzungsbefugnisse hineingelesen werden. Auf den ersten Blick spiegelt sich die Trennung von Stammrecht und Rechtsfolgenrecht in der Gesetzessystematik nicht immer wider. Daher kann bisweilen erst eine genauere Analyse des Rechts zu einer einwandfreien Einordnung führen. Es wurde gesehen, dass namentlich die Eingriffskondiktion der Natur nach ebenso wie der Anspruch aus § 280 I BGB oder § 823 I BGB ein Rechtsfolgenrecht ist. Auch § 661a BGB lässt sich als ein solches interpretieren. Die Leistungskondiktion, aber auch §§ 677 ff. BGB begründen hingegen Stammrechte. Nur Rechtsfolgenrechte können unmittelbar eingeklagt werden.
IV. Rechtsfolgendifferenzierung de lege lata Will ein Berechtigter sein Recht durchsetzen, steht ihm grundsätzlich ein ganzes Bündel an Abhilfemöglichkeiten zur Verfügung: Er kann Schadensersatz oder Entschädigung verlangen, Gewinne beziehungsweise zumindest eine Bereicherung abschöpfen, Beseitigung, Vernichtung, Unterlassen etc. fordern. Regelmäßig ist eine Rechtsstellung umfassend gesichert. Die Diskussion um die Reichweite von Rechtsfolgen wird meist davon bestimmt, inwieweit der Schutz möglichst effektiv ist. Im Recht des Geistigen Eigentums soll explizit ein hohes Schutzniveau gelten.621 Ein genauerer Blick offenbart jedoch, dass die Rechtsordnung für die Besonderheiten des konkreten Falls durchaus sensibilisiert ist. Ohne dies freilich ausdrücklich auszusprechen, wird nicht selten sehr wohl zwischen verschiedenen Rechtsfolgen differenziert. Die Rechtsverwirklichung erscheint begrenzt. Der erste Eindruck, dass im Falle einer Rechtsverletzung dem Gläubiger stets das gesamte Rechtsfolgenarsenal zur Verfügung steht, trügt. Der Berechtigte muss sich stattdessen in manchen Fällen mit aus seiner Sicht weniger günstigen Rechtsfolgen beziehungsweise Durchsetzungsmechanismen begnügen. Sein Stammrecht wird ihm dennoch nicht abgesprochen. Nicht das Recht wird in Frage gestellt, sondern nur bestimmte Rechtsfolgen werden ausgeschlossen. Oder positiv formuliert: Das Stammrecht wird situationsabhängig namentlich nicht durch einen Unterlassungsanspruch, sondern durch ausgewählte Alternativrechtsfolgen wie etwa Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche verwirklicht. Im Folgenden wird nachgewiesen, dass 621 Vgl. EuGH Urt. v. 27. 3. 2014, C-314/12 Rn. 31, 33 – UPC Telekabel/Constantin Film = ECLI:EU:C:2014:192 = GRUR 2014, 468 zu Sperrverfügungen mit Blick u. a. auf Erwägungsgrund 9 der InfoSco-RL; vgl. auch o. § 2 III.
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
bestimmte Ansprüche im geltenden Recht vielfach versperrt sind – und dies, obwohl dem Stammrecht zuwidergehandelt wird. Differenzierte Rechtsdurchsetzung als Kennzeichen eines Rechtsbehelfssystems lässt sich dabei auf Basis des geltenden Rechts nicht nur im Hinblick auf die in dieser Arbeit besonders interessierende Rechtsfolge Unterlassen nachweisen. Selbstredend können hier nicht sämtliche Rechte analysiert werden. Vollständigkeit ist nicht beabsichtigt. Der folgende Abschnitt soll die Problematik vielmehr exemplarisch aufzeigen. Um dennoch sicherzustellen, dass die besprochenen Fälle repräsentativ sind, wird nicht nur die Durchsetzung vertraglicher und absoluter Rechte sowie gesetzlicher Verhaltenspflichten angeschaut, sondern es werden auch unterschiedliche Rechtsgebiete einbezogen. Nach der Durchsetzung vertraglicher Primär- und Sekundärrechte wird die Diskussion um die „Klagbarkeit“ unselbständiger vertraglicher Nebenpflichten als Anwendungsfall differenzierter Rechtsdurchsetzung eingeordnet (1.). Ausschließlichkeitsrechte werden quer durch alle Rechtsgebiete ebenfalls differenziert durchgesetzt: Teils finden sich Gewinnherausgabeansprüche, während in anderen Fällen statt Schadensersatz nur eine Vergütung oder Entschädigung geschuldet ist. Vor allem aber werden Ausschließlichkeitsrechte eben nicht immer mit Unterlassungsansprüchen verwirklicht. Es zeigt sich, dass der punktuelle Ausschluss des Unterlassungsanspruchs selbst bei Ausschließlichkeitsrechten durchaus systemimmanent ist (2.). Das gleiche Bild findet sich bei Mitbestimmungsrechten beziehungsweise Zuständigkeitsregelungen (3.). Schließlich wird auch bei gesetzlichen Verboten differenziert (4.). Zur Klarstellung sei angemerkt, dass es hier nicht um Konstellationen geht, in denen schon gar keine Rechtsverletzung oder allgemeiner keine mit dem Stammrecht in Widerspruch stehende Rechtslage vorliegt.622 Wo kein Eingriff in ein Recht ersichtlich ist, wo dessen Schutzbereich nicht tangiert wird oder ein Recht schon gar nicht besteht, ist naturgemäß kein Raum für die Frage nach einer Sanktion beziehungsweise einem Rechtsverwirklichungsmechanismus.623 Nicht hierher gehört auch die in Teilgebieten anzutreffende praktische Schwäche einzelner Rechtsfolgen wie des Anspruchs auf Gewinnherausgabe624 oder des Unterlassungsanspruchs. Das Recht auf körperliche Integrität wird in der Rechtspraxis deshalb regelmäßig nur über den Schadensersatzanspruch sanktioniert, weil sich der Täter, hat er einmal den Entschluss zum Zuschlagen gefasst und mit seiner Ausführung begonnen, von dem in diesem Moment entstehenden Unterlassungsanspruch wohl kaum beeindrucken lässt.625 622 Vgl. Barker, 57 C. L. J. (1998), 301, 319, der von “primary injustices” spricht (“Remedies constitute the law’s response to [primary injustices] and describe a secondary level of entitlement, substituted by the law for the first.”). 623 Vgl. auch Neufang, S. 292. 624 Vgl. nur Medicus, JZ 2006, 805, 810. 625 Dazu auch u. § 8 IV 2 a) („Unterprävention“).
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1. Rechtsfolgendifferenzierung im Vertragsrecht Im Rahmen des Vertragsrechts wird die Rechtsfolge Erfüllung in Natur nicht ausnahmslos gewährt. Der Gläubiger wird bisweilen an ihrer statt beispielsweise auf einen Schadensersatzanspruch verwiesen (a)). Aber auch Sekundäransprüche stehen nicht immer in vollem Umfang zur Verfügung. Die Herausgabe einer Bereicherung infolge einer Vertragsverletzung ist nach überwiegender Ansicht ausgeschlossen. Gewinnherausgabe wird nur unter bestimmten Voraussetzungen gewährt und selbst beim Schadensersatzanspruch finden sich Verhältnismäßigkeitsüberlegungen (b)). Unselbständige vertragliche Nebenpflichten, also Pflichten, die vertraglichen Leistungspflichten zu dienen bestimmt sind, können regelmäßig nur über den Schadensersatzanspruch, nicht aber durch einen Erfüllungs- oder Unterlassungsanspruch durchgesetzt werden. Dies wird durch das Schlagwort fehlender „Klagbarkeit“ dieser dienenden Ansprüche verschleiert. In der Sache geht es hierbei um Rechtsfolgendifferenzierung (c)). a) Vertraglicher Erfüllungsanspruch
Der im deutschen Vertragsrecht – gerade im Kontrast zum anglo-amerikanischen „remedy-System“ – selbstverständliche Naturalerfüllungsanspruch626 ist so selbstverständlich nicht. Zumindest gibt es davon eine Reihe von Ausnahmen.627 Während im anglo-amerikanischen Rechtskreis die Problematik konzentriert am remedy „specific performance“ abgehandelt wird, ist die Differenzierung bei der Rechtsfolge Erfüllung in Deutschland versteckter.628 Neufang spricht von einem „groß[en] Mosaik“.629 Erst durch die Sichtung von „dessen Einzelteile[n]“ ergebe sich ein Gesamtbild, welches aber eben zeige, dass der „Erfüllungszwang“ durchaus gewichtigen Modifikationen unterliegt.630 An erster Stelle ist in diesem Zusammenhang § 275 II BGB zu nennen.631 Der dieser Norm bescheinigte Ausnahmecharakter632 ändert nichts daran, 626
Vgl. bereits Rabel, S. 375. Neufang, S. 273 ff.; Müller-Chen, S. 23, 38 f.; vgl. Neitzel, 22 H. L. R. (1909), 161 ff. 628 Neufang, S. 273. 629 Neufang, S. 273; allgemein mahnt Zöllner, AcP 190 (1990), 471, 483, dass die „wahre Gestalt der materiellen Rechte“ erst durch die Zusammenschau von materiellem Recht und Verfahrensrecht abschließend beschrieben werden kann. 630 Vgl. Neufang, S. 273 f. 631 Dazu aus der Perspektive von Verhältnismäßigkeit im Schuldrecht Stürner, S. 167 ff., 186 ff., 335 f., 405. Er versteht § 275 II BGB als Leistungsverweigerungsrecht wegen übermäßiger Leistungserschwerung infolge einer Abwägung der Umstände, a. a. O., S. 188; kritisch Lobinger, Grenzen, S. 127 f. 632 BGH NJW 2009, 1660 Rn. 18; Bamberger/Roth/Unberath, § 275 Rn. 52; gegen ein zu enges Verständnis aber Looschelders, Zehn Jahre Schuldrechtsmodernisierung, 213, 222; ders., JuS 2010, 849, 850 f. 627
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dass Folgendes gilt: Steht der Erfüllungsaufwand des Schuldners zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers in einem groben Missverhältnis, kann der Schuldner die Erfüllung der Leistung verweigern.633 Der Naturalerfüllungsanspruch ist ausgeschlossen. Umsonst war der Vertragsschluss dennoch nicht. Er dient als Anknüpfungspunkt für Schadensersatzansprüche des Gläubigers,634 gegebenenfalls sogar einer „Gewinnherausgabe“ über § 285 BGB.635 Ausdrücklich verweist § 275 IV BGB auf §§ 280, 283 ff., 311a BGB. Auf diese Weise kann das Vertragsrecht – unter der Voraussetzung des, freilich vermuteten, „Vertretenmüssens“ (§ 280 I S. 2 BGB) – doch noch verwirklicht werden.636 Entsprechend wird kommentiert, dass für die Frage, ob ein „grobes Missverhältnis“ vorliegt, zu berücksichtigen ist, inwieweit das Leistungsinteresse „durch andere Rechtsbehelfe“ tatsächlich befriedigt werden kann.637 Im Anwendungsbereich des § 275 II BGB ist damit etwa einzustellen, dass auch eine „Geldersatzleistung“ dem Gläubigerinteresse gerecht werden kann, zumal wenn dieses wirtschaftlicher Natur ist.638 Ausdrücklich hat der Bundesgerichtshof die Anwendung von § 275 II BGB mit der Überlegung abgesichert, dass „das Interesse des Klägers […] durch seine sonstigen Rechte auf Rücktritt vom Kaufvertrag oder Minderung des Kaufpreises […] ausreichend gewahrt [war]“.639 Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass es im Falle fehlenden Verschuldens konsequent wäre, zumindest eine Entschädigung (nach dem Vorbild von § 251 II S. 1 BGB) anzuordnen.640 Der Ausschluss des Erfüllungsanspruchs über § 275 II BGB und dessen Substituierung durch einen Schadensersatzanspruch nach § 275 IV BGB i. V. m. §§ 280 I, III, 283 BGB beziehungsweise § 311a BGB ist auch bei „vertraglichen Unterlassungsansprüchen“ denkbar.641 In § 275 III BGB findet sich ferner eine vergleichbare Regelung für persönlich zu erbringende Leistungen. 633
Zu den Tatbestandsmerkmalen im Detail Canaris, JZ 2001, 499, 501 ff. „Dualistisches System“, Canaris, JZ 2004, 214, 224; s. a. Bamberger/Roth/Unberath, § 275 Rn. 62. 635 Näher dazu u. § 5 IV 1 b). 636 Über den Schadensersatzanspruch wird das Erfüllungsinteresse verwirklicht. So Keuk, S. 112: „Naturalleistung und Leistung des notwendigen Geldäquivalents stellen sich dar als zwei Formen der Verwirklichung des vertraglichen Rechts des Gläubigers“; U. Huber, Festschrift Schlechtriem, S. 521, 565; für Begrenzung des Schadensersatzanspruchs Stürner, S. 422 f. 637 Bamberger/Roth/Unberath, § 275 Rn. 56. 638 Staudinger/Caspers, § 275 Rn. 94. 639 BGHZ 163, 234 Rn. 28 = NJW 2005, 2852; in beiden Fällen wird aber gerade das vertragliche Erfüllungsinteresse nicht bedient; dies ist nur bei einem Ausgleich in Geld über den Schadensersatzanspruch oder zumindest einen Entschädigungsanspruch gewährleistet. 640 Lobinger, Grenzen, S. 61 f.; vgl. Gsell, LMK 2008, 266937; s. a. u. § 11 III 2 a). 641 Zur Unmöglichkeit von Unterlassungspflichten Palandt/Grüneberg, § 275 Rn. 15; Bamberger/Roth/Unberath, § 275 Rn. 38; Fritzsche, S. 373 ff.; zur Gewinn- bzw. Bereicherungsherausgabe in diesen Fällen sogleich u. § 5 IV 1 b). 634
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Die Erfüllung in Natur kann in einem solchen Fall verweigert werden, wenn sie dem Schuldner unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann. Die Vertragsverwirklichung ist dennoch gewährleistet, wenn der Schuldner Schadensersatz zu leisten hat, sollte er von seinem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch machen. Der Schadensersatzanspruch scheitert dabei nicht zwangsläufig an fehlendem Verschulden.642 Nicht selten wird ein Übernahme-, Vorsorge- oder Abwendungsverschulden vorliegen.643 Verweigert beispielsweise eine Sängerin mit Recht nach § 275 III BGB ihre Dienste, um ihr schwer krankes Kind zu pflegen, kann ein Verschulden darin liegen, dass – kränkelte das Kind schon länger und war mit einer eine Aufsicht erfordernden Verschlechterung zu rechnen – die Sängerin nicht für eine Pflegekraft gesorgt hat, während sie zugleich eine Dienstleistung versprochen hat beziehungsweise um ihre Verpflichtung wissen musste.644 Verschuldensunabhängig tritt zudem die Rechtsfolge des § 285 BGB an die Stelle der Primärleistungspflicht.645 Dass es in § 275 BGB um Rechtsfolgendifferenzierung geht, zeigt sich schließlich auch daran, dass gerade an dieser Norm kritisiert wird, dass sie den Erfüllungsanspruch zu einem “remedy” degradiere.646 Unabhängig davon, ob man weitere Fälle wirtschaftlicher Unmöglichkeit in § 275 II BGB oder § 313 BGB verorten will,647 kann nach allen Ansichten im Ergebnis der Naturalerfüllungsanspruch auch dann entfallen, wenn eine „übermäßige Leistungserschwerung“ vorliegt. Auch § 313 BGB kann besorgen,648 dass der Primäranspruch durch einen Sekundäranspruch, etwa in Gestalt eines „Ausgleichsanspruchs“, ersetzt wird.649 Materiellrechtlich ist zudem denkbar, dass der Erfüllungsanspruch privatautonom ausgeschlossen wird, während 642 Eine Absenkung der Zumutbarkeitsschwelle ist möglich, wenn zugleich Schadensersatzansprüche bestehen, vgl. in diese Richtung PWW/Schmidt-Kessel, § 275 Rn. 30. 643 Vgl. Staudinger/Caspers, § 275 Rn. 111; § 276 Rn. 18 f.; auch PWW/Schmidt-Kessel, § 275 Rn. 30 f. 644 Staudinger/Caspers, § 276 Rn. 19. 645 Hier ist vieles umstritten. Dazu auch u. § 5 IV 1 b). 646 Stoll, JZ 2001, 589, 590, sieht in § 275 BGB, der nicht auf ein Verschulden abstellt, eine nicht zu billigende Anlehnung an “remedies” im anglo-amerikanischen Rechtskreis und eine Aushöhlung des Grundsatzes „pacta sunt servanda“, a. a. O., 592; vgl. aber Zimmer, NJW 2002, 1, 2; Weller, S. 435, bestreitet, dass der Grundsatz der Vertragstreue aufgeweicht wird. 647 Nach der h. M. sollen übermäßige Leistungserschwerungen und Äquivalenzstörungen über § 313 BGB gelöst werden, Palandt/Grüneberg, § 275 Rn. 21, 26, 29; § 313 Rn. 25 ff.; Bamberger/Roth/Unberath, § 275 Rn. 33, 52 f.; § 313 Rn. 34 ff.; Canaris, JZ 2001, 499, 501 f.; a. A. Zimmer, NJW 2002, 1, 3 f.; vgl. auch PWW/Schmidt-Kessel, § 275 Rn. 18 f. 648 Zu § 313 BGB unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten Stürner, S. 254 ff. 649 Bamberger/Roth/Unberath, § 313 Rn. 89; Palandt/Grüneberg, § 313 Rn. 40; Beispiel aus der Rechtsprechung für einen Ausgleichsanspruch vgl. BGH NJW 1962, 29, 30; für eine Substituierung der Primärleistungspflicht durch eine Ersatzpflicht für einen Teil des entgangenen Gewinns OLG Frankfurt MDR 1974, 401; zum alten Recht vgl. Neufang, S. 306 f.
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zugleich ein Anspruch auf Schadensersatz für den Fall der Nichtleistung bestehen bleibt.650 Ein weiteres hier interessierendes Beispiel bietet ein vom Europäischen Gerichtshof entschiedener Fall. Nach dem EuGH soll der Anspruch auf Nacherfüllung651 gemäß § 439 I BGB die Ein- und Ausbaukosten umfassen.652 Im Falle unverhältnismäßig hoher Kosten soll Art. 3 III der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (RL 1999/44/EG) aber nicht ausschließen, dass „der Anspruch des Verbrauchers auf Erstattung der Kosten für den Ausbau des vertragswidrigen Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts, falls erforderlich, auf einen Betrag beschränkt wird, der dem Wert, den das Verbrauchsgut hätte, wenn es vertragsgemäß wäre, und der Bedeutung der Vertragswidrigkeit angemessen ist.“653 Der Erfüllungsanspruch im Kleide des Nacherfüllungsanspruchs kann damit in dieser Konstellation in der Sache durch den Verkäufer – statt durch einen vollständigen Ausschluss des Anspruchs – durch eine Entschädigungszahlung abgewendet werden.654 Zur Veranschaulichung des Phänomens Rechtsfolgendifferenzierung im Vertragsrecht kann weiter die Diskussion um die Rechtsnatur der Vorfälligkeitsentschädigung (§ 502 BGB) herangezogen werden.655 Während die einen den Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung als „modifizierten Erfüllungsanspruch“ deuten,656 sehen andere darin einen Anspruch auf Schadensersatz.657 In der Tat wird der Anspruch nicht mehr in Natur erfüllt. Statt über den vereinbarten Zeitraum Zinsen zu zahlen und die Darlehensvaluta zum vereinbarten Termin zurückzuzahlen, kann der Darlehensnehmer sogleich den gesamten Betrag zurückgewähren. Das Interesse des Darlehensgebers an der Vertragsdurchführung bleibt aber gewahrt, da er – verschuldensunabhängig – zu kompensieren ist (§ 502 I S. 1 BGB). Als letztes Beispiel zur Rechtsfolgendifferenzierung im materiellen Recht sei § 627 BGB angeführt. Verspricht jemand Dienste höherer Art, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen werden, kann sich der Verpflichtete der aus 650
Neufang, S. 325 f.; zu Rechtsfolgenvereinbarungen o. § 5 III 3. ist, ob es sich um ein Primärrecht handelt, vgl. Weller, S. 455 ff., 457; so Unberath/Cziupka, JZ 2009, 313. 652 EuGH Urt. v. 16. 6. 2011, C-65/09, C-87/09 Rn. 40 ff. – Gebr. Weber/Putz = ECLI:EU:C:2011:396 = NJW 2011, 2269; BGHZ 192, 148 Rn. 14 ff., 25 = NJW 2012, 1073; sehr kritisch zu „Mehrleistungspflichten“ (auch über § 275 II BGB) Picker, Zehn Jahre Schuldrechtsmodernisierung, S. 1 ff.; ders., JZ 2003, 1035 ff.; auch Lobinger, GPR 2008, 262, 263 ff. 653 EuGH Urt. v. 16. 6. 2011, C-65/09, C-87/09 Rn. 74, 76 – Gebr. Weber/Putz = ECLI:EU:C:2011:396 = NJW 2011, 2269; vgl. auch Lorenz, NJW 2011, 2241. 654 BGHZ 192, 148 Rn. 33, 35 = NJW 2012, 1073; Harke, Zehn Jahre Schuldrechtsmodernisierung, S. 237, 257. 655 Zum ganzen Röder, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 359 ff. 656 Vgl. BGHZ 136, 161 = NJW 1997, 2875, 2876; kritisch Bamberger/Roth/Rohe, § 490 Rn. 19. 657 Jauernig/Berger, § 502 Rn. 2; MünchKomm/Schürnbrand, § 502 Rn. 8. 651 Umstritten
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dem Dienstvertrag folgenden Rechtsfolge Erfüllung dadurch entziehen, dass er kündigt (vgl. § 627 BGB). Eine solche Kündigung ist, selbst wenn sie zur Unzeit erfolgt, wirksam.658 In diesem Fall kann der Anspruch auf Erfüllung aber nur durch einen Anspruch auf Schadensersatz abgelöst werden (§ 627 II S. 2 BGB).659 Bezieht man das Prozess- und Vollstreckungsrecht in die Betrachtung ein, ergeben sich weitere Fälle, in denen der Naturalerfüllungsanspruch im Ergebnis nicht uneingeschränkt zur Verfügung steht, während zugleich andere Rechtsfolgen greifen.660 Zumindest faktisch kommt die Regelung des § 888 III ZPO einem Ausschluss des Erfüllungsanspruchs gleich.661 Selbst wenn eine Verurteilung zur Leistung von Diensten erfolgt ist, kann das Urteil wegen dieser Norm nicht vollstreckt werden. Der Schadensersatzanspruch, über den das Erfüllungsinteresse hilfsweise bedient werden kann, bleibt davon unberührt.662 Verweigert der Schuldner die vereinbarte Mitwirkung an einer Scheidung aus religiösen Gründen, kann der versprochene Dienst nicht vollstreckbar sein; auch in diesem Beispiel bleibt die Schadensersatzpflicht davon unberührt.663 Erfüllungsdruck kann aber über die Vereinbarung von Vertragsstrafen erzielt werden.664 § 765a ZPO kann ebenfalls bewirken, dass Erfüllung nicht erzwungen werden kann, während Schadensersatz an seiner Stelle geschuldet ist.665 Würde beispielsweise die aus § 433 I S. 1 BGB folgende Pflicht zur Übergabe bedeuten, dass die nach Vertragsschluss schwer erkrankte und nunmehr körperbehinderte Verkäuferin ihr im Verkaufsobjekt noch mögliches selbständiges Leben aufgeben müsste und von ihren Kindern getrennt würde, kann über § 765a ZPO die kaufvertragliche Übergabepflicht nicht vollstreckt werden.666 Nur exkursmäßig sei angemerkt, dass auch bei gesetzlichen Schuldverhältnissen ein Naturalerfüllungsanspruch nicht immer besteht.667 So weist U. Huber darauf hin, dass im Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag der Geschäftsführer keinen Anspruch auf Durchführung des Geschäfts habe. Verletzt der Geschäftsführer eine Pflicht aus der freiwillig übernommenen Ge658 Palandt/Weidenkaff,
§ 627 Rn. 7. § 627 Rn. 7; vgl. auch Neufang, S. 307 f.; vgl. ähnl. § 671 BGB. 660 Neufang, S. 278 ff.; vgl. auch Nehlsen-von Stryk, AcP 193 (1993), 529 f. 661 Anders Weller, S. 422 ff., der meint, dass Titel praktisch befolgt würden und der Vollstreckungsausschluss daher in der Rechtspraxis nur untergeordnete Bedeutung habe. Allerdings werden auch im „remedy-System“ Verträge erfüllt, um der drohenden Schadensersatzpflicht zu entgehen. Vollstreckungsausschluss in Natur bedeutet gerade nicht, dass der Vertrag als solcher nicht wirksam ist und durchzuführen ist. 662 Vgl. Neufang, S. 285. 663 OLG Köln MDR 1973, 768. 664 BAG NZA 2004, 727. 665 Vgl. auch § 888a ZPO; § 62 II ArbGG. 666 Beispiel in Anlehnung an einen Fall aus dem englischen Recht (Patel v. Ali [1984] 1 Ch. 283) von Neufang, S. 288 f.; weitere Beispiele Zöllner, AcP 190 (1990), 471, 479 f. 667 Vgl. Riehm, S. 34 f. 659 Palandt/Weidenkaff,
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schäftsführung, haftet er dennoch auf Schadensersatz, wenn er das Geschäft nicht so führt, wie er es mit Blick auf das Interesse des Geschäftsherrn und dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen zu führen verpflichtet war.668 Auch ein Anspruch auf Schadensersatz ist gemäß § 249 I BGB auf Naturalerfüllung gerichtet. Der Gläubiger hat aber gemäß § 249 II S. 1 BGB für die Beseitigung von Körper- und Sachschäden ein Wahlrecht, ob er stattdessen die Kosten der Naturalrestitution durch Dritte verlangt.669 Der Anspruch auf das primär Geschuldete wird auch in diesem Beispiel – freilich aus guten Gründen670 – nicht zwingend in Natur durchgesetzt. b) Sekundäre Rechte (Schadensersatz, Gewinnherausgabe, Bereicherungsherausgabe)
Beispiele differenzierter Rechtsdurchsetzung finden sich auch bei vertraglichen Sekundäransprüchen. Obwohl beispielsweise eine Rechtsverletzung vorliegt, kann über § 251 II S. 1 BGB ein bestehender Schadensersatzanspruch modifiziert werden.671 Der Gläubiger kann anstelle des Anspruchs auf Herstellung in Natur (Naturalrestitution) auf einen Entschädigungsanspruch verwiesen werden, sollte die Herstellung für den Ersatzpflichtigen nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich sein. Diese Modifikation hat Bedeutung über das Vertragsrecht hinaus.672 Die Herausgabe einer Bereicherung über § 812 I S. 1, 2. Alt. BGB setzt voraus, dass in eine Rechtsposition mit Zuweisungsgehalt eingegriffen wurde.673 Vertragsverletzungen lassen nach nur vereinzelt bestrittener Rechtsprechung und herrschender Lehre einen Anspruch aus § 812 I S. 1, 2. Alt. BGB nicht entstehen.674 Oder anders formuliert: Die Rechtsfolge Bereicherungsherausgabe wird nicht gewährt. Allerdings gibt es Stimmen in der Literatur, die dem Gläubiger über § 285 BGB den Betrag zusprechen wollen, den der Schuldner hätte aufwenden müssen, um die vertragliche Pflicht abzulösen.675 Die Rechtsfolge Gewinnherausgabe steht ebenfalls nur in bestimmten Fällen zur Verfügung.676 Nach herrschender Meinung kann
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U. Huber, Festschrift v. Caemmerer, S. 837, 849. Kontext des Vorrangs des Naturalerfüllungsgrundsatzes im deutschen Recht Riehm, S. 223. 670 Vgl. nur Riehm, S. 223. 671 §§ 249 ff. BGB sind Rechtsfolgenregelungen. 672 Vgl. Stürner, S. 229 ff., 335 f., 405; s. a. u. § 5 IV 2 c). 673 Palandt/Sprau, § 812 Rn. 38. 674 BGH NJW 2013, 781 Rn. 24; Ellger, S. 851 ff., 861 f.; dagegen grundlegend Picker, AcP 183 (1983), 369, 505 ff. 675 F. Hartmann, S. 254 ff., 256; Hofmann, AcP 213 (2013), 469, 493 ff. 676 Soweit man Gewinnherausgabe als eigenständige Rechtsfolge betrachtet, so Hofmann, AcP 213 (2013), 469, 474 ff. 669 Im
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vor allem bei einem Doppelverkauf über § 285 BGB der Erlös abgeschöpft werden.677 c) „Klagbarkeit“ sonstiger vertraglicher Verhaltenspflichten
Durch den Kaufvertrag verpflichtet sich der Verkäufer einer Sache, dem Käufer die Sache zu übergeben und zu übereignen (§ 433 I S. 1 BGB). Der Verkäufer ist zugleich verpflichtet, den Erfüllungsanspruch des Käufers nicht dadurch zu torpedieren, dass er den Kaufgegenstand vertragswidrig an einen Dritten veräußert678 oder die Kaufsache flegelhaft behandelt.679 Dogmatisch folgen derartige Nebenpflichten aus § 241 II BGB. Kann jedoch der Käufer, sollte er von den vertragsbrecherischen beziehungsweise vertragsgefährdenden Absichten des Verkäufers rechtzeitig erfahren, gegen den Verkäufer negativ einen Unterlassungsanspruch geltend machen? Oder kann der Käufer vom Versendungsverkäufer gar positiv beispielsweise die ordnungsgemäße Verpackung einfordern?680 Ein entsprechender Unterlassungs- respektive Erfüllungsanspruch wird dem Käufer bisweilen sogar noch zugestanden. Gleichzeitig wird diesem aber die „Klagbarkeit“ abgesprochen.681 Die Mehrheit sieht in solchen Fällen zwar schon keinen Anspruch des Gläubigers, gleichwohl werden aber entsprechende Unterlassungspflichten anerkannt, die dann allerdings als „nicht klagbar“ gekennzeichnet werden. Die Rede ist von „nicht klagbaren Unterlassungspflichten“.682
677 BGHZ 46, 260 Rn. 8 = BGH NJW 1967, 622, 623 f.; BGHZ 75, 203 Rn. 9 = NJW 1980, 178; Palandt/Grüneberg, § 285 Rn. 7. 678 Köhler, AcP 190 (1990), 496, 504 f.; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 106 f.; MünchKomm/ Bachmann, § 241 Rn. 23; vgl. auch BGH NJW 1978, 260; BGH NJW 1995, 1954, 1955. 679 Vgl. Henckel, AcP 174 (1974), 97, 111. 680 Bamberger/Roth/Sutschet, § 241 Rn. 42; zu den Rücksichtspflichten aus § 241 II BGB Weller, S. 240 ff.; zurückhaltend OLG Frankfurt JZ 1985, 337. 681 Etwa Lenzen, NJW 1967, 1260 f.; vgl. Ritter, S. 33 f. („Aufgrund der Schutzbedürftigkeit eines Vertragspartners kann die Ausgestaltung eines Anspruchs als selbständig klagbar unbedingt angezeigt erscheinen.“); Bamberger/Roth/Sutschet, § 241 Rn. 43, verweist darauf, dass „ein klagbarer Anspruch“ grundsätzlich nicht besteht; MünchKomm/Bachmann, § 241 Rn. 24 („Ein eigener, auf Erfüllung der unselbständigen Unterlassungspflicht bezogener Unterlassungsanspruch […] bestehe nicht.“); wie o. § 2 I gesehen, ist die Klagbarkeit aber Element des Anspruchs; nach Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Rn. 468, soll der Käufer in einem Kaufhaus durchaus verlangen können, dass der vereiste Ausgang durch Streuen etc. gefahrlos begehbar gemacht wird; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 111, sieht eine „abhängige Nebenpflicht“, deren Verletzung sanktionslos bleibt, wenn die Hauptleistungspflicht ordnungsgemäß erfüllt wird; s. a. unten § 7 III 3. 682 Fritzsche, S. 60; Lorenz/Riehm, Rn. 354; Bamberger/Roth/Sutschet, § 241 Rn. 36, 43; Palandt/Grüneberg, § 241 Rn. 4; vgl. Köhler, AcP 190 (1990), 496, 503; Zöllner, AcP 190 (1990), 471, 482; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 106 f.
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Wenn pointiert die Klagbarkeit dieser unselbständigen Unterlassungsansprüche (beziehungsweise -pflichten) bestritten wird,683 wird richtigerweise danach gefragt, ob eine aus einem vertraglichen Recht des Gläubigers fließende Unterlassungsverpflichtung des Schuldners mittels eines korrespondierenden Anspruchs auch durchgesetzt werden kann.684 In der Sache geht es darum, dass Rechte eben differenziert verwirklicht werden können. Ein Recht auf Unterlassen entbehrt nicht seiner Eigenschaft als Recht, wenn es nicht mit einem Unterlassungsanspruch, sondern anderweitig verwirklicht wird.685 Der Schwerpunkt dieser Diskussion zur Klagbarkeit liegt dann auch nicht darauf, die Unterlassungspflicht des Schuldners zu bestreiten, sondern darauf, eine interessengerechte Rechtsdurchsetzung auszuloten. Dies hebt Stürner hervor: „Der Kernpunkt des Problems […] ist jedoch eine Wertungsfrage: Die Rechtsordnung hat außer der Zuweisung eines Anspruchs auch noch andere Möglichkeiten, den durch die Rechtspflicht Begünstigten zu schützen: […] Es ist stets wertend zu prüfen, ob andere gesetzgeberische Gestaltungsmittel den Anspruch mit seinem unmittelbaren Erfüllungszwang ersetzen können und ersetzen sollten.“686
Als Alternativen werden Schadensersatzansprüche, Kündigungs- wie Rücktrittsrechte oder Rechtsvorteile bei Obliegenheiten zugunsten des Begünstigten genannt.687 Vor allem wird argumentiert, dass die Interessen des Gläubigers durch die Möglichkeiten des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 935, 920 ZPO) hinreichend geschützt seien.688 Dadurch wird nicht ein materieller Unterlassungsanspruch prozessual verwirklicht; Streitgegenstand ist die einstweilige Sicherung des Anspruchs aus § 433 I S. 1 BGB.689 Dennoch: Das Gericht ordnet über § 938 ZPO mitunter genau das an, was inhaltlich einem solchen Unterlassungsanspruch entspricht.690 Der unbefangene Beobachter 683 Vgl. Weller, S. 230, („Bei Rechtspositionen, die lediglich mit einer Einziehungs-, nicht aber mit einer Klagebefugnis einhergehen, fehlt es nach der Terminologie des BGB an einem ‚Erfüllungsanspruch‘, da der Anspruchsbegriff im BGB grundsätzlich nur für klagbare Rechte reserviert ist.“). 684 Fritzsche, S. 65 f. 685 Beispiel: Wenn Ausweichen möglich ist, besteht kein Unterlassungsanspruch, so selbst Katzenstein, S. 192, der sich für einen strengen negatorischen Schutz ausspricht, S. 190 f. 686 Stürner, JZ 1976, 384, 385. 687 Stürner, JZ 1976, 384, 385. 688 Köhler, AcP 190 (1990), 496, 504 ff., 506; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 106 f., 121; Stürner, JZ 1976, 384, 385, 390 f. 689 Vgl. Stürner, JZ 1976, 384, 388; so auch Siber, S. 81 („Danach liegt kein Anspruch vor, wo der Berechtigte etwas erzwingen kann, was ihm der Gegner nicht auch freiwillig leisten soll. Das Recht, Arrest oder einstweilige Verfügung zu erwirken, und das Recht zur Selbsthilfe im Regelfall sind nicht Inhalt von Ansprüchen, sondern selbstständige Schutzrechte zur Sicherung von gegenwärtigen oder künftigen Ansprüchen mit abweichendem Inhalt.“); vgl. auch Jauernig, ZZP 79, 321, 328 ff. 690 Henckel, AcP 174 (1974), 97, 107, räumt dann auch ein, dass das „Unterlassungsgebot, das in der einstweiligen Verfügung zur Sicherung eines Anspruchs ausgebracht wird“, eine unselbständige Nebenpflicht „konkretisiert“.
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könnte in einer solchen Anordnung durchaus eine Leistungsverfügung nach § 940 ZPO sehen, wodurch der materielle Unterlassungsanspruch – vorläufig – durchgesetzt wird. Vor allem die Möglichkeit, einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu können, widerlegt noch nicht die Existenz eines vorgelagerten materiellen Anspruchs.691 Es ist aber nicht die Konkurrenzsituation,692 sondern die potenzielle Unangemessenheit eines entsprechenden Unterlassungsanspruchs (gegebenenfalls auch Erfüllungsanspruchs), die der Skepsis gegen den „unselbständigen Unterlassungsanspruch“ zugrunde liegt. Nicht das Recht des Gläubigers, etwa eine Doppelveräußerung verhindern zu können, sondern dessen Durchsetzung über einen Unterlassungsanspruch sorgt für Unbehagen. Eine Sichtung des Meinungsstands offenbart, dass ein entsprechender materieller Unterlassungsanspruch im Vergleich zu anderen Ansprüchen beziehungsweise Rechtsschutzmöglichkeiten als unangemessen empfunden wird, auch wenn vordergründig auf die „Klagbarkeit“ abgestellt wird.693 Viele sehen in einem Unterlassungsanspruch eine zu strenge Rechtsfolge. Die „Klagbarkeit“ unselbständiger Leistungspflichten soll von Fall zu Fall zu entscheiden sein.694 Diese soll beispielsweise fehlen, wenn das vertrauensvolle Miteinander der Vertragsparteien dadurch allzu sehr belastet würde.695 Entsprechend sollen, damit die „gegnerische Freiheitssphäre“ nicht zu stark beeinträchtigt wird,696 Erfüllungsansprüche vertraglicher Schutzpflichten einschließlich insoweit bestehender Unterlassungsansprüche nur als ultima ratio der Gefahrenabwehr in Betracht kommen.697 Wo ein Ausweichen möglich und zumutbar ist, wird der Gläubiger darauf verwiesen.698 Nicht verfügbar darf ein Unterlassungsanspruch auch dann sein, wenn dies zu Widersprüchen gegenüber anderen 691
So aber Stürner, JZ 1976, 384, 391. Stürner, JZ 1976, 384, 385; im Hinblick auf Erfüllung von Sorgfaltspflichten zur Herbeiführung des Leistungserfolgs habe sich der Gesetzgeber aber für die einstweilige Verfügung entschieden, a. a. O., 390; Lenzen, NJW 1967, 1260, 1261, verweist darauf, dass die unselbständige Unterlassung „in der richtigen Erfüllung der positiven Pflicht enthalten“ ist. 693 Bisweilen wird aber auch formal argumentiert, Brox/Walker, SR AT, § 2 Rn. 11 („vgl. den Wortlaut von § 241 II [Verpflichtung des Schuldners] im Gegensatz zu dem des § 241 I [Forderungsrecht des Gläubigers]“). 694 Teplitzky/Schaub, 1. Kap. Rn. 5; vgl. auch Erman/H. P. Westermann, § 241 Rn. 8. 695 Vgl. Medicus/Lorenz, SR AT, § 39 Rn. 524. 696 Beschneidung der Handlungsfreiheit bei der Wahl der für die Vertragserfüllung erforderlichen Mittel, Weller, S. 269; wenn es um die Einhaltung einer Verkehrspflicht geht (z. B. Sichern einer Baustelle), kann aber gerade der Unterlassungsanspruch größere Freiheit gewähren. Würde die Verkehrspflicht unmittelbar durchgesetzt, müsste ein konkretes Verhalten benannt werden. Gilt es, nur die Rechtsgefährdung zu unterlassen (z. B. der körperlichen Integrität), steht es dem Schuldner frei, auf welche Weise er dies bewerkstelligt; vgl. Fritzsche, S. 219 ff. 697 Stürner, JZ 1976, 384, 386; Köhler, AcP 190 (1990), 496, 506; freilich endet der Schutz der eigenen Freiheitssphäre dort, wo fremde Rechte beeinträchtigt werden. 698 Stürner, JZ 1976, 384, 386; Köhler, AcP 190 (1990), 496, 511 (zu § 618 BGB). 692
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gesetzlichen Wertungen führt. Wegen § 888 III ZPO darf im Arbeitsrecht ein unselbständiger Unterlassungsanspruch nicht zu einem mittelbaren Arbeitszwang führen.699 Während der Unterlassungsanspruch unbedingt ist, gewährt schließlich § 938 ZPO dem Richter einen breiten Ermessensspielraum. Statt eines starren Anspruchs besteht ein Instrument für Einzelfallgerechtigkeit.700 Ob eine Unterlassungspflicht mittels eines korrespondierenden Unterlassungsanspruchs selbständig eingeklagt werden kann, hängt damit an einer Interessenabwägung.701 Ist das Interesse des Gläubigers an der unmittelbaren Durchsetzung seines Rechts auf Unterlassen besonders groß?702 Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn auf Grund des Fehlverhaltens der Leistungserfolg ernsthaft gefährdet ist, obwohl der Gläubiger auf die Primärleistung angewiesen ist,703 existenzgefährdende Schäden drohen704 oder Rechtsgüter des § 823 I BGB bedroht sind.705 Die Durchsetzung einer Unterlassungspflicht mittels eines Unterlassungsanspruchs ist demgegenüber nicht geboten, wenn andere Sanktionsmechanismen ausreichend Schutz bieten.706 Statt Unterlassung einer Gefährdung zu verlangen, kann der Berechtigte seine eigene Leistung berechtigterweise verweigern oder das Schuldverhältnis kündigen.707 Auch ein Verweis auf Schadensersatzansprüche soll zumutbar sein, solange Schadensersatz das Gläubigerinteresse ausgleicht.708 Wenn der Berechtigte hingegen auf die Durchführung des Vertrags angewiesen ist, dann soll die Durchsetzung der Unterlassungspflicht möglich sein.709 Allerdings kann zur Sicherung eines Leistungsanspruchs eben der flexiblere einstweilige Rechtsschutz ausreichen.710 Der Streit um unselbständige Unterlassungsansprüche liefert damit einen weiteren Beweis, dass Rechte unterschiedlich verwirklicht werden können. Allerdings wird die Debatte nicht offen geführt.711 So wird 699
Dazu auch Köndgen, RabelsZ 56 (1992), 696, 745. Jauernig, ZZP 79 (1966), 321 ff., 328 ff.; Stürner, JZ 1976, 384, 390 f. 701 Bamberger/Roth/Sutschet, § 241 Rn. 43; Teplitzky/Schaub, 1. Kap. Rn. 5; Köhler, AcP 190 (1990), 496, 506, 509; Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 25; vgl. Krebs, S. 547 f.; vgl. auch Erman/H. P. Westermann, § 241 Rn. 13; s. a. u. § 9 III 3. 702 Vgl. Staudinger/Olzen, § 241 Rn. 557. 703 Medicus/Lorenz, SR AT, § 39 Rn. 524; Bamberger/Roth/Sutschet, § 241 Rn. 43. 704 Medicus/Lorenz, SR AT, § 39 Rn. 524. 705 Staudinger/Olzen, § 241 Rn. 557. 706 Dogmatisch kann dann einer Unterlassungsklage das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, Lenzen, NJW 1967, 1260, 1261; zum Gedanken der Subsidiarität auch Köhler, AcP 190 (1990), 496, 506 ff.; dazu auch u. § 7 III 2 e). 707 Stürner, JZ 1976, 384, 386 f. 708 Stürner, JZ 1976, 384, 386 f.; vgl. Medicus/Lorenz, SR AT, § 39 Rn. 524, Brox/Walker, SR AT, § 2 Rn. 11; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Rn. 165; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 112 (Fn. 28); kritisch Lenzen, NJW 1967, 1260, 1261. 709 Vgl. Stürner, JZ 1976, 384, 387; Medicus/Lorenz, SR AT, § 39 Rn. 524. 710 Vgl. Stürner, JZ 1976, 384, 387; Köhler, AcP 190 (1990), 496, 506. 711 Vgl. aber Köhler, GRUR 1996, 82, 90 (Fn. 71); Himmelschein, AcP 135 (1932), 255, 287 (Fn. 38). 700 Vgl.
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vielfach bereits auf der Begriffsebene das Sachproblem verschleiert. In diesem Sinne wird von „unentwickelten Schutzansprüchen“ gesprochen.712 Die Rede ist von „subjektive[n] Rechten ohne Zwangsbefugnis“.713 In der Sache geht es schließlich auch nicht darum, ob die „Klagbarkeit“ als „selbstverständliche Regel“714 erscheint, sondern darum, wie ein Recht durchgesetzt wird, kurzum: differenzierte Rechtsdurchsetzung.
2. Rechtsfolgendifferenzierung bei Ausschließlichkeitsrechten § 903 S. 1 BGB als Musternorm für Ausschließlichkeitsrechte regelt,715 dass der Eigentümer einer Sache andere von jeder Einwirkung ausschließen kann. Dies zeichnet sämtliche Ausschließlichkeitsrechte aus. Damit der Berechtigte seine Ausschlussbefugnis durchsetzen kann, braucht er aber zusätzlich einen Unterlassungsanspruch. Regelmäßig steht dem Inhaber eines Ausschließlichkeitsrechts ein solcher zur Seite (§ 1004 I S. 2 BGB, § 97 I UrhG, § 14 V MarkenG, § 139 I PatG etc.). Doch auch hier lassen sich zahlreiche Fallgestaltungen nachweisen, in denen dem Inhaber des Ausschließlichkeitsrechts kein Unterlassungsanspruch, stattdessen aber alternative Rechtsschutzmöglichkeiten zustehen. Das Recht wird im Verletzungsfalle nicht stets mittels der Rechtsfolge Unterlassen, sondern bisweilen ausschließlich durch Schadensersatzansprüche oder die Zahlung einer Entschädigung verwirklicht (a)). Selbst der Schadensersatz-, aber auch der Gewinnherausgabeanspruch ist nicht immer verfügbar (b)). Schließlich können Beseitigungs- und Vernichtungsansprüche namentlich aus Gründen der Verhältnismäßigkeit durch eine Geldzahlung abgelöst werden (c)). a) Ausschluss des Unterlassungsanspruchs
(1) Wenn dem Berechtigten der Unterlassungsanspruch bei einem Ausschließlichkeitsrecht nicht gewährt wird, scheint es allerdings vordergründig gar nicht um differenzierte Rechtsdurchsetzung zu gehen.716 Aus dogmatischer Sicht handelt es sich bei der Durchsetzung des Eigentums um eine Frage von „Duldungspflichten“.717 Gemäß § 1004 II BGB ist ein Unterlassungsanspruch ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist. Der Eigentümer eines Regenschirms kann sich gegen dessen Wegnahme nicht mit einem Unterlassungsanspruch wehren, wenn ein Dritter den Schirm benötigt, 712
Kreß, § 1, S. 5, § 23, S. 578. Weller, S. 237. 714 Motive Bd. 1, S. 357. 715 Zum Begriff o. § 5 III 2. 716 Vgl. bereits o. § 2 III 2 b), § 5 III 2 und insbesondere o. § 5 I 4 c) und d). 717 Vgl. Wilhelm, Rn. 741, 745 ff.; Baur/Stürner, § 25 Rn. 5 ff. 713
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um einen ihn angreifenden Hund abzuwehren. Er hat die Einwirkung hinzunehmen; ein Anspruch aus § 1004 I BGB ist wegen § 1004 II i. V. m. § 904 S. 1 BGB ausgeschlossen.718 Der Inhalt des Eigentums erscheint von vorneherein begrenzt.719 Da die Wegnahme nicht rechtswidrig ist, bedeutet dies zugleich praktisch, dass der Eigentümer keine Notwehr (§ 227 BGB) beziehungsweise Selbsthilfe (§ 859 BGB) üben darf.720 Auch ein Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB soll „mangels Rechtswidrigkeit der Einwirkung“ nicht gegeben sein.721 Ein solcher folgt aber ohnehin verschuldensunabhängig aus § 904 S. 2 BGB. Diese Anspruchsgrundlage wiederum wird als „Aufopferungsanspruch“ interpretiert.722 In anderem Zusammenhang hat der Eigentümer eines Grundstücks eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung eines anderen Grundstücks zu dulden, wenn dies nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. § 906 II S. 2 BGB gewährt in diesem Fall einen Anspruch auf einen angemessenen Ausgleich in Geld. Es soll sich wiederum um einen Aufopferungsanspruch handeln.723 Weder kann ein Unterlassungsanspruch (es besteht eine Duldungspflicht aus § 1004 II BGB) noch ein Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB (es fehlt die Rechtswidrigkeit) erhoben werden.724 Ähnlich ist die Rechtslage bei § 917 BGB, § 912 BGB oder § 962 BGB.725 Auch im Urheberrecht soll im Falle einer gesetzlichen Vergütungsregel (z. B. §§ 46 IV, 49 I S. 2, 52 I S. 2, 52 II S. 2, 52a IV, 52b S. 3, 54 I UrhG) dogmatisch schon gar kein Eingriff in das absolute Recht vorliegen.726 Der Schutzbereich des Urheberrechts sei von Anfang an durch die Schrankenregelungen eingeengt.727 Obwohl teils davon ausgegangen wird, dass Vergütungsansprüche als „Abschwächung der jeweiligen Verwertungsrechte“ anzusehen sind,728 718 PWW/Lemke, § 904 Rn. 13; der Unterlassungsanspruch ist dabei nicht nur von theoretischer Bedeutung. Man denke an Dauergefahren, vgl. OLG Hamm NJW 1972, 1374 f. 719 Picker, Festschrift Lange, S. 625, 642; Katzenstein, S. 142; bereits o. § 2 III 2 b). 720 PWW/Lemke, § 904 Rn. 13; Palandt/Herrler, § 904 Rn. 4. 721 PWW/Lemke, § 904 Rn. 13; Bamberger/Roth/Fritzsche; § 904 Rn. 18; Baur/Stürner, § 25 Rn. 5 ff. 722 PWW/Lemke, § 904 Rn. 2. 723 Wilhelm, Rn. 754 ff.; vgl. auch Erman/R. Wilhelmi, § 903 Rn. 2. 724 Vgl. MünchKomm/Baldus, § 1004 Rn. 199; MünchKomm/Säcker, 6. Aufl. 2013, § 906 Rn. 165; vgl. Westermann, Festschrift Larenz, S. 1003, 1005 ff.; Wilhelm, Rn. 746 ff. 725 Baur/Stürner, § 25 Rn. 11 ff. 726 Zur Bedeutung der Schranken im Deliktsaufbau Stieper, S. 149 f.; Schranken sind damit keine „Rechtfertigungsgründe“; ebenso Rehbinder/Peukert, § 30 Rn. 594. 727 Geiger, GRUR Int. 2008, 459, 461 f.; Schricker/Loewenheim/Melichar, Vor §§ 44a ff. Rn. 24; Schricker/Loewenheim/Wild, § 97 Rn. 9; vgl. Schack, ZUM 2016, 266, 282. 728 Ulmer, § 62 II 1, S. 293; Schack, UrhR, § 14 Rn. 476; § 1 Rn. 4 („Verbotsrecht [wird] durch bloße Vergütungsansprüche ersetzt“); W. Nordemann, GRUR 1979, 280, 281; Hauptmann, S. 86 ff., spricht von einem ausschließlichen Recht ohne Ausschließungsbefugnis; Vergütungsansprüche erscheinen als „Derivat des ausschließlichen Rechts“; es gehe um „gesetzliche Lizenzen“, Ulmer, § 62 II 1, S. 293; Schack, UrhR, § 14 Rn. 480; vgl. für die
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wollen andere im Vergütungsanspruch gerade „kein Surrogat für das aufgehobene Verbotsrecht“ sehen.729 Die erlaubte Nutzung des Werkes soll ein gesetzliches Schuldverhältnis jenseits der ausschließlichen Verwertungsrechte begründen, das einen Vergütungsanspruch als Recht sui generis nach sich zieht.730 Das Urheberrecht vereint nach dieser Sichtweise nicht nur ausschließliche, sondern auch relative Befugnisse in sich.731 Zudem wird vorgetragen, dass die absolute Wirkung von Rechten nicht „ohne weiteres Ausschließungswirkung“ bedeute. Es soll namentlich „immaterialgüterrechtliche Befugnisse ohne Ausschließungswirkung“ geben. Andererseits soll das „Verbotsrecht“ im Vordergrund stehen.732 Von einem Aufopferungsanspruch wie im Sachenrecht ist trotz struktureller Vergleichbarkeit indes nicht die Rede.733 Es lässt sich zusammenfassen: Der jedenfalls im Ergebnis zu beobachtende Ausschluss des Unterlassungsanspruchs und die zugleich gewährten Vergütungs-, Entschädigungs- beziehungsweise Schadensersatzansprüche werden – wie die vorstehenden Ausführungen zeigen – dogmatisch unterschiedlich erklärt. Dabei geht es in sämtlichen Beispielen um die Frage, wie ein Eigentums- oder Immaterialgüterrecht, also das jeweilige Stammrecht, in Form eines Ausschließlichkeitsrechts interessengerecht durchgesetzt werden kann.734 In bestimmten Situationen erweist sich das Recht als zu weitgehend. Es ist nicht gerechtfertigt, dass der Eigentümer in einer Notstandsituation seine Ausschlussbefugnis mittels Selbsthilfe durchzusetzen vermag.735 Ortsübliche Beeinträchtigungen sollen nicht wegen des Eigentumsrechts abgewehrt werden können, wenn diese nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen Intermediärshaftung Ohly, ZUM 2015, 308, 316 („[…] konstruktiv durchaus möglich, für Vermittlungshandlungen vergütungspflichtige Schranken vorzusehen und im Gegenzug Unterlassungsansprüche auszuschließen“; „Eine Vergütungsregel, die als ‚liability rule‘ an die Stelle des durch Art. 8 Abs. 3 InfoSoc-RL, Art. 11 Satz 3 Durchsetzungs-RL vorgesehenen Unterlassungsanspruch[s] träte […]“). 729 Schricker/Loewenheim/Melichar, Vor §§ 44a ff. Rn. 24; Schricker, GRUR Int. 1983, 446, 452. 730 v. Diemar, GRUR 2002, 587 ff.; Stieper, S. 141, 153; Schricker/Loewenheim/Melichar, Vor §§ 44a ff. Rn. 23. 731 v. Diemar, GRUR 2002, 587, 593. 732 Schönherr, Festschrift Troller, S. 57, 64; zum Sacheigentum Westermann, Festschrift Larenz, S. 1003, 1005 f.; s. a. Grünberger, ZUM 2015, 273. 733 Dreier/Schulze, Vor § 44a Rn. 10, meint, dem Urheber dürfe kein „Sonderopfer“ auferlegt werden. Er spricht vom „Partizipationsgedanken“; zum urheberrechtlichen Beteiligungsgrundsatz vgl. nur Schulze, NJW 2014, 721, 722 f. 734 Ohly, Wirtschaftsrecht, S. 141, 155 (mit Fn. 73), betont die strukturellen Gemeinsamkeiten zwischen „Schranken“ des Urheberrechts nach §§ 44a ff. UrhG und des Sacheigentums nach §§ 904 ff. BGB. Die gesetzliche Lizenz im Urheberrecht stellt er strukturell auf eine Stufe mit den Ausgleichsansprüchen aus §§ 906 II S. 2, 912 II BGB. 735 Ohne Unterlassungsanspruch besteht auch kein Notwehrrecht. Dies folgt daraus, dass man die „Selbsthilfebefugnis“ als Teil des Anspruchs sehen kann, vgl. Schmidt, Festschrift Jahr, S. 401 (Fn. 1).
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zu verhindern sind. Privateigentum soll nicht bewirken, dass gesellschaftlich erwünschte Industrieanlagen stillgelegt werden müssen. Ökonomisch wäre es auch nicht sinnvoll, wenn jeder Urheber private Kopien untersagen könnte.736 Auch verlangen namentlich die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit Vorschriften wie § 51 UrhG.737 Die Existenz des Stammrechts oder zumindest der Umfang seines Schutzbereichs braucht deshalb aber noch nicht angezweifelt beziehungsweise begrenzt werden.738 Die Beschränkung des Stammrechts ist freilich, wie bereits erwähnt (s. a. o. § 2 III 2 b)), die Sichtweise der herrschenden Meinung: „Das Gesetz kann nicht in einem Athem eine Befugnis ertheilen und widerrufen“.739 „Eine Befugnis zur Ausschließung von Nothstandshandlungen wäre nicht durch § 903 ertheilt und durch § 904 zurückgenommen, sondern sie wäre, wie sich aus § 904 ergibt, durch § 903 gar nicht ertheilt.“740
Die Rücknahme von Rechtsbefehlen erscheint als ursprüngliche Beschränkung des Befehls.741 Ungeachtet dessen, dass aus § 903 BGB beziehungsweise allgemein formuliert dem Stammrecht als solchem noch kein konkreter Rechtsbefehl folgt (näher dazu u. § 9 I 4), lässt sich die Problematik am besten als Rechtsdurchsetzungsproblem verstehen. Schrankenregelungen im Recht des Geistigen Eigentums, im Grundstücksrecht und selbst bei Persönlichkeitsrechten (z. B. § 23 KUG)742 lassen sich als rechtsfolgenmodifizierende Bestimmungen interpretieren. Bezogen auf eine bestimmte Durchsetzungssituation ist die undifferenzierte Rechtsverwirklichung nicht angemessen. Vielfach genügt es, ein Stammrecht maßvoll durchzusetzen, statt seine Existenz zu leugnen oder seinen Schutzbereich zu beschneiden. Um den gebotenen, nicht selten grundrechtlich unterlegten Interessenausgleich zwischen Rechteinhabern, Dritten und der Allgemeinheit herzustellen (o. § 5 I 4 d)), kann es 736 Vgl. Schack, UrhR, § 14 Rn. 486; Dreier/Schulze, Vor §§ 44a ff. Rn. 14; Ohly, Festschrift 50 Jahre UrhG, S. 379, 384; dazu ausführlich u. § 8 III. 737 Zu unterschiedlichen Rechtfertigungen für Schranken Stieper, S. 13 ff.; Guibault, S. 27 ff.; s. a. Ohly, Festschrift 50 Jahre UrhG, S. 379, 383 f. 738 Zur Interpretation von „Schranken“ als Rechtsdurchsetzungsproblem bereits o. § 5 III 2 und § 5 I 4 c) und d). 739 Siber, Rechtszwang, S. 105. 740 Siber, Rechtszwang, S. 105. 741 Siber, Rechtszwang, S. 105. 742 Der Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts kann erst durch eine umfassende Interessen- und Güterabwägung bestimmt werden; dennoch lässt sich auch das Persönlichkeitsrecht „in eine Reihe verhältnismäßig klar umschriebener Schutzbereich aufgliedern“, Larenz/Canaris, SR Band II/2, § 80 III 2, S. 518 f.; Funktionen von Schranken, z. B. der Schutz der Meinungsfreiheit Dritter, werden dabei bereits von der Schutzbereichsbestimmung übernommen. Andererseits mag es gerade die Analyse erleichtern, eine „Kollision“ mit dem Schutzbereich zwar anzunehmen, dann situationsspezifisch aber keine Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche zu gewähren; s. a. u. § 5 IV 2 b) zur „Stolpe-Doktrin“.
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ausreichen, den Unterlassungsanspruch zu verweigern und an seiner statt Entschädigung etc. zu gewähren. Letztere setzt logisch voraus, dass ein Eingriff in das Stammrecht vorliegt. Warum sollte nach §§ 54 ff. UrhG eine Vergütung geschuldet sein, wenn „kein Eingriff“ in das Urheberrecht vorliegt? Das Recht, gemäß § 53 I UrhG eine Vervielfältigung eines Werks zum privaten Gebrauch vornehmen zu dürfen, als „Loch im Käse“, also als Beschränkung des Ausschließlichkeitsrechts zu deuten,743 wird dem auch dogmatisch nicht gerecht. § 16 UrhG weist doch gerade das ausschließliche Recht zur Vervielfältigung dem Urheber zu. Überzeugender ist es, §§ 53 ff. UrhG als Ausschluss des Unterlassungsanspruchs und dessen Substituierung durch einen Vergütungsanspruch zu lesen. Das Ausschließlichkeitsrecht wird insoweit zur Geltung gebracht, als dem Urheber der wirtschaftliche Wert ausschließlich zugeordnet bleibt. Das Urheberrecht wird nicht sinnlos, sondern bleibt im wahrsten Sinne des Wortes werthaltig.744 Auch wenn die herrschende Meinung dies – wie dargelegt – als Problem des Stammrechts auffasst (o. § 2 III 2 b)), deuten Formulierungen in der Literatur an, dass es wertungsmäßig in der Tat um den Problemkreis interessengerechter Rechtsdurchsetzung geht. Im Zusammenhang „vergütungspflichtiger Schranken“ im Urheberrecht spricht Förster explizit von „Rechtsfolgendifferenzierung“.745 Geier diskutiert die Notwendigkeit von Schrankenregelungen zur Minderung der durch die Kumulation von Schutzrechten erzielten Nebenwirkungen unter dem Schlagwort „Durchsetzbarkeit“.746 Auch Schranken im englischen Recht finden sich in der Literatur bisweilen unter dem Schlagwort „enforcement“.747 Unterstützt wird der Gedanke, Schrankenregelungen als Rechtsfolgenregelungen zu verstehen, ferner durch Überlegungen in der Literatur, die Rechtsdurchsetzung mittels Unterlassungsansprüchen durch einen allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu begrenzen. Normen wie §§ 275 II, § 251 II S. 1, 906 II und 912 BGB sollen belegen, dass dem Privatrecht ein „Verhältnismäßigkeitsprinzip“ als ein allgemeiner Grundsatz innewohnt.748 Wenn dabei insbesondere auf § 906 II und § 912 BGB zurückgegriffen wird – beide Regelungen werden herkömmlich als „Schrankenbestimmung“ verstanden –, zeigt dies, dass die hier vertretene These, auch Schrankenbestimmungen übergeordnet dem Problemkreis differenzierter Rechtsdurchsetzung zuzuordnen, analytisch richtig ist. Tatsächlich geht es namentlich in der Diskussion 743 Vgl. Schloßmann, JherJ 45 (1903), 289, 320; vgl. Geiger, GRUR Int. 2008, 459, 461 („Insel von Freiheit in einem Meer von Exklusivität“ statt „Insel von Exklusivität in einem Meer von Freiheit“); ders., S. 143, 150 f. 744 Vgl. Ohly, Wirtschaftsrecht, S. 141, 155. 745 Förster, S. 78. 746 Geier, S. 137. 747 Schmitz, S. 324 ff.; s. aber o. § 1 III 1 a). 748 Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 796.
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der ökonomischen Analyse von property rules versus liability rules letztlich um die Frage interessengerechter Rechtsdurchsetzung. So wird die gesetzliche Lizenz dort als geeignetes Instrument gesehen, wo aufgrund des Massencharakters urheberrechtlich relevanter Vorgänge einschließlich der großen Zahl Betroffener „eine Kontrolle nicht möglich ist und Einzelverhandlungen zu umständlich bzw. zu langwierig wären“.749 Dies ist aber eine Frage des Bestehens von Unterlassungsansprüchen; diese sind das Mittel zur Erzielung einer angemessenen Vergütung mittels Verhandlung (dazu ausführlich u. § 8).750 Die herrschende Meinung meint hingegen, dass das „Ausschließlichkeitsrecht“ durch eine Vergütungsregel „ersetzt“ wird.751 Wird das Stammrecht in diesem Sinne auf ein „Vergütungsrecht“ oder gar einen „Vergütungsanspruch“ (sic!) reduziert,752 werden Rechtsfolge und Rechtsgrund nicht klar auseinandergehalten (vgl. o. § 5 I 4 c)). Es bedarf aber nicht der Schaffung eines neuen Rechtetypus „Vergütungsrecht“; die Konstruktion lässt sich vielmehr in den hier präzisierten Rechtekategorien erklären: das urheberrechtliche Stammrecht wird statt mit dem Rechtsfolgenrecht Unterlassen mit einem Vergütungsanspruch verwirklicht. Mitunter ist entsprechend in der Literatur die Rede davon, dass in § 52a UrhG oder § 52b UrhG der Nutzer von „urheberrechtlichen Verbietungsrechten“, nicht aber von Vergütungsansprüchen freigestellt ist.753 Bisweilen wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Ausschließlichkeitsrecht so eingeschränkt wird, dass „dem Rechtsinhaber der Unterlassungsanspruch genommen wird“,754 also eine Beschränkung der Rechtsfolgen, nicht des Rechts auftritt. Werden Schranken als Rechtsfolgenregeln analysiert, folgt daraus ein analytischer Gewinn. Wie gesehen, können nicht nur Vergütungsregeln erklärt, sondern auch Fragen wie die des rezeptiven Werkgenusses bereits als Schutzbereichsfrage (Stammrechtsebene) abgeschichtet werden.755 Trennt man Stammrecht und Rechtsfolgenrecht, entlastet dies zugleich die Frage nach der Widerrechtlichkeit.756 In diesem Sinne betont Münz749
Dreier/Schulze, Vor §§ 44a Rn. 14. Vgl. Fromm/Nordemann/Dustmann, Vor §§ 44a ff. UrhG Rn. 10. 751 Ohly, Festschrift 50 Jahre UrhG, S. 379, 384; Fromm/Nordemann/Dustmann, Vor §§ 44a ff. UrhG Rn. 9. 752 Schricker/Loewenheim/Melichar, Vor §§ 44a ff. Rn. 24. 753 Schack, Rechtfertigung, S. 123, 133. 754 Ohly, Wirtschaftsrecht, S. 141, 155; vgl. Fromm/Nordemann/Dustmann, Vor §§ 44a ff. Rn. 9 („das Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers [wird] durch einen bloßen Anspruch auf eine angemessene Vergütung ersetzt.“). 755 Vgl. Peukert, Schutzbereich Urheberrecht, S. 11, 24 ff. 756 Vgl. Münzberg, S. 381 ff., 417; ders., JZ 1967, 689, 690 f.; dem folgend Thomas, S. 48 f.; zur Rechtswidrigkeit vgl. auch MünchKomm/Wagner, § 823 Rn. 4 ff.; Palandt/Herrler, § 912 Rn. 1, zum Überbau („Duldungspflicht beseitigt nicht die Rechtswidrigkeit“) und zum Notstand Palandt/Herrler, § 904 Rn. 4 (Einwirkung ist rechtmäßig); zur Aufbrauchsfrist Spätgens, WRP 1994, 693, 695 („redliche Nutzung der Aufbrauchsfrist“ wird nicht als 750
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berg,757 dass die „Rechtswidrigkeit“ einer Störung im Rahmen von § 1004 BGB nicht interessiert. In § 1004 BGB finde sich die Rechtswidrigkeit als Anspruchsvoraussetzung gerade nicht.758 Auch bei § 985 BGB oder § 894 BGB komme es auf die Rechtswidrigkeit schließlich nicht an.759 Beispielhaft verweist er darauf, dass etwa ein leicht fahrlässiger Überbau, der nicht rechtzeitig gerügt wird (vgl. § 912 BGB), durchaus rechtswidrig ist,760 eine Duldungspflicht aber dennoch besteht.761 Die Duldungspflicht interessiere damit nur „als anspruchsausschließende Einwendung des beklagten Störers“.762 Das Verhalten des Störers kann rechtswidrig sein, was „aber die Auffindung der Duldungstatbestände kaum [erleichtere]“.763 Tatsächlich kommt es eben entscheidend darauf an, auf welche Weise ein Stammrecht verwirklicht werden soll. §§ 906 II S. 2, 904 S. 2 BGB etc. lassen sich als Normen lesen, durch die anstelle eines Unterlassungsanspruchs ein Entschädigungsanspruch gewährt wird.764 Dies ist kein „neues“ Recht, sondern ein Substitut für den Unterlassungsanspruch. Die herrschende Meinung muss hingegen „Aufopferungsansprüche“ zubilligen.765 Mangels Rechtswidrigkeit kann nach ihr ein Anspruch aus § 823 I BGB nicht entstehen,766 so dass es einer eigenständigen Anordnung des Schadensersatzanspruchs in § 904 S. 2 BGB bedarf. Wertungsmäßig geht es freilich darum, dass es zwar einerseits interessengerecht ist, dem Eigentümer in einer Notstand situation den Unterlassungsanspruch zu nehmen, der Zuspruch von Schadensersatz aber sachgerecht ist. Die wahre Bedeutung von § 904 S. 2 BGB liegt daher darin, Schadensersatz – anders als § 823 I BGB – verschuldensunabhängig zu gewähren. Ohne Unterlassungsanspruch kann dann aber logischerweise auch kein Selbsthilferecht des Eigentümers bestehen. Notwehrmaßnahmen durch „rechtswidrige Wettbewerbshandlung gewertet“) und demgegenüber BGH GRUR 1974, 735, 737 – Pharmamedan („durch die Gewährung einer solchen Frist wird das rechtswidrige Verhalten des Bekl. nicht rechtmäßig und ein Schadensersatzanspruch […] nicht berührt“); s. a. § 100 S. 3 UrhG („Einwilligung als Fiktion“, vgl. Schricker/Loewenheim/Wild, § 100 Rn. 8); zur Rechtswidrigkeit allgemein Deutsch/Ahrens, § 7. 757 Zudem Bucher, S. 121, 123 f. 758 Münzberg, JZ 1967, 689, 690, 691. 759 Münzberg, JZ 1967, 689, 691; zu § 812 I S. 1, 2. Alt. BGB Medicus/Petersen, BR, § 28 Rn. 710 ff. 760 Vgl. Jauernig/Berger, § 912 Rn. 1 ff. 761 Münzberg, JZ 1967, 689, 691 (Fn. 21), er verweist weiter auf § 867 S. 2 BGB; ders., S. 417; Brehm/Berger, § 7 Rn. 20; MünchKomm/Säcker, 6. Aufl. 2013, § 912 Rn. 27. 762 Münzberg, JZ 1967, 689, 691. 763 Münzberg, JZ 1967, 689, 691; ders., S. 381 ff.; vgl. aber Baur, AcP 160 (1961), 465, 470 f.; s. a. Wilhelmi, S. 94 ff. 764 Wilhelmi, S. 82; Erman/F. Ebbing, § 1004 Rn. 63 („anstelle des Abwehranspruchs ein Ausgleichsanspruch“). 765 Vgl. MünchKomm/Brückner, § 904 Rn. 1; Bamberger/Roth/Fritzsche, § 904 Rn. 1, 18; s. a. § 867 S. 2 BGB (vgl. Münzberg, JZ 1967, 689, 691, Fn. 21); zu § 490 II BGB MünchKomm/ Berger, § 490 Rn. 34. 766 Bamberger/Roth/Fritzsche, § 904 Rn. 18.
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den Eigentümer scheiden ebenso aus. Notwehr- und Selbsthilferechte knüpfen nach hier vertretener Ansicht an das Rechtsfolgenrecht Unterlassen, nicht an den Eingriff in das Stammrecht.767 Diese Wertung ist ausdrücklich herauszuarbeiten; ein „Verstecken“ hinter formal-juristischer Argumentation führt nicht weiter. Besser ist es, diesen Anspruch wie die englische Variante damages in lieu of an injunction analytisch als Ersatz für den ausgeschlossenen Unterlassungsanspruch zu verstehen.768 In gleicher Weise zeigt die Systematik, dass die Rechtsfolge Schadensersatz aus § 823 I BGB (insbesondere in der Form von Naturalrestitution) im Falle von Beeinträchtigungen im Sinne von § 906 II S. 1 BGB nicht zur Verfügung steht. § 906 II S. 2 BGB spricht nur von einem Ausgleich in Geld. Sämtliche „Schrankenregelungen“ lassen sich also einheitlich als Frage der Rechtsdurchsetzung analysieren. Zusammengehörende Wertungen können analytisch unter einem gemeinsamen Oberbegriff – dem der Rechtsdurchsetzung – diskutiert werden, ohne die Problemlage durch Kategorien wie Vergütungsrechte, Aufopferungsansprüche, Duldungspflichten, fehlende Rechtswidrigkeit bis hin zu Begrenzungen des Unterlassungsanspruchs wegen Schikane nach § 226 BGB769 oder Rechtsmissbrauch770 zu verkomplizieren. Die Linie verläuft nicht zwischen Begrenzungen des Stammrechts (nach h. M. Schrankenregelungen) und der Rechtsdurchsetzung (nach h. M. Ausschluss des Unterlassungsanspruchs z. B. wegen Rechtsmissbrauchs), sondern bemisst sich danach, ob Eingriffe in bestimmten Situationen typisiert (dann bedarf es einer gesetzlichen Regelung) oder im atypischen Einzelfall (dann erfolgt der Ausschluss des Anspruchs durch den Richter) namentlich nicht mit Unterlassungsansprüchen sanktioniert werden (dazu u. § 11 I). Da die Übergänge zwischen Schranken und dem Ausschluss von Ansprüchen fließend sind, ist eine übergeordnete Betrachtung umso wichtiger. Zwar ist zuzugeben, dass darüber hinaus auch der Übergang von Schutzbereichsbeschränkungen zu „Schrankenregelungen“ (bzw. nach hier vertretener Ansicht Rechtsfolgenregelungen) bisweilen arbiträr erscheint (z. B. der private Gebrauch gemäß § 11 Nr. 1 PatG als Schranke im Patentrecht und als Schutzbereichsbegrenzung im Markenrecht nach § 14 II MarkenG). Immer dann, wenn ein Eingriff in eine 767 Anders
Ohly, S. 185. So Palandt/Herrler, § 904 Rn. 5; PWW/Lemke, § 904 Rn. 19 und Rn. 2; dies soll selbst dann gelten, wenn der Berechtigte „eingewilligt“ hat (Palandt/Herrler, § 904 Rn. 5). Dies ist ungenau. Hätte der Berechtigte in den Eingriff in das Stammrecht eingewilligt, dann wäre auch der Schadensersatzanspruch ausgeschlossen. Denkbar wäre dies, wird aber die Auslegung der Einwilligungserklärung nicht hergeben. Selbst wenn er ausdrücklich davon spricht, wird der wahre Wille nur dahingehen, dass er nochmals bekräftigt, dass er den Unterlassungsanspruch, der ihm ohnehin nicht zusteht, auch tatsächlich nicht geltend machen will. 769 Vgl. Baur/Stürner, § 25 Rn. 2. 770 Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 793 ff.; zu lauterkeitsrechtlichen Aufbrauchsfristen u. § 5 IV 4 a). 768
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fremde Rechtesphäre relevant bleibt (z. B. beim Zitatrecht nach § 51 UrhG wegen des Namensnennungsrechts nach § 63 UrhG),771 geht es aber analytisch nicht nur um eine Schutzbereichsbegrenzung, sondern um den Ausschluss beziehungsweise die Modifikation der Rechtsdurchsetzung. Mag die Einordnung bei „Schranken“ beziehungsweise Rechtsfolgenregelungen wie § 906 I S. 1 BGB oder § 11 Nr. 1 PatG praktisch wie analytisch folgenlos bleiben, liegt dessen ungeachtet bei Regelungen, die einen Eingriff gegen Zahlung einer Vergütung erlauben (§ 904 BGB; §§ 53 ff. UrhG), der analytische Mehrwert der Einordnung als Rechtsfolgendifferenzierung auf der Hand. Darüber hinaus wird bei „Schrankenbestimmungen“ anders als bei konstitutiven Rechtsübertragungen772 dem Nutznießer der Schranke weder rechtsgeschäftlich noch kraft Gesetzes ein (Nutzungs-)Recht zugewiesen beziehungsweise im Sinne von § 31 UrhG eingeräumt.773 Eine Verfügung liegt nicht vor, auch wenn in der Literatur von „gesetzlichen Lizenzen“ ausgegangen beziehungsweise zumindest gesprochen wird.774 Die Wirkung der Schranke erschöpft sich in einer Privilegierung.775 Dies kann eben dadurch erklärt werden, dass sich ihre Wirkung auf den Ausschluss insbesondere des Unterlassungsanspruchs beschränkt, ohne (wie gesagt rechtslogisch nicht überzeugend) zugleich den Schutzbereich zu beschneiden.776 (2) Selbst wenn dem Grunde nach ein Unterlassungsanspruch besteht, kann dieser unter bestimmten Voraussetzungen nicht durchgesetzt werden. Meist spielen Verhältnismäßigkeitsüberlegungen eine Rolle. Nach § 100 UrhG (wie 771 Hilty, GRUR 2005, 819, 821, sieht eine eigene Kategorie an Schrankenbestimmungen, bei Schranken, die eine Nutzung zwar als erlaubnisfrei vorsehen, aber nur soweit die Voraussetzungen der Schranke erfüllt sind. Andernfalls entstehe ein direkter Vergütungsanspruch. 772 Zum Begriff Forkel, GRUR 1988, 491, 493 ff. 773 Stieper, S. 100 ff., 128 ff., 137 ff.; Hohagen, Festschrift Schricker, S. 353, 354 ff., 360 f. (einschl. Fn. 41); Schranken vermitteln keine „subjektiven Rechte“, grundlegend Stieper, S. 153 ff.; Schack, ZUM 2002, 497, 504; Zech, Schranken, S. 187, 190 f.; vgl. aber Geiger, S. 143, 149 f.; Lehmann, Festschrift Nordemann, S. 43, 44 f., spricht mit Blick auf Art. 5 Computerprogramm-Richtlinie (91/250/EWG) ebenfalls von „Mindestrechten“ der Softwarenutzer. Er betont, dass es sich hierbei nicht um „eine Einschränkung des Schutzumfangs des Ausschließlichkeitsrechts des Urhebers handelt, sondern um die Schaffung von genuinen Nutzungsbefugnissen für jeden berechtigten Verwender von Software“. Ähnlich argumentiert Lehmann, a. a. O., S. 45, mit Blick auf Art. 6 der Datenbank-RL (96/9/EG); Dieselhorst, GRUR Int. 1994, 788, 789 („gesetzliches Recht zur Werknutzung“). 774 Hilty, Festschrift Schricker, S. 325, 334 ff.; Schack, UrhR, § 14 Rn. 480; Abdallah/ Gercke/Reinert, ZUM 2004, 31, 34; vgl. auch instruktiv zur Abgrenzung einer Rechtseinräumung BGHZ 185, 291 Rn. 28 ff. = GRUR 2010, 628 – Vorschaubilder. 775 Vgl. Hohagen, Festschrift Schricker, S. 353, 354 ff., 360 f. („objektiv bewehrte Freiheit“); Stieper, S. 164 f. („rechtliche Freiheit“); Guibault, S. 99 ff.; zum Vorbenutzungsrecht insbesondere im Patentrecht Brzezinski, S. 223. 776 So aber die h. M., nur Hohagen, Festschrift Schricker, S. 353, 359 ff.; Stieper, S. 149 f.; Schack, Festschrift Schricker, S. 511; Geiger, GRUR Int. 2008, 459, 461 f.; BVerfGE 31, 229, 241 – Kirchen- und Schulgebrauch = GRUR 1972, 481; BVerfGE 49, 382, 393 – Kirchenmusik = GRUR 1980, 44; noch weitergehend Haß, Festschrift Klaka, S. 127, 133, 134.
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ähnlich nach § 45 DesignG) kann der schuldlose Verletzer zur Abwendung des Unterlassungsanspruchs den Verletzten in Geld entschädigen, wenn ihm durch den Unterlassungsanspruch ein unverhältnismäßig großer Schaden entstehen würde und dem Verletzten eine Abfindung in Geld zuzumuten ist.777 Der Unterlassungsanspruch kann abgelöst werden. Vor der Einführung dieser Vorschrift hat die Rechtsprechung ein vergleichbares Ergebnis über die analoge Anwendung von § 251 II BGB erzielt.778 Köhler will auch den markenrechtlichen Unterlassungsanspruch im Falle von Unverhältnismäßigkeit ausschließen und durch die Zahlung einer angemessenen Entschädigung in Analogie zu § 251 II S. 1 BGB ablösen. Das könnte etwa der Fall sein, wenn eine zwar prioritätsältere Geschäftsbezeichnung durch eine jüngere Marke verletzt wird, die Geschäftsbezeichnung aber vergleichsweise wirtschaftlich bedeutungslos ist.779 Kraßer/Ann sprechen sich für eine Beschränkung des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs aus, wenn damit die Vernichtung unverhältnismäßig großer wirtschaftlicher Werte einhergehen würde.780 Nach Ohly soll ein patentrechtlicher Unterlassungsanspruch wegen Unverhältnismäßigkeit nach § 275 II BGB im Einzelfall nicht greifen können.781 Problematisch ist jedoch, dass diese Norm nur den Unterlassungsanspruch ausschließt, ohne ihn zugleich verschuldensunabhängig mit einem Entschädigungsanspruch zu ersetzen. Auch wenn die Interessen des Gläubigers über den auch in diesem Fall nicht ausgeschlossenen Schadensersatzanspruch befriedigt werden können (zur Lizenzanalogie vgl. § 139 II S. 3 PatG),782 bleibt das Verschuldenserfordernis problematisch. Zu Recht wird betont, dass ein Ausschluss eines negatorischen Anspruchs stets mit einem verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch einherzugehen hat.783 Sehr praxisrelevant ist weiter die Debatte um den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand,784 der eine „externe Begrenzung“ der Rechtsdurchsetzung bewirken kann.785 Die Durchsetzung des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs kann für sich genommen bereits kartellrechtswidrig sein, wenn eine Lizenzerteilung kartellrechtlich erzwungen werden kann. So sagt der BGH:
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Vgl. auch § 6 III HalblSchG. KG UFITA 11 (1938), 287, 289 – Sefira. 779 Köhler, GRUR 1996, 82, 92. 780 Kraßer/Ann, § 35 VII Rn. 156 f.; vgl. Götting, § 30 Rn. 7. 781 Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 796. 782 Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 796 f. 783 Vgl. Gsell, LMK 2008, 266937; BGH NJW-RR 2010, 315 Rn. 15; s. a. u. § 11 III 2 b). 784 Nur Walz, GRUR Int. 2013, 718 ff.; Sonnenberg, S. 118 ff.; Lamping, S. 365 ff.; zur Rechtslage in England, vgl. Cotter, S. 182. 785 Vgl. Heinemann, S. 207 f. 778
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„Diskriminiert ein marktbeherrschendes Unternehmen mit der Weigerung, einen ihm angebotenen Patentlizenzvertrag abzuschließen, das um die Lizenz nachsuchende Unternehmen in einem gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr oder behindert es den Lizenzsucher damit unbillig, stellt auch die Durchsetzung des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung dar.“786
Der Durchsetzung des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs kann mithin über § 242 BGB der Anspruch auf Lizenzerteilung entgegengehalten werden.787 Aus kartellrechtlicher Sicht kann – unter bestimmten, hier nicht im Detail auszuführenden Voraussetzungen – insbesondere der Inhaber eines standardessentiellen Patents verpflichtet sein, die Technologie zu fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen (FRAND-Bedingungen) zu lizenzieren.788 Auch diese Debatte belegt, dass eben auch Ausschließlichkeitsrechte nicht ausnahmslos über den Unterlassungsanspruch durchgesetzt werden können. Eine Vergütung erhält der Patentinhaber gleichwohl aus dem Lizenzvertrag, der vom Benutzer zwingend abzuschließen ist. Pointiert gesagt, greift auch hier die Rechtsfolge Vergütungszahlung statt der Rechtsfolge Unterlassen. (3) Auch bei Anwartschaftsrechten ist eine Rechtsfolgendifferenzierung zu beobachten: Nach § 33 I HS 1 PatG kann der Patentanmelder von der Veröffentlichung des Hinweises gemäß § 32 V PatG an von demjenigen, der den Gegenstand der Anmeldung benutzt, obwohl er wusste oder wissen musste, dass die benutzte Erfindung Gegenstand der Anmeldung ist, die Zahlung einer angemessenen Entschädigung verlangen. Nach § 33 I Halbsatz 2 PatG sind weitergehende Ansprüche ausdrücklich ausgeschlossen. Die durch die Patentanmeldung begründete Rechtsstellung gewährt (noch) nicht das bei Patentverletzungen übliche Rechtsfolgenarsenal, sondern verweist den Anmelder auf einen Entschädigungsanspruch. Konkret sind sowohl der Schadensersatzanspruch als auch der Unterlassungsanspruch ausgeschlossen. Dies wird insbesondere damit erklärt, dass das Verhalten des Nutzers der technischen Lehre vor Patenterteilung nicht „rechtswidrig“ ist.789 Warum für rechtmäßiges Verhalten dennoch eine Entschädigung fällig wird, bleibt dabei offen. Für die Frage, wie die durch die Patentanmeldung begründete Rechtsstellung verwirklicht wird,790 bringt dies keinen Erkenntnisgewinn. Richtigerweise kann der Anmelder sein Stammrecht (ein Anwartschaftsrecht)791 eben nur 786 BGH GRUR 2009, 694 Rn. 27 – Orange-Book-Standard (Hervorhebung nicht im Original). 787 Schulte/Rinken/Kühnen, § 24 Rn. 69; Kühnen, Festschrift Tilmann, S. 513, 523 f. 788 Zuletzt EuGH Urt. v. 16. 7. 2015, C-170/13 – Huawei = ECLI:EU:C:2015:477 = GRUR 2015, 764; s. a. Sonnenberg, S. 118 ff.; Hauck, NJW 2015, 2767 ff. 789 BGHZ 107, 161 Rn. 16 ff. – Offenend-Spinnmaschine = GRUR 1989, 411, 412. 790 Zum Patentanwartschaftsrecht und seiner Durchsetzung Hofmann, S. 265 ff., 276 ff. 791 Hofmann, S. 265 ff.
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mit bestimmten Rechtsfolgen durchsetzen. Namentlich der Unterlassungsund Schadensersatzanspruch wären in dieser Phase der Rechtsentstehung zu scharfe Schwerter, da insbesondere noch nicht abschließend geklärt ist, ob die technische Lehre in der Tat patentfähig ist.792 Dies ändert nichts daran, dass die wirtschaftliche Verwertung einer patentfähigen Erfindung bereits zum Anmeldezeitpunkt dem Anmelder zugeordnet ist. Wird auf die fehlende „Rechtswidrigkeit“ der Nutzung des Gegenstandes der Anmeldung abgestellt, wird nur verdeckt, dass die Rechtsstellung des Anmelders – ein Stammrecht – differenziert (also lediglich mit einem Entschädigungsanspruch) durchgesetzt wird. Dass der Patentanmelder weder Schadensersatz- noch Unterlassungsansprüche geltend machen kann, folgt nicht aus der fehlenden Rechtswidrigkeit des Eingriffs, sondern daraus, dass eine Unterlassungspflicht nicht besteht. Dies wiederum regelt § 33 I HS 2 PatG. Damit ist zugleich klar, dass der Patentanmelder kein Notwehrrecht hat; der andere ist zum Unterlassen eines Eingriffs nicht verpflichtet. Eine Verkürzung wäre es im Übrigen auch, nur auf ein „Vergütungsrecht“ abzustellen. Wie gesehen, bedarf es einer zweistufigen Prüfung. Mit Blick auf die Rechtsstellung des Markenanmelders verhindert das noch ausstehende Prüfungsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit ebenfalls einen endgültige Verhältnisse schaffenden Unterlassungsanspruch – nach einer Mindermeinung nicht jedoch einen Entschädigungsanspruch.793 (4) Selbst wenn ein Unterlassungsanspruch im Ausgangspunkt besteht, kann dessen praktische Wirksamkeit durch verfahrensrechtliche Erschwernisse eingeschränkt werden. Wenn beispielsweise § 97a III S. 2 UrhG die Erstattungsmöglichkeiten für Abmahnkosten einschränkt, berührt dies faktisch die (uneingeschränkte) Verfügbarkeit des Unterlassungsanspruchs. Hürden finden sich ferner im Zwangsvollstreckungsrecht. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung eines Unterlassungsanspruchs kann über § 712 ZPO erreicht werden.794 Alles in allem belegen vorstehende Ausführungen, dass die These, wonach negatorischen Ansprüchen „praktisch wie logisch“ der Vorrang zukommen muss, de lege lata nicht haltbar ist.795 Ein punktueller Ausschluss des Unterlassungsanspruchs ist keinesfalls systemfremd. Im Gegenteil.
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Hofmann, S. 276 ff.; allgemein vgl. S. 162 ff., 166 ff.; vgl. Dreier, S. 460 f. Hofmann, GRUR Int. 2010, 376, 378 ff. 794 Vgl. Osterrieth, GRUR 2009, 540, 543, 544 f.; vgl. OLG Düsseldorf GRUR 1979, 188, 189 – Flachdachabläufe. 795 Picker, AcP 176 (1976), 28, 40; ders., Festschrift Lange, S. 625, 685; anders für das Vertragsrecht PWW/Schmidt-Kessel/Kramme, § 241 Rn. 20 ff. 793
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b) Schadensersatz, Gewinnherausgabe
Auch jenseits des Unterlassungsanspruchs wird differenziert. Die Rechtsfolgen Schadensersatz und Gewinnherausgabe stehen nicht in jeder Situation zur Verfügung. Es wurde bereits gesehen, dass sich beispielsweise ein Anwartschaftsrechtsinhaber mitunter nicht auf einen Schadensersatzanspruch berufen kann. Es ist durchaus denkbar, dass ein Stammrecht über einen Unterlassungsanspruch verwirklicht wird, nicht jedoch über einen Schadensersatzanspruch. Prominent ist dies im Rahmen der Störerhaftung im Recht des Geistigen Eigentums der Fall. Während über diese Haftungsregel ein Anspruch auf Unterlassung gegen einen nur mittelbar Verantwortlichen begründet wird, soll ein Anspruch auf Schadensersatz gerade nicht bestehen.796 Dogmatische Ungereimtheiten werden zugunsten einer differenzierten Rechtsdurchsetzung in Kauf genommen.797 Andere sehen indes keinen Grund, nach Rechtsfolgen zu differenzieren.798 Namentlich Ohly spricht sich zwar für einen Schadensersatzanspruch zulasten von Intermediären aus, die „Verkehrspflichten“ verletzen. Zugleich will er den Anspruch auf Schadensersatz in zweifacher Hinsicht begrenzen: Erstens plädiert er für eine Haftungsbegrenzung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Zweitens soll der Schadensersatzanspruch auf die durch die Verletzung erzielten Gewinne begrenzt werden.799 Während § 251 BGB als rechtsfolgenmodifizierende Regelung bereits eingeführt wurde, findet sich speziell im Persönlichkeitsrecht ein weiteres Beispiel für die Sensibilität des geltenden Rechts bei Rechtsfolgenregelungen. So kann im Einklang mit den allgemeinen Regeln eine mehrdeutige Meinungsäußerung einen auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht gestützten Unterlassungsanspruch auslösen.800 Dieser Anspruch hat keine Auswirkung auf vergangenes Handeln. Für die Zukunft kann vom Anspruchsgegner indes erwartet werden, dass er sich präzise ausdrückt. Ansprüche auf Schadensersatz und Widerruf (einschließlich des presserechtlichen Gegendarstellungsanspruchs) sind hingegen ausgeschlossen, da andernfalls die Meinungsfreiheit zu stark beeinträchtigt werden würde.801 796 Ständige Rechtsprechung, nur BGHZ 185, 330 Rn. 15, 17 – Sommer unseres Lebens = GRUR 2010, 633; kritisch Krüger/Apel, MMR 2012, 144, 148 ff.; Ohly, Gutachten Juristentag, F 107 f. 797 Für ein einheitliches Haftungskonzept grundlegend Leistner, GRUR-Beil. 2010, 1 ff.; weiteres Beispiel: vgl. Kahle, Die Leistungskondiktion als Alternative zum Kartellschadensersatzanspruch, 2013. 798 Vgl. auch Ensthaler/Heinemann, GRUR 2012, 433, 435, mit Blick auf Haftungsprivilegierungen. 799 Ohly, Gutachten Juristentag, F 108. 800 BVerfGE 114, 339 Rn. 33 ff. = NJW 2006, 207 – IM-Sekretär Stolpe; Erman/N. Klass, Anh § 12 Rn. 112 ff. („Stolpe-Doktrin“); Specht/Müller-Riemenschneider, NJW 2015, 727 ff. 801 BVerfGE 114, 339 Rn. 33 ff. = NJW 2006, 207 – IM-Sekretär Stolpe; Erman/N. Klass, Anh § 12 Rn. 112 ff.
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
Selbst wenn Gewinnherausgabe wie im Recht des Geistigen Eigentums standardmäßig angeordnet ist (§ 139 II S. 2 PatG; § 97 II S. 2 UrhG; § 14 VI S. 2 MarkenG; Art. 13 I a) Enforcement-RL), wird diese Rechtsfolge mitunter im Einzelfall versagt. Steht fest, dass ein Schaden des Rechtsinhabers ausgeschlossen ist, kann ein Anspruch auf Gewinnherausgabe nicht geltend gemacht werden.802 Ein Anspruch auf Bereicherungsherausgabe im dogmatischen Gewande der Schadensberechnungsmethode Lizenzanalogie steht dem Gläubiger demgegenüber selbst in diesem Fall zu.803 Beim Sacheigentum wird die Rechtsfolge Gewinnherausgabe jenseits von Fällen angemaßter Eigengeschäftsführung im Verletzungsfalle bereits standardmäßig nicht gewährt.804 Auch der Schadensersatzanspruch unterliegt damit vielfach Modifikationen, während „bereicherungsrechtliche“ Rechtsfolgen wie Gewinnherausgabe nur selektiv zugestanden werden.805 Dies belegt ein weiteres Mal, dass Stammrechte differenziert durchgesetzt werden. c) Beseitigungs- und Vernichtungsansprüche
Ferner hat der Gläubiger bei Beseitigungsansprüchen Einschränkungen hinzunehmen. Im Nachbarrecht bewirkt beispielsweise § 912 BGB, dass eine Eigentumsverletzung nur durch einen Entschädigungsanspruch in Form einer Geldrente sanktioniert wird, während der Beseitigungsanspruch aus § 1004 I S. 1 BGB verschlossen bleibt. Der Einwand, hier handele es sich schon um gar keine Eigentumsverletzung, mag zwar das dogmatische Zusammenspiel zwischen § 1004 II BGB und § 912 I BGB erklären, trifft aber die Problematik – wie eben dargelegt, o. § 5 IV 2 a) – nicht im Kern. Die Frage wiederholt sich entsprechend: Warum sollte der Schuldner eine Entschädigung zu zahlen haben, wenn er inhaltlich mit fremdem Eigentum nicht in Konflikt gerät? Ein Verständnis, dass ein Eingriff in das Eigentum statt durch die Rechtsfolge Beseitigung (vgl. e contrario §§ 912 I, 1004 I S. 1 BGB) durch die Rechtsfolge Entschädigung (§ 912 II S. 1 BGB) sanktioniert wird, beschreibt die Rechtslage überzeugender, zumal § 912 I a. E. BGB zeigt, dass ein Anspruch auf Fortführung des eben begonnenen Überbaus durchaus besteht.806 802
BGH GRUR 1995, 349, 352 – Objektive Schadensberechnung. BGH GRUR 1995, 349, 352 – Objektive Schadensberechnung. 804 Vgl. Bamberger/Roth/Schubert, § 249 Rn. 16; anders aber Flöter/Königs, ZUM 2012, 383, 387 f. 805 Dogmatisch wird Gewinnherausgabe allerdings nicht als eigenständige Rechtsfolge wahrgenommen, sondern insbesondere als Schadensberechnungsmethode gesehen, vgl. Hofmann, AcP 213 (2013), 469, 474 ff. 806 Rechtswidrigkeit soll gerade vorliegen, vgl. Palandt/Herrler, § 912 Rn. 1; vgl. auch BGH NJW 2003, 3621, 3622 (zu Schadensersatzansprüchen); im Regelfall gilt freilich: Ist der Unterlassungsanspruch ausgeschlossen, kann auch die Rechtsfolge Beseitigung nicht verlangt werden, vgl. Palandt/Herrler, § 1004 Rn. 33. 803
IV. Rechtsfolgendifferenzierung de lege lata
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Wenn der BGH einen Unterschied darin sehen möchte, dass § 912 und § 275 II BGB „verschiedene Gegenstände betreffen“, nämlich die Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs einerseits („aus § 912 Absatz I 1 BGB ergibt sich eine Duldungspflicht“) und die Rechtsfolgen des Beseitigungsanspruchs andererseits („§ 275 Absatz II BGB begründet dagegen eine Einrede gegenüber dem Beseitigungsanspruch“),807 geht dies über eine rhetorische Unterscheidung nicht hinaus. Nach dem BGH soll der Unterschied sein, dass im Falle ersterer Duldungspflicht keinerlei Ansprüche bestehen, während im letzteren Falle der Einrede gegen den Beseitigungsanspruch „andere[…] Ansprüche wegen der rechtswidrigen und schuldhaften Rechtsverletzung […] aber davon unberührt [bleiben]“. Gerade dies kann aber mit der hier eingenommenen Rechtsfolgenperspektive erklärt werden. Im Übrigen bestehen auch im Falle diverser „Duldungspflichten“ alternative Ansprüche (z. B. ein Entschädigungsanspruch, § 906 II S. 2 BGB). Der dogmatische Unterschied in der Entstehung des Rechtsfolgenrechts (Rechtswidrigkeit gegeben oder nicht?)808 kann die sachliche Gemeinsamkeit nicht verdecken: In allen Fällen geht es um interessengerechte Rechtsdurchsetzung.809 Bei Beseitigungsansprüchen aus § 1004 I S. 1 BGB ist jedoch vor allem umstritten, ob § 275 II BGB grundsätzlich Anwendung finden kann.810 Die Rechtsprechung subsumiert dabei unter § 275 II BGB selbst im Falle dinglicher Beseitigungsansprüche.811 Die ältere Rechtsprechung hat mit dem Rechtsgedanken aus § 251 II S. 1 BGB argumentiert.812 Selbst nach der Gegenansicht soll der Ausschluss des Beseitigungsanspruchs wegen der generellen Grenzen des Rechtsmissbrauchs im Einzelfall greifen können. Es soll ein allgemeiner Rechtsgedanke sein, dass die Rechtsordnung nicht etwas „ganz und gar Unzumutbares“ abverlangen kann.813 Schließt man den Beseitigungsanspruch aus, kann an seine Stelle – unter der Voraussetzung des Verschuldens – ein 807
BGH NJW 2008, 3123 Rn. 20. Kritisch zum Erfordernis dieses Kriteriums vgl. u. § 9. 809 Ein Unterschied besteht aber in der Intensität der Begrenzung der Rechtsdurchsetzung: Ist diese generell begrenzt oder nur im Einzelfall erschwert, dazu u. § 11 I. 810 Palandt/Grüneberg, § 275 Rn. 3; Gsell, LMK 2008, 266937; Kolbe, NJW 2008, 3618 ff.; Korth, ZJS 2008, 647, 653 ff.; Heusch, Festschrift Meibom, S. 135, 136 f.; zustimmend Riehm, S. 5 f., 418 ff. 811 BGH NJW 2008, 3122 Rn. 17; BGH NJW 2008, 3123 Rn. 18 ff.; BGH NJW-RR 2010, 315 Rn. 13 ff.; BGH NJW 2010, 2341 Rn. 9. 812 BGHZ 62, 388 Rn. 5 = NJW 1974, 1552, 1553; BGHZ 143, 1 Rn. 16 = NJW 2000, 512, 514. 813 Picker, AcP 176 (1976), 28, 64 f.; der Ausschluss des Anspruchs komme aber eben nur sehr ausnahmsweise (als eine Art „übergesetzlicher Notstand“) in Betracht, sei also anders als beim Schadensersatzanspruch § 251 BGB gerade nicht die „normale“ Rechtsfolge; auch bedürfe es dann einer „dinglichen“ Ausgestaltung, ders., Festschrift Lange, S. 625, 644 f., 660 ff., 691 ff., 695 f.; ders., Beseitigungsanspruch, S. 162 f.; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 152, 154 ff.; vgl. Kolbe, NJW 2008, 3618, 3619 f. 808
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
Schadensersatzanspruch treten.814 Unabhängig davon wäre aber das Bestehen zumindest eines Entschädigungsanspruchs sachgerecht. Es sollte daher über eine (analoge) Anwendung von §§ 906 II S. 2, 912 II, 917 II BGB815 wahlweise § 251 I BGB816 oder seiner Herleitung aus § 242 BGB817 nachgedacht werden. Dafür spricht nicht nur das Interesse des Berechtigten, nicht ohne jegliche Abhilfemöglichkeit dazustehen, sondern auch der Rechtsvergleich. Der Gedanke damages in lieu of an injunction hat für Fälle,818 in denen der Unterlassungsbeziehungsweise Beseitigungsanspruch ausgeschlossen ist, auch für das deutsche Recht Überzeugungskraft. Ausdrücklich wird der Beseitigungsanspruch in immaterialgüterrechtlichen Sonderregelungen beschränkt.819 Dort steht der Vernichtungsanspruch als Spezialfall des Beseitigungsanspruchs regelmäßig unter einem Verhältnismäßigkeitsvorbehalt (§ 18 III MarkenG; § 140a IV PatG; § 98 IV UrhG; § 43 IV DesignG; vgl. zudem § 98 V UrhG, der einen Beseitigungsanspruch komplett ausschließt).820 Stattdessen bleibt zu überlegen, ob analog § 251 II S. 1 BGB eine Entschädigung geschuldet ist.821 Statt Vernichtung besteht auch die Möglichkeit des Abkaufs der Verletzungsstücke (z. B. § 43 III DesignG; § 98 III UrhG). Jänich meint, dass die Sonderregelungen zeigen, dass dem Ausschluss des Beseitigungsanspruchs doch nicht so starker Ausnahmecharakter zukommt, wie vielfach angenommen. Da sowohl konkret das Urheberrecht als auch das Eigentum verfassungsrechtlich geschützt sind, könne es im Ergebnis durchaus gerechtfertigt sein, einen unverhältnismäßigen Ausschluss zu rechtfertigen.822 Und ein letztes Beispiel: Im Falle des Herüberwachsens von Wurzeln wird kein Beseitigungsanspruch, sondern nur ein Selbsthilferecht gewährt (§§ 907 II, 910).823
3. Rechtsfolgendifferenzierung bei der Durchsetzung von Mitbestimmungsrechten und Zuständigkeiten Die Rechtsordnung sieht vielfach vor, dass an einem Entscheidungsprozess innerhalb einer privatrechtlichen Organisation mehrere beteiligt sind. Wenn die 814
Vgl. BGH NJW 2008, 3123 Rn. 20; BGHZ 156, 170 = NJW 2003, 3621. Gsell, LMK 2008, 266937; vgl. auch BGH NJW-RR 2010, 315 Rn. 15; Staudinger/ Gursky, § 1004 Rn. 156; Korth, ZJS 2008, 647, 656 f., der zudem § 275 IV BGB zu bedenken gibt. 816 Canaris, JZ 2004, 214, 224 (Fn. 109). 817 Kolbe, NJW 2008, 3618, 3619, 3620; MünchKomm/Baldus, § 1004 Rn. 242. 818 Vgl. Burrows, Remedies, S. 514 f. 819 Vgl. auch Dreier, S. 459 f. 820 Vgl. auch Dreier, S. 461 f. 821 Vgl. Köhler, GRUR 1996, 82, 86 f.; Fezer, § 18 Rn. 107. 822 Jänich, S. 356 f. 823 Vgl. Canaris, Festschrift Medicus, S. 25, 53 ff. 815
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Rechte nicht nur „auf dem Papier“ bestehen sollen, muss die Rechtsordnung sicherstellen, dass entsprechende Mitbestimmungsrechte beziehungsweise Zuständigkeitsregelungen auch tatsächlich beachtet werden. Dies kann dadurch geschehen, dass der Rechtsverletzer verpflichtet wird, es zu unterlassen, Mitbestimmungsrechte zu verletzen oder seine Kompetenzen zu überschreiten. Am Beispiel der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats (a)) und gesellschaftsrechtlicher Organklagen (b)) wird aufgezeigt, dass in bestimmten Fallkonstellationen ein Unterlassungsanspruch im Ergebnis gerade nicht als geeignete Rechtsfolge zur Durchsetzung von Mitbestimmungsrechten beziehungsweise zur Verwirklichung der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzordnung angesehen wird.824 Andere Rechtsschutzmöglichkeiten werden vorgezogen. Zum wiederholten Male zeigt sich, dass Rechte nicht zwingend mittels des Unterlassungsanspruchs verwirklicht werden. a) Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats
Im Betriebsverfassungsgesetz sind zahlreiche Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats geregelt. Unabhängig von der Reichweite der Rechte im Einzelnen – das Problem des Umfangs der Rechtsposition gehört auf die Stammrechtsebene – stellt sich die Frage, wie ein Verstoß gegen eine zwingende Mitwirkungsbefugnis sanktioniert wird. Gemäß § 23 III S. 1 BetrVG kann sich der Betriebsrat bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungsrechte mit einem Unterlassungsanspruch zur Wehr setzen. Das Bundesarbeitsgericht hat darüber hinaus anerkannt, dass bei der Verletzung von Mitbestimmungsrechten unabhängig von den Voraussetzungen des § 23 III BetrVG ein „allgemeiner Unterlassungsanspruch“825 bestehen kann.826 § 23 III BetrVG soll keine abschließende Regelung darstellen. Alternative Sanktionsmöglichkeiten reichen nicht immer aus:827 Namentlich die „Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung“, wonach eine Einzelmaßnahme des Arbeitgebers, die betriebsverfassungswidrig getroffen wurde, unwirksam ist, soll nicht genügen.828 Auch die Möglichkeit, den Konflikt über das Einigungs824 Weiteres Beispiel: Ein Pfandverkauf ist rechtmäßig trotz Verstoßes gegen § 1237 S. 2 BGB; es besteht aber ein Anspruch auf Schadensersatz, § 1243 BGB; vgl. v. Tuhr, § 4 III, S. 98 ff. (einschl. Fn. 21). 825 „Allgemeiner betriebsverfassungsrechtlicher Unterlassungsanspruch“, Bauer/Diller, ZIP 1995, 95, 96; Übersicht bei Hintzen, ArbRAktuell 2014, 610, 611 ff. 826 BAGE 76, 364 = NJW 1995, 1044 = AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 23; zuvor bereits BAGE 48, 246 Rn. 26 = NZA 1985, 783 = AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 5; BAGE 115, 239 = NZA 2005, 1372, 1374 = BetrVG 1972 § 95 Nr. 43; anders aber noch BAGE 42, 11 = NJW 1984, 196 = AP Nr. 2 zu § 23 BetrVG 1972. 827 Vgl. aber Dobberahn, NJW 1995, 1333, 1334. 828 BAG NZA 1997, 274, 277 = BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 68; s. a. Lobinger, ZfA 2004, 101, 140 f.; Bauer/Diller, ZIP 1995, 95, 96.
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stellenverfahren beizulegen, wird nicht als ausreichende alternative Schutzmöglichkeit gewertet.829 Gerade bei kurzfristigen Maßnahmen versagt das Verfahren.830 Dennoch muss nicht jedes betriebsverfassungswidrige Verhalten zwingend einen Unterlassungsanspruch auslösen.831 Dem Gesetzgeber kann zwar im Ausgangspunkt nicht unterstellt werden, dass er rechtswidriges Verhalten sanktionslos hinnehmen will.832 Die Annahme eines Unterlassungsanspruchs ist daher nach Ansicht des BAG keine unzulässige Rechtsfortbildung. So wird ausgeführt: „Nicht die Bejahung eines Unterlassungsanspruchs, sondern dessen Verneinung bedarf einer besonderen Begründung“.833
Doch zeigt gerade diese Formulierung, dass es durchaus begründete Fälle geben kann, in denen ein Unterlassungsanspruch nicht die Sanktion der Wahl ist. Darauf weist das BAG dann auch konkret hin: Es muss für jeden Mitbestimmungstatbestand gesondert geprüft werden, ob dieser dem Betriebsrat einen Unterlassungsanspruch gewährt oder nicht.834 Ausdrücklich hebt das Bundesarbeitsgericht hervor, dass dies gerade nicht heißt, dass „jede Verletzung von Rechten des Betriebsrats ohne Weiteres zu einem Unterlassungsanspruch führt.“835 Es soll nicht nur auf den einzelnen Mitbestimmungstatbestand, sondern auch auf die konkrete gesetzliche Ausgestaltung und die Art der Rechtsverletzung ankommen.836 Das BAG sieht es daher nicht als widersprüchlich an, einen Unterlassungsanspruch bei bestimmten Mitbestimmungsrechten zu bejahen, bei anderen wie beispielsweise der Mitbestimmung
829 Vgl.
Lobinger, ZfA 2004, 101, 133 ff. BAGE 76, 364, 374 = NJW 1995, 1044 = AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 23. 831 Grundsätzlich kritisch gegen den „allgemeinen Unterlassungsanspruch“ des Betriebsrats Adomeit, NJW 1995, 1004 ff.; Dobberahn, NJW 1995, 1333, 1334 („Aus einer Berechtigung des Betriebsrats allein folgt aber noch nicht das als Anspruch i. S. von § 194 BGB zu verstehende Recht, vom Arbeitgeber ein bestimmtes Verhalten zu verlangen“); vgl. Konzen, NZA 1995, 865, 867 ff. 832 BAG NZA 1997, 274, 277 = BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 68. 833 BAG NZA 1997, 274, 277 = BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 68. 834 BAGE 76, 364 = NJW 1995, 1044, 1045 = AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 23; BAGE 115, 239 = NZA 2005, 1372, 1374 = BetrVG 1972 § 95 Nr. 43; vgl. Lobinger, ZfA 2004, 101, 144. 835 BAGE 76, 364 = NJW 1995, 1044, 1046 = AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 23; BAGE 115, 239 = NZA 2005, 1372, 1374 = BetrVG 1972 § 95 Nr. 43; eine Verletzung der Mitbestimmungsrechte aus § 87 BetrVG löst nach BAGE 76, 364 einen Unterlassungsanspruch aus; eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 95 I BetrVG dadurch, dass der Arbeitgeber bei der Sozialauswahl ein Punkteschema ohne Zustimmung des Betriebsrats angewandt hat, löst nach BAGE 115, 239 einen Unterlassungsanspruch aus; s. a. BAGE 78, 379 = NZA 1995, 488 = AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 24. 836 BAGE 76, 364 = NJW 1995, 1044, 1046 = AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 23; BAGE 115, 239 = NZA 2005, 1372, 1374 = BetrVG 1972 § 95 Nr. 43. 830
IV. Rechtsfolgendifferenzierung de lege lata
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bei personellen Maßnahmen oder wirtschaftlichen Angelegenheiten aber zu verneinen.837 Entsprechend wird zum Beispiel diskutiert, ob eine Verletzung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats durch den Arbeitgeber bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats auslösen kann.838 Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung wird ein Unterlassungsanspruch abgelehnt.839 Anders als bei den Mitbestimmungsrechten aus § 87 I BetrVG oder § 95 I BetrVG kann der Arbeitgeber nach § 100 I BetrVG eine Maßnahme vorläufig durchführen, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist.840 Selbst wenn das dafür in § 100 II BetrVG vorgesehene Verfahren missachtet wird, soll ein „allgemeiner Unterlassungsanspruch“ nicht bestehen.841 Alternative Sanktionsmöglichkeiten schützen den Betriebsrat hinreichend: § 101 S. 1 BetrVG sieht für den Fall der Verletzung des Mitwirkungsrechts aus § 99 I S. 1 BetrVG vor, dass dem Arbeitgeber durch das Arbeitsgericht aufgegeben wird, die personelle Maßnahme aufzuheben.842 Das Gesetz „zielt auf nachträgliche Beseitigung, nicht auf vorbeugende Unterlassung der Störung.“843 Bei besonders schweren Verstößen ergibt sich der Unterlassungsanspruch demgegenüber direkt aus § 23 III BetrVG. Während ein erster leichter Verstoß über eine Feststellungsklage geltend gemacht werden kann, vermag ein erneuter Verstoß dann einen „groben Pflichtverstoß“ im Sinne von § 23 III BetrVG zu begründen.844 Bagatellfälle oder nur kurzfristig betriebsverfassungswidrige Zustände müssen zunächst hingenommen werden.845 Die Gegenansicht zu Verstößen gegen § 99 BetrVG verweist darauf, dass es unzumutbar sei, dass der Betriebsrat beispielsweise die drohende Ein837 BAGE 76, 364 = NJW 1995, 1044, 1046 = AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 23; BAGE 115, 239 = NZA 2005, 1372, 1374 = BetrVG 1972 § 95 Nr. 43. 838 Vgl. Richardi/Thüsing, § 23 Rn. 84; Konzen, NZA 1995, 865, 872; BAGE 78, 379 = NZA 1995, 488 = AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 24. 839 BAGE 131, 145 Rn. 14 ff. = BAG NJW 2010, 172 = AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 48; BAGE 137, 194 = NZA 2011, 871 = AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 63; Bauer, ArbRAktuell 2009, 214; vgl. Raab, ZfA 1997, 183, 209 ff., 235 ff.; a. A. Lobinger, ZfA 2004, 101, 170 f. 840 BAGE 131, 145 Rn. 17 f. = BAG NJW 2010, 172 = AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 48. 841 BAGE 131, 145 Rn. 14 = BAG NJW 2010, 172 = AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 48; BAGE 137, 194 = NZA 2011, 871 = AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 63. 842 BAGE 131, 145 Rn. 19 = BAG NJW 2010, 172 = AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 48. 843 BAGE 131, 145 Rn. 19 = BAG NJW 2010, 172 = AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 48. 844 BAGE 131, 145 Rn. 25 = BAG NJW 2010, 172 = AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 48. 845 BAGE 131, 145 Rn. 21 f. = BAG NJW 2010, 172 = AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 48.
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stellung eines Arbeitnehmers abzuwarten habe, nur um sie dann über § 101 BetrVG durch das Arbeitsgericht wieder aufheben zu lassen.846 Auch bei Kündigungen ohne Anhörungen des Betriebsrats werden im Ergebnis die Rechte des Betriebsrats gesichert, ohne dass es dafür eigens eines Unterlassungsanspruchs bedarf.847 Nach § 102 I S. 3 BetrVG ist eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam. Führt der Arbeitgeber eine geplante Betriebsänderung nach § 111 BetrVG durch, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, können in diesem Zusammenhang entlassene Arbeitnehmer nach § 113 I, III BetrVG einen Abfindungsanspruch geltend machen.848 Der Betriebsrat mag auch zumindest ausnahmsweise kurzfristig eine „betriebsverfassungswidrige Lage“ wegen eines Verstoßes gegen § 87 BetrVG infolge einer Notsituation zu dulden haben, wenn § 87 BetrVG durch eine nachträgliche Aufhebungsmöglichkeit der Maßnahme im Ergebnis dennoch gewahrt bleibt.849 Allen letztgenannten Beispielen ist gemeinsam, dass die Rechte des Betriebsrats durch alternative (mittelbare) Sanktionen im Ergebnis gewahrt werden. Ein Unterlassungsanspruch ist hierfür nicht stets zwingend erforderlich.850 Es zeigt sich erneut, dass die Rechtsordnung anderen Sanktionsmechanismen gegenüber dem Unterlassungsanspruch mitunter bewusst Vorrang einräumt. Die Rechtsfolge Unterlassen wird als Reaktion auf eine Rechtsverletzung nicht in jedem Fall als geeignet beziehungsweise zweckmäßig erachtet.851 Freilich ist die Argumentation des BAG anders geprägt: Es geht weniger um eine Diskussion der Sachgerechtigkeit der Rechtsfolge Unterlassen; leitend sind vielmehr dogmatische Bedenken.852 Das Bundesarbeitsgericht fragt, ob Spezialregelungen wie § 23 III BetrVG oder Alternativsanktionen wie § 101 BetrVG dazu führen, dass ein allgemeiner Unterlassungsanspruch verdrängt wird. Eine transparente Diskussion, welche Rechtsfolgen der Sache nach optimal
846 Vgl.
Bauer/Diller, ZIP 1995, 95, 98; s. a. Lobinger, ZfA 2004, 101, 168 ff. BAGE 115, 239 = NZA 2005, 1372, 1374 = BetrVG 1972 § 95 Nr. 43; Lobinger, ZfA 2004, 101, 142. 848 Vgl. BAGE 115, 239 = NZA 2005, 1372, 1374 = BetrVG 1972 § 95 Nr. 43; vgl. Gruber, NZA 2011, 1011 ff., der sich aber für einen Unterlassungsanspruch ausspricht; vgl. auch Hintzen, ArbRAktuell 2014, 610, 612. 849 Vgl. BAGE 76, 364 = NJW 1995, 1044, 1046 = AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 23; bloße Eilbedürftigkeit soll aber nicht ausreichen, was sich aus einem Umkehrschluss zu § 115 VII Nr. 4 BetrVG ergeben soll. In diesem Fall kann aber schon das Mitwirkungsrecht nicht betroffen sein, so dass sich die Frage nach einem Unterlassungsanspruch von vorneherein nicht stellt. 850 Vgl. BAGE 115, 239 = NZA 2005, 1372, 1374 = BetrVG 1972 § 95 Nr. 43. 851 Wann Unterlassen geeignet und zweckmäßig ist, wird noch vertieft (u. § 8). 852 BAGE 131, 145 Rn. 20 = BAG NJW 2010, 172 = AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 48 („systematische[…] Grundentscheidung des Gesetzgebers“; ein allgemeiner Unterlassungsanspruch könne zur „Bedeutungslosigkeit der expliziten gesetzlichen Regelung“ führen). 847 Vgl.
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sind oder umgekehrt, ob die Rechtsfolge Unterlassen situationsabhängig zu „streng“ wäre, wird allenfalls angedeutet.853 b) Organklagen im Gesellschaftsrecht
Trotz fehlender ausdrücklicher gesetzlicher Normierung wird auch im Gesellschaftsrecht diskutiert, ob missachtete Beteiligungsrechte einzelner Organe oder Kompetenzüberschreitungen Unterlassungsansprüche auslösen.854 Die Verfügbarkeit eines Unterlassungsanspruchs ist im Grundsatz anerkannt: „Der Schutz der innergesellschaftlichen Ordnung ist daher kein Gesichtspunkt, der eine mit solchem Ziel erhobene Leistungs- oder Unterlassungsklage ausschließen könnte. Vielmehr muß ein Aktionär, soll er nicht rechtlos gestellt sein, diese Klage jedenfalls dann erheben können, wenn zur Wahrung seiner Rechte ebenso geeignete aktienrechtliche Behelfe nicht zur Verfügung stehen oder nur auf schwierigen Umwegen zum Ziel führen könnten“.855
Damit ist aber zugleich angedeutet, dass der Unterlassungsanspruch nicht in jeder denkbaren Konstellation einschlägig sein muss. Zumindest nach einer Mindermeinung soll in der Tat beispielsweise das Abberufungsrecht des Vorstands durch den Aufsichtsrat vorrangig sein und einem Unterlassungsanspruch entgegenstehen.856 Auch wenn es hier in der Sache um die Frage geht, ob Organe eigene Rechte haben,857 zeigt dies, dass Unterlassungsansprüche nicht zwingend verfügbar sein müssen. Ein Beispiel für differenzierte Rechtsdurchsetzung findet sich ferner in § 246a AktG geregelten Freigabeverfahren.858
4. Rechtsfolgendifferenzierung bei gesetzlichen Verhaltenspflichten Das Lauterkeitsrecht schützt die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern und der Allgemeinheit. Zur Durchsetzung dieser Rechtsstellung gewährt das Lauterkeitsrecht neben einem Anspruch auf Gewinnherausgabe (§ 10 UWG) Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche (§§ 9, 8 UWG). Zur Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs sind anders als bei Unterlassungsansprü853 BAGE 76, 364 = NJW 1995, 1044 = AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 23, setzt sich mit dem Einwand auseinander, ein Unterlassungsanspruch könne eine „Blockadepolitik“ begünstigen. 854 Vgl. Fritzsche, S. 33 f.; zur Mitgliedschaft als subjektivem Recht Habersack, S. 98 ff.; gleichzeitig wird dadurch die Trennung von Stammrechten und Rechtsfolgenrechten bestätigt, vgl. nur Habersack, S. 229 f. (Anfechtungsrecht als „Sekundärrecht“, dessen Grundlage das in der Mitgliedschaft verkörperte „Primärrecht auf gesetz- und satzungsmäßige Beschlussfassung“ ist); s. a. BGHZ 83, 122 = NJW 1982, 1703 („Holzmüller-Entscheidung“; BGHZ 159, 30 = NJW 2004, 1860 („Gelatine-Entscheidung“). 855 BGHZ 83, 122 = NJW 1982, 1703, 1706. 856 Übersicht bei Fritzsche, S. 34. 857 Fritzsche, S. 35; vgl. auch Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721, 723, 725. 858 Vgl. MünchKomm/Hüffer/Schäfer, AktG, § 246a Rn. 2.
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
chen Verbände nicht befugt (§ 8 III UWG). Vor allem aber bestehen Unterlassungsansprüche trotz der Verwirklichung eines Unlauterkeitstatbestands nicht ausnahmslos. So kann die Einstellung einer unzulässigen geschäftlichen Handlung bisweilen erst nach Ablauf einer bestimmten Frist geltend gemacht werden (a)). Ein Verstoß gegen die betriebsverfassungsrechtliche „Pflicht“ zu politischer Neutralität wird grundsätzlich ebenfalls nicht durch die Rechtsfolge Unterlassen sanktioniert (b)). Auch wenn dies im Folgenden nicht vertieft wird, zeigt nicht zuletzt das Fehlen einer § 10 UWG vergleichbaren Regelung im Betriebsverfassungsrecht, dass Rechtsfolgen differenziert eingesetzt werden. a) Lauterkeitsrechtliche Aufbrauchsfristen
Obwohl gemäß § 8 I UWG derjenige, der eine nach §§ 3, 7 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, bei Begehungsgefahr ohne Weiteres auf Unterlassen in Anspruch genommen werden kann, gewährt die Rechtsprechung dem Unterlassungsschuldner unter bestimmten Voraussetzungen eine Art Schonfrist. Durch die Gestattung einer so genannten Aufbrauchs-, Beseitigungs- oder Umstellungsfrist ist in einem solchen Falle das rechtswidrige Verhalten befristetet hinzunehmen.859 Eine gerichtliche Anordnung, das beanstandete unlautere Verhalten sofort einzustellen, kann im Einzelfall eine unverhältnismäßige Härte bedeuten. Hat der Schuldner beispielsweise den Vertrieb eines Produkts, das mit einer lauterkeitsrechtlich unzulässigen Kennzeichnung versehen ist, sofort einzustellen, kann dies praktisch bedeuten, dass die Produkte zu zerstören sind.860 Damit ist dem Schuldner nicht nur die Chance auf die Erwirtschaftung eines Gewinns genommen, sondern zugleich sind auch seine Investitionen frustriert. Wenn der (gutgläubige) Schuldner dadurch besonders hart getroffen werden würde und weder die Interessen des Unterlassungsgläubigers noch der Allgemeinheit durch eine zeitlich begrenzte Fortsetzung des unlauteren Verhaltens unzumutbar beeinträchtigt werden, kann mithin die Durchsetzung des lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruchs durch die Gewährung einer Aufbrauchsfrist zeitweise ausgesetzt werden.861 Dieser Rechtsgedanke ist – wenn auch nach bestrittener
859 Umfassend Fritzsche, S. 237 ff.; Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.72 ff.; Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 38 ff.; Teplitzky/Feddersen, 57. Kap. Rn. 17 ff.; Köhler, GRUR 1996, 82, 89 ff.; Dreier, S. 463 ff.; das OLG Saarbrücken (GRUR-RR 2008, 176, 177 – Anwaltsbriefkopf) spricht von einem „Überlegungs-, Reaktions- und Organisationszeitraum“. 860 Beispiele für praktische Härten bei Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 5 Rn. 4.140 (irreführender Hinweis auf Patentschutz, § 5 I S. 2 Nr. 3 UWG) und § 8 Rn. 1.72 ff.; aus der Rechtsprechung z. B. OLG Stuttgart GRUR-RR 2014, 251, 256 – Mark Brandenburg. 861 BGH GRUR 1974, 474, 476 – Großhandelshaus; BGHZ 82, 375 = GRUR 1982, 425, 431 – Brillen-Selbstabgabestellen.
IV. Rechtsfolgendifferenzierung de lege lata
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Ansicht – im Recht des Geistigen Eigentums,862 im Eigentumsrecht863 und zumindest nach einer Minderansicht im AGB-Recht ebenfalls anwendbar.864 Im Übrigen kann auch bei Beseitigungsansprüchen eine „Beseitigungsfrist“ gewährt werden.865 Nach überwiegender Ansicht handelt es sich jeweils um eine materiellrechtliche Beschränkung des Unterlassungsanspruchs.866 Dieser ist fürs Erste nicht durchsetzbar.867 Unabhängig davon, dass dies als Sonderfall erscheint und Unterlassungsansprüche im Lauterkeitsrecht tatsächlich den Regelfall bilden, belegt dies doch, dass selbst aus der Verwirklichung eines Verbotstatbestandes nicht zwingend ein Unterlassungsanspruch folgt. Oder in der hier verwendeten Terminologie: Nicht jeder Eingriff in ein Verbraucherrecht begründet sofort das Rechtsfolgenrecht Unterlassen. Zur Makulatur wird der UWG-Tatbestand dennoch selbst dann nicht, wenn die „Unterlassungspflicht“868 den Kern des Tatbestandes bildet. Entscheidend ist, dass derartige Verhältnismäßigkeitsüberlegungen nur den Unterlassungsanspruch betreffen.869 Nicht der Lauterkeitsrechtsverstoß wird aus Gründen der Verhältnismäßigkeit negiert, sondern einzig die Rechtsfolge Unterlassen wird modifiziert.870 Auch wenn eine Aufbrauchsfrist gewährt wird, behält der Gläubiger seinen Anspruch auf Schadensersatz871 oder einen Entschädigungsanspruch analog § 251 II S. 1 BGB.872 Mit den Worten des BGH: 862 Fritzsche, S. 250; zum Patentrecht Benkard/Grabinski/Zülch, § 139 Rn. 136a; nunmehr aber BGH GRUR 2016, 1031 – Wärmetauscher; zum Urheberrecht Schricker/Loewenheim/Wild, § 97 Rn. 201 und § 100 Rn. 11; kritisch Wandtke/Bullinger/Bohne, § 100 Rn. 4; im Markenrecht Fezer, § 14 Rn. 512 und Ingerl/Rohnke, Vor §§ 14–19 Rn. 188 ff. 863 OLG Düsseldorf NJWE-MietR 1997, 250, 251; s. a. Fritzsche, S. 252 f. 864 Fritzsche, S. 251 f.; anders die h. M., vgl. Köhler/Bornkamm § 1 UKlaG, Rn. 12. 865 BGH GRUR 1977, 614, 616 – Gebäudefassade. 866 Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.73 m. w. N. 867 Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 39, ordnet dies dogmatisch überzeugend als Einrede gemäß § 275 II ein, die „als dilatorisch zu qualifizieren ist“; die h. M. bemüht § 242 BGB, BGHZ 82, 375 = GRUR 1982, 425, 431 – Brillen-Selbstabgabestellen. 868 Genauer u. § 9 I 4. 869 Vgl. über das Wettbewerbsrecht hinaus Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 795 f.; zur Rechtsfolgendifferenzierung bei weiteren wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen Köhler, GRUR 1996, 82 ff. (Schadensersatzansprüche), 85 ff. (Beseitigungsansprüche), 88 ff. (Auskunftsansprüche). 870 Beispiel: BGH GRUR 2007, 1079 Rn. 32 f. und Rn. 40 – Bundesdruckerei; Köhler/ Bornkamm, § 8 Rn. 1.67 und Rn. 1.74; vgl. auch Dreier, S. 463 ff.; Beschränkungen aus Verhältnismäßigkeitsgründen können sowohl bei der Tatbestandsmäßigkeit einer Verletzung als auch bei der Feststellung der Rechtsfolgen auftreten, Köhler, GRUR 1996, 82 und S. 90 f. 871 BGH GRUR 1960, 563, 567 – Sektwerbung; BGH GRUR 1982, 420, 423 – BBC/DDC; BGH GRUR 1974, 735, 737 – Pharmamedan; Köhler, GRUR 1996, 82, 90; vgl. Berlit, Aufbrauchsfrist, S. 118; anders Spätgens, WRP 1994, 693, 695. 872 Köhler, GRUR 1996, 82, 90 f.; prozessual stellt sich dabei die Frage, ob die „Ablösemöglichkeit“ ein „minus“ oder ein „aliud“ gegenüber dem Unterlassungsanspruch ist (vgl. § 308 I ZPO). Klar ist jedenfalls, dass ein gewährter Entschädigungsanspruch auf den
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
„[D]as rechtswidrige Verhalten des Bekl. [wird] nicht rechtmäßig und ein Schadensersatzanspruch des Kl. für diesen Zeitraum, falls den Bekl. ein Verschulden an der Rechtsverletzung trifft, [wird] nicht berührt.“873
Es handelt sich um eine „dem Beklagten gewährte Rechtswohltat, die nur den Unterlassungsanspruch des Klägers betrifft.“874 Kurzum, eine bestehende Rechtsverletzung wird ausdrücklich nicht mit dem Unterlassungsanspruch, sondern nur mit alternativen Rechtsfolgen angegangen. Das „Rechtswidrigkeitskriterium“ sorgt bei lauterkeitsrechtlichen Aufbrauchsfristen, durch die nur der Unterlassungs-, nicht aber der Schadensersatzanspruch ausgeschlossen wird, hingegen für mehr Verwirrung als Ordnung.875 b) Betriebsverfassungsrechtliche Pflichten
Im kollektiven Arbeitsrecht bestehen zwar gesetzliche Pflichten, deren Missachtung aber nicht stets durch einen Unterlassungsanspruch sanktioniert werden kann. Verletzt etwa der Betriebsrat betriebsverfassungsrechtliche Pflichten, ist damit noch nicht gesagt, dass der Arbeitgeber unmittelbar verlangen kann, dass erneute Zuwiderhandlungen unterbleiben. So hat das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitgeber einen Unterlassungsanspruch verwehrt, obwohl der Betriebsrat gegen die Pflicht aus § 74 II S. 3 BetrVG verstoßen hat, parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen.876 Trotz einer entsprechenden Unterlassungspflicht will das Gericht eine zugehörige Anspruchsgrundlage für einen Unterlassungsanspruch nicht finden.877 Es bemüht einen UmkehrSchadensersatzanspruch anzurechnen ist, sofern dieser nicht ohnehin ausgeschlossen ist, vgl. § 100 S. 3 UrhG. 873 BGH GRUR 1974, 735, 737 – Pharmamedan. 874 BGH GRUR 1974, 735, 737 – Pharmamedan; diese „Wohltat“ steht allerdings nicht im „Ermessen“ des Gerichts; entsprechend kritisch zum Begriff Köhler, GRUR 1996, 82, 90. 875 Köhler, GRUR 1996, 82, 90, 91 („Eine andere dogmatische Lösung wäre es – wollte man die Rechtswidrigkeit des Handelns während der Aufbrauchsfrist verneinen –, dem Gläubiger als Äquivalent für seine Duldungspflicht einen ‚Aufopferungsanspruch‘ zu gewähren, wie er aus dem Rechtsgedanken der §§ 904 S. 2, 906 Abs. 2 S. 2 BGB, 14 S. 2 BImSchG hergeleitet wird (‚Dulde und liquidiere‘).“); mangels „Rechtswidrigkeit“ wollen manche entgegen der Rechtsprechung (nur BGH GRUR 1960, 563, 567 – Sektwerbung) Schadensersatzansprüche ebenfalls nicht zubilligen, Spätgens, WRP 1994, 693, 695; vgl. Dreier, S. 464; auch für die Frage, ob das Fotografieren fremder Sachen erlaubt ist, lässt sich aus dem Begriff der Rechtswidrigkeit nichts gewinnen, vgl. Pfister, JZ 1976, 156 ff.; zum Problem des „effizienten Vertragsbruchs“ unter dem Aspekt der „Rechtswidrigkeit“ Riehm, S. 189 f.; nach hier vertretener Ansicht kann aber ein Anspruch auf Schadensersatz bestehen, obgleich ein „Naturalerfüllungsanspruch“ nicht besteht, s. a. u. § 11 III 3 a). 876 BAGE 133, 342 = BAG NJW 2010, 3322 = AP BetrVG 1972 § 74 Nr. 12; kritisch Burger/Rein, NJW 2010, 3613 ff. 877 BAGE 133, 342 Rn. 26 = BAG NJW 2010, 3322 = AP BetrVG 1972 § 74 Nr. 12; anders noch BAGE 34, 75 = NJW 1981, 1800 = AP BetrVG 1972 § 74 Nr. 3 und BAG BetrVG 1972 § 75 Nr. 5 daran hält das BAG, a. a. O. Rn. 25 ausdrücklich nicht mehr fest.
IV. Rechtsfolgendifferenzierung de lege lata
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schluss zu § 23 III BetrVG.878 Während zugunsten des Betriebsrats ausdrücklich ein Unterlassungsanspruch normiert ist, fehle es an einer vergleichbaren Bestimmung zugunsten des Arbeitgebers. Dies soll sachgerecht sein, da ein Unterlassungsanspruch wegen der Vermögenslosigkeit des Betriebsrats praktisch ohnehin nicht vollstreckbar wäre.879 Zudem verweist das Bundesarbeitsgericht auf alternative Rechtsschutzmöglichkeiten des Arbeitgebers.880 Nach § 23 I BetrVG kann er die Auflösung des Betriebsrats wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beim Arbeitsgericht beantragen. Außerdem besteht die Möglichkeit einer Feststellungsklage nach § 256 I ZPO, die wegen der bei einem Unterlassungsanspruch gegebenen Vollstreckungsschwierigkeiten der Rechtsfolge Unterlassen letztlich gleichwertig erscheint.881 Selbst wenn also gegen das Verbot parteipolitischer Betätigung verstoßen wird, verwehrt das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitgeber wegen des „systematische[n] Gesamtzusammenhang[s]“ einen Unterlassungsanspruch.882 In der Gesetzessystematik ist angelegt, dass betriebsverfassungsrechtliche Pflichtverletzungen unterschiedliche Rechtsfolgen auslösen, je nachdem, ob der Verstoß durch den Arbeitgeber oder den Betriebsrat erfolgt.883 Warum aber im referierten Beispiel über die dogmatische Argumentation hinaus die Rechtsfolge Unterlassen falsch sein soll, wird nicht aufgezeigt. Selbst wenn der Unterlassungsanspruch faktisch nicht vollstreckbar wäre (auch Ordnungsbeziehungsweise Zwangshaft wären unter Berücksichtigung von § 85 I S. 3 ArbGG problematisch), würde der Unterlassungsanspruch doch jedenfalls nicht schaden. Nichtsdestotrotz belegt dies erneut, dass Verbote beziehungsweise entsprechende korrespondierende Rechte nicht zwingend durch den Unterlassungsanspruch verwirklicht werden müssen. Der Ausschluss des Unterlassungsanspruchs kann in der Gesetzessystematik angelegt sein, selbst wenn die Verletzung einer ausdrücklich normierten gesetzlichen Unterlassungspflicht im Raum steht.
5. Ergebnis Rechte können auf unterschiedliche Art und Weise durchgesetzt werden. Nicht immer müssen dabei sämtliche nur denkbaren Rechtsfolgen zur Verfügung stehen. Im Gegenteil: Eine Sichtung einschlägiger Fälle zeigt, dass 878
BAGE 133, 342 Rn. 27 = BAG NJW 2010, 3322 = AP BetrVG 1972 § 74 Nr. 12. BAGE 133, 342 Rn. 27 f. = BAG NJW 2010, 3322 = AP BetrVG 1972 § 74 Nr. 12; s. a. § 85 I S. 3 ArbGG. 880 BAGE 133, 342 Rn. 29 = BAG NJW 2010, 3322 = AP BetrVG 1972 § 74 Nr. 12. 881 BAGE 133, 342 Rn. 29 = BAG NJW 2010, 3322 = AP BetrVG 1972 § 74 Nr. 12. 882 BAGE 133, 342 Rn. 27 und Rn. 25 („gesetzliche[…] Zusammenhang“) = BAG NJW 2010, 3322 = AP BetrVG 1972 § 74 Nr. 12. 883 BAGE 133, 342 Rn. 27 = BAG NJW 2010, 3322 = AP BetrVG 1972 § 74 Nr. 12. 879
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§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem
Rechte de lege lata vielfach differenziert durchgesetzt werden. Nicht jedwede Rechtsfolge wird automatisch gewährt.
V. Fazit Ein Neudenken des deutschen Rechtsfolgensystems führt vor allem zu einem Perspektivenwechsel. Nicht der Anspruch, sondern die ihm vorausgelagerten Stammrechte stehen im Mittelpunkt. Die Rechtsordnung wird nicht als Summe von Ansprüchen, sondern als eine Sammlung von Stammrechten wahrgenommen. Diese werden durch bestimmte Rechtsfolgenrechte verwirklicht. Welches Rechtsfolgenrecht wann beziehungsweise unter welchen Voraussetzungen, für wen, wie lange etc. zur Rechtsverwirklichung zur Verfügung steht, bestimmt der Anspruch, der als Teil des materiellen Rechts zu begreifen ist. Ansprüche erscheinen im hier entwickelten Rechtsbehelfsmodell als die konkrete Durchsetzungsbefugnis eines vorausgelagerten Rechts. Die Stammrechte stecken demgegenüber die Grenzen deren Schutzbereiche ab. Rechtsübertragungen wie Belastungen beziehen sich regelmäßig auf diese. Welche Dispositionsbefugnisse einem Stammrecht immanent sind, richtet sich nach dem konkreten Recht und wird nicht allein durch die Bezeichnung als Stammrecht präjudiziert. Die Gliederung der Rechtsordnung in Stammrechte und Rechtsfolgenrechte erweist sich als hilfreiches Analysewerkzeug. Statt beispielsweise das Sachproblem der Rechtsdurchsetzung über einen Unterlassungsanspruch hinter Begriffen wie „widerrechtlich“, „rechtswidrig“, „Duldungspflicht“, „Schranken“ oder fehlende „Einziehungsbefugnis“ beziehungsweise „Klagbarkeit“ zu verstecken, kann diese Frage übergeordnet der Ebene der Rechtsdurchsetzung zugewiesen werden. Zusammengehörendes kann auf diese Weise im Zusammenhang analysiert werden. Umgekehrt kann eine Rechtszuweisung frei davon diskutiert werden, wie die Durchsetzung zu erfolgen hat. Das Wechselspiel zwischen der Rechtfertigung eines Rechts und seiner Durchsetzung tritt erst durch ein Verständnis des Rechtsfolgensystems als Rechtsbehelfsmodell klar zu Tage. Der hier propagierte Perspektivenwechsel gestattet, einen differenzierten Blick auf die Rechtsdurchsetzung zu werfen. Es konnte dargelegt werden, dass selbst bei Ausschließlichkeitsrechten der Unterlassungsanspruch vielfach nicht greift. Auch bei vertraglichen Absprachen, deren Kern Unterlassungspflichten sind, muss ein korrespondierender Unterlassungsanspruch nicht zwingend bestehen. § 275 II BGB belegt wie lauterkeitsrechtliche Aufbrauchsfristen darüber hinaus, dass materiellrechtliche Interessenabwägungen beim Zuspruch von Rechtsfolgen der deutschen Rechtsordnung bekannt sind. Rechtsfolgendifferenzierung erweist sich als systemimmanent; Interessenabwägungen zum Ausschluss einer Rechtsfolge im Einzelfall sind systemkonform. Wenn auch die Annahme eines Unterlassungsanspruchs vielfach richtig ist, stellt sich der
V. Fazit
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punktuelle Ausschluss des Unterlassungsanspruchs im begründeten Einzelfall in gleicher Weise als sachgerecht heraus (dazu näher u. § 8). Strukturell handelt es sich nicht um eine möglichst zu vermeidende Ausnahme, sondern um die Regel, der zufolge der Ausschluss des Unterlassungsanspruchs in begründeten Fällen durchaus als Normalfall erscheint. Dies wiederum ist Kennzeichen eines Rechtsbehelfssystems.884 Rechtsfolgenrechte stehen gleichrangig nebeneinander; der Vorrang bestimmter Rechtsbehelfe vor anderen besteht a priori nicht. Wird das geltende Recht in diesem Sinne verstanden, lässt es sich – zumal vor dem supranationalen Hintergrund – zugleich besser verstehen. Nicht zuletzt erlaubt der Perspektivenwechsel eine privatrechtsübergreifende dogmatische Betrachtung von Rechtsfolgen, insbesondere von Unterlassungsansprüchen (u. § 9).
884
Zu Parallelen im „remedy-System“ o. § 1 III; s. a. o. § 1 IV, § 3 III, IV.
§ 6 Ergebnis zum Ersten Teil Während im anglo-amerikanischen Rechtskreis das Law of Remedies seit langem als eigenes Rechtsgebiet aufgefasst wird, unterliegen Rechtsfolgen im Anspruchssystem keiner eigenständigen, vom „Sachrecht“ losgelösten Analyse. Es hat sich aber im Ersten Teil gezeigt, dass Rechtsfolgen durchaus einer isolierten Betrachtung zugänglich sind. Welche Rechtsfolgen zur Verwirklichung eines bestimmten Rechts verfügbar sind, betrifft einen abspaltbaren Problemkreis. Wird das Anspruchssystem als Rechtsbehelfsmodell interpretiert, steht der Entwicklung eines eigenständigen „Rechts der Rechtsfolgenrechte“ auch in Deutschland nichts mehr im Wege. Das hier entwickelte Rechtsbehelfsmodell des deutschen Privatrechts basiert auf einer kategorialen Unterscheidung zwischen Stammrechten und Rechtsfolgenrechten. Es handelt sich jeweils um materielle Rechte, wenn auch eben um kategorial zu unterscheidende. Eine solche Fortentwicklung des Anspruchssystems ist schon deshalb angezeigt, um die Anschlussfähigkeit des Anspruchssystems an das unionsrechtliche Rechtsfolgensystem zu gewährleisten. Wenn auch die Entwicklung europäischer Rechtsfolgenrechte noch in den Kinderschuhen steckt, wird dort nicht in Ansprüchen, sondern in Stammrechten und Rechtsbehelfen „gedacht“. Dies ist im Übrigen im Völkerrecht angelegt. Der Perspektivenwechsel, der mit der Interpretation des Anspruchssystems als Rechtsbehelfsmodell verbunden ist, stellt sich aber auch aus anderen Gründen als gewinnbringend dar. Ein Denken in Rechtsbehelfen wirft ein neues Licht auf die Systematik des BGB. So wird erhellt, dass die Eingriffskondiktion als Rechtsfolgenrecht auf einer Stufe mit der Rechtsfolge Schadensersatz aus § 823 I BGB beziehungsweise § 280 I BGB sowie dem Erfüllungsanspruch steht. Das Recht, eine rechtsgrundlose Zahlung zurückzufordern, gehört wie die aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag oder einem Vertrag entstehenden Forderungsrechte (nicht gleichzusetzen mit Ansprüchen) auf die Stufe primärer Rechte. Mit einer solchen Sicht sollte es leichter fallen, privatrechtsübergreifend „bereicherungsrechtliche“ Rechtsfolgen, also solche, die statt wie beim Schadensersatz an die Bilanz des Geschädigten an die des „Schädigers“ (genauer: des „Restitutionsschuldners“) anknüpfen, nicht nur aus didaktischen Gründen gemeinsam zu analysieren. In England ist dies mit der Begründung des Law of Restitution mit Ertrag erfolgt.
§ 6 Ergebnis zum Ersten Teil
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Vor allem aber befördert ein solches Verständnis des deutschen Rechts die Einsicht, dass Rechte auf unterschiedliche Weise durchgesetzt werden können. Dadurch wird eine bisher unbekannte Möglichkeit einer weiteren Nuancierung geschaffen. Ein im Einzelfall als zu stark empfundenes Recht kann durch eine moderate Durchsetzung fallweise interessengerecht geschliffen werden. Die Existenz des Rechts muss dafür nicht in Frage gestellt werden. Bereits de lege lata ist dies vielfach der Fall. Eine transparente Diskussion um die Sachgerechtigkeit einer Rechtsfolge ist aber am besten möglich, wenn dies ausdrücklich als Rechtsfolgenproblem adressiert wird. Der Frage, ob etwa ein Kaufvertrag in Natur erfüllt werden muss, steht das hier entwickelte System indes neutral gegenüber. Es ist die Aufgabe des jeweiligen „Sachrechts“, des materiellen Rechts im engeren Sinne, die optimalen Rechtsfolgen herauszuarbeiten. Klar ist aber: Genauso wie sich die Rechtszuweisung rechtfertigen lassen muss, muss letztlich auch der Zuspruch einer bestimmten Rechtsfolge begründbar sein. Während im Urheberrecht dem Urheber das ausschließliche Vervielfältigungsrecht mit guten Gründen grundsätzlich zugewiesen werden kann, sieht sich der Unterlassungsanspruch im privaten Bereich oder im Falle grundrechtlich geschützter Gegeninteressen (insbesondere Art. 5 GG) insbesondere mit Blick auf Vervielfältigungen Rechtfertigungsschwierigkeiten ausgesetzt. Durch die Trennung von grundsätzlicher Zuweisung und deren Durchsetzung lassen sich beide Fragen, Rechtszuweisung und Rechtsdurchsetzung, sind sie vom Ergebnis auch miteinander verwoben, als sachlich getrennte Problemkreise analytisch besser greifen. Im Hinblick auf die Rechtsfolge Unterlassen gilt es nun im Zweiten Teil, die hier entwickelte Theorie auf ihre praktische Tauglichkeit hin genauer zu überprüfen und mit weiteren Details anzureichern.
Zweiter Teil
Der Rechtsbehelf Unterlassen Im Ersten Teil wurde nachgewiesen, dass Rechtsfolgenrechte und namentlich der Unterlassungsanspruch je als Rechtsbehelfe verstanden werden können. Es wurde gezeigt, dass Rechtsfolgen einer isolierten Betrachtung zugänglich sind. Damit kann nun die eigentliche Aufgabe, die Analyse des Rechtsbehelfs Unterlassen beziehungsweise des Unterlassungsanspruchs, angegangen werden. Im Rechtsbehelfssystem besteht, wie gesehen, zum einen ein gesteigertes Bewusstsein dafür, dass Rechte (hier: Stammrechte) differenziert verwirklicht werden können. Rechtsfolgen stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern sind erst im Zusammenhang erfassbar. Nicht immer müssen sämtliche denkbaren Ansprüche gewährt werden. Insbesondere kann sich die Rechtsfolge Unterlassen als unpassend erweisen. Zum anderen lassen sich Rechtsfolgen privatrechtsübergreifend untersuchen. Unabhängig von der Natur des zu verwirklichenden Rechts lassen sich gemeinsame Strukturen von Ansprüchen und deren Durchsetzung ermitteln. Ehe jedoch die privatrechtsübergreifende Funktions- und Strukturanalyse des Unterlassungsanspruchs angegangen wird, muss der status quo geklärt werden (§ 7). Eine Sichtung der über das Privatrecht verstreuten Unterlassungsansprüche und ihrer Durchsetzungsmöglichkeiten bringt ans Licht, dass nach gegenwärtigem Verständnis von einem einheitlichen privatrechtlichen Unterlassungsanspruch nicht die Rede sein kann. Literatur und Rechtsprechung kennen vielmehr eine Vielzahl von Unterlassungsansprüchen, die nicht nur im Detail unterschiedlich behandelt werden, sondern deren jeweilige verfahrensrechtliche Durchsetzung ebenfalls durch Besonderheiten gekennzeichnet ist. Vor allem interessiert aber die Rolle der Rechtsfolge Unterlassen im Rechtsfolgensystem (§ 8). Um diese zu ermitteln, müssen die Funktionen des Unterlassungsanspruchs herausgearbeitet werden.1 Unterlassungsansprüchen werden dabei sehr unterschiedliche Funktionen zugeschrieben. Ob Unterlassen die 1 Statt von Funktion kann auch von Zwecken, vom Grund, dem Ziel, der Aufgabe, dem zugrunde liegenden Prinzip oder der ratio legis bzw. der vom Gesetzgeber intendierten Wirkungsweise gesprochen werden. Die Begriffe Zweck, Funktion, Aufgabe etc. werden hier synonym verwendet. In der Sache geht es um den telos der einzelnen Rechtsfolgenrechte. Zu den Begriffen, Dreier, S. 123 ff.; vgl. auch Stoll, S. 146 (einschließlich Fn. 4); Dreier, S. 125, will nur von rechtlichen Zwecken und tatsächlichen Wirkungsweisen sprechen und den Begriff der Funktion nicht gebrauchen. Tatsächlich wird z. B. der Begriff der Funktion im Markenrecht verwendet, um die tatsächlichen und die rechtlich geschützten Funktionen
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Zweiter Teil: Der Rechtsbehelf Unterlassen
geeignete Rechtsfolge zur Rechtsverwirklichung ist, hängt dabei maßgeblich davon ab, welches Stammrecht unter welchen Umständen verwirklicht werden soll und inwieweit Alternativrechtsfolgen diese Aufgabe gleichwertig oder besser erfüllen können. Auf Basis der Funktionsanalyse wird deutlich, dass nicht jedes Stammrecht unter allen Umständen mittels Unterlassungsansprüchen durchgesetzt werden muss. Geboten ist eine differenzierende Betrachtung. Die bereits im Ersten Teil gewonnene Erkenntnis, dass selbst bei Ausschließlichkeitsrechten de lege lata Unterlassungsansprüche nicht stets gewährt werden, erfährt damit eine theoretische Rechtfertigung. Während also die Verfügbarkeit des Rechtsbehelfs Unterlassen vom vorausliegenden Stammrecht abhängt, ist die Anatomie des Unterlassungsanspruchs davon unabhängig. Der Unterlassungsanspruch ist privatrechtsübergreifend einheitlich ausgestaltet (§ 9). Ein Recht des Gläubigers, Unterlassen verlangen zu können (Unterlassungsanspruch), entsteht stets erst dann, wenn die Nichtbeobachtung einer konkreten Unterlassungspflicht sich zu wiederholen Gefahr läuft oder erstmalig droht. Erst dann besteht ein Bedürfnis für die Rechtsdurchsetzung mittels eines Unterlassungsanspruchs. Einheitliche Strukturen finden sich auch bei der prozessualen Durchsetzung (§ 10). Es macht insbesondere wertungsmäßig keinen Unterschied, ob der Unterlassungsanspruch gerichtlich oder außergerichtlich durchgesetzt wird. Im Wissen um diese materiellrechtlichen sowie verfahrensrechtlichen dogmatischen Strukturen lassen sich schließlich anhand ausgewählter praktischer Beispiele die Stellschrauben benennen, mit denen die Rechtsverwirklichung mittels eines Unterlassungsanspruchs ausgeschlossen beziehungsweise begrenzt werden kann (§ 11). Die Einsichten der Funktionsanalyse lassen sich auf diese Weise umsetzen.
der Marke zu umschreiben. Zu einem “functional approach to remedies” Barnett/Harder, S. 12 ff.; Cooper-Stephenson, S. 1, 18 ff.
§ 7 Bestandsaufnahme privatrechtlicher Unterlassungsansprüche Zunächst bedarf es also einer Bestandsaufnahme. Eine Sichtung der im Privatrecht anzutreffenden Unterlassungsansprüche zeigt,1 dass der Vielzahl von Unterlassungsansprüchen keine einheitliche Struktur zugrundezuliegen scheint. Sowohl die Entstehungsvoraussetzungen als auch die prozessuale Durchsetzung variieren nach überwiegender Ansicht beträchtlich. Davon zeugt bereits, dass die privatrechtlichen Unterlassungsansprüche nach verschiedenen Kriterien kategorisiert werden (I.). Das ganze Spektrum der in Rechtsprechung und Literatur betonten Unterschiede lässt sich aber vor allem dadurch dokumentieren, dass die materiellen Tatbestandsmerkmale der einzelnen Unterlassungsansprüche sowie die jeweiligen Voraussetzungen der prozessualen Durchsetzung gegenübergestellt werden. Es empfiehlt sich freilich, nicht sämtliche Unterlassungsansprüche einzeln zu betrachten, sondern diejenigen Unterlassungsansprüche gemeinsam zu analysieren, die von Rechtsprechung und Literatur (weitgehend) ähnlich behandelt werden. Zunächst werden daher Unterlassungsansprüche, die auf einer (ausdrücklich) vereinbarten Unterlassungspflicht beruhen (II.), mit Unterlassungsansprüchen wegen der Verletzung sonstiger vertraglicher Verhaltenspflichten kontrastiert (III.).2 Dem wiederum werden entsprechend Unterlassungsansprüche infolge der Verletzung absoluter Rechte (IV.) und der Verletzung sonstiger gesetzlicher Verhaltenspflichten gegenübergestellt (V.). Abschließend wird auf genuin unionsrechtliche Unterlassungsanordnungen eingegangen, wie sie sich im Recht des Geistigen Eigentums finden (VI.).
1 Der Begriff Unterlassen wird im Gesetz nur zurückhaltend gebraucht, vgl. Köhler, AcP 190 (1990), 496, 499, mit Verweis auf §§ 194 I, 241 I S. 2, 339 S. 2, 12 S. 2, 550 [nunmehr § 541], 1004 I BGB und § 890 I ZPO. 2 Bereits H. Lehmann, S. 2, machte auf den Unterschied zwischen den „Unterlassungsverbindlichkeiten, die als selbständiger Gegenstand einer Leistungspflicht in Betracht kommen, und denen, die nur die Kehrseite einer positiven Verbindlichkeit sind“ aufmerksam. Unterlassungsverpflichtungen durch einseitige Rechtsgeschäfte sind schwer vorstellbar, wenn auch theoretisch möglich (Beispiel: letztwillige Verfügungen), vgl. H. Lehmann, S. 132 f.
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§ 7 Bestandsaufnahme privatrechtlicher Unterlassungsansprüche
I. Überblick zum Meinungsstand zur Einteilung von Unterlassungsansprüchen Unterlassungsansprüche treten in allen Bereichen des Zivilrechts auf. Folgende Einteilungen können einen Überblick über deren – vermeintlich – unterschiedliche Strukturen geben. Die rechtswissenschaftliche Literatur sieht in der Trennung gesetzlicher und vertraglicher Unterlassungsansprüche die entscheidende Differenzierung (1.). Weitere Untergliederungen der sich aus dem Gesetz ergebenden Unterlassungsansprüche werden als weniger bedeutsam, wenn nicht gar als verwirrend eingestuft.3 Dennoch werden in diesem Sinne beispielsweise negatorische, quasi-negatorische oder deliktische Unterlassungsansprüche unterschieden, direkte und indirekte Unterlassungsansprüche gegenübergestellt, in Verletzungsunterlassungsansprüche und vorbeugende Unterlassungsansprüche unterkategorisiert oder dingliche Unterlassungsansprüche abgegrenzt (2.). Unterlassungsansprüche auf vertraglicher Grundlage sollen sich ebenfalls weiter differenzieren lassen: Es werden selbständige und unselbständige vertragliche Unterlassungsansprüche ausgemacht (3.). Denkbar ist im Übrigen auch eine Sortierung der Unterlassungsansprüche nach Rechtsgebieten (4.).
1. Vertragliche und gesetzliche Unterlassungsansprüche Die wichtigste Einteilung ist die in vertragliche und gesetzliche Unterlassungsansprüche.4 Allgemeiner wird von rechtsgeschäftlichen und gesetzlichen Unterlassungsansprüchen gesprochen.5 Vereinzelt werden daneben noch der richterrechtliche6 und der titulierte Unterlassungsanspruch unterschieden.7 In der älteren Literatur wurde in ähnlicher Weise zwischen Unterlassungsansprüchen aus absolutem Recht und aus relativem Recht differenziert.8 Als Unterscheidungskriterium dient die Art der Entstehung des Anspruchs. Entscheidend soll sein, ob sich der Anspruch auf Unterlassung aus einer ver3 Teplitzky/Schaub, 2. Kap. Rn. 11; doch auch Schaub gliedert dann nach Verletzungsunterlassungsansprüchen und vorbeugenden Unterlassungsansprüchen (vgl. ab 4. Kapitel sowie ab 9. Kapitel). Bei ersteren differenziert sie weiter zwischen direkten und indirekten Unterlassungsansprüchen (4. Kapitel); vgl. Fritzsche, S. 25. 4 Baur, JZ 1966, 381; Fritzsche, S. 4, 25 ff.; Teplitzky/Schaub, 2. Kap. Rn. 11; Grosch, S. 35 f.; mitunter wird auch von der Unterscheidung zwischen vertraglichen und gesetzlichen „Unterlassungsklagen“ gesprochen, Wesel, Festschrift Lübtow, S. 787, 788; Bacher, S. 3 f.; dazu kritisch Fritzsche, S. 26. 5 Fritzsche, S. 25. 6 Ritter, S. 29; kritisch Fritzsche, S. 31. 7 Köhler, JZ 2005, 489. 8 Stephan, S. 89 ff., 104 ff.; H. Lehmann, S. 88 ff., 107 ff.
I. Überblick zum Meinungsstand zur Einteilung von Unterlassungsansprüchen 257
traglichen Abrede oder der Verwirklichung eines entsprechenden gesetzlichen Tatbestandes ergibt.9 Ein Unterschied zwischen gesetzlichen und vertraglichen Unterlassungsansprüchen wird darin gesehen, dass gesetzliche Unterlassungsansprüche stets akzessorisch zur geschützten Rechtsposition sein sollen; daraus folge, dass diese nicht isoliert abtretbar seien.10 Die Unterscheidung soll sich ferner bei den unterschiedlichen Zurechnungs- beziehungsweise Haftungsregelungen auswirken: Innerhalb einer Sonderverbindung gilt § 278 BGB für die Haftung von Erfüllungsgehilfen. Außerhalb von Sonderverbindungen regeln § 831 BGB oder Spezialregelungen wie § 14 VII MarkenG sowie § 8 II UWG die Verantwortlichkeit für das Handeln Dritter.11 Entsprechende Haftungsregeln besorgen die Grundsätze der Störerhaftung oder (wettbewerbsrechtliche) Verkehrspflichten.12 Während im Hinblick auf den Schadensersatzanspruch § 831 BGB als Schwäche des Deliktsrechts ausgemacht wird,13 sind die Haftungsregelungen der gesetzlichen Unterlassungshaftung allerdings nicht minder streng.14 Bezweifelt wird ferner, ob bei den Verjährungsregelungen kategoriale Unterschiede zwischen den beiden Typen von Unterlassungsansprüchen bestehen.15 Eine scharfe Trennung zwischen vertraglichen und gesetzlichen Unterlassungsansprüchen ergibt sich auch nicht bei einzelnen Tatbestandsmerkmalen. Zwar kommt es nach dem BGB bei selbständigen vertraglichen Unterlassungsansprüchen (Unterlassen ist als Leistung primär geschuldet) auf eine Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr für die Anspruchsentstehung nach herrschender Meinung nicht an.16 Die Entstehungsvoraussetzungen vertraglicher Unterlassungsansprüche zum Schutz sonstiger Interessen nach § 241 II BGB unterscheiden sich aber nicht von denen entsprechender gesetzlicher Ansprüche aus § 1004 I i. V. m. § 823 BGB.17 Die strenge Zweiteilung wird im Übrigen durch Abgrenzungsprobleme in Frage gestellt. Ob eine Unterlassungspflicht auf Vertrag oder Gesetz beruht, lässt sich nicht immer klar sagen. So ist strittig, ob handels- oder gesellschaftsrechtliche Wettbewerbsverbote nach § 60 beziehungsweise § 112 HGB oder der betriebsverfassungsrechtliche Unterlassungs9
Fritzsche, S. 25 f., 31. Grosch, S. 36; zu Unterschieden vgl. auch Dreier, S. 495 f.; s. aber o. § 5 II 2. 11 Fritzsche, S. 32; Köhler, JZ 2005, 489, 490; ders., AcP 190 (1990), 496, 510; vgl. Looschelders, SR AT, § 1 Rn. 22. 12 BGHZ 200, 76 = GRUR 2014, 657 – BearShare; BGHZ 173, 188 = GRUR 2007, 890 – Jugendgefährdende Medien. 13 Vgl. Medicus/Lorenz, SR AT, § 31 Rn. 375. 14 Fritzsche, S. 32; Köhler, JZ 2005, 489, 490. 15 Köhler, JZ 2005, 489 ff.; vgl. aber noch Köhler, GRUR 1996, 231, 232 ff., und Fritzsche, S. 32. 16 BGH NJW 1999, 1337, 1338 – Datenbankabgleich; s. aber u. § 9 IV. 17 Vgl. Fritzsche, S. 106. 10
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anspruch gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Natur sind.18 Letztlich wird in dieser Arbeit nachgewiesen, dass der rechtliche Grund für die Anordnung der Rechtsfolge Unterlassung zweitrangig ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich die Unterlassungspflicht aus einem Rechtsgeschäft, einem absoluten Recht oder einer gesetzlichen Verhaltenspflicht ergibt. Die entscheidende Frage ist vielmehr, ob in einer konkreten Situation vom materiellen Recht überhaupt eine konkrete Unterlassungspflicht angeordnet wird (u. § 9 II, III).
2. Weitere Untergliederung gesetzlicher Unterlassungsansprüche Die Einteilung der Unterlassungsansprüche in gesetzliche und vertragliche wird demgegenüber von vielen für verfeinerungsbedürftig gehalten. Meist werden die gesetzlichen Unterlassungsansprüche entsprechend weiter untergliedert.19 Es wird darauf hingewiesen, dass dadurch gewisse Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen von Unterlassungsansprüchen aufgezeigt und Einzelprobleme besser eingeordnet werden können,20 auch wenn zum Teil die praktische Relevanz geleugnet wird.21 Bedauernswerterweise hat die stetige Erweiterung der Unterlassungsansprüche zu einer terminologischen Vielfalt geführt, die sich häufig in der Form begrifflicher Unklarheit widerspiegelt.22 Im Folgenden sollen die wichtigsten Verästelungen überblicksartig nachgezeichnet werden. a) Negatorische und quasi-negatorische Unterlassungsansprüche
Innerhalb der gesetzlichen Unterlassungsansprüche werden negatorische und quasi-negatorische Unterlassungsansprüche auseinandergehalten.23 Zu ersteren gehören nach engstem Verständnis nur die Unterlassungsansprüche zur Verteidigung des Eigentums nach § 1004 I S. 2 BGB und anderer beschränkter dinglicher Rechte aufgrund einer ausdrücklichen Verweisung auf § 1004 BGB (z. B. § 1027 BGB).24 Andere zählen dazu sämtliche aus absoluten Rechten folgende Unterlassungsansprüche.25 Zu letzteren werden überwiegend dieje18
Fritzsche, S. 32 f., 36 f. Baur, JZ 1966, 381; zur Differenzierung zwischen Unterlassungsansprüchen bei Eingriffen in absolute Rechte und Unterlassungsansprüche infolge des Verstoßes gegen gesetzliche Verbote u. § 7 IV und § 7 V. 20 Fritzsche, S. 25; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 16 („[…] quasinegatorische Abwehransprüche unterscheiden sich nach Funktion und Inhalt erheblich von der Negatoria“). 21 Teplitzky/Schaub, 2. Kap. Rn. 11; Ritter, S. 41 ff. 22 Fritzsche, S. 25, 122; Ritter, S. 29 f., 41 ff.; Baur, JZ 1966, 381; Vieweg/Werner, § 9 Rn. 7 (Fn. 30). 23 Wesel, Festschrift Lübtow, S. 787, 788; Staudinger/Olzen, § 241 Rn. 136; Baur, JZ 1966, 381; Ritter, S. 37 f. 24 Vieweg/Werner, § 9 Rn. 6 und Rn. 7. 25 Medicus/Petersen, BR, § 24 Rn. 628; Erman/F. Ebbing, § 1004 Rn. 9; Wesel, Festschrift 19
I. Überblick zum Meinungsstand zur Einteilung von Unterlassungsansprüchen 259
nigen Unterlassungsansprüche gezählt, die ihre Grundlage in einem erweiterten Verständnis von § 1004 BGB finden, namentlich Unterlassungsansprüche zum Schutz von Rechtsgütern, rechtsähnlichen Positionen beziehungsweise bestimmten rechtlich geschützten Interessen.26 Die Rechtsprechung hat den Anwendungsbereich des § 1004 BGB nicht nur auf die in § 823 I BGB neben dem Eigentum genannten Rechte (einschließlich des Persönlichkeitsrechts) ausgedehnt, sondern auch über § 823 II BGB deliktisch geschützte Interessen in den Anwendungsbereich der (quasi-)negatorischen Haftung einbezogen.27 Wie die begrifflichen Grenzen im Einzelnen verlaufen, wurde an anderer Stelle nachgezeichnet und bedarf hier keiner Vertiefung.28 Unterschiedliche begriffliche Einordnungen resultieren mitunter aus einem unterschiedlichen Verständnis, was unter einem absoluten Recht zu verstehen ist. Wer beispielsweise das Leben oder den Körper in § 823 I BGB nicht als absolutes Recht, sondern als ein deliktisch geschütztes „Lebensgut“ versteht, neigt eher zu einer Einordnung entsprechender Unterlassungsansprüche als quasi-negatorische.29 Gleiches gilt für die Frage, ob die Firma, das Namensrecht oder das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu den absoluten Rechten (oder auch Ausschließlichkeitsrechten) zu zählen sind oder es sich jeweils um ein „Rechtsgut, das Rechten nur ähnlich ist“, handelt.30 Auch die Unterscheidung negatorischer und quasi-negatorischer Unterlassungsansprüche führt nicht weiter. Letztlich spiegelt die Zweiteilung der gesetzlichen Unterlassungsansprüche in negatorische und quasi-negatorische die historische Entwicklung wider.31 Es wurden nicht nur neue Rechte geschaffen, sondern zugleich wurde die Unterlassungshaftung sowohl von der Rechtsprechung als auch vom Gesetzgeber entgegen ursprünglicher Skepsis gegenüber Unterlassungsansprüchen stetig ausgeweitet.32 Während diese Skepsis hier durchaus von Interesse ist, hilft die Aufspaltung in negatorische Lübtow, S. 787, 788 f.; Baur, JZ 1966, 381; Erman/N. Klass, Anh § 12 Rn. 279, will das allgemeine Persönlichkeitsrecht mittels eines quasi-negatorischen Anspruchs schützen. 26 Erman/F. Ebbing, § 1004 Rn. 10; Jauernig/Berger, § 1004 Rn. 2; Wesel, Festschrift Lübtow, S. 787, 788 spricht auch dann von „quasinegatorischen Klage[n]“, wenn es wie im Lauterkeitsrecht auch um den Schutz von Allgemeininteressen geht; Brehm/Berger, § 7 Rn. 10; Medicus/Petersen, BR, § 24 Rn. 628; Vieweg/Werner, § 9 Rn. 7; Baur, JZ 1966, 381; vgl. Ritter, S. 37 f. 27 RGZ 60, 6, 7; RGZ 116, 151, 153; BGHZ 30, 7 Rn. 23 f. = NJW 1959, 1269, 1271 (zum Persönlichkeitsrecht); für einen Überblick siehe nur Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 16. 28 Vgl. Nachweise bei Fritzsche, S. 123; Vieweg/Werner, § 9 Rn. 7. 29 Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 16; Baur, JZ 1966, 381. 30 Vgl. zum Namensrecht Medicus/Petersen, BR, § 24 Rn. 628 und § 19 Rn. 440 und Baur, JZ 1966, 381; Jauernig/Berger, § 1004 Rn. 2. 31 Vgl. Funcke, Die sogenannte actio quasinegatoria, 2010; vgl. Peukert, Güterzuordnung, S. 308 f. 32 Zur „Vorsicht des Bürgerlichen Gesetzbuchs“ im Hinblick auf den Unterlassungsanspruch Henke, JA 1987, 350, 354; beispielsweise folgt der Unterlassungsanspruch bei einem Eingriff in das Urheberrecht seit 1965 aus § 97 I UrhG, während RGZ 153, 1, 27, den
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und quasi-negatorische Unterlassungsansprüche nicht weiter. Sie orientiert sich lediglich an formalen Gesichtspunkten. Auch lässt sich der Rechtscharakter von Persönlichkeitsrechten oder beispielsweise des Lebens nicht leugnen. Es handelt sich um absolute Rechte.33 Der Unterlassungsanspruch kann damit jedenfalls nicht mit dem Argument in Frage gestellt werden, dass es sich hierbei lediglich um Rechtsgüter oder rechtsähnliche Positionen handele. Die hier referierten Begriffe sind überholt und sollten aufgegeben werden.34 b) Deliktischer Unterlassungsanspruch
Soweit ein in § 823 I BGB geschütztes Recht oder ein sonstiges über § 824 BGB oder § 823 II BGB geschütztes Interesse bedroht ist, soll der aus § 1004 BGB folgende Unterlassungsanspruch als deliktischer qualifiziert werden.35 Auch die Abspaltung deliktischer Unterlassungsansprüche ist nicht hilfreich. In der Literatur wird die Bezeichnung gar als „irreführend“ angesehen.36 Es muss schließlich weder der Deliktstatbestand vollständig erfüllt sein (Schadenseintritt, Verschulden)37 noch beschränkt sich die Unterlassungshaftung auf ausschließlich im Deliktsrecht geschützte Rechte.38 Die Alternativbezeichnungen „ergänzender Unterlassungsanspruch“39 oder – soweit durch Schutzgesetze im Sinne des § 823 II BGB anerkannte Interessen im Raume stehen – „schutzgesetzlicher“ Unterlassungsanspruch40 führen allerdings aus den eben unter a) genannten Gründen ebenfalls nicht weiter.41 c) Direkte und indirekte Unterlassungsansprüche
Manche wollen die gesetzlichen Unterlassungsansprüche in direkte und indirekte Unterlassungsansprüche untergliedern.42 Gelegentlich wird entsprechend Unterlassungsanspruch noch auf eine entsprechende Anwendung von § 1004 BGB zu stützen hatte; Schricker/Loewenheim/Wild, § 97 Rn. 1. 33 Palandt/Herrler, § 1004 Rn. 4; auch die Ehre und die eheliche Lebensgemeinschaft sollen nicht nur Rechtsgüter, sondern Persönlichkeitsrechte sein, Erman/F. Ebbing, § 1004 Rn. 11; vgl. o. § 5 III 2. 34 MünchKomm/Baldus, § 1004 Rn. 11; Fritzsche, S. 123 f.; Ritter, S. 43. 35 Vieweg/Werner, § 9 Rn. 7; vgl. Medicus/Petersen, BR, § 24 Rn. 628; Ritter, S. 39. 36 Medicus/Petersen, BR, § 24 Rn. 628. 37 Vgl. bereits RGZ 60, 6, 7. 38 Baur, JZ 1966, 381. 39 Medicus/Petersen, BR, § 24 Rn. 628. 40 Medicus/Petersen, BR, § 24 Rn. 628; Baur, JZ 1966, 381; keinesfalls soll man nach Baur, a. a. O., von einem „quasideliktischen“ Unterlassungsanspruch sprechen können. 41 Vgl. aber Grosch, S. 62. 42 Teplitzky, 2. Kap. Rn. 11 (10. Aufl.), der dem zumindest einen „gewissen Informationswert“ zumisst (Fn. 14); der Wert dieser Unterscheidung wird bestritten, Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.6 („keine rechtliche Funktion“); Fritzsche, S. 122 („entbehrlich“).
I. Überblick zum Meinungsstand zur Einteilung von Unterlassungsansprüchen 261
von echten und unechten Unterlassungsansprüchen geredet.43 Direkte Unterlassungsansprüche ergäben sich unmittelbar aus dem Gesetz (Beispiel: § 12 S. 2 BGB). Indirekte Unterlassungsansprüche folgten dagegen nur mittelbar aus dem Gesetz, beispielsweise wenn aus einer Schutzgesetzverletzung im Sinne des § 823 II BGB oder einer Strafnorm wie § 17 UWG zugleich ein Unterlassungsanspruch abgeleitet wird.44 Auch die Einteilung in direkte und indirekte Unterlassungsansprüche ist im Ergebnis rechtsgeschichtlich zu verstehen. Letztere wurden von der Rechtsprechung erst nach und nach entwickelt.45 Im Übrigen kann sich im vertraglichen Bereich eine Unterlassungspflicht in gleicher Weise unmittelbar aus dem Vertrag ergeben (§ 241 I S. 2 BGB) oder mittelbar aus der Verletzung einer Schutzpflicht etc. (dazu sogleich u. § 7 I 3). d) Vorbeugender Unterlassungsanspruch und Verletzungsunterlassungsanspruch
Eine gängige Differenzierung bildet weiter die Unterscheidung zwischen vorbeugenden Unterlassungsansprüchen46 zur Abwehr einer drohenden Rechtsverletzung und Unterlassungsansprüchen als Folge einer begangenen Verletzungshandlung.47 Letztere werden auch als Verletzungsunterlassungsansprüche,48 wiederherstellende,49 nachträgliche,50 objektive51 oder allgemeine Unterlassungsansprüche52 bezeichnet. Da der Unterlassungsanspruch sowohl entsteht, wenn eine Zuwiderhandlung wiederholt zu werden droht (vgl. Wortlaut des § 1004 I S. 2), als auch, wenn eine Rechtsverletzung erstmalig ernsthaft zu befürchten ist,53 bietet es sich an, die insoweit unterschiedlichen Voraussetzungen – nämlich Begehungsgefahr in Form von Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr – nacheinander darzustellen.54 Ein kategorialer Unterschied besteht dabei allerdings nicht.55 Der Anspruchsteller muss allerdings 43
Vgl. Teplitzky/Schaub, 2. Kap. Rn. 11, mit Verweis auf H. Lehmann, S. 3 ff., 5 f. 2. Kap. Rn. 11. 45 Vgl. Fritzsche, S. 122. 46 Teplitzky/Kessen, 9. Kap. Rn. 1 ff.; Erman/N. Klass, Anh § 12 Rn. 279; Fritzsche, S. 129 ff., 133. 47 Teplitzky/Schaub, 2. Kap. Rn. 12; relativierend Teplitzky/Kessen, 3. Kap. Rn. 4. 48 Köhler, JZ 2005, 489; ders., Festschrift Georgiades, S. 223, 224; Teplitzky/Schaub, 2. Kap. Rn. 12. 49 Vgl. kritisch Fritzsche, S. 128 f.; Ritter, S. 39 ff. 50 Erman/N. Klass, Anh § 12 Rn. 279. 51 Vgl. kritisch Teplitzky/Schaub, 2. Kap. Rn. 12; Teplitzky/Kessen, 3. Kap. Rn. 1 ff. 52 Vgl. Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 214. 53 RGZ 101, 135, 137 f.; BGHZ 2, 394, 395 f.; in neueren Gesetzen ist diese von der Rechtsprechung entwickelte Erstbegehungsgefahr anders als noch in § 1004 I BGB ausdrücklich kodifiziert, siehe nur § 8 I S. 2 UWG. 54 Siehe nur im Handbuch von Teplitzky 3. Kap. Rn. 5. 55 Teplitzky/Kessen, 3. Kap. Rn. 4. 44 Teplitzky/Schaub,
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unterschiedlich vortragen.56 Die Natur des Schadensersatzanspruchs aus § 823 I BGB hängt dessen ungeachtet jedoch auch nicht davon ab, ob der Anspruch wegen einer vorsätzlichen oder einer fahrlässigen Rechtsverletzung entsteht. e) Dinglicher Unterlassungsanspruch
Gesondert wird auf den dinglichen Unterlassungsanspruch hingewiesen,57 der von den sonstigen Unterlassungsansprüchen abzugrenzen sei.58 Allerdings sind die Unterlassungsansprüche aus Immaterialgüterrechten dem Anspruch aus § 1004 I S. 1 BGB nachgebildet; Immaterialgüterrechte werden aber nicht als dingliche Rechte bezeichnet.59 Der Begriff des dinglichen Unterlassungsanspruchs ist schon aus diesem Grund zu eng. Viele fassen daher zu Recht zumindest die Unterlassungsansprüche zusammen, die aus absoluten, nicht notwendigerweise dinglichen Rechten, folgen.60
3. Weitere Untergliederung vertraglicher Unterlassungsansprüche Vertragliche Unterlassungsansprüche werden ebenfalls untergliedert. Selbständigen Unterlassungsansprüchen sollen unselbständige Unterlassungsansprüche gegenüberstehen. Synonym finden sich die Begriffspaare primäre und sekundäre Unterlassungsansprüche.61 Erstere verpflichten den Schuldner zu einem Unterlassen als primärem Leistungsinhalt. Der Schuldner übernimmt eine „besondere Unterlassungspflicht“.62 Dabei soll es ausreichen, dass die Unterlassungspflicht nicht Haupt-, sondern Nebenleistungspflicht ist. Entscheidend sei, dass der Unterlassungspflicht eigenständige Bedeutung zukommt.63 Prägnant wird vom „Leistungsunterlassungsanspruch“ gesprochen.64 Letzterer hält den Schuldner an, der Vertragsabwicklung zuwiderlau56 Vgl.
Fritzsche, S. 133.
57 Kritisch Picker, Festschrift Bydlinski, S. 269, 280 ff.; es bestehen Überschneidungen mit
dem negatorischen Anspruch, zumindest nach engstem Verständnis, o. § 7 I 2 a). 58 Fritzsche, S. 124 ff. 59 Die Rede ist von „gegenständlichen“ Rechten, vgl. Ulmer, § 2 I, S. 11; Fritzsche, S. 125; vgl. aber Schricker/Loewenheim/Ohly, § 31 (5. Aufl., im Erscheinen). 60 S. a. Fritzsche, S. 125. 61 MünchKomm/Bachmann, § 241 Rn. 20, 23; Staudinger/Olzen, § 241 Rn. 136, der zudem die primären bzw. selbständigen Unterlassungsansprüche als „reine“ Unterlassungsansprüche bezeichnet; Palandt/Grüneberg, § 241 Rn. 4; Erman/H. P. Westermann, § 241 Rn. 6 ff.; Fritzsche, S. 60 f.; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 111, unterscheidet noch zwischen „abhängigen“ und „unabhängigen“ Nebenpflichten. 62 Nikisch, § 38 IV, S. 148. 63 BGH NJW 1975, 344; Palandt/Grüneberg, § 241 Rn. 4; Bamberger/Roth/Sutschet, § 241 Rn. 35; Jauernig/Mansel, § 241 Rn. 8; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 111 („selbständige Nebenpflichten“); Köhler, AcP 190 (1990), 496, 498, 500 ff.; vgl. aber Fritzsche, S. 30 („Hauptpflicht“), 60. 64 Köhler, JZ 2005, 489, 491.
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fendes Verhalten zu unterlassen und das Integritätsinteresse des Gläubigers zu achten.65 Man könne entsprechend von Unterlassungsansprüchen aufgrund der (drohenden) Verletzung einer vertraglichen Verhaltenspflicht sprechen.66 Für die Zweiteilung ist also maßgeblich, ob die Unterlassungspflicht entweder aus einem eigenständigen vertraglichen Leistungsversprechen im Sinne des § 241 I S. 2 BGB folgt oder aber aus einer anderen (Leistungs-)Pflicht abzuleiten ist und damit kein eigenständiger Zweck zugrundeliegt.67 Diese beiden Untergruppen der vertraglichen Unterlassungsansprüche haben nach herrschender Meinung unterschiedliche Entstehungsvoraussetzungen. Anders als bei der Leistungsunterlassung sei bei den sekundären Unterlassungsansprüchen die Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr Anspruchsvoraussetzung.68 Unselbständigen Unterlassungsansprüchen wird ferner insbesondere die „Klagbarkeit“ nicht uneingeschränkt bescheinigt.69 Der Gläubiger wird stattdessen vielfach auf Sekundärrechte verwiesen.70 Zudem besteht im Hinblick auf die vertraglichen Schutzpflichten große Ähnlichkeit mit den deliktischen Verkehrspflichten,71 was dazu führt, dass mitunter sogar deren rechtsgeschäftlicher Charakter verneint wird.72 Problematisch ist jedoch, dass praktisch der Übergang zwischen den beiden Arten vertraglicher Unterlassungsansprüche fließend ist.73 Gegen eine noch weitere Einteilung der vertraglichen Unterlassungsansprüche in Verletzungsunterlassungsansprüche und vorbeugende Unterlassungsansprüche kann entsprechend auf oben angeführte Argumente verwiesen werden.74 Zu erwähnen bleibt, dass Fritzsche bei den Leistungsunterlassungsansprüchen noch weiter differenzieren will: einmal in solche Unterlassungsverträge, die zum Zwecke außergerichtlicher Streitbeilegung infolge der Verletzung gesetzlicher Unterlassungspflichten abgeschlossen werden, und zum anderen in Unterlassungsverträge, die den rechtlichen Schutz eines
65 Staudinger/Olzen, § 241 Rn. 136; MünchKomm/Bachmann, § 241 Rn. 23; Palandt/ Grüneberg, § 241 Rn. 4; Bamberger/Roth/Sutschet, § 241 Rn. 35 f. 66 Köhler, JZ 2005, 489, 490. 67 Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 25; Fritzsche, S. 60; Lenzen, NJW 1967, 1260, 1261. 68 Näher u. § 7 II 2 d) und § 7 III 2 b). 69 Dazu u. § 7 III und bereits o. § 5 IV 1 c). 70 Vgl. Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Rn. 165; Lorenz/Riehm, Rn. 354. 71 Motzer, JZ 1983, 884, 888; Stürner, JZ 1976, 384, 385; Fritzsche, S. 71 f.; freilich können vertragliche Schutzpflichten in „Reichweite und Intensität“ über deliktische Verkehrspflichten hinausgehen, Looschelders, SR AT, § 1 Rn. 22. 72 Motzer, JZ 1983, 884, 887; anders BGHZ 176, 281 Rn. 14 = NJW 2008, 2245 („Aus einem Girovertrag ergibt sich für ein Kreditinstitut die Schutzpflicht, die Interessen seines Kunden zu wahren“, Hervorhebung nicht im Original); Erman/H. P. Westermann, § 241 Rn. 3; vgl. Medicus, Festschrift Canaris, S. 835, 838 f.; Looschelders, SR AT, § 1 Rn. 19 ff. 73 Vgl. Madaus, Jura 2004, 289, 290 ff. 74 Zu einer solchen Untergliederung Köhler, JZ 2005, 489, 490, 492 f.
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primären Unterlassungsinteresses erst begründen sollen.75 Während die Funktion beider „Unterlassungsansprüche“ tatsächlich unterschiedlich ist,76 finden sich bei den Tatbestandsvoraussetzungen nach der herrschenden Meinung allerdings keine strukturellen Unterschiede. Dass die jeweiligen vertraglichen Stammrechte unterschiedlichen Zwecken dienen, wird besonders im Lichte des Rechtsbehelfsmodells deutlich.
4. Gliederung nach Rechtsgebiet Denkbar ist schließlich eine Einteilung der Unterlassungsansprüche nach Rechtsgebieten. Dem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch77 kann der betriebsverfassungsrechtliche oder medienrechtliche Unterlassungsanspruch gegenübergestellt werden, von dem wiederum der patentrechtliche Unterlassungsanspruch etc. abzugrenzen wäre. Eine solche Abgrenzung ist weniger theoretisch, vielmehr aber praktisch zu beobachten. Unterlassungsansprüche werden meist nicht übergeordnet, sondern rechtsgebietsspezifisch betrachtet.78 Bei einer Darstellung nach Rechtsgebiet dominieren die Besonderheiten der hinter dem Anspruch stehenden Unterlassungspflichten beziehungsweise die Reichweite arbeitsrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, nachbarrechtlicher oder vertragsrechtlicher Rechtspositionen die einschlägigen Analysen.79 Es verwundert nicht, wenn sich dadurch Sonderdogmatik herausbildet. Ob aber etwa der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch wirklich die herausgestellten Besonderheiten aufweist oder aufweisen sollte,80 wird in dieser Arbeit zu hinterfragen sein.
II. Leistungsunterlassungsansprüche Ansprüche, bei denen Unterlassen als vertragliche Haupt- oder Nebenleistungspflicht im Sinne des § 241 I S. 2 BGB (ausdrücklich) geschuldet ist, also vom Schuldner eine „besondere Unterlassungspflicht“ übernommen worden 75
Fritzsche, S. 30; s. a. S. 56 und S. 274. Dazu u. § 8 V; s. a. u. § 10 II 1 c). 77 Teplitzky/Schaub, 2. Kap. Rn. 11, Fn. 16 („Quasi-Oberbegriff“). 78 Vgl. nur die Handbücher zum wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch von Ahrens und Teplitzky; zum betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch Schaub/ Treber, § 207 Rn. 34; übergreifende Darstellungen sind die Ausnahme, so schon Fritzsche, S. 1 f., der sich dann selbst an diese Aufgabe gemacht hat. 79 Vgl. MünchKomm/Baldus, § 1004 Rn. 19 ff.; die Frage, ob zum Beispiel zum Schutz des Domainnamens Unterlassungsansprüche bestehen, ist weniger eine Frage der Rechtsfolge Unterlassen als der Reichweite einer einschlägigen materiellen Rechtsposition; zum Betriebsverfassungsrecht, vgl. M. Heinze, DB-Beilage Nr. 9/83, 1. 80 Teplitzky/Schaub, 2. Kap. Rn. 14. 76
II. Leistungsunterlassungsansprüche
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ist,81 werden von Rechtsprechung und Literatur überwiegend ähnlich behandelt. Die Entstehungs- und Durchsetzungsvoraussetzungen dieser treffend als „Leistungsunterlassungsansprüche“82 bezeichneten Ansprüche können daher in jedem Fall gemeinsam untersucht werden. Markant sticht heraus, dass das Tatbestandsmerkmal „Begehungsgefahr“ nicht Anspruchsvoraussetzung ist, was sich auch bei der prozessualen Durchsetzung auswirkt. Nach einem Überblick über die praktischen Anwendungsfälle (1.) werden die im Einzelnen zu erfüllenden materiellen Tatbestandsmerkmale dargestellt (2.). Abschließend werden prozessuale Besonderheiten skizziert (3.).
1. Praktische Anwendungsfälle Die Praxis liefert reichlich Anschauungsmaterial für vertraglich begründete Unterlassungspflichten.83 Besondere Bedeutung haben vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbote.84 Beispielsweise mag sich ein Geschäftsführer einer GmbH oder ein Vorstand einer Aktiengesellschaft verpflichten, für eine bestimmte Zeit nach seinem Ausscheiden nicht in derselben Branche tätig zu sein.85 Nachvertragliche Wettbewerbsverbote (beziehungsweise Wettbewerbsabreden) zulasten von Handlungsgehilfen und Handelsvertretern haben in §§ 74, 90a HGB eine gesetzliche Reglementierung erfahren. § 110 GewO erweitert den Anwendungsbereich der §§ 74 ff. HGB auf zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern geschlossene Vereinbarungen, wodurch die berufliche Tätigkeit des Arbeitnehmers für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses beschränkt werden soll.86 In Unternehmenskaufverträgen wird häufig einer Konkurrenzklausel als selbständiger Nebenleistungspflicht zugestimmt.87 Der Verkäufer hat nicht nur den Kaufgegenstand zu verschaffen, sondern sich auch einer Konkurrenztätigkeit zu enthalten. Vergleichbare Abreden tauchen in Mietverträgen auf.88 Denkbar sind Vereinbarungen über 81
Nikisch, § 38 IV, S. 148. Köhler, JZ 2005, 489, 491. 83 Nicht unerwähnt soll hier natürlich das Schulbeispiel des Gelehrten bleiben, der mit dem benachbarten Schlossermeister einen Vertrag schließt, dass dieser während der Mittagszeit geräuschvolle Hantierungen nicht vornehmen darf, Köhler, AcP 190 (1990), 496, 497; H. Lehmann, S. 189, 266; häufig liest man auch vom Schmied, der dem Dichter bestimmte Ruhezeiten einzuhalten verspricht, vgl. Helms, ZEuP 2008, 150, 155. 84 Erman/H. P. Westermann, § 241 Rn. 6; Palandt/Grüneberg, § 241 Rn. 4; Jauernig/ Mansel, § 241 Rn. 8; Fritzsche, S. 56 ff. 85 Zu „nachorganschaftlichen“ Wettbewerbsverboten Thüsing, NZG 2004, 9; für die Zeit während der Organmitgliedschaft gilt für Vorstände von Aktiengesellschaften § 88 AktG. 86 Vgl. auch Köhler, AcP 190 (1990), 496, 498. 87 Palandt/Grüneberg, § 241 Rn. 4; vgl. OLG Frankfurt ZUM 2006, 566. 88 BGH NJW-RR 1989, 263; OLG Frankfurt NJW 1982, 707, zur Auslegung folgender Klausel in einem Mietvertrag: „Der Mieter verpflichtet sich jedoch, keine Konkurrenzbranchen bezüglich der im Mietanwesen vorhandenen anderen Mieter zu betreiben.“ 82
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§ 7 Bestandsaufnahme privatrechtlicher Unterlassungsansprüche
Nutzungsbeschränkungen, zum Beispiel mit Blick auf ein bestimmtes Grundstück.89 Klauseln zu Bau-90 oder Lärmbeschränkungen91 finden sich in der Vertragspraxis genauso wie Verpflichtungen, an einer bestimmten Auktion nicht teilzunehmen,92 ein Gestaltungsrecht (z. B. Vorkaufsrecht) nicht auszuüben93 oder ein Grundstück etc. nicht zu veräußern.94 Durch den OnlineHandel ist es den Rechteinhabern urheberrechtlich geschützter Werke erleichtert worden, dem Käufer urheberrechtlich an sich erlaubte Handlungen wie die „Privatkopie“ oder die Weiterveräußerung vertraglich zu verbieten. Davon wird zunehmend Gebrauch gemacht.95 Allgemein gestattet § 137 S. 2 BGB rechtsgeschäftliche Vereinbarungen, veräußerliche Rechte nicht zu übertragen. Überragende praktische Bedeutung haben strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärungen zur außergerichtlichen Streitbeilegung von Wettbewerbsverstößen oder Schutzrechtsverletzungen (wettbewerbsrechtliche Unterlassungsverträge).96 Derartige Vereinbarungen begründen ebenfalls einen vertraglichen Leistungsunterlassungsanspruch.97 Der Streitvermeidung dienen zudem kennzeichenrechtliche Abgrenzungsvereinbarungen.98 Lizenzverträge werden zumindest von manchen so verstanden, dass der Rechteinhaber dem Lizenznehmer gegenüber verpflichtet ist, die Nutzung seines Rechts zu dulden beziehungsweise keine Abwehransprüche geltend zu machen.99 Der Grundsatz der Vertragsfreiheit erlaubt es den Parteien, ihrer Kreativität im Grundsatz freien Lauf zu lassen, so dass sich die Liste der Beispiele mühelos fortsetzen ließe. Derjenige, der sich einer bestimmten Handlung enthalten soll, die ihm von Gesetzes wegen eigentlich erlaubt ist,100 wird dem regelmäßig freilich nur dann zustimmen, wenn ihm eine angemessene Gegenleistung in Aussicht gestellt wird oder ihm sonst ein Vorteil erwächst. Auch bereits durch Gesetz zu beachtende Pflichten können zusätzlich einer vertraglichen Regelung unterzogen werden.101 Je nach Ausgestaltung kann die Unterlassung einmalig (Nicht89
Köhler, AcP 190 (1990), 496, 498; Müller-Laube, Festschrift Rolland, S. 261. NJW 1975, 344; es empfiehlt sich zusätzlich eine dingliche Absicherung über § 1018 BGB, vgl. Jauernig/Mansel, § 241 Rn. 8. 91 OLG München NJW-RR 1986, 638. 92 Zu einem solchen pactum de non licitando BGH NJW 1961, 1012; MünchKomm/ Bachmann, § 241 Rn. 21; Palandt/Grüneberg, § 241 Rn. 4. 93 Müller-Laube, Festschrift Rolland, S. 261. 94 BGH NJW 1963, 1602; Staudinger/Olzen, § 241 Rn. 137; vgl. auch § 137 S. 2 BGB. 95 Vgl. OLG Hamm GRUR 2014, 853 – Hörbuch-AGB. 96 Köhler, AcP 190 (1990), 496, 498; Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 48. 97 Köhler, JZ 2005, 489, 491; ders., AcP 190 (1990), 496, 498; Fritzsche, S. 274 ff. 98 BGH GRUR 1956, 238 – Westfalen-Zeitung; s. a. Teplitzky/Kessen, 11. Kap. Rn. 4. 99 Köhler, AcP 190 (1990), 496, 498; a. A. Ohly, S. 183 ff.; soweit ein Recht am Schutzrecht selbst eingeräumt ist (z. B. ausschließliche Patentlizenz), hätte der Rechtsinhaber aber ohnehin kein Verbietungsrecht gegenüber dem Lizenznehmer. 100 Henckel, AcP 174 (1974), 97, 124. 101 Medicus/Lorenz, SR AT, § 1 Rn. 4; dies hat verschiedene Vorteile: Allen voran kann 90 BGH
II. Leistungsunterlassungsansprüche
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Teilnahme an einer konkreten Auktion), befristet (§ 74a I S. 3 HGB) oder für unbestimmte Zeit geschuldet sein.102 Unterlassen kann den Hauptinhalt des Vertrags darstellen oder eine selbständige Nebenleistungspflicht sein.103
2. Entstehungsvoraussetzungen Im Folgenden werden die Entstehungsvoraussetzungen besprochen. Neben einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung sind weitere Kriterien erforderlich, die von Fall zu Fall abweichen und sich nicht ohne Weiteres sauber dogmatisch kategorisieren lassen. Der eigentliche Unterlassungsanspruch folgt dabei als Primäranspruch unmittelbar aus der konkreten Vereinbarung (vgl. §§ 311 II, 241 I S. 2 BGB).104 Die Rechtsprechung stellt jedoch bisweilen auf § 280 BGB als Anspruchsgrundlage ab.105 Bei Erfüllungsansprüchen bedarf es jedoch nach überkommener Ansicht keines Rückgriffs auf eine Anspruchsgrundlage für Sekundäransprüche.106 a) Vertragliche Vereinbarung
Ein vertraglicher Unterlassungsanspruch entsteht durch eine entsprechende verbindliche Willensübereinstimmung.107 Im Falle der Leistungsunterlassung haben die Parteien die Leistungspflicht grundsätzlich ausdrücklich zu vereinbaren. Dies kann auch in der Satzung eines Gesellschaftsvertrags oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen erfolgen. Teils finden sich ergänzende gesetzliche Normen. Beispiele hierfür finden sich in §§ 74 ff., 90a HGB oder § 112 HGB. Unterlassungspflichten können sich im Einzelfall auch durch konkludentes Verhalten108 oder durch (ergänzende) Vertragsauslegung ergeben.109 Inhalt und Umfang der Unterlassungsverpflichtung richten sich nach der konkreten Abrede.110 Insbesondere kommt es nicht darauf an, dass sich im Vertragstext der Begriff „Unterlassen“ findet. Regelmäßig kann Streit über die Reichweite einer gesetzlichen Pflicht vorgebeugt werden. Auch können insbesondere die vertraglichen Beweisregelungen vorteilhaft sein, vgl. § 280 I S. 2 BGB. 102 Fritzsche, S. 43; s. a. Müller-Laube, Festschrift Rolland, S. 261. 103 Palandt/Grüneberg, § 241 Rn. 4. 104 MünchKomm/Bachmann, § 241 Rn. 10; Palandt/Grüneberg, § 241 Rn. 1. 105 BGHZ 178, 63 Rn. 17 – bundesligakarten.de = GRUR 2009, 173, 174; BGH NZBau 2012, 652 Rn. 15. 106 Vgl. Bamberger/Roth/Unberath, § 280 Rn. 63. 107 Fritzsche, S. 105; vgl. für einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsvertrag und Verweise auf § 150 II BGB BGH GRUR 2006, 878 – Vertragsstrafevereinbarung; Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 50; theoretisch kann auch durch einseitiges Rechtsgeschäft eine Unterlassungsverpflichtung begründet werden, etwa in einem Vermächtnis, Fritzsche, S. 55 (Fn. 1). 108 Joost/Strohn/Bergmann, § 112 Rn. 21, für nachvertragliche Wettbewerbsverbote. 109 Köhler, AcP 190 (1990), 496, 501 f.; Fritzsche, S. 55 f.; BGH NJW 1991, 699, 700. 110 Vgl. BGH NJW-RR 1989, 263, 264 f.
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§ 7 Bestandsaufnahme privatrechtlicher Unterlassungsansprüche
beispielsweise aus der Vereinbarung eines Verbots ein korrespondierender Unterlassungsanspruch herausgelesen werden.111 Dessen ungeachtet darf aber ohne konkrete Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres auf die Vereinbarung einer Unterlassungsverpflichtung geschlossen werden.112 Schwierig wird es, wenn bestimmte Vertragspflichten sowohl positiv als auch negativ formuliert werden können. Problematisch ist etwa, ob aus einer exklusiven Abnahmeverpflichtung zugleich ein Anspruch auf Unterlassung von Bezügen von der Konkurrenz folgt.113 Die Lösung ist auch hier in der ergänzenden Vertragsauslegung zu suchen.114 b) Keine rechtshindernden Einwendungen
Ein vertraglicher Leistungsunterlassungsanspruch entsteht nicht, wenn rechtshindernde Einwendungen zur Nichtigkeit der jeweiligen Willenserklärungen führen. Es gelten die allgemeinen Regeln. Im Bereich vertraglicher Unterlassungsansprüche sind neben §§ 74 ff., 90a HGB insbesondere die Grenzen wettbewerbsbeschränkender Abreden von Bedeutung.115 Über § 138 BGB zu beachtende grundrechtliche Wertungen sind namentlich bei Wettbewerbsverboten im Arbeitsrecht von praktischer Relevanz.116 c) Wirkungsmöglichkeit des Unterlassungsanspruchs
Der BGH weist darauf hin, dass ein Unterlassungsanspruch in Betracht kommt, „solange die Verletzungshandlung im konkreten Vertragsverhältnis noch andauert beziehungsweise der daraus resultierende Schaden noch nicht irreparabel ist.“117 Er stützt dies auf § 280 BGB.118 Woraus sich dieses Kriterium aber genau ergeben soll, wird nicht gesagt. Im konkreten Fall ging es um ein Verbot, ein vom Vertragspartner erworbenes Ticket für ein Bundesligaspiel weiterzuveräußern. Ist das Ticket veräußert, liefe ein Unterlassungsanspruch ins Leere. Selbst wenn sich der Schuldner insoweit weiter vertragswidrig verhalten sollte, wäre ein Unterlassungsbegehren nunmehr sinnlos. Dies ist damit richtigerweise kein eigenständiges Kriterium, sondern die verklausulierte Bestätigung, dass eine Einmalunterlassung durchaus unmöglich werden kann 111
Fritzsche, S. 56; Köhler, AcP 190 (1990), 496, 507. KG NJW 1997, 1164, 1165; vgl. Joost/Strohn/Bergmann, § 112 Rn. 21. 113 OLG Frankfurt JZ 1985, 337; vgl. auch Teplitzky/Kessen, 12. Kap. Rn. 7. 114 Köhler, AcP 190 (1990), 496, 504 ff.; vgl. v. Bar, AcP 179 (1979), 452, 464 ff. 115 Beispiel BGH GRUR 2005, 62 – CITROËN. 116 BGH NJW 1991, 699. 117 BGHZ 178, 63 Rn. 17 = GRUR 2009, 173 – bundesligakarten.de; s. a. BGH NZBau 2012, 662 Rn. 15; BAG ZIP 2013, 2025 Rn. 41. 118 BGHZ 178, 63 Rn. 17 = GRUR 2009, 173 – bundesligakarten.de; zur richtigen Anspruchsgrundlage o. § 7 II 2 am Anfang. 112
II. Leistungsunterlassungsansprüche
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(§ 275 I BGB). Der eingangs zitierte Satz lässt sich damit als rechtsvernichtende Einwendung interpretieren.119 d) Begehungsgefahr
Ein Leistungsunterlassungsanspruch soll gemäß § 241 I S. 2 BGB i. V. m. der einschlägigen Vertragsklausel zugleich mit dem Abschluss des Vertrags entstehen.120 Auf das bei Unterlassungsansprüchen sonst übliche Tatbestandsmerkmal der Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr soll es nicht ankommen.121 Die auf ein Unterlassen gerichtete Forderung sei schon vor der Zuwiderhandlung als Anspruch zu begreifen.122 Zur Begründung wird angeführt, dass es widersinnig wäre, jemandem einen Unterlassungsanspruch nur unter weiteren Voraussetzungen zu gewähren, obwohl doch ein solcher gerade Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung sei.123 Bei genauerer Betrachtung ergibt sich jedoch ein wesentlich bunteres Bild. Die Rechtsprechung ist keinesfalls eindeutig. Es finden sich durchaus Urteile, in denen der Erfolg der Klage ausdrücklich vom Bestehen einer Wiederholungsgefahr abhängig gemacht wird.124 Teils wird eine „konkrete Gefährdung“ verlangt.125 Ob dies Voraussetzung des materiellen Unterlassungsanspruchs ist oder lediglich für die Zulässigkeit der Klage Bedeutung hat, wird freilich nicht immer ganz klar.126 Auch wenn die Unterlassungspflicht recht allgemein gefasst ist, soll ein Anspruch erst entstehen, wenn er sich zu konkretisieren beginnt.127 Viele wollen zumindest Unterlassungsansprüche aus Nebenleistungspflichten erst im Falle einer Begehungsgefahr anerkennen.128 Wenn auch 119
Kritisch zum Ganzen PWW/Schmidt-Kessel/Kramme, § 241 Rn. 23. GRUR 1956, 238, 240 – Westfalen-Zeitung; BGH GRUR 1999, 522, 524 – Datenbankabgleich; Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.13 f. 121 BGH GRUR 1999, 522, 524 – Datenbankabgleich; Fritzsche, S. 105; Jauernig/Hess, § 35 Rn. 8; Stein/Jonas/Schumann, § 259 Rn. 9; Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 58; Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.13 f.; § 12 Rn. 1.135a (33. Aufl. 2015); Palandt/Grüneberg, § 241 Rn. 4; vgl. Bacher, S. 2, 31, 37 und anders S. 338; kritisch Teplitzky/Kessen, 12. Kap. Rn. 1 und Teplitzky, 51. Kap. Rn. 59 (10. Aufl.); ders., GRUR 1999, 1050, 1051. 122 Enneccerus/Nipperdey, § 222 II. 3, S. 1366. 123 Fritzsche, S. 486; Köhler, GRUR 1996, 231, 232; anders u. § 9 IV. 124 BGHZ 91, 1 = NJW 1984, 2366, 2368; OLG Koblenz, Urteil vom 28. 07. 1988, Az. 5 U 700/88 = BeckRS 2013, 17921; AG Rottenburg, Urt. v. 31. 10. 1994, Az. 2 C 356/94 = BeckRS 1994, 30938610; vgl. für Wettbewerbsverbote Nosch, S. 273. 125 LAG Baden-Württemberg BB 1967, 1426 (im Hinblick auf ein vertragliches Wettbewerbsverbot). 126 Vgl. BGHZ 70, 331 = NJW 1978, 1001, 1002; vgl. Erman/H. P. Westermann, § 280 Rn. 25. 127 Fritzsche, S. 68; das Wettbewerbsverbot aus § 112 HGB soll hingegen wegen § 113 HGB hinreichend konkret sein, so dass ein Unterlassungsanspruch nicht erst im Falle einer Zuwiderhandlung oder ihres unmittelbaren Bevorstehens entsteht, Fritzsche, S. 106 (Fn. 298). 128 Köhler, AcP 190 (1990), 496, 508; Gramlich, NJW 1985, 2131, 2132 (allerdings mit Blick auf § 541 BGB); vgl. Grigoleit, Festschrift Canaris, 275, 279; Fritzsche, S. 61; dezidierte 120 BGH
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§ 7 Bestandsaufnahme privatrechtlicher Unterlassungsansprüche
mit Blick auf die Verjährungsproblematik schlägt Köhler vor, dass auch der Leistungsunterlassungsanspruch im Sinne des § 241 I S. 2 BGB erst entsteht, wenn eine Zuwiderhandlung gegen die vereinbarte Unterlassungspflicht droht.129 Umgekehrt ist es unerheblich, wenn sich bereits vor Vertragsschluss die Gefahr von Vertragsverletzungen abzeichnet. Der Gläubiger ist zu diesem Zeitpunkt nicht schutzwürdig. Er muss den Vertrag schließlich nicht abschließen. Eine Anspruchsgrundlage dahingehend, dass dem potenziellen künftigen Vertragspartner vertragswidrige Weiterveräußerungen untersagt werden, kann allenfalls aus dem Deliktsrecht folgen.130 Für den vertraglichen Unterlassungsanspruch fehlt es vor Vertragsschluss an einer Abrede, die den Schuldner zum Unterlassen verpflichtet. Auch vorvertragliche Schutzpflichten bestehen nur im Hinblick auf einen konkreten sich anbahnenden Vertrag.131 e) Verschulden
Verschulden ist nach richtiger Ansicht132 keine Anspruchsvoraussetzung.133 Dies ist konsequent. Primäransprüche werden anders als Sekundärrechte typischerweise verschuldensunabhängig gewährt. Dennoch wird als Anspruchsgrundlage bisweilen § 280 BGB selbst für Leistungsunterlassungsansprüche herangezogen.134 Aus dieser Anspruchsgrundlage soll neben dem Anspruch auf Schadensersatz auch ein Anspruch auf Unterlassung abgeleitet werden können.135 Konsequenterweise müsste dann aber der Schuldner die Pflichtverletzung zu vertreten haben; ist dies nicht der Fall, dürfte ein Unterlassungsanspruch nicht bestehen. Möglicherweise wird daher nicht auf Verschulden abgestellt, sondern im Grunde das Vorliegen einer Begehungsgefahr verlangt.136
Auseinandersetzungen fehlen jedoch meist; so wird beispielsweise bei vertraglichen Wettbewerbsverboten lediglich darauf hingewiesen, dass „bei Verstößen“ gegen das Wettbewerbsverbot ein Unterlassungsanspruch besteht. Ob ein solcher Verstoß materiell für die Entstehung des Unterlassungsanspruchs konstitutiv ist oder prozessual Klagevoraussetzung ist, bleibt offen, MünchKomm/v. Hoyningen-Huene, HGB, § 60 Rn. 59. 129 Köhler, JZ 2005, 489, 492; diese Ansicht wird von Teplitzky, 51. Kap. Rn. 59 (10. Aufl.) begrüßt; dazu u. § 9 IV. 130 BGHZ 178, 63 Rn. 17 – bundesligakarten.de = GRUR 2009, 173, 174. 131 BGH NZBau 2012, 652 Rn. 16. 132 Vgl. aber Ritter, S. 31. 133 BGH GRUR 1956, 238, 239 – Westfalen-Zeitung; Teplitzky/Kessen, 12. Kap. Rn. 10. 134 Allenfalls für „unselbständige“ vertragliche Unterlassungsansprüche kann § 280 I BGB als Anspruchsgrundlage eine Rolle spielen, u. § 7 III 2. 135 BGHZ 178, 63 Rn. 17 – bundesligakarten.de = GRUR 2009, 173, 174; Palandt/Grüneberg, § 280 Rn. 33; aber Bamberger/Roth/Unberath, § 280 Rn. 63. 136 Vgl. Erman/H. P. Westermann, § 280 Rn. 25.
II. Leistungsunterlassungsansprüche
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f) Zurechnung
Unterlassen schuldet jeweils der Vertragspartner. Natürlich kann ausdrücklich vereinbart werden, dass er auch für das Verhalten Dritter einstehen oder das Ausbleiben eines bestimmten Erfolgs garantieren soll.137 Ohne spezifische Abrede soll § 278 BGB anwendbar sein.138 Der Schuldner hafte nach allgemeinen Regeln für die Personen, die sich in seinem Pflichtenkreis bewegen.139 Für § 278 BGB könne allenfalls dort kein Raum sein, wo es sich um eine höchstpersönliche Pflicht handelt oder das Einstehen für einen bestimmten Erfolg garantiert ist.140 In der Rechtsprechung finden sich freilich Beispiele, in welchen im vertraglichen Bereich die Zurechnung nach den Grundsätzen der wettbewerblichen Störerhaftung erfolgt.141 § 8 II UWG ist hingegen nicht anwendbar.142 Eine andere Frage ist, ob auch vertraglich selbst nicht gebundene Dritte in Haftung genommen werden können. Dies ist aber kein Problem des Vertrags-, sondern des Deliktsrechts.
3. Durchsetzung Der Anspruch auf Unterlassen kann mittels der Leistungsklage durchgesetzt werden. An der „Klagbarkeit“ bestehen keine Zweifel.143 Die Regelungen zur Leistungsklage passen jedoch nicht immer.144 Solange sich der Schuldner an das Unterlassungsgebot hält, besteht kein Bedürfnis für gerichtliche Tätigkeit.145 Während bei positiven Leistungspflichten (Pflicht zum Tun) das Nichtstun als Indiz für das Bedürfnis nach gerichtlichem Rechtsschutz gewertet werden kann, ist die Beurteilung des „Rechtsschutzbedürfnisses“ bei der Unterlassungsklage schwieriger.146 Die Rechtsprechung weist eine Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig ab, solange sich der Schuldner an die Vereinbarung hält.147 Diskutiert wird auch, ob § 259 ZPO anzuwenden
137
Köhler, AcP 190 (1990), 496, 501. BGH GRUR 85, 1065, 1066 – Erfüllungsgehilfe; BGH GRUR 88, 561, 562 – Verlagsverschulden I; BGH GRUR 1987, 648, 649 – Anwalts-Eilbrief; Traub, Festschrift Gaedertz, S. 563; aber Köhler, AcP 190 (1990), 496, 501 („dogmatisch nicht zwingend“). 139 Müller-Laube, Festschrift Rolland, S. 261, 272. 140 Vgl. Müller-Laube, Festschrift Rolland, S. 261, 272 ff.; H. Lehmann, S. 193 ff., 288 ff. 141 Vgl. in dieser Richtung OLG München NJW-RR 1986, 638. 142 Vgl. BGH GRUR 1998, 963, 965 – Verlagsverschulden II. 143 Köhler, AcP 190 (1990), 496, 503; Palandt/Grüneberg, § 241 Rn. 4. 144 Müller-Laube, Festschrift Rolland, S. 261, 262. 145 Stein/Jonas/Schumann, 1996, § 259 Rn. 9. 146 Müller-Laube, Festschrift Rolland, S. 261, 262. 147 BGH NJW 1999, 1337 – Datenbankabgleich; Jauernig/Hess, § 35 Rn. 8; Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 58; Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.14 f.; Stein/Jonas/Schumann, § 259 Rn. 9; vgl. Fritzsche, S. 56. 138
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§ 7 Bestandsaufnahme privatrechtlicher Unterlassungsansprüche
ist.148 Gegen die Anwendung wird vorgebracht, dass es sich um einen gegenwärtigen, nicht um einen künftigen Anspruch handele.149
III. Unterlassungsansprüche infolge der Verletzung sonstiger vertraglicher Verhaltenspflichten Die Leistungspflichten sind das Herz eines Vertrags. Vor allem der Hauptleistungspflichten wegen wird der Vertrag überhaupt geschlossen. Neben den Leistungspflichten entspringen dem Schuldverhältnis im weiteren Sinne eine Vielzahl weiterer Verhaltenspflichten.150 Auch derartige Pflichten können Grundlage entsprechender Unterlassungsansprüche sein.151 Nach überkommenem Verständnis sind diese von den zuvor besprochenen Leistungsunterlassungsansprüchen zu unterscheiden (o. § 7 I 3). Im Folgenden wird zunächst wiederum ein Überblick über praktische Anwendungsfälle gegeben (1.), ehe auf die einzelnen Anspruchsvoraussetzungen eingegangen wird (2.). Unter dem Stichwort „Klagbarkeit unselbständiger Unterlassungsansprüche“ wird diskutiert, ob sonstige vertragliche Verhaltenspflichten ohne Weiteres gerichtlich durchgesetzt werden können. Dogmatisch wirkt sich dies nach verbreiteter Meinung bereits als Entstehungsvoraussetzung des Unterlassungsanspruchs aus. Dieser erscheint subsidiär gegenüber anderen Rechtsfolgen. Andere diskutieren dies als Frage der prozessualen Durchsetzbarkeit (sowohl 2 e) als auch 3.).
1. Praktische Anwendungsfälle Obwohl die Terminologie uneinheitlich ist,152 besteht im Hinblick auf den Inhalt der sonstigen vertraglichen Verhaltenspflichten ein breiter Konsens.153 Es geht zum einen um Verhaltenspflichten zum Schutz des Integritätsinteresses und zum anderen um Verhaltenspflichten zur Sicherung des Vertragszwecks.154 Zum Schutz des Integritätsinteresses ist der jeweilige Vertragspartner gehal148 Palandt/Grüneberg, § 241 Rn. 4; Staudinger/Olzen, § 241 Rn. 138; Bamberger/Roth/ Sutschet, § 241 Rn. 41; Pastor, GRUR 1974, 423, 430; Lindacher, GRUR 1975, 413, 419; BGH GRUR 1956, 238, 240 – Westfalen-Zeitung; offengelassen BGHZ 42, 340 – Gliedermaßstäbe = GRUR 1965, 327, 328. 149 Zeuner, Festschrift Dölle, S. 295, 310 ff.; Köhler, AcP 190 (1990), 496, 511 f.; MünchKomm/Bachmann, § 241 Rn. 22. 150 Grigoleit, Festschrift Canaris, S. 275, 277 f.; Palandt/Grüneberg, § 241 Rn. 1, 7. 151 Köhler, JZ 2005, 489, 490. 152 Staudinger/Olzen, § 241 Rn. 154 f.; Fritzsche, S. 62; Madaus, Jura 2004, 289, 290. 153 Zum Inhalt derartiger Pflichten Weller, S. 240 ff.; Fritzsche, S. 60 ff. und S. 75 ff. 154 Bamberger/Roth/Sutschet, § 241 Rn. 36; Köhler, AcP 190 (1990), 496, 503; Stürner, JZ 1976, 384, 385; vgl. Grigoleit, Festschrift Canaris, 275, 276 ff.
III. Unterlassungsansprüche infolge Verletzung sonstiger vertraglicher Pflichten 273
ten, den bereits vor Vertragsschluss bestehenden Güterstand vor Einbußen zu bewahren.155 Üblich ist die Bezeichnung als Schutzpflichten.156 Mitunter wird auch von Sorgfalts-, Obhuts- beziehungsweise Rücksichtnahmepflichten157 oder von nichtleistungsbezogenen Pflichten158 gesprochen. So hat beispielsweise ein Anstreicher darauf zu achten, dass nicht unnötige Verschmutzungen auftreten. Daneben stehen die Pflichten, die ergänzend zu den eigentlichen Leistungspflichten auf das Leistungs- oder Veränderungsinteresse, im gegenseitigen Vertrag auf das Äquivalenzinteresse, gerichtet sind.159 Sie äußern sich in Sorgfalts-,160 (Leistungs-)Treue-,161 Mitwirkungs- und Aufklärungs-162 sowie Loyalitätspflichten.163 Häufig wird auch von (unselbständigen) leistungsbezogenen Nebenpflichten gesprochen.164 Der Schuldner hat alles zu unterlassen, was die Vertragsdurchführung verhindert oder erschwert, kurzum: alles was dem Vertragszweck zuwiderläuft.165 Meist steht ihr Inhalt nicht von Anfang an fest, sondern bedarf weiterer situationsbedingter Konkretisierung.166 Das Gesetz sieht hier und da ausdrückliche Regelungen vor. Beispielhaft kann auf § 618 BGB verwiesen werden. Auch nach § 541 BGB besteht ein Unterlassungsanspruch des Vermieters, wenn der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz Abmahnung des Vermieters fortsetzt. Den Parteien ist es allerdings unbenommen, hier vorgestellte unselbständige Unterlassungspflichten zu einer Nebenleistungspflicht auszugestalten und ihr somit eine eigenständige Bedeutung beizumessen.167 Dies führt zu kaum überwindbaren Abgrenzungsproblemen gegenüber Leistungsunterlassungsansprüchen.168 155
Medicus/Lorenz, SR AT, § 39 Rn. 521. Stürner, JZ 1976, 384, 385; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Rn. 163 ff. 157 Medicus/Lorenz, SR AT, § 39 Rn. 521; Brox/Walker, SR AT, § 2 Rn. 11; vgl. Staudinger/Olzen, § 241 Rn. 154 ff. 158 Vgl. Madaus, Jura 2004, 289, 290. 159 Bamberger/Roth/Grüneberg/Sutschet, § 241 Rn. 42; vgl. Fritzsche, S. 75 ff.; s. a. Medicus, Festschrift Canaris, S. 835, 837. 160 Stürner, JZ 1976, 384, 390. 161 Köhler, AcP 190 (1990), 496, 504; BGH NJW 1995, 1954, 1955 (Die Leistungstreue verpflichtet „alles zu unterlassen, was dem Vertragszweck gefährden oder vereiteln könnte [oder was] das Interesse des Vertragspartners an der Durchführung des Vertrages beeinträchtigen könnte“); Beispiel für nachvertragliche Treuepflichten: Der Vermieter hat nach dem Auszug eines gewerblichen Mieters ein Umzugsschild zu dulden, vgl. Köhler, AcP 190 (1990), 496, 508. 162 Bamberger/Roth/Grüneberg/Sutschet, § 241 Rn. 43. 163 MünchKomm/Bachmann, § 241 Rn. 51. 164 Madaus, Jura 2004, 289, 290; Fritzsche, S. 68 („leistungssichernde Nebenpflichten“); vgl. aber auch Looschelders, SR AT, § 1 Rn. 18 („Nebenleistungspflicht“). 165 Köhler, AcP 190 (1990), 496, 503; Palandt/Grüneberg, § 241 Rn. 4; § 242 Rn. 27; Bamberger/Roth/Sutschet, § 241 Rn. 36, 46; BGH NJW 1995, 1954, 1955. 166 Köhler, AcP 190 (1990), 496, 503; Grigoleit, Festschrift Canaris, S. 275, 277 f. 167 Köhler, AcP 190 (1990), 496, 500. 168 Vgl. Weller, S. 254 ff. 156
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§ 7 Bestandsaufnahme privatrechtlicher Unterlassungsansprüche
2. Entstehungsvoraussetzungen Als Anspruchsgrundlage für unselbständige Unterlassungsansprüche wird von der Rechtsprechung § 280 I BGB herangezogen.169 Andere sehen in der Möglichkeit, geschützte Rechtspositionen (einschließlich vertraglicher Rechte) zu verteidigen, ein allgemeines Prinzip. Einer spezifischen Anspruchsgrundlage bedürfe es nicht.170 Dessen ungeachtet lassen sich die folgenden Anspruchsvoraussetzungen ermitteln. a) Verhaltenspflicht
Zunächst muss eine entsprechende Verhaltens- beziehungsweise Unterlassungspflicht herausgearbeitet werden. Entsprechende Pflichten können sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung, § 241 II BGB, aber auch § 242 BGB ergeben.171 Anhand der Parteiabreden und der konkreten Umstände des Einzelfalls ist zu ermessen, ob eine entsprechende Pflicht anzunehmen ist.172 Inhalt und Umfang der jeweiligen Pflichten hängen vom Vertragszweck, der Verkehrssitte und den Anforderungen des redlichen Geschäftsverkehrs ab.173 Mit Blick auf Unterlassungspflichten zum Integritätsschutz soll ein weitgehender Gleichlauf mit den gesetzlichen Unterlassungspflichten zum Schutz der in § 823 I BGB genannten Rechte und Rechtsgüter bestehen.174 Bei potenziellen Unterlassungspflichten, die sich nur als Kehrseite der eigentlichen Leistungspflicht zeigen, ist zu bedenken, dass es dem Schuldner grundsätzlich freisteht, wie er die Leistung erbringen will.175 Der Schuldner haftet nur für den Leistungserfolg; nicht jedes Detail der Vertragsdurchführung ist vorgegeben.176 So mag eine ordnungsgemäße Verpackung während des Transports vernünftig sein; der Gläubiger hat darauf aber regelmäßig keinen eigenständigen Anspruch, vielmehr liegt es im Ermessen des Schuldners, wie er den geschuldeten Erfolg herbeiführt.177 Allerdings kann in bestimmten Situationen das Ermessen des Schuldners „auf Null“ reduziert sein, so dass ein bestimmtes 169
Vgl. BGHZ 42, 59 = NJW 1964, 1621, 1622; vgl. Fritzsche, S. 74 f. Picker, Prävention, S. 61; ders., Festschrift Bydlinski, S. 269, 315; Lobinger, ZfA 2004, 101, 124 f. 171 Staudinger/Olzen, § 241 Rn. 164, 166; Köhler, AcP 190 (1990), 496, 501; seit der Schuldrechtsreform wird § 241 II BGB herangezogen, Bamberger/Roth/Sutschet, § 241 Rn. 42; vgl. Madaus, Jura 2004, 289, 290; vgl. aber Palandt/Grüneberg, § 241 Rn. 1. 172 Bamberger/Roth/Sutschet, § 241 Rn. 44. 173 Palandt/Grüneberg, § 241 Rn. 1 und Rn. 7. 174 Fritzsche, S. 71 ff.; vgl. Bamberger/Roth/Sutschet, § 241 Rn. 89. 175 MünchKomm/Bachmann, § 241 Rn. 64. 176 Vgl. Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Rn. 165; Stürner, JZ 1976, 384, 390. 177 MünchKomm/Bachmann, § 241 Rn. 64; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 111; Beispiel: Ein Anspruch auf Unterlassen des Transports auf offener Ladefläche dürfte regelmäßig nicht bestehen. 170
III. Unterlassungsansprüche infolge Verletzung sonstiger vertraglicher Pflichten 275
Verhalten, namentlich eine entsprechende Unterlassung, tatsächlich verlangt werden kann.178 Dies streift jedoch bereits Fragen der Durchsetzbarkeit der Unterlassungspflicht, auf die gleich noch gesondert eingegangen wird. b) Begehungsgefahr
Mit einer Konkretisierung der Verhaltenspflicht ist es jedoch noch nicht getan. Es kann beispielsweise sein, dass durch diverse Unfallverhütungsvorschriften bestimmte Pflichten bereits von Anfang an klar bestimmt sind.179 In der Tat geht es im Kern darum, dass die Existenz einer Pflicht nicht automatisch einen Unterlassungsanspruch nach sich zieht. Damit ein Unterlassungsanspruch entsteht, muss hinzukommen, dass die Gefahr besteht, dass die vertragliche Nebenpflicht (weiter) verletzt zu werden droht. Dies ist im Ergebnis heute anerkannt,180 auch wenn manche dies als Ausdruck dessen sehen wollen, dass unselbständige Unterlassungsansprüche nur als ultima ratio anzuerkennen sein sollen.181 Man könnte dabei – wie auch sonst üblich – von einer Begehungsgefahr sprechen, die sich in Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr äußern kann. Eine Parallele zum gesetzlichen Unterlassungsanspruch wird bisweilen bewusst gezogen.182 Spezialregelungen wie § 541 BGB, wo für den Unterlassungsanspruch eine Abmahnung gefordert wird, stehen dieser Sichtweise nicht entgegen. In einem solchen Fall ist nämlich Wiederholungsgefahr stets zu bejahen.183 c) Verschulden
Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass Verschulden kein Tatbestandsmerkmal ist. Auch wenn der sekundäre Unterlassungsanspruch teils als Pflichtverletzung gemäß § 280 I BGB verstanden wird,184 so ist präventiver Rechtsschutz stets verschuldensunabhängig zu gewähren.185 Es genügt, dass eine Pflichtverletzung stattgefunden hat und andauert.186 Damit ist auch klar, dass § 280 I BGB nicht als Anspruchsgrundlage taugt, sondern 178 Bamberger/Roth/Sutschet,
§ 241 Rn. 43. Grigoleit, Festschrift Canaris, S. 275, 278; näher u. § 9 IV. 180 Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Rn. 165; Köhler, JZ 2005, 489, 490; Fritzsche, S. 71 ff.; vgl. Medicus, Festschrift Canaris, S. 835, 839; Medicus/Petersen, BR, § 11 Rn. 207; wohl für prozessuale Einordnung Erman/H. P. Westermann, § 241 Rn. 8. 181 Köhler, AcP 190 (1990), 496, 508; dazu u. § 7 III 2 e) und 3. 182 Köhler, AcP 190 (1990), 496, 510 f.; ders., JZ 2005, 489, 490; Fritzsche, S. 73 mit Verweis auf BGHZ 94, 276 = GRUR 1985, 1041, 1044 – Inkasso-Programm. 183 Köhler, AcP 190 (1990), 496, 510 f.; Fritzsche, S. 73. 184 Vgl. BGHZ 42, 59 = NJW 1964, 1621, 1622; vgl. BGHZ 130, 288 – Kurze Verjährungsfrist = GRUR 1995, 678, 680 („Pflichten des Schuldners, deren Verletzung Ansprüche des Gläubigers entstehen läßt“); vgl. auch PWW/Schmidt-Kessel/Kramme, § 241 Rn. 23 f. 185 Fritzsche, S. 74 f. 186 Bamberger/Roth/Unberath, § 280 Rn. 63. 179 Vgl.
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der Anspruch im Vertragsrecht auf eine ungeschriebene Anspruchsgrundlage gestützt werden muss.187 d) Abmahnung
Mitunter ist eine Abmahnung materielle Voraussetzung. Beispiele finden sich in §§ 541, 581 II BGB oder in § 1053 BGB.188 e) Subsidiarität des Unterlassungsanspruchs
Es wurde bereits gesehen, dass nicht jeder Unterlassungspflicht ein entsprechender Unterlassungsanspruch gegenübersteht (o. § 5 IV 1 c)). Ein Unterlassungsanspruch wird als subsidiär zu anderen Rechtsbehelfen gesehen. Unterlassungsansprüche sollen nur als ultima ratio in Betracht kommen.189 So soll beispielsweise der schuldrechtliche Erfüllungsanspruch die „Klage auf Unterlassung einer Störung oder Vereitelung der Erfüllung durch den Schuldner“ ausschließen.190 Ob dies der Fall ist, muss durch ergänzende Vertragsauslegung auf Basis einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ermittelt werden.191 Manche verweisen darauf, dass der Schuldner, statt Schutzpflichten einzuklagen, auch einfach den Kontakt zum Vertragspartner abbrechen könne.192
3. Klagbarkeit Während manche den Unterlassungsanspruch auf materiellrechtlicher Ebene bereits nicht entstehen lassen wollen, ihn also gegenüber anderen Rechtsbehelfen als subsidiär sehen (dazu soeben), sprechen andere existenten unselbständigen Unterlassungsansprüchen die Klagbarkeit ab.193 Zumindest wird formuliert, dass von den rechtsgeschäftlich begründeten selbständigen Unterlassungspflichten, „die grundsätzlich nicht klagbaren unselbständigen zu unterscheiden [seien].“194 Dass sonstige Vertragspflichten grundsätzlich 187
Dazu u. § 9 III 3. Vgl. BGH NJW 2007, 2180. 189 Köhler, AcP 190 (1990), 496, 503 ff., 508. 190 Henckel, AcP 174 (1974), 97, 121. 191 Köhler, AcP 190 (1990), 496, 506 ff. 192 Vgl. Köhler, AcP 190 (1990), 496, 511; Stürner, JZ 1976, 386, 387; Motzer, JZ 1983, 884, 886. 193 Lenzen, NJW 1967, 1260 f.; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 106 f., 111; zum Ganzen vgl. auch Krebs, S. 547 ff. 194 Palandt/Grüneberg, § 241 Rn. 4; ders., § 242 Rn. 25, spricht aber auch davon, dass bei unselbständigen Nebenpflichten in der Regel der „Erfüllungsanspruch“ entfällt; Bamberger/ Roth/Sutschet, § 241 Rn. 36 („unselbständige […] Unterlassungspflichten sind grundsätzlich nicht klagbar“); H. Lehmann, S. 90 ff.; Siber, S. 86 f., der davon spricht, dass von vorneherein keine entsprechenden Ansprüche bestehen. 188
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nicht „klagbar“ sind beziehungsweise nicht mit „Erfüllungsklagen sanktioniert“ werden können,195 wird pauschal freilich kaum noch vertreten.196 Allerdings soll eine „Klagemöglichkeit“ gemäß nach wie vor verbreiteter Meinung voraussetzen, dass ein berechtigtes beziehungsweise schutzwürdiges Interesse besteht.197 Nur wenn ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt ist,198 besteht ein klagbarer Anspruch.199 Insbesondere bei den Pflichten, die der Vorbereitung und sorgfältigen Ausführung der Hauptleistung dienen beziehungsweise den Unterlassungspflichten, die nur die Kehrseite der positiven Leistungspflicht sind, ist die „selbständige Einklagbarkeit“ strittig.200 Es bedarf einer Interessenabwägung.201 Klare Stellungnahmen, ob es um Ansprüche geht, die nicht prozessual eingeklagt werden können, oder um Pflichten, denen kein Anspruch gegenübersteht, finden sich freilich meist nicht. So wird verklausuliert erklärt, dass „die früher verbreitete Vorstellung, unselbständige Nebenpflichten […] seien nicht klagbar […] für einen effektiven Schutz des Gläubigers nicht hin [reicht], vielmehr sind Unterlassungspflichten in solchen Fällen klagbar“.202 Unklare Terminologie findet sich auch umgekehrt, wenn darauf abgestellt wird, dass selbständige Leistungspflichten „klagbar“ sind, ohne zugleich den Begriff des Anspruchs zu erwähnen.203
4. Abgrenzungsprobleme Praktisch werden viele Pflichten allerdings nicht als unselbständige Nebenpflichten, sondern als Nebenleistungspflichten aufgefasst. Im Übrigen können die Parteien Nebenleistungspflichten ausdrücklich zu Leistungspflichten erheben.204 Diese wiederum sollen mittels einer Leistungsklage ohne Weiteres durchgesetzt werden können.205 Gerade für ausdrücklich im Gesetz geregelte 195
Vgl. MünchKomm/Bachmann, § 241 Rn. 24, 64. Lorenz/Riehm, Rn. 354; Madaus, Jura 2004, 289, 290 (Fn. 18). 197 MünchKomm/Bachmann, § 241 Rn. 24; Weller, S. 269 f.; Erman/L. Böttcher/G. Hohloch, § 242 Rn. 74 (nur wenn sie „ausnahmsweise der klagweisen Durchsetzung bedürfen“); Bamberger/Roth/Sutschet, § 241 Rn. 43; Erman/H. P. Westermann, § 241 Rn. 8, Rn. 13 („Rechtsschutzbedürfnis“). 198 Lenzen, NJW 1967, 1260, 1261; vgl. Fritzsche, S. 73; Ritter, S. 32 ff. 199 Vgl. Erman/H. P. Westermann, § 241 Rn. 8 und Rn. 13. 200 MünchKomm/Bachmann, § 241 Rn. 64. 201 Vgl. MünchKomm/Bachmann, § 241 Rn. 64. 202 Erman/H. P. Westermann, § 241 Rn. 8. 203 Bamberger/Roth/Sutschet, § 241 Rn. 35; vgl. Münzberg, JZ 1967, 689, 692 (Ausstattung von vorhandenen Unterlassungspflichten mit dem Attribut der Klagbarkeit); Ritter, S. 34 („Ausgestaltung eines Anspruchs als selbständig klagbar“). 204 Köhler, AcP 190 (1990), 496, 500; Lenzen, NJW 1967, 1260, 1261; im Anwendungsbereich einstweiliger Verfügungen sieht Stürner, JZ 1976, 384, 391, jedoch die „Regelung der Rechtsschutzform (…) dem Parteiwillen entzogen“. 205 Vgl. Brox/Walker, SR AT, § 2 Rn. 8 ff.; Medicus/Lorenz, SR AT, § 13 Rn. 109; § 39 Rn. 524. 196 Vgl.
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Rücksichtspflichten wie § 618 BGB oder § 62 HGB wird dies vertreten.206 Aber auch Pflichten, die zur Vorbereitung, der ordnungsgemäßen Durchführung sowie der Sicherung der Hauptleistung dienen, werden dann entsprechend nicht nur als weitere Verhaltenspflichten, sondern als Nebenleistungspflichten207 oder als selbständige Nebenpflichten mit eigenständigem Zweck eingeordnet.208 Konsequenterweise sollen sie dann selbständig einklagbar sein,209 zumindest bei hinreichender Konkretisierung und wenn ein Rechtsschutzbedürfnis besteht.210 Misslich ist, dass sich die Abgrenzungsschwierigkeiten auf die Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs auswirken.211 Daher sollte die Unterscheidung letztlich unerheblich sein (dazu u. § 9).
IV. Unterlassungsansprüche als Folge der Verletzung absoluter Rechte Große praktische Bedeutung haben die aus Ausschließlichkeitsrechten beziehungsweise absoluten Rechten folgenden Unterlassungsansprüche. Diese sollen sich von Unterlassungsansprüchen, die an die Zuwiderhandlung gegen gesetzliche Verhaltensvorschriften anknüpfen, unterscheiden lassen.212 Auch in der Rechtsprechung werden beide Kategorien, insbesondere im Hinblick auf die Haftung nicht unmittelbar an der Rechtsverletzung beteiligter Dritter, unterschiedlich behandelt (Störerhaftung/Haftung wegen der Verletzung von Verkehrspflichten).213 Weiter soll die Verletzung gesetzlicher Verhaltensvorschriften an ein punktuell verbotenes Verhalten anknüpfen, während die Verletzung von Ausschließlichkeitsrechten durch eine Vielzahl verschiedener Verhaltensweisen möglich ist. Nur letztere setzten den Eingriff in eine geschützte Rechtsposition voraus.214 Es komme daher nicht auf die Rechtswidrigkeit 206 Staudinger/Olzen, § 241 Rn. 554 ff., 555; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Rn. 164 f.; bei geringeren Verstößen erst nach Abmahnung, Baumbach/Hopt/Roth, § 62 Rn. 5. 207 Medicus/Lorenz, SR AT, § 13 Rn. 109; vgl. Fritzsche, S. 75; Erman/L. Böttcher/G. Hohloch, § 242 Rn. 74 („Unterlassungspflichten“, [welche] in die Rolle von Leistungspflichten hineinwachsen“). 208 Bamberger/Roth/Grüneberg/Sutschet, § 241 Rn. 43; Stürner, JZ 1976, 384, 391. 209 Bamberger/Roth/Sutschet, § 241 Rn. 43; Medicus/Lorenz, SR AT, § 13 Rn. 109; Looschelders, SR AT, § 1 Rn. 14; vgl. Brox/Walker, SR AT, § 2 Rn. 8. 210 Vgl. Grigoleit, Festschrift Canaris, 275, 279; Lenzen, NJW 1967, 1260, 1261. 211 Zu Abgrenzungsschwierigkeiten Bamberger/Roth/Sutschet, § 241 Rn. 44; s. a. Ulrici, AcP 216 (2016), 383, 384. 212 Fritzsche, S. 111 ff., 120, 135 f.; Köhler, JZ 2005, 489; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 104; vgl. Baur, JZ 1966, 381; Zeuner, S. 295, 306. 213 BGHZ 185, 330 Rn. 13 – Sommer unseres Lebens = GRUR 2010, 633; BGHZ 173, 188 – Jugendgefährdende Medien = GRUR 2007, 890. 214 Fritzsche, S. 111 (Fn. 1), 140 ff.; MünchKomm/Baldus, § 1004 Rn. 41; a. A. o. § 5 III 5.
IV. Unterlassungsansprüche als Folge der Verletzung absoluter Rechte
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des Verhaltens, sondern auf die Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung an.215 Nach einem Überblick über einschlägige Anwendungsfälle (1.) werden die Entstehungsvoraussetzungen im Einzelnen aufbereitet (2.). Kurz ist wiederum auf die prozessuale Durchsetzbarkeit einzugehen (3.).
1. Praktische Anwendungsfälle Im Bürgerlichen Recht sticht § 1004 I BGB als zentrale Anspruchsgrundlage ins Auge. Dem Unterlassungsanspruch zum Schutze des Eigentums kommt insbesondere im Nachbarrecht große Bedeutung zu. So kann beispielsweise der Grundstückseigentümer Immissionen (etwa Grillen) abwehren216 oder Nutzungsbeeinträchtigungen wie eine zugeparkte Einfahrt unterbinden.217 Aber auch bei drohenden Verfügungen über das Eigentum steht dem Berechtigten ein Unterlassungsanspruch zu.218 Über diverse Verweisungen gilt § 1004 I S. 2 BGB auch zugunsten der Inhaber beschränkter dinglicher Rechte. So erweitern verschiedene Vorschriften den negatorischen Eigentumsschutz zugunsten des Inhabers einer Grunddienstbarkeit/beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§ 1027 BGB/§ 1090 II BGB), zugunsten des Inhabers eines Nießbrauchs (§ 1065 BGB) und des Pfandgläubigers (§ 1227 BGB; vgl. auch § 8 PachtKreditG). Der Erbbauberechtigte genießt über die Verweisung in § 11 I ErbbauRG ebenfalls Rechtsschutz wie ein Eigentümer. Gleiches gilt für das Dauerwohnrecht über § 34 II WEG. Wenn die Sicherheit einer Hypothek durch Grundstücksverschlechterungen bedroht ist, kann der Hypothekengläubiger gemäß § 1134 BGB – und damit ohne Verweis auf § 1004 I S. 2 BGB – auf Unterlassung klagen. Für den Inhaber einer Grundschuld gilt nichts anderes (§ 1192 I BGB). Eigenständige Anspruchsgrundlagen finden sich zudem zum Schutze von Immaterialgüterrechten: Ein Patent kann über § 139 I PatG, ein Urheberrecht beziehungsweise verwandtes Schutzrecht über § 97 I UrhG verteidigt werden, während diverse Kennzeichenrechte über §§ 14 V, 15 IV MarkenG, § 12 S. 2 BGB, § 37 II HGB negatorischen Schutz erfahren.219 Hinzuweisen ist weiter auf § 42 I DesignG, § 24 I GebrMG, § 37 I SortSchG und § 9 I HalblSchG. Auch der Besitz kann gemäß § 862 I BGB Unterlassungsansprüche begründen.220 215 Erman/F. Ebbing, § 1004 Rn. 34; Palandt/Herrler, § 1004 Rn. 12 und Rn. 34; Köhler/ Feddersen/Bornkamm, § 8 Rn. 2.3. 216 Grziwotz/Lüke/Saller, 3. Teil Rn. 52 ff., 149; AG Westerstede NZM 2010, 336. 217 Ständige Rechtsprechung vgl. BGH NJW-RR 2011, 1476, 1477 f. 218 Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 31; Erman/F. Ebbing, § 1004 Rn. 30. 219 Die Verletzung einer geographischen Herkunftsangabe (zum Unterlassungsanspruch § 128 I MarkenG) ist hingegen als Verhaltensunrecht ausgestaltet. 220 Da auch hier nicht nur ein bestimmtes Verhalten untersagt ist, sondern zugleich die Rechtsposition des Besitzers verletzt wird, ist dieser Unterlassungsanspruch zu Recht in diesem Kapitel angesiedelt, ähnlich Fritzsche, S. 112 („absolut geschützte Rechtsposition“); vgl. Palandt/Herrler, Vor § 854 Rn. 1.
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Eingriffe in Persönlichkeitsrechte können ebenfalls mit Unterlassungsansprüchen sanktioniert werden. Während bei Verletzungen des Namensrechts als speziellem Persönlichkeitsrecht ein Unterlassungsanspruch in § 12 S. 2 BGB geregelt ist, sind Eingriffe in das Recht am eigenen Bild oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht über die analoge Anwendung von §§ 12 S. 2, 862 I S. 2, 1004 I S. 2 BGB abzuwehren.221 Der Schutz des Persönlichkeitsrechts wird freilich zunehmend über das Datenschutzrecht verwirklicht (§§ 20, 35 BDSG).222 Ebenfalls in Analogie zu §§ 12 S. 2, 862 I S. 2 und § 1004 I S. 2 BGB wurde der Unterlassungsanspruch auf weitere absolut geschützte Rechtspositionen ausgedehnt.223 Vor allem werden bei der (drohenden) Verletzung der in § 823 I BGB genannten Rechte Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit entsprechende Unterlassungsansprüche gewährt. Relevanz hat in diesem Zusammenhang ferner der Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.224 Geschützt wird auf diese Weise aber auch das Jagd- beziehungsweise Jagdausübungsrecht225 oder ein durch Konzession erworbenes Nutzungsrecht am Meeresstrand.226 Selbst der räumlich-gegenständliche Bereich der Ehe kann mittels eines Unterlassungsanspruchs verteidigt werden.227
2. Entstehungsvoraussetzungen Die einschlägigen Anspruchsgrundlagen weisen oft einen unterschiedlichen Wortlaut auf. Im Kern bedarf es stets eines Eingriffs in den Schutzbereich des jeweiligen Rechts (a)), der widerrechtlich sein muss (b)). Zudem bedarf es der Begehungsgefahr (c)). a) Eingriff in den Schutzbereich
§ 1004 BGB setzt eine Beeinträchtigung des Eigentums voraus. Unter einer Eigentumsbeeinträchtigung wird dabei „jeder dem Inhalt des Eigentums (§ 903 BGB) widersprechende Eingriff in die rechtliche oder tatsächliche Herrschaftsmacht des Eigentümers“ verstanden.228 Sollen die Rechte beziehungsweise Rechtsgüter Leib, Leben, Gesundheit sowie Freiheit mit einem Unterlassungs221 Erman/N. Klass,
Anh § 12 Rn. 279. Ohly, AfP 2011, 428, 437 f. 223 RGZ 48, 114, 118 f.; RGZ 56, 271, 286; Palandt/Herrler, § 1004 Rn. 4; Erman/G. Schiemann, Vor § 823 Rn. 20; PWW/Englert, § 1004 Rn. 3; MünchKomm/Baldus, § 1004 Rn. 34 f.; Dreier, S. 21 f.; Brehm/Berger, § 7 Rn. 10. 224 BGHZ 3, 270 Rn. 15 f.; BGHZ 28, 320 Rn. 13 = NJW 1959, 675. 225 OLG Düsseldorf NJW-RR 1988, 526. 226 BGHZ 44, 27 Rn. 16 = NJW 1965, 1712. 227 BGHZ 6, 360. 228 BGHZ 66, 37 Rn. 13 = NJW 1976, 416; BGH NJW 2007, 432 Rn. 7; BGH GRUR 2013, 623 Rn. 14 – Preußische Gärten und Parkanlagen II; Palandt/Herrler, § 1004 Rn. 6; MünchKomm/Baldus, § 1004 Rn. 2; Erman/F. Ebbing, § 1004 Rn. 13 (Behinderung des Berechtigten 222 Vgl.
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anspruch behauptet werden, bedarf es ebenfalls eines objektiv widerrechtlichen Eingriffs in das jeweilige Recht beziehungsweise Rechtsgut.229 Auch wenn § 97 I UrhG davon spricht, dass eine Verletzung der Vorschriften des Urhebergesetzes vorliegen muss, bedarf es auch hier in der Sache eines Eingriffs in den Schutzbereich des Urheberrechts („Eingriff in die absoluten Berechtigungen des Urhebers“) beziehungsweise eines verwandten Schutzrechts.230 Gleiches gilt im Patent- („verbotene Patentbenutzung“231) und Markenrecht.232 Bei Persönlichkeitsrechten wird verlangt, dass eine rechtswidrige Verletzung beziehungsweise Gefährdung des jeweiligen Persönlichkeitsrechts vorliegt.233 Anders als bei den zuvor genannten Rechten muss die Rechtswidrigkeit allerdings im Einzelfall durch eine situationsbezogene Güter- und Interessenabwägung festgestellt werden.234 Liegt ein solcher Eingriff in das Recht noch nicht vor, ist entsprechend zu fragen, ob die Handlung, würde sie vorgenommen, als Eingriff in das absolute Recht zu qualifizieren wäre.235 Letztlich ist also in sämtlichen Fällen eine präzise Bestimmung des jeweiligen Schutzbereichs erforderlich. Maßgeblich ist dann, dass ein Eingriff in eine entsprechende Schutzposition gegeben ist, auch wenn dies vielfach über die Verletzungshandlung erfasst wird.236 Enger ist die auf Picker zurückgehende Usurpationslehre.237 Demnach begnügt sich namentlich § 1004 BGB nicht mit der Verursachung einer rechtswidrigen Eigentumsbeeinträchtigung, sondern verlangt darüber hinaus eine gegenwärtige Beeinträchtigung im Sinne der Usurpation der Rechtsposition des Eigentümers durch den Störer. Der Verletzer muss sich faktisch eine Stellung anmaßen, die dem Eigentümer zugewiesen ist. Im Falle der Dereliktion entfällt daher eine Eigentumsverletzung, was dazu führt, dass die Lehre als nicht weit genug kritisiert wird.238 b) Rechtswidrigkeit, Duldungspflichten, Schranken
Nicht jeder Eingriff in eine einschlägige absolute Rechtsposition zieht einen Unterlassungsanspruch nach sich. Der Eingriff, genauer: der Handlungsin seiner „Rechtsausübungsfreiheit“); verallgemeinernd Fritzsche, S. 138; vgl. PWW/Englert, § 1004 Rn. 5. 229 Palandt/Sprau, Einf v. § 823 Rn. 27 ff.; BGHZ 163, 195 Rn. 9 = NJW 2005, 2385. 230 Schricker/Loewenheim/Wild, § 97 Rn. 28. 231 Mes, § 139 Rn. 42, 17 ff. 232 Vgl. Ingerl/Rohnke, Vor §§ 14–19d Rn. 76. 233 Erman/N. Klass, Anh § 12 Rn. 280. 234 Erman/N. Klass, Anh § 12 Rn. 228. 235 Wagner, Festschrift Medicus, S. 589, 590. 236 Vgl. Fritzsche, S. 136, 138 f.; Mes, § 139 Rn. 42, 21 ff. 237 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 49 ff.; ders., AcP 183, 369, 513; ders., Festschrift Lange, S. 625, 659; ders., Festschrift Gernhuber, S. 315, 322 ff.; s a. Katzenstein, NZM 2008, 594, 596 f., 599 ff.; Hoffmann, ZGE 2014, 335, 337 f.; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 17 ff. 238 Wagner, Festschrift Medicus, S. 589, 592; Fritzsche, S. 136 ff.
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§ 7 Bestandsaufnahme privatrechtlicher Unterlassungsansprüche
erfolg,239 muss nach herrschender Meinung rechtswidrig sein,240 auch wenn dies nicht immer eindeutig so im Wortlaut der jeweiligen Anspruchsgrundlagen zu lesen ist. § 97 I UrhG beispielsweise verlangt eine widerrechtliche Verletzung des Urheberrechts. Bei anderen Immaterialgüterrechten ist weder Rechtswidrigkeit noch Widerrechtlichkeit des Eingriffs Tatbestandsmerkmal. § 139 I S. 1 PatG spricht davon, dass derjenige, der eine patentierte Erfindung entgegen den §§ 9 bis 13 PatG benutzt, auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann. Rechtswidrigkeit ist auch kein Tatbestandsmerkmal in §§ 9 bis 13 PatG. Eine ähnliche Regelung findet sich im MarkenG. § 1004 II BGB spricht für das Eigentum von einer Duldungspflicht. Für das Eigentum meint namentlich Pfister dann auch, dass sich die Rechtswidrigkeit des eigentumsbezogenen Verhaltens auf zweierlei Art ergeben kann: erstens aus Art und Umfang des Eigentums und zweitens aus der Rechtsordnung im Übrigen.241 Der Eigentümer könne weder beim Vorliegen von Rechtfertigungsgründen noch im Falle von Duldungspflichten einen Unterlassungsanspruch geltend machen.242 Dies lässt sich grundsätzlich für sämtliche Ausschließlichkeitsrechte verallgemeinern. Greifen Schranken ein, besteht von vorneherein kein Unterlassungsanspruch.243 Selbst wenn aber solche nicht bestehen, kann der Anspruch an den allgemeinen Regeln scheitern.244 „Duldungspflichten“ sind freilich sehr vielschichtig (vgl. nur rechtsgeschäftliche Duldungspflichten mittels dinglicher Rechte oder „Lizenzen“) und die Übergänge zwischen rechtsspezifischen Ausnahmen und gleichsam vor die Klammer gezogenen Beschränkungen sind fließend.245 Während schließlich ein Eingriff im Grundsatz eine Vermutung für die Rechtswidrigkeit mit sich bringt,246 muss die Rechtswidrigkeit bei den Rahmenrechten durch eine umfassende Güter- und Interessenabwägung positiv festgestellt werden.247
239 Erman/F. Ebbing,
§ 1004 Rn. 34; vgl. Palandt/Herrler, § 1004 Rn. 34. § 1004 Rn. 12; Erman/F. Ebbing, § 1004 Rn. 32; Erman/G. Schiemann, Vor § 823 Rn. 22; Fritzsche, S. 133, 139, 140 ff.; Wagner, Festschrift Medicus, S. 589, 590; Schulte/Voß/Kühnen, § 139 Rn. 37, 46. 241 Pfister, JZ 1976, 156, 157 f.; vgl. auch die „Eskalationsstufen“ nach Erman/F. Ebbing, § 1004 Rn. 33 und Rn. 40 ff. 242 Vieweg/Werner, § 9 Rn. 1. 243 Wer sich auf die Schranke beruft, hat dies zu beweisen (vgl. Erman/F. Ebbing, § 1004 Rn. 37). Für § 1004 II BGB folgt dies schon aus der negativen Formulierung; aber auch bei Schranken im Markenrecht hat derjenige, der sich auf die Schranke beruft, deren Tatbestandsvoraussetzungen zu beweisen; etwas anderes gilt nur, wenn die Schranke selbst mit Gegenausnahmen formuliert ist (Ströbele/Hacker, § 23 Rn. 7). 244 Palandt/Herrler, § 1004 Rn. 35. 245 Vgl. nur Erman/F. Ebbing, § 1004 Rn. 38 ff.; Palandt/Herrler, § 1004 Rn. 35 ff. 246 Erman/F. Ebbing, § 1004 Rn. 36. 247 Erman/F. Ebbing, § 1004 Rn. 36, 172. 240 Palandt/Herrler,
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c) Begehungsgefahr
Der Anspruch entsteht jeweils erst, wenn die Gefahr weiterer Zuwiderhandlungen besteht. Regelmäßig begründet eine erfolgte rechtswidrige Beeinträchtigung des geschützten Rechts eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr.248 Auch erstmalig drohende Eingriffe lösen bereits einen Unterlassungsanspruch aus,249 auch wenn dieses Tatbestandsmerkmal teils erst später ins Gesetz aufgenommen wurde.250 In beiden Fällen handelt es sich um eine materiellrechtliche Voraussetzung.251 Bisweilen wird einschränkend vertreten, dass in der Fallgruppe „drohende rechtsgeschäftliche Verfügung über das Eigentum“ nach erfolgter Verfügung ein Anspruch auf Unterlassen der Verfügung nicht mehr bestehe.252 Dabei geht es indes um die Unmöglichkeit (§ 275 I BGB).253 d) Verschulden
Verschulden ist kein Tatbestandsmerkmal.254 Es ist unerheblich, ob der Verletzer vom Bestehen des absoluten Rechts weiß.255 Im Falle der Verletzung von „Verkehrs-“ beziehungsweise „Prüfpflichten“ (dazu sogleich) wollen manche Verschulden und Pflichtverletzung indes gleichsetzen.256 e) Passivlegitimation
Wer für die Rechtsverletzung verantwortlich gemacht werden kann, hängt vom einschlägigen Haftungskonzept ab.257 Im Rahmen des § 1004 BGB sind sowohl der Handlungs- als auch der Zustandsstörer haftbar.258 Zustandsstörer ist der Eigentümer/Verfügungsberechtigte beziehungsweise Besitzer einer Sache, wenn die Beeinträchtigung mittelbar auf dessen Willen zurückgeht.259 Handlungsstörer ist derjenige, wer die Beeinträchtigung durch seine Handlung oder 248
Ständige Rechtsprechung, nur BGH NJW 2012, 3781 Rn. 12. BGHZ 160, 232 = NJW 2004, 3701, 3702; RGZ 101, 335, 340. 250 Zur Erstbegehungsgefahr und dem Referentenentwurf zum Urheberrechtsgesetz 1954 Neumann-Duesberg, JZ 1955, 480. 251 BGH NJW 2005, 594, 595. 252 Erman/F. Ebbing, § 1004 Rn. 30. 253 Dazu auch o. § 7 II 2 c); s. a. BGH NJW 2014, 2640 Rn. 12. 254 BGHZ 110, 313 Rn. 17 = NJW 1990, 2058; Erman/F. Ebbing, § 1004 Rn. 63. 255 Fürs Markenrecht Ingerl/Rohnke, Vor §§ 14–19d Rn. 77. 256 Vgl. Ohly, Gutachten Juristentag, F 108; Krüger/Apel, MMR 2012, 144, 148 ff. 257 Zu Anstiftung und Beihilfe etwa Jauernig/Teichmann, § 830 Rn. 6 f. 258 Vgl. Neuhaus, S. 67 ff.; Erman/F. Ebbing, § 1004 Rn. 109; MünchKomm/Baldus, 6. Aufl. 2013, § 1004 Rn. 159 ff., mit Verweis auf MünchKomm/Medicus, 4. Aufl., § 1004 Rn. 43–50. 259 Palandt/Herrler, § 1004 Rn. 19; Erman/F. Ebbing, § 1004 Rn. 108; BGH NJW 2012, 3781 Rn. 7. 249
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pflichtwidrige Unterlassung selbst adäquat verursacht.260 Problematisch ist vor allem die mittelbare Verantwortlichkeit. Im Rahmen des § 1004 BGB ist insoweit vom mittelbaren Handlungsstörer die Rede. Das ist derjenige, der die Beeinträchtigung durch die Handlung eines Dritten adäquat verursacht hat und die Beeinträchtigung verhindern kann.261 Im Recht des Geistigen Eigentums wird nur in diesem letzteren Sinne vom Störer gesprochen. Auch hier ist ein mittelbar Verantwortlicher („Mittelsperson“, Art. 11 S. 3 EnforcementRL; „Vermittler“, Art. 8 III InfoSoc-RL) gemeint, obwohl traditionell mit Störer der Täter in § 1004 BGB gemeint ist.262 In ständiger Rechtsprechung heißt es: „Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der Inanspruchgenommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die weder als Täter noch als Teilnehmer für die begangene Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen werden können, setzt die Haftung als Störer nach der Rechtsprechung des Senats die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten, voraus.“263
Abgelehnt wird das im Deliktsrecht bemühte Konzept der Haftung für Verkehrspflichten. Der BGH begründet: „Es kommt auch keine täterschaftliche Haftung des Bekl. unter dem Aspekt der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht […] in Betracht. Diese für das Wettbewerbsrecht entwickelte Haftungsgrundlage setzt voraus, dass die Merkmale einer täterschaftlichen Haftung nach dem jeweiligen Haftungsregime erfüllt sein müssen. Während im Lauterkeitsrecht das in Rede stehende Verhalten – die Eröffnung einer nicht hinreichend begrenzten Gefahr für die geschützten Interessen anderer Marktteilnehmer – ohne Weiteres als eine unlautere geschäftliche Handlung eingeordnet werden kann, müssen für eine täterschaftlich begangene Urheberrechtsverletzung die Merkmale eines der handlungsbezogenen Verletzungstatbestände des Urheberrechts erfüllt sein. Im Streitfall müsste das Verhalten des Bekl. – also die Unterhaltung eines nicht ausreichend gesicherten privaten WLAN-Anschlusses – den Tatbestand der öffentlichen Zugänglichmachung des in Rede stehenden urheberrechtlichen Werkes […] erfüllen“.264 260 Palandt/Herrler, § 1004 Rn. 16 f.; zum Tätigkeits- und Untätigkeitsstörer nach Medicus MünchKomm/Baldus, 6. Aufl. 2013, § 1004 Rn. 159 ff. 261 Palandt/Herrler, § 1004 Rn. 18; Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 17 f.; BGH NJW 2006, 992, 993; vgl. BGH NJW 2012, 3781 Rn. 2 und Rn. 6 ff. 262 Zur „Verbreiterhaftung“ zum Schutz von Persönlichkeitsrechten, Erman/N. Klass, Anh § 12 Rn. 86 ff.; Ohly, ZUM 2015, 308, 311, spricht auch von „Intermediärshaftung“. 263 Nur BGHZ 200, 76 Rn. 22 – BearShare = GRUR 2014, 657. 264 BGHZ 185, 330 Rn. 13 – Sommer unseres Lebens = GRUR 2010, 633.
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Überzeugend ist diese Unterscheidung zwischen Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht nicht.265 Schließlich müssen Unterlassungsansprüche zum Schutz der in § 823 I BGB genannten Rechte beziehungsweise Rechtsgüter auch bei nur mittelbarer Verantwortlichkeit und damit letztlich bei der Verletzung von Verkehrspflichten greifen.266 Wer eine Waffe ungesichert liegen lässt, erschießt damit selbst noch niemanden, wenn die Waffe in die Hände von damit schießenden Schulkindern gerät.267 Ein Unterlassungsanspruch eines in der Nachbarschaft wohnenden Kindes wäre dennoch schwer zu leugnen – jedenfalls, wenn ein in der Nähe wohnender Jäger die Waffe grundsätzlich frei herumliegen lässt. Im Wettbewerbsrecht wird – wie aus dem Zitat ersichtlich – konsequenterweise statt der Störerhaftung das Verkehrspflichtenkonzept herangezogen.268 Eine Mischung aus dem Störerhaftungskonzept für mittelbar Verantwortliche und der Täterhaftung hat der VI. Zivilsenat in der Entscheidung „Autocomplete“-Funktion herangezogen.269 Obwohl es sich bei den Suchergänzungsvorschlägen einer Suchmaschine um „eigene Inhalte“ handelt, beschränkt der BGH die Haftung auf die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten. Der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit soll in einem Unterlassen bestehen. Darauf wird aber im Falle der Verantwortlichkeit von Host-Providern für Urheberrechtsverletzungen gerade nicht abgestellt.270 Bei der Verantwortlichkeit von Mittelspersonen zeigt sich damit erneut, wie unterschiedlich die Regeln für Unterlassungsansprüche ausgestaltet zu sein scheinen.
3. Durchsetzbarkeit Wird eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung unterzeichnet, entfällt regelmäßig die bestehende Wiederholungsgefahr.271 Im Falle drohender Eingriffe genügt es hingegen, ein entgegengesetztes Verhalten (actus contrarius) vorzunehmen.272 Gerichtlich sind Unterlassungsansprüche zur Durchsetzung absoluter Rechte mit der Leistungsklage verfolgbar. § 259 ZPO
265 Kritisch
Ohly, Gutachten Juristentag, F 98 f. auch Stickelbrock, AcP 197 (1997), 456, 478 ff.; Neuhaus, S. 76 ff.; Beispiele aus der Rechtsprechung BGH NJW 1982, 440 f.; BGHZ 106, 229 = NJW 1989, 902, 903 f.; in der Sache geht es auch dort letztlich um „Verkehrspflichten“. 267 Hofmann, ZUM 2014, 654, 656 f. 268 Dazu u. § 7 V 2 g) und allgemein u. § 9 VII; s. a. BGHZ 182, 245 Rn. 29 ff. – MP3Player-Import = GRUR 2009, 1142 zum Patentrecht. 269 BGHZ 197, 213 Rn. 18 ff. – Autocomplete-Funktion = GRUR 2013, 751; vgl. Ohly/ Sosnitza, § 8 Rn. 115a. 270 Vgl. nur BGHZ 194, 339 – Alone in the dark = GRUR 2013, 370. 271 Nur Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.42 ff., 1.45; BGH GRUR 2008, 1108 Rn. 23 – Haus & Grund III. 272 Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.31; kritisch Köhler, GRUR 2011, 879 ff. 266 Vgl.
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ist nicht einschlägig.273 Das Rechtsschutzbedürfnis ist regelmäßig gegeben.274 Anders als der vertragliche Unterlassungsanspruch sind die hier behandelten Unterlassungsansprüche nicht abtretbar. Eine entsprechende Erklärung kann allerdings in eine Prozessstandschaft umgedeutet werden.275
V. Unterlassungsansprüche als Folge der Verletzung gesetzlicher Verhaltenspflichten In diesem Abschnitt geht es um Unterlassungsansprüche, die gewährt werden, weil der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten missbilligt, ohne dass dadurch in eine fremde Rechtsposition (im Sinne eines Ausschließlichkeitsrechts) eingegriffen wird.276 Sie stellen sicher, dass gewisse gesetzliche Verhaltensgebote beziehungsweise Verhaltensverbote durchgesetzt werden können.277 Anders als die Verletzung absoluter Rechte und absolut geschützter Rechtsgüter korreliert ein Verstoß gegen eine Verhaltenspflicht nach herrschender Meinung aber nicht mit einem Eingriff in ein subjektives absolutes Recht.278 Wie in den vorherigen Gliederungspunkten werden zunächst praktische Anwendungsfälle aufgezeigt (1.), um dann die einzelnen Tatbestandsmerkmale knapp zu spezifizieren. Vor allem die Passivlegitimation und die Beurteilung der Rechtswidrigkeit heben sich von den vorherigen Darstellungen ab (2.). Für die prozessuale Durchsetzung kann hingegen auf Unterlassungsansprüche infolge der Verletzung von Ausschließlichkeitsrechten verwiesen werden.
1. Praktische Anwendungsfälle Schulbeispiel für Unterlassungsansprüche infolge von Verstößen gegen Verhaltensgebote ist die Zuwiderhandlung gegen Verhaltenspflichten im Wettbewerb. Nach § 8 I UWG besteht ein Anspruch auf Unterlassung. Auch wer unwirksame AGB-Klauseln verwendet, muss den Unterlassungsanspruch aus § 1 UKlaG fürchten. Insbesondere Kartellanten, aber auch marktbeherrschende Unternehmen können nach § 33 I GWB angehalten werden, künftig Kartellrechtsverstöße zu unterlassen. Zum Schutz geographischer Herkunftsangaben findet sich in § 128 I MarkenG ein Unterlassungsanspruch. Praktische 273 Palandt/Herrler, § 1004 Rn. 31; Erman/F. Ebbing, § 1004 Rn. 78; Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.15. 274 BGH GRUR 2008, 1108 Rn. 23 – Haus & Grund III. 275 Vgl. Fritzsche, S. 447 ff., 460 ff.; s. a. BGH NJW 2013, 1809 Rn. 30. 276 Fritzsche, S. 111 ff., 135, modifizierend allerdings für den ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz. 277 Fritzsche, S. 113. 278 Zum UWG Ohly/Sosnitza, Einf D Rn. 78; § 4.3 Rn. 3/3; Köhler/Bornkamm, § 4 Rn. 3.4; vgl. Grosch, S. 59 f., 62; anders o. § 5 III 1 und 5.
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Bedeutung haben weiter Verstöße gegen §§ 824, 826 BGB beziehungsweise gegen Schutzgesetze gemäß § 823 II BGB. In Gesamtanalogie zu §§ 1004, 12, 861 besteht auch hier vorbeugender Rechtsschutz.279 Letztlich können sämtliche deliktisch geschützten Interessen über Unterlassungsansprüche verteidigt werden.280 Die Rechtsprechung gewährt beispielsweise bei der Umgehung des Kopierschutzes nach § 95a III UrhG einen auf § 1004 i. V. m. § 823 II BGB gestützten Unterlassungsanspruch.281 Auch Diskriminierungen nach dem AGG können die Rechtsfolge Unterlassen auslösen (vgl. § 21 I AGG). Der Betriebsrat kann derartige Verstöße über § 17 II AGG i. V. m. § 23 III BetrVG geltend machen.282 Damit bleibt als letztes Beispiel, auf Unterlassungsansprüche im Arbeitsrecht hinzuweisen. Konkret im Betriebsverfassungsrecht geht es ausweislich der Überschrift von § 23 BetrVG um die „Verletzung gesetzlicher Pflichten“.283 Auch Verstöße gegen die Koalitionsfreiheit können über § 1004 I S. 1 BGB i. V. m. § 823 II BGB und Art. 9 III GG zu Unterlassungsansprüchen führen.284
2. Entstehungsvoraussetzungen Während insbesondere im Arbeitsrecht umstritten ist, ob der Verstoß gegen eine betriebsverfassungsrechtliche Pflicht überhaupt einen Unterlassungsanspruch auslöst (o. § 5 IV 4 b)), ob also eine einschlägige Anspruchsgrundlage überhaupt existiert, bedarf es im Kern der Verletzung einer tatbestandlichen Verhaltenspflicht, Rechtswidrigkeit und Begehungsgefahr (a)–c)). Weitere Voraussetzungen werden kurz adressiert (d)–g)). a) Verletzung einer tatbestandlichen Verhaltenspflicht
Anspruchsvoraussetzung ist zunächst die Verletzung einer Verhaltenspflicht, etwa in Form einer Schutzgesetzverletzung.285 Es muss gegen eine den gesetzlichen Tatbestand erfüllende Gebots- oder Verbotsnorm verstoßen werden.286 Nicht erst der Erfolg wird untersagt, sondern schon eine bestimmte Verhal279 RGZ 60, 6, 7; vgl. BGHZ 14, 163, 173 – Constanze II = GRUR 1955, 97; Köhler/ Bornkamm, § 8 Rn. 1.5 f.; vgl. Fritzsche, S. 113. 280 RGZ 60, 6, 7; RGZ 140, 392, 402; BGH NJW 1998, 2058, 2059; BGHZ 30, 7, 14; BGH GRUR 2008, 996 Rn. 13; MünchKomm/Wagner, Vor § 823 Rn. 40; Dreier, S. 487; Fritzsche, S. 113 f., u. a. mit Blick auf § 226 BGB. 281 BGH GRUR 2008, 996 Rn. 12 f. – Clone-CD. 282 BAGE 131, 342 = AP AGG § 3 Nr. 1 = NZA 2010, 222; Palandt/Weidenkaff, AGG, § 17 Rn. 3. 283 Zum „allgemeinen“ betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch BAGE 76, 364 = NJW 1995, 1044 = AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 23. 284 BAGE 91, 210 = NJW 1999, 3281 = AP GG Art. 9 Nr. 89. 285 Erman/G. Schiemann, Vor § 823 Rn. 22. 286 Teplitzky/Kessen, 3. Kap. Rn. 4; Fritzsche, S. 135.
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§ 7 Bestandsaufnahme privatrechtlicher Unterlassungsansprüche
tensweise.287 Das Lauterkeitsrecht ist Verhaltensunrecht; es bedarf der lauterkeitsrechtlichen Unzulässigkeit des Handelns.288 b) Rechtswidrigkeit
Maßgeblich ist, dass die Verletzungshandlung rechtswidrig ist.289 Anders als bei Unterlassungsansprüchen infolge des Eingriffs in Ausschließlichkeitsrechte gibt es regelmäßig keine auf Rechtsgeschäft fußenden Duldungspflichten. So ist namentlich die Einräumung einer „Lizenz“ an einer geographischen Herkunftsangabe nicht möglich.290 Mangels zugewiesener Rechtsposition existieren auch keine tatbestandsausschließenden Schranken. „Duldungspflichten“ sollen im Lauterkeitsrecht allenfalls auf Tatbestandseite über eine Interessenabwägung eine Rolle spielen.291 Jenseits von praktisch wenig relevanten Rechtfertigungsgründen wie § 227 BGB ist der Verstoß gegen eine Verhaltenspflicht daher regelmäßig rechtswidrig. In den einschlägigen Kommentierungen finden sich meist auch keine eigenständigen Gliederungspunkte ausdrücklich zur Rechtswidrigkeit.292 c) Begehungsgefahr
Auch hier besteht der Anspruch nicht allgemein gegen jedermann, sondern setzt in der Form der „Verletzungsunterlassung“ Wiederholungsgefahr voraus. Es muss die Gefahr bestehen, dass dieselbe oder eine im Kern gleichartige Verletzungshandlung erneut droht. Wurde insbesondere gegen ein lauterkeitsrechtliches Verbot verstoßen, wird die Wiederholungsgefahr vermutet.293 Wiederholungsgefahr soll demgegenüber nach der Rechtsprechung im Rahmen des § 23 III BetrVG kein Tatbestandsmerkmal sein.294 Die neuere Rechtsprechung geht indes davon aus, dass ein grober Pflichtverstoß die Wiederholungsgefahr indiziert.295 Der Wiederholungsgefahr gleichgestellt ist die Erstbegehungsgefahr.296 287
Fritzsche, S. 135; Köhler/Feddersen/Bornkamm, § 8 Rn. 2.3. GRUR 2011, 152 Rn. 48 – Kinderhochstühle im Internet; Ohly/Sosnitza, § 8
288 BGH
Rn. 1.
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Köhler/Feddersen/Bornkamm, § 8 Rn. 2.3a („objektiv widerrechtliche Zuwiderhandlung“). 290 BGHZ 173, 57 Rn. 38 – Cambridge Institute = GRUR 2007, 884. 291 Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.41; vgl. aber ders., § 8 Rn. 1.67, 1.73 f.: Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kann Einschränkung des Unterlassungsanspruchs bewirken; eine Aufbrauchsfrist ändert nach h. M. gleichwohl nichts an der Rechtswidrigkeit des Verhaltens. 292 Vgl. Köhler/Feddersen/Bornkamm zu § 8 UWG; Ohly/Sosnitza zu § 8 UWG. 293 Ständige Rechtsprechung, BGH GRUR 1997, 379, 380 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.42; Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 8. 294 BAGE 48, 246 = NZA 1985, 783, 786 = AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 5. 295 BAG NZA-RR 2012, 359, 360 = AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 128. 296 BGHZ 2, 394, 395 f. – Widia/Ardia; Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.16.
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d) Verschulden
Der Anspruch besteht verschuldensunabhängig.297 Für das Wettbewerbsrecht wurde dies zum Teil in Zweifel gezogen.298 e) Subsidiarität
Steht die Verletzung einer reinen Verhaltenspflicht im Raum, wird bisweilen eine Begrenzung der Haftung gefordert. Um eine „Art Popularklage“ gegen Verkehrspflichtverletzungen zu vermeiden, soll ein Anspruch nur demjenigen zustehen, der durch die Pflichtverletzung oder den Gesetzesverstoß „konkret und nachhaltig bedroht wird und der Bedrohung nicht in zumutbarer Weise ausweichen kann“.299 Man könnte wiederum von einer Art Subsidiarität sprechen (bereits o. § 7 III 2 e)). f) Zusätzliche Voraussetzungen
Zusätzliche Tatbestandsmerkmale finden sich in § 23 III BetrVG. Vorausgesetzt wird ein grober Verstoß. Ein grober Verstoß liegt vor, wenn es sich um objektiv erhebliche und offensichtlich schwerwiegende Pflichtverletzungen handelt.300 An einer solchen kann es fehlen, „wenn der Arbeitgeber in einer schwierigen und ungeklärten Rechtsfrage eine bestimmte, sich später als unzutreffend herausstellende Rechtsansicht vertritt.“301 Einer Abmahnung bedarf es normalerweise nicht (vgl. aber § 12 I UWG: „soll“). g) Passivlegitimation
Neben demjenigen, der selbst gegen das gesetzliche Verbot verstößt, können wiederum Dritte haften. Keine Besonderheiten sind mit Blick auf Anstiftung und Beihilfe festzustellen. Wie im Immaterialgüterrecht wurden im Wettbewerbsrecht Mittelspersonen lange als „Störer“ für Wettbewerbsverstöße Dritter verantwortlich gemacht.302 In der Entscheidung Jugendgefährdende Medien hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung grundlegend geändert.303 Statt der Störerhaftung bemüht er den „allgemeine[n] Rechtsgrundsatz“ der Verantwortlichkeit für Gefahrenquellen:
297 Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.2; Köhler/Feddersen/Bornkamm, § 8 Rn. 2.3a; Ohly/ Sosnitza, § 8 Rn. 1. 298 Vgl. Fritzsche, S. 146 f. 299 v. Bar, 25 Jahre Karlsruher Forum, S. 80, 84 f.; Erman/G. Schiemann, Vor § 823 Rn. 21. 300 BAGE 115, 239 = NZA 2005, 1372, 1374 = AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 43. 301 BAGE 115, 239 = NZA 2005, 1372, 1374 = AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 43. 302 Köhler/Feddersen/Bornkamm, § 8 Rn. 2.2 f. 303 BGHZ 173, 188 – Jugendgefährdende Medien = GRUR 2007, 890.
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„[J]eder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, [muss] die ihm zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen treffen […], die zur Abwendung der daraus Dritten drohenden Gefahren notwendig sind. Wer gegen eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht verstößt, ist Täter einer unlauteren Wettbewerbshandlung.“304
Die Störerhaftung gilt damit im UWG als abgeschafft.305 Die Haftungskonzepte im Lauterkeitsrecht und Immaterialgüterrecht laufen damit – jedenfalls dogmatisch – nicht mehr synchron.
VI. Unionsrechtliche Unterlassungsanordnungen im Immaterialgüterrecht Im Unionsrecht finden sich autonome Regelungen zu „Unterlassungsanordnungen“ bisher – soweit ersichtlich – nur im Recht des Geistigen Eigentums. Deren Ausgestaltung verdient daher einen eigenen Abschnitt. Anwendungsbeispiele sowie die strukturellen Unterschiede zum „Anspruchssystem“ wurden thematisiert (o. § 3). Es bedarf hier noch einiger Ergänzungen zu den konkreten Tatbestandsmerkmalen des „europäischen Unterlassungsanspruchs“. Unter welchen Voraussetzungen kann ein Gericht eine entsprechende Anordnung treffen? Nationale Gerichte dürfen dabei den einschlägigen europäischen Vorschriften nicht einfach nationale Dogmatik überstülpen.306 Neben einer Rechtsverletzung (1.) ist die „Begehungsgefahr“ problematisch (2.). Während es auf Verschulden (3.) wie im deutschen Recht nicht ankommt, kennen nationale Unterlassungsansprüche keine Kriterien, wonach eine „Unterlassungsordnung“ aus „besonderen“ oder „guten Gründen“ ausgeschlossen sein kann (4.). Kurz werden Fragen der Passivlegitimation (5.) und der Rechtsdurchsetzung (6.) adressiert.
1. Rechtsverletzung Zu beachten ist zunächst die Akzessorietät zur Rechtsverletzung. Nur wenn und soweit ein Eingriff in das geschützte Recht gegeben ist, kann auch eine „Unterlassungsanordnung“ ergehen. Werden beispielsweise die Funktionen einer Gemeinschaftsmarke trotz unionsweiter Benutzung des angegriffenen Kennzeichens in einem Teil der Mitgliedstaaten aus sprachlichen Gründen 304
BGHZ 173, 188 Rn. 36 – Jugendgefährdende Medien = GRUR 2007, 890. GRUR 2011, 152 Rn. 48 – Kinderhochstühle im Internet (eine Störerhaftung kommt „in den dem Verhaltensunrecht zuzuordnenden Fällen nicht in Betracht“); BGH GRUR GRUR 2015, 1025 Rn. 17 – TV-Wartezimmer. 306 Kein Problembewusstsein beispielsweise bei LG Braunschweig Urt. v. 13. 04. 2006 – 9 O 899/06 = BeckRS 2008, 19527 mit Blick auf die „Wiederholungsgefahr“. 305 BGH
VI. Unionsrechtliche Unterlassungsanordnungen im Immaterialgüterrecht
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nicht beeinträchtigt, muss das Gericht die Unterlassungsanordnung auf die anderen Teile der Union beschränken.307
2. Begehungsgefahr Eine gerichtliche Anordnung kann wie im deutschen Recht nur anlassbezogen begehrt werden. So setzt eine Unterlassungsanordnung nach Art. 89 I GGV dem Wortlaut nach voraus, dass ein Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht feststellt, dass der Beklagte ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster verletzt hat oder zu verletzen droht.308 Ähnlich ist Art. 102 UMV formuliert. Entsprechend zieht eine Verletzung einen unionsweiten Unterlassungsanspruch nach sich. Eine Verletzungshandlung, die in einem Mitgliedstaat begangen wird, begründet in der Regel eine Begehungsgefahr für das gesamte Gebiet der Europäischen Union.309 Übersetzt in die deutsche Terminologie liegt am Ort der Verletzung Wiederholungsgefahr vor, im Rest der EU Erstbegehungsgefahr.310 Die Variante der drohenden Verletzung fehlt demgegenüber in Art. 94 SortenschutzVO; einer begangenen Rechtsverletzung bedarf es aber auch dort. Da es dem Rechteinhaber nur schwer zuzumuten ist, eine drohende Verletzung abzuwarten, spricht einiges dafür, auch im Falle einer drohenden Verletzung einen Anspruch im Sinne des Art. 94 SortenschutzVO zu gewähren.311 Zu klären bleibt, ob dann, wenn trotz begangener (oder drohender) Verletzung ausgeschlossen werden kann, dass der Dritte eine (weitere) Zuwiderhandlung vornimmt, das Gericht den Ausspruch einer Unterlassungsanordnung verweigern darf. Oder anders formuliert: Ist die Verweigerung einer Anordnung bei fehlender Wiederholungsgefahr oder fortgefallener Erstbegehungsgefahr angezeigt?312 Weder Wiederholungsgefahr noch Erstbegehungsgefahr finden sich ausdrücklich im Wortlaut einschlägiger Unionsvorschrif307 EuGH Urt. v. 12. 04. 2011, C-235/09 – DHL Express France Rn. 47 f. = ECLI:EU:C: 2011:238 = GRUR 2011, 518. 308 Hasselblatt/Späth, CDR, Art. 89 Rn. 7 f.; Hasselblatt/Menebröcker/Stier, CTMR, Art. 102 Rn. 8 f.; s. a. Art. 81 lit. a. GGV; dazu Veit, S. 57; Ruhl, Art. 89 Rn. 37 und auch Rn. 44; Art. 81 Rn. 6 ff.; zur Erstbegehungsgefahr Schaper, S. 209 f. 309 EuGH Urt. v. 12. 4. 2011, C-235/09 – DHL Express France Rn. 44 ff. = ECLI:EU:C:2011:238 = GRUR 2011, 518; BGH GRUR 2010, 718, 722 Rn. 56 – Verlängerte Limousinen; BGH GRUR 2008, 254 Rn. 39 – The Home Store; Ruhl, GGV, Art. 89 Rn. 43; T. Huber, Gemeinschaftsmarke, S. 19 ff.; Bumiller, ZIP 2002, 115, 117; vgl. Rohnke, GRUR Int. 2002, 979, 980, 982 f., 984. 310 Hackbarth, GRUR 2015, 634, 635. 311 Auch wenn die „Erstbegehungsgefahr“ nicht in jedem Mitgliedstaat bekannt ist, vgl. Stone, Rn. 20.15; Veit, S. 57; vgl. Ruhl, Art. 81 Rn. 6. 312 Vgl. zur Prüfungsreihenfolge (1) Rechtsverletzung im Sinne einer begangenen oder drohenden Verletzungshandlung (2) Wegfall Wiederholungsgefahr, beispielsweise LG Düsseldorf, Urt. v. 07. 06. 2013 – 34 O 112/10 = BeckRS 2013, 12986; keine näheren Ausführungen aber bei Kur/v. Bomhard/Albrecht/Grüger, Art. 102 Rn. 1 ff.
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ten.313 Nach engster Lesart soll eine Unterlassungsanordnung ohnehin nur in Betracht kommen, wenn die Handlung zur Zeit der Klage noch fortdauert. Zukünftige Verletzungshandlungen wären dann beispielsweise über Art. 89 I lit. d GGV nach nationalem Recht zu sanktionieren,314 was aber dem abschließenden Charakter einer unionsrechtlichen Unterlassungsanordnung (Grundsatz der Autonomie) widersprechen würde. Neben der Gefahr von Rechtsschutzlücken wäre auch die Drohungsalternative schwer einzuordnen.315 Es ist daher vorzugswürdig, den Begriff „fortzusetzen“ (Art. 89 I lit. a GGV; Art. 102 I UMV) nicht eng, sondern weit zu verstehen. Einer noch anhaltenden Handlung bedarf es nicht.316 Die Verletzung einer Unionsmarke begründet vielmehr dem Grundsatz nach eine „Wiederholungsgefahr“.317 Geht aber vom Rechtsverletzer keine Gefahr mehr aus, fehlt es also an der „Wiederholungsgefahr“, besteht kein Bedürfnis für eine entsprechende gerichtliche Anordnung. Dass bei fehlender „Wiederholungsgefahr“ eine Unterlassungsanordnung zu versagen ist, soll entsprechend „auf der Hand“ liegen und eine Rechtfertigung darin finden, dass der „Unterlassungsanspruch“ in die Zukunft gerichtet ist. Ein derartiger Ausschluss der Anordnung sei „Unterlassungsansprüchen […] immanent.“318 Nicht jeder Anhaltspunkt, dass eine Verletzungshandlung nicht wiederholt wird, hilft aber dem Verpflichteten. Eine nicht offensichtliche beziehungsweise nur begrenzte Gefahr der Fortsetzung der streitgegenständlichen Handlung ist nach dem EuGH nicht ausreichend, um eine Anordnung zu versagen.319 Dogmatisch wird von Teilen der Literatur das Tatbestandsmerkmal „besondere“ beziehungsweise „gute Gründe“ bemüht.320 In Art. 94 der SortenschutzVO findet sich diese Einschränkung allerdings nicht. Auch die Rechtsprechung des EuGH verlangt eine zurückhaltende Interpretation. Das Tatbestandsmerkmal der „guten Gründe“ (im Sinne von Art. 89 der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung) bezieht sich nur auf „im Einzelfall gegebene Umstände tatsächlicher Art“,321 auch wenn der EuGH damit augenscheinlich vor allem im nationalen Recht zu findende rechtliche Gesichtspunkte ausschließen woll313 Knaak, Festschrift Tilmann, S. 373, 374; Zwanzger, S. 189; ohne größeres Problembewusstsein Leßmann/Würtenberger, § 7 Rn. 19 ff. 314 Vgl. Veit, S. 55 und auch Musker, Rn. 2–564. 315 Zwanzger, S. 190 f. und auch S. 193. 316 Zwanzger, S. 191. 317 Schaper, S. 208, 209; Rohnke, GRUR Int. 2002, 979, 984 („Begehungsgefahr“); vgl. Hasselblatt/Menebröcker/Stier, CTMR, Art. 102 Rn. 10. 318 Zwanzger, S. 191; klar ist, dass sich diese Einschränkung aus dem Unionsrecht ableiten können muss, vgl. auch Knaak, Festschrift Tilmann, S. 373, 374. 319 EuGH Urt. v. 14. 12. 2006, C-316/05 Rn. 36 – Nokia = ECLI:EU:C:2006:789 = GRUR 2007, 228; so im Ergebnis auch nach nationaler Dogmatik, vgl. nur Teplitzky/Kessen, 7. Kap. Rn. 1 ff. 320 Zwanzger, S. 191 ff., 201; Veit, S. 56, der eine Wiederholungsgefahr ausdrücklich nicht als eigenständiges Tatbestandsmerkmal sieht. 321 EuGH Urt. v. 13. 02. 2014, C-479/12 Rn. 48 – H. Gautzsch Großhandel = ECLI:EU:C:
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te (namentlich nationale Strafvorschriften)322 und aus dem Unionsrecht selbst ableitbare Aspekte mit rechtlichem Teint höchstwahrscheinlich nicht ausnahmslos für irrelevant zu erklären trachtete.323 Wiederholungsgefahr ist dennoch am besten als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zu lesen.324 Auch der EuGH erkennt an, dass ein Gericht ein Unterlassungsgebot nicht zu erlassen hat, wenn nach Begehung der Verletzungshandlung die Marke des Klägers für verfallen erklärt wird.325 Die „Erfüllung“ des Unterlassungsanspruchs durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung sollte die Wiederholungsgefahr ebenfalls ausräumen.326 Den vollstreckungsrechtlichen Vorgaben des Unionsrechts namentlich gemäß Art. 89 II GGV sollte dadurch genügt sein. Eine solche hat schließlich eine vergleichbare „abschreckende Wirkung“ wie „ein dem Beklagten auferlegtes, bereits mit einer vollstreckbaren Gerichtsentscheidung ausgesprochenes spezifisches Verbot der Fortsetzung der betreffenden Handlungen, das von Maßnahmen begleitet wird, die erforderlich sind, um die Befolgung dieses Verbots sicherzustellen“.327 Dass Wiederholungsgefahr besteht, hat der Anspruchsteller nicht selbst zu beweisen;328 Wiederholungsgefahr wird vermutet.329 Der bloße Umstand, dass das nationale Recht Strafvorschriften vorhält, die eine erneute Zuwiderhandlung verschuldensunabhängig sanktionieren, reicht nicht aus.330
3. Verschulden Wie im deutschen Recht kommt es auch im Unionsrecht auf Verschulden nicht an. Dies folgt aus einem Umkehrschluss zu den Vorschriften über Schadensersatz (vgl. insbesondere Art. 94 II SortenschutzVO).331 2014:75 = GRUR 2014, 368 mit Blick auf Verjährung und Verwirkung; EuGH Urt. v. 14. 12. 2006, C-316/05 Rn. 38 – Nokia = ECLI:EU:C:2006:789 = GRUR 2007, 228. 322 EuGH Urt. v. 14. 12. 2006, C-316/05 Rn. 37 ff., 45 – Nokia = ECLI:EU:C:2006:789 = GRUR 2007, 228. 323 Ruhl, Art. 89 Rn. 39. 324 Vgl. Zwanzger, S. 192; im Ergebnis OLG München, Urt. v. 21. 02. 2013 – 6 U 1497/12 Rn. 20, 23 f. = BeckRS 2013, 22876. 325 EuGH Urt. v. 14. 12. 2006, C-316/05 Rn. 35 – Nokia = ECLI:EU:C:2006:789 = GRUR 2007, 228. 326 Zwanzger, S. 193; Ruhl, Art. 89 Rn. 56 (Einordnung als „guter Grund“); Hasselblatt/ Späth, CDR, Art. 89 Rn. 15. 327 Vgl. EuGH Urt. v. 14. 12. 2006, C-316/05 Rn. 44 – Nokia = ECLI:EU:C:2006:789 = GRUR 2007, 228; s. a. Ruhl, Art. 89 Rn. 56, der zudem auf die Möglichkeit einer Unterwerfungserklärung verweist, die direkt vollstreckbar ist. 328 Vgl. EuGH Urt. v. 14. 12. 2006, C-316/05 Rn. 32 – Nokia = ECLI:EU:C:2006:789 = GRUR 2007, 228; Zwanzger, S. 192 f. 329 OLG München, Urt. v. 21. 02. 2013 – 6 U 1497/12 Rn. 23 = BeckRS 2013, 22876. 330 EuGH Urt. v. 14. 12. 2006, C-316/05 Rn. 37 ff., 45 – Nokia = ECLI:EU:C:2006:789 = GRUR 2007, 228. 331 Zu Art. 94 SortenschutzVO EuGH Urt. v. 20. 10. 2011, C-140/10 Rn. 45 ff., 48 – Green-
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4. Keine besonderen beziehungsweise guten Gründe gegen eine Unterlassungsanordnung Anders als in Art. 94 SortenschutzVO findet sich in Art. 89 GGV und Art. 102 UMV die Möglichkeit, von einer Unterlassungsanordnung abzusehen. Dies ist dann der Fall, wenn einer solchen Anordnung „gute“ beziehungsweise „besondere Gründe“ entgegenstehen. Wie erwähnt, geht es um „im Einzelfall gegebene Umstände tatsächlicher Art“.332 Der EuGH selbst hat den Wegfall des Schutzrechts als Beispiel angeführt, auch wenn es sich hierbei tendenziell um einen rechtlichen Grund handelt.333 Während manche hier nur „ausnahmsweise gegebene Rechtfertigungsgründe“ anerkennen wollen,334 verweisen Teile der Literatur auf Ablösungen des Unterlassungsanspruchs durch Geldzahlungen – beispielsweise zur Gewähr von „Aufbrauchsfristen“, um etwa die „Umstellung“ der Produktion zu ermöglichen.335 In der Sache ist hier ein Verhältnismäßigkeitsvorbehalt angelegt.336 Es wird Einzelfallgerechtigkeit ermöglicht.337 Wie nach den Grundsätzen der equity ist Raum für eine flexible Interessenabwägung, wenn auch nicht im Sinne eines „freien“ richterlichen Ermessens. Letzteres wurde bereits eingehend diskutiert.338 Bestätigt wird dies dadurch, dass der Begriff als Rechtsbegriff des Unionsrechts nach dem EuGH innerhalb der Gemeinschaftsrechtsordnung einheitlich und als Ausnahme zudem eng auszulegen ist.339 Hätte jedes nationale Gericht rechtlich nicht nachprüfbare Ermessensfreiheiten, würde das Harmonisierungsziel nicht erreicht. Der beispielsweise über die Gemeinschaftsmarke zugesicherte Schutz wäre in den einzelnen Teilen der Union unterschiedlich.340 Auch ohne Ermessen im verwaltungsrechtlichen Sinne ermöglicht der unbestimmte Rechtsbegriff der „guten“ beziehungsweise „besonderen Gründe“ hinreichende Flexibilität.341 star-Kanzi Europe = ECLI:EU:C:2011:677 = GRUR 2012, 49; s. a. T. Huber, Gemeinschaftsmarke, S. 160. 332 EuGH Urt. v. 14. 12. 2006, C-316/05 Rn. 38 – Nokia = ECLI:EU:C:2006:789 = GRUR 2007, 228; EuGH Urt. v. 13. 02. 2014, C-479/12 Rn. 48 – H. Gautzsch Großhandel = ECLI:EU:C:2014:75 = GRUR 2014, 368. 333 EuGH Urt. v. 14. 12. 2006, C-316/05 Rn. 35 – Nokia = ECLI:EU:C:2006:789 = GRUR 2007, 228 und Ruhl, Art. 89 Rn. 39 f. 334 Ingerl, Gemeinschaftsmarke, S. 92. 335 Ruhl, Art. 89 Rn. 40, 53 mit Verweis auf Erwägungsgrund 25 Enforcement-RL und Art. 12 Enforcement-RL. 336 Vgl. Ruhl, Art. 89 Rn. 40 („allgemeine[s] Übermaßverbot“) mit Verweis auf Art. 3 I Enforcement-RL („fair“) und Art. 3 II Enforcement-RL („verhältnismäßig“). 337 Vgl. Zwanzger, S. 192, 201. 338 Dazu o. § 1 III; § 3 III, IV; § 5 I 3. 339 EuGH Urt. v. 14. 12. 2006, C-316/05 Rn. 28, 30 – Nokia = ECLI:EU:C:2006:789 = GRUR 2007, 228. 340 Vgl. EuGH Urt. v. 14. 12. 2006, C-316/05 Rn. 27, 33 f., 60 – Nokia = ECLI:EU:C:2006:789 = GRUR 2007, 228. 341 Vgl. Zwanzger, S. 87.
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Dass über diese geschriebenen Ausnahmen hinaus das Unionsrecht dafür sensibilisiert ist, dass eine Unterlassungsanordnung nicht in jeder konkreten Fallkonstellation richtig ist, wurde ebenfalls bereits thematisiert (o. § 3 III). Richtigerweise kann daher auch ein „sortenschutzrechtlicher Unterlassungsanspruch“ aus Art. 94 I SortenschutzVO im begründeten Einzelfall verweigert werden.
5. Passivlegitimation Auch die Haftung von Intermediären beziehungsweise Mittelspersonen ist im Unionsrecht angelegt.342 Auf die prozessuale Konnotierung der insbesondere einschlägigen Art. 11 S. 3 Enforcement-RL beziehungsweise Art. 8 III InfoSocRL wurde bereits näher eingegangen (o. § 3). Eine weite Auslegung des Begriffs „benutzen“ (z. B. in Art. 19 GGV), um „Störer“ zu erfassen,343 ist vor dem Hintergrund der Haftungsregelungen für Mittelspersonen hingegen kritikwürdig. Überzeugend ist die Rechtsauffassung, welche die Haftung von Mittelspersonen zwar nicht unmittelbar von Art. 89 GGV (beziehungsweise Art. 102 UMV) erfasst sehen, den nötigen Rückgriff auf das nationale Recht (vgl. Art. 88 II, 89 I lit. d GGV; Art. 102 II UMV) dann aber im Einklang mit der Durchsetzungsrichtlinie (insbesondere Art. 11 S. 3) bewerkstelligen will.344
6. Rechtsdurchsetzung Verfahrensrechtliche Fragen unterliegen dem Recht der Mitgliedstaaten. Dies gilt namentlich für die Vollstreckung (vgl. Art. 89 II GGV; Art. 102 I S. 2 UMV).345 Aber auch die Verjährung und die Verwirkung lassen sich nicht unter „besondere“ beziehungsweise „gute Gründe“ in Art. 89 I GGV beziehungsweise Art. 102 UMV subsumieren. Es handelt sich hierbei um Rechtsbegriffe und nicht um tatsächliche Konstellationen.346 In der Sache muss also ergänzend auf nationales Recht zurückgegriffen werden.
342
Vgl. BGHZ 172, 119 Rn. 35 ff. – Internet-Versteigerung II = GRUR 2007, 708. Ruhl, Art. 89 Rn. 19; zum Wettbewerbsrecht Hofmann, WRP 2015, 1331 f. 344 In diesem Sinne Leible/Sosnitza, NJW 2007, 3324, 3325 f.; vgl. auch dies., WRP 2004, 592, 594; vgl. Ruhl, Art. 89 Rn. 21 und Eisenführ/Schennen/Eisenführ/Overhage, Art. 102 Rn. 10. 345 Vgl. EuGH Urt. v. 14. 12. 2006, C-316/05 Rn. 49 – Nokia = ECLI:EU:C:2006:789 = GRUR 2007, 228; Ordnungsgeld wird als privatrechtlich qualifiziert, EuGH Urt. v. 18. 10. 2011, C-406/09 Rn. 41 f. – Realchemie Nederland = GRUR 2012, 848 = ECLI:EU:C:2011:668. 346 EuGH Urt. 13. 02. 2014, C-479/12 Rn. 48 – H. Gautzsch Großhandel = ECLI:EU:C: 2014:75 = GRUR Int. 2014, 406. 343
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VII. Fazit Jenseits der Trennung vertraglicher und gesetzlicher Unterlassungsansprüche werden in der Literatur weitere Gliederungsversuche der Unterlassungsansprüche vorgenommen. Während die Trennung vertraglicher Unterlassungsansprüche in Leistungsunterlassungsansprüche und Unterlassungsansprüche wegen der Verletzung vertraglicher Verhaltenspflichten von Vielen für überzeugend gehalten wird, wird die Untergliederung der gesetzlichen Unterlassungsansprüche allenfalls halbherzig verteidigt. Meist wird sie für überflüssig gehalten. Im Detail werden dann aber auch die verschiedenen gesetzlichen Unterlassungsansprüche unterschiedlich behandelt. Dies gilt auch für die unterschiedlichen vertraglichen Unterlassungsansprüche. Es konnte dabei gezeigt werden, dass den privatrechtlichen Unterlassungsansprüchen keine einheitliche Struktur zugrundeliegt. Den privatrechtlichen Unterlassungsanspruch scheint es nicht zu geben. Die Entstehungsvoraussetzungen variieren mitunter beträchtlich. Besonders sticht ins Auge, dass teils Begehungsgefahr als Anspruchsvoraussetzung gefordert wird, teils nicht. Vor allem auch der Verantwortlichkeit mittelbar Verantwortlicher liegt kein klares Bild zugrunde. Dem wird in § 9 entgegengetreten. Wird der Unterlassungsanspruch als zur Rechtsverwirklichung geeignet gesehen (dazu nun in § 8), so kann seine Anatomie privatrechtsübergreifend einheitlich analysiert werden. Während das Ob der Rechtsfolge Unterlassen von der Natur des zu verwirklichenden Stammrechts und der konkreten Rechtsdurchsetzungssituation abhängt, ist das Wie, also die dogmatische Struktur des Unterlassungsanspruchs, davon unabhängig. Beides gilt es nun darzulegen.
§ 8 Die Rolle der Rechtsfolge Unterlassen im Rechtsfolgensystem Die Rolle der Rechtsfolge Unterlassen im Rechtsfolgensystem wird selten vertieft analysiert.1 Häufig gibt man sich mit einem meist unkritischen Hinweis auf die Präventionsfunktion des Unterlassungsanspruchs zufrieden. Andere Autoren beschränken sich auf die pauschale Bemerkung, dass es die Funktion „fast aller“ Unterlassungsansprüche sei, bestimmte rechtlich geschützte Interessen des Gläubigers vor Beeinträchtigungen zu schützen.2 Ein „Unterlassungsurteil“ soll darauf zielen, dass die Verletzung eines vertraglichen oder eines gegen jedermann gerichteten Rechts verboten wird. Es soll erreicht werden, dass ein „Eingriff in die Belange“ des Berechtigten unterbleibt.3 Eine genauere Betrachtung der Funktionen der „Unterlassungshaftung“ offenbart allerdings ein wesentlich vielschichtigeres Bild. Es lassen sich mehrere unterschiedliche Aufgaben beschreiben, die der Unterlassungsanspruch übernehmen soll: So werden Unterlassungsansprüche traditionell als Ansprüche zur „Verwirklichung“ eines Rechts verstanden. Der Unterlassungsanspruch gilt als „denknotwendiger“ Elementarschutz; er erscheint als Selbstzweck (II.). Aus ökonomischer Sicht dient der Unterlassungsanspruch vor allem dazu, Marktlösungen zu ermöglichen. Die Rechtsfolge Unterlassen soll dann gewährt werden, wenn es künstlich die Voraussetzungen für Verhandlungen zu erzeugen gilt (III.). Facettenreich ist die Präventionsfunktion. Durch den Unterlassungsanspruch kann der Eintritt von Schäden verhindert werden, es können Strukturen abgesichert oder eine direkte Verhaltenssteuerung bewirkt werden (IV.). Nicht zuletzt wird dem Unterlassungsanspruch eine eigenständige Funktion im Rahmen außergerichtlicher Streitbeilegung bescheinigt. Die strafbewehrte Unterlassungserklärung ersetzt funktional einen gerichtlichen Titel. Dies ist aber die Aufgabe des Stammrechts, nicht des Unterlassungsanspruchs (V.). Zugleich zeigt sich, dass es sowohl vom Stammrecht als auch der konkreten Durchsetzungssituation abhängt, ob die Rechtsfolge Unterlassen „richtig“ ist. Die verschuldensunabhängige Verpflichtung, etwas nicht zu tun, kann in 1 Vgl. aber die „Gedanken zum privatrechtlichen System des Rechtsgüterschutzes“ von Koziol, Festschrift Canaris, S. 631 ff., insbesondere S. 639 ff. 2 Fritzsche, S. 4, 37 ff.; vgl. Kötz, AcP 174 (1974), 145, 151 ff. 3 Henke, JA 1987, 350, 351 f.
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§ 8 Die Rolle der Rechtsfolge Unterlassen im Rechtsfolgensystem
der Tat höchst problematisch sein. Freiheitssphären werden besonders stark beschnitten. Unterlassen kann die Einstellung unternehmerischer Tätigkeit bewirken oder zumindest für eine Gefährdung innovativer Geschäftsmodelle, beispielsweise im Internet, sorgen. Die Schärfe der Unterlassungshaftung wird besonders deutlich, wenn getätigte Investitionen wegen einer Unterlassungsanordnung frustriert werden. Schadensersatzzahlungen wären demgegenüber womöglich weniger einschneidend. Statt Rechte zu schützen, kann die Unterlassungshaftung letztlich von der Rechtsordnung nicht gewollte Kollateralschäden produzieren. Der Unterlassungsanspruch enthält zudem ein erhebliches Missbrauchspotenzial, wie Abmahnvereine, aber auch „Patenttrolle“ belegen.4 Im Zusammenhang mit den jeweiligen Funktionen wird daher auch zu zeigen sein, dass sich diese bisweilen nicht bewähren und abhängig von der konkreten Durchsetzungssituation auf alternative Instrumente zurückzugreifen ist. Es bedarf einer differenzierten Betrachtung.
I. Übersicht über die wesentlichen privatrechtlichen Rechtsfolgen und Abgrenzungen zum Unterlassungsanspruch Um die Rolle der Rechtsfolge Unterlassen im privatrechtlichen Rechtsfolgensystem auszuleuchten, bedarf es eingangs der Vergegenwärtigung der wichtigsten Rechtsfolgenrechte und ihres Verhältnisses zum Unterlassungsanspruch. Zunächst wird zusammengefasst, welche (Gruppen von) Rechtsfolgen bei der Rechtsdurchsetzung eine Rolle spielen (1.). Im Anschluss daran wird deren Verhältnis zum Unterlassungsanspruch besprochen. Hier interessiert zunächst keine funktionale, sondern vornehmlich eine dogmatische Abgrenzung (2.).
1. Systematisierung von Rechtsfolgen Im anglo-amerikanischen Rechtskreis gibt es – wie in § 1 gezeigt – ein unterschiedliches Verständnis davon, was zum Law of Remedies gehört. Neben den „klassischen Rechtsfolgen“ wie Schadensersatz (damages), Unterlassen (injunctions) oder auch Leistung in Natur (specific performance), die unter dem Oberbegriff judicial remedies zusammengefasst werden, zählen einige auch Selbsthilferechte (self-help remedies) einschließlich der Möglichkeit zur Vertragsaufhebung (rescission) und die prozessuale Feststellung (declaration) zum Law of Remedies.5 In Deutschland findet sich demgegenüber vor allem eine Systematisierung nach kompensatorischen, negatorischen und bereiche4 Vgl. Ohly, GRUR Int. 2008, 787; Sonnenberg, S. 6, verweist ebenfalls auf das Drohpotential des Unterlassungsanspruchs. 5 Vgl. Covell/Lupton, S. 6 f.; Burrows, Remedies, S. 10, 598.
I. Übersicht über die wesentlichen privatrechtlichen Rechtsfolgen
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rungsrechtlichen Rechtsfolgen. Während Picker auf diese Weise eine „Dreiheit des Haftungssystems“ ausmacht,6 zählt Koziol zum „privatrechtlichen Schutzsystem“ den vorbeugenden Rechtsschutz bei drohenden Eingriffen, Eigentumsherausgabeansprüche, auf Abschöpfung gerichtete Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung und auf Nachteilsausgleich zielende Schadensersatzansprüche.7 Auch findet sich die Einteilung in reparative und präventive Rechtsbehelfe oder eine Unterscheidung zwischen ausgleichendem und vorbeugendem Rechtschutz.8 Kompensatorischer, reparativer, ausgleichender etc. Rechtsschutz dient dazu, die Folgen einer erfolgten Rechtsverletzung aufzuheben. Negatorischer, präventiver, vorbeugender etc. Rechtsschutz bezweckt, künftige Rechtsverletzungen zu verhindern.9 Selbsthilferechte, Gestaltungsrechte und rein prozessuale Rechtsschutzinstrumente wie die Feststellungsklage10 spielen bei der Rechtsverwirklichung zwar ebenfalls eine Rolle, bleiben in dieser Arbeit aber weitgehend ausgeklammert. Im Folgenden soll der Fokus nur auf Ansprüchen liegen. Dies entspricht – lässt man die declaration unberücksichtigt – weitgehend der Beschränkung auf judicial remedies im angloamerikanischen Rechtskreis. Die Palette einschlägiger Ansprüche ist dabei breit:11 Schadensersatzansprüche (z. B. §§ 122, 280 I, 823 I BGB), Beseitigungsansprüche (z. B. § 1004 I S. 1 BGB), Vernichtungsansprüche (z. B. § 140a I PatG), Auskunfts- und Besichtigungsansprüche (z. B. § 118 I HGB, § 131 I AktG, § 809 BGB), Ansprüche auf Urteilsbekanntmachung (z. B. § 19c MarkenG), Herausgabeansprüche (z. B. § 985 BGB), Aufwendungsersatzansprüche (z. B. §§ 284, 670 BGB), Bereicherungsansprüche (§ 812 I S. 1, 2. Alt. BGB) etc. Nach hier vertretener Ansicht sind nicht nur „klassische“ Ansprüche wie der Schadensersatzanspruch oder „bereicherungsrechtliche“ Ansprüche, sondern auch der Anspruch auf Gewinnherausgabe (z. B. § 816 I BGB) und der vertragliche Erfüllungsanspruch (vgl. § 241 I BGB) je als eigenständige Rechtsfolgenrechte aufzufassen.12 Dies 6 Picker, AcP 176 (1976), 28, 38 ff.; ders., Festschrift Bydlinski, S. 269, 310 f.; ders., Festschrift Medicus, S. 311, 319 f.; ders., Prävention, S. 61, 84 ff.; ders., JZ 2014, 431, 439 f. 7 Koziol, Festschrift Canaris, S. 631. 8 Dreier, S. 1, 12, 15 ff.; Stephan, S. 1; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 110 („vorbeugender“ versus „repressive[r]“ Rechtsschutz); Stoll, S. 2 f., der zu den wiedergutmachenden Rechtsbehelfen auch Privatstrafen wie bereicherungsrechtliche Rechtsfolgen zählt. 9 Dreier, S. 1; Stephan, S. 1. 10 Vgl. Grosch, S. 84 ff.; zur Abgrenzung zum Unterlassungsanspruch Stephan, S. 52; s. a. Menke, WRP 2012, 55 ff. 11 Stoll, S. 2, spricht von „Haftungsfolgen“. Darunter versteht er alle Rechtsbehelfe, „welche die Rechtsordnung dem von einem haftungsbegründenden Ereignis Betroffenen zur Verfügung stellt, um das Ereignis samt seiner Folgen abwehren zu können.“ 12 Vgl. Hofmann, AcP 213 (2013), 469, 474 ff., für den Anspruch auf Gewinnherausgabe und a. a. O., 493 ff., zu § 285 BGB; die Ansicht, Gewinnherausgabe nur als Berechnungsmethode für Schadensersatzansprüche zu begreifen (Dreier/Schulze/Dreier/Specht, § 97 Rn. 58), wird ausdrücklich abgelehnt; es geht nicht um die Bilanz des Geschädigten, sondern
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§ 8 Die Rolle der Rechtsfolge Unterlassen im Rechtsfolgensystem
entspricht nicht nur den Erkenntnissen des Ersten Teils der Arbeit, sondern ermöglicht auch in Bezug auf diese Ansprüche, deren bezweckte Funktionen isoliert betrachten zu können.
2. Verhältnis der Rechtsfolge Unterlassen zu anderen Rechtsfolgen Der Unterlassungsanspruch ist dogmatisch vor allem vom Erfüllungsanspruch (a)) und vom Beseitigungsanspruch abzugrenzen (b)). Besondere Schwierigkeiten bereitet das Verhältnis zu kompensatorischen Ansprüchen (c)). Unproblematisch ist demgegenüber die Abgrenzung zu bereicherungsrechtlichen Ansprüchen. In der Literatur wird diese, soweit ersichtlich, nicht thematisiert. a) Unterlassungsanspruch und Naturalerfüllungsanspruch
Im Vertragsrecht ist auf Basis der Prämissen dieser Arbeit insbesondere zwischen dem Erfüllungsanspruch auf Leistung und dem Unterlassungsanspruch zur Durchsetzung einer negativen vertraglichen Vereinbarung zu unterscheiden. Einmal besteht ein Naturalerfüllungsanspruch, der ein Forderungsrecht auf positives Tun durchsetzt, einmal ein Unterlassungsanspruch, der ein Forderungsrecht auf eine negative Verpflichtung verwirklicht.13 Funktional geht es in beiden Fällen um die Durchsetzung des vertraglichen Stammrechts „in Natur“, also um die unmittelbare Durchsetzung dessen, was von den Parteien verabredet war. Die Diskrepanz ist dogmatischer Art: Das vertragliche Stammrecht soll im Falle einer negativen vertraglichen Verpflichtung nicht wie beispielsweise ein Anspruch auf Lieferung einer Sache angriffsweise durchgesetzt, sondern abwehrweise geltend gemacht werden.14 Das führt zu Unterschieden bei den Entstehungsvoraussetzungen. Der positive Leistungsanspruch wird regelmäßig parallel mit dem Stammrecht ipso jure geboren,15 während der Unterlassungsanspruch zu Verteidigungszwecken erst anlassbezogen hervortritt. Dies wird noch detailliert zu besprechen sein (u. § 9 IV). Daneben kann mit dem Unterlassungsanspruch eine positive Verpflichtung abgesichert werden. Dabei handelt es sich genauso um einen Rechtsbehelf, wie wenn eine negative vertragliche Verpflichtung mit einem Unterlassungsanspruch direkt durchgesetzt werden soll. Wenn dabei von unselbständigen Unterlassungsansprüchen die Rede ist, bringt dies dogmatisch keinen Erkenntnisgewinn (u. § 9 III 3)). Die Unterscheidung zwischen Erfüllungsansprüchen die des Schädigers; auch erfüllen beide Rechtsfolgenrechte unterschiedliche Funktionen; zum Erfüllungsanspruch als Rechtsbehelf o. § 5 III 3. 13 Vgl. in diesem Sinne für das englische Recht Burrows, Remedies, S. 456. 14 Zeuner, Festschrift Dölle, S. 295; vgl. auch Henke, JA 1987, 350 („Unterlassungsklage […] ist ein Akt bloßer Verteidigung und Abwehr“). 15 Es kommt einzig auf die Fälligkeit an, o. § 5 II 2; s. a. o. § 5 I 3.
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und Unterlassungsansprüchen jeweils zur Durchsetzung vertraglicher Stammrechte folgt aus einem Verständnis des Unterlassungsanspruchs als Rechtsbehelf. In der Tat werden auch im anglo-amerikanischen Rechtskreis injunctions unabhängig davon gewährt, ob es um die Verwirklichung von negative covenants oder property rights geht.16 Prohibitory injunctions dienen sowohl dazu, deliktisches Handeln zu unterbinden, als auch der Durchsetzung negativer vertraglicher Verpflichtungen.17 b) Unterlassungsanspruch und sonstige negatorische Ansprüche
Aus dogmatischer Sicht stechen vor allem Überschneidungen zwischen dem Unterlassungs- und dem Beseitigungsanspruch heraus.18 Das Ziel, beispielsweise eine rechtsverletzende Unternehmensbezeichnung aus dem Verkehr zu nehmen, kann in der Tat sowohl über den Unterlassungs- als auch über den Beseitigungsanspruch erreicht werden. Eine Unterlassungsverpflichtung kann mittelbar beziehungsweise indirekt ein Tun erfordern.19 Nur wenn der Schuldner tätig wird, kommt er seiner Unterlassungsverpflichtung ordnungsgemäß nach. Dies kann nicht nur wie im Beispiel bei Dauerstörungen der Fall sein, sondern auch dann, wenn eine künftige Rechtsverletzung nur dadurch vermieden werden kann, dass der Verpflichtete Gegenmaßnahmen gegenüber einer in der Vergangenheit gesetzten Ursache trifft (z. B. Kündigung eines Auftrags zum Druck einer wettbewerbswidrigen Werbeanzeige).20 Auch ein vorbeugender Unterlassungsanspruch, gerichtet auf die Unterlassung der Gefährdung der körperlichen Integrität wegen Nicht-Einhaltung einer Räum- und Streupflicht, würde ein Tun verlangen.21 Wegen der unterschiedlichen Vollstreckungsvoraussetzungen (§ 890 ZPO versus § 887 ZPO) kommt es damit entscheidend darauf an, was vom Kläger begehrt beziehungsweise beantragt wird.22 Wird der Beklagte kraft eines Unterlassungsanspruchs dazu verurteilt, eine bestimmte Firmenbezeichnung nicht mehr zu führen, wird die Verpflich16 Burrows, Remedies, S. 510 ff., insbesondere S. 527; ders., English Private Law, Rn. 21.180. 17 Burrows, English Private Law, Rn. 21.198. 18 Fritzsche, S. 201 ff.; Dreier, S. 423 ff.; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 99 f.; Bacher, S. 19 ff. 19 Fritzsche, S. 203 ff., 206 und S. 217 f.; Ahrens/Spätgens, 6. Aufl., Kap. 63 Rn. 10 („erweiterter Unterlassensbegriff“). Dies kann auch bei der Intermediärshaftung beobachtet werden, vgl. BGHZ 191, 19 – Stiftparfüm = GRUR 2011, 1038; Nolte/Wimmers, GRUR 2014, 16, 18, fragen, ob hier noch vom „klassischen Unterlassungsanspruch“ die Rede sein kann. Eine Pflicht zum Tun besteht freilich nicht in jedem Fall, z. B. wenn gegen eine vertragliche Verpflichtung, die Wohnung nicht umzubauen, verstoßen wurde, vgl. Fritzsche, S. 204; zur entsprechenden Auslegung einer Unterlassungserklärung BGH GRUR 2015, 258 Rn. 62 ff. – CT-Paradies. 20 Fritzsche, S. 202 f.; zur Frage, ob ein kartellrechtlicher Belieferungsanspruch über einen Unterlassungsanspruch durchgesetzt werden kann, Fritzsche, S. 216 f. 21 Fritzsche, S. 217 f., 219 ff.; vgl. auch v. Bar, Karlsruher Forum 1983, 80 ff., 84 f. 22 Fritzsche, S. 208 ff.
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tung zur Abnahme des Firmenschilds (dies entspricht einer Beseitigung) ausschließlich über § 890 ZPO vollstreckt. Die Vollstreckung von Unterlassungstiteln ist abschließend in § 890 ZPO geregelt.23 Bemerkenswert ist, dass dem Verpflichteten anders als bei einem Beseitigungsanspruch die Freiheit gelassen wird, selbst zu entscheiden, wie er die Gefährdung wegschafft.24 Lässt sich der Verpflichtete von den Ordnungsmitteln jedoch wider Erwarten nicht beeindrucken und kommt er dem Unterlassungsgebot nicht nach, weil er das rechtswidrige Firmenschild nicht abhängt etc. oder den unzulässigen Froschlärm auslösenden Teich nicht zuschüttet etc.,25 bleibt das Interesse des Gläubigers unbefriedigt.26 Auch in einem solchen Fall ist eine Vollstreckung über § 887 ZPO ausgeschlossen.27 Eine Ersatzvornahme ist nicht möglich. Der Gläubiger ist gleichwohl nicht schutzwürdig.28 Er kann schließlich neben dem Unterlassungsanspruch explizit einen Beseitigungsanspruch einklagen. Zumindest hätte er dies tun können. Dieser kann vollstreckt werden, ohne vom Willen des Schuldners abhängig zu sein. Der Mehrwert des Unterlassungsanspruchs liegt indes darin, dass er vor weiteren Beeinträchtigungen bewahren kann. Die Vollstreckung nach § 887 ZPO steht damit selbständig neben der nach § 890 ZPO, wie auch Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch grundsätzlich eigenständig nebeneinander existieren.29 c) Unterlassungsanspruch und kompensatorische Ansprüche
Intensiv hat sich die rechtswissenschaftliche Literatur vor allem mit der Abgrenzung negatorischer Rechtsfolgen zum Schadensersatzanspruch beschäftigt.30 Die Debatte kann hier nicht nachgezeichnet werden, zumal dabei vor allem die Diskussion Bedeutung hat, ob durch den Zuspruch eines Beseitigungsanspruchs das Verschuldenserfordernis des Schadensersatzanspruchs 23
Köhler/Feddersen/Bornkamm, § 12 Rn. 6.1; Ahrens/Büttner/Spätgens, Kap. 63 Rn. 25; Teplitzky/Feddersen, 57. Kap. Rn. 1; Köhler, AcP 190 (1990), 496, 513 ff.; Fritzsche, S. 640 ff.; Ritter, S. 20 ff. 24 Vgl. BGH NJW 2004, 1035, 1036 f.; Fritzsche, S. 205; Wilhelmi, S. 72; Erman/F. Ebbing, § 1004 Rn. 79; Palandt/Herrler, § 1004 Rn. 51 und Rn. 53. 25 Beispiel bei Fritzsche, S. 202. 26 Vgl. auch Ahrens/Büttner/Spätgens, Kap. 63 Rn. 11 ff. 27 Vgl. aber Brehm, WRP 1975, 203, 204; ders., ZZP 89 (1976), 178, 189; Lindacher, GRUR 1985, 423, 425 ff. 28 Fritzsche, S. 641 f. 29 BGH NJW-RR 2007, 863, 864 Rn. 16 ff., 19; Ahrens/Büttner/Spätgens, Kap. 63 Rn. 13, 14. 30 Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, 1972; Hohloch, Die negatorischen Ansprüche und ihre Beziehung zum Schadensersatzrecht, 1976; Dreier, S. 427 ff.; Wilhelmi, S. 46 ff.; Baur, AcP 160 (1961), 465 ff.; Katzenstein, AcP 211 (2011), 58, 60 ff.; Gursky, JR 1989, 397 ff.; Armbrüster, NJW 2003, 3087 ff.; Neuner, JuS 2005, 385, 387 ff.; Lettl, JuS 2005, 871 ff.; Wagner, Festschrift Medicus, S. 589, 590 ff.; Erman/F. Ebbing, § 1004 Rn. 82 ff.
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umgangen wird.31 Die Rechtsprechung will negatorische Ansprüche anwenden, wenn eine faktische Rechtsbeeinträchtigung vorliegt. Ansprüche aus § 1004 I BGB seien begründet, wenn ein dem absoluten Recht widersprechender tatsächlicher Zustand gegeben ist. Dabei sei über § 1004 I BGB nicht nur die Störungsquelle zu beseitigen, sondern der Störer sei auch zur Beseitigung solcher Eigentumsbeeinträchtigungen verpflichtet, die zwangsläufig durch die Beseitigung der primären Störung entstehen.32 Daneben hat vor allem die Picker‘sche Usurpationslehre Aufmerksamkeit erfahren. Der negatorische Schutz soll sich vom kompensatorischen Rechtsschutz demnach dadurch unterscheiden, dass der Schadensersatz an eine vergangene Rechtsverletzung anknüpft, um die fortdauernden faktischen negativen Folgen für den Verletzten auszugleichen. Beim negatorischen Rechtsschutz gehe es hingegen darum, dass sich der Rechtsverletzer faktisch Befugnisse anmaßt, die ihm rechtlich nicht zustehen.33 Insgesamt lässt sich festhalten, dass vor allem in Grenzfällen bis heute eine klare Abgrenzung schwierig ist.34 Partielle Überschneidungen werden dabei akzeptiert.35
II. Elementarschutz von Rechtszuweisungen als Funktion von Unterlassungsansprüchen Die Rechtsfolge Unterlassen wird in der Literatur teilweise als wesentlicher Kern des primären Schutzes von Rechtszuweisungen verstanden. Die Funktion des Unterlassungsanspruchs liegt demnach darin, Rechtszuweisungen unmittelbar zur Geltung zu bringen. Weist die Rechtsordnung eine Rechtsstellung zu, müsse sie faktische Widersprüche gegen diese Zuweisung zwingend und bedingungslos verteidigen. Der Unterlassungsanspruch erscheint als dogmatisch zwingend erforderlicher Rechtsverwirklichungsanspruch (1.). Besonders betont wird die Notwendigkeit von Unterlassungsansprüchen bei Ausschließlichkeitsrechten. Da es sich gerade nicht nur um Vergütungsrechte handelt, set31 Vgl. Picker, S. 30 f.; ders., Festschrift Lange, S. 625, 639; Armbrüster, NJW 2003, 3087, 3089; Lettl, JuS 2005, 871 f.; Kolbe, NJW 2008, 3618; zur Abgrenzung von Unterlassungszu Schadensersatzansprüchen Fritzsche, S. 214 f., insbesondere gegen „wiederherstellende“ Unterlassungsansprüche (a. a. O., S. 215). 32 BGHZ 97, 231 = NJW 1986, 2640, 2641 f.; BGHZ 135, 235 = NJW 1997, 2234, 2235; BGH NJW 2004, 603 f.; BGH NJW 2005, 1366, 1367 f.; Fritzsche, S. 136 ff., 138; Wenzel, NJW 2005, 241, 243. 33 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 30 ff., 49 ff., 82 ff., 129; ders., Festschrift Lange, S. 625, 657; ders., Festschrift Gernhuber, S. 315, 331 f., 333 ff.; ders., Festschrift Bydlinski, S. 269, 279 f.; Hoffmann, ZGE 2014, 335, 337; Lobinger, JuS 1997, 981, 982 f.; Wilhelm, Rn. 1396; kritisch Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 35; Fritzsche, S. 137 f. 34 BGH NJW 1996, 845, 846 f.; Medicus/Petersen, BR, § 24 Rn. 629. 35 Wenzel, NJW 2005, 241, 243.
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§ 8 Die Rolle der Rechtsfolge Unterlassen im Rechtsfolgensystem
ze ihr Wesen Unterlassungsansprüche schlechterdings voraus (2.). Schließlich wird im Vertragsrecht der primäre Leistungsunterlassungsanspruch als unmittelbar dem Vertrag entspringender Erfüllungsanspruch verstanden. Wird versprochen, etwas zu unterlassen, müsse dieses Versprechen auch in Natur durchsetzbar sein. Der Unterlassungsanspruch wird damit als zwingend begriffen, bildet er doch den fundamentalen Kern des Vertrags (3.). Diese bisweilen formalistischen Überlegungen überzeugen jedoch nicht durchweg. Es wird nicht hinreichend gewürdigt, dass die Rechtsverwirklichung auch über andere Rechtsfolgen erreicht werden kann, ohne dass zugleich die Rechtszuweisung obsolet wird. Mitunter ist dies sogar der bessere Weg. Klar ist aber auch, dass die Verwirklichung einer Rechtszuweisung durch Unterlassungsansprüche im Sinne ihres unmittelbaren Inhalts, also die Realisierung der Rechtsposition mit Blick auf ihr primäres Schutzziel, vielfach gut gerechtfertigt werden kann. Dies folgt aber aus Sachargumenten, nicht aus einer rein formalen Betrachtung. Die Rechtsverwirklichungsfunktion ist zwar anzuerkennen, allerdings nicht als absolutes Dogma (4.).
1. Unterlassungsansprüche als Rechtsverwirklichungsansprüche Namentlich der Lehre Pickers von der „Dreiheit der Haftungssysteme“ liegt der Gedanke zugrunde, dass jedem einzelnen Haftungssystem eine eigenständige Ordnungsfunktion zukommt.36 Das deliktische Haftungssystem diene dem Ausgleich von Verlusten in der Rechtssphäre des Verletzten. Die Folgen geschehenen Unrechts seien wiedergutzumachen. Bei der bereicherungsrechtlichen Haftung bestehe ein Widerspruch zwischen tatsächlicher und rechtlicher Güterverteilung. Dem Minus auf Seiten des Gläubigers stehe ein Plus auf Seiten des Bereicherungsschuldners gegenüber, das auszugleichen ist. Die negatorische Haftung schließlich diene der unmittelbaren Durchsetzung zugewiesener Rechtspositionen. Andauernde oder drohende faktische Rechtsusurpationen Dritter könnten über Unterlassung- und Beseitigungsansprüche abgewehrt werden. Geschützt sei die rechtliche Integrität einer zugewiesenen Rechtsposition.37 § 1004 BGB beispielsweise fungiere als das „Rechtsinstrument, das die Eigentümerbefugnis, mit der Sache nach Belieben zu verfahren 36 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 55 ff.; ders. AcP 176 (1976), 28, 38 ff.; ders., Festschrift Lange, S. 625, 627 f., 629, 638, 655, 658, 661, 667, 683 ff.; ders., Festschrift Gernhuber, S. 315, 332, 334 f., 340, 344 f.; ders., Festschrift 50 Jahre BGH, S. 693, 748 ff.; ders., Festschrift Bydlinski, S. 269, 307 f., 310 f.; ders., Privatrechtsgesellschaft, S. 207, 242; ders., Festschrift Medicus, S. 311, 319 f.; ders., JZ 2010, 541, 547; ders., Prävention, S. 61, 78 ff., 84 ff.; ders., Festschrift Schilken, S. 85, 92 f.; dem folgend neben vielen jüngst etwa Hoffmann, ZGE 2014, 335, 337. 37 Entscheidend sei, dass sich der Verletzer einen Zuwachs seiner rechtlichen Befugnisse anmaßt. Er übt faktisch eine Befugnis aus, die dem eigentlich Berechtigten dann fehlt, Picker, Festschrift Lange, S. 625, 665 f.; ders., Prävention, S. 61, 79 f.
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[…], in den von Gesetz und Gewohnheitsrecht gezogenen Grenzen gewährleistet, indem es den ‚negativen Kern‘ des Rechts, die Befugnis, andere von jeder Einwirkung auszuschließen, realisiert.“38 Oder anders formuliert: „Beeinträchtigungen des Eigentums gemäß § 1004 BGB abwehren hieße somit nichts anderes, als angesichts eines drohenden Übergriffs eben auf dem der Eigentumsordnung entsprechenden Zustand zu bestehen.“39 In diesem Sinne wird § 1004 BGB als „Abwehranspruch“,40 als „Eigentumsfreiheitsklage“,41 als „Eigentumsfreiheitsanspruch“,42als „Rechtsverwirklichungsanspruch“43 oder als „härteste[r] Kern“ des Eigentumsschutzes44 gesehen. Der Zuspruch eines Unterlassungsanspruchs soll dabei mit der Zuweisung einer Rechtsposition untrennbar verbunden sein. Wird eine Rechtsposition wie das Eigentum anerkannt, werde dem Eigentümer ein Herrschaftsbereich zugewiesen, der von den Rechtskreisen Dritter rechtlich abgegrenzt ist. Kommt es zu einer faktischen Verschiebung der Rechtsgrenzen, könne die Rechtsordnung nur eine Reaktion kennen: Sie müsse ein „voraussetzungsloses“,45 namentlich verschuldensunabhängiges Instrument zur Verteidigung der zugewiesenen Rechtsposition zur Verfügung stellen. Nur dann ergebe die Rechtszuweisung „Sinn“.46 „Die Notwendigkeit, die Überlagerung der Rechtskreise zu verhüten und dort, wo sie eingetreten ist, rückgängig zu machen, folgt ohne weiteres aus der Anerkennung des Eigentums, weil die Rechtsordnung das von ihr zugewiesene Recht wieder aufheben würde, wollte sie dem Gegner die tatsächlich in Anspruch genommene Position belassen.“47
Würde also der Unterlassungsanspruch ausgeschlossen, käme dies einer Aufgabe der zugewiesenen Position, einer „faktischen“ beziehungsweise
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Picker, Beseitigungsanspruch, S. 55. Kahl, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 205, 213. 40 Bauer/Haußmann, NZA-Beil. 2000, 42, 45. 41 Picker, Festschrift Lange, S. 625, 660; ders., Festschrift Gernhuber, S. 315, 332, 346 („Ziel der negatorischen Klage ist die Wahrung der Freiheit des Eigentums oder sonstiger gegenüber dem Gegner geschützter Rechtsgüter oder Rechte.“). 42 Picker, Festschrift Bydlinski, S. 269, 312; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 1; Steinbach, Der Eigentumsfreiheitsanspruch nach § 1004 im System der Ansprüche zum Schutz des Eigentums, 1993. 43 MünchKomm/Bachmann, § 241 Rn. 8; dazu schon Heck, §§ 31, 32, S. 124 f.; Lobinger, Festschrift Richardi, S. 657, 663 („Rechtsverwirklichungsfunktion“); Medicus/Petersen, BR, § 19 Rn. 436; Wüstenbecker, JA 1984, 227, 232; Kolbe, NJW 2008, 3618. 44 Kolbe, NJW 2008, 3618, 3620. 45 Picker, Festschrift Gernhuber, S. 315, 340 f.; ders., Festschrift Lange, S. 625, 658; ders., Festschrift 50 Jahre BGH, S. 693, 699 f.; ders., Prävention, S. 61, 85. 46 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 56 f.; ders., Festschrift Gernhuber, S. 315, 340; vgl. auch RGZ 48, 114, 120; Lobinger, ZfA 2004, 101, 122. 47 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 57. 39
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„partiellen Enteignung“ gleich.48 Ein Ausschluss des Anspruchs zur Verhinderung „künftige[r] rechtswidrige[r] Eingriffe“ hätte „expropriierenden Charakter“.49 Die Reaktion der Rechtsordnung mittels Unterlassungsansprüchen sei deshalb „zwingend“, „weil sie […] dem Berechtigten [ansonsten] tatsächlich wieder entzöge, was sie ihm von Rechts wegen zuspricht.“50 Durch den Fortbestand eines Zustands, der dem Inhalt des zugewiesenen Rechts widerspricht, würde der Eingriff perpetuiert,51 die Zuweisung dieses Rechts im Effekt „annulliert“,52 letztlich also die geltende Rechts- und Güterverteilung ohne Rechtfertigung verschoben.53 Die negatorische Haftung und konkret der hier interessierende Unterlassungsanspruch erscheint als „unbedingter Elementarschutz“ subjektiver Rechtspositionen.54 Kritisch wird nicht nur von Picker gesehen, dass nach herrschender Meinung auch Rechtsverwirklichungsansprüche verjähren können und daher ein nudum jus zurückbleiben kann.55 Würde der Unterlassungsanspruch durch einen Vergütungsanspruch ersetzt, drohe die Gefahr eines „Abverkaufs“ mit einer Bedrohung des Rechtsfriedens.56 Reiche würden gegenüber Armen bevorzugt: “[…] enabling the rich man to buy the poor man’s property without his consent, for that is really what it comes to.”57
Diese Überlegungen ließen sich nicht nur für das Eigentum, sondern für sämtliche Ausschließlichkeitsrechte, namentlich für die Rechte des Geistigen Eigentums fruchtbar machen.58 Besonders einleuchtend ist dies für das Erstveröffentlichungsrecht des Urhebers (§ 12 UrhG). Nur wenn er gegen drohende Veröffentlichungen vorgehen kann, ist dieses Recht auch faktisch gegeben.59 Letztlich soll die Koinzidenz von Rechtszuweisung und negatorischem Schutz 48 Gsell, LMK 2008, 266937; Picker, Beseitigungsanspruch, S. 57; ders., AcP 176 (1976), 28, 54; ders., Festschrift Lange, S. 625, 664 f. („Enteignungseffekt“), 666 („Zwangsenteignung“); Medicus, JuS 1969, 453, 455; daher gegen eine Anwendung von § 251 II BGB auf Ansprüche aus § 1004 BGB RGZ 51, 408, 411 f.; s. a. o. § 2 III. 49 Vgl. Lange/Schiemann, § 5 VII 7, S. 242. 50 Picker, AcP 176 (1976), 28, 51. 51 Picker, Festschrift Lange, S. 625, 657 f., 664; Gsell, LMK 2008, 266937. 52 Picker, AcP 176 (1976), 28, 50. 53 Picker, Festschrift Lange, S. 625, 664. 54 Picker, Festschrift Gernhuber, S. 315, 339 ff.; ders., Festschrift Lange, S. 625, 657 f., 686 („unabdingbar“); ders., Festschrift Bydlinski, S. 269, 317; ders., Prävention, S. 61, 85; vgl. Holzapfel, GRUR 2002, 193, 195 f. 55 MünchKomm/Bachmann, § 241 Rn. 8 (mit Fn. 19). 56 Vgl. Maultzsch, AcP 207 (2007), 530, 561; Picker, Festschrift Lange, S. 625, 664. 57 Zakrzewski, S. 125; vgl. bereits Kohler, AcP 80 (1893), 141, 232 f. 58 Picker, Festschrift Bydlinski, S. 269, 314; ders., Beseitigungsanspruch, S. 58 (Fn. 16), zu Patenten und ders., Festschrift 50 Jahre BGH, S. 693, 748, zu „immateriellen Rechten“; zuletzt auch Picker, Prävention, S. 61, 95. 59 Vgl. Schack, Rechtfertigung, S. 123, 130.
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der zugewiesenen Rechtsposition ein allgemeines Rechtsprinzip begründen.60 So weist Lobinger im Anschluss an Picker auf die „Einsicht“ hin, „dass die Zuweisung einer subjektiven Rechtsposition geradezu denknotwendig auch deren negatorischen, das heißt auf Rechtsverwirklichung zielenden Schutz, bedinge, soll das entsprechende Recht nicht lediglich auf dem Papier bestehen und will die Rechtsordnung ihre soeben getroffene Zuweisungsentscheidung nicht sogleich selbst wieder aufheben.“61 Entsprechend sollen auch im Betriebsverfassungsrecht geschützte Rechtspositionen mittels Unterlassungsansprüchen verwirklicht werden können, ohne dass es ausdrücklich einer gesonderten Anspruchsgrundlage bedürfte.62 Auch für das Vertragsrecht soll dies gelten. Unselbständige Unterlassungsansprüche ließen sich demnach ohne Weiteres als Teil des negatorischen Haftungssystems erklären.63 Statt § 242 BGB zu bemühen, folge der Schutz der leistungssichernden Nebenpflichten aus dem negatorischen Schutz des Forderungsrechts selbst (z. B. des Rechts auf Übergabe und Übereignung).64 In Anlehnung an §§ 12 S. 2, 1004 I S. 2 BGB habe der Schuldner alles zu unterlassen, was den Leistungsanspruch des Gläubigers beeinträchtigen würde.65 Etwas anders nuanciert, letztlich aber ähnlich, will Fritzsche Unterlassungsansprüche mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes rechtfertigen. Auch er weist darauf hin, dass der Gedanke an einen entsprechenden Unterlassungsanspruch „nahe“ liegt, wenn das Recht zuvor eine entsprechende materielle Rechtsposition anerkennt.66 Zusammengefasst ist nach diesen Vertretern die Funktion des Unterlassungsanspruchs, Rechtszuweisungen unmittelbar zu verteidigen. Der Unterlassungsanspruch dient dem Elementarschutz von Rechten. Ist ein solcher nicht gegeben, fällt das Recht schlechthin. Unterlassungsansprüche erscheinen als das „zwingende Komplementärinstitut zu den subjektiven Rechtspositionen“.67
60 Picker, Festschrift Bydlinski, S. 269, 313 f.; ders., Festschrift Medicus, S. 311, 319 f.; ders., Prävention, S. 61; Lobinger, ZfA 2004, 101, 122 f.; ders., Festschrift Richardi, S. 657, 663; Kahl, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 205, 213 ff. 61 Lobinger, ZfA 2004, 101, 122. 62 Lobinger, ZfA 2004, 101, 122 f.; 124 ff.; näher o. § 5 IV 3 a) und § 5 IV 4 b). 63 Picker, Festschrift Flume, S. 649, 672 f., 676; ders., AcP 183 (1983), 369, 511 ff.; ders., Festschrift Bydlinski, S. 269, 271, 314 ff.; ders., Festschrift Canaris, S. 1001, 1029; Kahl, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 205, 215 f. (mit Fn. 32); Lobinger, ZfA 2004, 101, 125; Katzenstein, S. 190 f.; vgl. Ost, S. 134, mit Blick auf die Forderungszuständigkeit. 64 Lobinger, ZfA 2004, 101, 125; ders., Festschrift Richardi, S. 657, 663; Picker, Prävention, S. 61, der darauf hinweist, dass der negatorische Schutz teils positiviert, teils als „ungeschriebenes Recht“ die Integrität von Rechten sichert. 65 Lobinger, ZfA 2004, 101, 125. 66 Fritzsche, S. 42 f., 733 f. 67 Picker, Prävention, S. 61, 85.
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§ 8 Die Rolle der Rechtsfolge Unterlassen im Rechtsfolgensystem
2. Unterlassungsansprüche als Wesensmerkmal von Ausschließlichkeitsrechten Besondere Betonung erfährt der Unterlassungsanspruch bei Ausschließlichkeitsrechten.68 Um deutlich zu machen, dass solche Rechte dem Berechtigten die „Herrschaftsmacht“ über einen bestimmten Gegenstand (z. B. ein Immaterialgut oder eine Sache) zuteilen, ist auch von Herrschaftsrechten die Rede.69 Diese umfassende Herrschaft beziehungsweise die Zuweisung eines Ausschließlichkeitsbereichs werde durch Unterlassungsansprüche abgesichert. Nur dann sei gewährleistet, dass der Berechtigte sich in seinem subjektiven Freiheitsbereich allein betätigen kann.70 Niemand brauche einen Eingriff in den ihm zugewiesenen Ausschließlichkeitsbereich hinzunehmen.71 Die Ausschlussbefugnis sei – wie sich exemplarisch aus dem Wortlaut von § 903 BGB ergibt – ein wesentliches Charakteristikum von Ausschluss- beziehungsweise Herrschaftsrechten; der korrespondierende Unterlassungsanspruch erscheint gar als konstitutives Element.72 Auch wenn sprachlich vielfach nur auf die Zuweisung eines Ausschließlichkeitsbereichs abgestellt wird, geht es in der Sache um die rechtstechnisch erst durch einen Unterlassungsanspruch vermittelte Abwehrbefugnis als wesentliches Charakteristikum eines Ausschließlichkeitsrechts. Es wird meist stillschweigend davon ausgegangen, dass dem einmal zugewiesenen Ausschließlichkeitsrecht ohne Weiteres Unterlassungsansprüche immanent sein müssen.73 Stellvertretend spricht Walz die Bedeutung des Unterlassungsanspruchs für Immaterialgüterrechte in diesem Sinne ausdrücklich aus: „Zu Recht wird der Unterlassungsanspruch daher im Grundsatz als wesentlicher Bestandteil der aus einem Immaterialgüterrecht folgenden Ausschließlichkeitsbefugnisse und damit als zentraler Bestandteil des geistigen Eigentums betrachtet.“74 68 Epstein, Yale L. J. (1997), 2091, 2106; vgl. auch Dreier, S. 20 ff., 153 f., 413 ff., 502 ff., unter dem Aspekt der Prävention und für die Notwendigkeit wirksamer Rechtsfolgen insgesamt; aus Sicht des Gläubigerinteresses auf „Naturalleistung“ Riehm, S. 55 f. 69 Köhler, AT, § 17 Rn. 9; Brox/Walker, BGB AT, § 28 Rn. 624 ff.; Medicus, § 10 Rn. 66; v. Tuhr, § 1 IV, S. 62, spricht von einer Herrschaft über ein „außerhalb des Subjekts stehendes Stück der Außenwelt“; kritisch zum Begriff Zech, S. 98 f.; s. a. o. § 5 III 2. 70 Larenz/Wolf, AT, § 15 Rn. 2, 15; Brehm, § 20 Rn. 611; Vieweg/Werner, § 1 Rn. 6; Baur/ Stürner, § 4 Rn. 3 ff.; vgl. Schack, AT, § 3 Rn. 46 (allgemeines Persönlichkeitsrecht als „Abwehrrecht“). 71 Dreier, S. 416 f., unter dem Aspekt präventiven Rechtsschutzes. 72 Vgl. Götting, § 5 Rn. 10; Baur/Stürner, § 4 Rn. 3 ff.; vgl. aber auch Brehm/Berger, § 7 Rn. 1 („Dritte sind verpflichtet, nicht in die Herrschaftssphäre des Eigentümers einzugreifen. Ansprüche erwachsen aus dieser Norm nicht.“). 73 Vgl. wohl Schack, Rechtfertigung, S. 123 ff., 131 f., 134, 139; Beier, GRUR 1998, 185 f.; RGZ 48, 114, 119, spricht davon, dass die Rechtsordnung Unterlassungsansprüche teils „mittelbar durch die Gestaltung ausschließlicher Rechte“ anerkennt; vgl. ferner Peukert, Güterzuordnung, S. 54 ff. 74 Walz, GRUR Int. 2013, 718; vgl. auch Uhrich, ZGE 2009, 59, 62 (Unterlassungs-
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Teils wird konkretisiert, dass absolute Herrschaftsrechte ihrem Inhalt nach nichts anderes als ein „Bündel von Unterlassungsansprüchen“ sein sollen.75 Ohne Unterlassungsansprüche gegen Dritte würde das als Ausschließlichkeitsrecht konzipierte Recht zu einem Vergütungsrecht degradiert.76 Schrankenregelungen, also Bestimmungen, die einen Eingriff in das Ausschließlichkeitsrecht (gegen Zahlung einer Vergütung) gestatten, erscheinen als rechtfertigungsbedürftige Ausnahme.77 Derartige gesetzliche Lizenzen brächten den Berechtigten mangels „Verbotsrechts“ (= mangels Unterlassungsanspruchs) schließlich in der Sache um sein Ausschließlichkeitsrecht.78 Repräsentativ bringt diese Sichtweise Beier auf den Punkt: „Einschränkungen des ausschließlichen Verwertungsrechts durch gesetzliche Lizenzen, Zwangslizenzen, staatliche Inanspruchnahme u. ä. sind als im Grunde systemwidrig auf das Mindestmaß dessen zu reduzieren, was im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit unumgänglich ist.“79
In diesem Sinne hebt das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf das Urheberrecht hervor, dass zu den „konstituierenden Merkmalen des Urheberrechts als Eigentum im Sinne der Verfassung“ nicht nur gehört, dass dem Urheber die „vermögenswerten Ergebnisse“ seiner schöpferischen Leistung grundsätzlich zuzuordnen sind, sondern auch „seine Freiheit, in eigener Verantwortung darüber verfügen zu können“.80 Verfassungsrechtlich sei eben nicht nur das anspruch als „Kern des Ausschließlichkeitsrechts“, er „macht […] das Patent aus“); vgl. auch Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 797, 798 („Einschränkung des Unterlassungsanspruchs nimmt dem Recht des geistigen Eigentums seinen Kern“; „[e]s liegt in der Logik des Patentsystems, dass andere von der Nutzung der Erfindung ausgeschlossen werden können“); ders., IP Enforcement, S. 257, 259 (“injunctive relief is the very hallmark of a property right”); Ohly selbst ist freilich kritisch gegen einen Unterlassungsanspruch, der selbstverständlich erscheint, a. a. O., 793 ff.; vgl. Zech, S. 65, 67 f., der allerdings auch betont, dass die Abwehransprüche aus § 1004 BGB von der Zuweisung eines Ausschließlichkeitsbereichs nach § 903 BGB zu trennen sind, Zech, S. 68. 75 Röhl/Röhl, S. 368. 76 Vgl. Schack, UrhR, § 5 Rn. 93; ders., Festschrift Schricker, S. 511, 515; Ohly, Wirtschaftsrecht, S. 141, 157, weist darauf hin, dass „jede gesetzliche Lizenz die für ein absolutes Recht typische Dispositionsmöglichkeit des Rechtsinhabers erheblich ein[schränkt].“ (Hervorhebung nicht im Original). 77 Schack, UrhR, § 5 Rn. 93, 95; § 14 Rn. 480, 483, 486; vgl. auch BGHZ 151, 300, 310 – Elektronischer Pressespiegel = GRUR 2002, 963, 966; BGHZ 144, 232, 235 f. – Parfümflakon = GRUR 2001, 51, 52. 78 Vgl. Schack, UrhR, § 14 Rn. 483; in der Diskussion um urheberrechtliche Schrankenregelungen wird immer wieder die Bedeutung des Urheberrechts als Ausschließlichkeitsrecht hervorgehoben, dass nicht durch (zu viele und zu weite) Schrankenregelungen ausgehöhlt werden dürfe, vgl. Berger, CR 2004, 360, 365; Ohly, Wirtschaftsrecht, S. 141, 154 ff.; in der Sache geht es auch hierbei um den Unterlassungsanspruch als Wesensmerkmal von Ausschließlichkeitsrechten. 79 Beier, GRUR 1992, 228, 234. 80 BVerfGE 31, 229, 240 f. – Kirchen- und Schulgebrauch = GRUR 1972, 481, 483; kritisch zu einem aufgeweichten Verständnis des Eigentums im Nationalsozialismus vgl. Uhrich,
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„Vermögensrecht[…]“ geschützt, sondern auch das „potentielle Verfügungsund Verwertungsrecht“.81 Auch der urheberrechtliche „Drei-Stufen-Test“ (vgl. Art. 13 TRIPS; Art. 10 WCT; Art. 5 V InfoSoc-RL) orientiert sich am Leitbild des Urheberrechts als mit Unterlassungsansprüchen verteidigbarem Recht.82 Wenn die Debatte begrifflich auch hier um das Urheberrecht als Ausschließlichkeitsrecht kreist,83 lässt sich dies freilich auch hier auf die Frage nach der Verfügbarkeit von Unterlassungsansprüchen zuspitzen. Der Europäische Gerichtshof sieht im „spezifische[n] Gegenstand des gewerblichen Eigentums“ auch das Recht, „sich gegen jegliche Zuwiderhandlung zur Wehr zu setzen“.84 Der Unterlassungsanspruch erscheint als „Kern“ beziehungsweise „Wesensbestandteil“ eines ausschließlichen (Immaterialgüter)rechts.85 Beispielhaft bemerkt der EuGH zum Designrecht: „Ferner ist festzustellen, daß die Befugnis des Inhabers eines geschützten Musters, Dritte an der Herstellung und dem Verkauf oder der Einfuhr der das Muster verkörpernden Erzeugnisse ohne seine Zustimmung zu hindern, gerade die Substanz seines ausschließlichen Rechts darstellt.“86
Im Rahmen der (amerikanischen) Diskussion von Eigentumstheorien finden sich ebenfalls Stimmen, die der Ausschlussbefugnis entscheidende Bedeutung zukommen lassen wollen.87 Selbst wenn man das Eigentum als ein bloßes Rechtebündel verstehe, es also gerade nicht als umfassendes Herrschaftsrecht in Bezug auf einen vorrechtlichen Gegenstand begreife,88 soll das right to ex-
ZGE 2009, 59, 83 f.; beachte aber auch BVerfG GRUR 2016, 690 Rn. 71 ff., 80 – Metall auf Metall. 81 BVerfGE 49, 382, 392 – Kirchenmusik = GRUR 1980, 44, 46; beachte aber auch BVerfG GRUR 2016, 690 Rn. 87 – Metall auf Metall. 82 Senftleben, GRUR Int 2004, 200 ff.; kritisch Geiger/Griffiths/Hilty, GRUR Int. 2008, 822 ff. 83 Vgl. Ohly, Wirtschaftsrecht, S. 141, 154 ff. 84 EuGH Urt. v. 31. 10. 1974, Rechtssache 15/74 – Negram II = ECLI:EU:C:1974:114 = GRUR Int. 1974, 454; EuGH Urt. v. 30. 06. 1988, Rechtssache 35/87 Rn. 22 ff. – Thetford/ Fiamma = GRUR Int. 1989, 669. 85 Beier, GRUR 1992, 228, 234. 86 EuGH Urt. v. 05. 10. 1988, Rechtssache 238/87 Rn. 8 – Volvo/Veng = ECLI:EU:C:1988:332 = GRUR Int. 1990, 141 (Hervorhebung nicht im Original); ähnlich EuGH Urt. v. 05. 10. 1988, Rechtssache 53/8 Rn. 11 – CICRA/Régie Renault = GRUR Int. 1990, 140; vgl. aber auch EuGH Urt. v. 24. 11. 2011, C-70/10 Rn. 43 – Scarlet/SABAM = ECLI:EU:C: 2011:771 = GRUR 2012, 265, wonach Rechte des Geistigen Eigentums weder schranken- noch bedingungslos zu gewährleisten sind. 87 Überblick über die Diskussion bei Goldhammer, S. 31 ff., 64 ff., insbesondere S. 91 ff. und auch S. 132 f.; Epstein, 64 U. Chi. L. Rev. (1997), 21, 22 (“[I]t is difficult to conceive of any property as private if the right to exclude is rejected.“); zum Patentrecht Golden, 85 Tex. L. Rev. (2007), 2111. 88 Verständnis des Ausschließlichkeitsrechts als „unbeschränkte Herrschaft“ über einen Schutzgegenstand aber bei Beier, GRUR 1998, 185.
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clude Eigentum schlechthin konstituieren.89 Namentlich Merrill hebt hervor, dass die Ausschlussbefugnis mehr ist als nur eines der wesentlichen Merkmale von Eigentumsrechten – “it is the sine qua non.”90 Zumindest soll das Ausschlussrecht typischerweise zum Eigentum dazugehören.91 In diese Richtung führt der US-amerikanische Supreme Court aus: “[…] one of the most essential sticks in the bundle of rights that are commonly characterized as property – the right to exclude others.”92 “The hallmark of a protected property interest is the right to exclude others.”93
Erkennt also eine Rechtsordnung Ausschließlichkeitsrechte wie das Eigentum (property) oder Immaterialgüterrechte (intellectual property) an, kommt sie nach den dargestellten Ansätzen grundsätzlich nicht umhin, dem Berechtigten einen Unterlassungsanspruch zuzusprechen. Nur dann kann zutreffend von property rights gesprochen werden. Die Sichtweise, dass Ausschließlichkeitsrecht und Unterlassungsanspruch grundsätzlich zusammengehören, wird rechtsordnungsübergreifend vertreten. Eine Rechtsordnung, die Ausschließlichkeitsrechte kennt, ist nach diesen Meinungen auf Unterlassungsansprüche zwingend angewiesen.94 Jedenfalls unterliegt deren Ausschluss demnach einer besonderen Rechtfertigung.
3. Unterlassungsansprüche als selbstverständliche vertragliche Primäransprüche Welche Funktion einer vertraglichen Unterlassungsvereinbarung zukommt, ist anhand der konkreten Parteiabrede zu ermitteln.95 Vertragliche Unterlas89 Merrill, 77 Neb. L. Rev. (1998), 730 und 740 ff., 749 (“the core of the property right is the right to exclude”); Bell, 58 Syracuse L. Rev. (2008), 523, 533 (“Legal authorities regard the right to exclude non-owners as property’s signature attribute”); konsequenterweise sieht er das „copyright“ nicht als Eigentum, sondern als „Privileg“. 90 Merrill, 77 Neb. L. Rev. (1998), 730; die Rede ist von der „exklusionistische[n] Theorie”, vgl. Goldhammer, S. 92; s. a. Beckerman-Rodau, 10 Tulane J. Tech. & Intell. Prop. (2007), 165, 203 (“But once the right to exclude is taken away, it is difficult to argue that what is left are property rights.”). 91 Honoré, S. 107 ff.; vgl. Davidson, 61 Vand. L. Rev. (2008), 1597, 1603 ff.; vgl. Goldhammer, S. 95 („Standard-Bündel”). 92 Kaiser Aetna v. United States 444 U. S. 164, 176 (1979). 93 College Savings Bank v. Florida Prepaid Postsecondary Education Expense Board 527 U. S. 666, 667, 673 (1999); vgl. auch Connell v. Sears, Roebuck 722 F. 2d 1542, 1548 (Fed. Cir. 1983) (“[A] patent is a form of property right, and the right to exclude recognized in a patent is but the essence of the concept of property.”). Wie ein “right to exclude” dann aber konkret durchgesetzt wird, erscheint als eigenständiger, weiterer Problemkreis, o. § 1 III 1 a). 94 Mager, AcP 193 (1993), 68, 79 f. („Den Abwehranspruch kann man geradezu als Kennzeichen eines ausschließlichen Rechts nennen.”). 95 Vgl. Köhler, AcP 190 (1990), 496, 500.
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sungsansprüche können eine Vielzahl von Funktionen erfüllen. Mit Blick auf Leistungsunterlassungsansprüche, also ausdrückliche negative vertragliche Vereinbarungen, erscheint der Unterlassungsanspruch vor allem aber als „selbstverständlich“ zu gewährender Naturalerfüllungsanspruch.96 Zumindest soll im deutschen Privatrecht der „Grundsatz der Naturalkondemnation“ die Regel sein.97 „Erfüllung“ in Natur ist schließlich der Zweck des Vertrags.98 Auch im anglo-amerikanischen Rechtskreis bestehen große Sympathien dafür, negative vertragliche Verpflichtungen mittels Unterlassungsverfügungen (injunctions) durchzusetzen. Lord Cairns führt aus: “My Lords, if there had been a negative covenant, I apprehend, according to well-settled practice, a Court of Equity would have had no discretion to exercise. If parties, for valuable consideration, with their eyes open, contract that a particular thing shall not be done, all that a Court of Equity has to do is to say, by way of injunction, that which the parties have already said by way of covenant, that the thing shall not be done; and in such case the injunction does nothing more than give the sanction of the process of the Court to that which already is the contract between the parties.”99
In der Sache entspreche die Durchsetzung des Vertrags in dem ursprünglich vereinbarten Sinne regelmäßig nicht nur der Erwartungshaltung im Geschäftsverkehr100 beziehungsweise – allgemeiner formuliert – am besten der Interessenlage,101 sondern erscheine auch unter deontologischen Gesichtspunkten geboten.102 Das bereits referierte Argument, dass Vermögende begünstigt würden, wird auch für nicht in Natur durchsetzbare vertragliche Verbote herangezogen. In der englischen Rechtsprechung wurde eine Unterlassungsverfügung als “primary remedy” gegenüber dem Schadensersatzanspruch in diesem Sinne gerechtfertigt:103
96 Zweigert/Kötz, § 35 II, S. 469; Unberath, S. 210, 232 f. (Leistungszwang ist „a priori angelegt“); Weller, S. 106 f., 371 ff., 372, 391 f. 97 Riehm, S. 15 ff., freilich differenzierend S. 207 ff.; Weller, S. 346 f. 98 Weller, S. 343; Canaris, Festschrift BGH, S. 129, 147 ff.; MünchKomm/Fetzer, § 362 Rn. 1; Bamberger/Roth/Dennhardt, § 362 Rn. 10; dies gilt selbstredend auch für Unterlassungsvereinbarungen. 99 Doherty v. Allman (1878) 3 App. Cas. 709, 719 f.; vgl. auch Attorney General v. Barker [1990] 3 All E. R. 257, 261 f. 100 Epstein, 106 Yale L. J. (1997), 2091, 2098 f., explizit gegen O. W. Holmes; s. a. Weller, S. 323 ff., zur Legitimation des Naturalerfüllungsgrundsatzes durch die Parteiinteressen; ähnlich Riehm, S. 200 f. 101 Riehm, S. 24 f., 43 ff. 102 Dazu ausführlich Weller, S. 318 ff. und S. 364 ff.; vgl. Maultzsch, AcP 207 (2007), 530, 533 f. 103 Zum „Zwangskaufargument“ auch Picker, Festschrift Lange, S. 625, 664 f.; bereits o. § 8 II 1.
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“[…] the Court has always protested against the notion that it ought to allow a wrong to continue simply because the wrongdoer is able and willing to pay for the injury he may inflict.”104
Vergleichbar der Funktion des Unterlassungsanspruchs bei Ausschließlichkeitsrechten (soeben o. § 8 II 2) kann dem vertraglichen Unterlassungsanspruch ferner die Aufgabe zukommen, den Inhalt des Rechts zu definieren: Die Reichweite des Unterlassungsanspruchs bestimmt demnach den Inhalt der Forderung. Dies gilt freilich nur, soweit man Forderung und Anspruch gleichsetzt und anders als hier nicht zwischen dem Forderungsrecht im Sinne eines Stammrechts und einem Unterlassungsanspruch als eigenständigem Rechtsfolgenrecht trennt.
4. Kritik Die bisherige Analyse der Funktion der Rechtsfolge Unterlassen hat ergeben, dass der Unterlassungsanspruch vielfach als formale Notwendigkeit, gleichsam als dogmatischer Automatismus erscheint: Wird ein Recht zugewiesen, müsse dieses „logischerweise“ auch gegen Rechtsusurpationen verteidigt werden können. Ein Ausschließlichkeitsrecht verdiene den Namen nur, wenn ein Unterlassungsanspruch besteht; ansonsten würde es „ausgehöhlt“. Wird vertraglich vereinbart, dass der Schuldner etwas unterlassen soll, sei der korrespondierende Unterlassungsanspruch als primärer Erfüllungsanspruch des Gläubigers die „selbstverständliche“ Konsequenz. Zumindest im Ausgangspunkt lassen damit sämtliche Sichtweisen offen, warum eine Güterzuweisung ausgerechnet mit einem Unterlassungsanspruch verwirklicht werden soll. Eine aus guten Gründen anerkannte Rechtszuweisung (= Stammrecht) kann freilich auch durch andere Rechtsfolgen durchgesetzt werden. Wenn Dobbs schreibt, “remedies are means of carrying into effect the substantive right”,105 kommt genau dies zum Ausdruck. Rechtsverwirklichung ist die Aufgabe von Rechtsfolgenrechten insgesamt, nicht nur eines bestimmten Rechtsfolgenrechts. Es ist ohne Weiteres denkbar, dass die Rechtsverwirklichung allein vom Schadensersatzanspruch übernommen wird.106 Ein Recht kann theoretisch auch dann zufriedenstellend verwirklicht werden, wenn ein Unterlassungsanspruch zu seiner Durchsetzung nicht besteht. Es ist durchaus möglich, dass das Gläubigerinteresse durch eine Geldzahlung hinreichend befriedigt werden kann. Im Vertragsrecht geht Holmes – wie bereits bemerkt – in diesem Sinne gar so weit, den Kaufvertrag lediglich als Recht auf Schadensersatz im Falle
104
Shelfer v. City of London Electric Lighting Co (No.1) [1895] 1 Ch. 287, 315 f. Dobbs, S. 22. 106 Vgl. Stoll, § 8 II, S. 190; Dreier, S. 144 f. 105
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§ 8 Die Rolle der Rechtsfolge Unterlassen im Rechtsfolgensystem
des Vertragsbruchs zu verstehen.107 Der Naturalerfüllungsgrundsatz (specific performance) würde demgegenüber die Freiheit des Schuldners über Gebühr (“a kind of limited slavery”108) beschränken.109 Die Gesamtbilanz des durchgeführten Vertrags könne im Einzelfall negativ sein.110 Freilich sieht sich – wie der nächste Abschnitt genauer zeigen wird (u. § 8 III) – gerade die Theorie des efficient breach of contract wie auch der Gedanke des efficient tort gewichtigen Einwänden gegenüber.111 Ein Schild „Parken verboten“ heißt nicht, „Parken erlaubt gegen Zahlung von 15 €“.112 Gerade bei Eingriffen in nicht-vermögenswerte Rechte wie Leib, Leben, Gesundheit, Freiheit überzeugt es ohne Weiteres, den Berechtigten nicht auf ein „dulde und liquidiere“ zu verweisen.113 Letzteres ist freilich das Ergebnis einer materiellen Rechtfertigung des Unterlassungsanspruchs im Falle drohender Eingriffe in „Lebensgüter“, nicht die formale Konsequenz einer einmal angenommenen Rechtszuweisung. Für das Vertragsrecht wurde ebenfalls gesehen, dass der „selbstverständlichen“ Regel der Naturalerfüllung in der Tat inhaltliche Rechtfertigungen nachgeschoben werden können (zur ökonomischen Analyse u. § 8 III 2). Nichtsdestotrotz wird dadurch der Gedanke nicht hinfällig, dass der Schadensersatzanspruch die Funktion der Rechtsverwirklichung im Einzelfall vollständig übernehmen kann.114 Im Sacheigentum belegt entsprechend eine Vielzahl gerechtfertigter Einschränkungen der „Rechte des Eigentümers“ (besser: des Unterlassungsanspruchs), dass insbesondere die These vom Unterlassungsanspruch als Wesensmerkmal des Ausschließlichkeitsrechts nicht stimmt. Trotz einer Vielzahl von Einschränkungen („Rechte Dritter“) hört der Eigentümer allerdings nicht auf, Eigentümer zu sein.115 Stellt man auf eine inhaltliche Rechtfertigung ab, gerät der unbedingte Unterlassungsanspruch insbesondere im Recht des Geistigen Eigentums in den Fokus der Kritik. Es finden sich vermehrt Meinungen, wonach Immaterialgüterrechte nicht zwingend durch property rules, sondern durch liability rules zu verwirklichen seien.116 A priori soll jedenfalls ein Unterlassungsanspruch nicht bestehen. (Darum geht es, auch wenn häufig weniger differenziert die 107
O. W. Holmes 10 H. L. R. (1897), 457, 458, 462; s. a. Friedmann, Rights and Remedies, S. 3, 4 f. 108 Holmes, The Common Law, S. 300. 109 Vgl. Burrows, Remedies, S. 473; Unberath, S. 211. 110 Co-operative Insurance Society Ltd. v. Argyll Stores (Holdings) [1998] A. C. 1, 15. 111 Kritisch Friedmann, 18 Journal Legal Studies (1989), 1 ff. 112 Friedmann, Rights and remedies, S. 3, 5. 113 Lobinger, ZfA 2004, 101, 123. 114 Vgl. Stoll, § 8 II, S. 190 f.; zur „rechtsverfolgenden“ bzw. „rechtsverwirklichenden“ Funktion des Schadensersatzes vgl. bereits Neuner, AcP 133 (1931), 277, 291 f. 115 Gleiches gilt für den Ausschluss des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs, vgl. Goldhammer, S. 93 f., mit Blick auf die Entscheidung des US Supreme Courts in eBay v. MercExchange. 116 Vgl. Calabresi/Melamed, 85 H. L. R. (1972), 1089, 1106 ff.; Ohly, Wirtschaftsrecht,
II. Elementarschutz von Rechtszuweisungen
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Rede davon ist, dass ein Ausschlussrecht nicht ohne Weiteres anzuerkennen sei.) Dahinter steht der Gedanke, dass Rechte des Geistigen Eigentums gerade keine Form von “private property” seien. Vielmehr bestehe zeitlich-begrenzt eine günstige Wettbewerbsposition, die sich aber im konkreten Fall rechtfertigen lassen muss. Ein bloßer Verweis auf das Schlagwort “property” soll nicht ausreichen, um Unterlassungsansprüche zu begründen.117 Nicht zuletzt ist zu bedenken, dass gerade auch das Ausschlussrecht dafür sorgen kann, dass entgegen der Intention von Immaterialgüterrechten eine suboptimale Nutzung besteht.118 Positive externe Effekte wie eine bessere Ausbildung durch Rückgriff auf urheberrechtlich geschütztes Material können ausbleiben.119 Schranken (beziehungsweise die Versagung des Unterlassungsanspruchs) sind daher zumindest punktuell geboten.120 Eigentumstheoretisch lassen sich freilich selbst “property rights” ohne die Zuweisung von Ausschlussbefugnissen denken. Nach Vertretern der „bundle of rights“-Theorie gewährt das „Eigentum“ nicht die (umfassende) Herrschaft über einen vorrechtlichen Gegenstand wie eine Sache oder ein Immaterialgut. Stattdessen wird gefragt, welche konkreten Befugnisse einer Person gegenüber einer anderen Person zugewiesen sind.121 Inhalt und Umfang der gewährten Befugnisse seien dabei nicht a priori festgelegt. Es gebe kein „typisches Bündel“ und auch kein „Standardbündel“.122 Namentlich die Ausschlussbefugnis sei kein konstitutiver Bestandteil eines „Eigentumsrechts“.123 Jedes „interpersonelle“ Einzelrecht müsse vielmehr einzeln gerechtfertigt werden.124 Selbst wenn man im Ergebnis ein „starkes Bündel“ an Befugnissen anerkennt, ist klar, dass nach der „bundle of rights“-Theorie Eigentum dennoch aus im Einzelfall zuzuweisenden Befugnissen besteht und nicht auf einem „unantastbaren“ beziehungsweise „absoluten“ Konzept fußt. Eine Herausnahme eines einzelnen “sticks”, einschließlich der Befugnis, von einem Dritten Unterlassen
S. 141, 157; Peukert, ZUM 2003, 1050; für das Sachenrecht vgl. auch Riehm, S. 408 f.; zu den Begriffen u. § 8 III 1. 117 Vgl. Hilty, Innovation, S. 49. 118 Stieper, S. 81 ff. 119 Stieper, S. 88 ff. 120 Stieper, S. 81 f., 82 ff.; zur Tragedy of the Anti-Commons u. § 8 III 2. 121 Heller, 79 Oregon L. Rev. (2000), 417, 429 ff.; Bell/Parchomovsky, 90 Cornell L. Rev. (2005), 531, 585 ff.; vgl. Goldhammer, S. 64 ff., 84 ff. 122 Vgl. Goldhammer, S. 85 f. 123 Singer, 90 Nw. U. L.Rev. (1996), 1283, 1450 ff.; Singer zeigt am Beispiel von Diskriminierung auf, dass auch das „Sacheigentum” nicht stets eine Ausschlussbefugnis vorhält. Wer ein Ladenlokal eröffnet, kann auch in Deutschland trotz §§ 903, 1004 BGB im Einzelfall den Zutritt von Dritten nicht verweigern, wenn dadurch eine Diskriminierung auftritt; wenn auch für „Diskriminierungen“ unter dem Aspekt der politischen Überzeugung verneinend BGH NJW 2012, 1725 Rn. 8 ff. 124 Goldhammer, S. 71, S. 77 f., 85.
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§ 8 Die Rolle der Rechtsfolge Unterlassen im Rechtsfolgensystem
verlangen zu können, erscheint damit systemgerecht.125 Eine solche Sichtweise wird für Art. 14 GG zwar nur selten vertreten. Als normgeprägtes Grundrecht bringt Art. 14 GG aber vielfach kein anderes Ergebnis hervor.126 Diese Sicht bewährt sich auch praktisch: Im Urheberrecht beispielsweise geht es darum, dem Urheber einen „gerechten Ausgleich“ zuzuführen.127 Die „Ausschlussbefugnis“ beziehungsweise der Unterlassungsanspruch ist kein Selbstzweck, sondern (allenfalls) Mittel zum Zweck (dazu u. § 8 III). So wird das Urheberrecht nicht sinnlos, wenn es gemäß §§ 53 ff. UrhG durch einen Vergütungsanspruch durchgesetzt wird.128 Im Gegenteil: Erst dieses Modell stellt sicher, dass der Urheber praktisch von Werknutzungen finanziell profitieren kann. Eine effektive Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs im „privaten Bereich“ erscheint schließlich aussichtslos. Entsprechend erscheint der Vergütungsanspruch als das „funktionale Äquivalent des Vervielfältigungsrechts“129 oder besser: als Substitut des Unterlassungsanspruchs. Wie bereits betont, wird die Rechtszuweisung dennoch nicht „ad absurdum“ geführt.130 Das Vervielfältigungsrecht aus § 16 UrhG wird im Falle von §§ 53 ff. UrhG gerade durchgesetzt. Eben weil dieses Recht dem Urheber zugewiesen ist, lässt sich ein Vergütungsanspruch rechtfertigen; ausgeschlossen ist nur der Unterlassungsanspruch.131 Mitunter ist der Vergütungsanspruch anstatt eines Unterlassungsanspruchs für den Urheber sogar günstiger.132 Vergütungsansprüche werden meist zwingend von Verwertungsgesellschaften wahrgenommen. Von der entsprechenden Ausschüttung profitiert der Urheber selbst dann, wenn er einem Verleger ein ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt hat. Hilty überlegt daher, ob der großzügigen Einführung vergütungspflichtiger Schranken, die von Verwer125 Vgl. Goldhammer, S. 152 f., mit Blick auf die Entscheidung eBay v. MercExchange L. L. C. 547 U. S. 388 (2006); vgl. ders., S. 94 f., 127 ff. 126 Goldhammer, S. 405 ff., 421 ff. 127 EuGH Urt. v. 21. 10. 2010, C-467/08 – Padawan/SGAE = ECLI:EU:C:2010:620 = GRUR 2011, 50; BGHZ 17, 266, 282 – Grundig-Reporter = GRUR 1955, 492, 497 (Leitgedanke, wonach „der Urheber tunlichst angemessen an den wirtschaftlichen Früchten zu beteiligen sei“); s. a. BVerfG GRUR 2016, 690 Rn. 87 – Metall auf Metall. 128 Vgl. Beier, GRUR 1998, 185, 186 f. 129 Vgl. Schack, UrhR, § 14 Rn. 479. 130 So aber Picker, Festschrift 50 Jahre BGH, S. 693, 701, der auch davon spricht, dass die Rechtsposition dann nur noch „auf dem Papier“ bestünde, a. a. O. 131 Dazu o. § 5 IV 2 a), § 5 III 2, § 5 I 4 c) und s. a. o. § 2 III 2 b). 132 Vgl. BGHZ 151, 300 – Elektronischer Pressespiegel = GRUR 2002, 963, 966; Peifer, LMK 2017, 385298; Hilty, Sündenbock Urheberrecht, S. 107, 137 f.; ders., GRUR 2005, 819 ff.; ders., Festschrift Schricker, S. 325, 338 f.; Ohly, Wirtschaftsrecht, S. 141, 156; Geiger, GRUR Int. 2008, 459, 462 f.; allerdings darf nicht ausgeblendet werden, dass die Verlage auf den Unterlassungsanspruch angewiesen sind. Deren Tätigkeit ist aber faktisch wiederum Voraussetzung für den Vergütungsanspruch. Wer nur darauf abstellt, dass der Urheber „an einem Verbotsrecht hingegen kein Interesse“ hat, greift zu kurz; vgl. Schweizerisches Bundesgericht GRUR Int. 2007, 1046, 1050 – Elektronischer Pressespiegel.
II. Elementarschutz von Rechtszuweisungen
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tungsgesellschaften wahrgenommen werden und wobei der Urheber an den Erlösen zwingend zu beteiligen ist, gegenüber dem „Ausschließlichkeitsrecht“ der Vorzug zu geben ist.133 Auch im Patentrecht kann ein Vergütungsanspruch den Berechtigten mitunter hinreichend ausgleichen. Kann der Patentinhaber im Ergebnis über Vergütungszahlungen (§ 139 II S. 3 PatG) seine Investitionen amortisieren und erhält er zugleich einen angemessenen Gewinn, ist der Funktion des Patentsystems genügt.134 Dies gilt erst recht, wenn man alternative Patentfunktionen in den Blick nimmt. Als Signal für Investoren beispielsweise (insbesondere auch über die Innovationskraft eines Unternehmens) kommt es weniger auf den Unterlassungsanspruch als auf das Stammrecht Patent (bzw. die Patentanmeldung) an.135 Wenn der Unterlassungsanspruch auch kein Selbstzweck ist, mag er andererseits doch gerade dabei helfen, eine „angemessene“ Vergütung zu erwirtschaften (dazu u. § 8 III). In der Tat: Fürchtet der Inhaber eine zu starke Entwertung seines Rechts, steht die Funktionsfähigkeit namentlich des Patentsystems selbst in Gefahr.136
5. Fazit Alles in allem zeigt sich, dass es entscheidend auf die inhaltliche Rechtfertigung sowohl der Rechtszuweisung als auch der Rechtsdurchsetzung ankommt.137 Wenn schon die Rechtszuweisung einer Rechtfertigung bedarf, muss auch die Rechtsdurchsetzung einer Begründungskontrolle unterliegen.138 Das im Einzelfall potenziell einschlägige Rechtsfolgenrecht hat sich der Frage nach seiner Eignung für die Rechtsdurchsetzung explizit zu stellen.139 Würde man allein aus der Rechtszuweisung einer bestimmten Art und Weise der Rechtsdurchsetzung das Wort reden, wäre dies nichts als reiner Formalismus. Dabei werden natürlich häufig gute Gründe für die Verfügbarkeit von Unterlassungsansprüchen sprechen. Dass der Hauseigentümer Hausbesetzungen während 133
Hilty, GRUR 2005, 819, 821 f. Hilty, Urheberrecht, S. 107, 122. 135 Vgl. Cotter, S. 27. 136 Vgl. Sonnenberg, S. 37 ff., 38 f., 42. 137 Es besteht eine Art Wechselwirkung zwischen Rechtszuweisung und Rechtsdurchsetzung, vgl. Hofmann, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 183, 197 (Fn. 71); vgl. auch J. Fischer, 14 Lewis & Clark L. Rev. (2010), 555, 557 f. 138 Vgl. auch o. § 5 I 4 d). 139 Gemeint ist damit keine formelle Beweislast im Zivilprozess, sondern eine materielle Rechtfertigung. Es geht darum, das Argument, ein Unterlassungsanspruch muss bestehen, weil es um die Verteidigung eines Ausschließlichkeitsrechts geht, abzuschneiden. Klar ist aber auch, dass die Diskussion nicht in jedem Alltagsfall aufs Neue zu führen ist. Es darf vielfach vermutet werden, dass bei Eigentumsverletzungen ein Unterlassungsanspruch besteht (dazu auch u. § 9 III). Wenn dieser im begründeten Einzelfall nicht gewährt wird, darf dies nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass dies „systemwidrig“ sei. Wie gesagt, eine materielle Vermutung zugunsten des Unterlassungsanspruchs wird hier abgelehnt. Dazu auch o. § 5 I 4 d). 134
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§ 8 Die Rolle der Rechtsfolge Unterlassen im Rechtsfolgensystem
seiner Urlaubsabwesenheit nicht dulden muss, selbst wenn die „faktischen Mieter“ das Haus exakt im vorgefundenen Zustand zurückgeben und ein angemessenes Entgelt zurücklassen,140 ist genauso klar wie, dass eine drohende Persönlichkeitsrechtsverletzung über einen Unterlassungsanspruch verhindert werden können muss. Klar sollte aber auch sein, dass die Begründung, der Unterlassungsanspruch hat zu bestehen, weil ein Ausschließlichkeitsrecht besteht, nicht überzeugt. Aus der „Natur der Sache“ folgt der Unterlassungsanspruch nicht. Dies belegt nicht zuletzt die Rechtswirklichkeit mit zahllosen Schrankenbestimmungen – Regelungen, die den Unterlassungsanspruch, nicht aber Vergütungs- oder Schadensersatzansprüche abbedingen.141
III. Ökonomische Analyse von Unterlassungsansprüchen Da sich Unterlassungsansprüche nicht als formale Notwendigkeit rechtfertigen lassen, stellt sich die Frage, ob die ökonomische Analyse Hilfestellung bieten kann, welche Funktionen der Rechtsfolge Unterlassen zukommen. Die ökonomische Analyse lenkt in der Tat den Blick darauf, dass eine effiziente Ressourcenallokation am besten durch Unterlassungsansprüche gewährleistet werden kann. Der Unterlassungsanspruch ist dabei Mittel zum Zweck.142 Damit der Rechteinhaber sein Recht optimal verwerten kann, stärkt die Rechtsordnung seine Verhandlungsposition durch Unterlassungsansprüche. Nicht der Ausschluss des Dritten ist das Ziel, sondern dessen Zugang zum Schutzgegenstand – allerdings auf Basis einer privat ausgehandelten Vergütung. Die Funktion des Unterlassungsanspruchs liegt darin, Verhandlungslösungen zu begünstigen (1.). Darüber hinaus können speziell Unterlassungsansprüche als Mittel zum Institutionenschutz fungieren (2.). Freilich rät auch die ökonomische Analyse zu einer differenzierten Betrachtung. Namentlich Verhandlungslösungen setzen einen funktionsfähigen Markt voraus, während sich praktisch nicht selten ein Marktversagen beobachten lässt. (3.). Mitunter ist daher einer “liability rule” gegenüber einer “property rule” der Vorzug zu geben (4.).
140 Vgl.
Lobinger, ZfA 2004, 101, 134. Verständnis von Schrankenregelungen als Rechtsfolgenbestimmungen o. § 5
141 Zum
III 2; IV 2. 142 Gleiches gilt für Gewinnherausgabeansprüche und weitere überkompensatorische Rechtsbehelfe, Riehm, S. 183; Smith, 79 N. Y. U. L. Rev. (2004), 1719, 1720; Epstein, 106 Yale L. J. (1997), 2091, 2101; zu punitive damages, Polinsky/Shavell, 111 H. L. R. (1998), 869, 945 f.
III. Ökonomische Analyse von Unterlassungsansprüchen
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1. Unterlassungsanspruch als Mittel zur Stärkung der Verhandlungsposition Vermögensrechte zeichnen sich dadurch aus, dass die geschützte Ressource genutzt werden soll. Patentrechtliche oder urheberrechtliche Unterlassungsansprüche aus § 139 I PatG beziehungsweise § 97 I UrhG beispielsweise bezwecken gerade nicht, dass der Berechtigte im Ergebnis alle anderen von der Nutzung der Erfindung beziehungsweise der Verwertung des Werks fernhält. Im Gegenteil: Die Rechtsordnung ermöglicht und fördert durch das Lizenzrecht, dass der Rechtsinhaber Dritte an dem ihm zugeordneten Gut teilhaben lässt.143 Der Unterlassungsanspruch soll stattdessen sicherstellen, dass – um bei den Beispielen zu bleiben – der Patentinhaber oder Urheber eine günstige Verhandlungsposition hat. Ökonomisch betrachtet erscheint der Unterlassungsanspruch funktional als Anweisung an die Parteien, einen Konflikt über eine Rechtezuteilung privatautonom zu regeln.144 Selbst gegenüber starken Verhandlungspartnern hat der Berechtigte mit dem Unterlassungsanspruch ein Mittel, um eine marktgerechte Lizenzlösung auszuhandeln.145 Ohne einen Unterlassungsanspruch wäre die Rechtsposition des Berechtigten zunächst deshalb ungünstig, weil er „kein im strengen Sinne ausschließliches“ Tochterrecht einräumen kann.146 Er wird naturgemäß weniger Erlöse erzielen können, da er keine exklusive Nutzungsmöglichkeit einräumen kann. Ist das zu verkaufende Gut nicht knapp, sinkt sein Wert.147 Vor allem aber kann der Berechtigte Lizenzwillige kraft des Unterlassungsanspruchs dazu zwingen, in Verhandlungen einzutreten. Der Dritte kann sich nicht einfach nehmen, was er möchte und im Nachhinein bezahlen, sondern er hat die Transaktion im Voraus zu verhandeln.148 Da der Patentinhaber oder Urheber zugleich sein Recht verwerten will und Lizenzwillige an der Nutzung interessiert sind, während der Rechtsinhaber diese (vorerst) mit dem Unterlassungsanspruch von der Nutzung abzuhalten vermag, kann sich infolge entsprechender Verhandlungen ein optimaler Marktpreis herausbilden.149 Dies gilt erst recht, wenn 143
Götting, § 5 Rn. 10; vgl. Peukert, ZUM 2003, 1050. Cooter/Ulen, S. 100 ff., 104 ff., 168; Sonnenberg, S. 37; vgl. Ohly, IP Enforcement, S. 257, 259 f. 145 Fromm/Nordemann/Dustmann, Vor §§ 44a ff. Rn. 10; Beier, GRUR 1998, 185, 186 f., mit Blick auf Verwertungsgesellschaften; vgl. zum Vorteil der „Preisdiskriminierung“ Peukert, Schutzbereich Urheberrecht, S. 11, 40 f. 146 Ohly, Wirtschaftsrecht, S. 141, 157, für das Verhältnis Urheber/Verwerter mit Blick auf urheberrechtliche Nutzungsrechte; vgl. auch Osterrieth, GRUR 2009, 540, 541. 147 Vgl. Ohly, Wirtschaftsrecht, S. 141, 157. 148 Landes/Posner, S. 7 f.; Grünberger, ZGE 2012, 321, 347; Subramanian 30 E. I. P. R. (2008), 182, 188; Thompson, 27 Stan. L. Rev. (1975), 1563 ff.; vgl. Polinsky/Shavell, 111 H. L. R. (1998), 869, 946, mit Blick auf punitive damages. 149 Vgl. Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 790 f.; Smith, 79 N. Y. U. L. Rev. (2004), 1719, 1720; Cotter, S. 53 ff.; vgl. Heald, S. 1, 4 ff. 144
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die Durchsetzung des Unterlassungsgebots dem Dritten finanzielle Nachteile (z. B. wegen frustrierter Aufwendungen) bringt. Dann ist der Anreiz für einen konsensualen Gütertausch besonders hoch.150 Würde die Vergütung dagegen durch staatliche Stellen ex post festgesetzt, würde sich des effizienten Marktmechanismus’ beraubt. Ein staatliches Vergütungssystem (einschließlich der Festlegung angemessener Lizenzgebühren durch Gerichte) ist praktisch dem freien Spiel der Kräfte regelmäßig unterlegen.151 Berechtigte individuelle Wertbewertungen bleiben unberücksichtigt beziehungsweise zumindest ungenau,152 obwohl die Präferenzen der Marktteilnehmer ganz entscheidend für die Effizienz einer Allokationsentscheidung sind.153 Bewertet ein Eingreifer sein Eingriffsrecht wirklich höher als der Betroffene sein Ausschlussrecht?154 Unabhängig davon wird befürchtet, dass dann tendenziell die Lizenzgebühren zu niedrig ausfallen.155 Zwangslizenzen sollen dies bezeugen.156 Vorteilhaft ist weiter, dass staatliche Eingriffe auf ein Minimum zurückgefahren werden, was wiederum Kosten spart. Kosten für eine gerichtliche Preisfestsetzung sind typischerweise höher, als wenn der Preis für den Rechtetransfer am Markt festgelegt wird.157 Das Kostenargument gilt erst recht, wenn man berücksichtigt, dass Aufwendungen für faktische Abwehrmaßnahmen, die von Privaten ohne die Verfügbarkeit von Unterlassungsansprüchen möglicherweise ergriffen würden, ausbleiben.158 Vor diesem Hin150 Vgl.
Heald, S. 1 ff., 16 ff. Beier, GRUR 1998, 185, 187. Hinzu kommt, dass mit der Festlegung des Wertes der Berechtigung ein weiterer regulierender Eingriff, der weitere Kosten verursacht, notwendig ist, vgl. Calabresi/Melamed, 85 H. L. R. (1972) 1089, 1092 ff. 152 Calabresi/Melamed, 85 H. L. R. (1972) 1089, 1108 und allgemein 1125; der Wert, den die Parteien einem Gut subjektiv zumessen (Affektionsinteresse), kann oft nicht hinreichend erfasst werden, was beispielsweise gegen „effizienten Diebstahl“ spricht, vgl. nur Maultzsch, AcP 207 (2007), 530, 561; zum „endowment-Effekt“ (Besitzeffekt) aus Sicht von behavirol economics Towfigh/Petersen/Englerth, § 7, S. 188 ff. 153 Zum Ganzen vgl. Posner, S. 86 f. 154 Vgl. Maultzsch, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 57, 70. 155 Fromm/Nordemann/Dustmann, Vor §§ 44a ff. Rn. 10; Zakrzewski, S. 126; vgl. Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 789. 156 Vgl. Beier, GRUR 1998, 185, 188. 157 Calabresi/Melamed, 85 H. L. R. (1972), 1089, 1092, 1106, vgl. aber a. a. O. Fn. 7; Cotter, S. 54; s. a. Smith, 79 N. Y. U. L. Rev. (2004), 1719 ff.; dies soll auch für den Naturalerfüllungsanspruch (bzw. letztlich auch für den hier interessierenden vertraglichen Leistungsunterlassungsanspruch) gelten, vgl. Riehm, S. 196 f., 202, 205, 208, der insbesondere darauf hinweist, dass die Ablösung des vertraglichen Erfüllungsanspruchs durch einen Geldanspruch weitergehende Transaktionskosten entstehen lässt. Freilich müssen auch die Transaktionskosten berücksichtigt werden, die Verhandlungen zur Ablösung des Unterlassungsanspruchs auslösen, vgl. Riehm, S. 195 f.; Maultzsch, AcP 207 (2007), 530, 541; s. aber auch ders., S. 543 ff. 158 Polinsky/Shavell, 111 H. L. R. (1998), 869, 946; letzterer Gedanke wird vor allem für die Rechtszuweisung fruchtbar gemacht (Ohly/Sosnitza, Vor §§ 17–19 Rn. 4); er lässt sich aber auch auf die Rechtsdurchsetzung übertragen. 151
III. Ökonomische Analyse von Unterlassungsansprüchen
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tergrund wird der Unterlassungsanspruch als „wirksamstes Instrument zur Erzielung einer angemessenen Vergütung“ angesehen.159 Nicht zuletzt macht den Berechtigten erst die freie Verfügungsgewalt über sein Recht zu einem „freien Marktteilnehmer“.160 Auch das BVerfG deutet an, dass es den Unterlassungsanspruch im Urheberrecht als Mechanismus zur Ermöglichung von Marktlösungen versteht. So führt das Gericht mit Blick auf eine vergütungsfreie Schrankenregelung aus: „Die Versagung des Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechts für die in § 46 Abs. 1 Satz 1 UrhG genannten Sammlungen schmälert das Verfügungsrecht des Urhebers, da er der Verwendung seines Werkes nicht widersprechen und auch nicht die Bedingungen vereinbaren kann, unter denen er einer Verwertung zustimmen würde. Diese Beschränkung führt dann zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Wertes der geschützten Leistung, wenn die Möglichkeit der freien Honorarvereinbarung nicht durch einen gesetzlichen Vergütungsanspruch ersetzt wird, wenn also die Freigabe des Werkes unentgeltlich erfolgt.“161
Noch deutlicher formuliert der Bundesgerichtshof: „Eine Beschränkung des Ausschließlichkeitsrechts – etwa durch einen Kontrahierungszwang oder eine gesetzliche Lizenz – beeinträchtigt bereits den Wert des geschützten Werkes ganz erheblich, weil sie dem Urheber die Möglichkeit nimmt, für die Nutzung seines Werkes vorweg eine Vergütung aushandeln zu können; ein stattdessen gegebener gesetzlicher Vergütungsanspruch ist stets nur Ersatz.“162
Oder in den Worten der Ökonomie: Eine property rule ermöglicht grundsätzlich die optimale Nutzung einer Ressource, wenn es einen funktionsfähigen Markt für Rechte gibt, denn dann gelangt die Ressource mittels vertraglicher Transaktionen in die Hände dessen, der sie am höchsten bewertet („property rights-Ansatz“).163 Unter einer property rule versteht man dabei, dass in ein Handlungsrecht164 beziehungsweise eine Rechtsposition165 nur mit Zustimmung des Inhabers eingegriffen werden darf. Das bewirkt, dass dessen Übertragung („der Verkauf“) von dessen Willen abhängt und zugleich der Wert der Berechtigung durch die Beteiligten festgelegt wird.166 Demgegenüber bewirken liability rules, dass Eingriffe in ein Recht eines Dritten – wenn auch gegen Zahlung einer Vergütung – erlaubt sind. Der Preis der Vergütung 159
Ohly, Wirtschaftsrecht, S. 141, 157. Schack, Rechtfertigung, S. 123, 132. Dies ist aber eher eine Frage des Selbstbestimmungsrechts. 161 BVerfGE 31, 229, 243 – „Kirchen- und Schulgebrauch“ = GRUR 1972, 481, 484. 162 BGHZ 141, 13 – Kopienversanddienst = GRUR 1999, 707, 713. 163 Schäfer/Ott, S. 617 f.; Burk, ZGE 2012, 405, 407; vgl. auch Maultzsch, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 57, 62 ff. 164 Schäfer/Ott, S. 69 ff., 589 ff. 165 Vgl. Weber, S. 294 (Fn. 74). 166 Calabresi/Melamed, 85 H. L. R. (1972), 1089, 1092; Schäfer/Ott, S. 591 f., 617 f. 160
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wird durch eine staatliche Stelle festgelegt und ist dem Willen der Parteien, namentlich des Berechtigten, entzogen.167 Wird ein property right (aus Gründen des öffentlichen Wohls) in einer bestimmten Situation nicht durch einen Unterlassungsanspruch geschützt, bedeutet dies, dass ein Dritter das Recht zwangsweise abkaufen kann.168 Die beschriebene Logik gilt nicht nur für das Patent- beziehungsweise Urheberrecht, sondern für sämtliche Rechte, mit denen der Berechtigte wirtschaften möchte. Auch hier kann der Unterlassungsanspruch die Funktion eines Hilfsmittels zur Ermöglichung von Marktlösungen erfüllen. In diesem Sinne können kommerzielle Persönlichkeitsrechte effizient verwertet werden. Aber auch der Eigentümer einer Mietwohnung benötigt den Unterlassungsanspruch, um zum einen ein „exklusives“ Wohnrecht einzuräumen. Zum anderen wird dadurch sichergestellt, dass ein optimaler Mietzins ausgehandelt werden kann.169 Letztlich lässt sich dieser Ansatz für sämtliche Berechtigungen fruchtbar machen. Schulbeispiel sind Luftverschmutzungen durch ein Unternehmen,170 anhand derer die ökonomische Analyse ihre Theorie zu property rules und liability rules letztlich entwickelt hat. Hat der benachbarte Hauseigentümer einen Unterlassungsanspruch, kann der Unternehmer diesen abkaufen, wenn er die Nutzungsmöglichkeit höher wertet als der Eigentümer sein Abwehrrecht. Aber auch der vertragliche Unterlassungsanspruch kann „wegverhandelt“ werden, wenn der Schuldner ein höheres Interesse an einer Zuwiderhandlung hat. Statt eines „effizienten Vertragsbruchs“ liegt eine „effiziente Vertragsaufhebung“ vor.171 In einer solchen Situation wird der subjektive Wert ebenfalls von den Parteien gemessen (Informationsdefizite entfallen) und nicht mittels Schadensersatzansprüchen letztlich durch ein Gericht geschätzt,172 auch wenn freilich Transaktionskosten für eine Umwandlung in einen Geldanspruch entstehen.173 Der vertragliche Unterlassungsanspruch er167 Calabresi/Melamed, 85 H. L. R. (1972), 1089, 1092; dies., a. a. O., 1092 f., 1111 ff. grenzen dann „inalienability rules“ ab. Eine Rechtsübertragung ist in einem solchen Fall nicht möglich. Dazu auch sogleich im Text. 168 Calabresi/Melamed, 85 H. L. R. (1972) 1089, 1105; Epstein, 106 Yale L. J. (1997), 2091; übersetzt in die Terminologie von Finanzwirtschaftlern könnte man auch von einer Kaufoption (“call option”) sprechen. Dies wirft dann aus Gründen der Symmetrie die Frage auf, ob es auch eine Verkaufsoption (“put option”) geben sollte, Ayres, 32 Val. U. L.Rev. (1998), 793 ff.; Burk, ZGE 2012, 405, 412 ff. 169 Praktisch ist dies jedoch von sozialpolitischen Belangen (z. B. Mietpreisbremse) überlagert; vgl. auch § 765a ZPO. 170 Vgl. nur Thompson 27 Stan. L. Rev. (1975), 1563 ff.; kritisch mit Blick auf die Anwendbarkeit von § 251 II BGB auf Eigentumsverletzungen Picker, Festschrift Lange, S. 625, 690 („Der hehre Zweck einer ökologisch besseren Welt würde also vom Zivilrecht gleichsam käuflich gemacht.“). 171 Riehm, S. 182 f., 200 ff., Maultzsch, AcP 207, (2007), 530, 539; Unberath, S. 234 f. 172 Vgl. Burrows, S. 474; Riehm, S. 163, 208. 173 Riehm, S. 195 f., 208.
III. Ökonomische Analyse von Unterlassungsansprüchen
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scheint als property rule.174 Gilt hingegen die Pekuniarkondemnation, sind Anreize zu Verhandlungen geringer.175
2. Unterlassungsansprüche als Mittel zum Institutionenschutz Unterlassungsansprüche können darüber hinaus als Mittel zum Institutionenschutz verstanden werden. Vor allem der Gedanke der tragedy of the commons führt vor Augen, dass Unterlassungsansprüche konstitutiv dem Güterschutz dienen können.176 Güter, die nicht von mehreren gleichzeitig genutzt werden können (rivalisierende Güter), zugleich knapp sind und der Abnutzbarkeit unterliegen, laufen Gefahr, zerstört zu werden, wenn sie frei von jedermann benutzt werden können. Es besteht kein Anreiz zu einem schonenden Umgang. In der Ökonomik wird daher gefordert, dass derartige Güter exklusiv zuzuweisen sind.177 Für das Sacheigentum (ein Weidegrundstück, einen Wald, ein Auto oder eine Eigentumswohnung) leuchtet dies intuitiv ein. Dieser Gedanke lässt sich aber auch für das Marken- oder Urheberrecht fruchtbar machen. Soll die Marke Waren eines Unternehmers von denen eines anderen unterscheiden, funktioniert dies nur, wenn der Markeninhaber Dritte von der Nutzung seines Zeichens ausschließen kann. Der Unterlassungsanspruch ist auch hier konstitutiv für die Funktion des Stammrechts.178 Könnte ferner mangels Urheberrecht jedermann den „Mickey-Mouse-Charakter“ verwenden, droht ein Image- und damit Wertverlust.179 Dies sind freilich Sonderfälle, da sich Immaterialgüter im Kern dadurch auszeichnen, dass die Nutzung durch mehrere gleichzeitig ohne Abstriche möglich ist. Nicht nur der Gedanke der schonenden und damit effizienten Ressourcennutzung spricht ökonomisch für Unterlassungsansprüche. Die Rechtfertigung von Rechten des Geistigen Eigentums auf Basis des Anreizgedankens lässt sich so verstehen, dass nur dann hinreichende Anreize zu Innovation und Investition bestehen, wenn das Recht dafür sorgt, dass eine alleinige Verwertungsmöglichkeit geschaffen wird. Es geht dabei weniger um Prävention des Eintritts eines drohenden Schadens als um den Schutz eines Instruments, beispielsweise eines Patents, dessen Sinn und Zweck es vornehmlich ist, Innovationen zu 174
Riehm, S. 163; Maultzsch, AcP 207 (2007), 530, 558 ff. Riehm, S. 202. 176 Hardin, 162 Science (1968), 1243, 1244 ff.; vgl. Schäfer/Ott, S. 595 f., 597 f.; zur “Tragedy of the Anticommons” Heller, 111 H. L. R. (1998), 621 ff.; s. a. Rose, 53 U. Chi. L. Rev. (1986), 711 ff. 177 Demsetz, Am. Econ. Rev. 57 (1967), 347 ff.; Landes/Posner, S. 12; Lehmann, Ökonomische Analyse, S. 35 ff.; ders., GRUR Int. 1983, 356 ff.; Homann/Suchanek, Ökonomik, S. 120 f.; vgl. Peukert, Güterzuordnung, S. 105 ff.; Schäfer/Ott, S. 594 ff.; Posner, S. 41. 178 Beier, GRUR 1998, 185, 187. 179 Posner, S. 57. 175
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§ 8 Die Rolle der Rechtsfolge Unterlassen im Rechtsfolgensystem
fördern.180 So macht Beier die „ungestörte Eigenverwertung“ (beispielsweise einer Erfindung durch den Erfinder) oder die Möglichkeit, einem Dritten eine solche ausschließliche Verwertungsmöglichkeit (z. B. eines Musters) zu verschaffen, als eigenständige „Funktion[…] der Ausschließlichkeit“ aus.181 Eine Reduktion des Rechts auf Vergütungsansprüche liefe dem zuwider.182 Ist das Recht nicht werthaltig, geht das Vertrauen in die einschlägige Institution (beispielsweise das Patentrecht) selbst verloren. Dies gilt für sämtliche Rechtsinstitute. So stünde auch im Vertragsrecht das Institut als solches zur Disposition, würde etwa bei einer negativen vertraglichen Verpflichtung ein Unterlassungsanspruch verwehrt.183 Die Folge wäre in allen Fällen, dass wirtschaftlich unnötige private faktische wie rechtliche Selbstschutzmaßnahmen (Geheimhaltung, private Vorsorge durch Vertragsstrafen) getroffen würden.184 In der ökonomischen Analyse des Vertragsrechts finden sich entsprechend vermehrt Stimmen, die sich für einen Vorrang der Naturalerfüllung gegenüber der bloßen Gewähr von Schadensersatzansprüchen aussprechen. Traditionell wird in der ökonomischen Analyse hingegen argumentiert, dass ein Vertragsbruch effizient sein könne (efficient breach of contract). Dies dürfe nicht durch Rechtsfolgen wie Erfüllung in Natur oder Gewinnherausgabe konterkariert werden.185 So kann aber entgegen der traditionellen Lehre gerade das Vorhandensein der auf Naturalerfüllung angelegten Institution Vertrag transaktionskostensenkend wirken. Es besteht in einem solchen Fall schließlich nicht die Notwendigkeit, beispielsweise „Reserveverträge“ abzuschließen oder zusätzliche private Vorsorgemaßnahmen auszuhandeln, wenn man mit dem Kaufgegenstand zuverlässig planen will.186 Praktisch werden zudem viele Vertragsbrüche schon wegen des Fehlens einschlägiger Informationen im Er180 Ullrich, Europäische Perspektiven, S. 14, 77 ff.; EuGH Urt. v. 28. 04. 1998, Rechtssache C-200/96 Rn. 22 ff. – Metronome Musik/Music Point Hokamp = ECLI:EU:C:1998:172 = GRUR Int. 1998, 596. 181 Beier, GRUR 1998, 185, 186; zu weiteren Funktionen wie insbesondere der Finanzierungsfunktion Sonnenberg, S. 31 ff., 33 f. 182 Vgl. Beier, GRUR 1998, 185, 186. 183 Vgl. nur Weller, S. 366 ff. 184 Vgl. Posner, S. 87; zur Gefahr übertriebener Sorgfaltsvorkehrungen Wagner, Gutachten Juristentag, S. 20 ff., 22, 84. 185 Dazu Posner, S. 56 ff., 118 ff., 131 f.; Goetz/Scott, 77 Columbia Law Review (1977), 554 ff.; Kornhauser, 57 U. Colo. L. Rev. (1986), 683, 692 ff., 711 ff.; Schäfer/Ott, S. 495 ff.; differenzierend Maultzsch, AcP 207 (2007), 530, 551 ff.; kritisch Burrows, S. 20 ff., 36, 473 ff.; ebenso Weller, S. 347 ff., insbesondere S. 360 ff., 366 ff.; Riehm, S. 19 f. und grundlegend S. 150 ff., 173 ff., vor allem S. 200 ff., 207 ff., 209 („[e]in unbedingter und strikt vorrangiger Anspruch auf Naturalerfüllung ohne jeglichen Übergangstatbestand auf Schadensersatz in Geld ist daher ökonomisch evident ineffizient“); Unberath, S. 232 ff.; Remien, Festschrift Hondius, S. 321, 323 f.; s. a. Lehmann, JZ 2007, 525, 526; Wackerbarth, ZGS 2006, 369, 371; Ackermann, S. 176 ff. 186 Weller, S. 366 f.; Riehm, S. 167 ff., 179 f.; s. a. Köhler, ZHR 144 (1980), 589, 591 f., 606.
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gebnis ineffizient sein.187 Da der Wert einer Leistung von subjektiven Vorstellungen abhängt, können die Interessen des Gläubigers durch den Zuspruch von Schadensersatz zudem mitunter nur unzureichend bedient werden.188 Der über §§ 249 ff. BGB ausgleichbare Schaden, der beispielsweise einem ruheschätzenden Gläubiger dadurch entsteht, dass sich der Schuldner, der versprochen hat, vormittags nicht zu musizieren, nicht an die Abrede hält, dürfte regelmäßig kleiner sein als der der durchsetzbaren Abrede beigemessene subjektive Wert durch den Gläubiger.189 Dieser Gedanke betrifft freilich bereits die Präventionsfunktion des Unterlassungsanspruchs. Darauf wird unter § 8 IV eingegangen. Schließlich soll erst durch die ausschließliche Zuweisung ein geordneter Handel namentlich mit immateriellen Gütern möglich werden.190 Erst durch das Ausschließlichkeitsrecht und dessen Durchsetzung mittels Unterlassungsansprüchen wird ein handelbares Gut erzeugt.191 Nur dann kann sich ein entsprechender Markt bilden.192 „Wenn aber die Handelbarkeit bzw. die geordnete Verwertung erst durch die rechtliche Gewähr ausschließlicher Rechte ermöglicht und garantiert wird, so ist es ureigenstes Anliegen des Gesetzes, die Freiheit dieser Rechte von störenden Beeinträchtigungen nach Möglichkeit zu gewährleisten, droht doch jede Beeinträchtigung der ausschließlichen Rechte mithin die Handelbarkeit und damit die vom Gesetz mit dem rechtlichen Schutz immaterieller Güter verfolgten Ziele zu untergraben.“193
Dadurch kann auch das Ziel der Verbreitung immaterieller Güter gefördert werden.194 Auch wenn mit der Betonung der „Ausschlussbefugnis“195 auf die Güterzuweisung abgestellt wird, schwingt darin die Notwendigkeit von Unterlassungsansprüchen mit.196 So wird bisweilen entsprechend ausdrücklich 187 Riehm, S. 180 f., 182, 185 f. und s. a. S. 178 f., 209 f.; mitunter hofft der Vertragsbrecher, Schadensersatz faktisch nicht leisten zu müssen, vgl. Riehm, S. 469; vgl. auch Maultzsch, AcP 207 (2007), 530, 543 ff. 188 Burrows, Remedies, S. 21 f.; zum „Wert- und Verwendungsinteresse“ des Gläubigers, das über dem objektiven Wert liegen kann Weller, S. 324 und auch S. 325 ff., 363 f.; Maultzsch, AcP 207 (2007), 530, 552; allgemein zu Schwächen von Geldleistungen u. § 8 IV 1. 189 Vgl. Riehm, S. 46 f. 190 Dreier, S. 72 ff., 414, 418, 503 f.; Ullrich, GRUR Int. 1996, 555, 562 ff.; Leistner/Hansen, GRUR 2008, 479, 483 f.; Grünberger, ZGE 2012, 321, 345 f.; s. a. Bechtold, GRUR Int. 2008, 484 ff. 191 Beier, GRUR 1998, 185, 186. 192 Haedicke, Patentrecht, 1. Kap. Rn. 22; zum Gedanken der Nutzungsoptimierung und die dadurch begründete Notwendigkeit von Unterlassungsansprüchen vgl. Dreier, S. 415. 193 Dreier, S. 418. 194 Vgl. Koboldt, S. 69, 71; Beier, GRUR 1998, 185, 186. 195 Ullrich, GRUR Int. 1996, 555, 557. 196 Dreier, S. 73 („ermöglicht überhaupt erst die Gewähr rechtlicher Ausschließlichkeitsbefugnisse eine Zuordnung immaterieller Güter […] und entzieht diese dem […] unkontrollierten Zugriff Dritter“); Grünberger, ZGE 2012, 321, 347 ff.; vgl. Beier, GRUR 1998, 185, 186.
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betont, dass dem Gesetzgeber „in ganz besonderem Maß“ mittels Präventionsinstrumenten „an der Aufrechterhaltung dieser Ausschließlichkeitsrechte“ gelegen sein muss.197 Allen Beispielen ist gemein, dass Wirtschaftsgüter vielfach die Existenz von Unterlassungsansprüchen voraussetzen. Fehlen derartige Ansprüche, schlägt sich dies unmittelbar auf die Funktionsweise und den Wert bestimmter Güter (z. B. das Image eines Markenprodukts) beziehungsweise Mechanismen (z. B. Patentsystem, Vertragssystem) nieder. Freilich hängt dies nicht ausschließlich an Unterlassungsansprüchen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass ein hinreichender Schutz grundsätzlich auch über Schadensersatzansprüche erzielt werden kann (o. § 8 II 4). Es besteht Raum für situationsbedingte Verweigerungen des Unterlassungsanspruchs.
3. Grenzen und Kritik Vor allem der „Verhandlungslösungsansatz“ (o. § 8 III 1) basiert auf der Prämisse, dass der Rechtsinhaber sein Recht verwerten darf und will. Manche Rechte sind aber nicht auf Kommerzialisierung angelegt. In anderen Fällen fehlt die subjektive Verwertungs- beziehungsweise Erwerbsbereitschaft (a)). Zudem muss ein funktionsfähiger Markt bestehen. Wenn aber beispielsweise Transaktionskosten198 zu hoch sind, ist einer “property rule” bereits im Ansatz ihre Wirkungsweise genommen (b)). Auch Verhandlungsungleichgewichte beziehungsweise strategisches Verhalten können angemessene Marktlösungen verhindern (c)). Insgesamt lassen sich damit verschiedene Fälle von Marktversagen herausarbeiten. a) Verwertbarkeit und Verwertungsbereitschaft
Die Idee vom Unterlassungsanspruch als Mittel zum Zweck versagt dort, wo Rechte nicht kommerzialisiert werden sollen. Der zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährte Unterlassungsanspruch beispielsweise dient nicht dazu, einen „Verkauf“ der Ehre oder sexuellen Selbstbestimmung zu ermöglichen.199 Gleiches gilt für die in § 823 I BGB geschützten Lebensgüter, 197 Dreier, S. 74; s. a. Flöter/Königs, ZUM 2012, 383, 388; sie argumentieren, dass das „Recht am Bild der grundstücksinternen Sache“ erst dann einen hinreichenden Anreiz zur Verwertung bringt (z. B. Angebote von Führungen durch eine abschließbare wertvolle Kunstsammlung), wenn „effektive Rechtsfolgen“ bestehen (wenn auch mit Blick auf die „dreifache Schadensberechnung“); zum Gedanken, dass ohne Ausschließungsmöglichkeiten ggf. ineffiziente Abwehrmaßnahmen getroffen würden Posner, S. 87. 198 Im Kern geht es bei sämtlichen folgenden Problembereichen um Transaktionskosten, vgl. Lemley/Weiser, 85 Texas L. Rev. (2007), 783, 786 f.; dennoch wird versucht, Untergruppen zu bilden, wobei die Übergänge fließend sind. 199 Vgl. Schäfer/Ott, S. 69 f.; er verweist auf Handlungsrechte, die nicht übertragbar sind und nicht gegen Zahlung erworben bzw. ausgeübt werden können (z. B. Menschenrechte).
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wo namentlich die individuelle Freiheit nicht mit Unterlassungsansprüchen verteidigbar ist, um sich zu bestmöglichen, marktmäßigen Bedingungen in die Sklaverei zu verkaufen. Vor allem die Überlegungen unter den folgenden Gliederungspunkten, wann Unterlassungsansprüche zugunsten von Vergütungsregeln auszuschließen sind, weil diese eine Marktlösung nicht zu erzeugen vermögen, sind daher nicht allgemeingültig. Sie können nur für Vermögensrechte beziehungsweise für Rechte, die auf Verwertung ausgelegt sind, herangezogen werden. Aber selbst für das Urheberrecht wird kritisiert, dass die ökonomische Sichtweise eine „unzulässige Verengung“ mit sich bringt. Auch das Urheberrecht sei mehr als nur ein Vermögensrecht.200 Selbst aus ökonomischer Sicht kann schließlich eine Rechtsübertragung ineffizient sein. Das Recht müsse dann „unverkäuflich“ sein; es bedarf einer “inalienability rule”.201 Weiter muss der Rechteinhaber sein Recht aber auch verwerten wollen. Geht es dem Berechtigten beispielsweise darum, einen Markt abzuschotten, interessiert ihn die Ablösemöglichkeit des Unterlassungsanspruchs gerade nicht. Auf diese kommt es ihm auch nicht an, wenn er unerwünschte Nutzungen (Beispiel: Parodie) aus eigennützigen Gründen schlichtweg ausschließen will.202 Es mangelt dann in der Sache an einer subjektiven Verwertungsbereitschaft. In diesem Sinne vermutet Hilty, dass Verlage gerade nicht bereit sind, Nutzungsrechte an Google einzuräumen, damit Google Digitalisierungsprojekte durchführen kann. Da sie einen Wettbewerber fürchten, soll von Anfang an keine Verhandlungsbereitschaft vorliegen.203 Ein weiteres Beispiel liefert die Diskussion um verwaiste urheberrechtlich geschützte Werke.204 Da der Rechteinhaber bisweilen nicht ermittelt werden kann, sind Verhandlungslösungen, die der gewährte Unterlassungsanspruch begünstigen soll, von vorneherein ausgeschlossen. Hier verhandelt der Berechtigte schlicht und ergreifend deshalb nicht, weil er als Verhandlungspartner nicht identifiziert werden kann.205 Ähnlich verhält es sich in „Notsituationen“, wobei hier der Faktor Zeit die entscheidende Rolle spielt.206 Umgekehrt kann es an der nötigen Erwerbsbereitschaft fehlen. So ist denkbar, dass ein Recht verwertbar ist, der Inhaber es auch verwerten will, sich aber wegen drohenden „Schwarzfahrer-“ beziehungsweise „Trittbrettfahrerverhaltens“ ein Markt nicht bildet.207 Profitieren vom Abkauf eines Rechts mehrere (z. B. Konstellationen rund um Immissionen im Nachbarrecht), kann 200
Schack, Rechtfertigung, S. 123, 133. Calabresi/Melamed, 85 H. L. R. (1972) 1089, 1092 f., 1111 ff., u. a. mit Blick auf durch “moralisms” verursachte Kosten. 202 Stieper, S. 90. 203 Hilty, Innovation, S. 48, 50. 204 Grünberger, ZGE 2012, 321 ff.; Fischman Afori, 29 Cardozo Arts & Ent. L. J. 1, 34. 205 Vgl. Grünberger, ZGE 2012, 321, 348 f. 206 Cooter/Ulen, S. 167 f.; das Recht reagiert mit „Selbsthilferechten“, § 904 BGB. 207 Schäfer/Ott, S. 620 f.; 76 ff. 201
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sich ein Einzelner überlegen, sich an den Kosten nicht zu beteiligen. Er mag darauf spekulieren, dass die Transaktion von den anderen vorgenommen wird und er gleichsam umsonst in den Genuss des Rechtserwerbs durch die Dritten kommt. Wird dies wiederum antizipiert, unterbleibt die Transaktion.208 Eine Vergütungsregelung an Stelle eines Unterlassungsanspruchs ist damit gerechtfertigt, wenn sich ein Markt nicht herstellen lässt, obwohl eine höherwertige Nutzung einer Ressource möglich und gewollt ist.209 Auch endlose Warteschleifen zu Call-Center-Mitarbeitern lehren, dass praktisch eine Verhandlung mit einem in diesem Sinne organisierten Unternehmen nicht zustande kommt – selbst wenn es im konkreten Fall effizient wäre, etwa eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Unterlassungsverpflichtung „wegzuverhandeln“.210 Wer eine in den AGBs eines Kaufhauses befindliche „Unterlassungsklausel“ abzulösen gedenkt, wird ebenfalls schnell die „normative Kraft des Faktischen“ erleben.211 b) Transaktionskosten
Wenn Unterlassungsansprüche Marktlösungen begünstigen sollen, dürfen die Transaktionskosten nicht prohibitiv hoch sein.212 Nur dann gelten Marktlösungen als effizienter.213 Im „Coase-Theorem“ ist entsprechend die Annahme, dass die Transaktionskosten gleich null sind.214 In der Realität ist dies natürlich nicht der Fall.215 Sobald die Transaktionskosten die durch einen ausgehandelten Güteraustausch erzielten Wohlfahrtsgewinne übersteigen, sind property rules und damit die Verfügbarkeit von Unterlassungsansprüchen nicht mehr effizient.216 Nur wenn die Transaktionskosten niedrig 208 Schäfer/Ott, S. 620 f.; Beispiele bei Schäfer/Ott, S. 620 f. und S. 76 ff., allerdings nicht zugespitzt auf einen Unterlassungsanspruch; s. a. Calabresi/Melamed, 85 H. L. R. (1972) 1089, 1106 f. 209 Schäfer/Ott, S. 621. 210 Noch ein Beispiel, wenn auch nicht zum Unterlassungsanspruch: Auch der Verbraucher, der einen Darlehensvertrag vorzeitig kündigen möchte, mag bei der Bank auf taube Ohren stoßen – auch wenn die Transaktion effizient wäre. Eine liability rule (wie sie in § 490 II BGB zu finden ist) kann daher gegenüber dem Erfüllungsanspruch vorzugswürdig sein. 211 Vgl. Maultzsch, AcP 207, (2007), 530, 540, zum „effizienten Vertragsbruch“. 212 Posner, S. 42, 86 ff.; Calabresi/Melamed, 85 H. L. R. (1972), 1089, 1110, 1117 ff., 1127; Smith, 79 N. Y. U. L. Rev. (2004), 1719, 1720 f.; Dreier, S. 503; Stieper, S. 85 ff; zur Schranke der Privatkopie Ohly, Wirtschaftsrecht, S. 141, 155; Peukert, ZUM 2003, 1050, 1052; Beispiel aus dem Insolvenzrecht Weber, S. 295; zu Transaktionskosten im digitalen Umfeld Stieper, S. 91 ff.; Lemley/Weiser, 85 Tex. L. Rev. (2007), 783, 788 ff.; vgl. auch Kaplow/Shavell, 109 H. L. R. (1996), 715 ff. 213 Vgl. nur Landes/Posner, S. 8; beim Handel mit Immaterialgüterrechten sollen Transaktionskosten tendenziell höher sein als bei Rechten an körperlichen Gütern. 214 Coase, 3 J. L. & Econ. (1960), 1; vgl. Cooter/Ulen, S. 85 ff., 91 ff. 215 Burk, ZGE 2012, 405, 407 f.; vgl. mit Blick auf verwaiste Werke Grünberger, ZGE 2012, 321, 350 f. 216 Cooter/Ulen, S. 104 ff.; Posner, S. 71, 86.
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sind, soll eine liability rule nachrangig sein.217 Praktisch spielen hier vor allem Informationsdefizite eine Rolle, die sich allerdings auch bei der „Verhandlung“ über Schadensersatzansprüche negativ niederschlagen.218 Wenn sich eine große Zahl von Patenten in komplexen Produkten überlagert („Patentdickicht“), können auch die Kosten, um die jeweiligen Schutzbereiche richtig einzuschätzen, außer Verhältnis stehen.219 Vor allem wenn Verhandlungen mit einer Vielzahl von Beteiligten nötig wären, werden die durch eine Verhandlungslösung möglichen Wohlfahrtsgewinne nicht selten aufgezehrt.220 c) Verhandlungsstörungen
Soll ein Unterlassungsanspruch abgelöst werden, müssen sich die Parteien einigen. Es lässt sich eine Vielzahl von Fällen denken, in denen Verhandlungsungleichgewichte auftreten. Ohne hier sämtliche Konstellationen auch nur annähernd erschöpfend beschreiben zu wollen, soll zumindest auf einige Punkte hingewiesen werden.221 Schwierigkeiten können auftreten, wenn ein „bilaterales Monopol“ vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn es nur einen Nachfrager und einen Anbieter gibt.222 Eine solche Konstellation liegt beispielsweise bei vertraglichen Unterlassungsansprüchen vor.223 Entsprechend wären nach der Theorie des effizienten Vertragsbruchs Vergütungsregeln vorzugswürdig.224 Klar ist auch, dass entsprechende Marktmacht effizienten Verhandlungsergebnissen entgegenstehen kann.225 Aber auch unterhalb der einschlägigen kartell217 Calabresi/Melamed, 85 H. L. R. (1972), 1089, 1109 f. (“a very common reason, perhaps the most common one for employing a liability rule rather than a property rule to protect an entitlement is that market valuation of the entitlement is deemed inefficient, that is, it is either unavailable or too expensive compared to a collective valuation.”). 218 Zum Vertragsrecht Riehm, S. 178 f., 208; Maultzsch, AcP 207 (2007), 530, 543 ff., zum „effizienten Vertragsbruch“. 219 Vgl. Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 791. 220 Peukert, ZUM 2003, 1050, 1052, mit Blick auf §§ 53 ff. UrhG; Maultzsch, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 57, 65 f., mit Blick auf § 906 II BGB. Es entstehen auch Transaktionskosten wegen strategischen Verhaltens („strategische Transaktionskosten“). 221 Vgl. auch Schäfer/Ott, S. 76 ff.; Cotter, S. 55 ff.; Burrows, S. 22; es handelt sich letztlich um Unterfälle hoher Transaktionskosten, vgl. Lemley/Weiser, 85 Texas L. Rev. (2007), 783, 786 f.; Maultzsch, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 57, 66 („strategische Transaktionskosten“); Cooter/Ulen, S. 106. 222 Posner, S. 77 f.; vgl. Smith, 24 Can. Bus. L. J. (1994/1995), 121, 134. 223 Vgl. Riehm, S. 192, mit Blick auf den Naturalerfüllungsgrundsatz; zu § 904 BGB Maultzsch, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 57, 65 („situatives Monopol“). 224 Vgl. Posner, S. 163 f.; Maultzsch, AcP 207, (2007), 530, 540 ff.; kritisch Smith, 24 Can. Bus. L. J. (1994/1995), 121, 134; Riehm, S. 195 f., 200 ff.; s. a. o. § 8 III 2. 225 Schäfer/Ott, S. 79; mit Blick auf standard-essentielle Patente Heusch, Festschrift Meibom, S. 135, 145 ff.; wegen des Standards hat der Patentinhaber eine Verhandlungsposition, die nicht auf seiner Erfindung beruht, sondern auf der Standardsetzung. Die günstige Verhandlungsposition ist damit nicht einmal selbst erwirtschaftet, a. a. O., 147; Sonnenberg, S. 20 ff; Reetz/Pecnard/Fruscalzo/van der Velden/Marfé, GRUR Int. 2015, 210, 212 f.
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rechtlichen Marktanteilsschwellen können kleinere Firmen in Patentprozessen gegenüber finanzkräftigeren Unternehmen am kürzeren Hebel sitzen.226 Wettbewerbsbeschränkungen in Franchise- oder Exklusivvertriebsverträgen können ebenfalls effizienten Ressourcenallokationen entgegenstehen. Auch strategisches Verhalten kann eine effiziente Verhandlungslösung verhindern.227 Besonders aufschlussreich ist die Diskussion im Patentrecht. In der patentrechtlichen Literatur wird die negative Wirkung des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs unter dem Schlagwort “Patent hold up” diskutiert.228 Zum einen wird eine Zweckentfremdung ausgemacht. „Patenttrollen“ beziehungsweise “non-practising entities” wird in diesem Sinne missbräuchliches Verhalten nachgesagt, da sie das Patent nicht nutzen, um die Innovation selbst zu verwerten, sondern ausschließlich, um Dritte mit Unterlassungsansprüchen zu überziehen.229 Kennzeichen soll dabei sein, dass Patentnutzer gleichsam aus dem Hinterhalt mit (in Insolvenzen oder Auktionen erworbenen) Trivialpatenten überrascht werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn mit der Rechtsdurchsetzung gewartet wird, bis die Unterlassungsklage den Verletzer am meisten schmerzt, etwa weil wegen der fortgeschrittenen Produktentwicklung eine Umgehung des verletzten Patents nunmehr (zu) teuer ist.230 Es wird zudem beobachtet, dass sich Patentverwerter den marktmäßigen Verhandlungsbedingungen entziehen. Da sie nicht selbst produzieren, sind sie nicht durch „Gegenangriffe“ gefährdet.231 Da der Verwerter die Erfindung regelmäßig selbst nicht nutzt, kann eine effiziente Ressourcenallokation durch das gestörte Verhandlungsgleichgewicht misslingen.232 Statt die Verbreitung einer Technologie zu fördern, indem Anreize für einen privatautonomen Rechtetransfer gegeben werden, kann der Unterlassungsanspruch als Blo-
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Kessler, Mitt. 2011, 489 f. und 490. Sonnenberg, S. 18 ff.; zu Erkenntnissen der „Behavioral Law and Economics”-Bewegung Eidenmüller, JZ 2005, 216 ff. Namentlich kognitive Hindernisse (z. B. selektive Wahrnehmung) oder eben strategisches Verhalten können Verhandlungslösungen entgegenstehen, vgl. a. a. O. mit Blick auf § 275 II BGB. 228 Lemley/Shapiro, 85 Texas L. Rev. (2007), 1991 ff.; Lemley/Weiser, 85 Tex. L. Rev. (2007), 783, 793 ff.; Heald, S. 1 ff.; Subramanian, 30 E. I. P. R. (2008), 182 ff.; Ntouvas, GRUR Int. 2006, 889, 891; Burk, ZGE 2012, 405, 409 ff.; Cotter, S. 59 f.; Sonnenberg, S. 18. 229 Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 787, 791, 793 ff.; Uhrich, ZGE 2009, 59 ff.; Osterrieth, GRUR 2009, 540, 541 f.; Heusch, Festschrift Meibom, S. 135, 144 f.; Subramanian, IIC 2008, 419 ff.; Walz, GRUR Int. 2013, 718, 728 ff.; Maume/Tapia, GRUR Int. 2010, 923, 928; Sonnenberg, S. 9 ff.; kritisch gegen das „Märchen vom bösen Patenttroll“ Kessler, Mitt. 2011, 489 ff.; vgl. auch Ann, Festschrift Straus, S. 355 ff. 230 Vgl. Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 787, 791, 795; Osterrieth, GRUR 2009, 540, 541 f.; Uhrich, ZGE 2009, 59 f.; Lemley/Shapiro, 85 Texas L. Rev. (2007), 1991, 2001. 231 Osterrieth, GRUR 2009, 540, 541 f.; Walz, GRUR Int. 2013, 718, 728; Reitboeck, GRUR Int. 2013, 419, 420; Subramanian, 30 E. I. P. R. (2008), 182, 183. 232 Vgl. Heald, S. 1, 15. 227
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ckadeinstrument im Ergebnis Innovationen verhindern.233 Auch „Markentrolle“234 sichern sich in diesem Sinne eine Marke ausschließlich in der Absicht, sich diese vom eigentlich Interessierten abkaufen zu lassen. Ihre Waffe ist ebenfalls der Unterlassungsanspruch,235 der dann das Ungleichgewicht in den Verhandlungen manifestiert.236 Doch auch unabhängig von einer solchen subjektiven Komponente kann das Verhandlungsgleichgewicht gestört sein. Findet sich beispielsweise in einem komplexen Erzeugnis eine sehr hohe Zahl von Patenten, kann ein einzelner Patentinhaber den Vertrieb des ganzen Produkts (z. B. eines PKWs oder eines Handys) stoppen.237 Man muss sich – wie bereits erwähnt – vergegenwärtigen, dass die Verletzung von (Trivial-)Patenten wegen mitunter unübersichtlicher Patentlagen letztlich nicht zu verhindern ist,238 zumal sich der exakte Schutzbereich nur schwer bestimmen lässt.239 Zumindest stünde der Rechercheaufwand außer Verhältnis und würde möglicherweise erst recht dazu führen, dass ein Produkt nicht gefertigt wird.240 Im beschriebenen Fall kann der Unterlassungsanspruch nun bewirken, dass der Patentinhaber in den Lizenzverhandlungen eine Vergütung erzielen kann, die den technischen Wert seiner patentierten technischen Lehre bei weitem übersteigt.241 Der Verletzer ist auf eine vertragliche Lösung mit eben diesem einen Patentinhaber angewiesen.242 Es ist zudem gut möglich, dass dem (unschuldigen) Verletzer erhebliche Kosten entstehen, um das Unterlassungsgebot zu befolgen. Das Problem bilden die „Umstellungskosten“ (“switching costs”).243 Da nun aber dem Patentinhaber regelmäßig bekannt sein wird, dass der Verletzer erhebliche Aufwendungen für die Umstellung der Produktion etc. tätigen muss, wird er in den Lizenz233 Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 791, 795. Er spricht von einem „funktionswidrige[n] Einsatz” des Patents. 234 Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 794. 235 Vgl. BGH GRUR 2001, 242 – Classe E.; s. a. Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 794 f.; Helm, GRUR 1996, 593 ff. 236 In der Tat konnte eine Privatperson, die für Frankreich das Zeichen Classe E für Automobile angemeldet hatte, von Daimler 150.000 € „abpressen“, vgl. BGH GRUR 2001, 242 – Classe E. 237 Cotter, S. 57 f.; Lemley/Shapiro, 85 Texas L. Rev. (2007), 1991, 1994 ff., 2008 ff.; Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 793, 795 ff., will Unverhältnismäßigkeit als eine Kategorie des Missbrauchs erfassen; zu Patenten in komplexen Erzeugnissen aus praktischer Sicht Schickedanz, GRUR Int. 2009, 901 ff.; s. a. Heusch, Festschrift Meibom, S. 135, 145. 238 Davon geht selbst der Gesetzgeber aus, vgl. BT-Ds. 11/4792, A. IV. 3, S. 18; Schickedanz spricht von Unmöglichkeit im Sinne von § 275 BGB, GRUR Int. 2009, 901, 902 f.; s. a. Sonnenberg, S. 10 ff. 239 Lemley/Weiser, 85 Tex. L. Rev. (2007), 783, 793. 240 Vgl. Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 791. 241 Vgl. Osterrieth, Festschrift Fezer, S. 1035 ff.; ders., Festschirft 80 Jahre Patentgerichtsbarkeit, S. 415 ff. 242 Vgl. Epstein, 106 Yale L. J. (1997), 2091, 2092 f. 243 Heald, S. 1 f.
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verhandlungen eine unangemessen hohe Lizenzgebühr aushandeln können. Er kann einen Betrag verlangen, der knapp unter den Umstellungskosten liegt, auch wenn ex ante eine deutlich geringere Lizenzgebühr ausgehandelt worden wäre.244 Der Unterlassungsanspruch hat damit ein unverhältnismäßig hohes Drohpotential.245 Die Wirkung des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs ist aus diesem Grund mit der von punitive damages verglichen worden – in Fällen, in denen der Verletzer aber gerade nicht vorsätzlich, mitunter nicht einmal wirklich fahrlässig handelt und dem Berechtigten (Patentinhaber) womöglich gar kein Schaden entstanden ist.246 Ist es zwar gerechtfertigt, das Patent (“initial entitlement”) dem Erfinder zuzuschreiben, bedarf es dennoch einer Vergütungslösung, wenn die gewünschte Übertragung (“distributive goals”) marktmäßig schwer oder nicht zu erreichen ist.247 Diese Problematik ist auch bei anderen Rechten, beispielsweise Urheberrechten im digitalen Kontext, denkbar.248 Gleiches gilt für das Nachbarrecht. In der ökonomischen Analyse werden Verhandlungsstörungen auch unter den Schlagworten „Akkordstörerposition“ oder “hold-outs” diskutiert.249 Gemeint sind Situationen, in denen jemand ein Recht erwerben will, dabei aber vom Willen einer größeren Zahl von Personen abhängig ist. Jeder einzelne ist dabei in der Lage, die Transaktion zu verhindern. Insbesondere ist es dem Einzelnen möglich, einen Preis zu erzielen, der den Wert seines aufzugebenden Rechts übersteigt. Ist der Nutzen für den Erwerber beispielsweise 100, der Wert des zu veräußernden Rechts 50, kann der Veräußerer aber dennoch einen Verkaufserlös von knapp unter 100 erzielen. Geht es nun um 10 Rechte mit einem Wert von je 5 und veräußern 9 Personen diese für 5, kann der letzte Veräußerer wiederum einen Erlös von knapp unter 55 erreichen (“hold-out”). Während dies unfair erscheint, bleibt das Ergebnis effizient.250 Finden sich nun aber mehrere „Akkordstörer“ beziehungsweise wird antizipiert, dass andere ein entsprechendes Verhalten an den Tag legen,251 würde die im Ergebnis effiziente Transaktion unterbleiben.252 244
Heald, S. 1 ff.
245 Vgl. Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 791; Schickedanz, GRUR Int. 2009, 901, 902 f., denkt
gar an Nötigung im Sinne von § 240 StGB. 246 Heald, S. 1 ff., 10, 15. In Situationen, in denen der Verletzer z. B. absichtlich handelt, ist diese Wirkung im Sinne der Förderung von Markttransaktionen aber erwünscht, vgl. a. a. O., S. 4 ff. 247 Calabresi/Melamed, 85 H. L. R. (1972) 1089, 1110. 248 Lemley/Weiser, 85 Tex. L. Rev. (2007), 783, 800 ff. 249 BGH NJW 1992, 967, 968; Weber, S. 295 (je zum Insolvenzrecht); Schäfer/Ott, S. 617 f.; Posner, S. 70 f., 78; zur Unterscheidung von “Hold-Up” zu “Hold-out” Lemley/ Weiser, 85 Tex. L. Rev. (2007), 783, 793 ff.; zu “Holdouts” Cooter/Ulen, S. 184 f. 250 Schäfer/Ott, S. 617 ff. 251 Vgl. Weber, S. 295 f. 252 Vgl. auch Calabresi/Melamed, 85 H. L. R. (1972) 1089, 1106 f., mit Blick darauf,
III. Ökonomische Analyse von Unterlassungsansprüchen
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4. Alternativen Es wurde bereits angedeutet, dass in Fällen, in denen Marktlösungen nicht funktionieren, Vergütungsregelungen eine Alternative bieten.253 Wenn es das Ziel ist, dass der Berechtigte sein Recht gegen den Erhalt einer Vergütung verwerten soll, kann dies – wenn Verhandlungslösungen zu scheitern drohen – darüber erreicht werden, dass ihm eine entsprechende Vergütung gerichtlich zugesprochen wird. Auch wenn eine solche Lösung grundsätzlich weniger effizient ist als ein freies Aushandeln, ist dieser Ansatz nicht per se ungeeignet, das beschriebene Ziel zu erreichen. Entscheidend ist, dass der wirtschaftliche Wert nicht ausgehöhlt wird. Zugleich muss auch über eine Vergütungsregel sichergestellt sein, dass marktübliche Renditeerwartungen bedient werden können.254 Insolvenzrisiken kann hingegen beispielsweise durch Sicherheitsleistungen oder Abschlagszahlungen vorgebeugt werden.255 Nicht zuletzt finden sich verschiedene Tabellen, die zum Beispiel Empfehlungen für die Vergütung von Pressefotos etc. vorschlagen.256 Die Vergütung orientiert sich zumindest am mutmaßlichen Willen des Veräußerers, in die damit Renditeerwartungen eingepreist werden können.257 Völlig willkürlich ist die Vergütungsfestsetzung nicht. Denkbar ist auch, dass dem Urheber ein Mitspracherecht eingeräumt wird. Selbst ohne Unterlassungsanspruch kann das Gesetz den Parteien anheimstellen, die Höhe der Vergütung selbst auszuhandeln. Nur wenn keine Einigung zustande kommt, entscheidet eine Schlichtungsstelle etc.258 In Situationen, in denen Marktlösungen scheitern, haben der Gesetzgeber, die Rechtsprechung und auch die Literatur entsprechend reagiert. Aufgrund der Transaktionskostenproblematik hat sich beispielsweise der Gesetzgeber mit §§ 53 ff. UrhG dafür entschieden, Vervielfältigungen urheberrechtlich geschützter Werke zum privaten Gebrauch nicht zu untersagen.259 Statt eines Unterlassungsanspruchs hat der Urheber einen Vergütungsanspruch gegen die Hersteller von Vervielfältigungsgeräten. Die Kosten für Verträge zur Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke sind im Anwendungsbereich von § 53 dass die wahren Präferenzen verschleiert werden und der Verkäufer z. B. einen höheren Preis angibt, als er eigentlich präferiert; s. a. Posner, S. 78 f.; vgl. bereits o. § 8 III 1 a). 253 Grundlegend Calabresi/Melamed, 85 H. L. R. (1972) 1089, 1105 ff. 254 S. a. mit Blick auf die Pharmabranche Ntouvas, GRUR Int. 2006, 889, 892 f.; Epstein, 106 Yale L. J. (1997), 2091, 2120. 255 Osterrieth, GRUR 2009, 540, 544; Köhler, GRUR 1996, 82, 90. 256 Vgl. Hilgert/Greth, Rn. 81 f., S. 21. 257 Calabresi/Melamed, 85 H. L. R. (1972) 1089, 1092 (“This value [of an entitlement] may be what is thought the original holder of the entitlement would have sold it for.”). 258 Geiger, GRUR Int. 2008, 459, 466; vgl. Ohly, Festschrift 50 Jahre Urheberrecht, S. 379, 386 f. 259 Stieper, S. 84 ff.; für elektronische Pressespiegel Metzger, Urheberrechtsschranken, S. 101, 103 f.; zu “fair-use” krit. Lemley/Weiser, 85 Tex. L. Rev. (2007), 783, 790 ff.
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§ 8 Die Rolle der Rechtsfolge Unterlassen im Rechtsfolgensystem
UrhG im Verhältnis zum Wert der Nutzung außer Verhältnis.260 Auch § 906 II S. 2 BGB kann als ökonomisch richtige Reaktion des Gesetzgebers interpretiert werden.261 Würde der Emittent ortsüblicher, wenn auch wesentlicher Immissionen gezwungen, mit jedem einzelnen betroffenen Grundstückseigentümer über den Abkauf des „Verschmutzungsrechts“ zu verhandeln, würden hohe Transaktionskosten entstehen. Vor allem droht aber hier die Gefahr, dass sich Einzelne, wie oben beschrieben, strategisch verhalten. Im Sachenrecht hat der Gesetzgeber im Falle der Verarbeitung gemäß §§ 950, 951 BGB einer liability rule gegenüber einer property rule den Vorzug gegeben.262 Ökonomisch betrachtet ist auch hier fraglich, ob ex post Raum für eine angemessene Marktlösung ist („hold-out“-Risiko). Im Vertragsrecht wird das Scheitern von Verhandlungslösungen in bestimmten Ausnahmefällen ebenfalls vorausgesehen. § 275 II BGB wird als adäquate Abhilfe gewürdigt.263 Die Rechtsprechung hat sich auf den Missbrauch marktbeherrschender Stellungen mit der Entwicklung kartellrechtlicher Zwangslizenzen eingelassen, vor allem wenn es um standard-essentielle Patente geht.264 Auch hier wird der Unterlassungsanspruch durch eine Vergütungsregel abgelöst.265 Gerade im Recht des Geistigen Eigentums wird der Ruf der Literatur nach Vergütungsregeln immer lauter.266 Um dem Problem der “switching costs” entgegenzutreten, gibt es ferner die Überlegung einer reverse liability rule (“compensatory injunction”267).268 Der Berechtigte kann seinen Unterlassungsanspruch nur geltend machen, wenn er dem schuldlosen Verletzer die Kosten ausgleicht, die bei diesem anlaufen, um die nächstbeste Umgehungstechnologie zu nutzen.269 Vorteilhaft soll dabei sein, dass individuelle Präferenzen berücksichtigt wer260 Vgl.
Peukert, ZUM 2003, 1050, 1052; Ohly, Wirtschaftsrecht, S. 141, 157. Maultzsch, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 57, 61 ff. 262 Vgl. Epstein, Yale L. J. (1997), 2091, 2106 f.; dem deutschen Gesetzgeber lag vor allem an Rechtsklarheit, vgl. MünchKomm/Füller, § 950 Rn. 1 f. 263 Eidenmüller, JZ 2005, 216, 222. 264 EuGH Urt. v. 16. 7. 2015, C-170/13 – Huawei = ECLI:EU:C:2015:477 = GRUR 2015, 764; s. a. Sonnenberg, S. 118 ff.; Hauck, NJW 2015, 2767 ff.; Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 793 f.; Walz, GRUR Int. 2013, 718, 723 ff., 728 ff.; Reetz/Pecnard/Fruscalzo/van der Velden/ Marfé, GRUR Int. 2015, 210, 212; zu Zwangslizenzen als „diktierte Verträge“ vgl. Brand, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 77, 85 f.; freilich bewirkt dieses „Damoklesschwert“, dass freiwillige Verhandlungen gefördert werden. 265 BGH GRUR 2009, 694 – Orange Book Standard, wo klargestellt wurde, dass dies einem Unterlassungsanspruch einredeweise entgegengehalten werden kann. 266 Hilty, Innovation, 48, 49; vgl. Burk, ZGE 2012, 405, 408 ff. 267 Vgl. Berryman, S. 14. 268 Burk, ZGE 2012, 405, 408 ff.; bereits o. § 8 II 4. 269 Ayres, 32 Val. U. L.Rev. (1998), 793, 794 f.; Burk, ZGE 2012, 405, 408 ff.; vgl. zum Nachbarrecht Del Webb v. Spur Industries 108 Ariz. 178, 494 P. 2d 700 (1972); im deutschen Recht findet sich eine „put option“ in § 816 BGB: Genehmigt der Eigentümer eine Verfügung, kann er nach § 816 BGB die Gewinne herausverlangen. Dies ist in der Sache ein Zwang zum „Kauf“. 261
III. Ökonomische Analyse von Unterlassungsansprüchen
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den können. Nur wenn dem Berechtigten der Unterlassungsanspruch so wertvoll erscheint, dass er ihn auch um den Preis eines Ausgleichs möchte, wird er gewährt.270 Eine weitere Möglichkeit zur Senkung von Transaktionskosten bietet nicht zuletzt die kollektive Rechtewahrnehmung (z. B. Verwertungsgesellschaften im Urheberrecht).271 Auch Patentverwerter sind vor diesem Hintergrund nicht per se negativ zu bewerten – ganz im Gegenteil.272 Erst das Gewicht des Verwerters oder Rechtewahrnehmers kann dafür sorgen, dass ein Kräftegleichgewicht bei Verhandlungen besteht.273 Handelt der Gesetzgeber, kommt es freilich häufig zu einer Typisierung. Ob im konkreten Fall tatsächlich strategisches Verhalten droht, ist keineswegs ausgemacht. Die Erkenntnisse der Verhaltensökonomie legen mitunter gar gegenteilige Ergebnisse nahe.274 So spielen Fairnessgesichtspunkte eine nicht zu unterschlagende Rolle.275 Vor einer vorschnellen Aufgabe der Rechtsdurchsetzung mittels der Rechtsfolge Unterlassen zur Ermöglichung von Marktlösungen ist daher nur zu warnen.
5. Fazit Die Rechtsfolge Unterlassen ist kein Selbstzweck. Sie kann namentlich nicht aus dem „Wesen“ von Ausschließlichkeitsrechten heraus gerechtfertigt werden. Um aber dem Berechtigten bei Vermögensrechten eine angemessene Vergütung zu sichern, ist der Unterlassungsanspruch als Mittel zum Zweck anderen Rechtsfolgenlösungen vielfach überlegen. Der Unterlassungsanspruch (auch wenn er der Durchsetzung einer negativen vertraglichen Vereinbarung dient) kann effiziente Marktlösungen ermöglichen. In seiner Gegenwart müssen die Parteien die Transaktion auf Basis ihrer individuellen Präferenzen verhandeln. Liegt jedoch ein Marktversagen vor, ist der Unterlassungsanspruch kontraproduktiv. Gerade im Kontext digitaler Inhalte tritt dieses Problem verstärkt auf,276 obgleich sich Verallgemeinerungen verbieten. Allgemein gilt freilich: Das Recht muss sich flexibel halten, um zwischen property rules
270
Ayres, 32 Val. U. L.Rev. (1998), 793, 803 f.; Burk, ZGE 2012, 405, 410 ff., 414. Zu Registrierungsmöglichkeiten von Werken Grünberger, ZGE 2012, 321, 351 ff. 272 Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 792; Osterrieth, GRUR 2009, 540; Kessler, Mitt. 2011, 489 f. 273 Kessler, Mitt. 2011, 489 f., 490; Subramanian, 30 E. I. P. R. (2008), 182, 184 f.; zu “Patent-Pools” Cotter, S. 55. 274 Eidenmüller, JZ 2005, 216 ff. 275 Vgl. Eidenmüller, JZ 2005, 216, 219. 276 Lemley/Weiser, 85 Tex. L. Rev. (2007), 783, 788 (“Unfortunately, many commentators fail to appreciate the differences between entitlements in information and in tangible property”). 271
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§ 8 Die Rolle der Rechtsfolge Unterlassen im Rechtsfolgensystem
und liability rules situationsgerecht zu wählen.277 Oder übertragen auf die hier verwendeten Begriffe: Ob auf Verwertung angelegte Stammrechte durch einen Unterlassungsanspruch oder durch einen Schadensersatz- beziehungsweise Entschädigungsanspruch zu verwirklichen sind, hängt von der konkreten Durchsetzungssituation ab. Bestätigt wird dies durch den Vergleich der ökonomischen Debatten rund um den „Naturalerfüllungsgrundsatz“ im Vertragsrecht und liability rules im Recht des Geistigen Eigentums. Es ist bemerkenswert, dass bei ersterem zunehmend ökonomische Gründe für den „Naturalerfüllungsgrundsatz“ und damit für property rules vorgetragen werden, während bei letzterem der Unterlassungsanspruch und Verhandlungslösungen zunehmend kritisch gesehen werden. Fast möchte man sagen: Die Karawanen haben jeweils die Richtung gewechselt. In beiden Fällen kristallisiert sich aber heraus, dass sich „Schwarz-Weiß-Lösungen“ verbieten.278 Auch wenn Pauschalierungen nicht kategorisch abzulehnen sind (z. B. §§ 53 ff. UrhG), sollte das Recht vor allem Regelungen vorhalten, die für den Einzelfall flexibel interessengerechte Lösungen ermöglichen. In Fällen, in denen es evident ist, dass Marktlösungen nicht möglich sind, darf der Unterlassungsanspruch jedenfalls im Einzelfall kritisch hinterfragt werden. Der Gedanke des Institutsschutzes (o. § 8 III 2) steht dem nicht entgegen. Das Patentsystem oder das Institut des Vertrags etc. vertragen den punktuellen Ausschluss von Unterlassungsansprüchen – vor allem wenn mit Vergütungsansprüchen zugleich Schutz zugunsten des Berechtigten bestehen bleibt.
IV. Präventionsfunktion der Rechtsfolge Unterlassen Die Kernaufgabe des Unterlassungsanspruchs liegt nach allgemeiner Meinung darin, den präventiven beziehungsweise vorbeugenden Rechtsschutz279 zu bewerkstelligen.280 Die Präventionsfunktion markiert die Hauptfunktion des 277 Vgl. für das Vertragsrecht Riehm, S. 164, 189 f., 192; auch wenn eine „Argumenta tionslastregel“ zulasten der Zulassung effizienter Vertragsbrüche bestehen soll (a. a. O., S. 181), schließt dies nicht aus, dass der Unterlassungsanspruch zur Durchsetzung eines negativen vertraglichen Stammrechts zugunsten einer Vergütungsregelung im Einzelfall zu weichen hat. 278 Riehm, S. 207 ff.; vgl. Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 797. 279 Zum Begriff Henckel, AcP 174 (1974), 97, 98, 113 („Unter vorbeugendem Rechtsschutz sollen die Mittel zur Abwehr drohender Beeinträchtigungen einer Rechtssphäre verstanden werden.“; er „dient der Motivation künftigen Verhaltens“). 280 Dreier, S. 131 f., 147, 419 ff.; Teplitzky/Schaub, 2. Kap. Rn. 14; Peukert, Güterzuordnung, S. 305; Hohloch, S. 126 ff.; Oppermann, S. 18; Wilhelmi, S. 71 f., 79; Stephan, S. 157; Fritzsche, S. 38 f.; Picker, Prävention, S. 61; MünchKomm/Baldus, § 1004 Rn. 34; ähnlich für das englische Recht, Burrows, S. 514; gerade auch dem vertraglichen Unterlassungsanspruch kann eine präventive Wirkung zukommen.
IV. Präventionsfunktion der Rechtsfolge Unterlassen
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Unterlassungsanspruchs.281 Das Motto lautet: Schadensverhütung ist besser als Schadensvergütung.282 Ferner können Strukturen abgesichert und es kann eine unmittelbare Verhaltenssteuerung bewirkt werden (1.). So einleuchtend die These von der Schadensvermeidung auf den ersten Blick erscheint, so vielfältig ist die Kritik. Einerseits hängt die präventive Wirkung des Unterlassungsanspruchs von mehreren Vorbedingungen ab, die nicht immer erfüllt sind. Andererseits besteht bei genauerer Betrachtung nicht stets ein Präventionsbedürfnis. Es erweist sich als problematisch, dass eine undifferenzierte Gewährung von Unterlassungsansprüchen zu einer Überprävention führen kann, während gleichzeitig der bloße Zuspruch eines Unterlassungsanspruchs ohne flankierende Rechtsfolgenrechte wie Schadensersatz oder Gewinnherausgabe eine Unterprävention zurücklassen kann (2.). Es zeigt sich, dass auch andere privatrechtliche Rechtsfolgen präventiv wirken. Alternativrechtsfolgen können sowohl dem Problem der Über- als auch dem der Unterprävention entgegenwirken (3.).
1. Unterlassung als Mittel zur Schadensvermeidung Der Unterlassungsanspruch soll also Rechtsverletzungen und den Eintritt von Schäden bereits im Vorfeld verhindern.283 In der Tat scheint es verfehlt, den Berechtigten darauf zu verweisen, dass er abzuwarten hat, bis tatsächlich ein Schaden eingetreten ist. Umgekehrt soll „Unterlassung“ für den Schuldner keine „unbillige Belastung“ sein.284 Er werde ja „nur“ zum „Nichttun“ angehalten, wobei dieses „Nichttun“ ohnehin schon aus einer bestehenden Pflicht des Schuldners resultiert. Eine richterliche Verurteilung sei bei Lichte betrachtet nicht mehr als „eine warnende Erinnerung“.285 Auch wirtschaftlich spreche einiges dafür, lieber schädigende Verhaltensfolgen zu verhindern, als nachträglich angerichtete Schäden auszugleichen.286 Zahlreiche Autoren 281 Henckel, AcP 174 (1974), 97, 114, schreibt dem vorbeugenden Rechtsschutz und damit auch Unterlassungsansprüchen (a. a. O., 109) eine Warnfunktion zu: Der vorbeugende Rechtsschutz „soll die von Rechts wegen bestehenden Grenzen der Handlungsfreiheit markieren“. Weiter sieht er eine Vollstreckungsfunktion, a. a. O., 115 ff. 282 Kötz, AcP 174 (1974), 145; Kötz/Schäfer, AcP 189 (1989), 501, 502; Dreier, S. 413, 502 (auch S. 149: der Erhalt knapper Güter ist sinnvoller als deren Zerstörung); Stephan, S. 158; Henke, JA 1987, 350, 352; Medicus/Petersen, BR, § 24 Rn. 628; Deutsch, Rn. 18, S. 14 f.; Fritzsche, S. 735; Hohloch, S. 155; Ritter, S. 44; Grosch, S. 55; kritisch Picker, AcP 178 (1978), 499, 501; ders., Prävention, S. 61, 62. 283 Erman/I. Ebert, Vor §§ 249–253 Rn. 11. 284 Koziol, Festschrift Canaris, S. 631, 639; vgl. RGZ 60, 6, 7 („Gebot der Gerechtigkeit“). 285 Stephan, S. 130; vgl. auch Henckel, AcP 174 (1974), 97, 112 ff. 286 Dreier, S. 415; dieser Gedanke findet sich auch im anglo-amerikanischen Rechtskreis: Der Verletzte soll erst gar nicht in die Situation gebracht werden, in der es darum geht, wie er wieder in die Position ohne Rechtsverletzung (“rightful position”) zurückgebracht werden kann, vgl. Hasen, S. 143 f.
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zeigen sich besorgt, dass ein einmal eingetretener Schaden selbst durch eine großzügige Entschädigung faktisch nicht ungeschehen gemacht werden kann.287 Dies gelte auch für das Vertragsrecht: Eine vertragliche Schuld – man mag konkretisieren: vor allem eine durchsetzbare Verpflichtung zur Unterlassung – könne häufig „nicht mit Geld aufgewogen werden“.288 Allgemein sei ein Unterlassungsanspruch entsprechend dort von besonderem Interesse, wo Schäden schwer messbar sind.289 Nicht jeder Schaden, zumal wenn „nur“ ideelle Interessen betroffen sind,290 lässt sich ohne Weiteres abbilden.291 Selbst Instrumente wie die dreifache Schadensberechnung oder prozessuale Erleichterungen wie § 287 ZPO helfen dem Geschädigten nicht ausnahmslos, seinen konkreten Schaden zu berechnen, erst recht, wenn sich der Schadensnachweis schwierig gestaltet.292 Bei einer großen Zahl jeweils nur marginal Betroffener fehle wegen der im Verhältnis zum Schaden zu hohen Transaktionskosten zudem der Anreiz, den Schaden geltend zu machen, obgleich ein Unterlassungsinteresse besteht.293 Selbst § 252 BGB habe seine Tücken: Womöglich wird der Gläubiger genötigt, seine Preiskalkulation offenzulegen.294 Hinzu kommt, dass der Berechtigte das Insolvenzrisiko des Dritten zu tragen hätte, würde man ihm, statt einen Unterlassungsanspruch zu gewähren, auf Schadensersatzansprüche verweisen.295 Gewarnt wird in gleicher Weise vor dem sich mitunter stellenden Liquiditätsproblem.296 Es könne ferner zu Schutzlücken kommen, beispielsweise weil der Anspruch auf Schadensersatz nach deutschem Privatrecht verschuldensabhängig ist.297 Insgesamt bestehen Bedenken, ob die bloße Gewährung von Schadensersatzansprüchen dem Gebot effektiven Rechtsschutzes genügt.298 Irgendein Rechtsschutz allein soll nicht ausreichend sein. Erst wenn die Rechtsverletzung überhaupt schon unterbleibt, soll effektiver Rechtsschutz verwirklicht werden können.299 Wenn sich die Rechtsordnung für den Schutz eines Gutes einmal entschieden hat, 287 Nur Henke, JA 1987, 350, 352; das stimmt jedenfalls bei reinen und messbaren Vermögensschäden nicht. 288 Stürner, JZ 1976, 384, 389; vgl. auch Riehm, S. 46, 175 ff.; Maultzsch, AcP 207 (2007), 530, 543. 289 Kötz, AcP 174 (1974), 145, 148 f. 290 Stephan, S. 158; für das Vertragsrecht Weller, S. 328 f.; vgl. auch Riehm, S. 46. 291 Stephan, S. 158. 292 Vgl. Ritter, S. 32. 293 Kötz, AcP 174 (1974), 145, 149. 294 U. Huber, ZEuP 2008, 708, 724. 295 Braun, AcP 205 (2005), 127, 135; Riehm, S. 49, 178; Zakrzewski, S. 126. 296 Lenzen, NJW 1967, 1260, 1261; vgl. Stephan, S. 158. 297 Braun, AcP 205 (2005), 127, 135; für § 280 I BGB Weller, S. 328; Riehm, S. 177 f. 298 Fritzsche, S. 41; zu den Schwächen der Pekuniarerfüllung im Schuldrecht Weller, S. 328 ff.; Riehm, S. 203; dies gilt gerade auch für Unterlassungsansprüche zur Verwirklichung negativer vertraglicher Verpflichtungen. 299 Dreier, S. 413, wenn auch mit Blick auf ausschließliche Rechte.
IV. Präventionsfunktion der Rechtsfolge Unterlassen
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dann sei der Unterlassungsanspruch unabdingbar.300 Namentlich ein bloßes „dulde und liquidiere“ wird als nicht ausreichend, Geld als „unzulänglicher Ausgleich“ gesehen.301 Allein schon die Möglichkeit, im Einzelfall Unterlassungsansprüche durch Schadensersatzansprüche zu substituieren, könne dabei wegen der Gefahr des Prozessrisikos302 und der Prozessverschleppung die Präventivwirkung des Unterlassungsanspruchs untergraben.303 Denkbar ist schließlich, dass die vom Verletzer erwirtschafteten Gewinne den zu zahlenden Schadensersatz einschließlich der Rechtsverfolgungskosten übersteigen. Eine Präventionswirkung geht dann vom Schadensersatzanspruch ebenfalls nicht aus.304 Der Schadensersatzanspruch wirkt zudem nur präventiv, soweit tatsächlich Schäden auszugleichen sind. Wo keine Vermögensverluste drohen, bleibt ohne Unterlassungsanspruch eine Zuwiderhandlung nicht nur rechtlich, sondern auch faktisch folgenlos. In letzteren Fällen ist natürlich die Frage erlaubt, ob dann der Rechtsverstoß volkswirtschaftlich hinzunehmen ist.305 Der Unterlassungsanspruch wiederum kann demgegenüber in bestimmten Fällen besonders effektiv Prävention besorgen. Wenn mittelbar Verantwortlichen, beispielsweise Internetdienstanbietern wie Host-Providern, diverse Prüfpflichten auferlegt werden, auf dass künftig Rechtsverletzungen Dritter verhindert werden, ist die Prävention besonders wirkungsvoll.306 Sie sind nicht nur cheapest cost avoider,307 sondern aufgrund ihrer Mittlerstellung besonders prädestiniert, Verstöße effektiv zu bekämpfen („am besten in der Lage“).308 Der Täter selbst kann umgekehrt vielfach gar nicht ermittelt werden.309 Da mittels des Unterlassungsanspruchs ein bestimmtes Verhalten verboten werden kann, eignet er sich zugleich als Mittel zur Verhaltenssteuerung. Bestimmte Verhaltensweisen sind von der Rechtsordnung erwünscht (z. B. Helmpflicht für Motorradfahrer, § 21a II StVO), andere verpönt (z. B. Diskriminierungen, vgl. § 1 AGG). In diesem Sinne wird dem Unterlassungsanspruch 300
Dreier, S. 414. Motzer, JZ 1983, 884, 887; Stürner, JZ 1976, 384, 389; s. a. o. § 8 III. 302 Vgl. Riehm, S. 178. 303 Vgl. Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 797, für das Patentrecht. 304 Dreier, S. 132 ff., und mit Blick auf Immaterialgüterrechte S. 136 ff. 305 Kritisch Dreier, S. 142 ff. In der Tat können geringe Entdeckungswahrscheinlichkeiten zu einem anderen Ergebnis führen. 306 Czychowski/Nordemann, GRUR 2013, 986, 987; BGHZ 173, 188 Rn. 40 – Jugendgefährdende Medien = GRUR 2007, 890; fraglich ist aber, ob hier überhaupt vom „klassischen Unterlassungsanspruch“ (vgl. Nolte/Wimmers, GRUR 2014, 16, 18) geredet werden kann. Gerade bei Internetsperren drängt sich die Frage auf, ob es hier nicht um positive gerichtliche Anordnungen geht, vgl. Hofmann, GRUR 2015, 123, 126 ff., 129. 307 Nur Leistner, ZUM 2012, 722, 723; Ohly, Gutachten Juristentag, F 92. 308 Vgl. Erwägungsgrund 59 der InfoSoc-RL und Erwägungsgrund 23 der EnforcementRL; vgl. Nolte/Wimmers, GRUR 2014, 16, 17 f. 309 Czychowski/Nordemann, GRUR 2013, 986, 987. 301
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im Wettbewerbsrecht „höchste“ Wirksamkeit als Präventionsinstrument zugeschrieben.310 Gerade das UWG bezweckt vornehmlich die „Prävention“ von Wettbewerbsverstößen.311 Auch wenn dadurch mittelbar verhindert werden soll, dass unter anderem Verbraucher geschädigt werden, zeigt die überragende Bedeutung des wettbewerblichen Unterlassungsanspruchs im Vergleich zum Schadensersatzanspruch,312 dass die Einhaltung der Regeln des Wettbewerbs das Primärziel ist.313 Während bestimmten Verbänden eine Klagebefugnis eingeräumt ist, steht ihnen ein Schadensersatzanspruch nicht zu (§ 8 I, III UWG).314 Erst recht dient der Unterlassungsanspruch auch nicht dazu, als Grundlage für den „Abkauf“ des Verbotsrechts zu dienen.315 Der Adressat des Verbots soll gerade nicht ermuntert werden, eine Erlaubnis zu marktmäßigen Konditionen zu erwerben. Der Unterlassungsanspruch wird um der Einhaltung des Verbots willen gewährt.316 Ablösemöglichkeiten werden auch mit Blick auf diverse Schutzgesetze kritisch betrachtet. Die Ordnungsfunktion von Baubestimmungen würde vermindert, wenn es statt eines Unterlassungsanspruchs eine Ablösemöglichkeit gäbe.317An die Stelle des vom Recht bezweckten Zustands träte ein „Gewebe von schuldrechtlichen Entschädigungsrechten und -pflichten.“318 Das Ziel ist aber gerade, dass die einschlägige Vorschrift eingehalten wird; nicht, dass der Geschützte entschädigt wird.319 Durch den Unterlassungsanspruch können ferner bestimmte Strukturen abgesichert werden. Dabei geht es nicht nur darum, dass ein Stammrecht unmittelbar verwirklicht wird (z. B. Absicherung des Naturalerfüllungsanspruchs über einen „dienenden“ Unterlassungsanspruch gemäß § 241 II BGB mit dem Inhalt, eine erfüllungsgefährdende Lagerung der verderblichen Kauf310 Vgl.
Teplitzky/Schaub, 2. Kap. Rn. 14; zur „Präventions- und Steuerungswirkung“ des Schuld- und Wettbewerbsrechts Koch, JZ 1999, 922 ff.; er stellt aber nicht spezifisch auf Rechtsfolgen ab, vgl. aber a. a. O., 928 („Präventionsgedanke“ mit Blick auf den Unterlassungsanspruch); Dreier, S. 153 f., vgl. aber auch ders., S. 498 („Im Wettbewerbsrecht tritt jedoch der Sicherungs- und mithin der Präventionszweck eindeutig in den Vordergrund.“). 311 Teplitzky/Schaub, 2. Kap. Rn. 14; Dreier, S. 309 f., 488 f.; zur „Wettbewerbssicherungsfunktion“ (wenn auch des Schadensersatzanspruchs) Großkommentar-UWG/Köhler, Vor § 13 Rn. 243. 312 Dreier, S. 119 ff. 313 Dreier, S. 309 f.; 487 ff. 314 Dreier, S. 494 f.; 498 f. 315 Zum Unterlassungsanspruch als Mittel zur Stärkung der Verhandlungsposition o. § 8 III 1. 316 Vgl. für geographische Herkunftsangaben BGHZ 173, 57 Rn. 38 – Cambridge Institute = GRUR 2007, 884. 317 Picker, AcP 176 (1976), 28, 62 f. 318 Picker, Festschrift Lange, S. 625, 677; ähnlich ders., AcP 176 (1976), 28, 63. 319 Picker, AcP 176 (1976), 28, 63; ders., Festschrift Lange, S. 625, 672 f., 677 f.; gerade im Umweltrecht wäre das misslich, a. a. O. 690.
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sache zu unterlassen),320 sondern vor allem darum, dass bestimmte jenseits der jeweiligen Stammrechte selbst liegende Ziele erreicht werden. Vor allem das Vertragsrecht eröffnet nicht nur Möglichkeiten, privatautonom bestimmte Strukturen zu erschaffen, sondern erfordert zugleich einen entsprechenden Unterlassungsanspruch, um diese als solche durchzusetzen. Wird beispielsweise ein selektives Vertriebssystem aufgebaut, obliegt es unter anderem dem Unterlassungsanspruch, dieses System praktisch zu verwirklichen. Während der markenrechtliche Unterlassungsanspruch wegen Erschöpfung trotz § 24 II MarkenG nicht zwingend greift,321 kann der Gläubiger Verstöße gegen die Bedingungen des selektiven Vertriebssystems oder Franchisesystems mit einem vertraglichen Unterlassungsanspruch für die Zukunft verhindern. Da diese Systeme auf fortdauerndes Bestehen gerichtet sind, kann dies über den Unterlassungsanspruch noch immer für die Zukunft unterbunden werden, selbst wenn ein ehemaliger Arbeitnehmer dem Gläubiger einmal vertragswidrig Wettbewerb macht. Schadensersatzansprüche sind in beiden Fällen vielfach nicht ausreichend (zu Kündigungsmöglichkeiten u. § 8 IV 2 b)) .322 Nach herrschender, wenn auch bestrittener Auffassung zieht eine Vertragsverletzung außerdem erschwerend keinen „Anspruch auf Gewinnherausgabe“ nach sich.323 Da etwa bei Außenseitern die Zahlungsbereitschaft, um Luxusuhren aus einem selektiven Vertriebssystem zu bekommen, besonders hoch sein mag und zugleich Imageschäden nur schwer messbar sind beziehungsweise ohnehin erst zeitversetzt auftreten, ist der Unterlassungsanspruch besonders wichtig. Sollen organisatorische Strukturen verteidigt werden, kann dem Unterlassungsanspruch ebenfalls eine hervorgehobene Rolle zukommen. Im Gesellschaftsrecht können auf diese Weise Organrechte abgesichert werden.324 Gleiches gilt für das Betriebsverfassungsrecht.325 Die Präventionsfunktion als solche stößt freilich auch auf Kritik. Bestritten wird die Präventionsfunktion als Hauptfunktion von Picker.326 Er kritisiert, dass die Prävention nicht der Hauptzweck beziehungsweise das primäre Ziel des Unterlassungsanspruchs sei.327 Es gehe vielmehr um die Integrität von Rechtspositionen. Ziel sei die Verhinderung eines „Übergriffs in das geschütz320 Dazu o. § 7 III 1; § 5 IV 1 c); vgl. Weller, S. 436, mit Blick auf Schadensersatz statt der Leistung. 321 Ingerl/Rohnke, § 24 Rn. 87; Palzer, EWS 2011, 220, 223 ff. 322 Vgl. Köndgen, RabelsZ 56 (1992), 696, 722. 323 Vgl. MünchKomm/Emmerich, § 285 Rn. 5; vgl. aber Löwisch, NJW 2003, 2049 ff. 324 Vgl. bereits o. § 5 IV 3 b). 325 Vgl. bereits o. § 5 IV 3 a). 326 Picker, Prävention, S. 61, 62, 90; ders., Beseitigungsanspruch, S. 50 f., 86; ders., Festschrift Gernhuber, S. 315, 332 ff.; ders., AcP 178 (1978), 499, 501. 327 Als Nebenfunktion erkennt er dies aber durchaus an, Picker, Prävention, S. 61, 62; ders., Beseitigungsanspruch, S. 86.
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te Recht“.328 Auch wenn kein Schaden droht (beispielhaft verweist er auf den über das Grundstück laufenden Nachbarn), sei der Anspruch begründet.329 In der Tat ist ein (drohender) Schadenseintritt kein Tatbestandsmerkmal.330 Entsprechend meint Picker, dass Schadensersatz und negatorische Haftung kategorial unterschiedlich sind.331 Unterlassungsansprüche seien ihrem institutionellen Zweck nach nicht primär auf die Verhütung von Schäden gerichtet.332
2. Die Grenzen der Präventionsfunktion Unterstellt man dem Unterlassungsanspruch dennoch eine Präventionsfunktion, bleibt die Frage, ob sich diese praktisch bewährt. Damit der Unterlassungsanspruch präventiv wirken kann, müssen in der Tat mehrere Vorbedingungen erfüllt sein.333 Faktisch kommt es daher vielfach zu einer „Unterpräven tion“ (a)). Auf der anderen Seite wirkt der Unterlassungsanspruch auch dort präventiv, wo im Einzelfall kein Präventionsbedürfnis besteht. Es kommt zu einer „Überprävention“ (b)). a) Unterprävention
Für vergangene Rechtsverletzungen bleibt der Unterlassungsanspruch bereits im Ansatz wirkungslos. Der Unterlassungsanspruch ist darauf gerichtet, künftige Beeinträchtigungen abzuwehren; er ist zukunftsbezogen.334. Eine andauernde Beeinträchtigung kann immer noch rückgängig gemacht, ein dadurch entstandener Schaden kann auch später ausgeglichen werden; eine geschehene Handlung ist demgegenüber naturgemäß nicht rückgängig machbar.335 Solange der Gläubiger den Anspruch nicht durchsetzt, hat die Rechtsfolge Unterlassung allein betrachtet keinerlei Wirkungskraft. Damit der Unterlassungsanspruch seine präventive Wirkung entfalten kann, ist das Wissen von einer (drohenden) Verletzung erforderlich.336 Um zu wissen, dass Ansprüche bestehen, bedarf es natürlich auch bei Beseitigungs-, Schadensersatz- oder Auskunftsansprüchen etc. der Kenntnis des anspruchsbegründenden Sachverhalts. Beim Unterlassungsanspruch ist diese Kenntnis aber Vorbedingung für die praktische Wirksamkeit der Rechtsfolge. Solange 328
Picker, Beseitigungsanspruch, S. 86. Picker, Prävention, S. 61, 62. 330 Vgl. Koziol, Festschrift Canaris, S. 631, 635. 331 Vgl. Picker, Beseitigungsanspruch, S. 84 ff. 332 Picker, AcP 176 (1976), 28, 39 f.; ders., Prävention, S. 61, 62. 333 Dreier, S. 131 f. 334 Nur Henckel, AcP 174 (1974), 97, 98 f.; zur Zukunftsbezogenheit Dreier, S. 38 f. 335 Vgl. Dreier, S. 416. 336 Dreier, S. 131, 500; vgl. Hofmann, AcP 213 (2013), 469, 502. 329
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der Berechtigte nichts von der Rechtsverletzung weiß, hat der Rechtsverletzer die Rechtsfolge Unterlassen bereits im Grundsatz nicht zu fürchten. In diesem Zusammenhang spielt die Entdeckungswahrscheinlichkeit eine wichtige Rolle.337 Rechnet der Verletzer damit, dass der Rechtsverstoß nicht oder zumindest nicht sofort entdeckt wird, kann der Unterlassungsanspruch isoliert betrachtet keine Präventionswirkung entfalten. Dass der Verletzer im Falle der Entdeckung die Kosten für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs zu tragen hat, fällt demgegenüber insbesondere im Geschäftsverkehr nicht zwingend ins Gewicht. So wird bezweifelt, ob von der Verpflichtung, namentlich Abmahnkosten zu übernehmen (§ 12 II S. 1 UWG), überhaupt eine Präventionswirkung ausgeht.338 Von Privaten werden Abmahnkosten zwar vielfach als „Strafe“ wahrgenommen. Vor dem Hintergrund geringer Entdeckungswahrscheinlichkeit nehmen insbesondere Internetnutzer das Risiko aber in Kauf. Klar ist, dass sich – droht nur die Sanktion Unterlassungsanspruch – ein Verstoß rechnen kann. Nicht nur das Risiko, „erwischt“ zu werden, spielt eine Rolle, sondern auch, ob das durch die Zuwiderhandlung angestrebte Ziel bereits mit einem einmaligen Verstoß oder zumindest innerhalb kurzer Zeit erreicht werden kann.339 Entscheidend für die Kalkulation sind vor allem aber die Kosten, die eine (abrupte) Einstellung der verbotenen Handlung nach sich zieht.340 Hat der Verletzer Investitionen getätigt, die mittels der widerrechtlichen Handlungen amortisiert werden sollen, kann eine Unterlassungsanordnung, die früher als erwartet ausgesprochen wird, Schäden beim Verletzer zurücklassen. Das hießt aber auch: Nur wenn die Investitionen bis zur erwarteten Entdeckung nicht amortisiert sind, besteht eine Präventionswirkung.341 Diese ist dann möglicherweise erheblich, was aber gerade in Fällen wissentlicher Verletzungen, bei denen damit kalkuliert wird, nicht erwischt zu werden, angemessen sein kann.342 Kann der Verletzer jedoch das rechtsverletzende Verhalten jederzeit 337 Dreier, S. 500 f.; Landes/Posner, S. 18 f.; J. Fischer, 14 Lewis & Clark L. Rev. (2010), 555, 558; in der ökonomischen Analyse des Rechts wird vorgeschlagen, den Faktor der Entdeckungswahrscheinlichkeit bei der Schadensberechnung zu berücksichtigen. Der zu zahlende Schaden ist das Produkt aus dem tatsächlichen Schaden und dem Faktor der Entdeckungswahrscheinlichkeit, Polinsky/Shavell, 111 H. L. R. (1998), 869 ff.; dieser Gedanke ist auch bei der Berechnung der Vertragsstrafe im Rahmen einer Unterwerfungserklärung zu berücksichtigen, BGH GRUR 2014, 595 Rn. 17 – Vertragsstrafenklausel. 338 Vgl. Dreier, S. 131. 339 Dreier, S. 131; Hofmann, AcP 213 (2013), 469, 501 f., mit Verweis auf Attorney General v. Blake [2001] 1 A. C. 268. Einem ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter gelang es, ein Buch mit Geheimdienstinformationen zu veröffentlichen; der „Unterlassungsanspruch“ zur Verhinderung des Geheimnisverrats (breach of confidence) war bedeutungslos, hatte der Abtrünnige sein Ziel doch bereits erreicht. 340 Dreier, S. 131. 341 Wagner, Gutachten Juristentag, S. 110; s. a. Mertens, ZHR 139 (1975), 438, 452 f. 342 Heald, S. 1, 17. Auch wenn eine Marktlösung (dazu u. § 8 III 1) umgangen zu werden
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einstellen, ohne dass ihm dadurch finanzielle Nachteile entstehen, rechnet sich eine Zuwiderhandlung bereits nach kurzer Zeit. Der Unterlassungsanspruch ist folgenlos, sobald die Rechtsverfolgungskosten erwirtschaftet sind.343 Bewertet ein Verletzer das Entdeckungsrisiko als gering, kann sich ein Verstoß selbst dann rechnen, wenn zunächst Aufwendungen wie die Investition in eine Maschine getätigt wurden.344 Über die moralische Verpflichtung hinaus, fremde Rechte nicht zu beeinträchtigen, kann ein Unterlassungsanspruch mithin seine präventive Wirkung vollständig verfehlen.345 Weiter muss hinreichend Zeit bestehen, um den Unterlassungsanspruch als Präventionsmaßnahme durchzusetzen.346 Der Schläger, der bereits zum Schlag ausgeholt hat, kann nicht mittels des Unterlassungsanspruchs zur Vernunft gebracht werden. Der erste Verstoß erscheint „frei“.347 Der Unterlassungsanspruch kann nur dann entscheidend helfen, wenn der Geschädigte weitere Übergriffe von demselben Täter fürchtet. Auch im Arbeitsrecht bringt ein Unterlassungsanspruch eines Arbeitnehmers häufig keinen Mehrwert, weil er schlicht zu spät kommt.348 Daher bedarf es hier funktionaler Alternativen, welche die Präventionsfunktion effektiv übernehmen können. Konkret wird beispielsweise auf § 102 I S. 3 BetrVG hingewiesen.349 Nicht immer handelt der Verletzer schließlich schuldhaft. Kann der Verletzer sein Verhalten nicht steuern, entfällt auch dann eine Präventionswirkung.350 Nicht zuletzt bereitet die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs praktisch Schwierigkeiten. Die Durchsetzung von Patenten beispielsweise kann gerade kleinere Unternehmen mit derart hohen Prozessrisiken belasten, dass von einer Durchsetzung von vorneherein abgesehen wird.351 Selbst wenn gegen einen titulierten Unterlassungsanspruch erneut zuwidergehandelt und entsprechend ein Ordnungsgeld verwirkt wird, hängt die Präventionswirkung davon ab, wie leicht sich dies verfahrenspraktisch bewerkstelligen lässt.352 Der Titel vollstreckt sich nicht von selbst.353 Schon der verfahrensrechtlichen droht, ist dieser zusätzliche Abschreckungseffekt der Frustration getätigter Aufwendungen durchaus erwünscht. 343 Wagner, Gutachten Juristentag, S. 110; vgl. auch Dreier, S. 500. 344 Dreier, S. 131; zum „Erwartungswert“ auch J. Fischer, 14 Lewis & Clark L. Rev. 555, 559; die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Durchsetzung spielt ebenso eine Rolle; zur Prozessrisikoanalyse Eidenmüller, ZZP 113 (2000), 5 ff. 345 Dreier, S. 500. 346 Vgl. Dreier, S. 131, 313, 500; vgl. Hofmann, AcP 213 (2013), 469, 490. 347 Vgl. Dreier, S. 500. 348 Lobinger, ZfA 2004, 101, 163. 349 Lobinger, ZfA 2004, 101, 163. 350 Dreier, S. 128. 351 Vgl. Kessler, Mitt. 2011, 489 f. 352 Zur Präventionswirkung insoweit Dreier, S. 131 f. 353 J. Fischer, 14 Lewis & Clark L. Rev. 555, 558; zur Unterlassungsvollstreckung nur Fritzsche, S. 634 ff.
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Voraussetzungen wegen (einschließlich des Erfordernisses, Verschulden nachzuweisen)354 sollte die praktische Präventionswirkung selbst in diesen Fällen nicht überschätzt werden. Auch in Streitigkeiten mit extrem hohen Streitwerten mag von einem Ordnungsgeld über 250.000 € pro Zuwiderhandlung nicht zwingend eine Präventionswirkung ausgehen.355 Wenn schon das Strafrecht keine Abschreckung erzeugt, dann erst recht nicht ein potenzieller Unterlassungsanspruch. Selbst die Androhung von 6 Monaten Ordnungshaft wird den zum Mord entschlossenen nicht aufhalten, wenn dies schon die in § 211 StGB angedrohte lebenslange Freiheitsstrafe nicht kann.356 Schließlich kann die Unterlassungspflicht wegen ihrer höchstpersönlichen Natur gegen einen renitenten Schuldner nicht erzwungen werden. Wenn Zwangsgeld und gar Zwangshaft den Schuldner nicht zum Einlenken bewegen, ist der Gläubiger machtlos.357 Während der Gerichtsvollzieher die geschuldete Sache wegnehmen kann oder vertretbare Handlungen von Dritten durchgeführt werden können, ist der Unterlassungsgläubiger auf die Mitwirkung des Schuldners zwingend angewiesen.358 b) Überprävention
Auch wenn in diesen Fällen die praktische Bedeutung des Unterlassungsanspruchs gering ist,359 er möglicherweise seine ihm zugedachte Aufgabe schon im Ansatz nicht erfüllen kann, entzieht dies allein dem Unterlassungsanspruch nicht seine Existenzberechtigung. Zwar bedarf es, um den Präventionszweck zu erfüllen, weiterer Ansprüche; der Unterlassungsanspruch selbst schadet jedenfalls aber nicht. Dies ist anders, wenn er auch in solchen Fällen gewährt wird, in denen eigentlich gar kein Präventionsbedürfnis besteht. Häufig wird ein Präventionsbedürfnis freilich einfach unterstellt.360 354
Köhler/Feddersen/Bornkamm, § 12 Rn. 6.8. J. Fischer, 14 Lewis & Clark L. Rev. 555, 558; es bleibt aber die Ordnungshaft, vgl. § 890 ZPO; zum Ganzen Fritzsche, S. 639 f.; er plädiert dafür, dass das Ordnungsgeld dem Gläubiger zugute kommen sollte. 356 Ritter, S. 44 f.; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 118. Dem Strafrecht generell die Präventionsfunktion abzusprechen ginge freilich zu weit. So meint Ritter, S. 44 f., dass bei Vermögensschäden Prävention gut möglich ist, nicht aber bei Nichtvermögensschäden. Dies überzeugt nicht. In der älteren Rechtsprechung wurde dem Strafrecht umgekehrt sogar der Vorrang gegenüber privatrechtlichen Unterlassungsansprüchen eingeräumt, vgl. RGZ 116, 151, 152 f.; RGZ 155, 92, 93 f.; dass durch § 890 ZPO der in den Strafnormen vorgesehene Strafrahmen „unterlaufen“ werden könnte, scheint fernliegend (so aber Henckel, AcP 174 (1974), 97, 118 f.); mittlerweile ist die Ansicht, die dem Strafrecht Vorrang einräumen will, überwunden, RGZ 116, 151, 152; v. Caemmerer, Festschrift Juristentag, S. 49, 53; vgl. auch Stürner, AfP 1998, 1, 7 f.; s. a. rechtsvergleichend Kötz, AcP 174 (1974), 145, 154 f. 357 Müller-Laube, Festschrift Rolland, S. 261, 263; Fritzsche, S. 634. 358 Dazu bereits o. § 8 I 2 b). 359 Vgl. Müller-Laube, Festschrift Rolland, S. 261, 263. 360 Vgl. Dreier, S. 149. 355
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Ein Präventionsbedürfnis soll schon immer dann bestehen, „wenn von einer Handlung oder einem Zustand, für die ein Dritter rechtlich einzustehen hat, eine konkrete Gefährdung für das geschützte Gut eines anderen beziehungsweise das einem anderen zustehende Recht ausgeht.“361 Doch ist auch hier eine differenzierte Betrachtung geboten. Bereits die Väter des BGB waren Unterlassungsansprüchen gegenüber skeptisch eingestellt. Ihnen wurde dies später zum Vorwurf gemacht. Unterlassungsklagen sollen „vernachlässigt“ worden sein.362 Andere haben die Ausdehnung der Unterlassungsansprüche demgegenüber mit einer „Modekrankheit“ verglichen.363 Die Zurückhaltung des BGB soll sich entsprechend rechtfertigen lassen, so dass sich nicht eine „juridische (streitsüchtige, hysterische oder überempfindliche) Gesellschaft wegen ihrer Querelen gegenseitig […] vor den Richter zieht.“364 In der Tat kann ein zu starker Präventivrechtsschutz Freiheitssphären unverhältnismäßig einschränken.365 Eine Präventionsmaßnahme kann im Einzelfall unverhältnismäßig sein.366 Der Sache nach findet sich bisweilen die Gefahr der Überprävention. Würde man beispielsweise jeden Eingriff in fremdes Eigentum untersagen, könnte der Eigentümer auch in Notstandssituationen gegen Dritte vorgehen. Dass dies nicht sachgerecht wäre, hat der Gesetzgeber gesehen und unter den Voraussetzungen von § 228 BGB beziehungsweise § 904 BGB Eingriffe in fremdes Eigentum – gegen Zahlung von Schadensersatz – erlaubt. Ein Präventionsbedürfnis besteht nicht. Zumindest wird das Interesse des Eigentümers an der Integrität seiner Sache in Notstandsfällen durch den Gesetzgeber geringer geschätzt. Tatsächlich: Wäre der Unterlassungsanspruch durch die Vorschriften nicht abgeschnitten,367 käme es zu einer Überprävention um den Preis, dass höhere Schäden zur Vermeidung geringerer Schäden in Kauf genommen würden.368 Darüber hinaus basiert die These, dass Schadensverhütung besser ist als Schadensausgleich, auf einer angreifbaren Prämisse. Es wird unterstellt, dass jeder Eingriff einen entsprechenden Schaden hinterlässt.369 Dies ist jedoch nicht der Fall. Läuft beispielsweise ein Nachbar regelmäßig über ein fremdes Grundstück, verhält es sich wahrscheinlich so, dass der Grundstückseigentümer keinen Schaden erleidet. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn man 361
Dreier, S. 416; modifizierend aber ders., S. 415. Enneccerus-Lehmann, Schuldrecht, 15. Bearbeitung, 1958, § 229 I, 252 I. 363 Lehmann, zitiert nach Henke, JA 1987, 350, 354 (Fn. 57) und er selbst: „Modeklage des Tages“. 364 Henke, JA 1987, 350, 354. 365 Vgl. Dreier, S. 414, 419, 459 ff., 501. 366 Köhler, GRUR 1996, 82 ff.; Ohly, GRUR Int. 2005, 787, 795 ff.; Dreier, S. 459 f. 367 Zur Interpretation von „Schrankenregelungen“ als Rechtsfolgenregelungen o. § 5 IV 2 a); § 5 III 2; § 5 I 4 c) und d) und zur gegenteiligen h. M. o. § 2 III 2 b). 368 Vgl. auch Dreier, S. 149 (Fn. 89). 369 Vgl. Dreier, S. 415. 362
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unterstellt, dass keine Substanzveränderungen auftreten und der Eigentümer beispielsweise nicht auf Einnahmen zur Amortisation einer „Mautstraße“ angewiesen ist. Die herrschende Meinung gewährt dennoch einen Unterlassungsanspruch.370 Ganz im Gegenteil wird darauf verwiesen, dass dieser Anspruch gerade unabhängig von einem nachweisbaren Schaden Platz greift.371 Ein Präventionsbedürfnis ist indes nicht zu erkennen, zumal ein Bereicherungsanspruch, der auf Zahlung einer „Lizenz-“ beziehungsweise „Nutzungsgebühr“ gerichtet ist,372 das Eigentum gleichwohl zu verwirklichen hilft. Eine andere Frage ist es, ob das Eigentum um seiner selbst willen verteidigt werden muss.373 Das ist aber keine Frage der Präventionsfunktion, sondern zeigt den Unterlassungsanspruch in seiner Bedeutung als Elementarrechtsschutz (o. § 8 II und o. § 8 III 2). Es gibt aber nicht nur Fälle, in denen von vorneherein schon gar kein Schaden zu verhindern ist, sondern auch Gestaltungen, in denen die Nutzung fremder Rechte im Ergebnis für Gewinne sorgt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein fremdes Kennzeichenrecht durch die unerlaubte Nutzung an Bekanntheit und damit an Wert gewinnt. Gleiches lässt sich mitunter am Musikmarkt oder bei Fanfiktion beobachten.374 Vor allem ein Blick auf die Gesamtbilanz kann zu Tage fördern, dass ohne Unterlassungsansprüche im Ergebnis volkswirtschaftliche Schäden nicht eingetreten sind, sondern Wohlfahrtsgewinne entstehen. Gerade im Patentrecht sind derartige Konstellationen denkbar. Nutzt ein Dritter die geschützte technische Lehre besonders effizient, können seine Gewinne die Schäden des Patentinhabers übersteigen, zumal dann, wenn dieser selbst das Patent gleichsam brachliegen lässt.375 Als Schäden kommen dabei einmal die ausbleibenden Monopolgewinne in Betracht. Darauf kommt es aber nicht entscheidend an.376 Maßgeblich ist stattdessen, dass das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Patentsystems als solches nicht beschädigt wird. Ohne einen Unterlassungsanspruch ist dies freilich womöglich der 370 BGHZ 111, 158 = NJW 1990, 1910. 1911; Dreier, S. 416; Erman/F. Ebbing, § 1004 Rn. 14, der darauf hinweist, dass dann aber womöglich das Schikaneverbot greift. 371 Riehm, S. 250; er verweist aber auch darauf, dass gesetzliche oder vertragliche Unterlassungsansprüche regelmäßig gerade dazu dienen, „präventiv die Gefahr eines (praktisch meist nicht nachweisbaren) Schadenseintritts zu verhindern“. 372 Zur Lizenzanalogie im Recht des Geistigen Eigentums vgl. § 97 II S. 3 UrhG; § 139 II S. 3 PatG; § 15 VI S. 3 MarkenG; zur Nutzung eines Pachtobjekts nach abgelaufener Pachtzeit vgl. BGH NJW 1989, 2133, 2135. 373 Dazu o. § 8 II. 374 Vgl. Posner, S. 53 ff.; Haedicke, Patente und Piraten, S. 51 f.; Ohly, Gutachten Juristentag, F 88; zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger in diese Richtung beispielsweise Ensthaler/Blanz, GRUR 2012, 1104, 1109; zur Irrelevanz von Verbesserungen durch Instandsetzungsarbeiten an einem Gebäude für den Abwehranspruch indes OLG Brandenburg OLG-NL 1996, 133, 134. 375 Vgl. Heald, S. 1, 15. 376 Hilty, Urheberrecht, S. 107, 122.
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Fall.377 Kann der Patentinhaber aber seine Forschungskosten amortisieren und einen angemessenen Gewinn erwirtschaften, wäre dem das Patentsystem tragenden Anreizgedanken weiterhin genügt.378 Entscheidend ist, dass die Investitionskosten und eine angemessene Rendite tatsächlich über Schadensund Entschädigungsansprüche erwirtschaftet werden können.379 Dabei muss natürlich bedacht werden, dass die erwirtschaftbaren Renditen ohne Unterlassungsansprüche womöglich geringer ausfallen.380 Konsequenterweise muss in die Kalkulation die Frage einbezogen werden, ob sich gleichwohl genügend Kapitalgeber finden. Diese Überlegungen passen auch für Vermögensrechte jenseits des Patentrechts und lassen sich somit verallgemeinern. Während auch im Vertragsrecht im Einzelfall Schadensersatzansprüche das Gläubigerinteresse befriedigen können, sind auch hier die Auswirkungen auf die Institution Vertrag insgesamt zu bedenken. Fehlt das Vertrauen, dass das Erfüllungsinteresse bedient wird, werden gegebenenfalls andere, im schlimmsten Fall ineffiziente, Vorsorgemaßnahmen getroffen.381 Ist aber sichergestellt, dass Zahlungsansprüche dem Interesse des Rechtsinhabers hinreichend Rechnung tragen, würden auch vertragliche Unterlassungsansprüche unter Umständen zu einer Überprävention führen. Es würden Schäden zu verhindern gesucht, die gar nicht eintreten, und zugleich würden potenzielle Gewinne verhindert. Wenn auch nicht argumentiert werden soll, dass im Patentrecht oder Vertragsrecht etc. bereits grundsätzlich kein berechtigtes Präventionsinteresse besteht, zeigt dies doch, dass ein differenzierter Blick auf den Präventionsgedanken angeraten ist. Prävention ist wirtschaftlich nur so lange sinnvoller als Kompensation, wie der insgesamt betriebene Präventionsaufwand den Wert des Gutes, das es zu schützen gilt, nicht übersteigt.382 Eine umfassende Präventionswirkung kann sich auch in weiteren Fällen kontraproduktiv auswirken. So können Unterlassungsansprüche dafür sorgen, dass neue Schäden entstehen.383 Hat jemand im Zusammenhang mit einer 377 Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 789; zu berücksichtigen ist auch die Funktionsfähigkeit des Lizenzmarktes. Zahlende Lizenznehmer vertrauen darauf, dass das lizenzierte Recht verteidigt werden kann, vgl. Osterrieth, GRUR 2009, 540, 545; s. o. § 8 III 2. 378 Es gilt also nicht, nur den konkreten Schaden auszugleichen, sondern auch die „sozialen Kosten“, vgl. Heald, S. 1, 11; ob in allen Branchen Patente als Anreize nötig sind, kann freilich bezweifelt werden; bisweilen sollen Patentanmeldungen lediglich den innovativen Charakter des eigenen Unternehmens belegen. Auf den Unterlassungsanspruch kommt es dem Berechtigten zumindest in erster Linie gar nicht an. 379 Eine angemessene Lizenzgebühr kann dies aber möglicherweise ebenfalls leisten, da davon ausgegangen werden kann, dass die ausgehandelte Lizenzgebühr auch einen Gewinnanteil enthält, vgl. Heald, S. 1, 11 f.; s. a. o. § 8 II 5 a. E. 380 Zum Unterlassungsanspruch als Verhandlungsinstrument o. § 8 III 1. 381 Riehm, S. 167 ff., 179 f., S. 207 und vgl. S. 171; Weller, S. 366 ff.; Unberath, S. 136 f., 148; vgl. Ackermann, S. 141 ff. 382 Dreier, S. 415. 383 Vgl. Wagner, Gutachten Juristentag, S. 110; Lemley/Weiser, 85 Tex. L. Rev. (2007),
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unerlaubten Handlung Investitionen getätigt, können diese durch eine Unterlassungsverfügung frustriert werden. Gerade dort, wo Rechte leicht verletzt werden können (Persönlichkeitsrechte durch die Presse; Immaterialgüterrechte durch Mitbewerber) und dem Verletzer nicht ohne Weiteres ein „echter“ Sorgfaltsverstoß vorgeworfen werden kann,384 hat der Einwand Gewicht, dass durch die Einstellung der gerade begonnenen Produktion oder durch die bereits gedruckte Auflage erhebliche (volkswirtschaftliche) Schäden drohen.385 Es muss zwischen dem „Produktpiraten“ und „dem im Grunde redlichen, aber den Schutzumfang des geltend gemachten Rechts aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unzutreffend beurteilenden Verletzer“ unterschieden werden.386 Die so genannten switching-costs („Umstellungskosten“) können dabei die Vorteile des Berechtigten bei weitem überwiegen.387 Der Unterlassungsanspruch zeitigt hier die Wirkung „überkompensatorischer“ Rechtsbehelfe.388 Darüber hinaus kann ein unbedingter Unterlassungsanspruch Investitionen von vorneherein verhindern. Eine Überprävention wäre dann gegeben, wenn aus Furcht vor Unterlassungsverfügungen, die – wie eben erwähnt – Kosten begründen können, wirtschaftliches Handeln im an sich erlaubten Umfeld von Rechten Dritter unterbleibt (“chilling effect”). Mit Blick auf den Gewinnherausgabeanspruch hat dies beispielsweise Haedicke herausgearbeitet.389 Anreize für Innovationen könnten minimiert werden, wenn schon leichte Fahrlässigkeit genügt, um für eine Patentverletzung mit sämtlichen eigenen Erlösen haften zu müssen. Dieser Gedanke trifft auch auf Unterlassen zu. Investitionen 783 ff., 793 ff.; Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 796, mit Blick auf einen Vertriebsstopp, der durch eine Patentverletzung ausgelöst wird. Dies kann zu erheblichen Verlusten beim Verletzer führen; zu „Entdeckungskosten“, die bei der Suche nach Schutzrechten, die der eigenen Tätigkeit entgegenstehen können. 384 Sonnenberg, S. 10 ff.; Heald, S. 1, 16; im Recht des Geistigen Eigentums wird fahrlässiges Handeln meist zu bejahen sein. Manche sehen daher in der Sache eine Gefährdungshaftung bzw. eine Annäherung an diese, vgl. Ohly, ZUM 2015, 308, 315; Dreier/Schulze/ Dreier/Specht, § 97 Rn. 57; Schricker/Loewenheim/Wild, § 97 Rn. 138; klar ist aber auch, dass sich praktisch trotz verhältnismäßiger Sorgfalt Rechtsverstöße nicht sicher ausschließen lassen. Dies liegt bereits daran, dass der Schutzbereich der Schutzrechte im Grenzbereich nur schwer zu bestimmen ist. 385 Vgl. Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 795. 386 Vgl. so selbst der Gesetzgeber, BT-Ds. 11/4792, A. IV. 3, S. 18. 387 Vgl. Heald, S. 1 ff. 388 Heald, S. 1 ff., 10, 15, 21. 389 Haedicke, GRUR 2005, 529, 534 f.; vgl. auch Sonnenberg, S. 41 f.; Hofmann, AcP 213 (2013), 469, 487 f.; mit Blick auf die Medienfreiheit Gounalakis, AfP 1998, 10, 19; König, Festschrift v. Caemmerer, S. 179, 191, verweist darauf, dass in den USA die „gefürchtete […] Waffe“ des Gewinnherausgabeanspruchs so „manchen Patentverletzer an den Rand des Ruins“ getrieben hat, was den Gesetzgeber schließlich zum Einschreiten veranlasste. Allgemein zu „Überprävention“ bzw. “over-deterrence” durch suprakompensatorische Rechtsfolgen Polinsky/Shavell, 111 H. L. R. (1998), 869, 918; Hylton, 87 Geo L. J. (1998), 421, 433; Heald, S. 1, 15 f.
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in Produktions- und Entwicklungstätigkeiten können abgeschreckt werden, wenn potenzielle Umstellungskosten (switching-costs) als besonders hoch antizipiert werden.390 Das steht außer Verhältnis zum Wert beziehungsweise zum möglichen Schaden. Es bestehen daher falsche Anreize, auch in den Randbereichen des Schutzrechts den Fall lieber außergerichtlich beizulegen, als das Risiko einzugehen, ob das genutzte (Immaterial-)Gut tatsächlich gemeinfrei ist.391 Weiter stellt sich die Frage, ob von einer bestimmten Person Prävention verlangt werden können soll. Die Störerhaftung beziehungsweise die Haftung mittelbar Verantwortlicher ist hierfür ein Beispiel. Gerade bei Sperrverfügungen besteht die Gefahr, dass insbesondere die Rechte der Nutzer übergangen werden.392 Zwar fordert der EuGH daher ein Verfahren, um die Rechte der Nutzer sicherzustellen;393 wie dies im deutschen Recht praktisch aussehen soll, ist indessen unklar.394 Überhaupt besteht bei Internetplattformen die Gefahr, dass übermäßige Verhaltenspflichten, deren Einhaltung über den Unterlassungsanspruch abgesichert wird, zur Gefährdung sozial erwünschter Geschäftsmodelle führen. Müsste eBay durch manuelle Kontrollen dafür sorgen, dass es sicher zu keiner Markenrechtsverletzung kommt, würde sich das Geschäftsmodell nicht rechnen. Die Rechtsprechung ist für diese überpräventive Wirkung bei Fällen mittelbarer Verantwortlichkeit immerhin sensibilisiert.395 Schließlich muss auch gerade mit Blick auf die Rechtsfolgen kritisch beäugt werden, ob dadurch nicht verkrustete Strukturen oder überkommene Herrschaftsstrukturen perpetuiert werden. Wird beispielsweise der räumlichgegenständliche Bereich der Ehewohnung verteidigt, obwohl die Ehe bereits zerrüttet ist, muss die Frage erlaubt sein, ob ein Unterlassungsanspruch nötig ist oder letztlich eine Überprävention bewirkt.396 Wäre ein Schadensersatzanspruch in diesem Fall nicht der klügere Weg?397 Wenn politische Betätigungsverbote oder bestimmte Äußerungen rigoros untersagt werden,398 390 Vgl.
Heald, S. 1, 15 f. Fischman Afori, Cardozo Arts & Entertainment L. J. (2011), 1, 3, 6, 8 f., 10; zu übertriebenen Sorgfaltsmaßnahmen vgl. Wagner, Gutachten Juristentag, S. 20 ff., 22, 84; Polinsky/ Shavell, 111 H. L. R. (1998), 869, 873, 880. 392 Beispielsweise Leistner, ZUM 2012, 722, 736. 393 EuGH Urt. v. 27. 3. 2014, C-314/12 Rn. 56 f. – UPC Telekabel/Constantin Film = ECLI:EU:C:2014:192 = GRUR 2014, 468. 394 Leistner/Grisse, GRUR 2015, 105, 110; Hofmann, GRUR 2015, 123, 128, 129 f.; Spindler, GRUR 2014, 826, 833 f.; Marly, GRUR 2014, 472, 473; Nordemann, ZUM 2014, 499, 500. 395 Vgl. nur BGHZ 191, 19 – Stiftparfüm = GRUR 2011, 1038; s. a. u. § 9 IV. 396 Vgl. Jauernig/Teichmann, § 823 Rn. 93; MünchKomm/Wagner, § 823 Rn. 301. 397 Die h. M. verneint hingegen gerade Schadensersatzansprüche, vgl. MünchKomm/ Wagner, § 823 Rn. 301. 398 Dazu bereits o. § 5 IV 4 b). 391
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kann dies im Einzelfall über das Ziel hinausschießen. Nachträglich gewährte Schadensersatzansprüche taugen womöglich als milderes Mittel, selbst wenn dadurch Imageschäden nicht vollständig ausgleichbar sind. Auch im Gesellschaftsrecht können undifferenziert gewährte Unterlassungsansprüche für Blockaden sorgen.399 Gerade wenn der Faktor Zeit eine wichtige Rolle spielt, kann dies problematisch sein.400 Der Unterlassungsanspruch kann dafür sorgen, dass es zu sachwidrigen „Kompensationsgeschäften“ kommt, wenn die Verhandlungsposition durch den Unterlassungsanspruch übergewichtet ist.401 Nachträgliche Kontrollen und Haftungsregeln können hier bisweilen interessengerechter sein. Statt einem Arbeitgeber vorab die Hände zu stark zu schnüren, kann beispielsweise bei unterbliebenen Anhörungen die Unwirksamkeit von Folgehandlungen disziplinierend wirken.402 Einer „Bevormundung“ des betroffenen Arbeitnehmers kann dadurch vorgebeugt werden.403 Womöglich wollen die Beteiligten im Nachhinein an der Handlung festhalten. Solch eine Gesamtbetrachtung aus der ex post-Perspektive ist mit dem Unterlassungsanspruch nicht möglich. Als Lösung wird zudem eine vorläufige Regelungsbefugnis des Arbeitgebers ins Spiel gebracht.404 Besteht die Möglichkeit zur Auflösung des Betriebsrats (vgl. § 23 BetrVG), mag dies auf den Betriebsrat ebenfalls disziplinierend wirken, ohne sein Handeln in Einzelfällen (möglicherweise) über Gebühr zu beschränken. Als Alternative zu Unterlassungsansprüchen können bei auf Dauer angelegten Rechtsverhältnissen neben Schadensersatzansprüchen zudem Kündigungsmöglichkeiten in den Blick genommen werden. Der Rechtsstreit hätte dann nicht einen punktuellen Verstoß gegen die vertragliche Abrede und dessen Sanktionierung durch einen Unterlassungsanspruch zur Folge, sondern die grundlegendere Frage nach einem Kündigungsgrund. Während der Unterlassungsanspruch gerade an den Grenzen der negativen vertraglichen Vereinbarung die Handlungsfreiheit besonders beeinträchtigt, ist bei Kündigungen ein in der Tat substanzieller oder fortgesetzter Verstoß vonnöten (vgl. § 314 BGB).405 Auch zur Absicherung eines Mediationsverfahrens bestehende Unterlassungsansprüche, die im Ergebnis dafür sorgen, dass eine Klage, die vor Durchführung eines Mediationsverfahrens durchzuführen ist, als unzulässig 399 Mit Blick auf den allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats warnt Adomeit, NJW 1995, 1004, 1005, dass für „die Gewerkschaften […] die Versuchung entstehen [wird], gebündelte Unterlassungsansprüche zu taktischen oder gar strategischen Zwecken einzusetzen, besonders in Phasen des Arbeitskampfes.“; vgl. auch die Regelung des § 246a AktG, dazu MünchKomm/Hüffer/Schäfer, AktG, § 246a Rn. 2. 400 Vgl. zu „Verzögerungsstrategien“ Bauer/Diller, ZIP 1995, 95, 99. 401 Vgl. Bauer/Diller, ZIP 1995, 95, 99; Dobberahn, NJW 1995, 1333, 1334. 402 Zur „Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung“ Lobinger, ZfA 2004, 101, 140 ff. 403 Konzen, NZA 1995, 865, 869; s. a. Lobinger, ZfA 2004, 101, 142. 404 Bauer/Diller, ZIP 1995, 95, 100. 405 Vgl. Jauernig/Stadler, § 314 Rn. 4 f.; MünchKomm/Gaier, § 314 Rn. 10 ff.
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abzuweisen ist,406 sind vor Kritik nicht gefeit. Mediation basiert auf Freiwilligkeit (§ 1 I MediationsG); die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen hingegen auf Zwang (vgl. § 890 ZPO). Womöglich werden Gebote ohnehin besser verfolgt, wenn direkte Sanktionen fehlen.407 Diese Ausführungen dürfen freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein entsprechendes (legitimes) Präventionsbedürfnis auf die Verfügbarkeit von Unterlassungsansprüchen angewiesen ist. Nicht immer wird der Unterlassungsanspruch auch zum Zwecke der Prävention eingesetzt. „Abmahnvereine“ zielen auf Einnahmen durch Abmahnkosten.408 Vor allem in Fällen von Mehrfachabmahnungen409 zeigt sich, dass hier die verhaltenssteuernde Zweckrichtung nicht mehr im Vordergrund steht. Aber auch aus hehrem Interesse heraus ausgesprochene Abmahnungen bleiben problematisch. Nicht nur Kleinunternehmern dürfte es unmöglich sein, stets sämtliche gesetzliche Pflichten (Informationspflichten etc.) einzuhalten. Gelegentliche Rechtsverstöße erscheinen nahezu unvermeidlich.410 Wenn Verhalten im Widerspruch zur Rechtsordnung auch nicht geduldet werden kann, ändert dies nichts an der Frage, ob bereits der erste (Bagatell-) Verstoß mit einer kostspieligen Abmahnung als Konsequenz des unbedingten Unterlassungsanspruchs verfolgt werden können soll.411 Im Verwaltungsrecht würden derartige Fälle über das Entschließungsermessen eingefangen.412 Soll ein bestimmtes Verhalten an den Tag gelegt werden (z. B. die Einhaltung von Geschwindigkeitsbegrenzungen), liegt es der Gesellschaft meist daran, ein bestimmtes Ziel zu erreichen (z. B. weniger Verkehrstote). Dieses kann aber nicht nur durch Unterlassungsansprüche, sondern auch durch andere Regelungen erreicht werden. Dazu ein Beispiel aus dem Haftungsrecht: Statt eine Helmpflicht durchzusetzen, kann auch über Mitverschuldensregelungen eine entsprechende Verhaltenssteuerung bewirkt werden.413 Diese setzt auf die Eigenverantwortung der Beteiligten. Sie ist weniger paternalistisch und schränkt 406 BGH NJW 1984, 669 f.; Wagner, NJW 2001, 1398, 1399 f.; Hofmann, SchiedsVZ 2011, 148, 149 f.; Zöller/Greger, Vor § 128 Rn. 33. 407 Zur Verhaltensökonomie Towfigh/Petersen/Englerth, § 7. 408 Vgl. Schmidt, NJW 1983, 1520 ff.; Bärenfänger, GRUR 2012, 461 ff.; s. a. Ohly, Gutachten Juristentag, F 117 ff.; Frey, ZUM 2014, 554. 409 Vgl. OLG Nürnberg WRP 2014, 235 ff. 410 Ohly, Unternehmerinteressen, S. 10, 12 Rn. 8. 411 Dazu u. § 11 III 3. 412 Vgl. Maurer, § 7 Rn. 7, zum „Entschließungsermessen“; § 19 Rn. 16, zum „Opportunitätsprinzip“; fürs Polizeirecht Pieroth/Schlink/Kniesel, § 2, Rn. 8; § 10, Rn. 32 ff. 413 Anders aber BGH NJW 2014, 2493 („Der Schadensersatzanspruch eines Radfahrers, der im Straßenverkehr bei einem Verkehrsunfall Kopfverletzungen erlitten hat, die durch das Tragen eines Schutzhelms zwar nicht verhindert, wohl aber hätten gemildert werden können, ist jedenfalls bei Unfallereignissen bis zum Jahr 2011 grundsätzlich nicht wegen Mitverschuldens gem. § 9 StVG, § 254 Absatz I BGB gemindert.“); vgl. aber demgegenüber die Vorinstanz OLG Schleswig NJOZ 2013, 1494.
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persönliche Freiheit weniger stark ein. Die Verbotsnorm wird dann gerade nicht überflüssig, wenn sie nicht durch Unterlassungsansprüche durchgesetzt wird.414 Zu bedenken sind in diesem Zusammenhang wiederum die Erkenntnisse der Verhaltensökonomie. Da etwa Gedanken von Fairness etc. neben der reinen Nutzenmaximierung eine Rolle spielen, ist es gut denkbar, dass trotz fehlenden Unterlassungsanspruchs bestimmte Verhaltensweisen freiwillig an den Tag gelegt werden – womöglich gerade wegen des abwesenden Verbots.415 Umgekehrt neigt der Mensch zur Selbstüberschätzung.416 Bestimmte Verkehrspflichten werden dann mitunter nicht eingehalten, weil der Einzelne glaubt, im Falle aktualisierter Gefahr Schlimmeres noch verhindern zu können. Dennoch kann Verhaltenssteuerung gerade auch über den Schadensersatzanspruch bewirkt werden.417 Neben dem Schadensersatzanspruch kann vor allem auch der Anspruch auf Gewinnherausgabe verhaltenssteuernd wirken.418
3. Alternative Präventionsinstrumente Die Frage, ob alternative Rechtsfolgen die Präventionsfunktion besser übernehmen können, hat sich schon angedeutet. In der Tat wird konkret dem Schadensersatzrecht eine Präventionswirkung zugeschrieben, wenn teils auch nur im Sinne eines gewünschten Nebeneffekts.419 Präventiv kann ferner ein Anspruch auf Gewinnherausgabe wirken.420 Im Vertragsrecht kann dies § 285 BGB obliegen,421 während im Recht des Geistigen Eigentums dieser Effekt über die dreifache Schadensberechnung erreicht wird.422 In den referierten Fällen der Unterprävention sind diese Ansprüche nötig, damit überhaupt eine 414 Gleiches gilt für das Überqueren roter Ampeln durch Fußgänger. Kommt es zu einem Unfall, realisiert sich das Risiko, dass der Fußgänger bewusst eingegangen ist, was konsequenterweise zu seinen Lasten geht. 415 Towfigh/Petersen/Englerth, § 7, S. 176; so ist durch den „Althaus-Effekt” das Tragen von Helmen auf Skipisten mittlerweile üblich; zu den Gefahren von „nudging“ Kuhlmann, Legal Tribune Online, http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/nudging-regierung-merkelverhaltenskonomie-rechtsschutz/ (zuletzt besucht am 29. 10. 2015). 416 Vgl. Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218. 417 Zum Streit über die Präventionsfunktion des Schadensersatzanspruchs, z. B. Wagner, Gutachten Juristentag, S. 14 f., 20 ff., 78 ff.; ders., AcP 206 (2006), 352 ff.; Franck, Marktordnung durch Haftung, 2016; zum vertraglichen Erfüllungsanspruch vgl. Weller, S. 436. 418 Kritisch zur Gewinnherausgabe nur Kleinheyer/Hartwig, GRUR 2013, 683 ff. 419 Kötz, Festschrift Steindorff, S. 643 ff.; Dreier, S. 132 f., 147 f., 149 ff.; Stürner, AfP 1998, 1, 8; Schäfer/Ott, S. 149 ff.; MünchKomm/Wagner, Vor § 823 Rn. 45 ff.; Erman/G. Schiemann, Vor § 823 Rn. 15; kritisch Wilhelmi, S. 64 f. 420 Wagner, Gutachten Juristentag, 84 ff., 87 f., 91 ff.; Köndgen, RabelsZ 56 (1992), 696, 727 f., 739 f., 745; Dreier, S. 530 f.; Schaub, GRUR 2005, 918, 919 ff.; vgl. Dornscheidt, S. 233 f.; zu „pönalen“ Elementen Dreier, S. 502 ff. 421 Weller, S. 441 ff.; vgl. auch Hofmann, AcP 213 (2013), 469, 495 ff. 422 BGHZ 145, 366 – Gemeinkostenanteil = GRUR 2001, 329, 331 („Die Abschöpfung des Verletzergewinns dient dabei auch der Sanktionierung des schädigenden Verhaltens […]
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Präventionswirkung greift. Gegebenenfalls bedarf es zudem flankierenden strafrechtlichen Schutzes (vgl. §§ 201 ff. StGB). Allerdings weisen sämtliche Alternativansprüche ebenfalls Schwächen auf. Es wurde insbesondere bereits darauf hingewiesen, dass Schadensersatz kein Allheilmittel ist.423 Der Anspruch auf Gewinnherausgabe trifft auf Berechnungsschwierigkeiten.424 Dennoch kann es bisweilen besser sein, statt Unterlassungsansprüchen nur einen Anspruch auf Schadensersatz oder vor allem auf Gewinnherausgabe zu gewähren. So wird zum US-amerikanischen Recht vorgetragen, dass Schadensersatz flexibler ist als die Anordnung einer injunction: “Courts can control the cost of complying with damage awards by adjusting damages, but cannot control the cost of an injunction, because the courts cannot affect switching costs.”425
In der Tat kann auch im deutschen Privatrecht vor allem der Anspruch auf Gewinnherausgabe im Einzelfall ein gleich wirksames, wenn auch milderes Mittel darstellen. Die Verpflichtung zur Herausgabe der Gewinne wirkt ebenfalls abschreckend und damit präventiv (vielleicht sogar effektiver, da sich die Gewinnherausgabe auch auf Handlungen vor der Entdeckung der Rechtsverletzung bezieht). Gleichzeitig sind nur die Nettogewinne herauszugeben, während zugleich der Anteil beispielsweise eines Patents am Erfolg des Gesamtprodukts berücksichtigt werden kann.426 Der Verletzer erleidet also keine Schäden, wie dies in Fällen, in denen von ihm getätigte Investitionen frustriert werden, der Fall sein kann. Ihm wird anders als bei Unterlassungsansprüchen das Amortisationsrisiko getätigter Investitionen abgenommen. Bei (weitgehend) unverschuldeten Verletzungen erscheint dies nicht nur gerecht, sondern ist auch ökonomisch geboten.427 Die Krux liegt freilich, wie angedeutet, in der Berechnung des Gewinns. Können zu viele Posten abgezogen werden, bleiben dem Verletzer möglicherweise im Ergebnis doch Gewinne, zumal wenn er mit unterschiedlichen Produktpaletten Mischkalkulationen durchführen kann. Vermag er das Image eines streitgegenständlichen Designs auch für andere Produkte fruchtbar zu machen, bleibt ihm durch die Rechtsverletzung (§§ 42, 38 DesignG) ein Vorteil, auch wenn er die unmittelbar aus dem und auf diese Weise auch der Prävention gegen eine Verletzung der besonders schutzbedürftigen Immaterialgüterrechte“); kritisch Haedicke, GRUR 2005, 529, 534 f. 423 Dazu o. § 8 III 1. 424 Medicus, JZ 2006, 805, 809 f.; vgl. BGHZ 145, 366 – Gemeinkostenanteil = GRUR 2001, 329; BGHZ 194, 194 – Flaschenträger = GRUR 2012, 1226. 425 Heald, S. 1, 17; Sonnenberg, S. 37 f.; vgl. auch Lemley/Shapiro, 85 Texas L. Rev. (2007), 1991, 2017 ff., 2036 ff.; zum Kartellrecht Walz, GRUR Int. 2013, 718, 729 ff. 426 Vgl. Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 793, 797. 427 In der Diskussion wird demgegenüber vor allem der vorsätzlich agierende Verletzer gebrandmarkt; nur er soll auf Gewinnherausgabe haften, vgl. nur Wagner, Gutachten Juristentag, S. 97.
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Verkauf des streitgegenständlichen Designs erwirtschafteten Gewinne komplett aufgeben muss. Wirtschaftsrechte wie Immaterialgüterrechte dienen vor allem dazu, dem Rechtsinhaber eine angemessene Vergütung zukommen zu lassen. Die beispielsweise einem Urheber gebührende Vergütung kann dabei bisweilen durch Vergütungsregelungen sichergestellt werden. Der Präventivwirkung des Unterlassungsanspruchs bedarf es dann nicht.428 Problematisch ist natürlich, was eine angemessene Vergütung ausmacht,429 insbesondere wenn es wie im Patentrecht darum geht, Anreize zu Innovationen zu gewähren. Umgekehrt liefert aber gerade die Schadensberechnung auf Basis der Lizenzanalogie anders als der auf „Alles-oder-Nichts-Lösungen“ zielende Unterlassungsanspruch eine Möglichkeit, den tatsächlichen technischen Wert beispielsweise einer Erfindung abzubilden.430 Es können nicht nur die Bedeutung der Erfindung für das Gesamtprodukt, sondern auch der finanzielle Aufwand für eine „Umgehungserfindung“ eingepreist werden.431 Dies gilt im Übrigen auch für bestimmte Konstellationen im Grundstücksrecht. Man denke nur an ein (Not-)Wegerecht über ein sonst ungenutztes Grundstück (vgl. § 917 BGB). Die Schärfe des verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruchs, die freilich grundsätzlich im Hinblick auf ihre Abschreckungswirkung432 bezweckt ist, wird beispielsweise im Lauterkeitsrecht erkannt. In Härtefällen können Aufbrauchsfristen gewährt werden.433 Die Verhinderung des Rechtsverstoßes hat temporär zurückzustehen, wenn dem Verletzer unverhältnismäßige Nachteile erwachsen, für den Verletzten unzumutbare Nachteile nicht entstehen und auch Allgemeininteressen keine sofortige Rechtsdurchsetzung verlangen.434 In der Tat ist zu sehen, dass sich niemand stets hundertprozentig richtig verhalten kann,435 während zugleich durch Bagatellverstöße entstandene Schäden mitunter kaum messbar sind.436 Im Urheberrecht gilt § 100 UrhG; im Designrecht § 45 DesignG.437 Aber auch im Grundstücksrecht zeigt § 912 BGB, dass bei geringem Verschulden ein unbedingter Beseitigungsanspruch unverhältnis428 Vgl.
Hilty, Urheberrecht, S. 107, 122 ff.; zum Unterlassungsanspruch als Instrument zur Ermöglichung von Marktlösungen o. § 8 III 1. 429 Vgl. nur Peukert, ZUM 2003, 1050 f. 430 Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 793, 797. 431 Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 797; vgl. auch Lemley/Shapiro, 85 Texas L. Rev. (2007), 1991, 2017 ff., 2036 ff. 432 Vgl. Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 797. 433 Vgl. BGH GRUR 1982, 420, 423 – BBC/DDC; BGH GRUR 1990, 522, 528 – HBVFamilien- und Wohnungsrechtsschutz; Dreier, S. 463 ff.; Köhler, GRUR 1996, 82, 89 ff.; Meyer-Bohl, NJW 2000, 2135 ff.; dazu bereits o. § 5 IV 4 a). 434 Dreier, S. 463; vgl. auch Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 796 f. 435 Vgl. Ohly, Unternehmerinteressen, S. 10, 12 Rn. 8. 436 Dazu Ohly, Unternehmerinteressen, S. 10, 19 ff. Rn. 28 ff. 437 Vgl. auch BGH GRUR 1976, 317, 321 – Unsterbliche Stimme; s. a. § 6 III HalblSchG.
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mäßig hohe Schäden begründet. Ist der Überbau fast fertiggestellt, ist allerdings auch für einen Unterlassungsanspruch der Nachweis eines gesamtwirtschaftlichen Präventionsbedürfnisses nicht ohne Weiteres zu führen.438 Auch im Vertragsrecht kann ein unbedingter Erfüllungsanspruch (respektive ein Unterlassungsanspruch zur Durchsetzung einer negativen vertraglichen Verpflichtung) zu einer Überprävention führen. Entsprechend erscheint § 275 II BGB als notwendige Begrenzung.439 Eine Lösung, um drohende Schäden aus dem Unterlassungsgebot zu vermeiden, wird auch in reverse liability rules gesehen: Dem schuldlosen Schädiger müssen seine Schäden ersetzt werden, wenn der Berechtigte seinen Unterlassungsanspruch durchsetzen will.440 Es handelt sich um eine “compensatory injunction”.441 Alles in allem macht es natürlich einen entscheidenden Unterschied, welches Recht verteidigt werden soll. Während bei reinen Vermögensrechten ein Blick auf alternative Präventionsinstrumente vielversprechend ist oder der Gedanke der Prävention insgesamt weniger schwer gewichtet werden darf, geht es bei Persönlichkeitsrechten oder dem Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit oder dem Recht auf Freiheit (regelmäßig) um deren absolute Verteidigung. Die Gefahr der Überprävention ist wesentlich ausgeprägter, wenn mit einem Unterlassungsanspruch der wirtschaftliche Wert eines Rechts gesichert werden soll, als wenn es um den Schutz eines deontologisch gerechtfertigten Rechts geht.
4. Fazit Unterprävention bewirkt, dass alternative Rechtsfolgen vorhanden sein müssen. Die Rechtsfolge Unterlassung wird zwar nicht obsolet, sie ist aber praktisch wirkungslos. Wo ein Präventionsbedürfnis besteht, muss daher der Fokus auf alternativen Instrumenten liegen. Zum Problem wird der Unterlassungsanspruch dann, wenn er zu einer Überprävention führt. In Situation, in denen der Eintritt eines Schadens nicht um jeden Preis verhindert werden muss, sei es, weil kein echter Schaden entsteht, sei es, weil er zuverlässig ausgeglichen werden kann, bedarf es des Unterlassungsanspruchs nicht. Nicht 438 Zum Gedanken, dass es unverhältnismäßig wäre, große Werte zu zerstören Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 795 f.; Kraßer/Ann, § 35 VII Rn. 156 f., mit Blick auf den Unterlassungsanspruch; s. a. Wrotham Park Estate Ltd. v. Parkside Homes Ltd. [1974] 1 W. L. R. 798, 911 (“It would, in my opinion, be an unpardonable waste of much needed houses to direct that they now be pulled down.”). 439 Vgl. Huber/Faust, Kap. 2 Rn. 38, 53 ff., 56; zur Notwendigkeit einer verschuldensunabhängigen Ablösegebühr u. § 11 II 2 a). 440 Burk, ZGE 2012, 405, 408 ff., mit Verweis auf Del Webb v. Spur Industries 108 Ariz. 178, 494 P. 2d 700 (1972). Hintergrund sind v. a. gestörte Verhandlungsgleichgewichte, dazu o. § 8 III 3 c). 441 Vgl. Berryman, S. 14.
V. Außergerichtliche Streitbeilegung
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immer ist die Zuerkennung von Abwehransprüchen ökonomisch sinnvoll. Die Frage verlagert sich damit auf den Schadensbegriff. Stellt man darauf ab, dass Schäden generell zu verhindern sind, wäre dies eine zu formalistische Betrachtungsweise. Ob eine Vermögenseinbuße als Schaden beziehungsweise besser als zu verhindernder Schaden einzuordnen ist, verlangt nach einer normativen Bewertung. Während im Lauterkeitsrecht materielle Schäden mitunter nicht gegeben sind, bedarf es dennoch eines Unterlassungsanspruchs, um nicht gewollte Wettbewerbsverstöße zu verhindern. Es geht um Verhaltenssteuerung. Ein „Schaden“ des Patentinhabers muss wiederum nicht zwingend als solcher eingestuft werden. Nur mit Blick auf das Stammrecht und die konkrete Situation lässt sich beurteilen, ob wertungsmäßig Schäden drohen. Alternativinstrumente können Zwischenlösungen bieten. So wirkt der Anspruch auf Gewinnherausgabe ebenfalls präventiv, federt negative Konsequenzen bisweilen aber ab. Auch mittelbare Nachteile, wie etwa der Verlust von Versicherungsschutz, können verhaltenssteuernd wirken. Dem Präventionsbedürfnis generell Vorrang vor dem Kompensationsbedürfnis zu gewähren, überzeugt jedenfalls nicht. Gleichzeitig wurde gesehen, dass dem Unterlassungsanspruch vielfach zu Recht eine Präventionsfunktion bescheinigt wird. Gerade bei Persönlichkeitsrechten ist diese von entscheidender Bedeutung.
V. Außergerichtliche Streitbeilegung insbesondere mittels strafbewehrter Unterlassungserklärung Nur auf den ersten Blick spielen Unterlassungsansprüche im Sinne von Rechtsfolgenrechten bei der außergerichtlichen Streitbeilegung eine herausgehobene Rolle.442 Insbesondere die Streitbeilegungsfunktion des „strafbewehrten Unterlassungsvertrags“ (1.) folgt aus dem Stammrecht, nicht aus dem Unterlassungsanspruch. Die Kritik an der strafbewehrten Unterlassungserklärung richtet sich damit nicht gegen den Unterlassungsanspruch als Rechtsfolgenrecht (2.).
1. Verfahrensrechtliche Funktionen der Unterlassungserklärung Hat jemand gegen eine gesetzliche Unterlassungspflicht verstoßen, wird der Streit um den gesetzlichen Unterlassungsanspruch vielfach außergerichtlich beigelegt. Der Berechtigte mahnt den Verletzer ab und fordert ihn auf, eine vorformulierte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen.443 Unter einer 442 Zur Sicherungsfunktion des Unterlassungsanspruchs als Unterfall der Präventionsfunktion in Mediationsverfahren o. § 8 V 2. 443 Fritzsche, S. 273, 287; Ohly/Sosnitza, § 12 Rn. 2; Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 48.
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§ 8 Die Rolle der Rechtsfolge Unterlassen im Rechtsfolgensystem
Abmahnung (früher auch: Verwarnung)444 versteht man die Mitteilung eines Anspruchsberechtigten an einen Verletzer, dass dieser sich durch eine genau bezeichnete Handlung rechtswidrig verhalten habe, verbunden mit der Aufforderung, dieses Verhalten künftig zu unterlassen und binnen einer bestimmten Frist eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben; andernfalls würden gerichtliche Schritte eingeleitet.445 Kommt der Abgemahnte der Aufforderung zur Unterzeichnung der Erklärung nach, entsteht regelmäßig ein „vertraglicher Leistungsunterlassungsanspruch“.446 Gleichzeitig entfällt die Begehungsgefahr und der gesetzliche Unterlassungsanspruch erlischt.447 Einem Prozess ist die Grundlage genommen. Die Motivation für den Abschluss eines Unterlassungsvertrags kann also verfahrensrechtlicher Natur sein.448 Es geht darum, einen kostspieligen Rechtsstreit zu vermeiden, indem durch den Unterlassungsvertrag einschließlich der Vereinbarung einer Vertragsstrafe ein gerichtlicher Titel gleichsam „nachgeahmt“ wird.449 Es soll ein „Äquivalent der Unterlassungsklage […] sowohl hinsichtlich der Außerstreitstellung als auch der Sicherung der Unterlassungspflicht“ geschaffen werden.450 Der gesetzliche Unterlassungsanspruch wird faktisch durchgesetzt.451 Dem Unterlassungsvertrag kommt somit vorrangig eine „Titelfunktion“ zu.452 Die Rede ist daneben von einer Streitvermeidungs- (besser: Prozessvermeidungs-) und einer Kostenvermeidungsfunktion.453 Weiter kann einer womöglich öffentlichkeitswirksamen Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen werden (vgl. nur § 12 III S. 1 UWG).454 Nicht zuletzt bieten sich Unterlassungsverträge an, um den Streit über die Reichweite gesetzlicher Unterlassungspflichten zu
444
Pastor, GRUR 1968, 177. BT-Drucks. 15/1487, S. 25; Nosch, S. 12, 33 ff.; Gloy, EWiR 1989, 713; Stjerna, MarkenR 2010, 113, 115 ff.; Fritzsche, S. 286 f., 297 ff.; vgl. Köhler/Bornkamm, § 12 Rn. 1.12. 446 Köhler, JZ 2005, 489, 491. 447 Fritzsche, S. 188 ff., 315 f.; Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 53; Pastor, GRUR 1968, 177, 178; dies ist allerdings auch dann der Fall, wenn ein Vertrag nicht zustande kommt, der Schuldner aber eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat, Fritzsche, S. 164; 315 f.; Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 14, 49; Köhler/Bornkamm, § 12 Rn. 1.159 ff. 448 Vgl. Fritzsche, S. 27; Dreier, S. 497 ff.; zum Zustandekommen von Unterlassungsvereinbarungen nach Abmahnungen v. a. im Lauterkeitsrecht Fritzsche, S. 281 ff.; Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 50. 449 Ahrens, Liber amicorum Lindacher, S. 1, 2; Lindacher, GRUR 1975, 413, 414; BGH GRUR 2006, 878, 879 – Vertragsstrafevereinbarung; kritisch Spätgens, Festschrift Gaedertz, S. 545, 547. 450 Lindacher, GRUR 1975, 413, 414; ders., Festschrift Canaris, S. 1393 („Unterlassungsabrede ersetzt den Unterlassungstitel“). 451 Vgl. BT-Drucks. 15/1487, S. 25. 452 Dazu ausführlich u. § 10 II 1 c); vgl. Henckel, AcP 174 (1974), 97, 115 ff. 453 Ohly/Sosnitza, § 12 Rn. 2; Fritzsche, S. 287; vgl. Eichmann, Festschrift Helm, S. 287, 291 ff. 454 Lindacher, GRUR 1975, 413, 414. 445 Vgl.
V. Außergerichtliche Streitbeilegung
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klären (Streitbeilegungs- beziehungsweise Befriedigungsfunktion)455 oder eine gesetzliche Unterlassungspflicht zumindest durch einen Unterlassungsvertrag zu „verstärken“.456
2. Grenzen und Kritik Bei genauerer Betrachtung werden diese Funktionen vor allem durch das Stammrecht, die vertragliche Vereinbarung, und nicht durch den Unterlassungsanspruch selbst erfüllt. Es muss differenziert werden zwischen dem Unterlassungsvertrag und den daraus folgenden Unterlassungsansprüchen. Auf das Rechtsfolgenrecht Unterlassen kommt es dem Berechtigten meist gar nicht an. Verstößt der Schuldner aufs Neue gegen die abgemahnte Unterlassungspflicht, entsteht schließlich ohne Weiteres ein neuer gesetzlicher Unterlassungsanspruch (beispielsweise zur Verwirklichung des erneut verletzten Urheberrechts).457 Die parallel ausgelöste Vertragsverletzung (§ 280 I BGB) ist stattdessen wegen einer anderen Rechtsfolge interessant: der Verwirkung der Vertragsstrafe (§ 339 BGB). Dadurch, nicht durch den Unterlassungsanspruch (= Rechtsfolgenrecht) zur Durchsetzung der Unterlassungsvereinbarung (= Stammrecht), erfüllt die Vereinbarung ihre Funktion als Äquivalent zu einem gerichtlichen Unterlassungstitel. Im Übrigen kann bereits die Existenz einer „klärenden“ Vereinbarung für sich genommen streitvermeidend wirken, ohne dass es explizit auf den Unterlassungsanspruch ankommt. Im Wettbewerb herrscht nicht selten eine Kultur gegenseitiger Rücksichtnahme, vor allem wenn sich potenzielle „Kläger-“ und „Beklagtenpositionen“ häufig tauschen.458 Einzig wenn beispielsweise eine vertragliche Vereinbarung in Nachbarrecht weiter reicht als die durch das Eigentum gezogenen Handlungsgrenzen, kann es gerade auf die Rechtsfolge Unterlassen ankommen, um das versprochene Verhalten praktisch durchzusetzen. Dann geht es aber nicht spezifisch um die „Titelfunktion“ etc., sondern wie bei anderen Unterlassungsverträgen auch um die privatautonome Beschränkung von Freiheitssphären (Sicherungsfunktion; Steuerungsfunktion).
455 Vgl. Fritzsche, S. 276; mit Blick auf die Abmahnung Nosch, S. 12 („außergerichtliche Streitbeilegung“). 456 Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Rn. 162. 457 Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 23, 59; Pastor, GRUR 1974, 423, 428 ff. 458 Vgl. Osterrieth, GRUR 2009, 540, 541, wenn auch mit Blick auf den patentrechtlichen Unterlassungsanspruch. Ob ein Unterlassungsanspruch erhoben werden soll, will wegen nachteiliger Marktreaktionen wohl abgewogen sein. Andererseits mag es gerade das „Damoklesschwert“ des Unterlassungsanspruchs sein, das disziplinierend wirkt, vgl. zu Zwangslizenzen nach § 24 PatG Buhrow/J. B. Nordemann, GRUR Int. 2005, 407, 409.
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§ 8 Die Rolle der Rechtsfolge Unterlassen im Rechtsfolgensystem
Aus Sicht der Streitbeilegung spielt der Unterlassungsanspruch als Rechtsfolgenrecht daher im Grunde keine Rolle.459 Auch eine Vereinbarung, die regelt, dass eine Klage beispielsweise zur Absicherung einer Mediation temporär ausgeschlossen ist, bewirkt vor allem, dass eine gleichwohl erhobene Klage als derzeit unzulässig abgewiesen wird.460 Auch wenn dies dogmatisch gerade mit dem Unterlassungsanspruch (i. V. m. dem Grundsatz der Prozessökonomie) erklärt werden kann,461 wird dieser beziehungsweise kann dieser mangels Rechtsschutzbedürfnis realiter gerade nicht geltend gemacht (und nötigenfalls über § 890 ZPO vollstreckt) werden.462 Die Vereinbarung zeitigt unmittelbare prozessuale Konsequenzen.463 Die Kritik, der zufolge insbesondere Unterlassungsverträge eine Reihe von Gefahren aufweisen (zu breit gefasste Verpflichtungen, zu hohe Vertragsstrafe, Überrumpelung etc.),464 richtet sich damit gegen diese Art von Stammrecht, nicht jedoch gegen die Rechtsfolge Unterlassen. Gleiches gilt mit Blick auf den temporären Klageverzicht. Eine Besprechung der Sinnhaftigkeit von Stammrechten (z. B. Rechtfertigung des Patentrechts oder eines vertraglichen Wettbewerbsverbots etc.) ist aber nicht Gegenstand dieses Kapitels.
3. Ergebnis Die Betonung der Bedeutung des Unterlassungsanspruchs im Rahmen außergerichtlicher Streitbeilegung wird hier nicht geteilt. Während die vertragliche Begründung eines Stammrechts dabei eine große Bedeutung hat, ist die Durchsetzung dieses Rechts mittels Unterlassungsansprüchen die Ausnahme. Von Interesse ist vor allem die Vertragsstrafe, die nach hier vertretener Ansicht freilich ebenfalls als Rechtsfolgenrecht zu klassifizieren ist.465
459 Im Anwendungsbereich des § 888 III ZPO besteht bereits kein materieller Unterlassungsanspruch, der beigelegt werden könnte, vgl. Nosch, S. 271 f. 460 Vgl. BGH NJW 1984, 669, 670 (für die vereinbarte Anrufung einer Schiedsstelle vor Klageerhebung); BGH NJW-RR 2006, 632 Rn. 21; BGHZ 109, 19 = NJW 1990, 441, 443; BGH NJW-RR 1989, 1048, 1049; vgl. bereits o. § 8 IV 2 b). 461 Vgl. Wagner, NJW 2001, 1398, 1399 f.; Hofmann, SchiedsVZ 2011, 148, 149 f. 462 Nur Zöller/Greger, Vor § 128 Rn. 33. 463 Zöller/Greger, Vor § 128 Rn. 33; zum temporären Klageverzicht BGH NJW 1984, 669, 670. 464 Zur Kritik am Rechtsfolgenrecht Vertragsstrafe vgl. Köhler, GRUR 2010, 6, 7 f. 465 Dazu o. § 5 III 3.
VI. Fazit
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VI. Fazit Die schlaglichtartige privatrechtsübergreifende Analyse hat gezeigt, dass sich eine pauschale Verurteilung des Unterlassungsanspruchs ebenso verbietet wie dessen undifferenzierter Zuspruch. Während sich vielfach gute Gründe für die Rechtsfolge Unterlassen als Rechtsverwirklichungsinstrument finden lassen (z. B. präventiv zum Schutz der Gesundheit), lässt sich in anderen Fällen ein Unterlassungsanspruch nur schwer rechtfertigen (z. B. bei Verhandlungsstörungen mit Blick auf Wirtschaftsrechte). So überzeugend der Unterlassungsanspruch seiner Präventionsfunktion wie seiner Aufgabe, als Mittel für Verhandlungen zu dienen, vielfach nachkommt, so evident erfüllt er diese Zwecke in bestimmten Konstellationen gerade nicht. Eine rein formalistische Betrachtung führt keinesfalls weiter. Aber auch Pauschallösungen liefern nur selten eine Lösung. Zwar gibt es bestimmte Fallgruppen, in denen eine Typisierung möglich ist.466 Gerade jenseits von Standardfällen lässt sich aber abstrakt gerade nicht sagen, ob der Unterlassungsanspruch strukturell für eine interessengerechte Rechtsdurchsetzung sorgt oder eben gerade nicht. Wie eine interessengerechte Rechtsdurchsetzung aussieht, hängt häufig letztlich von den Umständen des konkreten Falles ab. Auch wenn beispielsweise der Unterlassungsanspruch zur Durchsetzung einer negativen vertraglichen Vereinbarung als Grundsatz durchaus überzeugt, bedarf es eines Korrelats, um jene Fälle abzufangen, in denen der Unterlassungsanspruch unterm Strich negative Konsequenzen zeitigt. § 275 II BGB ist das überzeugende Gegenstück zum vertraglichen Leistungsunterlassungsanspruch. Bei der Rechtsanwendung sollte die Norm im Übrigen nicht zu eng verstanden werden, damit sie ihre Funktion, im konkreten Fall ungeeignete Rechtsfolgen abzuwenden, auch wirklich erfüllen kann.467 Eines vergleichbaren Instruments bedarf es auch bei anderen Rechten, namentlich bei Ausschließlichkeitsrechten. Auch wenn sich der Unterlassungsanspruch regelmäßig gut begründen lässt, gibt es eben Fälle, in denen die Rechtsfolge Unterlassen nicht gewährt werden sollte. Ein ausnahmsloser Automatismus lässt sich – dies ist die Lehre dieses Kapitels – nicht rechtfertigen. Das Recht ist gut beraten, sich flexibel zu halten.468 Es sollte Institute vorhalten, die in bestimmten Einzelfällen beziehungsweise bestimmten Fallgruppen einen punktuellen Ausschluss des Unterlassungsanspruchs ausnahmsweise ermöglichen (dazu u. § 11 II). Maßgeblich ist ein 466 Erinnert sei an §§ 53 ff. UrhG beziehungsweise § 906 BGB wegen regelmäßig prohibitiv hoher Transaktionskosten. 467 Huber/Faust, 2. Kap. Rn. 56; s. a. u. § 11 III 2a). 468 Vgl. insbesondere Fischman Afori, Cardozo Arts & Entertainment L. J. (2011), 1, 18 ff., die für flexible Rechtsfolgenlösungen plädiert; für das Patentrecht namentlich Sonnenberg, S. 45 („einzelfallgerechte Lösungen“); Ohly, IP Enforcement, S. 257, 266, 274 (“flexible approach”).
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§ 8 Die Rolle der Rechtsfolge Unterlassen im Rechtsfolgensystem
differenzierter Blick auf den Unterlassungsanspruch, der im Übrigen, wie bereits o. in § 5 IV herausgearbeitet wurde, de lege lata angelegt ist. Ein Absehen vom Unterlassungsanspruch im begründeten Einzelfall ist nicht systemwidrig, sondern systemkonform. Der Zweck des Stammrechts spielt dabei ebenso wie die Wirkung alternativer Rechtsfolgen eine entscheidende Rolle. Zwischen gesetzlichen und vertraglichen Ansprüchen verläuft die Trennlinie hingegen nicht. Es handelt sich privatrechtsübergreifend um ein Problem interessengerechter Rechtsdurchsetzung.
§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs Wenn die Rechtsfolge Unterlassen als Rechtsbehelf verstanden werden kann, besteht die Möglichkeit, diesen privatrechtsübergreifend zu analysieren. In einem Rechtsbehelfssystem betreffen Rechtsfolgen schließlich einen eigenständigen, von den Stammrechten abspaltbaren Problemkreis. Daher erscheint es naheliegend, dass Rechtsfolgenrechte unabhängig von dem Grund ihrer Entstehung eine einheitliche Struktur aufweisen. Während es für die Frage, ob eine bestimmte Rechtsfolge richtig ist, wie in § 8 gesehen, unter anderem auf die Natur beziehungsweise den Zweck des zu verwirklichenden Stammrechts ankommt, spielt dies für die dogmatische Ausgestaltung des einschlägigen Rechtsfolgenrechts gerade keine Rolle. Es handelt sich um einen vom Stammrecht zu unterscheidenden Durchsetzungsmechanismus. Eine unterschiedliche Ausgestaltung des vom Stammrecht isoliert betrachtbaren Unterlassungsanspruchs ist unnötig. Dafür, dass für die formale Gestalt der Rechtsfolgenrechte die Natur des zu verwirklichenden Rechts keine Rolle spielt, spricht im Übrigen auch der Rechtsvergleich. Wird eine Unterlassungsvereinbarung (negative covenant) im anglo-amerikanischen Rechtskreis verletzt, stellt sich nur die Frage, ob eine injunction, account of profits oder damages angeordnet wird, nicht, wie „Erfüllung“, Gewinnherausgabe oder Schadensersatz speziell im Vertragsrecht ausgestaltet sind. Auch jenseits des Unterlassungsanspruchs ist dies zu beobachten.1 Dass dies de lege lata im deutschen Recht im Besonderen für den Unterlassungsanspruch zutrifft, soll nun nachgewiesen werden. Um die Anatomie des Unterlassungsanspruchs und die zentrale Rolle der Unterlassungspflicht herauszuarbeiten, bedarf es zunächst einer näheren Beschäftigung mit Rechten und Pflichten. Rechte und Pflichten als Korrespondenzbegriffe zu sehen, greift zu kurz. Das Verhältnis von Rechten und Pflichten ist vielschichtiger. Mit Blick auf Pflichten wird in dieser Arbeit vorgeschlagen, zwischen der allgemeinen Rechtsachtungspflicht und konkreten Rechtspflichten zu unterscheiden. Konkrete Rechtspflichten spielen erst bei 1 Die Berechnung des Schadens mag faktisch unterschiedlich ausfallen, je nachdem, ob ein Vertrag oder ein Patent verletzt wurde. Specific performance ist zudem nur im Vertragsrecht anzutreffen. Dies ändert dennoch nichts daran, dass nicht ein vertraglicher Erfüllungsanspruch, vertraglicher Unterlassungsanspruch oder ein „bereicherungsrechtlicher“ Gewinnherausgabeanspruch vorliegt.
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§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs
der Rechtsdurchsetzung eine Rolle. Aus Stammrechten folgen nur allgemeine Rechtsachtungspflichten (im Sinne eines „Appellcharakters“). Ob jemand konkret verpflichtet ist, sich einer bestimmten Handlung zu enthalten, folgt noch nicht allgemein aus der Existenz eines bestimmten Stammrechts, sondern beurteilt sich nach der konkreten Situation, in der ein Recht durchgesetzt werden soll. Nur wenn das Stammrecht im streitigen Lebenssachverhalt mit einem Unterlassungsanspruch verwirklichbar ist, lässt sich eine entsprechende konkrete Unterlassungspflicht ausmachen. Nicht pauschal Rechte und Pflichten, sondern Stammrechte und allgemeine Rechtsachtungspflichten wie Rechtsfolgenrechte und konkrete Rechtspflichten sind damit die entscheidenden Korrespondenzbegriffe (I.). Speziell dem Unterlassungsanspruch als Rechtsfolgenrecht des Berechtigten liegt damit stets eine konkrete Unterlassungspflicht des Anspruchsgegners voraus. Ob mit dem Rechtsfolgenrecht Unterlassen oder – synonym – einem Unterlassungsanspruch ein vertragliches Forderungsrecht oder ein Immaterialgüterrecht durchgesetzt wird, ist unerheblich. Für die Rechtsdurchsetzung ist es gleichgültig, ob ein Stammrecht insbesondere als relatives oder absolutes Recht zu qualifizieren ist. Die Rechtsdurchsetzung spielt sich stets im Zweipersonenverhältnis ab (II.). Mit dieser Vorüberlegung können die einzelnen Tatbestandsmerkmale des Unterlassungsanspruchs untersucht werden. Dabei geht dieser Versuch darüber hinaus, nur allgemeine Wesensmerkmale sämtlicher Unterlassungsansprüche wie deren Bedeutung als Instrumente des vorbeugenden Rechtsschutzes, ihre Zukunftsbezogenheit oder ihren Charakter als „Dauerrechtsverhältnisse“ herauszustellen.2 Der Unterlassungsanspruch hängt – wie gesagt – daran, ob in der streitgegenständlichen Situation ein Stammrecht mit der Rechtsfolge Unterlassen verwirklicht wird. Die Rechtsverwirklichung mittels der Rechtsfolge Unterlassen äußert sich dann primär in konkreten Unterlassungspflichten. Eine konkrete Unterlassungspflicht erweist sich als der entscheidende gemeinsame Nenner sämtlicher privatrechtlicher Unterlassungsansprüche; sie entpuppt sich als der zentrale Baustein sämtlicher Unterlassungsansprüche (III.). Das bloße Vorliegen einer solchen Unterlassungspflicht (Schuldnerperspektive) lässt aber einen korrespondierenden Unterlassungsanspruch nicht sogleich entstehen. Das Recht, Unterlassen verbindlich einfordern zu können (Gläubigerperspektive), hängt stets zusätzlich davon ab, dass der Verpflichtete seiner konkreten Unterlassungspflicht zuwiderzuhandeln droht beziehungsweise bereits zuwidergehandelt hat. Erst die zeitliche Komponente des Verletzungszeitpunkts rechtfertigt die Entstehung eines Unterlassungsanspruchs (IV.). Mitunter bedarf es noch weiterer Tatbestandsmerkmale. So verlangt der Gesetzgeber 2 Eine solche Analyse findet sich bei Fritzsche, S. 37 ff.; zum Unterlassungsanspruch als Instrument des vorbeugenden Rechtsschutzes Henckel, AcP 174 (1974), 97 ff.; Fritzsche, S. 3 f.; zur „Zukunftsrichtung“ als gemeinsames Strukturmerkmal Ritter, S. 31.
I. Das Verhältnis von Rechten und Pflichten
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gelegentlich eine Abmahnung als konstitutives Element eines Unterlassungsanspruchs (V.). Ein kurzer Blick soll schließlich auf die Person des zur Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen Berechtigten geworfen werden. Der Inhaber eines Stammrechts muss nicht zwingend Inhaber eines Rechtsfolgenrechts sein. Wer ein Stammrecht verteidigen kann, ist durch die Zuweisung eines solchen an eine bestimmte Person nicht zwingend präjudiziert. Rechtszuweisung und Rechtsdurchsetzung können verschiedene Rechtssubjekte betreffen (VI.). Die Frage der Passivlegitimation wiederum erweist sich in der Sache als Problem, gegenüber wem Stammrechte verteidigt werden können. Oder als Frage formuliert: Treffen insbesondere den mittelbaren Verletzer konkrete Unterlassungspflichten (VII.)?
I. Das Verhältnis von Rechten und Pflichten Wenn die einem Unterlassungsanspruch zugrunde liegende konkrete Unterlassungspflicht als entscheidender Baustein sämtlicher Unterlassungsansprüche erkannt werden soll, muss vorab ein Blick auf das Verhältnis von Rechten und Pflichten geworfen werden. Wenn die Sprache auf die Grundbegriffe der Rechtsordnung kommt, stehen sich immer wieder zwei Begriffe gegenüber: Rechte einerseits, Pflichten andererseits. Während die einen die Rechtsordnung auf Pflichten zurückführen wollen,3 betonen die anderen, dass es entscheidend auf Rechte und damit auf die Perspektive des Gläubigers ankomme.4 Durchgesetzt hat sich letztere Sichtweise. Aus praktischer Sicht ist es in der Tat der Gläubiger, der seine Rechte durchsetzt, nicht der Schuldner seine Pflichten.5 Das moderne Recht ist primär als ein System von Rechten konzipiert beziehungsweise wird als solches verstanden,6 auch wenn sprachlich im Bürgerlichen Gesetzbuch vielfach von Pflichten die Rede ist. So ist der Verkäufer „verpflichtet“, dem Käufer die Sache zu übergeben und zu übereignen.7 Nach § 1601 BGB besteht eine Verpflichtung Verwandter in gerader 3 Vgl. Röhl/Röhl, S. 234; Hold v. Ferneck, S. 73 ff., 94 („Der Pflichtbegriff ist der Mittelpunkt des Rechtssystems“); H. Lehmann, S. 24, meint, dass „das Recht des einen wird erzeugt durch die Pflicht des anderen“; vgl. Bucher, S. 63 f.; zur Imperativentheorie Thon, S. 1 ff.; mitunter wird kritisiert, dass der Blick zu stark auf den Rechten liegt und der Begriff der Pflicht zu wenig betrachtet wird, vgl. Medicus/Petersen, AT, § 10 Rn. 72; vor allem im Nationalsozialismus lag die Betonung auf Pflichten, vgl. C. Fischer, Rechtsfortbildung, S. 341 f. 4 Medicus, AcP 174 (1974), 313, 322; Schapp, JuS 1992, 537, 539. 5 Vgl. Röhl/Röhl, S. 234, 380. 6 Braun, AcP 205 (2005), 127, 132 f., der darauf hinweist, dass dies die Akzeptanz des Rechts fördern kann; Auer, AcP 208 (2008), 584, 586, 588; O. Schreiber, S. 20, 22 f. 7 Im neuen Schuldrecht erscheint der Begriff der Pflichtverletzung als der Zentralbegriff. Schmidt-Kessel unterscheidet augenscheinlich im Schuldrecht nicht zwischen Rechten und Rechtsbehelfen, sondern zwischen Pflichten und dem darauf basierenden Erfüllungsanspruch, vgl. PWW/Schmidt-Kessel/Kramme, § 241 Rn. 20 ff.; PWW/Schmidt-Kessel, Vor
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§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs
Linie zur Zahlung von Unterhalt und § 312i BGB regelt ausweislich der Überschrift „[a]llgemeine Pflichten“ im elektronischen Geschäftsverkehr. Gemeint sind aber Rechte des Gläubigers beziehungsweise Berechtigten.8 Bereits dies zeigt freilich, dass beide Begriffe von Bedeutung sind.9 So sieht v. Tuhr zwar im subjektiven Recht den „zentrale[n] Begriff des Privatrechts“, macht aber gleichzeitig im Begriff der Rechtspflicht den „zweite[n] Kardinalbegriff des Privatrechts“ aus.10 Recht und Pflicht werden gemeinhin als Korrespondenzbegriffe gesehen.11 Jedem Recht des einen, genauer: jedem subjektiven Recht, soll eine Pflicht eines anderen gegenüberstehen.12 Ein subjektives Recht (namentlich ein Anspruch) ohne korrespondierende Pflicht soll nicht denkbar sein.13 Auch umgekehrt – den privatrechtlichen Pflichten des einen entsprechen subjektive Rechte des anderen14 – soll dies die Regel sein. Ausnahmen sind hier aber anerkannt.15 Es handelt sich letztlich um eine Frage der Perspektive.16 Eine vertiefte Betrachtung zeigt, dass das Verhältnis von Rechten zu Pflichten in der Tat komplex ist. Es gibt durchaus Pflichten ohne korrespondierende Rechte (1.) und umgekehrt Rechte, denen nicht stets eine entsprechende Pflicht gegenübersteht (2.). Ein genauerer Blick offenbart, dass die Meinungen, was unter einer Pflicht zu verstehen ist beziehungsweise ob und wann im Privatrecht Pflichten auftauchen, auseinandergehen (3.). Als weiterführend erweist sich, das Verhältnis von Rechten und Pflichten aus der hier interessierenden Perspektive der Rechtsdurchsetzung zu ordnen (4.).
§§ 275 Rn. 3, 5; vgl. die Betonung von obligations im englischen Recht durch Lord Diplock beispielsweise in Photo Production Ltd. v. Securicor Transport Ltd. [1980] A. C. 827, 848 f.; vgl. Riehm, S. 241 f. 8 Vgl. Bamberger/Roth/Sutschet, § 241 Rn. 1. 9 Vgl. Bydlinski, S. 137 f. 10 v. Tuhr, § 1 I, S. 53 und § 4 I, S. 93; Somló, S. 9 f. (Pflicht als „juristischer Grundbegriff”). 11 Zur entsprechenden Korrespondenztheorie Weller, S. 223 f.; vgl. auch den Beitrag von Bruns mit dem Titel „Recht und Pflicht als Korrespondenzbegriffe des Privatrechts“ (Festschrift Nipperdey, S. 3); Hohfeld, 23 Yale L. J. (1913), 16, 30 ff. 12 Enneccerus/Nipperdey, § 74, S. 282; v. Tuhr, § 4 I, S. 93; Larenz/Wolf, § 14 Rn. 5; Köhler, AT, § 17 Rn. 44; Medicus/Petersen, AT, § 11 Rn. 78a; Brox/Walker, BGB AT, § 28 Rn. 609; kritisch Bucher, AcP 186 (1986), 1, 16. 13 H. Lehmann, S. 62 ff.; Hold v. Ferneck, S. 100. 14 v. Tuhr, § 4 I, S. 93; für das Vertragsrecht soll dies ausnahmslos gelten, Weller, S. 224 f. („Vertragliche Pflichten begründen […] subjektive Rechte für die andere Vertragspartei“); s. a. Bucher, Festschrift Wiegand, 2005, S. 93, 99 f. 15 Auer, AcP 208 (2008), 584, 598; vgl. Brox/Walker, BGB AT, § 28 Rn. 615. 16 Riehm, S. 18 f.; vgl. v. Tuhr, § 4 I, S. 93; letztlich trennt das BGB zwischen drei Perspektiven: (1) der neutralen Perspektive des Schuldverhältnisses, (2) der Perspektive des Gläubigers mit Ansprüchen, (3) der Perspektive des Schuldners mit Pflichten, Weller, S. 225 f.; vgl. Staudinger/Olzen, 2005, § 241 Rn. 112.
I. Das Verhältnis von Rechten und Pflichten
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1. Pflichten ohne korrespondierende Rechte Bereits ein flüchtiger Blick in das Privatrecht zeigt, dass es zahllose Pflichten gibt, die nicht mit einem subjektiven Recht korrelieren. Tatsächlich ist es nicht durch die Logik geboten, dass einer Pflicht ein subjektives Recht gegenüberstehen muss.17 So wird bei Naturalobligationen durchaus von Leistungspflichten gesprochen, obwohl Einigkeit besteht, dass ein durchsetzbarer Anspruch des Schuldners auf Leistung nicht besteht.18 Während manche bei einer Wette gemäß § 762 BGB oder bei der Leistung an den Ehemakler (vgl. § 656 BGB) nur eine moralische Verpflichtung zugestehen,19 wollen andere eine echte „Verpflichtung zur Leistung“ beziehungsweise eine „Pflicht zur Erfüllung“ erkennen, die lediglich nicht durchsetzbar ist.20 Der Gewinner oder Ehevermittler könne die Leistung zwar weder erzwingen noch darf er sie überhaupt verlangen.21 Würde man aber eine „Verpflichtung zur Leistung“ leugnen, wäre die Folge, dass eine Schenkung anzunehmen wäre.22 Allerdings wird auch davon gesprochen, dass der Pflicht des Schuldners doch das Recht eines anderen gegenübersteht, die Leistung zu verlangen. Die Besonderheit bei der Naturalobligation bestehe nur darin, dass die bestehende Einforderungsbefugnis (= Einforderungsrecht) nicht mit Zwang durchgesetzt werden kann.23 Ähnlich zeigt sich die Rechtslage im Verjährungsrecht: Ist ein vertraglicher Unterlassungsanspruch verjährt, soll dies nur seine Durchsetzbarkeit, also das Recht des Gläubigers, betreffen. Die Unterlassungspflicht in allgemeiner Form soll bestehen bleiben.24 Auch bei den bereits mehrfach erwähnten sonstigen vertraglichen Verhaltenspflichten laufen Recht und Pflicht nicht synchron. Entsprechenden Schuldnerpflichten stehen keine (klagbaren) Ansprüche des Gläubigers gegenüber.25 Das Rechtsschutzbedürfnis soll Voraussetzung für eine Verurteilung zur Einhaltung der Pflichten sein, nicht aber für deren Existenz.26 Wenn ferner bei Kaufverträgen davon ausgegangen wird, dass Pflichten trotz Unmöglichkeit der Leistungserbringung gemäß § 275 I BGB fortbestehen, bleibt auch hier das Verhältnis von Rechten in Form von Ansprüchen und Pflichten 17 Braun, AcP 205 (2005), 127, 133; v. Tuhr, § 4 I, S. 96, sieht keine „begriffliche Unmöglichkeit einer Verpflichtung ohne gegenüberstehendes Recht“. 18 Zum fehlenden Anspruch MünchKomm/Habersack, § 762 Rn. 18; MünchKomm/ Roth, § 656 Rn. 9; vgl. Freitag, NJW 2014, 113, 115. 19 Larenz, SR I, 2 III, 20 ff.; vgl. auch v. Tuhr, § 4 I, S. 95. 20 Ausführlich v. Tuhr, § 4 I, S. 94 ff.; Schulze, S. 468 f. 21 v. Tuhr, § 4 I, S. 95 f. 22 v. Tuhr, § 4 I, S. 95. 23 Schulze, S. 405 ff., 468 f., 476 ff. (vgl. auch S. 462; nach Schulze sind Befugnisse und Rechte synonym verwendbare Begriffe); vgl. Riehm, S. 33. 24 Köhler, Festschrift Georgiades, S. 223, 228; vgl. kritisch H. Lehmann, S. 191 f. 25 v. Tuhr, § 4 III, S. 98; s. a. o. § 7 III 2 e) und III 3. 26 Henckel, AcP 174 (1974), 97, 112, mit Blick auf deliktische Verkehrspflichten.
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§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs
unklar.27 Um einen Anspruch auf Schadensersatz zu ermöglichen – wovon § 275 IV BGB ausgeht –, muss eine Pflicht des Schuldners formuliert werden, deren Verletzung den Ersatz des positiven Interesses rechtfertigen kann, während zugleich ein Erfüllungsanspruch nicht besteht.28 Erklärt wird dies dadurch, dass zwischen verschiedenen Verpflichtungen zu unterscheiden ist.29 Betont wird insbesondere, dass die Verpflichtung des Schuldners nicht mit dem korrespondierenden Naturalerfüllungsanspruch identisch sei, da dieser eben auch ohne das Recht zur Durchsetzung in Natur denkbar ist, während im Falle der Unmöglichkeit die Pflicht des Schuldners zur Leistung unberührt bleiben soll.30 Auch das common law wird dahingehend beschrieben, dass hinter „Rechtsbehelfen“ stehende „Primärrechte“ (z. B. das „Naturalerfüllungsrecht des Gläubigers“) „nicht als gerichtlich durchsetzbare Rechtspositionen angesehen [werden], sondern lediglich als Schuldnerpflicht, deren Verletzung […] Sanktionen nach sich zieht.“31 Ein Arbeitnehmer hingegen ist zweifelsohne zur Leistung von Diensten verpflichtet.32 Auch wenn der Gläubiger einen Anspruch auf Leistung hat, wird dieses Recht dadurch entwertet, dass § 888 III ZPO die Vollstreckung nicht gestattet. Klar ist, dass die Annahme, dass sich zumindest im Schuldrecht Recht und Pflicht entsprechen,33 nicht haltbar ist. Avenarius geht gar noch einen Schritt weiter: Er will generell davon ausgehen, dass aus Schuldverträgen folgenden Pflichten zunächst keine Rechte gegenüberstehen. Die „Berechtigung“ soll erst im Konfliktfall eine Rolle spielen.34 Auch jenseits des Vertragsrechts gibt es Pflichten, die als solche nicht durchsetzbar sind. Schulbeispiel sind Verkehrspflichten.35 Häufig finden sich 27 Riehm, S. 247 ff.; vgl. auch Looschelders, Zehn Jahre Schuldrechtsmodernisierung, S. 213, 223 ff.; s. a. Riehm nach Schmollmann/Singbartl, Diskussionsbericht, S. 261, 263; vgl. Freitag, NJW 2014, 113, 115. 28 Vgl. Riehm, S. 32 („Eine solche Naturalleistungspflicht ist [selbst wenn ein klagbarer Erfüllungsanspruch des Gläubigers nicht besteht] jedenfalls im Vertragsrecht in allen Rechtsordnungen erforderlich. Denn weder ein vertragliches Haftungsrecht noch auch nur ein Begriff der Erfüllung sind überhaupt denkbar, ohne dass ein Maßstab dafür bestünde, was die geschuldete Leistung des Schuldners sein soll“.), 65 ff., 219 ff.; vgl. Hoffmann, S. 135 (Fn. 367). 29 Soergel/Gsell, § 311a Rn. 6 (Leistungspflicht ist „zweipolig“); U. Huber, AcP 210 (2010), 319, 334 („Vertragspflicht im Sinn des vertraglichen Pflichtenprogramms“ und „‚Erfüllungspflicht‘, im Sinn einer Pflicht zur Erfüllung in Natur“); vgl. PWW/Schmidt-Kessel, § 275 Rn. 13 (der mit „dem Anspruch des Gläubigers auf Naturalerfüllung korrespondierende Teilaspekt der Pflicht des Schuldners“); dazu näher u. § 9 I 4. 30 Riehm, S. 248; Harke, Schuldrecht, § 8 Rn. 163; PWW/Schmidt-Kessel, § 275 Rn. 5, 13; vgl. auch Soergel/Gsell, § 311a Rn. 6 („halbseitige Leistungspflicht“). 31 Riehm, S. 241 f. (Hervorhebung nicht im Original), s. a. ders., S. 220 f. 32 v. Tuhr, § 4 III, S. 97 f. 33 Vgl. Weller, S. 224 f.; vgl. v. Tuhr, § 4 I, S. 95, S. 93. 34 Avenarius, JR 1996, 492, 494 ff. 35 Münzberg, JZ 1967, 689, 692 (Pflichten, denen „gewöhnlich kein Anspruch gegenübersteht“); Medicus/Petersen, AT, § 11 Rn. 78a.
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ferner Verweise auf Pflichten im Straßenverkehr. Solche werden ohne Weiteres anerkannt (z. B. infolge von Überholverboten); einklagbar sind sie nicht.36 Privatrechtlich bedeutungslos sind diese Pflichten dennoch nicht. Eine einschlägige Pflichtverletzung kann Schadensersatzansprüche begründen.37 Mit Blick auf § 823 II BGB lässt sich verallgemeinern: Während ein Verstoß gegen ein Schutzgesetz zu Schadensersatzansprüchen führen kann – und damit, nebenbei bemerkt, zu einer Zahlungspflicht – liegt dem Schutzgesetz und den dort normierten Verhaltenspflichten kein Recht des Begünstigten gegenüber.38 Dies soll bereits ein Umkehrschluss zu § 823 I BGB beweisen.39 Nicht anders ist die Rechtslage im Lauterkeitsrecht. Trotz bestehender Pflichten sind dort subjektive Rechte des Mitbewerbers nicht anerkannt.40 Andererseits korrespondiert mit jeder unzulässigen geschäftlichen Handlung regelmäßig ein Unterlassungsanspruch. Das Recht, Unterlassen verbindlich einzufordern, steht nur nicht dem durch das Verbot Begünstigten zu.41 Dieser ist nur reflexartig geschützt.42 Dass der durch die Rechtsnorm Begünstigte nicht selbst die Erfüllung der Pflicht verlangen kann, findet sich unter Umständen auch bei Verträgen zugunsten Dritter.43 Der Schuldner kann durchaus verpflichtet sein, an einen Dritten zu leisten, ohne dass dieser ein Recht auf Leistung hat (vgl. § 328 II, 335 BGB).44 Eine solche Situation findet sich auch im Erbrecht.45 § 1940 BGB spricht davon, dass der Erblasser den Erben oder Vermächtnisnehmer zu einer Leistung verpflichten kann, ohne einem anderen ein Recht auf die Leistung zuzuwenden. Es besteht eine Verpflichtung, ohne dass zugleich ein korrespondierendes subjektives Recht auf Einhaltung der Auflage des Begünstigten besteht.46 Einen Anspruch auf Vollziehung kann es dennoch geben (§ 2194 BGB), auch wenn dieser nicht dem Begünstigten, sondern einem Dritten zusteht.47 Ein eigenes Interesse an der Durchsetzung eines Rechts 36 Köhler, AT, § 17 Rn. 44; Brox/Walker, BGB AT, § 28 Rn. 615; vgl. Enneccerus/Nipperdey, § 74 II, S. 283. 37 Köhler, AT, § 17 Rn. 44. Dies ist nicht stets der Fall. So soll ein Überholverbot einen entgegenkommenden Linksabbieger nicht schützen, BGH NJW 1981, 2301. 38 Dazu bereits o. § 5 III 5; gleiches gilt bei § 826 BGB. 39 H. Lehmann, S. 69. 40 Dazu o. § 5 III 5 m. w. N. 41 Insoweit liegen durchaus subjektive Rechte vor; vgl. Bucher, S. 67 („die Möglichkeit des Privaten, Ansprüche […] zu erheben, [stellt] immer ein subjektives Recht dar.“). 42 Vgl. auch Brox/Walker, BGB AT, § 28 Rn. 615. 43 Der Begünstigte hat kein subjektives Recht, bereits Enneccerus/Nipperdey, § 65, S. 198 f. 44 v. Tuhr, § 4 I, S. 96 (Fn. 12); vgl. MünchKomm/Gottwald, § 328 Rn. 32 f. 45 v. Tuhr, § 4 I, S. 94. 46 MünchKomm/Leipold, § 1940 Rn. 2. 47 MünchKomm/Rudy, § 2194 Rn. 9.
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§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs
soll gerade nicht zu den Bestandteilen eines subjektiven Rechts gehören.48 Derartige Fälle des Auseinanderfallens der Durchsetzungsberechtigung und tatsächlicher reflexartiger Begünstigung werden von Brox/Walker als die Ausnahme von der Regel, dass jeder Rechtspflicht ein subjektives Recht entspricht, gesehen.49 Allerdings finden sich – wie oben gesehen – auch Fälle, in denen die „günstige Lage“ von niemandem unmittelbar durchgesetzt werden kann. Ein weiteres Beispiel findet sich im Familienrecht. Aus dem Verlöbnis soll eine echte Pflicht zur Eingehung der Ehe folgen.50 Ein durchsetzbarer Anspruch steht dem allerdings nicht gegenüber (vgl. § 1297 BGB).51 Für Diskussionen sorgt vor allem die aus dem Eigentumsrecht fließende „Pflicht“,52 Eingriffe in das Eigentum zu unterlassen (§ 903 BGB). Korrespondiert mit dieser Pflicht ein Recht des Eigentümers, Eingriffe zu verbieten?53 Manche wollen dieser Pflicht in der Tat ein Recht des Eigentümers gegenüberstellen. Der Eigentümer soll einen Anspruch auf Unterlassen gegenüber jedermann haben.54 Eine solche „Denkform“ entbehre nach der Gegenansicht aber jeder juristischen Bedeutung. Dass Eigentum nicht angegriffen werden darf, folge schließlich bereits aus der allgemeinen Rechtsordnung. Dies brauche nicht nochmals in den Begriff des subjektiven Rechts einbezogen zu werden.55 Heute sieht die herrschende Meinung zwar Pflichten Dritter;56 ein entsprechendes Recht des Eigentümers entsteht aber erst im Falle von Begehungsgefahr.57 Während bei vertraglichen Unterlassungspflichten die Pflicht des Schuldners stets mit einem Recht des Gläubigers zusammenfallen soll, sind Pflicht und Recht bei absoluten Rechten, aber auch bei jedermann treffenden gesetzlichen Verhaltenspflichten damit nicht deckungsgleich. Die Vertreter der Imperativentheorie gehen darüber noch hinaus.58 Sie wollen ein Recht des Eigentümers ganz und gar verneinen. Das Eigentum bestehe einzig und allein aus Pflichten. So sagt Bucher: 48
v. Tuhr, § 4 I, S. 94. Brox/Walker, BGB AT, § 28 Rn. 615. 50 Für Rechtspflicht MünchKomm/Roth, § 1297 Rn. 17; Palandt/Brudermüller, Vor § 1297 Rn. 3; vgl. v. Tuhr, § 4 III, S. 97; Bamberger/Roth/Sutschet, § 241 Rn. 24 („‚Verpflichtung‘”); anders Canaris, AcP 165 (1965), 1, 4 f. 51 MünchKomm/Roth, § 1297 Rn. 1; Lenzen, NJW 1967, 1260 f., sieht einen „Anspruch“, dem aber die „Klagbarkeit“ fehlt; er verweist als weiteres Beispiel auf § 1958 BGB. 52 Handelt es sich wirklich um eine Pflicht? Dazu sogleich u. § 9 I 3. 53 Vgl. Aicher, S. 63 f.; verneinend bereits Stephan, S. 92. 54 Bereits o. § 2 II m. N. 55 Kohler, § 57 I, S. 175. 56 Dies wird bestritten, dazu u. § 9 I 3. 57 Kohler, § 57 I, S. 175 f.; Jauernig/Berger, § 1004 Rn. 10 f.; MünchKomm/Baldus, § 1004 Rn. 289. 58 Thon, S. 1 ff.; Aicher, S. 52 ff.; zur Imperativentheorie bereits o. § 5 I c). 49
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„Andererseits ist die Einsicht unausweichlich, daß sich der normative Gehalt der absoluten Rechte in dieser Unterlassungspflicht bzw. der Befugnis des Berechtigten, derartige Unterlassungspflichten zu statuieren, erschöpft, während die Sachbeherrschung durch den Berechtigten bloß Motiv für die rechtliche Regelung bzw. deren faktische Folge ist.“59
Das Eigentum erscheint als Negativrecht, als reines Abwehrrecht. Das subjektive Recht wird als „Reflexrecht“ gesehen, dadurch, dass andere dem Begünstigten gegenüber zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet sind.60 Auch dem wurde entgegengetreten.61 Es entspreche vielmehr der natürlichen Auffassung, den Akzent auf das Recht zu legen und die Pflichten lediglich als dessen Konsequenz zu sehen.62
2. Rechte ohne Pflichten Seltener ist es, dass aus einem Recht keine Pflicht folgt. Hohfeld hat vom Recht (right) das Privileg (privilege), die Kompetenz (power) und die Ungebundenheit durch solche Kompetenzen (immunity) abgegrenzt. Während Rechte sich korrespondierend in Pflichten spiegeln, stehen Privilegien und Kompetenzen Pflichten nicht gegenüber. Erstere korrelieren mit Nicht-Rechten (no-right), letztere mit Unterwerfung (liability).63 Gleiches gilt für Immunitäten (immunities). In der Literatur wird entsprechend bemerkt, dass ein Recht nicht immer mit einer Pflicht korreliert, da man den Begriff des Rechts durchaus auch auf Privilegien, Kompetenzen und Immunitäten ausdehnen kann.64 Und tatsächlich: Gestaltungsrechte werden als subjektive Rechte aufgefasst,65 ohne dass dadurch ein Dritter verpflichtet wird. Es handelt sich in der Sprache Hohfelds um eine Kompetenz (power), die nicht mit einer Pflicht, sondern nur einer Gebundenheit (liability) korreliert. Ferner können zumindest bestimmte Handlungs- oder Unterlassungspflichten, die das Recht des Berechtigten gemeinhin auszulösen bezweckt, in bestimmten Fällen nicht bestehen. Beispielsweise steht es der Wirksamkeit eines Vertrags nicht entgegen, dass der Schuldner nicht zu leisten braucht, weil die 59
Bucher, S. 153. Aicher, S. 34. 61 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 74 ff.; Larenz, Festschrift Engisch, S. 150 ff.; ders., Festschrift Sontis, S. 129, 134 ff.; Fikentscher, S. 158 ff.; Hoffmann, S. 41 ff.; für positive Zuweisung auch Zech, S. 68 ff.; Peukert, Güterzuordnung, S. 857 ff.; Rüthers/Fischer, § 4 Rn. 148 ff. 62 v. Tuhr, § 4 I, S. 93; Esser, S. 162 („Das Recht, die Zuweisung, ist also das Frühere und selbständig Wesentliche. Die Berechtigung ist mehr als der bei ihrer Nichtbeachtung auftretende ‚Anspruch‘.“). 63 Hohfeld, 23 Yale L. J. (1913), 16, 30; ders. 26 Yale L. J. (1917), 710. 64 Zakrzewski, S. 10 (Fn. 11). 65 Medicus/Petersen, AT, § 10 Rn. 69; Köhler, AT, § 17 Rn. 5 ff., 12; Brehm, AT, § 20 Rn. 613; Schack, AT, § 3 Rn. 48; Wolf/Neuner, § 20 Rn. 29 ff.; v. Tuhr, § 15 II, S. 244. 60 Vgl.
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Leistung unmöglich ist und das Leistungshindernis schon bei Vertragsschluss vorliegt. Obwohl ein wirksamer Vertrag besteht – und damit Rechte des Gläubigers –, ist der Schuldner wegen § 275 I BGB nicht zur Leistung verpflichtet. Dem mag man freilich den Einwand entgegenhalten, dass der Schuldner nur deshalb keine Leistungspflicht hat, weil es an einem damit korrespondierenden Anspruch fehlt. Deutlicher ist das Auseinanderfallen von Recht und Pflicht bei Ausschließlichkeitsrechten. So gehört zum Eigentum die Befugnis, bei der Ausübung desselben nicht gestört zu werden.66 Nicht in jedem Fall treffen Dritte aber korrespondierende Pflichten. Dies ist etwa bei einem Notstand der Fall (§ 904 BGB) oder im Anwendungsbereich des § 906 II BGB. Obwohl in den beschriebenen Fällen eine Pflicht nicht besteht, lässt sich nicht bestreiten, dass der Berechtigte auch gegenüber dem Dritten weiterhin Eigentümer der Sache ist. Dies veranschaulicht auch § 51 UrhG: Aus dem Urheberrecht folgt keine Pflicht, eine Vervielfältigung zu unterlassen, soweit diese zum Zwecke des Zitats geschieht (§ 51 UrhG). Dass das Recht des Urhebers selbst gegenüber dem Zitierenden fortbesteht, beweist dessen ungeachtet sein Recht, sich weiterhin als Urheber der übernommenen Passagen zu rühmen (§§ 13, 62 UrhG). Auch wenn die herrschende Meinung dies damit zu erklären sucht, dass der Inhalt des Eigentums etc. von vorneherein begrenzt erscheint,67 lässt sich das Ausschließlichkeitsrecht beschreiben, ohne dass zwangsläufig auf korrespondierende Pflichten Dritter Bezug zu nehmen ist. Stellt man hingegen nicht auf Rechte, sondern enger nur auf Ansprüche ab, also das Recht, etwas zu verlangen, so lässt sich freilich der Satz aufstellen, dass es „niemals einen Anspruch ohne Pflicht“ geben kann.68
3. Vieldeutigkeit des Pflichtbegriffs Auch wenn in dieser Arbeit ausschließlich Rechtspflichten interessieren, also moralische beziehungsweise sittliche Pflichten ausgeklammert werden,69 wird der Begriff der Rechtspflicht70 in unterschiedlichem Zusammenhang mit unterschiedlicher Bedeutung verwendet (a)). Auch der Zeitpunkt der Entstehung von Pflichten ist umstritten (b)). 66
Enneccerus/Nipperdey, § 222, S. 1363. Dazu bereits o. § 2 III 2 b); § 5 I c); § 5 III 2; § 5 IV 2 a). 68 Somló, S. 444 („Der Rechtsanspruch ist immer nur die Kehrseite einer Rechtspflicht, aber die Rechtspflicht läßt sich nicht als die Kehrseite eines Rechtsanspruches definieren“.). 69 Zur sittlichen oder moralischen Pflicht Köhler, AT, § 1 Rn. 1; zu ethischen Pflichten Schapp, Ethische Pflichten und Rechtspflichten, 1993; nicht behandelt werden auch „Pflichtrechte“, also Rechte, aus denen zugleich Pflichten für den Berechtigten folgen, vgl. dazu Röhl/ Röhl, S. 370; Wüstenbecker, JA 1984, 227, 230; Wolf/Neuner, § 20 Rn. 72; Georgiades, Festschrift Sontis, S. 149, 159 ff. 70 Vgl. die Übersicht bei Kubes, S. 7 ff.; H.-L. Schreiber, Rechtspflicht, S. 3 ff., 13 ff. 67
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a) Unterschiedliches Verständnis des Pflichtbegriffs
Viele Autoren sprechen pauschal von Pflichten, ohne eine Differenzierung vorzunehmen.71 Auch im bisherigen Verlauf dieser Arbeit wurde nicht differenziert. Bisweilen wird immerhin zwischen Geboten als Pflichten zu einem bestimmten Tun und Verboten als Unterlassungspflichten unterschieden.72 Eine Auseinandersetzung mit dem Begriff der Pflicht findet man vor allem in der älteren Literatur.73 Dort wird auch herausgearbeitet, dass Kennzeichen einer Pflicht vor allem sein soll, dass die Nichtbeachtung Sanktionen auslöst.74 Von einer Pflicht könne nur da die Rede sein, wo die Rechtsordnung im Falle der Missachtung mit nachteiligen Rechtsfolgen droht.75 Oder mit den Worten Hold von Fernecks: Pflicht ist sozial-psychischer Zwang durch Drohung.76 Immer dann, wenn der Wille durch eine Drohung determiniert werde, finde sich eine Pflicht.77 Enger definiert v. Tuhr: Nur wenn die Rechtsordnung das vorgeschriebene Verhalten durch Vollstreckung zu erzwingen sucht oder wenigstens durch Schadensersatz möglichst ein entsprechendes Resultat herstellen will, könne von einer Verpflichtung die Rede sein.78 Von einer echten Pflicht will er dabei aber nur ausgehen, wenn das Gesetz den Anspruch auf Schadensersatz verschuldensabhängig anordnet.79 Bestehe hingegen ein verschuldensunabhängiger Schadensersatzanspruch, soll nicht „ohne weiteres“ auf eine zugrunde liegende Verpflichtung geschlossen werden können.80 Beispielhaft verweist er auf die Gefährdungshaftung. Hier könne kaum von einer Verpflichtung die Rede sein, „alle theoretisch möglichen, aber vielleicht 71 Vgl.
Medicus/Petersen, AT, § 11 Rn. 78a. Köhler, AT, § 17 Rn. 44; vgl. v. Gierke, AT, § 28, S. 255 („Sollen“ versus „Nichtdürfen“); zum Inhalt von Pflichten auch v. Tuhr, § 4 V, S. 103 ff.; zur Unterscheidung unterschiedlicher Pflichten im Schuldrecht (Leistungs-, Rücksichtnahmepflichten) Weller, S. 237 ff. 73 v. Tuhr, § 4 I, S. 93 ff.; Enneccerus/Nipperdey, § 74, S. 282 f.; Regelsberger, § 16; v. Gierke, AT, § 28, S. 255; Somló, S. 430 ff.; Jhering, Zweck im Recht, S. 72 f.; Binder, Rechtsnorm und Rechtspflicht, S. 1 ff.; dass der Begriff der Pflicht nicht mehr im Fokus der Aufmerksamkeit steht, mag auch daran liegen, dass gerade im Nationalsozialismus Pflichten zulasten subjektiver Rechte überbetont wurden, vgl. Brox/Walker, BGB AT, § 28 Rn. 620; C. Fischer, Rechtsfortbildung, S. 341 f.; Kasper, S. 109 ff.; zu “duties” im US-Recht Smith, 125 H. L. R. (2012), 1727, 1728, 1741 ff. 74 Vgl. Vecchio, S. 407; dies begründet zugleich den Unterschied zwischen moralischen Pflichten und Rechtspflichten; aus der gegenwärtigen Literatur Köhler, AT, § 17 Rn. 44. 75 Übersicht zu „Zwangstheorien“ bei H.-L. Schreiber, Rechtspflicht, S. 70 ff.; vgl. Hold v. Ferneck, S. 84; sanktionslose Normen soll es daher nicht geben, S. 88. 76 Hold v. Ferneck, S. 80. 77 Hold v. Ferneck, S. 73 ff. 78 v. Tuhr, § 4 III, S. 100 f. 79 v. Tuhr, § 4 III, S. 98 f.; Enneccerus/Nipperdey, § 74 IV, S. 283 („Ist aber eine Schadensersatzpflicht an ein schuldhaftes Verhalten geknüpft, so ist damit stillschweigend auch ausgesprochen, daß die Handlung verboten sein soll“.). 80 v. Tuhr, § 4 III, S. 99. 72
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§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs
praktisch untunlichen Maßregeln zur Abwendung von Schaden zu treffen.“81 Aber auch mit Blick auf nicht selbständig einklagbare Sorgfaltspflichten („Diligenzpflichten“) zweifelt v. Tuhr, ob es richtig ist, von Pflichten zu sprechen.82 Auch wenn es sich um echte Pflichten handelt, seien diese dennoch „eigenartig“, als ihnen kein Anspruch auf Erfüllung gegenüberstehe.83 Alles in allem wohnt dem Pflichtbegriff demnach ein Element der Durchsetzbarkeit in Natur inne – zumindest in mittelbarer Weise.84 Gegen die Erforderlichkeit von Durchsetzungsmechanismen spricht sich aber Somló aus.85 Maßgeblich sei, dass jemandem ein bestimmtes Verhalten „befohlen“ ist.86 Dann handele es sich um eine Pflicht, selbst wenn keine Sanktionen drohen. Umgekehrt könne nur aus dem Bestehen von Nachteilen nicht auf eine Pflicht geschlossen werden, solange es dem „Untergebenen“ freisteht, das bestimmte Verhalten zu erbringen oder lieber den Nachteil auf sich zu nehmen.87 In letzterem Sinne analysiert O. W. Holmes Pflichten im Kaufrecht. Ein Kaufvertrag, bei dem der Verkäufer zur Leistung „verpflichtet“ sei, begründe in Wahrheit nur eine Entscheidungsmöglichkeit zwischen Lieferung und Schadensersatz,88 zwischen der Vornahme der Handlung oder den „Rechtsfolgen des Ungehorsams“ wie Strafe oder Zwangsvollstreckung.89 In der deutschen Literatur wird ein solches Wahlrecht aber bestritten.90 Stattdessen wird zwischen primären Leistungspflichten (Pflicht zur Herbeiführung des vertraglich vereinbarten Erfolgs) und sekundären Leistungspflichten (z. B. Zahlung von Schadensersatz statt der Leistung) unterschieden.91 81
v. Tuhr, § 4 III, S. 99. verweist v. Tuhr (§ 4 III, S. 98) auf einen Käufer, der keine Anstalten zur richtigen Erfüllung trifft, Sicherungsmaßnahmen nach § 618 BGB oder die „Verwaltungspflicht“, Geld mündelsicher anzulegen. 83 v. Tuhr, § 4 III, S. 99 (Fn. 22) mit Verweis auf § 75 II HGB a. F. = § 75c HGB n. F.; für „echte Pflichten“ Weller, S. 260. 84 Vgl. v. Tuhr, § 4 III, S. 97; vgl. ders., § 4 III, S. 99 (Fn. 22) und § 4 I, S. 95; vgl. Enneccerus/Nipperdey, § 74 IV, S. 283. 85 Somló, S. 430 ff. 86 Vgl. H. Lehmann, S. 85 („motivierende[…] Kraft des Rechtsbefehls“). 87 Somló, S. 438, allerdings unter dem Eindruck des öffentlichen Rechts. 88 O. W. Holmes, 10 H. L. R. (1897), 457, 458, 462 (“[…] here again the so called primary rights and duties are invested with a mystic significance beyond what can be assigned and explained. The duty to keep a contract at common law means a prediction that you must pay damages if you do not keep it, – and nothing else.”); zum Begriff der “obligation” im DCFR v. Bar/Clive, Band I, S. 671 f. 89 Vgl. v. Tuhr, § 4 III, S. 100. 90 v. Tuhr, § 4 III, S. 100 f., ohne allerdings auf O. W. Holmes einzugehen; anders für Schutzpflichten Bamberger/Roth/Sutschet, § 241 Rn. 91 („vielmehr steht es dem Schuldner frei, um den Preis der etwaigen Schadensersatzhaftung das Risiko einer Schutzpflichtverletzung in Kauf zu nehmen.“). 91 MünchKomm/Bachmann, § 241 Rn. 26; vgl. Palandt/Grüneberg, § 241 Rn. 5; Erman/H. P. Westermann, Einl. § 241 Rn. 7; PWW/Schmidt-Kessel/Kramme, § 241 Rn. 20, sehen die Unterscheidung „anachronistisch“; vgl. auch Riehm, S. 8, 220 f. 82 Beispielhaft
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Weller weist darauf hin, dass es „Rechtsgebote unterschiedlicher Zwangsintensität“ gibt. Er will zwischen erzwingbar-schadensersatz-bewehrten Pflichten und schlicht-schadensersatzbewehrten Pflichten unterscheiden.92 Die Einhaltung der schlicht-schadensersatzbewehrten Pflichten könne nicht in Natur durchgesetzt werden. Der Gläubiger habe entsprechend nur ein „schlicht-schadensersatzbewehrtes Recht“.93 Die Einhaltung klagbar-schadensersatzbewehrter Pflichten könne hingegen unmittelbar verlangt werden.94 Abstrakt bildet Weller eine „Klimax zunehmender Rechts- bzw. Sanktionsfolgenintensität“: (1) Obliegenheiten, denen eine Berechtigung aus einer Obliegenheit gegenübersteht; (2) schadensersatz-bewehrte Pflichten, die mit einem schlicht-schadensersatzbewehrten Recht korrespondieren und (3) klagbar-schadensersatzbewehrte Pflichten, die sich in einem Erfüllungsanspruch des Gläubigers spiegeln.95 Die „abhängige Nebenpflicht“ des Versendungsverkäufers, die Kaufsache ordnungsgemäß zu verpacken, sei im zweiten Sinne nur für einen Schadensersatzanspruch relevant. Ein Erfüllungsanspruch bestehe nicht. Kommt die Ware unversehrt ans Ziel, bliebe zudem eine etwaige „Schlechtverpackung“ sanktionslos.96 Zur situationsabhängigen Sanktionslosigkeit gesellen sich aber auch Pflichten, die schon im Grundsatz nicht schadensersatzbewehrt sind. Die durch ein Verlöbnis begründete Pflicht zur Eingehung der Ehe97 ist weder unmittelbar durch Erfüllung noch mittelbar durch Schadensersatzzahlung oder eine Vertragsstrafe durchsetzbar.98 Manche verneinen dann freilich das Bestehen einer Rechtspflicht.99 Aus dem Verlöbnis mag allenfalls eine Rechtspflicht folgen, alles zu vermeiden, was die Ehe vereiteln könnte.100 Diskussionswürdig sind auch „Pflichten“ im Falle wettbewerbsrechtlicher oder auch markenrechtlicher Aufbrauchsfristen.101 Die Begründung einer Unterlassungspflicht fällt in der Tat schwer. So darf ein gedruckter Katalog mit einer irreführenden Angabe ja gerade – wenn auch zeitlich befristet – noch verteilt werden. Gleichzeitig ist aber Schadensersatz auch für den Zeitraum des „Abverkaufs“ geschuldet.102 Trotz fehlender Pflicht besteht ein Schadensersatzanspruch. Dieser ist anders als im Falle eines Notstands (auch dort besteht keine Unterlassungs92
Weller, S. 224, 260 f., 263 ff. Weller, S. 263 f. 94 Weller, S. 264 ff. 95 Weller, S. 260 ff. 96 Henckel, AcP 174 (1974), 97, 111. 97 Palandt/Grüneberg, Einl. v. § 241 Rn. 12; Palandt/Brudermüller, Vor § 1297 Rn. 3; MünchKomm/Roth, § 1297 Rn. 16. 98 MünchKomm/Roth, § 1297 Rn. 16. 99 Canaris, AcP 165 (1965), 1, 4 f.; vgl. bereits v. Tuhr, § 4 III, S. 98 (Fn. 16). 100 Vgl. H. Lehmann, S. 89. 101 Zu Aufbrauchsfristen o. § 5 IV 4 a); zum Markenrecht Fezer, § 18 Rn. 109. 102 Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.74; Köhler, GRUR 1996, 82, 89 ff. 93
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pflicht, wohl aber ein Schadensersatzanspruch, § 904 S. 1 und S. 2 BGB) verschuldensabhängig. Es besteht jeweils ein „schlicht-schadensersatzbewehrtes“ Recht, aber augenscheinlich keine Pflicht.103 Auch darüber hinaus kann nicht alles, was mit dem Begriff der Pflicht belegt wird, wirklich als Pflicht verstanden werden. So wird zwar im Zusammenhang mit § 254 BGB davon gesprochen, dass der Geschädigte dem Schädiger gegenüber zur Abwendung des Schadens „verpflichtet“ ist.104 Auch § 1994 I BGB könnte man eine Pflicht zur Errichtung des Inventars entnehmen wie § 1237 S. 1 BGB eine Pflicht, Zeit und Ort der Versteigerung öffentlich bekannt zu machen.105 Namentlich Pflichten eines Subjekts gegen sich selbst soll es aber nicht geben. Keine echten Pflichten sind jene „Pflichten“, die etwa Voraussetzungen für den Erwerb oder den Verlust eines Rechts oder die Ausübung einer Befugnis sind.106 Entscheidend soll dabei sein, dass die Verletzung von „Pflichten“ in diesem Zusammenhang keinen Schadensersatzanspruch auslöst.107 Handelt der Betroffene wie vom Recht verlangt, erfüllt er die Voraussetzung eines für ihn vorteilhaften Zustandes, nicht aber eine Pflicht.108 Es handelt sich um Obliegenheiten, nicht um Rechtspflichten109 – auch nicht um „Pflichten geringerer Intensität“.110 Mit Blick auf Schadensersatzansprüche begründende Pflichtverstöße will namentlich Braun zwei Arten von Pflichten unterscheiden.111 Er geht davon aus, dass mit Verschulden gemeint ist, „daß der Verpflichtete gegen eine spezifische Pflicht verstoßen hat, und zwar nicht gegen die allgemeine Unterlassungspflicht zum Schutz absoluter Rechtsgüter oder gegen eine spezielle Leistungspflicht zum Schutz einer schuldrechtlichen Forderung, deren Verletzung nur einen Abwehr- oder Leistungsanspruch auslöst, sondern gegen eine davon zu unterscheidende Pflicht, die den erstgenannten Pflichten gewissermaßen aufgesetzt ist.“112 Damit gebe es zum einen die „ergebnisorientierten ‚primären‘ Pflichten“ und zum anderen die „verhaltensorientierte[n] ‚sekundäre[n]‘ Pflichten“. Erstere nähmen auf die Befindlichkeit des Schuldners keine Rücksicht und bildeten die Grundlage eines Abwehr- oder Leistungsanspruchs. 103 Nach
Köhler, GRUR 1996, 82, 90, soll die „Rechtswidrigkeit“ nicht entfallen; zu den Grenzen von Pflichten, v. Tuhr, § 4 V, S. 103 f. 104 RGZ 62, 346, 348 f.; vgl. aber Jauernig/Teichmann, § 254 Rn. 2. 105 Vgl. kritisch v. Tuhr, § 4 III, S. 99. 106 v. Tuhr, § 4 III, S. 99 f. und s. a. § 4 I, S. 93 (Fn. 2). 107 vgl. v. Tuhr, § 4 III, S. 99; Wolf/Neuner, § 19 Rn. 30. 108 v. Tuhr, § 4 III, S. 100; Wolf/Neuner, § 19 Rn. 35 („Ob durch diese Art von Sanktionierung bereits eine ‚Pflicht‘ begründet wird, hängt vom jeweiligen Begriffsverständnis ab“.) 109 Brox/Walker, BGB AT, § 28 Rn. 616 („Verhaltensanforderungen geringerer Intensität“); zu Obliegenheiten Schmidt, Die Obliegenheiten, 1953. 110 Vgl. Bamberger/Roth/Sutschet, § 241 Rn. 25. 111 Vgl. auch Reinhardt, JZ 1961, 713, 717; fraglich ist auch, ob Verkehrspflichten und Verschulden zwei voneinander getrennte Problemkreise betreffen. 112 Braun, AcP 205 (2005), 127, 141 f.
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Letzteren komme die Aufgabe zu, eine Verletzung der ergebnisorientierten Pflichten zu verhindern beziehungsweise eine solche Verletzung subjektiv vorwerfbar zu machen.113 Am Beispiel fahrlässigen Handelns wird seine Unterscheidung deutlich. Verletzt der Schuldner eine Sorgfaltspflicht (vgl. § 276 BGB), ohne dass es zu einer Rechtsverletzung kommt, bleibe dies faktisch folgenlos. Kommt es zu einer durch mangelnde Sorgfalt herbeigeführten Rechtsverletzung, sei der Pflichtverstoß ein doppelter: zum einen der Verstoß gegen die Pflicht, die Rechtsbeeinträchtigung nicht herbeizuführen, zum anderen der Verstoß gegen eine spezielle Sorgfaltspflicht.114 b) Entstehungszeitpunkt von Pflichten
Uneinigkeit besteht ferner darüber, wann Pflichten entstehen. Wird davon ausgegangen, dass ein noch nicht fälliger Anspruch dennoch bereits als „betagter“ Anspruch entstanden und damit die Pflicht zur Leistung bereits mit Vertragsschluss entstanden ist, müsse auch diese als „betagte Verpflichtung“ verstanden werden, die momentan nicht durchgesetzt werden kann.115 Es bestehe zwar eine Pflicht, aber irgendwie doch keine aktuelle Verhaltenspflicht. Die Vorstellung eines „verhaltenen“ Anspruchs, „der wohl schon da sei (wo?), gleichsam nur offenbart werden müsse, nur eben noch nicht aktuell, fällig, klagbar sei“, wird als mystisch abgetan.116 Vor allem aber besteht Skepsis gegenüber „allgemeinen Rechtspflichten“. So nimmt die herrschende Meinung an, dass jedermann eine „Vielzahl von Pflichten“ trifft. Man dürfe gesetzliche Verbote nicht überschreiten, müsste seine Verträge achten und habe Rechte Dritter nicht zu beeinträchtigen.117 Diese Pflichten bestünden „von vorneherein und unabhängig von einer vorhergegangenen Beeinträchtigung.“118 Namentlich absoluten Rechten soll die allgemeine Pflicht anderer gegenüberstehen, sich störender Eingriffe in das Recht zu enthalten. Dem Eigentum des einen entspreche die Pflicht aller anderen, auf die Sache nicht einzuwirken.119 Diese Ansicht, dass jedermann 113 Braun, AcP 205 (2005), 127, 141 f.; dies orientiert sich an der Lehre vom Verhaltensunrecht, s. a. Braun selbst (a. a. O., 143 und 149 f.): Unterlasse alles, was im Ergebnis dazu führt, dass das absolut geschützte Recht beeinträchtigt wird. 114 Braun, AcP 205 (2005), 127, 142 und s. a. S. 149. 115 U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II, § 35 II 1, S. 148; zur Fälligkeit o. § 5 II 2. 116 Esser, § 77, S. 162. 117 Henckel, AcP 174 (1974), 97, 110; vgl. Reinhardt, JZ 1961, 713, 716 f. 118 Thomas, S. 52. 119 v. Tuhr, § 4 IV, S. 102, § 15 II, S. 243 (mit Fn. 11); Enneccerus/Nipperdey, § 74 I, S. 282; Rehfeldt, Einführung, § 15 I, S. 61; Esser, § 70, S. 146 f.; Köhler, § 17 Rn. 44; Zeuner, Festschrift Dölle, S. 295, 306 f.; Wüstenbecker, JA 1984, 227; Goldhammer, S. 73; vgl. Bruns, Festschrift Nipperdey, S. 3, 19 f.; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 136; auch Dreier, S. 131, spricht von einer „allgemeine[n] gesetzliche[n] Unterlassungsverpflichtung, fremde Rechte nicht zu verletzen“ bzw. vom „allgemeinen Unterlassungsgebot“; für das UWG Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.10
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von einer Vielzahl von Pflichten „umzingelt“ ist,120 sorgt indes für Befremden. An allgemeinen Rechtspflichten wird moniert, dass dann „Pflichten in Unzahl und Nächst- wie Fernstliegendes betreffend den einzelnen drücken“.121 Damit würde sich der Begriff „selbst aufheben“.122 Nicht nur dem „Anspruch gegenüber jedermann“,123 sondern bereits der „‚Pflicht‘ eines jeden gegenüber jedem“ müsse der „Kampf angesagt werden“.124 Der Pflichtbegriff wird daher vielfach relativiert, mitunter der Figur „allgemeiner Pflichten“ die Existenz(berechtigung) gar gänzlich abgesprochen.125 Nach verbreiteter Meinung soll die „allgemeine Pflicht des Schuldners, Rechtsverstöße zu unterlassen“ erst dann, wenn die Gefahr einer bestimmten Pflichtverletzung droht, die rechtliche Qualität eines Unterlassungsanspruchs bekommen.126 Vorher bestehe nur eine „abstrakte Verpflichtung“.127 Oder allgemein formuliert: Ein gesetzliches Verbot sei abstrakt und generell und damit nicht einklagbar. Der Unterlassungsanspruch sei hingegen konkret und individuell und damit einklagbar.128 Böhm sieht in diesem Sinne vorerst nur „potentielle Pflichten“, die erst durch einen „reale[n] Eingriff“ zu aktuellen Pflichten werden.129 Münzberg wiederum sieht in der Rechtswirklichkeit keine „allgemeinen“ Pflichten. Es soll nur „einzelne Pflichten“ geben, „die in einer bestimmten Situation für individuelle Beteiligte aus konkreten Anlässen entstehen.“130 „‚Das‘ für jedermann geltende Verbot, fremde Rechtsgüter zu beeinträchtigen, ist ebenso eine unwirkliche Abstraktion wie ‚die‘ Pflicht, Schuldverhältnisse zu erfüllen.“131
Vorgeschlagen wurde auch, dass Pflichten aus dem Eigentum nur diejenigen treffen, die überhaupt in der Lage sind, das Recht des Eigentümers zu beein(„allgemeine[s] Verhaltensgebot“); auch H. Lehmann, S. 9, 15; er verlangt aber dennoch keine „permanente Selbstbestimmung zur Unterlassung“; erst wenn der Verpflichtete mit der durch die Verbotsnorm geschützten Interessensphäre in Berührung kommt, bedarf es der „Selbstüberwachung“, a. a. O., S. 21 ff., 23. 120 Koch, S. 21. 121 Bruns, Festschrift Nipperdey, S. 3, 9. 122 Bruns, Festschrift Nipperdey, S. 3, 9. 123 Dazu o. § 2 II 3. 124 Münzberg, JZ 1967, 689, 693 (Fn. 41). 125 M. Heinze, S. 42, 46, 47 (Fn. 200); Münzberg, JZ 1967, 689, 693; vgl. auch Esser, § 77, S. 162 f. 126 Köhler, AcP 190 (1990), 496, 510; Dreier, S. 496; vgl. zudem Jacobs, S. 241 ff. 127 Dreier, S. 496; Verpflichtung durch ein „allgemeines Verbot“, Grosch, S. 49. 128 Fritzsche, S. 119; v. Tuhr, § 15 II, S. 243 (Fn. 11): „[…] nur nennen wir dieses Verbietungsrecht, solange es nicht aktuell wird und sich nicht gegen eine bestimmte Person richtet, nicht ‚Anspruch‘“; vgl. Grosch, S. 49. 129 Böhm, S. 15; vgl. auch Bucher, S. 154, dazu sogleich im Text. 130 Münzberg, JZ 1967, 689, 693; vgl. auch ders., S. 121 ff. 131 Münzberg, JZ 1967, 689, 693.
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trächtigen.132 Verpflichtet soll nur derjenige sein, der „in den für den Berechtigten abgegrenzten Machtbereich [gerät].“133 Bruns leugnet die Existenz von Pflichten schließlich ganz. Er behauptet, dass dem Eigentum „eine (millionenfache) Pflicht anderer“ nicht gegenübersteht:134 „Es bedarf ihrer auch nicht, um gegen den Verletzer entstehende dingliche Ansprüche zu erklären. Denn die Rechtsbehelfe stehen mit den (Substanz-)Rechten in einem nur losen, durch gesetzgeberische Zweckmäßigkeitserwägungen (mithin vorzugsweise rechtstechnisch) bestimmten Zusammenhang. So ist es kein Widerspruch, wenn einerseits vermieden wird, den gesetzlichen Schutzwall um das subjektive Recht in millionenfache Pflichtbeziehungen umzudenken, andererseits den Verletzer und Anspruchsgegner sogleich als einen solchermaßen kraft Gesetzes Verpflichteten aufzufassen.“135
Binder wiederum meint, dass sich Rechtsgebote ausschließlich an die Gerichte und Vollstreckungsorgane richten. Eine allgemeine Rechtspflicht des Einzelnen („Idee der Rechtspflicht des Schuldners“)136 gibt es demnach nicht.137 Andere differenzieren: So unterscheidet Heinze, wie etwa auch Engisch138 oder Münzberg139, zwischen Bewertungs- und Bestimmungsnormen.140 Erstere dienten der „Bildung von Rechtsgütern“ und deren Zuweisung an ein Rechtssubjekt.141 Sie regelten das „Innenverhältnis“ des Rechtssubjekts zu einem ihm zugewiesenen Rechtsgut,142 begründeten aber keine „Rechte“, sondern nur „Berechtigungen“.143 Spiegelbildlich träfen Dritte keine Pflichten.144 Ein Rechtsverhältnis mit Rechten und Pflichten entstehe zwischen zwei Personen erst, wenn mittels einer „Bestimmungsnorm ein konkretes Band zwischen konkreten Personen [ge]knüpft“ wird.145 So sagt Heinze exemplarisch zum „absoluten Recht“: „Das ‚absolute‘ Recht der h. M. ist Ausfluß einer Bewertungsnorm, die zuteilt, aber nicht verpflichtet, weder einen Einzelnen, noch eine Vielzahl.“146 132
H. Lehmann, S. 23; erst dann wäre eine „aktuelle“ Pflicht sinnvoll, Bucher, S. 154. v. Gierke, § 29, S. 258 ff.; vgl. auch H. Lehmann, S. 109 f.; ähnlich Thomas, S. 70 f. 134 Bruns, Festschrift Nipperdey, S. 3, 9 f. 135 Bruns, Festschrift Nipperdey, S. 3, 9. 136 Binder, S. 15. 137 Binder, S. 13 ff., 21 ff., 27 ff., 38 („Es gibt […] keine Leistungs-, keine Unterlassungspflicht“); dagegen Vecchio, S. 405 f.; zur Überlegung, dass Pflichten erst durch das Gericht konkretisiert werden, vgl. Thomas, S. 30 ff. 138 Engisch, S. 27 ff. 139 Münzberg, Verhalten und Erfolg, S. 49 ff., 62 ff. 140 M. Heinze, S. 29 ff. und S. 39 ff.; ders., DB Beilage Nr. 9/83, 1, 3 f. 141 M. Heinze, S. 31 (Fn. 127), 33. 142 M. Heinze, S. 39. 143 M. Heinze, S. 36, 40. 144 M. Heinze, S. 36 f. 145 M. Heinze, S. 42 f. 146 M. Heinze, S. 47; s. a. S. 42 f. 133
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Erst durch Bestimmungsnormen würden Rechte und korrespondierende Pflichten begründet.147 Diese regelten den rechtlichen Schutz und sorgten im Außenverhältnis für die Durchsetzung der durch die Bewertungsnorm geschaffenen „Berechtigung“.148 Bestimmungsnormen entfalteten ihre verbindliche Wirkung dabei erst, „wenn ihr Tatbestand im konkreten Einzelfall erfüllt ist.“149 Bewertungsnormen könnten ausdrücklich im Gesetz niedergelegt sein (z. B. § 903 BGB).150 Die Zuweisung eines Gutes könne aber auch richter- oder gewohnheitsrechtlich erfolgen (z. B. im Hinblick auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht).151 Denkbar sei zudem, dass privatautonom „Bewertungen“ getroffen werden.152 Wettbewerbsrechtliche Verbotstatbestände beruhten ebenfalls auf Bewertungsnormen.153 In allen Fällen dürfe aber wegen des „Dualismus‘“ von Bewertungs- und Bestimmungsnormen aus einer bloßen „Berechtigung“ nicht vorschnell auf eine „Inpflichtnahme“ eines anderen geschlossen werden.154 Die Bewertungsnormen könnten zwar als „Richtschnur im Augenblick der Handlung“ dienen, das Handeln und Unterlassen der Rechtsunterworfenen werde aber allein durch die Bestimmungsnorm – im Wettbewerbsrecht beispielsweise § 33 GWB – verbindlich vorgegeben.155 Aus Buchers Lehre des subjektiven Rechts als Normsetzungsbefugnis ergeben sich ebenfalls Konsequenzen für den Zeitpunkt der Entstehung von Pflichten.156 Aus einem subjektiven Recht allein folgen nach seiner Ansicht noch keine Pflichten, zumal nicht zu einem genau bestimmten Verhalten.157 Man könne allenfalls von „potentiellen“ Pflichten sprechen.158 Erst aus der Anspruchserhebung,159 der Ausübung der dem subjektiven Recht immanenten Normsetzungsbefugnis, folge eine „aktuelle, hic et nunc zu erfüllende 147 M. Heinze, S. 39 ff., 37; auch nach Brox/Walker, BGB AT, § 28 Rn. 614, soll die Pflicht jeder Person, Störungen fremden Eigentums zu unterlassen, offensichtlich aus § 1004 BGB folgen; § 903 BGB wird nicht zitiert. 148 M. Heinze, S. 37, 42 f. 149 M. Heinze, S. 43. 150 M. Heinze, S. 31 mit Fn. 130. 151 Vgl. M. Heinze, S. 31 mit Fn. 131. 152 M. Heinze, S. 34 f. und S. 39 (Fn. 165), 43 ff. 153 M. Heinze, DB-Beilage Nr. 9/83, 1, 4. 154 Vgl. M. Heinze, DB-Beilage Nr. 9/83, 1, 3. 155 M. Heinze, S. 45; zum GWB ders., DB-Beilage Nr. 9/83, 1, 3 f., 4; die Bewertungnsnormen liefern „Maßstäbe […] ob ein Verhalten geboten oder verboten werden soll“, Münzberg, S. 64; vgl. Binder, S. 46. 156 Zur Überlegung, dass Pflichten erst durch das Gericht konkretisiert werden, vgl. Thomas, S. 30 ff. 157 Bucher, S. 8, 58, 62, 89, 106 f. 158 Bucher, S. 8, 61 ff., 133 (Fn. 5), 154. 159 Bucher, S. 62 (Fn. 4), bezeichnet den in Ausübung eines subjektiven Rechts geäußerten normativen Willen „Anspruch“, s. a. S. 66 ff., 82.
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Pflicht“.160 Subjektiven Rechten stünden damit potentielle Pflichten, Ansprüchen aktuelle Pflichten gegenüber.161 Auch nach Rimmelspacher folgen aus der Rechtszuweisung allein noch keine Pflichten.162 Verhaltenspflichten stellten erst die Kehrseite des „Schutzanspruchs“ dar,163 mit dessen Hilfe eine Rechtsposition verwirklicht wird. Die Annahme, dass Pflichten erst dann entstehen, wenn ihnen ein Anspruch auf Einhaltung gegenübersteht, führt allerdings zu Erklärungsschwierigkeiten. Bereits wenn man annimmt, dass Pflichten erst dann entstehen, wenn ein Dritter die rechtlich geschützte Sphäre eines anderen berührt,164 wäre kaum zu erklären, warum und woher bei Eintritt in den Nähebereich urplötzlich eine Unterlassungspflicht auftaucht, wenn doch bis eben keine entsprechende Verpflichtung bestanden haben soll:165 „Ist eine Pflicht in abstracto undenkbar, kann sie auch nicht in concreto als Phönix aus der Asche entstehen.“166
Koch geht davon aus, dass Pflichten bereits bestehen, selbst wenn ihnen noch kein Recht auf Einhaltung gegenüberliegt. Entsprechend polemisiert er:167 „In letzter Konsequenz müßte man damit jeder Verhaltensnorm (nicht nur den privatrechtlichen) den generell verpflichtenden Charakter absprechen und sie nur für die konkrete Situation maßgeschneidert aus einem ansonsten rechtsleeren Raum entstehen lassen. So wäre weder dem Einsiedler das Morden verboten, noch müßte sich der Fahrer eines langsamen Mofas an Geschwindigkeitsbegrenzungen im Ortsgebiet halten. Die Normen der StVO wären überhaupt des Nachts für die schlafende Bevölkerung außer Kraft und entstünden jeden Morgen nach dem Frühstück neu, aber erst, wenn ein Schritt auf die Straße gesetzt wird.“168
Eine Begründung für die Gewährung eines Schadensersatzanspruchs oder auch eines Gewinnherausgabeanspruchs auf Basis des § 285 BGB wäre in der Tat nur schwer zu liefern.169 Die Zahlung von Schadensersatz findet ihre Rechtfertigung in einer Pflichtverletzung. Aus Gründen der Logik muss damit die Pflicht dem korrespondierenden Recht des Berechtigten – und zwar nicht 160
Bucher, S. 8, 62. Bucher, S. 62 (Fn. 4), 77 f.; Kritik bei Larenz, Festschrift Sontis, S. 129, 133 ff. 162 Rimmelspacher, S. 103, 48 ff., 48 („Bestätigte sich dieser Gedankengang, so wäre ein wichtiges Zwischenergebnis erreicht: der Nachweis nämlich, daß die Rechtsposition kein Verpflichtungsmoment enthält, daher eine Passivseite fehlt, mit anderen Worten: nicht durch ein passives Subjekt individualisiert wird.“). 163 Vgl. Rimmelspacher, S. 113. 164 v. Gierke, § 29, S. 258; vgl. H. Lehmann, S. 109 f. 165 Koch, S. 22 f., S. 31 f.; vgl. auch Motzer, JZ 1983, 884, 887 f.; die Unterlassungspflicht soll schon vor einer Zuwiderhandlung bestehen, Borck, WRP 1974, 372, 374. 166 Koch, S. 31. 167 Koch, S. 25 (Fn. 99). 168 Koch, S. 23 (Fn. 91). 169 Auch mit Blick auf § 285 BGB. 161
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nur für eine juristische Sekunde170 – vorausgehen. „Pflichtenbeziehungen zwischen niemals sich Berührenden zu konstruieren“ ist damit nicht „überflüssig“.171 Um den Widerspruch aufzulösen, könne das „gesollte Verhalten […] nicht durch die wirklich ablaufende Kausalität bestimmt [werden], sondern durch einen vom Standpunkt ex ante als möglich gedachten Kausalverlauf.“172 Aber auch die Unterscheidung unterschiedlicher Pflichten kann weiterhelfen. (dazu sogleich u. § 9 I 4). Unstreitig erscheint demgegenüber, dass jedenfalls konkrete Ansprüche konkrete Pflichten begründen. Der konkrete Anspruchsgegner ist in jedem Falle zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen verpflichtet.173 Ist jemand verpflichtet, Schadensersatz zu leisten, ist diese Pflicht (die „festgestellte Ersatzpflicht“) mit der „Handlungspflicht“, das geschützte Rechtsgut nicht schuldhaft zu verletzen, allerdings nicht deckungsgleich.174 Ist nun aber im Falle eines Unterlassungsanspruchs die in der Rechtsfolge angeordnete Pflicht, jede künftige Verletzung zu unterlassen, mit der vom Gesetz verlangten Handlungspflicht, das geschützte Rechtsgut nicht widerrechtlich zu verletzen, identisch?175 Und vor allem: Wie ist das Verhältnis dieser Pflicht zu der dem Schadensersatzanspruch zugrundeliegenden verletzten Pflicht? Dazu meint Henckel: „Im Schadensersatzprozeß ist die Rechtspflicht Maßstab zur Beurteilung früheren Verhaltens. Für den vorbeugenden Rechtsschutz ist die Rechtspflicht Maßstab für künftiges Verhalten und zugleich die Grundlage des Gebots oder Verbots, das dem Gegner auferlegt wird. […] Das Schadensersatzurteil zielt auf die Leistung der Sanktion wegen pflichtwidrigen Verhaltens, das Gebot oder Verbot des vorbeugenden Rechtsschutzes dagegen verlangt Beachtung der unmittelbaren Handlungspflicht.“176
Wie bei „Aufbrauchsfristen“ gesehen, besteht aber eine solche Rechtspflicht zum Unterlassen mitunter gerade nicht, obwohl eine Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz besteht, die letztlich wiederum einen Pflichtverstoß voraussetzt. Schwierigkeiten treten auch bei unmöglich gewordenen „vertraglichen Unterlassungsansprüchen“ auf (§§ 280 I, III, 283 BGB). Darauf wird zurückzukommen sein (u. § 9 I 4). 170
Koch, S. 32. So aber Bruns, Festschrift Nipperdey, S. 3, 10. 172 Münzberg, S. 109 f.; M. Heinze, S. 46. 173 Vgl. Dreier, S. 13; während die Pflicht, fremde Rechte nicht zu beeinträchtigen, von vorneherein bestehen mag oder nicht (dazu sogleich), entsteht die Pflicht zur Zahlung von Schadensersatz oder auch die Beseitigungspflicht erst im Verletzungsfalle. 174 Dreier, S. 19; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 110; Thomas, S. 52. 175 Vgl. Dreier, S. 19, 420; er verweist zudem darauf, dass sich eine gesetzliche Unterlassungspflicht im Rahmen einer Unterwerfungserklärung in eine vertragliche Pflicht umwandeln lässt, a. a. O., S. 421 (Fn. 20), 495 f.; vgl. Henckel, AcP 174 (1974), 96, 110; näher u. § 9 I 4. 176 Henckel, AcP 174 (1974), 97, 110. 171
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4. Allgemeine Rechtsachtungspflichten und Stammrechte sowie konkrete Rechtspflichten und Rechtsfolgenrechte als Korrespondenzbegriffe Wenn Rechte und Pflichten als Korrespondenzbegriffe gesehen werden, greift dies also zu kurz. Bereits der Verweis auf „Rechte“ ist zu undifferenziert. Es lässt sich – wie gesehen – zwischen Stamm- und Rechtsfolgenrechten unterscheiden. Dies bildet freilich nur die Perspektive des Gläubigers ab. Aus der Perspektive des Schuldners interessieren Pflichten. Ihm kommt es nicht darauf an, welche Rechte einem Dritten zustehen, sondern inwieweit diese ihn verpflichten. Da aber mit Stamm- und Rechtsfolgenrechten zwei kategorial unterschiedliche Rechte bestehen, muss entsprechend auch beim Pflichtbegriff differenziert werden. In der Tat zeigt die Debatte um diesen Begriff (o. § 9 I 3), dass es augenscheinlich unterschiedliche Kategorien von Pflichten gibt.177 Versucht man diese Vielschichtigkeit mit Blick auf die zwei unterschiedlichen Arten von Rechten aufzulösen, bestehen konsequenterweise zwei kategorial unterschiedliche Pflichten, je nachdem, ob diese mit dem Stammrecht oder dem Rechtsfolgenrecht korrelieren. Oder anders formuliert: Die jeweilige Pflicht erscheint als Korrespondenzbegriff zum jeweiligen Recht. Genauso wie sich Stammrechte und Rechtsfolgenrechte unterscheiden, muss zwischen den spiegelbildlichen Pflichten getrennt werden. Dem Stammrecht liegt dabei eine allgemeine Rechtsachtungspflicht (= „Appellpflicht“) gegenüber, während Rechtsfolgenrechte konkrete Rechtspflichten auslösen. Dieses Verhältnis veranschaulicht die folgende Matrix: Rechtszuweisung und Rechtsdurchsetzung aus Gläubiger- und Schuldnerperspektive Rechtszuweisung Rechtsdurchsetzung
Gläubigerperspektive
Schuldnerperspektive
Stammrecht Rechtsfolgenrecht
Allgemeine Rechtsachtungspflicht Konkrete Rechtspflicht
Der maßgebliche Unterschied ist dabei die Durchsetzbarkeit. Dies äußert sich zugleich in unterschiedlicher Bestimmtheit: Während Stammrechte zunächst abstrakt den Umfang der Rechtszuweisung beschreiben, hängt die Frage, welches Rechtsfolgenrecht zur Rechtsverwirklichung zur Verfügung steht, von der konkreten Rechtsdurchsetzungssituation ab. § 903 BGB beispielsweise regelt abstrakt, dass der Eigentümer bestimmte Rechte mit Blick auf die Sache hat. Ob er sein Eigentum aber mittels eines Unterlassungsanspruchs verwirk177 Vgl.
Bydlinski, S. 138 („Die ‚Rechtsmacht‘ besteht, von Maßnahmen mit Appellcharakter im Vorfeld (Aufforderung zur Leistung, zur Respektierung des fremden Eigentums etc.) abgesehen, letztlich in der Möglichkeit im Bedarfsfall staatlichen Rechtszwang zur Durchsetzung bestimmter Interessen in Anspruch zu nehmen“); zur Diskussion um Pflichten bei Unmöglichkeit der Leistung nach § 275 I BGB, nur Riehm, S. 247 f.; s. a. Thomä, JZ 1962, 623, 626.
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lichen kann, lässt sich erst mit Blick auf einen konkreten Lebenssachverhalt sagen. Im Falle einer Notstandssituation gemäß § 904 S. 1 BGB hat er kein Rechtsfolgenrecht dergestalt, vom Dritten Unterlassung verlangen zu können. Ähnlich ist die Rechtslage bei anderen Ausschließlichkeitsrechten. Dem Urheber ist nach §§ 15 ff. UrhG die Verwertung seines Werkes zugewiesen. Wie er aber das Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG) im konkreten Fall verwirklichen kann, beurteilt sich danach, ob die streitgegenständlichen Vervielfältigungsstücke zu privaten Zwecken oder zum kommerziellen Gebrauch angefertigt werden (vgl. § 53 UrhG). Je nachdem besteht ein Unterlassungs- oder ein Vergütungsanspruch (vgl. §§ 97 I, 53 I, 54 UrhG). Ob ein Wettbewerbsverstoß einen Unterlassungsanspruch auslöst, hängt davon ab, ob situationsbedingt eine Aufbrauchsfrist gewährt wird oder nicht. Selbst das vertragliche Stammrecht auf Übergabe und Übereignung sagt für sich genommen nichts darüber aus, ob der Gläubiger ein Rechtsfolgenrecht auf Erfüllung in Natur hat. In einer Situation, in der beispielsweise eine Leistungserschwerung im Sinne des § 275 II BGB vorliegt, kann ein Naturalerfüllungsanspruch ausgeschlossen sein.178 Das Stammrecht als solches ist nicht durchsetzbar; es bedarf eines konkreten Anspruchs, eines konkreten Rechtsfolgenrechts. Entsprechend verhält es sich mit den Pflichten. Wie die Zuweisung eines Stammrechts nur allgemein aussagt, dass dem Berechtigten ein bestimmtes Recht zugewiesen ist, folgen für Dritte korrespondierend nur allgemeine Pflichten (im Sinne eines „Appellcharakters“).179 Erst mit Blick auf einen bestimmten Lebenssachverhalt lässt sich sagen, welche konkreten Rechtspflichten den Anspruchsgegner treffen. Davon unabhängig lassen sich nur allgemeine Aussagen treffen: Dritte haben fremdes Eigentum zu beachten, wie Gewerbetreibende das Recht des Verbrauchers, nicht spürbar irregeführt zu werden, beobachten müssen. Im vertraglichen Bereich bringt § 241 II BGB zum Ausdruck, dass der Schuldner Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils nehmen muss. Eine konkrete, insbesondere durchsetzbare Verhaltensanweisung ist damit aber wie in den anderen Fällen gerade noch nicht verbunden. Um dies zum Ausdruck zu bringen, wird hier von allgemeinen Rechtsachtungspflichten gesprochen.180 Unabhängig von der Terminologie ist es zentral, dass diese Pflicht kategorial von der einem Rechtsfolgenrecht gegenüberliegenden konkreten Rechtspflicht (dazu sogleich) 178
Ausführlich zur Trennung von Stammrechten und Rechtsfolgenrechten o. § 5 III. In diesem Sinne Wolf/Neuner, § 19 Rn. 5, mit Blick auf das Eigentum: „Letztere haben dann die Pflicht, diese Rechte zu achten, es nicht zu verletzen. Eine solche Pflicht ist zunächst nur von sehr allgemeiner Art; sie gibt dem Berechtigten noch keine konkreten Befugnisse gegen eine bestimmte Person.“; vgl. aber Wolf/Neuner, § 19 Rn. 31 („generelle Unterlassungspflichten ergeben sich vornehmlich aus absoluten Rechten“). 180 Vgl. Wolf/Neuner, § 20 Rn. 15 (Persönlichkeitsrechte als „Rechte auf Achtung“ der Person). 179
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zu unterscheiden ist. Wie gleich noch deutlich wird, ist der Inhalt solch allgemeiner Rechtsachtungspflichten freilich mal allgemeinerer, mal konkreterer Natur. Entscheidend ist, dass sie Dritten kein konkretes, durchsetzbares Verhalten abverlangen. Ihre Missachtung führt nicht per se zu einer (bestimmten) Sanktion. Selbst wenn diese aber einen Schadensersatzanspruch begründen sollten, steht ihre Einhaltung dem Gläubiger insoweit frei, als er sich – wenn auch um den Preis konkreter Zahlungsverpflichtungen – autonom für ihre Nichtbeobachtung entscheiden kann. Steht aber fest, wie ein Stammrecht in einer konkreten Situation durchgesetzt wird, lassen sich entsprechende konkrete Rechtspflichten beschreiben. Steht dem Gläubiger ein Naturalerfüllungsanspruch zu, ist der Schuldner entsprechend verbindlich zur Übergabe und Übereignung verpflichtet. Will der Schuldner dem nicht nachkommen, lässt sich dies in letzter Konsequenz mit Zwang erwirken (vgl. §§ 883, 894 ZPO). Wird ein Ausschließlichkeitsrecht in einer konkreten Situation mit einem Unterlassungsanspruch verwirklicht, trifft den Anspruchsgegner korrespondierend eine konkrete Unterlassungspflicht. Nunmehr hat er eine Handlung verbindlich zu unterlassen. Ein freies Entscheidungsrecht kommt ihm nicht mehr zu. Die Pflicht kann wiederum notfalls mit Zwang verwirklicht werden (§ 890 ZPO). Selbst wenn eine Vollstreckung nicht möglich ist (z. B. § 888 III ZPO), zeigt das Bestehen eines Erfüllungsanspruchs an, dass die Rechtsordnung den Dienstleistungsschuldner zur Leistung verbindlich verpflichtet. Der Anspruch vermittelt – wie gesehen – bereits die erste Stufe der Rechtsdurchsetzung,181 selbst wenn diese ohne nachgeschaltete Vollstreckungsmöglichkeit bisweilen zahnlos erscheint. Umgekehrt gilt freilich: Wird ein Stammrecht, etwa eine Naturalobligation, nicht durch einen Erfüllungsanspruch verwirklicht, folgt für den Schuldner auch keine konkrete Leistungspflicht. Oder: Besteht wie in einer Notstandssituation kein Unterlassungsanspruch, besteht auch keine konkrete Unterlassungspflicht. Auch wenn sich der Schuldner einer negativen vertraglichen Vereinbarung auf Verjährung beruft, kann den Dritten keine konkrete Unterlassungspflicht treffen. Schon Lehmann hat für derartige Fälle darauf hingewiesen, dass andernfalls das Gesetz in einem Atemzug dem Schuldner „du sollst“ und „du brauchst nicht“ zurufen würde.182 Da erst der konkrete Lebenssachverhalt entscheidet, mit welchem Rechtsfolgenrecht ein Stammrecht verwirklicht wird, können Aussagen darüber, welche konkreten Pflichten den Dritten treffen, ebenfalls nur situationsabhängig gemacht werden.183 Solche Situationen lassen sich aber bereits vor deren tatsächlichem Eintritt hypothetisch denken, 181
Dazu o. § 5 II 2. H. Lehmann, S. 191 f.; das Recht, die Leistung zu verweigern, begründet in der Sache eine „Befugnis zur Zuwiderhandlung“, H. Lehmann, S. 304. 183 In diesem Sinne bereits Münzberg, JZ 1967, 689, 691 f. 182 Vgl.
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§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs
nicht zuletzt, um ex ante das eigene Verhalten planen zu können. Darauf wird zurückzukommen sein.184 Wenn sich die konkreten Rechte und Pflichten allerdings erst aus einem konkreten Lebenssachverhalt ergeben, stellt sich die berechtigte Frage, ob der Blick auf die abstrakt erscheinenden Stammrechte und die korrespondierende allgemeine Pflicht, dieses Recht zu achten, verzichtbar ist. In der Tat interessieren sich dafür, wie o. § 5 I 1 dargestellt, weder das Aktionenrecht noch die Schule der Rechtsrealisten. Von Interesse ist ausschließlich das Ergebnis. Dass Stammrechte gegenüber Rechtsfolgenrechten eine eigenständige Bedeutung haben, wurde bereits begründet (o. § 5 III). Es genügt daher, daran zu erinnern, dass dadurch nicht nur der Umfang der Rechtszuweisung abstrakt festgelegt wird, sondern dass darin auch die Rechtfertigung liegt, welche Rechtsfolgenrechte zur Durchsetzung herangezogen werden können. Auch die korrespondierende allgemeine Rechtsachtungspflicht hat aber eine selbständige Funktion. Sie bildet die Basis für die jeweiligen Rechtsfolgenrechte.185 Besteht beispielsweise wegen einer zeitlich befristeten wettbewerbsrechtlichen Aufbrauchsfrist kein Unterlassungsanspruch, bleibt davon ein Schadensersatzanspruch unberührt. Während in einer solchen Situation von einer konkreten Unterlassungspflicht beispielsweise eines irreführend werbenden Unternehmens nicht gesprochen werden kann, ist der Schadensersatzanspruch deshalb begründet, weil der Unternehmer Rechte des Verbrauchers nicht „geachtet“ hat.186 Noch deutlicher wird die Bedeutung der allgemeinen Rechtsachtungspflicht im Schuldrecht. Die Tatsache, dass die Erfüllung eines Vertrags unmöglich geworden ist, führt gemäß § 275 I BGB dazu, dass der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen ist. Ein Rechtsfolgenrecht in Form eines Naturalerfüllungsanspruchs steht dem Gläubiger nicht zu. Entsprechend besteht auch keine spiegelbildliche konkrete Leistungspflicht des Schuldners. Es handelt sich um die dem „Anspruch auf Leistung“ (vgl. § 275 I BGB) gegenüberliegende Pflicht. Gleichzeitig ist aber ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung unter der Voraussetzung des „Vertretenmüssens“ gegeben (§§ 275 IV, 280 I, III, 283 BGB). Dieser setzt ausweislich des Wortlautes von § 280 I BGB eine Pflichtverletzung voraus. Wie dargelegt, besteht aber eine konkrete Leistungspflicht gerade nicht. In der Literatur wird diese Unstimmigkeit gesehen und argumentiert, dass aus der Systematik des Gesetzes folge, dass trotz „sprachlogischer“ Zwei-
184
Dazu u. § 9 IV. Henckel, AcP 174 (1974), 97, 110 („Schadensersatzpflicht ist Sanktion für begangene Pflichtverletzungen“). 186 Spätgens, WRP 1994, 693, 695, will mangels „Rechtswidrigkeit“ auch einen Schadensersatzanspruch verneinen. Es bedürfte dann eine Art Aufopferungsanspruch gemäß §§ 904 S. 2, 906 II S. 2 BGB bzw. eine Analogie zu § 100 UrhG, § 45 DesignG, § 6 III HalblSchG, vgl. Dreier, S. 464. 185
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fel letztlich in der Nichtleistung die Pflichtverletzung zu sehen ist.187 Allerdings wäre eine „echte“ Pflicht des Schuldners zur Leistung genauso „evident sinnlos“ wie die Zuerkennung eines Erfüllungsanspruchs des Gläubigers.188 Die Schuldnerpflicht kann jedenfalls nicht derart zu verstehen sein, dass er die unmögliche Leistung zu erbringen wahrhaft verpflichtet ist. Schmidt-Kessel stellt dann auch darauf ab, dass der Schuldner zumindest insoweit von einer Leistungsverpflichtung als befreit angesehen werden kann, als es um den „dem Anspruch des Gläubigers auf Naturalerfüllung korrespondierende[n] Teilaspekt der Pflicht des Schuldners“ geht.189 Gsell sieht die Leistungspflicht „zweipolig“. Dann wird klar, dass § 275 BGB „von den beiden Aspekten der Leistungspflicht […] nur das schuldnerseitige Leistenmüssen aus[schließt], nicht aber das gläubigerseitige Bekommensollen.“190 Bereits Huber hat die „‚Vertragspflicht‘ im Sinne des vertraglichen Pflichtenprogramms“ von der „‚Erfüllungspflicht‘ im Sinne einer Pflicht zur Erfüllung in Natur“ unterschieden.191 Eine Erklärung kann aber eben auch die Unterscheidung zwischen konkreten, die Rechtsdurchsetzungsebene betreffenden Pflichten und allgemeinen, aus dem Stammrecht folgenden Rechtsachtungspflichten, liefern. § 280 I BGB lässt sich nun so interpretieren, dass nicht auf konkrete Pflichten, sondern eben auf letztere allgemeine Pflichten abgestellt wird: Der Schuldner hat dem Gläubiger den versprochenen Leistungsgegenstand zu verschaffen – nicht in einer konkreten Art und Weise, sondern im Sinne eines abstrakten Sollens: „Schuldner, du solltest leisten!“ Oder noch allgemeiner: „Schuldner, sorge dafür, dass der Gläubiger zu seinem Recht kommt!“192 Wenn sich im Falle der Unmöglichkeit der Leistung diese allgemeine Pflicht auch nicht zu einer konkreten Leistungspflicht verdichtet, reicht sie doch, um einen Schadensersatzanspruch zu rechtfertigen, wenn der Schuldner in einer von ihm zu vertretenden Weise vereitelt hat, dass der Gläubiger den geschuldeten Gegenstand erhält.193 187 Lorenz/Medicus, SR AT, § 29 Rn. 342; vgl. Faust, Festschrift Canaris, S. 219, 225 ff.; Riehm, Festschrift Canaris, S. 1079, 1092; vgl. Freitag, NJW 2014, 113, 116. 188 Vgl. Maultzsch, AcP 207 (2007), 530, 536 (Fn. 25: „Denn mit der Erfüllungspflicht fehlt es zugleich an der Basis für die Annahme eines Vertrags-‚Bruchs‘“); zwischen „Pflicht“ und Anspruch differenzierend aber Riehm, S. 222; auch PWW/Schmidt-Kessel, § 275 Rn. 5, betont, dass § 275 BGB „nur die Grenzen von Ansprüchen auf Erfüllung in Natur [behandelt] und […] die jeweils zugrundeliegenden Pflichten unberührt [lässt].“; s. a. sogleich im Text. 189 PWW/Schmidt-Kessel, § 275 Rn. 13. 190 Soergel/Gsell, § 311a Rn. 6. 191 U. Huber, AcP 210 (2010), 319, 334. 192 Vgl. Riehm, S. 248 f. (Schuldnerpflicht beschreibt „das Gesollte“; zur „dogmatischen Begründung jeglicher Sekundärhaftung“ ist es notwendig „ein ‚Sollen‘ des Schuldners zu definieren, das nicht erfüllt wurde.“), s. a. S. 32, 64 ff.; Soergel/Gsell, § 311a Rn. 6 (§ 275 BGB schließt nicht das gläubigerseitige „Bekommensollen“ aus). 193 In der Literatur wird die vertragliche „Leistungspflicht“ des Schuldners auch im Falle der Unmöglichkeit gemäß § 275 BGB als „gedankliche Voraussetzung für eine Sekundärhaftung“ gesehen, Riehm, S. 222; Soergel/Gsell, § 311a Rn. 6 f.; vgl. auch Canaris, Festschrift Heldrich, S. 11, 30; Windel, JR 2004, 265, 266.
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§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs
Konkrete Pflichten legt die Rechtsordnung dem Schuldner also erst mit Blick auf eine konkrete Durchsetzungssituation auf.194 Die allgemeine Rechtsachtungspflicht zwingt den Adressaten demgegenüber noch nicht zu einer konkreten Verhaltensweise. Sie warnt ihn aber gleichsam, dass er in eine fremde Rechtssphäre eindringt und damit rechnen muss, dass der Berechtigte seine Rechtssphäre verteidigt beziehungsweise verwirklicht. So liegt es im Falle eines Notstands. Der Eingriff ist zwar insoweit erlaubt, als der Eigentümer wegen § 904 S. 1 BGB sein Eigentum nicht mit einem Unterlassungsanspruch durchsetzen kann. Ein Anspruch auf Schadensersatz bleibt davon aber unberührt (§ 904 S. 2 BGB). Im Falle einer Vervielfältigung eines urheberrechtlich geschützten Werkes zu privaten Zwecken materialisiert sich die allgemeine Rechtsachtungspflicht ebenfalls nicht in einer konkreten Unterlassungspflicht. Im Gegenteil: Der Dritte ist befugt, für die in § 53 UrhG privilegierten Zwecke Vervielfältigungsstücke herzustellen, während zugleich ein Vergütungsanspruch gemäß § 54 UrhG besteht. Da der Vergütungsanspruch nicht direkt vom Vervielfältiger zu entrichten ist, zeigt sich besonders deutlich, dass die allgemeine Rechtsachtungspflicht keinesfalls mit einer Unterlassungspflicht gleichzusetzen ist. Auch § 33 PatG belegt, dass die Existenz eines Stammrechts nicht bedeuten muss, dass Eingriffe untersagt oder auch nur unerwünscht sind. Nutzt ein Dritter den Gegenstand einer Patentanmeldung, greift dieser in das Recht des Patentanmelders ein. Ein Eingriff in dieses Anwartschaftsrecht des Patentanmelders am Patent195 bedeutet aber gerade nicht, dass der Dritte die Nutzung der in der Patentanmeldung offenbarten technischen Lehre zu unterlassen hätte. Mangels „Verbots“ (es besteht kein Unterlassungsanspruch des Anwärters, § 33 I HS 2 PatG) trifft den Dritten keine solche konkrete Unterlassungspflicht; es besteht kein Notwehrrecht (o. § 5 IV 2 a)). Die allgemeine Rechtsachtungspflicht zeigt lediglich an, dass dem Gläubiger im Falle eines Eingriffs in sein Stammrecht an der Patentanmeldung Rechtsfolgenrechte in Form von Entschädigungsansprüchen zustehen können. Auch hier macht die allgemeine Rechtsachtungspflicht transparent, dass der Eingriff in die fremde Rechtssphäre zu vergüten ist. Wie sich der Dritte dann verhält, bleibt ihm überlassen. Sie erscheint damit deutlich schwächer ausgeprägt als im Vertragsrecht, obgleich auch dort die konkrete Verhaltensaufforderung erst durch die jeweils einschlägigen Rechtsfolgenrechte begründet wird. Der Begriff der Pflichtverletzung stellt auch dort nicht auf die Verletzung einer konkreten Pflicht ab – also einer konkreten Leistungs- beziehungsweise Unterlassungs194 Dass diese Pflichten z. B. im Vertragsrecht parallel mit der Entstehung des vertraglichen Stammrechts entstehen, ist kein Widerspruch. Auch der Erfüllungsanspruch entsteht wegen § 271 BGB regelmäßig zugleich mit dem Stammrecht. Ob aus den konkreten Unterlassungspflichten zugleich Unterlassungsansprüche folgen, muss noch untersucht werden, u. § 9 IV. 195 Hofmann, Anwartschaftsrechte, S. 265 ff.
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pflicht –, sondern auf die mit dem Stammrecht korrelierende allgemeine Pflicht.196 Auch bei Naturalobligationen besteht zwar keine Leistungspflicht; das entsprechende Stammrecht ist aus Sicht des Schuldners aber insoweit beachtlich, als es Rückforderungsrechte ausschließt und Schadensersatzansprüche begründen kann. Anders gewendet: Da es Schadensersatzansprüche gibt, ohne dass zugleich Unterlassungsansprüche (und damit korrespondierende konkrete Unterlassungspflichten) bestehen, kann es nicht richtig sein, pauschal der „Unterlassungspflicht […] große Bedeutung insbesondere für Schadensersatzansprüche“ zu bescheinigen.197 Die Unterlassungspflicht, der ein Unterlassungsanspruch gegenübersteht, muss eine andere sein als Pflichten, die allgemein aus dem Stammrecht folgen. Der allgemeinen Rechtsachtungspflicht kommt damit letztlich eine Hilfsfunktion zu, deren Relevanz mal größer, mal kleiner ist.198 Sie beschränkt sich vielfach auf eine Art Appellfunktion („Appellpflicht“). Während deren Bedeutung vor allem in den letzten Beispielen gering ist, baut das Schuldrecht begrifflich, wie gesehen, auf der Pflichtverletzung auf. Im Falle einer Vervielfältigung zum Zwecke des Zitats (§ 51 UrhG) ist sie praktisch bedeutungslos (zur Erinnerung: die allgemeine Rechtsachtungspflicht ist keine Unterlassungspflicht). Obwohl hier in das Vervielfältigungsrecht des Urhebers eingegriffen wird (vgl. § 16 UrhG), bestehen für den Urheber keinerlei Rechtsfolgenrechte und damit auch keinerlei korrespondierende konkrete Rechtspflichten für den Dritten. Bei Aufbrauchsfristen wiederum besteht zwar mangels Unterlassungsanspruch keine konkrete Unterlassungspflicht; warum aber dennoch zugleich ein Schadensersatzanspruch bestehen kann, erklärt sich wiederum aus den aus dem Stammrecht folgenden allgemeinen Rechtsachtungspflichten zulasten des Dritten. Auch wenn sich damit im Ergebnis die hier als allgemeine Rechtsachtungspflicht mit dem Stammrecht korrelierende Pflicht in unterschiedlicher Intensität äußert, erscheint die kategoriale Unterscheidung dieser Pflichten von den konkreten mit Rechtsfolgenrechten korrelierenden Pflichten gewinnbringend. Es wird deutlich, dass es für das Bestehen des Unterlassungsanspruchs auf letztere konkreten Pflichten ankommt. Nur wenn in der konkreten Durchsetzungssituation den Anspruchsgegner eine konkrete Unterlassungspflicht trifft, ist Raum für einen spiegelbildlichen Unterlassungsanspruch. Die aus 196 Der Anspruch auf Schadensersatz kann aber zugleich mit einer tenorierten konkreten Unterlassungspflicht begründet werden. Das kann beweisrechtlich vorteilhaft sein, vgl. Köhler, AcP 190 (1990), 496, 512. In der Tat erscheint es logisch, dass jedenfalls bei Bestehen einer konkreten Unterlassungspflicht auch eine allgemeine Rechtsachtungspflicht aus dem Stammrecht besteht, die dann „repliziert“ wurde. 197 Fritzsche, S. 2. 198 Im Falle mittelbarer Verantwortlichkeit sind auch die „Verkehrspflichten“ ein Unterfall der mit dem Stammrecht korrespondierenden allgemeinen Rechtsachtungspflichten, dazu u. § 9 VII.
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§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs
dem Stammrecht folgenden allgemeineren Pflichten sind für diesen nicht ausreichend. Dies wird im nächsten Abschnitt darzulegen sein (u. § 9 III). Vorerst lässt sich festhalten, dass Rechte nicht gleich Rechte und Pflichten nicht gleich Pflichten sind. Sowohl auf der Ebene der Rechtszuweisung als auch der Rechtsdurchsetzung sind jeweils kategorial unterschiedliche Pflichten und Rechte auszumachen.
II. Keine Unterscheidung zwischen absoluten und relativen Rechten Für die dogmatische Struktur des Unterlassungsanspruchs kommt es nicht auf die Natur des die Rechtsfolge Unterlassen auslösenden Stammrechts an. Es ist unerheblich, ob die konkrete Unterlassungspflicht aus einem absoluten oder einem relativen Recht folgt.199 Überzeugend hat vor allem Picker dargelegt, dass über das Vertragsrecht zusätzlich zur allgemeinen Rechts- und Güterzuordnung eine nur für die Vertragsparteien gültige „Sachen- und Vermögensrechtsordnung“ („Sonderrechtsordnung“) geschaffen werden kann.200 Während über § 903 BGB kraft Gesetzes verschiedene Befugnisse dem Eigentümer inter omnes exklusiv zugeordnet werden oder §§ 15 ff. UrhG allgemeinverbindlich statuieren, welche Rechte dem Urheber eines Werkes zustehen, können sich Vertragsparteien inter partes weitere Rechte privatautonom zusprechen. Der Vertrag dient als „Mittel der Zuordnung von Rechtspositionen“, wenn auch über die gesetzliche Zuweisungsordnung hinaus.201 Zutreffend formuliert Henckel mit Blick auf Unterlassungsvereinbarungen: „Es handelt sich also um Verträge, in denen der Versprechende seine Rechtssphäre aus freien Stücken einschränkt, um dem Gläubiger einen Rechtszuwachs zu verschaffen, der über das hinausgeht, was er ohne den Vertrag verlangen könnte.“202 199 Picker, AcP 183 (1983), 369, 399 ff., 479 f., 507 f., 509, 511 ff.; ders., JZ 1987, 1041, 1044, 1056; ders., Festschrift Bydlinski, S. 269, 276, 317; ders., JZ 2010, 541, 547; ders., JZ 2014, 431, 435 f., 440; dem folgend Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 90; ders., Grenzen, S. 227 f.; ders., JuS 1993, 453, 456 f.; ders., ZfA 2004, 101, 125; F. Hartmann, S. 23 f., 61; Gebauer, S. 84; ders., Jura 1998, 128, 130; Kahl, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 205, 215 f.; Katzenstein, S. 142 f., 144 f.; ders., Jura 2005, 217, 219; Wilhelm, Rn. 88 ff.; Hofmann, AcP 213 (2013), 469, 489 f., 494; s. a. Bork, AT, § 9 Rn. 288; Braun, AcP 205 (2005), 127, 133; vgl. Fritzsche, S. 37 f.; bereits H. Lehmann hat eine „wesentliche Inhaltsverschiedenheit“ verneint, S. 15 ff. 200 Picker, AcP 183 (1983), 369, 399 f., 507 f.; ders., JZ 1987, 1041, 1044; durch die zwischen den Parteien geltende „Sonderrechtsordnung“ kann auch die allgemeine Rechtsordnung modifiziert werden; Picker spricht auch von einer „lex contractus“, AcP 183 (1983), 369, 399. 201 Picker, AcP 183 (1983), 369, 399. 202 Henckel, AcP 174 (1974), 97, 124; s. a. a. a. O., 104 und 136 f.
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Was eigentlich erlaubt ist, wird kraft Willensübereinstimmung verboten.203 Die durch einen Vertrag privatautonom geschaffene und zwischen den Parteien gültige Sachen- und Vermögensordnung steht strukturell auf einer Stufe mit der inter omnes geltenden Rechtszuweisung beispielsweise aus § 903 BGB.204 Zerstört der Vertragsschuldner die verkaufte Sache, folgt der entsprechende Schadensersatzanspruch des Gläubigers gemäß §§ 280, 283 BGB der gleichen Logik, wie wenn ein Dritter zurechenbar mit den dem Eigentümer einer Sache nach § 903 BGB zugeordneten Befugnissen in Widerspruch gerät und daher zur Zahlung von Schadensersatz aus § 823 I BGB verpflichtet wird. Es wird je für die zurechenbare Verletzung eines dem anderen zugeordneten Rechts gehaftet.205 Der Unterschied zwischen absoluten und relativen Rechten entpuppt sich als quantitativ, nicht als qualitativ. Während vertragliche Rechte lediglich eine Zuweisung inter partes bewirken, sind gesetzliche Rechte von jedermann zu beachten. Oder mit Gebauer: „Obligatorische und dingliche Positionen unterscheiden sich nur im Hinblick auf den Kreis der Personen, denen gegenüber die Position geschützt ist, nicht aber im Hinblick auf den Schutz und seinen Umfang als solchen.“206
Einen Unterschied macht dies dann im Falle der Veräußerung. Wird ein Grundstück übereignet, binden den Rechtsnachfolger nur dingliche Unterlassungspflichten (z. B. aus einer Dienstbarkeit), nicht aber vertragliche Vereinbarungen des Alt-Eigentümers mit Dritten.207 Auch Heinze schlussfolgert aus der oben referierten Trennung zwischen Bewertungs- und Bestimmungsnorm in diesem Sinne, dass der Unterschied zwischen absoluten und relativen Rechten nicht maßgeblich ist.208 Die „Bestimmungsnorm“ setze durch, was durch eine Bewertungsnorm zugewiesen ist. Dabei sei es gleichgültig, ob die Zuweisung kraft Gesetzes oder privatautonom erfolgt. Die Bestimmungsnorm sei stets gleich strukturiert.209 Da Rechte und Pflichten nur aus Bestimmungsnormen folgten, gibt es damit letztlich nur „relative“ Rechte und Pflichten: „Dann folgt aber aus der thesenartig begründeten Einheit des ‚Pflicht‘-Begriffs in unserem Zivilrecht zugleich die Einheit des ‚Rechts‘-Begriffs sowohl für sog. Herrschaftswie Forderungsrechte, weil die konkretisierte Bestimmungsnorm nicht nur alleinige 203
Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Rn. 162. Picker, JZ 1987, 1041, 1044. 205 Picker, AcP 183 (1983), 369, 399 f.; ders., JZ 1987, 1041, 1044; ders., JZ 2014, 431, 440. 206 Gebauer, Jura 1998, 128, 130; ders., S. 84. 207 Vgl. Posner, S. 82 für “negative covenants”. 208 M. Heinze, S. 39 (Fn. 165), 47, 55 (Fn. 224). 209 M. Heinze, S. 39 (Fn. 165). 204
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§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs
Quelle der konkreten Rechtspflicht, sondern ebenso allein Quelle des konkretisierten Rechts, des Imperativ ist.“210
Mit anderen Worten: Sieht man die Rechtsdurchsetzung als von der Rechtszuweisung abgekoppelt, unterscheiden sich relative Rechte und absolute Rechte nur auf der Ebene der Rechtszuweisung. Während der Inhalt der Zuweisung bei den absoluten Rechten durch den Gesetzgeber vorgenommen wurde, muss bei den relativen Rechten eine Zuweisung zwischen den jeweils Beteiligten erst privatautonom ausgehandelt werden. Ökonomisch betrachtet unterscheiden sich beide Verpflichtungsgründe vor allem in unterschiedlichen Transaktionskosten.211 Die hier besonders interessierende Rechtsdurchsetzung erfolgt in allen Fällen gleich. Immer geht es um die Rechte und Pflichten aus dem durch die „Bestimmungsnorm“ erzeugten Rechtsverhältnis zwischen zwei konkreten Personen. Auch das absolute Recht lässt sich in „Einzelbeziehungen“ auflösen.212 Für die Rechtsdurchsetzung kommt es ausschließlich darauf an, dass sich ein Dritter in Widerspruch zu einer von ihm zu beachtenden Rechtszuweisung setzt. Die Rechtsdurchsetzung gipfelt stets in einem Zwei-Personen-Verhältnis.213 Oder zugespitzt: „[A]lle Rechte [sind] in letzter Linie obligatorische Rechte.“214 Eine solche Sichtweise wird im Übrigen auch im anglo-amerikanischen Rechtskreis vertreten. Auch dort wird argumentiert, dass etwa Ausschließlichkeitsrechte als Verpflichtungen einer unbestimmten Zahl von Personen umformuliert werden, also auch als Bündel einer unbestimmten Zahl „relativer Rechte“ gedacht werden könnten:215 “Thus, instead of saying that everyone on an infinite list owes me certain obligations in relation to a certain car or a screenplay, we say that I hold proprietary rights in the car or in the screenplay.”216
Entsprechend resümiert Smith: “The only difference [between personal rights and proprietary rights] is that personal rights avail only against some specific person or persons.”217
Dem liegt die von Hohfeld betonte Erkenntnis zugrunde, dass sich auch Eigentumsrechte nicht auf Sachen beziehen, sondern namentlich Rechte 210
M. Heinze, S. 47. Landes/Posner, S. 12 f. 212 H. Lehmann, S. 15; s. a. Smith, 24 Can. Bus. L. J. (1994/95), 121, 131; Dreier, S. 496. 213 Vgl. Picker, Festschrift Bydlinski, S. 269, 274. 214 Hold v. Ferneck, S. 127; s. a. M. Heinze, S. 47. 215 Smith, 24 Can. Bus. L. J. (1994/95), 121, 131; vgl. auch Attorney General v. Blake [2001] 1 A. C. 268, 283. 216 Smith, 24 Can. Bus. L. J. (1994/95), 121, 131. 217 Smith, 24 Can. Bus. L. J. (1994/95), 121, 132. 211
III. Rechtsverwirklichung mittels der Rechtsfolge Unterlassen
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und Pflichten zwischen Personen begründen.218 Vertragliche Rechte und Eigentumsrechte unterscheiden sich damit nur in der Zahl der Personenbeziehungen, während sich die analytische Grundstruktur kategorial gerade nicht unterscheidet.219
III. Rechtsverwirklichung mittels der Rechtsfolge Unterlassen Nun gilt es, die einzelnen Elemente des Unterlassungsanspruchs beziehungsweise synonym des Rechtsfolgenrechts Unterlassen im Detail zu identifizieren. Das Auffinden konkreter Unterlassungspflichten ist privatrechtsübergreifend mit Blick auf die Rechtsdurchsetzung die entscheidende Aufgabe.220 Es wurde bereits dargelegt, dass konkrete Unterlassungspflichten nicht mit der aus dem Stammrecht folgenden allgemeinen Rechtsachtungspflicht vertauscht werden dürfen. Ob den Anspruchsgegner eine echte Pflicht trifft, ein bestimmtes Verhalten einzustellen beziehungsweise nicht zu beginnen, hängt davon ab, ob eine Anspruchsgrundlage dem Anspruchsteller ein entsprechendes Rechtsfolgenrecht vermitteln kann. Dies wiederum kann nur mit Blick auf eine konkrete Fallgestaltung, in der das Stammrecht durchgesetzt werden soll, herausgefunden werden. Ein bloßer Blick auf Anspruchsgrundlagen reicht dabei nicht aus. Erst im Zusammenspiel mit weiteren Normen (z. B. § 53 UrhG; §§ 275 I, II, 214 I, 242 etc. BGB) lässt sich klären, ob im konkreten Fall die Rechtsfolge Unterlassen gewährt wird. Zudem finden sich ungeschriebene Anspruchsgrundlagen. Gerade in Grenzfällen, etwa bei den so genannten unselbständigen Unterlassungsansprüchen, ist es letztlich eine Wertungsfrage, ob der Gläubiger ein vorausliegendes Stammrecht mit Unterlassungsansprüchen verteidigen können soll. Von Interesse sind dabei zunächst nur entsprechende Unterlassungspflichten, die aus Ausschließlichkeitsrechten (1.), negativen vertraglichen Vereinbarungen (2.), zum Schutze sonstiger vertraglicher Rechte (3.) oder gesetzlichen Verboten (4.) folgen können. Eine solche Unterlassungspflicht ist – wie im nächsten Abschnitt gezeigt werden wird (§ 9 IV) – für einen Unterlassungsanspruch eine notwendige, wenn auch keine hinreichende Voraussetzung. „Rechtswidrigkeit“ ist hingegen kein eigenständiges Kriterium.221 218 Hohfeld, 26 Yale L. J. (1917), 710, 720 ff., 733 ff.; s. a. Hadding, JZ 1986, 926, 927 f.; Wüstenbecker, JA 1984, 227; Wolf/Neuner, § 19 Rn. 6. 219 Hohfeld, 26 Yale L. J. (1917), 710, 723. 220 Bereits für H. Lehmann war die Suche nach Unterlassungspflichten wesentlich, vgl. S. 132 ff., 157 ff.; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 115, stellt darauf ab, dass „Gegenstand der Unterlassungsklage ist […] jedenfalls die Unterlassungspflicht des Beklagten.“ (Hervorhebung nicht im Original), s. a. ders., a. a. O., 136 f.; vgl. Wilhelmi, S. 124 ff. 221 Vgl. auch Jansen, AcP 216 (2016), 112, 130 ff., der darauf aber bei der negatorischen Haftung gerade nicht verzichten will.
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§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs
1. Konkrete Unterlassungspflichten zur Durchsetzung von Ausschließlichkeitsrechten Der Zusammenhang zwischen den entsprechenden Rechten und Pflichten wurde mit Blick auf Ausschließlichkeitsrechte bereits hinreichend erläutert.222 Zu ergänzen bleibt, dass ein isolierter Blick in die Anspruchsgrundlagen zur Gewährung von Unterlassungsansprüchen zwecks der Verwirklichung einschlägiger Ausschließlichkeitsrechte nicht ausreicht. Bereits die Systematik von § 1004 I zusammen mit § 1004 II BGB oder § 97 UrhG i. V. m. §§ 15 ff. und 44a ff. UrhG macht deutlich, dass erst die Gesamtschau der Regelungen rund um das zu verwirklichende Stammrecht zu Tage bringt, ob das entsprechende Stammrecht in einer konkreten Durchsetzungssituation mit einem Unterlassungsanspruch zur Geltung gebracht wird. Auch allgemeine Privatrechtsregelungen können für den Ausschluss des Unterlassungsanspruchs und damit für das Fehlen einer konkreten Unterlassungspflicht sorgen. Darauf wird unten in § 11 näher eingegangen. Hier interessiert zunächst nur, dass im Ergebnis eine konkrete Unterlassungspflicht nicht bereits dann besteht, wenn ein Eingriff in den Schutzbereich des Ausschließlichkeitsrechts vorliegt; dieses muss vielmehr auch in der konkreten Situation mit der Rechtsfolge Unterlassen durchgesetzt werden können. Im Rahmen der Rechtsanwendung kann allerdings davon ausgegangen werden, dass ohne gegenteilige Anhaltspunkte Ausschließlichkeitsrechte zum Zwecke ihrer Durchsetzung solche Unterlassungspflichten auslösen.223 Dies folgt bereits aus einem Umkehrschluss zu Bestimmungen, die die Rechtsfolge Unterlassen für bestimmte Fälle ausschließen. Die als „Schranken“ bezeichneten Tatbestände regeln den Ausschluss der Rechtsfolge Unterlassen dadurch, dass es an einer konkreten Unterlassungspflicht des Dritten fehlt.
2. Konkrete Unterlassungspflichten aus negativen vertraglichen Vereinbarungen Entsprechend unproblematisch ist das Auffinden konkreter Unterlassungspflichten, die bei der Durchsetzung negativer vertraglicher Verpflichtungen auftreten. Die Arbeit geht von der Überlegung aus, dass Rechtsfolgenrechte der Durchsetzung ihnen vorausgelagerter Rechte dienen. Ordnen Vertragsparteien ihre Verhältnisse privatautonom, bedeutet dies daher im Ausgangspunkt, dass zugunsten des Gläubigers ein vertraglich begründetes Stammrecht entsteht. Welche konkreten Pflichten dieses gegenüber dem Schuldner mit sich bringt, ist demgegenüber bereits eine Frage der situationsabhängigen Rechts222 223
Eben o. § 9 I 4. Vgl. auch o. § 5 I 4 d).
III. Rechtsverwirklichung mittels der Rechtsfolge Unterlassen
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durchsetzung. Dies wird nicht immer klar. So finden sich in der Literatur mit Blick auf die Unterlassungsvereinbarung selbst Formulierungen wie „rechtsgeschäftlich begründete[…] selbständige Unterlassungspflichten“224 oder es ist die Rede von der Möglichkeit, „Unterlassungspflichten in die Vertragsregelung einzubringen“.225 Auch die Parteien selbst werden bisweilen der Vorstellung anhaften, dass sie im Falle von Unterlassungsverträgen verabreden, was der andere nicht tun soll, also welche Pflichten den Schuldner treffen sollen (vgl. § 433 I S. 1 BGB).226 Der Wille der Parteien geht aber nicht nur darauf, eine Pflicht zu begründen, sondern zugleich und vor allem ein korrespondierendes Recht des Gläubigers. Bei der Lektüre entsprechender Vertragswerke muss folglich bedacht werden, dass zwar häufig von „Pflichten“ der Vertragsparteien die Rede ist, „was in der Regel nichts anderes bedeutet, als daß der anderen Partei auch ein entsprechender Anspruch eingeräumt wird“,227 genauer: ein entsprechendes Stammrecht. Wann aber aus jenem vertraglichen Stammrecht eine konkrete Unterlassungspflicht für den Gläubiger folgt, ist ein Problem der Rechtsdurchsetzung im konkreten Fall (o. § 9 I 4). Rechtspraktisch kann dabei wie auch bei Ausschließlichkeitsrechten davon ausgegangen werden, dass aus dem Recht des Gläubigers zum Zwecke seiner Durchsetzung eine entsprechende konkrete Unterlassungspflicht folgt. Dies resultiert aber nicht aus § 280 I BGB, sondern aus der gesetzlichen Systematik, die davon ausgeht, dass vertragliche Rechte in Natur durchsetzbar sind.228 Auch der Naturalerfüllungsanspruch infolge einer positiven vertraglichen Vereinbarung steht dem Gläubiger regelmäßig zur Verfügung. Allerdings belegt namentlich § 275 I, II BGB, dass dies nicht zwingend der Fall sein muss. Abhängig von der konkreten Durchsetzungssituation kann ein Unterlassungsanspruch und damit dem vorgelagert eine konkrete Unterlassungspflicht ausgeschlossen sein.
3. Konkrete Unterlassungspflichten zum Schutze sonstiger vertraglicher Rechte Konkrete Unterlassungspflichten können nicht nur aus ausdrücklichen Vereinbarungen folgen, sondern auch zum Schutze sonstiger vertraglicher Rechte des 224 Palandt/Grüneberg,
§ 241 Rn. 4; ähnlich Grosch, S. 35 (Rn. 138). Müller-Laube, Festschrift Rolland, S. 261; mit Blick auf Unterlassungserklärungen verweist Dreier, S. 496 f., darauf, dass „letztlich also eine gesetzlich konkretisierte und individualisierte Pflicht durch die vertraglich konkretisierte und individualisierte Pflicht ersetzt“ wird. Nach hier vertretener Ansicht wird jedoch durch den Vertrag nur ein „Stammrecht“ begründet, nicht eine „individualisierte Pflicht“. 226 Entsprechend stellt auch der Wortlaut von § 433 I S. 1 BGB auf Pflichten ab. 227 Fritzsche, S. 56. 228 Anders BGHZ 178, 63 = GRUR 2009, 173 Rn. 13 ff. – bundesligakarten.de; s. a. Fritzsche, S. 56 (Fn. 4), der den Unterlassungsanspruch aber nicht „als Rechtsfolge eines Verstoßes gegen den Unterlassungsanspruch“ verstanden wissen will; vgl. o. § 5 III 3. 225
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§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs
Gläubigers entstehen. Nicht jedes rechtlich geschützte Interesse des Gläubigers wird aber mit einem Unterlassungsanspruch des Gläubigers und damit korrespondierend einer Unterlassungspflicht des Schuldners verwirklicht.229 Gemäß § 241 II BGB hat der Schuldner die Rechte und Interessen des Gläubigers zu beachten. Hier findet sich der Sache nach eine Kodifizierung der allgemeinen Rechtsachtungspflicht als Korrespondenzbegriff zum entsprechenden vertraglichen Stammrecht des Gläubigers (o. § 9 I 4). Ob den Schuldner aber eine konkrete Rechtspflicht, namentlich eine konkrete Unterlassungspflicht trifft, ist damit nicht ausgemacht. Dies hängt davon ab, ob diese Rechtsachtungspflichten (respektive das korrelierende vertragliche Stammrecht) ausschließlich mit Schadensersatzansprüchen (§ 280 I BGB wegen Verletzung der mittels § 241 II BGB konkretisierten Rechtsachtungspflicht) verwirklicht werden oder mit Unterlassungsansprüchen. Während der Käufer einer Sache beispielsweise ein Recht auf Übergabe und Übereignung hat, muss der Verkäufer dieses Recht des Gläubigers etwa dadurch achten, dass er keinen „Doppelverkauf“ (genauer: keine den Naturalerfüllungsanspruch vereitelnde Verfügung) durchführt, sich leistungsbereit hält und auch sonst alles unterlässt, was der Vertragsdurchführung zuwiderläuft. Ob sich dies zu einer konkreten Rechtspflicht, insbesondere in Form einer konkreten Unterlassungspflicht wandelt (genauer: nach sich zieht), hängt davon ab, ob dem Gläubiger ein entsprechender Durchsetzungsmechanismus zur Verfügung stehen soll. Während Einigkeit besteht, dass die Missachtung der allgemeinen Rechtsachtungspflicht ex post Schadensersatzansprüche begründen kann, ist, wie gesehen, umstritten, ob entsprechende Unterlassungsansprüche bestehen.230 Richtigerweise ist nicht danach zu fragen, ob Unterlassungsansprüche „klagbar“ sind,231 sondern ob ein selbständiger Unterlassungsanspruch „zuzuerkennen“ ist.232 Nur dann bestehen zugleich konkrete Unterlassungspflichten, die wiederum nicht mit den allgemeinen Rechtsachtungspflichten vermischt werden dürfen.233 Gerade diese systematische Trennung kann für Klarheit sorgen. Ob aber sowohl ein Anspruch als auch korrespondierende konkrete Pflichten in der Sache bestehen, folgt nicht schematisch aus § 280 I BGB oder § 241 II BGB,234 sondern ist letztlich eine 229
Übersicht o. § 7 III. Dazu o. § 7 III und bereits o. § 5 IV 1 c). 231 Dazu eingehend o. § 7 III 3. 232 Köhler, AcP 190 (1990), 496, 503 („setzt […] das Vorliegen eines materiellrechtlichen Unterlassungsanspruchs voraus“), 506, 508; vgl. Fritzsche, S. 60 f. 233 Vgl. aber Köhler, AcP (1990), 496, 503 („[n]icht jeder Unterlassungspflicht entspricht jedoch gleichzeitig ein Unterlassungsanspruch“), 508 („Zuerkennung eines korrespondierenden Unterlassungsanspruchs [ist] davon abhängig […], daß anderweitige Sanktionen der Pflichtverletzung nicht ausreichen“). 234 Vgl. aber Lobinger, ZfA 2004, 101, 124 f.; s. a. o. § 8 II. 230
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Wertungsfrage.235 Würde die Freiheit des anderen Teils zu stark eingeschränkt oder sind Alternativrechtsfolgen ausreichend,236 spricht dies tendenziell gegen einen entsprechenden Unterlassungsanspruch sowie entsprechend gegen eine konkrete Unterlassungspflicht.237 Geht es um den Schutz wichtiger Rechtsgüter wie Leib oder Leben, streiten die besseren Argumente regelmäßig für die Gewährung eines Unterlassungsanspruchs.238 Um die Interessenabwägung im Einzelfall kommt man jedoch nicht herum.239
4. Konkrete Unterlassungspflichten zur Verwirklichung gesetzlicher Verbote Selbst bei gesetzlichen Verboten bildet die Berechtigung den Ausgangspunkt (o. § 5 III 5). Aus dieser folgt aber wiederum nur die allgemeine Rechtsachtungspflicht. Ob die Rechtsdurchsetzung mittels Unterlassungsansprüchen erfolgt und damit konkrete Unterlassungspflichten auftreten, ist zwar vielfach gesetzlich ausdrücklich angeordnet (vgl. § 33 I GWB; § 8 I UWG). Wie gesehen, kann aber namentlich über „Aufbrauchsfristen“ die Rechtsfolge Unterlassen punktuell ausgeschlossen sein. Auch das jedermann zustehende Recht, nicht sittenwidrig geschädigt (vgl. § 826 BGB) oder betrogen zu werden (vgl. § 823 II BGB, § 263 StGB), kann über § 1004 I BGB analog mittels Unterlassungsansprüchen verwirklicht werden.240 Nichts anderes gilt für das Individualrecht gegen Diskriminierung (vgl. § 21 AGG beziehungsweise § 15 AGG i. V. m. § 1004 I BGB analog).241 Schwieriger ist die Rechtslage im Betriebsverfassungsrecht. Wenn beispielsweise in § 74 II S. 3 BetrVG steht, dass Arbeitgeber und Betriebsrat jede parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen haben, ist dort trotz der negativen Formulierung lediglich ein Stammrecht des Betriebsrats beziehungsweise Arbeitgebers auf politische Neutralität geregelt. Eine konkrete Unterlassungspflicht folgt daraus nicht, da in dieser Norm keine Anspruchsgrundlage ruht. Es muss in der Sache ermittelt werden, ob das ent235 Stürner, JZ 1976, 384, 385; Köhler, AcP 190 (1990), 496, 506, verweist auf die ergänzende Vertragsauslegung. Dabei soll es auf eine „Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls“ ankommen. 236 Köhler, AcP 190 (1990), 496, 506 („ultima ratio“), 509; vgl. Medicus/Petersen, BR, § 11 Rn. 208; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 111 f.; zur „Doppelveräußerung“ und insbesondere § 285 BGB vgl. Maultzsch, AcP 207 (2007), 530, 538 f.; Köndgen, RabelsZ 56 (1992), 696, 737 ff. 237 Stürner, JZ 1976, 384, 391, will jedoch, soweit Abhilfe durch eine einstweilige Verfügung möglich ist, selbst einen ausdrücklich vereinbarten Unterlassungsanspruch nicht zulassen; dagegen Fritzsche, S. 67 (Fn. 95). 238 Zur Möglichkeit eines Ausweichens bei Verkehrspflichten aber Erman/G. Schiemann, Vor § 823 Rn. 21. 239 Vgl. Köhler, AcP 190 (1990), 496, 503 ff.; zum Ganzen auch o. § 5 IV 1 c). 240 Vgl. Palandt/Sprau, Einf v. § 823 Rn. 23, 27 ff.; dazu bereits o. § 7 V und § 5 III 5. 241 Vgl. MünchKomm/Thüsing, AGG, § 15 Rn. 53, der allerdings auf das Persönlichkeitsrecht abstellt.
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§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs
sprechende Recht des Betriebsrats beziehungsweise Arbeitgebers auch mittels eines Unterlassungsanspruchs durchgesetzt werden kann.242
5. Ergebnis Das Bestehen einer konkreten Unterlassungspflicht ist damit das privatrechtsübergreifende Strukturmerkmal sämtlicher privatrechtlicher Unterlassungsansprüche. Wird ein Stammrecht – und dies ist die entscheidende Konkretisierung: in einer konkreten Durchsetzungssituation – mit einem Unterlassungsanspruch verwirklicht, trifft den Anspruchsgegner ausnahmslos eine konkrete Unterlassungspflicht. Diese wiederum darf nicht mit den allgemeinen aus dem Stammrecht folgenden Rechtsachtungspflichten vermengt werden. Gerade diese analytische Unterscheidung mag in Grenzfällen Orientierung bieten.
IV. Begehungsgefahr Während Leistungsansprüche ungeachtet des Streits um die Bedeutung der Fälligkeit entstehen, ohne dass es auf eine Nichtbeobachtung der Leistungsverpflichtung durch den Schuldner ankäme,243 ist die Frage der Entstehung von Unterlassungsansprüchen komplexer. Würde man die Anspruchsentstehung mit der Entstehung eines absoluten Rechts oder eines gesetzlichen Verbots gleichsetzen, wäre ein Anspruch jeder gegen jedermann jederzeit die unschöne Folge. Um diesem Dilemma zu entgehen, wurde mit Blick auf gesetzliche Unterlassungspflichten die Existenz materieller Unterlassungsansprüche in der älteren Literatur geleugnet.244 Wie oben in § 2 I 3 ausgeführt, sollten statt eines materiellrechtlichen Anspruchs auf Unterlassung möglicher Verletzungen gegen jedermann prozessuale Rechtsbehelfe die Interessen des „Unterlassungsgläubigers“ schützen.245 Während heute allgemein anerkannt ist, dass es materielle Unterlassungsansprüche gibt,246 bleibt das Problem, 242
Zum Meinungsstand o. § 5 IV 4 b) und auch § 5 IV 3 a). Dazu o. § 5 II 2. 244 Nur Siber, Rechtszwang, S. 99 ff.; Überblick bei Fritzsche, S. 114 ff.; ein vertraglicher Unterlassungsanspruch wurde als materiellrechtlicher Anspruch akzeptiert, Nikisch, § 38 IV, S. 148; Grosch, S. 45 (Fn. 188), 119; Wesel, Festschrift v. Lübtow, S. 787, 789. 245 Zudem wurde ohne eine spezifische Gefährdung des Rechts das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage abgesprochen, vgl. zum Streit Storch, GRUR 1973, 210; andere dachten über die Anwendbarkeit von § 259 ZPO nach, vgl. BGH GRUR 1956, 238, 240 – WestfalenZeitung; kritisch zum Ganzen Wesel, Festschrift v. Lübtow, S. 787, 797 ff.; Zeuner, Festschrift Dölle, S. 295, 310 ff. 246 BGH GRUR 1973, 208, 209 – Neues aus der Medizin; Zeuner, Festschrift Dölle, S. 295, 304 f.; Münzberg, JZ 1967, 689, 693; Fritzsche, S. 26, 114 ff., 535 ff. 243
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dass die von vielen verfochtenen „allgemeinen Unterlassungspflichten“, die Unterlassungsansprüchen vorausliegen sollen (vgl. soeben § 9 I 3 b)), unbestimmt erscheinen. Selbst wenn man mit hier vertretener Ansicht aus der Perspektive der Rechtsdurchsetzung nur konkrete Unterlassungspflichten kennt, ist das Problem, dass der Berechtigte jederzeit die Einhaltung dieser freilich auf einen konkreten Sachverhalt und konkreten Anspruchsgegner konkretisierten Unterlassungspflicht verlangen könnte, nicht ausgeräumt. Der Verletzungszeitpunkt bleibt unbestimmt (1.). Bei vertraglichen Unterlassungsansprüchen (zumindest Gläubiger und Schuldner stehen hier von vorneherein fest) wird daher vertreten, dass deren Durchsetzung, bevor eine Zuwiderhandlung gegen die vertragliche Abrede droht, auf prozessualer Ebene zu begrenzen ist. Gesetzliche Unterlassungsansprüche sollen demgegenüber ohne eine tatsächliche oder drohende Rechtsverletzung bereits materiellrechtlich nicht entstehen. Erst wenn eine Gefährdung des Rechts droht, „verstärkt“, „verdichtet“ beziehungsweise „wandelt“ sich die „Unterlassungspflicht“ zu einem Anspruch.247 Vor der Gefährdung des Rechts – oder wie hier: der Zuwiderhandlung gegen die konkrete situationsabhängig auszumachende Unterlassungspflicht – bestehen schließlich weder ein Bedürfnis für gerichtlichen Rechtsschutz noch ein Interesse an einem „Verlangenkönnen“. Freilich kann diese Besonderheit der Rechtsfolge Unterlassen ungeachtet der Herkunft der konkreten Unterlassungspflicht einheitlich gelöst werden. In allen Fällen geht es nicht um die angriffsweise Durchsetzung von Rechten, sondern um die Abwehr von Eingriffen in die zu verteidigende Rechtssphäre.248 Bei sämtlichen Unterlassungsansprüchen erweist sich die Frage nach dem Verletzungszeitpunkt als die entscheidende (2.). Erst dann besteht privatrechtsübergreifend das Bedürfnis für den Rechtsbehelf Unterlassen. Oder abstrakt formuliert: Erst wenn sämtliche Bestimmtheitsprobleme rund um das Rechtsfolgenrecht gelöst sind (Inhalt der Pflicht, Gläubiger, Schuldner, Verletzungszeitpunkt), entsteht der Unterlassungsanspruch. Dogmatisch erscheint diese zeitliche, materiellrechtliche Komponente der Begehungsgefahr249 bei sämtlichen Unterlassungsansprüchen in Form von Erstbegehungs- beziehungsweise Wiederholungsgefahr (3.).
247 Münzberg, JZ 1967, 689, 692 (einschl. Fn. 32 und Fn. 39); Zeuner, Festschrift Dölle, S. 295, 305; vgl. Grosch, S. 49. 248 Vgl. Zeuner, Festschrift Dölle, S. 295. 249 Zum Begriff Medicus/Petersen, BR, § 19 Rn. 440; Fritzsche, S. 133 (Fn. 4); Wesel, Festschrift v. Lübtow, S. 787, 799 („Beeinträchtigungsgefahr“); so auch Bacher, S. 1.
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§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs
1. Unbestimmtheit als Grunddilemma von Unterlassungsansprüchen Während es einleuchtet, dass jedermann jederzeit fremde Eigentumsrechte zu achten hat,250 lässt sich die Frage, ob umgekehrt der Eigentümer jederzeit von jedermann die Achtung seines Eigentums beanspruchen kann, weniger leicht beantworten. Würde man dies bejahen, hätte der Berechtigte einen Anspruch gegen jedermann zu jeder Zeit. Konsequent zu Ende gedacht gäbe es zahlreiche Ansprüche jeder gegen jeden jederzeit.251 Dies irritiert. Ein Unterlassungsanspruch gegen alle Welt hätte keine Bedeutung.252 In der Sache handelt es sich bei der Frage „allgemeiner Unterlassungspflichten“ wie korrespondierend beim „Anspruch gegen jedermann“ freilich um ein Bestimmtheitsproblem.253 Sollen Verhaltenspflichten mittels eines Anspruchs durchgesetzt werden, verlangt dies eine Konkretisierung des gewünschten Verhaltens ex ante und nicht erst wie bei bloß schadensersatzbewehrten Pflichten ex post.254 Während bei Leistungsansprüchen bei Fälligkeit feststeht, wer von wem, wann, was verlangen kann, ist bei gesetzlichen Unterlassungsansprüchen zunächst der Schuldner unbekannt.255 Dies hebt etwa v. Tuhr hervor: „Ansprüche im Sinn des BGB entstehen nicht ohne weiteres aus dem allgemeinen Verbot der Störung dinglicher Rechte: denn der ‚Andere‘, von dem ein Tun oder Unterlassen verlangt wird, muss eine bestimmte Person sein.“256
Auch fehlt es an einer inhaltlichen Konkretisierung.257 Ein Anspruch bedarf eines konkretisierten Sachverhalts. Dies hat letztlich auch prozessuale Gründe; 250
Zur Frage, ob dies bereits eine „Pflicht“ begründet o. § 9 I. Bereits o. § 2 II 3. 252 H. Lehmann, S. 109; Thon, S. 156 f. 253 Henckel, AcP 174 (1974), 97, 120 („Unterlassungsklage dient der Konkretisierung von Rechtspflichten“); Soergel/Niedenführ, § 194 Rn. 1 („Wesentlich für den Begriff des Anspruchs ist die Bestimmtheit des Berechtigten, des Verpflichteten und des Inhalts“); Böhm, S. 15, 31; Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.8 und Rn. 1.10; Fritzsche, S. 39, Bamberger/Roth/Fritzsche, § 1004 Rn. 80, sieht hingegen ein Prognoseproblem. Es bedarf einer Prognose, ob der Anspruchsgegner in Zukunft erneut das verpönte Verhalten vornimmt. Beim vertraglichen Unterlassungsanspruch soll sich dies erübrigen, da dieser bereits mit der Parteivereinbarung entstanden sei. Dagegen sogleich im Text. 254 Stürner, JZ 1976, 384, 385; vgl. Nosch, S. 273, mit Blick auf Wettbewerbsverbote. 255 Enneccerus/Nipperdey, § 222 II, S. 1363; Wesel, Festschrift v. Lübtow, S. 787, 799 f.; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 141; Motzer, JZ 1983, 884, 888; Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.8; vgl. aber H. Lehmann, S. 110. 256 v. Tuhr, § 15 II, S. 243; vgl. aber Gierke, § 29, S. 258; H. Lehmann, S. 109 f. („Verpflichtet ist […] nur derjenige, welcher in den dem Berechtigten abgegrenzten Machtbereich gelangt“). 257 Stürner, JZ 1976, 384, 386; Münzberg, JZ 1967, 689, 693; Motzer, JZ 1983, 884, 886, 887 („In Wirklichkeit ist immer dann, wenn die Pflicht zur Unterlassung von Verletzungen der Rechtsgüter eines anderen hinreichend konkretisiert ist, auch ein klagbarer Anspruch gegeben.“); Fritzsche, S. 71 ff.; Weller, S. 268 f.; der Schutzberechtigte kann den geschuldeten Schutz nicht einfordern, weil er die abzuwehrende Gefahr nicht kennt, Medicus/Petersen, AT, § 11 Rn. 78a. 251
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IV. Begehungsgefahr
man denke an § 253 II Nr. 2 ZPO.258 So gibt es nach Münzberg auch keine allgemeinen Auskunftspflichten, sondern nur „die Pflicht des Schuldners A, dem Gläubiger B die Tatsache C im Zeitraum D mitzuteilen.“259 Erst wenn ein konkreter Sachverhalt jeweils für Konkretisierung sorgt, kann ein Unterlassungsanspruch aus einem absoluten Recht oder einer gesetzlichen Verhaltenspflicht entstehen.260 Die Problematik stellt sich – wenn auch nicht in gleicher Schärfe – auch im Vertragsrecht. Gläubiger und Schuldner des Anspruchs stehen hier zwar fest. Allerdings ist die inhaltliche Bestimmtheit nicht stets gewährleistet.261 Wenn in Mietverträgen beispielsweise geregelt ist, dass der Mieter alles zu unterlassen hat, was dem „gedeihlichen Zusammenleben“ zuwiderläuft, soll daraus mangels Bestimmtheit noch kein Anspruch folgen.262 Vor allem sonstige „Schutzpflichten“ in Verträgen erweisen sich vielfach zunächst inhaltlich unbestimmt.263 Stets stellt sich vor allem das Problem, dass der Gläubiger – ohne zusätzliche Tatbestandsmerkmale – jederzeit die Einhaltung der Unterlassungsvereinbarung „beanspruchen“ kann. Es lässt sich damit zusammenfassen: Erkennt man – entgegen der hier vertretenen Ansicht – „allgemeine Unterlassungspflichten“ an, fehlt es sowohl an inhaltlicher, personaler als auch zeitlicher Bestimmtheit, was sich entsprechend auf einen Anspruch durchschlagen würde. Die folgende Tabelle soll verdeutlichen, dass es bei „Unterlassungsgeboten“ rund um gesetzliche Verhaltenspflichten, absolute Rechte, vertragliche Schutzpflichten oder Unterlassen als Leistung verschiedentlich an Bestimmtheit fehlt. Problem der Unbestimmtheit „allgemeiner“ Unterlassungspflichten Quelle der Unterlassungs pflicht
Inhaltliche Bestimmtheit
Gesetzliches Allgemeine UnterVerbot lassungspflicht Absolute Rechte Allgemeine Unterlassungspflicht Vertragliche Allgemeine UnterSchutzpflichten lassungspflicht Allgemeine UnterLeistungsunterlassung lassungspflicht 258
Zeitliche Personale Personale Bestimmt Bestimmtheit Bestimmtheit (Anspruchsteller) (Anspruchsgegner) heit Jedermann
Jedermann
Jederzeit
Jedermann
Jedermann
Jederzeit
Gläubiger
Schuldner
Jederzeit
Gläubiger
Schuldner
Jederzeit
Fritzsche, S. 72 f.; Köhler, AcP 190 (1990), 496, 509 f.; Gernhuber, § 2 IV, S. 25. Münzberg, JZ 1967, 689, 693. 260 Baur, JZ 1966, 381, 383. 261 Stürner, JZ 1976, 384, 386; anders Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.13. 262 Fritzsche, S. 68. 263 Köhler, AcP 190 (1990), 496, 509 f. 259
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§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs
In § 9 I 4 wurde freilich herausgearbeitet, dass „allgemeine Unterlassungspflichten“ im Sinne von bindenden Verhaltensgeboten nicht existieren beziehungsweise dass deren Anerkennung nur unnötig den Blick verstellt.264 Zumindest wurde argumentiert, dass die Frage, ob ein Stammrecht eine konkrete Unterlassungspflicht auslöst, also mit der Rechtsfolge Unterlassen durchgesetzt wird, immer mit Blick auf einen konkreten Sachverhalt ermittelt werden muss. Nach Münzberg bedarf es dabei eines Sachverhalts, der ausreicht, um (1) den Inhalt der Pflicht, (2) die Person des Verpflichteten und (3) die Person des Begünstigten zu bestimmen.265 Pflichten müssen also inhaltlich wie personal bestimmt sein. Sachverhaltsneutrale Unterlassungspflichten führen nicht weiter: „Aber es wird nicht genügend berücksichtigt, daß der durch § 1004 BGB ermöglichte Umwandlungsprozeß nicht irgendwelche anonymen Unterlassungspflichten ‚eines jeden gegen jeden‘ betrifft, sondern nur Pflichten, die bereits konkretisiert sind“.266
Auch im Vertragsrecht besteht kein Anspruch darauf, dass beispielsweise der Werkunternehmer nicht das Eigentum des Bestellers verletzt, sondern allenfalls, dass ersterer nicht die Gartenpflanzen durch Farbe verunstalten darf.267 Sowohl die personale als auch die inhaltliche Unbestimmtheit lassen sich allerdings bereits vor einer konkreten Zuwiderhandlung konkretisieren. Selbst ohne dass eine Gefährdung eines Eigentumsrechts vorliegt, kann mit Blick auf den Nachbarn X gesagt werden, dass dieser in Abwesenheit einer Notsituation (vgl. § 917 BGB) das Überqueren des Grundstücks zu unterlassen hat. Nicht nur dieses Beispiel zeigt, dass sich konkrete Unterlassungspflichten unabhängig von ihrem Entstehungszeitpunkt und unabhängig von einer tatsächlichen Zuwiderhandlung fiktiv beschreiben lassen. Wenn Motzer meint, dass sich die notwendige Konkretisierung der Schutzpflichten als Klagevoraussetzung erst aus den Umständen der betreffenden Situation ergibt, eine „genaue Festlegung ihres Inhalts im voraus“ jedoch nicht möglich ist,268 ist dies unzutreffend.269 Hypothetische Sachverhalte können in beliebiger Zahl „gedacht“ und damit antizipiert werden. Um sein eigenes Verhalten zu planen, ist dies im Übrigen unerlässlich. Selbst wenn ein Unterlassungsanspruch noch nicht besteht, kann der potenzielle Anspruchsgegner mit Blick auf hypothetische Sachverhalte ermessen, wie er sein Verhalten ausrichtet, namentlich, was er besser zu tun unterlässt.270 Auch im Anwendungsbereich von § 907 BGB 264
So auch ausdrücklich Münzberg, JZ 1967, 689, 693. Münzberg, JZ 1967, 689, 692. 266 Münzberg, JZ 1967, 689, 692 f. (ohne Fußnoten). 267 Vgl. Köhler, AcP 190 (1990), 496, 510. 268 Motzer, JZ 1983, 884, 886. 269 Vgl. auch Münzberg, JZ 1967, 689, 693. 270 Vgl. Henke, JA 1987, 350, 356; sein Hinweis, man habe keinen Anspruch auf die Achtung der eigenen Persönlichkeit, ist demgegenüber unzutreffend. Der andere ist natürlich angehalten, die Rechte des anderen zu achten; gerade mit Blick auf bestimmte Situationen 265
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IV. Begehungsgefahr
stehen Anspruchsteller und Anspruchsgegner ex ante fest.271 Ein Anspruch entsteht jedoch auch hier erst im Zeitpunkt der Gefährdung.272 Es genügt also nicht, nur die Person des Anspruchstellers sowie des Anspruchsgegners und den Inhalt der Pflicht zu konkretisieren. Zwar ist damit das „Schreckgespenst“ eines Unterlassungsanspruchs jeder gegen jedermann gebannt,273 nicht aber ein jederzeit bestehender Anspruch ausgeschlossen. Selbst wenn man Unterlassungspflichten in Form konkreter Unterlassungspflichten hypothetisch mit Blick auf einen bestimmten Sachverhalt betrachtet und damit Anspruchsteller und Anspruchsgegner bestimmt sind, steht die zeitliche Bestimmtheit wie die Tabelle veranschaulicht noch aus: Konkrete Unterlassungspflichten ohne konkretisierten Verletzungszeitpunkt Quelle der Unter lassungspflicht
Inhaltliche Bestimmtheit
Personale Bestimmtheit (Anspruchsteller)
Personale Bestimmtheit (Anspruchsgegner)
Gesetzliche Verhaltenspflichten Absolute Rechte
Konkrete Unter lassungspflicht Konkrete Unter lassungspflicht Konkrete Unter lassungspflicht Konkrete Unter lassungspflicht
Anspruchs inhaber Anspruchs inhaber Gläubiger
Anspruchsgeg- Jederzeit ner (Verletzer) Anspruchsgeg- Jederzeit ner (Verletzer) Schuldner Jederzeit
Gläubiger
Schuldner
Vertragliche Schutzpflichten Leistungsunter lassung
Zeitliche Bestimmtheit
Jederzeit
2. Der Verletzungszeitpunkt als entscheidende Konkretisierung Für die Anspruchsentstehung kommt es nicht nur auf (potenzielle) Gläubiger und Schuldner sowie präzisierte Pflichten an, sondern zugleich auf eine zeitliche Komponente. Selbst wenn man sich überlegt, welche konkreten Pflichten einen gegenüber einem Dritten in bestimmten Fällen treffen, ist für die Frage der Anspruchsentstehung der Verletzungszeitpunkt ausschlaggebend.274 Dies soll „selbstverständlich“ sein.275 Für den Anspruchsgegner wäre es „untragbar, zur Unterlassung eines zukünftigen Verhaltens verurteilt zu werden, für dessen Bevorstehen er keinen Anlass gegeben hat.“276 Es würde eine „gravierende kann zudem von konkreten Unterlassungspflichten gesprochen werden. Nur das „VerlangenKönnen“ ist noch nicht gegeben. 271 Vgl. Wesel, Festschrift v. Lübtow, S. 787, 799 f.; vgl. auch Zeuner, Festschrift Dölle, S. 295, 306 f.; H. Lehmann, S. 109 f. 272 Wesel, Festschrift v. Lübtow, S. 787, 800. 273 Münzberg, JZ 1967, 689, 693. 274 Vgl. Grosch, S. 118. 275 Büch, Festschrift Bornkamm, S. 15. 276 Oppermann, S. 2.
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§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs
Beeinträchtigung des Geschäftsverkehrs und des Justizsystems“ drohen.277 Drastischer formuliert: Es wäre „unsinnig“, zumindest unnütz, Unterlassungsansprüche für alle denkbaren Verhaltenspflichtverletzungen zuzugestehen.278 Solange dem „Unterlassungsgebot“ nicht zuwidergehandelt wird oder zuwidergehandelt zu werden droht, besteht für einen Unterlassungsanspruch im speziellen beziehungsweise Rechtsschutz im allgemeinen trotz hinreichend konkreter Pflichten einer bestimmten Person gegenüber einer anderen bestimmten Person kein praktisches Bedürfnis.279 Oder mit Grosch: Es besteht kein schutzwürdiges Interesse, dass durch das Gericht eine Verbotsnorm gesetzt werde.280 Es lasse sich nicht rechtfertigen, jemanden zur Unterlassung einer Handlung zu verurteilen, die im Falle gesetzlicher Unterlassungspflichten ohnehin jedem Rechtssubjekt verboten ist.281 Einem Unterlassungsanspruch wird anders als einem Leistungsanspruch bereits dann nachgekommen, wenn der Schuldner nichts tut. Passiv bleiben genügt.282 Erst ab der Gefährdung des Rechts, also wenn der Schuldner seine Passivität aufgibt beziehungsweise aufzugeben droht, brauche der Schuldner einen Anspruch, um sein Recht durchzusetzen.283 Im Kern geht es letztlich darum, ob dem Gläubiger ein Recht auf einen Vollstreckungstitel zustehen soll.284 Dies ist der Mehrwert eines Unterlassungsanspruchs. Während der Schuldner situationsabhängig kraft der konkreten Unterlassungspflicht ohnehin zum „Nichtstun“ gehalten ist, ermöglicht die dem Unterlassungsanspruch immanente Titulierungsmöglichkeit, den Druck auf den Schuldner zu erhöhen (vgl. § 890 ZPO). Da diese „Druckerhöhung“ der einzige Sinn des Unterlassungsanspruchs ist, zeigt dies zugleich, dass der Anspruch auf „Titulierung“ gerichtet ist.285 Darauf wird zurückzukommen sein (insbesondere u. § 10 II 1 c)). Vorerst gilt es zu sehen, dass sich dieses Problem nicht nur bei gesetzlichen, sondern auch bei aus vertraglichen Stammrechten folgenden Unterlassungspflichten zeigt.286 Der Verletzungszeitpunkt bleibt 277
Oppermann, S. 30. Köhler, AcP 190 (1990), 496, 510 (für das Vertragsrecht, dazu sogleich im Text). 279 Vgl. Thomas, S. 72. 280 Grosch, S. 86, 119 ff.; er betont die zeitliche Dimension des „Unterlassungsanspruchs“, z. B. S. 135; näher zur Rechtsauffassung Groschs u. § 10 I 3. 281 Oppermann, S. 2. 282 Unterlassungspflichten kann man damit nicht wirklich „erfüllen“; vgl. Thomä, JZ 1962, 623, 626; anders Köhler, AcP 190 (1990), 496, 502, der aber auch zugibt, dass der Unterlassungsschuldner – anders als der Sach- oder Dienstleistungsschuldner – sein Entgelt auch im Schlaf verdient; zum Ganzen Fritzsche, S. 358 ff. 283 Vgl. Grosch, S. 110 ff. 284 Grosch, S. 123 (Fn. 503). Der Beklagte soll dabei aber weniger vor dem Anspruch selbst als vor der in einem Unterlassungsurteil vorgenommenen Festlegung auf die jetzige Rechtslage geschützt werden, Grosch, S. 119 ff., 121, 374. 285 BGH GRUR 1980, 241, 242 – Rechtsschutzbedürfnis. 286 Vgl. Münzberg, JZ 1967, 689, 693; vgl. Fritzsche, S. 72. 278
IV. Begehungsgefahr
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unklar, selbst wenn Unterlassungspflichten auf Basis gedachter Sachverhalte inhaltlich konkretisierbar sind sowie Gläubiger und Schuldner ohnehin von vorneherein feststehen.287 Ein korrespondierender Anspruch auf die Einhaltung selbst konkretisierter Pflichten ist praktisch aber nicht erforderlich. Erst eine Zuwiderhandlung bietet hierfür hinreichenden Anlass. Während mit Blick auf gesetzliche Unterlassungsansprüche die Problematik über die Begehungsgefahr materiellrechtlich gelöst wird,288 sollen bei „Unterlassungsansprüchen“ aufgrund eines vertraglichen Leistungsversprechens (§ 241 I S. 2 BGB) bis heute prozessuale Lösungen herhalten. Wie gesehen, soll ein entsprechender materiellrechtlicher Unterlassungsanspruch nach herrschender Meinung entstehen, ohne dass es auf eine Verletzung der Unterlassungsvereinbarung ankommt.289 Einer „Unterlassungsklage“ unabhängig davon, ob die Einhaltung der vertraglichen Vereinbarung gefährdet ist, soll dann aber das Rechtsschutzbedürfnis fehlen.290 In einem solchen Fall besteht nach dem BGH kein erkennbares Interesse, einen gerichtlichen Titel zu erlangen,291 obwohl anders als bei gesetzlichen Unterlassungsansprüchen ein materieller Unterlassungsanspruch besteht. Eine Klage sei unzulässig.292 Dies steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zum herkömmlichen Verständnis des Rechtsschutzbedürfnisses. Daran soll es normalerweise nur bei „objektiv sinnlosen Klagen“ fehlen, also wenn der Kläger „kein schutzwürdiges Interesse an dem begehrten Titel haben kann“, was wiederum nur „unter ganz besonderen Umständen“ anzunehmen ist.293 Ohne besondere Anhaltspunkte wird mit einer Unterlassungsklage (genauer: einer Leistungsklage mit Unterlassungsantrag) gerade kein prozesszweckwidriges Anliegen verfolgt.294 Dem Kläger kann man einzig entgegenhalten, dass der Schuldner, solange er der Vereinbarung nicht zuwiderhandelt, diese gleichsam „erfüllt“.295 Ein Fall, wonach der Kläger einen leichteren Weg hat, einen Titel zu erlangen, liegt aber dennoch nicht vor.296 So wird der Kläger auch bei gesetzlichen Unterlassungsansprüchen nicht darauf verwiesen, dass er sein Interesse statt mittels einer 287
Stürner, JZ 1976, 384, 386; Stephan, S. 105; so können z. B. Unfallverhütungsvorschriften behilflich sein, Grigoleit, Festschrift Canaris, S. 275, 278. 288 Dazu u. § 9 IV 3; zur Anwendbarkeit von § 259 ZPO auf gesetzliche Unterlassungsansprüche vgl. nur Wesel, Festschrift v. Lübtow, S. 787, 797 ff. 289 Dazu o. § 7 II 2 d); s. a. o. § 7 II 3. 290 BGH NJW-RR 1989, 263, 264; BGH GRUR 1999, 522, 524 – Datenbankabgleich. 291 BGH NJW-RR 1989, 263, 264. 292 BGH NJW-RR 1989, 263, 264 f. 293 Zöller/Greger, Vor § 253 Rn. 18; kritisch mit Blick auf § 259 ZPO Wesel, Festschrift v. Lübtow, S. 787, 798; vgl. auch Lindacher, BGH EWiR 1999, 381 f. 294 Vgl. Wesel, Festschrift v. Lübtow, S. 787, 798. 295 Vgl. Köhler, JZ 2005, 489, 491. 296 Er könnte sich aber schon bei Vertragsschluss mittels einer vollstreckbaren Urkunde (§ 794 I Nr. 5 ZPO) absichern, vgl. Köhler, JZ 2005, 489, 491.
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§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs
Klage über eine strafbewehrte Unterlassungserklärung bedienen könnte.297 Einer Leistungsklage, die einen gesetzlichen Unterlassungsanspruch zum Gegenstand hat, wird ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis ohne Weiteres bescheinigt.298 Manche wollen bei vertraglichen Unterlassungsansprüchen zumindest das besondere Rechtsschutzbedürfnis gemäß § 259 ZPO verneinen.299 Schließlich wird auf § 93 ZPO verwiesen. Hält sich der Schuldner an sein vertragliches Unterlassungsversprechen, wäre eine anlasslose Klage zwar zulässig; erkennt der Schuldner das Bestehen eines Anspruchs aber sofort an, hätte der Kläger gemäß § 93 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.300 In der Sache wäre damit die „Begehungsgefahr“ bei vertraglichen Unterlassungsansprüchen anders als bei gesetzlichen prozessuale, nicht materielle Voraussetzung.301 Die Begehungsgefahr wäre nicht rechtlich, wohl aber faktisch ein Tatbestandsmerkmal des Unterlassungsanspruchs. Auch nach dieser Sichtweise stellt sich unterdessen die Frage, wozu es vor dem (drohenden) Verletzungszeitpunkt eines Unterlassungsanspruchs bedarf. Vertraglicher und gesetzlicher Unterlassungsanspruch würden zudem ungleich behandelt. In der Literatur ist entsprechend von einer „Dichotomie der Unterlassungsdogmatik“ die Rede.302 Gegen die Begehungsgefahr als materielle Entstehungsvoraussetzung des vertraglichen Unterlassungsanspruchs wird eine unnötige „Verdoppelung“ angeführt: So soll es zumindest auf den ersten Blick „nutzlos erscheinen, der vertraglichen Unterlassungspflicht im Falle ihrer Verletzung eine weitere Vertragspflicht desselben Inhalts zur Seite zu stellen.“303 Verstöße gegen Unterlassungsansprüche mit Unterlassungsansprüchen zu sanktionieren, erscheint wenig sachgerecht:304 „Wenn dagegen eine vertragliche Unterlassungspflicht bereits besteht, dann wäre es nicht sachgerecht, mindestens überflüssig, zu dem bereits bestehenden vertraglichen Unterlassungsanspruch im Falle der Zuwiderhandlung einen weiteren Unterlassungsanspruch hinzutreten zu lassen. Denn der ursprüngliche Unterlassungsanspruch be-
297
BGH GRUR 1980, 241, 242 – Rechtsschutzbedürfnis; Fritzsche, S. 591. Anders noch in der älteren Literatur, vgl. nur Storch, GRUR 1973, 210. 299 Vgl. BGHZ 42, 340 – Gliedermaßstäbe = GRUR 1965, 327 f.; Palandt/Grüneberg, § 241 Rn. 4; Staudinger/Olzen, § 241 Rn. 138; dagegen Teplitzky, 51. Kap. Rn. 59 (10. Aufl.) 300 Köhler, AcP 190 (1990), 496, 512 f.; vgl. aber ders., JZ 2005, 489, 491 ff. 301 Kritisiert von Teplitzky, 51. Kap. Rn. 59 (10. Aufl.). 302 Grosch, S. 51. 303 Vgl. Bacher, S. 338 f.; zumindest in Streitfällen um die Reichweite des vertraglichen Verbots sieht er ein Bedürfnis für eine strafbewehrte Unterlassungserklärung bei Wiederholungsgefahr; nunmehr aber Köhler, JZ 2005, 489, 496, dazu sogleich im Text. 304 Interessanterweise hat mit diesem Argument Siber (Rechtszwang, S. 100 f.) die Existenz materieller gesetzlicher Unterlassungsansprüche verneint (näher o. § 2 I 3). Da Eingriffe in fremde Rechte ohnehin verboten sind, erhält der Berechtigte durch einen Unterlassungsanspruch nichts, was ihm nicht ohnehin schon gebührt. 298
IV. Begehungsgefahr
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steht ja trotz der Zuwiderhandlung fort, und für einen zusätzlichen (inhaltsgleichen) Unterlassungsanspruch besteht daher kein Bedürfnis.“305
Entgegen seiner früheren Ansicht hat Köhler in jüngerer Zeit mit einer Übertragung der für gesetzliche Unterlassungsansprüche geltenden Grundsätze auch auf vertragliche Unterlassungsansprüche sympathisiert.306 Nach seiner Argumentation entsteht auch der Leistungsunterlassungsanspruch erst dann, wenn die Nichterfüllung der versprochenen Unterlassung droht beziehungsweise tatsächlich stattfindet. Er unterscheidet dabei zwischen einem „allgemeinen“, durch den Vertragsschluss begründeten Unterlassungsanspruch und dem durch eine tatsächliche oder drohende Zuwiderhandlung entstehenden „konkreten“ Unterlassungsanspruch.307 Ein solches Verständnis soll vor allem für sachgerechte Ergebnisse bei der Verjährung sorgen. Der Schuldner werde davor geschützt, wegen einer Handlung, die Begehungsgefahr begründet, noch nach „Jahr und Tag“ in Anspruch genommen zu werden.308 Zudem werde ein Gleichlauf zur Verjährung gesetzlicher Unterlassungsansprüche hergestellt. Auch beispielsweise beim Sacheigentum trete aus dem Eigentum ein Anspruch heraus, der selbständig verjährt, während das Eigentum der Verjährung nicht unterworfen ist.309 Als vorteilhaft erweise sich ferner, dass die mitunter schwierige Abgrenzung zwischen Leistungsunterlassungsansprüchen und Unterlassungsansprüchen wegen sonstiger Verhaltenspflichten entfällt.310 In der Sache geht es um den hier verfolgten Ansatz der Trennung von Stammrechten und Rechtsfolgenrechten. Dies deutet auch Köhler an, indem er darauf hinweist, dass sich „Leistungsunterlassungsanspruch und konkreter Unterlas305
Köhler, GRUR 1996, 231, 232. Köhler, JZ 2005, 489, 491 ff., 496; vgl. auch Nosch, S. 273; Böhm, S. 29 ff.; für Leistungsunterlassungsansprüche hat selbst der BGH angedeutet, dass der Sache nach eine Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht vorliegen muss: „Wird ein als Folge eines Wettbewerbsverstoßes entstandener gesetzlicher Unterlassungsanspruch durch eine vertragliche Unterlassungsverpflichtung (sogenannte Unterwerfung) des Schuldners ersetzt und verletzt der Schuldner diese Verpflichtung durch abermalige Begehung eines gleichartigen Wettbewerbsverstoßes, so unterliegen die dem Gläubiger daraus unter dem Gesichtspunkt positiver Vertragsverletzung erwachsenden Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz ungeachtet ihres vertraglichen Charakters nicht der Verjährungsfrist des § 195 BGB, sondern in entsprechender Anwendung des § 21 UWG der gleichen kurzen Verjährungsfrist“, BGHZ 130, 288 – Kurze Verjährungsfrist = GRUR 1995, 678 (1. Leitsatz). 307 Köhler, JZ 2005, 489, 492; Borck, NJW 1981, 2721 f., und WRP 1974, 372, 373, will zwischen einem Unterlassungsanspruch im engeren und einem im weiteren Sinne unterscheiden. Letzterer umschreibt die Situation, dass jemand kraft Gesetzes zur Unterlassung verpflichtet ist und ein anderer klagebefugt wäre, wenn es zu einer Verletzung kommt. Ersterer ist dann der eigentliche Anspruch. Dessen Bedeutung liegt in der Klagbarkeit und der Ermöglichung der Zwangsvollstreckung (näher u. § 10 II 1 c)); s. a. Ulrici, AcP 216 (2016), 383: er unterscheidet zwischen Unterlassungsanspruch und Unterlassungsrechtsverhältnis. 308 Köhler, JZ 2005, 489, 492. 309 Wesel, Festschrift v. Lübtow, S. 787, 799. 310 Köhler, JZ 2005, 489, 492; vgl. o. § 7 III 4; s. a. Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Rn. 159, 166 f. 306
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§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs
sungsanspruch zueinander wie das Stammrecht und der Einzelanspruch beim Dauerschuldverhältnis“ verhalten.311 Eine Verdopplung des vertraglichen Unterlassungsanspruchs liegt damit nicht vor.312 Pauschal von Unterlassungsansprüchen zu reden, erweist sich als Verkürzung. Auch nach hier vertretener Ansicht muss zwischen dem Recht des Gläubigers gegen den Schuldner darauf, dass sich dieser bestimmter vereinbarter Handlungen enthält (dem vertraglichen Stammrecht) und dem Rechtsfolgenrecht Unterlassen, mit dem dieses Recht verwirklicht wird, unterschieden werden. Letzteres entsteht im Falle von Begehungsgefahr, ersteres mit Vertragsschluss. Entsprechend lässt sich auch für „Pflichten“ unterscheiden: Aus dem vertraglichen Stammrecht folgt die allgemeine Rechtsachtungspflicht, das obligatorische Recht des Vertragspartners zu beobachten. Ob daraus eine konkrete Unterlassungspflicht folgt, hängt von der konkreten Durchsetzungssituation ab (vgl. nur § 275 II BGB). Auch eine Verdopplung von Pflichten liegt damit nicht vor. Eine unterschiedliche Behandlung gegenüber gesetzlichen Unterlassungsansprüchen, bei denen ebenfalls zwischen dem Stammrecht (z. B. dem Eigentum) und dem Rechtsfolgenrecht Unterlassung im Gewande des Unterlassungsanspruchs aus § 1004 I S. 2 BGB differenziert wird, lässt sich nicht rechtfertigen. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass es auch bei vertraglichen Unterlassungsansprüchen um die Abwehr von Eingriffen in die eigene Rechtssphäre geht. Dass die eigene Rechtssphäre gegenüber dem Gläubiger erst durch privatautonome Vereinbarung erweitert wurde, ist dafür unerheblich. Die Abwehrfunktion wiederum hat Zeuner als Spezifikum des „Unterlassungsstreits“ ausgemacht. Das Recht soll hier nicht wie bei einem Anspruch auf Lieferung einer Sache angriffsweise durchgesetzt, sondern abwehrweise geltend gemacht werden.313 Aus dieser Perspektive macht es keinen Unterschied, ob ein gesetzlicher oder „vertraglicher Unterlassungsanspruch“ besteht. Statt um Angriff geht es um Verteidigung. Statt aktiven Tuns bedarf es regelmäßig nur der Passivität.314 Für sämtliche Unterlassungsansprüche ist folglich der Verletzungszeitpunkt das entscheidende Kriterium für die Anspruchsentstehung. Während nach hier vertretener Ansicht konkrete Rechtspflichten bei sämtlichen Unterlassungsansprüchen ohnehin nur mit Blick auf eine bestimmte Rechtsdurchsetzungssituation existieren und damit zugleich Anspruchsteller und Anspruchsgegner feststehen, bedarf es für die Entstehung sowohl vertraglicher als auch gesetzlicher Unterlassungsansprüche noch der Konkretisierung des Verletzungszeitpunktes. Ein Unterlassungsanspruch entsteht damit erst, wenn sowohl eine 311
Köhler, JZ 2005, 489, 496. Köhler, JZ 2005, 489, 496. 313 Zeuner, Festschrift Dölle, S. 295; vgl. auch Henke, JA 1987, 350 („Unterlassungsklage […] ist ein Akt bloßer Verteidigung und Abwehr.“). 314 Vgl. Henke, JA 1987, 350, 351. 312
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IV. Begehungsgefahr
konkrete Pflicht mit Blick auf einen konkreten Gläubiger und einen konkreten Schuldner als auch ein konkreter Verletzungszeitpunkt auszumachen ist. Dann besteht ein begründeter Anlass, die ohnehin bestehende Unterlassungspflicht mit einem Anspruch zu verstärken. In § 10 II wird dann gezeigt, dass dadurch in der Sache die Möglichkeit geschaffen wird, den Anspruch zu „titulieren“ und damit den Druck auf den Verpflichteten, von weiteren Zuwiderhandlungen abzusehen, durch Zwangsmittel wie Ordnungsgeld oder auch Vertragsstrafe zu erhöhen. Die folgende Tabelle mag die Bedeutung insbesondere der zeitlichen Bestimmtheit für sämtliche Unterlassungsansprüche verdeutlichen: Konkretisierung von Unterlassungspflichten zu Unterlassungsansprüchen Quelle der Unterlassungs pflicht
Inhaltliche Bestimmtheit
Personale Bestimmtheit (Anspruchsteller)
Zeitliche Personale Bestimmtheit Bestimmtheit (Anspruchs gegner)
Gesetzliche Verhaltens pflichten Absolute Rechte
Konkrete Unterlassungs pflicht Konkrete Unterlassungs pflicht Konkrete Unterlassungs pflicht Konkrete Unterlassungs pflicht
Anspruchsinhaber
Gläubiger
Anspruchs gegner (Verletzer) Anspruchs gegner (Verletzer) Schuldner
Gläubiger
Schuldner
Vertragliche Schutzpflichten Leistungsunterlassung
Anspruchsinhaber
Verletzungszeitpunkt (stattgefunden/ drohend) Verletzungszeitpunkt (stattgefunden/ drohend) Verletzungszeitpunkt (stattgefunden/ drohend) Verletzungszeitpunkt (stattgefunden/ drohend)
Betrachtet man die Entwicklung gesetzlicher Unterlassungsansprüche, so wird vor allem eine Emanzipation des materiellen Rechts vom Prozessrecht deutlich (o. § 2 I). Will man wie hier auch den vertraglichen Unterlassungsanspruch ausnahmslos ohne prozessuale Ergänzungen verstehen, erscheint dies nur konsequent. Es wäre gleichsam der letzte Schritt der Entwicklung, auch hier die „Begehungsgefahr“ als Entstehungsvoraussetzung für den Unterlassungsanspruch zu sehen.315
3. Erstbegehungs- und Wiederholungsgefahr als materielle Tatbestandsmerkmale Bisher wurde festgestellt, dass ein Unterlassungsanspruch erst dann entstehen kann, wenn der Verletzungszeitpunkt bestimmt ist. Es muss die Verletzung 315
Zum Unionsrecht o. § 3 IV; zur Wiederholungsgefahr sogleich u. § 9 IV 3.
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§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs
einer inhaltlich und personell konkretisierten Unterlassungspflicht drohen oder bereits stattgefunden haben. Eine in diesem Sinne bestehende Begehungsgefahr kann entweder in Form der Wiederholungsgefahr oder der Erstbegehungsgefahr auftreten. Es handelt sich um Fragen des materiellen Rechts.316 Dass eine einmal stattgefundene Verletzungshandlung sich zu wiederholen droht, wird dabei vermutet.317 Auch mit Blick auf „europäische Unterlassungsansprüche“ lässt sich dies vertreten.318 Insbesondere bei Ausschließlichkeitsrechten geht der Wortlaut einschlägiger Bestimmungen davon aus, dass verletzungsunabhängig kein Grund für eine gerichtliche Anordnung besteht (vgl. Art. 89 I GGV; Art. 102 I UMV; Art. 11 S. 1 Enforcement-RL).319 Ausgeräumt werden kann die Wiederholungsgefahr im Regelfall ausschließlich durch eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung.320 Ein Unterlassungsanspruch kann darüber hinaus entstehen, wenn ein Eingriff noch nicht stattgefunden hat. Schon das Reichsgericht hat anerkannt, dass ein drohender Eingriff schon „eine so erhebliche Störung des Rechtsfriedens darstellen [kann], daß darin ein widerrechtlicher Eingriff im Sinne des für die Gewährung der vorbeugenden Unterlassungsklage zu Erfordernden gefunden werden kann.“321 Der BGH ist dem gefolgt.322 Erstbegehungsgefahr liegt vor, wenn „ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine in naher Zukunft konkret drohende Rechtsverletzung bestehen“ (z. B. durch Ankündigung rechtswidrigen Verhaltens oder durch Berühmung).323 Ausgeräumt wer316 BGH NJW 2005, 594, 595; BGH GRUR 1983, 186 – Wiederholte Unterwerfung I; MünchKomm/Baldus, § 1004 Rn. 293; Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 6; Henke, JA 1987, 350, 356 f.; Vogt, NJW 1980, 1499, 1502; Borck, NJW 1981, 2721; Pastor, GRUR 1969, 331, 335 ff.; Münzberg, JZ 1967, 689, 690 (Fn. 18); Büch, Festschrift Bornkamm, S. 15; Oppermann, S. 18 (Fn. 6) und S. 25; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 89 Rn. 6; vgl. aber Bacher, S. 157 ff., der in der Beeinträchtigungsgefahr eine „besondere Rechtsschutzvoraussetzung“ und damit ein prozessuales Zulässigkeitserfordernis der Unterlassungsklage sieht; zugleich sieht er nur eine geringe praktische Bedeutung; zum Unionsrecht vgl. o. § 3 IV und s. a. o. § 5 II 3; wird die Anspruchsentstehung dem materiellen Recht zugeordnet, müssen die Tatbestandsmerkmale für die Anspruchsentstehung logischerweise ebenfalls materiellrechtlicher Natur sein; s. a. Ulrici, AcP 216 (2016), 383, 385. 317 Ständige Rechtsprechung, vgl. BGHZ 140, 1, 10 = NJW 1999, 356, 358; BGH GRUR 1992, 318, 319 f. – Jubiläumsverkauf; aus der Literatur Ahrens, Liber amicorum Lindacher, S. 1, 5 f.; dazu auch u. § 10 II c). 318 Dazu bereits o. § 7 VI. 319 Zum Gemeinschaftsgeschmacksmuster Zwanzger, S. 190 ff.; sie will dies dogmatisch am Tatbestandsmerkmal „gute Gründe“ in Art. 89 I GGV festmachen (a. a. O., S. 201); s. a. Veit, S. 56; Ingerl, Gemeinschaftsmarke, S. 92; vgl. Knaak, Festschrift Tilmann, S. 373, 374. 320 BGH GRUR 2008, 996 Rn. 33 – Clone-CD; BGH GRUR 1958, 294, 296 – Essenzlimonaden; mit Blick auf das Unionsrecht Ruhl, Art. 89 Rn. 56. 321 RGZ 101, 335, 340. 322 BGHZ 2, 394 – Ardia/Widia = GRUR 1952, 35; BGHZ 117, 264, 271 – Nicola = GRUR 1992, 612, 614; vgl. Münzberg, JZ 1967, 689. 323 BGH GRUR 2009, 841 Rn. 8 – Cybersky; BGHZ 191, 19 Rn. 44 – Stiftparfüm = GRUR 2011, 1038; vgl. Köhler, GRUR 2011, 879. 879 f.
V. Zusätzliche Tatbestandsmerkmale
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den kann die Erstbegehungsgefahr nach h. M. bereits durch „entgegengesetztes Verhalten“ (actus contrarius).324 Dies soll wiederum auch für unionsrechtliche Unterlassungsanordnungen gelten.325 Es ist dem Rechtsinhaber schließlich nicht zuzumuten, erst die erfolgte Rechtsverletzung abzuwarten. Die Verletzung eines Unionsschutzrechts in einem Teil der EU kann beispielsweise die Gefahr begründen, dass das Recht auch in anderen Teilen verletzt wird.326 Bisweilen wird gefragt, ob Unterschiede zwischen unterschiedlichen Unterlassungsansprüchen auch mit Blick auf die Begehungsgefahr bestehen. So wird überlegt, ob eine (Eigentums-)Störung im privaten statt im gewerblichen Bereich keine Vermutung für die Wiederholungsgefahr begründet.327 Vor allem wenn eine tatsächliche Wiederholung der Handlung jenseits jeder Wahrscheinlichkeit liegt, soll ein Unterlassungsanspruch nicht entstehen.328 Da der Anspruchsteller regelmäßig den Beweis, dass der andere weitere Beeinträchtigungen besorgen wird, wegen der subjektiven Komponente kaum führen wird können, erscheint die Vermutung aber in jedem Falle sachgerecht, zumal sie in den meisten Fällen der Lebenserfahrung entspricht.329 Maßgeblich ist aber ein anderes Argument: Der Unterlassungsanspruch bietet gegenüber dem ohnehin bestehenden Verbot (= konkrete Unterlassungspflicht) nur dann einen Mehrwert, wenn der Berechtigte von nun an effektivere Mittel hat, um den Dritten zu rechtskonformem Verhalten zu veranlassen. Es wurde bereits angedeutet, dass der Unterlassungsanspruch auf „Titulierung“ gerichtet ist. Erst die „Titulierungsmöglichkeit“ und damit der Zugang zu Zwangsmitteln begründet den eigentlichen Mehrwert des Unterlassungsanspruchs. Ist man bei den Voraussetzungen für die Begehungsgefahr großzügig, schneidet man dem Gläubiger diese Möglichkeit ab.330
V. Zusätzliche Tatbestandsmerkmale Mitunter bedarf es ausdrücklich zusätzlicher Tatbestandsmerkmale. So verlangt § 541 BGB beispielsweise eine Abmahnung (s. a. §§ 590a, 1053 BGB).331 § 23 III BetrVG verlangt einen groben Verstoß. Die Grundstruktur des Unterlassungsanspruchs bleibt dadurch unberührt. 324
BGH GRUR 2009, 841 Rn. 23 – Cypersky. S. a. o. § 7 VI 2. 326 Vgl. Kur/v. Bomhard/Albrecht/Grüger, Art. 102 Rn. 4. 327 Fritzsche, S. 160 ff., 162 f.; dagegen Köhler, Festschrift Georgiades, S. 223, 224 f. 328 Fritzsche, S. 207, verweist auf den ausländischen auf einem fremden Grundstück verunfallten Motorradfahrer; differenzierend auch Hirtz, MDR 1988, 182, 184 ff. 329 Köhler, Festschrift Georgiades, S. 223, 225 f. 330 Dazu u. § 10 II 1 c); s. a. o. § 9 IV 2. 331 Fritzsche, S. 73. 325
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§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs
VI. Aktivlegitimation Im Grundsatz ist der jeweilige Inhaber des Stammrechts auch befugt, sein Recht durchzusetzen. Die Rechtsverwirklichung obliegt ihm. Das Gesetz sieht aber von dieser Regel zur Aktivlegitimation viele Ausnahmen vor. Auf § 8 III UWG wurde bereits hingewiesen.332 Hier fallen der Inhaber des Stammrechts (beziehungsweise der durch das Verbot Begünstigte) und derjenige, der mit der Durchsetzung betraut ist, auseinander. Selbst im auf den Urheber zugeschnittenen Urheberrecht ist dieser vielfach nicht selbst berechtigt, seine Rechte durchzusetzen. Das Gesetz sieht an mehreren Stellen vor, dass an seiner statt Verwertungsgesellschaften mit der Rechtsverwirklichung betraut sind (z. B. §§ 20b S. 1, 54h I UrhG). Es findet sich ein System kollektiver Rechtewahrnehmung. Weitere Beispiele zum Auseinanderfallen von Stammrechtsinhaber und Durchsetzungsberechtigtem finden sich im Falle von Verfügungsverboten (z. B. § 80 InsO) oder im Lizenzrecht. Bei letzterem ist – regelmäßig neben dem Rechtsinhaber – meist auch der Inhaber einer ausschließlichen Lizenz aktivlegitimiert.333 Freilich hält dieser dann selbst einen Teil des Stammrechts, das ihm im Rahmen einer konstitutiven Rechtsübertragung eingeräumt worden ist. Aus Sicht des Rechtsbehelfsmodells erscheint die Zuweisung der Durchsetzungsbefugnis an eine andere Person als den Stammrechtsinhaber nicht systemwidrig. Es hängt von der jeweiligen Natur des Stammrechts ab, wer zu seiner Rechtsdurchsetzung berufen ist. Während klassische Individualrechte tendenziell vom Berechtigten selbst durchzusetzen sind, lässt sich bei eher im Allgemeininteresse bestehenden Rechten tendenziell eine Rechtsdurchsetzung durch berufene Dritte (z. B. Verbraucherverbände) rechtfertigen. Wo sich Interessen überschneiden (z. B. irreführende Kennzeichennutzung), können mehrere (Markeninhaber, Mitbewerber) ein entsprechendes Interesse haben.
VII. Passivlegitimation Unterlassungsansprüche können nicht nur den Täter und seine Gehilfen treffen, sondern auch Störer beziehungsweise mittelbar Verantwortliche.334 Auch wenn eine Online-Plattform nicht selbst gefälschte Markenprodukte an332
Dazu o. § 5 III 5; s. a. o. § 9 I 4. McGuire/von Zumbusch/Joachim, GRUR Int. 2006, 682, 686 ff. 334 Vgl. BGH GRUR 2013, 511 Rn. 36 ff. – Morpheus; BGHZ 194, 339 Rn. 15 ff. – Alone in the dark = GRUR 2013, 370; BGH GRUR 2011, 152 Rn. 30 ff. – Kinderhochstühle im Internet; BGH GRUR 2011, 1018 Rn. 16 ff. – Automobil-Onlinebörse; BGHZ 173, 188 ff. – Jugendgefährdende Medien = GRUR 2007, 890; BGHZ 182, 245 24 ff. – MP3-Player-Import = GRUR 2009, 1142; Ohly, Gutachten Juristentag F 98 ff.; Raab, JuS 2002, 1041, 1042; Lehment, WRP 2012, 149 ff.; Schapiro, S. 124 ff.; s. o. § 7. 333 Vgl.
VII. Passivlegitimation
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bietet und damit in ein fremdes Markenrecht über § 14 II Nr. 1 MarkenG eingreift, kann die Rechtsordnung auch dem Plattformbetreiber Rechtspflichten auferlegen. Er gefährdet das Markenrecht mittelbar. In einem solchen Sinne kann auch ein Hostprovider mit Urheberrechten Dritter in Konflikt geraten oder wettbewerbsrechtlich geschützte Interessen verletzen. Gleiches gilt für denjenigen, der seine Jagdwaffen ungesichert aufbewahrt und dadurch Leib und Leben regelmäßig in der Nähe spielender Kinder mittelbar beeinträchtigt, oder für den Hauseigentümer, der lose Dachziegel unzureichend sichert. Alle Konstellationen mittelbarer Verantwortlichkeit lassen sich mit dem Konzept der Haftung für Verkehrspflichten sachgerecht erfassen. Anders als im Falle unmittelbarer Täterschaft wird nur unter expliziter Benennung einer Verkehrspflicht gehaftet. In diesem Sinne legt die Rechtsordnung „mittelbar Verantwortlichen“ in sämtlichen Fällen bestimmte solcher Verkehrspflichten auf.335 Auch wenn im Immaterialgüterrecht von Prüf-, Verhaltens- oder Schutzpflichten die Rede ist und dogmatisch das Konzept der „Störerhaftung“ herhalten soll,336 ändert dies nichts daran, dass es letztlich darum geht, dass auch Dritte, die die Rechtsverletzung nicht selbst beziehungsweise unmittelbar begehen,337 für den Rechtsverstoß beziehungsweise dessen Verhinderung verantwortlich gemacht werden sollen. Der Kreis der Personen, gegenüber denen der Berechtigte sein Stammrecht verteidigen kann, wird erweitert. Gerechtfertigt wird dies unterschiedlich: Ohne dies hier nur ansatzweise zu vertiefen, mag es sein, dass womöglich gerade der Dritte den Rechtsverstoß besonders wirksam bekämpfen kann. Seine Verantwortlichkeit kann sich ferner damit
335 Für ein einheitliches Haftungskonzept (im Immaterialgüterrecht und Wettbewerbsrecht), das auf der Verletzung von Verkehrspflichten (dazu Larenz/Canaris, SR II/2, § 75 II 3, S. 364 ff. und § 76 III, S. 399 ff.) beruht, grundlegend Leistner, GRUR Beil. 2010, 1 ff., 18 ff.; ders. bereits GRUR 2006, 801, 807 ff.; s. a. Hofmann, WRP 2015, 1331 f.; ders., ZUM 2014, 654, 656 f.; Czychowski/Nordemann, GRUR 2013, 986, 990 f.; Obergfell, NJW 2013, 1995, 1996; Gräbig, MMR 2011, 504, 508; Spindler, GRUR 2011, 101, 102 f.; J. B. Nordemann, GRUR 2011, 977, 979; ders., Festschrift Loewenheim, S. 215, 219 ff.; Stang/Hühner, GRUR 2010, 636, 637; Leistner/Stang, LMK 2010, 297473; dies., WRP 2008, 533, 541 ff.; Haedicke, JZ 2010, 150, 153; ders., GRUR 1999, 397, 400 ff.; Spindler, CR 2010, 592, 594 f.; Köhler, GRUR 2008, 1, 6 f.; Wagner, Festschrift Medicus, S. 589, 598 ff.; Ahrens, WRP 2007, 1281, 1285 ff.; ders, Festschrift Canaris, S. 3 ff.; Spindler/Leistner, IIC 2006, 788, 801 ff.; Spindler/ Volkmann, WRP 2003, 1, 6 f.; Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 122 ff.; vgl. Köhler/Feddersen/Bornkamm, § 8 Rn. 2.2 ff. 336 BGHZ 200, 76 Rn. 22 – BearShare = GRUR 2014, 657; BGHZ 185, 330 Rn. 13 – Sommer unseres Lebens = GRUR 2010, 633; BGH GRUR 2011, 1018 Rn. 25 – AutomobilOnlinebörse; v. Ungern-Sternberg, GRUR 2012, 576, 581; Neuhaus, S. 110, 157 ff.; vgl. auch Dreier/Schulze/Dreier/Specht, § 97 Rn. 33; Borges, NJW 2010, 2624, 2626. 337 Die Abgrenzung zwischen mittelbarer und unmittelbarer Rechtsverletzung ist schwierig, vgl. zum allgemeinen Zivilrecht v. Bar, JuS 1988, 157, 170; zum Recht des Geistigen Eigentums BGH GRUR 2010, 616 Rn. 23 ff. – marions-kochbuch.de; zum Lauterkeitsrecht Hofmann, WRP 2015, 1331 f. m. w. N.
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§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs
begründen, dass er selbst das Risiko einer Rechtsverletzung erhöht hat oder eine Gefahrenquelle beherrscht.338 Unabhängig davon, warum Verkehrspflichten in welchem Umfang bestehen, ist fraglich, wie es um die Durchsetzbarkeit dieser Verkehrspflichten bestellt ist.339 Oder zugespitzt auf das Erkenntnisinteresse dieses Kapitels: Um was für eine Pflicht handelt es sich hierbei und wie steht es um deren Verhältnis zu Stammrechten und Ansprüchen?340 Während im englischen Recht mittels einer injunction durch ein Gericht auch ein Tun aufgegeben werden kann, ohne dass dem eine materiell-rechtliche Verantwortlichkeit (“liability”) vorausliegt,341 kennt das deutsche Recht keine „Anordnungen“ jenseits des Schutzbereichs eines Stammrechts. In diesem Sinne vertritt Picker, dass Verkehrspflichten (wie Prüfungs-, Überwachungs- und Eingriffspflichten) die „Rechtszuweisung zugunsten des bedrohten Rechts durch einen ihm vorgelagerten verhaltensbezogenen Schutzraum“ erweitern.342 Verkehrspflichten „begründen einen ‚cordon sanitaire‘, der schon vor der Berührung oder Überschreitung der eigentlichen Grenze des zu schützenden Rechts bestimmte gefährliche Annäherungen verbietet und dadurch schon dessen bloße Gefährdung als rechts- weil zuweisungswidriges Geschehen qualifiziert.“343 Vor allem Unterlassungsansprüche erscheinen damit als „Verteidigungsrechte“ zum Schutz einer „erweiternde[n] Rechtszuweisung“ beziehungsweise eines vergrößerten „verteidigungsfähigen Ausschlussbereich[s]“.344 Die Verteidigung des zu schützenden Rechts werde, wie § 907 BGB exemplarisch belege, gleichsam vorverlegt.345 „Da der ‚cordon sanitaire‘, den die Verkehrspflichten mit ihren Ge- und Verboten begründen, die Verteidigung des zu schützenden Rechts vorverlegt, löst auch schon seine Berührung oder Überschreitung die allgemeinen Schutzrechte aus. Nicht also erst der Eingriff in das Recht selbst, sondern schon der in den vorgelagerten Schutzraum, den die Verhaltensge- und -verbote konstituieren, kann als tatbestandsmäßige Rechtsverletzung insbesondere die negatorische und deliktische Haftung begründen.“346
338 Weiterführend v. Bar, JuS 1988, 169, 170 ff.; Schapiro, S. 215 ff.; s. a. J. B. Nordemann, GRUR 2011, 977, 979; Leistner, ZUM 2012, 722, 723; aus der Rechtsprechung BGHZ 173, 188 Rn. 36 – Jugendgefährdende Medien = GRUR 2007, 890; BGHZ 195, 30 Rn. 6 f. = NJW 2013, 48. 339 Vgl. MünchKomm/Wagner, Vor § 823 Rn. 42. 340 Manche wollen hierbei von echten Pflichten sprechen, vgl. Münzberg, JZ 1967, 689, 692; dies erweist sich als zu grob, vgl. sogleich im Text. 341 Vgl. Cartier International AG and others v. British Sky Broadcasting Ltd. and others [2014] EWHC 3354 (Ch) = GRUR 2015, 178 (Auszüge); s. a. Art. 8 III InfoSoc-RL und Art. 11 S. 3 Enforcement-RL; s. aber o. § 3 I, II. 342 Picker, Prävention, S. 61, 87 ff., 97 ff., 99; ders., Festschrift Schilken, S. 85, 97 f. 343 Picker, Prävention, S. 99. 344 Picker, Festschrift Schilken, S. 85, 97 f. 345 Picker, Prävention, S. 61, 98. 346 Picker, Prävention, S. 61, 99.
VII. Passivlegitimation
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Bei genauerer Betrachtung geht es jedoch nicht um eine Erweiterung des Schutzbereichs des Stammrechts, sondern um die Reichweite der mit ihm korrelierenden allgemeinen Rechtsachtungspflichten. Nicht das Recht der öffentlichen Wiedergabe beispielsweise ist extensiv auszulegen,347 sondern es ist präzise zu ermitteln, ob beziehungsweise in welchem Umfang (aus welchen Gründen) auch mehr oder weniger unbeteiligte Dritte bereits zur Achtung des zu schützenden Rechts angehalten sind. So hat beispielsweise nicht nur der Nutzer einer Online-Plattform fremde Urheber- und Kennzeichenrechte etc. zu beachten, sondern auch die Plattform selbst. Da sie die Rechtsverletzung nicht selbst unmittelbar bewirkt, sind die sie treffenden Rechtsachtungspflichten in Form von Verkehrspflichten naturgemäß aber weniger streng als gegenüber unmittelbaren Tätern. Im Einklang mit Picker und anders als im anglo-amerikanischen „remedy-System“, wo Anordnungen gegen Mittelspersonen nach überwiegender Ansicht kein entsprechendes (materielles) Recht vorausliegt, sind aber Verkehrspflichten im materiellen Recht zu suchen. Sie sind Ausfluss des Stammrechts, auch wenn sie – wie gesehen – nur die Perspektive des Schuldners konkretisieren. Ein Stammrecht ist eben nicht nur unmittelbar zu beachten, sondern auch mittelbar. Vergleichbar ist im Übrigen die Rechtslage im Vertragsrecht. Das Stammrecht „Recht auf Übergabe und Übereignung“ wird über § 241 II BGB ebenfalls über seine unmittelbare Verwirklichung hinaus bereits im Vorfeld geschützt. Der Schuldner ist verpflichtet, den Kaufgegenstand nicht durch schlampige Lagerung zu beschädigen oder das Recht des Gläubigers durch eine Verfügung an einen Dritten zu vereiteln. Wie bereits herausgearbeitet (§ 9 I 4; § 9 III), erscheinen auch die Nebenpflichten aus § 241 II BGB als Unterfall der allgemeinen Rechtsachtungspflicht als Gegenstück zum einschlägigen vertraglichen Stammrecht. Da nun aber die Verkehrspflichten (ebenso wie die in § 241 II BGB kodifizierten „Pflichten“) nicht selbst „Rechte“ sind, können sie nicht direkt unmittelbar durchgesetzt werden. Mittelbar ist dies allerdings möglich. Dies setzt voraus, dass das einschlägige Stammrecht situationsgebunden bereits im Vorfeld potenzieller Rechtsverletzungen verwirklicht werden kann. Hat der Berechtigte gegen den Dritten, der nicht selbst das Stammrecht verletzt oder zu verletzen droht, bereits einen Anspruch auf Unterlassung der Rechtsgefährdung oder auf Schadensersatz etc.? Dies ist dann der Fall, wenn die Missachtung des Vorfeldschutzes, der sich aus Schuldnersicht in Form von zu befolgenden Verkehrspflichten präsentiert, mit der Rechtsfolge Unterlassen, Schadensersatz etc. im konkreten Fall sanktioniert wird. Kommt beispielswei347 Daher kritisch gegenüber der Haftung wegen Verkehrspflichten Hügel, 44 ff., 193 f.; v. Ungern-Sternberg, GRUR 2012, 576, 581 f.; wer einen nicht ausreichend gesicherten privaten WLAN-Anschluss betreibt, erfüllt nicht den Tatbestand der öffentlichen Zugänglichmachung des in Rede stehenden urheberrechtlichen Werkes, BGHZ 185, 330 Rn. 13 – Sommer unseres Lebens = GRUR 2010, 633.
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§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs
se ein Hauseigentümer seiner Rechtsachtungspflicht gegenüber dem Recht auf Gesundheit beziehungsweise körperliche Integrität seines Mieters nicht nach, indem er keinen Lawinenfang am Dach installiert (Stammrechtsebene), kann der Mieter, bereits bevor er am Körper verletzt wird, sein Recht auf Gesundheit beziehungsweise körperliche Integrität verteidigen. Der Hauseigentümer hat die Gefährdung dieses Stammrechts in Form einer konkreten Rechtspflicht zu unterlassen (Rechtsdurchsetzungsebene). Mittelbar bewirkt dies freilich, dass der Hauseigentümer die Verkehrspflicht befolgt.348 Wie er die Gefährdung abwendet, steht ihm dabei aber regelmäßig frei.349 Auch gegenüber dem Betreiber einer Online-Plattform bestehen keine Unterlassungsansprüche, solange der Betreiber seinen „Verkehrspflichten“ zum Schutze fremder Immaterialgüterrechte nachkommt.350 Wird aber das zu verteidigende Stammrecht (z. B. eine Registermarke) durch die Nichtbeobachtung der einschlägigen allgemeinen Rechtsachtungspflichten (im Kleide von Verkehrspflichten) gefährdet, kann der Berechtigte sein Stammrecht wiederum bereits durch einen Unterlassungsanspruch gegenüber dem Plattformbetreiber (der diesem dann eine konkrete Unterlassungspflicht auferlegt und diesen dadurch mittelbar veranlasst, die von den Verkehrspflichten geforderten Maßnahmen einzuleiten) durchsetzen.351 Die dem Unterlassungsanspruch zugrunde liegende konkrete Unterlassungspflicht ist dabei wiederum nicht die Verkehrspflicht, sondern beispielsweise die Pflicht, die Gefährdung einer Marke oder der Gesundheit zu unterlassen. Ob darüber hinaus die Nichtbeobachtung der allgemeinen Rechtsachtungspflichten/Verkehrspflichten einen Schadensersatzanspruch auslöst (und korrespondierend eine Pflicht zur Zahlung einer bestimmten Geldsumme begründet), hängt davon ab, ob das Stammrecht auch gegenüber mittelbar Verantwortlichen über Schadensersatzansprüche verwirklicht werden soll. Während die Rechtsprechung der Frage dadurch aus dem Weg geht, dass sie behauptet, der Störer haftet nur auf Unterlassung,352 sympathisieren andere 348 Vgl. BGH NJW 1955, 300, 300 f.; OLG Düsseldorf NJW-RR 2012, 780; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19. 06. 2013 Az. I-18 U 1/13 = BeckRS 2014, 04631; s. a. MünchKomm/Wagner, Vor § 823 Rn. 42. 349 Erman/F. Ebbing, § 1004 Rn. 79; vgl. auch EuGH Urt. v. 27. 3. 2014, C-314/12 Rn. 52 ff. – UPC Telekabel/Constantin Film = ECLI:EU:C:2014:192 = GRUR 2014, 468. 350 BGHZ 191, 19 Rn. 39 und Rn. 44 – Stiftparfüm = GRUR 2011, 1038; auch dies zeigt: Bei den Verkehrspflichten kann es sich nicht um Pflichten handeln, die mit Unterlassungsansprüchen korrelieren. Mangels Unterlassungsanspruch kann keine konkrete Unterlassungspflicht bestehen. Konsequenterweise muss die Verkehrspflicht aus dem Stammrecht folgen, zur Rechtszuweisung und Rechtsdurchsetzung je aus Gläubiger- und Schuldnerperspektive o. § 9 I 4. 351 Vgl. BGHZ 191, 19 Rn. 39 und Rn. 44 – Stiftparfüm = GRUR 2011, 1038. 352 BGH GRUR 2002, 618, 619 – Meißner Dekor; BGHZ 158, 236, 253 – Internetversteigerung I = GRUR 2004, 860, 864; BGHZ 191, 19 Rn. 47 – Stiftparfüm = GRUR 2011,
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zugleich mit einer Schadensersatzhaftung.353 Vor allem aber der Vorschlag Ohlys, namentlich Intermediäre zwar (wenn auch nur im Falle grob fahrlässigen Handelns) auf Schadensersatz haften zu lassen, den Umfang der Haftung aber auf die erwirtschafteten Gewinne zu begrenzen,354 belegt, dass von der Missachtung von Verkehrspflichten nicht automatisch auf das Entstehen von Ansprüchen geschlossen werden kann. Theoretisch wäre es durchaus gar umgekehrt denkbar, denjenigen, der Verkehrspflichten außer Acht lässt, nur mit einem Schadensersatzanspruch zu belangen.355 In diesem Sinne wird vertreten, dass ein Unterlassungsanspruch (beziehungsweise Beseitigungsanspruch) wegen der Gefährdung von Leib und Leben durch einen morschen Baum zwar vom Eigentümer des Nachbargrundstücks, nicht aber von einem Passanten, dem ein Ausweichen zumutbar ist, erhoben werden kann.356 Während die allgemeine Rechtsachtungspflicht (in Form von Verkehrspflichten) wegen bestehender Schadensersatzansprüche im Falle sich realisierender Gefahr logischerweise bestehen muss, kann bei der Durchsetzung des Rechts auf Leib/ Leben differenziert werden. Es muss eben in der Sache gerechtfertigt werden, warum und in welchem Umfang ein Stammrecht bereits im Vorfeld durchgesetzt werden soll. Denkbar wäre schließlich, dass das Stammrecht Dritte zu neuartigen positiven Ansprüchen verpflichtet. So wäre de lege ferenda darüber nachzudenken, ob beispielsweise einem Access-Provider bestimmte positive Maßnahmen auferlegt werden können.357 Vorzugswürdig erscheint, dass diese unter dem Vorbehalt einer richterlichen Anordnung stehen, vor allem um zu ermöglichen, dass der neutrale Intermediär nicht mit Kosten belastet wird (vgl. als Regelungsvorbild § 101 IX S. 5; § 19 IX S. 5 MarkenG).358 Im Ergebnis zeigt sich, dass die Frage, gegenüber wem Stammrechte mit dem hier besonders interessierenden Unterlassungsanspruch durchgesetzt werden können, ebenfalls nur eine Frage des Bestehens einer konkreten Unterlassungspflicht ist. Während klar ist, dass ein drohender unmittelbarer 1038; BGHZ 185, 330 Rn. 17 – Sommer unseres Lebens = GRUR 2010, 633; dem folgend etwa v. Ungern-Sternberg, GRUR 2012, 576, 581 f. 353 Köhler, GRUR 2008, 1, 7; Leistner, GRUR-Beil. 2010, 1, 22, 28; Czychowski/J. B. Nordemann, GRUR 2013, 986, 988 f.; J. B. Nordemann, GRUR 2011, 977, 978 f.; Gräbig, MMR 2011, 504, 508 f.; Hofmann, ZUM 2014, 654, 657; Sesing, MMR-Aktuell 2013, 346040. 354 Ohly, Gutachten Juristentag, F 107 f.; ders. ZUM 2015, 308, 315 f.; vgl. auch Krüger/ Apel, MMR 2012, 144, 148 ff.; für Haftungsprivilegierung über § 8 TMG Stang/Hühner, GRUR 2010, 636, 637; dies., GRUR-RR 2008, 273, 275; Borges, NJW 2010, 2624, 2627; Leistner, GRUR-Beil. 2010, 1, 28. 355 Vgl. o. § 5 IV 1 c). 356 MünchKomm/Wagner, Vor § 823 Rn. 42; s. a. Erman/G. Schiemann, Vor § 823 Rn. 21; das Bestehen von einschlägigen Verkehrspflichten (= Rechtsachtungspflichten) bleibt davon unberührt. 357 Vgl. Ohly, ZUM 2015, 308, 317 f.; Hofmann, GRUR 2015, 123, 128 ff. (dort allerdings de lege lata für eine Analogie zu den immaterialgüterrechtlichen Auskunftsansprüchen). 358 Hofmann, GRUR 2015, 123, 128 ff.
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§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs
Eigentumseingriff regelmäßig mit einem Unterlassungsanspruch (basierend auf einer entsprechenden konkreten Unterlassungspflicht) abgewehrt werden kann, bestimmt sich die Frage, ob „mittelbare Verletzer“ konkrete Unterlassungspflichten treffen, danach, wie weit das Stammrecht im Vorfeld Pflichten auferlegt.359 Dies einzugrenzen obliegt den Verkehrspflichten. Dass Mittelspersonen solche Pflichten auferlegt werden, kann zudem vom Unionsrecht vorgegeben sein (vgl. Art. 8 III InfoSoc-RL; Art. 11 S. 3 Enforcement-RL).360 Bezeichnet man die nationale Haftung dabei als „Täterhaftung“, macht diese begriffliche Klassifikation das sachliche Haftungskonzept deshalb nicht unionsrechtswidrig.361 Das Vertragsrecht schließlich verlangt ebenfalls keine Sonderdogmatik. Da ein Vertrag ohnehin nur zwischen den Vertragsparteien wirkt, können mittelbare Eingriffe durch außenstehende Dritte logischerweise nicht auftreten. Jenseits des über § 241 II BGB gewährleisteten Vorfeldschutzes inter partes ist allerdings denkbar, dass der Vertragspartner für Handlungen seiner Erfüllungsgehilfen einzustehen hat. Er wird so behandelt, als habe er selbst anstatt der Hilfsperson gehandelt.362 Diese Konstruktion findet im Ansatz mit § 8 II UWG im Deliktsrecht eine Parallele.363
VIII. Fazit In diesem Kapitel wurde nachgewiesen, dass dem privatrechtlichen Unterlassungsanspruch eine einheitliche Struktur zugrundeliegt. Es muss nicht zwischen vertraglichen und gesetzlichen oder den jeweiligen spezialgesetzlichen Unterlassungsansprüchen differenziert werden. Steht fest, dass ein bestimmtes Stammrecht mit der Rechtsfolge Unterlassen verwirklicht werden soll (womöglich bereits gegen Personen, die das Stammrecht nicht selbst unmittelbar beeinträchtigen), kommt es auf die Natur des vorausliegenden Stammrechts gerade nicht mehr an. Kernbaustein des Unterlassungsanspruchs ist eine konkrete Unterlassungspflicht. Ob eine solche Pflicht zur Verwirklichung eines Stammrechts beschrieben werden kann (Schuldnerperspektive), muss mit 359 Mitunter bleibt dem Dritten auch ein Spielraum, wie er die Bedrohung des fremden Rechts eindämmt, MünchKomm/Wagner, Vor § 823 Rn. 42; EuGH Urt. v. 27. 3. 2014 – C-314/12 Rn. 52 ff. – UPC Telekabel = ECLI:EU:C:2014:192 = GRUR 2014, 468. 360 Vgl. Heidrich/Heymann, MMR 2016, 370, 373 f. 361 Vgl. demgegenüber EuGH Urt. v. 12. 7. 2011, C-324/09 Rn. 102 f., 104 – L’Oréal/eBay = ECLI:EU:C:2011:474 = GRUR 2011, 1025; v. Ungern-Sternberg, GRUR 2012, 576, 581 f.; Fitzner, Mitt. 2011, 314 ff.; wie hier Köhler, GRUR 2008, 1, 7. 362 Es kann sich bereits aus der Abrede selbst ergeben, dass der Vertragspartner für das Verhalten Dritter einstehen muss; § 278 BGB kann hilfsweise „wenngleich dogmatisch nicht zwingend“ herangezogen werden, Köhler, AcP 190 (1990), 496, 501. 363 Vgl. aber Köhler/Feddersen/Bornkamm, § 8 Rn. 2.32, der nicht nur eine Zurechnungsnorm, sondern eine eigene Anspruchsgrundlage sieht.
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VIII. Fazit
Blick auf eine konkrete Rechtsdurchsetzungssituation untersucht werden. Ein Unterlassungsanspruch (und damit die Perspektive des Gläubigers) setzt die Verletzung oder drohende Verletzung einer konkreten Unterlassungspflicht voraus. Was beim Leistungsanspruch die Fälligkeit ist, ist damit beim Unterlassungsanspruch die Begehungsgefahr. Diese erweist sich als Spezialregelung für Unterlassungsansprüche zu § 271 BGB.364 Vor allem hat sich als hilfreiches Analysewerkzeug erwiesen, auf die Hohfeld‘sche Korrelationslehre von right und duty aufzubauen. Während bei Rechten zwischen Stammrechten und Rechtsfolgenrechten unterschieden werden kann, finden sich mit allgemeinen Rechtsachtungspflichten und konkreten Rechtspflichten entsprechend differenziertere Korrespondenzbegriffe. Dies sei nochmals veranschaulicht: Rechtszuweisung und Rechtsdurchsetzung aus Gläubiger- und Schuldnerperspektive Rechtszuweisung Rechtsdurchsetzung
Gläubigerperspektive
Schuldnerperspektive
Stammrecht Rechtsfolgenrecht
Allgemeine Rechtsachtungspflicht Konkrete Rechtspflicht
Problematische Rechtsfragen wie die Haftung für Mittelspersonen, die Frage der „Klagbarkeit“ unselbständiger Unterlassungsansprüche oder auch die Diskussion um „Pflichten“ im Rahmen von § 275 BGB lassen sich dadurch strukturieren, dass zwischen Rechtszuweisung und Rechtsdurchsetzung einerseits und Gläubiger- sowie Schuldnerperspektive andererseits getrennt wird. Auch wenn eine solche Analyse aus sich selbst heraus keine Antwort auf die Frage liefert, ob insbesondere ein Unterlassungsanspruch besteht oder nicht (zu den materialen Kriterien o. § 8), macht sie transparent, wo die Stellschrauben für einschlägige Wertungen liegen.
364
Ahrens, Liber amicorum Lindacher, S. 1, 5.
§ 10 Die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen Auch für die Durchsetzung des Rechtsfolgenrechts Unterlassen beziehungsweise des Unterlassungsanspruchs sind weder die Natur des zu verwirklichenden Stammrechts noch das konkrete Verfahren ausschlaggebend. Dies soll nun belegt werden. Dazu muss zunächst erneut eine Vorüberlegung angestellt werden. Es bedarf eines Überblicks über die Struktur der Rechtsdurchsetzung beziehungsweise Rechtsverwirklichung im Allgemeinen. Im Ergebnis finden sich drei Phasen der Rechtsdurchsetzung: (1) die Entstehung eines Anspruchs zur Verwirklichung beziehungsweise Durchsetzung eines vorausliegenden Stammrechts; (2) die „Titulierung“ des Anspruchs; (3) die zwangsweise Durchsetzung des „Titels“. Das materielle Rechtsfolgenrecht beziehungsweise die korrespondierende konkrete Unterlassungspflicht setzt sich dabei im Titel fort, auch wenn das titulierte Recht beziehungsweise die titulierte Pflicht nicht mit den jeweiligen materiellen Gegenstücken identisch sind. Diese Grundstrukturen werden zunächst anhand des Zivilprozesses, dem Prototyp des Verfahrensrechts, herausgearbeitet. Sie beanspruchen aber dem Grundsatz nach auch dort Geltung, wo Rechtsfolgenrechte außergerichtlich verwirklicht werden (I.). Während die erste Phase der Rechtsdurchsetzung bereits behandelt wurde,1 bedürfen die zweite und dritte Phase in diesem Kapitel genauerer Betrachtung. Wie können Unterlassungsansprüche verfahrensrechtlich durchgesetzt werden? Entsprechend wird untersucht, wie der Berechtigte einen „Titel“ im weitesten, nicht nur formal verstandenen Sinne erlangen kann (Phase 2: Titulierung). Dabei wird eine funktionale Betrachtung angestrengt, die auch außergerichtliche „Titulierungen“ mittels strafbewehrter Unterlassungserklärungen einbezieht. Dies beruht auf der Prämisse, dass Streitigkeiten im Grundsatz2 auch ohne gerichtliche Mitwirkung beigelegt werden können sollen (II.). Es folgen Ausführungen zur zwangsweisen Durchsetzung des titulierten Unterlassungsanspruchs (Phase 3: Vollstreckung). Auch hier begründet es wertungsmäßig keinen Unterschied, ob dies gerichtlich oder außergerichtlich erfolgt und welche Natur das zu verwirklichende Recht hat (III.). Da Unterlassungsansprüchen eine „strukturbedingte Durchsetzungsschwäche“ 1
Zur Entstehung von Unterlassungsansprüchen o. § 9; s. a. o. § 5 II 2. wie z. B. die gerichtliche Mitwirkung bei der Ehescheidung, müssen begründet sein (vgl. § 1564 BGB). 2 Ausnahmen,
I. Die Struktur der Rechtsdurchsetzung
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bescheinigt wird,3 liegt die Betonung im Folgenden vor allem auch darauf, dass das Recht sicherstellen muss, dass dann, wenn ein Stammrecht mit der Rechtsfolge Unterlassen verwirklicht wird, letztere auch effektiv durchgesetzt werden kann. Eine Art Kommentierung der „Unterlassungsklage“ oder „Abmahnung“ vorzulegen,4 ist demgegenüber hier nicht beabsichtigt. Es gilt einzig, die Grundstrukturen herauszuarbeiten.
I. Die Struktur der Rechtsdurchsetzung Damit ein Stammrecht nicht nur auf dem Papier besteht, muss es sich gerade in Konfliktsituationen bewähren. Der Rechtsdurchsetzung kommt maßgebliche Bedeutung zu.5 Das materielle Recht regelt – wie gesehen – zunächst, wer, wann beziehungsweise unter welchen Voraussetzungen, wie, wie lange etc. ein Stammrecht verwirklichen kann.6 Vor allem wird festgelegt, ob in einer bestimmten Rechtsdurchsetzungssituation das Rechtsfolgenrecht Unterlassen gewährt wird (allgemein: Wie wird das Stammrecht verwirklicht?). Nur dann kann zugunsten des Berechtigten ein Unterlassungsanspruch entstehen; nur dann trifft den Dritten eine konkrete Unterlassungspflicht. Entscheidend ist dabei, dass das materielle Recht selbst festlegt, ob ein Stammrecht insbesondere mit der Rechtsfolge Unterlassen durchgesetzt werden kann. Dies kann nicht dem Verfahrensrecht überlassen werden, so dass – wie dargelegt – der materielle Charakter von Ansprüchen zwingend ist.7 Zugleich geht es bei Rechtsfolgenrechten funktional bereits um Rechtsdurchsetzung. Sie sind auf ein vorausliegendes Stammrecht bezogen und haben dienenden Charakter. Es handelt sich – wie angedeutet – um die erste Phase der Rechtsdurchsetzung. In einer idealen Welt könnte es hierbei sein Bewenden haben. Die Rechtsordnung kann sich allerdings nicht darauf verlassen, dass jeder den ihm auferlegten „Pflichten“ nachkommt. Auch wenn diese überwiegend freiwillig befolgt werden, muss sie Mechanismen zur Verfügung stellen, welche die zwangsweise Durchsetzung der konkreten Rechtspflichten (und somit der entsprechenden Ansprüche) gewährleisten. Damit ein Anspruch in einem solchen Sinne vollstreckt werden kann, bedarf es zunächst 3 MünchKomm/Kramer, 5. Aufl. 2007, § 241 Rn. 9; Müller-Laube, Festschrift Rolland, S. 261, 263; auf die Durchsetzungsschwierigkeiten weist auch MünchKomm/Bachmann, § 241 Rn. 19, hin. 4 Überblick über die Probleme der Unterlassungsklage etwa bei Fritzsche, S. 535 ff. 5 So mahnt Zöllner, AcP 190 (1990), 471, 483 („[D]ie wahre Gestalt der materiellen Rechte [enthüllt sich ganz] erst im Zusammendenken mit der prozessualen und vollstreckungsrechtlichen Verwirklichung“). 6 Dazu o. § 5 II 2. 7 Dazu o. § 5 II 3; s. a. o. § 3 IV.
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§ 10 Die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen
seiner rechtsverbindlichen „Feststellung“.8 Der Anspruch ist im Erkenntnisverfahren als Voraussetzung für seine Vollstreckbarkeit beziehungsweise seine zwangsweise Durchsetzung zu titulieren.9 Gegenstand des Erkenntnisverfahrens ist aber nicht der materiellrechtliche Anspruch selbst, sondern der davon zu unterscheidende prozessuale Anspruch. Der Gegenstand der Rechtsdurchsetzung ist über das Erkenntnisverfahren hinaus unabhängig von der materiellen Rechtslage durch das Begehren und den einschlägigen Lebenssachverhalt rein verfahrensrechtlich zu bestimmen, obgleich es inhaltlich um die Feststellung des materiellen Rechts geht (1.). Auch wenn die Gewissheit, dass die nächste „Eskalationsstufe“ droht, oft bewirkt, dass der Verpflichtete sein Verhalten am Gesollten ausrichtet,10 kommt es vor, dass selbst der titulierte Anspruch zwangsweise durchgesetzt werden muss. Es ist der titulierte prozessuale Anspruch, der in Rechtskraft erwächst und bei Bedarf in der letzten Phase der Rechtsdurchsetzung zwangsvollstreckt werden kann (2.). Bei Unterlassungsansprüchen spielt die konkrete Unterlassungspflicht nicht nur in der Phase der Anspruchsentstehung, sondern auch in den weiteren Phasen der Rechtsdurchsetzung eine entscheidende Rolle. Durch ihre Reichweite wird das gewünschte Verhalten des Dritten determiniert. Mittels der „Kerntheorie“ wird die Reichweite der Unterlassungspflichten in sämtlichen Phasen der Rechtsdurchsetzung erweitert. Indes ist zu beachten: In jeder Phase der Rechtsdurchsetzung ist eine eigenständige Unterlassungspflicht maßgeblich, wenn diese jeweils auch auf die Unterlassungspflicht der vorherigen Stufe bezogen ist (Beispiel: Gegenstand der „Titulierung“ ist nicht die mit dem konkreten Anspruch korrespondierende konkrete Unterlassungspflicht, obwohl die Begründetheit der Klage entscheidend davon abhängt). Dies lässt sich als Kaskade der Unterlassungspflichten beschreiben (3.).
1. Der prozessuale Anspruch als Gegenstand gerichtlicher Titulierung Besteht ein Rechtsfolgenrecht beziehungsweise synonym ein Anspruch, ist dieser – wie oben in § 2 I dargelegt, regelmäßig gerichtlich verfolgbar.11 Der Prozess dient der Verwirklichung des vorprozessual gegebenen materiellen Rechts.12 Gegenstand des Rechtsstreits ist dennoch nach allgemeiner Mei8
Larenz/Wolf, § 18 Rn. 67; Zöller/Vollkommer, Einl Rn. 39; vgl. Nikisch, § 38 IV, S. 148. Köhler, Festschrift Georgiades, S. 223, 228 f.; Larenz/Wolf, § 18 Rn. 67; vgl. Fritzsche, S. 201. 10 Vgl. Siber, S. 70 f. 11 Larenz/Wolf, § 18 Rn. 68; Weller, S. 232 ff.; zum Streit um die prozessuale oder materiellrechtliche Natur der Klagebefugnis, vgl. Weller, S. 382 ff. und G. Wagner, S. 401 ff.; ablehnend gegenüber einem Rechtsschutzanspruch Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 3 II, S. 15 f.; Habscheid, S. 99 ff.; zu Dispositionen über die „Klagbarkeit“ grundlegend Wagner, S. 391 ff. 12 Larenz/Wolf, § 18 Rn. 68; Jacobs, S. 184 f.; Thomas/Putzo/Reichold, Einl. II Rn. 12; Zöller/Vollkommer, Einl. Rn. 39. 9
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nung nicht der materielle Anspruch aus § 194 BGB;13 geltend gemacht wird der prozessuale Anspruch.14 Der prozessuale Anspruch, den der Kläger vor Gericht erhebt und der den Streitgegenstand bildet, ist sorgfältig von dem materiellrechtlichen Anspruch, den der Kläger als Gläubiger auf Grund des Privatrechts gegen den Schuldner hat, zu scheiden.15 Mit Schwab ist er „die Form, in der im Prozeß das materielle Recht geltend gemacht wird. Er ist das prozessuale Hilfsmittel zur Durchsetzung des materiellen Rechts“.16 Zwar wurde in der älteren Lehre vertreten, dass der Streitgegenstand eben durch den materiellen Anspruch gebildet wird.17 Besteht aber ein solcher Anspruch nicht, hätte eine unbegründete Klage folglich keinen Streitgegenstand.18 Auch materielle Anspruchskonkurrenz begründet ein Problem. Bestehen beispielsweise Ansprüche aus Verschuldenshaftung, Gefährdungshaftung und Vertrag, könnte erneut geklagt werden, wenn über einen der Ansprüche im ersten Prozess nicht verhandelt wurde.19 Aus praktischen Gründen kann aber über zusammengehörige Ansprüche nur einheitlich in einem Urteil entschieden werden.20 Die herrschende Meinung bestimmt den Streitgegenstand folglich zweigliedrig.21 In den Worten des BGH: „[D]er Streitgegenstand [wird] durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet.“22
Zum maßgeblichen Lebenssachverhalt zählen „alle Tatsachen, die bei einer vom Standpunkt der Parteien ausgehenden natürlichen Betrachtungsweise zu 13 BGH NJW 2013, 540 Rn. 14; Schwab, S. 2 f.; Henckel, Parteilehre, S. 253 ff.; Zöller/ Vollkommer, Einl. Rn. 62; Fritzsche, S. 574. 14 Zöller/Vollkommer, Einl. Rn. 63; Larenz/Wolf, § 18 Rn. 69; Weller, S. 387 f., vergleicht Streitgegenstand und Anspruch mit prozessualer und materieller Klagebefugnis. 15 Kaufmann, JZ 1964, 482; Weller, S. 232 (Fn. 99); Schwab, S. 1. 16 Schwab, S. 141; s. a. Thomas/Putzo/Reichold, Einl. II Rn. 12. 17 Etwa Lent, ZZP 65, 315 ff.; ders., ZZP 57, 1, 13 ff.; Überblick bei Habscheid, S. 20 ff.; diese Vorstellung lag auch der CPO zugrunde, vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 92 Rn. 8; Althammer, ZZP 123 (2010), 163, 164 f.; vgl. auch Schwab, S. 7 ff., der herausstellt, dass auch nach diesen Lehren der Streitgegenstand ein prozessualer Begriff ist, vgl. a. a. O., S. 4. 18 Schwab, S. 2 f.; vgl. Habscheid, S. 112 ff. (im Prozess wird um behauptete Rechte gestritten); vgl. Henckel, Parteilehre, S. 253 f. 19 Manche wollen daher mehrere Anspruchsgrundlagen zu einem Anspruch zusammenfassen, Georgiades, S. 167 ff.; Larenz/Wolf, § 18 Rn. 33 ff.; Henckel, Parteilehre, S. 270 ff.; Rimmelspacher, S. 202 f., will die Unterscheidung zwischen Rechtsposition und Rechtsbehelf fruchtbar machen; vgl. bereits Nikisch, 1952, § 42 IV 3; zur Lehre von der Anspruchsnormenkonkurrenz auch sogleich im Text. 20 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 92 Rn. 9. 21 Habscheid, S. 221 f.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 92 Rn. 10; Fritzsche, S. 574; Larenz/Wolf, § 18 Rn. 72; ebenso die Rechtsprechung vgl. nur BGHZ 117, 1 = NJW 1992, 1172, 1173. 22 BGHZ 194, 314 Rn. 18 – Biomineralwasser = GRUR 2013, 401; vgl. auch BGHZ 154, 342 = NJW 2003, 2317, 2318.
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§ 10 Die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen
dem durch den Vortrag der Klagepartei zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören.“23 Praktisch fällt die Abgrenzung allerdings schwer. Zwar konkretisiert die Rechtsprechung, dass ein Sachverhalt vorliegt, „wenn der Tatsachenstoff nicht sinnvoll auf verschiedene eigenständige, den Sachverhalt in seinem Kerngehalt verändernde Geschehensabläufe aufgeteilt werden kann, selbst wenn diese einer eigenständigen rechtlichen Bewertung zugänglich sind.“24 Eine Mehrheit von Streitgegenständen liegt nur dann vor, „wenn die materiellrechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche durch eine Verselbständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich ausgestaltet.“25 Was aber damit zum relevanten „gesamten historischen Lebensvorgang“ zählt, bleibt im Ergebnis eine Wertungsfrage.26 Nur auf den Antrag abzustellen,27 schafft allerdings keine Abhilfe. Dadurch müssten zur Konkretisierung des Streitgegenstands vielfach die Gründe herangezogen werden. Damit ist gegenüber dem zweigliedrigen Streitgegenstand aber nicht viel gewonnen.28 Um die Abgrenzung kommt man nicht herum: Während beispielsweise bei einer Schadensersatzklage der Streitgegenstand durch den maßgeblichen Verkehrsunfall abgegrenzt wird und folglich Ansprüche aus § 823 I BGB, §§ 7, 18 StVG und gegebenenfalls aus Vertrag den Gegenstand des Prozesses bilden,29 hat die Rechtsprechung im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht zuletzt hohen Aufwand betrieben, um den Streitgegenstand einschlägiger Unterlassungsklagen zu konkretisieren. Wird der Unterlassungsanspruch auf ein Schutzrecht und zugleich auf wettbewerbswidriges Verhalten gestützt, sollen zwei Streitgegenstände vorliegen, weil eben die „materiell-rechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche durch eine Verselbständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich ausgestaltet“.30 Verstöße gegen mehrere UWG-Verbote hingegen sollen dann, wenn beispielsweise eine Werbeanzeige in ihrer Gesamtheit angegriffen wird, einen einheitlichen 23
BGHZ 194, 314 Rn. 19 – Biomineralwasser = GRUR 2013, 401. BGHZ 194, 314 Rn. 19 – Biomineralwasser = GRUR 2013, 401. 25 BGHZ 194, 314 Rn. 19 – Biomineralwasser = GRUR 2013, 401; BGH GRUR 2013, 397 Rn. 13 – Peek & Cloppenburg III. 26 Jauernig/Hess, § 37 Rn. 36; Kodde, S. 220 f. 27 Schwab, S. 101 ff., 116, 137 f., 183 ff.; vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 92 Rn. 12 ff.; Althammer, Streitgegenstand und Interesse, will den Streitgegenstand über das Interesse des Klägers bestimmen. Nach dieser Theorie wäre in der Tat ein statt des Unterlassungsanspruchs gewährter Entschädigungsanspruch/Schadensersatzanspruch (nach dem Vorbild damages in lieu of an injunction) vom ursprünglichen Streitgegenstand erfasst, vgl. Althammer, ZZP 123 (2010), 163, 180 f. 28 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 92 Rn. 13; Thomas/Putzo/Reichold, Einl. II Rn. 24 f. 29 Zum „Fahrgastfall“ bei einem Eisenbahnunfall Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 92 Rn. 9. 30 BGH GRUR 2013, 397 Rn. 13 – Peek & Cloppenburg III; vgl. BGH GRUR 2012, 58 Rn. 14 – Seilzirkus; für einen breiteren Streitgegenstand im Markenverletzungsprozess Kodde, S. 191 ff. 24
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Lebenssachverhalt bilden.31 Gleiches gilt, wenn eine Kennzeichenrechtsverletzung sowohl auf § 14 II Nr. 2 und § 14 II Nr. 3 MarkenG gestützt wird.32 Die Problematik greift freilich für die Rechtsdurchsetzung schlechthin. Im Ausgangspunkt stellt sich allerdings bereits die Frage, ob mit Blick auf einen bestimmten Lebenssachverhalt nur ein materiellrechtlicher Anspruch oder mehrere materiellrechtliche Ansprüche entstanden sind, selbst wenn entweder mehrere Anspruchsgrundlagen oder mehrere Verletzungsalternativen einer Anspruchsgrundlage verwirklicht sind. Nur ein Anspruch liegt im Falle von Gesetzeskonkurrenz beziehungsweise normverdrängender Konkurrenz vor.33 Es gilt: lex specialis derogat legi generali. Auch bei alternativer Konkurrenz stehen mehrere Ansprüche wahlweise zur Verfügung, nur einer kann aber im Ergebnis geltend gemacht werden (§§ 280 I, III, 281 oder § 284 BGB).34 Mehrere materiellrechtliche Ansprüche liegen hingegen vor, wenn beispielsweise im Rahmen des § 823 I BGB sowohl eine Eigentums- als auch eine Körperverletzung im Raum steht. Sind mehrere Stammrechte betroffen (Eigentum; Recht auf körperliche Integrität), müssen logischerweise mehrere selbständige Ansprüche zur jeweiligen Rechtsverwirklichung entstehen, auch wenn die Verletzung auf ein und derselben Handlung beruht (beispielsweise ein Schuss aus einer Waffe). Dem Anspruchsteller muss es möglich sein, die unterschiedlichen Schadenspositionen jeweils gesondert zu verwirklichen. In diesem Zusammenhang ist von einer Anspruchshäufung oder kumulativer Konkurrenz die Rede.35 Dass die Schadensersatzsanktion technisch in einer Anspruchsgrundlage für mehrere Stammrechte gebündelt geregelt ist, kann daran nichts ändern. Dies gilt erst recht, wenn für das gleiche Anspruchsziel unterschiedlich ausgestaltete Anspruchsgrundlagen zur Verfügung stehen. Die herrschende Meinung gewährt daher zu Recht neben dem vertraglichen Schadensersatzanspruch zusätzlich einen deliktischen Schadensersatzanspruch oder neben vertraglichen auch dingliche Herausgabeansprüche (echte Anspruchskonkurrenz).36 Aber auch dann, wenn im Wettbewerbsrecht eine einzelne Werbeanzeige mehrere Verbotstatbestände erfüllt, begründet dies mehrere Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche. Die ältere Rechtsprechung ging gar so weit, in der „Verwirklichung unterschiedlicher Er31
BGH GRUR 2012, 184 Rn. 14 f. – Branchenbuch Berg. BGH GRUR 2012, 621 Rn. 32 – Oscar. 33 Larenz/Wolf, § 18 Rn. 19 ff. 34 Larenz/Wolf, § 18 Rn. 22 f. 35 Larenz/Wolf, § 18 Rn. 24 f.; prozessual liegen mehrere Streitgegenstände vor, vgl. Thomas/Putzo/Reichold, Einl II. Rn. 19 mit Blick auf die Unterscheidung von Vermögensschaden, Nichtvermögensschaden und Personenschaden. 36 BGHZ 46, 140, 144 = NJW 1967, 42; BGH NJW 1998, 1142; MünchKomm/Wagner, Vor § 823 Rn. 78; Larenz/Wolf, § 18 Rn. 27 ff.; anders aber v. Tuhr, § 16 I 4, S. 276 ff.; im französischen Recht gilt der Grundsatz „non cumul“, vgl. MünchKomm/Wagner, Vor § 823 Rn. 78. 32
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§ 10 Die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen
scheinungsformen derselben Verbotsnorm“ (z. B. Irreführungsverbot, §§ 3, 5 UWG) jeweils selbständige Streitgegenstände zu sehen.37 Da es aber auch nach der neuen Rechtsprechung des I. Zivilsenats zum Streitgegenstand weiterhin möglich ist, eine konkrete Werbeanzeige unter verschiedenen Aspekten jeweils gesondert anzugreifen,38 müssen erst recht mehrere materielle Ansprüche verfügbar sein.39 Für vertragliche Schadensersatzansprüche, die auf mehrere Beratungsfehler (= mehrere Pflichtverletzungen gemäß § 280 I BGB) gestützt werden, urteilt der BGH in gleicher Weise: „Danach werden mehrere Handlungen, auch wenn sie gleichartig oder Teilakte einer natürlichen Handlungseinheit sind und auf einem einheitlichen Vorsatz des Schädigers beruhen, nicht unter dem Gesichtspunkt eines zusammenhängenden Gesamtverhaltens als Einheit betrachtet. Vielmehr stellt jede Handlung, die eigene Schadensfolgen zeitigt und dadurch zum Gesamtschaden beiträgt, verjährungsrechtlich eine neue selbstständige Schädigung dar und erzeugt daher einen neuen Ersatzanspruch mit eigenem Lauf der Verjährungsfrist.“40
Manche wollen allerdings in den vorher genannten Fällen im Ergebnis nur einen Anspruch sehen. Im Falle von Anspruchsnormenkonkurrenz soll nur ein einziger materiellrechtlicher Anspruch vorliegen, obwohl mehrere Anspruchsgrundlagen erfüllt sind.41 Kennzeichen sei dabei, dass die Anspruchsgrundlagen jeweils auf die gleiche Leistung gerichtet sind und die Leistung (beispielsweise Schadensersatz) im Ergebnis nur einmal verlangt werden kann. Nach dem Zweck der Anspruchsnorm träten die Rechtsfolgen mehrerer Anspruchsgrundlagen notwendig immer nur bei ein und derselben Person ein.42 Der dem B bei einer Operation zugefügte Schaden begründe demnach, obwohl sowohl vertragliche als auch deliktische Anspruchsgrundlagen erfüllt sind, einen einzigen materiellrechtlichen Anspruch.43 Dieses Zusammenfassen ist letztlich prozessual motiviert. Es soll nämlich bei Anspruchsnormenkonkurrenz nur ein einheitlicher Streitgegenstand vorliegen.44 Lässt man diese prozessuale Motivation beiseite, spricht nichts dagegen, im Ausgangspunkt in den referierten Beispielen mehrere materiellrechtliche An37 Vgl. BGHZ 194, 314 Rn. 20 – Biomineralwasser = GRUR 2013, 401 mit Verweis auf BGH GRUR 2001, 181, 182 – dentalästhetika I, BGH GRUR 2007, 161 Rn. 9 – dentalästhetika II. 38 BGHZ 194, 314 Rn. 25 – Biomineralwasser = GRUR 2013, 401. 39 Vgl. für unterschiedliche Verletzungsalternativen im Markenrecht BGH GRUR 2012, 621 Rn. 32 – Oscar („Werden aus einem Schutzrecht sowohl Ansprüche wegen Verwechslungsschutz nach § 14 II Nr. 2 MarkenG als auch wegen Bekanntheitsschutz nach § 14 II Nr. 3 MarkenG geltend gemacht, handelt es sich ebenfalls um einen einheitlichen Streitgegenstand“ – Hervorhebung nicht im Original); vgl. Kodde, S. 223 f. 40 BGH NJW 2008, 506 Rn. 16 – Verjährungsbeginn; s. a. BGH = NJW 2015, 3297. 41 Larenz/Wolf, § 18 Rn. 33 ff.; grundlegend Georgiades, S. 129 ff. 42 Larenz/Wolf, § 18 Rn. 34, 31. 43 Larenz/Wolf, § 18 Rn. 33, 35. 44 Larenz/Wolf, § 18 Rn. 33; Georgiades, S. 239 ff.
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sprüche zu erblicken.45 Dennoch wird deutlich, dass es gerade die Perspektive der Rechtsdurchsetzung nötig macht, mehrere selbständige Ansprüche zwecks ihrer Durchsetzung zusammenzufassen. Neben dem Anspruchsziel bildet dabei der Lebenssachverhalt die entscheidende Klammer. Dass das Begehren (z. B. Rechtsverwirklichung mittels der Rechtsfolge Unterlassen) immer auf einen Sachverhalt bezogen ist, wurde bereits auf der Stufe des Anspruchs gesehen (o. § 9 I 4 und § 9 III). Da aber auch die Verjährung nach hier vertretener Ansicht eine Frage der Rechtsdurchsetzung ist (wie lange?),46 überrascht es entsprechend nicht, dass es für den Verjährungsbeginn nicht auf die Kenntnis der rechtlichen Würdigung ankommt, sondern dass die Kenntnis der konkreten Verletzungshandlung maßgeblich ist.47 Entscheidend ist die Kenntnis beziehungsweise grobfahrlässige Unkenntnis der wesentlichen Tatumstände, kurzum des Lebenssachverhalts.48 Ist dieser für mehrere Ansprüche relevant, beginnt die Verjährungsfrist für sämtliche Ansprüche zu laufen.49 Ein noch klareres Beispiel liefert § 203 S. 1 BGB: Nach dieser Regelung wird die Verjährung gehemmt, wenn zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben. Gegenstand der Verhandlungen sind dabei im Zweifel alle Ansprüche, die der den Verhandlungen zugrundeliegende Lebenssachverhalt hervorbringt. Der Anspruchsbegriff des § 203 S. 1 BGB ist deshalb regelmäßig nicht im Sinne einer materiellrechtlichen Anspruchsgrundlage zu verstehen. Bei Verhandlungen über vertragliche Schadensersatzansprüche werden daher regelmäßig auch deliktische erfasst.50 Besonders deutlich wird dies schließlich bei der außergerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen. Auch hier darf der „Streitgegenstand“ der Abmahnung nicht mit einem materiellen Anspruch gleichgesetzt werden.51 Die vertragliche Unterlassungsverpflichtung wird sich regelmäßig auf die konkrete 45 Unterschiedliche Ansprüche mögen unterschiedliche Entstehungsvoraussetzungen haben und unterschiedlichen Verjährungsvorschriften unterliegen, vgl. Rosenberg/Schwab/ Gottwald, § 92 Rn. 17. 46 Dazu o. § 5 II 2. 47 BGH NJW-RR 2008, 1237 Rn. 7; BGHZ 170, 260 Rn. 28 = NJW 2007, 830. 48 Teplitzky/Bacher, 16. Kap. Rn. 9; Ohly/Sosnitza, § 11 Rn. 27. 49 Vgl. Erman/J. Schmidt-Räntsch, § 199 Rn. 21 mit Blick auf deliktische und vertragliche Ansprüche aus Arzthaftung; vgl. Bamberger/Roth/Spindler, § 199 Rn. 21. 50 Palandt/Ellenberger, § 203 Rn. 3; MünchKomm/Grothe, § 203 Rn. 7; Jauernig/Mansel, § 203 Rn. 2; die Verhandlungen können aber ausdrücklich auf einen bestimmten Anspruch begrenzt werden, vgl. BGH NJW 1998, 1142. 51 Vgl. aber Fritzsche, S. 309, der nur auf das Bestehen des „gesetzlichen Unterlassungsanspruch[s]“, nicht der aber bestehenden gesetzlichen Unterlassungsansprüche abstellt; die „Abmahnung“ erscheint als Funktionsäquivalent zum Erkenntnisverfahren wie die Unterlassungserklärung zum „Titel“, s. a. u. § 10 II; eine Reihung bei mehreren Streitgegenständen soll allerdings in der „Abmahnung“ noch nicht nötig sein, Büscher, GRUR 2012, 16, 18 (Fn. 12); dazu u. § 10 II 2.
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§ 10 Die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen
Verletzungsform beziehen. Nur dann entfällt die Wiederholungsgefahr der Unterlassungsansprüche, die über die strafbewehrte Unterlassungserklärung außergerichtlich beigelegt werden sollen.52 Die Wiederholungsgefahr kann so auch entfallen, wenn mehrere UWG-Unterlassungsansprüche bestehen (z. B. mehrere Irreführungsaspekte vorgetragen sind) und sich der Verletzer zwar mit Blick auf die konkrete Verletzungsform unterwirft, aber nur auf einen Irreführungsaspekt abstellt.53 Auch jenseits des Erkenntnisverfahrens ist damit der Gegenstand der Rechtsdurchsetzung rein verfahrensrechtlich zu ermitteln. Auch wenn – wie sogleich zu vertiefen sein wird, u. 3. – in der Sache um das Bestehen der jeweiligen Ansprüche respektive Pflichten gestritten wird und die Begründetheit der „Unterlassungsklage“ vom Bestand des materiellen Rechts abhängt,54 findet die verfahrensrechtliche Verhandlung aus Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten über mehrere materielle Rechtsfolgenrechte statt.55 Tatsächlich Zusammengehörendes wird zusammengefasst, um widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden oder auch Rechtsfrieden zu fördern.56 Die Regeln zur Bestimmung des Streitgegenstands können über das Erkenntnisverfahren hinaus Orientierung bei der Bestimmung des maßgeblichen Gegenstands der Rechtsdurchsetzung liefern.57
52 Teplitzky/Kessen,
8. Kap. Rn. 16 ff.; vgl. Fritzsche, S. 307, 309 f.; BGH GRUR 1996, 290, 291 – Wegfall der Wiederholungsgefahr. 53 OLG Hamburg, Beschl. v. 26. 10. 2012 – 3 W 72/12 = BeckRS 2012, 23068. 54 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 132 Rn. 12 ff., 18, 25; vgl. Habscheid, S. 30. 55 Vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 92 Rn. 9. 56 Musielak, NJW 2000, 3593; vgl. Kodde, S. 192 ff. 57 Mit Blick auf den „Anspruch“ in § 203 S. 1 BGB, Bamberger/Roth/Spindler, § 203 Rn. 6; a. A. für die Abmahnung Müller-Broich, GRUR-Prax 2012, 399, 400; auch wenn nach dem BGH der Streitgegenstand „in Bezug auf die Rechtshängigkeit, die Rechtskraft, die Klagehäufung und die Klageänderung einheitlich“ zu bestimmen ist (BGHZ 194, 314 Rn. 21 – Biomineralwasser = GRUR 2013, 401), liefert dies ein Argument für die „relativen Streitgegenstandstheorien“. Außergerichtlicher „Verfahrensgegenstand“, Gegenstand der Verjährungshemmung nach § 203 S. 1 BGB und prozessualer Anspruch im Erkenntnisverfahren können sich durchaus unterscheiden, wenn auch im Grundsatz Begehren und Lebenssachverhalt die entscheidenden Kriterien sind, also zumindest grundsätzlich ein „Einheitsbegriff“ gilt (zu einer Art modifiziertem „Einheitsbegriff“ Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 92 Rn. 7). So kann z. B. aufgrund des Parteiwillens die strafbewehrte Unterlassungserklärung weiter oder enger gefasst werden. Für eine „relative Streitgegenstandstheorie“, wonach der Streitgegenstandsbegriff im Hinblick auf das jeweilige Rechtsinstitut, für das die Abgrenzung des prozessualen Anspruchs eine Rolle spielt, zu bestimmen ist, Rosenberg/Schwab/ Gottwald, § 92 Rn. 7 und Rn. 14; Zöller/Vollkommer, Einleitung Rn. 61, 82, 91; Althammer, ZZP 123 (2010), 163, 173 f., 178 ff.; der EuGH vertritt mit Blick auf die Rechtshängigkeit die Kernpunkttheorie, EuGH Urt. v. 8. 12. 1987, Rs. 144/86 – Gubisch Maschinenfabrik = ECLI:EU:C:1987:528 = NJW 1989, 665; EuGH Urt. v. 6. 12. 1994 Rs. C-406/92 – Tatry = ECLI:EU:C:1994:400.
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2. Der Unterlassungstitel als Gegenstand gerichtlicher Zwangsvollstreckung Hat ein Gericht über eine Unterlassungsklage entschieden, wird sich der Beklagte vielfach an das im Titel ausgesprochene Unterlassungsgebot halten. Der Streit um die Reichweite materieller Unterlassungspflichten ist durch das Gericht schließlich entschieden.58 Gleiches gilt, wenn die Streitbeilegung über eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung außergerichtlich erfolgt. Ebenso wie Verpflichtete Ansprüchen zugrundeliegenden konkreten Unterlassungspflichten nicht stets freiwillig nachkommen, wird auch nicht jeder Unterlassungstitel beobachtet. Daher muss in einer dritten Stufe die Rechtsordnung die zwangsweise Durchsetzung der nunmehr titulierten Unterlassungspflicht ermöglichen.59 Der Titelgläubiger hat dann unmittelbar die Möglichkeit, auf den Willen des Schuldners durch die Ordnungsmittel des § 890 ZPO Einfluss zu nehmen (zudem § 23 III BetrVG; § 89 FamFG; s. a. § 35 FamFG für verfahrensleitende gerichtliche Anordnungen).60 Gegenstand der Zwangsvollstreckung ist dabei der Titel. Maßgeblich ist nunmehr ausschließlich die Tenorierung.61 Nur wenn der Verpflichtete gegen die im Titel umschriebene Unterlassungspflicht verstoßen hat, können Ordnungsgeld oder Ordnungshaft verhängt werden.62 Zur näheren Bestimmung darf zwar auf die Entscheidungsgründe und den Tatbestand geblickt werden;63 eine Auslegung anhand der wahren materiellen Unterlassungspflicht ist aber tabu.64 Bei Unterlassungsstreitigkeiten besteht allerdings das Problem, dass ein Titel dadurch entwertet werden kann, dass der Verpflichtete geringfügig von dem ihm verbotenen Verhalten abweicht. Bei strenger Betrachtung liegt hierin kein Verstoß gegen das titulierte Verbot. Diesem würde dadurch freilich jegliche 58
Zu den Prozesszwecken vgl. Gaul, AcP 168 (1968), 27 ff. Larenz/Wolf, § 18 Rn. 67. 60 Fritzsche, S. 633 und S. 634 f.; Ahrens/Büttner/Spätgens, Kap. 63 Rn. 4; die Ordnungsmittel haben aber zugleich Strafcharakter, BVerfG GRUR 2007, 618; Thomas/Putzo/ Seiler, § 890 Rn. 2; Zöller/Stöber, § 890 Rn. 5; die funktional gleichgerichtete Vertragsstrafe bei strafbewehrten Unterlassungserklärungen verfolgt zudem die Funktion der Schadenspauschalierung, Ohly/Sosnitza, § 12 Rn. 35; zur Frage, ob auch eine erneute Klage zulässig ist Bernreuther, WRP 2012, 796 ff.; er spricht sich für eine Gleichbehandlung vertraglicher und gesetzlicher „Titel“ aus. Da im Falle einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bei einem erneuten Verstoß eine Klage zulässig wäre, sollte dies auch bei einem gesetzlichen Titel möglich sein. Das Risiko, ob es sich um eine „kerngleiche“ Handlung handelt, so dass auch ein Vollstreckungsverfahren möglich wäre, hat der Schuldner zu tragen. 61 Ritter, S. 49. 62 Ahrens/Büttner/Spätgens, Kap. 64 Rn. 59. 63 Köhler/Feddersen/Bornkamm, § 12 Rn. 6.4; vgl. Ahrens/Büttner/Spätgens, Kap. 64 Rn. 59. 64 Ritter, S. 49; etwas anders ist es, wenn zur Auslegung Parteivorbringen berücksichtigt wird, vgl. Ohly/Sosnitza, § 12 Rn. 246 und Rn. 88; Entscheidungen des Erkenntnisverfahrens dürfen jedenfalls nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. 59
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§ 10 Die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen
Effektivität geraubt.65 Der Berechtigte wäre nicht hinreichend geschützt. Um dem entgegenzuwirken, gilt die „Kerntheorie“.66 Dem Unterlassungstitel wird auch dann zuwidergehandelt, wenn der Verpflichtete zwar keine identische Handlung vornimmt, aber eine solche vorgenommen hat, die von dem „Charakteristischen“ der Handlung, die die Grundlage für die Verurteilung gebildet hat, nur geringfügig abweicht, ihr aber praktisch gleichwertig ist.67 Vom Tenor (und der Rechtskraft) sind auch solche Handlungen mitumfasst, die im Kern mit der verbotenen beziehungsweise „streitgegenständlichen“68 Verletzungsform übereinstimmen und sich innerhalb der durch Auslegung zu ermittelnden Grenzen des Urteils halten.69 Eine Vollstreckung nach § 890 ZPO findet statt, wenn der Kern der titulierten Verletzungsform durch eine spätere Verhaltensweise wiederholt wird.70 In diesem Sinne sagt der BGH in der Leitentscheidung Fischermännchen: „Denn es ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß der Verletzer sich nicht durch jede Änderung der Verletzungsform dem Verbotsurteil entziehen kann, sondern daß solche Änderungen, die den Kern der Verletzungsform unberührt lassen, von der Rechtskraftwirkung mitumfaßt werden können.“71
Sogleich wird noch zu vertiefen sein, dass diese Erweiterung des Unterlassungsgebots auf mittelbare Zuwiderhandlungen72 bereits im materiellen Recht angelegt ist. Nichtsdestotrotz ist Gegenstand der Vollstreckung ausschließlich die tenorierte Pflicht, die (bei fehlerhaften Urteilen) von der materiellen Pflicht, aber auch vom eingeführten prozessualen Anspruch abweichen kann.73 Die Kerntheorie ist dabei in erster Linie eine Auslegungsmethode für den Unterlassungstitel.74 Bei außergerichtlicher Tenorierung findet sich im Grundsatz eine vergleichbare Struktur.75 Eine in einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung festgeschriebene Vertragsstrafe für erneute Zuwiderhandlungen erfüllt die 65 Vgl.
Fritzsche, S. 225, 651; BGH GRUR 2002, 177, 178 f. – Jubiläumsschnäppchen. Dazu grundlegend Oppermann, S. 72 ff.; vgl. Grosch, S. 67 ff. 67 Zöller/Stöber, § 890 Rn. 3a; Ahrens/Büttner/Spätgens, Kap. 64 Rn. 59; Ahrens/Ahrens, Kap. 65 Rn. 7 ff.; Köhler/Feddersen/Bornkamm, § 12 Rn. 6.4. 68 Fritzsche, S. 226. 69 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 89 Rn. 7; Ritter, S. 49; Ohly/Sosnitza, § 12 Rn. 94; zur Kritik: Schubert, ZZP 85 (1972), 29, 33; dem Vollstreckungsgericht dürfen nicht erkenntnisgerichtliche Aufgaben übertragen werden. 70 Fritzsche, S. 226. 71 BGHZ 5, 189, 193 – Fischermännchen = GRUR 1952, 577, 580; zu den Begriffen Verletzungshandlung und Verletzungsform Borck, GRUR 1996, 522, 523; Oppermann, S. 36 ff., 72 ff.; Nirk/Kurtze, GRUR 1980, 645 ff.; Fritzsche, S. 225 f.; vgl. Ritter, S. 34 (Fn. 70). 72 Fritzsche, S. 651; dieser Begriff ist mit Vorsicht zu genießen, hat dies doch mit mittelbaren Rechtsverletzungen, die durch eine Drittbeteiligung gekennzeichnet sind, nichts zu tun. 73 Vgl. Ohly/Sosnitza, § 12 Rn. 95. 74 Vgl. Teplitzky, GRUR 1998, 320, 323. 75 Kritisch Spätgens, Festschrift Gaedertz, S. 545, 547 ff. 66
I. Die Struktur der Rechtsdurchsetzung
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Funktion des § 890 ZPO. Die (Möglichkeit der) Verwirkung der Vertragsstrafe dient dazu, auf den Willen des Verpflichteten einzuwirken. Sie ist funktional Beugemittel.76 Wann die Vertragsstrafe verwirkt wird – oder anders formuliert: wann ein außergerichtlich erzeugter „Titel“ (im weiteren Sinne) vollstreckt werden kann – richtet sich wiederum nach der Unterlassungserklärung. Der dieser vorausgehende beizulegende Unterlassungsanspruch ist nicht maßgeblich. Allerdings ist bei der „Titelauslegung“ auch wieder zu beachten, dass diese über die konkret festgeschriebene Verpflichtung hinausgeht. Der Gedanke der „Kerntheorie“ gilt auch hier.77 In der Rechtsprechung wird allerdings betont, dass nicht die Grundsätze für die Auslegung eines in gleicher Weise formulierten Unterlassungstitels gelten; heranzuziehen seien die allgemeinen Regeln der Vertragsauslegung.78 Es leuchtet ein, dass die Parteien die Vereinbarung in der Tat enger oder weiter formulieren können.79 Die Funktion des Unterlassungsvertrags, die Beseitigung der Wiederholungsgefahr, aber auch die Substituierung eines gerichtlichen Titels können bei der Ermittlung des wahren Parteiwillens (§§ 133, 157 BGB) aber gerade helfen.80
3. Kaskade mittels der „Kerntheorie“ erweiterter Unterlassungspflichten Auch wenn der materiellrechtliche Anspruch und der prozessuale Anspruch als Gegenstand des Prozesses nicht deckungsgleich sind,81 geht es im Erkenntnisverfahren im Kern darum, den Anspruch in seinem Bestand und seinem Umfang gerichtlich festzustellen.82 Aus der Perspektive des Beklagten geht es entsprechend um die Reichweite seiner Unterlassungspflicht. Das materielle Stammrecht setzt sich wie die materielle konkrete Unterlassungspflicht kaskadenartig im prozessualen Anspruch und im gerichtlichen Titel fort. Wie das Rechtsfolgenrecht auf das Stammrecht bezogen, aber nicht mit diesem zu 76 Ohly/Sosnitza, § 12 Rn. 35; zum Charakter der Zwangsmaßnahmen des § 890 ZPO Ahrens/Büttner/Spätgens, Kap. 63 Rn. 3; Fritzsche, S. 635 ff.; Köhler, Festschrift Piper, S. 309, 314; näher u. § 10 II 1 c). 77 BGH GRUR 1996, 290, 291 – Wegfall der Wiederholungsgefahr; Bacher, S. 172; Ohly/ Sosnitza, § 12 Rn. 37; Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 52; Fritzsche, S. 319 ff.; bereits bei der Formulierung der Unterlassungsverpflichtung ist dies zu beachten, Fritzsche, S. 309. 78 BGHZ 146, 318 – Mehrfachverstoß gegen Unterlassungsverpflichtung = GRUR 2001, 758, 759; BGH GRUR 2015, 190 Rn. 9 – Ex-RAF-Terroristin; BGH GRUR 1992, 61, 62 – Preisvergleichsliste. 79 Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 15; vgl. Köhler, Festschrift Gernhuber, S. 207, 215 ff. 80 Vgl. selbst BGH GRUR 2015, 190 Rn. 9, 15 f. – Ex-RAF-Terroristin; vgl. auch Fritzsche, S. 319 ff.; Teplitzky, WRP 1990, 26, 27 f. 81 Larenz/Wolf, § 18 Rn. 69; bereits o. § 10 I 1. 82 Larenz/Wolf, § 18 Rn. 67; Habscheid, S. 126; Lindacher, GRUR 1975, 413, 414; vgl. Grosch, S. 49; Bucher, S. 81; BGHZ 117, 1 = NJW 1992, 1172, 1173; nach den materiellrechtlichen Streitgegenstandstheorien ergeht die Entscheidung des Gerichts jedoch unmittelbar über den materiellrechtlichen Anspruch, vgl. Lent, ZZP 65, 315, 343 ff.
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§ 10 Die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen
verwechseln ist, darf der materielle Anspruch nicht mit dem Unterlassungstitel gleichgesetzt werden.83 Der Titel ist freilich insoweit wiederum auf den Anspruch bezogen, als inhaltlich das Bestehen desselben festgestellt wird.84 Die Klage ist dann begründet, wenn ein Anspruch besteht, dem prozessualen Streitgegenstand also ein materiellrechtlicher Anspruch zugrundeliegt.85 Auch in der Zwangsvollstreckung geht es der Sache nach um die „staatliche Durchsetzung eines titulierten zivilrechtlichen Anspruchs.“86 Die Kaskadenform gilt für die Schuldnerperspektive in gleicher Weise: Die allgemeine Rechtsachtungspflicht findet ihre Fortsetzung in der konkreten Rechtspflicht; diese wiederum wird nicht als solche Gegenstand eines Rechtsstreits,87 obgleich der Ausgang des Prozesses von ihrer Existenz und Reichweite abhängt. Im Prozess wird – wie gesagt – letztlich festgestellt, dass eine entsprechende Unterlassungspflicht besteht.88 Durch die für die Zwangsvollstreckung maßgebliche Rechtskraft wiederum wird der Umfang der Pflicht nunmehr auf prozessualer Grundlage bestimmt.89 Während es evident ist, dass der Ausgang eines Prozesses entscheidend durch die wahre materielle Rechtslage determiniert ist,90 zeigt neben den prozessualen Streitgegenstandstheorien vor allem die herrschende Lehre zur materiellen Rechtskraft, dass die für die Zwangsvollstreckung maßgebliche Rechtslage nicht mit der materiellen Rechtslage vertauscht werden darf. Nach herrschender Meinung hat die Rechtskraft ausschließlich prozessuale Wirkung.91 Das materielle Recht selbst bleibt unangetastet.92 Auch wenn materiellrechtlich ein Unterlassungsanspruch und eine damit korrespondierende konkrete Unterlassungspflicht besteht, kann die für die Vollstreckung ausschlaggebende titulierte Rechtslage davon abweichen. In diesem Sinne sagt der BGH: 83 Vgl. BGHZ 3, 82 = NJW 1951, 886; vgl. Bucher, S. 80 f.; vgl. Grosch, S. 138; vgl. zum englischen Recht Zakrzewski, S. 54 f. 84 Vgl. Larenz/Wolf, § 18 Rn. 67; vgl. auch Schwab, S. 141; BGHZ 28, 203 Rn. 14 = GRUR 1959, 152, 153. 85 Larenz/Wolf, § 18 Rn. 67; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 132 Rn. 12 ff., 18, 25; Habscheid, S. 30. 86 Vgl. Fritzsche, S. 639. 87 Henckel, AcP 174 (1974), 97, 115, sieht diese als „Gegenstand“ der Unterlassungsklage, was allerdings nach oben Dargelegtem unpräzise ist. 88 Vgl. Grosch, S. 49. 89 BGHZ 3, 82, 85 = NJW 1951, 886; Ritter, S. 47, 49. 90 Unterschiedliche Ansichten (oder Wertungen) über die materielle Rechtslage ändern an dieser Einsicht nichts, sind doch gerade die Meinungsverschiedenheiten auf das materielle Recht bezogen. Auch unrichtige Tatsachenfeststellungen (z. B. wegen Falschaussagen) stehen dem nicht entgegen, vgl. nur § 138 I ZPO; vgl. auch Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 151 Rn. 2. 91 BGHZ 3, 82, 85 = NJW 1951, 886; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 151 Rn. 7 ff.; Jacobs, S. 196 ff. 92 So noch RGZ 46, 334, 336; vgl. auch Blomeyer, JR 1968, 407 ff.
I. Die Struktur der Rechtsdurchsetzung
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„Die Rechtskraft verändert zwar nicht die materielle Rechtslage, sie ist keine causa für den Erwerb und Verlust von Rechten, sondern besteht in der bindenden Kraft der im Urteil enthaltenen Feststellung […]. Aber es handelt sich hierbei doch um eine Wirkung von ganz besonderer Bedeutung, die im öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit ihren Grund hat und so stark ist, daß sie selbst dann hingenommen werden muß, wenn die Entscheidung unrichtig ist. […] Wenn auch die Rechtskraft materiell-rechtlich keine Wirkung erzeugt, so verleiht sie dem obsiegenden Teil doch prozessual eine günstige Stellung insoweit, als sie ihn davor schützt, wegen der gleichen Sache mit der gleichen Partei noch einmal sich auseinandersetzen zu müssen. Außerdem ist aber die in ihrem Bestand gesicherte Entscheidung die Grundlage für den gegen den Staat gerichteten Anspruch auf Durchführung der Vollstreckung […] und es kann nicht zweifelhaft sein, daß dieses Recht durch den Titel, das rechtskräftige Urteil, erzeugt worden ist.“93
Grosch geht mit Blick auf „Unterlassungsklagen“ noch weiter. Er leugnet bereits die Existenz materieller Unterlassungsansprüche.94 In einem Urteil wird folglich auch nicht das Bestehen eines materiellrechtlichen Unterlassungsanspruchs festgestellt.95 Das Unterlassungsurteil versteht er als Norm („richterliche[s] Verbot[…] als konkrete[…] Urteilsnorm“):96 „[E]ben damit hat man es im Unterlassungsverfahren zu tun: mit der Herausbildung einer Norm. Die tatsächliche Verletzungshandlung bildet insofern nur das tatsächliche Substrat für die rechtliche Abstraktion von Kriterien zur Herausbildung einer konkreten Fallnorm. […] Dieser vom Gericht im Erkenntnisverfahren aus dem heutigen Recht entwickelte rechtliche Entscheidungssatz, nach dem die Verletzungshandlung hic et nunc rechtswidrig ist, ist es, der in eine Urteilsnorm zu gießen ist. Unter diese Norm hat das Vollstreckungsgericht eine Zuwiderhandlung im Vollstreckungsverfahren zu subsumieren; das ist kein (empirischer) Abgleich von Tatsachen, sondern (normative) Rechtsanwendung.“97
Selbst wenn man im Unterlassungsgebot eine Norm sieht,98 ist dies keine rein prozessuale Frage. Zwar wird diese „Norm“ in der Form des Prozesses tituliert und insoweit auf eigene Füße gestellt. Ihr Ursprung ist aber materiellrechtlich determiniert. Oder in der Sprache der zu widerlegenden Ansicht: Die Norm ist nicht vom Richter gesetzt, sondern bereits mittels des materiellrechtlichen Unterlassungsanspruchs ausgesprochen. Dies gilt gerade auch dann, wenn der Zuspruch der Rechtsfolge eine Interessenabwägung voraussetzt. Der Gedanke von discretionary remedies wurde in dieser Arbeit als materiellrechtliche Interessenabwägung gedeutet.99 Über ihn wird – bezogen auf einen bestimmten 93
BGHZ 3, 82, 85 = NJW 1951, 886. Grosch, S. 82 ff., 84, 86, 159; vgl. auch ders., S. 119 ff., 127, 454. 95 Grosch, S. 454, 455. 96 Grosch, S. 72 ff., 82 ff., 95, 108 („richterliche Verbotsnorm“), 125, 324, 327. 97 Grosch, S. 74 (ohne Hervorhebung). 98 Vgl. auch Ohly, AcP 201 (2001), 1, 7, 31 ff., 46 f., zu richterlicher Normbildung auf Basis von Generalklauseln; vgl. auch Teplitzky, WRP 1990, 26, 28. 99 Dazu o. § 5 I 3; s. a. o. § 1 III 2; 3 III, IV; § 11 II. 94
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§ 10 Die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen
Lebenssachverhalt – festgelegt, inwieweit der Verletzer künftig zum Unterlassen verpflichtet ist und dem Berechtigten ein Anspruch auf Einhaltung zusteht. In diesem Sinne prüft der Richter auch nach der Bucher’schen Lehre vom subjektiven Recht als Normsetzungsbefugnis, ob der Kläger ein entsprechendes Recht zur Normsetzung hatte und ob die gesetzte Norm in Form des Anspruchs wirksam ist.100 Die Bedeutung des materiellen Rechts wird vor allem anhand der Anwendungsbreite der Kerntheorie sichtbar. Diese hat, wie gesehen, ihren Ursprung zwar im Vollstreckungsrecht,101 spiegelt sich aber bereits im materiellen Recht.102 Eine konkrete Verletzungshandlung begründet nicht nur für gleichartige Handlungen die Wiederholungsgefahr, sondern für alle Handlungen, die im Kern mit der konkreten Verletzungsform identisch sind.103 Die konkrete beziehungsweise „streitgegenständliche“ Verletzungsform ist eine Abstrahierung der konkreten Verletzungshandlung.104 Bereits Gegenstand des Anspruchs ist das zukünftige Verhalten des Verletzers.105 Dies ist in der Tat ein Unterschied zur „klassischen, retrospektiven Rechtsprechung“, die vergangene Sachverhalte auf Grund des heutigen Rechts beurteilt.106 Dass aber auch materiell bereits eine „Norm“ besteht, lässt sich deshalb nicht leugnen. Erforderlich ist nicht nur eine „richterliche Verbotsnorm“,107 sondern eben ein ihr vorausliegendes materielles Korrelat. Wenn Grosch mit seinem Verständnis des Unterlassungsurteils als Norm die Grundlagen dafür schaffen will, Unterlassungsurteile für die Zukunft wegen geänderter Rechtsprechung aufzuheben,108 muss seine Theorie bereits auch für das materielle Recht Geltung beanspruchen.
4. Fazit Behandelt wurden die Grundstrukturen der Rechtsdurchsetzung. Kommt jemand mit der allgemeinen Rechtsachtungspflicht, beispielsweise fremdes 100
Bucher, S. 48; vgl. auch S. 67 (Fn. 1), 71, s. a. S. 80 f. Dazu o. § 10 I 2. 102 BGH GRUR 1996, 290, 291 – Wegfall der Wiederholungsgefahr I; BGH GRUR 1989, 445, 446 – Professorentitel; Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 8; Fritzsche, S. 224 f.; kritisch zur Frage, ob die „Kerntheorie“ überall gleichen Inhalt hat Lindacher, Festschrift Rüßmann, S. 567, 571 f. („keine Einheitsantwort“). 103 Fritzsche, S. 135, 225 f. 104 Fritzsche, S. 226; Ritter, S. 62 („Das Ergebnis der Reduktion der ‚konkreten Verletzungshandlung‘ ist die ‚konkrete Verletzungsform‘.“); bei der Geltendmachung des Anspruchs sind gewisse Verallgemeinerungen, also eine Abstrahierung von der konkreten Verletzungshandlung hin zur konkreten Verletzungsform möglich, vgl. Lindacher, Festschrift Rüßmann, S. 567, 568 f.; Grosch, S. 71. 105 Vgl. Oppermann, S. 2. 106 Grosch, S. 83. 107 Grosch, S. 108. 108 Vgl. nur Grosch, S. 24 f. 101
II. Titulierung von Unterlassungsansprüchen
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Eigentum zu beachten, in Konflikt, kann dies sachverhaltsabhängig (vgl. nur § 904 S. 1 BGB) eine konkrete Unterlassungspflicht auslösen. Diese wiederum kann der Sache nach Gegenstand verfahrensrechtlicher Durchsetzung sein und schließlich vollstreckt werden. Es bestehen mehrere „Eskalationsstufen“, die alle auf die Verwirklichung des Stammrechts gerichtet sind, sich im konkreten Gegenstand der Durchsetzung aber unterscheiden. Rechtsdurchsetzung ist dabei stets mit Blick auf den maßgeblichen Lebenssachverhalt zu sehen. Diese Grundstrukturen gelten nicht nur für den Zivilprozess als Prototyp der Rechtsdurchsetzung, sondern insbesondere auch für die außergerichtliche Rechtsdurchsetzung. Die leitenden verfahrensrechtlichen Wertungen müssen dabei verfahrensübergreifend zumindest berücksichtigt werden. Dies wird nun für die weitere Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen beleuchtet.
II. Titulierung von Unterlassungsansprüchen Unterlassungsansprüche kann man nicht ohne Weiteres erfüllen.109 Der Verpflichtete hat sich auf die Zukunft bezogen eines bestimmten Tuns zu enthalten, was zudem ausschließlich von seinem Willen abhängt.110 Die Rechtsdurchsetzung zielt dabei darauf ab, den Willen des Unterlassungsschuldners durch Zwangsmaßnahmen in die Richtung des gewünschten Verhaltens zu lenken. Damit sich der Unterlassungsgläubiger derartiger Zwangsmittel bedienen kann, bedarf es aber zunächst einer verbindlichen Feststellung („Titulierung“) der gebotenen Unterlassungsverpflichtung. Ein „Titel“ kann sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich geschaffen werden (1.). Ausgewählte Verfahrensfragen außergerichtlicher und gerichtlicher Rechtsdurchsetzung (2.), vor allem aber die Kostentragungslast (3.), werden anschließend gegenübergestellt.
1. Möglichkeiten zur „Titulierung“ Gerichtlich kann ein Titel nicht nur im Hauptsacheverfahren (a)), sondern auch im einstweiligen Rechtsschutz (b)) erwirkt werden. Außergerichtlich kann eine „Titulierung“ (im weiteren Sinne) vor allem über eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung erfolgen (c)). Denkbar sind aber auch weitere Titel wie etwa eine vollstreckbare notarielle Urkunde nach § 794 I Nr. 5 ZPO (d)).
109 Köhler, Festschrift Piper, S. 309, 314; vgl. Henckel, AcP 174 (1974), 97, 122 ff.; Fritzsche, S. 273, 359 ff., 368 f. 110 Vgl. Ahrens/Büttner/Spätgens, Kap. 63 Rn. 2 ff.; Fritzsche, S. 201, 634.
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§ 10 Die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen
a) Titulierung im Hauptsacheverfahren
Der klassische Weg zur Titulierung eines Unterlassungsanspruchs führt über das zivilprozessuale Erkenntnisverfahren. Ein bestehender Unterlassungsanspruch kann grundsätzlich mittels einer Leistungsklage gerichtlich geltend gemacht werden.111 Ein gesondertes Rechtsschutzbedürfnis ist nach hier vertretener Ansicht auch für Leistungsunterlassungsansprüche nicht erforderlich.112 Auch die Möglichkeit, den Streit außergerichtlich über eine Unterlassungserklärung beilegen zu können, schließt das Rechtsschutzbedürfnis nicht aus.113 Ist das Gericht davon überzeugt, dass materiellrechtlich ein entsprechender Unterlassungsanspruch besteht, wird der Beklagte zum Unterlassen verurteilt. b) Titulierung im einstweiligen Rechtsschutz
Selbstredend ist auch im Verfügungsverfahren nicht der materielle Unterlassungsanspruch Streitgegenstand. Streitgegenstand ist der prozessuale Anspruch auf vorläufige Befriedigung.114 Während im einstweiligen Rechtsschutz eigentlich ein Anspruch nur gesichert oder ein Rechtsverhältnis vorläufig geregelt wird, kommt bei Unterlassungsansprüchen eine Leistungsverfügung gemäß § 940 ZPO in Betracht.115 Der Richter spricht das zu, was eigentlich erst im Hauptsacheverfahren gerichtlich eingefordert werden kann. Die Rede ist von einer „Befriedigungsverfügung“.116 Die Entscheidung des Gerichts ist wie ein in der Hauptsache errungener Unterlassungstitel vollstreckbar.117 Allerdings besteht das Risiko nach § 945 ZPO. Theoretisch kann sodann ein Antrag auf Durchführung des Hauptsacheverfahrens gestellt werden. Praktisch besteht nunmehr aber oft ein Interesse beider Parteien an der Herstellung eines bestandskräftigen Titels. Dies erfolgt durch das Abschlussschreiben beziehungsweise die Abschlusserklärung (Abschlussverfahren).118 Letztere sorgt dafür, dass die Verfügungsentscheidung
111 Erman/F. Ebbing, § 1004 Rn. 176; vgl. Fritzsche, S. 535 ff.; zur Problematik des Rechtsschutzbedürfnisses s. o. § 9 IV und auch § 7 II 3, § 7 IV 3. 112 Dazu o. § 9 IV und nur Köhler, JZ 2005, 489, 489, 494. 113 Vgl. BGH GRUR 1980, 241, 242 – Rechtsschutzbedürfnis; Fritzsche, S. 591. 114 Ohly/Sosnitza, § 12 Rn. 129. 115 Vgl. Fritzsche, S. 609 f.; Thomas/Putzo/Seiler, § 940 Rn. 6, 14; Zöller/Vollkommer, § 940 Rn. 6. 116 Schilken, S. 113, 135 ff., 160 f. 117 Köhler/Bornkamm, § 12 Rn. 3.36; Fritzsche, S. 643 ff.; vgl. zum Ganzen Ahrens/ Büttner, Kap. 57 Rn. 1 ff. 118 Ohly/Sosnitza, § 12 Rn. 183 ff.; Köhler/Bornkamm, § 12 Rn. 3.69 ff.; Teplitzky/Bacher, 43. Kap. Rn. 1 ff.; Ahrens/Ahrens, Kap. 58 Rn. 1 ff.; Fritzsche, S. 618 ff.; BGH GRUR 2010, 855 Rn. 16 ff. – Folienrollos; Ahrens, Liber amicorum Lindacher, S. 1, 2.
II. Titulierung von Unterlassungsansprüchen
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dauerhaft Bestand hat.119 Konstruktiv erfolgt dies dadurch, dass der Verletzer insbesondere auf den Widerspruch nach § 924 ZPO, auf das Recht zur Fristsetzung zur Hauptsache nach § 926 I, II ZPO und auf das Antragsrecht nach § 927 ZPO verzichtet.120 Letzteres ist vor allem für die Verjährung relevant.121 Der Möglichkeit, Vollstreckungsgegenklage zu erheben, begibt sich der Antragsgegner aber nicht.122 Die einstweilige Verfügung wird damit endgültig zu einem dem rechtskräftigen Unterlassungsurteil gleichwertigen Titel.123 c) Titulierung mittels Unterlassungsvertrag
Die Durchführung der Zwangsvollstreckung setzt das Bestehen eines Titels gegen den Vollstreckungsschuldner voraus.124 Was als Titel in diesem Sinne zählt, ist in der Zivilprozessordnung enumerativ festgelegt. Funktional sind allerdings weitere „Titel“ denkbar. Auch wenn diese nicht die formalen Kriterien der Titel im Sinne der ZPO erfüllen und daher aus ihnen das Vollstreckungsverfahren gemäß den Vorschriften der ZPO selbstredend nicht betrieben werden kann, erfüllen sie den gleichen Zweck wie „echte“ Titel. Wegen dieser Funktionsverwandtschaft wird hier von Titeln im weiteren Sinne gesprochen. In einem solchen Sinne kann ein strafbewehrter Unterlassungsvertrag125 (die einen solchen Vertrag vorbereitende Erklärung wird auch als strafbewehrte Unterlassungserklärung,126 rechtsgeschäftliche Unterwerfungserklärung127 oder gesicherte Unterwerfungserklärung128 bezeichnet) faktisch an die Stelle eines gerichtlichen Unterlassungstitels treten.129 Während eine Zuwiderhandlung gegen die titulierte Unterlassungspflicht Ordnungsgeld zugunsten der Staatskasse beziehungsweise Ordnungshaft nach sich ziehen kann, wird durch den Verstoß gegen den strafbewehrten Unterlassungsvertrag 119
Lindacher, GRUR 1975, 413, 414. § 12 Rn. 189. 121 Fritzsche, S. 619, 620; vgl. Ohly/Sosnitza, § 12 Rn. 189. 122 Fritzsche, S. 626. 123 Lindacher, GRUR 1975, 413, 414. 124 Vgl. Hau, Liber amicorum Lindacher, S. 39 ff. 125 Fritzsche, S. 312 f., 591; auch „Unterwerfungsvertrag“, MünchKomm/Säcker, § 12 Rn. 184. 126 Köhler, GRUR 2010, 6; Fritzsche, S. 273. 127 Ahrens, Liber amicorum Lindacher, S. 1, 2. 128 Pastor, GRUR 1968, 177, 178; Spätgens, Festschrift Gaedertz, S. 545, 546 („gesicherte Unterlassungsverpflichtungserklärung“); die Begriffe werden in dieser Schrift synonym gebraucht. 129 BGHZ 133, 316, 330 – Altunterwerfung I = GRUR 1997, 382; BGHZ 130, 288, 296 – Kurze Verjährungsfrist = GRUR 1995, 678; Ahrens, Liber amicorum Lindacher, S. 1, 2; Fritzsche, S. 591; vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 26. 10. 2012 – 3 W 72/12; Grosch, S. 158 („wettbewerbsrechtliche[…] Vollstreckungsinstrumentarien“); zu Vor- und Nachteilen (Zahlung ggf. an Mitbewerber statt Staatskasse; Einstehenmüssen für Dritte gemäß § 278 BGB; Höhe der Vertragsstrafe) gegenüber der gerichtlichen Titulierung Köhler, GRUR 2010, 6. 120 Ohly/Sosnitza,
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§ 10 Die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen
(nicht: Unterlassungsanspruch)130 eine Vertragsstrafe zugunsten des Gläubigers verwirkt. Beides dient im Kern dazu, auf den Willen des Verpflichteten einzuwirken, auf dass er sich künftig rechtstreu verhalte.131 Wie durch den gerichtlichen Titel der Sache nach die materiellrechtliche Unterlassungspflicht festgestellt wird,132 begründen die Parteien durch den Unterlassungsvertrag eine selbständige Unterlassungsverpflichtung, die auf die streitgegenständliche konkrete Unterlassungspflicht gerichtet ist.133 Selbst wenn die Vereinbarung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht mit Blick auf eine vorangegangene Verletzung erfolgt, wird verbindlich geregelt, wie sich der Verpflichtete künftig zu verhalten hat.134 Entscheidend ist, dass die vertragliche Vereinbarung wie bei einer Unterlassungsklage inhaltlich dem gesetzlichen Unterlassungsanspruch entspricht.135 Nur dann wird die Wiederholungsgefahr ausgeräumt und der Zweck der Streitbeilegung erfüllt.136 Fritzsche weist daher darauf hin, dass Unterlassungserklärungen eine eigenständige Kategorie vertraglicher Unterlassungsansprüche begründen.137 Dem ist insoweit beizupflichten, als ein neues Stammrecht begründet wird,138 dessen Bedeutung zwar vordergründig darin liegt, die Wiederholungsgefahr des streitigen Unterlassungsanspruchs auszuräumen.139 Im Kern geht es aber darum, einen Unterlassungstitel „nachzuahmen“,140 was zugleich für die verfahrensrechtliche Natur dieses 130
Dazu o. § 8 VII. Köhler, Festschrift Piper, S. 309, 314. 132 Lindacher, GRUR 1975, 413, 414. 133 Sieht man in der Unterwerfung (im konkreten Fall) ein abstraktes Schuldanerkenntnis (vgl. BGHZ 130, 288, 292 – Kurze Verjährungsfrist = GRUR 1995, 678), wird der Feststellungszweck besonders deutlich, vgl. Köhler, Festschrift Gamm, S. 57, 69 f.; Fritzsche, S. 274 ff., 276. 134 Zum Feststellungszweck der Unterlassungsvereinbarung Köhler, Festschrift Gamm, S. 57, 65 f. 135 Fritzsche, S. 309 f. 136 Dass bereits die einseitige strafbewehrte Unterlassungserklärung ausreicht, um die Vermutung der Wiederholungsgefahr zu entkräften (nur BGH GRUR 1996, 290, 292 – Wegfall der Wiederholungsgefahr I), ist kein Widerspruch zu den Ausführungen hier. Der Gläubiger ist nicht verpflichtet, an der außergerichtlichen Herstellung eines „Titels“ zu seinen Gunsten mitzuwirken; er hat nur die Möglichkeit hierzu. Ist die Unterlassungserklärung aus seiner Sicht zu eng, kann er klagen; geht seine Forderung zu weit, ist er nicht schutzwürdig. 137 Fritzsche, S. 30, 274; zur Rechtsnatur des wettbewerblichen Unterlassungsvertrags Fritzsche, S. 274 ff.; Köhler, Festschrift Gamm, S. 57, 58; Dornis/Förster, GRUR 2006, 195, 195 f. 138 Die Funktion als Titelersatz spielt bei der Wirksamkeit solcher Verträge eine Rolle, vgl. zum englischen Recht WWF-World Wide Fund for Nature v. World Wrestling Federation Entertainment Inc. [2002] F. S. R. 32 Rn. 25 ff. (“Settlement of Intellectual Property disputes and the restraint of trade rules”); zu Recht wird die Meinung, wonach Unterlassungsverträge nur über Verhaltensweisen zulässig sein sollen, zu denen der Verpflichtete an sich berechtigt wäre, abgelehnt, vgl. Fritzsche, S. 274. 139 Vgl. BGHZ 130, 288, 292 – Kurze Verjährungsfrist = GRUR 1995, 678. 140 Ahrens, Liber amicorum Lindacher, S. 1, 2; vgl. Fritzsche, S. 28, 30, 287, 311 („Sinn und Zweck der Unterwerfungserklärung, einen Unterlassungsanspruch außergerichtlich bei131
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Stammrechts spricht. Die strafbewehrte Unterlassungsabrede „ersetzt“ den Unterlassungstitel;141 sie ist das vertragsrechtliche Pendant des Unterlassungsurteils.142 Weitere Zuwiderhandlungen können dann auf dieser Basis durch die Verwirkung der Vertragsstrafe regelrecht „vollstreckt“ werden.143 Die „Pönaldrohung“ wiederum ersetzt die „Sanktionsdrohung nach § 890 ZPO“.144 Unter welchen Voraussetzungen erhält man nun aber ein solches vertragliches Titeläquivalent? Anerkannt ist, dass die Wiederholungsgefahr letztlich nur durch eine Unterlassungserklärung beseitigt werden kann.145 Der Unterlassungsanspruch geht in diesem Falle unter.146 Mit Blick auf vorbeugende Unterlassungsansprüche hat sich die herrschende Meinung aber anders positioniert: Wie auch der Verletzungsunterlassungsanspruch entfällt der vorbeugende Unterlassungsanspruch zwar, wenn die Begehungsgefahr ausgeräumt wird. Die Variante der Erstbegehungsgefahr soll aber bereits durch „entgegengesetztes Verhalten“ (actus contrarius) negiert werden können.147 zulegen und dem Gläubiger die gleiche Position zu verschaffen, die ihm ein gerichtlicher Titel bieten könnte“); kritisch aber Spätgens, Festschrift Gaedertz, S. 545, 547; zu Parallelen bei der Verjährung Köhler, JZ 2005, 489 ff., 495; daher sind auf materiellrechtlicher Ebene zugleich Vollstreckungsverbote zu beachten; im Anwendungsbereich des § 888 III ZPO (vgl. dazu auch Nosch, S. 271 f.) erscheint es daher fraglich, ob eine Vertragsstrafe wirksam vereinbart werden kann (vgl. aber BAGE 110, 8 = AP BGB § 309 Nr. 3 = NZA 2004, 727, 731 f.). Wird argumentiert, dass eine solche nötig sei, weil eine Vollstreckung ausgeschlossen ist, wird übersehen, dass es sich auch bei der Vertragsstrafe funktional um Vollstreckung handelt; Rechtsregeln können verfahrensrechtlicher Natur sein, auch wenn sie formal als Regeln des materiellen Rechts erscheinen. Die Vertragsstrafe kann allenfalls als pauschalierter Schadensersatz verstanden werden (zum Wettbewerbsrecht Ohly/Sosnitza, § 12 Rn. 35), was wiederum für ihre Zulässigkeit ins Feld geführt werden kann. Bei der Höhe der Vertragsstrafe darf allerdings wiederum nicht mit ihrer Eignung als Beugemittel argumentiert werden, sondern die Höhe muss sich am potenziellen Schaden orientieren. 141 Lindacher, Festschrift Canaris, S. 1393. 142 Grosch, S. 96. 143 Vgl. Ahrens, Liber amicorum Lindacher, S. 1, 2. 144 Lindacher, Festschrift Canaris, S. 1393; kritisch Spätgens, Festschrift Gaedertz, S. 545, 547 ff. 145 Teplitzky/Kessen, 7. Kap. Rn. 1 ff.; Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 10 ff., 19 ff.; Köhler/ Bornkamm, § 8 Rn. 1.42 ff.; vgl. Palandt/Herrler, § 1004 Rn. 32; bisweilen schweigen die Kommentatoren, vgl. nur MünchKomm/Baldus, § 1004 Rn. 289 ff.; der Hinweis, dass Einsichten namentlich des Wettbewerbsrechts „auf die Eigentumsverletzung nur mit Vorsicht übertragen werden [dürfen]“ (a. a. O., Rn. 291), ist nicht weiterführend. Aufgabe muss es sein, eine allgemeine Dogmatik der Entstehung und Durchsetzung privatrechtlicher Unterlassungsansprüche zu entwickeln. 146 Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.56; es handelt sich um eine rechtsvernichtende Einwendung, Teplitzky/Kessen, Kap. 7 Rn. 1 f.; KG, Beschluss vom 29. 07. 2005, Az. 5 W 93/05 = BeckRS 2005, 09095; Köhler, GRUR 2011, 879, 880; vgl. aber noch ders., GRUR 1989, 804, 805 („Wegfall[…] der Wiederholungsgefahr ist nicht rechtsvernichtend, sondern nur rechtshemmend“); kritisch auch Grosch, S. 143 f. 147 BGH GRUR 2009, 841 Rn. 23 – Cypersky; BGH GRUR 2001, 1174, 1176 – Berühmungsaufgabe; BGH GRUR 2008, 912 Rn. 30 – Metrosex; Büch, Festschrift Bornkamm, S. 15, 21 ff.
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Demgegenüber genügt bei Verletzungsunterlassungsansprüchen die bloße Zusage des Verletzers, von erneuten Zuwiderhandlungen abzusehen, nicht.148 In der Literatur finden sich nun aber vermehrt Stimmen, die zumindest bei vorangegangener Abmahnung auch im Falle der Erstbegehungsgefahr vertreten, dass diese nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ausgeräumt werden kann.149 Begründet wird dies mit dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sowie der Vermeidung von Wertungswidersprüchen.150 Das Ergebnis überzeugt. Ein einmal entstandener Anspruch muss (auch außergerichtlich) durchgesetzt werden können. Wenn aber für den Verletzungsunterlassungsanspruch die bloße Behauptung, die Rechtsverletzung nicht zu wiederholen, keine rechtsvernichtende Einwendung darstellt, darf für den vorbeugenden Unterlassungsanspruch nichts anderes gelten. Sachliche Unterschiede bestehen nicht.151 Auch bei Verletzungsunterlassungsansprüchen ist die Vermutung der Wiederholungsgefahr vielfach eine Fiktion.152 Ist nach der Lebenserfahrung wirklich davon auszugehen, dass im Falle eines illegalen Downloads eines Films die Gefahr besteht, dass der Downloader diesen Film nochmals herunterladen will? Oder müsste man nicht eigentlich danach unterscheiden, ob sich der Verletzer den Film bereits angesehen hat, ob es ihm um die Archivierung ging oder lediglich um ein einmaliges Ansehen, um „mitreden“ zu können? Eine sachliche Begründung findet sich indes im Sinn und Zweck eines Unterlassungsanspruchs – unabhängig von seinem Entstehungsgrund.153 Die Frage muss sein, was die Entstehung eines Anspruchs für einen Mehrwert gegenüber der ohnehin situationsbedingt bestehenden konkreten Rechtspflicht mit sich bringt. Wenn sich der Mehrwert drin erschöpft, dass der Gläubiger nun etwas verlangen kann, was ohnehin schon geschuldet ist, wäre der Anspruch evident sinnlos.154 Das Interesse des Gläubigers wird gerade noch nicht 148 Palandt/Herrler, § 1004 Rn. 32; Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.49; Bamberger/Roth/ Fritzsche, § 1004 Rn. 85. 149 Köhler, GRUR 2011, 879, 883; anders noch ders., Festschrift Georgiades, S. 223, 226 f.; Köhler folgend Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 33; s. a. Fezer, § 14 Rn. 1008; Ingerl/Rohnke, Vorbemerkungen zu §§ 14–19d Rn. 125 ff. 150 Köhler, GRUR 2011, 879, 880 ff.; zum Argument der Rechtssicherheit bei Verletzungsunterlassungsansprüchen Ahrens, Liber amicorum Lindacher, S. 1, 5 f. 151 Köhler, GRUR 2011, 879, 882; Fritzsche, S. 189; a. A. Büch, Festschrift Bornkamm, S. 15, 23 f. 152 Vgl. aber Büch, Festschrift Bornkamm, S. 15, 23 ff.; zur Belanglosigkeit des „Schuldnerwillens“ Grosch, S. 119 f.; Grosch, S. 390, sieht in der Begehungsgefahr eine Schutzvorschrift zugunsten des Anspruchsgegners. Er wird vor einer Festlegung auf das heute geltende Recht geschützt. 153 Dazu bereits o. § 9 IV; s. a. u. § 10 II 3. 154 Die Wirkung der Verjährung unterstreicht die Bedeutung des Anspruchs für die Rechtsdurchsetzung: Ist der Unterlassungsanspruch nach § 214 I BGB nicht mehr durchsetzbar, bedeutet dies, dass die (gerichtliche) Geltendmachung dieses Anspruchs entfällt. Das Recht auf einen Vollstreckungstitel entfällt (Köhler, GRUR 1996, 231, 233 f.); dass ein neuer
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dadurch erfüllt, dass der Störer die betreffende Handlung nunmehr unterlässt.155 Ein echter Gewinn findet sich aber in § 890 ZPO (den gleichen Vorteil bringt die vereinbarte Vertragsstrafe in einer Unterlassungserklärung).156 Hat der Berechtigte seinen Anspruch erfolgreich eingeklagt, kann er nunmehr über die Drohung mit Ordnungsgeld beziehungsweise Ordnungshaft den Druck auf den Schuldner verstärken, damit dieser seiner schon vorher bestehenden konkreten Unterlassungspflicht nolens volens nachkommt.157 Darin wird bisweilen gar eine Art „Erfüllung“ des Unterlassungsanspruchs gesehen.158 Auch Borck hat treffend darauf hingewiesen, dass der Unterlassungsanspruch „nicht auf ein Unterlassen gerichtet [ist], sondern auf Titulierung zum Zwecke der Zwangsvollstreckung“.159 Auch nach Grosch geht es bei der „Unterlassungsklage“ in der Sache „um das Recht des Gläubigers auf einen Verbotstitel“.160 Der Zusatznutzen des Anspruchs liegt folglich generell darin, dass durch seine Geltendmachung im Ergebnis eine Möglichkeit besteht, die Anreize für den Schuldner zu einem rechtskonformen Verhalten zu erhöhen.161 Dies darf nun aber nicht durch lasche Anforderungen an den Wegfall der Begehungsgefahr entwertet werden.162 Es besteht ein Recht auf einen Vollstreckungstitel.163 Gerade deshalb ist es nötig, dass auch ein vorbeugender Unterlassungsanspruch „tituliert“ werden kann. Praktisch erfolgt dies aus Kostengründen (vgl. § 93 ZPO) außergerichtlich. Zumindest dann, wenn der Gläubiger vom Verhalten Anspruch bei einem erneuten Verstoß entstehen kann und die „Unterlassungspflicht“ nicht wegfällt, steht auf einem anderen Blatt (Köhler, JZ 2005, 489, 496; vgl. zudem auch Grosch, S. 109). 155 Köhler, Festschrift Piper, S. 309, 314. 156 Borck, WRP 1974, 372, 374. 157 Vgl. Köhler, Festschrift Piper, S. 309, 314; Lindacher, GRUR 1975, 413, 414. 158 Vgl. Köhler, Festschrift Piper, S. 307, 314 f.; Borck, WRP 1974, 372, 374; vgl. kritisch Fritzsche, S. 368 f. 159 Borck, NJW 1981, 2721, 2722; ders., WRP 1979, 341, 344; ders., WRP 1974, 372, 374; vgl. auch BT-Drucks. 15/1487, S. 25; kritisch Fritzsche, S. 201 („Dagegen ist die Erwirkung eines gerichtlichen Verbots, das mit einer Ordnungsmittelandrohung zum Zwecke der Vollstreckung versehen ist, nicht das Ziel eines Unterlassungsanspruchs […], sondern lediglich ein Mittel seiner Durchsetzung.“). 160 Grosch, S. 105; vgl. ders., S. 123 (Fn. 503) – wenn auch in anderem Zusammenhang: „[…] letztlich zu klären ist, ob dem Gläubiger ein (prozessuales) Recht auf einen Vollstreckungstitel zustehen soll oder nicht.“ 161 Vgl. auch Bacher, S. 320 ff. 162 Vgl. deutlich Köhler, GRUR 2011, 879, 883; er verweist darauf, dass der Dritte – vorgewarnt durch die Abmahnung – erneute Vorbereitungshandlungen vorsichtiger angehen könnte, während ein nachfolgender Verstoß „ungesühnt“ bleibt; zur Problematik auch BGH NJW-RR 1989, 263, 264 („Da somit kein Anlaß für die Befürchtung besteht, daß die Bekl. künftig Mieträume im ‚E‘ an Radiologen vermieten wird, und sich beide Parteien über den Inhalt und die Tragweite des hier erörterten Teils der Vertragsklausel einig sind, besteht insoweit kein erkennbares Interesse der Kl. an der Erlangung eines gerichtlichen Titels.“); Hervorhebung nicht im Original; s. a. o. § 9 IV. 163 Vgl. Köhler, GRUR 1996, 231, 233 f.
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des Dritten erfahren hat und seinen Willen zur Rechtsverfolgung über den Versand einer Abmahnung kundgetan hat, kann die Erstbegehungsgefahr nur dadurch ausgeräumt werden, dass ein außergerichtlicher „Titel“ in Form einer Unterlassungserklärung geschaffen wird. Zu Recht wird betont, dass die Grundsätze der außergerichtlichen Titulierung auch jenseits des Wettbewerbsrechts, des Persönlichkeitsrechts und des Rechts des Geistigen Eigentums Geltung beanspruchen.164 Sonderverfahrensrecht ist nicht veranlasst. Auch bei unberechtigt eingeworfenen Werbeanzeigen oder im Nachbarrecht kann der Streit um die Reichweite konkreter Unterlassungspflichten über Unterlassungserklärungen beigelegt werden.165 Das Bedürfnis nach außergerichtlicher „Titulierung“ besteht hier in gleicher Weise. Es lässt sich dabei für alle Fälle zuspitzen, dass es bei der Wiederholungs- aber auch bei der Erstbegehungsgefahr weniger darum geht, Vermutungen über den Schuldnerwillen anzustellen, ob er das pflichtwidrige Verhalten wirklich wiederholen wird oder tatsächlich durchführt, sondern darum, dem Gläubiger eine „Titulierung“ zu gestatten. Der Zeitpunkt der (drohenden) Zuwiderhandlung gibt dafür Anlass und Rechtfertigung zugleich (bereits o. § 9 IV). d) Weitere Titulierungsmöglichkeiten
Titel im engeren Sinne können auf weitere Art und Weise erwirkt werden. Zu nennen ist insbesondere der Prozessvergleich (vgl. § 794 I Nr. 1 ZPO). Auch durch einen Vergleich von einer Einigungsstelle (§ 15 VII S. 2 UWG) kann ein Titel erlangt werden. Schließlich sind vollstreckbare Anwaltsvergleiche (§§ 796a ff. ZPO), Entscheidungen, die Schiedssprüche für vollstreckbar erklären (§ 794 I Nr. 4a ZPO), und notarielle Unterwerfungserklärungen zu nennen (§ 794 I Nr. 5 ZPO).166 Wichtig ist, dass die titulierte Pflicht hinreichend bestimmt ist.167
2. Verfahrensfragen Selbstredend hat das Verfahren, das zum Erhalt eines Titels führt, rechtsstaatlichen Anforderungen zu genügen. Was ein faires Verfahren ausmacht, lässt sich an den Vorschriften zum zivilprozessualen Erkenntnisverfahren studieren. Aus Gründen des Beklagtenschutzes hat beispielsweise der Unterlassungs164 Deutlich Ahrens, Liber amicorum Lindacher, S. 1, 3; Fritzsche, S. 274, mit Blick auf die „Abmahnung“ S. 305 f., mit Blick auf die Unterwerfung, S. 318; vgl. Bacher, S. 320 ff.; s. a. Nosch, Die Abmahnung im Zivilrecht; kritisch MünchKomm/Baldus, § 1004 Rn. 291. 165 Leichte Zweifel indes bei Fritzsche, S. 306. 166 Köhler, GRUR 2010, 6 ff.; vgl. aber kritisch LG Berlin WRP 2015, 1407 und Tavanti, WRP 2015 1411 ff.; nunmehr BGH GRUR 2016, 1316 – Notarielle Unterlassungserklärung. 167 Vgl. Fritzsche, S. 277.
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antrag hinreichend bestimmt zu sein (§ 253 II Nr. 2 ZPO).168 Die Formulierung bewegt sich im Spannungsverhältnis zwischen erlaubten Verallgemeinerungen von der konkreten Verletzungsform einerseits und hinreichender Klarheit des Verbotsumfangs insbesondere für das Vollstreckungsgericht andererseits.169 Besondere Aufmerksamkeit ist zugleich darauf zu richten, dass im Falle mehrerer Streitgegenstände klar zum Ausdruck kommt, in welcher Reihenfolge über diese zu urteilen ist.170 Ein unbestimmter Antrag wie Unbestimmtheit mit Blick auf den Klagegrund macht die Klage unzulässig.171 Einen wichtigen Verfahrensgrundsatz bildet schließlich das rechtliche Gehör.172 Letzteres ist im einstweiligen Rechtsschutz wegen der Eilbedürftigkeit mitunter problematisch (vgl. § 937 II ZPO).173 Die Praxis hat hier aber mit der Entwicklung der Schutzschrift entgegengewirkt.174 Aber auch wenn Titel im weiteren Sinne außergerichtlich erwirkt werden, dürfen diverse verfahrensrechtliche Grundanforderungen nicht aus den Augen verloren werden. Zur Bestimmtheit des Klageantrags findet sich bei der Abmahnung, durch die ein strafbewehrter Unterlassungsvertrag vorbereitet werden soll, eine gewisse Parallele darin, dass auch hier verlangt wird, dass der Verstoß präzise zu benennen ist.175 Der Gesetzgeber hat jüngst in diesem Sinne für das Urheberrecht konkretisiert, welchen formalen Anforderungen eine Abmahnung zu genügen hat (§ 97a II UrhG). Vor allem ist demnach gemäß § 97a II Nr. 2 UrhG „die Rechtsverletzung genau zu bezeichnen“. In der Tat muss der Abgemahnte – wie der Beklagte – erkennen können, was ihm in tatsächlicher wie rechtlicher Sicht von wem176 zur Last gelegt wird.177 Eine Reihung der „Streitgegenstände“ wird bei der Abmahnung allerdings für nicht erforderlich gehalten.178 Dies erscheint fraglich. Auch bei der außergerichtlichen Geltendmachung muss der Abgemahnte wissen, gegen welchen Vorwurf 168 Zum Rechtsschutzbedürfnis o. § 9 IV; s. a. o. § 7 II 3; § 7 IV 3; Übersicht bei Fritzsche, S. 579 ff., 611. 169 Fritzsche, S. 562 ff. und S. 645 f.; vgl. Palandt/Herrler, § 1004 Rn. 51; Zöller/Vollkommer, Einl. Rn. 76; MünchKomm/Baldus, § 1004 Rn. 304 ff. 170 BGHZ 189, 56 Rn. 8 ff. – TÜV = GRUR 2011, 521. 171 Vgl. BGHZ 194, 314 Rn. 16 – Biomineralwasser = GRUR 2013, 401; ein bestimmter, aber zu weit formulierter Antrag ist demgegenüber zulässig, aber unbegründet, Ohly/Sosnitza, § 12 Rn. 63, 69. 172 Jauernig/Hess, § 29 Rn. 1 ff.; zum Gebot rechtsstaatlicher Verfahrensgestaltung Zöller/Vollkommer, Einl. Rn. 100 ff. 173 Vgl. Köhler/Bornkamm, § 12 Rn. 3.23; BGH GRUR 2010, 257 – Schubladenverfügung. 174 Ohly/Sosnitza, § 12 Rn. 135; Köhler/Bornkamm, § 12 Rn. 3.40. 175 Fritzsche, S. 298, 306; Nosch, S. 35 f.; Stjerna, MarkenR 2010, 113, 115 f. 176 Selbstverständlich ist auch, dass in der „Abmahnung“ die Parteien genau benannt werden müssen, Fritzsche, S. 298; zu weiteren inhaltlichen Vorgaben ders., S. 298 ff.; Ohly/ Sosnitza, § 12 Rn. 14 ff. 177 Ohly/Sosnitza, § 12 Rn. 15. 178 Büscher, GRUR 2012, 16, 18 (Fn. 12).
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er sich konkret zu verteidigen hat.179 Zumindest dann, wenn der Abmahnende die Kosten der Abmahnung ersetzt bekommen möchte (dazu sogleich u. § 10 II 3), sollte dies an die Einhaltung bestimmter verfahrensrechtlicher Vorgaben geknüpft werden. Wenn § 97a III S. 1 UrhG den Aufwendungsanspruch davon abhängig macht, dass die Abmahnung formal wirksam ist, überzeugt dies entsprechend. Wie eine Klage wegen Bestimmtheitsmängeln als unzulässig abgewiesen werden kann, erscheint eine Verlagerung des Kostenrisikos im Falle ähnlicher Fehler bei außergerichtlicher Streitbeilegung gerechtfertigt.180 Am Fortbestand des materiellen Unterlassungsanspruchs ändert sich in keinem Falle etwas. Praktisch liegt (verfahrensrechtliches) Missbrauchspotenzial vor allem darin, dass vorformulierte Unterlassungserklärungen über das hinausgehen, was eigentlich „tituliert“ werden kann. Eine entsprechende Klage würde in einem solchen Fall als teils unbegründet zurückgewiesen.181 Durch die richterliche Beurteilung wird eine neutrale Kontrolle gewahrt.182 Im Falle urheberrechtlicher Abmahnungen versucht die Neufassung des § 97a UrhG die fehlende richterliche Kontrolle zumindest abzufedern. Ein Anspruch auf Aufwendungsersatz besteht nicht, wenn die Abmahnung formal unwirksam ist, weil nicht transparent gemacht wurde, inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht (§ 97a II Nr. 4 UrhG). Der Abgemahnte wird um seine fehlende Zahlungsverpflichtung oder gegebenenfalls um seinen Rückforderungsanspruch aus § 812 I S. 1, 1. Alt. BGB freilich praktisch oft nicht wissen. Auch wenn die außergerichtliche Streitbeilegung auf die Eigenverantwortlichkeit der Beteiligten setzt und es durchaus möglich ist, zum Zwecke der Streitbeilegung (Ausräumung von Unsicherheit) eine weiter gefasste Unterlassungserklärung abzugeben,183 erscheint es angebracht, dass im Falle bewusst zu weit gefasster vorformulierter Unterlassungserklärungen dem Abgemahnten ein Anfechtungsrecht aus § 123 BGB zusteht.184 Konstruktiv ließe sich eine Täuschung durch Unterlassen annehmen.185 Der Abmahnende hat eine Aufklärungspflicht (vgl. auch § 138 I ZPO), die sich richtigerweise bei sämtlichen Abmahnungen an § 97a 179 Zur praktischen Relevanz vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 31. 10. 2005, Az. 5 W 116/05 = BeckRS 2006, 01892; s. a. Stjerna, MarkenR 2010, 113, 115 f. 180 Auch wäre zu überlegen, ob eine „unberechtigte Schutzrechtsverwarnung“ (dazu Ohly/Sosnitza, § 4.4 Rn. 4/33 ff.) nur dann wettbewerbswidrig ist, wenn sie Bestimmtheitsanforderungen genügt. Es obliegt dem Gläubiger, deutlich zu machen, welchen konkreten Vorwurf er gegen den Schuldner erhebt. 181 Ohly/Sosnitza, § 12 Rn. 63 und Rn. 69. 182 Vgl. Köhler, Festschrift Erdmann, S. 845, 848. 183 Vgl. Fritzsche, S. 276 f. 184 Vgl. Jänich, Festschrift Köhler, S. 319, 320, 323 ff. 185 Vgl. MünchKomm/Armbrüster, § 123 Rn. 30 ff.; zur Anfechtung von Unterwerfungserklärungen Köhler/Bornkamm, § 12 Rn. 1.224.
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II Nr. 4 UrhG orientieren sollte. Wenn es nicht um die Außerstreitstellung einer schwer zu beurteilenden Rechtsfrage rund um die Reichweite konkreter Unterlassungspflichten geht, sondern um eine Überrumpelung des Abgemahnten, erweist sich die Lösungsmöglichkeit vom Unterlassungsvertrag als interessengerecht. Mit Blick auf zu hoch gefasste Streitwerte besteht demgegenüber mittelbar Rechtsschutz. Klagt der Anspruchsteller seinen Aufwendungsersatz ein, wird die Höhe des Streitwerts indirekt kontrolliert. Die Höhe des Streitwerts bildet schließlich die Berechnungsgrundlage für die Anwaltsgebühren.186 Während hier eine tiefergehende Behandlung dieser und weiterer Verfahrensfragen nicht statthaft ist, zeigt sich doch, dass es weniger auf die formale Natur der Regelungen, sondern auf deren verfahrensrechtlichen Gehalt ankommt. Gerade ein Blick auf die Rechtsordnung durch die Brille des Rechtsbehelfsmodells mag dafür sensibilisieren, dass die Durchsetzung von Stammrechten – vom Anspruch bis zur Vollstreckung – einen eigenständigen Problemkreis bildet. Zugespitzt: Nicht der Gegensatz zwischen BGB und ZPO ist maßgeblich, sondern die Unterscheidung zwischen Regelungen, die Stammrechte betreffen, Regelungen, die Rechtsfolgenrechte bestimmen und Regelungen, die deren Durchsetzung behandeln.
3. Kostentragungspflicht der „Titulierung“ Nähere Aufmerksamkeit soll nun noch der Frage gewidmet werden, wer die Kosten für die erfolgreiche „Titulierung“ zu tragen hat. Bei gerichtlichen Verfahren gilt jeweils § 91 I ZPO, dem zufolge die Kosten des Rechtsstreits der unterlegenen Partei anfallen. Zu den Kosten des Rechtsstreits zählen insbesondere Anwaltskosten (soweit sie tatsächlich angefallen sind),187 nicht aber die Aufwendungen für eine vorprozessual ausgesprochene Abmahnung.188 Die Regel des § 91 I ZPO wird indes auch im Verfügungsverfahren von § 93 ZPO umgekehrt.189 Hat der Beklagte keinen Anlass zur Klage gegeben und erkennt er den geltend gemachten Anspruch sofort an,190 hat der Kläger trotz seines Obsiegens die Prozesskosten selbst zu übernehmen. Allein die Tatsache, dass der Prozessgegner erstmalig gegen eine Unterlassungspflicht verstoßen hat, wird nicht als Klageanlass verstanden. Ein solcher liegt aber vor, wenn der 186
Zur Beschwerde gegen den Gebührenstreitwert, vgl. Zöller/Herget, § 3 Rn. 8 f. Vgl. auch BGH GRUR 2008, 996 Rn. 35 ff. – Clone-CD; Günther, WRP 2009, 118 ff.; Ohly/Sosnitza, § 12 Rn. 23 zu Personal- und Sachkosten. 188 Köhler/Bornkamm, § 12 Rn. 1.111; a. A. Nosch, S. 71 f., 132; § 91 ZPO ist auch nicht analog auf die Abmahnung anzuwenden, Schmid, GRUR 1999, 312, 315 f. 189 Borck, NJW 1981, 2721, 2726; Nosch, S. 13 f.; auch das Abschlussschreiben ist damit vor Einleitung des Hauptsacheverfahrens zur Vermeidung von Kostennachteilen angezeigt, Stjerna, MarkenR 2010, 153, 156 f. 190 Zu den Voraussetzungen des sofortigen Anerkenntnisses Zöller/Herget, § 93 Rn. 3 f. 187
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Verpflichtete sich weigert, die Wiederholungsgefahr durch die Unterzeichnung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auszuräumen.191 Man spricht daher vom Bestand einer Abmahnobliegenheit192 beziehungsweise einem Verwarnungsgebot.193 Wen treffen nun aber die Kosten der Abmahnung? Unterstellt sei, dass es sich um eine ordnungsgemäße Abmahnung handelt, welche die wesentlichen Elemente (1) Hinweis auf das beanstandete Verhalten, (2) Aufforderung, dieses Verhalten künftig zu unterlassen, (3) Aufforderung zur Unterzeichnung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung binnen einer bestimmten Frist und (4) Androhung gerichtlicher Schritte enthält.194 In diesem Fall sind nach herrschender Auffassung die dem Abmahnenden entstandenen erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen. Dies ist in § 12 I S. 2 UWG für Wettbewerbsverstöße beziehungsweise § 97a III S. 1 UrhG mit Blick auf Urheberrechtsverletzungen ausdrücklich geregelt. § 5 UKlaG verweist auf § 12 I UWG. Bevor diese Normen verabschiedet wurden, stützte die Praxis den Aufwendungsersatzanspruch auf §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB.195 Bis heute ist die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) Rechtsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch der Abmahnung in anderen Rechtsgebieten wie im Recht des Geistigen Eigentums oder bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen oder Unterlassungsansprüchen wegen der Verletzung von Schutzgesetzen im Sinne des § 823 II BGB.196 Eine Analogie zu den erstgenannten Vorschriften wird abgelehnt.197 Die Anwendung der GoA findet ihre Begründung darin, dass die berechtigte Abmahnung dem Schuldner zum Vorteil gereichen soll, „weil der Gläubiger, der zunächst abmahnt, statt sofort Klage zu erheben oder einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu stellen, dem Schuldner damit die Möglichkeit gibt, eine gerichtliche Auseinandersetzung auf kostengünstige Weise durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung
191 Stjerna, MarkenR 2010, 113; Nosch, S. 3 ff.; Köhler/Bornkamm, § 12 Rn. 2.118. Wedemeyer, NJW 1979, 293, 296. 192 Nosch, S. 13; dies hat sich in den 60er Jahren herausgebildet, Nosch, S. 51; vgl. Stjerna, MarkenR 2010, 113 f. 193 Pastor, GRUR 1968, 177, 178 f. 194 Ohly/Sosnitza, § 12 Rn. 14 ff.; Stjerna, MarkenR 2010, 113, 115 ff.; Fritzsche, S. 297 ff.; bereits o. § 8 V. 195 Vgl. Mes, GRUR 1978, 345, 346; Gaede/Meister, WRP 1984, 246, 247 f. 196 BGHZ 52, 393, 399 – Fotowettbewerb = GRUR 1970, 189, 190; BGHZ 115, 210, 212 – Abmahnkostenverjährung = GRUR 1992, 176, 177; BGHZ 149, 371, 375 = Mißbräuchliche Mehrfachverfolgung = GRUR 2002, 357, 358; BGH GRUR 2008, 996 Rn. 9 f. – CloneCD; BGH GRUR 2015, 578 – Preußische Kunstwerke; vgl. Schricker, GRUR Int. 1996, 473, 478; Nosch, S. 69 ff.; kritisch Schmid, GRUR 1999, 312, 313 ff.; Einsiedler, WRP 2003, 354 f.; Bärenfänger, GRUR 2012, 461, 462 ff. 197 BGH GRUR 2008, 996 Rn. 10 – Clone-CD; Teplitzky, Festschrift Ullmann, S. 999, 1002 ff.
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abzuwenden.“198 Allerdings findet sich in dieser Argumentation ein logischer Fehler: Ein Gerichtsverfahren ist für den Verletzer wegen § 93 ZPO gerade nicht „kostspieliger“.199 Der Kläger mag den Prozess im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses zwar gewinnen, trägt dafür aber selbst das Kostenrisiko. Auch ein Verweis auf § 679 BGB200 führt nicht weiter, da selbst dann, wenn die „Erfüllung“ der Unterlassungspflicht im öffentlichen Interesse liegt, dies nicht für die Ausräumung der Wiederholungsgefahr gesagt werden kann.201 Die herrschende Meinung argumentiert daher zirkulär. Alternativ könnten Aufwendungen über den Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden.202 Soweit der Rechtsverstoß dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch auslöst,203 können die Abmahnkosten – freilich nur unter der Voraussetzung schuldhaften Handelns – als ersatzfähiger Schaden klassifiziert werden.204 Der Abmahnende durfte sich durch den Verletzer herausgefordert fühlen.205 Die Gegenansicht verweist darauf, dass im Falle abgeschlossener Verletzungshandlungen die Abmahnung nur darauf gerichtet sei, künftige Schäden zu verhindern. Kosten für derartige Maßnahmen seien aber grundsätzlich nicht erstattungsfähig.206 Dabei wird allerdings nicht hinreichend gewürdigt, dass die Abmahnkosten letztlich dazu dienen, einen begangenen Verstoß zu sanktionieren. Der entstandene Unterlassungsanspruch, der wiederum Folge der Rechtsverletzung ist, muss schließlich durchgesetzt werden können. 198 BGH GRUR 2008, 996 Rn. 34 – Clone-CD; erstmals BGHZ 52, 393, 399 – Fotowettbewerb = GRUR 1970, 189, 190. 199 Bärenfänger, GRUR 2012, 461, 463; Nosch, S. 70; Einsiedler, WRP 2003, 354, 355; Heermann, GRUR 1999, 625, 631 f.; Köhler, Festschrift Erdmann, S. 845, 848; Martinek/ Theobald, JuS 1997, 805, 811; Borck, WRP 1981, 438, 440; im Interesse des Beklagten kann eine gerichtliche Verurteilung zudem deshalb sein, weil das ggf. verwirkte Ordnungsgeld anders als die Vertragsstrafe nicht dem Kläger zugute kommt und er nicht gemäß § 278 BGB für Erfüllungsgehilfen einzustehen hat (Köhler, Festschrift Erdmann, S. 845, 848). Die im Erkenntnisverfahren ermöglichte richterliche Kontrolle des Unterlassungsanspruchs (Köhler, a. a. O.) taugt hingegen nicht als Argument. Um in den Genuss von § 93 ZPO zu kommen, muss der Beklagte sofort anerkennen. 200 Loewenheim, WRP 1979, 839, 842. 201 Köhler, Festschrift Erdmann, S. 845, 849; Nosch, S. 70; Einsiedler, WRP 2003, 354, 355. 202 BGH GRUR 1982, 489 – Korrekturflüssigkeit; BGHZ 115, 210 – Abmahnkostenverjährung = GRUR 1992, 176, 177; Oppermann, AcP 193 (1993), 497, 520. 203 Dies ist nicht stets der Fall. So steht namentlich Verbraucherverbänden bei Wettbewerbsverstößen kein Anspruch auf Schadensersatz zu (vgl. §§ 8, 9 UWG). 204 Für das Wettbewerbsrecht auf Basis von § 9 UWG BGHZ 115, 210 – Abmahnkostenverjährung = GRUR 1992, 176, 177; Heidenreich, WRP 2004, 660, 661; Schmid, GRUR 1999, 312. 205 Nosch, S. 66 f., 212. 206 Ahrens/Scharen, Kap. 11 Rn. 13; Köhler, Festschrift Erdmann, S. 845, 846; Nosch, S. 65 ff., 67 f.; zum Vergleich mit der Abmahnung im Arbeitsrecht Nosch, S. 212.
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§ 10 Die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen
Auch die Vertreter dieser Kritik weisen jedoch darauf hin, dass ein Erstattungsanspruch im Ergebnis besteht. So soll „aus Wertungsgesichtspunkten“ ein zurechenbarer Schaden bestehen, sofern keine Spezialregelung besteht.207 Der Anspruch könne auf Gewohnheits- beziehungsweise Richterrecht208 oder eben „Wertungsgesichtspunkte“209 gestützt werden.210 Einschränkend wollen manche dies aber nur dort annehmen, wo die „Abmahnung auch tatsächlich praktiziert wird und damit üblich ist“.211 Bei Ansprüchen aus § 1004 I BGB soll dies jenseits des Medienprivatrechts nicht der Fall sein.212 Richtigerweise können bei sämtlichen Unterlassungsansprüchen unabhängig von deren Rechtsnatur beziehungsweise unabhängig vom Rechtsgebiet, dem das zu verwirklichende Stammrecht entspringt, die Kosten der Abmahnung vom Verletzer verlangt werden.213 Das gilt auch für die Gemeinschaftsmarke.214 Zur Rechtfertigung der Kostentragungspflicht des Abgemahnten kann auf das Verursacherprinzip verwiesen werden. Es ist gerecht und billig, dass derjenige, der die Kosten verursacht hat, diese auch tragen muss.215 Da dem Verletzten ferner wegen § 93 ZPO eine sofortige Klage faktisch abgeschnitten ist, bedarf es eines Korrelats, das sich im materiellen Kostenerstattungsanspruch findet.216 Die „Abmahnlast“ erfordert einen „Ausgleich“.217 Die Tragung der Abmahnkosten wird daher als „angemessen“ und „gerecht“ empfunden.218 Die Gegenansicht verweist auf die Verteilung des Kostenrisikos bei der Mahnung.219 In der Tat hat der Gläubiger die Kosten der ersten Mahnung regelmäßig selbst zu tragen. Da erst die Mahnung verzugsbegründend wirkt, sind Aufwendungen hierfür nicht als Verzugsschaden erstattungsfähig.220 Der Vergleich hinkt indes nicht nur wegen des strukturellen Unterschieds zwischen 207 Nosch, S. 125 (für das Kartellrecht), S. 131 f. (für gewerbliche Schutzrechte), S. 161 f. (für das Medienrecht). 208 Köhler, Festschrift Erdmann, S. 845, 850 f.; vgl. Heermann, GRUR 1999, 625, 631 ff. 209 Nosch, S. 131 f., 168, 293; „Billigkeitsgründe“, Heermann, GRUR 1999, 625, 632. 210 Schmid, GRUR 1999, 312, 316 („Kostenerstattungsanspruch sui generis“); vgl. Ingerl/ Rohnke, Vorb. §§ 14 Rn. 295 ff. 211 Nosch, S. 168. 212 Nosch, S. 168. 213 Das Wettbewerbsrecht bildet keine Ausnahme. Zwar ist die Verbreiterung der Aktivlegitimation dem öffentlichen Interesse an der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen geschuldet; ist aber der Anspruch einmal entstanden, folgt seine Durchsetzung allgemeinen Regeln. Nicht überzeugend daher Goldbeck, AfP 2008, 139, 143. 214 OLG München, Urt. v. 21. 02. 2013 – 6 U 1497/12 Rn. 27 = BeckRS 2013, 22876. 215 Nosch, S. 74, 78, 132. 216 Ahrens, Liber amicorum Lindacher, S. 1, 4. 217 Ulrich, WRP 1995, 282, 283. 218 Ulrich, WRP 1995, 282, 283. 219 Bärenfänger, GRUR 2012, 461, 463; Ohly, Gutachten 70. Juristentag, F 119; SchmidtKessel, Urheberrecht und Verbraucherschutz, S. 223, 233; Köhler, Festschrift Erdmann, S. 845, 848. 220 Vgl. Palandt/Grüneberg, § 286 Rn. 45.
II. Titulierung von Unterlassungsansprüchen
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Leistungs- und Unterlassungsansprüchen.221 Durch die Mahnung wird ein Prozess nicht ersetzt, sondern nur ein Stück weit unwahrscheinlicher gemacht. Der Unterlassungsvertrag substituiert hingegen gerade einen solchen Titel.222 Während die Mahnung dem Schuldner ausschließlich nachteilig ist, bringt die Unterzeichnung der Unterlassungserklärung den Vorteil, dass der Streit damit unmittelbar beigelegt ist. Anders als die Mahnung, die nur Mittel zum Zweck ist, bewirkt die Unterlassungserklärung gleichsam selbst die „Erfüllung“ des Unterlassungsanspruchs. Hinzu kommt, dass die Abgabe der Unterlassungserklärung Sache des Schuldners ist. Es obliegt ihm, die Wiederholungsgefahr auszuräumen;223 es ist seine Sache, eine ausreichende Vertragsstrafe anzubieten.224 Der Berechtigte ist daher nicht verpflichtet, der Abmahnung einen Formulierungsvorschlag beizufügen.225 Würde der Berechtigte den Abgemahnten nur auf den Rechtsverstoß hinweisen und gleichzeitig rechtliche Schritte androhen, müsste dieser selbst das (schwierige) Unterfangen der zutreffenden Formulierung der Unterlassungserklärung in Angriff nehmen. Da dies für einen Laien kaum möglich sein dürfte, muss der Verletzer praktisch auf einen Anwalt zurückgreifen – und diesen selbst bezahlen. Darauf läuft etwa die Ansicht Bärenfängers hinaus, der statt einer kostenpflichtigen Abmahnung zunächst eine „Berechtigungsanfrage“ fordert.226 Übernimmt die (richtige)227 Formulierung aber vorab bereits der Gläubiger, kommt man bei typisierender Betrachtung nicht umhin, die Kostentragungspflicht beim Schuldner zu sehen. Bestätigt wird dies durch die zulässige vorbeugende Unterwerfung, die durchaus aufwändig sein kann.228 Auch wenn sich der Schuldner mittels einer notariellen Urkunde unterwirft (§§ 794 I Nr. 5, 797 II ZPO), hat er die Kosten zu tragen.229 Es bleibt festzuhalten, dass ein Unterlassungsanspruch effektiv durchsetzbar sein muss. Ohne Kostenerstattung müsste der Berechtigte aber nicht nur den Pflichtverstoß hinnehmen, sondern für dessen praktische Geltendmachung auch noch bezahlen. Dadurch wird die Rechtsfolge Unterlassen wenn auch nicht unterbunden, so doch eingeschränkt.230 Nur wenn die Rechtsverwirklichung mittels der Rechtsfolge Unterlassen weniger dringlich ist, ist ein 221 Vgl.
Oppermann, AcP 193 (1993) 497, 522; s. a. o. § 8 I 2 a). Dazu o. § 10 II 1 c). 223 Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 10; vgl. nur BGH GRUR 1993, 579, 581 – Römer GmbH. 224 Fritzsche, S. 300. 225 Köhler/Bornkamm, § 12 Rn. 1.18; Stjerna, MarkenR 2010, 113, 117; Nümann/Mayer, ZUM 2010, 321, 323. 226 Bärenfänger, GRUR 2012, 461, 463, 467. 227 Zur fehlenden Erstattungsfähigkeit der Abmahnkosten bei fehlerhafter Formulierung o. § 10 II 2. 228 Vgl. Raue, MMR 2011, 290 ff. 229 Vgl. Köhler, GRUR 2010, 6, 10. 230 Vgl. Nosch, S. 74 ff. 222
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§ 10 Die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen
Absehen von der Kostentragungspflicht denkbar (dazu u. § 11 III 3). Dort wo diese Rechtsfolge aber angemessen ist (z. B. bei einer Verletzung des Urheberrechts nach § 19a UrhG), muss sie uneingeschränkt durchsetzbar sein.
III. Vollstreckung von Unterlassungstiteln Wertungsmäßig hat auch die „Vollstreckung“ (Übersicht dazu u. 1.) weithin gleich zu erfolgen, unabhängig davon, ob es um vertragliche oder gesetzliche „Unterlassungstitel“ geht. Problematisiert werden namentlich Einwendungen gegen den „Titel“, die nach seiner Begründung vorgebracht werden (2.).
1. Gerichtliche und außergerichtliche Vollstreckung Im vorangegangenen Abschnitt wurde herausgearbeitet, dass ein Unterlassungsanspruch sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich „tituliert“ werden kann. Ein ähnliches Bild bietet sich bei der Zwangsvollstreckung von Unterlassungstiteln im engeren wie im weiteren Sinne. Beobachtet der Unterlassungsschuldner einen gerichtlichen Titel nicht, erfolgt die Vollstreckung nach § 890 ZPO.231 Während die Willenssteuerung zwar bereits durch die Drohung mit den Ordnungsmitteln erfolgen sollte, kann durch die tatsächliche Umsetzung der Beugemittel der Druck auf den Schuldner nochmals erhöht werden.232 Gemäß § 890 II ZPO hat der Verurteilung zu Ordnungsgeld oder Ordnungshaft eine Androhung vorauszugehen. Praktisch erfolgt dies zugleich mit der Titulierung.233 Die Höhe des Ordnungsgeldes wird im Falle der schuldhaften234 Zuwiderhandlung gegen das titulierte Unterlassungsgebot auf Antrag des Titelgläubigers durch das Vollstreckungsgericht festgesetzt.235 Der Anspruch auf eine Vertragsstrafe entsteht ebenfalls im Falle einer schuldhaften Verletzung des Unterlassungsvertrags.236 Entscheidend ist, dass es in beiden Fällen wertungsmäßig darum geht, auf den Willen des Schuldners einzuwirken. Auch 231 Fritzsche, S. 633 ff.; Ohly/Sosnitza, § 12 Rn. 241 ff.; Köhler/Feddersen/Bornkamm, § 12 Rn. 6.1 ff. 232 Vgl. Riehm, S. 41. 233 Köhler/Feddersen/Bornkamm, § 12 Rn. 6.3; § 12 Rn. 2.49; vgl. Ohly/Sosnitza, § 12 Rn. 243; bei notariellen Unterwerfungserklärungen bedarf es eines eigenen Androhungsbeschlusses, § 890 II ZPO, vgl. Köhler/Feddersen/Bornkamm, § 12 Rn. 6.3; Köhler, GRUR 2010, 6, 8 f. 234 Vgl. BVerfG NJW-RR 2007, 860. 235 Ohly/Sosnitza, § 12 Rn. 246, 249 f.; Köhler, JZ 2005, 489, 494; zu den Bemessungsgrundsätzen Köhler/Feddersen/Bornkamm, § 12 Rn. 6.12; zu den allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen Fritzsche, S. 643 ff. 236 Köhler/Bornkamm, § 12 Rn. 1.208; vgl. BGH GRUR 2014, 595 Rn. 23 ff. – Vertragsstrafenklausel.
III. Vollstreckung von Unterlassungstiteln
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die Vertragsstrafe dient in erster Linie als „Sanktionsinstrument“.237 Zugleich fungiert sie aber auch als pauschalierter Schadensersatz („erleichterte Schadloshaltung“).238 Ihre Höhe hat sich nach dem Bundesgerichtshof aber „[i]n erster Linie“ an ihrer Eignung zu messen, den Unterlassungsschuldner „zur Einhaltung der von ihm versprochenen Unterlassungspflicht zu bewegen,“ so „dass er auf Grund der versprochenen Strafe vor weiteren Verstößen zurückschreckt.“239 Leitend hat in jedem Falle der Gedanke zu sein, dass Unterlassungsvereinbarungen trotz ihrer vertragsrechtlichen Wurzeln funktional Verfahrensrecht darstellen. So lässt sich auch der Bundesgerichtshof interpretieren, wenn er mahnt: „Die[…] im Zusammenhang mit Vertragsstrafen zur Sanktionierung von vertraglichen Verhaltenspflichten im Rahmen von Austauschverträgen entwickelten Grundsätze, von denen auch das BerGer. ausgegangen ist, können auf Unterwerfungserklärungen nicht ohne Weiteres übertragen werden.“240
Das Ordnungsgeld hat demgegenüber ausschließlich eine Beugefunktion.241 Allerdings gibt es in der Literatur Überlegungen, de lege ferenda auch das Ordnungsgeld statt an die Staatskasse an den Titelgläubiger auszukehren.242 Dafür spricht, dass der Schuldner, wenn er schon den Titel nicht befolgt, zumindest einen Ausgleich erhalten soll.243 Gerade auch der Gedanke der Schadloshaltung lässt sich dabei fruchtbar machen. Zudem würde die Effektivität der Vollstreckung erhöht. Wirtschaftliche Vorteile der Zuwiderhandlung werden gemindert, wenn ausgerechnet der Gläubiger das Zwangsgeld anstelle der Staatskasse erhält.244 Auch bei der Frage der Verschuldenszurechnung kann eine funktionale Betrachtung Hilfe leisten. So ist anerkannt, dass § 278 BGB für die Beurteilung des Verschuldens des Titelgläubigers im Anwendungsbereich des § 890 ZPO 237 Köhler/Bornkamm,
§ 12 Rn. 1.187; BGH GRUR 2014, 595 Rn. 16, 20 – Vertragsstrafenklausel („Hauptfunktion“). 238 Köhler/Bornkamm, § 12 Rn. 1.187 und Rn. 1.215; BGHZ 63, 256, 259 = NJW 1975, 163, 165; BGH GRUR 1994, 146, 147 – Vertragsstrafebemessung; GRUR 2009, 181 Rn. 42 – Kinderwärmekissen. 239 BGH GRUR 2014, 595 Rn. 16 f. – Vertragsstrafenklausel; Teplitzky/Kessen, 8. Kap. Rn. 21; vgl. auch Köhler, GRUR 1994, 260, 262; Köhler/Bornkamm, § 12 Rn. 1.192. 240 BGH GRUR 2014, 595 Rn. 15 – Vertragsstrafenklausel. 241 Vgl. Fritzsche, S. 639. 242 Fritzsche, S. 639 f.; vgl. Riehm, S. 41 f.; s. a. Bruns, ZZP 118 (2005), 3, 8 ff., mit einem rechtsvergleichenden Überblick; er selbst zeigt sich einer derartigen „Privatstrafe“ gegenüber kritisch, a. a. O., S. 20 ff.; s. a. Remien, S. 192 ff., 335, der sich im Ergebnis dafür ausspricht, dass das Zwangsgeld der Staatskasse oder einer anderen öffentlichen oder gemeinnützigen Kasse zufließt. Dort findet sich zugleich ein Überblick über die wesentlichen Argumente, an wen das Zwangsgeld ausgekehrt werden sollte. 243 Vgl. Fritzsche, S. 639 f. 244 Fritzsche, S. 639.
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nicht anwendbar ist.245 Im Vertragsrecht hat der Gläubiger demgegenüber auf den ersten Blick für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen einzustehen.246 Allerdings haftet der Titelgläubiger selbst im Vollstreckungsverfahren nach § 890 II ZPO für eigenes Organisationsverschulden.247 Bereits dadurch werden die Unterschiede abgemildert.248 Zudem stellt sich die Frage, ob die Vertragsparteien § 278 BGB nicht abbedingen wollen.249 Zumindest mit Blick auf die „Beugefunktion“ liegt eine entsprechende Vertragsauslegung nahe.250 Der Schuldner hat nur für „persönliches Verschulden“ einzustehen.251
2. Änderungsmöglichkeiten Während konkrete Unterlassungspflichten ipso jure entstehen und erlöschen, entfällt ein Titel nicht von selbst, auch wenn materiellrechtlich eine Unterlassungspflicht nicht fortbesteht. Auch ein gesicherter Unterlassungsvertrag ist von der ihr vorausliegenden streitgegenständlichen konkreten Unterlassungspflicht unabhängig.252 Es stellt sich damit die Frage, ob Titel im engeren und weiteren Sinne beseitigt werden können. Für gerichtliche Titel schafft die Vollstreckungsabwehrklage Abhilfe (§ 767 ZPO).253 Eine Unterlassungserklärung kann für die Zukunft über § 313 BGB beziehungsweise § 314 BGB angepasst oder aufgehoben werden.254 Problematisch ist dies ferner beim Abschlussschreiben. Gefordert wird eine gesetzliche Klarstellung zugunsten der Anwendbarkeit von § 767 ZPO.255 Entscheidend ist, dass in allen Fällen nur Einwendungen gehört werden, die nach der „Titulierung“ aufgetreten sind.256 Insgesamt kann hier wiederum eine funktionale Auslegung Orientierung bieten.257
245
Köhler/Feddersen/Bornkamm, § 12 Rn. 6.6. Vgl. Köhler/Bornkamm, § 12 Rn. 1.209. 247 Ohly/Sosnitza, § 12 Rn. 247; mit Blick auf Unterlassungsvereinbarungen BGH GRUR 2014, 595 Rn. 26 – Vertragsstrafenklausel. 248 Vgl. Köhler/Bornkamm, § 12 Rn. 1.212. 249 Dies ist möglich, Köhler/Bornkamm, § 12 Rn. 1.212; vgl. Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 56; gegen die Anwendbarkeit von § 278 BGB Lindacher, GRUR 1975, 413, 415; s. a. Steinbeck, GRUR 1994, 90, 92 ff. 250 Vgl. Traub, Festschrift Gaedertz, S. 563, 569 ff. 251 Lindacher, GRUR 1975, 413, 415. 252 Vgl. dazu o. § 10 I 3. 253 Teplitzky/Feddersen, 57. Kap. Rn. 51 ff. 254 Fritzsche, S. 322 ff., 326; Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 61; Petersen, GRUR 1978, 156, 157 f.; vgl. Pokrant, Festschrift Erdmann, S. 863, 868 ff.; Jänich, Festschrift Köhler, S. 319, 320, 321; zu Rechtsprechungsänderungen Grosch, 324 f. 255 Ahrens, Liber amicorum Lindacher, S. 1, 4. 256 Zu § 767 ZPO vgl. Zöller/Herget, § 767 Rn. 14. 257 Vgl. Köhler/Bornkamm, § 12 Rn. 1.219. 246
IV. Fazit
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IV. Fazit Ist ausgemacht, dass die Rechtsverwirklichung mittels eines Unterlassungsanspruchs erfolgt, muss dieser auch durchsetzbar sein. Effektive Durchsetzung ist geboten. In diesem Kapitel wurde insbesondere gezeigt, dass gerade im Falle von Erstbegehungsgefahr eine Titulierungsmöglichkeit mittels einer Unterlassungserklärung bestehen muss und der Berechtigte vom Abgemahnten generell bei Begehungsgefahr zu Recht die Kosten verlangen kann. Vor allem die Titulierungsmöglichkeit hat sich als echter Mehrwert des Unterlassungsanspruchs erwiesen, denn das Unterlassen ist dem Verpflichteten ohnehin schon mittels der konkreten Unterlassungspflicht untersagt. Der Unterlassungsanspruch muss sich gerade bei seiner Durchsetzung bewähren. Natürlich ist es denkbar, speziell die verfahrensrechtliche Durchsetzung zu erschweren beziehungsweise auszuschließen. Dann geht es aber bereits um Einschränkungen der Rechtsfolge Unterlassen schlechthin. Die Frage nach den Grenzen der Rechtsfolge Unterlassen einschließlich verfahrensrechtlicher Beschränkungen ist ein eigenständiger Problemkreis. Dieser wird im folgenden § 11 angegangen. Wird die Rechtsfolge Unterlassen aber für die konkrete Konstellation als sachgerecht empfunden, muss diese – gleichsam im Normalfall – auch konsequent zur Geltung kommen. Ihre Wirksamkeit darf nicht im Rahmen außergerichtlicher Streitbeilegung durch die Hintertür entwertet werden. Funktional findet gerade auch hier Rechtsdurchsetzung statt. Rechtsregeln können durchaus verfahrensrechtlicher Natur sein, auch wenn sie formal dem materiellen Recht zugehörig erscheinen.
§ 11 Die Grenzen der Rechtsfolge Unterlassen In Kenntnis der dogmatischen Grundstruktur des Unterlassungsanspruchs und seiner Durchsetzung einerseits und der Funktionen der Rechtsfolge Unterlassen andererseits sollen nun zum Abschluss einige konkrete Fallkonstellationen vorgestellt werden, in denen ein Stammrecht nicht mittels der Rechtsfolge Unterlassen verwirklicht wird beziehungsweise werden soll.1 Die dogmatischen und funktionalen Erkenntnisse können zusammengeführt werden. Während die Rechtsprechung mitunter allzu formal die „systematischen Grundentscheidungen des Gesetzgebers“ bemüht,2 helfen bei der interessengerechten Ausgestaltung der Rechtsdurchsetzung gerade auch die aus der Funktionsanalyse gewonnenen Einsichten. Nimmt man die Rechtsdurchsetzung übergeordnet als einen eigenständigen Problemkreis wahr, wird deutlich, dass ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Unterlassungshaftung auf unterschiedlichen Ebenen unterschiedlich intensiv erfolgen kann. Zu unterscheiden sind zum einen materielle und verfahrensrechtliche Begrenzungen. Zum anderen lassen sich generelle von situationsabhängigen Begrenzungen abgrenzen. Ist insbesondere ein Unterlassungsanspruch generell ausgeschlossen oder nur im atypischen Einzelfall aufgrund einer Interessenabwägung? Die Wahl der richtigen „Stellschraube“ zur Begrenzung der Rechtsverwirklichung mittels der Rechtsfolge Unterlassen entpuppt sich nicht zuletzt als ein Kompetenzproblem. Unabhängig von der Rechtsdurchsetzung ist natürlich bereits eine Begrenzung des Schutzbereichs beziehungsweise der Reichweite des Stammrechts denkbar (I.). Hinter den unterschiedlich intensiv wirkenden Einschränkungen steht in allen Fällen ein allgemeiner Grundsatz der Rechtsfolgendifferenzierung. Die unterschiedlichen dogmatischen „Stellschrauben“ der Begrenzung der Rechtsfolge Unterlassen lassen sich allesamt auf diesen materiellrechtlichen Grundsatz zurückführen. Rechtsfolgendifferenzierung erscheint als Rechtsprinzip, das durch die Brille des Rechtsbehelfsmodells sichtbar wird (II.). Dieser abstrakten Darstellung folgen konkrete Anwendungsfälle. Dabei werden Beispiele der unterschiedlichen Begrenzungsmöglichkeiten 1 Mit Rechtsfolge Unterlassen ist mehr gemeint als nur ein Unterlassungsanspruch. So kann zwar ein Unterlassungsanspruch bestehen, dieser kann jedoch beispielsweise nicht vollstreckbar sein. Die Rechtsfolge Unterlassen erscheint begrenzt, obwohl ein Unterlassungsanspruch besteht. Dazu bereits o. Einl. II. 2 BAGE 131, 145 Rn. 20 = AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 48 = NJW 2010, 172.
I. Die Wahl der Stellschrauben
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sowohl de lege lata als auch de lege ferenda im Lichte des Grundsatzes der Rechtsfolgendifferenzierung exemplarisch aufgezeigt. Es werden jeweils Beispiele unterschiedlicher Stammrechte herangezogen, anhand derer gezeigt wird, inwieweit die Rechtsverwirklichung ohne die Rechtsfolge Unterlassen unterschiedlich intensiv möglich ist beziehungsweise möglich sein kann (III.). Wichtig ist: Auch bei der Darstellung der Beispiele geht es vor allem darum zu zeigen, dass Einschränkungen des Unterlassungsanspruchs – wie sie im Übrigen in der Literatur mit unterschiedlichen Begründungen bereits vertreten werden – systemkonform sind. Stets geht es um den übergeordneten Problemkreis differenzierter Rechtsdurchsetzung. Die Spezialdebatten sollen somit einzig um dieses Argument erweitert werden, hier aber nicht in ihrer ganzen Breite nachgezeichnet werden.
I. Die Wahl der Stellschrauben Während zunächst die einschlägigen, bereits im Verlauf der Abhandlung angesprochenen Stellschrauben, durch welche die Rechtsfolge Unterlassen begrenzt werden kann,3 zusammenzufassen sind (2.), wird anschließend argumentiert, dass die Frage, welche Stellschraube im Falle einer gewünschten Begrenzung der Rechtsfolge Unterlassen zu wählen ist, von der beabsichtigten Begrenzungsintensität abhängt. Dies führt schließlich zur Frage der Begrenzungskompetenz (3.). Keine Frage der Begrenzung der Rechtsdurchsetzung liegt allerdings vor, wenn eine Begrenzung des Stammrechts im Raum steht.4 Darauf ist vorab kurz einzugehen (1.).
1. Schutzbereichsbeschränkungen Häufig wird der Form nach zwar über Unterlassungsansprüche gestritten. Bei näherer Betrachtung entpuppt sich die Auseinandersetzung aber nicht als Kontroverse um die Rechtsdurchsetzung, sondern als eine um die Reichweite von Rechtspositionen. Fritzsche verweist auf „Unterlassungsansprüche“ im Betriebsverfassungs- und Gesellschaftsrecht.5 Besonders deutlich wird dies auch bei der Abmahnung im Urheberrecht. Während sich zwar spezifische Verfahrensfragen stellen (z. B. Berechnung der Höhe der „Abmahngebühr“), wird die Abmahnung bisweilen stellvertretend für ein (vermeintlich) zu weit 3 Die „Schranken der Ausschließlichkeit“ systematisierend Brand, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 77, 82 ff.; Hofmann, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 183, 183 f., 189 ff., zu den „Stellschrauben“ der Begrenzung der mittels Ausschließlichkeitsrechten vermittelten „Rechtsmacht“. 4 Einschließlich des Untergangs des Rechts, Hofmann, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 183, 192. 5 Fritzsche, S. 3.
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§ 11 Die Grenzen der Rechtsfolge Unterlassen
geratenes Urheberrecht kritisiert. Im Patentrecht darf die Diskussion um „Patenttrolle“ nicht mit der Diskussion um die „Qualität“ von Patenten vermischt werden.6 Auch ob ein vertragliches Wettbewerbsverbot aus kartellrechtlichen Gründen nichtig ist, berührt die Frage des Stammrechts, nicht die Ebene der hier ausschließlich interessierenden Rechtsdurchsetzung. Nicht zuletzt betrifft auch die Diskussion um die Zulässigkeit des Fotografierens fremder Sachen beziehungsweise deren Verwertung jeweils ohne Zustimmung des Eigentümers die Reichweite des Stammrechts. „Ausnahmsweise stellen aber auch jene [bestimmte rivalisierende Sachnutzungen] keine verbotene Einwirkung dar. Dabei geht es hier wiederum nicht um die Voraussetzungen sekundärer Ansprüche wegen an sich tatbestandsmäßiger Eigentumsverletzung […]. Zu fragen ist vielmehr, unter welchen Umständen die grundsätzlich dem Eigentümer vorbehaltene Einwirkung ausnahmsweise bereits das primäre Recht nicht verletzt.“7
Tatsächlich muss sich bereits die Reichweite des Schutzbereichs jedes Rechts rechtfertigen lassen, was sich gerade am Fall des „Rechts am Bild der eigenen Sache“ und damit dem Schutzbereich des Sacheigentums stellvertretend für andere Fälle aufzeigen lässt. Nimmt man mit der Rechtsprechung an, dass im referierten Fall eine Eigentumsverletzung vorliegt,8 stellt sich die Frage, ob die Erweiterung des Schutzbereichs durch Schrankenregelungen wiedereingefangen werden muss. So wird etwa vorgeschlagen, für private Fotografien § 53 UrhG analog anzuwenden.9 Ein Unterlassungsanspruch wäre dann nicht gegeben. Ob an seiner Stelle analog § 54 UrhG eine Vergütung geschuldet ist (wäre der entsprechende Anspruch verwertungsgesellschaftspflichtig?), müsste hinterfragt werden. Angezeigt ist freilich bereits eine sachgerechte Ausgestaltung 6 Vgl.
Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 792 f. Peukert, Güterzuordnung, S. 222 f. 8 Der Bundesgerichtshof differenziet: Zwar gebe es kein „Recht am Bild der eigenen Sache“; das ausschließliche Recht zur Anfertigung und Verwertung von Fotografien von Bauwerken und Gartenanlagen stehe aber dem Grundstückseigentümer zu, soweit diese Abbildungen von seinem Grundstück aus angefertigt worden sind, BGH GRUR 2011, 323 Rn. 11, 15 – Preußische Gärten und Parkanlagen I; BGH GRUR 2013, 623 Rn. 12 ff. – Preußische Gärten und Parkanlagen II; in der Literatur wird die Entscheidung kritisiert, Schack, JZ 2011, 375 f.; ders., § 3 Rn. 39 ff.; Stieper, ZUM 2011, 331 ff.; Lehment, GRUR 2011, 327 f.; Dreier, Festschrift Pfennig, S. 15, 20 ff.; s. a. Stang, GRUR 2015, 579 ff.; Hofmann, UFITA 2014, 381, 398 f.; im Kern wird moniert, dass Sacheigentum und Geistiges Eigentum durcheinandergebracht werden. Während körperliche Nutzungen ersteres betreffen, regelt letzteres immaterielle Nutzungen. Oder ökonomisch gesprochen: Eine Eigentumsverletzung kommt nur bei rivalen Nutzungshandlungen (eine Handlung kann nicht von mehreren gleichzeitig vorgenommen werden) vor, eine Immaterialgüterrechtsverletzung demgegenüber nur bei nicht rivalen Nutzungshandlungen (eine Handlung kann von mehreren gleichzeitig vorgenommen werden). Wer fotografiert nimmt aber keine rivale, sondern eine immaterielle Nutzung vor. Das Betreten des Grundstücks wiederum stellt zwar eine körperliche Nutzung dar, ist aber von der Verwertung der Fotografien zu unterscheiden, Zech, S. 276 ff.; Peukert, Güterzuordnung, S. 218 ff. 9 Flöter/Königs, ZUM 2012, 383, 384; vgl. Dreier, Festschrift Dietz, S. 235, 250 f. 7
I. Die Wahl der Stellschrauben
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des Stammrechts. Die in dieser Arbeit propagierte zusätzliche Stellschraube der Rechtsdurchsetzung als Möglichkeit zur Feinabstimmung muss nicht in jedem Fall bemüht werden. Nuancierungsmöglichkeiten durch den Ausschluss bestimmter Rechtsfolgen mit Blick auf die konkrete Rechtsdurchsetzung entlasten nicht davon, die Interessenabwägung Pro und Kontra einer Rechtszuweisung auf Ebene des Stammrechts präzise durchzuführen. In diesem Sinne lösen zahlreiche Literaturvertreter den Fall dadurch, dass immaterielle Nutzungen von vorneherein nicht vom Schutzbereich des Sacheigentums umfasst sein sollen.10 Nicht nur die Gewähr von Schadensersatz- beziehungsweise Unterlassungsansprüchen lässt sich nicht rechtfertigen, sondern bereits die Rechtszuweisung ist insoweit nicht begründbar.11
2. Die Stellschrauben zur Begrenzung der Rechtsfolge Unterlassen Eine echte Begrenzung der Rechtsdurchsetzung und damit des Unterlassungsanspruchs liegt vor, wenn ein Recht generell nicht mit einem Unterlassungsanspruch durchgesetzt wird. Wenn es um die Rechtsdurchsetzung geht, kommt es maßgeblich darauf an, ob eine konkrete Unterlassungspflicht besteht. Entsprechende Unterlassungspflichten gibt es in bestimmten Situationen von vorneherein nicht. Dies ist insbesondere wegen urheberrechtlicher oder eigentumsrechtlicher „Schranken“ standardmäßig der Fall (z. B. § 53 UrhG; § 904 S. 1 BGB). Mangels Unterlassungspflicht kann ein Unterlassungsanspruch selbst im Normalfall nicht entstehen (o. § 9 I 4; 9 III). Ein Eingriff in den Schutzbereich des jeweiligen Rechts liegt dennoch vor; bisweilen gewährte Vergütungsansprüche belegen dies.12 Selbst wenn in einer bestimmten Fallkonstellation dem Grundsatz nach eine konkrete Unterlassungspflicht ausgemacht werden kann, kann die Entstehung des korrespondierenden Rechtsfolgenrechts, des Unterlassungsanspruchs, zumindest verkompliziert werden. Speziell die Anforderungen an die Begehungsgefahr bieten die Möglichkeit, die Rechtsdurchsetzung schwieriger zu machen; das Bestehen einer Unterlassungspflicht bleibt davon unberührt.13 Grundsätzlich bestehende Unterlassungsansprüche können ferner wieder untergehen (z. B. über § 275 II BGB wegen unverhältnismäßiger Leistungserschwerung)14 beziehungsweise 10
Schack, JZ 2011, 375 f.; ders., § 3 Rn. 39 ff.; Stieper, ZUM 2011, 331 ff.; Lehment, GRUR 2011, 327 f.; Dreier, Festschrift Pfennig, S. 15, 20 ff.; s. a. Zech, S. 276 ff. 11 Anders beim Zitatrecht im Urheberrecht. Hier bestehen zwar weder Unterlassungsnoch Schadensersatzansprüche, der Urheber muss aber genannt werden, vgl. § 63 UrhG. 12 Dazu o. § 5 IV 2 a). 13 Dazu o. § 9 IV; allerdings wurde auch gesehen, dass eine erste Zuwiderhandlung oder eine drohende Zuwiderhandlung Anlass genug ist, dass der Berechtigte nicht nur einen Anspruch erhält, sondern diesen auch „titulieren“ kann. Das ist schließlich der Mehrwert des Unterlassungsanspruchs gegenüber dem ohnehin bestehenden Verbot. 14 Dazu o. § 9 I 4.
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§ 11 Die Grenzen der Rechtsfolge Unterlassen
nicht durchsetzbar sein (z. B. §§ 214 I, 242 BGB).15 In beiden Fällen erlischt die konkrete Unterlassungspflicht, wodurch dem Unterlassungsanspruch die Grundlage entzogen wird.16 In letzteren Fällen kann dies nur temporär der Fall sein. Die Unterlassungspflicht (und damit der Unterlassungsanspruch) können wieder aufleben. Schließlich kann die prozessuale Durchsetzung erschwert oder ausgeschlossen sein. Erschwernisse folgen aus ungünstigen Kostenregelungen wie der Deckelung der Abmahnkosten im Urheberrecht (§ 97a III S. 2 UrhG). Auf Ausschlüsse trifft man seltener: Während beispielsweise ein Antrag auf Herstellung der Ehegemeinschaft (vgl. § 1353 BGB) trotz fehlender Vollstreckbarkeit nicht unzulässig ist,17 nimmt § 8 IV UWG einem bestehenden Unterlassungsanspruch die prozessuale Durchsetzbarkeit.18 Eine (gerichtliche) Titulierung ist nicht möglich. Auch § 10c SortSchG wird als „prozessuales Verbot der Rechtsverfolgung“ interpretiert.19 Denkbar sind schließlich Vollstreckungshindernisse (§ 888 III ZPO; § 120 III FamFG) oder Vollstreckungserschwernisse (§ 712 ZPO; § 120 II FamFG).20 Letztere Fälle berühren nur die zweite und dritte Stufe der Rechtsdurchsetzung (vgl. o. § 10 I). Die erste Stufe der Rechtsdurchsetzung, die Entstehung eines Anspruchs (o. § 5 II 2), bleibt davon unberührt. Gerade bei Dienstleistungsverpflichtungen wird dadurch das Freiheitsinteresse des Schuldners gewürdigt, ohne zugleich den Appellcharakter einer Verurteilung zur Leistung zu nehmen.21 Wird geleistet, besteht zudem ein Rechtsgrund. Der wirksame, wenn auch nicht einklagbare beziehungsweise vollstreckbare Anspruch kann auch als Sicherungsmittel dienen.22 Das materielle Recht ist auch in derartigen Situationen bedeutsam.23
3. Auswahl der Begrenzungsstufe Im Folgenden geht es darum, unter welchen Umständen welche Begrenzungsstufe zu wählen ist. 15 Hofmann, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 183, 195 f.; Sontis, Festschrift Larenz, S. 981, 985 („konkret bestimmte Macht [bleibt] intakt; nur ihre Wirkung in einer bestimmten Richtung wird gehemmt“). 16 Dazu o. § 9 I 4; nach verbreiteter Gegenauffassung soll aber namentlich im Schuldrecht nur der Anspruch, nicht die Pflicht erlöschen, dazu o. § 9 I 4. 17 MünchKomm/Roth, § 1353 Rn. 52. 18 Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 155; Köhler/Feddersen/Bornkamm, § 8 Rn. 4.3, mit abweichender Ansicht in Rn. 4.4. 19 Thole, ZZP 124 (2011), 403, 412 („fehlende ‚Klagbarkeit‘ im prozessrechtlichen Sinne“). 20 Osterrieth, GRUR 2009, 540, 543. 21 Riehm, S. 240; zur „Appellwirkung“ des § 1353 BGB MünchKomm/Roth, § 1353 Rn. 52. 22 Zöllner, AcP 190 (1990), 471, 476 f. 23 Zöllner, AcP 190 (1990), 471, 477.
I. Die Wahl der Stellschrauben
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a) Begrenzungsintensität
Blickt man auf die aufgezeigten Möglichkeiten, wie die Rechtsverwirklichung mit Blick auf die Rechtsfolge Unterlassen eingeschränkt werden kann, stellt man fest, dass der Unterschied zwischen den einzelnen Begrenzungsmöglichkeiten in der unterschiedlichen Begrenzungsintensität liegt.24 Auch wenn im Ergebnis jedwede Begrenzung faktisch einem Ausschluss der Rechtsfolge Unterlassen gleichkommen kann, ist gleichwohl klar, dass § 906 I BGB einen Unterlassungsanspruch generell ausschließt, während gemäß § 709 ZPO ein bestehender Unterlassungsanspruch lediglich unter erschwerten Voraussetzungen oder nach § 712 ZPO verzögert vollstreckt werden kann. Während eine generelle Absage an Unterlassungspflichten und korrespondierende Unterlassungsansprüche an dem einen Ende einer gedachten Skala zur Darstellung der Begrenzung der Rechtsfolge Unterlassung liegt, finden sich einzelfallabhängige Vollstreckungshindernisse (vgl. § 712 ZPO) an deren entgegengesetztem Ende. Einschränkungsmöglichkeiten gibt es auf der Skala in der Tat viele. Welche Stufe zur Begrenzung gewählt wird, hängt maßgeblich davon ab, mit welcher Intensität die Rechtsfolge Unterlassen begrenzt werden soll.25 Ist ein Ausschluss in einem ganz bestimmten Einzelfall erwünscht (beispielsweise eine singuläre Leistungserschwerung im Sinne von § 275 II BGB) oder bei einer Vielzahl typisierbarer Fälle gegenüber einer Vielzahl Dritter (z. B. die „Privatkopie“ nach § 53 UrhG)? Erscheint der Ausschluss als die Ausnahme oder die Regel? Soll die Rechtsverwirklichung mittels der Rechtsfolge Unterlassen dauerhaft (Verjährung) oder nur temporär ausgeschlossen beziehungsweise erschwert sein (z. B. lauterkeitsrechtliche Aufbrauchsfrist; § 712 ZPO)? Wird die Rechtsfolge Unterlassen als solche situationsabhängig für unpassend erachtet (§ 904 S. 1 BGB) oder werden nur verfahrensrechtliche Auswirkungen (etwa Verfahrenskosten einschließlich der Kosten einer Abmahnung) für unverhältnismäßig befunden? Besonders intensiv wirken Begrenzungen auf der ersten Stufe der Rechtsdurchsetzung. Ohne Unterlassungsanspruch ist eine Rechtsverwirklichung mittels der Rechtsfolge Unterlassen nicht möglich. Wird lediglich die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs auf zweiter oder gar dritter Stufe 24
Dazu auch Hofmann, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 183, 190 ff. zwischen der Begrenzung des Schutzbereichs und Schranken sollen sich in der Beweislast äußern (vgl. für § 905 BGB Palandt/Herrler, § 905 Rn. 2); auch wenn „Begrenzungen des Schutzbereichs, Schranken und die mit einem Lizenzierungszwang gekoppelte Verwertungspflichtigkeit ausschließlicher Rechte weitgehend funktional äquivalent“ erscheinen, finden sich praktische Unterschiede, z. B. bei der Frage, ob eine Verwertungsgesellschaft beteiligt ist oder bestimmte Vorschriften greifen, z. B. § 95a ff. UrhG, Rehbinder/Peukert, § 30 Rn. 598; andere sehen Schutzbereichsbestimmungen und Schranken untrennbar verwoben, Geiger, GRUR Int. 2008, 459, 461 f.; mit Blick auf § 44a UrhG auch Stieper, S. 132 f.; ob eine externe Begrenzung erfolgt oder bereits dem Stammrecht immanent ist (Immanenztheorie), soll im Ergebnis ebenfalls unerheblich sein, vgl. Georgiades, Festschrift Sontis, S. 149, 153; s. a. Schack, ZUM 2016, 266, 282. 25 Unterschiede
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begrenzt, kann der Berechtigte zumindest darauf spekulieren, dass der (auch im strengen Sinne) Verpflichtete seiner konkreten Unterlassungspflicht ohne staatlichen Zwang nachkommt. Praktisch ist dies häufig der Fall. Insgesamt lässt sich vor allem festhalten, dass eine einzelfallabhängige Begrenzung tendenziell dann zu wählen ist, wenn sich „Schwarz-Weiß-Lösungen“ verbieten. Pauschalaussagen sind gleichwohl schwer zu treffen. Selbst § 712 ZPO kann in langwierigen Verfahren in dynamischen Märkten (z. B. im Bereich von Softwarepatenten) durchaus wie ein Ausschluss der Rechtsfolge Unterlassen auf erster Stufe wirken, auch wenn die Norm auf die Umstände des Einzelfalls zugeschnitten ist. b) Begrenzungskompetenz
Die unterschiedlich intensiv wirkenden Begrenzungen wirken sich vor allem darauf aus, wer zur Wahl der einschlägigen Stellschraube kompetent ist.26 Dreier spricht sich dafür aus, die Frage der Angemessenheit des Ob und des Wie der Gewährung ausschließlicher Rechte einzig und allein als Frage der Rechtszuweisung und nicht als Frage des Zuspruchs von Rechtsfolgen zu behandeln. Dies soll schon aus Gründen der Kompetenz der Fall sein. Würde man Rechte modifiziert durchsetzen, käme es zu einer Kompetenzverlagerung von der Legislative auf die Judikative.27 Dreier zielt damit auf die Ausgestaltung von Stammrechten ab. In dieser Arbeit wurde aber gerade deutlich, dass ein Verständnis der Privatrechtsordnung als Rechtsbehelfssystem eine weitere Differenzierungsmöglichkeit zur interessengerechten Ausgestaltung des Privatrechts bietet. Nicht nur die Ebene der Rechtszuweisung (mittels Stammrechten), sondern auch die Ebene der Durchsetzung dieser Rechte (mittels Rechtsfolgenrechten) kann helfen, die Rechte Privater bestmöglich zu balancieren.28 Die Frage nach der Begrenzung von Rechtsfolgen und wer dafür zuständig ist, bleibt dennoch berechtigt.29 An anderer Stelle räumt aber 26 Sontis, Festschrift Larenz, S. 981, 986 f.; („Die Beschränkungen der ersten Gattung (Duldungs- und Unterlassungspflichten) kraft spezieller privat- oder öffentlich-rechtlicher Vorschriften sind Beschränkungen aus dem Bereich des technisch geformten Rechts, während diejenigen, die auf der Klausel über die unzulässige Ausübung beruhen und ergänzend auch auf das Eigentum Anwendung finden, dem auszuwählenden Recht angehören […]. Beide Gattungen ergeben sich aus dem Postulat der Findung des richtigen Rechts in Bezug auf die Begrenzung des Eigentums, nur wird die Erfüllung dieses Postulats bei der ersten Gattung vom Gesetzgeber selbst übernommen, bei der zweiten dagegen dem Richter überlassen.“); vgl. auch Fischman Afori, Cardozo Ent. L. J. (2011), 1, 45 f., für das common law; zur Kompetenzfrage bei der Schaffung von Ausschließlichkeitsrechten Peukert, Güterzuordnung, S. 766 ff. 27 Dreier, S. 415 (Fn. 5); vgl. für die Helmpflicht von Fahrradfahrern BGH NJW 2014, 2493 Rn. 14. 28 Dazu o. § 5 I d). 29 Vor allem wenn man Rechtsfolgenregelungen als Zuweisungsentscheidungen ana-
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auch Dreier ein, dass der Richter berufen ist, wenn es um die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme für den Einzelfall geht.30 Dies folgt schon aus der Natur der Sache. In der Tat kann der Gesetzgeber dort nicht eingreifen, wo sich eine typisierende Betrachtung verbietet. Wenn auch die Verwirklichung eines Stammrechts mittels eines Unterlassungsanspruchs regelmäßig gerechtfertigt erscheint, kann es in einem atypischen Sonderfall unangemessen sein, einen Dritten mit einer konkreten Unterlassungspflicht zu belasten. Der Unterlassungsanspruch kann die ihm eigentlich obliegende Aufgabe bisweilen nicht erfüllen (o. § 8). Hier muss der Richter „entscheiden“, ob er aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls von einem Unterlassungsanspruch absieht. Präziser formuliert ist es freilich nicht der Richter, sondern die Rechtsordnung, die den Zuspruch des Unterlassungsanspruchs aufgrund einer Interessenabwägung (und gerade nicht wegen Ermessenserwägungen eines Richters) verwehrt.31 Dem Richter obliegt es lediglich, den atypischen, von der Regel abweichenden Einzelfall „festzustellen“. Lässt sich die Interessenlage aber mit Blick auf bestimmte Fallkonstellationen typisieren, ist der Gesetzgeber gefragt. Ob gegenüber Privaten das Vervielfältigungsrecht des Urhebers nicht mit einem Unterlassungsanspruch verteidigt werden kann, ist einer abstrakten legislativen Entscheidung zugänglich. Hätte sich der Gesetzgeber (entgegen besserer ökonomischer Einsichten) für einen Unterlassungsanspruch entschieden, könnte sich der Richter darüber nicht hinwegsetzen. Die Übergänge können hier natürlich fließend sein. Klar ist aber – und dies ist eine der zentralen Thesen dieser Arbeit –, dass eine differenzierte Rechtsdurchsetzung dem geltenden Privatrechtssystem durchaus immanent ist (dazu ausführlich o. § 5 IV). Gewährt der Richter im begründeten Einzelfall die Rechtsfolge Unterlassen im Ergebnis nicht – indem er die Durchsetzbarkeit eines Unterlassungsanspruchs über § 242 BGB ausschließt, ein Tatbestandsmerkmal wie die Begehungsgefahr restriktiv auslegt oder prozessual ein Vollstreckungshindernis ausmacht –, ist dies durchweg systemimmanent (u. § 11 II).
4. Fazit Die Übergänge der Stellschrauben, durch die die Rechtsdurchsetzung modifiziert werden kann, sind fließend. Bereits über die Vorfrage, ob es sich um eine Begrenzung des Stammrechts oder um eine Einschränkung der Rechtsdurchsetzung handelt, kann man diskutieren. Zwar lässt sich theoretisch abgrenzen, ob eine Handlung in allen Facetten im Ergebnis erlaubt ist oder lysiert (“distributive analysis of proprietary remedies”), Evans, 23 Syd. L. R. (2001), 463, 464, 476 ff., 479. 30 Dreier, S. 459. 31 Vgl. o. § 1 III; § 3 III, IV; § 5 I 3.
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§ 11 Die Grenzen der Rechtsfolge Unterlassen
zumindest in einzelnen Bezügen eine Rechtsverletzung begründen kann. Im ersteren Fall handelt es sich um eine Begrenzung des Stammrechts (z. B. Recht am Bild der eigenen Sache), im letzteren um eine Frage differenzierter Rechtsdurchsetzung (z. B. § 51 UrhG i. V. m. § 62 UrhG). Eine gewisse Austauschbarkeit ist allerdings nicht zu leugnen.32 So wurde überlegt, § 44a UrhG bereits von vorneherein als Begrenzung des Vervielfältigungsrechts auszugestalten.33 Erwähnt wurde auch, dass die Zulässigkeit privater Handlungen im Patentrecht über eine „Schranke“(§ 11 Nr. 1 PatG), im Markenrecht über den Schutzbereich des Rechts (§ 14 II MarkenG), gelöst wird. Ähnlich ist die Situation bei der Rechtsdurchsetzung. Ein theoretisch klares Konzept, wann welche Stufe zu wählen ist, lässt sich auf Basis des geltenden Rechts nicht formulieren. Man muss sich mit Tendenzen begnügen. Je stärker die Einschränkung sein soll und je abstrakter sich die Fallgruppen beschreiben lassen, desto mehr spricht dafür, bereits die Rechtsfolge Unterlassen (respektive das Bestehen einer konkreten Unterlassungspflicht) durch den Gesetzgeber generell auszuschließen (z. B. § 53 I UrhG). Ist ein Ausschluss nur im atypischen Einzelfall geboten, ist dies eher der Richterin auf Basis einer Interessenabwägung aufgegeben. Mit Hilfe von Generalklauseln wie § 275 II BGB oder § 242 BGB kann sie die im Grundsatz zu gewährende Rechtsfolge Unterlassen ausnahmsweise ausschließen. Wird die Rechtsfolge Unterlassen selbst in einem solchen Fall für richtig gehalten, kann dennoch bei der verfahrensrechtlichen Durchsetzung Zurückhaltung geboten sein. Zwar will die Rechtsordnung die Rechtsfolge Unterlassen gewähren; eine Durchsetzung mit aller Macht ist aber nicht angezeigt (Beispiel: § 712 ZPO). Auch wenn sich dazwischen viele weitere Nuancen finden, plädiert diese Arbeit entscheidend dafür, sämtliche Begrenzungen als Rechtsfolgenproblematik zu adressieren. Diese Fragen analytisch als eigenständigen Problemkreis zu sehen, kann den Blick für die interessengerechte Ausgestaltung der Rechtsordnung schärfen (dazu insbesondere o. § 5 I 4 d)).
II. Rechtsfolgendifferenzierung als Rechtsprinzip Hinter diesen dogmatischen Stellschrauben steckt übergreifend die materielle Wertung, dass Rechte differenziert verwirklicht werden. Nicht jeder Eingriff in eine fremde Rechtssphäre, also nicht jeder Widerspruch zu einem Stammrecht, ermöglicht dessen Verteidigung mit dem gesamten Rechtsfolgenarsenal. Die Untersuchung hat ergeben, dass es de lege lata angelegt ist, dass Rechte durchaus differenziert verwirklicht werden (o. § 5 IV). Wird das geltende Privatrecht aus dem Blickwinkel eines Rechtsbehelfssystems betrachtet, kurzum zwischen 32
Hofmann, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 183, 195 f. Stieper, S. 132 f.; Schack, ZUM 2016, 266, 282.
33 Vgl.
II. Rechtsfolgendifferenzierung als Rechtsprinzip
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Stammrechten und Rechtsfolgenrechten getrennt, wird deutlich, dass in einer Vielzahl von Fällen mit unterschiedlichen dogmatischen Konstruktionen im Ergebnis eine Begrenzung oder ein Ausschluss einzelner Ansprüche erzielt wird. Was auf den ersten Blick unterschiedliche Problemkreise zu betreffen scheint – erinnert sei an Duldungspflichten, „Schranken“ oder den Ausschluss der Klagbarkeit unselbständiger Unterlassungsansprüche etc. –, lässt sich unter dem Oberbegriff der Rechtsdurchsetzung zusammenführen. Durch diese fokussierte Betrachtungsweise wird deutlich, dass sich die unterschiedlichen Begrenzungen der Rechtsdurchsetzung (oder in der hier verwendeten Terminologie: Einschränkungen mit Blick auf Rechtsfolgenrechte) letztlich auf ein allgemeines Prinzip der Rechtsfolgendifferenzierung zurückführen lassen.34 Dass Rechtsfolgenrechte situationsabhängigen Einschränkungen unterliegen, ist sachlich richtig. Auch wenn es eine Regelrechtsfolge gibt (default remedy – der Naturalerfüllungsanspruch im Kaufrecht; der Unterlassungsanspruch beim Sacheigentum), kann diese in bestimmten Konstellationen die ihr zugedachten Aufgaben nicht erfüllen; die entsprechende Rechtsfolge ist dann unangemessen. Das hat in dieser Arbeit speziell die Analyse der Funktionen des Unterlassungsanspruchs gezeigt (o. § 8). Es bedarf einer differenzierten Betrachtung. Ob eine bestimmte Rechtsfolge „richtig“ ist, ist Frage einer eigenständigen Rechtfertigung. Das durch die Interpretation des Anspruchssystems als Rechtsbehelfssystem sichtbar werdende und durch die Funktionsanalyse rechtfertigbare Prinzip der Rechtsfolgendifferenzierung äußert sich erstens darin, dass in bestimmten typisierbaren Fallgruppen bestimmte Rechtsfolgen zugunsten anderer mittels ausdrücklicher Anordnung durch den Gesetzgeber ersetzt werden. Paradebeispiel ist der Ausschluss des Unterlassungsanspruchs bei gleichzeitiger Ersetzung durch einen Vergütungsanspruch.35 Gerade wenn man „Schrankenregelungen“ analytisch der Rechtsdurchsetzung zurechnet, wird unterstrichen, dass Rechte situationsbedingt differenziert durchgesetzt werden.36 Zweitens materialisiert sich dieses Prinzip in Regelungen, die Rechtsfolgenrechte durch generalklauselartige Tatbestände beschränken. Normen wie insbesondere § 275 II BGB ermöglichen den Ausschluss einer bestimmten Rechtsfolge aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls; es bedarf einer Interessenabwägung. Auch ohne ausdrückliche Rechtsgrundlage können drittens im Einzelfall bestimmte Rechtsfolgenrechte gestützt 34 Vgl. ähnlich Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 796, mit Blick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip als allgemeinen Grundatz; vgl. Osterrieth, Festschrift 80 Jahre Patentgerichtsbarkeit, S. 415, 416 ff.; dazu s. a. o. § 5 IV 2 a). 35 Dazu o. § 5 IV 2 a); s. a. o. § 5 I 4. 36 Vgl. Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 796; ein Verhältnismäßigkeitsprinzip als allgemeinen Grundsatz destilliert er aus „Schrankenregelungen“ wie § 912 I BGB oder § 906 II BGB sowie aus Normen, die Ansprüche begrenzen (§§ 275 II, 251 II S. 1 BGB).
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§ 11 Die Grenzen der Rechtsfolge Unterlassen
direkt auf ein Rechtsprinzip der Rechtsfolgendifferenzierung versagt werden. Tatsächlich finden sich in der Rechtspraxis Anwendungsfälle des Grundsatzes der Rechtsfolgendifferenzierung jenseits spezifischer Regelungen. Wenn die Rechtsprechung wettbewerbsrechtliche Aufbrauchsfristen auf Basis von § 242 BGB gewährt, also den Unterlassungsanspruch bei gleichzeitiger Gewährung von Schadensersatzansprüchen zeitweise verweigert,37 wird in der Sache vom Grundsatz der Rechtsfolgendifferenzierung Gebrauch gemacht. Es liegt kein systemwidriger Ausnahmefall vor; vielmehr wird systemkonform eine interessengerechte Rechtsdurchsetzung sichergestellt. Der Grundsatz der Rechtsfolgendifferenzierung ist im Übrigen nicht nur de lege lata angelegt, sondern auch rechtsvergleichend begründbar (o. § 1 III). Es wurde herausgearbeitet, dass im „remedy-System“ insbesondere equitable remedies nicht ohne Weiteres gewährt werden. Namentlich über damages in lieu of an injunction wird eine interessengerechte Rechtsdurchsetzung ermöglicht. Statt einen Unterlassungsanspruch zuzusprechen, wird der Berechtigte auf eine Entschädigung verwiesen. Gerade das Zusammenspiel unterschiedlicher Rechtsfolgen ist dabei bemerkenswert. Ein entsprechender Trend konnte auch im Unionsrecht festgestellt werden. Vor allem die Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung scheint mit Blick auf Unterlassungsansprüche die Grundsätze der equity in Gesetzesform zu gießen (Art. 12, 13). Aber auch Ausschließlichkeitsrechte sollen nicht stets mit „Unterlassungsansprüchen“ durchsetzbar sein (o. § 3 III). Jenseits nicht stets zu gewährender genuin „unionsrechtlicher Unterlassungsanordnungen“ und entsprechender Richtlinienvorgaben schafft dies mittelbaren Harmonisierungsdruck (o. § 5 I 4 a)). Obwohl der Gedanke der Rechtsfolgendifferenzierung jeweils unter dem Schlagwort „richterliches Ermessen“ (discretion) verortet wird, wurde demgegenüber argumentiert, dass es hierbei eher um tatbestandliche Interessenabwägungen als um richterliche Ermessensentscheidungen geht (o. § 1 III 2; § 3 III, IV, § 5 I 3; § 11 I 3 b)). Gerade dies lässt sich für das Anspruchssystem fruchtbar machen.38 Das Prinzip der Rechtsfolgendifferenzierung schafft also Raum für Interessenabwägungen, nicht für freie richterliche Entscheidungen. Die Entscheidung des Richters ist nicht nur materiellrechtlich vorgezeichnet, sondern auch uneingeschränkt justiziabel. Erscheint speziell die Rechtsfolge Unterlassen im Einzelfall ungeeignet, kann der Ausschluss dann aber nach hier begründeter Ansicht auch ohne ausdrückliche Regelung auf das Prinzip der Rechtsfolgendifferenzierung gestützt werden. Einer ausdrücklichen gesetzgeberischen Ausgestaltung des Unterlassungsanspruchs als equitable remedy 37 38
Dazu o. § 5 IV 4 a). Bereits o. § 5 I 3.
III. Anwendungsfälle de lege lata und de lege ferenda
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bedarf es nicht (zumal dies zu dem Missverständnis führen könnte, dass der Unterlassungsanspruch mehr Ausnahme denn Regel ist)39. Liest man das Anspruchssystem durch die Brille des Rechtsbehelfsystems, treten immanente Beschränkungen von Rechtsfolgenrechten einschließlich Unterlassungsansprüchen ohnehin so zu Tage.
III. Anwendungsfälle de lege lata und de lege ferenda Mit diesen Vorüberlegungen können die zuvor herausgearbeiteten Hauptbegrenzungsstufen im Lichte des Prinzips der Rechtsfolgendifferenzierung exemplarisch veranschaulicht werden. Der generelle Ausschluss des Unterlassungsanspruchs wird am Beispiel einer Schranke für kreatives Schaffen im Urheberrecht demonstriert (1.). Der Ausschluss des Unterlassungsanspruchs im Vertragsrecht über § 275 II BGB im atypischen Einzelfall sollte de lege ferenda nur gegen Zahlung einer verschuldensunabhängigen Ablösegebühr möglich sein; Patentverletzungen in komplexen Erzeugnissen können bereits de lege lata in Härtefällen temporär nicht mit der Rechtsfolge Unterlassen verfolgt werden. Dass im Einzelfall eine Substituierung des Unterlassungsanspruchs durch einen Zahlungsanspruch systemkonform ist, wird zudem anhand des Nachbarrechts gezeigt (2.). Bagatellverstößen im Lauterkeitsrecht sollten, sofern sie nicht schwerwiegend sind, verfahrensrechtliche Erschwernisse gegenüberstehen (3.). Hier ist selbstredend nicht der Raum, die Fallkonstellationen umfassend zu erörtern. Zu zeigen ist einzig, dass die unterschiedlichen Konstellationen allesamt unter dem Problemkreis der Rechtsdurchsetzung diskutiert werden können, während zugleich der Ausschluss namentlich des Unterlassungsanspruchs keine dem Privatrechtsystem – interpretiert als Rechtsbehelfssystem – systemwidrige Ausnahme darstellt.
1. Genereller Ausschluss der Rechtsfolge Unterlassen (Beispiel: Schranke für kreatives Schaffen) Die Zuweisung des ausschließlichen Verwertungsrechts zugunsten des Urhebers an seinem Werk, namentlich des Vervielfältigungs- und Bearbeitungsrechts, lässt sich gut begründen.40 Allerdings ist nicht jede Verwertungshandlung zu verbieten. Entgegenstehende höher zu gewichtende Allgemeininteressen oder grundrechtlich geschützte Belange wie die Meinungs- und Kunstfreiheit
39 Vgl. aber o. § 1 III 2; auch die Verfügbarkeit von equitable remedies ist praktisch freilich mehr Regel denn Ausnahme. 40 Nur Leistner/Hansen, GRUR 2008, 479 ff.
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§ 11 Die Grenzen der Rechtsfolge Unterlassen
verlangen nach Einschränkungen in bestimmten Konstellationen.41 Zurzeit wird diskutiert, ob für kreatives Schaffen eine „Schranke“ erforderlich ist.42 Die Durchsetzung des Bearbeitungsrechts über den Unterlassungsanspruch könnte über das Ziel hinausschießen. Statt kulturelles Schaffen zu fördern, kann es behindert werden, während der Primärmarkt für die Verwertung des bearbeiteten Werkes nicht zwingend genommen wird. Der Sinn des Urheberrechts wird womöglich auf den Kopf gestellt; es droht Überprävention.43 Verhandlungslösungen erscheinen wegen des Massencharakters und der nicht selten fehlenden Verhandlungsbereitschaft fragwürdig.44 Während in diesem Beispiel eine Begrenzung der Verwertungsrechte als solche nicht begründbar ist, lassen sich Modifikationen bei der Rechtsdurchsetzung beispielsweise für den Fall der Parodie (vgl. auch Art. 5 III lit. k InfoSoc-RL) oder auch für nicht kommerzielle kreative Werkveränderungen rechtfertigen. Auch wenn diese Vermutungen hier aus Raumgründen nicht vertieft werden können und genauso wenig hier Details zu den konkreten Voraussetzungen einer solchen „Schranke“ zu entwickeln sind,45 sind wenige Bemerkungen aus der Perspektive der Rechtsdurchsetzung angezeigt. Wann Parodien etc. im Ergebnis keinen Unterlassungsanspruch auslösen sollen, lässt sich abstrakt sagen. Es kommt nicht auf eine Abwägung im atypischen Einzelfall an, sondern es lässt sich eine abstrakt umschreibbare Fallgruppe definieren. Daraus folgt zweierlei: Erstens ist der (europäische) Gesetzgeber berufen, über die Begrenzung der Durchsetzung zu entscheiden. Zweitens rechtfertigt die Möglichkeit zur Verallgemeinerung einen generellen Ausschluss des Unterlassungsanspruchs – freilich unter der Voraussetzung, dass ein Unterlassungsanspruch die ihm zugedachten Funktionen tatsächlich nicht zu erfüllen vermag. Während die Zuweisung des Stammrechts (§ 15 I, II UrhG) auch vor dem Hintergrund kreativen Folgeschaffens gerechtfertigt werden kann, stößt die Durchsetzung des Stammrechts mit einem Unterlassungsanspruch in derartigen Fällen auf Bedenken. Vorliegende Arbeit lehrt, dass die Durchsetzung des Stammrechts durchaus modifiziert erfolgen kann. Im Rechtsbehelfsmodell ist es gerade nicht systemwidrig, die Durchsetzung mittels bestimmter Rechtsfolgenrechte zu versagen. Im Gegenteil: Nicht nur die Rechtszuweisung, sondern gerade auch die Rechtsdurchsetzung muss sich eigenständig rechtfertigen lassen.46 Verweisen auf Art. 14 GG beziehungsweise Art. 17 II EU-Grundrechtecharta 41 Nur
Schack, UrhR, § 15 Rn. 511 ff. Spindler, NJW 2014, 2550, 2552; Ohly, Gutachten Juristentag, F 87 ff.; Dreier/Leistner, GRUR-Beil. 2014, 13, 15 f.; Krusemack, S. 382; Haedicke, Patente und Piraten, S. 44 ff. 43 Dazu o. § 8 IV. 44 Zur fehlenden Verwertungsbereitschaft o. § 8 III 3 a). 45 Auch eine Analyse, inwieweit § 24 UrhG Fallgestaltungen bereits hinreichend abdeckt, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, dazu vgl. Ohly, Gutachten Juristentag, F 87 ff.; kritisch mit Blick auf die Parodie Ungern-Sternberg, GRUR 2015, 533 ff. 46 Dazu o. § 5 I 4 d). 42
III. Anwendungsfälle de lege lata und de lege ferenda
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ist daher mit Zurückhaltung zu begegnen. Auch wenn ein Eingriff in das Urheberrecht vorliegt (§ 23 UrhG), also gerade kein Fall der freien Benutzung nach § 24 UrhG gegeben ist, spricht einiges dafür, bestimmte kreative Nutzungen zu privilegieren. Im Sinne einer differenzierten Rechtsdurchsetzung wäre dann auch zu überlegen, ob ein Vergütungsanspruch an Stelle des Unterlassungsanspruchs gewährt werden soll. Ein solcher kann sich rechtfertigen lassen, auch wenn der Urheber nicht die Möglichkeit haben soll, unmittelbar gegen die gewünschte Nutzung vorzugehen.
2. Ausschluss der Rechtsfolge Unterlassen im Einzelfall mittels Interessenabwägungen Eine der wesentlichen Erkenntnisse dieser Arbeit ist es, dass wertungsmäßig der Unterlassungsanspruch im atypischen Einzelfall mitunter nicht die passende Rechtsfolge ist, während dogmatisch ein Ausschluss der Rechtsfolge Unterlassen durchaus systemimmanent ist. Wenn es dann zu einer Interessenabwägung im Einzelfall kommt, ist dies systemkonform. Die Anwendung des dahinter stehenden Rechtsprinzips der Rechtsfolgendifferenzierung konkret zu illustrieren, sind die folgenden Beispiele bestimmt. a) Unterlassungsansprüche zur Verwirklichung vertraglicher Stammrechte (Beispiel: Verschuldensunabhängige Ablösegebühr)
Dem Grundsatz nach ist der Unterlassungsanspruch am besten geeignet, ein negatives vertragliches Stammrecht zu verwirklichen. Auch wenn dies formal nicht mit dem „selbstverständlichen“ Erfüllungsanspruch gerechtfertigt werden kann, sprechen inhaltlich viele Gründe dafür, dem Naturalerfüllungsanspruch beziehungsweise konkret dem Rechtsbehelf Unterlassen Vorrang einzuräumen.47 Neben deontologischen Argumenten finden sich auch ökonomische Rechtfertigungen. Mit Blick auf letztere ist überzeugend, dass gerade bei negativen vertraglichen Stammrechten gute Chancen bestehen, eine Änderung der Präferenzen der Beteiligten über Verhandlungen auszugleichen. Die Parteien können im Zwei-Personen-Verhältnis besonders gut einschätzen, was ihnen die Aufgabe der Verpflichtung wert ist.48 Hat sich ein Arzt in einem Mietvertrag verpflichtet, einer anderen Arztpraxis bei Röntgendienstleistungen keine Konkurrenz zu machen, mag sich das Interesse des Gläubigers an der Einhaltung verändern, wenn dieser seinen gewachsenen Patientenstamm nicht mehr allein bedienen kann. Auch wenn sich der Schuldner womöglich erst ein Röntgengerät beschaffen muss, sollte es den Parteien 47 48
Riehm, S. 190 ff.; Weller, S. 316 ff.; dazu näher o. § 8 III 2. Vgl. auch Riehm, S. 52.
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§ 11 Die Grenzen der Rechtsfolge Unterlassen
regelmäßig auf Basis ihrer eigenen Präferenzbewertungen gelingen, sich auf eine Ablösung des Unterlassungsanspruchs zu einigen. Allerdings wird aus ökonomischer Sicht auch darauf hingewiesen, dass im Vertragsrecht eine liability rule ausnahmsweise vorzugswürdig sein kann. Auch wenn im Grundsatz gilt, dass die Parteien am besten in der Lage sind, geänderten Wertvorstellungen durch entsprechende Verhandlungen Rechnung zu tragen, kann es Situationen geben, in denen eine Einigung beispielsweise am strategischen Verhalten des Gläubigers scheitert.49 In einer solchen Situation wäre es gerechtfertigt, statt eines Unterlassungsanspruchs einen Ersatzanspruch zu gewähren. Dies setzt voraus, dass es offenkundig ist, dass die Nicht-Ablösung ineffizient ist.50 Eine Regelung, die dem Schuldner in der Sache „Erfüllung in Natur“ verweigert, kann daher nur ausnahmsweise greifen. Zu bedenken ist auch, dass bereits diese Möglichkeit im positiven wie im negativen Sinne Rückwirkungen auf die Verhandlungsführung haben kann.51 Es bedarf in jedem Falle einer generalklauselartigen Formulierung wie insbesondere in § 313 BGB oder § 275 II BGB.52 Dogmatisch könnte selbst § 242 BGB (gestützt auf den allgemeinen Grundsatz, dass in einem Rechtsbehelfsmodell Ansprüche punktuell ausgeschlossen sein können) bemüht werden. Da es dann aber geboten ist, eine konkrete Verpflichtung des Schuldners auszuschließen, würde eine Lösung über das Prozessrecht zu kurz greifen. Anders als bei der Vereinbarung persönlicher Dienstleistungen, deren Durchführung zwar nicht in letzter Konsequenz erzwungen werden soll (vgl. § 888 III ZPO), die der Schuldner aber nach dem Willen der Rechtsordnung leisten soll, will die Rechtsordnung in den hier im Raum stehenden Konstellationen, dass der Schuldner gerade nicht leistet respektive unterlässt. Es ist dann sachgerecht, bereits den Unterlassungsanspruch trotz seiner grundsätzlichen Verfügbarkeit im Einzelfall nicht zu gewähren. Problematisch ist allerdings, dass dem Schuldner anstelle des Unterlassungsanspruchs nicht zwingend ein Alternativanspruch zur Seite steht.53 Der Anspruch auf Schadensersatz insbesondere aus §§ 275 IV, 280 I, III, 283 BGB ist verschuldensabhängig. Während im anglo-amerikanischen Recht der Ausschluss von specific performance stets zu einem durchsetzbaren Schadensersatzanspruch führt,54 kann der Gläubiger im deutschen Recht in letzter Konsequenz leer ausgehen. Es wird unter Umständen ein „Ausstieg aus dem
49 Vgl.
Riehm, S. 186 (“hold-up”); s. o. § 8 III 3. Riehm, S. 211 ff. 51 Vgl. für Vertragsvorbehalte bei urheberrechtlichen „Schranken“ Ohly, Festschrift 50 Jahre UrhG, S. 379, 386 f.; auch § 275 II BGB ist letztlich eine „Schranke“. 52 Vgl. Maultzsch, AcP 207 (2007), 530, 557; Unberath, S. 279 f. 53 S. a. Riehm, S. 347 ff. 54 Dazu o. § 1 III. 50 Vgl.
III. Anwendungsfälle de lege lata und de lege ferenda
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Vertrag gegen eine Abstandszahlung von ‚Null‘“ ermöglicht.55 Gerade bei veränderten Umständen bei vertraglichen Unterlassungsvereinbarungen dürfte dies sogar eher die Regel als die Ausnahme sein. Anknüpfungspunkt für das „Vertretenmüssen“ ist schließlich die Herbeiführung des Leistungshindernisses.56 Mit Blick auf einen Ausschluss des negatorischen Beseitigungsanspruchs über § 275 II BGB macht Gsell in diesem Sinne als Problem aus, dass dem kein verschuldensunabhängiger Entschädigungsanspruch gegenübersteht.57 Unberath fragt ähnlich, ob das Leistungsverweigerungsrecht aus § 275 II BGB nicht mit einer „verschuldensunabhängige[n] Entschädigungspflicht des Schuldners“ korrelieren sollte, die „sowohl im Hinblick auf den mutmaßlichen Parteiwillen als auch auf den Notstandsgedanken nahe [läge]“.58 Auf die fehlende Entschädigung nach dem Vorbild des § 251 II S. 1 BGB macht auch Lobinger aufmerksam.59 Das Reichsgericht hat entsprechend zum Eigentumsrecht gesehen, dass eine verschuldensunabhängige Eingriffserlaubnis auch einen verschuldensunabhängigen Ablöseanspruch nach sich ziehen muss.60 Einer vergleichbaren Lösung bedarf es im Vertragsrecht. Wird der Unterlassungsanspruch ausgeschlossen, weil er im Einzelfall als nicht sachgerecht empfunden wird, hat jedenfalls de lege ferenda ein verschuldensunabhängig gewährter Entschädigungs- oder Vergütungsanspruch an seine Stelle zu treten. Dass Verhandlungsergebnisse nachgezeichnet werden sollen,61 spricht für eine solche Ausgleichszahlung. Von der Risikoverteilung her liegt es ebenfalls näher, dass der Schuldner und nicht der Gläubiger dieses Risiko zu tragen hat.62 Riehm verweist auf § 285 BGB.63 Er will in den Fällen des § 275 II BGB einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Herausgabe der infolge der Leistungsbefreiung ersparten „normalen“ Aufwendungen über § 285 BGB zusprechen. Die „gewöhnlichen“ Erfüllungskosten könnten als ersparte Aufwendungen herauszugeben sein, wenn der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen ist.64 Es wäre alternativ auch denkbar, dass der Unterlassungsanspruch bestehen bleibt – allerdings nur gegen Zahlung einer Entschädigung. Der Gedanke einer solchen reverse liability rule könnte freilich bereits de lege lata als Faktor 55
Eidenmüller, JZ 2005, 216, 222. Medicus/Lorenz, SR AT, § 35 Rn. 447. 57 Gsell, LMK 2008, 266937; vgl. BGH NJW-RR 2010, 315 Rn. 15; Katzenstein, JZ 2010, 633, 634 f.; Kolbe, NJW 2008, 3618, 3619, 3620; Korth, ZJS 2008, 647, 656 f.; Canaris, JZ 2004, 214, 224 (Fn. 109); MünchKomm/Baldus, § 1004 Rn. 242; Kappus, Jura 1990, 126, 131, 132 f.; s. a. o. § 5 IV 2 c). 58 Unberath, S. 281 (ohne Fußnoten); de lege lata sei eine solche aber nicht zu begründen, a. a. O.; s. a. Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 155 („willkürlich“). 59 Lobinger, S. 61 f. 60 RGZ 58, 130, 131 ff., 134 f. 61 Eidenmüller, JZ 2005, 216, 222. 62 Vgl. Eidenmüller, JZ 2005, 216, 222 (§ 275 ist „schuldnerfreundlich“). 63 Riehm, S. 347 ff. 64 Riehm, S. 350, 424. 56
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§ 11 Die Grenzen der Rechtsfolge Unterlassen
in die Abwägung von § 275 II BGB einfließen,65 erst recht, wenn man diese Norm als spezielle Ausprägung des Grundsatzes der Rechtsfolgendifferenzierung interpretiert. Wird die Zahlung angeboten, ist die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs nicht (mehr) unverhältnismäßig. Die vorliegende Arbeit lehrt einerseits, dass der Ausschluss eines Anspruchs zwar systemkonform ist, andererseits aber auch, dass die Verwirklichung des Rechts dann anderweitig zu besorgen ist. Alternativrechtsfolgen dürfen nicht aus dem Blick geraten. So mag eine bestimmte Art und Weise der Rechtsverwirklichung problematisch sein, nicht jedoch die Durchsetzung des Rechts schlechthin. b) Unterlassungsansprüche zur Verwirklichung durch absolute Rechte vermittelte Stammrechte (Beispiel: Patente in komplexen Erzeugnissen)
Diskutiert wird im Patentrecht der Fall, dass in einem komplexen Erzeugnis eine Vielzahl von Patenten zu finden ist.66 Es besteht nun das Problem, dass eine Verletzung eines einzelnen Patents wegen der unübersichtlichen Patentlage praktisch letztlich nicht zu verhindern ist.67 Macht der Patentinhaber seinen Unterlassungsanspruch geltend, kommt dies einem Vertriebsstopp gleich. Es wurde bereits herausgearbeitet, dass in einem solchen Fall nicht nur die Gefahr der Überprävention besteht, sondern auch eine marktmäßige Transaktion häufig scheitert.68 Lösungsvorschläge gibt es dafür gleichwohl viele: Im Ausgangspunkt wird die dürftige Qualität von Patenten verantwortlich gemacht.69 Überlegenswert sei auch die Einführung einer Schranke, die spezifisch auf das Problem von Patenten in komplexen Erzeugnissen zugeschnitten ist, wobei natürlich zu bedenken ist, dass das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet wird.70 Gleiches gilt für den Zwangslizenzeinwand nach § 24 PatG, der de lege lata allerdings daran scheitert, dass es am Allgemeininteresse fehlen dürfte und zudem eine vorherige Anfrage in der hier interessierenden Fallgruppe meist nicht vorliegt.71 Während die einen externe Schranken, namentlich kartell- und lauterkeitsrechtliche Einwände, bemühen,72 setzen andere auf den Gedan65 Vgl.
Canaris, JZ 2001, 499, 503. Schickedanz, GRUR Int. 2009, 901 ff.; Heusch, Festschrift Meibom, S. 135, 145; Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 791 („Patentdickicht“); Osterrieth, Festschrift Fezer, S. 1035 ff.; ders., Festschirft 80 Jahre Patentgerichtsbarkeit, S. 415 ff.; ders., GRUR 2009, 540, 544. 67 Schickedanz, GRUR Int. 2009, 901, 902 f.; Sonnenberg, S. 10 ff.; vgl. selbst BT-Ds. 11/4792, A. IV. 3, S. 18. 68 Dazu o. § 8 IV 2 b); vgl. auch Überblick bei Sonnenberg, S. 9 ff. 69 Vgl. Ann, Festschrift Straus, S. 355, 363; Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 792 f. 70 Vgl. o. § 8 III 3, v. a. zum Vertrauen in die Institution des Patents als solchem. 71 Dazu Sonnenberg, S. 113 ff. 72 Patente in komplexen Erzeugnissen bilden (jenseits standardessentieller Patente) als solche keine eigenständige Fallgruppe, vgl. Sonnenberg, S. 118 ff.; zum Rechtswahrnehmungsmissbrauch Sonnenberg, S. 136 ff.; zu § 4 Nr. 4 UWG Uhrich, ZGE 2009, 59, 81; 66
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ken des Rechtsmissbrauchs73 oder der Verwirkung.74 Dem Rechtsinhaber soll im Einzelfall der Einwand unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 226 BGB bzw. § 242 BGB entgegengehalten werden können. Auch § 8 IV UWG wird angeführt.75 In der Sache wird verlangt, dass der Verletzer dem Patentinhaber ein angemessenes Lizenzangebot vorgelegt, welches der Berechtigte aber ausgeschlagen hat.76 Weiter werden prozessuale Lösungen vorgeschlagen. § 712 ZPO wird bisweilen als ausreichend gesehen, um Beschränkungen der Unterlassungshaftung nach der Enforcement-RL umzusetzen.77 Nach der Rechtsprechung kommt dies aber nur in sehr eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht.78 Angeknüpft wird dabei aber nicht an die problematische Unterlassungspflicht, sondern an deren Vollstreckung.79 Selbst wenn Vollstreckungsschutz gewährt wird, wirkt dies allerdings nur bis zur Rechtskraft der Entscheidung. Danach greift § 712 ZPO nicht mehr ein. Auch wenn dies wegen der zeitlichen Grenzen des Patents und der bisweilen langen Dauer von Rechtsstreitigkeiten faktisch ausreichen kann, um die Produktion umzustellen,80 hängt es vom Zufall ab, wie viel Zeit gewonnen wird.81 Im Kern geht es darum, dass die Rechtsfolge Unterlassen in bestimmten Fällen schlichtweg nicht passt. Während ein genereller Ausschluss des Unterlassungsanspruchs mittels einer „Schranke“ zu grobschlächtig wäre (im Grunde ist fast jedes moderne Produkt mit einer Vielzahl von Patenten ausgestattet), reichen prozessuale Begrenzungen oft nicht weit genug.82 Sachgerecht ist ein Ausschluss des Unterlassungsanspruchs in eng begrenzten Einzelfällen durch den Richter, der auf Basis der Umstände des konkreten Einzelfalls abwägen
Lamping, S. 439; kritisch zur Mitbewerbereigenschaft Sonnenberg, S. 156 ff., 159, vgl. aber BGH GRUR 2014, 1114 – nickelfrei; Sonnenberg, S. 161 ff., sieht § 4 Nr. 1 (= § 4a UWG n. F.) als taugliches Begrenzungsinstrument. 73 Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 793 ff.; Sonnenberg, S. 173 ff. 74 Zur Verwirkung Schickedanz, GRUR Int. 2009, 901, 905, vgl. auch Sonnenberg, S. 201 ff. 75 Vgl. Sonnenberg, S. 166 ff. 76 Osterrieth, GRUR 2009, 540, 544; problematisch ist aber, dass ex ante oft gar nicht klar ist, dass ein konkretes Patent verletzt werden wird. 77 Reetz/Pecnard/Fruscalzo/van der Velden/Marfé, GRUR Int. 2015, 210, 211 f.; zu § 712 ZPO Osterrieth, GRUR 2009, 540, 543, 544 f.; Sonnenberg, S. 104 ff.; denkbar ist zudem eine Aussetzung des Verletzungsprozesses bis zur Entscheidung über die Nichtigkeit des Patents (§ 148 ZPO), vgl. Sonnenberg, S. 100 ff.; zur einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 719 I S. 1, 707 I S. 1 ZPO Sonnenberg, S. 108 ff.; vgl. zudem OLG Karlsruhe GRUR-RR 2010, 120, 122 – Patentverwertungsgesellschaft. 78 Vgl. BGH GRUR 2000, 862 – Spannvorrichtung. 79 Kritisch Uhrich, ZGE 2009, 59, 64 („letzter Ausweg“). 80 Vgl. Sonnenberg, S. 107 und S. 111, der darauf verweist, dass die wirtschaftliche Drucksituation entschärft werden kann. 81 Vorzugswürdig ist daher eine patentrechtliche Aufbrauchsfrist, sogleich im Text. 82 Evident ist dies für eine Streitwertherabsetzung nach § 144 PatG.
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kann.83 In diesem Sinne weisen Ansichten, die gleichsam als interne Beschränkungen des Unterlassungsanspruchs dogmatisch § 242 BGB,84 § 275 II BGB,85 § 251 II S. 1 BGB, eine Analogie zu § 100 UrhG beziehungsweise § 45 DesignG86 oder die unmittelbare Anwendung eines allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzips87 bemühen, in die richtige Richtung. Gerade wenn man die genannten Normen im Lichte des hier entwickelten Prinzips der Rechtsfolgendifferenzierung auslegt, gewinnen die Lösungen an Überzeugungskraft. Entscheidend ist, dass – wenn auch nur ausnahmsweise – der Unterlassungsdurch den Schadensersatzanspruch substituiert werden kann.88 Nach hier vertretener Ansicht lässt sich dies dogmatisch allerdings am besten dadurch umsetzen, dass dieses Ergebnis auf die direkte Anwendung des genannten Prinzips gestützt wird. Dadurch wird die gebotene Flexibilität am besten sichergestellt. Die Lösung liegt in der Gewährung patentrechtlicher Aufbrauchs- beziehungsweise Umstellungsfristen auf Basis einer umfassenden Interessenabwägung als unmittelbare Konkretisierung des Rechtsgrundsatzes der Rechtsfolgendifferenzierung.89 Dadurch wird ermöglicht, dass bei Patentverletzung innerhalb komplexer Erzeugnisse wie Mobiltelefonen dem nicht grob fahrlässig handelnden Verletzer aufgegeben werden kann, innerhalb einer angemessenen Frist eine alternative technische Lösung zu finden.90 Während für die Vergangenheit und Gegenwart die Verhandlungsmacht gekappt und so verhindert wird, dass eine Lizenzvereinbarung abgeschlossen wird, durch die eine Vergütung zu zahlen ist, die den technischen Wert der Erfindung übersteigt, kann für die mittlere Zukunft ein Unterlassungsanspruch dafür sorgen, dass eine marktmäßige Lösung zustande kommt. Dies ist das mildeste Mittel, das das Problem zugleich hinreichend entschärft. Schadensersatzansprüche bleiben unberührt.91
83 Osterrieth, GRUR 2009, 540, 544, 545; ders., Festschrift Fezer, S. 1035 ff.; Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 797; Uhrich, ZGE 2009, 59, 82 ff.; vgl. Kraßer/Ann, § 35 VII Rn. 156 f.; Götting, § 30 Rn. 7; Lemley/Shapiro, 85 Texas L. Rev. (2007), 1991, 2035 ff. 84 Vgl. Köhler, GRUR 1996, 82, 90; vgl. Uhrich, ZGE 2009, 59, 82. 85 Vgl. Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 796. 86 Vgl. kritisch mangels (bewusster) Regelungslücke Sonnenberg, S. 168 ff.; für Ablöserechte bei sämtlichen Immaterialgüterrechten Ahrens/McGuire, S. 162 ff. 87 Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 794 ff.; er sieht dies aber als Unterfall des Rechtsmissbrauchs, a. a. O., S. 793 ff.; vgl. auch Sonnenberg, S. 171 f.; Heusch, Festschrift Meibom, S. 135, 139 ff. („Allgemeine zivilrechtliche Grundsätze“). 88 Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 797; Heusch, Festschrift Meibom, S. 135, 141, 144. 89 Osterrieth, Festschrift Fezer, S. 1035 ff.; ders., Festschrift 80 Patentgerichtsbarkeit, S. 415 ff.; vgl. ders., GRUR 2009, 540, 543 f.; Fitzner/Lutz/Bodewig/Pitz, § 139 Rn. 78, 80; vgl. Sonnenberg, S. 222 ff.; nunmehr auch BGH GRUR 2016, 1031 Rn. 41 ff. – Wärmetauscher. 90 Nur Ohly, GRUR Int. 2008, 787, 797. 91 Allgemein zur Aufbrauchsfrist Köhler, GRUR 1996, 82, 90; für Sicherheitsleistung vgl. etwa den Rechtsgedanken in § 867 S. 3 BGB.
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c) Unterlassungsansprüche zur Verwirklichung durch absolute Rechte vermittelte Stammrechte (Beispiel: Nachbarrecht)
Dass dies keinen Sonderfall in einem einzelnen Rechtsgebiet darstellt, belegt ein Blick ins Nachbarrecht. Auch hier wird über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus (insbesondere §§ 912, 906, 917 BGB) diskutiert, ob die Verweigerung des Unterlassungsanspruchs angezeigt und stattdessen ein Entschädigungsanspruch zu gewähren ist. Unter dem Schlagwort „nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch“ wird vertreten, dass der Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 BGB aus übergeordneten Interessen ausgeschlossen sein kann und dem Berechtigten daher ein Entschädigungsanspruch zusteht.92 Dieser wird als bürgerlich-rechtlicher Aufopferungsanspruch verstanden.93 Auch dies lässt sich als Anwendungsfall des Rechtsprinzips der Rechtsfolgendifferenzierung deuten.94 Es handelt sich nicht um systemwidrige Sonderfälle, sondern um Situationen, in denen der Unterlassungsanspruch seinen Funktionen nicht nachkommt oder nachkommen kann. Dies verdient vor allem Hervorhebung mit Blick auf Beseitigungsansprüche, die nach verbreiteter Meinung über die Anwendung von § 275 II BGB wegen Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen sein können (in diesen Fällen ist potenziell zugleich der Unterlassungsanspruch betroffen).95 Zugunsten der Befürworter der Anwendung von § 275 II BGB kann angeführt werden, dass § 275 II BGB als Rechtsfolgenregelung die Aufgabe hat, für eine differenzierte Rechtsdurchsetzung zu sorgen. Der vordergründige Streit um die Anwendbarkeit von § 275 II BGB lässt sich mit einem Verweis auf das Prinzip der Rechtsfolgendifferenzierung entschärfen. Es zeigt sich erneut, dass die Trennung zwischen Schranken (z. B. § 906 BGB) und Begrenzungen von Ansprüchen (§ 275 II BGB) wenig überzeugt: Es geht übergeordnet analytisch um Rechtsdurchsetzung. Zugleich wird deutlich, dass die gleichzeitige Gewährung von Entschädigungsansprüchen die natürliche Kehrseite des Anspruchsausschlusses sein muss.96 Rechtsfolgendifferenzierung rechtfertigt nicht nur den Ausschluss von Ansprüchen in begründeten Einzelfällen, sondern verlangt zugleich, die Verwirklichung des Stammrechts anderweitig sicherzustellen.
92 Erman/F. Ebbing,
§ 1004 Rn. 94 ff.; PWW/Lemke, § 906 Rn. 41 ff.; Bamberger/Roth/ Fritzsche, § 906 Rn. 81 ff. 93 BGHZ 48, 98, 101 = NJW 1967, 1857; Riehm, S. 424 f. 94 Vgl. Erman/F. Ebbing, § 1004 Rn. 94; aus § 14 BImSchG und § 906 II S. 2 BGB soll ein allgemeiner Rechtsgrundsatz ableitbar sein, nach dem der Eigentümer einer Sache, für Schäden, die er durch störende Einwirkungen erleidet, eine Entschädigung verlangen kann, wenn sein Abwehranspruch nach § 1004 BGB aus übergeordneten Interessen ausgeschlossen ist. 95 Nur BGH NJW-RR 2010, 315; Riehm, S. 420 f.; anders Kolbe, NJW 2008, 3618 ff. 96 Gsell, LMK 2008, 266937; Riehm, S. 424 (Rechtsgedanken der §§ 906 II S. 2, 912 II, 917 II BGB).
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3. Verfahrensrechtliche Begrenzung (Beispiel: Lauterkeitsrechtliche Bagatellverstöße) Das als einfaches, kostengünstiges Mittel außergerichtlicher Rechtsdurchsetzung gedachte Institut der Abmahnung ist namentlich im Urheber- und Lauterkeitsrecht in Verruf geraten. Gescholten wird ein „Abmahnunwesen“, das die Akzeptanz der zu schützenden Rechte untergräbt.97 In der Tat ist missbräuchliches Verhalten nicht von der Hand zu weisen: Streitwerte wie Vertragsstrafen werden teils zu hoch angesetzt, während vermutet werden darf, dass abgerechnete Aufwendungen nicht in jedem Fall wirklich entstanden sind.98 Nicht selten wird mit der rechtlichen Unerfahrenheit der Abgemahnten gespielt, beispielsweise durch Ausnutzung von Beweislastregelungen. Was ein Internetanschlussinhaber, der die behauptete Rechtsverletzung nicht selbst begangen hat, zu seiner Entlastung darlegen muss, um seiner sekundären Darlegungslast zu genügen, kann oft nur mittels anwaltlicher Beratung gelingen.99 Aber selbst wenn die Abmahnung berechtigt ist, stößt die Verpflichtung, die (bisweilen erheblichen) Kosten der Abmahnung zu tragen, auf Unverständnis. Während missbräuchlichen Abmahnungen § 8 IV UWG bereits durch einen materiellrechtlichen Ausschluss des Unterlassungsanspruchs100 einen Riegel vorzuschieben sucht,101 bleibt es bei redlichen Abmahnungen bei der Kostentragungspflicht des Verletzers, selbst wenn ein Bagatellverstoß gerügt wird. Gerade im Lauterkeitsrecht sind Rechtsverletzungen im Zusammenhang mit Informationspflichten gelegentlich kaum vermeidbar.102 Tritt ein solcher Verstoß einmalig und verschuldensunabhängig auf, stellt sich die Frage, ob die rigorose verfahrensrechtliche Durchsetzung des einschlägigen Unterlassungsanspruchs verhältnismäßig oder zumindest wünschenswert ist.103 Dass ein solcher Anspruch nach dem materiellen Recht besteht, lässt sich allerdings gut rechtfertigen. Hat sich der (Unions-)Gesetzgeber für eine bestimmte wettbewerbsrechtliche Verhaltenspflicht entschieden, liegt es nahe, diese in Natur durchzusetzen. Zu Recht sorgt die Rechtsordnung dafür, dass die Fortsetzung einer derartigen unlauteren geschäftlichen Handlung untersagt wird. Ein genereller Ausschluss des Unterlassungsanspruchs ist schwer begründbar. 97 Ohly, Gutachten Juristentag, F 117 f.; Frey, ZUM 2014, 554, 556 f., zum „BacklashEffekt“. 98 Vgl. Schmidt-Kessel, Urheberrecht und Verbraucherschutz, S. 223, 228. 99 Vgl. nur LG Bochum, Urt. v. 27. 11. 2014, Az. I-8 S 9/14; AG Leipzig Beschl. v. 27. 11. 2014, Az. 108 C 6194/14. 100 So Köhler/Feddersen/Bornkamm, § 8 Rn. 4.4. 101 Nur Ohly/Sosnitza, § 8 Rn. 154; Köhler/Feddersen/Bornkamm, § 8 Rn. 4.2. 102 Ohly, Unternehmerinteressen, S. 10, 12 Rn. 8; vgl. o. § 5 I 4 a). 103 Zu Bagatellfällen vgl. Lindhorst, MMR 2012, 1, 1 f.; eine zu rigorose Rechtsdurchsetzung kann bei den Rechtsunterworfenen zu einem „Jetzt-erst-Recht-Verhalten“ statt zu Rechtstreue führen, vgl. Frey, ZUM 2014, 554, 556 f.
III. Anwendungsfälle de lege lata und de lege ferenda
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Viele Fälle, in denen die streitgegenständlichen Pflichten lästig erscheinen, werden sich nicht als atypische Sonderfälle klassifizieren lassen. Vielfach ist es gerade die gesetzgeberische Wertung, sich im entsprechenden Sinne zu verhalten – wenn auch deren Sachgerechtigkeit rechtspolitisch mit guten Gründen angezweifelt werden kann. Bei genauer Betrachtung richtet sich die Kritik ohnehin entweder gegen die Informationspflicht schlechthin oder spezifisch gegen die Kosten der Abmahnung.104 Eine Begrenzung der Rechtsdurchsetzung auf den ersten beiden Stufen erscheint daher unangemessen. Es bleibt die verfahrensrechtliche Einschränkung. Wenn es auch – wie dargelegt – grundsätzlich richtig ist, die Kosten selbst der ersten Abmahnung dem Abgemahnten aufzuerlegen,105 lässt sich davon namentlich für Bagatellverstöße im Lauterkeitsrecht eine Ausnahme begründen. Die dort anzutreffende Vielzahl von Verhaltenspflichten und die Schwierigkeit, Rechtsverletzungen zuverlässig zu vermeiden, spricht dafür, von den Kosten der erstmaligen Abmahnung abzusehen,106 soweit kein „schwerwiegender“ Verstoß festzustellen ist. Handelt es sich nicht um einen derartigen schwerwiegenden (etwa fortgesetzten oder systematisch begangenen Wettbewerbsverstoß), mag ein Hinweis auf die Rechtslage bereits genügen, um den Unternehmer zu wettbewerbskonformem Verhalten anzuhalten. Einer förmlichen Abmahnung bedarf es nicht zwingend, da schon ein ohne anwaltliche Hilfe verfasster (vager) Hinweis auf die lauterkeitsrechtliche Rechtslage für das angezeigte Verhalten sensibilisiert. Seiner Steuerungsfunktion würde der Unterlassungsanspruch dennoch genügen. Zugleich würde einer Überprävention vorgebeugt.107 Es bestünde für (Klein-)Unternehmer kein Anlass, sich aus Angst vor Abmahnkosten übervorsichtig zu verhalten. Freiheitssphären würden weniger stark beschnitten, ohne zugleich das Anliegen des Wettbewerbsgesetzgebers unterzugewichten. Die „Appellwirkung“ der Verhaltensanordnung bliebe unangetastet,108 während Kollateralschäden einer rigorosen Rechtsdurchsetzung vermieden würden. Die Kontrollfrage müsste lauten: Würde eine Behörde im konkreten Fall wegen des Bagatellcharakters (unverschuldete, einmalige Zuwiderhandlung) von einem Einschreiten absehen oder ihre Ressourcen für Fälle struktureller Verstöße bündeln? In Art. 11 II Unterabsatz 1 UGP-RL ist eine solche Differenzierung durchaus angelegt („erforderlich halten“).109 Dogmatisch kann der Ausschluss der Abmahnkosten (nicht des Unterlassungsanspruchs) de lege lata allenfalls auf eine Analogie zu § 8 IV UWG (unter Heranziehung des Grundsatzes der 104 Vgl.
Ohly, Festschrift Köhler, S. 507 ff. Dazu o. § 10 II 3. 106 Vgl. zum Urheberrecht Ohly, Gutachten Juristentag, F 120, der generell die Kosten der ersten Abmahnung gegenüber Privaten dem Abmahnenden auferlegen will. 107 Dazu o. § 8 IV 2 b). 108 Vgl zu § 1353 BGB, § 120 III FamFG MünchKomm/Roth, § 1353 Rn. 52. 109 Bereits o. § 5 I 4 a). 105
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§ 11 Die Grenzen der Rechtsfolge Unterlassen
Rechtsfolgendifferenzierung) gestützt werden, deren Sachgerechtigkeit mit Art. 11 II UGP-RL untermauert werden kann. Eine Lösung de lege ferenda wäre indes vorzuziehen. Es zeigt sich, dass auch verfahrensrechtliche Begrenzungen für eine interessengerechte Rechtsdurchsetzung sorgen können. Dort wo die Einhaltung bestimmter Rechte durchaus auch im konkreten Fall erwünscht ist, können Erschwernisse bei der verfahrensrechtlichen Durchsetzung helfen, negative Effekte einer unbedingten Rechtsdurchsetzung (Akzeptanz der Verhaltenspflicht; übervorsichtiges Agieren etc.) abzumildern, ohne zugleich den Wertungsgehalt der gesetzlichen Regelung zu leugnen. Wenn der Abmahnende selbst die Kosten zu tragen hätte, wäre sichergestellt, dass Bagatellverstöße nicht um ihrer selbst willen verfolgt würden.110 Eine (außergerichtliche) Titulierung wäre gleichwohl möglich;111 ein Unterlassungsanspruch besteht schließlich. Derjenige, der daran selbst für einen ersten Bagatellverstoß interessiert ist, hat einzig die Kosten dafür selbst zu schultern. Gleiches gilt, wenn sofort Klage eingereicht wird: Der Kläger erreicht die Titulierung, während er die Kosten selbst zu tragen hat (§ 93 ZPO). Oder allgemeiner: Wenn kein berechtigtes Interesse an einer „Titulierung“ besteht,112 liegt die Kostentragungslast beim Anspruchsteller.
IV. Fazit Auch wenn in diesem Abschnitt nur einige wenige Fälle diskutiert werden konnten, in denen die Rechtsfolge Unterlassen unpassend erscheint, hat sich gezeigt, dass deren Verweigerung mit unterschiedlicher Intensität durchaus systemkonform ist. Begrenzungen des Unterlassungsanspruchs einschließlich verfahrensrechtlicher Erschwernisse lassen sich als Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes verstehen. Gerade wenn man das Anspruchssystem durch die Brille des Rechtsbehelfssystems betrachtet, wird deutlich, dass das Prinzip der Rechtsfolgendifferenzierung de lege lata angelegt ist. Auch ohne ausdrückliche Rechtsgrundlage kann eine Einschränkung des Unterlassungsanspruchs direkt auf dieses Prinzip gestützt werden. Entscheidend ist aber auch, dass alternative Rechtsfolgen nicht aus dem Blick geraten dürfen. Der Grundsatz damages in lieu of an injunction ist insoweit Vorbild.
110 Nosch, S. 74 f., für das Lauterkeitsrecht; dieser Gedanke ist aber durchaus verallgemeinerungsfähig; zum Urheberrecht Nosch, S. 148. 111 Dazu o. § 10 II 1 c). 112 Vgl. auch Fritzsche, S. 207.
§ 12 Ergebnis zum Zweiten Teil Bei der Analyse des „Rechtsbehelfs Unterlassen“ sind zwei Problemkreise auseinanderzuhalten: Erstens stellt sich die Frage nach der „Sachgerechtigkeit“ der Rechtsfolge Unterlassen, zweitens die Frage nach der dogmatischen Struktur. Stets geht es um Fragen der Rechtsdurchsetzung, um Rechtsfolgenregelungen. Betrachtet man die Anatomie des Unterlassungsanspruchs, also die dogmatische Ebene, ist im Ausgangspunkt das Verhältnis von Rechten zu Pflichten klärungsbedürftig. Die Begriffe „Recht“ und „Pflicht“ werden in unterschiedlichem Kontext mit unterschiedlicher Bedeutung verwendet. In dieser Arbeit wurde vorgeschlagen, den Pflichtbegriff jeweils in Bezug auf die im Ersten Teil identifizierten Rechtekategorien, Stammrechte und Rechtsfolgenrechte, aufzulösen. Stammrechten stehen nur allgemeine Rechtspflichten gegenüber, letztlich nur eine allgemeine Rechtsachtungspflicht („Appellpflicht“), die sich häufig in einer Art Appellfunktion erschöpft. Rechtsfolgenrechte korrelieren mit konkreten Rechtspflichten, namentlich durchsetzbaren Unterlassungspflichten. Nur dann, wenn ein Stammrecht mittels eines Unterlassungsanspruchs verwirklicht wird, trifft korrespondierend den Schuldner eine konkrete Unterlassungspflicht. Diese ist der Grundbaustein für das Rechtsfolgenrecht Unterlassen beziehungsweise den Unterlassungsanspruch. Für die Herausarbeitung einer interessengerechten Rechtsdurchsetzung können diese Zentralbegriffe im Sinne eines Analysewerkzeugs dienlich sein – dies hat sich namentlich bei der Durchleuchtung der „Störerhaftung“, aber auch bei Unmöglichkeitsregelungen im Schuldrecht offenbart. Gesehen wurde zugleich, dass die Struktur der Rechtsfolge Unterlassen privatrechtsübergreifend einheitlich verstanden werden kann. Das bis heute bestehende Mosaik unterschiedlicher Unterlassungsansprüche lässt sich zusammenführen. Die Unterscheidung zwischen gesetzlichen und vertraglichen Unterlassungsansprüchen erweist sich als überholt. Es gibt den privatrechtlichen Unterlassungsanspruch. Auf materieller Ebene wirkt sich dies vor allem dadurch aus, dass die Begehungsgefahr privatrechtsübergreifend konstitutive Entstehungsvoraussetzung für den Unterlassungsanspruch ist. Auch der Leistungsunterlassungsanspruch entsteht damit erst, wenn eine Zuwiderhandlung gegen die aus dem negativen vertraglichen Recht fließende konkrete Unterlassungspflicht ausgemacht ist oder droht. Auf verfahrensrechtlicher Ebene ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsdurchsetzung wertungsmäßig gleich zu laufen hat, auch wenn statt ge-
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richtlicher der Weg außergerichtlicher Durchsetzung gewählt wird. Vor allem muss dem Berechtigten eine Möglichkeit an die Hand gegeben werden, um die ohnehin bestehende konkrete Unterlassungspflicht zu „titulieren“. Nur wenn ihm die Möglichkeit gegeben wird, auf den Willen des Verpflichteten einzuwirken, hat der Unterlassungsanspruch einen Mehrwert. Die Erstbegehungsgefahr kann daher nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung (oder einen entsprechenden gerichtlichen Titel) ausgeräumt werden. Ob ein Stammrecht aber mit der Rechtsfolge Unterlassen zu verwirklichen ist, muss für jedes Stammrecht mit Blick auf eine konkrete Durchsetzungssituation beurteilt werden. Nicht die Unterlassungsansprüche unterscheiden sich also, sondern die zu verwirklichenden Stammrechte. Zu hinterfragen ist, ob die mit dem Unterlassungsanspruch bezweckten Wirkungen (Prävention; Verhandlungsmittel) erzielt werden können. Vor allem im Einzelfall kann es daher sachgerecht sein, die Rechtsfolge Unterlassen infolge einer materiellrechtlichen Interessenabwägung nicht zu gewähren, auch wenn diese in anderen Fällen als die begründbare Regel erscheint. Der durch die Interpretation des Anspruchssystems als Rechtsbehelfssystem sichtbar werdende Grundsatz der Rechtsfolgendifferenzierung ist nicht nur de lege lata angelegt, sondern auch sachlich begründet. Es ist stets konkret zu fragen: Wie kann ein Vertrag, ein Ausschließlichkeitsrecht oder ein punktuelles gesetzliches Verbot im konkreten Fall interessengerecht durchgesetzt werden? Die Funktionsanalyse lehrt, dass die Rechtsordnung Stellschrauben vorhalten muss, um in bestimmten Fällen ein Recht atypisch zu verwirklichen. Während Einschränkungen unterschiedlich intensiv, auf unterschiedlichen Ebenen, generalisierend oder einzelfallabhängig möglich sind, geht es letztlich immer um die Generalfrage angemessener Rechtsdurchsetzung. Schrankenregelungen, sonstige Ausschlussgründe des Unterlassungsanspruchs, aber auch Aufopferungsansprüche sind alle in demselben Problemkreis, dem Rechtsfolgenrecht, angesiedelt. Genauso wie eine bedingungslose Verteidigung von Unterlassungsansprüchen als „wesensnotwendig“ für die Rechtsdurchsetzung abzulehnen ist, darf aber auch einer vorschnellen Aufgabe dieser Rechtsfolge keinesfalls das Wort geredet werden. Insgesamt hat sich gezeigt, dass die Rechtsordnung vom Potential differenzierter Rechtsdurchsetzung auf den unterschiedlichsten Ebenen selbstbewusst Gebrauch machen sollte. Etwas mehr Flexibilität, abgesichert im materiellen Recht, kann für eine insgesamt interessengerechte Ausgestaltung des Privatrechts sorgen. Dafür zu sensibilisieren, ist Anliegen dieser Schrift. Obgleich in dieser Arbeit auch nicht annähernd alle Probleme rund um die interessengerechte Rechtsverwirklichung besprochen werden konnten, so bleibt doch die Hoffnung, dass sie vor allem als Anregung für eine weitere Beschäftigung mit dem Recht der Rechtsfolgenrechte (“Law of Remedies”) dienen kann.
Zusammenfassung der Kernaussagen in Thesen § 1 Das anglo-amerikanische „remedy-System“ 1. Der Begriff remedy ist selbst im anglo-amerikanischen Rechtskreis nicht unumstritten. Mehrheitlich wird darunter freilich eine konstitutiv wirkende gerichtliche Anordnung (court order) verstanden. Deren Zwitterstellung zwischen materiellem Recht und Prozessrecht wird durch eine aktive Rolle der Gerichte bei der Auswahl von Rechtsfolgen zur Verwirklichung der streitgegenständlichen substantive rights, insbesondere bei den equitable remedies, flankiert. Unterlassungsanordnungen (injunctions) sind sowohl bei der Durchsetzung vertraglicher Rechte (negative covenants) als auch bei Ausschließlichkeitsrechten (property rights) anzutreffen. 2. Das „remedy-System“ zeichnet sich durch eine systematische Trennung von rights und remedies (beziehungsweise primary obligations und secondary obligations) aus. Die Rechtsverletzung (wrong) erscheint oft als Verbindungselement – wenn auch nicht immer, wie das Law of Restitution belegt. Unverletzt denkbare primäre Rechtszuweisungen sind funktional von der Ebene der Rechtsdurchsetzung abzugrenzen. Inwieweit zwischen beiden Stufen starke oder weniger starke Wechselwirkungen bestehen, ist umstritten. Während einerseits der Rechtscharakter von remedies betont wird (“remedies are rights”), spricht sich die Strömung des discretionary remedialism für flexible Einzelfallgerechtigkeit aus. 3. Vor allem der Zuspruch von equitable remedies steht im „Ermessen“ des Gerichts (discretionary remedies). Unstreitig ist, dass „Unterlassungsanordnungen“ (injunctions), „Gewinnherausgabe“ (account of profits) oder ein „Naturalerfüllungsanspruch“ (specific performance) nicht ohne Weiteres gewährt werden. Rechte werden differenziert durchgesetzt. Es besteht ein Bewusstsein dafür, dass insbesondere eine Unterlassungsverfügung (injunction) nicht für jede Situation passt. Da aber die Ausübung des gerichtlichen „Ermessens“ durch eine große Zahl von Präjudizien vorgezeichnet ist, handelt es sich in der Rechtswirklichkeit weniger um „freie“ richterliche Entscheidungen als um gebundene Interessenabwägungen.
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§ 2 Das Anspruchssystem 4. Ein Anspruch als das Recht, von einem anderen etwas verlangen zu können, entsteht im Anspruchssystem ohne gerichtliche Mitwirkung als Teil des materiellen Rechts. Dies gilt trotz teils prozessualer Formulierung auch für Unterlassungsansprüche. Ein einheitlicher Anspruchsbegriff liegt dem deutschen Privatrecht allerdings nicht zugrunde. Während schuldrechtliche Ansprüche zugleich den Inhalt des Rechts abbilden, werden vor allem die Schutzbereichsbeschreibungen von Ausschließlichkeitsrechten (z. B. § 903 BGB) und die entsprechenden Rechtsverwirklichungsansprüche (z. B. § 1004 I BGB) getrennt. 5. Einer Rechtsverletzung kommt im Anspruchssystem nicht die gleiche Bedeutung wie im „remedy-System“ zu. Insbesondere schuldrechtliche Ansprüche (Forderungen) entstehen ohne zusätzliche „Rechtsbehelfsvoraussetzungen“. Nicht die Trennung von rights und remedies prägt das Denken, sondern der Begriff des subjektiven Rechts. Dessen Kennzeichen ist die Klagbarkeit. Da auch Ansprüche zu den subjektiven Rechten zählen, können diese materiellen Rechte unmittelbar gerichtlich geltend gemacht werden. Der Richter hat letztlich passiv festzustellen, ob der materiellrechtliche Anspruch besteht. 6. Ein Gegenstück zum anglo-amerikanischen Law of Remedies findet sich im deutschen Privatrecht nicht. Ansprüche werden nicht als eigenständiges Rechtsgebiet begriffen. Viele Ansprüche (beispielsweise § 823 I BGB oder § 812 I S. 1, 2. Alt. BGB) werden gesetzessystematisch nicht als „Rechtsverwirklichungsinstrumente“, sondern als gesetzliche Schuldverhältnisse wahrgenommen. 7. Eine differenzierte Rechtsdurchsetzung wird im Anspruchssystem nicht diskutiert. Dass „primäre“ Ansprüche ohne Weiteres durch andere substituiert werden können, geschweige denn, dass Ansprüche unter dem Vorbehalt einer Interessenabwägung, ja gar richterlichen Ermessens stehen, ist dem Anspruchssystem als systembildender Gedanke fremd.
§ 3 Das unionsrechtliche Rechtsfolgensystem 8. Das unionsrechtliche Rechtsfolgensystem kann als Rechtsbehelfsmodell charakterisiert werden. Rechte und Rechtsfolgen betreffen zwei verschiedene Problemkreise. Dies gilt nicht nur für das Recht des Geistigen Eigentums, wo in Verordnungen genuin unionsrechtliche Rechtsfolgenregelungen enthalten sind, sondern auch für das europäische Vertragsrecht, wie es sich u. a. in akademischen Entwürfen oder Gesetzgebungsvorschlägen findet.
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9. Rechtsfolgen begegnen im Unionsrecht meist nicht in Form von „Ansprüchen“, sondern im Gewande „gerichtlicher Anordnungen“. Es finden sich aber auch Beispiele, in denen Rechtsdurchsetzungsfragen ohne gerichtliche Konnotation formuliert sind. Da selbst dem „remedy-System“ materiellrechtliche Sichtweisen von remedial rights nicht fremd sind und letztlich das materielle Recht selbst regeln muss, wie Rechte durchgesetzt werden sollen, sind Rechtsfolgenregelungen im Unionsrecht ebenfalls als materiellrechtliche Regelungen zu qualifizieren. 10. Differenzierte Rechtsdurchsetzung ist dem Unionsrecht eigen. De lege lata ist (mehr oder weniger detailliert) angelegt, dass bestimmte Rechte situationsabhängig nicht durch die „Regelrechtsfolge“ verwirklicht werden. Obwohl auch hier vielfach von „Ermessen“ die Rede ist, geht es in der Sache um Interessenabwägungen betreffend die angemessene Rechtsverwirklichung.
§ 4 Völkerrechtliche Rechtsfolgensysteme 11. Soweit sich in völkerrechtlichen Regelungen Bestimmungen zu Rechtsfolgen finden, orientieren sich diese am „remedy-System“. Zu beobachten ist die Abspaltung von „Rechtsbehelfen“ zur Durchsetzung vorausliegender Rechte sowie der Gedanke differenzierter Rechtsdurchsetzung. Während das Unionsrecht diese Strukturen aufgreift, bleiben sie vom Anspruchssystem unbeachtet.
§ 5 Das deutsche Privatrecht als Rechtsbehelfssystem 12. Das Privatrechtssystem kann als Rechtsbehelfssystem interpretiert werden. Kennzeichen ist dabei, dass zwischen zwei kategorial unterschiedlichen materiellen Rechten zu differenzieren ist: Stammrechten und Rechtsfolgenrechten. Erstere regeln die Rechtszuweisung, letztere legen fest, wer, wann bzw. unter welchen Voraussetzungen, wie, wie lange etc. ein Stammrecht durchsetzen kann. Anders als vielfach angenommen, ist für die Entstehung eines Rechtsfolgenrechts eine Rechtsverletzung nicht entscheidend. Es kann durchaus parallel mit dem Stammrecht entstehen. Maßgeblich ist die analytische Trennung beider Rechte, da sie jeweils unterschiedliche Funktionen haben. Auf diese Weise ist es möglich, „Rechtsfolgen“ isoliert wahrzunehmen und sie als eigenständigen Problemkreis gesondert zu analysieren. Der Diskussion um das Für und Wider des Naturalerfüllungsgrundsatzes steht das so verstandene System neutral gegenüber.
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13. Für eine Rekonstruktion des Anspruchssystems als Rechtsbehelfssystem spricht darüber hinaus dessen Anschlussfähigkeit an das Unionsrecht. Vor allem wird aber eine weitere Stellschraube für eine interessengerechte Ausgestaltung der Rechtsordnung aktiviert. Rechtfertigungsbedürftig ist nicht nur die Zuweisung von Stammrechten, sondern auch der Zuspruch von Rechtsfolgenrechten beziehungsweise synonym Ansprüchen. Anders als bei bloßer Betrachtung der Ergebnisse (Was kann der Gläubiger konkret verlangen?) kann durch die gesonderte Diskussion von Rechtsfolgenrechten eine Feinabstimmung vorgenommen und Transparenz bei der Rechtfertigung von Ansprüchen geschaffen werden. 14. Eine Trennung von Stammrechten und Rechtsfolgenrechten lässt sich im gesamten Privatrecht nachweisen. Während dies bei Ausschließlichkeitsrechten auf der Hand liegt, finden sich derartige Ansätze auch im Schuldrecht: Forderung und Anspruch sind nicht gleichzusetzen; selbst der Naturalerfüllungsanspruch einschließlich des „selbständigen“ vertraglichen Unterlassungsanspruchs lässt sich als Rechtsbehelf interpretieren. Die Eingriffskondiktion erscheint anders als die Leistungskondiktion als Rechtsfolgenrecht. Aber auch Schutzgesetzen oder den Tatbeständen im Lauterkeitsrecht liegt ein Recht voraus. Letzteres bestimmt den Umfang des Verbots und darf nicht im Sinne der Lehre subjektiver Rechte dahingehend missverstanden werden, dass der Geschützte zugleich einen eigenen Anspruch haben müsse (dazu auch These 15). 15. Der Begriff des subjektiven Rechts ist mit Blick auf die Rechtsdurchsetzung nicht weiterführend. Werden in einem Begriff die beiden Problemkreise Rechtszuweisung und Rechtsdurchsetzung vereint, führt dies letztlich zu seiner Überlastung. Statt von subjektiven Rechten zu sprechen, muss die rechtliche Abgrenzung einer Rechtssphäre beziehungsweise Rechtsposition, also die Rechtszuweisung mittels Stammrechten, von der Rechtsdurchsetzung mittels Ansprüchen unterschieden werden. 16. Dass Rechte nicht stets mit dem gesamten Arsenal an Rechtsfolgenrechten verwirklicht werden, ist de lege lata angelegt. Eine Sichtung des Privatrechts bringt zutage, dass vielfach Stammrechte differenziert durchgesetzt werden, also trotz „Kollisionen“ mit einer Rechtszuweisung nicht sämtliche potenziell denkbaren Ansprüche gewährt werden. Dies gilt im Besonderen auch für Ausschließlichkeitsrechte. „Schrankenregelungen“ sind ebenfalls als Regelungen zum Ausschluss des Unterlassungsanspruchs zu interpretieren. Die bisweilen gewährten Vergütungsansprüche lassen sich nur erklären, weil eine Rechtszuweisung vorliegt, mit der der Dritte in Konflikt gerät. Wird angenommen, dass das Stammrecht von vorneherein begrenzt ist, bleibt offen, warum in
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solchen Fällen eine Vergütung zu zahlen ist. Entscheidend ist, dass vergütungspflichtige „Schranken“ analytisch der Rechtsdurchsetzung zuzurechnen sind. Alles in allem ist der Ausschluss des Unterlassungsanspruchs in bestimmten Durchsetzungskonstellationen durchweg systemimmanent. Versteht man das Privatrecht als Rechtsbehelfssystem, überrascht dies wenig (dazu auch These 23).
§ 7 Bestandsaufnahme privatrechtlicher Unterlassungsansprüche 17. Unterlassungsansprüche werden nach verschiedenen Kategorien unterteilt. Die praktische Notwendigkeit wird zwar vielfach bestritten, dennoch halten sich diverse Unterkategorisierungen bisweilen hartnäckig. Vor allem sollte die Unterscheidung negatorischer und quasi-negatorischer Unterlassungsansprüche aufgegeben werden. 18. Unterlassungsansprüche werden in den verschiedenen Teilbereichen des Privatrechts von Rechtsprechung und Literatur im Detail unterschiedlich behandelt. Einheitliche Strukturen sind auch bei der Rechtsdurchsetzung nicht immer erkennbar. Den privatrechtlichen Unterlassungsanspruch schlechthin gibt es nach herrschender Meinung nicht.
§ 8 Die Rolle der Rechtsfolge Unterlassen im Rechtsfolgensystem 19. Der Unterlassungsanspruch wird vielfach rein formalistisch gerechtfertigt. Er wird im Besonderen als „Wesensnotwendigkeit“ von Ausschließlichkeitsrechten und allgemein als zwingender Elementarrechtsschutz verstanden. Vertragliche Leistungsunterlassungsansprüche erscheinen ebenso zwingend. Richtigerweise bedarf es einer inhaltlichen Rechtfertigung des Unterlassungsanspruchs. Aus der Rechtszuweisung folgt nicht zwingend eine bestimmte Art und Weise der Rechtsdurchsetzung. Ein Automatismus basierend auf formalen Gründen ist abzulehnen. Wie sich ein Stammrecht der Rechtfertigungsdiskussion zu stellen hat, so muss auch ein Unterlassungsanspruch zur Rechtsverwirklichung im konkreten Fall in der Sache begründbar sein. Nicht in jeder Konstellation gelingt dies – selbst dann, wenn die Zuweisung des Stammrechts überzeugt. 20. In der ökonomischen Analyse wird die Bedeutung des Unterlassungsanspruchs als Mittel zum Zweck für Verhandlungslösungen betont. Nur wenn ein Marktversagen vorliegt, soll eine liability rule gegenüber einer property rule vorzugswürdig sein. In der Rechtswirklichkeit lässt sich die Trennlinie
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abstrakt aber nur schwer antizipieren. Bestätigt wird dies durch folgende bemerkenswerte Beobachtung: Während im Vertragsrecht die Lehre vom efficient breach of contract zunehmend als ökonomisch fragwürdig kritisiert wird, gewinnt der Gedanke des efficient tort im Immaterialgüterrecht immer mehr Anhänger. Wenn auch bisweilen klare Unterscheidungen möglich sind (z. B. prohibitiv hohe Transaktionskosten im Bereich privater Werkvervielfältigungen, vgl. §§ 53 ff. UrhG), sollte das Recht auf die ökonomischen Einsichten vor allem mit Flexibilität reagieren. Im Vertrags- wie im Immaterialgüterrecht etc. hängt es letztlich vielfach an den Umständen des Einzelfalls, ob von einem Unterlassungsanspruch abzusehen ist, weil eine vom Recht erwünschte Verhandlungslösung an strategischem Verhalten, Marktmacht etc. scheitert. 21. Nach allgemeiner Meinung kommt dem Unterlassungsanspruch eine Präventionsfunktion zu. Bisweilen kann der Anspruch seine Präventionswirkung allerdings faktisch nicht entfalten. In Fällen der Unterprävention müssen daher vor allem Schadensersatz- und Gewinnherausgabeansprüche zum Zwecke der Prävention sekundieren. Erst dadurch werden beispielsweise Persönlichkeitsrechte hinreichend geschützt. Umgekehrt wirkt der Unterlassungsanspruch bisweilen überpräventiv. Wird er undifferenziert gewährt, können neue Schäden entstehen, während zugleich nicht einmal ein Schaden in einem normativen Sinne verhindert wird. In solchen, vor allem im Wirtschaftsrecht anzutreffenden Fällen sind Vergütungsansprüche die bessere Lösung. Aber auch der Gewinnherausgabeanspruch kann präventiv wirken, insbesondere ohne den (leicht fahrlässig handelnden) Verletzer mit „Umstellungskosten“ (“switching costs”) zu überfordern. Auch wenn es darum geht, dass bestimmte Normen schlichtweg eingehalten werden, können zu dichte Regelungen bisweilen paternalistisch wirken. Haftungsregelungen können ein gewünschtes Verhalten in gleicher Weise fördern, ohne individuelle Freiheit über Gebühr zu beschränken. Statt Verbote direkt durchzusetzen, sollte über Mechanismen wie den Verlust von Versicherungsschutz etc. stärker nachgedacht werden. 22. Bei der außergerichtlichen Streitbeilegung mittels strafbewehrter Unterlassungserklärungen spielen Unterlassungsansprüche im Sinne von Rechtsfolgenrechten selbst keine entscheidende Rolle. Der Streit wird über die Be gründung des Unterlassungsvertrags als Stammrecht beigelegt. Die Rechtsfolge Unterlassen hat gegenüber der Möglichkeit, einen erneuten Verstoß über die verwirkte Vertragsstrafe zu sanktionieren, nur nachrangige Bedeutung. Auch bei Prozessverträgen wie beispielsweise einem temporären Klageverzicht wird der Vertrag prozessual verwirklicht (eine vertragswidrige Klageerhebung wäre als unzulässig abzuweisen) und nicht über den Unterlassungsanspruch.
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23. Die Analyse der Funktionen der Rechtsfolge Unterlassen lehrt insbesondere, dass sich jenseits klarer Standardfälle (in denen Unterlassungsansprüche „richtig“ sind) abstrakt oft nur schwer bestimmen lässt, ob der Unterlassungsanspruch mit Blick auf ein konkretes Stammrecht und eine konkrete Rechtsdurchsetzungssituation interessengerecht ist. Entscheidend ist daher, dass die Rechtsordnung für Grenzfälle flexible Lösungen vorhält. Da dargelegt wurde, dass im deutschen Privatrecht der punktuelle Ausschluss des Unterlassungsanspruchs durchaus angelegt ist, sich der Verzicht auf die Rechtsfolge Unterlassen also als systemimmanent zeigt, erweist sich eine Rechtsverwirklichung ohne Unterlassungsanspruch dort, wo er die ihm zugedachte Funktion im Einzelfall nicht erfüllen kann, durchaus als systemkonform. Interessenabwägungen auf der Ebene der Rechtsdurchsetzung gilt es daher gerade nicht abzulehnen (s. a. These 33).
§ 9 Die Grundstruktur des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs 24. Als Analyseinstrument sind aufbauend auf die Hohfeld’schen Überlegungen statt des pauschalen Blicks auf subjektive Rechte (These 15) folgende Korrelationen tauglich: Stammrechte korrelieren mit allgemeinen Rechtsachtungspflichten. Rechtsfolgenrechte korrelieren mit konkreten Rechtspflichten. Während sich die allgemeine Rechtsachtungspflicht vielfach in einer Art Appellfunktion erschöpft, geben erst konkrete Rechtspflichten dem Schuldner verbindliche Handlungsbefehle. Überflüssig ist die allgemeine Rechtsachtungspflicht dennoch nicht: In „Unmöglichkeitsfällen“ im Schuldrecht kann sie wie bei lauterkeitsrechtlichen Aufbrauchsfristen erklären, warum Schadensersatz geschuldet ist, obwohl eine konkrete Unterlassungspflicht (respektive Leistungspflicht) mangels Unterlassungsanspruch (respektive Erfüllungsanspruch) nicht besteht. Gleiches gilt für Verkehrspflichten (dazu auch These 27). 25. Der Unterlassungsanspruch hat privatrechtsübergreifend eine dogmatisch einheitliche Struktur. Stets ist die Ausgangsfrage, ob ein bestimmtes Stammrecht in einer konkreten Situation mit einem Unterlassungsanspruch verwirklicht wird. Nur dann trifft den Dritten eine konkrete Unterlassungspflicht. Da sich die Rechtsdurchsetzung ausnahmslos im Zwei-Personen-Verhältnis abspielt, besteht kein Unterschied zwischen relativen und absoluten Rechten. 26. Auch wenn den Dritten eine konkrete Unterlassungspflicht trifft, lässt sich die Entstehung des korrespondierenden Rechts, Unterlassung zu verlangen, nur rechtfertigen, wenn der Schuldner hierfür Anlass bietet. Ein Unterlas-
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sungsanspruch entsteht privatrechtsübergreifend nur im Falle von Begehungsgefahr. Erst diese zeitliche Konkretisierung begründet die Möglichkeit für den Schuldner, mittels des Unterlassungsanspruchs den Druck auf den Schuldner zu erhöhen, die ohnehin bestehende Unterlassungspflicht einzuhalten. Das bedeutet zugleich, dass der Unterlassungsanspruch auf „Titulierung“ angelegt ist. Nur wenn der Gläubiger eine Möglichkeit an die Hand bekommt, die Wahrscheinlichkeit weiterer Zuwiderhandlungen mittels Beugemitteln zu verringern, hat der Unterlassungsanspruch einen Wert (dazu auch These 29). 27. Stammrechte können selbst gegenüber nur mittelbar Verantwortlichen verwirklicht werden. Da Mittelspersonen die Rechtsverletzung aber nicht selbst bewirken, haften sie privatrechtsübergreifend nur unter der zusätzlichen Voraussetzung der Verletzung einer Verkehrspflicht. Verkehrspflichten sind selbst keine Rechte und damit nicht direkt durchsetzbar. Ihnen liegt weder ein Leistungs- noch ein Unterlassungsanspruch gegenüber. Verkehrspflichten erweisen sich stattdessen als Unterfall der allgemeinen Rechtsachtungspflicht. Bereits im Vorfeld sind Rechte Dritter zu achten, ohne dass der Rechtsinhaber direkt ein bestimmtes Verhalten einfordern kann. Dies gilt sowohl im Vertragsrecht (vgl. § 241 II BGB) als auch namentlich im Immaterialgüterrecht zulasten von Intermediären. Verkehrspflichtverletzungen können freilich mittelbar sanktioniert werden, wenn die „Vorfeldgefährdung“ des zu schützenden Stammrechts bereits Unterlassungsansprüche und/oder Schadensersatzansprüche auslöst.
§ 10 Die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen 28. Die konkrete Unterlassungspflicht (These 24) spielt nicht nur bei der Anspruchsentstehung (Phase 1 der Rechtsdurchsetzung), sondern auch in den weiteren Phasen der Rechtsdurchsetzung (Phase 2: „Titulierung“; Phase 3: Vollstreckung) eine entscheidende Rolle. Durch ihre mittels der „Kerntheorie“ festgelegte Reichweite wird das konkrete Verbot verbindlich umschrieben. Da jede Phase der Rechtsdurchsetzung ihre eigenen Unterlassungspflichten schafft, auch wenn diese jeweils auf die vorherige Stufe bezogen sind, kann von einer Kaskade der Unterlassungspflichten gesprochen werden. Der Gegenstand der Rechtsdurchsetzung ist verfahrensunabhängig mit Blick auf die konkrete Durchsetzungssituation zu ermitteln. 29. Nur wenn der Gläubiger durch Beugemittel den Druck auf den Schuldner erhöhen kann, dass sich dieser rechtskonform verhält, hat der Unterlassungsanspruch einen Mehrwert (These 26). Als Beugemittel taugt neben Ordnungsgeld und Ordnungshaft (§ 890 ZPO) auch eine privatautonom vereinbarte Vertragsstrafe. Voraussetzung dafür ist eine verbindliche Feststellung der „Un-
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terlassungspflicht“, kurzum: eine „Titulierung“ als Vollstreckungsvoraussetzung. Ob dies gerichtlich oder außergerichtlich durch eine Unterlassungserklärung erfolgt, ist unerheblich. Rechtsregeln können verfahrensrechtlicher Natur sein, auch wenn sie formal als Regeln des materiellen Rechts erscheinen. Dem Gläubiger darf sein „Recht auf Titulierung“ nicht durch lockere Vorgaben an den Wegfall der Erstbegehungs- und Wiederholungsgefahr verwässert werden. Insbesondere entfällt die Erstbegehungsgefahr nach erfolgter Abmahnung nicht schon deshalb, weil der Dritte vom untersagten Verhalten Abstand nimmt. Es bedarf auch hier einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. 30. Im Grundsatz ist es gerechtfertigt, dass die Kosten der Abmahnung vom Abgemahnten zu erstatten sind. Ausnahmen von der Kostentragungslast des Abgemahnten sind Angriffe auf die Rechtsfolge Unterlassen, nicht Kritik an der Kostentragungslast als solcher. Die Kostentragungslast der ersten Abmahnung kann auf den Abmahnenden verschoben werden, wenn die Durchsetzbarkeit der Rechtsfolge Unterlassen erschwert werden soll, namentlich weil kein schutzwürdiges Interesse an einer (außergerichtlichen) „Titulierung“ besteht (vgl. auch These 37). 31. Gerichtliche Unterlassungstitel können für die Zukunft angepasst werden. Gleiches gilt für die außergerichtliche „Titulierung“ mittels strafbewehrter Unterlassungserklärung. Wertungsmäßig hat es dabei im Grundsatz einen Gleichlauf zwischen §§ 313, 314 BGB und § 767 ZPO zu geben.
§ 11 Die Grenzen der Rechtsfolge Unterlassen 32. Die Rechtsfolge Unterlassen kann auf unterschiedlichen Ebenen unterschiedlich intensiv beschnitten werden. Materiellrechtlichen Begrenzungen stehen verfahrensrechtliche Einschränkungen gegenüber; dem generellen Ausschluss der Rechtsfolge Unterlassen deren Ausschluss im Einzelfall auf Basis einer Interessenabwägung. Je abstrakter sich Fallgestaltungen beschreiben lassen, desto eher ist der Gesetzgeber zum Ausschluss beziehungsweise zur Beschränkung der Rechtsfolge Unterlassen berufen, während dort, wo sich Pauschallösungen verbieten, die Prüfung der Sachgerechtigkeit der Rechtsfolge Unterlassen tendenziell dem Richter obliegt. 33. Die Analyse des Privatrechts als Rechtsbehelfsmodell schärft den Blick dafür, dass sich sämtliche Begrenzungen der Rechtsfolge Unterlassen (einschließlich „Schrankenregelungen“) auf einen allgemeinen Grundsatz zurückführen lassen. Die unterschiedlichen dogmatischen Erscheinungsformen zur Begrenzung der Rechtsdurchsetzung sind nichts anderes als Ausfluss des
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Prinzips, dass Rechte differenziert durchgesetzt werden. Auch ohne ausdrückliche Rechtsgrundlage können daher im Einzelfall namentlich Unterlassungsansprüche gestützt auf das Rechtsprinzip der Rechtsfolgendifferenzierung versagt werden. Einschränkungen obliegen dem Richter, der diese mittels im materiellen Recht angelegter Interessenabwägungen, nicht durch „Ermessen“, gleichsam feststellen muss. Wird der Unterlassungsanspruch im Einzelfall versagt, ist dies in jedem Fall systemkonform. 34. Die Diskussion um eine Schranke für kreatives Schaffen lässt sich als Rechtsfolgenproblem diskutieren. Auch wenn hier nicht vertieft werden konnte, ob das Urheberrecht in Fällen abhängiger Schöpfungen gerade nicht durch einen Unterlassungsanspruch durchzusetzen ist, wurde gesehen, dass dann, wenn das Präventionsbedürfnis tatsächlich unterzugewichten ist, der Gesetzgeber den Ausschluss des Unterlassungsanspruchs regeln sollte. Schließlich ist eine generalisierende Betrachtung möglich. 35. Der Ausschluss des Unterlassungsanspruchs zur Durchsetzung negativer vertraglicher Vereinbarungen kann ausnahmsweise gerechtfertigt sein, vor allem, wenn eine Verhandlungslösung offenkundig scheitert. Wird die Rechtsfolge Unterlassen verweigert, dürfen aber gleichzeitig Alternativrechtsfolgen (beispielsweise auch im privaten Nachbarrecht) nicht aus dem Blick geraten. Der Ausschluss des Unterlassungsanspruchs muss mit einem verschuldensunabhängigen Entschädigungs- beziehungsweise Vergütungsanspruch korrelieren. 36. Trotz einer Vielzahl von Patenten in modernen Erzeugnissen ist der patentrechtliche Unterlassungsanspruch als Regelrechtsfolge gerechtfertigt. Ein genereller Ausschluss des Unterlassungsanspruchs bei Patenten in komplexen Erzeugnissen ist nicht geboten. Anders kann dies im Einzelfall sein: Ergeben die konkreten Umstände, dass ein sofortiges Unterlassungsgebot außer Verhältnis zum technischen Wert der einem Dritten zugewiesenen Erfindung steht, kann der Unterlassungsanspruch gestützt auf das Rechtsprinzip der Rechtsfolgendifferenzierung in Gestalt patentrechtlicher Aufbrauchsfristen zeitweise nicht begehrt werden. Dies gilt vor allem, wenn dem Verletzer ein echter, sich am Maßstab grober Fahrlässigkeit orientierender Sorgfaltsverstoß nicht vorgeworfen werden kann. 37. Bagatellverstöße im Lauterkeitsrecht lösen zu Recht einen Unterlassungsanspruch aus. Jenseits struktureller Wettbewerbsverstöße ist dessen ungeachtet eine Modifikation der verfahrensrechtlichen Durchsetzung der Rechtsfolge Unterlassen angezeigt. Bei schuldlosen, erstmaligen Trivialverstößen ist ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten, nicht jedoch der Unterlassungsanspruch als solcher, unangemessen.
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Stichwortverzeichnis Abhilfe 7, 13 ff., 83 Ablösung des Unterlassungsanspruchs 294, 467 f. Abmahnung 276, 289, 352, 358, 365, 411, 427, 443 ff., 445 ff., 474 f., 487 –– Formale Anforderungen 443 ff. Abmahnkosten 445 ff., 474 f. Abschlusserklärung 436 Absolutes Recht 78, 84, 259, 260, 278 ff., 470 ff., 473 ff. –– Unterschied zu relativem Recht 390 ff. Abwehrrecht 74, 76, 205, 208, 322, 371 Account of profits 15 f., 19, 24, 32, 39, 41, 363, 479 Actio 55, 68, 70 ff., 126, 159 Adequacy-Test 36 Akkordstörer 332 Aktionendenken 126 ff. Aktionenrecht 124 ff., 171, 179, 200, 203, 386 Aktivlegitimation 412 Allgemeine Rechtsachtungspflicht 364, 383 ff., 397, 408, 417, 419, 432, 477, 485 –– Appellcharakter 364, 383, 477, 485 Allgemeine Unterlassungspflicht 376, 401 f. Alternativrechtsfolgen 11, 145, 211, 254, 337, 397, 470 Anatomie des Unterlassungsanspruchs 4, 254, 296, 363, 477 Anspruch –– Einheitlicher Anspruchsbegriff 52, 480, –– Definition 52 ff. –– Dingliche Ansprüche 379 –– Anspruch gegen jedermann 400 –– Materiellrechtlicher Anspruch 56, 59, 61, 77, 90, 92, 95, 425 f., 432
–– Als Mittel der Rechtsdurchsetzung 165 ff. –– Primärer Anspruch 52, 63, 68 f., 78 ff., 84, 104, 215, 267, 270, 311 ff., 480 –– Prozessualer Anspruch 421 ff., 431 –– Als Rechtsfolgenrecht 5 ff., 122 f., 128 f., 155 ff., 248 f. –– Rechtsnatur 171 ff. –– Sekundärer Anspruch 63, 187, 213, 218, 267 –– Schuldrechtlicher Anspruch 65, 84, 480 –– Erste Stufe der Rechtsdurchsetzung 165 ff. Anspruchsdenken 73 ff., 83, 135 Anspruchsgrundlage 6, 9, 12, 51, 255 ff., 393 ff. Anspruchssystem 51 ff., 90, 93, 104, 114, 115, 116, 118, 121, 122 ff., 171, 191, 193, 250, 463 ff., 476 Anwartschaftsrecht 233, 388 Arbeitsrecht 86, 105, 109, 222, 246, 268, 344 Aufbrauchsfrist 48, 78, 130, 244 ff., 294, 355, 375, 382, 384, 386, 389, 397, 464, 470 ff. Aufopferungsanspruch 82, 224, 225, 229, 230, 473, 478 Aufwendungsersatzanspruch 84, 299, 446 Auskunftsanspruch 105, 144, 342 Außergerichtliche Streitbeilegung 57, 357 ff., 444 Ausschließlichkeitsrecht 182 ff., 223 ff., 308 ff., 394 ff. –– Unterlassungsanspruch als Wesensmerkmal 308 ff. –– Ausschließungsbefugnis 148 Ausschlussrecht 40, 96, 311, 315, 320 Award of an agreed sum 33
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Stichwortverzeichnis
Beeinträchtigungsgefahr 399, 410 Begehungsgefahr 398 ff. Begrenzung der Rechtsfolge Unterlassen 454 ff. –– Dogmatische Grundlage 455 ff. –– Stellschrauben 455 ff. Bereicherungsrecht 14, 17, 32 ff., 74, 76, 80, 123, 129, 145, 156, 170, 187, 198 ff., 236, 250, 299, 304, 347 Bereicherungsrechtliche Rechtsfolgen 236, 250 Beseitigungsanspruch 25, 80, 144, 236 ff., 245, 299, 301 f., 302, 304, 355, 469, 473 –– Abgrenzung zum Unterlassungsanspruch 301 f. Bestimmtheit 400 ff. Bestimmungsnorm 179, 379 f., 391 f. Betriebsrat 201, 205, 207, 239 ff., 246 f., 287, 351, 397 f. Betriebsverfassungsrechtlicher Unterlassungsanspruch 109, 240 ff., 246 f., 257, 264, 307 Beugemittel 431, 450, 48 Beweislast 133, 154, 317, 474 Bewertungsnorm 150, 379, 380, 391 Breach of contract 20, 27, 30, 31, 42, 46, 84, 144, 314, 324, 484 Bundle of rights 148, 311, 315 CISG 117 ff., 135, 159 Cause of action 17, 25, 33 Compensatory injunction 334, 356 Contempt of court 23 Court order 13, 18, 20, 29, 34, 479 Damages 195, 298 Damages in lieu of an injunction 108, 230, 238, 464, 476 Dauerrechtsverhältnis 364 Declaration 62, 298, 299 Default remedy 44, 463 Deliktische Unterlassungsansprüche 256, 260 Differenzierte Rechtsdurchsetzung 35 ff., 78 ff., 119 ff., 151, 212, 223, 243, 461, 473, 480, 481
Dingliche Unterlassungsansprüche 256, 262, 391 Discretion 38, 42 f., 45 ff., 83, 119, 131, 312, 464 Discretionary remedialism 44, 479 Discretionary remedies 35, 48, 83, 136, 433, 479 Draft Common Frame of Reference 103, 112 Dreiheit des Haftungssystems 299, 304 Dualist view 43 f., 123 Duldungspflicht 223 ff., 237, 248, 281 f., 288, 463 Durchsetzungsmechanismus 194, 363, 396 Durchsetzungsrecht 121, 162, 197, Efficient breach of contract 314, 324, 484 Efficient tort 314, 484 Entdeckungswahrscheinlichkeit 343 Entschädigungsanspruch 80, 136, 146, 147, 154, 184 f., 211, 212, 214, 216, 218, 229, 232 ff., 236 ff., 245, 336, 338, 340, 348, 388, 464, 469, 473, 488 Eigentumsfreiheitsanspruch 305 Eigentumstheorie 310, 309 f. Einforderungsrecht 367 Eingriffskondiktion 2, 63, 74, 75, 77, 129, 145, 149, 187, 198 ff., 208 f., 211, 250, 482 Einheitliche Ausgestaltung von Rechtsfolgen 24 f., 54, 61, 254, 363 Einheitliches Patentgericht 88, 92 Einheitspatent 100 Einteilung von Unterlassungsansprüchen 256 ff. Einwendungen 167, 172, 268, 452 Einziehungsbefugnis 66, 159, 177, 248 Enforcement-RL 62, 88, 92, 94, 95, 100, 102, 106, 107, 111, 113, 139, 140, 142, 236, 284, 295, 410, 418, 471 Entstehungszeitpunkt –– Von Pflichten 377 ff., 402 –– Von Unterlassungsansprüchen 364, 399, 403 ff. Erfüllungsanspruch –– Unbedingter Erfüllungsanspruch 130 ff., 356
Stichwortverzeichnis
–– Rechtsbehelfsvoraussetzungen 84, 165 ff., 189 ff., 480 Erfüllung von Unterlassungsansprüchen/ Unterlassungspflichten 435 ff. Erkenntnisverfahren –– Feststellungsfunktion 57, 420 ff. Ermessen 11, 12, 13, 14, 16, 18, 19, 23, 35 ff., 52, 62, 77 ff., 119, 461, 464, 479, 480, 481, 488 –– Richterliches 35 ff., 464 –– Als Interessenabwägung 3, 47 f., 77 f., 110, 112, 115, 131, 136, 138, 222, 248, 294, 461, 462 ff., 467 ff., 478, 479, 480, 481, 485, 487 f. –– Regelbasiert 130 f. Einstweilige Anordnung 59 f., 61, 77, 436 f. Einstweiliger Rechtsschutz 220 ff., 436 f., 443 Einzelbefugnisse 65, 146, 156, 162 Erstbegehungsgefahr –– Ausräumung der Erstbegehungsgefahr 410 f., 439, 440, 442, 478, 487 –– Strafbewehrte Unterlassungserklärung 297, 358, 437, 440, 478 Equity 39, 40, 108, 131, 294 Equitable remedies 11, 16, 23, 29, 35 ff., 42 f., 46, 130, 131, 464, 479 Fälligkeit 132, 133, 166 f., 171, 192, 400, 419 Feststellung einer Unterlassungspflicht 60, 222, 274 f., 432, 438 Feststellungsklage 62, 66, 241, 247, 299 Forderung –– Anspruchsentkleidete 158 –– Einzelbefugnisse 65, 146, 162 –– Trennung Forderungsrecht und Anspruch 5, 6, 53, 54, 76, 156, 159 ff., 170, 188, 193, 194, 313 Forderungsrecht 5, 6, 53, 65, 67, 135, 159 ff., 165, 174, 177, 190, 193, 194, 199, 300, –– Selbständiges Recht 162 ff. FRAND-Bedingungen 233 Funktion von Unterlassungsansprüchen –– Außergerichtliche Streitbeilegung 357 ff.
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–– –– –– –– ––
Präventionsfunktion 325, 336 ff. Sicherungsfunktion 359 Steuerungsfunktion 359, 475 Streitbeilegungsfunktion 357 Verhaltenssteuerung 297, 337, 339, 352, 357 –– Verhandlungsmittel 478 –– Warnfunktion 337 Gemeinsames Europäisches Kaufrecht 97, 103, 112 Gemeinschaftsgeschmacksmuster 87, 91, 99, 100, 134, 291 Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung 292 Gerichtliche Anordnung –– Begriff 15 ff., 61 ff., 87 ff. –– Rechtsnatur 91 ff. Gericht –– Rolle des Gerichts 23 Gesamtanspruch 156, 163 Geschäftsführung ohne Auftrag 71, 84, 123, 166, 196 f., 217, 250, 446 Gestaltungsklage 60, 97 Gestaltungsrecht 62, 177, 180, 266, 299, 371 Gesetzlicher Unterlassungsanspruch 143, 146, 256 ff., 296, 359, 399, 408 Gewinnherausgabeanspruch 12, 24, 54, 113, 196, 212, 218, 235 f., 243, 299, 324, 337, 341, 349, 353, 354, 357, 381, 479, 484 Gewinnzusagen nach § 661a BGB 207, 211 Gläubigerperspektive 364, 383, 419 Haftung von Mittelspersonen 86, 93, 95, 102, 109, 139 ff., 285, 289, 295, 415, 419, 486 Haftungsfolgen 11, 144, 175, 299 Handlungsfreiheit 149, 176 f., 181, 351 Handlungspflicht 204, 382 Harmonisierung –– Weiche Harmonisierung 135 Hauptleistungspflicht 272 Herausgabeanspruch 299, 425 Hohfeld 146 f., 177, 180, 192, 371, 392, 419, 485 Hold-Out, Hold-Up 332, 332, 334
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Stichwortverzeichnis
Imperativentheorie 148, 150, 370 Implied contract 200 InfoSoc-RL 93, 95, 100, 102, 139, 143, 284, 310, 418, 466 Integritätsinteresse 263, 272 Interessenabwägung 47 f., 78, 110, 112, 115, 131, 136, 138, 183, 222, 248, 276 f., 281, 282, 288, 294, 397, 433, 454, 457, 461, 462, 463, 464, 467, 472, 478, 479, 480, 481, 485, 487, 488 Injunction –– Compensatory 334, 356 –– Final injunction 25 –– Interlocutory injunction 25 –– Mandatory injunction 25 –– Negative injunction 25 –– Positive injunction 25 –– Permanent injunction 39 –– Prohibitory injunction 15, 25, 36 ff., 49, 301 –– Right to injunctive relief 92, 136 –– Quia timet injunction 25 Institutionenschutz 318, 323 ff. Intermediärshaftung, Störerhaftung 93 ff., 139 ff., 235, 257, 271, 283 ff., 289 f., 295, 350, 412 ff. Kartellrecht, kartellrechtlicher Zwangslizenzweinwand 113, 202, 456, 232 f., 334, 470 f. Kerntheorie 422, 430, 431 ff., 434, 486 Klagbarkeit 56, 64, 67, 124, 151 f., 189, 212, 213, 219 ff., 263, 271, 276 f., 419, 480, Klagebefugnis 61, 65, 66, 67, 69 f., 340 Klagerecht 55, 57, 64, 70, 73 Klageverzicht 360, 484 Konkrete Rechtspflicht 364, 383 ff., 396, 408, 419, 485 Konkrete Unterlassungspflicht 258, 364 f., 385, 388, 389, 390, 393, 394 ff., 402 f., 408, 409, 411, 416, 418, 420, 421, 422, 431, 432, 435, 438, 452, 457 f., 477 f., 485, 486 Korrelation zwischen Recht und Pflicht 383 ff. Kostentragungslast 435, 476, 487,
Lauterkeitsrecht 61, 78, 87 ff., 98, 123, 137 f., 140 ff., 152, 167, 199, 201, 203, 206 ff., 243, 284, 288, 290, 355, 357, 369, 465, 470, 474 ff., 488 Lauterkeitsrechtliche Aufbrauchsfrist 130, 244 ff., 248, 459 Law of Remedies 13, 15 ff., 49, 79, 129, 143, 250, 298, 478, 480 Lebenssachverhalt 421 ff. Leistungskondiktion 2, 32, 71, 84, 198 f., 211 Leistungspflicht 39, 63, 98, 118 f., 132, 174, 215, 264, 267, 274, 277, 367, 374, 385 ff., Leistungsunterlassungsanspruch 264 ff., 272 f., 296, 304, 312, 358, 361, 407, 436, 477 –– Begehungsgefahr 269 f., 405 ff. Leistungsurteil 12, 65, 84 Liability rule 155, 228, 314, 318, 321, 322, 329, 334, 336, 468, 483 –– Reverse liability rule 334, 356, 469 Marktlösung 297, 321, 322, 326, 327, 328, 333 ff., 335 f. Marktversagen 318, 326, 335, 483 Materielles Recht 17, 18, 49, 86, 115, 117, 171 ff., 415 –– Materielles Recht im engeren Sinne 13, 26, 251 Materiellrechtlicher Unterlassungsanspruch 405 Mediation 351 f., 360 Metamorphosenlehre 70 Mitbestimmungsrechte 212, 238 ff. Mittelbare Verantwortlichkeit, siehe Intermediärshaftung Mittelspersonen –– Haftung von Mittelspersonen 86, 93 ff., 102, 109, 139 ff., 284 f., 289, 295, 415, 419, 486 Monistic view 44, 79 Nachbarrecht 41, 146, 236, 264, 279, 327, 332, 359, 442, 465, 473, 488 Nacherfüllungsanspruch 104, 188, 216
Stichwortverzeichnis
Naturalerfüllungsanspruch 14, 65, 77, 111 f., 135, 154, 166, 190 f., 213 ff., 312, 368, 384, 385, 386, 395, 463, 467, 479, 482 –– Abgrenzung zum vertraglichen Unterlassungsanspruch 300 f. –– Entstehungsvoraussetzungen 68, 71, 98, 165 ff., 300 –– Unbedingter Naturalerfüllungsanspruch 130 ff., 213 ff., 467 ff. –– Rechtsbehelfsvoraussetzungen, 130 ff., 189 ff., 480 Naturalobligation 158, 208, 367, 385, 389 Nebenleistungspflicht 262, 264, 265, 267, 269, 273, 277 f. Nebenpflichten 213, 219, 273, 277 f., 307, 415 Negative covenant 38, 301, 312, 363, 479 Negatorischer Unterlassungsanspruch 69, 258 ff., 483 Nichtleistung 30, 70, 84, 133, 159, 190, 193, 216, 387 –– Als Rechtsverletzung 31, 130 ff., 188 ff. Notstand 148, 225, 229, 346, 372, 375, 384, 385, 388, 469 Notwehr 224, 229 f., 234, 388 Ökonomische Analyse des Unterlassungsanspruchs 318 ff. Ordinary rights 13, 18, 26 Ordnungsmittel (Ordnungsgeld, Ordnungshaft) 302, 344 f., 409, 429, 437, 441, 450 f., 486 Passivlegitimation 283 ff., 289 f., 295, 412 ff. Patenttroll 147, 298, 330, 456 Patentrecht 9, 31, 40, 78, 100, 146, 147, 154, 199, 230, 232 f., 264, 317, 319, 324, 330, 332, 347 f., 355, 456, 462, 470, 472, 488 Pekuniarerfüllung 132 –– Pekuniarkondemnation 159, 160, 323 Persönlichkeitsrecht 123, 177, 182 ff., 185 ff., 198, 202, 226, 235, 259, 260, 280, 281, 318, 322, 326, 349, 356, 357, 380, 446, 484
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Pflicht –– Gegenüber jedermann 72 f., 149, 207, 288, 370, 377 f., 391, 398 ff. –– Leistungsbezogene Pflichten 273 –– Nichtleistungsbezogene Pflichten 273 –– Obhutspflichten 273 –– Rechtspflicht 73, 363 f., 366, 370, 372, 375, 376, 377 ff., 382, 383 ff., 396, 408, 413, 416, 419, 421, 432, 438, 440, 477, 485 –– Rücksichtnahmepflichten 273 –– Schutzpflichten 93, 195, 221, 263, 270, 273, 276, 401 ff., 409, 413 –– Sorgfaltspflichten 31, 273, 374, 377 –– Tenorierte Pflicht 430, 404 ff. –– Verhältnis von Rechten und Pflichten 365 ff. –– Verkehrspflichten 93, 95, 141 ff., 235, 257, 263, 278, 284, 285, 353, 368, 413 ff., 485, 486 Pflichtverletzung 70, 109, 191, 195, 247, 270, 275, 283, 289, 369, 378, 381, 386 f., 388 f., 426 Phasen der Rechtsdurchsetzung 420, 422 Prävention 16, 144, 323, 326, 339, 340 Präventionsfunktion 297, 325, 336 ff., 484 Principles of European Contract Law (PECL) 98, 103 Primäre Rechte 21, 27, 28, 49, 69 Primärverpflichtung, Primärpflicht 29, 69 Primary obligation 13, 28, 479 Primary Right 13, 17, 26, 29, 30, 34, 67, 103, 200 Prohibitory injunction 15, 25, 36 ff., 49, 301 Property rule 228, 314, 318, 321, 322, 323, 326, 328, 334, 335, 336, 483 Prozessuale Rechtsschutzform 59 ff. Prüfpflichten 141, 283, 339 Punitive damages 43, 332 Quasi-negatorischer Unterlassungsanspruch 259, 483 Rahmenrecht 177, 187, 282 –– Als Stammrecht 183, 200 ff.
536
Stichwortverzeichnis
Recht –– Mitbewerber 188, 199, 206, 207, 243, 369 –– Primäre Rechte 21, 27, 28, 49, 69 –– Nicht sittenwidrig geschädigt zu werden 207 –– Sekundäre Rechte 5, 21, 28, 29, 30, 49, 68 f., 129, 155, 156, 218 f. –– Subjektives Recht 52, 67, 84, 103, 175 ff., 202, 208, 366, 367, 369, 370 –– Recht und Pflicht als Korrespondenzbegriffe 364, 366, 383 ff. –– Verbraucherrechte 6, 168, 206, 384 Rechtebündel 310 Rechtfertigung Rechtszuweisung und Rechtsdurchsetzung 122, 146 ff., 153 ff., 248, 251, 317, 463, 482 f. Rechtsachtungspflicht 363, 364, 383 ff., 396, 397, 398, 408 Rechtsbehelf –– Prozessualer Rechtsbehelf 68, 398 –– Begriff 6 f. –– Beweislast 133, 154, 318, 459 –– Rechtsbehelfsdenken 26, 30, 49, 135, 150, 195, 250 –– Rechtsbehelfskonzept 13 –– Rechtsbehelfsmodell 2, 9, 26, 104, 124, 125, 130 ff., 134 ff., 167, 188, 190, 193, –– 196 f., 248, 250, 264, 412, 445, 454, 466, 468, 480, 487 –– Rechtsbehelfssystem 1, 6, 12, 115, 119, 122 ff., 253, 363, 460, 462 ff., 476, 478, –– 481 ff. –– Rechtsbehelfsvoraussetzungen 84, 480 Rechtsdurchsetzung –– Als eigenständiger Problemkreis 106 f., 181, 187 f., 207, 250, 251, 363, 445, 453, 454 f., 462, 465, 478, 480, 481, 482 –– Rechtfertigung der Rechtsdurchsetzung 154 f., 317, 463, 482, 483 –– Situationsadäquate Rechtsdurchsetzung 155, 180 –– Struktur der Rechtsdurchsetzung 421 ff. –– Durch Verbraucherverbände 167 f., 206, 412
Rechtsfolgendifferenzierung 185, 211 f., 213 ff., 223 ff., 238 ff., 243 ff., 248, 454 f., 462 ff., 465, 467 ff., 476, 478, 488 Rechtsfolgenrecht 1, 3, 5 ff., 68, 118 ff., 122 f., 125, 128 f., 155 ff., 173 ff., 206, 237, 248 f., 299, 313, 360, 363 ff., 383 ff., 420 f., 463, 477, 478, 481, 482, 485 –– Bedeutung 164, 165, 313 –– Entstehungsvoraussetzungen 165 ff., 193, 197 –– Mittel der Rechtsdurchsetzung 156 –– Recht der Rechtsfolgenrechte 181, 250, 478 –– Regelung der Art und Weise der Rechtsdurchsetzung 165, 181, 206, 207, 317, 483 –– Regelung der Berechtigung der Rechtsdurchsetzung 167 ff. –– Regelung der Dauer der Rechtsdurchsetzung 169 ff. –– Regelung der Voraussetzungen der Rechtsdurchsetzung 165 ff. Rechtsfolgensystem 1, 12, 85 ff., 116 ff., 123 ff., 175, 248, 480, 481 Rechtsfolgenvereinbarung 23, 195 f. Rechtsmissbrauch 230, 237, 471 Rechtspflicht 73, 363 f., 366, 370, 372, 375, 376, 377 ff., 382, 383 ff., 396, 408, 413, 416, 419, 421, 432, 438, 440, 477, 485 Rechtsposition 6, 52, 54, 68, 74, 76, 81, 104, 150, 156 ff., 167, 178 f., 181, 193, 203 ff., 210, 239, 257, 264, 280, 286, 304 ff., 341, 390, 455 Rechtsrealismus 127 Rechtsreflex 176, 207 Rechtsschutzbedürfnis 271 Rechtsübertragung 168, 231, 248, 327, 412 Rechtsverletzung 26 ff., 69 ff., 125, 159, 160, 161, 165 f., 211, 218, 240 f., 242, 246, 290 f., 342, 343, 377, 399, 443, 479, 480, 481, 486 –– Breach of contract 20, 27, 30, 31, 42, 46, 84, 144, 314, 324, 484 Rechtsverwirklichungsanspruch, Rechtsverwirklichungsfunktion 76, 122, 145,
Stichwortverzeichnis
210, 248, 254, 303 ff., 361, 364, 394 ff., 412, 480 Rechtswidrigkeit, Widerrechtlichkeit 183, 224, 228, 229 f., 234, 237, 246, 297, 281 f., 288, 393 Rechtswirkungsdenken 6, 51 Rechtszuweisung 76, 156, 185, 187, 193, 209, 303 ff., 381, 383, 390, 391, 414, 419, –– Güterzuordnung 161, 193, 198, 208 –– Präjudizierung der Rechtsdurchsetzung 153, 181, 483 –– Rechtfertigung der Rechtsdurchsetzung 147, 154 f., 248, 251, 317, 463, 482, 483, 466 –– Rechtfertigung der Rechtszuweisung 122, 147, 148, 154 f., 248, 251, 317, 457, 466 –– Unterscheidung von Rechtszuweisung und Rechtsdurchsetzung 29, 63, 74 f., 175, 180, 181, 182 ff., 187, 203 f., 206, 207, 208, 457, 466, 479, 481, 482 –– Zuweisung einer Grundbefugnis 147 Rechtszuweisungsordnung 75 ff., 79, 150 Relatives Recht –– Unterschied zu absolutem Recht 390 ff. Remedialism 44, 479 Remedial right 13, 17, 34, 49, 172, 481 Remedy 11, 13, 14, 20 f., 24, 29, 30 ff., 32 f., 35, 41 f., 44 f., 50, 67, 98, 99, 109, 120, 122, 200, 215, 479 –– Im Anspruchssystem 61 f. –– At law 16, 23, 35 –– Bedeutung 15 ff. –– Coercive 15 f. –– Common law 23, 29, 37, 42 f., 46 –– Corrective 16 –– Declaratory 16 –– Definition 15 ff. –– Equitable 11, 16, 23, 29, 35 ff., 42, 46 f., 130, 131, 464, 479 –– Judicial 15, 16 ff., 19, 33, 47, 298, 299 –– Non-coercive 15 –– Preventive 16 –– Primary 36 f., 38, 103, 312 f. –– Rechtsnatur 21 ff. –– Replicative 14, 21, 29 f.
537
–– Restitutionary 16, 33 –– Statutory 29 –– Transformative 29, 62 Remedy-Konzept 13 ff. Remedy-System 3, 11, 13 ff., 98, 103, 122, 124, 125, 128 ff., 130 ff., 140, 189, 415, 479, 480, 481 Restitution 32, 145, 250, 479 –– Restitution of an unjust enrichment 32 –– Restitution for wrongs 32, 145 Reverse liability rule 334, 356, 469 Richterliches Ermessen 35 ff., 464 Right 3, 11, 26 ff. –– Right antecedent 28 –– Right to account of profits 172 –– Right to exclude 14, 31, 40, 41, 49, 311 –– Right to specific performance 93 –– Right to restitution 14, 17, 21, 30, 33, 200 Sanctioning Right 17 Schadensersatzanspruch 56, 75, 91, 109, 113, 218 f., 154 f., 183, 188, 191, 195, 196, 198, 207, 214, 215, 217, 218 f., 235 f., 238, 243 f., 299, 375 f., 387, 391, 416, 447, 468 –– Abgrenzung zum Unterlassungsanspruch 302 ff. Schikane 230 Schrankenbestimmungen, Schrankenregelungen 12, 41, 78, 81 ff., 111, 153, 154, 184 f., 208, 224 ff., 230, 231, 268, 281 f., 309, 315, 318, 321, 394, 456, 457, 463, 465 ff., 471, 473, 478, 482, 483, 487, 488 Schuldnerperspektive 364, 383, 418, 419, 432 Schuldverhältnis 53, 68, 97, 145, 166, 175, 188 ff., 196 ff., 408 –– Im engeren Sinne 197 –– Gesetzliches Schuldverhältnis 75, 199, 200, 217, 225, 480 –– Im weiteren Sinne 197, 272 Schutzbereich, Schutzumfang 5, 81 ff., 92, 100, 182 ff., 185, 186, 187, 197 f., 202, 210 f., 224, 226, 228, 231, 248, 280 f., 331, 349, 462
538
Stichwortverzeichnis
Schutzbereichsbeschränkung 455 ff. Schutzgesetz 200, 205, 287, 340, 369, 446, 482 Schutzpflichten 195, 221, 263, 270, 273, 276, 401 ff., 409 Schutzrecht 76, 77, 93, 117, 150, 160, 161, 173, 183, 200, 205, 227, 279, 280, 281, 294, 350, 411, 424 Secondary obligation 28, 479 Secondary right 13, 14, 17, 20, 29, 47, 172 Sekundäre Rechte 5, 21, 22, 28, 29, 30, 49, 68 f., 129, 155, 156, 218 f. Self-help remedies, Selbsthilfe 15, 33, 56, 224, 225, 229 f., 238, 298, 299 Selbständiger Unterlassungsanspruch 257, 262, 396, 482 Shelfer-Kriterien 37 Sonderrechtsordnung 390 Sortenschutzrechtlicher Unterlassungsanspruch 295 Specific Performance 14, 15, 16, 19, 23, 25, 28, 29, 31, 33, 36, 38, 39 ,41, 42, 46, 47, 58, 84, 93, 98, 112, 117, 118, 120, 129, 132, 195, 213, 298, 314, 468, 479 Sperrverfügung 139, 350 Stammrecht 1, 5, 119, 123, 150, 156, 166, 167, 168, 169, 173 ff., 210 ff., 226, 228, 239, 248, 297, 300, 313, 317, 323, 357, 359, 360, 364, 383 ff., 394, 395, 397, 438, 456, 461 f., 467 ff., 470 ff., 473, 482, 483, 484, 485, 486 –– Funktion 5, 173 ff. Störerhaftung, vgl. Intermediärshaftung Stolpe-Doktrin 226 Strafbewehrte Unterlassungserklärung 293, 297, 357 ff., 406, 428, 437, 440, 478 Streitgegenstand 220, 420 ff. Subjektives Recht 52, 67, 84, 174, 175 ff., 202, 208, 366, 367, 369, 370 –– Anspruch als subjektives Recht 52, 177 –– Begriff 175 ff. –– Doppelfunktion 175 ff. –– Im engeren Sinne 64 –– Klagbarkeit 64
–– Lauterkeitsrecht 201 –– Normsetzungsbefugnis 161, 164, 380, 434 –– Im weiteren Sinne 64 Substantive rights 13, 18, 20, 21, 22, 26, 67, 479 Substanzrecht 54, 76, 118, 160, 173, 174, 176, 205 Switching costs 331, 334, 349, 350, 354, 484 Tenorierung 429 f. Titel, Titulierung 297, 302, 344 f., 358, 359, 404 ff., 420, 422, 429 ff., 432, 435 ff., 450 ff., 476, 478, 487 –– Außergerichtliche Titulierung 476, 487 –– Funktionaler Titel 437 ff. –– Gerichtliche Titulierung 422 ff., 458 –– Im weiteren Sinne 431, 435, 437, 443, 450 –– Unterlassungsansprüche 404, 411, 435 ff., 486 Tort of passing off 31 Tort of negligence 31, 201 Transaktionskosten 322, 324, 326, 328 f., 333, 334, 335, 338, 392, 484 Trias der Haftungssysteme 76 TRIPS 116, 118, 119, 310 Überkompensatorischer Rechtsbehelf 349 Überprävention 345 ff. UGP-Richtlinie 108, 137, 140 Unbestimmtheit 400 ff. Unidroit 118, 120 Unionsimmaterialgüterrecht 87 ff., 106, 116, 290 ff. Unionsmarkenverordnung 100 Unionsrechtliche Unterlassungsanordnung, unionsrechtliche Unterlassungsanordnung 85, 290 ff., 411 UN-Kaufrecht 117 ff. Unmöglichkeit 189, 193 f., 215, 283, 367 f., 387, 477, 485 Unselbständiger Unterlassungsanspruch 54, 131, 222, 262 ff., 272, 419, 463 Unterlassen, Unterlassung 4
Stichwortverzeichnis
Unterlassungsanspruch –– Direkter Unterlassungsanspruch 260 –– Drohpotential 298, 332 –– Einheitlicher privatrechtlicher Unterlassungsanspruch 52, 480 –– Entstehungsvoraussetzungen 2, 255 ff., 267 ff., 274 ff., 280 ff., 287 ff., 300, 402 ff. –– Funktion des Unterlassungsanspruchs 297 ff –– Gesetzlicher Unterlassungsanspruch 256 ff., 278 ff., 286 ff., 290 ff. –– Indirekter Unterlassungsanspruch 260 –– Medienrechtlicher Unterlassungsanspruch 264 –– Mehrwert des Unterlassungsanspruchs 302, 344, 403 ff., 411, 453, 486 –– Mittel zum Zweck 318 ff. –– Patentrechtlicher Unterlassungsanspruch 9, 147 f., 232 ff., 319, 330 ff., 488 –– Primäre Unterlassungsansprüche 311 ff. –– Richterrechtlicher Unterlassungsanspruch 256 –– Rolle des Unterlassungsanspruchs im Rechtsfolgensystem 297 ff. –– Schutzgesetzlicher Unterlassungsanspruch 260 –– Sekundäre Unterlassungsansprüche 262 –– Selbständiger Unterlassungsanspruch 257, 262, 396, 482 –– Titulierter Unterlassungsanspruch 256, 344, 420, 429, 441 –– Quasi-negatorischer Unterlassungsanspruch 256, 258 ff., 483 –– Unselbständiger Unterlassungsanspruch 131, 222, 272, 419, 463 –– Vertraglicher Unterlassungsanspruch 256 f., 262 ff., 264 ff., 367, 407 f., 438 –– Wesensmerkmal von Ausschließlichkeitsrechten 308 ff. –– Unterlassungsanordnung 4, 19, 29 ff., 69, 107 ff., 116 ff., 290 ff., 411, 479 Unterlassungserklärung, Unterlassungsund Verpflichtungserklärung –– Funktion 357 ff.
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–– Titeläquivalent 439 Unterlassungsklage 59, 68, 271, 346, 358, 405, 421 ff., 433, 441 Unterlassungspflicht 29, 36, 60, 149, 222, 245, 262 ff., 345, 357 ff., 363, 373 ff., 429 ff., 485 f. –– Abstrakte 400 ff. –– Zur Durchsetzung von Ausschließlichkeitsrechten 69, 394 ff. –– Aus gesetzlichen Verboten 397 f. –– Konkrete 146, 254, 364 ff., 385 ff., 390, 393, 394 ff., 399, 402 ff., 409, 421 ff., 453, 485 f. –– Aus negativen vertraglichen Vereinbarungen 394 f. –– Schuldnerperspektive 365, 419 –– Zum Schutz sonstiger vertraglicher Rechte 219, 261, 395 ff. Unterlassungsrechtsverhältnis 7, 407 Unterlassungstitel 302, 429 ff., 435 ff., 450 ff., 487 Unterlassungsverfügung 14, 19, 36 f., 61 f., 107 f., 111, 312, 349, 479 Unterprävention 337, 342 ff., 353, 356, 484 Umstellungskosten 331 f., 349 f., 484 Usurpation 82, 281, 303 f., 313 Verbandsklage 61, 167 f., 206, 209, 244, 340, 412 Verbote 73, 81, 101, 148 ff., 175, 182, 190, 198, 200 f., 203 f., 225, 245, 247, 265, 278, 286 ff., 309, 340, 353, 378, 397, 401, 411, 486 –– Verbot als Stammrecht 6, 206 ff., 412, 456, 478, 482 –– Tituliertes Verbot 293, 429 f., 441 –– Richterliche Verbotsnorm 60, 404, 433 f. –– Umschreibung des Verbots 201 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 97, 104, 216 Verfahrensrecht 62, 234, 295, 357 ff., 420 ff., 474 ff., 488 –– Abgrenzung zum materiellen Recht 48, 92, 101, 142, 438 f., 443 ff., 451, 453, 454, 487 Verfolgungsbefugnis 157 f., 167
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Stichwortverzeichnis
Vergütungsrecht, Vergütungsregel 147, 208, 224, 228, 230, 234, 303, 309, 327 f., 329, 333 f., 355 Vergütungspflichtige Schranke 227, 316, 483 –– Ausschluss des Unterlassungsanspruchs 81, 147, 184, 223 ff., 247 ff., 394, 463, 465 ff., 474, 482 f., 485, 488 Verhältnismäßigkeit 81, 96, 106 f., 109 ff., 130, 134, 138 f., 152, 209, 227, 231 f., 238, 244 f., 294, 346, 461, 472, 473, 474 Verhandlungslösungen 319 ff., 326 ff., 333 f., 483 f., 488 Verhandlungsstörungen 329 ff. Vernichtungsanspruch 236 ff., 299 Vorbeugende Unterlassungsklage 59, 410 Vorbeugender Rechtsschutz 287, 299 Vorbeugender Unterlassungsanspruch 261 f., 301, 441 Vorfälligkeitsentschädigung 216 Verhaltensanordnung 6, 475 Verhaltenspflicht –– Gesetzliche 123, 152, 200 ff., 243 ff., 285, 286 ff., 369 f., 400 f., 409, 474 ff. –– Vertragliche 219 ff., 263, 272 ff., 296, 367, 377, 451 Verhaltensunrecht 31, 288 Verhaltensverbote 174, 188, 201, 286 Verjährung 56, 99, 104, 123, 167 ff., 257, 270, 295, 367, 385, 407, 426 ff., 437, 459 Verfahrensrecht 48, 62, 92, 101, 142, 234, 253 f., 295, 344 f., 357 f., 420 ff.,
435, 442 ff., 451, 453, 459, 462, 474 ff., 487 ff. Verkehrspflichten 93, 95, 141 ff., 235, 257, 263, 278, 284 f., 353, 368, 413 ff., 485 f. Verletzungsunterlassungsanspruch 256, 261 ff., 439 f. Verletzungszeitpunkt 364, 399, 403 ff. Verteidigungsrecht 5, 76, 414 Vertraglicher Unterlassungsanspruch 256 f., 262 ff., 264 ff., 367, 407 f., 438 Begehungsgefahr 7, 78, 123, 133, 171, 173, 244, 261, 265, 269 f., 275, 283, 288, 291, 296, 358, 370, 398 ff., 419, 439 ff., 457, 461, 477, 486 Verschulden 113, 167, 194, 197, 215 f., 232, 270, 275, 283, 289 f., 293, 302, 338, 352, 373, 376, 451 f., 467 ff. Verwertungsbereitschaft 326 f. Verwertungsrecht 82 f., 224 f., 309 f., 465 f. Vollstreckbare Urkunde 435 Wettbewerbsverbote 257, 265, 268, 456 Wiederholungsgefahr 95, 111, 257, 261, 263, 269, 275, 283, 285, 288, 291 f., 409 ff., 428, 434, 438 ff., 446 f. Wrong 14, 16 f., 19, 26 f., 30 ff., 45, 71, 479 Zahlungspflicht 369